Therapielexikon Neurologie
Peter Berlit (Hrsg.)
Therapielexikon Neurologie
Mit 90 Abbildungen und 110 Tabellen
Prof. Dr. Peter Berlit Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen
[email protected]
3-540-67137-4 Springer Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutschen Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Thomas Mager, Heidelberg Redaktion: Sylvia Blago, Heidelberg Umschlaggestaltung: deblik, Berlin Satz: Richard Abbott, Heidelberg Gedruck auf säurefreiem Papier
SPIN: 10713613
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Vorwort Im klinischen Alltag des Krankenhauses oder der Arztpraxis kommt es darauf an, rasch die notwendigen Informationen für das einzelne Problem zur Hand zu haben. Herkömmliche Textbücher sind oft wenig hilfreich, weil das Auffinden der gewünschten Information über Inhaltsverzeichnis bzw. Sachregister kompliziert ist und das gewünschte Wissen sich häufig in umfangreichen Textpassagen verbirgt. Das vorliegende Therapielexikon Neurologie soll hier Abhilfe schaffen: alphabetisch geordnet werden alle im klinischen Alltag relevanten Symptome, Syndrome und Krankheitsbilder der Neurologie dargestellt. Besonderer Wert wird auf relevante diagnostische Verfahren, Differenzialdiagnose und therapeutisches Vorgehen gelegt. Die relevanten Medikamente sind mit ihrem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil abgehandelt und auch nichtmedikamentöse Verfahren werden berücksichtigt. Auch wenn es sich um ein „Therapielexikon“ handelt, enthält dieses Buch diagnostische und differenzialdiagnostische Informationen, die für therapeutische Entscheidungen von Relevanz sind. Autoren und Herausgeber haben sich bemüht, das für den klinischen Alltag relevante Wissen in übersichtlicher Form auf neuestem Stand darzustellen – eine elektronische Version des Lexikons mit kontinuierlichem Update ist geplant. Allen Autoren, die in mühevoller Kleinarbeit die einzelnen Stichworte erarbeitet haben, sowie Frau Dr. Blago und Herrn Dr. Mager, die verlagsseitig das Projekt kontinuierlich engagiert begleitet haben, danke ich an dieser Stelle herzlich. Über Anregungen und Rückmeldungen aus dem Leserkreis würden sich alle an diesem Werk Beteiligten sehr freuen. Möge das Therapielexikon eine praktische Hilfe im Klinik- und Praxisalltag sein! Essen im Juni 2004
Peter Berlit
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Autorenverzeichnis Dr. H. Audebert Abt. für Neurologie und klinische Neurophysiologie Sädt. Krankenhaus Harlaching Sanatoriumsplatz 2 81545 München
Dr. R. Kollmar Neurologische Universitätsklinik Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg
Dr. J. Bardutzky Neurologische Universitätsklinik Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg
Dr. L. Kornetzky (*) Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen
Prof. Dr. P. Berlit (*) Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen
Dr. M. Kornhuber (*) Neurologische Universitätsklinik Ernst-Grube-Straße 20 06097 Halle
Dr. E. Bonmann Arzt für Neurologie und Psychiatrie Hochstraße 48 46236 Bottrop Prof. Dr. O. Ceballos-Baumann Neurologische Klinik der TUM Möhlstraße 28 81675 München
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Prof. Dr. R. L. Haberl (*) Abt. für Neurologie und klinische Neurophysiologie Sädt. Krankenhaus Harlaching Sanatoriumsplatz 2 81545 München Dr. P. Hopp Neurologische Klinik, Zentrum Epilepsie Universität Erlangen Schwabachanlage 6 91054 Erlangen PD Dr. A. Jaspert-Grehl (*) Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen Dr. E. Jüttler Neurologische Universitätsklinik Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg Dr. B. Kis (*) Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen
Prof. Dr. E. Kuensch Klinik für Neurologie und Poliklinik Universitätsklinikum Rostock Gehlsheimer Str. 20 18147 Rostock Dr. E. Mix Klinik für Neurologie und Poliklinik Universitätsklinikum Rostock Gehlsheimer Str. 20 18147 Rostock Dr. C. Samii (*) Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen Prof. Dr. U. Schlegel (*) Neurologische Klinik der Universität Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn Dr. J.-M. Schneidewind-Müller Ringstraße 7 66424 Homburg Dr. A. Schreiber Abt. für Neurologie und klinische Neurophysiologie Sädt. Krankenhaus Harlaching Sanatoriumsplatz 2 81545 München Prof. Dr. S. Schwab (*) Neurologische Universitätsklinik Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg
VIII Prof. Dr. H. Stefan (*) Neurologische Klinik Universität Erlangen Schwabachanlage 6 91054 Erlangen
Prof. Dr. U. K. Zettl (*) Klinik für Neurologie und Poliklinik Universitätsklinikum Rostock Gehlsheimer Str. 20 18147 Rostock
Dr. M. Wittstock Klinik für Neurologie und Poliklinik Universitätsklinikum Rostock Gehlsheimer Str. 20 18147 Rostock
Dr. H. Zettl Tumorzentrum Universität Rostock Südstadtring 18059 Rostock
Dr. A. Wolters Klinik für Neurologie und Poliklinik Universitätsklinikum Rostock Gehlsheimer Str. 20 18147 Rostock
A
Abciximab Definition Abciximab ist ein monoklonales Antikörperfragment.
Zubereitung ReoPro® Infusionslösungskonzentrat.
Wirkungen Abciximab gehört zur Gruppe der Thrombozytenaggregationshemmer. Abciximab bindet selektiv an GpIIb/IIIa-Rezeptoren, die durch strukturelle Veränderungen nach Aktivierung der Thrombozyten auf deren Oberfläche verfügbar werden. Der GpIIb/IIIa-Rezeptor ist plättchenspezifisch und vermittelt die durch alle physiologischen Agonisten induzierte Plättchenaggregation, hat aber keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Plättchenadhäsion. Durch die Bindung von Abciximab wird insbesondere die Bindung von Fibrinogen und des von Willebrand-Faktors, die für die Plättchenaggregation von entscheidender Bedeutung sind, sowie von anderen adhäsiven Molekülen wie Fibronection und Vitronection an den GpIIb/IIIa-Rezeptor verhindert. Abciximab bindet schnell und selektiv mit hoher Affinität an die GpIIb/IIIa-Rezeptoren und führt dadurch zu einer konzentrationsabhängigen Hemmung der Plättchenaggregation. Die Bindung des Antikörpers an die Thrombozyten ist reversibel. Zwischen der Anzahl der durch Abciximab blockierten GpIIb/IIIa-Rezeptoren und der Hemmung der Plättchenaggregation besteht eine sehr gute Korrelation; eine nahezu vollständige Hemmung der Aggregation wird erreicht, wenn 80% oder mehr Rezeptoren blockiert sind. Eine Blockade von mindestens 80% der Rezeptoren wird unmittelbar nach der i. v. Bolusinjektion von Abciximab in einer Dosis von 0,25 mg/kg erreicht. Die Re-
zeptorblockade ist reversibel und sinkt 24 h nach Injektion auf ca. 50% des anfänglichen Niveaus. Abciximab hemmt signifikant die durch den Gewebefaktor in Gegenwart von Plättchen induzierte Bildung von Thrombin, ein Mechanismus, der zur antithrombotischen Wirksamkeit des Antikörpers beitragen kann. Die klinischen Wirkungen von Abciximab wurden in der multizentrischen Phase-III-EPICStudie an 2099 Hochrisikopatienten untersucht. Bei Kombination mit Abciximab in einer Dosis von 0,25 mg/kg i.v. als Bolus mit anschließender 12stündiger Infusion von 10 μg/min wurde bei Patienten mit koronarer Angioplastie die Inzidenz ischämischer Komplikationen (Tod, Myokardinfarkt) innerhalb von 30 Tagen um 34,8%, nach 6 Monaten um 30,4% im Vergleich zur Plazebogruppe gesenkt. Durch die Kombination von Plättchenfunktionshemmung und Antikoagulation traten bei den Patienten vermehrt Blutungen auf, die jedoch beherrschbar waren. Schlaganfälle und andere lebensbedrohliche Komplikationen waren in der Abciximab-Gruppe nicht signifikant häufiger als in der Plazebogruppe.
Resorption Abciximab muss i. v. appliziert werden. Im Anschluss an die i. v. Injektion fallen die freien Plasmakonzentrationen sehr schnell ab, wahrscheinlich durch die Bindung des Antikörpers an den GpIIb/IIIa-Rezeptor der Thrombozyten. Die Halbwertzeit beträgt in der initialen Phase ca. 10 min und in der sekundären Phase ca. 30 min. Die i. v. Gabe einer Bolusinjektion von 0,25 mg/kg Abciximab, gefolgt von einer kontinuierlichen i. v. Infusion von 10 μg/min führt zu relativ konstanten Plasmaspiegeln während der Infusionsdauer.
Wirkungsverlauf Eine einmalige Bolusinjektion führt zu einer raschen und dosisabhängigen Hemmung der
Abduzensparese
Anwendungsgebiete Abciximab ist womöglich indiziert bei Hochrisikopatienten, bei denen eine perkutane transluminale Angioplastie (PTCA) durchgeführt wird, auch zusätzlich zur Anwendung von Heparin und Acetylsalicylsäure. Es sollte nur in spezialisierten Einrichtungen eingesetzt und auf Patienten mit einem hohen Risiko für akute Thrombosen beschränkt werden. Für die neurologischen Indikationen liegen bislang nur Einzelfallbeschreibungen vor.
Dosierung und Art der Anwendung
allergischer Reaktionen, Thrombozytopenien oder unkontrollierter Blutungen ist die Gabe von Abciximab sofort zu beenden. Im Fall einer Thrombozytopenie und nicht kontrollierbarer Blutungen wird die Transfusion von Thrombozyten empfohlen.
Abduzensparese 3
Thrombozytenaggregation. Die Thrombozytenfunktion nach Applikation von Abciximab normalisiert sich innerhalb von 48 h.
Nervus abducens,
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Läsion
Absencen
Die empfohlene Dosis beträgt 0,25 mg/kgKG als i. v. Bolusinjektion 10 min vor PTCA mit anschließender kontinuierlicher i. v. Infusion von 10 μg/min über 12 h.
Synonyme
Unerwünschte Wirkungen
Epileptische Anfallsform mit sehr kurz andauernder Störung des Bewusstseins und einer Amnesie für diese Phase. Typisch sind abrupter Beginn und Ende des üblicherweise bis 15 Sekunden andauernden Anfalls, im Gegensatz zum komplex-fokalen Anfall kommt es nicht zu einer postiktualen Umdämmerung. Sind Abbruch der gerade ausgeführten Tätigkeit, Abwesenheit und ein starrer Blick die einzigen erkennbaren klinischen Zeichen, handelt es sich um eine einfache Absence. Bei komplexen Absencen treten neben dem Leitsymptom der Bewusstseinsstörung zusätzlich milde klonische (z. B. rhythmische Myoklonien im Bereich der Augenlider oder Mundwinkel bzw. anderer Muskelgruppen), tonische (z. B. Aufwärtsbewegung der Bulbi, Kopfreklination, Retropulsionsbewegung des Rumpfes nach hinten), atonische (z. B. Tonusverlust der Kopfhaltemuskulatur) Komponenten oder Automatismen (z. B. oral-alimentäre Automatismen, Grimassieren, Nesteln, Umherlaufen). Weiterhin können vegetative Phänomene in Form von Gesichtsblässe oder - rötung, Mydriasis, Herzrhythmusänderungen, selten auch Speichelfluss oder Urinabgang hinzutreten [1]. Eine Sonderform stellen die myoklonischen Absencen dar, die von starken bilateralen rhythmischen Zuckungen vor allem der proximalen Muskulatur der oberen Extremitäten begleitet sind. Atypische Absencen (Synonym: Petit Mal vari-
Allergische Reaktionen wurden nach einmaliger Anwendung von Abciximab noch nicht beobachtet, können aber potenziell jederzeit auftreten. Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei der Anwendung von Abciximab gehören Blutungskomplikationen, die insbesondere an der arteriellen Punktionsstelle, aber auch im Gastrointestinal- und Urogenitalbereich sowie retroperitoneal auftreten können. Bradykardie, Hypotonie, Thrombozytopenie, Übelkeit, Erbrechen, Fieber kommen vor.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Abciximab soll nicht angewendet werden bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen murine monoklonale Antikörper. Es ist kontraindiziert bei Patienten mit inneren Blutungen, mit intrakraniellen, intraspinalen und größeren Operationen während der letzten 2 Monate sowie bekannter Blutungsneigung oder vorbestehender Thrombozytopenie. Da es gegenwärtig keine Kenntnisse hinsichtlich embryotoxischer, teratogener oder mutagener Wirkungen von Abciximab gibt, sollte es Schwangeren nur gegeben werden, wenn es unbedingt notwendig ist.
Toxikologie Erfahrungen mit Überdosierungen von Abciximab liegen nicht vor. Beim Auftreten akuter
Absenzen, Petit Mal
Definition
Absencen, juvenile
dauer (>30 s) und unilateraler Beginn der Spike-Wave-Aktivität hinweisen können.
Therapie Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie); Absencen, juvenile 3
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ant) unterscheiden sich von den typischen sowohl klinisch als auch elektroenzephalographisch. Sie beginnen und enden weniger abrupt, sind häufiger von tonischen Phänomenen begleitet und weisen seltener Automatismen auf.
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Einleitung
Bewertung
Absencen sind generalisierte Anfälle, wobei sich sowohl klinisch als auch im Elektroenzephalogramm bereits initial eine Einbeziehung beider Hemisphären in die Anfallsaktivität zeigt. Typische Absencen treten im Rahmen folgender generalisierter idiopathischer Epilepsiesyndrome auf: Pyknolepsie ( Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie)), juvenile Absencenepilepsie ( Absencen, juvenile) und juvenile myoklonische Epilepsie ( Impulsiv-Petit-Mal-Epilepsie). Die Epilepsie mit myoklonischen Absencen ist gekennzeichnet durch eine häufig gestörte mentale Entwicklung und schlechteres Ansprechen auf Pharmakotherapie. Atypische Absencen sind Bestandteil symptomatischer generalisierter Epilepsien ( LennoxGastaut-Syndrom).
Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie); Absencen, juvenile 3
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Prognose Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie); Absencen, juvenile 3
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie); Absencen, juvenile 3
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Literatur 1. Stefan H, Snead OC III (1997). Absence seizures. In: Engel J Jr, Peadley T (eds) Epilepsy. A comprehensive textbook. Lippincott Raven Publishers, Philadelphia, 579590.
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Diagnostik Im Elektroenzephalogramm zeigt sich während der Absence ein rhythmischer generalisierter 3/ s-Spike-Wave-Paroxysmus, wobei die Frequenz zwischen 2,5–4/s variieren kann und häufig im Anfallsverlauf leicht abnimmt. Im interiktualen EEG finden sich bei üblicherweise normaler Hintergrundaktivität gelegentlich einzelne generalisierte Spike-Wave-Komplexe. Typische Absencen lassen sich gut durch Hyperventilation provozieren. Das iktuale EEG atypischer Absencen ist gekennzeichnet durch eine langsame (<2/s), mehr oder weniger regelmäßige Spike-WaveAktivität, es können aber auch schnellere oder andere paroxysmale Aktivitäten auftreten. Die paroxysmalen EEG-Veränderungen sind beidseitig, nicht selten aber asymmetrisch. Eine abnorme Hintergrundaktivität (Verlangsamung des Grundrhythmus, Allgemeinveränderung) und irreguläre sowie häufig asymmetrische hypersynchrone Aktivität prägen das interiktuale EEG. Differenzialdiagnostisch sind vor allem komplex-partielle Anfälle mit absenceartiger Symptomatik abzugrenzen, worauf längere Anfalls-
Absencen, juvenile Synonyme Juvenile Absencenepilepsie, Epilepsie mit spanioleptischen Absencen
Definition Idiopathische generalisierte Epilepsie mit Absencen bei Jugendlichen mit normaler psychomentaler und körperlicher Entwicklung. Das bevorzugte Manifestationsalter liegt bei fehlender Geschlechtspräferenz zwischen dem 10. und 17. Lebensjahr. Die Absencen unterscheiden sich phänomenologisch nicht von den Absencen der Pyknolepsie, wobei Absencen mit Retropulsivbewegung seltener vorkommen. Die Anfallsfrequenz ist niedrig, im Gegensatz zur Pyknolepsie kommt es nicht zu einem täglichen gehäuftem Auftreten. Bei bis zu 80% der Patienten treten zusätzlich generalisierte tonisch-klonische Anfälle auf (in der Regel Aufwach-Grand-Mal), daneben werden gelegentlich auch myoklonische Anfälle beobachtet.
Einleitung Idiopathische generalisierte Epilepsie (nach der Klassifikation der International League against
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Abszess, Hirnabszess
Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie)
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Therapie Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie)
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Prognose Wie auch die Pyknolepsie hat auch die juvenile Absencenepilepsie eine gute Behandlungsprognose, 70–85% der Patienten werden unter Therapie anfallsfrei.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie). 3
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399.
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Diagnostik
bellär >okzipital. Multiple Abszedierung in 5– 20%. Klinik: Mild bis fulminante Verläufe, häufig kurze Anamnesedauer (<2 Wochen). Im Vordergrund stehen Kopfschmerzen, Meningismus, neurologische Fokalsymptomatik, psychopathologische Veränderungen, Bewusstseinsstörung, epileptische Anfälle, Fieber. Häufigste Erreger: Streptokokken 60–70%, Bacteroides species 20–40%, Enterobakterien 20–30%, Staphylococcus aureus 10–15%, selten Pilze, Nocardia, Pneumokokken, Haemophilus influenzae. Bei abwehrgeschwächten Patienten ist der typische Erreger Toxoplasma gondii, seltener Pilze, Mykobakterien und Listerien. 3
Epilepsy [1]). Da es bei dieser Gruppe von Epilepsien Überschneidungen zwischen den einzelnen Entitäten gibt, können neben den typischen Absencen auch (Aufwach-) Grand Mal und myoklonische Anfälle auftreten.
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Diagnostik Mittel der Wahl kraniale/zerebrale Bildgebung (Computertomographie oder Magnetresonanztomographie mit und ohne Kontrastmittel). Bei Ausbildung einer Abszessmembran typisches ringförmiges Kontrastmittelenhancement mit perifokalem Ödem. Bei Abszesseinschmelzung Spiegelbildung sichtbar. Liquorpunktion bei begründetem Verdacht auf Hirnabszess wegen geringem diagnostischem Wert (weniger als 10% der Liquorkulturen positiv!) und Gefahr der Einklemmung kontraindiziert. Mikrobiologie ( Blutkultur): Versuch der kulturellen Erregerisolation (z. B. stereotaktische Aspiration). Labor: In ca. 80–90% CRP-Anstieg, in 70% Leukozytose, in circa 50% BSG-Beschleunigung. 3
Abszess, Hirnabszess Definition Umschriebene bakteriell-eitrige Enzephalitis mit Gewebseinschmelzung und Kapselbildung. 3
Einleitung Inzidenz des Hirnabszesses trotz Antibiotika in den letzten Jahrzehnten stabil (ca. 1 Patient pro 10.000 Krankenhausaufnahmen). Zunahme und Veränderung des Erregerspektrums durch AIDS, Transplantationsmaßnahmen, Tumortherapie. Pathogenese: Ca. 50 per continuitatem durch fortgeleitete parameningeale Herde (z. B. Otitis media, Sinusitis, Mastoiditis), 20% hämatogenmetastatisch (ferner Eiterherd, häufig pleuropulmonale Infekte), 10% posttraumatisch ( Schädel-Hirn-Trauma, neurochirurgische Operation), 15% kryptogenetisch. Lokalisation: Frontaltemporal >parietal >zere-
Therapie Systemische Antibiose entsprechend dem Erreger (insbesondere Behandlung des primären Fokus) für 4–6 Wochen, in der Initialphase (keine Abszesskapsel) bzw. bei unbekanntem Erreger Kombinationstherapie; falls erforderlich antiödematöse Therapie; im Einzelfall Entscheidung über operative Verfahren bei schon vorhandener Ringstruktur (Totalexstirpation, Sanierung des Primärfokus, stereotaktische Punktion mit Aspiration). gesichert Keine klinisch kontrollierten Studien bezüglich antibiotischer, antiödematöser oder operativer Behandlung.
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Abtropfmetastase
empirisch Kombinationstherapie: 1. Cephalosporin der 3. Generation. 2. Staphylokokken-wirksames Antibiotikum. 3. Anaerob wirksames Antibiotikum, z. B. Cefotaxim (Claforan®) 3×2 g/die i. v. (Kinder 4×50 mg/kgKG/die i. v.) plus Flucloxacillin (Staphylex®) bis 4×3 g/die i. v. (Kinder bis max. 100 mg/kgKG/die i. v. in 3 Einzeldosen) plus Metronidazol (Clont®) 3×500 mg/die i. v. (Kinder 2×10–15 mg/ kgKG/die i. v.). Bei intrakranieller Druckerhöhung: Osmotherapie, z. B. mit Mannit 20% 125 ml i. v. in 10 min bis 6×/die, kurzfristig Kortikosteroide (Dexamtethason: Fortecortin® 3×4 mg/die i. v. für wenige Tage).
Nachsorge Rezidivrate trotz antibiotischer und operativer Behandlung bei 5%. Vollständige Restitution in 50% der Überlebenden, bei 25% geringe neurologische Defizite, weitere 25% mit schweren Residuen (Psychosyndrome, Epilepsie in 30–70%, Hemiparesen). 3
Bewertung Prädisponierende Faktoren sind erworbene oder angeborene Immunmangel-Syndrome. Gesamtletalität beträgt unter Ausnutzung derzeitiger diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten 5–20%. Häufigste Todesursache sind erhöhter Hirndruck mit Einklemmung, Durchbruch des Abszesses mit Pyozephalus.
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dorsal; seltener intramedullär oder subdural. Akute Abszesse entstehen meistens hämatogen (auch i. v. bei Drogenabusus) oder iatrogen (Injektionen!), chronische meistens von Infektionen des umgebenden Gewebes (z. B. Osteomyelitis, Spondylodiszitis) ausgehend.
Diagnostik MRT, im Notfall auch Myelographie oder CT.
Therapie Zügige chirurgische Drainage und Fokussanierung parallel zu intravenöser Antibiotikagabe nach Antibiogramm. Bereits vor Erregeridentifikation muss eine empirische Therapie (Tab. 1) begonnen werden. Die Therapie sollte über mindestens 4 Wochen erfolgen (mindestens 6– 8 Wochen, falls der Abszess von einer Osteomyelitis ausging). Die Stellung von Kortikosteroiden ist nicht geklärt.
Prognose Liegt keine Plegie vor und bestehen die Defizite ≤36 h, ist die Erholung meist gut.
Abtropfmetastase Definition Liquorgene Tumorabsiedlung im Spinalkanal bei bestimmten malignen Tumoren, v. a. der hinteren Schädelgrube.
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Einleitung Prognose Ungünstige Prädiktoren für den Verlauf sind: Koma, Ventrikeleinbruch des Abszesses (Letalität jeweils 80–100%) und multiple Abszesse. Weiterhin: Pilzätiologie, verspätete Diagnose, sehr junges oder sehr hohes Alter.
Abszess, spinaler
Bestimmte Tumorentitäten, z. B. Medulloblastome, anaplastische Ependymome, Pinealistumoren, aber auch anaplastische Oligodendrogliome neigen zu einer Absiedlung von Tumorzellen in das Liquorkompartiment, die dem Liquorfluss und der Schwerkraft folgend „abtropfen“ und an den Meningen des Spinalkanals anwachsen können, wo sie flächige und/oder knotige Tumorabsiedlungen bilden können. Diese Komplikation verändert Einschätzung, Klassifikation, Prognose und Therapiekonzept.
Definition Eiteransammlung in einem abgeschlossenen Gewebehohlraum innerhalb des Spinalkanales.
Einleitung Lokalisation in 2/3 der Fälle epidural, meistens
Differenzialdiagnose Der bloße liquorzytologische Nachweis von Tumorzellen rechtfertigt nicht die Diagnose Abtropfmetastase, sondern ist v. a. postoperativ bei Medulloblastomen und Ependymomen häu-
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Abulie
Abszess, spinaler. Tab. 1: Empirische Therapie epiduraler Abszesse Kombination
und und
Substanz
Dosierung
Flucloxacilin oder Vancomycin Cefotaxim Aminoglykosid oder Metronidazol
6mal 2 g 3mal 1 g 3mal 2 g Nach Körpergewicht 3mal 0,5 g
fig. Der kernspintomographische Nachweis ist dagegen diagnostisch eindeutig.
lige Sprechverlust durch Unterbrechung der phonischen Innervation verstanden.
Prophylaxe
Einleitung
Lediglich bei makrospopisch inkompletter Resektion eines malignen Ependymoms der hinteren Schädelgrube herrscht Uneinigkeit darüber, ob eine „prophylaktische“ Bestrahlung der gesamten Neuroachse das Auftreten spinaler Abtropfmetastasen verhindert. In der Regel treten jedoch in dieser Situation auch lokoregionale Rezidive in der hinteren Schädelgrube auf, so dass der Stellenwert einer prophylaktischen Bestrahlung bei Ependymomen unklar ist. Das gleiche gilt für Keimzelltumoren der Pinealisregion. Bei Medulloblastomen jedoch ist die Radiatio der gesamten Neuroachse auch ohne Nachweis spinaler Tumorabsiedlungen integraler Bestandteil der Therapie bei über 4 Jahre alten Kindern.
Abulie findet man bei psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere bei depressiven Syndromen und schizophrenen Psychosen, bei höhergradigen Paresen, beim motorischen Neglekt, organischen Hirnschäden und Frontalhirnsyndromen, sowie beim akinetisch-abulischen Syndrom nach Einnahme von Neuroleptika.
Differenzialdiagnose Abzugrenzen sind hypokinetische Syndrome, wie Parkinson-Syndromen, Steele-RichardsonOlszewsky-Syndrom, die kortikobasale Degeneration (CBD) und dementielle Syndrome.
Prophylaxe Abhängig von der vorliegenden Grunderkrankung.
Therapie Die Therapie erfolgt in Abhängigkeit von der Tumorpathologie des Ausgangstumors.
Therapie
Prognose
gesichert Evtl. intensive logopädische Therapie.
Die Prognose wird durch das Auftreten spinaler Abtropfmetastasen getrübt, dies gilt insbesondere für Ependymome und Keimzelltumoren. Medulloblastome werden bei Nachweis spinaler Metastasen dem Tumorgrad TXM3 zugeordnet.
Ebenfalls abhängig von der Grunderkrankung.
empirisch Bei Neuroleptikamedikation Reduktion oder Umsetzen der Medikamente.
Nachsorge Logopädische Therapie.
Abulie
Bewertung Abhängig von der Grunderkrankung.
Definition
Prognose
Willenlosigkeit, psychomotorische Verlangsamung mit dem Unvermögen, Willensäußerungen erkennbar zum Ausdruck zu bringen. Im logopädischen Bereich wird als Abulie der völ-
Abhängig von der Grunderkrankung.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Abhängig von der Grunderkrankung.
Acetazolamid
Acetazolamid
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Acetazolamid reichert sich in allen CA-haltigen Geweben an, vor allem in Erythrozyten.
Zubereitungen
Elimination
Diamox® Tabletten, Diamox® parenteral Trockensubstanz, Diamox® retard Kapseln 500 mg, Diuramid Tabletten, Glaupax® Tabletten.
Acetazolamid wird nicht metabolisiert. Es wird im proximalen Tubulus über das Transportsystem für organische Anionen sezerniert und durch nichtionische Diffusion reabsorbiert. Die Substanz wird bei einmaliger Applikation binnen 24 h fast vollständig renal ausgeschieden.
Acetazolamid wird nach peroraler Gabe rasch und vollständig resorbiert. Die Wirkung hält ca. 12 h an. Die Plasmabindung beträgt 60–90%.
Hauptanwendungsgebiet ist die Behandlung des Glaukoms. Eine heute obsolete Indikation war die Anfallsprophylaxe bei Epilepsie. Weitere Indikationen sind der Pseudotumor cerebri, der Morbus Menière und einige Formen der Ionenkanalkrankheiten (insbesondere hypokaliämische Paralyse). Empfohlene Dosis 250–500 mg alle 8–12 h. Zur Symptomprophylaxe bei der Bergsteigerkrankheit wird empfohlen, 5 Tage vor dem geplanten Aufstieg täglich jeweils 500 mg Acetazolamid einzunehmen. Dadurch können die Symptome wie Schwäche, Schwindel, Übelkeit und Atemnot vermindert werden. Bei Auftreten eines lebensbedrohlichen Lungen- oder Hirnödems ist die alleinige Therapie mit Acetazolamid nicht ausreichend. 3
Resorption
Anwendungsgebiete
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Acetazolamid ist der Hauptvertreter der Carboanhydrasehemmstoffe. Für die Carboanhydrase-hemmende Wirkung ist die Sulfonamidgruppe wesentlich, bei Arylsubstitution in der Aminogruppe geht der Hemmeffekt verloren. Die diuretische Wirkung von Acetacolamid beruht auf einer spezifischen reversiblen Hemmung der Carboanhydrase, die in der Niere vorwiegend im proximalen Tubulus vorkommt. Daneben findet sich Carboanhydrase auch in Erythrozyten, Gehirn, Auge, Magenschleimhaut und Pankreas. Eine Hemmung der CA führt zu vermehrter Ausscheidung von Natrium, Bicarbonat und Wasser. Im proximalen Tubulus werden normalerweise 50–70% des filtrierten Natriums rückresorbiert. Die Rückresorptionskapazität des proximalen Tubulus für Bicarbonat kann durch Acetazolamid fast vollständig gehemmt werden. Unter Carboanhydrasehemmung wird ein alkalischer, bicarbonatreicher Harn ausgeschieden. Die fraktionelle Natriumausscheidung nimmt um 2–5% zu. Der Bicarbonatbestand des Organismus wird reduziert, es entwickelt sich eine hyperchlorämische Azidose, die schließlich zum Wirkungsverlust von Acetazolamid führt. Durch die gesteigerte Natriumbicarbonatausscheidung kommt es zu vermehrter Elimination von Kalium, Calcium und Phophat. Unter Acetazolamid kann die Anfallshäufigkeit bei Epilepsie vermindert werden. Ursächlich werden eine Anhebung der Krampfschwelle bei metabolischer Azidose, eine Hemmung der Liquorproduktion durch den Plexus choroideus oder direkte Effekte durch den erhöhte pCO2 diskutiert. Infolge der gefäßdilatierenden Wirkung von CO2 kann es kurzfristig zur Steigerung der Hirndurchblutung kommen.
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Wirkungen
Unerwünschte Wirkungen Allergische Hautreaktionen und Überempfindlichkeitserscheinungen, Urticaria, Exanthem, Fieber, Knochenmarksdepression sind selten, können aber wie bei allen Sulfonamiden auftreten. Zentralnervensystem: Bei sehr hohen Dosen sind Schwäche und Benommenheit häufig, bei hohen Dosen werden Parästhesien mit Taubheit und Kribbeln beobachtet. Thrombozytopenie, Agranulozytose und aplastische Anämie sind beschrieben. Kurzatmigkeit. Gastrointestinale Störungen, leichte Anorexie, rezidivierendes Erbrechen oder Durchfall. Leberfunktionsstörungen und Verschlechterung einer hepatischen Enzephalopathie, Glukosetoleranzstörungen. Nephrocalcinose, durch Steigerung der renalen Iodelimination kann ein rel. Iodmangel auftreten. Hypokaliämie, metabolische Acidose.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Die Anwendung von Acetazolamid verbietet
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Acetylsalicylsäure (ASS)
sich bei Nierenversagen und Anurie, Nebenniereninsuffizienz, Hypovolämie, Natrium- und/ oder Kaliummangelzuständen, hyperchlorämischer Acidose. Bei schweren Leberfunktionsstörungen und Leberzirrhose (Präcoma und Coma hepaticum) wird durch Verminderung der Ammoniumausscheidung die hepatische Enzephalopathie verschlechtert.
Wechselwirkungen Durch Verschiebungen im Elektrolythaushalt (Kaliummangel), auch bei gleichzeitiger Gabe von Glucocorticoiden oder Laxantien Verstärkung der Wirkung von Herzglykosiden. Bei gleichzeitiger Lithiumtherapie Verstärkung der kardio- und neurotoxischen Wirkung.
Dosierung/Anwendung Erwachsene 2–4×200 mg/die (bei stark geschädigter Immunabwehr 4×400 mg/die) in Tablettenform. Kinder >2 Jahre: Erwachsenendosis, Kinder <2 Jahre: Hälfte der Erwachsenendosis. Bei i. v.-Infusion: Säuglinge bis 3 Monate, Kinder über 12 Jahre und Erwachsene mit normalem Immunsystem: Einzeldosis 5 mg/kgKG 3×/ die (bei Herpes neonatorum und Herpes-simplex-Enzephalitis beträgt die Einzeldosis 10 mg/ kgKG). Bei Patienten mit Immundefekten und Kindern ab 3 Monaten bis 12 Jahren: Einzeldosis 250 mg/m2KO 3×/die. Bei Herpes-simplex-Enzephalitis beträgt die Einzeldosis 500 mg/ m2KO.
Unerwünschte Wirkungen
ASS
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Aciclovir Zubereitungen Tabletten mit 200 mg, 400 mg, 800 mg. Trockensubstanz zur i. v.-Infusion mit 250 mg und 500 mg.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Aciclovir-ratiopharm® 200/400/800 Filmtabletten, Aciclovir 200/400/800 von ct Tabletten, Aciclovir 200/400/800 Heumann Tabletten, Zovirax® 200/400/800 Filmtabletten. Aciclovir Fresenius 250/500 mg Trockensubstanz zur i. v.-Infusion, Aciclovir-ratiopharm® 250 p. i./500 p. i. Durchstechflaschen mit Trockensubstanz zur i. v.-Infusion, Zovirax® 250 p. i./500 p. i. Durchstechflaschen mit Trockensubstanz zur i. v.-Infusion.
Anwendungsgebiete Varizella-, Herpes-simplex-, Herpes-genitalisInfektionen der Haut/Schleimhäute, Prophylaxe bei Erwachsenen (insbesondere mit geschwächter Immunabwehr) mit rezidivierender Herpesgenitalis-Infektion. Herpes-zoster-Infektion, Herpes-simplex-Enzephalitis ( Enzephalitis, Herpes-simplex-Enzephalitis), Herpes neonatorum.
Mögliche Resistenzentwicklung bei Immunsupprimierten. Bei i. v.-Infusionen kurzfristiger Anstieg von Harnstoff, Kreatinin, Leberwerten und Absinken hämatologischer Parameter. Bei Patienten mit kompliziertem Verlauf Auftreten reversibler neurologischer Erscheinungen (Verwirrtheit, Halluzinationen, Unruhe, Tremor, Krampfanfälle, Schläfrigkeit, Koma), Übelkeit, Erbrechen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Vorsicht bei gleichzeitiger Verabreichung von Wirkstoffen, die die Nierenphysiologie beeinflussen (z. B. Ciclosporin und Tacrolimus).
Wechselwirkungen Probenecid verringert die renale Ausscheidung, bei Überdosierung forcierte Diurese mit Alkalisierung des Harns oder Hämodialyse.
Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer Synonyme Atrophia cutis idiopathica
Definition Die Acrodermatitis chronica atrophicans ist die dermatologische Manifestation einer LymeBorreliose ( Borreliose) im Stadium III und ist durch livide Verfärbung und Atrophie der 3
Acetylsalicylsäure (ASS)
3
Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer
Haut insbesondere an den unteren Extremitäten gekennzeichnet.
Einleitung Die Symptomatik ist meist einseitig oder asymmetrisch und ist subjektiv fast asymptomatisch. Man unterscheidet ein infiltratives Stadium (ödematöse Schwellung der Haut mit unscharfer Begrenzung) von einem atrophischen Stadium (Zurückbildung des Ödems, pergamentartige Haut mit durchschimmernden Gefäßen). Zusätzlich kann über den Streckseiten der großen Gelenke eine fibromatöse Verdickung (Akrofibromatose) und pseudosklerodermatische Fibrosierung auftreten.
Differenzialdiagnose Eine ähnlich erscheinende Hautmanifestation haben Perniones bei chronischer Kälteexposition, das chronisch rezidivierende Erysipel und das Klippel-Trenaunay-Syndrom.
Prophylaxe Der beste Schutz vor der Lyme-Borreliose ist die Vermeidung eines Zeckenbisses. In Gebieten mit bekannter Zeckenpandemie sollte daher das Tragen von Hosen und langärmeliger Hemden obligat sein. Schutz können Insektenrepellants bieten, die auf die Haut oder Kleidung aufgetragen werden können. Zu beachten sind v. a. bei Kindern die allergischen und neurotoxischen Nebenwirkungen der Insektenabwehrmittel aufgrund der Aufnahme über die Haut. Eine prophylaktische Antibiotikagabe hat sich in klinischen Studien nicht bewährt [1]. Ein Impfstoff ist von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zwar zugelassen, muss auf-
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grund des schnellen Rückgangs des Antikörpertiters jedoch mindestens jährlich aufgefrischt werden und erlangt erst nach der dritten Impfung über einen Zeitraum von 12 Monaten seine Wirksamkeit [2].
Therapie gesichert Die Therapie der Acrodermatitis chronica atrophicans im noch nicht atrophischen Stadium erfolgt gewöhnlicherweise über 3 Wochen. Die in Tab. 1 aufgeführten Antibiotika sind sinnvoll. Doxycyclin sollte sogar über 4 Wochen verabreicht werden.
Prognose Durch eine adäquate antibiotische Therapie kann auch die chronische Form der Lyme-Borreliose gut behandelt werden. Die Heilungsrate bei den chronischen Formen liegt mit ca. 80– 85% jedoch niedriger als bei den akuten Formen (90–95%). Das atrophische Stadium der Acrodermatitis chronica atrophicans wird durch Antibiotikagabe nicht mehr beeinflusst, da es sich um ein Endstadium handelt.
Literatur 1. Shapiro ED, Gerber MA, Holabird NB, et al. A controlled trial of antimicrobial prophylaxis for Lyme disease after deer-tick bites. N Engl J Med 1992; 327:1769–73. 2. Steere AC, Sikand VK, Meurice F, et al. Vaccination against Lyme disease with recombinant Borrelia burgdorferi outer surface protein lipoprotein A with adjuvant. N Engl J Med 1998; 339:209–15. 3. Strie F. Principles of the diagnosis and antibiotic treatment of Lyme borreliosis. Wien Klin Wochenschr 1999; 111: 911–915
Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer. Tab. 1: Antibiotikatherapie bei Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer (nach Strie 1999) Medikament
Gabe
Dosierung
Doxycyclin
Oral
2×100– 200 mg
Kinder
Kontraindikation
Amoxicillin
Oral
3×0,5–1 g
20– 50 mg/kg
Bei Allergie
Ceftriaxon
i.v.
2g
50– 100 mg/ kg
Bei Allergie
Penicillin G
i.v.
20 MIU
0,25– 0,5 MIU
Bei Allergie
Bei Kindern, in der Schwangerschaft, Stillzeit, bei Allergie
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ACTH-Kortisol-Tagesrhythmik
ACTH-Kortisol-Tagesrhythmik Synonyme CRH-Kortikotropin-Kortisol-Tagesrhythmik
Definition Zirkadianer Rhythmus der Ausschüttung von Kortisol gesteuert durch hypophysäres ACTH, dessen Ausschüttung wiederum durch CRH kontrolliert wird.
Grundlagen ACTH, das im Hypophysenvorderlappen gebildet wird, fördert die Synthese der Glukokortikoide in der Nebennierenrinde, die daraufhin vermehrt ins Blut ausgeschüttet werden. Sowohl die Bildung von CRH als auch von ACTH wird im Sinne eines negativen Feedback durch Glukokortikoide gehemmt und durch Kälte oder Stresszustände gesteigert. Die höchsten Werte finden sich physiologischerweise am Morgen, die niedrigsten nachts. Bei verschiedenen endokrinen Erkrankungen, insbesondere beim hypophysären Hyperkortisolismus, z. B. bei Vorliegen eines Hypophysenadenoms, ist diese Tagesrhythmik aufgehoben.
Differenzialdiagnose Synkopen anderer Ursachen (Orthostase, Miktionssynkope), epileptische oder psychogene Anfälle mit oder ohne begleitende Herzrhythmusstörungen.
Prophylaxe Behandlung der Grunderkrankung, z. B. Herzinfarkt, KHK, entzündliche Schädigungen des Herzmuskels, Erkrankungen des Erregungsleitungssystems oder defekter Herzschrittmacher.
Therapie Zu unterscheiden sind Akuttherapie und Sekundärprophylaxe, die sich nach der Grunderkrankung richtet. gesichert Bei längerdauerndem Anfall: Beatmung und Herzdruckmassage, evtl. temporärer, externer Schrittmacher.
Nachsorge Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung. Antiarrhythmika und/oder Herzschrittmacher.
Bewertung
Synonyme Morgagni-Adams-Stokes-Anfall, Adams-Stokes-Syndrom, Adams-Stokes attack
Definition Kurz dauernde, meist anfallsartige zerebrale Hypoxämie aufgrund akuter Herzrhythmusstörungen mit Blässe, Schwindel und bei längerem Bestehen Apnoe und Pulslosigkeit mit akuter Lebensgefahr.
Einleitung Man unterscheidet ursächlich zwischen Asystolie oder extremer Bradykardie einerseits und tachykarden Herzrhythmusstörungen mit Kammerflattern oder –flimmern andererseits sowie Mischformen. Zumeist ist die Ursache aber ein AV-Block III°. Die folgende Asystolie dauert meist zwischen 4–10 s. Überdauert die zerebrale Ischämie 15– 20 s, kommt es zu klonischen Zuckungen.
Prognose Abhängig von der akuten Therapie, der zugrunde liegenden Erkrankung und der Sekundärprophylaxe.
Adamkiewicz-Arterie (Arteria radicularis magna) Definition Größter der vorderen Radikulararterienäste (meist zwischen Th9 und Th12), versorgt meist das gesamte kaudal davon liegende Rückenmark.
Grundlagen Ihr Verschluss führt zum magna-Syndrom.
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Adam-Stokes-Anfall
Jeder Anfall bedarf wegen der bestehenden Lebensgefahr der sofortigen Akuttherapie und der anschließenden raschen Abklärung der Ursache.
Arteria-radicularis-
ADCA (autosomal-dominante zerebelläre Ataxien, spinozerebelläre Ataxien SCA 1–1 ...
ADCA (autosomal-dominante zerebelläre Ataxien, spinozerebelläre Ataxien SCA 1–19) Synonyme Weitgehend sind damit die autosomal-dominanten spinozerebellären Ataxien (SCA) gemeint. In der älteren Nomenklatur wird nach neuropathologischen Kriterien in eine Gruppe mit ausschließlicher Kleinhirnrindenatrophie (Typ Holmes) und eine Gruppe mit olivo-ponto-zerebellärer Atrophie (Typ Menzel) unterteilt. Heute abgelöst von der genetischen Klassifikation der spinozerebellären Ataxien (SCA). Ataxie 3
Definition ADCA bezieht sich auf eine nach klinischen Kriterien geordnete Klassifikation von zerebellären Ataxien und löste die erste neuropathologisch orientierte Klassifikation dieser heterogenen Gruppe dominant vererbter Ataxien mit Beginn meist nach dem 20. Lebensjahr ab. Das Konzept der ADCA wurde von Harding 1982 [1] eingeführt. Diese klinische Unterteilung der autosomal-dominanten zerebellären Ataxien nach klinischen Kriterien (ADCA Typ I–III) wird allerdings wiederum von der genetischen Klassifikation der spinozerebellären Ataxien (SCA) mit bisher 19 zum größten Teil beschriebenen unterschiedlichen SCA-Genloki und teilweise auch bekannten Genen und Genprodukten abgelöst.
Einleitung Bei dem am häufigsten auftretenden ADCA Typ 1 kommen nach Beginn meist mit Gangund Standataxie weitere Krankheitszeichen hinzu: Sakkadenverlangsamung/Ophthalmoplegie, Optikusatrophie, Pyramidenbahnzeichen, Muskelatrophien, Sensibilitätssstörungen u.a. Der ADCA Typ 1 ist heterogen und weist mindestens fünf verschiedene Mutationen auf: SCA1 (Repeatlokalisierung 6p22-p23 Exon), SCA2 (Repeatlokalisierung 12q24.1 Exon), SCA3 (Machado-Joseph-Erkrankung Repeatlokalisierung 14q32.1 Exon), SCA4 (Chromsom 16q) und SCA5 (Zentromerregion von Chromosom 11). Bei der SCA1, 2 und 3 handelt es sich um die Expansion eines Trinukleotid (CAG)-Repeats in einem kodierenden Genabschnitt. Somit ist
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SCA1–3 einem direkten Gentest zugänglich. Je länger das Repeat, desto früher beginnt die Erkrankung und desto schwerer verläuft sie. Wie bei anderen Trinukleotid-Repeat-Erkrankungen kommt es bei den Familien zu dem Phänomen der Antizipation, d. h. der Tendenz zum früheren Krankheitsbeginn in nachfolgenden Generationen. Nachkommen männlicher Erkrankter sind häufiger und stärker von der Antizipation betroffen als Kinder erkrankter Mütter (sogenanntes Imprinting bei paternaler Transmission). Das Genprodukt ist bei SCA 1–3 bekannt (Ataxin 1, 2 und 3) [2]. Bei SCA2 ist wie bei SCA1 vor allem das Kleinhirn und der Hirnstamm betroffen. Klinische Kennzeichen sind neben der Ataxie eine Areflexie und langsame Sakkaden. Die SCA3 entspricht der sogenannten Machado-Joseph-Krankheit, die durch zerebelläre Ataxie, Ophthalmoplegie, Muskelatrophien, Basalgangliensymptome, Spastik und Rigor gekennzeichnet ist. SCA4 (Chromosom 16q) kennzeichnet sich durch im Vordergrund stehende spinale Ataxie ohne begleitende Okulomotorikstörung. Bei SCA5 wurde die Mutation in einer Familie auf das Zentromer des Chromosom 11 eingegrenzt und ist bei späterem Beginn durch eine rein zerebelläre Symptomatik und einen benignen Krankheitsverlauf charakterisiert. ADCA Typ II bezieht sich auf autosomal-dominante Ataxien mit pigmentärer Retinadegeneration (SCA7, Genprodukt Ataxin 7, Genlokalisation 3p21.2-p12 Exon) mit Beginn zwischen dem 28. und 50. Lebensjahr, Antizipation und Imprinting. ADCA Typ III beinhaltet Ataxien mit einer rein zerebellären Verlaufsform, gelegentlich mit Dyskinesien und abnormalen Reflexen, bei denen praktisch ausschließlich das Zerebellum betroffen ist. Hierzu gehören SCA6 (Gen CACNAIA, Alpha1A-Kalziumkanal, Lokalisation 19p13 Exon) und SCA8 (Lokalisation 19p13 3’UTR). Antizipation ist wahrscheinlich bei SCA6, Beginn zwischen dem 28.–50. Lebensjahr.
Diagnostik Familienanamnese und Klinik sind richtungsweisend. Die Diagnose einer SCA1, -2, -3, 6-, -7, -8, -10, -12 Ataxie ist wie bei der DLPLA (dentatorubrale pallidoluysische Atrophie) und FRDA (Friedreich-Ataxie) mittels
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Addison-Krise
einer PCR-Diagnostik bei einzelnen Betroffenen möglich [3]. SCA4, -5, -9, -11, -13, -14 und -15 können bisher nur in Familien mit mehreren lebenden Betroffenen aus mindestens zwei Generationen durch Kopplungsanalyse nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden. Sensible NLG, SSEO und AEP sind bei ADCA Typ I häufig pathologisch, hingegen bei Typ III meist normal. Strukturelle Bildgebung mit CCT bzw. besser mit MRT lässt bei Typ I häufig eine olivoponto-zerebelläre Atrophie und evtl. eine Rückenmarksatrophie nachweisen, bei Typ III dafür eine reine Kleinhirnatrophie.
Therapie Physikalische Maßnahmen in Form aktiver Krankengymnastik sind wichtigster Bestandteil der Behandlung. Ansonsten symptomatisch: z. B. Versuch mit Levodopa bei SCA3 mit Rigidität. Dopa-responsive Phänotypen mit vorwiegender Parkinson-Symptomatik sind beschrieben worden.
Addison-Krise Synonyme Akute Nebennierenrindeninsuffizienz
Definition Akut einsetzender, lebensbedrohlicher Ausfall der Nebennierenrindenfunktion mit absolutem oder relativem Mangel an Nebennierenrindenhormonen. Dieser äußert sich in Übelkeit, Erbrechen, Rückenschmerzen, Zyanose, Pulsverlangsamung, Hypotension, supraventrikulärer Tachykardie, Dehydratation und akuter Hypothermie.
Einleitung
Eine spezifische Therapie der autosomal-dominanten zerebellären Ataxie ist bisher nicht bekannt.
Ein akuter Kortisolmangel ist lebensbedrohlich, ein plötzlicher kompletter Ausfall aber selten. Liegt nicht ein Apoplex des Hypophysenvorderlappens oder der Nebennierenrinde, bzw. eine Entfernung dieser Organe im Rahmen einer OP vor, entwickelt sich die Krise meist im Rahmen einer Autoimmunkrankheit, des Morbus Addison, mit Abgeschlagenheit, Schwäche, Inappetenz, Störungen des Mineral-, Wasser- und Säure-Basen-Haushaltes, temporären Hypoglykämien und Gewichtsverlust.
empirisch
Differenzialdiagnose
Die Therapie etwaiger begleitender neurologischer Zeichen wie Spastik, Dystonie u. a. erfolgt symptomatisch.
Andere endokrine Erkrankungen, wie Hypothyreose, thyreotoxische Krisen, hyper- und hypokalzämische Krisen. Andere komatöse Bewusstseinsstörungen traumatischer, vaskulärer, metabolischer oder toxischer Genese.
gesichert
unwirksam/obsolet Die Wirksamkeit von L-5-Hydroxytryptophan, Amantadin, Isoniacid, Cholinesterasehemmer und Odansetron ist nicht bewiesen.
Prophylaxe
Literatur
Therapie
1. Harding A.E (1982). The clinical features and classification of the late onset autosomal dominant cerebellar ataxias. A study of 11 families, including descendants of the Drew family of Walworth'. Brain, 105(Pt 1):1–28. 2. Klockgether T, Bürk T and Dichgans J (1996). Zerebelläre Bewegungsstörungen (Ataxien). In: Conrad B und Ceballos-Baumann A.O. (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie, Thieme, Stuttgart New York 254–279. 3. Tan E.-K. and Ashizawa T (2001). Genetic testing in spinocerebellar ataxias. Arch Neurol 58: 191– 195.
Substitution von Mineralo- und Glukokortikoiden.
Bei kardialer Dekompensation und Apnoe sofortige Reanimation. gesichert Substitution von Glukose (5%ige, i. v.). Sofortige Substitution von Nebennierenrindenhormonen (Hydrokortison 100–400 mg i. v. alle sechs Stunden mit Glukose). Sofortige Zufuhr von Flüssigkeit (nicht mehr als 3000 ml täglich) und Kochsalz. Evtl. Ausgleich einer Azidose und Senken des Kaliumspiegels mittels Glukose und Insulin. Zusätzlich i. v.-Antibiose.
Adenom, Hypophyse
Nachsorge Abklärung der Ursache und Substitution von NNR-Hormonen (zunächst 100 mg Hydrokortison/Tag). Nach erfolgreicher Behandlung des Schocks Umstellung auf 5 mg Prednison oral am Morgen und 2,5 mg abends.
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thyreotropen, der gonadotropen, der laktotropen und der somatotropen Achse. Wesentlich ist die Kernspintomographie mit Feinschichtung der Sellaregion und die ophthalmologische Untersuchung mit Computerperimetrie.
Therapie Abhängig v. a. vom Ausmaß der Elektrolytentgleisung. Ohne Behandlung infauste Prognose, unter Behandlung dramatische Besserung.
Diätetik/Lebensgewohnheiten M. Addison
3
Adduktorenspasmus Definition Oft schmerzhafte Tonuserhöhung der Adduktoren bei spastischer Paraparese.
Therapie Spastik
3
Adenom, Hypophyse Definition Neubildungen der Adenohypophyse, die entweder hormonaktiv/hormonsezernierend oder hormoninaktiv sind.
Einleitung Hypophysenadenome sind gutartige Neubildungen ausschließlich des Hypophysenvorderlappens, die durch neuroendokrinologische und/oder neurologische Störungen klinisch manifest werden. Dabei sind neurologisch Sehstörungen i. S. eines inkompletten Chiasmasyndroms, okulomotorische Hirnnervenausfälle und Zephalgien die Leitsymtome. Einblutungen in ein Hypophysenadenom können als Hypophysenapoplexie zu Kopfschmerzen, Sehstörungen, hypothalamischer Störung bis hin zur Bewusstlosigkeit führen.
Die Therapie ist abhängig von der Hormonproduktion des Adenoms, von seiner Größe und von seiner Ausdehnung sowie Invasivität. gesichert Mikroprolaktinome werden zunächst medikamentös mit Dopaminagonisten, z. B. Bromocriptin behandelt, womit in 60–90% eine Normalisierung des Prolaktinwertes und eine Schrumpfung des Tumors erreicht werden kann. Es handelt sich dabei allerdings um eine Dauertherapie. Bei den anderen Adenomen ist in der Regel die transnasale und/oder transkranielle Resektion die Behandlungsmethode der Wahl, wobei eine Ausdehnung nach parasellär und ein invasives Wachstum in Nachbarschaftsstrukturen die rein transnasale Resektion unmöglich machen. Bei nicht operativ sanierten Adenomen kommt die Strahlentherapie als adjuvante Therapiemethode in Frage, wobei über fraktionierte Behandlung mit dem Linearbeschleuniger ca. 45 Gy verabreicht werden. Alternativ steht die stereotaktische Einzeitbehandlung mit dem Linearbeschleuniger oder mit dem Gamma-Knife zur Verfügung. In keinem Fall ist die operative Resektion ausreichend beim Nelson-Tumor. 3
Prognose
empirisch Ob eine Vorbehandlung von Makroprolaktinomen mit Dopaminagonisten zur Größenreduktion vor OP sinnvoll ist, wird unterschiedlich bewertet; eine Volumenschrumpfung kann mit einer unerwünschten Fibrosierung einhergehen. Keinen festen Stellenwert hat die Behandlung von somatostatinproduzierenden Adenomen mit dem Somatostatinanalogon Octreotide. Es wird allenfalls eingesetzt bis zum Eintritt des Strahlentherapieeffektes bei nichtoperablen GH-produzierenden Adenomen.
Nachsorge Diagnostik Die Diagnose stützt sich auf die neuroendokrinologische Diagnostik der kortikotropen, der
Regelmäßige neurologische, kernspintomographische und neuroendokrinologische Kontrolluntersuchungen sind erforderlich, da die Tumo-
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Adenoma sebaceum
ren rezidivieren können, da häufig eine hormonelle Substitution durchgeführt werden muss und da nach Strahlentherapie die Hormonproduktion eines Adenoms erst mit Latenz von mehreren Jahren absinken kann.
Prognose Die Prognose eines operativ sanierten Hypophysenadenoms ist gut; in allen Fällen sind allerdings regelmäßige Kontrollen erforderlich.
phin, Barbiturate, Indomethacin). Nicht selten findet sich ein SIADH als Folge einer akuten Dysautonomie bei Guillain-Barré-Syndrom. Charakteristisch ist die hypotone Hyperhydratation mit Hyponatriämie und Hypernatriurie bei normaler Nierenfunktion mit Gewichtszunahme durch Ödembildung, des Weiteren Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit, Somnolenz, u. U. Koma oder epileptische Abfälle und Gefahr des Hirnödems.
Differenzialdiagnose Hyponatriämien anderer Genese, z. B. renal, andere endokrine Erkrankungen, z.B. Addison-Krise, exzessive Freisetzung von atrialem natriuretischem Faktor (ANF) oder im Rahmen des sog. zerebralen Salzverlustsyndroms (CSW).
Adenoma sebaceum Definition Kutane Angiofibrome im Gesicht.
Einleitung Die am stärksten in der Nasiolabialfalte ausgeprägten kutanen Angiofibrome sind pathognomonisch für die tuberöse Sklerose.
Prophylaxe Regelmäßige Kontrolle der Serumelektrolyte bei Patienten mit Vorliegen einer oder mehrerer der oben genannten Erkrankungen.
Therapie tuberösen
ADH-Sekretion, Syndrom der inadäquaten (SIADH) Synonyme Schwartz-Bartter-Syndrom, ADH-Sekretionssyndrom, inappropriates oder ektopes ADHSyndrom
Definition Krankheitsbild mit Antidiurese und schwerer Dyselektrolytämie, mit dem Bild einer „Wasserintoxikation“ und Serumnatrium-Konzentrationen bis unter 120 mmol/l.
Einleitung Das SIADH ist meist Folge einer nicht-endokrinologischen Grunderkrankung wie SchädelHirn-Trauma, Intoxikation, z. B. Alkohol, Meningitis, intrazerebralen, hypothalamusnahen Tumoren oder ein seltenes paraneoplastisches Syndrom bei Bronchialkarzinom, Pankreaskarzinom, Thymom und Lymphosarkom mit ektoper ADH-Sekretion oder medikamentös bedingt (z. B. Vincristin, Cyclophosphamid, Mor-
Therapie Behandlung der Grunderkrankung. Alleinige Kochsalzzufuhr beseitigt die Hyponatriämie nicht, sondern nur gleichzeitige Flüssigkeitskarenz. gesichert Flüssigkeitsrestriktion, evtl. NaCl-Zufuhr. Achtung: Gefahr der zentralen pontinen Myelinolyse!
Nachsorge Engmaschige Kontrolle der Serumelektrolyte und eventuell Suche nach Tumoren oder anderen Grunderkrankungen.
Prognose Bei rechtzeitig einsetzender Therapie gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Flüssigkeitsrestriktion, natriumreiche Diät.
ADIE-Syndrom (Pupillotonie) Synonyme 3
3
Die Therapieprinzipien bei der Sklerose werden dort besprochen.
Pupillotonie (ADIE-Syndrom)
Adrenalin
Pupillotonie entspricht einer weiten Pupille, die kaum auf Licht aber gut auf Konvergenz reagiert (Licht-Nah-Dissoziation) [1]. Meist einseitig, kann aber auch beidseitig auftreten. Initial häufig auch Akkomodationsstörungen. Isolierte Pupillotonie ohne fassbare Ursache entspricht dem ADIE-Syndrom. Hierbei häufig, aber nicht obligat Verlust einzelner Reflexe.
ADON (autosomal-dominante Optikusneuropathie) Synonyme 3
Definition
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Dominante Optikusatrophie
Definition Häufigste, erbliche einfache Optikusatrophie. Schleichender Beginn meist in der 1. Dekade. Klassischer autosomal-dominanter Erbgang [1].
Einleitung Genese ist vermutlich eine Schädigung der kurzen Ziliarnerven ohne fassbare Ursache, evtl. auch ein mesodienzephal gelegener entzündlicher Prozess. Das ADIE-Syndrom liegt gehäuft bei Frauen vor.
Diagnostik Ausschluss symptomatischer Ursachen einer Pupillotonie, wie z. B. lokale Ursachen, systemische Infektionen, Arteriitis temporalis (Insult des Ganglion ciliare), autonome Systemerkrankungen. Besonders bei beidseitiger Pupillotonie Lues ausschließen. Nachweis der Pupillotonie mittels Gabe 0,1%iger Pilocarpintropfen, die zur Verengung der betroffenen Pupille führen (nicht ganz spezifisch).
Einleitung Erstdiagnose häufig erst bei Schuleintritt.
Diagnostik Gesichtsfelder mit zentralen oder parazentralen Skotomen bei normalen peripheren Außengrenzen. Vorwiegend temporale Papillenatrophie. Pathognomonisch ist typische Farbsinnstörung im Blau-Gelb-Bereich. VEP meist pathologisch.
Therapie Keine kausale Therapie. Augenärztliche Betreuung.
Nachsorge Wegen des typischen Erbgangs gegebenenfalls Familienuntersuchung.
Therapie
Prognose
Harmlose Symptomatik. Beruhigung des Patienten. Keine spezifische Therapie erforderlich. Bei extremen Nahsehproblemen oder Blendung gegebenenfalls auch Gabe 0,1%iger Pilocarpintropfen oder Brillenverordnung.
Nur langsame Progression. Visusreduktion selten bis 0,1 oder darunter.
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
Nachsorge Eventuell bei gesicherter Diagnose Versorgung mit Notfallausweis, um Fehlinterpretationen bei Schädel-Hirn-Trauma zu vermeiden.
Prognose
Adrenalin Synonyme Epinephrin
Günstig. Initiale Akkomodationsstörungen lassen im Verlauf meist nach.
Definition
Literatur
Grundlagen
1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
Zusammen mit Dopamin und Noradrenalin gehört Adrenalin zu den körpereigenen Katecho-
Gehört zur Gruppe der Katecholamine, erstes dargestelltes und synthetisiertes Hormon.
A
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Adrenoleukodystrophie
laminen. Zusammen mit Noradrenalin wird es im Nebennierenmark und den Paraganglien des Sympathikus von den chromaffinen Zellen gebildet und bei körperlichen und psychischen Stressreizen vermehrt ausgeschüttet. Es steigert die Herzfrequenz, das Herzminutenvolumen, den systolischen Blutdruck und führt zur Vasokonstriktion. Die Darmperistaltik wird vermindert, die Bronchialmuskulatur erschlafft, es kommt zur Piloarrektion. Weiterhin führt es zur Pupillenerweiterung, Dilatation der Bronchien, Hyperglykämie, Lipolyse und zur Steigerung des Grundumsatzes. Adrenalin wirkt in höherer Dosierung proarrhythmisch. Therapeutisch wird es im Rahmen der Reanimation bei Kreislaufschock, beim anaphylaktischen Schock und als Zusatz zu Lokalanästhetika verwendet.
Adrenoleukodystrophie Synonyme ALD, X-ALD
Definition Die Adrenoleukodystrophie ist eine seltene Xchromosomal-rezessiv vererbte Peroxisomenerkrankung, die mit einer Lipidspeicherung durch Anhäufung überlangkettiger Fettsäuren im Myelin und allen anderen menschlichen Zellen sowie einer Nebenniereninsuffizienz einhergeht.
Einleitung Die ALD kann je nach Erkrankungsalter und Klinik in die klassische X-ALD in juveniler oder adulter Ausprägung, die Adrenomyeloneuropathie (AMN) sowie die seltene autosomal-rezessiv vererbte neonatale Adrenoleukodystrophie (NALD) unterschieden werden. Ein geringer Anteil manifestiert sich als isolierte Addison-Symptomatik ohne neurologische Beteiligung. Die Kombination aus Hyperpigmentation der Haut („Bronzefärbung“), AddisonSymptomatik und progredienten neurologischen Symptomen weist meist auf das Vorliegen einer ALD hin.
Diagnostik In der zerebralen Bildgebung (MRT, aber auch CCT) zeigen sich im parieto-okzipitalen Marklager oder im Rückenmark Entmarkungsherde. Weiterhin lassen sich pathologische Befunde in der Neurophysiologie (MEP, SEP, AEP und VEP) erheben sowie ein entzündlicher Liquor mit intrathekaler Immunglobulinsynthese (positive oligoklonale Banden) nachweisen. Entscheidend für die Diagnosestellung ist der biochemische Nachweis eines erhöhten Anteils an überlangkettigen Fettsäuren im Serum (C26: C22-Ratio).
Therapie Unwirksam ist eine alleinige diätetische Therapie mit C-26-VLCFA-armer Ernährung, da die VLCFA überwiegend durch endogene Neusynthese entstehen. Durch Gabe von Lorenzos Öl, das diese Neu-
3
Adrenoleukodystrophie. Tab. 1: Differenzialdiagnose der ALD-Formen Klinik
X-ALD
AMN
Erkrankungsalter
4–10 Jahre
20–30 Jahre
NALD 0–1 Jahre
Geschlecht
M (selten F)
M
M+F
Erbgang
X-rezessiv
X-rezessiv
Ar ++
Neurologisch-Psychiatrisch Psychomotorische Retardierung
++
−
Progrediente Tetraspastik
++
++
−
Ataxie
+
++
(+)
Optikusatrophie
++
(+)
++
Hypakusis
++
−
++
Epileptische Anfälle
(+)
−
++
Polyneuropathie
+
++
(+)
Affektinkontinenz
empirisch Es gibt Hinweise, dass Lovastatin 40 mg/Tag die VLCFA im Serum senken kann [2].
Affektinkontinenz Definition Abnorm gesteigerte emotionale Labilität.
Einleitung Die Affektinkontinenz äußert sich durch spontane oder durch relativ geringe Anlässe induzierte überschießende, ungenügend beherrschbare Emotionen, die vorwiegend depressiver oder euphorischer Natur sein und zwischen beiden Polen wechseln können ( Affektlabilität, Witzelsucht). 3
gesichert Kontrollierte Studien liegen nicht vor.
Eingeschränkte Sensitivität und Spezifität; daher bei positivem Befund Vergleich mit asymptomatischer Seite.
3
synthese durch Zufuhr großer Mengen ungesättigter Fettsäuren supprimiert, wird nur im neuroradiologischen und elektrophysiologischen Befund ein milder therapeutischer Effekt erzielt. Erst durch eine Kombination aus Diät und Zugabe von Lorenzos Öl (2–3 mg/kg Körpergewicht) kann bei 90% der Patienten eine Verringerung oder Normalisierung der VLCFA im Serum erzielt werden. In 60% wird so innerhalb von 12 Monaten eine Stabilisierung des klinischen Zustandes erreicht. Nebenwirkungen dieser Therapie sind Thrombopenie, Lymphopenie, Erhöhung der Leberfunktionswerte und Kardiomyopathie, die reversibel sind [1].
17
Therapie Eine Heilung der Erkrankung kann bislang nicht erzielt werden. Da jedoch durch die Kombination aus Diät und Gabe von Lorenzos Öl zumindest ein Stillstand erzielt werden kann, sollte frühzeitig die Diagnose durch biochemischen Nachweis des erhöhten C-26-Anteils gestellt werden.
Literatur 1. Moser HW (1997) Adrenoleukodystrophy: phenotype, genetics, pathogenesis and therapy. Brain 120:1485–1508. 2. Singh I et al. (1998) Lovastatin for X-linked adrenoleukodystrophy. NEJM 339:702–703.
Adson-Manöver Definition Funktionstest bei Verdacht auf ein Kompressionssyndrom in der oberen Thoraxapertur ( „thoracic outlet“-Syndrom). 3
3
Grundlagen Bei tiefer Inspiration (sitzender Patient und hängende Arme) wird der Kopf seitwärts gedreht und überstreckt. Bei Kompression der Skalenuslücke Abschwächung oder Verschwinden des Radialispulses ipsilateral.
Allgemeine psychiatrische Therapie mit supportiver Psychotherapie und Psychopharmaka (Antidepressiva). empirisch Behandlungsversuch mit Antidepressiva (Tab. 1): Cave: In der letzten Zeit wurden Medikamenteninteraktionen bei Johanniskraut beschrieben, die darauf beruhen, dass Johanniskraut in der Leber über Cytochrom P450 metabolisiert wird. Über Abfälle der Blutspiegel bei Theophyllin, Ciclosporin, Warfarin und konjugierten Östrogenen wurde berichtet. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass bei Einnahme von Johanniskraut die Phenprocoumon- und Digitalisspiegel sinken. Weiterhin wurde bei gleichzeitiger Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern ein Serotoninsyndrom beobachtet. Aktuell wurden zwei Abstoßungsreaktionen nach erfolgreicher Herztransplantation bei kombinierter Einnahme von Ciclosporin und Johanniskraut berichtet.
Bewertung Ätiologisch und lokalisatorisch unspezifisches Symptom meist diffuser zerebraler Schädigung, z. B. SAE (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie). 3
Bewertung
A
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Affektlabilität
Affektinkontinenz. Tab. 1: Affektinkontinenzbehandlung mit Antidepressiva (Auswahl) Antidepressiva (AD)
Wirkstoff
Präparat
Trizyklische Antdepressiva
Amitryptilin
Saroten®
(50–150 mg/die)
Amytriptilinoxid
Equilibrin®
Doxepin
Aponal®
Trimipramin
Stangyl®
Clomipramin
Anafranil®
Tetrazyklische Antidepressiva
Maprotlin
Ludiomil®
(50–150 mg/die)
Mianserin
Tolvin®
Mitrazapin
Remergil®
Chemisch andersartige AD
Sulpirid
Dogmatil® 150–300 mg/die
Serotonin-selektive AD
Fluoxetin
Fluctin® 20 mg/die
Paroxetin
Tagonis® 20 mg/die
Sertralin
Zoloft® 50 mg/die
MAO-Hemmer
Moclobemid
Aurorix® 300–900 mg/die
Pflanzliches AD
Johanniskraut
Jarsin® 900 mg/die
Affektlabilität
Agnosie
Definition Abnorme bzw. pathologische Beeinflussbarkeit der Gemütsverfassung mit raschem Stimmungswechsel.
Synonyme Seelenblindheit
Definition
Spontane oder induziert auftretende Stimmungswechsel oft ohne erkennbaren Anlass. Gehört mit der Affektinkontinenz und der Witzelsucht zu den Veränderungen des emotionalen Verhaltens.
Störung der Objektwahrnehmung und des Objekterkennens, die nicht durch Störungen der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit oder Intelligenz erklärt sind. 3
Einleitung 3
3
Einleitung Therapie Affektinkontinenz
3
Bewertung Ätiologisch und lokalisatorisch unspezifische Symptome meist diffuser zerebraler Läsionen, gehäuft z. B. bei SAE (subkortikaler arteriosklerotischer Enzephalopathie). 3
Ageusie Definition 3
Aufhebung der Geschmacksempfindung, schmackssinnstörung.
Ge-
Läsionen der sensorischen Projektionsareale führen zu komplexen perzeptiven und kognitiven Störungen der entsprechenden Modalität. Nach klassischer Auffassung sind die Agnosien modalitätsspezifisch. Eine Agnosie kann angenommen werden, wenn die Bedeutung eines komplexen Wahrnehmungseindrucks nicht erkannt wird, obwohl die formale Wahrnehmung für das Erkennen vorhanden wäre. Eine nonverbale Identifikation der Bedeutung des Wahrgenommenen ist ebenfalls nicht möglich. Unterschieden werden: * Apperzeptive (integrative) Agnosie (unbeeinträchtigte Wahrnehmung von Einzelelementen, die nicht zu einem Gesamtobjekt zusammengesetzt werden können).
Agoraphobie
Assoziative Agnosie (Bedeutung eines Objektes, das erfasst werden kann, wird nicht erkannt). Prosopagnosie (isolierte Beeinträchtigung der Wahrnehmung von bekannten Gesichtern). Farbagnosie (Farben können nicht mehr erkannt werden).
*
*
Differenzialdiagnose Wahrnehmungsstörungen bei Demenzen, Aphasien, Gesichtsfelddefekten. 3
3
Therapie Neuropsychologische Rehabilitation, medikamentöse Behandlung unbekannt.
Bewertung Sehr selten. Ätiologisch kommen ischämische Läsionen im Posteriorstromgebiet (unter Einschluss des temporalen Posteriorastes) in Frage.
Benzodiazepinen. Diese zeigen als zusätzliche Nebenwirkung eine anterograde Amnesie und kognitive Defizite, was die Patienten im alltäglichen Leben bei einer entsprechenden Langzeitanwendung einschränken würde [1]. 3
*
19
gesichert In der akuten Phase sollte ein Antidepressivum vorrangig mit serotoninerger Wirkung (z. B. Imipramin, SSRI) für mindestens 8 Wochen eingesetzt werden, um die Wirksamkeit ausreichend beurteilen zu können. Bei Ansprechen auf das Präparat sollte die Behandlung für ein halbes Jahr fortgeführt werden. Bei Non-Respondern sollte ein Wechsel zu einem anderen Antidepressivum oder Substanzklasse, wie Benzodiazepine erwogen werden [2]. Die Kombination aus medikamentöser Therapie und Verhaltens-/Expositionstraining verbessert die Wirksamkeit der Behandlung und senkt die Rückfallrate signifikant [3]. unwirksam/obsolet
Agoraphobie Definition Unter Agoraphobie versteht man eine phobische Störung, die mit Angst vor großen Menschenmengen oder unbekannten, vermeintlich unsicheren Orten einhergeht.
Einleitung Bei Patienten mit phobischen Störungen wird eine unangemessene Angstreaktion durch bestimmte, normalerweise ungefährlichen Situationen oder Objekte ausgelöst. Diese liegen stets außerhalb der betroffenen Person (externe Stimuli) und werden charakteristischerweise gemieden oder voller Angst ertragen. Panikattacken, die im Rahmen der phobischen Störung auftreten, werden nicht gesondert diagnostiziert, sondern als Teil der Angststörung aufgefasst.
Therapie Wie bei allen phobischen Störungen, sind in erster Linie die kognitive Verhaltenstherapie und das Expositionstraining indiziert. Bei nicht befriedigender Behandlung sollte auf SSRI und Imipramin zurückgegriffen werden. Wichtig ist die langsame Aufdosierung und wegen des Abhängigkeitspotentials nur kurzfristige Gabe von
Kognitives Verhaltenstraining, das den Umgang von Panikattacken trainieren soll, scheint alleine weniger wirksam zu sein.
Nachsorge Über die Dauer der Erhaltungstherapie und den optimalen Zeitpunkt der Dosisreduktion stehen kontrollierte Studien noch aus. Etwa ein Drittel aller Patienten erleiden in den ersten drei Monaten nach Absetzen des Medikaments ein Rezidiv. Dann sollte mit dem selben Präparat in gleicher Dosierung auf zunächst unbestimmte Zeit erneut behandelt werden [2].
Literatur 1. Curran HV et al. (1994) Memory functions, alprazolam and exposure therapy: a controlled longitudinal study of agarophobia with panic disorder. Psychol Med 24:969–976. 2. Mavissakalian MR and Ryan MT (1998) Rational Treatment of Panic Disorder with Antidepressants. Ann Clin Psych 10:185–195. 3. Van Balkom A et al. (1997) A Meta-Analysis of the Treatment of Panic Disorders with or without Agoraphobia: A Comparison of Psychopharmacological, Cognitive-Behavioral and Combination Treatment. J Neur Ment Dis 185:510–516.
A
3
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Agrammatismus
Agrammatismus Definition Symptom der Sprachstörung mit Verarmung/ Fehlen der Syntax, z. B. häufigem Fehlen von Präpositionen, Konjugationen, Inklinationen und Deklinationen.
Einleitung Typisches Symptom der Broca-Aphasie, auch bei Wernicke-Aphasie und anderen Aphasieformen vorkommend. Beispiel: „Schlaganfall kommen Krankenhaus“. 3
Differenzialdiagnose Sprachbarriere bei Fremdsprache, psychischsprachliche Retardierung.
Therapie Sprachtherapie. empirisch Therapeutischer Schwerpunkt: Förderung von Satzstrukturen, z. B. durch * „Satzlegeaufgaben“, * Training von Satzmustern mit Verben, * Kompensatorische Strategien über Training von inhaltlich konsistenten Wortabfolgen.
Nachsorge Da Agrammatismus oft ein Symptom einer therapeutisch nicht mehr wesentlich beeinflussbaren Restsymptomatik darstellt, ist zum Niveauerhalt eine konsolidierende Therapie häufig notwendig.
Prognose Abhängig von Größe, Lokalisation und Ätiologie der zerebralen Schädigung. Als Reststörung von Aphasien oft dominantes Symptom.
Verschiedene Mutationen des branched-chain 2-oxoacid-dehydrogenase-complex (BCOADH)-Gens auf Chromosom 6q14 wurden beschrieben. Die Erkrankung ist bei askenasischen Juden gehäuft.
Einleitung Die Krankheit macht sich durch Apathie, Erbrechen und fehlende Gewichtszunahme bemerkbar. Es folgen Muskelkrampi, Opisthotonus und Atemstörungen. Der Multienzymkomplex für die oxidative Decarboxylierung von αOxosäuren ist betroffen. Α-Oxosäuren entstehen durch Transaminierung der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Da die Transaminierung reversibel ist, nehmen bei Akkumulation der Oxosäuren auch die Aminosäuren zu. Die Akkumulation der verzweigtkettigen Aminosäuren ist neurotoxisch. Die Glutamataufnahme im Gehirngewebe wird durch die Aminosäuren blockiert. Es wird daher vermutet, dass Glutamat-Neurotoxizität an der Pathogenese beteiligt ist. Verzweigtkettige Aminosäuren induzieren eine von Mitochondrien unabhängige Apoptose von Nervenzellen. Oft verläuft die Erkrankung binnen weniger Wochen nach der Geburt letal. Der typische, süßliche, nach Ahornsirup, Karamel oder Lakritze riechende Uringeruch macht sich meist erst vom 6. Lebenstag an bemerkbar und spielt daher für die Frühdiagnose keine Rolle. Es gibt allerdings auch eine Sonderform der Erkrankung mit intermittierendem und milden Verlauf. Hier ist das Enzym mit einer Aktivität von 2–15% des Wildtyps funktionsfähig. Erkrankungsschübe werden durch hohe Proteinzufuhr, Infekte oder konsumierende Krankheiten getriggert. Diese Form der Krankheit kann sich auch als subakute axonale Polyneuropathie manifestieren.
Diagnostik Aminosäure-Analyse in Urin oder Blut.
Ahornsiruperkrankung Synonyme Maple syrup urine disease
Definition Seltene autosomal-rezessive Krankheit des Metabolismus verzweigtkettiger Aminosäuren.
Therapie Proteinarme Diät mit einem Zusatz eines Aminosäuregemischs mit Ausnahme der verzweigtkettigen Aminosäuren. Unter Einhaltung der Diät ist eine praktisch normale geistige und körperliche Entwicklung möglich. Bei Exazerbationen, die rasch zum Koma führen können, werden Hämofiltration, Hämodialyse und ande-
Aicardi-Syndrom
re extrakorporale Methoden eingesetzt, um die toxischen Aminosäuren bzw. die Oxosäuren zu entfernen. Bei schnellem Einsatz sind die Ergebnisse nicht schlecht. Patienten, die aus anderen Gründen eine Lebertransplantation erhielten, kommen ohne spezielle Diät aus und weisen mäßig erhöhte Spiegel der verzweigtkettigen Aminosäuren auf. Die Operation ist der Diät nicht überlegen und wird wegen der damit verbundenen Risiken und Kosten nicht routinemäßig empfohlen. gesichert Günstiger Einfluss der Diät. empirisch Günstiger Einfluss der Lebertransplantation.
Nachsorge Möglichst an einer Spezialambulanz. Monitoring der verzweigtkettigen Aminosäuren im Blutserum im Verlauf.
Bewertung Die rechtzeitige Diagnose ist entscheidend.
Prognose Gut, wenn Exazerbationen vermieden werden können.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Diät: s.o. Es sollten keine körperlichen Extrembelastungen angestrebt werden. Regelmäßige Lebensführung ist sinnvoll.
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(Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *225750, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim).
Einleitung Typischerweise beginnen die Symptome in den ersten Lebenstagen oder - wochen mit spastischer Quadriplegie, trunkaler muskulärer Hypotonie und zunehmender Lethargie. Zusätzlich fallen Augenbewegungsstörungen sowie die fehlende Zunahme des Kopfumfangs auf. Ein Viertel der Kinder verstirbt im 1. Lebensjahr. Selten wird ab dem 3. Lebensjahr eine Akrozyanose der Füße beobachtet. Insgesamt handelt es sich um eine Erkrankung mit schwerem Verlauf und frühem Tod der Kinder vor dem 4. Lebensjahr.
Diagnostik Schon die native Röntgenaufnahme des Schädels kann zerebrale Verkalkungen der Basalganglien, aber auch periventrikulär und zerebellär nachweisen. In der CT zeigt sich zusätzlich eine zerebrale Atrophie mit Verlust der weißen Substanz. Zur Sicherung der Diagnose sind mehrere Liquorpunktionen notwendig, die eine sterile (!) chronische Lymphozytose im Liquor (ca. 20–80 Zellen/µl, 80% Lymphozyten) belegen. Hilfreich kann der Nachweis eines erhöhten Interferon-α-Spiegels im Liquor sein, dem eine pathogenetisch relevante Rolle zugedacht wird. Differenzialdiagnostisch sind Infektionen aus dem TORCH-Komplex (Toxoplasmose, Röteln, Cytomegalie und Herpes simplex) zu bedenken und deshalb unbedingt auszuschließen.
Therapie
Aicardi-Goutière-Syndrom
Eine kausale Therapie ist bei der Erkrankung nicht bekannt.
Synonyme Familiäre infantile Enzephalopathie mit Basalganglienkalzifikation und chronischer Liquorlymphozytose
Aicardi-Syndrom Synonyme
Definition Das Aicardi-Goutière-Syndrom ist ein autosomal-rezessiv vererbtes Syndrom, das durch eine progressive Enzephalopathie im Kindesalter mit Basalganglienkalzifikationen und einer Liquorlymphozytose charakterisiert ist. Es besteht genetische Heterogenität, wobei ein Locus auf Chromosom 3q21 identifiziert werden konnte.
Corpus callosum-Agenesie mit chorioretinaler Anomalie
Definition Das Aicardi-Syndrom ist ein X-chromosomal dominant vererbtes Syndrom, dem ein Gendefekt auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms zugrunde liegt und mit einer Agenesie des Cor-
A
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AIDP (akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie)
pus callosum und chorioretinalen Läsionen einhergeht. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *304050, http://www.ncbi.nlm.nih. gov/omim).
Einleitung Charakteristische Merkmale des Syndroms sind kindliche Beugespasmen und geistige Retardierung, sowie Sehstörungen durch lakunäre chorioretinale Läsionen. Häufig kommen kombinierte Missbildungen wie eine Lippen-, Kieferund Gaumenspalte, Kopfhautlipome, kavernöse Hämangiome, oder kosto-vertebrale Fehlbildungen vor. Im EEG finden sich charakteristische EEG-Veränderungen (Hypsarrhythmie, „burst suppression“ und totale Asynchronie beider Hemisphären). BNS-Krämpfe treten dem West-Syndrom vergleichbar auf. Die männlichen Mutationsträger versterben obligat.
Diagnostik Neben der zerebralen Bildgebung durch eine MRT zur Darstellung der Corpus-callosumAgenesie kann gleichfalls das EEG mit typischem Befund und die opthalmologische Untersuchung zur Diagnosesicherung herangezogen werden. Eine genetische Untersuchung wird vor allem im Rahmen der genetischen Beratung der Eltern relevant.
Therapie Die Therapie kann nur symptomatisch sein. Beim Auftreten von Anfällen hat sich Vigabatrin bewährt. Weiterhin wichtig sind regelmäßige physio- und ergotherapeutische Maßnahmen, da sich diese nur günstig auf die weitere Prognose auswirken können [1,2].
Prognose Wie oben erwähnt, ist bei männlichen Betroffenen das Aicardi-Syndrom eine letale Erkrankung. Die Patienten sind geistig und körperlich schwer behindert. Während 76% das 6. Lebensjahr erreichen, werden nur 40% 15 Jahre alt. Prognostische Faktoren sind allerdings unbekannt.
Literatur 1. Baxter PS et al. (1995) Vigabatrin monotherapy in resistant neonatal seizures. Seizure 4(1):57–9. 2. Talens C et al. (1987) Early stimulation: psychomotor development of two girls with Aicardi syndrome. Child Care Health Dev 13(2):101–9.
AIDP (akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie) Synonyme Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS), akute Polyradikuloneuritis
Definition Akute entzündliche (inflammatory), meist demyelinisierende Polyradikuloneuritis mit häufig rasch fortschreitender und oft aufsteigender, symmetrischer Affektion motorischer, mehr als sensibler und autonomer Nervenfasern. Seltener kommt es zur Manifestation axonaler Formen.
Einleitung Initial kommt es häufig nach vorausgegangenen gastrointestinalen (Campylobacter jejuni) oder pulmonalen Infekten (Cytomegalievirus) zu leichten Parästhesien oder Schmerzen in den Beinen, später auch Armen. Danach treten meist innerhalb von Tagen schlaffe, symmetrisch aufsteigende Paresen auf. Durch Affektion der Zwerchfellmuskulatur kann es zur Atemlähmung (Reduktion der Vitalkapazität) kommen. Eine Hirnnervenbeteiligung ist häufig, z. B. ein- oder beidseitige Fazialisparesen bei 50%. Die sensiblen Ausfälle sind meist geringer ausgeprägt, vegetative Störungen mit z. B. Störungen der autonomen Innervation des Herzens können vital bedrohlich sein. Sonderformen der Erkrankung sind das MillerFisher-Syndrom, die Polyneuritis cranialis, das Elsberg-Syndrom, die akute Pandysautonomie, die akute motorische axonale Neuropathie (AMAN), die akute motorisch-sensible axonale Neuropathie (AMSAN) und das rezidivierende GBS.
Diagnostik Wegweisend ist neben der Anamnese der klinische Untersuchungsbefund. Im Liquor cerebrospinalis findet sich oft erst nach der ersten Woche eine deutliche Eiweißerhöhung bei normaler bis maximal leicht erhöhter Zellzahl (zytoalbuminäre Dissoziation). Elektroneurographisch zeigen sich verlängerte distale motorische Latenzen, deutlich verminderte Nervenleitgeschwindigkeiten oft mit Nachweis von Leitungsblöcken sowie verlängerte F-Wellenlatenzen oder - Ausfälle. Im EMG findet sich 2–3 Wochen nach Erkran-
AIDP (akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie)
kungsbeginn pathologische Spontanaktivität als Ausdruck der axonalen Schädigung, besonders nach vorangehendem Infekt mit Campylobacter jejuni. Im Serum Nachweis von Gangliosid-Antikörpern. Das EKG kann Rhythmusstörungen (Bradykardie 50%, Sinustachykardie 35%, Arrhythmie 15%) und eine verminderte respiratorische Herzfrequenzvariation zeigen. Jüngste Untersuchungen heben die Bedeutung einer Spektralanalyse der Herzfrequenz und einer Bradykardie beim Bulbusdruckversuch hervor. Engmaschige Bestimmungen der Vitalkapazität zur Beurteilung der Ateminsuffizienz und gegebenenfalls eine frühzeitige Indikationsstellung zur Beatmung sind notwendig.
Therapie 1. Immunmodulation. 2. Therapie autonomer Störungen Arterielle Hypertonie: evtl. Nifedipin (z. B. Adalat®), Sedativa, Analgetika Tachykardie: Propanolol (z. B. Dociton®) Persistierende Bradykardie (<35/min): Ipratropiumbromid (z. B. Itrop®) Bradyarrhythmia absoluta, AV-Block Grad 2/3, bifaszikulärer Block: evtl. Schrittmacher. gesichert Insbesondere bei schwerem, progredienten Verlauf und bei Gehunfähigkeit (Gehstrecke <10 m) werden entweder mehrere Plasmapheresen (meist 4–6 Austausche von 50 ml pro kg Körpergewicht) durchgeführt oder alternativ Immunglobuline (jeweils 0,4 g/ kg Körpergewicht/d i. v. für 5 Tage) gegeben. Die Wirkung der Immunglobuline ist der Plasmapherese vergleichbar, möglicherweise bei jungen Patienten mit vorangehender Diarrhöe sogar überlegen und hat prinzipiell eine geringere Komplikationsrate. Dennoch gibt es einige Therapieversager, bei denen konsekutiv Plasmapheresen durchgeführt werden müssen. Insgesamt hat die Kombination beider Therapieansätze keine signifikante Überlegenheit gegenüber einer Monotherapie gezeigt. Die symptomatische Therapie beinhaltet neben einer entsprechenden Intensivüberwachung physiotherapeutische und intensivmedizinische Maßnahmen (z. B. Beatmung), Behandlung kardialer Rhythmusstörungen (medikamentös, Schrittmacher) oder einer Hypertonie, sowie
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die Prophylaxe und gegebenenfalls Behandlung von Sekundärkomplikationen (Thrombose, Pneumonie etc.). empirisch Eine Pilotstudie ergab ein besseres Ergebnis bei additiver Gabe von 500 mg Methylprednisolon zur konventionellen Behandlung mit Immunglobulinen. Die Wirksamkeit wiederholter PlasmaphereseZyklen und Immunglobulingaben ist bei Nichtansprechen beim ersten Zyklus fraglich. Bei initialer Besserung mit konsekutiver Verschlechterung werden erneute Therapiezyklen empfohlen. unwirksam/obsolet Hochdosierte Gabe von Steroiden (Methylprednisolon) für 5 Tage als Monotherapie war ohne sicheren Therapieeffekt.
Nachsorge Physiotherapie muss bereits bei Aufnahme in die Klinik beginnen. Die Rehabilitation sollte so rasch wie möglich einsetzen und nach Überwinden der akuten Krankheitsphase in speziellen Rehabilitationskliniken fortgeführt werden.
Bewertung Plasmapherese und Immunglobulintherapie werden meist gut vertragen. Schwere Nebenwirkungen treten selten auf. Die Nebenwirkungsrate ist bei Immunglobulinen geringer als bei Plasmapheresen. Weiterhin ist die Infusion von Immunglobulinen auch in Krankenhäusern der Basisversorgung möglich und rasch verfügbar. In der Subgruppe von Patienten mit deutlich axonaler Affektion und bei Zustand nach akuter Campylobacter-jejuni-Infektion war die Immunglobulintherapie der Plasmapherese überlegen. Beide Therapien sind etwa gleich teuer.
Prognose Das Beschwerdemaximum wird nach etwa 4 (–6) Wochen erreicht und dauert etwa 2–4 Wochen an. Dann erfolgt die Rückbildung der Symptome in meist umgekehrter Reihenfolge. Bei 70% der Patienten kommt es zu einer nahezu kompletten Rückbildung der Ausfälle. Faktoren für einen eher ungünstigen Verlauf stellen insbesondere Alter (>60 Jahre), rasche Progre-
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AIDP, Polyneuroradikulitis, akute, idiopathische (Guillain-Barré-Syndrom), Schri ...
dienz bis zum Vollbild, Ateminsuffizienz und axonale Mitbeteiligung dar. Bei ausgeprägten axonalen Schädigungszeichen sind schwere Defektzustände (15%) möglich. Die Mortalität, meist durch kardiopulmonale Komplikationen hervorgerufen, liegt bei 3%.
AIDP, Polyneuroradikulitis, akute, idiopathische (Guillain-BarréSyndrom), SchrittmacherImplantation Grundlagen
1. Feasby TE, Gilbert JJ, Brown WF, et al. (1986) An acute axonal form of Guillain-Barré polyneuropathy. Brain 109:1115–1126. 2. Flachenecker P, Reiners K (1999). Twenty-fourhour heart rate power spectrum for evaluation of autonomic dysfunction in Guillain-Barre syndrome. J Neurol Sciences 165:144–153. 3. Flachenecker P, Toyka KV, Reiners K (2001). Herzrhythmusstörungen beim Guillain-BarreSyndrom. Nervenarzt 72:610–617. 4. Hadden RDM, Cornblath DR, Hughes RAC, et al. (1998) The Plasma exchange/Sandoglobin Guillain-Barre Syndrome Trial Group. Electrophysiological classification of Guillain-Barre syndrome: clinical associations and outcome. Ann Neurol 44:780–788. 5. Hartung HP, Willison HJ, Kieseier BC (2002). Acute immunoinflammatory neuropathy: update on Guillain-Barre syndrome. Curr Opin Neurol 15 (5):571–577. 6. Hughes RAC, Swan AV, Cornblath DR, et al. (1997) Randomised trials of plasma exchange, intravenous immunoglobulin, and combined treatments in Guillain-Barre syndrome. Lancet 349:225–230. 7. Rees JH, Soudain SE, Gregson NA, Hughes RAC (1995). Campylobacter jejuni infection and Guillain-Barré syndrome. N Engl J Med 23:1374– 1379. 8. The Dutch Guillain-Barré Study Group (1994). Treatment of Guillain-Barré syndrome with highdose immune globulins combined with methylprednisolone: A pilot study. Ann Neurol 35:749– 752. 9. The Guillain-Barré Study Group (1985). Plasmapheresis and acute Guillain-Barré syndrome. Neurology 35:1096–1104. 10. van der Meche FG, Schmitz PI and the Dutch Guillain-Barré Study Group (1992). A randomized trial comparing intravenous immune globulin and plasma exchange in Guillain-Barrésyndrome. N Engl J Med 326:1123–1129.
Bei Patienten mit AIDP (GBS) kann es zu einer Affektion von autonomen Nervenfasern des Herzens kommen. Die Folge können kardiale Rhythmusstörungen mit Tachy- oder Brady- Arrhythmien, AV-Block bis zur Asystolie oder Kammerflimmern sein. Gefährdet sind insbesondere Patienten mit intermittierenden Bradykardien, z. B. während pflegerischer Maßnahmen, Absaugen etc. und Patienten mit pathologischen Befunden bei der Spektralanalyse der Herzfrequenz und ausgeprägter Bradykardie beim Bulbusdruckversuch. In diesen Fällen ist neben entsprechendem intensivmedizinischen Monitoring die Anlage eines passageren Herzschrittmachers zu erwägen. Cave: Der Zeitpunkt und Schweregrad von Affektionen autonomer Nervenfasern muss nicht mit dem Schweregrad der motorischen Defizite beim GBS korrelieren, aus diesem Grund ist bei jedem GBS-Patienten eine intensivmedizinische Überwachung anzustreben. 3
Literatur
Literatur 1. Flachenecker P, Reiners K (1999). Twenty-fourhour heart rate power spectrum for evaluation of autonomic dysfunction in Guillain-Barre syndrome. J Neurol Sciences,165:144–153. 2. Flachenecker P, Toyka KV, Reiners K (2001). Herzrhythmusstörungen beim Guillain-BarreSyndrom. Nervenarzt 72:610–617. 3. Flachenecker P, Wermuth P, Hartung H-P, Reiners K (1997). Quantitative assessment of cardiovascular autonomic function in Guillain-Barré syndrome. Ann Neurol 42:171–179. 4. Hilz MJ, Claus D, Bauer J, Neundörfer B (1990). Transcutaneous cardiac pacemaker for prevention and emergency therapy in neurologic intensive care patients. Nervenarzt 61(12):744–748. 5. Pfeiffer G, Schiller B, Kruse J, Netzer J (1999). Indicators of dysautonomia in severe Guillain Barre syndrome. J Neurol. 246:1015–1022. 6. Winer JB, Hughes RAC (1988). Identification of patients at risk of arrhythmia in the Guillain-Barré syndrome. Q J Med 257:735–739.
AIDS („acquired immunodeficiency virus“)
AIDS („acquired immunodeficiency virus“) Definition
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3. Vollbild AIDS definitionsgemäß bei Manifestation opportunistischer Infektionen (z. B. Herpes zoster, Pneumocystis-carinii-Pneumonie, Kryptokokken-Meningoenzephalitis ( Kryptokokken), CMV-Enzephalitis ( Enzephalitis, Zytomegalie-Enzephalitis), Polyradikulopathie, progressive multifokale Leukenzephalopathie, Toxoplasmose-Enzephalitis), HIV-assoziierter Tumoren (z. B. Kaposi-Sarkom, maligne Lymphome, invasives Zervixkarzinom), WastingSyndrom (Gewichtsabnahme >10% des Körpergewichts), Enzephalopathie, HIV; Enzephalopathie, AIDS-Enzephalopathie. 3 3
3
3
Als Ursache der 1981 erstmals beschriebenen Immunschwächekrankheit wird heute eine Infektion mit dem humanen Immunodefizienzvirus Typ 1 (HIV 1) angenommen. Die HIVÜbertragung erfolgt hauptsächlich durch kontaminierte Blutprodukte, kontaminierte Injektionsnadeln, Sexualkontakt und Übertragung von Mutter aufs Kind (prä-, peri-, oder postnatal). Grundlage der induzierten Immunschwäche ist eine Schwäche der zellulären Immunabwehr (Befall und Reduktion z. B. der Makrophagen, Promyelozyten, LangerhansZellen, T-Helfer-Zellen), wodurch die überwiegend auftretenden Infektionen mit Viren, Pilzen und Mycobakterien erklärt werden. Ausdruck einer zusätzlichen und früh einsetzenden Beeinträchtigung der humoralen Abwehr ist einerseits eine ungezielte polyklonale B-Zell-Proliferation mit Produktion funktionell oft minderwertiger Antikörper, die auch zu Autoimmunphänomenen führen können, und andererseits eine herabgesetzte spezifische humorale Immunabwehr auf Antigene. Neurologische Komplikationen sind in jedem Krankheitsstadium möglich und können das zentrale oder das periphere Nervensystem betreffen (bei >50% der Erwachsenen und bei >90% der Kinder, bei 10% der HIV-Infizierten als Initialmanifestation von AIDS) und treten entweder sekundär infolge der Immunschwäche (opportunistische Infektionen und HIV-assoziierte Tumoren) oder primär als Folge direkter Nervenschädigung auf. Klinischer Verlauf der HIV-Infektion: 1. Akute HIV-Infektion (in >50% mononukleoseartiges Bild), sog. Serokonversionskrankheit. 2. Oligo-/asymptomatische Phase (Dauer ca. 10 Jahre), sog. „AIDS-Inkubationszeit“, evtl. begleitet vom sog. Lymphadenopathiesyndrom (LAS), Symptome des AIDS-related complex, AIDS („acquired immunodeficiency virus“), „AIDS-related complex“.
3
Einleitung
3
Chronisch retrovirale, übertragbare Immunschwächekrankheit für die ursächlich eine Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) verantwortlich ist.
Wichtigstes Klassifikationssystem der HIV-Infektion ist die CDC-Klassifikation (revidierte Fassung von 1993, Einteilung nach absoluter CD4-Lymphozytenzahl ≥500/ml bis <200/ml und klinischen Kategorien). Die wichtigsten neurologischen Komplikationen bei HIV-1-Infektion sind: Aseptische Meningitis, akute Meningoenzephalitis, HIV-Enzephalitis, periphere Neuropathie, opportunistische Infektionen, ZNS-Neoplasien, zerebrovaskuläre Komplikationen (ischämische und hämorrhagische Infarkte bei HIV-1-Vaskulopathie, Vaskulitiden, Mikroangiopathie).
Diagnostik Nachweis von HIV-Antikörpern (meist 4 Wochen bis 3 Monate post infectionem nachweisbar) durch ELISA (Screening-Test) und Western Blot (Bestätigungstest). Cave: Jede Person mit positivem HIV-Test ist potentiell infektiös! Analyse der Lymphozytensubpopulationen (mit Bestimmung der absoluten CD4-Helferzellzahl und Berechnung des CD4/CD8-Quotienten). Bestimmung der sog. „Viruslast“ (HIV-RNAKopien pro ml Plasma). Bestimmung des HIV-p24-Antigen, Neopterin, β-2-Mikroglobulin (Verlaufskontrolle, Evaluation klinischer Studien).
Therapie In der letzten Zeit sind in der Behandlung der HIV-Krankheit bemerkenswerte Fortschritte gemacht worden, die eine längerfristige Suppression der HIV-Vermehrung und eine Verlangsamung des zugrunde liegenden Immundefektes bewirken. Die meisten eingesetzten Substanzen inhibieren die reverse Transkriptase des Virus, zur Verminderung von HIV-Resistenzentwick-
A
3
AIDS („acquired immunodeficiency virus“)
– Zum Zeitpunkt der HIV-Serokonversion *
Akute HIV-Meningoenzephalitis Akute HIV-Myelitis * Akute HIV-Polyradikulitis – Chronische Spätmanifestationen * Rezidivierende HIV-Meningitis * Aids-Enzephalopathie * Vakuoläre Myelopathie * Polyneuropathien, Myopathien Sekundäre HIV-Neuromanifestationen – Opportunistische Infektionen * Protozoen (Toxoplasma gondii) * Viren (CMV, JC.-Virus, HSV, VZV) * Pilze (Cryptococcus neoformans, Aspergillus sp.) * Bakterien (Mycobacterium tuberculosis, atypische Mykobakterien, Listeria monocytogenes, Treponema pallidum) – Tumoren * Primäres ZNS-Lymphom * Sekundäres ZNS-Lymphom (bei systematischem NHL) – Vaskuläre ZNS-Komplikationen * Bei erworbenen Gerinnungsstörungen * Bei „zerebraler Vaskulitis“ – Metabolische Hirnfunktionsstörungen * Primär das ZNS betreffend * Sekundär, bei internistischen HIVKomplikationen *
*
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Primäre HIV-Neumanifestationen
3
*
*
einem nichtnukleosidalen Reverse-Transkriptase-Inhibitor. Bekannte Hauptnebenwirkungen: AZT: Knochenmarksdepression mit Anämie, weitere: Myopathie, Übelkeit, Schlafstörung, Kopfschmerz, Exantheme. ddI: Pankreatitis, toxische Polyneuropathie, weitere: Exantheme, Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Fieber.ddC: Toxische Polyneuropathie, Leberfunktionsstörung, Übelkeit/Erbrechen, Neutropenie und Anämie. 3
AIDS („acquired immunodeficiency virus“). Tab. 1: Primäre und sekundäre HIVNeuromanifestationen
3
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Nachsorge Über den optimalen Zeitpunkt des Therapiebeginns besteht noch kein Konsens. Empfohlen wird der Behandlungsbeginn bei: Patienten mit T-Helferzahl >500/μl und Virusload <10.000 Kopien/μl. Patienten mit AIDS, Virusload >30.000 Kopien/μl oder CD4-Zellen <350/μl. Patienten mit T-Helferzellzahl <500/μl und Virusload >10.000 Kopien/μl mit HIV-assoziierten Symptomen. Therapiekontrolle anhand o. g. Laborparameter und klinischem Verlauf.
Bewertung Eine Kombinationsbehandlung mit AZT und ddI und geringer auch AZT und ddC können den Zeitraum der Progression der AIDS-Erkrankung und des Todes verlängern [1]. Zweifachkombinationen haben gegenüber Mehrfachkombinationen mit drei oder vier Medikamenten ein signifikant erhöhtes Risiko eines Verlusts der Virussuppression [2].
Prognose lung werden Kombinationstherapien bevorzugt eingesetzt.
gesichert Eine gesicherte, dringende Behandlungsindikation besteht nur für Patienten mit AIDS, Virusload >30.000 Kopien/μl oder CD4-Zellen <350/μl. * Empfohlene Schemata: AZT plus ddC, AZT plus ddI. Bei AZT Unverträglichkeit: ddI plus d4T, d4T plus 3TC. Zusätzlich Drei- oder Vierfachkombinationen mit einem Proteinaseinhibitor und
Vor Einführung einer antiretroviralen Therapie mit AZT betrug die mittlere Überlebenszeit nach Diagnose der AIDS-Erkrankung etwa 9 Monate. Unter einer Kombinationsbehandlung mit AZT und ddI liegt die Überlebensrate ohne Auftreten einer neuen AIDS-Symptomatik bei 53%, bei Behandlung mit AZT und ddc bei 49% und bei Monotherapie mit AZT bei 44%, bzw. 68%, 63% und 59% Überlebensrate. Die Todesursache ist in >90% eine opportunistische Infektion.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Prävention durch Safer-sex-Praktiken, Benutzung gemeinsamer Kanülen bei i. v.-Drogenab-
AIDS („acquired immunodeficiency virus“), „AIDS-related complex“
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AIDS („acquired immunodeficiency virus“). Tab. 2: Auswahl verschiedener Substanzen, die in der systemischen Anti-HIV-Therapie in Zweier- oder Dreierkombinationen Verwendung finden und denen möglicherweise auch ein direkt oder indirekt günstiger Einfluss auf die Entwicklung einer AidsEnzephalopathie zukommt Substanzen
Handelsnamen
Tagesdosis (mg)
Zidovudin (AZT)
AZT-Retrovir®
2mal 250 oder 3mal 200
Zalcitabin (ddC)
Ddc-Hivid®
3mal 0,75
Didanosin (ddI)
DdI-Videx®
2mal 125a/200b
Nukleosidanaloga
®
Lamivudin (3TC)
3TC-Epivir
2mal 150
Stavudin (d4T)
D4T-Zerit®
2mal 30a/40b
Saquinavir
Saquinavir-Invirase®
3mal 600
Indinavir
Indinavir-Crixivan®
3mal 800
Ritonavir
Ritonavir-Norvir®
2mal 600
Proteinaseinhibitoren
Nichtnukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren Nevirapin
Nevirapin-Viramune®
2mal 200c
Delavirdin
®
3mal 400
a b c
Rescriptor
Körpergewicht < 60 kg. Körpergewicht > 60 kg. Initial 14 Tage 2mal 100 mg als „lead-in period“.
hängigen vermeiden. Bei Stich- oder Schnittverletzungen Blutung aus Wunde fördern und mit PVP-Jod oder alkoholischen Präparaten desinfizieren. Postexpositionsprophylaxe mit AZT plus 3TC plus Indinavir (Indinavir nicht bei Schwangeren) für mindestens 2 besser 4 Wochen. Eine HIV-Infektion ist trotz adäquater Prophylaxe nicht völlig auszuschließen.
Literatur 1. Darbyshire J, Foulkes M, Peto R, Duncan W, Babiker A, Collins R, Hughes M, Peto T, Walker A (2000). Zidovudine (AZT) versus AZT plus didanosine (ddI) versus AZT plus zalcitabine (ddC) in HIV infected adults (Cochrane Review). The Cochrane Library, Issue 2, Oxford Update Software. 2. Rutherford GW, Feldman KA, Kennedy, GE (2000). Three- or four- versus two-drug antiretroviral maintenance regimens for HIV infection (Cochrane Review). The Cochrane Library, Issue 2, Oxford Update Software.
AIDS („acquired immunodeficiency virus“), „AIDS-related complex“ Definition Auftreten konstitutioneller Symptome wie rekurrentes Fieber, chronische Diarrhöe, Gewichtsverlust in der oligo- oder asymptomatischen Phase (sog. AIDS-Inkubationszeit).
Einleitung Nach der primären HIV-Infektion kann es während der sog. AIDS-Inkubationszeit (Dauer etwa 10 Jahre) zu persistierenden multilokulären Lymphknotenschwellungen, dem sog. Lymphadenopathiesyndrom (LAS) kommen. Das Hinzutreten o. g. Symptome kennzeichnet den AIDS-related complex (ARC).
A
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AION (anteriore ischämische Optikusneuropathie)
AION (anteriore ischämische Optikusneuropathie)
gesichert Bei der arteriitisch bedingten AION muss umgehend die Therapie mit Kortikosteroiden eingeleitet werden ( Arteriitis temporalis). 3
Definition Akute durchblutungsbedingte Schädigung des vorderen Sehnervenabschnittes, die typischerweise zu plötzlich auftretenden Sehstörungen in der Gesichtsfeldperipherie mit Einbruch zum Gesichtsfeldzentrum führt. Ursächlich kommen nichtentzündliche, arteriosklerotische Durchblutungsstörungen (NAION) oder arteriitische Formen (arteriitische AION) in Frage [1]. Seltener kann es neben der akuten Symptomatik auch zu einer über Wochen progredienten Verschlechterung der Sehleistung kommen.
Einleitung Die Genese der nichtentzündlichen AION (NAION) ist unklar, sie scheint kein Vorläufer für ein zerebrovaskuläres Geschehen zu sein. Bei dieser Form liegt der klassische Gesichtsfeldausfall altitudinal in der unteren Gesichtsfeldhälfte. Wenn die Makula ausgespart bleibt, bleibt die Sehschärfe erhalten. Der entzündlichen AION liegt meist eine Arteriitis temporalis zugrunde, aber auch andere autoimmune Vaskulitiden kommen in Frage ( Vaskulitiden). 3
3
Diagnostik Typisch ist der plötzlich einsetzende Sehausfall und das blasse Papillenödem, welches gelegentlich der Sehstörung bis zu Wochen vorausgehen kann. Diagnostisch absolut vorrangig ist der Nachweis oder Ausschluss einer vaskulitischen AION, in der Regel einer Arteriitis temporalis (Diagnostik mittels BSG, C-reaktivem Protein und Arteria-temporalis-Biopsie). Unverzügliches Handeln zur Vermeidung eines Visussturzes am nicht betroffenen Auge. Befall beider Augen in engem zeitlichen Abstand spricht eher für vaskulitische Schädigung. Nachweis der Durchblutungsstörung bei der nicht vaskulitischen Form kann durch Fluoreszenz-Angiographie erfolgen. 3
Therapie Für die nichtentzündliche AION gibt es keine spezifische Therapie [1]. Entscheidend ist die sofortige Behandlung der arteriitischen AION.
unwirksam/obsolet Bei der nichtentzündlichen Form der AION ist die vorübergehende Gabe von Kortikoiden oder Thrombozytenaggregationshemmern ohne gesicherten Effekt. Als obsolet gilt nach einer Multizenterstudie die operative Dekompression der Optikusscheide bei der progredienten NAION [2].
Prognose Bei der NAION wird in etwa 30% eine Verbesserung von Sehschärfe und Gesichtsfeld beobachtet, bei 10–20% aber auch eine weitere langsame Verschlechterung. Bei der arteriitischen AION wird durch die Kortikoidtherapie die bereits eingetretene Sehnervenschädigung nicht beeinflusst. Die Therapie soll aber ein Fortschreiten des Sehverlustes am 1. oder 2. Auge verhindern.
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York. 2. IONDT-group (ischemic optic neuropathy decompression trial search group) (1995) Optic nerve decompression surgery for NAION is not effective and may be harmful. JAMA 273: 625–632.
Akathisie Synonyme Praktisch als Synonym aber weniger gebräuchlich gilt der Begriff der Tasikinesie, eines unstillbaren, von der Körperlage unabhängigen Bedürfnisses, sich ständig zu bewegen.
Definition Akathisie heißt „Unfähigkeit zu sitzen“.
Einleitung Subjektiv ist die Akathisie gekennzeichnet von einem Gefühl der inneren Unruhe, die nach Ansicht mancher Autoren das einzige Symptom darstellen kann. Objektiv äußert sich die Akathisie in einer allgemeinen Bewegungsunruhe, in einem Umherlaufen, Trippeln, ständigen Gewichtsverlagerungen beim Sitzen, Über- und
Akinese
Entkreuzen der Beine und anderen zwecklosen, oft komplexen Bewegungen der oberen Extremität (Stereotypien). Die akute Akathisie gehört zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen (5–70% aller Behandelten) von Neuroleptika. Sie kann in Extremfällen so sehr beeinträchtigend sein, dass sie zum Suizid führt. Die tardive Akathisie persistiert auch nach Absetzen der Neuroleptika oder tritt erstmals nach Absetzen oder NeuroleptikaDosisreduktion „akut“ auf.
Differenzialdiagnose Vor Einführung der Neuroleptika in die Klinik war dieses Symptom extrem selten und wurde gelegentlich im Rahmen der Parkinson-Krankheit und des postenzephalitischem ParkinsonSyndroms erwähnt. Die Differenzierung der neuroleptikabedingten Akathisie von Agitiertheit bei psychiatrischer Grundkrankheit ist schwierig. Erhöhung der Neuroleptikadosis führt in der Regel zu einer Verschlechterung der akuten Akathisie und Reduktion zu einer Besserung im Gegensatz zur tardiven Akathisie. Weitere Differenzialdiagnosen: RestlessLegs-Syndrom, choreatische Syndrome.
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unwirksam/obsolet Der Therapieeffekt von Anticholinergika auf die akute Akathisie ist nicht eindeutig. Tetrabenazin ist nicht genügend untersucht worden bei der tardiven Akathisie.
Nachsorge Symptomkontrolle.
Bewertung Mit modernen Neuroleptika sollte das Problem der Akathisie nachlassen.
Prognose Bei der akuten/subakuten Akathisie ist die Prognose gut, sofern Neuroleptika reduziert bzw. abgesetzt oder ausgetauscht werden können. Zu der tardiven Akathisie gibt es wenig Daten.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Keine erwiesenen Empfehlungen.
Akinese
3
Synonyme Die akute Akathisie ist behandelbar und sistiert nach Reduktion bzw. Ausschleichen der Neuroleptika. Problematisch ist die tardive Akathisie. Es sollte daher bei Verdacht auf ein tardives Syndrom eine Überprüfung der Notwendigkeit von Neuroleptika erfolgen. Wenn die Chance einer Remission wahrgenommen werden soll, muss angestrebt werden, die ursächlichen Pharmaka abzusetzen.
Therapie gesichert Für niedrig dosierte lipophile β-Blocker in geringer Dosierung (z. B. Propranolol 3×10 mg/d) ist in verschiedenen offenen und doppeltblinden Studien eine signifikante Besserung objektiver und subjektiver Akathisie-Scores erzielt worden. empirisch Häufig werden vorübergehend Benzodiazepine wie Lorazepam verabreicht.
Bradykinese, Hypokinese
Definition Bewegungsverarmung, im engeren Sinn die Unfähigkeit zu Willkürbewegungen bei Intaktheit aller Organe.
Einleitung Es lassen sich drei Komponenten differenzieren: Eine Bewegungsverlangsamung oder Bradykinese, eine Verminderung der Bewegungsamplituden und Spontanbewegungen oder Hypokinese sowie eine Hemmung der Bewegungsinitiation oder Akinese. Im klinischen Sprachgebrauch werden die drei genannten Begriffe häufig synonym und austauschbar verwendet. Die Begriffe Bradykinese und Hypokinese werden der vorliegenden Symptomatik zumeist gerechter, da die Akinese eher einen Endzustand ( akinetische Krise) beschreibt. Die Brady-/Hypokinese zeigt sich am deutlichsten bei wiederholter Ausführung rascher, repetitiver Bewegungen, z. B. Supinations-Pronationsbewegungen an der oberen Extremität, 3
Prophylaxe
A
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Akinetische Krise
Faustöffnen und Faustschluss, Tippen des Zeigefingers auf dem Daumen, Tippen mit der Ferse auf den Boden in sitzender Position. Außerdem äußert sich Brady-/Hypokinese in einem Verlust an Spontanmotorik wie Gestik, vermindertes Mitschwingen der Arme beim Gehen oder einem schlurfendem kleinschrittigen Gang, spontaner Gesichtsmotorik ( Hypomimie), zunächst als einseitig ausgeprägte Verminderung von Mundwinkelexkursionen bei Ausdrucksbewegungen („Pokerspieler-Gesicht“) und ein- oder beidseitiger Verminderung der Lidschlussfrequenz. Die Stimme verliert an Volumen und wird im Verlauf heiser und monoton ( Hypophonie). Für den Patienten äußert sich Bradykinese als mangelnde Geschicklichkeit und Flüssigkeit von alltäglichen Bewegungen, wie z. B. Ankleiden, Zähneputzen, Rasieren, Zuknöpfen, Schrauben drehen, Bedienung einer Computer-Tastatur und beim Schreiben mit zunehmender Verkleinerung des Schriftbildes (Mikrographie). 3
3
Differenzialdiagnose Von den Parkinson-Syndromen abzugrenzen ist die Akinese bei psychomotorischer Verlangsamung, bei psychiatrischen Erkrankungen insbesondere Depression, Stupor, Katatonie, Paresen, motorischer Neglekt, Frontalhirnsyndrome mit vermindertem Antrieb (Abulie) und Gangstörungen bei älteren Menschen (frontale Gangstörungen, subkortikales Dysequilibrium, vorsichtiger Gang des älteren Menschen, bei PNP). 3
Therapie Therapie der Grundkrankheit.
Akinetische Krise Definition Unter akinetischer Krise versteht man eine akute Verschlechterung der hypokinetischen Parkinson-Symptomatik mit Immobilität, Dysphagie und häufig vegetativer Begleitsymptomatik mit Tachykardie, Blutdruckanstieg und Schwitzen. Auslösend sind meist Medikamentenentzug und/oder Begleiterkrankungen (gastrointestinale oder pulmonale Infekte, chirurgische Eingriffe).
Differenzialdiagnose * * *
Dopaminergika-Entzug. Unwissentliche Neuroleptika-Gabe, die ein Wirken der Dopaminergika verhindert. Selten: Malignes Dopa-Entzugssyndrom, malignes neuroleptisches Syndrom.
Therapie 1. Dopaminsubstitution: a) Enteral: * Orale L-Dopa-Gaben (mindestens 4× 100 mg/d). * L-Dopa/Benserazid oder Carbidopa aufgelöst (z. B. Madopar® LT, Nacom® 100) via Magensonde (mindestens 4×100 mg/d L-Dopa). b) Parenteral: S. c. Apomorphin-Infusionen (24-stündige Vorbehandlung mit 3×20 mg Domperidon: Infusionsrate ab 2 mg/h über 12–24 Stunden). 2. Amantadininfusionen: 200 mg/500 ml 1–2×/Tag. 3. Allgemeinmaßnahmen: Parenterale Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, Thromboseprophylaxe, Pneumonieprophylaxe.
Akromegalie, hypophysäre Definition Im Erwachsenenalter durch überschüssige Growth-Hormone-(GH)-Produktion auftretende morphologische Veränderungen mit Vergrößerung von Händen und Füßen sowie typischer Vergröberung der Gesichtszüge und Progenie.
Einleitung In der Regel durch GH-produzierende Hypophysenadenome werden im Kindes- und Adoleszentenalter Gigantismus, im Erwachsenenalter Akromegalie ausgelöst. Das Manifestationsalter liegt oft zwischen 40 und 60 Jahren. Häufige klinische Symptome sind Zephalgien, Seborrhöe, Kardiomegalie, Arthralgien, Karpaltunnelsyndrom, Diabetes mellitus.
Differenzialdiagnose Ektope GH- oder GHRH-Bildung ist sehr selten
Akustikusneurinom
und wird bei Karzinoiden und Inselzelltumoren gesehen.
Therapie gesichert Die Therapie ist ganz überwiegend operativ wie für die Adenome, Hypophyse beschrieben. Bei persistierender Akromegalie nach Operation, oder wenn eine Operation nicht möglich ist, kann bestrahlt werden. Der maximale Erfolg wird dann erst nach 5–10 Jahren eintreten. Die Applikation des synthetischen Somatostatinanalogons Octreoitide führt bei der Mehrheit der Patienten zu einer klinischen Besserung und zu einem Absinken der GH-Werte, ist jedoch eine Dauertherapie. Laborparameter für eine erfolgreiche Therapie ist das Absinken des GH-Wertes auf unter 5 ng/ ml, auf unter 1 ng/ml nach 75–100 g Glukosezufuhr und eine Normalisierung des Wertes von durch GH-induzierten Insulinlike-Growth-Factor I (IGF I). 3
3
unwirksam/obsolet Octreotide müsste unbegrenzt subkutan verabreicht werden, es verursacht hohe Therapiekosten und ist mit einer geringeren Remissionsrate als Operation und Strahlentherapie verbunden. Es wird deshalb hier nur als vorübergehende Therapieoption bis zur Operation empfohlen.
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bensenergie (Qi) fließen. Definierte Akupunkturpunkte werden mittels Nadeln stimuliert, was Yin- und Yang-Kräfte regulieren und energetische Blockaden lösen soll. Anwendung vor allem in der Schmerztherapie und bei funktionellen Störungen. Anhand bislang veröffentlichter Studien konnte auf neurologischem Fachgebiet eine Wirksamkeit u. a. in der Behandlung von Rückenschmerzen und idiopathischer Kopfschmerzen nicht belegt werden.
Akustikusneurinom Synonyme Vestibularschwannom
Definition Histologisch gutartiger Tumor, der seinen Ursprung von den Schwann-Zellen der Pars superior des N. vestibulocochlearis nimmt, i. d. Regel an der Grenze von zentralem und peripherem Myelin. Sie liegen im Kleinhirnbrückenwinkel und/oder im Meatus acusticus internus.
Einleitung
Therapie
Akustikusneurinome stellen die Mehrheit der Kleinhirnbrückenwinkeltumoren dar, ihre jährliche Inzidenz beträgt ca. 1 pro 100.000, sie machen etwa 10% der primären intrakraniellen Tumoren aus [1]. Ca. 95% der Akustikusneurinome sind einseitig und sporadisch, beidseitige Akustikusneurinome sind praktisch beweisend für eine Neurofibromatose, Typ 2. Klinisch äußern sie sich durch progrediente Hypakusis, Tinnitus und Schwankschwindel mit Fallneigung zur betroffenen Seite. Bei Kompression der benachbarten Nn. V und VII können entsprechende Ausfälle auftreten.
Therapieversuch mit Oxytriptan, Valproat, Primidon ( Myoklonus).
Diagnostik
Nachsorge Regelmäßige endokrinologische, opthalmologische, neurologische und kernspintomographische Kontrollen sind erforderlich.
3
Aktionsmyoklonus
3
Akupunktur Grundlagen Therapiemethode der traditionellen chinesischen Medizin. Geht von der Vorstellung aus, dass der Körper von Energieleitbahnen (Meridianen) durchzogen ist, in denen Blut und Le-
Die wesentliche diagnostische Maßnahme ist die Kernspintomographie, wobei die T1-Wichtung axial in einer Schnittführung von maximal 3 mm durchgeführt und durch koronare Schichten sowie Gadolinium-DTPA ergänzt werden muss. Bei kleinen, rein intrameatalen Tumoren sind die fehlende Abgrenzbarkeit zwischen VII. und VIII. Hirnnerven und das Fehlen des intrameatalen Liquors die empfindlichsten diagnostischen Zeichen.
A
32
Akzessorius (Nervus accessorius) fehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Zuckschwerdt, München Bern Wien New York.
Zur Frage nach knöchernen Arrosionen ist die hochaufösende CT am aussagekräftigsten. Als Ausgangsbefund zur Beurteilung der therapiebedingten Hörstörung ist ein Audiogramm obligat.
Maximalziele der Therapie sind Tumorkontrolle bzw. Tumorentfernung bei Erhaltung des Hörvermögens und der Funktion der Nervi VII und V. Als Behandlungsmodalitäten stehen Operation und Strahlenneurochirurgie zur Verfügung. Mit der Operation wird die komplette Resektion des Tumors, mit der einzeitigen oder fraktionierten stereotaktischen Zielbestrahlung mit Gamma-Knife oder Linearbeschleuniger ein Wachstumsstopp bzw. eine (verzögerte) Schrumpfung des Tumors erzielt. Die Entscheidung zwischen Radioneurochirurgie und Operation, sowie die Wahl des operativen Zugangsweges (translabyrinthär mit obligater Anakusis, transtemporal oder subokczipital) richtet sich nach der Größe des Tumors und nach Alter und Allgemeinzustand des Patienten. Tumoren einer Größe von >2,5 cm kommen für eine Bestrahlung nicht in Frage. Darüber hinaus sind Individualentscheidungen zwischen behandelnden Neurochirurgen und Radioneurochirurgen zu diskutieren. Für beide Therapiemodalitäten sind die publizierten Daten der erfahrenen Zentren in Deutschland in Bezug auf Tumorkontrolle, therapiebedingte Komplikationen und Langgzeitschäden exzellent [1].
Nachsorge Regelmäßige klinische Kontrolluntersuchungen inclusive Audiogramm sind erforderlich; bei Rezidivverdacht muss die Diagnostik wie oben beschrieben erneut durchgeführt werden. Eine mit Latenz nach Radioneurochirurgie auftretende Hörminderung als Folge einer NervusVIII-Neuropathie ist möglich.
Prognose Die Prognose bei mikroneurochirugischer kompletter Resektion ist exzellent; die Kontrollrate bei Radioneurochirgie beträgt im Langzeitverlauf 95% [1].
Literatur 1. Lumenta CB, Brückmann H, Feldmann HJ, Strupp ML, Wowra B (2001). Neurinome. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Emp-
Akzessorius (Nervus accessorius) 3
Therapie
Nervus accessorius, Läsion
Alarmreaktion Definition Nach Selye erste Phase des sogenannten allgemeinen Anpassungs- oder Adaptationssyndroms.
Grundlagen Selye beschrieb drei Phasen eines allgemeinen Adaptationsyndroms des Organismus auf starke äußere Reize und Stressoren, die hauptsächlich durch die Aktivität der Nebennierenrinde bestimmt sind. Phase I ist die Alarmreaktion, zu der es nach Auseinandersetzung des Organismus mit einer Umweltsituation kommt, an die er nicht oder unzureichend angepasst ist. Es kommt zu einer verstärkten sympathischen Aktivierung mit vermehrter Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin, ACTH und Glukokortikoiden. Auf die Alarmreaktion folgen zeitlich die Widerstandsphase und schließlich die Erschöpfungsphase.
Albendazol Synonyme Methyl[5-(propylthio)-2-benzimidazol]carbamat IUPAC ATC: [P02CA] Benzimidazol-Derivate
Zubereitungen Eskazole® Filmtabletten.
Wirkungen Albendazol (ABZ) ist das effektivste aller Breitband-Benzimidazole in der Humanmedizin, gut wirksam bei Helmintheninfektionen durch Ascaris lumbricoides, Necator america-
Aldosteron
nus, Ancylostoma duodenale, Trichuris trichiura, Enterobius vermicularis. Gegen systemische Cestoden wie Echinokokken und bei der durch Taenia solium verursachten Zystizerkose, Neurozystizerkose ist ABZ gut wirksam. Neben der Wirkung gegen adulte Parasiten besitzt ABZ eine ovizide Aktivität gegen Eier von Ascaris, Hakenwürmern und Trichuris. Die Hauptwirkungsweise von ABZ beruht auf der Induktion degenerativer Veränderungen von intestinalen und Tegument-Zellen der Helminthen durch Hemmung der Polymerisation von Tubulin in Mikrotubuli im Cytoplasma zurückgeführt. 3
3
Resorption ABZ wird schnell, aber insgesamt nur in geringen Mengen nach peroraler Applikation resorbiert, allerdings zu einem viel höheren Grad als alle anderen Benzimidazole. 28% der verabreichten Dosis werden innerhalb von 24 h und 47% über einen Zeitraum von 9 Tagen im Urin gefunden.
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se und Neurocysticercose, wo höhere Dosen über einen längeren Zeitraum verabreicht werden müssen, können gelegentlich Fieber und reversible Leukopenien auftreten. Zentralnervensystem: Bei geringen Dosen, die man bei der Behandlung von Haken- und Spulwurminfektionen verwendet, treten bei einer geringen Minderheit von Patienten Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelanfälle, Mattigkeit und Schlaflosigkeit auf. Verdauungstrakt: Vorübergehend können auch epigastrische Schmerzen und Diarrhoe auftreten. Leber: Bei höheren Dosen über einen längeren Zeitraum kann es zu erhöhten Serum-Transaminasewerten und selten Hepatitis kommen. Haut: Bei höheren Dosen gelegentlich Alopezie.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Die Anwendung von ABZ während der Schwangerschaft ist wegen des Auftretens von Teratogenität und Mutagenität in einigen experimentellen Studien kontraindiziert. Ebenfalls sollte auf eine Verabreichung von ABZ bei vorliegender Leberzirrhose verzichtet werden.
Verteilung Die höchste Plasmakonzentration an ABZ-Sulfoxid beträgt weniger als 1 μg/ml und wird beim Menschen schon nach 3 h nach peroraler Gabe von 400 mg gefunden.
Elimination Die Plasmahalbwertzeit von ABZ-Sulfoxid beträgt beim Menschen ca. 9 h. Der resorbierte Anteil wird vollständig und schnell metabolisiert. Der Hauptmetabolit (23–26%) ist das anthelminthisch wirksame Albendazolsulfoxid.
Dosierung und Art der Anwendung Haken- und Spulwurminfektionen des Menschen werden mit 400 mg ABZ täglich 1–2 Tage lang behandelt. Bei Infektionen mit systemischen Cestoden wie Echinococcus sp. werden 400 mg ABZ 2-mal täglich über einen Zeitraum von 28 Tagen verabreicht. Dieses Schema kann nach einem 14tägigen Intervall bis zu 12mal wiederholt werden. Bei der Neurocysticercose wird eine Dosis von 15 mg/kgKG täglich über einen Zeitraum von 1 Monat empfohlen.
Unerwünschte Wirkungen Die Unbedenklichkeit der Anwendung von ABZ bei Kindern ist noch nicht endgültig abgesichert. Während der Therapie der Hydatido-
Aldosteron Synonyme Aldocorten; Electrocortin; 11β-21-Di-hydroxy3,20-dioxo-4-pregnen-18-al(18,11-Halbacetal)
Wirkungen Aldosteron ist ein Hormon der Nebennierenrinde, das durch Angiotensin (im Rahmen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems), durch hohe Kaliumkonzentrationen im Serum bzw. per Rückkopplung durch das hypophysäre ACTH (adrenocorticotropes Hormon) gebildet und gleichzeitig abgegeben wird. Die Wirkungen des Aldosterons werden über Rezeptoren ausgelöst. Die Wirkungen des Aldosterons im distalen Tubulus der Niere und im Endmastdarm führen zur Retention von Natriumionen und zur Mehrausscheidung von Kaliumionen sowie von Wasserstoffionen, was langfristig zur Ödembildung, Hypokaliämie und metabolischer Alkalose führen kann. Die Wirkungen langfristiger Überproduktion (als primärer/sekundärer Hyperaldosteronismus) oder durch übermäßige Zufuhr betreffen: Polyurie, Polydipsie, Muskelschwäche, Parästhesien, erhöh-
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34
Alexander-Erkrankung
ten Blutdruck, Herzvergrößerung und Herzschwäche. Die Wirkungen des Aldosterons im Gehirn zur Unterdrückung der Salzaufnahme und Ausbildung eines hohen Blutdrucks werden durch höhere Konzentrationen an Corticosteron (am MR-Rezeptor) bzw. an Cortisol (am GR-Typ 2-Rezeptor) unter Kontrolle gehalten. Wirkungen von Aldosteron am Gehirn zur Anregung eines langsamwelligen Schlafs (über GR-Rezeptoren) und Unterdrückung des REM-Schlafes sind beobachtet worden.
Wirkungsverlauf Aldosteron wird oral nicht aufgenommen. Selbst bei i. v. Zufuhr treten seine Wirkungen wegen des indirekten Wirkungsmechanismus erst nach 1/2–1 h ein. Die Halbwertzeit ist mit 15–30 min nur kurz. Hauptmetaboliten des vorwiegend hepatischen Abbaus sind beim Menschen neben Aldosteron-18-glucuronid vor allem das Glucuronid des Tetrahydroaldosterons, das aus Dihydroaldosteron entsteht.
Anwendungsgebiete Aldosteron wird bei allen Zuständen des direkt oder indirekt ausgelösten Aldosteronmangels (insbesondere Addison-Krankheit) substituiert. Dazu gehören Autoimmunprozesse (Autoimmunadrenalitis und Enzymdefekte) und hypophysäre Formen (Adenome, Hypophysenapoplex). Soweit nicht durch Cortisolgabe auch die mineralocorticoiden Defizite ausreichend kompensiert werden, erfolgt heute die Substitution durch Gabe des mineralocorticoiden Fludrocortisons.
Dosierung und Art der Anwendung
Alexie, reine Definition (Isolierte) Störung des Lesens bei ungestörter Schreibfähigkeit mit Unfähigkeit, die Graphemstruktur von Worten aufgrund fehlender Buchstabenidentifikaton zu erkennen. Versuch der Worterkennung über alphabetische Buchstabenidentifikation unter Nichtbeachtung von Konsonantenbildung über Buchstabenkombinationen (z. B. ch durch c und h) bzw. Diphthongbildung durch Vokalkombination (z. B. au durch a und u). Schädigungslokalisation meist links temporookzipital (z. B. bei Posteriorinfarkt) mit Unterbrechung der Verbindungen vom erhaltenem visuellen Kortex kontralateral und den linkshemisphärischen Sprachzentren.
Differenzialdiagnose Lesestörung durch visuoperzeptive Ausfälle im Rahmen einer kompletten homonymen Hemianopsie bzw. durch Läsionen im supplementär visuellen Kortex.
Therapie empirisch Erarbeitung von Fazilitationsstrategien: * Übertragung in andere (taktile, kinetische) Sinnesmodalitäten (z. B. Nachfahren des Buchstabens, Kopieren in die Handfläche). * Förderung von ganzheitlichem Erkennen von Wörtern durch kontextuellen Zusammenhang. * Training von Buchstabierstrategien.
Prognose Je nach Störungsschweregrad und Genese. Insgesamt eingeschränkt.
0,5 mg mehrmals täglich parenteral.
„Alien limb“-Phänomen Alexander-Erkrankung Definition Sehr seltene infantile, juvenile oder adulte Leukodystrophie mit unklarem biochemischem Defekt.
Synonyme „alien hand sign“
Definition Sich der willkürlichen Kontrolle entziehende komplexe Bewegung/Handlung einer Extremität bei Dissoziation der Wahrnehmung und Bewegungsplanung von Extremitäten ohne Ober-
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Alkohol-Rausch
flächen-/Tiefensensibilitätsstörung oder taktilem Neglect. Läsionslokalisationen: Corpus callosum, medialer Frontallappen, supplementär motorischer Kortex (SMA). Ätiologie: Ischämien (v. a. Versorgungsgebiet der A. cerebri anterior), Tumore, Degeneration, Kortikobasale.
Differenzialdiagnose * *
*
*
Sensibilitätsstörungen mit Fremdheitsempfinden der Extremität. Neglectphänomene einschließlich Plussymptomen mit Personifikationen von Gliedmaßen. Nicht komplexe, unwillkürliche Extremitätenbewegungen (Hemiballismus im Neglectbereich, fokale Anfallsleiden). Vorderes Diskonnektionssyndrom (ideomotorische Apraxie der linken Extremitäten) durch Läsionen im vorderen Corpus callosum.
Therapie Keine standardisierte restitutive Therapie bekannt. Bei störenden sozialen Implikationen durch Armbewegungen ggf. Versuch einer mechanischen Beschränkung der „alien hand“ durch Festhalten oder Daraufsetzen.
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zäkozentrale Skotome bei erhaltenem peripheren Gesichtsfeld typisch. Grenzen der Defekte bei der Perimetrie sehr verwaschen. Papillen bleiben meist unverändert, zeigen höchstens später leichte temporale Abblassung. Diagnostisch bedeutsam ist die Toxinanamnese.
Therapie gesichert Primäre Therapie ist die Ausschaltung oder zumindest hochgradige Reduktion der Noxen Tabak und Alkohol. Begleitend sollte ausgewogene, vitaminreiche Ernährung und bei V. a. Vitaminmangel orale Applikation von Thiamin und intramuskuläre Injektion von Hydroxycobalamin (Vitamin B12) erfolgen [1].
Prognose Eine visuelle Funktionsverbesserung könnte in den Anfangsstadien erwartet werden, tritt jedoch meist trotz der beschriebenen Therapie nicht ein. Bei längerem Verlauf schlechte Prognose.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Vermeiden der Noxen Tabak und Alkohol.
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
Prognose
Halluzination/Halluzinose, alkoholische
Alkohol-Rausch
Alkohol-Amblyopie
Definition
Synonyme 3
Tabak-Alkohol-Amblyopie,
Alkohol-Halluzinose 3
Bei geringer Datenlage insgesamt einschränkt im Sinne einer häufigen Chronifizierung. Partielle soziale Reintegration häufig nur über Kompensationsstrategien möglich (z. B. Festhalten der Hand).
Amblyopie
Definition Optikusneuropathie durch toxischen Effekt von Alkohol, sehr häufig in Kombination mit Tabak. Zusätzlich liegt meist eine Proteinund Vitamin B-arme Mangelernährung vor.
Diagnostik Klinisch sind bilaterale, relativ symmetrische
Reversible exogene Psychose infolge einer akuten, übermäßigen Alkoholzufuhr mit Minderung von Selbstkontrolle und Selbstkritik, Stimulation und Enthemmung oder auch Depression.
Einleitung Bei höheren Blutalkoholspiegeln (ab 2,0 Promille) findet man in Abhängigkeit der momentanen körperlichen Verfassung Zeichen einer vestibulo-zerebellaren Funktionsstörung mit
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Alkoholentzugsdelir
Rumpfataxie, Dysarthrie und Nystagmus, sowie Bewusstseinsstörung bis zum Koma. In der Praxis bewährt hat sich die Einteilung in drei Stadien: Leichter Rausch, mittelgradiger Rausch und schwerer Rausch. Abzugrenzen ist der pathologische Rausch, meist bereits durch kleine Mengen Alkohol ausgelöster, Minuten bis Stunden andauernder Erregungs- oder Dämmerzustand bei verminderter Alkoholtoleranz. Differenzialdiagnose: Schädel-Hirn-Trauma, Intoxikation, ICB, psychiatrische Erkrankungen, metabolische Entgleisungen.
von Selbsthilfegruppen kann unterstützend wirken.
Prognose Individuell und in Abhängigkeit von sozialen und psychischen Faktoren sowie Dauer und Schwere der Erkrankung sehr unterschiedlich.
Alkoholentzugsdelir 3
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Delir
Diagnostik Anamnese, auch Fremdanamnese, klinische Untersuchung und Bestimmung des Blutalkoholspiegels. Bei Verdacht auf zusätzliche Intoxikationen oder Traumata, Medikamenten- und Drogenscreening und Durchführung einer kranialen CT.
Synonyme
Therapie
Alkoholembryopathie, drom
Bei Ausschluss einer ICB, zusätzlichen Schädel-Hirn-Traumata und Intoxikation mit anderen Substanzen ist meist keine spezifische Therapie notwendig, der Spontanverlauf kann unter Beobachtung abgewartet werden. gesichert Bei starken Erregungszuständen: Neuroleptika, z. B. Haloperidol 5–10 mg i. v., ein- bis zweimalige Wiederholung möglich. Bei exzessiv erhöhtem Alkoholspiegel mit drohendem Koma und kardiopulmonaler Insuffizienz: Beatmung und evtl. Hämodialyse unter intensivmedizinischen Bedingungen. unwirksam/obsolet Benzodazepine und Clomethiazol, da eine Wirkungsaddition befürchtet werden muss. Naloxon ist unwirksam. Ro 15–4513 als inverser Benzodiazepin-Agonist ist wegen seines krampf- und angstfördernden Potentials obsolet. Auch der klinische Einsatz von α2-Agonisten hat sich nicht durchgesetzt.
Alkoholfolgekrankheiten, Embryopathie fetales
Alkohol-Syn-
Definition Eine Alkoholembryopathie bezeichnet eine intrauterine Schädigung des Embryos durch den Alkoholkonsum der Mutter.
Einleitung Diese Form der Embryopathie ist mit bis zu 60.000 Neugeborenen/Jahr sehr häufig und in den westlichen Ländern die häufigste Ursache für geistige Retardierung. Die betroffenen Kinder weisen oft typische Stigmata auf: Neben abfallenden Lidspalten, schmaler Oberlippe und Epikanthus besteht häufig ein Mikrozephalus mit Hydrocephalus internus. Häufig bestehen geistige und körperliche Retardierung sowie auch Missbildungen des Herzens und muskuloskeletalen Systems.
Diagnostik Die intrauterine Ultraschalluntersuchung erlaubt die Bestimmung des Ausmaßes von möglichen Fehlbildungen.
Therapie Nachsorge Bei wiederholtem schwerem Alkoholmissbrauch sollte dem Patienten die Möglichkeit einer ambulanten, evtl. auch stationären Entzugstherapie nahegelegt werden. Der Besuch
Es ist keine kausale Therapie vorhanden. Sie beschränkt sich daher symptomatisch auf allgemeine Förderungsmaßnahmen, Ergo- und Physiotherapie, die jedoch konsequent durchgeführt werden sollten und neben einer frühen
Almotriptan
Diagnose für die weitere Entwicklung des Kindes hilfreich sind.
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Alkoholische Polyneuropathie Definition Im Wesentlichen toxisch bedingte Schädigung peripherer Nerven durch chronische Zufuhr von Äthanol.
Alkoholintoxikation, Drehschwindel
Diagnostik Definition Drehschwindel infolge akuter Vergiftung durch Aufnahme von mehr als 100 g Ethanol.
Einleitung Neben den Symptomen Hyperventilation, psychomotorische Erregung, Hyperthermie und weiteren ( Alkohol-Rausch) Symptomen kann es im Rahmen der Alkoholintoxikation auch zu akutem Drehschwindel kommen. 3
Differenzialdiagnose Drehschwindel anderer Genese: Akuter Vestibularisausfall, Labyrinthitis, Contusio labyrinthi, Neuropathia vestibularis, Felsenbeinfraktur, Zoster oticus, Epilepsie, benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, M. Menière, neurovaskuläre Kompressionssyndrome.
Prophylaxe Alkoholkarenz.
Therapie Alkohol-
empirisch Evtl. zusätzlich Dimenhydrinat 50 mg alle 4–6 Stunden.
Nachsorge Alkohol-Rausch
3
Bewertung Alkohol-Rausch
3
Prognose Alkohol-Rausch
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Alkohol-Rausch
Therapie gesichert Wichtigstes Therapieprinzip ist die strikte Alkoholkarenz. Zusätzlich ist ausgewogene Ernährung mit oraler Gabe von B-Vitaminen und Folsäure hilfreich; bei schweren gastrointestinalen Resorptionsstörungen auch parenterale Verabreichung. Substitutionstherapie insbesondere bei demyelinisierenden Formen als Hinweis auf vitaminmangelbedingte Ätiologie.
Prognose 3
gesichert Therapie der Alkoholintoxikation, Rausch.
Vorwiegend axonale Polyneuropathie mit distal- und beinbetonten sensomotorischen Defiziten und im Vordergrund stehenden sensiblen Reizerscheinungen sowie Störungen von Lage- und Bewegungssinn („Pseudotabes alcoholica“). Frühzeitig Muskelatrophien, trophische Störungen mit Hyperhidrose. Charakteristisch ist Druckschmerzhaftigkeit der Nervenstränge. Bei den demyelinisierenden Formen spielen ätiologisch vermutlich nutritive Faktoren (Vitaminmangel) eine größere Rolle.
Bei Alkoholkarenz keine weitere Verschlechterung, gegebenenfalls auch Verbesserung der bestehenden Symptome.
Almotriptan Synonyme 3-[2-(Dimethylamino)ethyl]-5-(pyrrolidinosulfonylmethyl)indol IUPAC
Zubereitungen Almogran® 12,5 mg Filmtabletten.
Wirkungen Almotriptan wurde zur Behandlung der Migräne entwickelt. Es hat eine hohe und selektive Affinität zu humanen 5-HT1B/1D-Rezeptoren. Die Bindung an den 5-HT2A-Rezeptor, der für
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Almotriptan
die unerwünschten vasokonstriktorischen Wirkungen an den Koronararterein verantwortlich sein soll, sowie an nicht-serotonerge Rezeptoren (dopaminerge D1- und D2-Rezeptoren oder α- und β-Adrenorezeptoren) ist vernachlässigbar [1]. Almotriptan wirkt relativ selektiv an isolierten kranialen Blutgefäßen diverser Spezies und hat im Vergleich dazu deutlich geringere vasokonstriktive Eigenschaften an periheren Gefäßen [1,2,3]. Es hemmt die neurogen evozierte meningeale Extravasation als Modell einer neurogenen Entzündung in geringeren Konzentrationan als Sumatriptan [3]. In einer Dosisfindungsstudie (n=742) wurden 2, 6,25, 12,5 und 25 mg Almotriptan nach oraler Gabe mit Plazebo verglichen. Die Wirksamkeit nach 2 h unterschied sich ab einer Dosis von 6,25 mg von Almotriptan und erreichte bei 12,5 mg 59% im Vergleich zu Plazebo mit 33%. Schmerzfei nach 2 h waren 38% der Patienten nach 12,5 mg Almotriptan und 11% nach Plazebo [4,5]. In einer weiteren plazebo-kontrollierten Studie mit 722 Patienten wurden 6,25 und 12,5 mg Almotriptan bei drei konsekutiven Migräneattacken mit Plazebo verglichen [6]. Die Erfolgsquote nach 2 h betrug 38% für Plazebo, 60% für 6,25 mg Almotriptan und 70% für 12,5 mg Almotriptan. Die Wirksamkeit bei 2 von 3 Attacken betrug 64% für die niedrige Dosis und 75% für die höhere Dosis von Almotriptan. Schmerzfrei nach 2 h waren 15% in der Plazebogruppe, 30% in der 6,25 mg Almotriptangruppe und 39% in der 12,5 mg Almotriptangruppe. Die Häufigkeit wiederauftretender Kopfschmerzen über alle drei Attacken hinweg betrug 28,7 und 30,1% bei den beiden Almotriptangruppen. Begleitsymptome der Migräne wie Übelkeit, Erbrechen, Phono- und Photophobie wurden in der 12,5 mg Almotriptangruppe im Vergleich zu Plazebo signifikant reduziert. In einer Vergleichsstudie wurden 12,5 und 25 mg Almotriptan mit 100 mg Sumatriptan oral verglichen. Hier ergab sich kein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Almotriptan und Sumatriptan, allerdings war die Rate an Wiederkehrkopfschmerz für Almotriptan geringer als für Sumatriptan (18% vs. 25%) [7]. Die Rate an unerwünschten Ereignissen war allerdings bei Almotriptan geringer und für die 12,5 mg Dosierung nicht signifikant unterschiedlich zu Plazebo (10,9% für 12,5 mg Almotriptan und 10,1% für Plazebo) [8]. Im Rahmen einer Metaanalyse [9] wurden die Daten von insgesamt 2294 Patienten analysiert. Die
Wirksamkeit von 12,5 mg Almotriptan nach 2 h betrug 61% im Vergleich zu Plazebo mit 35%. Schmerzfrei nach 2 h waren 35% der mit Almotriptan behandelten Patienten und 15% mit Plazebo. Für die 12,5 mg Dosis ergaben sich auch in dieser Metaanalyse keine signifikanten Unterschiede in den Nebenwirkungen im Vergleich zu Plazebo. In einer Langzeitstudie wurden 762 Patienten über ein Jahr behandelt, insgesamt 13751 Attacken. Die Erfolgsquote (Schmerzlinderung nach 2 h) in dieser Langzeitstudie betrug 84,2% aller schweren und mittelschweren Attacken, Schmerzfreiheit wurde bei 58,2% der Attacken erzielt. Bei keinem der Patienten kam es zu einem Wirkungsverlust im Beobachtungszeitraum [10].
Resorption Almotriptan weist eine gute Resorption auf und hat, verglichen mit anderen Triptanen, eine hohe orale Bioverfügbarkeit von etwa 70%. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 1,5–3 h erreicht. Die Pharmakokinetik von Almotriptan ist linear, Cmax und sowie AUC verhalten sich nach oraler Gabe von 5– 200 mg dosisproportional. Geschwindigkeit und Ausmaß der Resorption werden durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme nicht beeinträchtigt.
Verteilung Die Plasmaproteinbindung von Almotriptan beträgt 35%, das Verteilungsvolumen wird mit 195 l angegeben. Studien an Ratten mit 14Cmarkiertem Almotriptan lassen vermuten, dass die Substanz nur in sehr geringem Maß die Blut-Hirn-Schranke durchdringt (zitiert bei [1]).
Wirkungsverlauf Die schmerzlindernde Wirkung von Almotriptan setzte in klinischen Studien bereits 30 min nach der Einnahme ein [11].
Elimination Über 75% der verabreichten Dosis werden mit dem Urin ausgeschieden, der Rest mit den Faeces. Ca. 50% der Dosis werden unverändert im Urin wiedergefunden und weitere 5% unverändert in den Faeces. Der wichtigste Biotransformationsweg der verbleibenden 45% ist die Verstoffwechselung über die Monoaminoxidase A (MAO-A) sowie über die Cytochrom P450 Isoenzyme (CYP) 3A4 und 2D6. Keiner der Meta-
Almotriptan
boliten ist pharmakologisch aktiv. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 3,5 h. Die Gesamtclearance und die renale Clearance waren bei gesunden älteren Probanden im Vergleich zu einer jungen Kontrollgruppe etwas verringert. Da diese Unterschiede aber nicht klinisch relevant waren, ist bei älteren Menschen keine Dosisanpassung erforderlich. Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede in bezug auf die pharmakokinetischen Parameter wurden nicht beobachtet. Die renale Ausscheidung macht ca. zwei Drittel der Gesamtclearance aus und korreliert gut mit der Nierenfunktion. Bei leichter bis mittelschwerer Nierenfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung nötig, allerdings wird bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance <30 ml/min) nur eine Höchstdosis von 12,5 mg Almotriptan innerhalb von 24 h empfohlen, da der Anstieg der mittleren Halbwertszeit bei diesen Patienten statistisch und klinisch signifikant war. Da nur ca. 45% der Almotriptan-Elimination auf hepatischer Metabolisierung beruhen, ist bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Leberfunktionsstörung keine Dosisanpassung bzw. - beschränkung nötig. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung ist Almotriptan kontraindiziert, da hier keine Studienergebnisse vorliegen.
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dern: Über die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen liegen keine Daten vor, daher wird die Anwendung bei dieser Altersgruppe nicht empfohlen. Bei alten Patienten: Patienten über 65 Jahre: Bei älteren Patienten ist keine Dosisanpassung erforderlich. Die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit wurde in dieser Altersklasse nicht systematisch untersucht.
Unerwünschte Wirkungen Zentralnervensystem: Die häufigsten Nebenwirkungen mit einer Inzidenz von ≤1,5% (Inzidenz von Plazebo nicht berücksichtigt) in klinischen Studien waren Schwindel, Schläfrigkeit, Erbrechen und Müdigkeit. Herz: Die Inzidenz von Brustschmerzen betrug in den plazebokontrollierten Studien für Almotriptan 12,5 mg 0,2% (n=1313), für Plazebo 0,3% (n=387) [12].
Schwangerschaft Die Unbedenklichkeit von Almotriptan bei Anwendung während der Schwangerschaft wurde nicht belegt. In Reproduktionsstudien am Tier wurden zwar keine schädlichen Wirkungen von Almotriptan auf Gestation, Geburt oder postnatale Entwicklung beobachtet, doch sollte eine Anwendung nur erwogen werden, wenn der zu erwartende Vorteil für die Mutter die möglichen Risiken für den Fötus überwiegt.
Anwendungsgebiete
Stillperiode
Almotriptan wird in einer Dosis von 12,5 mg oral zu Behandlung des akuten Migräneanfalls mit und ohne Aura eingesetzt.
Untersuchungen an Ratten haben gezeigt, dass Almotriptan in die Muttermilch übergehen kann. Um die Risiken der Arzneistoffaufnahme durch das Kind zu minimieren, sollte 24 h nach der Behandlung nicht gestillt werden.
Dosierung und Art der Anwendung Die empfohlene Dosis ist 1 Tablette mit 12,5 mg Almotriptan. Eine zweite Dosis kann eingenommen werden, wenn die Substanz initial erfolgreich war und innerhalb von 24 h die Migränesymptome erneut auftreten. Ist die erste Dosis wirkungslos, sollte in derselben Attacke keine zweite Dosierung eingenommen werden. Innerhalb von 24 h sollten nicht mehr als zwei Dosierungen genommen werden. Nieren- oder Leberfunktionsstörung: Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Nieren- oder Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung nötig. Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung dürfen höchstens eine 12,5 mg Tablette in 24 h einnehmen. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung ist Almotriptan kontraindiziert, weil hier keine Daten vorliegen. Bei Kin-
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wie andere 5HT1B/1D-Rezeptoragonisten ist Almotriptan bei Patienten mit einer Anamnese, Symptomen oder Zeichen ischämischer Herzkrankheit, schwerer Hypertonie und unkontrollierter leichter oder mittelschwerer Hypertonie kontraindiziert. Patienten mit vorangegangener zerebraler Ischämie sowie mit peripherer Gefäßkrankheit dürfen Almotriptan nicht einnehmen. Die gleichzeitige Verabreichung mit Lithium, Ergotamin (Dosierungsintervalle beachten!) und anderen Triptanen ist kontraindiziert.
Warnhinweis/Vorsichtsmaßnahmen Wie andere Triptane darf Almotriptan nur bei eindeutiger Diagnose der Migräne (nicht bei
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Almotriptan
Basilarismigräne, hemiplegischer und ophthalmoplegischer Migräne) eingesetzt werden. Ein zeitlicher Abstand von mindestens 6 h ist bis zur Gabe von Arzneimitteln vom Ergotamintyp, mindestens 24 h zwischen der Gabe von ergotaminhaltigen Arzneimitteln und Almotriptan einzuhalten.
höchsten bisher verabreichten Dosis von 150 mg Schläfrigkeit auf. Eine Überdosierung sollte symptomatisch behandelt und Vitalfunktionen über einen Zeitraum von 12 h oder bis zum Abklingen der Symptome überwacht werden.
Wechselwirkungen
Literatur
In den bisher durchgeführten Interaktionsstudien ergaben sich keine Hinweise von Wechselwirkungen mit Monoaminooxidase-A-Hemmern, Betablockern, selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI), Mutterkornalkaloiden, Calciumantagonisten oder Hemmern der Cytochrom P450 Isoenzyme 3A4 und 2D6. Die gleichzeitige Anwendung von Almotriptan und Ergotamin hatte keine relevanten Veränderungen der Pharmakokinetik von Almotriptan zur Folge, allerdings ist auch hier, wie bei allen Triptanen, die gleichzeitige Gabe wegen der potenziellen Gefahr von Vasospasmen kontraindiziert. Klinisch relevante Wechselwirkungen wurden nicht beobachtet. Mehrfachgabe des SSRI Fluoxetin zusammen mit Almotriptan war klinisch ohne Bedeutung. Die Mehrfachgabe des Calciumantagonisten Verapamil erwies sich ebenfalls als klinisch nicht relevant. Auch die Mehrfachgabe des Betablockers Propranolol veränderte die Kinetik von Almotriptan nicht, klinisch bedeutsame Wechselwirkungen wurden nicht beobachtet. In vitro-Untersuchungen an menschlichen Mikrosomen zeigten, dass keine Veränderung des Metabolismus von Substanzen, die über Cytochrom-Isoenzyme (CYP) oder MAO-A bzw. - B verstoffwechselt werden, zu erwarten sind. Die gleichzeitige Einnahme mit der Nahrung ist ohne Einfluss auf die Pharmakokinetik von Almotriptan.
Toxikologie Karzinogenität In Studien zur Sicherheitspharmakologie, zur Toxizität bei wiederholter Anwendung und zur Reproduktionstoxikologie ergaben sich keine Risiken für die Anwendung von Almotriptan beim Menschen, mutagene und karzinogene Wirkungen wurden nicht festgestellt. Akute Vergiftung Es wurden keine Fälle von Überdosierung berichtet. Als häufigste Nebenwirkung trat bei der
1. Bou J, Domenech T, Puig J et al. (2000) Pharmacological characterization of almotriptan: an indolic 5-HT receptor agonist for the treatment of migraine. Eur J Pharmacol 410:33–41 2. Bou J, Domenech T, Gras J et al. (1997) Pharmacological profile of almotriptan, a novel antimigraine drug. Cephalalgia 17:421–422 3. Gras J, Bou J, Llenas J et al. (2000) Functional profile of almotriptan in animal models predictive of antimigraine activity. Eur J Pharmacol 410:43– 51 4. Fernandez FJ, Cabarrocas X, Zayas JM et al. for and on behalf of the Almotriptan Dose Finding Study Group (1999) Oral almotriptan in the treatment of migraine. Cephalalgia 19:362–362 5. Pascual J (2000) Therapy with other triptans: almotriptan. In: Diener HC (Hrsg.) Drug treatment of migraine and other headaches. Karger, Basel, S. 197–205 6. Pascual J, Falk RM, Piessens F et al. (2000) Consistent efficacy and tolerability of almotriptan in the acute treatment of multiple migraine attacks: results of a large, randomized, doubleblind, placebo-controlled study. Cephalalgia 20:588–596 7. Cabarrocas X, Zayas JM, on behalf of the almotriptan Oral Study Group (1998) Efficacy data on oral almotriptan, a novel 5-HT1B/D agonist. Headache 38:377–378 8. Cabarrocas X, Zayas JM, for and on behalf of the Almotriptan Comparative Study Group (1999) Advantageous tolerability of almotriptan 12,5 mg compared with sumatriptan 100 mg. Headache 39:347 9. Martinez E, Cabarrocas X, Peris F et al. (1999) Meta-analysis of the efficacy and safety of almotriptan in the treatment of migraine. Cephalalgia 19:362 10. Pascual J, Falk RM, Docekal P et al. (2001) The tolerability and efficacy of almotriptan in the long-term treatment of migraine. Eur Neurol 45 (4) 11. Almirall Prodesfarma, Bayer Vital GmbH 12,5 mg Filmtablette (2000) Fachinformation November 2000 12. Matthew NT (2000) Results of a 1-year open study on almotriptan. London, Headache World (abstract)
Alprazolam
Alpers-Syndrom (infantile Poliodystrophie) Definition Meist autosomal-rezessiv vererbte mitochondriale Enzephalomyopathie mit Zerstörung der grauen Hirnsubstanz.
Einleitung Rasch progrediente Erkrankung des Kindesalters, die zu psychomotorischer Retardierung, Krampfanfällen, spastischen Paresen u. a. führt. Der Erbgang ist meist autosomal-rezessiv.
Diagnostik Enzephalomyopathie, mitochondriale.
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Therapie Enzephalomyopathie, mitochondriale.
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werden ca. 1–2 h nach Applikation erreicht. Die Plasmaproteinbindung des Alprazolams liegt im therapeutischen Bereich bei 70%.
Elimination Alprazolam wird in der Leber zu α-HydroxyAlprazolam (noch biologisch aktiv) und einer größeren Anzahl anderer Metaboliten umgewandelt. Ca. 20% der Dosis werden unverändert renal ausgeschieden. Die Plasmahalbwertzeit von Alprazolam beträgt 10–12 h. Alprazolam passiert die Plazentaschranke und wird in die Muttermilch sezerniert. Die Elimination von Alprazolam ist im Alter und bei Erkrankungen der Leber deutlich verlangsamt.
Anwendungsgebiete Zur symptomatischen Behandlung von akuten und chronischen Spannungs-, Erregungs- und Angstzuständen.
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Dosierung und Art der Anwendung
8-Chlor-1-methyl-6-phenyl-4H-[1,2,4]triazolo [4,3-a][1,4]benzodiazepin; Triazolobenzodiazepin
Die perorale Tagesdosis liegt hier bei 1,5 mg, in Einzelfällen bis zu 4 mg. Der gleiche Dosisbereich gilt für die umstrittene Anwendung des Alprazolams bei depressiven Erkrankungen. Zur Behandlung der Panikerkrankungen werden in der Regel höhere Dosen bis zu 10 mg/ d eingesetzt.
Zubereitungen
Unerwünschte Wirkungen
Synonyme
Alprazolam AZU® 0,25 mg/-0,5 mg/-1 mg Tabletten; Alprazolam-ratiopharm® 0,25 mg/0,5 mg Tabletten; Alprazolam-TEVA® 0,25 mg/-0,5 mg/-1 mg Tabletten; Cassadan® 0,25/-0,5/-1 Tabletten; Tafil® 0,5/-1,0 Tabletten; Xanax® 0,5/-1,0 Tabletten
Wirkungen Alprazolam ist ein Benzodiazepin mit angstbzw. spannungslösender, antikonvulsiver, sedativ-hypnotischer, und über zentrale Mechanismen vermittelter muskelrelaxierender und amnestischer Wirkung (Diazepam). Für Alprazolam wird darüber hinaus eine spezifische therapeutische Wirksamkeit bei depressiven Erkrankungen und bei der Panikerkrankung diskutiert.
Die UW von Alprazolam entsprechen denen anderer Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine ( Diazepam). 3
Alprazolam
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Auch hier unterscheidet sich Alprazolam nicht von anderen Benzodiazepinen (Diazepam).
Wechselwirkungen Alprazolam kann die Wirkung anderer zentraldämpfender Medikamente und von Alkohol verstärken. Bei gleichzeitiger Einnahme mit Cimetidin kann die Wirkung von Alprazolam verstärkt und verlängert werden.
Resorption
Toxikologische Eigenschaften
Nach peroraler Applikation wird Alprazolam schnell resorbiert. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 80%. Maximale Plasmakonzentrationen
Die bei einer Überdosis notwendigen Maßnahmen entsprechen denen anderer Benzodiazepine (Diazepam).
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ALS (amyotrophe Lateralsklerose)
ALS (amyotrophe Lateralsklerose) Synonyme Myatrophische Lateralsklerose, Charcot-Krankheit
Definition Degenerative Erkrankung des 1. und 2. Motoneurons mit Paresen, Muskelatrophie, Spastik und Pyramidenbahnzeichen.
Einleitung Die Inzidenz beträgt ca. 2/100.000. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (m: w=1,5:1). Manifestation meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr (20–80 Jahre) mit distal betonten Atrophien und Paresen (30–40% an den kleinen Handmuskeln, 30–40% an der unteren Extremität) oder Zeichen der Bulbärparalyse (ca. 25%). Faszikulationen, Hyperreflexie, Krampi, keine sensiblen oder zerebellären Symptome. Die Ätiologie ist unbekannt. 90% der Fälle sporadisch, seltener familiär (autosomal-dominant vererbt, ca. 10%). Bei etwa 10% der Patienten mit familiärer ALS ist eine Mutation der Kupfer-Zink-Superoxiddismutase nachweisbar.
Diagnostik Elektromyographie: Nachweis florider und chronischer Denervierungszeichen, auch in klinisch nicht betroffenen Muskeln. Elektroneurographie: Ausschluss demyelinisierender Erkrankungen sowie von Leitungsblöcken (Ausschluss multifokale motorische Neuropathie). Transkranielle Magnetstimulation: Nachweis einer verlängerten zentralen motorischen Leitungszeit. MRT: Ausschluss einer zervikalen Myelopathie. Labor: Vitamin B12 und Folsäure, Schilddrüsenwerte, Immunelektrophorese, Lues-Serologie, HTLV1, Anti-GM1-Antikörper. Liquor: Allenfalls geringe Eiweißerhöhung.
empirisch Krankengymnastik, Hilfsmittelversorgung (z. B. Peronaeusschiene) zur Erhaltung der Funktion des Bewegungsapparates. Logopädie, bei Anarthrie evtl. Sprachcomputer. Schluckstörungen mit massivem Gewichtsverlust, Dehydrierung oder Aspiration machen die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) erforderlich. Bei Atemstörungen bestehen Möglichkeiten von der nichtinvasiven Maskenbeatmung bis hin zur Heimbeatmung über ein Tracheostoma. unwirksam/obsolet Eine Vielzahl von Substanzen (Vitamine, Immunsuppressiva, i.v. Immunglobuline, Kortikosteroide, Hormone, α-Interferon) wurden untersucht, ohne dass ein Nutzen nachgewiesen werden konnte.
Prognose Meist unaufhaltsam progredienter Verlauf, mittlere Überlebensdauer 3,5 Jahre nach Beginn der Symptomatik. Etwa 10% der Erkrankten leben länger als 10 Jahre. Bulbärer Beginn, höheres Lebensalter und niedrige Vitalkapazität sind Indikatoren für eine schlechtere Prognose. Limitierend für die Lebenserwartung ist die respiratorische Insuffizienz.
Literatur 1. Lacomblez L, Bensimon G, Leigh PN, Guillet P, Meininger V for the Amyotrophic Lateral Sclerosis / Riluzole Study Group-II (1996) Dose-ranging study of riluzole in amyotrophic lateral sclerosis. Lancet 347: 1425–1431.
ALS-Parkinson-Demenz-Komplex Definition Variante der amyotrophen Lateralsklerose im ostasiatischen Raum (Guam, Neu-Guinea, Japan) mit Inzidenzen bis zu 1.000/100.000.
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Therapie Eine kurative Therapie existiert bislang nicht. gesichert Der Glutamatantagonist Riluzol(Rilutek®, 100 mg/d) verzögert die Progredienz um Monate [1].
Alteplase Definition Der Gewebe-Plasminogen Aktivator ist eine endogene Serinprotease, die Fibrin-gebundenes Plasminogen in Plasmin umwandelt und da-
Alteplase
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ALS (amyotrophe Lateralsklerose). Tab. 1: Symptomatische medikamentöse Therapie bei ALS
Spastik Muskelkrämpfe
Substanz
Handelspräparat (Beispiel)
Dosierung (Richtwerte)
Baclofen
Lioresal®
3×5– 3×25 mg
Tizanidin
Sirdalud®
3×2–3×12 mg
Carbamazepin Tegretal retard® Chininsulfat
Pathologisches Lachen/ Weinen
Hypersalivation
Limptar®
1×200–3×400 mg 1–2×200 mg
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Phenytoin
Phenhydan
1–3×100 mg
Amitriptylin
Saroten®
10–150 mg
L-Dopa
Madopar®
500–600 mg
Fluoxetin
Fluctin®
1–3×20 mg
Amitriptylin
Saroten®
10–150 mg
Scopolamin
Scopoderm TTS®
Clonidin
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Catapresan
durch die Fibrinolyse des Thrombus bewirkt. Auf ungebundenes Plasminogen im Plasma zeigt es kaum Wirkung. t-PA wird als einkettiges Polypeptid gebildet, das auf der Fibrinoberfläche in die zweikettige Form gespalten wird. Alteplase ist ein durch rekombinante DNSTechnologie erhaltener t-PA. Gentechnologisch wird nach Isolierung und Exprimierung des Gens für den menschlichen Gewebe-Plasminogen-Aktivator ein Plasmid gebildet, das die cDNS für t-PA und Start- und Stoppsignal enthält. Dieses wird in die DNS von Escherichia coli eingebaut.
Synonyme Fibrinokinase; Gewebe-Plasminogen-Aktivator; Plasminogen human-Aktivator; TPA (tissue plasminogen activator), einkettige Rekombinante=Alteplase Offizinell: (Mar 30)
Zubereitungen Actilyse® 10 mg/-20 mg/-50 mg/-100 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektions-/Infusionslösung.
Inkompatibilitäten Alteplase soll nicht im gleichen Behältnis mit Dobutamin, Dopamin, Glycerin Trinitrat oder Heparin gemischt werden. Verdünnungen von Alteplase (0,09 und 0,16 mg/ml) mit 5%iger Glukose Injektion führten zur Ausfällung.
1 mg/72 h 0,15–0,3 mg
Wirkungen t-PA (=Gewebeplasminogenaktivator) ist der bedeutendste physiologische Aktivator der Fibrinolyse. t-PA wird von Endothelzellen synthetisiert, ist in den meisten menschlichen Organen und Geweben enthalten und kann nach Stimulation (z. B. durch physischen oder psychischen Stress, venöse Stauung oder Infusion vasoaktiver Suzbstanz) als aktives einkettiges Molekül aus den Endothelzellen freigesetzt werden. Für die klinische Anwendung steht heute biotechnologisch produzierter rekombinanter t-PA zur Verfügung. Durch t-PA wird im Plasminogenmolekül eine Arg560-Val561-Bindung gespalten, so dass Plasmin entsteht. Plasmin seinerseits bewirkt durch proteolytische Spaltung einer Arg-Ile-Bindung die Entstehung eines zweikettigen t-PA, der vorwiegend an niedrigaffine Bindungsstellen des Fibrins bindet und ebenfalls fibrinolytisch aktiv ist. Plasmin selbst katalysiert die Hydrolyse eines breiten Spektrums von Peptidbindungen; es bewirkt sowohl den Abbau von Fibrin, aber auch von Fibrinogen und anderen Gerinnungsfaktoren. t-PA wird nur auf bestimme Reize und selektiv am Ort von Fibrinablagerungen oder Thromben aus den Endothelzellen in das Blut freigesetzt. In Abwesenheit von Fibrin ist t-PA nur ein sehr schwach wirksamer Plasminogenaktivator und wird darüberhinaus durch Inhibitoren schnell inaktiviert und über die Leber eliminiert. Der wichtigste Plasmainhibitor von t-PA ist der „plasminogen activator inhibitor 1“ (PAI-1),
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Alteplase
ein Serinproteaseninhibitor, dessen Produktion und/oder Freisetzung aus verschiedenen Zellen durch unterschiedliche Stimuli (u. a. Thrombin) reguliert wird und der sowohl die ein- als auch die zweikettige Form von t-PA inaktiviert. Die Aktivierung von t-PA ist bei Anwesenheit von Fibrin aufgrund einer stark erhöhten Affinität zum Substrat um das 1.000–1.500fache größer, was durch die Bildung eines thermodynamisch stabileren ternären Komplexes aus Fibrin, Plasminogen und t-PA bedingt ist. Die hohe Affinität von t-PA zum Plasminogen in Anwesenheit von Fibrin bewirkt eine effektive lokale Aktivierung der Fibrinolyse, während die Plasminogenaktivierung durch t-PA im Plasma vergleichbar gering ist. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zu freiem Plasmin das an der Fibrinoberfläche gebundene Plasmin nur sehr langsam durch α2-Antiplasmin inaktiviert wird, da durch die Bindung sowohl die Lysin-Bindungsstellen als auch das aktive Zentrum geschützt sind. Aufgrund der fibrin-selektiven Wirkung von t-PA und der daraus resultierenden Konzentration der Wirkung direkt am Thrombus werden im Blut zirkulierendes Fibrinogen und andere Plasmaproteine in geringerem Ausmaß gespalten.
Resorption t-PA ist aufgrund seines Wirkungsmechanismus und der klinischen Indikation ausschließlich zur i. v. Applikation vorgesehen.
Verteilung Die Pharmakokinetik von t-PA wurde sowohl an gesunden Probanden als auch bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt bestimmt. Bei gesunden Probanden wurde t-PA in einer Dosis von 0,25 mg/kg über 30 min infundiert. Die Plasmakonzentration von TPA stieg während der Infusion rasch an. Nach Beendigung der Infusion wurde t-PA mit einer initial schnellen Phase (t1/2α) von 3,3±0,4 min und einer folgenden langsamen Phase (t1/2β) von 26 ±12 min, die von untergeordneter Bedeutung war, aus dem Plasma eliminiert. Die totale Plasmaclearance betrug 687±63 ml/min, das initiale VVol. 3,9±0,6 l, das VVol. im Steady State 7,2 ±1,0 l. Die pharmakokinetischen Daten von tPA, die bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt während koronarer Thrombolyse ermittelt wurden, ähnelten denjenigen bei gesunden Probanden. Die Bolusgabe von 10 mg t-PA über
2 min führte zu Plasmaspiegeln von 3.310 ±50 ng/ml. Die anschließende Infusion von 50 mg TPA/1 h und 30 mg/1,5 h ergab Steady-State-Spiegel von 2.210±470 ng/ml bzw. 930±200 ng/ml. Bei den Patienten wurden folgende pharmakokinetischen Parameter ermittelt: t1/2α 3,6±0,9 min, t1/2β 16,0±5,4 min, Gesamtclearance 380±74 ml/min, initiales VVol. 2,8±0,9 l, VVol. im Steady State 9,3 ±5,0 l.
Elimination Die schnelle Elimination von t-PA erfolgt nahezu ausschließlich über die Leber, wobei sowohl ein proteinvermittelter Abbau über Hepatozyten als auch ein carbohydrat-vermittelter Abbau über Endothelzellen von Bedeutung sind. t-PA wird proteolytisch zu Aminosäuren abgebaut, die keine pharmakologische oder toxikologische Aktivität besitzen. Aufgrund der hepatischen Elimination ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz keine Beeinflussung der Pharmakokinetik von t-PA zu erwarten.
Anwendungsgebiete Eine der wichtigsten Indikationen für die klinische Anwendung von t-PA ist die Behandlung des akuten Myokardinfarkts. Weitere Anwendungsgebiete für t-PA sind die Behandlung tiefer Venenthrombosen, pulmonaler Embolien, sowie die Therapie von Thrombosen in peripheren arteriellen Gefäßen. In der Neurologie Einsatz beim akuten Hirninfarkt innerhalb eines 3 h - (i. v.) bzw. 6 h-Fensters (i. a.).
Unerwünschte Wirkungen Aufgrund der thrombolytischen Wirkung können bei der therapeutischen Anwendung von tPA Blutungskomplikationen auftreten, die durch den Einfluss des Thrombolytikums auf das Gerinnungssystem, die Gefäßwand und den hämostatischen Pfropf bedingt sind, wobei eine zusätzliche Therapie mit Antikoagulantien oder Plättchenfunktionshemmstoffen die Blutungsneigung verstärken kann. Dabei kann es sich um Blutungen an Punktionsstellen, im Gastrointestinaltrakt, um Hämaturie oder Zahnfleisch- und Nasenbluten handeln. Intrakranielle Blutungen bei der Behandlung des akuten Myokardinfarkts in 0,4–0,7%.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung t-PA sollte nicht angewendet werden bei Patien-
Alzheimer-Erkrankung
ten mit hämorrhagischen Diathesen, oraler Antikoagulantientherapie, nachgewiesenem Ulcus duodeni oder ventriculi, Colitis, Ösophagusvarizen, Aortenaneurysmen, nicht beherrschter arterieller Hypertonie, nur kurz zurückliegenden Traumen oder Operationen, metastasierenden malignen Erkrankungen, arteriovenösen Missbildungen, in der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt.
*
Wechselwirkungen
Therapie
Jackson-Syndrom (mediale Medulla oblongata). 3
Differenzialdiagnose *
Seitendifferente Ausfälle bei Karotisdissektionen (ipsilaterales peripheres Horner-Syndrom und kontralaterale sensomotorische Hemiparese). Bilaterale Läsionen.
*
3
Hirninfarkte (einschließlich Rehabilitation).
Nachsorge 3
Bei gleichzeitiger Gabe bzw. mehrtägiger Vorbehandlung mit Heparin, Kumarin, Acetylsalicylsäure, Dipyridamol, Lidocain, Nitroglycerin, Propranolol und Digitoxin wurden im Tierversuch keine Wirkungsveränderungen oder ein unerwartetes Auftreten von unerwünschten Wirkungen beobachtet. Bei vorbestehender Einnahme oraler Antikoagulantien kann jedoch die Blutungsgefahr erhöht sein.
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Hirninfarkte
Prognose Bei umgrenzten ischämischen Hirnstammläsionen insgesamt gut, häufig Restitutio ad integrum.
Toxikologische Eigenschaften Bei der Prüfung der akuten Toxizität von t-PA an der Ratte und am Affen nach i. v. Bolusinjektion bzw. 1-stündiger Infusion erhielten die Tiere ein Vielfaches der humantherapeutischen Dosis/kg KG/t, ohne dass toxische Wirkungen auftraten. Bei wiederholter Anwendung über 2 bzw. 4 Wochen an Ratten, Hunden und Affen (Infusion über 30 min, bei Hunden Langzeitinfusion von 5–6 h) wurden außer einer erhöhten Blutungsneigung insbesondere im Injektionsbereich keine toxischen Effekte beobachtet. Die Untersuchung von t-PA auf Mutagenität und Cancerogenität verlief negativ.
Alzheimer-Erkrankung Synonyme Demenz vom Alzheimer Typ
Definition Durch einen progressiven Verlust der Gedächtnisleistungen und der kognitiven Funktionen charakterisierte chronisch-neurodegenerative Erkrankung ungeklärter Ätiologie.
Einleitung Die Demenz vom Alzheimer Typ (AD) ist mit weltweit 50–60%, bei über 80-Jährigen mit mindestens 65% die häufigste Ursache von Demenzen. Die Prävalenz der AlzheimerDemenz ist deutlich alterskorreliert (30–59 Jahre: 0,02%; 80–90 Jahre: 10,8%). Die AD ist die vierthäufigste Todesursache in den westlichen Ländern (nach Herzinfarkt, Krebs und Schlaganfall). Bei ca. 7% aller Betroffenen findet sich eine positive Familienanamnese bezüglich dementieller Syndrome. Bei einem Teil dieser Gruppe mit familiärer AD konnten autosomal-dominante Gendefekte, die zu einer AD vor dem 50.–60. Lebensjahr führen können, auf den Chromosomen 1, 14 und 21 nachgewiesen werden (Presenilin-1-Gen auf Chromosom 14, Presenilin-2-Gen auf Chromosom 1, Mutationen im Gen des Amyloidvorläuferproteins auf 3
Definition Überbegriff für Hirnstammläsionen mit Kombination von verschiedenen Halbseitensymptomen aufgrund unterschiedlicher Kreuzungshöhen der verschiedenen sensiblen und motorischen Bahnen. Häufigste Alternans-Syndrome: * Wallenberg-Syndrom (dorsolaterale Medulla oblongata), * Weber-Syndrom (ventrales Mesenzephalon), * Millard-Gubler-Syndrom (kaudale Brücke),
3
Alternans-Syndrom
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Alzheimer-Erkrankung
Chromosom 21). Morphologisches Korrelat der AD ist ein kortikaler Synapsenverlust; neuropathologische Befunde sind fibrilläre Zytoskelettveränderungen der entorhinalen, hippokampalen und isokortikalen Nervenzellen und korti-
kale Ablagerungen des β-Amyloidproteins (Hauptbestandteil der sog. Amyloidplaques). Risikofaktoren für das Entstehen einer AD sind das Vorhandensein ApoE4-Allels des ApoE (Apolipoprotein-E), familiäre Belas3
46
Alzheimer-Erkrankung. Tab. 1: Differenzialdiagnostik der Alzheimer-Demenz Erkrankung
Charakteristika
Vaskulär-bedingte Demenz
Oft abrupter Beginn oder abrupte Verschlechterung (aber auch schleichender Verlauf möglich) Fluktuationen mit intermittierender Besserung im Verlauf Emotionale Inkontinenz Anamnestisch Risikofaktoren für Gefäßerkrankung Infarkte in CT/MRT Leukoaraiosis in CT/MRT Fokaler Hypometabolismus in SPECT/PET
Frontallappendemenz
Persönlichkeitsveränderung (Apathie oder Enthemmung) Planungsdefizite gegenüber Gedächtnisstörung im Vordergrund Unauffälliges EEG, frontale Atrophie in CT/MRT Frontaler Hypometabolismus in SPECT/PET
Subkortikale Demenzen
Psychomotorische Verlangsamung Vor, gleichzeitig oder kurz nach Beginn der Demenz auftretende Bewegungsstörung
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
Früh auftretende Myoklonien, zerebrale Anfälle, Ataxie Paranoide oder halluzinatorische Symptome Rasche Progression, triphasische Wellen im EEG
HIV-Enzephalopathie
Infektionsverdacht aus Anamnese Positive Serologie
Neurolues
Positive Serologie bei obligater Routineuntersuchung
Normaldruckhydrozephalus
Apraktische Gangstörung fast immer vor dementieller Symptomatik, später hinzukommende Inkontinenz Vergrößerte Ventrikel in CT oder MRT
Demenz bei genetisch bedingten Stoffwechsel- Früher Erkrankungsbeginn, positive Familienerkrankungen (z.B. M. Niemann-Pick Typ C) anamnese Oft zusätzlich Polyneuropathie, Ataxie, Sehstörung Demenz bei diffuser Nervenzellschädigung im Rahmen einer globalen Hypoxie, Ischämie, Hypoglykämie oder bei Leber- oder Nierenversagen
Anamnese, metabolisch bedingte Bewusstseinsstörungen Zeichen einer Organinsuffizienz Auffälligkeiten im Routinelabor
Korsakow-Syndrom
Rein amnestisches Syndrom ohne weitere klinisch auffällige kognitive Defizite Konfabulationen Meist Alkoholabusus in der Anamnese
Alzheimer-Erkrankung
3
Diagnostik Klinische Erkennungsmerkmale: Schleichernder Beginn mit progredienter Verschlechterung aller Symptome, kortikales Profil der kognitiven Störungen, für die sich keine andere Ursache finden lässt, NINCDS/ADRDA-Kriterien, Beeinträchtigung aller kognitiven Fähigkeiten ( Orientierung, Praxie, Aphasie, Schreibstörungen, Rechenstörungen), insbesondere der Merkfähigkeit in der Frühphase. Fremdanamnestisch diskrete Verhaltensänderungen (sozialer Rückzug). Als Standarttest Minimal-Mental-State-Test. In der Regel normaler Neurostatus, häufig im Verlauf extrapyramidalmotorische Symptome, zerebrale Anfälle, Myoklonien. In bis zu 70% depressive Verstimmung und innere Unruhe, in 20% Apathie, Wahnsymptome und (optische) Halluzinationen in 10–17%, Störung des SchlafWach-Rhythmus, im Verlauf Inkontinenz. Im EEG Reduktion der α-Ausprägung mit zunehmender Allgemeinveränderung (auch bei 20–40% nichtdementer alter Menschen). Mit bildgebenden Verfahren (CCT, kraniales MRT) Ausschluss anderer Demenzursachen wie Hydrozephalus, vaskulärer Läsionen, Raumforderung). Bei 20% aller AD-Patienten unauffällliges CT. Statistisch korreliert Schwere der Erkrankung mit Atrophie des Hippokampus und parahippokampaler Areale mit äußerer Atrophie des medialen Temporallappens und Erweiterung des temporalen Anteils der Seitenventrikel. Eine Single-Photonen-Emissionstomographie (SPECT) zeigt typischerweise eine Reduktion des parietotemporalen, teils auch frontalen Blutflusses (Sensitivität und Spezifität 70–80%). In der Positronenemissionstomographie (PET) parietotemporale Glukoseminderutilisation (Sensitivität und Spezifität 90%). 3
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Therapie Therapie kognitiver und nichtkognitiver Symptome, Kognitives Training, Beratung der Bezugspersonen. Bei einem progredienten neurodegenerativen Prozess wie der AD ist eine durch die medikamentöse Behandlung erreichte geringe Verbesserung oder ein Gleichbleiben der Leistung über einen mehrmonatigen Zeitraum schon als Erfolg zu werten! Derzeitige
medikamentöse Therapieregime kognitiver Symptome basieren z. T. auf der Grundlage biochemischer Neurotransmission, die anhand von Testverfahren evaluiert wurden und die Progression der AD verhindern oder verzögern sollen. In den letzten Jahren wurden hierzu einige kontrollierte Studien veröffentlicht [2]. Unter einer Behandlung mit Galantamin konnte sogar eine Verbesserung der kognitiven Leistungen (Kognitive Subscala der AD Assessment Scale und CIBIC-plus) und des Allgemeinzustandes verzeichnet werden. gesichert In Bezug auf Testverfahren (Alzheimer`s Disease Assessment Scale, Cognitive Subscale): * Galantamin 24 mg/die (Reminyl®): Reversibler, kompetetiver Cholinesterasehemmer und allosterischer Modulator der nikotinischen Acetylcholinrezeptoren. NW: Gastrointestinal, selten Verwirrtheit, Tremor [7]. * Donepezil 10 mg/die (Aricept®): Cholinesterasehemmer. NW: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe [9]. * Rivastigmine 6–12 mg/die (Exelon®): Cholinesterasehemmer. NW: Übelkeit, Erbrechen [8]. * Tacrine 4×40 mg/die (Cognex®): Cholinesterasehemmer. NW: Übelkeit, Erbrechen, erhöhte Leberenzyme [5]. * Gingko biloba 120 mg/die (Tebonin® forte): möglicherweise Radikalfäger, NW: Nicht nennenswert [6]. In Bezug auf Verhinderung oder Verzögerung der Progression der AD: * Alpha-Tocopherol 2000 IU/die (Vitamin E): Radikalfänger. * Selegilin 10 mg/die (Deprenyl®): MAO-BHemmer. NW: Schwindel, Ödeme, Schlafstörungen [10]. empirisch * Nicergolin 2×30 mg/die (Sermion®): Nootropikum. NW: Nicht nennenswert. * Piracetam 8–13 g/die (Normabrain®): Nootropikum. NW: Unruhe. * Memantine 0–20 mg/die (Axura®): Glutamatmodulator. NW: Unruhe, Schwindel. Siehe auch
3
tung, neurodegenerativer Erkrankungen, Schädel-Hirn-Traumen, geringe Schulbildung, psychosoziale Inaktivität.
47
Nootropika.
unwirksam/obsolet * Niedrigdosiertes Prednison [1].
A
48 *
Alzheimer-Erkrankung, NINCDS/ADRDA-Kriterien
Östrogenbehandlung bei Frauen [3].
Nachsorge Bei Pharmakotherapie nichtkognitiver Symptome (z. B. Unruhe, Depression, Aggressivität, paranoide Symptomatik) einschleichende Dosierung sinnvoll. 1. Neuroleptika: * Risperidon 2–6 mg/die (Risperdal®). * Melperon 25–150 mg/die (Eunerpan®). * Pipamperon 40–360 mg/die (Dipiperon®). 2. Antidepressiva: * Citalopram 20–60 mg/die (Cipramil®) * Paroxetin 10–40 mg/die (Seroxat®, Tagonis®). * Mianserin 30–90 mg/die (Tolvin®). * Moclobemid 300–600 mg/die (Aurorix®). Demenz
3
Bewertung Unter den klinisch getesteten Substanzen Cholinesterasehemmer und Gingko-Extrakte annähernd gleiche, wenn auch geringe Effizienz. Keine Unterschiede bei den Cholinesterasehemmern hinsichtlich der Effizienz, bei Donezepil wurden weniger NW beobachtet. Bei der Behandlung depressiver Symptome können trizyklische Antidepressiva delirante Zustände hervorrufen und die kognitiven Leistungen verschlechtern, daher sollten selektiv serotoninerge Präparate oder Monoaminooxidasehemmer eingesetzt werden.
3. Henderson et al. (2000) Estrogen for Alzheimer`s disease in women. Randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Neurology 54:295–301. 4. In't Veld BA, Ruitenberg A, Stricker BH et al. (2001) Nonsteroidal antiinflammatory drugs and the risk of Alzheimer´s disease. N Engl J Med 345:1515–1521. 5. Knapp MJ, Knopmann DS, Soloman PR, Pendlebury WW, Davis CS, Gracon SI. A (1994). 30week randomized controlled trial of high-dose tacrine in patients with Alzheimer'disease. JAMA 271:985–991. 6. Le Bars PL, Katz MM, Berman N, Itil TM, Freedmann AM, Schatzberg AF (1997). A placebo-controlled, double-blind, randomized trial of an extract of Ginko biloba for dementia. JAMA 278:1327–1332. 7. Raskind MA, Peskind ER, Wessel T, Yuan W (2000). Galantamine in AD: A 6-month randomized, placebo-controlled trial with a 6-month extension. The Galantamine USA-1 Study Group Neurology. Jun 27; 54(12):2261–8. 8. Rösler M, Anand R, Cicin-Sain A, et al. (1999) Efficacy and safety of rivastigmine in patients with Alzheimer`disease: international randomized controlled trial. BMJ 318:633–638. 9. Rogers SL, Farlow MR, Doody RS, Mohs R, Friedhoff LT (1998). Donepezil study group. A 24-week, double blind, placebo-controlled trial of donepezil in patients with Alzheimers`disease. Neurology 50:136–145. 10. Sano M, Ernesto C, Thomas RG et al. (1997) A controlled trial of selegeline, alpha-tocopherol, or both as treatment for Alzheimer`s disease. N Engl J Med 336:1216–1222.
Alzheimer-Erkrankung, NINCDS/ ADRDA-Kriterien
Prognose
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hinweise für eine gewisse Prophylaxe nach langfristiger Einnahme (länger als 24 Monate) von nichtsteroidalen Antirheumatika [4].
Definition Ausführliche Kriterien zur klinischen Diagnosestellung einer Alzheimer-Erkrankung mit Unterscheidung einer klinisch möglichen und klinisch wahrscheinlichen Alzheimer-Demenz. Siehe Tab. 1. 3
Klinischer Verlauf im Mittel 8 Jahre (Spannweite 2–15 Jahre).
Literatur 1. Aisen et al. (2000) A randomized trial of prednisone in Alzheimer`s disease. Neurology 54 (3): 588–593. 2. Alastair J.J., Wood M.D (1999). Treatment of Alzheimer`s Disease. The New England Journal of Medicine 341:1670–1679.
Amantadin/-Salze Synonyme Adamantan-Amine (Amantadin, Memantin)
Amantadin/-Salze
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Alzheimer-Erkrankung, NINCDS/ADRDA-Kriterien. Tab. 1: NINCDS-/ADRDA-Kriterien für die Diagnose der Alzheimer-Demenz Klinisch mögliche Alzheimer-Demenz („possible AD“) *
*
*
Dementielles Syndrom mit atypischer Symptomatik oder atypischem Verlauf ohne erkennbare andere neurologische oder internistische Demenzursache Dementielles Syndrom mit gleichzeitig vorliegender anderer Erkrankung, die auch eine Demenz erzeugen kann, in diesem Fall aber nicht als entscheidende Ursache angesehen wird Progredientes Defizit in nur einem kognitiven Bereich
Klinisch wahrscheinliche Alzheimer-Demenz („probable AD“) 1. Notwendige Voraussetzungen * Zeichen einer Demenz in der klinischen Untersuchung und bei neuropsychologischen Tests (z. B. Mini mental state) * Defizite in 2 oder mehr kognitiven Bereichen * Fortschreitende Verschlechterung des Gedächtnisses und anderer kognitiver Funktionen * Keine Bewusstseinstrübung * Beginn zwischen dem 40. und 90. Lebensjahr * Ausschluss einer anderen körperlichen oder neurologischen Krankheit, die für die Symptomatik verantwortlich gemacht werden kann 2. Unterstützende Befunde * Fortschreitende Verschlechterung der Sprache (Aphasie), Motorik (Apraxie) und Wahrnehmung (Agnosie) * Beeinträchtigungen des Alltagslebens und Verhaltensänderungen * Positive Familienanamnese für Alzheimer-Demenz, besonders falls neuropathologisch gesichert * Normalbefund einer Liquoranalyse, unspezifische EEG-Veränderungen, CT-gesicherte Progression einer zerebralen Atropie 3. Mit der Diagnose einer wahrscheinlichen Alzheimer-Demenz vereinbar * Plateaus im Krankheitsverlauf * Begleitsymptome wie Depression, Schlaflosigkeit, Inkontinenz, Wahn, Verkennungen, Halluzinationen, „katastrophisierende Reaktionen“, Störungen des Sexualverhaltens, Gewichtsverlust * Besonders bei fortgeschrittender Erkrankung: erhöhter Muskeltonus, Myoklonien, Gangstörungen, Krampfanfälle * Normales CCT 4. Befunde und anamnestische Angaben, die die Diagnose einer Alzheimer-Demenz unwahrscheinlich erscheinen lassen * Plötzlicher Beginn * Früh auftretende fokal-neurologische Ausfälle: Hemiparesen, Gesichtsfeldausfälle, Ataxien * Früh auftretende Krampfanfälle und Gangstörungen
Zubereitungen Amantadin-Hydrochlorid bzw. Amantadinsulfat.
Amantadin-ratiopharm®, Amantadin STADA®, Amantadin-TEVA®, Amantagamma®, Amanta-Sulfat-AZU®, Amixx®, Cerebramed®, PK-Merz®, tregor®).
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Amantadin-Hydrochlorid bzw. Amantadinsulfat (Adekin®, Aman®, Amanta 100 mg AbZ, Amantadin AL 100, Amantadin-beta®, Amantadin Holsten, Amantadin-neuraxpharm®,
Wirkungen Die Wirkung des Virustatikums Amantadin wurde von Schwab Ende der 60er-Jahre zufällig entdeckt. Es bewirkt bei alleiniger und kom-
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Amantadin/-Salze
binierter Anwendung eine wesentliche Besserung der Kardinalsymptome des ParkinsonSyndroms. Es beeinflusst vor allem die Akinese, aber auch den Rigor, Tremor und Bradyphrenie günstig. Oft erfolgt eine Besserung der Stimmung, Lockerung des Gesichtsausdruckes, Rückgang von Talghypersekretion und Hypersalivation. Im Allgemeinen tritt die Besserung 24–48 h nach Behandlungsbeginn ein, spätestens nach 1 Woche. Das Wirkungsoptimum wird nach Tagen bis wenigen Wochen erreicht. 3
Pharmakologische Daten Der Wirkungmechanismus von AdamantanAminen auf Parkinson-Symptome dürfte in der antagonistischen Wirkung an NMDA-Rezeptoren in den Basalganglien beruhen. Der NMDA-Rezeptor stellt einen von 4 verschiedenen Glutamatrezeptortypen dar. Glutamat wirkt als exzitatorischer Neurotransmitter unter anderem in Projektionsneuronen aus dem Nucleus subthalamicus zum inneren Pallidumglied. Letztere Projektion ist bei der ParkinsonKrankheit sekundär überaktiv, ihre Blockade führt in Tiermodellen der Parkinson-Krankheit zu deutlicher Symptomverbesserung. Die Antiparkinsonwirkung von Amantadin könnte auf einer Interaktion mit dieser glutamatergen Projektion beruhen, ebenso wirkt die Substanz experimentell an striatalen Interneuronen indirekt anticholinergisch. Amantadin wird zwar langsam, aber vollständig absorbiert. Plasmaspitzenkonzentrationen von etwa 250 ng/ml bzw. 500 ng/ml werden innerhalb von 3–4 h nach Verabreichung einer oralen Einzeldosis von 100 mg bzw. 200 mg Amantadin erreicht. Im Gegensatz zu Amantadin-Hydrochlorid führt die Verabreichung von Amantadin-Sulfat zu tieferen C max, welche später auftreten. Maximale Blutspiegel werden zwischen 5 und 15 Stunden nach Gabe einer Einzeldosis des Sulfatsalzes erreicht. Nach Einmalgabe von 100 mg des Sulfatsalzes beträgt der maximale Blutspiegel 0,15 μg/ml. Bei einer Dosierung von 200 mg/Tag tritt ein Steady State nach 4– 7 Tagen ein. In vitro wird Amantadin zu 67% an Plasmaproteine gebunden. Ein erheblicher Teil der Substanz bindet an rote Blutzellen. Die Amantadinkonzentration der Erythrozyten ist bei gesunden Probanden 2,66×höher als die Plasmakonzentration.
Das apparente Verteilungsvolumen des Wirkstoffs beträgt 5–10 l/kg, was auf eine hohe Bindung im Gewebe hinweist. Es nimmt mit zunehmender Dosis ab. Die Konzentrationen von Amantadin sind in der Lunge, im Herzen, in den Nieren, in der Leber und der Milz höher als im Blut. Nach mehreren Stunden akkumuliert der Wirkstoff im Nasenschleim. Amantadin passiert die Blut-Hirn-Schranke. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist jedoch nicht quantifizierbar. Es tritt in die Muttermilch über und passiert die Plazentaschranke. Amantadin wird in geringem Ausmaß metabolisiert, in erster Linie durch N-Acetylierung. Ob dieser Stoffwechselweg durch den AcetyliererPhänotyp beeinflusst wird, ist bisher noch ungeklärt. Von gesunden jungen Erwachsenen wird der Wirkstoff mit einer durchschnittlichen Plasmaeliminationshalbwertszeit von 1 h (10–31 h) ausgeschieden. Die Gesamtplasmaclearance entspricht in etwa der renalen Clearance (250 ml/ min). Die renale Clearance von Amantadin ist viel höher als die Kreatinin-Clearance, was auf tubuläre Sekretion der Substanz hinweist. Eine Einzeldosis Amantadin wird im Laufe von 72 h folgendermaßen ausgeschieden: 65–85% unverändert, 5–15% als Acetyl-Metabolit mit dem Harn und 1% mit den Faeces. Nach 4– 5 d werden 90% der Dosis unverändert im Urin aufgefunden. Die Eliminiationsgeschwindigkeit wird durch den pH-Wert des Harns wesentlich beeinflusst. Mit steigendem pH-Wert verringert sich die Ausscheidung. Im Vergleich zu Daten von gesunden jungen Erwachsenen ist die Halbwertszeit bei älteren Menschen häufig verdoppelt und die renale Clearance vermindert. Das Verhältnis zwischen der renalen Clearance von Amantadin und der Kreatinin-Clearance ist bei älteren Menschen niedriger als bei jungen Menschen. Die tubuläre Sekretion verringert sich bei älteren Menschen stärker als die glomeruläre Filtration. Bei älteren Patienten mit Nierenfunktionsstörungen kann die Verabreichung von 100 mg/d über einen Zeitraum von 14 d zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration in den toxischen Bereich führen. Bei Niereninsuffizienz kann es zur Akkumulation von Amantadin und dadurch zu schweren Nebenwirkungen kommen. Bei älteren Patienten oder Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Dosis in Anpassung an die individuelle Kreatinin-Clearance entsprechend
Amaurose
Der monotherapeutische Einsatz von Amantadin bei geringer Symptomatik in frühen Stadien der Erkrankung ist möglich. In der Kombinationsbehandlung mit anderen Parkinsonmitteln wirkt Amantadin potenzierend. Amantadin ist als Zusatztherapeutikum bei der Behandlung von Dyskinesien z. T. sehr gut wirksam. Das Auftreten exogener Psychosen besonders bei prädisponierten älteren Patienten und bei Kombination mit anderen Antiparkinsonmitteln ist möglich. Das Verträglichkeits- und Nebenwirkungsprofil ist deutlich günstiger als das der Anticholinergika.
Dosierung/Anwendung Wegen vigilanzsteigender Wirkung sollte die letzte Tagesdosis am Nachmittag genommen werden. Abruptes Absetzen kann zum Delir führen. Die gleichzeitige Anwendung von Amantadin, Memantin oder Budipin ist nicht sinnvoll. Kontrolle von Blutbild und Nierenwerten vor Therapiebeginn.
A
Antiparkinsonmittel: Verstärkung der Nebenwirkungen von Amantadin, z. B. psychotische Reaktionen möglich. Evtl. Dosisreduktion der Antiparkinsonmittel bzw. der Kombination notwendig. Anticholinergika: Verstärkung der Nebenwirkungen der Anticholinergika (Verwirrtheitszustände und Halluzinationen). Alkohol: Verminderung der Alkoholtoleranz. Levodopa: Gegenseitige Verstärkung der therapeutischen Wirkung (Kombination möglich). Diuretika: Reduktion der Plasmaclearance von Amantadin.
Bewertung Obwohl schwächer wirksam als L-Dopaoder Dopaminagonisten spielen auch nichtdopaminerge Pharmaka in der Parkinson-Therapie eine Rolle. Die Antiparkinsonwirkung des Virustatikums und Adamantan-Amins Amantadin wurde vor über 20 Jahren zufällig entdeckt und die Substanz ist seither ein Standardtherapeutikum geblieben und hat als Therapeutikum von Dopa-Dyskinesien eine neue Renaissance erfahren. 3
Anwendungsgebiete
Wechselwirkungen
3
herabzusetzen. Die Plasmakonzentrationen von Amantadin sollten maximal 300 ng/ml nicht übersteigen. Durch Hämodialyse werden nur geringe Mengen Amantadin eliminiert. Dies kann mit der hohen Gewebebindung der Substanz zusammenhängen. Bei vierstündiger Hämodialyse werden weniger als 5% der Dosis eliminiert. Die durchschnittliche Halbwertszeit erreicht 24 Dialysestunden.
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Amaurose
Unerwünschte Wirkungen
Synonyme
Livedo reticularis, Ödeme, Schlafstörungen, motorische und psychische Unruhe, exogene Psychosen, Schwindel, epileptische Anfälle, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit, Mundtrockenheit, Nausea, Vomitus, Diarrhöe, Magenschmerzen, Anorexie, orthostatische Dysregulationen, Harnretention bei benigner Prostatahyperplasie.
Blindheit, Erblindung
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Differenzialdiagnose
Benigne Prostatahyperplasie, Niereninsuffizienz, Erregungs- und Verwirrtheitszustände, delirante Syndrome, exogene Psychosen, hirnorganisches Psychosyndrom, zerebrale Anfallsleiden, Myasthenia gravis, gleichzeitige Behandlung mit Diuretika vom Typ der Kombination Triamteren/Hydrochlorothiazid, Schwangerschaft, Stillzeit.
Mögliche Ursachen sind u. a. Augenmissbildungen, Glaukom, Sehnervenverletzung, Embolie der Zentralarterie, beidseitig bei Methylalkoholvergiftung, Urämie, Eklampsie.
Definition Totale Erblindung, d. h. Fehlen jeglicher Lichtempfindung auf einem oder beiden Augen, angeboren oder erworben.
Therapie Entsprechend der Grunderkrankung.
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Amaurosis fugax
Amaurosis fugax
Diagnostik *
Synonyme
*
Transiente monokuläre Blindheit (TMB)
Definition Vorübergehender Visusverlust auf einem Auge, häufig durch arterio-arterielle Embolisierung aus einer Stenose der Arteria carotis interna (ICA). 3
Einleitung Klassifikation der TMB: Transiente retinale Ischämie (arteriosklerotisch, Dissektion der A. carotis). Insuffizenz der Retinaarterien (Gefäße). Vasospasmen der Retinaarterien z. B. bei Migräne. Unklare Ätiologie.
* *
Duplexsonographie der A. carotis. MR-Angiographie. Digitale Subtraktionsangiographie. Ophthalmologische Untersuchung (DD: anteriore oder posteriore ischämische Optikusneuropathie).
Differenzialdiagnose Visusverlust/-reduktion anderer Genese: Gesichtsfeldausfälle, Retinaablösungen, Glaskörperblutungen, Trauma am Auge etc.
Therapie Abhängig von der Grunderkrankung.
3
Amaurosis fugax. Abb. 1: Arterioarterielle Embolien bei Karotisstenose
Amblyopie
Ambenoniumchlorid Synonyme Ambestigminumchlorid; N,N'-Bis(2-diethylaminoethyl)-oxamid-bis-2-chlorbenzylchlorid
Zubereitungen Ambenonium Chloride Tablets USP XX.
Wirkungen Ambenonium ist ein indirektes Parasympathikomimetikum. Es greift in die Funktion der neuromuskulären Synapse, d. h. in die Erregungsübertragung von Motoneuronen auf die quergestreifte Muskulatur in der motorischen Endplatte ein; es hat neben der Hemmwirkung auf die AChE auch eine curareartige und depolarisierende Wirkungskomponente. Durch die kompetitive Bindung an die AChE hat Ambenonium auch einen protektiven Effekt gegenüber der irreversiblen Hemmung des Enzyms durch Organophosphate, wie z. B. Diisopropylfluorophosphat und Tetraethylpyrophosphat. Es wirkt dementsprechend synergistisch mit Neostigmin.
Resorption Ambenonium wird p. o. resorbiert. Quantitative Daten zur Bioverfügbarkeit und anderen pharmakokinetischen Parametern liegen nicht vor. Nach p. o. Gabe wird der Wirkungsbeginn nach 5–10 min beobachtet, die Halbwertzeit der Resorption liegt bei 40 min.
Verteilung Ambenonium reichert sich besonders in der Leber und der Niere an: 24 h nach einer Applikation sind die Konzentrationen in diesen Organen 30–50 mal höher als im Plasma.
Elimination Im Gegensatz zu einer schnellen Plasmaelim., die mit einer Halbwertzeit von 80–90 min erfolgt, ist die Ausscheidung von Ambenonium innerhalb von 48 h über die Niere und Leber noch nicht abgeschlossen. Die kumulative Ausscheidung beträgt zu diesem Zeitpunkt ca. 65% der applizierten Dosis, wobei etwa 1/3 auf die biliäre und 2/3 auf die renale Elimination entfallen.
Dosierung und Art der Anwendung Ambenonium wird zur Behandlung der Myas-
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thenia gravis eingesetzt. Die Therapie beginnt mit 5 mg 3–4mal täglich. Dabei ist die Wirkungsdauer mit 4–5 h länger als die des Neostigmins. Die Therapie mit Ambenonium gilt als schwer steuerbar, so dass eine Überdosis leicht möglich ist. Sie wird an den klinischen Symptomen. einer cholinergischen Überreizung, wie starker Speichelfluss, schmerzhafte Spasmen, gesteigerte Peristaltik und verstärkte Diurese erkennbar, wenn diese Symptome nicht durch eine Belladonna-Therapie verschleiert werden. Sie treten meist nach 30–45 min auf und halten 1–1,5 h an. Deshalb wird neuerdings ein drug monitoring unter Einsatz der reversedphase Ionenpaarflüssigchromatographie praktiziert.
Unerwünschte Wirkungen Zeichen einer Überdosis sind Zuckungen in der Zunge, im Gesicht und in den Schultern. Miotische Pupillen, eine Pulsverlangsamung und eine flache Atmung sind ernste Zeichen einer Überdosis. In dieser Situation sind eine Sauerstoffinhalation, ggf. eine Tracheotomie und die Gabe von 1–2 mg Atropinsulfat s. c. notwendig.
Wechselwirkungen Ambenonium zeigt zahlreiche Interaktionen mit cholinerg wirkenden Substanzen. Es verstärkt die Wirkung von Acetylcholin und wird durch Atropin antagonisiert. Oxime als Reaktivatoren der AChE wie das Obidoxim oder das Pralidoxim haben im Gegensatz zum Neostigmin auf die Ambenonium-Wirkung keinen Einfluss. Die Wirkung von Turbocurarin an der neuromuskulären Synapse wird antagonisiert.
Amblyopie Definition Schwachsichtigkeit ohne organischen Fehler des Auges. Einseitige Amblyopie bei etwa der Hälfte aller Schielenden. Amblyopie bei NichtSchielenden zumeist durch im Kindesalter nicht korrigierte Fehlsichtigkeit bedingt.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisches Kriterium zur Abgrenzung der Amblyopie von einer echten Läsion ist der „swinging flashlight test“, der bei
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Amfetaminil
der Amblyopie keine oder nur eine geringe relative afferente Pupillenstörung zeigt [1].
Prophylaxe Rechtzeitige augenärztliche Behandlung von Schielfehlern oder Fehlsichtigkeit im Kindesalter zur Vermeidung einer Amblyopie.
Schlafanfälle) eingesetzt. Komplikationen wie psychische Abhängigkeit, Toleranz, Depressionen, Reizbarkeit, wahnhaftes Erleben und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus sind zu erwarten. Dasselbe gilt auch für den Einsatz als Appetitzügler. Für die Behandlung von hyperaktiven Kindern ist Methylphenidat eine Alternative.
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
Amfetaminil Gebräuchliche Fertigarzneimittel AN 1® Drg.
Wirkungen Die akuten ZNS-Wirkungen werden durch Ausschüttung von biogenen Aminen aus den Speicherorganellen der Nervenendigungen hervorgerufen: Noradrenalin steigert die Konzentrationsfähigkeit und körperliche Leistungsfähigkeit (Sportler) und dämpft den Appetit; gesteigerte Unruhe und Redefluss kommen durch Noradrenalin und Dopamin, Hochgefühl, Euphorie und psychische Abhängigkeit durch Dopamin und Serotonin zustande. Sensibilisierung dürfte für die Senkung der Krampfschwelle und psychotische Zustände bedeutsam sein.
Resorption Amphetamin wird nahezu vollständig resorbiert. Beim Menschen wurde nach Gabe von 10–15 mg Amphetamin ein Maximum nach 11/2–2 h nachgewiesen. Etwa 15% sind im Blut an Plasmaproteine gebunden.
Elimination Beim Menschen wird 30–40% unverändertes Amphetamin, 20% Benzoesäure und wenig Norephedrin, Ephedrin und p-hydroxylierter Metabolit (ca. 5%) ausgeschieden. Bei saurer Diät beträgt die Halbwertzeit etwa 8 h, bei alkalischer etwa 22 h. Nach Gabe von 10 mg sind Amphetamin und seine Metabolite noch nach mehr als drei Tagen nachgewiesen worden.
Anwendungsgebiete Klinisch wird Amfetaminil als Reservemittel zur Behandlung der Narkolepsie (imperative
Dosierung und Art der Anwendung Zur Behandlung der Fettleibigkeit 5–10 mg; zur Behandlung der Narkolepsie 10 mg; bei Kindern 0,1–0,5 mg/kgKG.
Unerwünschte Wirkungen Letale Dosen führen zu Krämpfen, Koma und zerebralen Blutungen. Längerer Gebrauch führt zu Toleranz, depressiver Verstimmung, Müdigkeit und psychischer Abhängigkeit. Absetzen führt zu einem Entzugssyndrom.
Amifostin Zubereitungen Ethyol Pulver in Durchstechflaschen.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ethyol® Pulver in Durchstechflaschen.
Wirkungen Amifostin besitzt eine zytoprotektive Wirkung bei Behandlung mit Zytostatika und ionisierenden Strahlen. Die Substanz ist ein organisches Thiophosphat. In gesunden Zellen wird mehr Amifostin aufgenommen als in malignen Zellen, die einen niedrigeren pH-Wert besitzen. Es wird angenommen, dass Thiol Sauerstoffradikale neutralisiert und durch Bindung an Carboniumionen die Nucleinsäuren vor alkylierenden Substanzen schützt. Auf der Grundlage präklinischer Daten wurde Amifostin bei Patienten im Rahmen von zytostatischen Therapien eingesetzt. Die Vorbehandlung mit Amifostin (740 mg/m2) reduzierte die Hämatotoxizität durch eine Cyclophosphamidbehandlung (1500 mg/m2) im zweiten Therapiezyklus im Vergleich zum ersten Zyklus ohne Amifostin deutlich. Bei 21 Patienten fielen die Granulozyten im Mittel nur auf ca. 1200/μL statt auf 400/μL und die Thrombozyten bei keinem Patienten auf unter 100.000/μL ab gegenüber
Amifostin
9,5% der Patienten ohne Amifostin. Neutropenisches Fieber trat unter Amifostin bei keinem Patienten auf, während es bei 14,3% der Patienten ohne Amifostin beobachtet wurde. Die cisplatininduzierte Neuro- und Ototoxizität wurde vermindert. Die zytotoxische Wirkung wurde nicht beeinträchtigt. Amifostin wurde auch im Rahmen der autologen Knochenmarktransplantation eingesetzt, um die Reinigung der Stammzellen durch eine ex vivo-Behandlung mit Cyclophosphamidderivaten zu verbessern.
Resorption Amifostin wird nur parenteral verabreicht.
Verteilung Radioaktiv markiertes Amifostin wird nicht an Plasmaproteine gebunden. Werden 910 mg/m2 Amifostin über 15 min infundiert, kommt es im Plasma zu Spitzenkonzentrationen von 200 μmol/L am Ende der Infusion. Das Verteilungsvolumen liegt bei ca. 7 l.
Wirkungsverlauf Amifostin wird rasch in den aktiven Metaboliten WR 1065 dephosphoryliert. Die Spitzenkonzentrationen dieser Substanz im Plasma liegen bei einer Infusion über 15 min bei 35 mmol/L am Ende der Infusion. In den nächsten 30 min kommt es zu einem rapiden Abfall von WR 1065.
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Dosierung und Art der Anwendung Amifostin wird bei einer Cisplatin/Cyclophosphamidtherapie in einer Dosis von 910 mg/ m2 als 15minütige intravenöse Infusion innerhalb von 30 min vor Beginn der Chemotherapie verabreicht. Bei Cisplatindosen von 60– 100 mg/m2 werden nur 740 mg/m 2 Amifostin empfohlen. Wird Amifostin im Rahmen einer Strahlentherapie eingesetzt, so werden 200 mg/ m2 täglich als 3minütige intravenöse Infusion innerhalb von 15–30 min vor der Strahlentherapie empfohlen. Während der Infusion von Amifostin muss der Blutdruck kontrolliert werden. Kommt es bei normalen Ausgangsblutdruck (systolisch 100–140 mm) zu einem Abfall von mehr als 30 mm, muss die Infusion von Amifostin unterbrochen werden. Kommt es in den nächsten 5 min zu einer Normalisierung des Blutdrucks, kann die Infusion von Amifostin fortgesetzt werden. Falls sich der Blutdruck nicht normalisiert, sollte 0,9%ige Kochsalzlösung infundiert werden. Antihypertensive Medikamente sollten 24 h vor der Amifostin-Infusion abgesetzt werden. Die Dosis von Amifostin sollte um ca. 20% reduziert werden, falls die Substanz zu einem Blutdruckabfall geführt hat.
Unerwünschte Wirkungen
Bei einer Infusion von 910 mg/m2 Amifostin über 15 min liegt die Plasmahalbwertzeit unter 1 min, die Eliminationshalbwertzeit unter 10 min. Die Plasmaclearance von Amifostin liegt beim Menschen bei 2 l/min. Nur etwa 4% des Amifostins wird über die Niere ausgeschieden.
Bei einzelnen Patienten führte Amifostin zu Benommenheit und Schläfrigkeit. Bei ca. 60% der Pateinten kommt es während oder kurz nach der Amifostin-Infusion zu einem Blutdruckabfall, der jedoch nur kurze Zeit anhält. Nur bei ca. 5% der Pateinten ist die Hypotension stärker, so dass der Blutdruck mehr als 20 mg Hg abfällt. Seltener wurde ein Wärmegefühl angegeben. Die häufigste Nebenwirkung von Amifostin sind Übelkeit und Erbrechen, die bei fast allen Patienten auftreten, aber meist nicht zum Abbruch der Behandlung führen. Selten entwickelt sich unter Amifostin eine Hypokalzämie.
Anwendungsgebiete
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Elimination
Eine Vorbehandlung mit Amifostin wird bei Patienten unter zytostatischer Therapie oder Strahlentherapie eingesetzt, um die unerwünschten Wirkungen dieser Behandlungen einzuschränken. Es handelt sich dabei um eine Verringerung der Hämato- Neuro- und Nephrotoxizität unter zytostatischer Therapie und eine geringere Haut- und Schleimhauttoxizität unter Strahlentherapie.
Amifostin darf nicht bei Patienten mit Dehydratation oder arterieller Hypotonie eingesetzt werden.
Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Gabe von Amifostin und Antihypertonika kann es zu verstärktem Blutdruckabfall kommen.
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Aminoazidopathien
Aminoazidopathien Definition Unter einer Aminoazidopathie versteht man einen primär genetisch bedingten Defekt im Aminosäurestoffwechsel, entweder den Abbau des Kohlenstoffgerüsts oder die Entgiftung des Ammoniums im Harnstoffzyklus betreffend.
Einleitung Insgesamt sind beim Menschen 150 verschiedene primäre Störungen im Aminosäurestoffwechsel beschrieben worden. Oft kommt es zur Anhäufung von Stoffwechselprodukten, die zu schwerwiegenden neurologischen Störungen führen können.
Diagnostik Aminoazidopathien können über die qualitative und quantitative Analyse in Plasma und Urin diagnostiziert werden. Hinweisend können erhöhte Laktat- und/oder Ammoniakwerte sein, daher sollten diese Parameter bei schwerkranken Kindern neben der üblichen Routine (BB, Elektrolyte, Leberwerte, Blutzucker und SäureBase-Haushalt) immer mitbestimmt werden. Eine Ketonurie kann im Neugeborenenalter diagnostisch wegweisend sein.
Therapie Grundsätzlich können einige der Aminoazidopathien durch entsprechende diätetische Maßnahmen adäquat therapiert werden. Aufgrund der Vielzahl von verschiedenen Erkrankungstypen wird auf die weiterführende Literatur verwiesen.
Prognose Einige der Aminoazidopathien haben durch entsprechende diätetische Maßnahmen, die weitere Stoffwechselentgleisungen verhindern, eine gute Prognose. Daher ist im Zweifelsfall immer eine früh durchzuführende Diagnostik ratsam!
lamino)1,2-dihydro-1,5-dimethyl-2-phenyl-3Hpyrazol-3-on
Wirkungen Aminophenazon gehört zur Gruppe der nichtsauren Pyrazolinon-Analgetika und wirkt analgetisch, antipyretisch und (gering) antiphlogistisch. Die analgetische und antipyretische Wirksamkeit entspricht der des Metamizols und ist stärker als die des Phenazons. Aminophenazon ist einer der wirksamen Hauptmetaboliten des Metamizols. Das Wirkprinzip des Aminophenazons ist ebenso wie das der anderen Pyrazolderivate unbekannt. Obwohl beim Menschen keine Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko nach Einnahme von Aminophenazon existieren, wurde Aminophenazon vorsorglich aus dem Markt genommen und durch Metamizol oder Propyphenazon ersetzt.
Aminosäuren, Stoffwechselstörungen Definition Störungen des Abbaus von Aminosäuren durch angeborene Enzymdefekte, durch die es zur Anhäufung von Stoffwechselzwischenprodukten mit oft nachfolgenden neurologischen Störungen kommt.
Einleitung Manifestation meistens im Neugeborenen- oder Säuglingsalter mit Gedeihstörung, Erbrechen, Apathie, Anfällen, geistiger und motorischer Entwicklungsverzögerung, manchmal erst im Verlauf in katabolen Situationen. Die häufigste Störung ist die Phenylketonurie (PKU). Die Anzahl der bekannten, und teilweise auch behandelbaren, Erkrankungen ist mittlerweile so groß, dass eine Abhandlung den Rahmen dieses Bandes sprengen würde.
Diagnostik
Aminophenazon Synonyme Amidazophen; Amidopyrin; Dimethylaminoantipyrin; Dimethylaminophenazon; 4-(Dimethy-
Screeningtest (Guthrie) zur Diagnose der PKU bei allen Neugeborenen. Quantitative und qualitative Analyse von Plasma und Urin.
Therapie Allgemein: Diätetische Maßnahmen.
Amitriptylin
Amisulprid Synonyme 4-Amino-N-[(1-ethyl-2-pyrrolidinyl)methyl]-5(ethyl-sulfonyl)-2-methoxybenzamid IUPAC; 4-Amino-N[(1-ethyl-2-pyrrolidinyl)methyl]-5(ethylsulfonyl)-o-anisamid WHO
Zubereitungen Solian® 50 mg/-100 mg/-200 mg Tabletten Solian® 400 mg Filmtabletten.
Wirkungen Amisulprid gehört zur Gruppe der substituierten Benzamide, besitzt jedoch im Vergleich zum Hauptvertreter dieser Gruppe (Sulpirid) ein eigenständiges Wirkprofil. Im Hinblick auf den molekularen Wirkungsmechanismus zeichnet sich die Substanz in mehrfacher Hinsicht durch Besonderheiten aus: * Im Unterschied zu den klassischen Neuroleptika ist Amisulpirid ein selektiver Antagonist von zentralen D2- und D3-Rezeptoren. Blockade anderer Dopaminrezeptoren wurden erst nach etwa 500fach höheren Dosen beobachtet. * Die Affinität zu anderen Rezeptoren (serotonerge, histaminerge, adrenerge, muscarinerge) ist vergleichsweise gering. * Aufgrund der höheren Dichte von D3-Rezeptoren in limbischen Arealen werden diese Strukturen stärker als das Striatum blockiert.
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Anteilen metabolisiert, die zwei Hauptmetaboliten sind pharmakologisch inaktiv. Die Ausscheidung erfolgt vorzugsweise renal und biliär mit einer terminalen Halbwertzeit von 12 h.
Anwendungsgebiete Als Psychopharmakon bei Schizophrenie und akuten Psychosen.
Dosierung und Art der Anwendung 50–1200 mg pro Tag (oral); bis zu 400 mg pro Tag (i. v.).
Unerwünschte Wirkungen Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist die Inzidenz der für viele Neuroleptika typischen orthostatischen Hypotension sowie der sedativen Effekte vergleichsweise gering. Von besonderer Bedeutung ist die fehlende bzw. nur gering ausgeprägte Störung der extrapyramidalen Motorik nach längerer Anwendung.
Amitriptylin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Amineurin® 10/25/50 Filmtbl., - retard 25/50/ 75 Kps.; Amitriptylin ct®, beta®, Desitin®, neuraxpharm®, RPh®, TEVA®; Saroten® Drg. 10/ 25, Inj.lösg. 2 ml; - retard Tabs 75 mg; Syneudon® 50.
Synonyme Das antipsychotische Wirkprofil von Amisulprid zeichnet sich aus durch eine signifikante Besserung der negativen Symptomatik der Schizophrenie im niedrigen (50–150 mg/d) Dosisbereich aus, die Plussymptomatik der Erkrankung wird in höheren Dosen (400– 800 mg/d) ebenfalls günstig beeinflusst.
Resorption Bislang liegen nur wenige Daten vor. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Applikation liegt bei 10%.
Verteilung Die Proteinbindung beträgt 17% und das Verteilungsvolumen ist mit 5 l/kg sehr groß.
Elimination Die Substanz wird in der Leber zu geringen
3-(10,11-Dihydro-5H-dibenzo[a,d]cyclohepten5-ylen)-N,N-dimethylpropylamin
Wirkungen Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum mit antidepressiv-stimmungsaufhellenden, anxiolytischen und psychomotorisch dämpfenden Wirkungen. Die psychomotorisch dämpfenden (sedativen) und die anxiolytischen Wirkungen treten innerhalb weniger Tage auf, die antidepressiv-stimmungsaufhellende Wirkung setzt in der Regel erst nach 2–3 Wochen ein. Ein Teil der antidepressiven Wirkungen wird dem durch N-Demethylierung im Organismus gebildeten Hauptmetaboliten Nortriptylin zugeschrieben. Nach akuter Applikation von Amitriptylin findet man im ZNS eine Hemmung sowohl der präsynaptischen Noradrenalin- als auch (etwas schwächer ausgeprägt) der Seroto-
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Amitriptylin
ninaufnahme. Typisch für trizyklische Antidepresiva wie Amitriptylin ist eine Verminderung des REM (rapid eye movement)-Schlafes. Amitriptylin hat eine gesicherte analgetische Wirkung, die durch Verstärkung inhibitorischer Effekte von Serotonin und Noradrenalin im Hirnstamm, sowie durch einen NMDA-Rezeptorantagonismus zustande kommen soll und therapeutisch nutzbar ist.
kürzt. Durch Induktion hydroxylierender Enzyme kann sich nach wiederholter Gabe (2 Monate) die Plasmahalbwertzeit auf 14 h verkürzen. Einen analogen Effekt kann bei Rauchern eine gesteigerte N-Demethylierung und Glucuronidierung bewirken, während die Einnahme von Cimetidin oder p. o. Kontrazeptiva den Metabolismus von Amitriptylin verzögern kann.
Anwendungsgebiete Resorption Die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt ist gut. Der maximale Plasmaspiegel wird nach 2,5–6 h erreicht. Die Bioverfügbarkeit beträgt jedoch wegen eines ausgeprägten hepatischen „First-Pass“-Effektes nur etwa 30–60%. Im Vergleich zur abendlichen Applikation werden nach morgendlicher Applikation höhere Blutspiegel während der Resorptionsphase erreicht. Die wiederholte Gabe konstanter täglicher Dosen (75–300 mg/d) führt zur Kumulation. Ein Gleichgewicht des Plasmaspiegels (120– 250 ng/ml Amitriptylin plus Nortriptylin als wirksamer Metabolit) wird in der Regel nach 1–2 Wochen erreicht.
Verteilung Als Psychopharmaka mit hoher Lipidlöslichkeit gelangen Amitriptylin und Nortriptylin gut und schnell ins ZNS. Das VVol. von Amitriptylin beträgt 12–20 l/kg. Die Plasmaeiweißbindung liegt zwischen 82 und 96%.
Wirkungsverlauf Amitriptylin wird vorwiegend in der Leber nahezu vollständig metabolisiert. Hauptmetabolit ist dabei das durch N-Demethylierung entstehende, ebenfalls antidepressiv wirksame Nortriptylin (Plasmahalbwertzeit 17–93 h. Hydroxylierung am mittleren Ring in Position 10 von Amitriptylin und Nortriptylin führt zu ebenfalls an der Gesamtwirkung mitbeteiligten Metaboliten, die vorwiegend als Glucuronide renal ausgeschieden werden.
Elimination Die Plasmahalbwertzeit von Amitriptylin liegt zwischen 17 und 27,4 h, bei älteren Patienten kann sie etwas länger sein (31,4 h). Obwohl bei saurem Harn (pH 4) die renale Ausscheidung von unverändertem Amitriptylin 1.000fach gesteigert sein und 5% erreichen kann, wird dadurch die Halbwertzeit nur unwesentlich ver-
Depressives Syndrom, Depressionen mit vorwiegend somatischen Beschwerden, reaktive und neurotische Depressionen, depressive Stadien der Zyklothymie, Involutionsdepressionen, Bulimie. Amitriptylin ist für die Therapie chronischer Schmerzen geeignet. Gesicherte Indikationen sind Deafferenzierungsschmerz, zentrale Schmerzen, neuropathische Schmerzen (diabetische Neuropathie), chronische Rückenschmerzen und Spannungskopfschmerzen (hier Mittel der Wahl). Amitriptylin hat einen gesicherten therapeutischen Effekt in der prophylaktischen Behandlung der Migräne.
Dosierung und Art der Anwendung 50–75 (bis 150) mg/d in zwei oder drei Dosen.
Unerwünschte Wirkungen Unerwünschte Wirkungen lassen sich im Wesentlichen als anticholinerg, antihistaminerg und antiadrenerg beschreiben. Mit den antihistaminergenen Effekten und den Wirkungen am serotonergenen System stehen möglicherweise die Appetitsteigerung mit Gewichtszunahme, hypotone Blutdruckreaktionen, Schwindelgefühl und Verwirrtheit in Verbindung. Den anticholinergenen Effekten lassen sich Wirkungen wie Sedation, Schläfrigkeit, Sehstörungen, Auslösung von Glaukomanfällen, Mundtrockenheit, Herzrhythmusstörungen, Obstipation, Miktionsstörungen, Störungen der Sexualfunktion und Gedächtnisstörungen zuordnen, den alphablockierenden Wirkungen orthostatische Hypotonie und reflektorische Tachykardie. Kardiodepressive Effekte werden auch auf die chinidinähnlichen Wirkungen von Amitriptylin zurückgeführt. Agranulozytosen sind äußerst selten.
Schwangerschaft Toxische Wirkungen auf den Fetus sind gegenwärtig nicht vollkommen auszuschließen.
Amnesie
3
3
3
Während bei Kindern 500 mg und bei Erwachsenen 1.000 mg bereits letal sein können, wurden andererseits Intoxikationen mit 1.700 mg (Kinder) und über 4.000 mg (Erwachsene) überlebt. Typische Wirkungen hoher Dosen sind anticholinerge Effekte wie Verwirrtheit, Hyperreflexie und zentrale Krämpfe, die von dosisabhängigien Wirkungen (Aufnahmehemmung, α-Blockade) auf die katecholaminergenen Mechanismen (nach hohen Dosen: Senkung von Myokardkontraktilität, Herzfrequenz und Koronardurchblutung) und chinidinähnlichen Wirkungen am Herzen überlagert werden und zum Kreislaufversagen führen.
3
Überdosierung
Der komplette Ausfall einer bestimmten Funktion des Gedächtnisses wird nach zeitlichen Richtungen und Inhalten (dissoziative Amnesie) differenziert. Außerdem Unterscheidung der persistierenden Amnesie, z. B. nach struktureller Läsion und flüchtig auftretenden Gedächtnisstörungen. * Retrograde Amnesie: Störung des Gedächtnissabrufes vor Eintreten des schädigenden Ereignisses, zeitlich weiter entfernte Ereignisse können besser abgerufen werden als solche kurz vor der Schädigung. * Kongrade Amnesie: Amnesie für den eigentlichen Zeitraum der Schädigung bzw. Bewusstlosigkeit. * Anterograde Amnesie: Störung oder Verlust der Fähigkeit, neue Informationen nach Einwirken der Schädigung zu speichern. * Dissoziative Amnesie: Meist unvollständige und selektive Störung der Erinnerung, die sich in der Regel auf ein traumatisches Ereignis oder eine akute Belastungssituation ( Belastungsreaktion, akute) bezieht. * Amnestische Syndrome: Vorliegen ausgeprägter antero- und retrograder Amnesien (bzw. Merkfähigkeits- und Altgedächtnisstörungen) bei verschiedenen Krankheitsprozessen ( Demenz, Amnesie, posttraumatische, Amnesie, vaskuläre, Amnesie, Korsakow-Amnesie, Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie)). 3
Die Wirkungen verschiedener zentral dämpfender Pharmaka werden verstärkt: Alkohol, Psychosedativa, Sedativa, morphinartige Analgetika, Hypnotika, sedierende Neuroleptika; auch Monoaminooxidasehemmstoffe. Der antihypertensive Effekt von α2-Agonisten wie Clonidin und α-Methyldopa wird partiell oder vollständig antagonisiert.
Einleitung
3
Wechselwirkungen
(z. B. Aufmerksamkeitsstörung) zurückgeführt werden kann und die zu erheblichen Beeinträchtigungen im Alltag führt. Lokalisation: Läsionen des dienzephalen und limbischen Systems.
3
Wegen der Gefahr des Auftretens hyperpyretischer Krisen und schwerer Krämpfe sollten trizyklische Antidepressiva nicht gleichzeitig mit Monoaminooxidasehemmstoffen angewendet werden. Wegen der kardiodepressiven Wirkung sollte eine Anwendung in der Genesungsphase nach einem Myokardinfarkt nicht erfolgen. Vorsicht bei Patienten mit Epilepsie und (wegen der atropinähnlichen Wirkung) mit Miktionsstörungen, Glaukom oder gesteigertem intraokularem Druck. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten sorgfältig beobachtet werden. Vorsicht auch bei Hyperthyreose. Amitriptylin kann die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen.
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Ätiologie: * Ischämisch (beidseitige Thalamusinfarkte, Anteriorinfarkte, Posteriorinfarkte mit Temporallappenbeteiligung). * Hypoxisch. * Metabolisch, z. B. Korsakow-Syndrom bei Vitamin B1-Mangel. * Traumatisch, meist multilokuläre Schädigung von gedächtnisrelevanten Strukturen. * Entzündlich ( Herpes simplex), Enzephalitis. * Epileptisch. * Degenerativ. * Episodisch, sog. transiente globale Amnesie (z. B. ischämisch, Migräne-assoziiert). 3
Amnestisches Syndrom
Definition Schwere Störung der Gedächtnisfunktionen, die nicht auf andere Funktionsbeeinträchtigungen
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Synonyme
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Amnesie
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*
Amnesie, amnestische Episode
Bewusstseinsstörungen. Psychosen.
*
Therapie Therapie der Grunderkrankung. Neuropsychologische Therapie mit * Verbesserung der Abspeicherung von Inhalten durch „Imagery“, Eselsbrücken etc. * Verbesserung der Gedächtnisorganisation. Copingstrategien: * Externe Gedächtnishilfen. * Einbindung des sozialen Umfeldes. Bei bestimmten Krankheitsbildern medikamentöse Therapie (z. B. Acetylcholinesterase-Hemmer).
pinen (z. B. Midazolam, 0,5 mg/kg oral) eine anterograde Amnesie erzeugt. Gleichfalls ist dieses Phänomen auch bei Überdosierungen von Benzodiazepinen bei suizidaler Intention zu beobachten [1,2]. Die anterograde Amnesie ist Leitsymptom bei der transitorischen globalen Amnesie ( Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie)). 3
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Literatur 1. Kain Z et al. (2000) Midazolam: effects on amnesia and anxiety in children. Anesthesiology 93:676–84. 2. Verwey B et al. (2000) Memory impairment in those who attempted suicide by benzodiazepine overdose. J Clin Psychiatry 61:456–9.
Prognose Je nach Ätiologie und Lokalisation. Insbesondere bei bilateraler ischämischer Schädigung von gedächtnisrelevanten Strukturen sowie beim Korsakow-Syndrom stark eingeschränkt.
Amnesie, dissoziative Synonyme Psychogene Amnesie
3
Definition
Amnesie, amnestische Episode Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie)
Eine dissoziative Amnesie ist eine im Rahmen einer dissoziativen Störung auftretende spezifische Gedächtnisstörung, wobei die Erinnerung an akut belastende Geschehnisse versagt.
Einleitung Typischerweise steht dabei mehr eine retrograde Amnesie im Vordergrund, wobei das Kurzzeitgedächtnis, i. S. einer anterograden Amnesie kaum oder sogar gar nicht betroffen ist.
3
3
Typischerweise kann eine anterograde Amnesie nach einem Schädel-Hirn-Trauma auftreten, wobei sie sich dabei weitestgehend mit dem posttraumatischen Dämmerzustand decken kann. Als Ursache für eine solche Störung sollte ein epileptisches oder zerebrales ischämisches Geschehen ausgeschlossen werden. In der Anästhesie (v. a. bei Kindern) wird bewusst präoperativ durch Gabe von Benzodiaze-
Synonyme Korsakow-Syndrom, persistierende alkoholbedingte amnestische Störung (DSM IV)
Definition Bei der Korsakow-Amnesie liegt eine ausgeprägte antero- und retrograde Amnesie vor, der bei einem Vitamin B1-Mangel Läsionen in den Corpora mamillaria und thalamischen Kerngebieten (Wernicke-Enzephalopathie) zugrunde liegen. Meist ist der Vitamin 3
Einleitung
Amnesie, Korsakow-Amnesie
3
Die anterograde Amnesie ist durch den Verlust der Fähigkeit, neue Eindrücke nach Beginn der Erkrankung abzuspeichern, charakterisiert. Bei kompletter Amnesie werden Informationen maximal für eine Minute behalten.
3
Definition
3
Amnesie, anterograde
3
Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie)
B1-Mangel durch chronischen Alkohol-Abusus bedingt.
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Amnesie, posttraumatische Definition
Therapie Grundsätzlich ist die akute Form, die WernickeEnzephalopathie, durch die intravenöse Gabe von Thiamin deutlich besser behandelbar, wobei die Korsakow-Amnesie sich oftmals als therapeutische Herausforderung darstellt.
3
Zusätzlich können Zeitgitterstörungen auftreten, bei denen Patienten Ereignisse oder Personen aus der Vergangenheit mit der Gegenwart verquicken. Es fehlt typischerweise das Bewusstsein für die mnestische Störung, wobei die Gedächtnislücken durch Konfabulationen ausgefüllt werden. Zusätzlich finden sich Orientierungsstörungen.
Eine posttraumatische Amnesie ist ein nach gedeckten Schädel-Hirn-Traumata mit kurzer Bewusstlosigkeit auftretendes flüchtiges amnestisches Syndrom mit sowohl anterograder Amnesie (für Stunden, selten mehr als ein Tag) als auch retrograder Amnesie (für Minuten, selten mehr als eine Stunde). 3
Einleitung
Differenzialdiagnose Von der postttraumatischen Amnesie ist eine psychogene Amnesie abzugrenzen, die nicht organisch bedingt ist, sondern durch das Schockerlebnis getriggert werden kann.
Amnesie, retrograde Definition
empirisch Bei therapieresistenten Fällen hat sich die kombinierte Gabe von Clonidin und Fluvoxamin als wirksam erwiesen [1]. unwirksam/obsolet Die orale Gabe von Thiamin ist aufgrund der schlechten Bioverfügbarkeit der intravenösen Gabe deutlich unterlegen und sollte daher unterlassen werden. Bei der oralen oder intravenösen Gabe von Kohlenhydraten wird der Thiaminmangel verstärkt und kann so die bestehende Enzephalopathie verschlechtern. Somit sind z. B. Glukoseinfusionen schon beim geringsten Verdacht auf eine Wernicke-Enzephalopathie kontraindiziert.
Literatur 1. Mrazek M et al. (1999) Therapeutische Erfahrungen beim alkoholbedingten Korsakow-Syndrom. Nervenarzt 70:790–794.
Einleitung Typische Ursachen für eine retrograde Amnesie sind Medikamente, z. B. Benzodiazepine. Eine psychogene Amnesie zeigt charakteristischerweise eine ausgeprägte retrograde Gedächtnisstörung, während eine anterograde kaum zu finden ist.
Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie) Synonyme Amnestische Episode
Definition Die transitorische globale Amnesie ist eine plötzlich auftretende, für maximal 24 Stunden anhaltende, komplette anterograde Amnesie mit retrograder Amnesie, die wenige Stunden bis Wochen vor Beginn der Symptomatik zu3
Schon beim geringsten Verdacht auf eine Wernicke-Enzephalopathie sollte sofort mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden.
Eine retrograde Amnesie ist eine Gedächtnisstörung für Inhalte, die vor der Erkrankung erworben wurden. Retrograde Amnesien weisen zumeist einen zeitlichen Gradienten auf, d. h. weiter zurückliegende Ereignisse können besser erinnert werden, als solche kurz vor dem Eintritt der Schädigung.
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gesichert
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Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie)
rückreichen kann. Neuropsychologische Defizite neben der Amnesie und fokale neurologische Zeichen fehlen obligat.
Einleitung Die Symptomatik beginnt abrupt, wobei die Patienten zu Zeit und Ort, nicht jedoch zur eigenen Person desorientiert sind. Typischerweise stellen Patienten während der amnestischen Episode umstehenden Personen repetitiv die selben Fragen, ohne die Antworten adäquat im Kurzzeitgedächtnis ablegen zu können. Während einer Attacke scheinen die Patienten verwirrt und häufig agitiert, können jedoch kommunizieren und auch komplexe Handlungen (Autofahren, Schreiben) durchführen. Im weiteren Verlauf bildet sich die retrograde Amnesie schrittweise zurück. Allerdings kehrt die Erinnerung an die eigentliche TGA-Attacke und typischerweise an einige Stunden vor dem Ereignis nicht wieder zurück. Vor einer Attacke werden in vielen Fällen bestimmte Stressfaktoren genannt, wie z. B. körperliche Anstrengung, Geschlechtsverkehr, Eintauchen in kaltes Wasser, Lichtreize, Schmerz oder psychischer Stress. Eine feste Assoziation ist bislang noch nicht durch Fall-Kontroll-Studien nachgewiesen, allerdings scheinen diese Faktoren eine TGA triggern zu können [1].
Diagnostik Da differenzialdiagnostisch immer ein epileptisches (transitorische epileptische Amnesie) oder ischämisches (TIA) Geschehen ausgeschlossen werden muss, sollten Patienten mit einer TGA stationär aufgenommen werden und zur weiteren Abklärung ein EEG (mit Hyperventilation, ggf. nach Schlafentzug) erhalten und der neurosonologischen Diagnostik der hirnversorgenden Arterien und einem Kontrastmittel-TCD (Ausschluss eines Rechts-LinksShunts bei offenem Foramen ovale) unterzogen werden. Bei zusätzlich vorliegenden fokal-neurologischen Zeichen, neuropsychologischen Defiziten oder pathologischen Befunden in der Ausschlussdiagnostik sollte eine zerebrale MRT durchgeführt werden. Die Differenzialdiagnosen der TGA sind in Tab. 1 aufgeführt. Gelegentlich wurden mit Hilfe der Single-Photon-Emissionstomographie (SPECT) und der diffusionsgewichteten MRT Perfusionsstörungen in Hippokampus, Thalamus und medialem Temporallappen beschrieben. Diagnostische Kriterien: * Fremdanamnese der TGA muss vorliegen (Zeugen) * Obligates Vorliegen einer anterograden Amnesie
Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie). Tab. 1: Differenzialdiagnosen der TGA (nach Zeman 1997) Diagnose
Hinweise
Transitorische globale Amnesie
4–6 h Dauer, schwere anterograde und variable retrograde Amnesie, kaum/keine vaskulären Risikofaktoren
Transitorische epileptische Amnesie
Kurz, repetitiv, im wachen Zustand, nur partielle Erinnerung, andere Anfallsformen, interiktale Amnesie
Migräne
Kopfschmerz, Übelkeit während der Attacke, frühere Anamnese
Thrombo-embolische transiente ischämische Attacke
Symptome/Zeichen des hinteren Kreislaufs, vaskuläre Risikofaktoren
Psychogene Amnesie
Junge Pat., psychiatrische Anamnese, akute Stressfaktoren, Persönlichkeitsverlust, schwere retrograde bei leichter anterograder Amnese
Schädel-Hirn-Trauma
Anamnese, klinische Untersuchung
Intoxikation
Alkohol, Anamnese Benzodiazepine, Anamnese Anticholinergika, Anamnese
Amnesie, vaskuläre
* *
Therapie Bei der TGA ist keine spezifische Therapie erforderlich, da es sich um ein selbstlimitierendes Krankheitsbild handelt. Nach Ausschluss anderer Ursachen für die Gedächtnisstörung kann der Patient entlassen werden. Es ist nicht notwendig, ein ärztliches Fahrverbot auszusprechen. empirisch Bei Patienten mit rezidivierenden TGA-Attacken ist eine Therapie mit einem β-Blocker (z. B. Metoprolol) wirksam [2].
Prognose Die TGA beginnt akut, dauert in der Regel einige Stunden und klingt meist innerhalb von 24 Stunden spontan ab. Sie stellt somit eine selbstlimitierende benigne Erkrankung dar.
Literatur 1. Rösler A et al. (1999) Precipitating factors of transient global amnesia. J Neurol 246:53–54.). 2. Berlit P (2000) Successful prophylaxis of recurrent transient global amnesia with metoprolol. Neurology 55:1937–1938. 3. Zeman AZJ & Hodges JR (1997). Transient global amnesia. Br J Hosp Med 58:257–260.
Differenzialdiagnose Überschneidungen ergeben sich mit der sienten globalen Amnesie (TGA).
tran-
Therapie Fokale Epilepsie
Prognose 3
*
derholtem Nachfragen beobachtet wird. Auffallend sind sowohl anterograde Merkfähigkeitsstörungen als als auch eine retrograde Amnesie für eine variable Zeitspanne. Die Episoden werden meist bei Temporallappenepilepsie beobachtet, wobei bei einem gewissen Anteil der Patienten transiente Amnesien über längere Beobachtungsphasen die einzige Manifestation der Epilepsie sind [1]. Noch nicht ausreichend geklärt ist, ob die Störung iktuale Aktivität oder ein postiktuales Zustandsbild reflektiert. Pathophysiologisch wird eine epileptogene Störung hippokampaler Strukturen angenommen, die sich u. U. nur mit invasiven EEG-Ableitungen (z. B. Foramen-ovale-Elektroden) nachweisen lässt.
3
*
Keine Bewusstseinstrübung oder Persönlichkeitsstörung, keine anderen neuropsychologischen Defizite neben der Amnesie Keine assoziierten fokalen neurologischen Störungen Keine epileptischen Symptome Rückbildung der Symptomatik nach max. 24 h Ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine aktive Epilepsie sind Ausschlusskriterien!
3
*
63
Fokale Epilepsie
Literatur 1. Zeman AZ, Boniface SJ, Hodges JR (1998). Transient epileptic amnesia: A description of the clinical and neuropsychological features in 10 cases and a review of the literature. J Neurol Neurosurg Psychiatry 4:435–443.
Amnesie, vaskuläre Synonyme
Amnesie, transiente epileptische
Vaskuläres amnestisches Syndrom
Definition
3
Episodische transiente Amnesie bei Epilepsiepatienten ohne Einschränkung anderer kognitiver Funktionen. Die Episoden sind üblicherweise kurz mit einer Dauer von weniger als einer Stunde, wobei klinisch eine Ratlosigkeit des Patienten mit wie-
3
Definition
Amnesien, die durch vaskuläre Läsionen gedächtnisrelevanter Areale im Versorgungsgebiet der * A. cerebri posterior (mediotemporaler Kortex, Hippokampus, Thalamus), * A. cerebri anterior (mediofrontaler Fornix, Cingulum), * A. choroidea anterior (Fornixanteile) 3
Dysmnestischer einfach-fokaler Anfall
3
Synonyme
bedingt sind.
A
Amnestische Aphasie
3
Siehe Sekundärprävention nach Blutung, intrazerebrale.
Hirninfarkt,
3
Prognose Bei einseitigen Läsionen von Strukturen des limbischen Systems bzw. Dienzephalons meist deutliche Besserung bzw. Teilremission auf modalitätspezifische Defizite innerhalb von Wochen. Bei ausgedehnten oder beidseitigen Läsionen meist schlechte Prognose.
Differenzialdiagnose Bei Patienten mit geringer Sprachproduktion ist die Abgrenzung zur Broca-Aphasie notwendig, bei Patienten mit amnestischer Aphasie kommt kein Agrammatismus vor! Patienten mit partiell restituierter Wernicke-Aphasie weisen noch grob abweichende semantische und phonematische Neologismen auf! 3
3
Nachsorge
eher kleinen Läsionen temporoparietal kortikal oder subkortikal.
3
Amnesien anderer Ätiologie (transiente globale Amnesie, Epilepsie).
3
Differenzialdiagnose
3
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Amöbiasis Definition
Sprachstörung, mit dem Leitsymptom Wortfindungsstörung bei gut erhaltenem Sprechfluss und überwiegend intaktem Satzbau.
Einleitung Die Spontansprache ist meist gut artikuliert und die Prosodie (Intonation und Betonung) ist unauffällig. Semantische Paraphasien sind häufiger als phonematische, das Sprachverständnis ist nur geringfügig gestört, die Kommunikationsfähigkeit ist erhalten. Das Nachsprechen ist durch phonematische Paraphasien nur leicht gestört. Kennzeichnend sind Wortfindungsstörungen mit Ersatzstrategien, sodass die Rede der Betroffenen redundant und informationsarm ist. Der Sprechfluss kommt ins Stocken, wenn ein bestimmtes Wort zur Bezeichnung von bestimmten Objekten, Ereignissen, Eigenschaften oder Tätigkeiten erfragt wird. Beim Bennenen zeigen sich Ersatzsstrategien, in ausgeprägten Fällen kommt es zum Verstummen. Ein lexikalisches Suchverhalten bleibt häufig als charakteristisches Residualsymptom nach Rückbildung bestehen. Der Verlauf ist im Vergleich zu anderen Aphasie-Formen besonders günstig. Die lokalisatorische Zuordnung der verantwortlichen Läsion ist weniger sicher als bei anderen Aphasie-Formen, vorwiegend finden sich die
Zu der Gruppe der Parasitosen gehörende Erkankung. Die sehr seltene primäre Amöben-Meningoenzephalitis wird durch Naegleria fowleri, einer freilebenden Wasseramöbe, verursacht. Vorkommen besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen in den Südstaaten der USA, Tschechien, Slowakei und Australien. Aufnahme des Erregers meist in den Sommermonaten nach Baden in stehenden Gewässern. Es entwickelt sich innerhalb weniger Tage rasch progredient eine schwer verlaufende, eitrige Meningitis, bzw. Meningoenzephalitis (meist basal, gelegentlich hämorrhagisch-nekrotisierend). Noch seltener ist eine Infektion mit Acanthamoeba, die besonders bei Immunsupprimierten auftritt und zu einer Enzephalitis führt. Zu einer sekundär zerebralen Amöbiasis kommt es infolge einer durch infektiöse Zysten von Entamoebia histolytica verursachten, in tropischen und subtropischen Gebieten vorkommenden Amöbenruhr. Extraintestinale Manifestationen nach hämatogener Ausbreitung betreffen in 90% die Leber und in 10–20% die Lunge. In 5–10% kommt es zu einer zerebralen Infektion mit einer schweren Meningoenzephalitis mit Entwicklung meist multipler, vorwiegend frontal und in den Stammganglien lokalisierte Hirnabszesse. Das neurologische Krankheitsbild entwickelt sich innerhalb weniger Stunden bis Tage. 3
Definition
Einleitung
3
Verbale Amnesie, Anomie
3
Synonyme
3
Amnestische Aphasie
Unterschieden werden eine primäre AmöbenMeningoenzephalitis und eine sekundäre zerebrale Amöbiasis.
Amoxicillin
Diagnostik
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transtentorieller Herniation ( Tentorium, Herniation). 3
Serologie (indirekter Hämagglutinintest, indirekter Immunofluoreszenztest, ELISA). Sonographie und CT zum Nachweis der hepatischen Manifestation. Diagnose der primären Amöbiasis durch Nachweis der Amöben im ungefärbten Liquorpräparat. Abszess, Meningitis. 3
3
Therapie Die primäre Amöben-Meningoenzephalitis wird mit Amphotericin B behandelt, für die granulomatöse Enzephalitis durch Acanthamoeba ist keine effektive Therapie bekannt. Die sekundäre zerebrale Amöbiasis wird bei Erwachsenen mit Metronidazol oder bei Unwirksamkeit mit Chloroquin, bei Kindern mit Chloroquin behandelt. empirisch 1. Behandlung der primären Amöben-Meningoenzephalitis: Amphotericin B (Amphotericin B®): 1– 1,5 mg/kgKG/die i. v. für 10 Tage. Nach Fallberichten kann die zusätzliche Gabe von Rifampicin (Rimactan®) 10 mg/ kgKG/die i. v. fur 10 Tage sinnvoll sein. 2. Behandlung der sekundären zerebralen Amöbiasis: * Erwachsene: Metronidazol (Clont®): 3× 1 g/die oral (ggf i. v.). Bei Unwirksamkeit Chloroquin (Resochin®): 2×300 mg/ die oral für 2 Tage, anschließend 300 mg/ die oral. * Kinder: Chloroqin (Resochin®): 10 mg/ kgKG/die oral. Therapiedauer beträgt 2– 4 Wochen. Metronidazol scheint gut in die Abszesshöhle zu penetrieren, im Einzelfall kann eine stereotaktische Aspiration bei multiplen Abszessen bzw. einer Exzision bei solitärem Abszess bei steigendem Hirndruck notwendig sein. Behandlung des Hirndrucks mit Kortikosteroiden (z. B. Dexamethason) und hyperosmolaren Lösungen ( Mannitol). 3
3
Prognose Die Letalität der unbehandelten zerebralen Amoebiasis beträgt mehr als 90%, die Krankheitsdauer vom Auftreten erster neurologischer Symptome bis zum Tod beträgt 10–15 Tage. Todesursache ist meist erhöhter Hirndruck mit
Amoxicillin Synonyme (2S,5R,6R)-6-[(R)-2-Amino-2-(4-hydroxyphenyl)acetamido]-3,3-dimethyl-7-oxo-4-thia-1azabicyclo[3.2.0]heptan-2-carbonsäure; D(-)-α-Amino-p-hydroxybenzylpenicillin; DAmoxycillin, Hydroxyampicillin
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Amagesan®, AMC-PUREN®, Amoclav®, amoxi ct TS®, Amoxi AbZ®, Amoxi 1A®, Amoxibeta®, Amoxicillin Heumann®, Acis®, TS®, AZU®, Heyl®, PB®, ratiopharm®, Stada®; Augmentan®; Clamoxyl®.
Wirkungen Amoxicillin ist ein Breitspektrumpenicillin für die p. o., i. m. und i. v. Anwendung. Amoxicillin ist ein halbsynthetisch gewonnenes Benzylpenicillin (p-Hydroxyampicillin). Es wirkt bakterizid – analog den anderen Penicillinen sowie den Cephalosporinen – durch Hemmung des Aufbaus der Bakterienzellwand (in der Wachstumsphase). Das Wirkspektrum von Amoxicillin umfasst grampositive und gramnegative Keime. Dazu gehören Streptokokken, nicht penicillinase-bildende Staphylokokken, Pneumokokken, Enterokokken, Listerien, Bacillus anthracis und gramnegative Keime wie Meningokokken, Gonokokken, Haemophilus influenzae und parainfluenzae, Bordetella pertussis, E. coli, Proteus mirabilis, Salmonellen und Shigellen. Bei E. coli gibt es Resistenzquoten von 25– 40%. In der Proteusgruppe ist nur Proteus mirabilis zu 60–85% empfindlich, die indol-positiven Proteusarten sind nahezu vollständig resistent. Die im anglo-amerikanischen Raum beschriebene Resistenzentwicklung bei Haemophilus influenzae (bis zu 15% der Stämme), die auf der Fähigkeit beruht, Beta-Lactamasen zu bilden, konnte bisher in Deutschland nicht verifiziert werden. Hier liegen die Resistenzquoten unter 2%. Nicht in das therapeutische Wirkungsspektrum von Amoxicillin fallen Klebsiellen, Enterobacter, Serratia, Pseudomonas, Yersinien, Citrobacter sowie penicillinase-
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Amoxicillin
bildende Keime. Insbesondere bei den gramnegativen Erregern nehmen die Resistenzen zu. Amoxicillin ist nicht penicillinasefest. Mit Ampicillin besteht eine komplette Kreuzresistenz.
Traktes, Typhus (einschließlich der Sanierung von Dauerausscheidern), Listeriose, Endocarditisprophylaxe, Osteitis, Osteomyelitis. Nur parenterale Gabe: Meningitis, Sepsis, Endokarditis.
Verteilung Amoxicillin ist gut gewebegängig, passiert die Plazentaschranke und wird zu einem geringen Prozentsatz in die Muttermilch ausgeschieden. Bei entzündeten Meningen penetriert Amoxicillin in den Liquorraum. Das scheinbare VVol. beträgt etwa 0,3–0,4 l/kg, und die Bindung an Serumproteine ca. 17–20%.
Wirkungsverlauf Amoxicillin ist säurestabil und wird nach peroraler Gabe deutlich besser resorbiert als Ampicillin. Nach peroraler Gabe liegt die Bioverfügbarkeit bei 72–94%. Die Absorptionsquote ist dosisabhängig. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme verringert etwas die Resorptionsgeschwindigkeit, ohne die Resorptionsquote zu vermindern. Nach peroraler Gabe einer Einzeldosis von 500 mg werden nach 1 h Serumspitzenkonzentrationen von ca. 7 mg/L und 1,5 h nach Gabe von 1.000 mg im Bereich von 11– 14 mg/L erreicht. Nach i. m. Gabe einer 500 mg-Dos. werden nach 1 h Serumkonz. von ca. 14 mg/L erreicht. Nach i. v. Bolusinjektion von 500 mg bzw. 1.000 mg wurden Serumspitzenkonzentrationen von 62,5 mg/L bzw. von 142,7 mg/L gemessen.
Elimination Amoxicillin wird überwiegend renal ausgeschieden (52±15% einer Dosis in unveränderter Form innerhalb von 7 h) und zu einem kleineren Anteil biliär. 10–30% einer oralen Dosis werden in Form von Umwandlungsprodukten (Penicilloate) ausgeschieden. Die totale Clearance beträgt etwa 370 ml/min. Die Serumhalbwertzeit beträgt bei Nierengesunden ca. 1 h (0,9–1,2 h), bei einer Kreatinin-Clearance von 10–30 ml/min ca. 6 h und bei Anurie 10–15 h.
Anwendungsgebiete Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, wie z. B. Otitis media, Sinusitis, Tonsillitis, Pharyngitis, der oberen und der unteren Atemwege (einschl. Pertussis), der Niere und der ableitenden Harnwege, der Geschlechtsorgane (einschließlich Gonorrhoe), Infektionen der Gallenwege, Infektionen des Magen-Darm-
Dosierung und Art der Anwendung Bei peroraler Anwendung, die unabhängig von der Nahrungsaufnahme erfolgen kann, erhalten Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren 1,5–3 g Amoxicillin/d in 3–4 Einzeldosen. Eine Steigerung auf 4–6 g/d ist möglich. Kinder unter 6 Jahren erhalten 40–50 –(100) mg Amoxicillin/kgKG/d in 3 (–4) Einzelgaben. Bei i. v. Anwendung erhalten Erwachsene und Jugendliche über 14 Jahren 3–9 –(20) g Amoxicillin/d, Schulkinder zwischen 6 und 14 Jahren 1,5– 4 g Amoxicillin/d in –4 Einzeldosen. Kleinkinder, Säuglinge, Neu- und Frühgeborene erhalten als Tagesdosis 50–250 –(400) mg/kgKG, aufgeteilt in 3–4 Einzelgaben. Die 1 g Amoxicillin entsprechende Menge Amoxicillin-Natrium enthält 2,7 mval Natrium. Dosis bei eingeschränkter Nierenfunktion. Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion mit einer glomerulären Filtrationsrate unter 30 ml/min ist eine Verlängerung des Dosisintervalls oder eine Reduzierung der Folgedosis zu empfehlen. Bei eine Kreatinin-Clearance von 20–30 ml/min sollte die Normdosis auf 2/3, bei einer KreatininClearance von 20–10 ml/min auf 1/3 reduziert werden. Bei Hämodialyse-Patienten wird als Initialdosis die Applikation von 1 g Amoxicillin empfohlen. Am Ende der Hämodialyse werden zusätzlich 500 mg Amoxicillin verabreicht. Weiterbehandlung von 500 mg Amoxicillin alle 24 h. Dauer der Anwendung. Amoxicillin soll in der Regel 7–10 Tage lang verabreicht bzw. eingenommen werden, mindestens bis 2–3 Tage nach Abklingen der Krankheitserscheinungen. Bei Meningitiden ist eine Therapiedauer von mindestens 14 Tagen angezeigt.
Unerwünschte Wirkungen Siehe Nebenwirkungsprofil der Penicilline. Da bisher keinerlei schädigende Wirkungen von Amoxicillin bekannt geworden sind, ist eine Anwendung während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit bei entsprechener Indikation möglich.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wegen der Gefahr eines anaphylaktischen
Amphotericin B
Schocks darf Amoxicillin nicht an Patienten mit nachgewiesener Penicillin-Allergie verabreicht werden. Eine Kreuzallergie mit anderen Betalaktam-Antibiotika kann bestehen. Mit besonderer Vorsicht sollte Amoxicillin bei Personen angewandt werden, die in ihrer Vorgeschichte an ausgeprägten Allergien und Asthma litten. Bei Patienten mit viralen Erkrankungen, insbesondere mit Mononucleosis infectiosa oder bei Patienten mit lymphatischer Leukämie sollten gleichzeitige bakterielle Infektionen nicht mit Amoxicillin behandelt werden, da diese Patienten verstärkt zu erythematösen Hautreaktionen neigen.
Wechselwirkungen Amoxicillin sollte nicht mit anderen, bakteriostatisch wirkenden Chemotherapeutika oder Antibiotika – wie z. B. Tetracyclinen, Erythromycin, Sulfonamiden oder Chloramphenicol – kombiniert werden, da ein antagonistischer Effekt möglich ist. Die gleichzeitige Gabe von Probenecid führt als Folge einer Hemmung der renalen Ausscheidung zu höheren und länger anhaltenden Amoxicillin-Konzentrationen im Serum und in der Galle. Während der Amoxicillin-Therapie ist eine Resorptionserhöhung von gleichzeitig verabreichtem Digoxin möglich. Bei gleichzeitiger Gabe von blutgerinnungshemmenden Medikamenten (Cumarine) kann die Blutungsneigung verstärkt werden. Unter der Therapie mit Amoxicillin kann in seltenen Fällen die Sicherheit von hormonalen Kontrazeptiva in Frage gestellt sein. Es empfiehlt sich deshalb, nichthormonale empfängnisverhütende Maßnahmen zusätzlich anzuwenden. Das Auftreten von Durchfällen kann zur Störung der Resorption anderer Medikamente und damit zur Beeinträchtigung derer Wirksamkeit führen. Einfluss auf Laboruntersuchungen Nichtenzymatische Methoden zur Harnzuckerbestimmung können ein positives Resultat ergeben.
Intoxikation Amoxicillin hat eine sehr große therapeutische Breite. Bei bestehenden Risikokonstellationen und bei Gabe sehr hoher i. v. Dosen kann es zu zentralnervösen Erregungszuständen, Myoklonien und Krämpfen kommen, wie sie auch für andere Penicilline beschrieben worden sind.
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Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion, Epilepsie und Meningitis ist das Risiko des Auftretens dieser unerwünschten Wirkungen erhöht. Beim Auftreten von Krämpfen empfiehlt sich die Sedierung mit Diazepam. Bei anaphylaktischen Reaktionen sind die üblichen Sofortmaßnahmen einzuleiten. Eine vermehrte Elimination von Amoxicillin kann mittels Hämodialyse erzielt werden. Reproduktionstoxizität Die fetalen Plasmakonzentrationen betragen ca. 25–30% der mütterlichen Plasmakonzentration. Es kommt zu einer Akkumulation im Fruchtwasser. Amoxicillin tritt in die Muttermilch über (ca. 10% der entsprechenden Serumkonzentration). Beim Säugling können deshalb Durchfälle und Sprosspilzbesiedlung der Schleimhäute auftreten. Die Möglichkeit einer Sensibilisierung ist zu bedenken.
Amphiphysin-Autoantikörper Definition Gegen ein 128 kDA Protein neuronaler Zellen gerichtete Autoantikörper.
Grundlagen Amphiphysin ist ein synaptisches Vesikelprotein, das immunhistochemisch in neuronalen Zellen nachgewiesen werden kann. Es kommt beim paraneoplastischen Stiff-Person-Syndrom vor, das vorwiegend mit dem kleinzelligen Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, Kolonkarzinom, Morbus Hodgkin und Thymomen assoziiert ist.
Amphotericin B Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Ampho-Moronal® Creme, Lutschtbl., Suspension, Tbl.; Mysteclin® Genitalcreme, AmBisome® Trockensubstanz.
Wirkungen Amphotericin B wirkt fungistatisch oder fungizid – dies hängt von der Gewebekonzentration und der Empfindlichkeit des Erregers ab. Als
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Amphotericin B
Wirkungsmechanismus wird die Bindung an Sterole in der Zellembran angesehen: im Falle von Pilzzellen Ergosterol und in Säugerzellen Cholesterol. Primärresistenzen sind selten. Amphotericin B ist wirksam gegen eine Vielzahl von Pilzarten, einschließlich Candida albicans, Torulopsis glabrata, Blastomyces dermatitidis, Coccidioides immitis, Cryptococcus neoformans, Paracoccidioides brasiliensis, Histoplasma capsulatum, Mucor-, Rhizopus-, Sporothrix-, Aspergillus- und Trichosporon-Arten. In Kombination mit Flucytosin besteht ein synergistischer Effekt.
Frage, die zwischen 1% und 15% der täglich applizierten Dosis enthalten kann. Ein großer Teil des verabreichten Amphotericins wird in verschiedenen Organen gespeichert. Die Wiederfindung liegt bei Autopsien von Patienten, die 101–2688 mg Amphotericin B erhielten, zwischen 16% und 50% der Gesamtdosis. Die Halbwertzeit lässt sich in zwei Phasen bestimmen. In der Initialphase liegt sie bei 24–48 h und in der terminalen Phase bei 15 Tagen. Störungen der Nieren- und Leberfunktion haben keinen Einfluss auf die Serumspiegel.
Anwendungsgebiete Resorption Amphotericin B wird nach p. o. Gabe sehr schlecht resorbiert. Besser ist die Resorption bei buccaler Applikation, aber auch bei dieser Verabreichungsart liegt der Anteil des resorbierten Amphotericins B nur bei 10% und niedriger. Zur Therapie systemischer Mykosen muss Amphotericin B daher i. v. gegeben werden. Die Serumkonzentrationen nach i. v. Gabe hängen von der Dosis, der Häufigkeit und der Geschwindigkeit der Infusion ab. Eine Proportionalität zwischen applizierter Dosis und Serumkonzentration kann für die tägliche Gabe von 5–50 mg gezeigt werden, höhere Dosen führen zu einem Plateau der Konzentration. Die i. v. Gabe von 5–70 mg/Tag führt zu Serumkonzentrationen von 0,14–2,39 mg/L 4 h nach Beginn der Infusion.
Verteilung Für die Verteilung wird ein Drei-Kompartimenten-Modell diskutiert. Nach der Infusion bindet Amphotericin B an Serumproteine, insbesondere an Lipoproteine. Die höchsten Amphotericin B-Gewebekonzentrationen werden in Leber und Milz, aber auch in Lunge und Niere bestimmt. Der Übergang in Körperflüssigkeit wie Synovialflüssigkeit, Bronchialsekret und Liquor ist schlecht, er erreicht maximal die Hälfte der Serumkonzentration, wobei der Übergang in den Liquor am schlechtesten ist und eine intralumbale Applikation erforderlich macht!
Elimination Der Metabolismus der Substanz ist nach wie vor unbekannt. Nur 3% der applizierten Dosis werden im Urin wiedergefunden. Als alternativer Ausscheidungsweg kommt die Galle in
I. v. Anwendung bei generalisierten Pilzerkrankungen, wie Candida-Sepsis und - Meningitis, Kryptokokken-Meningitis, Blastomykose, Kokzidioidomykose, Histoplasmose, Mukormykose und Aspergillosen. Die in vitro belegte synergistische Wirkung von Amphotericin B und Flucytosin ist bisher nur für die Kryptokokken-Meningitis eindeutig in einer klinischen Studie nachgewiesen worden.
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosis liegt zwischen 0,25 und maximal 1,5 mg/kg/d, wobei die Behandlung mit einer Testdosis von 1 mg begonnen wird und dann tägich bis zur erforderlichen Maximaldosis gesteigert wird. Amphotericin B wird i. v. über einen Zeitraum von 4–6 h infundiert. Zur Reduzierung unerwünschter – insbesondere nephrotoxischer – Wirkungen wird die Infusion von je 0,5 l 0,9% Kochsalzlösung vor Beginn und nach Abschluss der Amphotericin B-Infusion empfohlen. Amphotericin B liegt als NatriumDesoxycholat-Komplex vor, der nur in 5%-iger Glukoselösung infundiert werden darf, die Verwendung von 0,9%-iger Kochsalzlösung führt zu einer Präzipitierung des Arzneistoffes.
Unerwünschte Wirkungen Fieber und Schüttelfrost sind wichtige Allgemeinerscheinungen, die bei annähernd 50% der Patienten auftreten. Für diese Wirkungen wird die Bildung von Prostaglandinen verantwortlich gemacht – die p. o. Gabe von Prostaglandin-Synthesehemmstoffen wie Ibuprofen 30 min vor der Infusion von Amphotericin B kann das Auftreten von Fieber und Schüttelfrost deutlich reduzieren. Hydrocortison- oder Meperidingaben sind zwei alternative Möglichkeiten, diese unerwünschten Wirkungen teil-
Ampicillin
weise erfolgreich zu vermindern. Weiterhin sind Erbrechen und seltener Konvulsionen und reversible Paresen beobachtet worden. Seltenere unerwünschte Wirkungen sind Herzarrhythmien bei zu schneller Infusion. Kreislaufkollaps ist als wichtige unerwünschte Wirkung zu nennen. Gefäße. An den Injektionsstellen kann es zu Thrombophlebitiden kommen. Anämien und Thrombozytopenien und Leberschädigungen sind selten. Die Nephrotoxizität stellt die wichtigste unerwünschte Wirkung dar. Bis zu einer Gesamtdosis von 4–5 g Amphotericin B wurde die Nephrotoxizität als im Allgemeinen reversibel beschrieben. Bei höheren Dosen kann es zu bleibenden Nierenschäden kommen mit Hyperkaliurie, Hypokaliämie, Hämaturie, Proteinurie und Azotämie. Eine Kontrolle der Kalium- und Magnesiumspiegel und der Serumkreatininspiegel wird dringend empfohlen. Die Einbettung von Amphotericin B in Liposomen führt zu einer besseren Verträglichkeit und Wirksamkeit.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Drohendes Nierenversagen ist absolute Kontraindikation. Die gleichzeitige Gabe von anderen potenziell nephrotoxischen Arzneistoffen, wie z. B. Aminoglykosid-Antibiotika, ist unbedingt zu vermeiden.
Wechselwirkungen Nephrotoxische Reaktionen wurden besonders bei gleichzeitiger Gabe von Ciclosporin, Aminoglykosid-Antibiotika oder Cisplatin beobachtet. Die Wirkung von herzwirksamen Digitalisglykosiden kann durch die Hypokaliämie verstärkt werden.
Ampicillin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Ampicillin ratiopharm®, STADA® Tbl.; Binotal® Trockensubstanz, Unacid® Trockensubstanz.
Wirkungen Ampicillin ist ein Breitspektrumpenicillin für die p.o., i. m. und i. v. Anwendung. Ampicillin ist ein halbsynthetisch gewonnenes Aminobenzylpenicillin. Es wirkt bakterizid – analog den
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anderen Penicillinen sowie den Cephalosporinen – durch Hemmung des Aufbaus der Bakterienzellwand (in der Wachstumsphase). Das Wirkspektrum von Ampicillin umfasst grampositive und gramnegative Keime. Insbesondere bei den gramnegativen Erregern nehmen die Resistenzen zu. Ampicillin ist nicht penicillinasefest. Mit Amoxicillin besteht eine komplette Kreuzresistenz.
Verteilung Ampicillin ist gut gewebegängig, passiert die Plazentaschranke und geht in die Muttermilch über. Im Liquor werden bei intakten Meningen nur etwa 5% der Plasmakonzentration erreicht. Bei entzündeten Meningen kann die Liquorkonzentration auf 50% der Plasmakonzentration ansteigen. Die Serumproteinbindung liegt bei 17–20%.
Wirkungsverlauf Ampicillin ist peroral und parenteral anwendbar. Der große Nachteil des Ampicillins liegt in der relativ niedrigen Resorptionsquote und in deren großer Variabilität. Nach peroraler Gabe werden 30–60% einer Dosis resorbiert. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme beeinträchtigt die Resorption erheblich. Nach oraler Gabe werden maximale Serumkonzentrationen nach ca. 90– 120 min erreicht. Nach peroraler Applikation von 500 mg bzw. 1 g werden Spitzenkonzentrationen von ca. 4 mg/L bzw. 8 mg/L gemessen. Nach i. m. Gabe werden bereits nach 30 min maximale Serumspiegel erzielt. Sie liegen nach i. m. Injektion von 0,5 g zwischen 8 und 10 mg/ L. Nach i. v. Bolusinjektion von 500 mg bzw. 1 g Ampicillin wurden Spitzenkonzentrationen von 67 mg/L bzw. 150 mg/L gemessen.
Elimination Bis zu 10% einer Dosis werden in Form von Umwandlungsprodukten (Penicilloate) ausgeschieden. Ampicillin wird überwiegend über die Nieren ausgeschieden. Nach peroraler Gabe werden etwa 40% einer Dosis in unveränderter Form im Urin wiedergefunden. Nach parenteraler Gabe werden ca. 73±10% der verabreichten Dosis unverändert im 0–12 h-Urin ausgeschieden. Darüber hinaus findet eine Elimination über die Galle bzw. die Faeces statt. Die Eliminationshalbwertzeit liegt bei ca. 50– 60 min. Bei Oligurie kann die Halbwertzeit bis auf 8–20 h verlängert sein. Bei Neugeborenen
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Amylo-1,6-Glucosidase-Mangel
ist die Halbwertzeit ebenfalls länger (2–4 h). Die renale Clearance des Ampicillins beträgt etwa 194+41 ml/min nach i. v. Gabe.
Anwendungsgebiete Akute und chronische bakterielle Infektionen verschiedenster Lokalisation und Intensität mit Ampicillin-empfindlichen Erregern. Dazu zählen: Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, der Atemwege, im Bereich der Augenheilkunde, Osteitis/Osteomyelitis. Nur parenterale Gabe: Meningitis (insbesondere bei Verdacht auf Listerien!), Endokarditis, Sepsis.
Dosierung und Art der Anwendung Orale Anwendung. Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren erhalten als Tagesgesamtdosis 2–3 (–6) g Ampicillin, in 3–4 Einzeldosen über den Tag verteilt. Dosierung bei Kindern unter 6 Jahren. Kinder unter 6 Jahre erhalten 100– 150 (–200) mg/kgKG/d in 3–4 Einzeldosen. Parenterale Anwendung. Erwachsene, Jugendliche und Kinder über 6 Jahre: 3–4-mal täglich 0,5–3 g. Eine Dosissteigerung bis auf 20 g/d ist möglich. Kinder unter 6 Jahren erhalten 60–100 (–200) mg Ampicillin/kgKG täglich, verteilt auf 3–4 Einzelgaben. Bei Meningitis wird für Kinder eine Tagesdosis von 200–400 mg/kg KG empfohlen. Für alle Darreichungsformen gilt: Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion mit einer glomerulären Filtrationsrate von 30 ml/min und weniger ist eine Dosisreduzierung zu empfehlen, da mit einer Kumulation von Ampicillin gerechnet werden muss. Die Initialdosis ist gleich wie bei Nierengesunden. Die Erhaltungsdosis sollte jedoch reduziert (bzw. das Dosisintervall verlängert) werden. Bei Anwendung in der Schwangerschaft ist zu beachten, dass die Plasmakonzentration um bis zu 50% erniedrigt sind.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Keine Verabreichung bei nachgewiesener Penicillinallergie. (Eine Kreuzallergie mit anderen Betalaktam-Antibiotika kann bestehen.) Eine Anwendung während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit ist bei entsprechender Indikation möglich.
sung u. a. inkompatibel mit: Aminoglykosiden, Chlorpromazin-HCl, Erythromycinethylsuccinat und - lactobionat, Hydralazin-HCl, Lincomycin-HCl, Protein-Hydrolysaten und Prochlorperazinmesylat.
Reproduktionstoxizität Ampicillin ist plazentagängig und erreicht innerhalb einer Stunde im Serum des Feten ähnliche Konzentrationen wie im maternalen Blut. Die bisherigen Erfahrungen mit der Anwendung von Penicillin-Derivaten im ersten Trimenon der Schwangerschaft (über 3.500 MutterKind-Paare) und während des zweiten und dritten Trimenons (über 3.600 Mutter-Kind-Paare) sowie mit der Anwendung von Ampicillin (409 Mutter-Kind-Paare) haben keine Hinweise auf fruchtschädigende Wirkungen ergeben. Ampicillin wird in die Muttermilch ausgeschieden, wobei die Konzentrationen ca. 20% der maternalen Serumkonzentration erreichen können. Obwohl Untersuchungen zu diesen Bereichen nicht vorliegen, sollten die Möglichkeit einer Sensibilisierung des Säuglings (Allergiegefahr) und das Auftreten von Resistenzfaktoren in der Darmflora bedacht werden.
Akute Vergiftung Bei bestimmten Risikokonstellationen und bei i. v. Gabe sehr hoher Dosen kann es zu zentralnervösen Erregungszuständen, Myoklonien und Krämpfen kommen, wie sie auch für andere Penicilline beschrieben worden sind. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion, Epilepsie und Meningitis ist das Risiko des Auftretens dieser unerwünschten Wirkungen erhöht. Erste Maßnahmen: Beim Auftreten von Krämpfen empfiehlt sich die Sedierung mit Diazepam. Bei anaphylaktischen Reaktionen sind die üblichen Sofortmaßnahmen, möglichst mit den ersten Zeichen des Schocks, einzuleiten. Eine vermehrte Elimination von Ampicillin kann mittels Hämodialyse erzielt werden.
Amylo-1,6-Glucosidase-Mangel
Wechselwirkungen
Synonyme
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln identisch mit Amoxicillin (s. dort). Wichtigste Inkompatibilitäten: Ampicillin-Natrium ist in Lö-
Forbes-Krankheit, Cori-Krankheit, Debranching-Enzym-Mangel, Grenzdextrinose, Glykogenose Typ III
Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase-Mangel
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Definition
Nachsorge
Sehr seltene Glykogenspeicherkrankheit, die sich zwischen früher Kindheit und Erwachsenenalter mit Leber- und Muskelbeteiligung manifestiert. Das Debranching-Enzym fehlt, also die Amylo-1,6-Glucosidase.
Aufgrund der möglichen Entwicklung von Lebertumoren und der Kardiomyopathie sollten jährliche Verlaufsuntersuchungen mit Oberbauchsonographie und Herzecho erfolgen.
Prognose Einleitung Da das Debranching-Enzym fehlt, können die Verzweigungen des Glykogenmoleküls nicht beseitigt werden und es kommt zur zunehmenden Speicherung von Glykogenmolekülen mit vielen Verzweigungen und kurzen Ketten. Autosomal-rezessive Erkrankung mit vielen bekannten Mutationen. Sehr variable klinische Präsentation. Man unterscheidet einen Typ IIIa (fehlende Enzymaktivität in Leber und Muskel) und einen Typ IIIb (fehlende Enzymaktivität in der Leber, erhaltene Enzymaktivität im Muskel). Die molekulare Ursache für diese Heterogenität ist unbekannt. Die Leberbeteiligung führt bei etwa einem Viertel der Patienten zu Adenomen. Diese wurden nur bei Männern beobachtet. Sehr selten sind Leberkarzinome beschrieben. Nur sehr vereinzelt machte Leberversagen bei Zirrhose eine Transplantation nötig. Die Muskelbeteiligung ist variabel und kann im Vordergrund stehen oder auch ganz fehlen. Es sind Fälle mit Kardiomyopathie beschrieben. In einzelnen Fällen wurde auch Diabetes mellitus als Symptom der Forbes-Krankheit beschrieben. Hypoglykämien kommen vor. Die verminderte Glykogenolyse wird z. T. durch vermehrte Glukoneogenese sowie Lipolyse mit Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie und Erhöhung der Ketonkörper kompensiert.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, EKG, Herzecho, Elektroneurographie, Elektromyographie, Ischämietest (fehlender Laktatanstieg) und ggf. Muskelbiopsie.
Therapie Häufige Mahlzeiten einer protein- und fettreichen, kohlenhydratarmen Diät, möglichst auch einmal in der Nacht. Die Nahrung sollte z. B. 45% Kohlenhydrate, 25% Proteine und 25% Fett enthalten. Symptomatische Therapie. In seltenen Fällen Leber- oder Herztransplantation.
Je nach Ausprägung der Krankheit kann die Lebenserwartung normal oder verkürzt sein. Wenn das Erwachsenenalter erreicht wird, ist die Prognose meist günstig.
Amylo-1,4-1,6-TransglucosidaseMangel Synonyme Andersen Krankheit, branching-enzyme-deficiency, Amylopectinose, Glykogenose Typ IV
Definition Sehr seltene kongenitale, teils bis zum Erwachsenenalter auftretende Glykogenspeicherkrankheit mit Hepatosplenomegalie, Entwicklung von Leberzirrhose und Aszites, die durch Mangel an Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase charakterisiert ist. Muskelbeteiligung in 25–50%.
Einleitung Die Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase lagert Glukosemoleküle so am Glykogen an, dass Seitenketten entstehen. Der Mangel verhindert also die Verzweigung des Glykogens. Es entsteht eine der Stärke ähnliche Struktur. Die Erkrankung ist sehr variabel hinsichtlich Gewebebeteiligung, Erkrankungsbeginn und klinischer Manifestation. Das menschliche Glykogen-branching-Enzym-Gen liegt auf Chromosom 3q14 und besteht aus 16 Exonen, die mindestens 118 kb chromosomaler DNS umfassen. Es gibt rasch progrediente hepatische Formen, die eine Lebertransplantation erfordern und mildere nichtprogrediente hepatische Formen der Krankheit. Mehrere andere Varianten wurden beschrieben: 1. Multisystemkrankheit mit Beteiligung von Leber, Nerven, Herz- und Skelettmuskel. 2. Sensomotorische Polyneuropathie und Leukenzephalopathie mit Tetraspastik. 3. Primär myokardiale Erkrankung. Ein späterer Erkrankungsbeginn scheint davon
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Amyloidangiopathie
abzuhängen, ob das Enzym eine Restaktivität besitzt.
Arterien/Leptomeningen: immunhistochemischer Nachweis von kongophilem Amyloid-βProtein.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, Elektroneurographie, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Untersuchung der Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase in Leukozyten. Es gibt Berichte über pränatale Diagnostik mit Erfassung der Enzymaktivität und neuerdings auch PCR-basierter DNS-Mutationsanalyse.
Therapie Symptomatisch. Ggf. Lebertransplantation, ggf. Herztransplantation.
Therapie Keine kausale Therapie bekannt. Bei Blutungen Akuttherapie wie bei intrazerebralen Blutungen.
Bewertung Klinische Präsentation: * Multifokale intrazerebrale Blutungen, besonders bei älteren Patienten ohne Hypertension. * Diffuse Marklagerläsionen. Beides meist mit dementieller Entwicklung verbunden.
Prognose Die meisten Patienten mit der rasch progredienten hepatischen Form der Krankheit sterben in der frühen Kindheit.
Prognose Insgesamt schlechte Prognose. Wenige Jahre Überlebenswahrscheinlichkeit.
Amyloidose, Polyneuropathie
Amyloidangiopathie Definition
Definition
Ablagerung von β-Amyloid in den Gefäßwänden (Tunica media und Adventitia der mittleren und kleinen kortikalen Arterien und Gefäße der Leptomeningen) mit häufiger Manifestation durch rezidivierende lobäre Blutungen, intrazerebrale und Demenz.
Polyneuropathie, die durch extrazelluläre Amyloidablagerungen im peripheren Nervensystem entsteht. Die Amyloidablagerungen betreffen darüber hinaus multiple Organsysteme in unterschiedlichem Ausmaß (besonders Niere und Herz). Die klinische Klassifikation der Amyloidosen unterscheidet [2]: * Primäre Amyloidosen, bei denen das Amyloid aus Immunglobulin-Leichtketten zusammengesetzt ist und die idiopathisch oder mit einer Paraproteinämie (MGUS oder maligne) assoziiert sind. * Sekundäre Amyloidosen bei anderen Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, chronische Infekte etc.). * Familiäre Amyloidosen.
3
Einleitung *
*
Familiäre Formen (selten): z. B. hereditäre intrazerebrale Blutungen bei Amyloidangiopathie (Island- und Holland-Typ). Nicht familiäre Form.
Diagnostik Auf eine Amyloidangiopathie verdächtig sind * Blutungen, die spontan oder infolge von Bagatelltraumen entstehen, * multiple bzw. rezidivierende intrazerebrale kortikale Blutungen, v. a. parietal und frontal, * Blutungen, die bei einer operativen Ausräumung zu intra- oder postoperativen Nachblutungen führen. Diagnosesicherung durch Biopsie kortikaler
Einleitung Polyneuropathien bei primären Amyloidosen manifestieren sich häufig vor der Diagnosestellung. Als Erstsymptom findet sich meist eine distal-symmetrische sensible, schmerzhafte Polyneuropathie und/oder ein Karpaltunnelsyndrom. Typischerweise ist die Empfindungsstörung dissoziiert mit besonderem Befall kleinka-
Amyloidose, Polyneuropathie
73
libriger Fasern (Schmerz, Temperatur). Schwere trophische Störungen und autonome Symptome sind ebenfalls häufig. Bei den meisten familiären Amyloidosen liegt eine autosomal-dominante Vererbung vor. Gendefekte resultieren in einer pathologischen Proteinsynthese (am häufigsten Transthyretin, seltener Apolipoprotein A-1 oder Gelsolin) [2]. Nicht bei allen Formen gibt es auch Polyneuropathien. Oft steht der Befall anderer Organsysteme im Vordergrund.
empirisch
Diagnostik
unwirksam/obsolet
Die Diagnosesicherung erfolgt durch bioptischen Nachweis von Amyloid (Kongorot-Färbung oder immunhistochemisch) aus Nerv, Muskel oder bevorzugt auch Darm. In der Labordiagnostik finden sich bei der primären Amyloidose bei etwa 2/3 der Patienten monoklonale Proteine in Serum und Urin. Weitere pathologische Laborparameter entsprechend der übrigen Organmanifestationen.
Dimethyl-Sulfoxid und Vitamin E haben keinen Effekt gezeigt [2]. Der Effekt einer wöchentlichen Plasmapherese-Behandlung bei familiären Amyloidosen gilt als unsicher.
Eine hochdosierte, intravenöse Melphalan-Therapie in Kombination mit einer autologen Stammzelltransplantation ist sehr toxisch, kann aber in Einzelfällen bei primärer Amyloidose hilfreich sein [4]. Eine vollständige klinische Erholung wurde auch bei einem Patienten nach allogener Knochenmarkstransplantation beschrieben [1]. Eine Lebertransplantation kann ebenfalls bei schweren klinischen Verläufen die Progression aufhalten.
Nachsorge
Die Therapie der Amyloidosen ist unbefriedigend. Wichtigster Kontrollparameter ist die Verlängerung der Überlebenszeit.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind wichtig, insbesondere auch hinsichtlich weiterer Organmanifestationen, da die Polyneuropathie häufig relativ früh im Verlauf auftritt und ein weiterer Organbefall folgt. Außerdem kann als Folge der Gabe alkylierender Substanzen ein myelodysplastisches Syndrom oder eine nicht-lymphozytäre Leukämie auftreten [2].
gesichert
Prognose
Bei den primären Amyloidosen kommt zur Hemmung der Leichtketten-Produktion ein Therapieversuch mit alkylierenden Substanzen in Frage. In einer prospektiven, randomisierten Studie konnten Melphalan (0,15 mg/kgKG/Tag über 7 Tage) und Prednison (0,8 mg/kgKG/Tag über ebenfalls 7 Tage), in 6-wöchigem Zyklus verabreicht, die Überlebenszeit im Gegensatz zu einer reinen Colchicin-Behandlung verlängern [2, 3]. Colchicin (0,6 mg 2×täglich) kann auch mit Melphalan und Prednison kombiniert werden. Für die familiären Amyloidosen gibt es keine spezifische Therapie. Zur symptomatischen Therapie der Neuropathie-Beschwerden (Schmerz, Dysästhesien) gehört bei allen Amyloidose-Formen die Gabe von Analgetika, Sedativa oder membranstabilisierenden Substanzen. Eine Operation eines Karpaltunnelsyndroms kann erforderlich werden. Die orthostatische Hypotension kann z. B. durch Midodrin oder durch L-Dihydroxyphenylserin (L-DOPS) behandelt werden [2].
Die Prognose der Amyloidosen ist ungünstig. Die Patienten sterben meist an anderen Organkomplikationen (kardial oder renal). Die mittlere Überlebenszeit einer primären Amyloidose beträgt 2 Jahre [2].
Therapie
Literatur 1. Gillmore JD, Davies J, Iqbal A, Madhoo S, Russell NH, Hawkins PN (1998) Allogenic bone marrow transplantation for systemic AL amyloidosis. Br J Haematol 100: 226–228. 2. Kyle RA, Dyck PJ (1993) Amyloidosis and neuropathy. In: Dyck PJ, Thomas PK (Hrsg) Peripheral neuropathy. WB Saunders Company, Philadelphia, pp 1294–1309. 3. Kyle RA, Gertz MA, Greipp PR, Witzig TE, Lust JA, Lacy MQ, Therneau TM (1997) A trial of three regimens for primary amyloidosis: colchicine alone, melphalan and prednisone, and melphalan, prednisone, and colchicine. N Engl J Med 336: 1202–1207. 4. Moreau P, Leblond V, Bourquelot P, Facon T, Huynh A, Caillot D, et al. (1998) Prognostic factors for survival and response after high-dose therapy and autologous stem cell transplantation
A
74
Amyotrophie in systemic AL amyloidosis: a report on 21 patients. Br J Haematol 101:766–769.
mit syringomyelieartigen Symptomen resultieren.
Diagnostik Die Diagnosesicherung erfolgt über die typischen klinischen (orangefarbene, vergrößerte Tonsillen) und laborchemischen Befunde. Histologisch können De- und Remyelinisierungen, aber auch rein axonale Veränderungen gesehen werden.
Amyotrophie Synonyme Muskelatrophie
Definition Verschmächtigung der Muskulatur, häufig bedingt durch eine Schädigung des zugehörigen zweiten Motoneurons.
Einleitung Der Begriff „Amyotrophie“ wird gewöhnlich in Zusammenhang mit der amyotrophen Latediabetischen Amyotrophie ralsklerose, der und der neuralgischen Schulteramyotrophie (Amyotrophie, Schulteramyotrophie, neuralgische) verwandt.
Prognose Die meisten Patienten bleiben asymptomatisch oder zeigen nur passager Symptome. Nur bei einer Minderheit der Patienten ist die Neuropathie permanent und behindernd.
3
3
Anämie, makrozytäre hyperchrome
3
Synonyme Megaloblastäre Anämie
Amyotrophie, Schulteramyotrophie, neuralgische Schulteramyotrophie, neuralgische
Definition Anämie mit erhöhtem Erythrozytenvolumen (MCV ≥95 fl) und hyperchromen Erythrozyten (MCH ≥34 pg).
3
Einleitung
Hereditäre Lipidspeicherkrankheit, bei der es durch ihren gesteigerten Katabolismus zu einem ausgeprägten Mangel an HDL-Lipoproteinen kommt. Dadurch kommt es zu einer Lipidakkumulation in verschiedenen Zelltypen, die durch Befall der Schwann'schen Zellen zu einer sensiblen, motorischen oder gemischten Neuropathie führen kann. Der genaue Pathomechanismus ist allerdings noch unklar. Vermutlich sind weitere Faktoren zur Entstehung der Neuropathie erforderlich.
Am häufigsten sind megaloblastäre Anämien durch Vitamin B12-Mangel (Ursachen: Intrinsic-Factor-Mangel bei Typ A Gastritis oder Z. n. Magenresektion, Malabsorptionssyndrom, mangelnde Zufuhr bei Vegetariern, Fischbandwurm, „blind loop“-Syndrom – bakterieller Überwucherung der Darmflora), seltener durch Folsäuremangel (Ursachen: Mangelernährung, besonders bei Alkoholikern, erhöhter Bedarf in der Schwangerschaft, Malabsorption, Behandlung mit Folsäureantagonisten) verursacht. Vitamin B12-Mangel führt zu neurologischen Störungen mit dem Bild der funikulären Myelose, Folsäuremangel zu einer sensiblen Polyneuropathie und Enzephalopathie.
Einleitung
Differenzialdiagnose
Klinisch kann eine transiente, asymmetrische Polyneuropathie (PNP), eine langsam progrediente überwiegend symmetrische PNP oder eine langsam progrediente, symmetrische PNP
Bestimmung von Vitamin B12 und Folsäure im Plasma. Schilling-Test zum Nachweis einer Vitamin B12-Resorptionsstörung, Gastroskopie (Typ A Gastritis), Nachweis von Autoantikör-
An-α-Lipoproteinämie (TangierErkrankung) Definition
ANCA (antineutrophile Zytoplasma-Autoantikörper)
zentrale pontine Myelinolyse), Raumforderungen. 3
pern gegen Parietalzellen oder Intrinsic Factor. Figlu-Test zum Nachweis eines Folsäuremangels.
75
Differenzialdiagnose Prophylaxe Ausgewogene Ernährung, Substitution bei erhöhtem Bedarf (insbesondere Folsäure).
Therapie empirisch * Kausale Behandlung: Intermittierende Antibiotikagabe bei „blind loop“-Syndrom, Umwandlung von Billroth II in Billroth I, Behandlung einer Fischbandwurmerkrankung etc. * Substitutionstherapie bei Vitamin B -Man12 gel: Zunächst zur Aufsättigung der Speicher Gabe von je 1 mg Vitamin B12 (Hydroxycobalamin oder Cyanocobalamin) täglich oder in Abständen von Tagen i. m. Erhaltungstherapie: Gabe von 1 mg Vitamin B12 i. m. in Abständen von 1–3 Monaten. * Substitutionstherapie bei Folsäuremangel: Für 3–5 Tage Gabe von 15 mg Folsäure pro Tag i. m., dann für 1–2 Wochen 10–15 mg täglich oral. Erhaltungstherapie, falls notwendig: 5– 15 mg täglich oral. Zu Beginn der Substitutionstherapie sollten Eisen und Kalium substituiert werden.
Sprechapraxie: Störung von Aktivierung, Initiierung und Koordination von Sprechbewegungen. Mutismus durch psychische Erkrankungen.
Therapie Behandlung der Grunderkrankung. Spezifische Therapie: Anbahnung und Training von Einzelkomponenten des Sprechens mit und ohne gleichzeitigen Artikulationsversuch (Lippenbewegungen, Zungenbewegungen), Koordinationsübungen.
Prognose Abhängig von der Grunderkankung. Gut z. B. beim Miller-Fisher-Syndrom und umschriebenen Hirnstammläsionen. Schlecht bei Pseudobulbärparalyse im Rahmen bilateraler Tractuscorticobulbaris-Schädigung.
ANCA (antineutrophile Zytoplasma-Autoantikörper) Definition Gegen das Zytoplasma fixierter neutrophiler Granulozyten gerichtete Autoantikörper.
Nachsorge Bei Typ A Gastritis: Kontrollgastroskopien (erhöhtes Risiko für Magenkarzinom).
Anarthrie Definition Unfähigkeit des Sprechens, d. h. der Artikulation von Worten durch Funktionsstörung der Artikulationsorgane (Zunge, Gaumenmuskulatur, Pharynx, Lippen etc.). Läsionslokalisationen: Hirnstamm, kortikobulbäre Bahnen (bei Pseudobulbärparalyse), temporoparietaler Motorkortex, periphere Hirnnervenläsionen. Ätiologien: Ischämisch, intrazerebrale oder subarachnoidale Blutungen, entzündlich (z. B. Miller-Fisher-Syndrom), metabolisch (z. B.
Grundlagen Der Nachweis erfolgt überwiegend mit der indirekten Immunfluoreszenzmikroskopie. Das Färbemuster ist diffus zytoplasmatisch (cANCA) oder perinukleär (p-ANCA). ANCA werden im Serum von Patienten mit pauci-immuner ANCA-assoziierter Vaskulitis gefunden. Neurologisch resultiert häufig eine multifokale periphere Neuropathie. Als wahrscheinlichste Erklärung für die Pathogenese der systemischen Gefäßerkrankung gilt die ANCA-Zytokin-Sequenz-Theorie. Danach kommt es unter Zytokineinfluss (z. B. TNF-α und IL-1) zur Membrantranslokation von Proteinase 3 und Expression von Adhäsionsmolekülen (z. B. LFA-1 und ICAM-1) sowohl auf Granulozyten als auch auf Endothelzellen. Die Bindung von ANCA an das Zielantigen Proteinase 3 führt konsekutiv zur Freisetzung toxischer Sauerstoffradikale und lysosomaler Enzy-
A
76
Ancrod
me und damit zur Endothelschädigung. Betroffen sind meist kleine Gefäße (small vessel vasculitis). Die c-ANCA sind typisch für die Wegener Granulomatose und die Panarteriitis nodosa, wohingegen p-ANCA unspezifischer beim Churg-Strauss-Syndrom, mikroskopischer Panarteriitis und zahlreichen anderen entzündlichen Erkrankungen vorkommen.
Ancrod Definition/Anforderungen Enzym, das aus dem Gift der malayischen Grubenotter (Agkistrodon rhodostoma) gewonnen wird, und Fibrinogen zu Fibrin durch Abspaltung der Fibrinopeptide A umwandelt.
Wirkungen Ancrod ist eine Serin-Protease, die strukturell und funktionell mit den Serin-Proteasen Batroxobin und Thrombin verwandt ist. Die toxische und therapeutische Wirkung beruht im Wesentlichen auf der Spaltung des Fibrinogens im Plasma. Im Gegensatz zu Thrombin, das aus Fibrinogen sowohl das Fibrinopeptid A als auch Fibrinopeptid B abspaltet und damit die Polymerisierung des Fibrins ermöglicht, spaltet Ancrod nur das Fibrinopeptid A ab, eine normale Polymerisierung des Fibrins, die Gerinnung und Thrombusbildung sind damit nicht möglich. Vielmehr bilden sich Mikrothromben, die schnell von den Zellen des retikuloendothelialen Systems eliminiert werden. Aus dieser Wirkung resultiert in vivo eine Fibrinogen-Verminderung oder Depletion, eine antikoagulatorische Wirkung und eine Verminderung der Blutviskosität, insbesondere bei erhöhter Viskosität. Ein weiterer Unterschied zum Thrombin besteht darin, dass Ancrod weder Faktor XIII noch Plasminogen aktiviert und keine Thrombozytenaggregation und - degranulation induziert. Ancrod verstärkt den thrombolytischen Effekt von Plasmin, Streptokinase und Urokinase, hat jedoch keine eigene fibrinolytische Wirkung bei vollständig quervernetztem Fibrin.
schwindigkeit und die Verteilung im Organismus liegen keine Daten vor. Aus der Wirkdauer bei subcutaner Applikation von 15–24 h kann auf eine langsame Elimination geschlossen werden.
Anwendungsgebiete Ancrod wird therapeutisch als schnell wirksames Antikoagulans bei arteriellen und venösen thromboembolischen Prozessen eingesetzt. Kontrollierte klinische Studien, in denen eine therapeutische Wirksamkeit nachgewiesen wurde, liegen für akute zerebrale Ischämien mit Entwicklung eines thrombotischen Infarktes vor. Entscheidend für den Therapieerfolg ist der Beginn der Therapie innerhalb weniger Stunden. Es kommt zur schnellen Auflösung der Primärthromben mit offenbar geringem Risiko von Blutungen oder Rethrombisierung. Bei zerebralen Hämorrhagien ist Ancrod kontraoindiziert. Mehrere klinische Studien zeigen, dass die Gerinungsstörungen bei systemischem Lupus erythematosus günstig auf Ancrod ansprechen. Weitere Anwendungsgebiete, die jedoch kontrovers diskutiert werden, sind tiefe Beinvenenthrombosen und die Heparin-induzierte Thrombozytopenie, wenn die Antikoagulationstherapie fortgesetzt werden muss. Bei zerebraler Ischämie kann Ancrod intravenös gegeben werden. Bei der vorherrschenden Anwendung bei chronischen Prozessen wird Ancrod in einer mittleren Dosierung von 60–70 E/d subcutan gegeben.
Unerwünschte Wirkungen Urtikaria und Exantheme als Ausdruck einer allergischen Reaktion können bei Anwendung über längere Zeit auftreten. Kreislauf. Blutungen treten bei vorsichtiger Handhabung nur selten auf, meist an Stichkanälen oder Ulcera des Magendarmtraktes. Arterielle Punktionen sind wegen des hohen Blutungsrisikos strikt zu vermeiden.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Patienten mit einer latenten Blutungsneigung, Herzinfarkt, zerebrale Blutungen, Magengeschwüre mit Blutungsneigung, Neoplasmen, operative Eingriffe, Lebererkrankungen, hochfieberhafte Erkrankungen, Sepsis.
Wirkungsverlauf Ancrod wird subcutan oder, seltener, intravenös angewendet. Über die Plasma-Eliminationsge-
Wechselwirkungen Die Wirkungen anderer Antikoagulantien, von
Aneurysma, asymptomatisches
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A
Aneurysma Definition Abgegrenzte Erweiterung einer Arterie.
Einleitung Einteilung nach der Morphologie des Aneurysmas: * Sackförmig * Fusiform
Aneurysma. Abb. 1: Circulus arteriosus Willisii mit den häufigsten Lokalisationen zerebraler Aneurysmen
Antifibrinolytika und Plättchenaggregationshemmern wird verstärkt.
Toxikologische Eigenschaften Schlangenbiss und Aufnahme des Giftes der Schlange Bothrops jararaca kann eine komplette Depletion von Fibrinogen mit lebensbedrohlichen Blutungen auslösen. Zu den toxischen Wirkungen tragen weitere Inhaltsstoffe des Giftes bei.
Einteilung nach der Ätiologie: * Hypertensiv/degenerativ: atherosklerotisch * Hereditär * Kongenital * (Post-)entzündlich * Traumatisch
Diagnostik Digitale Subtraktionsangiographie, CT mit Kontrastmittel, CT-/MRT-Angiographie, Duplexsonographie.
Therapie Abhängig von der Morphologie, Ätiologie und Größe des Aneurysmas. Eventuell Clipping bei operativer Zugänglichkeit, alternativ Embolisation oder Coiling.
Nachsorge Duplexsonographie, Angiographie.
3
Anenzephalie Synonyme Kranielle Dysraphie, Neuralrohrdefekt
Definition Bei dieser Form eines Neuralrohrdefektes werden nur Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark ausgebildet. Die Kinder versterben nach wenigen Stunden bis Wochen.
Aneurysma, asymptomatisches Einleitung Nach heutigem Kenntnisstand besteht keine endgültige Klarheit über eine Therapienotwendigkeit der mit modernen bildgebenden Verfahren als Zufallsbefund diagnostizierten intrakraniellen intraduralen Aneurysmen. Es ist zu berücksichtigen, dass das kumulative Risiko einer Aneurysmaruptur größenabhängig ist: Aneurysmen mit einem Durchmesser von <10 mm zeigen ein jährliches Blutungsrisiko von 0,05%/Jahr, bei einem Durchmesser >10 mm liegt das jährliche Blutungsrisiko unter 1%/Jahr, bei einem Durchmesser >25 mm (Riesenaneurysma) bei 6%. Ein unabhängiger Risikofaktor scheint das Patientenalter zu sein. Die Entscheidung über einen neurochirurgischen Eingriff ( Clip-Operation) oder 3
Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase-Mangel (Andersen-Erkrankung)
3
Andersen-Erkrankung
Aneurysma, Blutung, intrazerebrale
eine neuroradiologisch interventionelle Behandlung ( Aneurysma, interventionelle Therapie; Neuroradiologie, interventionelle) ist individuell zu treffen. Zu berücksichtigen sind Gesamtstatus und Risikoprofil des Patienten sowie die Lokalisation (intrakavernös versus intradural) und Angioarchitektur des Aneurysmas (insbesondere etwaiges Vorhandensein eines Aneurysmahalses).
Aneurysma, Blutung, intrazerebrale Definition Intraparenchymatöse Blutung als Begleiterscheinung im Rahmen einer Ruptur eines vorbestehenden intrazerebralen Aneurysmas, meist der MCA oder eines MCA-Astes oder des Ramus communicans anterior. 3
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3
3
Therapie
Diagnostik
Bislang je eine retrospektive Auswertung über Risiken der operativen bzw. neuroradiologisch interventionellen Behandlung vorliegend [1, 2]. Die zweite Studie [2] wertete symptomatische und asymptomatische Aneurysmen aus, hinsichtlich der interventionellen Therapie gab es keine signifikanten Unterschiede. Übersicht und Empfehlungen nach Bederson [3].
Klinisch: Fokalneurologische Zeichen. CCT, Angiographie.
Bewertung Permanente Komplikationen: Mortalität und Morbidität bis 15%. Geringere Mortalität/Morbidität bei endovaskulärer Behandlung. Eine Behandlung von inzidentellen Aneurysmen mit einem Durchmesser <10 mm scheint keinen Benefit zu liefern.
Nachsorge Blutdruckeinstellung. Kontrollangiographie, insbesondere bei unvollständig geclippten/gecoilten Aneurysmen, auch zum Thrombosierungsnachweis.
Aneurysma, Charcot-BouchardAneurysmen Synonyme Zahlreiche
3
1. Nicht indiziert/empfohlen: * Intrakavernöse Lage. * Intradurale Lage und Größe <10 mm. 2. Empfohlen: * Intradurale Lage bei Blutung aus anderem, behandelten Aneurysma (insbesondere Basilarisaneurysmen). * Intradurale Lage und Größe >10 mm.
Akuttherapie und Rehabilitation wie bei anderen intrazerebralen Blutungen. Bei Aneurysmen Coiling, Embolisation, Clipping. Bei subarachnoidalen Blutungsanteilen ggf. Prophylaxe bzw. Therapie eines Vasospasmus ( Subarachnoidalblutung). 3
empirisch
Therapie
Mikroaneurysmen
Definition Miliare Aneurysmen (Durchmesser 0,2–1 mm), ätiologisch durch langjährigen Hypertonus hervorgerufen.
Literatur 1. ISUIA Investigators (1998) Unruptured intracranial aneurysms – risk of rupture and risks of surgical intervention. The New England Journal of Medicine 24:1725–1733. 2. Brilstra et al. (1999) Treatment of intracranial aneurysms by embolization with coil: a systematic review. Stroke 30(2):470–476. 3. Bederson et al. (2000) Recommendations for the management of patients with unruptured intracranial aneurysma. Stroke 31:2742–2750.
Diagnostik Konventionelle Angiographie, MR-Angiographie.
Therapie Konsequente Blutdruckeinstellung.
Bewertung Als Ursache von hypertensiven Massenblutun-
Aneurysma, mykotisches zerebrales
Aneurysma, interventionelle Therapie
chungen und ggf. erneute Embolisationen erforderlich. Zukünftig könnte die endovaskuläre Aneurysambehandlung durch Einbringen sog. Stents in das aneurysmatragende Gefäß und damit ein Verschluss des Aneurysmaabganges durch innere Schienung erfolgen. Bei der Behandlung der Subarachnoidalblutung ist das Coiling der Operation überlegen [2]. 3
gen werden bei bis zu 85% Rupturen von solchen Aneurysmen vermutet.
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Definition Endovaskuläre Behandlung intrakranieller Aneurysmen unter Bildwandlerkontrolle durch Einbringen elektrolytisch ablösbarer Platinspiralen. 3
Grundlagen Neben der mikrochirurgischen Clip-Operation ist durch Weiterentwicklung von Kathetern und Embolisationsmaterial ein neues Spektrum der Neuroradiologischen Intervention ( Neuroradiologie, interventionelle) in der Behandlung intrakranieller Aneurysmen entstanden. Nachdem früher der Aneurysmaverschluss durch Silikon- oder Latexballons versucht wurde, wird heute der Verschluss durch Einbringung elektrolytisch ablösbarer Platinspiralen (Gugliemi detachable coils (GDC)), sog. Coils, in das Aneurysmalumen hineingeführt. Besonders günstig für diese Behandlungsmethode sind Aneurysmen mit schmalem Hals, weniger gut geeignet sind große, breitbasige fusifome Aneurysmen. Hauptkomplikation ist eine Gefäßruptur durch Kathetermanipulation. Probleme dieser Behandlung bestehen in einem nur inkompletten Verschluss des Aneurysmas und in einem unbeabsichtigten Verschluss des aneurysmatragenden Gefäßes bzw. nachgeschalteter Gefäße durch arterioarterielle Embolien mit konsekutiver Ischämie infolge einer Thrombose. Bislang liegt eine systematische Auswertung der interventionellen Therapie intrakranieller Aneurysmen vor, in der keine signifikanten Unterschiede zwischen symptomatischen und asymptomatischen Aneurysmen hinsichtlich Komplikationen und Verschlussrate gefunden wurde [1]. Beschrieben wird eine Morbidität von 3,7% mit bleibenden neurologischen Ausfällen, eine Mortalität von 0% und eine komplette Verschlussrate von 54%. Hinsichtlich einer möglichen Revaskularisierung des Aneurysmalumens durch Zusammensinken der Coils sind regelmäßige angiographische Kontrolluntersu-
Literatur 1. Brilstra et al. (1999) Treatment of intracranial aneurysms by embolization with coil: a systematic review. Stroke 30(2):470–476. International Subarachnoid Aneurysm Trial (ISAT) 2. ISAT (International Subarachnoid Aneurysm Trial) Lancet 2002; 360:1267–1274
3
Aneurysma, mykotisches zerebrales Synonyme 3
Infektiöses
Aneurysma
Definition Durch Infektionen hervorgerufene Wandschwäche mit meist fusiformer Ausweitung.
Einleitung Erreger: * Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken): meist Endokarditis als Quelle septischer Embolien oder Meningitis bzw. intrakranielle Empyeme * Pilze * Protozoen Lokalisation: zumeist in der Peripherie, insbesondere der MCA.
Diagnostik Angiographie, Echokardiographie, ggf. Leukozyten-SPECT.
Therapie Je nach Erreger (Bestimmung durch wiederholte Blutkulturen auf Bakterien und Pilze), ggf. serologische Untersuchungen.
Bewertung Klinische Manifestation meist als Komplikation
A
3
Aneurysma, paralytisches
„Ruhendes Aneurysma“, das nicht durch eine Ruptur mit Blutung, sondern durch Kompression anderer Strukturen zur klinischen Symptomatik führt.
Einleitung Bei intrakraniellen Aneurysmen klinisches Syndrom je nach Lage und Ausdehnung des Aneurysmas: * Hirnnervenausfälle (z. B. N. oculomotoriusParese bei Aneurysma der A. communicans posterior). * Hypophyseninsuffizienz. * Andere fokalneurologische Ausfälle.
Diagnostik CT-/MR-Angiographie, konventionelle Angiographie, mit geringerer Sensitivität auch transkranielle Duplexsonographie.
Unterscheidung nach der Ätiologie: * Mykotische Aneurysmen * Degenerative Aneurysmen * Familiäre Aneurysmen * Aneurysmen bei Systemerkrankungen. Unterscheidung nach der Pathophysiologie: * Aneurysma verum * Aneurysma spurium * Aneurysma dissecans.
Aneurysma, Vorhofseptumaneurysma Definition Vorwölbung des Vorhofseptums, häufig in Assoziation mit einem offenen Foramen ovale (PFO). 3
Definition
Unterscheidung nach der Morphologie: * Sackförmig * Spindelförmig (fusiform) * Gigantisch * Miliar.
3
Aneurysma, paralytisches
Grundlagen
3
von Meningitis oder Empyem in Form von Blutungen oder Ischämien.
3
80
Einleitung Therapie
Ggf. Re-Angiographie.
Einteilung nach Ätiologie: * Postischämisch nach septalem Infarkt und Narbenbildung. * Im Rahmen von Systemerkrankungen (z. B. Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom). * Idiopathisch.
Bewertung
Diagnostik
Operativ durch Clipping oder interventionell radiologisch durch Coiling.
Nachsorge
Neurologische Ausfälle müssen aufgrund der anzunehmenden Wachstumsdynamik als Warnsymptom einer drohenden Aneurysmaruptur betrachtet werden.
Prognose Bei erfolgreicher Therapie des Aneurysmas gut.
Aneurysma, Typen Definition Abgegrenzte Erweiterung einer Arterie.
* *
Transösophageales Echokardiogramm. Mögliches indirektes Zeichen im EKG: bleibende ST-Hebung.
Therapie gesichert Nicht bekannt. empirisch * Je nach Befundausmaß und zusätzlichen Risikofaktoren für Thrombenbildung (Thrombophilien), ggf. orale Antikoagulation. * Stabilisierung des Vorhofseptumaneurysmas und PFO-Verschluss durch eine Schirmchenimplantation via Herzkatheter möglich.
Anfall, amorpher
Bewertung Bei unsicherer Datenlage keine Einordnung unter die kardialen „major risk“-Emboliequellen. Bei gleichzeitigem offenen Foramen ovale erhöhtes Risiko für (paradoxe?) Embolien (ca. 5– 9% pro Jahr).
81
ligen Anfallstyp charakteristische Klinik. Siehe einzelne Stichworte.
Anfall, amorpher Synonyme Amorphe Neugeborenenkrämpfe, subtil-erratische Neugeborenenkrämpfe
Aneurysma, zerebrales Angiom Definition 3
Gemeinsames Auftreten von zerebralem giom und intrakraniellem Aneurysma.
An-
3
Grundlagen Während nur etwa 1% aller intrakraniellen Aneurysmen mit einer arteriovenösen Malformation assoziiert sind, wird das umgekehrte Auftreten von Aneurysmen bei Nachweis eines Angioms mit einer Häufigkeiten von etwa 3– 23% angegeben. Die Blutungsinzidenz einer Malformation soll durch das Vorliegen eines Aneurysmas geringfügig erhöht sein. Die Aneurysmen werden an einer üblichen Prädilektionsstelle, an angiomversorgenden Gefäßen oder an nichtangiomversorgenden Gefäßen gefunden. Pathogenetisch werden ein inzidentelles gemeinsames Auftreten oder eine kausale Verknüpfung infolge einer angiombedingten Mehrdurchblutung des aneurysmatragenden Gefäßes diskutiert. Die Behandlungsindikation und deren Reihenfolge richtet sich nach einer etwaig stattgehabten Blutung. Bei einer endovaskulären Erstbehandlung des Angioms ist zu berücksichtigen, dass sich durch die Shuntreduktion der Druck in den vorgeschalteten Gefäßen erhöhen und damit die Rupturgefahr des Aneurysmas steigen kann.
Definition Bei Neugeborenen innerhalb der ersten Lebenswoche auftretende epileptische Anfälle mit sehr variabler, „amorpher“ Phänomenologie, wobei vielfältige motorische (Augenbewegungen, Lidmyoklonien, orale Automatismen, klonische Phänomene, tonische Haltungsänderungen, stereotype Tret- und Ruderbewegungen) und vegetative, insbesondere apnoische Phänomene beobachtet werden. Im iktualen EEG finden sich sehr variable, meist fokale, z. T. rudimentäre Muster.
Einleitung Neugeborenenkrämpfe sind zumeist symptomatische (Gelegenheits-)Anfälle, die z. B. durch hypoxisch-ischämische Enzephalopathien, intrakranielle Blutungen, Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen, prä- und postnatale intrazerebrale Infektionen oder Hirnmissbildungen verursacht werden. Weiterhin treten sie mit zumeist klonischer, seltener auch apnoischer Symptomatik als Syndrom der benignen familiären bzw. nichtfamiliären Neugeborenenkrämpfe bei ansonsten ungestörter statomotorischer und psychomentaler Entwicklung auf.
3
Differenzialdiagnose
Anfall Synonyme Paroxysmus, Attacke
Definition Plötzlich auftretende, reversible Veränderung des Bewusstseinszustandes, des Verhaltens, des Vegetativums oder der Herz-Kreislauffunktion, gekennzeichnet durch eine für den jewei-
Die Differenzierung von andersartig bedingten motorischen bzw. vegetativen Phänomenen kann schwierig sein.
Therapie Bei symptomatisch bedingten Neugeborenenkrämpfen steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Hinsichtlich antikonvulsiver bzw. antiepileptischer Medikation sei auf die entsprechende neuropädiatrische Literatur verwiesen.
A
Anfall, atonischer
Anfall, atonischer
fach-fokaler)) mit auditiven Symptomen treten im Rahmen fokaler Epilepsien auf, in der Regel bei Temporallappenepilepsie bzw. Epilepsien im temporo-okziptalen Übergangsbereich. 3
3
3
3
Differenzialdiagnose Abgegrenzt werden müssen atonische Anfallsphänomene bei Absencen und einfachbzw. komplex-fokalen Anfällen ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler); Anfall, komplex-fokaler), die in der Regel milder und weniger abrupt sind, wodurch es zu weniger heftigen Stürzen, sondern eher zu einem Einknicken oder Zusammensinken kommt. Weiterhin kommen differenzialdiagnostisch tonische Sturzanfälle und postmyoklonische Atonien in Betracht.
Differenzialdiagnose Akustische Halluzinationen anderer Ursache, z. B. nach Schädigung der Hörbahn oder im Rahmen von Psychosen bzw. anderen psychiatrischen Erkrankungen.
Therapie Fokale Epilepsie
Prognose Fokale Epilepsie
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Generalisierte epileptische Anfallsform mit plötzlichem Verlust des Muskel- und Haltetonus, häufig mit der Folge eines Sturzes auf Gesicht oder Hinterkopf ( Anfall, Sturzanfall). Tritt meist in Form myoklonisch-astatischer Anfälle auf.
3
Definition
3
Fokale Epilepsie
3
3
3
Anfall, epileptischer
Therapie 3
Anfall, myoklonisch-astatischer; Gastaut-Syndrom
Lennox-
Definition
3
Prognose 3
Lennox-
3
Anfall, myoklonisch-astatischer, Gastaut-Syndrom
Lennox-
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Anfall, myoklonisch-astatischer, Gastaut-Syndrom
Plötzlich auftretende, reversible Veränderung des Verhaltens, der Wahrnehmung, des psychischen Befindens, des Bewusstseinszustandes oder des Vegetativums etc., verursacht durch eine paroxysmale, exzessive synchrone Entladung von Neuronenverbänden, wobei die klinische Symptomatik vom Ort des Anfallsursprungs und der Entladungsausbreitung abhängt. Anfall, Epilepsie
3
3
Anfall, auditiver
3
82
Anfall, fokaler
Synonyme Einfach-fokaler Anfall mit akustischen Symptomen
Synonyme
Definition
Definition
Epileptischer Anfall mit akustischer Wahrnehmung. Diese reicht, abhängig davon, ob der Anfall dem primär auditiven Kortex oder den zugeordneten Assoziationsarealen entspringt, von einfachen Tönen bis hin zu komplexen Halluzinationen wie Musik oder Gesprächen.
Bei fokalen epileptischen Anfällen weisen Symptomatik und/oder die initiale Anfallsaktivität im EEG auf die Aktivierung eines umschriebenen Areals bzw. Neuronensystems einer Hirnhemisphäre hin. Entsprechend der Klassifikation der International League against Epilepsy [1] werden einfach-fokale Anfälle ( Anfall, einfach (einfach-fokaler)) mit erhaltenem Bewusstsein von komplex-fokalen An-
Einleitung
Partieller Anfall
3
Einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (ein3
Anfall, generalisiert tonisch-klonischer
83
fällen ( Anfall, komplex-fokaler) mit Beeinträchtigung des Bewusstseins unterschieden.
née“), extrapyramidale Bewegungsstörungen, tonische Hirnstammanfälle etc.
Differenzialdiagnose
Prophylaxe 3
3
Anfall,
3
3
Anfall, fokaler (einfach-fokaler); komplex-fokaler
Epilepsie, fokale
3
Therapie Therapie
Epilepsie, fokale
3
Fokale Epilepsie
Prognose
3
Bewertung
3
Fokale Epilepsie
Epilepsie, fokale
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
3
Prognose
Epilepsie, fokale
Fokale Epilepsie
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Fokale Epilepsie
Anfall, Frontallappenanfall 3
3
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1981). Proposal for revised clinical and electroencephalographic classification of epileptic seizures. Epilepsia 22:489–501.
Epilepsie, Frontallappenepilepsie.
Anfall, generalisiert tonischklonischer Synonyme
Synonyme Einfach-partieller Anfall, elementar-fokaler Anfall
Definition Einfach-fokale Anfälle sind definiert als fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung. Die Symptomatik einfach-fokaler Anfälle wird bestimmt vom Ort bzw. der Propagation der Anfallsaktivität entsprechend der kortikalen Repräsentation motorischer, sensorischer, autonomer und neuropsychologischer Funktionen. Sie treten im Rahmen fokaler Epilepsien isoliert auf oder können sich zu komplex-fokalen oder generalisierten Anfällen weiterentwickeln und werden dann auch als Aura bezeichnet. 3
Differenzialdiagnose Die Differenzialdiagnose einfach-fokaler Anfälle umfasst paroxysmal und ohne Bewusstseinsstörung auftretende neurologische Phänomene, z. B. TIA (transitorische ischämische Attacken), Migräne („migraine accompag-
Generalisierter Krampfanfall, Grand Mal, tonisch-klonischer epileptischer Anfall, großer epileptischer Anfall
Definition Abrupter Anfallsbeginn mit einer tonischen, bis etwa 30 Sekunden anhaltenden Verkrampfung des gesamten Körpers, gefolgt von rhythmischen, bilateralen klonischen Zuckungen. Dauer der klonischen Phase 1/2–1 Minute, selten bis zu 5 Minuten. Selten mehrfacher Wechsel zwischen tonischen und klonischen Phasen. Obligat sind Bewusstlosigkeit und Atemstillstand mit Zyanose, fakultativ kann es zu Initialschrei, Speichelfluss, Zungenbiss (in der Regel lateral), Enuresis und Enkopresis kommen. Pupillen im Anfall weit und lichtstarr. Im postiktualen, bis zu 2 Minuten anhaltenden Koma Wiedereinsetzen der durch die Tiefe der Atemzüge und Zurückfließen von Speichel typischen stertorösen Atmung. In der postiktualen Phase tritt in der Regel ein Dämmerzustand mit Verwirrtheit, motorischer Unruhe und Automatismen auf, häufig setzt ein Nachschlaf bis zu mehreren Stunden ein. Iktuales EEG (häufig stark artefaktgestört!): In 3
Anfall, fokaler (einfach-fokaler)
A
3
3
Anfall, generalisierter
3
3
3
3
3
Differenzialdiagnose 3
3
3
3
3
Schwierigkeiten kann die klinische Abgrenzung von psychogenen Anfällen bereiten, weitere Differenzialdiagnosen sind konvulsive Synkopen, tetanische Anfälle und Beuge-/ Strecksynergismen bei komatösen Patienten.
3
Differenzialdiagnose
metrie auftreten kann. Die iktualen EEG-Veränderungen sind bilateral und reflektieren neuronale Entladungen in ausgedehnten Gebieten beider Hemisphären. Zu den generalisierten Anfällen zählen Absencen sowie myoklonische, klonische, tonische, generalisiert tonisch-klonische und atonische Anfälle. Hingegen sind „sekundär“ generalisierte Anfälle Ausdruck einer Evolution aus einfach-fokalen oder komplex-fokalen Anfällen ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler), Anfall komplex-fokaler).
Anfall, einzelne Stichworte
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1981). Proposal for revised clinical and electroencephalographic classification of epileptic seizures. Epilepsia 22:489–501.
Anfall, gustatorischer
Therapie
Synonyme
S. Epilepsie, einzelne Stichworte.
Einfach-fokaler Symptomen
Prognose
3
der tonischen Phase generalisierte, rasch an Amplitude zunehmende Spikes im β- und αFrequenzspektrum, während der klonischen Phase generalisierte Spike- und Poly-SpikeWave-Komplexe in der Frequenz der klonischen Zuckungen. Postiktual Kurvendepression mit irregulärer δ- und Sub-δ-Aktivität. Bei einer fokalen Anfallsgenese geht den generalisierten EEG-Entladungen in der Regel ein mehr oder minder fokal begrenztes Anfallsmuster voraus. Unterschieden werden primär generalisierte von sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, wobei erstere im Rahmen generalisierter Epilepsiesyndrome und letztere bei fokalen Epilepsien im Sinne einer Evolution aus einfach- oder komplex-fokalen Anfällen ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler), Anfall, komplex-fokaler) auftreten.
3
84
Anfall
mit
gustatorischen
S. Epilepsie, einzelne Stichworte.
Definition
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Epileptischer Anfall mit gustatorischer Wahrnehmung. Häufig als unangenehme bzw. bittere oder salzige Geschmackswahrnehmung beschrieben.
Entsprechend der Definition der International League against Epilepsy [1] sind „primär“ generalisierte epileptische Anfälle solche, bei denen die initialen Symptome darauf hinweisen, dass beide Hemisphären in die Anfallsgeneration einbezogen sind. Die meisten generalisierten Anfälle gehen mit einer Bewusstseinsstörung einher, die motorischen Phänomene sind stets bilateral, wobei eine leichte Asym-
Differenzialdiagnose Gustatorische Halluzinationen anderer Ursache.
Therapie Epilepsie, fokale
Prognose 3
Definition
3
Generalisierter epileptischer Anfall
Einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) mit gustatorischen Symptomen treten im Rahmen fokaler Epilepsien auf, in der Regel bei Temporallappenepilepsie, seltener bei extratemporalen Epilepsien. 3
Synonyme
Einleitung
3
Anfall, generalisierter
3
S. Epilepsie, einzelne Stichworte.
Epilepsie, fokale
Anfall, komplex-fokaler
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Epilepsie, fokale
Epilepsie, generalisierte bzw. kale
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
85
A Epilepsie, fo-
3
3
Anfall, hysterischer Anfall, komplex-fokaler
Definition
Synonyme
Anfall, psychogener.
3
Komplex-partieller Anfall, psychomotorischer Anfall
Anfall, klonischer
Definition
Fokale klonische Anfälle treten isoliert oder als Bestandteil komplex-fokaler Anfälle auf, generalisierte klonische Anfälle bei fokalen (i. S. einer sekundären Generalisation) oder generalisierten Epilepsien. 3
3
3
Differenzialdiagnose Psychogene Anfälle oder massiver Tremor können u. U. mit klonischen Anfällen verwechselt werden, bei beiden kommt es aber im Gegensatz zum klonischen Anfall zur alternierenden Aktivierung von Agonisten und Antagonisten. 3
3
Therapie 3
Epilepsie, generalisierte bzw. kale
Epilepsie, fo-
Differenzialdiagnose Psychogene Anfälle werden nicht selten als komplex-fokale Anfälle fehlgedeutet. Andere wichtige Differenzialdiagnosen sind Bewusstseinsstörungen bei internistischen Erkrankungen, psychiatrische Verwirrtheitszustände und delirante Syndrome. 3
3
Einleitung
3
Repetitive, rhythmische Zuckungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, verursacht durch abwechselnde Kontraktion und Relaxation. Generalisierte Krampfanfälle treten gelegentlich ohne tonische Phase als rein klonische Anfälle auf; im iktualen EEG generalisierte PolySpike-Wave-Aktivität ≥10/s), gelegentlich auch Spike-Wave-Muster. Der Ursprung fokaler klonischer Anfälle liegt im Gyrus praecentralis; iktual zeigt sich in den fronto-zentralen EEGElektroden eine rhythmische Spike-Wave-Aktivität in der Frequenz der Zuckungen.
Komplex-fokale Anfälle haben bei sehr heterogener Symptomatik die gemeinsamen Charakteristika im Beginn der epileptogenen Entladungen in einer Hemisphäre und einer Bewusstseinsveränderung. Neben psychischen und autonomen Phänomenen treten häufig motorische (z. B. tonische, klonische) Symptome und Automatismen aus der Oralsphäre, Mimik, Gestik oder der verbalen bzw. Fortbewegungsmotorik auf. Gelegentlich ist aber auch nur eine blande, Absence-artige Symptomatik zu beobachten. Komplex-fokale Anfälle können durch Evolution aus einfach-fokalen Anfällen ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) i. S. einer Aura-Symptomatik entstehen, eine Bewusstseinstrübung kann aber auch bereits zu Beginn des Anfalls vorliegen. Durch Ausbreitung der Anfallsaktivität auf beide Hemisphären kann es zur sekundären Generalisation des komplex-fokalen Anfalls kommen ( Anfall, generalisiert tonisch-klonischer). Postiktual schließt sich in der Regel eine häufig mehrminütige Umdämmerungsphase mit zunehmender Reorientierung an. 3
Definition
Prophylaxe Epilepsie, fokale
3
3
Prognose Epilepsie, fo-
Therapie 3
3
Epilepsie, generalisierte bzw. kale
Epilepsie, fokale
3
86
Anfall, Krampfanfall
Prognose
tialepilepsie des Kindesalters (Pseudo-LennoxSyndrom).
Epilepsie, fokale
Differenzialdiagnose
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
Abgegrenzt werden müssen rein myoklonische oder atonische Anfälle ( Anfall, atonischer, Anfall, Sturzanfall).
Anfall, Krampfanfall
Therapie
3
3
3
Mittel der ersten Wahl ist Valproinsäure. Bei mangelnder Effektivität können zusätzlich Phenobarbital bzw. Primidon und Ethosuximid eingesetzt werden. 3
3
Multifokale klonische Neugeborenenkrämpfe
Prognose Sowohl hinsichtlich des therapeutischen Erfolgs als auch der psycho-mentalen Entwicklung ist die Prognose günstiger als beim Lennox-Gastaut-Syndrom. 3
3
Synonyme
3
Anfall, multifokaler klonischer
3
Krampfanfall
Definition Vor allem bei reifen Neugeborenen auftretende Form der Neugeborenenkrämpfe in Form einzelner oder serienhafter Kloni wechselnder, ungeordneter Lokalisation, Anfall, amorpher. 3
Therapie Anfall, amorpher
Anfall, myoklonischer Definition Anfälle mit repetitiver, unrhythmischer Abfolge plötzlicher und schneller Zuckungen, verursacht durch Kontraktion (positiver Myoklonus) oder Inhibition ( Myoklonus, negativer) einzelner Muskeln oder Muskelgruppen. Kortikale zerebrale Läsionen und epilepsietypische EEG-Veränderungen (z. B. Poly-Spike-Waves) sprechen bei Myoklonien für eine epileptische Genese, wobei der zeitliche Zusammenhang bei beobachtbaren Myoklonien im Standard-EEG nicht immer nachzuweisen ist. 3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
Myoklonisch-astatische Anfälle kommen vor bei der Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen (Doose-Syndrom), der benignen oder schweren myoklonischen Epilepsie des Kleinkindesalters und der atypischen benignen Par-
Epileptische Myoklonien treten als Bestandteil der verschiedensten Epilepsiesyndrome auf, ein zentrales Symptom sind sie bei den progressiven Myoklonusepilepsien ( Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive) und Speicherkrankheiten. Myoklonische Anfälle sind bei generalisierten Epilepsien (z. B. West-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom, benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters, Epilepsie mit Impulsiv-Petit-Mal, myoklonische Absencen) und fokalen Epilepsien zu beobachten. 3
3
Einleitung
Einleitung
3
Generalisierter epileptischer Anfall ( Anfall, generalisierter) mit 2 Anfallsphasen: Initial bilateral-symmetrische Myoklonie im Bereich der Arme und des Kopfes mit Propulsionsbewegung, anschließend postmyoklonische Atonie mit Haltungsverlust und Sturz. Das iktuale EEG zeigt bilateral-synchrone, mehr oder weniger irreguläre (Poly-) Spike(-Waves). Bei der im Kleinkindesalter beginnenden Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen kombinieren sich die Anfälle mit atonischen, myoklonischen und tonisch-klonischen Anfällen.
3
Definition
3
Anfall, myoklonisch-astatischer
Differenzialdiagnose Nichtepileptische Myoklonien, z. B. physiolo-
Anfall, nichtepileptischer
Prognose Epilepsie, generalisierte, Epilepsie, fokale, Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive 3
3
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, generalisierte, Epilepsie, fokale, Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive 3
3
3
3
3
3
Therapie
3
gische Myoklonien, hereditäre und sporadische Myoklonie-Syndrome ( Myoklonus) (z. B. Hyperekplexie,) und symptomatische Myoklonien bei Speicherkrankheiten, Systemdegenerationen, Demenzen sowie bei infektiös, metabolisch, toxisch oder physikalisch bedingten Enzephalopathien.
87
Epilepsie, generalisierte, Epilepsie, fokale, Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive 3
3 3
unwirksam/obsolet
Anfall, nichtepileptischer
Möglichkeit der Provokation nichtepileptischer Myoklonien, vor allem bei Überdosierung, durch Carbamazepin, Gabapentin, Phenytoin und Vigabatrin.
Definition Attackenweise Störungen des Bewusstseins oder attackenweise auftretende motorische, sen-
3
3
3
3
Anfall, nichtepileptischer. Tab. 1: Differenzialdiagnose epileptischer und nichtepileptischer Anfälle Symptom
Nichtepileptische Genese
DD epileptische Phänomene
Anfallsweise auftretende sensible Migräne mit Aura (auch BasilarisEinfach-partielle Anfälle oder sensorische Phänomene migräne), transitorische ischämische ohne Bewusstseinsstörung Attacke, psychogene Anfälle Anfallsweise auftretende motorische Phänomene ohne Bewusstseinsstörung und Sturz
Einfach-partielle, tonische Faszikulationen, Myoklonien, Hyperekplexie, Tetanie, Spasmus he- oder myoklonische Anfälle mifacialis, extrapyramidalmotorische Erkrankungen (Tic, choreoathetotische und hemiballistische Syndrome), psychogene Anfälle
Sturz ohne Bewusstseinsverlust
Gangstörung infolge neurologischer Myoklonisch-astatische Grunderkrankung (Polyneuropathie, Anfälle, Impulsiv-Petit-Mal Myopathie, Parkinson-Syndrom, zerebellare Erkrankung, Normaldruckhydrozephalus, SAE), Sehstörungen, orthostatischer Tremor, vestibulär verursachte Sturzanfälle (benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, M. Meniere), Hyperekplexie, „drop attacks“, Claudicatio intermittens spinalis und Claudicatio intermittens der Cauda equina, atonische und tonische Hirnstammanfälle, Kataplexie, psychogene Anfälle
Sturz mit Bewusstseinsverlust
Synkope, psychogene Anfälle
Bewusstseinsstörung ohne Sturz Hypoglykämie, Basilarismigräne, transitorische globale Amnesie, psychogene Anfälle
Grand Mal, myoklonische, atonische oder tonische Anfälle Absencen, komplex-partielle Anfälle, postparoxysmaler Dämmerzustand
A
Anfall, psychogener
Anfall, psychogener Synonyme Nichtepileptischer psychogener Anfall, pseudoepileptischer Anfall, dissoziativer Anfall, hysterischer Anfall.
Definition Psychisch bedingte, unbewusst ablaufende Episoden mit Veränderung von Bewusstsein, Wahrnehmung und/oder Verhalten bzw. Motorik. Phänomenologisch epileptischen Anfällen oft sehr ähnlich, am häufigsten generalisierten tonisch-klonischen oder komplex-partiellen Anfällen. Interindividuell stark variable Symptomatik, neben Anfällen mit stuporöser Symptomatik („Dämmerattacken“) kommen auch solche mit sehr heftigen motorischen Entäußerungen, z. B. ausfahrenden Schleuder- oder Strampelbewegungen bzw. rhythmischem Zittern der Extremitäten vor. Eher selten Anfälle mit Opisthotonushaltung des gesamten Körpers („ arc de cercle“). Psychogene Anfälle werden den dissoziativen bzw. Konversionsstörungen zugerechnet, wobei ein Zusammenhang mit traumatisierenden Ereignissen oder unlösbaren bzw. unerträglichen Konflikten besteht. Sie treten bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen häufiger als im höheren Lebensalter auf. Eine Koinzidenz von Epilepsie und psychogenen Anfällen besteht nicht selten, insbesondere bei mental retardierten Patienten. 3
Diagnostik Diagnostische, aber nicht beweisende Hinweise: Appellativer Charakter, Situationsgebundenheit, Auslösbarkeit und evtl. auch Unterbrechbarkeit durch suggestive Prozeduren (z. B. i. v.-Gabe von NaCl-Lösung), Intensitätswechsel der motorischen Symptome (durch Zuoder Abwendung), erhaltene Lichtreaktion der Pupillen, fehlende Zyanose und in der Regel lange Anfallsdauer. Zungenbisse (häufig an der Spitze), Einnässen und Verletzungen sind erheblich seltener als bei epileptischen Anfällen. Die während des Anfalls häufig geschlos-
senen Augen werden bei Öffnungsversuchen zugekniffen. Kein Auftreten aus dem Schlaf. Im EEG während und nach dem Anfall übliche Grundaktivität, Beurteilbarkeit jedoch häufig durch Bewegungs- und Muskelartefakte erschwert (Video-EEG-Analyse oft sehr hilfreich). Für einen epileptischen Anfall sprechen postiktual erhöhte Prolaktinwerte (>700–1000 μU/ ml), Vergleich zu einem zur gleichen Tageszeit entnommenen Basalwert unabdingbar; Sensitivität des Prolaktinanstiegs ist abhängig vom Anfallstyp (generalisierte tonisch-klonische Anfälle >80%, komplex-partielle Anfälle 40– 70%).
Therapie Bislang keine kontrollierten Studien. Übliche Behandlungsmethoden umfassen psychotherapeutische Maßnahmen, Hypnose, Familientherapie und pharmakologische Behandlungsformen begleitender psychiatrischer Erkrankungen wie Angststörungen oder Depression. Probleme in der Beurteilung des Erfolges einer psychodynamischen wie auch antiepileptischen Therapie können sich bei Patienten ergeben, die zusätzlich unter einer Epilepsie leiden.
Prognose Trotz psychotherapeutischer Maßnahmen sind psychogene Anfälle häufig schwer behandelbar. Prognostisch ungünstig sind insbesondere längere Krankheitsdauer und mangelhafte Einbeziehung eines anfallsbegünstigenden psychosozialen Umfeldes.
Anfall, psychomotorischer Definition Veralteter Ausdruck für komplex-fokalen Anfall. Zusammengesetzter Begriff, der die Bewusstseinstrübung bzw. das „Psychosyndrom“ und die motorischen Symptomatik (insbesondere Automatismen) zum Ausdruck bringen soll. Sollte aber nicht als Synonym für komplex-partielle Anfälle verwendet werden, da diese auch ohne motorische Symptomatik ablaufen können, andererseits Automatismen oder andere motorische Phänomene auch bei Absencen vorkommen können. 3
sible oder sensorische Phänomene mit und ohne Bewusstseinsverlust nichtepileptischer Genese (vgl. Tab. 1).
3
88
Anfall, Versivanfall
89
kontraktionen. Bei komatösen Patienten könne evtl. Streckkrämpfe zu differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten führen.
3
3
Von (myo-)klonischen unterscheiden sich tonische Anfälle durch länger anhaltende Muskel-
Lennox-Gastaut-Syndrom,
Epilepsie, foka-
le
Diätetik/Lebensgewohnheiten Lennox-Gastaut-Syndrom,
Epilepsie, foka-
le
Anfall, Versivanfall Synonyme Adversivanfall
Definition Oberbegriff für fokale epileptische Anfälle ( Anfall, fokaler), die mit tonischen, „forcierten“ Wendebewegungen von Augen, Kopf, Rumpf und /oder Extremitäten einhergehen. Bei Versivanfällen, die ihren Ursprung im frontalen neokortikalen Versivfeld (Area 6αβ und 8αβ) haben, ist die Wenderichtung kontralateral zum epileptogenen Fokus; das Bewusstsein ist zumindest initial erhalten. Anfälle mit Ursprung in der supplementär-motorischen Region (Area 6bβ) haben ein charakteristisches komplexes Bewegungsmuster. Neben einer Versivbewegung des Kopfes und/ oder Rumpfes kommt es zu einer tonischen Hebung, Beugung und Abduktion in der Regel des kontralateralen Armes, sodass der Patient sozusagen in seine Hand blickt; der andere Arm ist häufig durchgestreckt. Derartige Anfälle werden auch als „Haltungs-“ bzw. Posturalanfälle“ bezeichnet, die Körperhaltung als „Fechterstellung“ bzw. „MSE-Schablone“ (motor secondary evolvement). Den Versivanfall einleitende auditive, vestibuläre oder visuelle Auren weisen auf einen An3
Differenzialdiagnose
Prognose
3
Generalisierte tonische Anfälle sind obligater Bestandteil des Lennox-Gastaut-Syndroms, fokale tonische Anfälle treten insbesondere bei extratemporalen (v. a. frontalen Epilepsien, Epilepsie, Frontallappenepilepsie) auf dem Boden einer diffusen Hirnschädigung auf.
Epilepsie, foka-
unwirksam/obsolet Nicht selten werden tonische Anfälle durch Benzodiazepingabe (z. B. in der Statusbehandlung) aktiviert.
3
3
Einleitung
Lennox-Gastaut-Syndrom,
le
3
3
Das iktuale EEG zeigt bei generalisierten tonischen Anfällen entweder eine Abflachung mit Desynchronisation, eine schnelle rhythmische Spike-Aktivität (15–25/s) oder eine rekrutierende 10/s-Aktivität, seltener auch eine SlowSpike-Wave-Aktivität (1,5–2,5/s).
Therapie
3
Epileptischer Anfall mit plötzlich beginnender oder langsam an Intensität zunehmender und dann über Sekunden bis Minuten anhaltender tonischer Kontraktion einzelner Muskelgruppen, Extremitäten oder der Muskulatur des gesamten Körpers. Als Minimalform kann eine tonische Bulbusdeviation nach oben auftreten. Unterschieden werden fokale ( Anfall,fokaler (einfach-fokaler)) von generalisierten tonischen Anfällen ( Anfall, generalisierter). Generalisierte tonische Anfälle werden folgendermaßen eingeteilt: 1. Tonisch-axiale Anfälle betreffen die Stamm-, Nacken- und Gesichtsmuskulatur und werden häufig durch eine Phonation („Stöhnen“) eingeleitet. 2. Axorhizomelische tonische Anfälle beziehen die Schultergürtel-, seltener auch Beckengürtelmuskulatur mit ein. 3. Bei globalen tonischen Anfällen ist die gesamte Körpermuskulatur involviert. Tonische Anfälle sind häufig von vegetativen Phänomenen wie Speichelfluss, Gesichtsblässe oder Tachykardie begleitet, Bewusstseinsstörungen sind bei generalisierten tonischen Anfällen die Regel. Tonische Anfälle werden häufig im Schlaf aktiviert und neigen zu serienhafter Häufung. Die fokale Genese tonischer Anfälle fällt u. U. nur durch eine Seitenbetonung der motorischen Symptomatik auf.
3
Definition
3
Anfall, tonischer
A
90
Anfall, vertiginöser
fallsursprung in den entsprechenden Rindenfeldern mit Propagation der epileptischen Erregung hin. Als Teilsymptom bei einer Reihe anderer epileptischer Anfallsformen, insbesondere komplex-fokalen Anfällen, sind Versivbewegungen ein lateralisierendes Phänomen, das auf die kontralaterale Hemisphäre hinweist.
roparietale Region, insbesondere die obere Temporalwindung und der kaudale Anteil des Parietallappens.
Differenzialdiagnose
Reine Versivanfälle werden bei Frontallappenepilepsien ( Epilepsie, Frontallappenepilepsie) beobachtet.
Abgegrenzt werden müssen Schwindelattacken anderer Ätiologie, insbesondere bei akuten peripher- bzw. zentral-vestibulären, zerebellären oder kardiovaskulären Erkrankungen, außerdem phobischer Schwankschwindel, sowie Benommenheits- bzw. Schwindelzustände bei Überdosierung mit Antiepileptika oder anderen zentral wirksamen Pharmaka.
Differenzialdiagnose
Therapie Epilepsie, fokale
Prognose 3
Therapie
3
3
Abgegrenzt werden müssen Seitwärtsbewegungen von Augen, Kopf und/oder Rumpf, die nicht forciert sind, insbesondere haben sie keinen lateralisierenden Wert.
3
Einleitung
Epilepsie, fokale
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Epilepsie, fokale
Epilepsie, fokale
3
3
Prognose Epilepsie, fokale
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
Anfall, visueller Synonyme
3
Einfach-fokaler Anfall mit visuellen Symptomen
Anfall, vertiginöser
Definition
Synonyme Einfach-fokaler Anfall mit vertiginöser Symptomatik, vestibulärer Anfall, vertiginöse Aura, Vertigo epileptica
Definition Einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) mit vertiginöser Symptomatik werden von Patienten als Benommenheitsgefühl, Dreh- bzw. Schwankschwindel, Fallen im Raum oder im Sinne eines räumlichen Orientierungsverlustes beschrieben. Sie können isoliert oder als Aura vor komplex-fokalen bzw. sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen auftreten. 3
3
3
Einleitung Einfach-fokale Anfälle mit vertiginösen Symptomen treten im Rahmen fokaler Epilepsien auf, Entstehungsort ist in der Regel die tempo-
Epileptischer Anfall mit visueller Wahrnehmung, wobei negative oder positive Phänomene auftreten können. Angegeben werden z. B. Skotome, Hemianopsien oder eine Amaurose (eine über Minuten bis Stunden persisitierende Amaurose kann auch ein postiktuales Phänomen sein). Positive Symptome können in elementaren visuellen Halluzinationen wie (farbigen) Lichtblitzenoder Phosphenen bestehen, berichtet werden aber auch strukturierte Halluzinationen mit Personen oder Szenen. Auch Veränderungen der Größe (Makropsie, Mikropsie), der Entfernung oder Neigung im Raum bzw. der Form (Metamorphopsie) von gesehenen Objekten können fokale Anfallssymptome darstellen. Die visuellen Phänomene werden i. d. R. kontralateral zur Fokusseite wahrgenommen.
Einleitung Einfach-fokale Anfälle mit visuellen Sympto-
3
Angiom
men treten im Rahmen fokaler Epilepsien auf, in der Regel bei Okzipitallappenepilepsie bzw. Epilepsien im temporoparietookziptalen Übergangsbereich.
91
Selten zeigen auch heterozygote Genträgerinnen Symptome (z. B. Schwindel, Tinnitus, Blasenstörungen und Pyramidenbahnzeichen).
Diagnostik Differenzialdiagnose Visuelle Halluzinationen anderer Ursache, z. B. nach Schädigung der Sehbahn (Charles-Bonnet-S.) bzw. des visuellen Kortex oder im Rahmen von Psychosen bzw. anderen psychiatrischen Erkrankungen.
Diagnosesicherung durch Nachweis des Enzymdefektes sowie Vermehrung von Di- und Trihexosylceramiden in Leukozyten oder von Mutationen des α-Galactosidase A-Gens (auch pränatal möglich).
Therapie
Therapie
3
Prognose Epilepsie, fokale
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
gesichert Symptomatische Therapie der schmerzhaften Parästhesien mit Carbamazepin oder anderen Antiepileptika, bei nicht ausreichendem Effekt auch Opiate. 3
Epilepsie, fokale
empirisch
3
Angiokeratoma corporis diffusum
Parenterale Applikation von α-Galactosidase A [1] bzw. Antagonisten der GlucosylceramideSynthetase [2].
Fabry-Erkrankung
Prognose
Seltene, X-chromosomal-rezessiv vererbte Phosphatidspeicherkrankheit, bedingt durch einen Mangel an Ceramidtrihexosidase (α-Galactosidase A), mit Ablagerung von Di- und Trihexosylceramiden in Gefäßwänden, glatter Muskulatur, Haut, inneren Organen und Nervensystem. Beginnt zumeist in der Kindheit, Überwiegen des männlichen Geschlechts. Typisch sind multiple hyperkeratotische Angiome an Haut und Schleimhäuten, geschlängelte Netzhautgefäße, Myokardinfarkte, Herzdilatation und Niereninsuffizienz. Im ZNS sind vor allem autonome Ganglienzellen des Zwischenhirns und Hirnstamms, Hypophyse und Hinterwurzelganglien betroffen. Außerdem Verlust dünn myelinisierter und unmyelinisierten Nervenfasern mit der Folge einer sensiblen Polyneuropathie mit sehr schmerzhaften Parästhesien der Extremitäten sowie einer Hypohidrose. Zerebrovaskuläre Ereignisse, insbesondere rezidivierende Hirninfarkte, nicht selten mit der Folge einer vaskulären Demenz. Dilatative Arteriopathie vor allem im vertebrobasilären Stromgebiet.
Ohne Therapie letaler Ausgang häufig bereits in der dritten oder vierten Dekade durch Nierenversagen oder kardio- bzw. zerebrovaskuläre Ereignisse.
Literatur 1. Schiffmann R, Murray GJ, Treco D, Daniel P, Sellos-Moura M, Myers M, Quirk JM, Zirzow GC, Borowski M, Loveday K, Anderson T, Gillespie F, Oliver KL, Jeffries NO, Doo E, Liang TJ, Kreps C, Gunter K, Frei K, Crutchfield K, Selden RF, Brady RO (2000). Infusion of alpha-galactosidase A reduces tissue globotriaosylceramide storage in patients with Fabry disease. Proc Natl Acad Sci USA 97:365–370. 2. Abe A, Arend LJ, Lee L, Lingwood C, Brady RO, Shayman JA (2000). Glycosphingolipid depletion in fabry disease lymphoblasts with potent inhibitors of glucosylceramide synthase. Kidney Int 57: 446–454.
Angiom 3
3
Definition
AVM
A
3
92
Angiomatose
Grundlagen
Angiomatose Synonyme Angiomatose Sturge-Weber, Sturge-WeberKrabbe-Krankheit, enzephalofaziale Angiomatose
Erkrankungen der Gefäße durch: * Degeneration * Ablagerungen (atherosklerotische Plaques, Amyloid, Lipohyalinose) * Traumen * Infektionen (z. B. luetische Vaskulopathie, mykotische Aneurysmen). 3
Definition Wahrscheinlich autosomal-dominant vererbte Phakomatose mit kavernösen Angiomen im Bereich der Meningen, der Haut und Naevus flammeus im Versorgungsbereich des Nervus trigeminus. 3
Von Geburt an liegen flächige Angiome im Gesicht, seltener an den Leptomeningen und kortikal vor. Neurologische Symptome finden sich bei reiner Lokalisation im Gesicht nicht. Die Naevi halten sich an das Versorgungsgebiet einer oder mehrerer Äste des N. trigeminus. Bei Aussparung des 1. Astes ist die Wahrscheinlichkeit einer intrakraniellen Beteiligung gering. Gyrale Verkalkungen und kortikale angiomatöse Veränderungen können Ursache von fokalen Anfällen, neurologischen Herdzeichen und geistiger Retardierung sein. 3
Diagnostik Zerebrale Bildgebung (Röntgen Schädel, CCT, kraniales MRT, zerebrale Angiographie): Nachweis intrakranieller Verkalkungen, gelegentlich im MRT Nachweis erweiterter medullärer und subependymaler Venen, direkte Darstellung der venösen Fehlbildung mit konventioneller, CToder MR-Angiographie.
Therapie Symptomatische Behandlung der zerebralen Anfälle, nicht selten wird aufgrund der therapeutischen Schwierigkeiten, die die Krampfanfälle bereiten, eine Hemisphärektomie bzw. Hemidekortikation durchgeführt. 3
3
Angiopathie
Synonyme Gefäßdilatation, Ballondilatation, PTA (perluminale transkutane Angioplastie)
Definition Meist endoluminal durchgeführte Gefäßdilatation mittels Ballonkatheter, ggf. auch Schienung durch Stent.
Grundlagen Angioplastie der hirnversorgenden Gefäße, meist Karotisangioplastie. Indikationen: * Mit Stent als alternative zur Operation (derzeit laufende Studien). * Erhöhtes OP-Risiko bei instabiler HerzKreislaufsituation, Narkoseunverträglichkeit, operativ nicht erreichbaren Stenoselokalisationen (intrakranielle Lokalisation). * Seltener Angioplastie anderer hirnversorgender Gefäße (A. vertebralis, A. basilaris, A. cerebri media).
Angst/Angststörung Synonyme 3
3
Einleitung
Angioplastie
Phobische Störung, Panikstörung
Aniracetam Wirkungen
Synonyme Vaskulopathie
Definition Gefäßerkrankung
Aniracetam wird zu den nootropen Substanzen gerechnet („cognition enhancer substance“). Aniracetam stimuliert metabotrope Glutamatrezeptoren und AMPA- (alpha-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazol-propionsäure)-emp-
Anosmie
findliche Rezeptoren, stimuliert damit den Calciumeinstrom an diesen Rezeptoren und erleichtert die cholinerge Transmission. An Glutamatrezeptoren setzt Aniracetam vor allem die Desensitisierung dieser Rezeptoren herab. Bei älteren Menschen erzeugt Aniracetam eine mäßige Verbesserung kognitiver Funktionen, wenn senile Demenzen vom Alzheimer-Typ vorliegen. In neuronalen Zellen hemmt Aniracetam außerdem N-Typ-Calcium-Kanäle. Bestimmte analgetische Einflüsse – aber nicht durch Morphin – werden durch Aniracetam eingeschränkt. Somit könnten Besserungen von Lernen und Gedächtnis durch Minderung hemmender GABA-B-Mechanismen erklärt werden. Zusätzlich hat Aniracetam Eigenschaften, die Bildung von Hydroxylradikalen zu blocken und damit Ischämieschäden zu mindern.
Resorption Die orale Bioverfügbarkeit ist mit 11,4% gering.
Elimination Die Elimination erfolgt schnell, so dass nach 2 h die Maxima der Metaboliten vorliegen. Hauptmetabolit ist p-Methoxyhippursäure (pMethoxy-N-benzoylglycin) neben Anisinsäure (p-Methoxybenzoesäure); daneben kommen als Metaboliten 2-Pyxrrolidon und N-Anisoylgamma-aminobuttersäure vor.
Anwendungsgebiete Bei milden Demenzen und Demenzen vom Alzheimer-Typ. Eine Plazebo-kontrollierte Studie zeigte signifikante Besserungen.
Dosierung und Art der Anwendung 1,5 g/d.
Unerwünschte Wirkungen Aniracetam wird gut vertragen.
Anisokorie
nicht nur Lichteinfall und Konvergenz einen Einfluss, sondern Lebensalter, Innendruck, Vigilanz, Stresssituationen und Refraktionsanomalien spielen auch eine Rolle. Eine Miosis können bewirken: Sedativa und Blutdruck senkende Mittel. Eine Mydriasis kann ausgelöst sein durch: Thymoleptika und Spasmolytika.
ANNA-1 (antineuronale nukleäre Antikörper Typ I) Synonyme Anti-Hu Typ II a
Definition Gegen ein neuronenspezifisches DNA/RNABindungsprotein (rekombinantes 43 kDa Protein HuD) gerichtete Autoantikörper.
Grundlagen Der Nachweis erfolgt immunhistochemisch (Färbung der Kerne aller neuronaler Zellen, geringer auch des Zytoplasmas) und mittels Immunoblot (38–40 kDa sowie rekombinantes 43 kDa Protein). Die Autoantikörper kommen bei paraneoplastischen neurologischen Syndromen vor, die vorwiegend mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen und nicht kleinzelligen Karzinomen der Lunge und der Prostata sowie Seminomen und Neuroblastomen assoziiert sind. Neurologische Symptome sind vor allem die limbische Enzephalitis, Hirnstammenzephalitis, subakute sensorische Neuropathie und die autonome Neuropathie. Die pathogenetische Bedeutung der Antikörper ist nicht geklärt. Diskutiert werden direkte und indirekte Nervenzellschädigungen sowie Epiphänomene. ANNA-1 sind von klinisch praktischer Bedeutung als diagnostische Marker im Serum von Patienten mit paraneoplastischen neurologischen Syndromen.
Einleitung
Anosmie Synonyme 3
Eine Anisokorie bis zu 1 mm findet sich bei 80% der Normalbevölkerung. Entscheidend ist die symmetrische direkte und indirekte Pupillenreaktion auf Licht sowie die Konvergenzreaktion. Auf die Größe der Pupille haben
93
Geruchssinnstörung
A
94
Anosognosie
Definition
Therapie
Aufhebung des Geruchssinnes.
Wiederholte Aufklärung, Veranschaulichung von Funktionsausfällen unter stützender Psychotherapie, ggf. Konfrontation mit Krankheitsfolgen in der Alltagssituation.
Einleitung Eine Anosmie kann bei peripheren oder zentralen Schädigungen der Riechbahn auftreten. Ist die Anosmie nur einseitig, so wird sie subjektiv meist nicht bemerkt. In der Bevölkerung kommen physiologisch partielle Anosmien für bestimmte Geruchsqualitäten vor, z. B. Androsteron, Kampfer oder Schweiß.
Differenzialdiagnose Zur Ätiologie einer Anosmie, Geruchssinnstörung. Die Anosmie tritt beim seltenen Esthesioneuroblastom, einem vom Riechepithel selbst ausgehenden Tumor, als Leitsymptom auf. 3
Therapie Geruchssinnstörung
Nachsorge Einbeziehung des sozialen Umfeldes.
Prognose Meist im Verlauf von Wochen deutliche Rückbildung. Bei ausgeprägter Symptomatik Verlauf meist über das Zwischenstadium der Anosodiaphorie.
Anterokollis Synonyme Zervikale Dystonie
3
Definition
3
Unterteilung nach dem Inhalt der nicht wahrgenommenen Störung: * Anosognosie: s.o. * Anosodiaphorie: Nichterkennen von Krankheitsfolgen im Alltagsleben trotz des Bewusstseins über die einzelnen Funktionsausfälle. Beispiel: Patient glaubt trotz akzeptierter Hemiplegie und Hemianopsie nach links, er könne Autofahren, man müsse ihm nur hineinhelfen.
3
Einleitung
3
Nichterkennen einer Krankheit bzw. von Funktionsausfällen. Schädigungslokalisation: Meist rechts zerebral (vor allem frontaler und parietaler Kortex). Ätiologie: Meist ischämisch bei Infarkten der A. cerebri media, auch traumatisch oder im Rahmen von ausgedehnten intrazerebralen Blutungen.
3
Definition
Sonderform oder dominierende Bewegungskomponente bei zervikaler Dystonie mit tonischen oder phasischen Spasmen der Halsmuskulatur, die zu einer Kopfbeugung führen. Dystonie, zervikale; Torticollis spasmodicus; Retrokollis; Laterokollis. 3
Anosognosie
Einleitung Anterokollis-Patienten können durch die Kopfbeugung aufgrund von Schluckstörungen und Blickbehinderung beim Gehen besonders behindert sein. Reiner Anterokollis ist extrem selten.
Differenzialdiagnose Raumforderungen im pharngealen und retropharyngealen Raum, spinale Prozesse, muskuloskeletale Veränderungen.
Anticholinerges Syndrom, zentrales Synonyme Zentrales Anticholinergensyndrom, ZAS
Differenzialdiagnose Fehleinschätzung von Krankheitsfolgen im Rahmen von Verwirrtheit, emotionalen Störungen (z. B. manisches Syndrom).
Definition In der Anästhesie bzw. Intensivmedizin gebräuchlicher unpräziser Begriff, der ein durch
Anticholinergika
Medikamente mit anticholinerger Wirkung ausgelöstes Syndrom bezeichnet, dass durch unterschiedliche Bewusstseins-, Bewegungsstörungen und psychiatrische Verhaltensauffälligkeiten gekennzeichnet ist.
Einleitung Im Rahmen des sogenannten zentralen Anticholinergensyndrom (ZAS) werden in der Anästhesie bei Ausschleichen der Sedierung von beatmeten Patienten und nach Intoxikation mit tri- und tetrazyklischen Antidepressiva akute choreoathetoide und dystone Bewegungsstörungen, Myoklonien sowie unterschiedliche Bewusstseins-, und psychiatrische Verhaltensauffälligkeiten gemeint. Fast alle zentral wirksamen Pharmaka aus der Anästhesie können mit dem „ZAS“ in Zusammenhang gebracht werden. „Protrahiertes Erwachen“ wird gelegentlich unter der Rubrik „ZAS“ eingeordnet und versuchsweise mit Physiostigmin i. v. anbehandelt.
Differenzialdiagnose Metabolische, toxische, medikamentöse und sonstige exogen induzierte oder endogene Bewusstseins-, Bewegungsstörungen und psychiatrischen Verhaltensauffälligkeiten.
Therapie empirisch In der Anästhesie und Intensivemedizin wird Physiostigmin i. v. eingesetzt.
95
mentös bedingten Parkinson und „sonstige extrapyramidale Symptome“. Die Injektionslösung von Biperiden ist auch für Nikotinvergiftung, Vergiftung durch organische Phosphorverbindungen zugelassen. Intravenöse Verabreichung von Biperiden Mittel der Wahl bei akuten dystonen Reaktionen (Frühdyskinesien), Anticholinergika werden aufgrund ihres ungünstigen Verhältnisses zwischen erwünschten und unerwünschten Wirkungen selbst bei Tremordominanz immer weniger eingesetzt.
Dosierung/Anwendung Vergleiche Tab. 1.
Unerwünschte Wirkungen Wärmestau, Hautrötung, Unruhe, Halluzinationen, Akkommodationsstörungen, Glaukomauslösung, Mundtrockenheit, Tachykardie, Miktionsbeschwerden bis zum Harnverhalt, Obstipation, Mydriasis mit Photophobie, Magenbeschwerden, Übelkeit, Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Erregung, Schlafstörungen, Angst, Kopfschmerzen, Euphorie, Verwirrtheit, Delir, gelegentlich Gedächtnisstörungen. Sehr selten Bradykardie. Vereinzelt Dyskinesien, Ataxie, Muskelzuckungen, Sprechstörungen. Vereinzelt Missbrauch und Abhängigkeitsentwicklung, bei parenteraler Applikation Blutdrucksenkung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Vergleiche Tab. 1.
Demenz, Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung, mechanische Stenosen im Bereich des Magen-DarmKanals, Tachyarrhythmie, Megakolon, akutes Lungenödem, Schwangerschaft, Stillzeit. Abruptes Absetzen kann ein Delir hervorrufen (daher Dosisreduktion langsam über Wochen!). Bei Behandlungsbeginn: EKG, Leber- und Nierenwerte.
Wirkungen
Wechselwirkungen
Anticholinergika Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Biperiden
*
3
Pharmakologische Daten
Amantadin, Chinidin, tri- und tetrazyklische Antidepressiva, Neuroleptika: Verstärkung der anticholinergen Wirkung. Dopaminantagonisten: Gegenseitige Abschwächung der Wirkung auf die MagenDarm-Motilität.
Blockade zentraler und peripherer MuskarinRezeptoren. Vergleiche Tab. 2.
*
Anwendungsgebiete
Bewertung
Zugelassen für Parkinson-Syndrome, insbesondere bei Rigor und Tremor, auch für medika-
Ursrpünglich als Medikamente für den Parkinson-Tremor gepriesen. Die Evidenz im Ver-
A
96
Antiepileptika
Anticholinergika. Tab. 1: Anticholinergika: Zubereitungen und gebräuchliche Fertigarzneimittel Anticholinergika
Initiale Dosierung
Mittlere Tagesdosis
Biperidin (Akineton® Tabletten, retard, Ampullen; biperiden 2 von ct, Biperiden-neuraxpharm®, Biperiden-ratiopharm®, Biperiden-TEVA®, Norakin® N)
6–12 mg 3×1,25 mg. Einschleichende Einstellung mit 2 mg/die; individuelle Erhaltungsdosis zwischen 6 mg und 12 mg/die (oral). Bei parenteraler Gabe zur Beseitigung medikamentös bedingter extrapyramidaler Symptome 2,5–5 mg i. m. oder langsam i. v.; Kinder bis zu 1 Jahr 1 mg, bis zu 6 Jahren 2 mg, bis zu 10 Jahren, 3 mg; bei Bedarf gleiche Dosis nach 30 min. wiederholen
Trihexyphenidyl (Artane®, Parkopan®)
3×1 mg
6–15 mg
Metixen-HCl (Metixen Berlin-Chemie, Tremarit®)
3×1 mg
7,5–30 mg
Bornaprin-HCl (Sormodren®)
3×1 mg
6–12 mg
Procyclidin-HCl (Osnervan®)
3×1,25 mg
5–20 mg
3
3 3
Antiepileptika im Alter Grundlagen Probleme bei der Langzeitbehandlung von Altersepilepsien ergeben sich einerseits durch physiologische Veränderungen (z. B. des renalen Blutflusses, der Leberfunktion und der Verteilungsvolumina) und Begleiterkrankungen, andererseits durch Interaktionen der Antiepileptika mit häufig erforderlichen anderen Medikamenten. Enzyminduzierende Substanzen ( Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) führen zu beschleunigtem Metabolismus anderer Pharmaka, was z. B. bei oralen Antikoagulantien (Phenprocoumon) oder Digitalispräparaten zu berücksichtigen ist. Andere wichtige Interaktionen bestehen u. a. mit Antazida, Antibiotika, Antidepressiva, 3
3
3
3
3
Antikonvulsiva (Antikonvulsiva sind akut anfallshemmende Medikamente, von einer antiepileptogenen Wirkung im eigentlichen Sinne kann erst bei einem zusätzlichen Langzeiteffekt auf die Epileptogenese ausgegangen werden).
3
Synonyme
3
Antiepileptika
3
gleich zu Dopaminergika hierfür ist dürftig. In Kombination mit Dopaminergika eventuell verbesserte Tremor- und Rigor-Kontrolle. Aufgrund des hohen Nebenwirkungsprofils und langfristig kognitiver Nebenwirkungen nur noch sehr eingeschränkter Stellenwert in der Parkinsontherapie.
3
12 h
3
Procyclidin
3
5,2 h
3
14 h
Bornaprin
3
13 h
Metixen
3
Trihexyphenidyl
Carbamazepin, Ethosuximid, Gabapentin, Lamotrigin, Methsuximid, Oxcarbazepin, Primidon, Tiagabin, Topiramat und Vigabatrin nur als oral verabreichbare Form (Tabletten/Dragees/Kapseln) verfügbar, hingegen sind die meisten Benzodiazepine (z. B. Clonazepam, Diazepam, Lorazepam), Phenobarbital, Phenytoin und Valproinsäure auch parenteral applizierbar. 3
18–24 h
3
Biperidin
Zubereitungen 3
Anticholinergika. Tab. 2: Halbwertszeiten von Anticholinergika
3
Antigen
Antirheumatika, Kalziumantagonisten und anderen Kardiaka sowie Theophyllin. Zu den umfangreichen Einzelheiten s. Darstellung in der Fachliteratur [1,2]. Für die Standardantiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon liegen in der Behandlung der Altersepilepsien die meisten Erfahrungen vor, dennoch werden sie mittlerweile aufgrund komplexer Pharmakokinetik, hohen Interaktionspotentials und höherer Nebenwirkungsempfindlichkeit älterer Patienten als nicht ideal erachtet. Neuere Substanzen wie Gabapentin, Lamotrigin oder Oxcarbazepin haben bei dieser Patientenpopulation u. a. wegen zumeist besserer Verträglichkeit und geringerer bzw. fehlender Enzyminduktion Vorteile. Für andere neue Antiepileptika wie Tiagabin und Topiramat liegen noch zu wenige Daten hinsichtlich Effektivität und Sicherheit bei älteren Patienten vor. Bei eingeschränkter Nierenfunktion bei älteren Patienten ist bei einigen neuen Antiepileptika eine Dosisreduktion erforderlich. (insbesondere bei Gabapentin, Topiramat, Vigabatrin).
97
sierenden Erkrankungen, insbesondere dem Guillain-Barré-Strohl- und Miller-Fisher-Syndrom, aber auch bei axonalen sensomotorischen Neuropathien und amyotropher Lateralsklerose gefunden. Ihr Nachweis ist schwierig und gelingt am besten mit dem ELISA. Die pathogenetische Bedeutung ist unklar.
Antigen
3
3
3
3
3
3
Literatur 1. Krämer, G (1999). Epilepsien im höheren Lebensalter. Thieme, Stuttgart, New York. 2. Stefan H (1999). Epilepsien: Diagnose und Behandlung. Thieme, Stuttgart, New York.
Antigangliosid-Antikörper Synonyme Anti-Sphingoglykolipid-Antikörper, Anti-GD, - GM-, GQ- und GT-Antikörper
Definition Gegen Ganglioside gerichtete Autoantikörper.
Grundlagen Ganglioside sind saure Glykolipide, die aus Ceramid (=Sphingosin und einer Fettsäure [Stearin- oder Lignocerinsäure] und einem Oligosaccharid [Glukose oder Galaktose] bzw. Aminozucker [N-Azetylglukosamin oder - galaktosamin] und Sialinsäure [N-Azetylneuraminsäure]) bestehen. Sie kommen besonders reichlich im Myelin und in Oligodendrozyten vor. Antikörper gegen Ganglioside werden allerdings vorwiegend bei peripheren demyelini-
Definition Substanz, die eine zelluläre und/oder humorale Immunantwort auslöst (komplettes Antigen) und mit deren Produkten (T-Lymphozyten/Antikörper) spezifisch reagiert.
Grundlagen Komplette Antigene (Immunogene) stimulieren die Immunantwort, während inkomplette Antigene (Haptene) nur an T-Lymphozyten-Rezeptoren oder Antikörper binden. Die Bindungsstelle wird als Antigendeterminante oder Epitop bezeichnet. Haptene, z. B. Nukleinsäuren, können durch kovalente Bindung an Träger (Carrier), in der Regel Proteine, immunogen werden. Nach ihrer Herkunft unterscheidet man autogene/autologe (eigener Organismus), syngene/isologe (eigene Spezies, genetisch identische Individuen), allogene/homologe (eigene Spezies, genetisch verschiedene Individuen) und xenogene/heterologe (fremde Spezies) Antigene, nach der Beteiligung von T-Lymphozyten an der Immunantwort, thymusabhängige (thymus-dependent, TD) Antigene, überwiegend Proteine, und thymusunabhängige (thymus-independent, TI) Antigene. TI-Antigene werden in zwei Klassen unterteilt: TI-1 umfassen Proteine mit repetitiven Sequenzen und Lipopolysaccharide, TI-2 Polysaccharide, Glykolipide und Nukleinsäuren. Sie induzieren kein immunologisches Gedächtnis. Ob eine normale Immunantwort (Immunogen), eine überschießende Immunantwort (Allergen) oder Immuntoleranz (Tolerogen) ausgelöst wird, hängt sowohl von der Struktur des Antigens als auch von der genetischen Disposition des Organismus ab. Allergene bestehen häufig aus Hapten-Carrier-Konjugaten.
A
Antikoagulation
Pharmakologische Daten
Antikoagulation
3
Synonyme
Heparin/Heparinoide,
3
Cumarine
Anwendungsgebiete
Gerinnungshemmung. Im klinischen Gebrauch Hemmung der plasmatischen Gerinnung ohne Einschluss der Thrombozytenaggregationshemmung.
Therapie/Prophylaxe von thrombotischen/ thrombembolischen Ereignissen, v. a. kardialen Embolien.
Dosierung/Anwendung
Zubereitungen
3
Parenteral: Heparin, Heparinoide, Hirudoid. Enteral: Cumarine.
Heparin/Heparinoide,
3
Cumarine
3
Unerwünschte Wirkungen *
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Allgemein: Blutungen. Speziell: Heparin/Heparinoide, ne.
*
3
Unfraktioniertes Heparin (z. B. Calciparin®, Liquemin®). Niedermolekulare Heparin/Heparinoide (z. B. Fraxiparin®, Innohep®). Cumarine (z. B. Marcumar®).
3
98
Cumari-
3
*
3
*
Heparine: Hemmung des intrinsischen Gerinnungssystems durch Aktivierungshemmung von Antithrombin III. Cumarine: Hemmung des extrinsischen Gerinnungssystems über Hemmung der Vitamin K-abhängigen Synthese der Gerinnungsfaktoren (Faktoren II, VII, IX, X und Protein C und S).
Antiepileptika
Antikörper Synonyme Immunglobuline,
3
3
Wirkungen
Antikonvulsiva
Autoantikörper
Antikörper. Tab. 1: Immunglobulin-Isotypen Isotyp
MW (kDa)
Form
Serum (g/l)
HWZ (d)
Komplement-Aktivierung
Plazentarer Transport
IgA 1
160
Mono/ Dimer
3
7
alternativ
nein
IgA 2
160
Mono/ Dimer
0,5
7
alternativ
nein
IgD
180
Monomer 0,3
3
alternativ
nein
IgE
190
Monomer 0,0001
3
-
nein
IgG1
150
Monomer 10
21
stark klassisch, alter- ja nativ
IgG2
150
Monomer 5
21
klassisch, alternativ
IgG3
170
Monomer 1
7
stark klassisch, alter- ja nativ
IgG4
150
Monomer 0,5
21
alternativ
ja
IgM
900
Pentamer 2
5
klassisch
nein
(MW = Molekulargewicht; kDa = Kilodalton; HWZ = Halbwertzeit)
ja
Antithrombotische Therapie
99
Definition
Definition
Glykoproteine, die nach Antigenstimulation von B-Lymphozyten und Plasmazellen gebildet und serzerniert werden und mit dem Antigen spezifisch reagieren.
Gegen Phospholipide, insbesondere Cardiolipin, gerichtete zirkulierende Antikörper.
Grundlagen Antikörper sind nach einem einheitlichen Bauplan aus jeweils zwei langen und zwei kurzen, durch Disulfidbrücken verbundene Proteinketten aufgebaut. Sie kommen je nach Isotyp als Mono- bis Pentamere vor. Beim Menschen gibt es 5 Isotypen. Die jeweils zwei Antigenbindungsstellen pro Monomer werden auch als combining site (Paratop) bezeichnet. Papainverdauung führt zu zwei Fab-Fragmenten (fragments of antigen binding) und einem Fc-Fragment (fragment crystalline), Pepsinverdauung zu einem F (ab)’2-Fragment und Fc-Peptidbruchstücken. Während das F(ab)’2-Fragment nur der Antigenbindung und - vernetzung (Präzipitation löslicher und Agglutination partikulärer Antigene) dient, erfüllt das Fc-Fragment mehrere Funktionen, wie Komplementbindung, Fixierung an Phagozyten und andere Zellen, die Fc-Rezeptoren besitzen, und Plazentapassage. Im FcFragment sind auch die Kohlenhydratanteile sowie der Hauptteil der (Sub-)klassen- und Alloantigenspezifischen Determinanten lokalisiert. Weitere Klassifizierungen der Antikörper können nach ihrer Herkunft (z. B. Autoantikörper, Alloantikörper), ihrer Spezifität (z. B. neuronale und Anti-Lymphozyten-Antikörper), ihrer Lokalisierung (sessil, zytophil oder zirkulierend) und ihrer Wirkung (z. B. opsonierend, zytotoxisch, blockierend) vorgenommen werden. Inkomplette („konglutinierende“) Antikörper bedürfen zum Nachweis in der Agglutinationsreaktion der Zugabe von Supplementen („Konglutinine“), wie Dextran, Albumin oder inaktivierte Tierseren.
Grundlagen Klinische Relevanz besitzen vor allem Antiphospholipid-Antikörper vom IgG-Typ mit Kreuzreaktivität zu DNA für das zirkulierende Lupus-Antikoagulans-Syndrom (circulating lupus anticoagulant syndrome, CLAS). Antiphospholipid-Antikörper sind verantwortlich für Thrombembolien beim Lupus erythematodes, die zu Abort, Myokardinfarkt, pulmonaler Hypertension und renalen und zerebralen Infarkten führen können. Neurologische Manifestationen sind vor allem Myelopathien, transiente ischämische Attacken, Chorea und Epilepsie.
Antithrombin III (AT III) Definition In der Leber synthetisierter Inhibitor des Gerinnungssystems.
Grundlagen Komplexbildner mit mehreren Gerinnungsfaktoren. Physiologisch Bildung eines ThrombinAntithrombin-Komplexes (TAT) mit dadurch bedingter Verhinderung einer überschießenden Thrombinaktivierung. Bei AT III-Mangel resultiert eine Thrombophilie: * Angeboren: autosomal-dominant. * Erworben: * Synthesestörung (bei Leberkrankungen). * Erhöhter Verbrauch (disseminierte intravasale Gerinnung). * Erhöhter Verlust (Niere: nephrotisches Syndrom; Darm: Enteropathie).
Antithrombotische Therapie Synonyme
Antiphospholipid-Antikörper Synonyme Anti-Cardiolipin-Antikörper
Therapeutische Gerinnungshemmung
Zubereitungen Parenteral: Heparin, Heparinoide, Hirudin, GPIIIbIIa-Antagonisten, ASS. Applikations-
A
100
Anton-Syndrom
form: Intravenös, bei Heparin(oiden) auch subkutan. Enteral: Cumarine, Thrombozytenaggregationshemmer. Gebräuchliche Wirkstoffe: ASS, Ticlopidin, Clopidogrel, Dipyridamol, Abciximab, Coumadin, Heparin.
Wirkungen 1. Thrombozytenaggregationshemmer 2. Hemmung des intrinsischen Gerinnungssystems (Heparin/oide) 3. Hemmung des extrinsischen Gerinnungssystems (Cumarinderivate).
Antrieb, Sprachantrieb Definition *
*
Antrieb allgemein: Impuls- und Motivationsniveau in Willensbildung, Trieben und Psychomotorik. Sprachantrieb: Motivation für spontane Sprachäußerungen.
3
Aortaplaques Synonyme Atherosklerose der Aorta
Pharmakologische Daten Siehe Einzelsubstanzen.
Atherome in der Aortenwand. Differenzialdiagnostisch relevante Emboliequelle.
Anwendungsgebiete 3
Antikoagulation, tionshemmer
Definition
Thrombozytenaggrega-
3
Dosierung/Anwendung
Therapie/Prophylaxe Statine sind wirksamer als Plättchenhemmer oder Antikoagulazien [1].
Siehe Einzelsubstanzen.
Literatur
Unerwünschte Wirkungen
1. Tunick PA et al. (2002) Am J Cardiol 90:1320– 25.
Allgemein erhöhte Blutungsgefährdung, siehe auch Einzelsubstanzen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Siehe Einzelsubstanzen.
Aortendissektion Synonyme Dissekation der Aorta
Wechselwirkungen Siehe Einzelsubstanzen.
Anton-Syndrom
Definition Gefäßwandeinblutungen oder - einrisse im Bereich der Aorta, häufig im Bereich der Aorta ascendens. Teilweise Miteinbeziehung der Koronarabgänge und der Abgänge des Aortenbogens mit Fortsetzung der Dissektion in deren Verlauf (z. B. bis zur Karotisbifurkation).
Definition Anosognosie für Rindenblindheit. Ätiologie: Meist bei Basilariskopfembolie („top of basilar artery“) mit beidseitiger Infarzierung des A. cerebri posterior Versorgungsgebietes. 3
Prognose Die Anosognosie verschwindet in der Regel innerhalb weniger Stunden bis Tage.
Einleitung Pathogenese: * Traumatisch durch Thoraxtrauma. * Im Rahmen einer hypertensiven Krise. * Bei prädisponierender Grunderkrankung (z. B. Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom). Klinik:
Apallisches Syndrom
3
Diagnostik Röntgen-Thorax: Meist dilatierte Aorta. Transösophageale Echokardiographie: Stenose, Intimasegel, zweites Lumen. Thorax-CT: Gefäßwandhämatom, zweites Lumen, Stenose.
ähnlicher Zustand mit offenen Augen ( Coma vigile), bei dem der Patient scheinbar wach ist mit erhaltenen vegetativen Funktionen, jedoch keine spontanen oder sinnvollen Reaktionen auf äußere Reize zeigt, mit konjugierten Blickbewegungen oder Blickfixierung, pathologischen Reflexen, Pyramidenbahnzeichen, Rigor und eventuell Streckkrämpfen, die Arme befinden sich dabei in Beuge-, die Beine in Streckstellung. Zum Teil entwickelt sich ein SchlafWach-Rhythmus. Die Pupillenreaktion ist intakt, das EEG ist allgemeinverändert, kann aber auch ein α-Band zeigen (α-Koma). Es kommt infolge Überwiegen des Sympathikus zu einem Hypermetabolismus und infolgedessen bei längerer Dauer zu einem Marasmus. Eventuell treten Störungen der Atmung, Temperaturregulations- und Kreislaufstörungen hinzu. 3
Typisches Symptom ist der stechende Thoraxschmerz. Komplikationen der Aortendissektion: * Gefäßwandrupturen (insbesondere bei subadventitialen Dissektionen). * Gefäßverschlüsse und Thrombenbildung an der verletzten Gefäßwand. Risiko der spinalen Ischämie Spinalis-anterior-Syndrom.
101
3
empirisch Operative Therapie über thoraxchirurgischen Zugang. unwirksam/obsolet Antikoagulation!! Im Gegensatz zur Dissektion extrakranieller hirnversorgender Arterien wegen erhöhter Rupturgefahr.
Nachsorge Sonographische Kontrollen.
Prognose Bei komplikationsfreiem Verlauf günstig mit Restitutio ad integrum, sonst abhängig von der Grunderkrankung.
Apallisches Syndrom Synonyme Dezerebrationssyndrom, chronisch vegetativer Zustand, Kretschmer-Syndrom, Mittelhirnsyndrom
Definition Sonderform des Komas infolge Funktionsausfall durch Anoxie der Großhirnrinde nach Mittelhirnläsionen, z. B. bei Schockzuständen, Intoxikationen, schweren Enzephalitiden, Schädel-Hirn-Traumata oder nach Reanimation.
Einleitung Klinisch äußert sich dies in einer tiefen Bewusstseinsstörung, z. B. als koma- oder schlaf-
Differenzialdiagnose *
*
Locked-in-Syndrom: Hier kommt es durch eine ausgeprägte Schädigung oberhalb des Hirnstamms zu einer Tetraparalyse und einem weitgehenden Ausfall der Hirnnerven. Der Patient bleibt jedoch bewusstseinsklar. Akinetischer Mutismus: Der Patient spricht und bewegt sich auf Aufforderung nicht, wirkt wie der Apalliker wach und zeigt orale Automatismen. Ursache: Hypoxie des Mittelhirns, z. B. nach Basilarisverschluss. 3
Therapie
Therapie gesichert Intensivmedizinische Überwachung, evtl. Beatmung und Therapie eines Hirnödems, Behandlung von Infektionen und krankengymnastische Behandlung.
Nachsorge Abhängig von der Entwicklung, dem Grad der Remission und den bleibenden Schäden: Logopädische und krankengymnastische Verfahren.
Prognose Meist letaler Ausgang infolge Komplikationen (v. a. Infektionen der Atemwege) oder Remission mit meist bleibenden Schäden. Ein traumatisches apallisches Syndrom kann noch nach Monaten erfreulich rückbildungsfähig sein. Die Prognose verschlechtert sich mit zunehmender Dauer des Zustandes.
A
102
APC-Resistenz
APC-Resistenz Definition Angeborene Thrombophilie mit Resistenz des Faktors Va gegenüber der proteolytischen Inaktivierung durch aktiviertes Protein C. In mehr als 95% der Fälle Folge einer Punktmutation des Faktor-V-Moleküls (Faktor-V-Leiden-Mutation).
Einleitung Die APC-Resistenz ist insbesondere als Risikofaktor für venöse Thrombosen und Thrombembolien bzw. paradoxe Embolien bei kardialem Rechts-Links-Shunt anzusehen. Die Wertigkeit für arterielle Thrombosen wird kontrovers diskutiert.
Diagnostik Funktionelle Testung der APC-Resistenz und ggf. genetische Untersuchung auf Faktor-VMutation.
Therapie gesichert Verschiedene Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe. Bei rezidivierenden thrombotischen Ereignissen längerfristige, ggf. lebenslange Antikoagulation durch Cumarine nach entsprechender Nutzen-Risiko-Abwägung. empirisch Bei paradoxen Embolien: evtl. Schirmchenverschluss des offenen Foramen ovale.
Einleitung Vier Standardsyndrome: * Globale Aphasie: Massive Beeinträchtigung der sprachexpressiven und sprachrezeptiven Anteile mit erheblicher Sprachanstrengung bis hin zu fehlender Sprachproduktion. Massive Sprachautomatismen und - stereotypien. * Broca-Aphasie: Stark verminderte Sprachproduktion mit Sprachanstrengung, Agrammatismen, gestörter Prosodie, v. a. phonematischen Paraphasien und meist nur mäßig gestörtem Sprachverständnis. * Wernicke-Aphasie: Bei gut erhaltenem oder gesteigertem Redefluss häufige semantische und phonematische Paraphasien bis hin zum Wortsalat bei meist erheblicher Störung des Sprachverständnisses. * Amnestische Aphasie: Wortfindungsstörungen bei sonst wenig beeinträchtigten Sprachfunktionen. Sonderformen: * Leitungsaphasie: Kardinalsymptom: unverhältnismäßig starke Störung des Nachsprechens im Vergleich zu den anderen sprachlichen Leistungen. * Transkortikale Aphasien: Kardinalsymptom: herausragend gut erhaltenes Nachsprechen bei erheblicher Beeinträchtigung der inhaltlichen Verarbeitung und spontanen Sprachproduktion.
Differenzialdiagnose
3
*
Aphasie
* *
Synonyme Sprachstörung, Aphasia
3
Definition Sprachstörung durch Beeinträchtigung der verschiedenen Komponenten des Sprachsystems (Wortfindung, Phonologie, Syntax und Semantik) ohne Störung der Artikulation und Phonation. Ätiologie: Läsionen der „sprachdominanten“ Hemisphäre.
*
Dysarthrien mit Störung der Sprechmotorik, Stimmgebung, Sprechmelodie und des Sprechrhythmus. Verwirrtheit gegenüber Wernicke-Aphasie. Sprechapraxie als Störung der Initiierung und Koordination von Sprechbewegungen bei intakten Artikulationsorganen. Antriebsstörungen mit Mutismus.
Therapie Sprachtherapie mit aktivierenden, bahnenden und hemmenden Behandlungsstrategien bzw. störungsspezifischen Therapieformen.
Prognose Abhängig von der Art und Schwere der Läsion.
Apomorphin
Apnoetest
Apomorphin
Definition
Zubereitungen
Nach Ausfall der Hirnstammreflexe durchzuführendes Verfahren zum Nachweis der Apnoe beim Hirntod.
Apomorphin-HCl.
Grundlagen Nach Beatmung mit 100%igem Sauerstoff wird das Ventilationsvolumen auf ca. ¼ des Ausgangswertes reduziert bis der arterielle CO2Partialdruck mindestens einen Wert von 60 mmHg erreicht hat. Unter Zufuhr von Sauerstoff in den Endotrachealtubus erfolgt anschließend die Trennung vom Beatmungsgerät. Treten nach Minuten keine spontanen Atembewegungen unter weiter ansteigenden CO2-Partialdruck-Werten auf, so ist die Apnoe bestätigt.
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Gebräuchliche Fertigarzneimittel Apomorphin (als Penject: ApoGo® und für kontinuierliche subkutane Verabreichung mittels Minipumpe für Parkinson, ApomorphinTeclapharm®), Ixense® 2 mg/-3 mg Sublingualtabletten, Uprima® 2 mg/-3 mg Sublingualtabletten sind für erektile Dysfunktion zugelassen. Bei der relativ langsamen Pharmakokinetik der Sublingualtabletten mit Cmax erst nach 60 min ist davon auszugehen, dass sie für die Behandlung der Akinese in Off-Phasen von keinem Nutzen sind.
Wirkungen
ApoE (Apolipoprotein-E) Grundlagen ApoE gehört zu den Eiweißkomponenten der Lipoproteine. Es ist ein 34-k-Da-Protein, das auf Chromosom 19 kodiert und in Astrozyten und Oligodendrozyten im ZNS synthetisiert wird. Funktionell scheint es bei der Bereitstellung von Lipiden für Gewebsreparatur- und Wachstumsprozessen eine wichtige Rolle zu spielen. ApoE weist einen genetischen Polymorphismus mit drei bekannten Varianten auf: ApoE2, ApoE3, ApoE4. ApoE4 findet sich bei 20– 30% der Bevölkerung, jedoch bei 60–70% aller Patienten mit Alzheimer Demenz ( Alzheimer-Erkrankung). Es wird angenommen, dass das ApoE4-Allel den, der AD zugrunde liegenden Prozess beschleunigt, da sich bei homozygoten Patienten die AD etwa fünf Jahre früher manifestiert. Bezüglich eines pathogenetischen Zusammenhanges gibt es bislang nur hypothetische Modelle, z. B. Unterstützung der Bildung der sog. Amyloidplaques. Über diesen Mechanismus könnte das ApoE4Allel auch mit abnormen Proteinablagerungen bei ZNS-Amyloidosen zusammenhängen (z. B. Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, familiärer amyloidotischer Polyneuropathie, Down-Syndrom).
Apomorphin wirkt über einen zentralen Mechanismus; es ist überwiegend ein D2-dopaminerger Agonist mit 10–100fach höherer Selektivität zu D2-, D3- und D4-Rezeptoren als zu D1und D5-Rezeptoren.
Pharmakologische Daten Apomorphin, das D1- und D2-Rezeptoren gleichermaßen stimuliert, kommt dem endogenen Dopamin am nächsten, wirkt nur parenteral, nasal und rektal, weil es oral sofort in der Leber metabolisiert wird. Der Vorteil der subkutanen Apomorphin Gabe ist der schnelle und zuverlässige Wirkeintritt meist nach 10 Minuten bei Patienten mit schweren Off-Phasen. Die HWZ beträgt etwa 0,5 h. Die zunächst notwendige Blockade der extrazerebralen Dopaminrezeptoren mit Domperidon (3×10–20 mg) ist bei einem Teil der Patienten auf Dauer gar nicht notwendig.
Anwendungsgebiete Zur subkutanen Verabreichung von Apomorphin, intermittierend bei Off-Phasen oder als Dauertherapie mittels Pumpe, liegen seit über 15 Jahren Erfahrungen vor. Ein spezieller Apomorphin-Penject wurde 2001 in Deutschland zugelassen (ApoGo). Apomorphin (als Penject: ApoGo für Parkinson zugelassen, Apomorphin-Teclapharm zugelassen für Vergiftungen, Alkohol-, Heroin- bzw. Opiatsucht).
A
3
3
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Apraxie
Dosierung/Anwendung Subkutane Applikation. Intermittierende Injektionen (evtl. mit Pen-Hilfe): Dosis pro s. c. Injektion: 1–10 mg, bis zu 10 Injektion pro Tag möglich. Alternative: Dauerinfusion mit Pumpensystemen. 1–3 Tage vor Beginn der Injektionen: Gabe von Domperidon 3×10–20 mg als Antiemetikum). Die Ersteinstellung sollte zur Einweisung und Dosisfindung in einer Parkinson-Spezialambulanz bzw. stationär (gravierende Blutdruckabfälle, Asystolie beschrieben) erfolgen.
Unerwünschte Wirkungen Die peripheren dopaminergen Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall) lassen sich durch die gleichzeitige Gabe des extrazerebralen Dopaminantagonisten wie Domperidon (Motilium®) zu einem gewissen Grad umgehen, sind aber bei Patienten, die noch nicht lange Jahre Dopaminergika eingenommen haben, sehr heftig. Die Emesis lässt sich alternativ mit Odansentron (Zofran®) behandeln.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Zu Therapiebeginn und in regelmäßigen Abständen: Hautinspektion der Zielregion für die sukutanen Injektionen, Blutdruck im Liegen und Stehen, EKG-Kontrollen, Blutbild, Leberund Nierenwerte.
Apraxie Definition Unfähigkeit zur Ausführung von Bewegungen und Handlungen trotz erhaltener Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit aufgrund einer umschriebenen Hirnläsion. Meist durch Schädigung der linken, sprachdominanten Hemisphäre, insbesondere der supplementär motorischen Area.
Einleitung Einteilung in * Ideomotorische Apraxie (mit bukkofazialer und Gliedmaßenapraxie): Ausführungsstörung von willkürlich geplanten Bewegungen. * Ideatorische Apraxie: Unfähigkeit der Ausführung von komplexen Handlungen oder
Handlungsfolgen, insbesondere im Alltagsbereich.
Differenzialdiagnose Ideomotorische Apraxien und Aphasien sind bei häufig gleichzeitigem Vorliegen aufgrund des erheblich gestörten Sprachverständnisses manchmal schwer abgrenzbar (mögliche Unterscheidung durch Aufforderung einer Imitation von gestischen Bewegungen). Manchmal schwierige Abgrenzung der ideatorischen Apraxie von Verwirrtheit und Demenz.
Therapie Verschiedene Therapieformen im Rahmen der „Selbsthilfetherapie“ und der physio- bzw. ergotherapeutischen Behandlungen.
Aquäduktstenose Definition Stenose des Aquaeductus cerebri mit resultierendem Hydrocephalus occlusus.
Einleitung Ätiologie: Angeboren (z. B. bei Arnold-ChiariMalformation), intraventrikuläre Blutungen, Tumoren oder Enzündungen. Bildgebend fallen eine Erweiterung des III. Ventrikels und der Seitenventrikel bei normalem IV. Ventrikel auf.
Diagnostik MRT, CCT.
Therapie empirisch Anlage eines ventrikuloatrialen oder ventrikuloperitonealen Shunts. Insbesondere beim kindlichen Hydrozephalus ist die Operationsindikation frühzeitig zu stellen (Maximum des Hirnwachstums in den ersten Lebensjahren).
Prognose Abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
Areflexie
Einleitung Gemeint ist eine Arachnoidits des Rückenmarks meist als Folge einer chronischen Meningomyelitis oder Meningomyeloradikulitis durch virale oder bakterielle Infekte, operative oder chemische Irritationen, etwa durch subdural applizierte Anästhetika oder Chemotherapeutika.
Differenzialdiagnose Anfall, psychogener
Therapie Anfall, psychogener
Prognose 3
Entzündung oder Fibrosierung der Arachnoidea oder Pia mater.
3
Definition
xion (Opisthotonus) des Körpers in Rückenlage nur Hinterkopf und Fersen die Unterlage berühren (arc de cercle: franz.= Kreisbogen).
3
Arachnoiditis
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Anfall, psychogener
Areflexie Arachnopathie
Definition
Arachnoiditis
Ausfall aller oder einzelner Fremd- und Eigenreflexe, vegetativer Reflexe oder Hirnstammreflexe.
Definition
Einleitung
Synonyme
Durch Adhäsionen der spinalen Arachnoidea gekennzeichnete Erkrankung, die sich teils spontan, teils im Anschluss an intrathekale Medikamentengaben, Wirbelsäulen- und Rückenmarktraumen oder - operationen sowie spinale Meningitiden entwickeln kann, chronisch progressiv verläuft und vor allem die lumbalen und sakralen Nervenwurzeln schädigt.
Diagnostik MRT, Myelographie.
Therapie empirisch * Versuch mit Kortikosteroiden (250 mg tgl. per infusionem für 5 Tage, dann Ausschleichen). * Radiatio.
Nachsorge KG, physikalische Therapie.
Arc de cercle Definition Bei psychogenen Anfällen auftretendes Symptom, wobei durch eine extreme Dorsalfle-
Reflexe werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt in primitive oder frühkindliche Reflexe, vegetative Reflexe, Muskeleigenreflexe und Fremdreflexe, Hirnstammreflexe, physiologische und pathologische Reflexe, jeweils mit verschiedenen Untergruppen.
Differenzialdiagnose Ein Ausfall der Muskeleigenreflexe kann verschiedenste Ursachen haben. Dazu gehören: * Schädigung peripherer Nerven: – Periphere Polyneuropathien: metabolisch (z. B. Porphyrie), toxisch (z. B. Alkohol), malnutritiv, endokrin (z. B. Diabetes mellitus). – Polyneuritiden: toxisch, infektiös (z. B. Borreliose: Polyneuroradikulitis Bannwarth, verschiedene Viren). – Bei Vaskulitiden. – Hereditär (z. B. HMSN Typ I-III). – Nach Traumata. – Paraneoplastisch (z. B. Lambert-EatonSyndrom). – Autoimmunologisch: Polyneuroradikulitis Guillain-Barré-Syndrom. * Muskelerkrankungen: – Autoimmunologisch (Myasthenie). – Herdeditär (Myodystrophien, - pathien, - tonien).
A
3
Ein Ausfall der Fremdreflexe kann auf denselben Mechanismen beruhen. Die Hirnstammareflexie ist ein Leitsymptom des Hirntodes: Der Lichtreflex ist ausgefallen. Die Prüfung der Augenbewegungen erfolgt durch den okulozephalen Reflex, wobei die rasche Drehung des Kopfes zu beiden Seiten bei Ausfall des Kortex alleine eine Augendeviation zur Gegenseite bewirkt. Der kalorische Reflex ist ausgefallen, ebenso der Kornealreflex. Reaktionen auf Trigeminusreize bleiben aus, auch der Würgereflex und der Hustenreflex fehlen. Andere neurologische Erkrankungen, wie beispielsweise die Multiple Sklerose u. a. gehen ebenfalls mit einer Störung der vegetativen Reflexe und einer Abschwächung bis hin zum Ausfall von Fremdflexen (z. B. der Bauchhautreflexe) einher. Eine Areflexie kann immer auch iatrogen bedingt sein, z. B. durch Sedativa, unter Narkose und bei Muskelrelaxation oder peripheren Nervenblockaden. Eine Differenzialdiagnose ist immer anhand weiterer Befunde zu stellen.
Therapie Abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
Argyll-Robertson-Pupille Synonyme Reflektorische Pupillenstarre
Definition Beidseitige, häufig asymmetrische Miosis (Anisokorie), oft entrundete Pupillen, geringe oder
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
Armplexopathie, akute schmerzlose Definition Bis zu einem Drittel aller akuten schmerzlosen Armplexusläsionen zeigen eine Deletion des PMP22-Gens, sodass zumindest bei diesen Patienten die Erkrankung als Sonderform der autosomal-dominanten HNPP (hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckparesen) gedeutet werden kann.
Einleitung Die klinische Symptomatik ist durch akute schmerzlose Ausfälle im Bereich des Plexus brachialis, vorwiegend des oberen Armplexus, charakterisiert. Die Beschwerden können nach symptomlosen Intervallen rezidivieren. 3
*
Typische Pupillenstörung bei der Neurosyphilis ( Lues cerebrospinalis) (ca. 30% der Patienten im Stadium III, ca. 60% im Stadium IV). Die Symptomatik ist aber nicht spezifisch und kann auch bei Borreliose, Wernicke-Enzephalopathie, Multiple Sklerose oder Sarkoidose beobachtet werden. 3
*
Differenzialdiagnose
3
*
fehlende Lichtreaktion bei erhaltener Konvergenzreaktion.
3
*
– Sekundär betroffen bei Elektrolytstörungen (endokrin, toxisch). – Entzündlich (Myositiden) und infektiös (z. B. Hundebandwurm). – Metabolisch (z. B. Glykogenosen). Bei Infektionskrankheiten (Botulismus, Diphterie). Myelitiden verschiedener Ursachen. Metabolische Störungen. Endokrine Störungen (z. B. Hypothyreose). Pseudoareflexie durch Muskelatrophie nach längerdauernder Denervation.
3
*
Argyll-Robertson-Pupille
3
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Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch müssen die Plexusneuritis bzw. die neuralgische Schulteramyotrophie abgegrenzt werden, die aber in aller Regel mit starken Schmerzen einhergehen.
Therapie Eine kausale Therapie der akuten schmerzlosen Armplexusläsion existiert nicht. Druckeinwirkungen von außen, speziell bei Lagerung, müssen vermieden werden. Physiotherapie sollte bis zur Wiederherstellung der Funktion unter sachgemäßer Anleitung durchgeführt werden, insbesondere um Einsteifungen des Schultergelenkes zu vermeiden.
Armplexusläsion
Synonyme Läsion des Plexus brachialis
Definition Aus den Spinalnerven der Wurzeln C5–Th1 wird der Plexus brachialis gebildet (Truncus superior aus C5–C6, Truncus medius aus C7 und Truncus inferior aus C8–Th1). Aus den 3 Trunci bilden sich wiederum die 3 Faszikel (Fasciculus lateralis aus C5–C7, Fasciculus posterior aus C5–C8 und Fasciculus medialis aus C8–Th1). Die 3 Faszikel bilden schließlich die Armnerven, während die Nerven der Schulterregion noch aus den proximalen Plexusabschnitten abgehen. Der supraklavikuläre Abschnitt des Plexus enthält die Primärstränge. Der engste Abschnitt liegt zwischen Klavikula und 1. Rippe. Danach folgen infraklavikulär die Faszikel, die bei Bewegungen der Schulter und des Armes stärker mechanisch beansprucht werden.
Einleitung
A
Plexusläsionen können den gesamten Armplexus betreffen. Eine Mitbeteiligung proximaler Schultermuskeln spricht für eine wurzelnahe Läsion. Ist nur der obere Armplexus betroffen (C5–C6), so sind vor allem der M. deltoideus, M. supra- und infraspinatus, M. biceps und brachioradialis betroffen. Sensibilitätsstörungen finden sich am Oberarm und lateral am Unterarm bis zum Daumen. Bei der mittleren Armplexusläsion (C7) sind vor allem die Ellenbogen- und Fingerstrecker betroffen. Sensibilitätsstörungen finden sich am Mittelfinger. Die untere Plexusläsion (C8–Th1) führt zu Paresen vor allem der kleinen Handmuskeln, der langen Fingerbeuger und der Handbeuger sowie zu Sensibilitätsstörungen ulnar. Schließlich gibt es noch die infraklavikulär gelegenen Läsionen einzelner Faszikel.
Diagnostik Läsionen des Nervenplexus müssen abgegrenzt werden von ausschließlichen oder begleitenden Wurzelläsionen ( Wurzel, Ausrisse). Zur elektrophysiologischen Plexusdiagnostik gehö3
Armplexusläsion
107
Armplexusläsion. Abb. 1: Schematische Darstellung des Plexus brachialis und dessen Aufteilung in Trunci, Faszikel und Nerven
Armplexusläsion
Reizerscheinungen vergesellschaftet (Myokymien, Faszikulationen, Myoklonien). Pathognomonisch im EMG sind periodische Serienentladungen. Schmerzen sind bei beiden Formen typisch.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der jeweils zugrunde liegenden Ursache der Plexusläsion, Klumpke-Lähmung, „thoracic outlet“-Syndrom, Schulteramyotrophie, neuralgische, Spritzenlähmung. Die Prognose der akuten Druckschäden des Plexus brachialis, z. B. der intraoperativen Lagerungsschäden, ist in aller Regel gut, sodass die spontane Erholung abgewartet werden kann. Begleitend sollten physiotherapeutische Maßnahmen zum Vermeiden einer Einschränkung der Schulterbeweglichkeit durchgeführt werden. Bei traumatischen Plexusschäden hängt das Vorgehen vom vermuteten Ausmaß der Verletzung ab. Ergeben sich Hinweise auf eine Zerreißung, so sollte primär operiert werden. Bei offenen Verletzungen sollte bei einer ohnehin nötigen Operation der Plexus mitinspiziert werden. Ergeben sich bei stumpfen Traumen keine Hinweise auf eine Zerreißung, so sollte zunächst konservativ behandelt werden. Bei ausbleibender Reinnervation ist eine Revision innerhalb der ersten 6 Monate empfehlenswert. Durch die Verwendung autologer Nerventransplantate besteht mittlerweile keine absolute Kontraindikation mehr gegen ein operatives Vorgehen. Am häufigsten erfolgen Nerventransplantate zwischen C5, C6 und dem N. musculocutaneus [1]. Operationen im Bereich des unteren Armplexus bzw. der unteren Wurzeln sind dabei prognostisch wegen der langen Strecke bis zum Zielmuskel (70–80 cm) extrem ungünstig. Unter günstigen Verhältnissen und bei guter Nahttechnik kann hier nur eine Wiederkehr der muskulären Funktion im Bereich des Unterarmes erreicht werden, nicht aber im Bereich der Hand. Komplette untere Armplexusläsionen werden wegen der schlechten Prognose bezüglich einer Reinnervation nicht operiert. Nach Ablauf von mehr als 2 Jahren ist mit einer funktionellen Verbesserung nicht mehr zu rechnen, sodass ggf. Ersatzoperationen indiziert sind. Bei ausgedehnten Lähmungen der Schulter kommt eine Schulterarthrodese in Betracht. Verschiedenste Sehnenverpflanzun3
3
3
ren die sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten, die fraktioniert abgeleiteten SEP sowie das EMG aus den entsprechenden Zielmuskeln und gegebenenfalls zum Ausschluss einer Wurzelläsion aus der paraspinalen Muskulatur. Die Ätiologie einer akuten Plexusschädigung ist in der Regel traumatisch oder entzündlich ( Schulteramyotrophie, neuralgische). Eine akute Plexusläsion kann auch im Rahmen einer Veranlagung zu Druckparesen schmerzlos auftreten ( Armplexopathie, akute schmerzlose). Häufigste Ursache der Plexusschädigung ist das Trauma, oft ein Motorradunfall. Dabei kommt es zu Zerr- oder Traktionsschäden oder Quetschungen; bei 50–75% bestehen begleitende Wurzelschädigungen. Elektrophysiologisch sollte nach etwa 14 Tagen mittels EMG und NLG festgestellt werden, ob ein kompletter Axonuntergang oder eine prognostisch günstigere Neurapraxie vorliegt. Eine Sonderform der traumatischen Plexusläsionen sind die geburtstraumatischen Lähmungen ( KlumpkeLähmung). Iatrogen kann der Armplexus durch Punktionen in die großen Venen oder durch Regionalanästhesie geschädigt werden ( Spritzenlähmung), direkte Schädigungen bei Operationen sind selten (evtl. bei Versorgung einer Klavikulafraktur, bei axillärer Lymphknotenausräumung oder bei transaxillärer Resektion der 1. Rippe). Häufiger akuter Schädigungsmechanismus ist die Druckläsion nach Operationen (besonders bei Auslagerung des Armes über 90°) oder nach ungewöhnlich tiefem Schlaf. Externer Druck kann auch durch das Tragen schwerer Lasten (z. B. Rucksacklähmung) einwirken. Chronische Armplexusläsionen können durch Engpasssyndrome der oberen Thoraxapertur ausgelöst werden ( „thoracic outlet“-Syndrom, Skalenussyndrom, kostoklavikuläres Syndrom). Weitere Ursache ist die Tumorinfiltration (meist Metastasen oder auch maligne Lymphome). Eine Besonderheit ist das Pancoast-Syndrom, vor allem bei Bronchialkarzinomen. Abgegrenzt werden muss ein Tumor von einer radiogenen Plexusschädigung (vorwiegend Bestrahlung bei Mammakarzinom oder M. Hodgkin), die frühestens 6 Monate, meist aber erst 2–3 Jahre nach der Bestrahlung auftritt. Tumoren findet man eher bei wurzelnahen und/oder unteren Plexusläsionen und bei Assoziation mit einem Horner-Syndrom, radiogene Schäden eher bei langsam progredienten Läsionen. Letztere sind oft mit motorischen
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Arnold-Chiari-Malformation
gen in Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenken sind möglich. Bei einer Plexusläsion durch Tumorinfiltration erfolgt die Behandlung des Primärtumors bzw. seiner Metastasen nach onkologischen Gesichtspunkten. Die radiogene Plexusläsion ist in der Regel chronisch progredient und therapierefraktär. Alle Versuche, die Progression medikamentös oder operativ aufzuhalten, blieben nutzlos. Hier kommt nur eine symptomatische Schmerztherapie in Betracht ( Polyneuropathie). 3
Prognose Die Prognose akuter Druckschäden ist günstig. Bei traumatischen Läsionen hängt die Prognose vom Grad der Verletzung ab. Eine Mitbeteiligung der Wurzeln ist prognostisch ungünstiger. Eine radiogene Plexusläsion ist in der Regel bis zur vollständigen Schädigung progredient.
Literatur 1. Penkert G, Carvalho GA, Nikkhah G, Tatagiba M, Matthies C, Samii M (1999) Diagnosis and surgery of brachial plexus injuries. J Reconstr Microsurg 15: 3–8.
Armschmerz Definition Unspezifisches Symptom verschiedenster neurogener und nichtneurogener Läsionen des Halswirbelsäulen-, Schulter- und Armbereiches.
Differenzialdiagnose Armschmerzen können bei zervikalen radikulären Läsionen, bei pseudoradikulären Syndromen, bei Plexusläsionen, bei Schädigungen des muskuloskelettalen Apparates des Schultergürtels und bei Läsionen einzelner Armnerven (z. B. Engpasssyndromen wie dem Karpaltunnelsyndrom) auftreten.
Therapie Therapie des Armschmerzes richtet sich nach der Grunderkrankung.
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Arnold-Chiari-Malformation Synonyme ACM
Definition Embryonale Missbildung (5.–6. Embryonalwoche) des kraniozervikalen Überganges mit rhombenzephalen, mesenzephalen, dienzephalen und telenzephalen Missbildungen.
Einleitung Bei der ACM kommt es zu einer Verlagerung von Medulla oblongata und Kleinhirnteilen kaudalwärts in den zervikalen Spinalkanal. * Typ 1 (Verlagerung der Kleinhirntosillen) wird oft erst im Erwachsenenalter symptomatisch, u. a. mit Schwindel, Kopfschmerzen, Schluckstörungen, Tortikollis, downbeat-Nystagmus) * Typ 2 (Verlagerung von Kleinhirnwurm, Medulla oblongata und 4. Ventrikel) und * Typ 3 (zervikookzpitale Meningomyelozele mit Anteilen von Kleinhirn und Medulla in der Zele) dagegen schon kurz nach der Geburt durch einen Hydrozephalus (Abb. 1). Häufige Assoziation mit Dysrhaphien (Syringomyelie). * Typ 4 zerebellare Hypoplasie bei Veränderungen wie Typ 1–3.
Diagnostik MRT des Schädels; eine spinale MRT sollte ergänzend zum Ausschluss einer assoziierten Syringomyelie erfolgen.
Therapie empirisch * Typ 1: Subokzipitale Dekompression bei Hirnstammdysfunktion mit Schluck- und Atemstörungen und/oder Tetra- oder Paraspastik. * Typ 2 und 3: Shuntanlage bei Hydrozephalus, bei Vorliegen von Hirnstammsymptomen gleichzeitig subokzipitale Dekompression. unwirksam/obsolet Medikamentöse Behandlung.
Prognose Bei Typ 1 kommt es durch die Dekompression in etwa 2/3 der Fälle zunächst zu einer Rück-
A
110
Arrhythmie, absolute
Arnold-Chiari-Malformation. Abb. 1: Formen des Arnold-Chiari-Syndroms
bildung der Symptomatik, bei etwa 1/4 der Behandelten muss mit Rezidiven gerechnet werden. Bei Typ 2 und 3 sind die Ergebnisse aufgrund der ausgeprägteren Ektopien sowie der assoziierten Fehlbildungen ungünstiger.
Arrhythmie, absolute Synonyme 3
Arrhythmia absoluta,
Vorhofflimmern
Definition Unregelmäßiger Kammerrhythmus durch unregelmäßige Erregungsüberleitung bei Vorhofflimmern. 3
Diagnostik EKG, bei V. a. intermittierendes Vorhofflimmern Langzeit-EKG. Kardiologische Diagnostik zur Ätiologie (Hyperthyreose, KHK, Mitralinsuffizienz/-stenose, Hypertonie). Zur Abschätzung einer Kardioversionsindikation und möglicher intrakavitärer Thrombenbildung Echokardiographie.
Therapie Vorhofflimmern
gesichert Wenn möglich elektrische oder medikamentöse Kardioversion (unter Heparin-Schutz!) mit darauffolgender Rhythmusstabilisierung. Antikoagulation (INR 2–3) zur: * Primärprophylaxe kardiogener Embolien bei Vorhofflimmern ohne weitere Risikofaktoren bei Patienten zwischen 60 und 75 Jahren. * Primärprävention bei zusätzlichen vaskulären Risikofaktoren auch unter 60 und über 75 Jahren. * Sekundärprävention nach kardiogen embolischen Ereignissen (Reduktion von kardiogen embolischen Hirninfarkten von 12%/ Jahr auf 4%/Jahr). ASS 300 mg tgl. (44% relative Risikoreduktion in der Primärprävention): * Bei jungen Patienten mit Vorhofflimmern ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren (lone atrial fibrillation). * Kontraindikationen gegen Cumarine. Ximelagatran Alternative zur Antikoagulation (Studien laufen).
Prognose Durch Antikoagulation Senkung der kardiogenen Embolierate um ca. 70%.
3
Arteria carotis externa
Arteria basilaris
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Arteria carotis communis Synonyme
Synonyme
ACC, englisch: common carotid artery (CCA)
Schädelbasisschlagader, englisch: basilar artery (BA)
Definition Paarig angelegte vordere Halsschlagader vor der Karotisbifurkation.
Definition Unpaarig angelegte Arterie mit Verlauf ventral des Hirnstamms, die aus dem Zusammenlauf der beiden Aa. vertebrales entsteht und am „Basilariskopf“ sich in die beiden Aa. cerebri posteriores aufzweigt.
Grundlagen Hauptarterie des hinteren Stromgebietes. Durch die Gefäßabgänge (einschließlich der aus den Aa. vertebrales abgehenden Aa. cerebelli posteriores inferiores (PICA)) werden der gesamte Hirnstamm, das Innenohr, das Kleinhirn, der Okzipitallappen und Teile des Thalamus bzw. des Temporallappens versorgt. Größere Gefäßabgänge sind neben den Aa. cerebri posteriores die Aa. cerebelli anteriores inferiores (AICA) und die Aa. cerebelli superiores (SCA). Daneben Abgänge der kleinen Rr. circumferentes breves et longi und der Rr. paramedianae.
Grundlagen Rechts aus dem Truncus brachiocephalicus, links aus der Aorta hervorgehend. Meist Verlauf lateral der Trachea ohne Gefäßabgänge bis zur Aufzweigung der A. carotis interna und externa aus dem aufgeweiteten Karotisbulbus. Selten Abgang der A. thyreoidea aus der A. carotis communis vor der Bifurkation.
Arteria carotis externa Synonyme ACE, englisch: external carotid artery (ECA)
Definition Aus der A. carotis communis hervorgehende Arterie mit Versorgungsgebiet der oberen Halsweichteile, des Gesichtes, des knöchernen
Arteria basilaris. Abb. 1: Blutversorgung des Kleinhirns (Ansicht von unten)
A
112
Arteria carotis interna (ICA)
Arteria carotis interna (ICA). Abb. 1: Verlauf der großen hirnversorgenden Gefäße im Bereich des Halses und der Schädelbasis
Schädels einschließlich der Paukenhöhle sowie der Kopfhaut und Dura mater.
Grundlagen Im Verlauf multiple Gefäßabgänge (u. a. A. thyreoidea sup., A. lingualis, A. facialis, A. maxillaris, A. temporalis sup.). Hauptkollaterale zur A. carotis interna über die A. ophthalmica, die bei hochgradigen Carotis-interna-Stenosen meist retrograd aus den Externa-Ästen perfundiert wird.
caroticus („Karotissiphon“) ohne größere Abgänge. Erste Gefäßabgänge durch A. ophthalmica (Kollaterale zum Versorgungsgebiet der A. carotis externa) und A. choroidea anterior. Am „Karotis-T“ Aufzweigung in die A. cerebri anterior, A. cerebri media und den Ramus communicans posterior.
Arteria cerebelli inferior anterior (AICA) Arteria carotis interna (ICA)
Synonyme
ACI, englisch: internal carotid artery (ICA)
Englisch: anterior inferior cerebellar artery (AICA)
Definition
Definition
Aus der A. carotis communis am Karotisbulbus hervorgehende paarig angelegte Arterie mit Versorgungsgebiet der Augen, der medialen Stirnhaut und des größten Teils des Großhirns.
Aus der A. basilaris als erster größerer Gefäßabgang hervorgehende, paarig angelegte Arterie.
Grundlagen
Abgang aus der A. basilaris am kaudalen Pol des Pons mit Versorgungsgebiet der vorderen,
Synonyme
Verlauf bis zur Schädelbasis und im Canalis
Grundlagen
Arteria cerebri anterior (ACA)
unteren Kleinhirnrinde, der Kleinhirnkerne, oraler Anteile der Medulla, kaudaler Ponsanteile und des Innenohrs über die A. labyrinthi.
113
Definition Paarig angelegte, aus der A. basilaris vor der Aufteilung in die Aa. cerebri posteriores abgehende Arterie.
Grundlagen
Arteria cerebelli inferior posterior (PICA) Synonyme
Versorgungsgebiet der dorsalen Kleinhirnanteile, z. T. der Kleinhirnkerne, oraler Ponsanteile, der oberen Kleinhirnstiele und der hinteren Vierhügel.
Englisch: inferior posterior cerebellar artery (PICA)
Definition Beidseits aus den Aa. vertebrales bereits im intrakraniellen Anteil vor dem Zusammenschluss in die A. basilaris abgehende Arterie.
Arteria cerebri anterior (ACA) Synonyme Englisch: anterior cerebral artery (ACA)
Definition Grundlagen Versorgungsgebiet der dorsolateralen Medulla oblongata, der kaudalen Kleinhirnhemisphären, des Kleinhirnwurms, der Kleinhirnkerne und des Plexus choroideus des IV. Ventrikels.
Arteria cerebelli superior (SCA) Synonyme Englisch: superior cerebellar artery (SCA)
An der Aufzweigung der A. carotis interna hervorgehende, paarig angelegte vordere Hirnarterie.
Grundlagen Versorgung des basalen und medialen Frontallappens, der medialen Anteile des Parietallappens, des Balkens, des ventralen Anteils des Caput nuclei caudati, der vorderen Capsula interna und des Septum praecommissuralis. Verbindung in Höhe der Lamina terminalis anterior mit der A. cerebri anterior der Gegenseite durch den Ramus communicans bzw. Versor-
Arteria cerebri anterior (ACA). Abb. 1: A. cerebri anterior. 1 A. cerebri media, 2 A. carotis interna, 3 A. cerebri anterior, 4 A. pericallosa, 5 A. frontobasilaris, 6 A. frontopolaris, 7 A. callosomarginalis, 8 A. pericallosa
A
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Arteria cerebri media (MCA)
gung der kontralateralen A. cerebri anterior bei unpaarigem Abgang über den Ramus communicans anterior. Abgänge: Rami striatae mediales, A. recurrens (Heubnersche Arterie), A. orbitalis, A. frontopolaris, A. pericallosa, A. callosomarginalis, A. parietalis interna.
Arteria cerebri media (MCA) Synonyme Englisch: middle cerebral artery (MCA)
Definition Größter Ast der A. carotis interna, am „KarotisT“ als deren unmittelbare Fortsetzung im Sulcus lateralis verlaufend.
Grundlagen Versorgung des lateralen Frontallappens, der lateralen Anteile des Parietallappens, von Teilen des Temporallappens, der Capsula interna, Capsula externa, Capsula extrema, der Corona radiata und der Basalganglien. Abgänge: Rr. lenticulostriatae, A. orbitofrontalis, A. praerolandica, A. rolandica, A. parietalis anterior, A. parietalis posterior, A. temporalis anterior, A. temporalis media, A. angularis.
Arteria cerebri posterior Synonyme A. cerebri posterior, Englisch: posterior cerebral artery (PCA)
Definition Die beiden Aa. cerebri posteriores gehen bogenförmig aus der unpaaren A. basilaris ab und versorgen u. a. okzipitale und temporale Hirnabschnitte.
Grundlagen * *
*
*
*
Die Gefäßstrecke der A. cerebri posterior kann in 3 Abschnitte eingeteilt werden Pars praecommunicalis: Abschnitt vor dem Abgang der A. communicans posterior. Vorsorgt zum Teil Mittel- und Zwischenhirn (Aa. centrales posteromediales). Pars postcommunicalis: Abschnitt nach Abgang der A. communicans posterior. Versorgt u. a. Thalamus und Mittelhirn (Aa. centrales posterolaterales). Pars terminalis: Versorgt den Okzipital- und Teile des Temporallappens. Die A. communicans posterior verbindet die A. cerebri posterior mit der distalen A. carotis interna.
Arteria cerebri media (MCA). Abb. 1: A. cerebri media. 1 A. centralis, 2 A. parietalis anterior, 3 A. parietalis posterior, 4 A. temporooccipitalis, 5. A. temporalis posterior, 6 A. temporalis media, 7 A. temporalis anterior, 8 Aa. insulares, 9 Karotissiphon, 10 A. orbitofrontalis, 11 A. praefrontalis, 12 A. praecentralis
Arteria choroidea anterior
Vigilanzminderung mit Hypersomnie, dementielles Syndrom (Thalamus-Demenz). – Hintere Thalamusabschnitte: Dysästhesien, Schmerzsyndrome (thalamischer Schmerz), Hemiataxie. – Thalamussyndrome treten häufig auch in Kombination mit komplexen Okulomotorikstörungen in Folge der Mitbeteiligung kranialer Hirnstammstrukturen auf.
In Sonderfällen erhält die A. cerebri posterior ihre Durchblutung aus dem distalen, intrakraniellen Anteil der A. carotis interna durch einen kräftigen Ramus communicans posterior; dies kann bei Gefäßverschlüssen und dadurch bedingter Ausbildung von Kollateralen bedeutsam werden.
Durch Verschlussprozesse der A. cerebri posterior (Makroangiopathie) kann es zu Ischämien im Versorgungsgebiet dieser Arterie mit charakteristischen klinischen Ausfällen (Syndromen) kommen.
Einleitung Ätiologie: Verschlüsse der A. cerebri posterior können entstehen durch * Arterioarterielle Embolien aus arteriosklerotischen Veränderungen des vertebrobasilären Stromgebiets. * Kardiale Embolien mit Embolisation über das vertebrobasiläre Gefäßsystem. * Lokale arterioklerotische Veränderungen. Klinik: Je nach betroffenem Abschnitt der A. cerebri posterior kommt es zu charakteristischen klinischen Ausfallserscheinungen * Ischämie der Sehrinde der betoffenen Seite (Area striata, A. calcarina): Homonyme Hemianopsie zur Gegenseite, die häufig aufgrund der vaskulären Mitversorgung über die Gegenseite inkomplett ist. * Ischämie in den sekundären optischen Rindenfeldern (visuelle Assoziationszentren, A. parietalis und A. parietotemporalis): Komplexere neuropsychologische Defizite wie Halluzinationen, Photopsien oder bei bilateralem Ausfall visuelle Agnosien (Seelenblindheit). * Ischämie des mediobasalen Temporallappens: Mnestische Störungen. * Thalamische Ischämien: – Vordere und mediale Thalamusabschnitte: Brachiofazial betonte Hemiparese, Desorientiertheit, Antriebsstörung, thalamische Aphasie. – Bilaterale mediale Thalamusabschnitte:
*
Klinik: Charakteristisches Syndrom. Bildgebung: * Computertomographie. * Kernspintomographie (sensitiver für die Darstellung von Ischämien im hinteren Stromgebiet).
*
Therapie *
Abhängig von der zugrundeliegenden Ätiologie des Hirninfarktes. Zu Akut- und langfristiger Therapie: Hirninfarkt. Aufgrund der häufig sehr prominenten neuropsychologischen Defizite ist eine von Beginn an intensive neuropsychologische Betreuung essentiell.
* *
Nachsorge Hirninfarkt
Prognose Unter anderem abhängig von der Lokalisation des Hirninfarktes: * Bilaterale Thalamusischämien zeigen trotz des meist nur kleinen strukturellen Defizits aufgrund der Vigilanzminderung häufig schwere, therapieresistente Defektsyndrome. * Thalamische Schmerzsyndrome sind häufig hartnäckig und therapeutisch schwer beherrschbar.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Definition
Diagnostik
3
Arteria cerebri posterior, Makroangiopathie
3
*
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Hirninfarkt
Arteria choroidea anterior Synonyme Englisch: anterior choroidal artery (ACHA)
A
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Arteria choroidea posterior
Definition Letzter vor dem „Karotis-T“ aus der A. carotis abgehender Ast (gelegentlich auch aus der A. cerebri media) mit Verlauf über den Tractus opticus und die Fissura choroidea zum Plexus choroideus. Rein subkortikale Versorgungsareale.
Grundlagen Versorgung von Anteilen des Plexus choroideus, des Tractus opticus, des Uncus, des Hippocampus, des Corpus amygdaloideum, des medialen Globus pallidus, des Nucleus caudatus, des Thalamus, der hinteren Capsula interna und der Sehstrahlung (teilweise auch Anteile des Mes- und Dienzephalons). Kollateralen zu den Rr. choroidei posteriores.
minalis anterior als Teil des Circulus arteriosus cerebri (Willisi).
Grundlagen Bei Verschlüssen oder hochgradigen Stenosen der A. carotis interna oder communis wichtigster Kollateralisationsweg zur Versorgung der betroffenen Hemisphäre über die kontralaterale A. carotis. In seltenen Fällen bei fehlender Anlage eines Anteriorabganges Versorgung des distalen Abschnittes über die A. communicans anterior. Prädilektionsstelle für die Ausbildung von Aneurysmen.
Arteria communicans posterior Synonyme
Arteria choroidea posterior Synonyme Ramus choroideus posterior, englisch: posterior choroidal artery (PCHA)
Definition Ast der A. cerebri posterior, abgehend auf Höhe des Mittelhirns. Mediale Äste: Verlauf durch die Cisternae ambientes um das Pulvinar herum bis zu den Nuclei anteriores des Thalamus. Laterale Äste: Verlauf zum Plexus choroideus an den Unterhörnern der Seitenventrikel.
Grundlagen Versorgung von Thalamusanteilen, Plexus choroideus, Corpora geniculata, vordere Vierhügel, obere Kleinhirnstiele und Pulvinar. Anastomosenbildung mit der A. choroidea anterior.
Englisch: posterior communicating artery
Definition Paarig, jedoch sehr variabel angelegte Verbindung zwischen A. carotis interna und A. cerebri posterior als Teil des Circulus arteriosus cerebri (Willisi).
Grundlagen Abgang aus der A. carotis interna kurz vor oder im Bereich des „Karotis-T“ mit Insertion in die A. cerebri posterior im proximalen Anteil. Im Verlauf Versorgung der Corpora mamillaria, des vorderen Thalamus, des Subthalamus, des Tuber cinereum und des hinteren Schenkels der Capsula interna über feine Äste.
Arteria occipitalis Arteria communicans anterior
Definition Ast der A. carotis externa.
Synonyme Ramus communicans anterior, englisch: anterior communicating artery
Definition Unpaarige Verbindung zwischen den beiden Aa. cerebri anteriores auf Höhe der Lamina ter-
Grundlagen Abgang unter dem hinteren Bauch des M. digastricus, zum Hinterhaupt ziehend. Versorgung der Nacken- und Kopfmuskulatur, der Hinterfläche der Ohrmuschel, der okzipitalen Kopfhaut, Diploe und Dura mater.
Arteria vertebralis
Arteria ophthalmica Synonyme Englisch: ophthalmic artery
Definition Paarig angelegter erster Ast der A. carotis interna mit Abgang im distalen subarachnoidalen Bereich des knöchernen Canalis caroticus.
Grundlagen Einzelne Äste bilden Anastomosen zwischen den Versorgungsgebieten der A. carotis interna und externa. Versorgung der Augen (A. centralis retinae), der medialen Stirnhaut, des Tränenapparates, der Orbitawände, der Stirnhöhle, der Siebbeinzellen, der Dura mater, des Oberlides und von Nasenanteilen. Physiologischerweise orthograd durchflossen. Bei höhergradigen Stenosen oder Verschlüssen der A. carotis interna retrograder Fluss.
Arteria radicularis Synonyme Wurzelarterie
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cus, links aus dem Aortenbogen entspringende, über die Pleurakuppel unter der Klavicula verlaufende Arterie.
Grundlagen Gefäßabgänge von proximal nach distal: A. vertebralis, Truncus thyreocervicalis, Truncus costocervicalis, A. transversa collis. Mündung in die A. axillaris. Versorgung des sog. posterioren Stromgebietes über die Aa. vertebrales, des oberen Rückenmarkes, der Halsweichteile und der oberen Extremitäten.
Arteria thalamogeniculata Definition Aus der A. cerebri posterior entspringende Arterie.
Grundlagen Versorgung der Corpora geniculatae mediales et laterales und des lateralen Thalamus. Bei Verschluss der A. thalamogeniculata meist Bild eines lakunären Syndromes, z. B. im Sinne eines „pure sensory stroke“ oder einer ataktischen Hemiparese (evtl. choreatischathetotisch).
Definition Das Rückenmark versorgende Arterien, aus den Aa. spinales der Aorta bzw. aus dem Truncus thyreo- bzw. costocervicalis hervorgehend.
Arteria thalamotuberalis
Grundlagen
Definition
In der Embryonalzeit segmental angeordnet, im Erwachsenenalter nur noch ca. jede 5. Spinalwurzel durch das Foramen intervertebrale begleitende Arterie, die nach Aufzweigung in die ventrale bzw. dorsale Wurzelarterie in die A. spinalis anterior und in die Aa. spinales posterolaterales münden. Im Lumbalbereich wird das Spinalmark durch die größere A. radicularis magna (meist die 1. oder 2. Lumbalwurzel begleitend) versorgt.
Aus dem Ramus communicans posterior hervorgehende Arterie.
Grundlagen Versorgung des anterioren Thalamusanteils. Bei Verschluss des Gefäßes lakunäre Syndrome (z. B. sensomotorische Hemiparese) oder neuropsychologische Defizite bis hin zur Abulie.
3
3
Arteria vertebralis Arteria subclavia
Definition Paarig aus den Aa. subclaviae entspringende Arterien. Praevertebraler Verlauf entlang der Halsweichteile (V1-Abschnitt), intervertebraler 3
Definition Große, rechts aus dem Truncus brachiocephali-
A
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Arteria-radicularis-magna-Syndrom
Verlauf durch die Foramina transversaria meist ab 6. Halswirbelkörper (V2-Abschnitt) bis zur Atlasschlinge (V3-Abschnitt) und nach Durchtritt durch das Foramen magnum intrakranieller Verlauf vor dem Hirnstamm (V4-Abschnitt) bis zur Mündung in die Arteria basilaris durch Zusammenfluss der beiden Aa. vertebrales. 3
Grundlagen Gefäßabgänge: Rr. musculares, Rr. meningei, Aa. spinales anteriores und A. cerebelli posterior inferior. Versorgung der Halsmuskeln (partiell), des oberen Rückenmarks, der Dura mater (Boden der hinteren Schädelgrube), der Medulla oblongata und des basalen Kleinhirns. Häufig einseitig hypoplastische Anlage, teils ohne Anschluss an die A. basilaris und direktem Übergang in die A. cerebelli posterior inferior. Bei Verschlüssen häufig Infarkt der A. cerebelli posterior inferior mit posterolateralem Medulla-oblongata-Syndrom ( Wallenberg-Syndrom) und basalem Kleinhirninfarkt. Bei kontralateral hypoplastischer A. vertebralis auch Infarzierungen in den A. basilaris versorgten Gebieten.
Arteria-radicularis-magnaSyndrom Synonyme Spinale Ischämie
Definition Durch Verschluss der Arteria radicularis magna (größter der vorderen Radikulararterienäste, meist zwischen Th9 und Th12) hervorgerufene tief thorakale oder hoch lumbale (häufig komplette) Querschnittlähmung.
Grundlagen Ätiologisch am bedeutsamsten sind Erkrankungen der Aorta (Aneurysma, Dissektion, schwere Arteriosklerose) und operative Eingriffe an der Aorta. Die Rückbildungstendenz ist schlecht.
3
3
3
Arteria-spinalis-anterior-Syndrom Synonyme Spinale Ischämie
Grundlagen
3
Ein Verschluss der vorderen Rückenmarksarterie (kranial gebildet aus zwei Ästen der Aa. vertebrales, Zuflüsse aus dem Truncus thyreocervicalis, über die A. cervicalis ascendens,
Arteria-spinalis-anterior-Syndrom. Abb. 1: Arterielle Versorgung des Rückenmarks
Arteriitis temporalis (cranialis)
meist in Höhe C 6/7 und aus der A. radicularis magna führt zum Arteria-spinalis-anteriorSyndrom mit spastischer Para- oder Tetraparese, dissoziierter Sensibilitätsstörung kaudal der Läsion und Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung. 3
Arteria-spinalis-posteriorSyndrom Synonyme
Anteils des Caput nuclei caudati und des vorderen Drittels des kaudalen Schenkels der Capsula interna. Bei meist embolischem Verschluss der Aa. lenticulostriatae resultiert ein striatokapsulärer Endstrominfarkt mit meist hochgradiger brachiofazialbetonter Hemiparese. Der Verschluss einzelner Äste ist dagegen meist mikroangiopathischer Genese und führt zu typischen lakunären Infarkten.
Spinale Ischämie
Arterie
Grundlagen
Arteria
3
Der Verschluss der Aa. spinales posteriores (paarige hintere Rückenmarksarterien, die aus den Aa. cerebelli posteriores inferiores entspringen und Zuflüsse aus den Radikulararterien erhalten) führt zur Hinterstrangstörung und Paraparese.
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Synonyme Schlagader, englisch: artery
Definition Blutgefäß im Hochdrucksystem mit Blutströmungsrichtung vom Herzen zum Gewebe. Im Vergleich zur Vene stabilere Wandstruktur.
Arteria-sulcocommissuralisSyndrom Arteriitis temporalis (cranialis) Synonyme Synonyme
Spinale Ischämie
3
Durch Verschluss einer aus der A. spinalis anterior entspringenden Sulcocomissuralarterien resultierendes vaskuläres Brown-Sequard Syndrom.
Riesenzellarteriitis mit Befall großer Arterien
Definition Die Arteriitis temporalis (AT) ist eine Form der Riesenzellarteriitis, welche vorrangig die A. carotis externa und ihre Äste betrifft, bei älteren 3
Grundlagen 3
Arteriae lenticulostriatae Synonyme Rr. lenticulostriatae, Rr. striae mediales et laterales, englisch: lenticulostriate arteries
Definition Im proximalen Bereich der A. cerebri media abgehende Äste mit rein subkortikalen Versorgungsarealen.
Grundlagen Versorgung des Putamens, des Genu capsulae internae, des Corpus nuclei caudati, des oberen
Arteriitis temporalis (cranialis). Abb. 1: Lokalbefund bei Arteriitis temporalis
A
120
Arteriitis temporalis (cranialis)
Personen (über 50 Jahre) auftritt und typischerweise mit unspezifischen Allgemeinsymptomen einhergeht.
– Erhöhung von Endothelspiegeln – Assoziation mit den Gewebeantigen HLA-DR 4
Diagnostik
Therapie
Wichtigster diagnostischer Schritt zur Sicherung der Diagnose einer AT ist die Biopsie der A. temporalis. Aufgrund des diskontinuierlichen Befalls muss das Biopsat mindestens 2,5 cm lang sein! Bei 80–90% der Patienten mit histologisch gesicherter AT lassen sich in der farbkodierten Duplexsonographie Stenosen und Verschlüsse der Externaäste sowie ein positives Halo-Zeichen (sonographische Signalauslöschung perivaskulär) nachweisen. Diagnostische Kriterien der Arteriitis temporalis: * Alter >50 Jahre * Dauerkopfschmerzen (mit Claudicatio masticatoria) * BSG ≥ 50 mm/h * Konstitutionelle Symptome (Inappetenz, Gewichtsabnahme, Fieber, Abgeschlagenheit, allgemeines Krankheitsgefühl) * Sehstörungen * Polymyalgia rheumatica (PMR) – Morgensteifigkeit der Gelenke – Symmetrische Arthralgien und Myalgien des Brust- oder Beckengürtels * Promptes Ansprechen auf Kortikosteroide
Die Indikation zur Therapie und die Dosisanpassung im weiteren Verlauf richtet sich nach klinischem Bild, dem sonographischen Befund und v. a. dem histologischen Nachweis einer Arteriitis. Zur Therapie- und Verlaufskontrolle eignet sich die Bestimmung von BSG und CRP.
3
Typische Laborbefunde: * BSG-Erhöhung * Erhöhung von Akute-Phase-Proteinen – CRP – α-1-Antitrypsin – α-2-Globulin – Haptoglobin – Orosomukoid * Erhöhung von Blutgerinnungsparametern – Fibrinogen – Faktor VIII * Nachgewiesene Antikörper – Antinukleäre Antikörper – Antimitochondriale Antikörper – Antithyroidantikörper * Weitere Befunde – Hypochrome Anämie – Herabgesetzter Eisen-Kupfer-Quotient – Erniedrigte Komplementfaktoren (C3/C4) – Erhöhung des Angiotensin-convertingEnzyms (ACE) – Veränderte T4/T8-Ratio – Erhöhte Gewebezytokinspiegel (PCR)
gesichert Therapie der ersten Wahl sind Kortikosteroide. Initial: * bei klinisch, sonographisch oder histologisch sicherer AT: 60–80 mg täglich * bei klinisch vorherrschender PMR ohne histologischem Nachweis einer AT: 20 mg täglich Reduktion: * nach 5–7 Tagen um 10 mg pro Woche, bis auf 20 mg täglich * dann nicht mehr als 2 mg pro Monat Zieldosis: * 10 mg täglich * bei der PMR innerhalb von Wochen, bei der AT in der Regel nach einem halben Jahr anzustreben empirisch Eine Kombination mit Immunsuppressiva hilft nur begrenzt bei der Einsparung von Kortikosteroiden. In Einzelfällen wurde ein Effekt auf die Steroiddosis durch Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin A und Cyclophosphamid beobachtet werden. unwirksam/obsolet Nichtsteroidale Antiphlogistika sind bei der AT unwirksam. Sie können bei der PMR gegeben werden. Die gleichzeitige Gabe von Rifampicin ist kontraindiziert, da die AT dann nicht mehr auf Kortikosteroide anspricht!
Nachsorge In der Regel sollte die Behandlungsdauer zwischen 1 und 5 Jahren liegen, wobei eine höhere Rezidivrate bei unter 20 Monaten beobachtet wird [1]. Eine Beendigung der Kortikosteroidtherapie sollte erst bei klinischer Symptomfrei-
Arteriitis, isolierte des zentralen Nervensystems (IAN)
heit und normaler BSG und CRP für mindestens 12 Wochen erfolgen. In den ersten 3 Monaten sollte eine wöchentliche Kontrolle des klinischen Bildes und der Laborwerte erfolgen, da dort das Risiko eines Rezidivs am höchsten ist. Dabei korreliert im Langzeitverlauf der CRPWert (besser als die BSG) mit der Prognose der Erkrankung und dient als Hinweis auf mögliche Rezidive.
Prognose Die Rezidivrate liegt bei 40–90% und ist während der Reduktionsphase im 1. Behandlungsjahr am höchsten, wobei eine initiale BSG von über 90 mm in der 1. Stunde ein hohes Risiko bedeutet. Komplikationen können alle Gefäße anderer Organsysteme betreffen (Aortendissektion, Myokard- und Mediastinalinfarkt, etc.). Patienten mit vorbestehender Arteriosklerose, höherem Lebensalter und einem nach 6 Monaten weiterhin hohen Bedarf an Kortikosteroiden sind besonders gefährdet.
Literatur 1. Berlit P (1992) Clinical and laboratory findings with giant cell arteriitis. J Neurol Sci III, 1–12
Arteriitis, isolierte des zentralen Nervensystems (IAN) Synonyme Isolierte Angiitis des zentralen Nervensystems (IAN)
Definition Die IAN ist eine sehr seltene idiopathische, chronisch rezidivierende Angiitis kleiner und mittlerer zerebraler und/oder spinaler Gefäße.
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die CT vollkommen unauffällig sein kann, finden sich in der MRT subkortikal und kortikal häufig vaskuläre Läsionen. Die zerebrale Angiographie weist in über 90% charakteristischerweise multilokuläre Kalibersprünge und Abbrüche kleiner und mittlerer Gefäße nach, wobei die extrakraniellen Gefäße in der Regel normal sind. Unbedingt muss der Ausschluss einer systemischen Angiitis/Kollagenose gemäß folgender Laboruntersuchungen erfolgen: 1. Systemische Entzündung * BSG, CRP * Immunelektrophorese * Komplement C3, C4 * Differenzialblutbild * Zirkulierende Immunkomplexe 2. Kollagenkrankheiten * Auotantikörper (ANA, ggf. ds-DNA, SSA, SSB, u. a.) * Rheumafaktoren 3. Infektionen * Borrelienantikörper * Luesserologie * Kryoglobuline * Paraproteine * Liquor: Zellzahl, Gesamtprotein, IgG, IgA, IgM, oligoklonale Banden 4. Viszerale Beteiligung * Transaminasen * Kreatininclearance * Urin: Protein, Zylinder, Erythrozyten, Eosinophilie 5. Assoziierte Koagulationsstörungen * PT, PTT * Antiphospholipidantikörper (Antikardiolipin, Lupus-Antikoagulanz) 6. Sonstige * Zytoplasmatische und perinukleäre antineutrophile Antikörper (c-ANCA und pANCA)
Einleitung Sie geht mit mononukleären entzündlichen Infiltraten mit Gefäßnekrosen und –stenosen, gelegentlich mit Granulomen einher. Klinisch tritt die variable Trias aus Enzephalopathie mit kognitiven Einbußen und Wesensänderung, Dauerkopfschmerzen und multifokalen Symptomen durch rezidivierende Ischämien auf.
Diagnostik Entscheidend ist der neuroradiologische und histologische Nachweis der Angiits. Während
Schließlich muss eine medikamenten- oder infektassoziierte Vaskulitis sowie ein paraneoplastisches Geschehen ausgeschlossen werden. Eine offene Biopsie von leptomenigealem und parenchymatösem Gewebe sollte zur Diagnosesicherung bei Patienten mit mindestens 4 Monate andauernder typischer Symptomatik oder bei besonders schweren Verläufen erfolgen.
Therapie Eine immunsuppressive Therapie ohne histolo-
A
122
Arteriitis, septische
gischem Nachweis der Vaskulitis ist ein Kunstfehler! gesichert Die IAN wird in der Regel nach dem FauciSchema behandelt. * Initial: Cyclophosphamid 2 mg/kg KG täglich p. o. (Leukozyten nicht unter 1500) + Prednison 60 mg täglich * Reduktion von Cyclophosphamid nach 1 Jahr um 25 mg alle 2–3 Monate; von Prednison nach 2–4 Wochen (nach BSG) * Bei fulminantem Verlauf: Cyclophosphamid 4 mg/kg KG täglich i. v. + Prednison 30 mg/ kg KG Bolus für 3 Tage, dann 15 mg/kg KG Bolus für 3 Tage 3
unwirksam/obsolet Eine immunsuppressive Therapie, insbesondere durch Cyclophosphamid, darf nicht ohne den Ausschluss einer erregerbedingten Erkrankung begonnen werden.
Therapie Eine antibiotische Therapie richtet sich zum einen nach dem Erregernachweis in der Blutkultur und zum anderen nach dem klinisch führenden Symptom der septischen Arteriitis.
Arteriitis, zerebrale bei Lues Definition Eine spezifische zerebrale Arteriitis kann im 3. Stadium der Neurolues (Lues cerebrospinalis) auftreten und geht mit einer Infektion der Vasa vasorum und obliterierender Gefäßwandentzündung einher.
Einleitung
Definition
Klinisch zeigen sich meist Hirninfarkte in den Versorgungsgebieten der betroffenen Hirnarterien. Vor allem bei ätiologisch unklaren zerebralen Ischämien oder bei betroffenen jungen Menschen muss eine Neurolues ausgeschlossen werden. Cave: Eine koinzidente HIV-Infektion mit bestehendem Immundefekt hat wesentlich kürzere Latenzzeiten bis zur Manifestation einer Neurolues, als dies bei der Normalbevölkerung der Fall ist. So kann eine Lues cerebrospinalis bereits wenige Monate nach der Luesprimärinfektion auftreten.
Befall der Wand intrakranieller Arterien durch Bakterien oder Pilze.
Diagnostik
Arteriitis, septische Synonyme Gefäßwandentzündung durch Erreger
Einleitung Durch die entzündliche Reaktion kann es zur Gefäßwandnekrose, Wandruptur und Massenblutung kommen. Dabei kann sich ein infektionsbedingtes (sog. mykotisches) Aneurysma bilden, das an den basalen und intrazerebralen Arterien lokalisiert sein kann. Ursächlich sind septische Thrombembolien bei Endokarditis der Mitral- oder Aortenklappe, selten eine basale Meningitis per continuitatem, infizierte intraarterielle Katheter oder eine vorangegangene Angioplastie.
Diagnostik Ein Erregernachweis kann durch mehrfache Entnahme von peripher venösem Blut in Blutkulturen erfolgen. Eine transösophageale Echokardiographie sichert die Diagnose von Klappenvegatationen.
Beim Verdacht auf eine Lues cerebrospinalis ist der wichtigste diagnostische Marker die spezifische Luesserologie in Serum und Liquor. Neben relativ unspezifischen Parametern (TPHA, VDRL) gibt es auch hochspezifische, eine Lues beweisende Bestätigungsreaktionen (FTA-Abs-Test, 19S-IgM-Abs-Test). Allgemein entzündliche Veränderungen im Liquor sind in den späteren Stadien weniger ausgeprägt als in Stadium I-II, können jedoch noch vorhanden sein. Dabei sind intrathekale IgG- und IgM-Bildung ohne IgA typisch. Neuroradiologisch können sich multiple ischämische Läsionen und Gefäßverschlüsse (CT, MRT, MRA oder konventionelle Angiographie) finden. Cave: Grundsätzlich sollte eine koinzidente HIV-Infektion ausgeschlossen werden, da ein positiver Befund entsprechende therapeutische Konsequenzen hat. Zusätzlich ist zu bedenken, dass bei einem bereits manifesten Immundefekt
Arteriopathie, dilatative
falsch negative oder niedrig positive Befunde in der Luesserologie zu erwarten sind.
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5 Jahren auftreten kann. Oder es handelt sich um eine Neuinfektion mit dem Erreger.
Therapie gesichert Eine sichere Behandlung erfolgt mit Penicillin G i. v. (2–3mal 10 Mega-IE oder 4mal 5 MegaIE/Tag über 14–21 Tage). Bei Penicillinallergie können alternativ Doxycyclin (2mal 0,1 g/Tag i. v. für 4 Wochen), Erythromycin (4mal 500 mg/Tag p. o. für 4 Wochen) oder Ceftriaxon (2 g/Tag i. v. für 2–3 Wochen) eingesetzt werden, letzteres v. a. bei Schwangeren. Cave: Nach der 1. Gabe von Penicillin kann es durch den Zerfall der Treponemen zur massiven Endotoxinfreisetzung (Jarisch-HerxheimerReaktion) kommen, die Fieber, Schüttelfrost und epileptische Anfälle hervorrufen kann und nicht mit einer Penicillinunverträglichkeitsreaktion verwechselt werden darf. Dann ist die Gabe von Prednison (40–60 mg i. v.) sinnvoll, sollte allerdings nicht prophylaktisch erfolgen. Bei HIV-Patienten mit positiver Luesanamnese, einer möglicherweise mangelhaften Lueserstbehandlung und (schwach) nachweisbaren Luesantikörpern in Serum und Liquor sowie (geringen) entzündlichen Liquorentzündungen (Pleozytose, Eiweißerhöhung) sollte eine probatorische Penicillinbehandlung unter genauer klinischer und Liquorkontrolle durchgeführt werden, um eine aktive Neurolues nicht zu übersehen.
Arteriopathie, dilatative Synonyme Arterienerweiterung
Definition Nicht entzündliche Erweiterung arterieller Gefäße, zum Teil mit Knick- (Kinking) und Schlingenbildung (Coiling).
Einleitung *
*
*
Nachsorge Nach Beendigung der ersten Penicillintherapie sollte nach einem halben Jahr eine Lumbalpunktion durchgeführt und eine zweite Behandlung nach gleichem Schema durchgeführt werden. Weitere Liquorkontrollen und ggf. auch weitere Penicillinzyklen können bei fraglichem Therapieerfolg (klinischer Verlauf und Liquorbefund) notwendig werden. Bei erfolgreich therapierten Patienten kann als „Narbe“ eine geringe Eiweißerhöhung und oligoklonales IgG im Liquor ohne weitere Therapiekonsequenz verbleiben.
Prognose Bei erfolgreicher Therapie ist mit einer Besserung der Infarksymptome zu rechnen. Allerdings muss bei neuauftretender Symptomatik ein Rezidiv bedacht werden, das nach bis zu
Ätiologie: Häufig spontan, aber auch arteriosklerotisch bedingt durch langjährige arterielle Hypertonie oder bei Dysplasie-Syndromen (z. B. Marfan). Vorkommen: Das Hirngefäßsystem betreffend häufig im extrakraniellen Verlauf von A. carotis interna und A. basilaris (Megadolichobasilaris), kann aber jedes Hirngefäß betreffen. Symptomatik: Meist Zufallsbefund, Gefäßerweiterungen im Stromgebiet der A. basilaris können durch Turbulenzen bzw. Verlangsamungen des Blutflusses zur Ausbildung von Gerinnseln führen, die in der Folge symptomatisch werden können. Erweiterungen im Stromgebiet der A. carotis sind fast immer asymptomatisch und nicht mit einem erhöhten Infarktrisiko verbunden.
Diagnostik * * *
Duplexsonographie. Zerebrale Bildgebung mittels CT-/MR-Angiographie. Konventionelle Angiographie (DSA).
Therapie * * *
Keine kausale Therapie bekannt. Konsequente Blutdruckeinstellung. Bei symptomatischer Megadolichobasilaris sollte eine Sekundärprophylaxe mittels Antikoagulation bzw. Thrombozytenaggregationshemmern diskutiert werden.
A
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Arteriosklerose
Bewertung Relativ selten, meist asymptomatisch.
Arteriosklerose Synonyme Arterienverkalkung (umgangsprachlich)
Definition Chronisch fortschreitende degenerative Veränderungen der Gefäßwand mit konsekutiver Wandverhärtung, Deformierung und Einengung des Gefäßlumens.
Einleitung Arteriosklerotische Veränderungen können in fast allen Arterien auftreten. Von zerebrovaskulärer Seite unterscheidet man * Arteriosklerose der großen hirnversorgenden Gefäße ( Makroangiopathie) * Arteriosklerose der kleinen, penetrierenden Hirngefäße ( Mikroangiopathie) 3
3
Die Genese der Arteriosklerose ist multifaktoriell und nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Man nimmt an, dass es durch das Zusammenspiel unterschiedlicher vaskulärer Risikofaktoren zu einer funktionellen und strukturellen Schädigung der Arterien kommt mit Ablagerung von Lipiden in der Gefäßwand. Zu den Risikofaktoren zählen: * Arterielle Hypertonie * Diabetes mellitus * Nikotinabusus * Hyperlipidämie (oxidiertes LDL-Cholesterin) * Hyperhomocysteinämie * höheres Lebensalter. Arteriosklerose wird symptomatisch durch hämodynamischen Blutflussabfall an Stenosen (selten), Gefäßverschluss oder Embolien ausgehend von der arteriosklerotischen Plaque (häufig). Prädilektionsstellen zerebrovaskulärer Gefäßveränderungen sind vor allem Gefäßabgänge, wo es zu Turbulenzen im Blutfluss kommen kann (Häufigkeiten in %): * Karotisbifurkation (35%) * A. vertebralis (20%) * A. subclavia (12%) * A. basilaris (8%)
Arteriosklerose. Abb. 1: Prädilektionsstellen der Arteriosklerose im Bereich der extra- und intrakraniellen Arterien
*
Karotissiphon (6%).
Auslöser für Gefäßverschluss und Mikroembolien sind nach derzeitigem Konzept die Plaqueruptur (Einreißen der lumenwärts gerichteten fibrösen Kappe) mit Thrombozytenaktivierung und Thrombusbildung. Solche sog. „instabilen Plaques“ weisen entzündliche Veränderungen auf, mit T-Lymphozyten, aktivierten Makrophagen, Expression von Metalloproteinasen und Tissue-factor. Als Ursache der inflammatorischen Veränderungen in Plaques werden eine Immunantwort gegen Lipoproteine und auch infektiöse Erreger, wie Chlamydia pneumoniae, Helicobacter pylori und Cytomegalievirus diskutiert.
Diagnostik *
Anamnese mit Evaluierung des Risikofaktorprofils.
Arteriosklerose *
*
Extra- und intrakranielle Duplexsonographie zur Darstellung der Gefäßmorphologie und Flussverhältnisse. In indizierten Fällen zerebrale Bildgebung mit indirekter Darstellung der arteriosklerotischen Gefäßveränderungen durch * CT-Angiographie * MR-Angiographie * Konventionelle zerebrale Angiographie (DSA).
Therapie Eine zentrale Bedeutung kommt der Identifikation und Behandlung der vaskulären Risikofaktoren zu. Von therapeutischer Seite aus ist auch eine Differenzierung in symptomatische und asymptomatische arterioklerotische Gefäßveränderungen sinnvoll. Das Risiko, dass eine arteriosklerotische Gefäßveränderung symptomatisch wird, ist unter anderem abhängig vom Grad der Stenose. gesichert 1. Sowohl für die symptomatische als auch asymptomatische Arteriosklerose bedeutsam sind eine strenge Einstellung von * Blutdruck (Systole <140 mmHg, Diastole <90 mmHg) * Blutzucker (Nüchtern-Blutzucker <110 mg/dl, HbA1c <6,0%) * Blutfetten (Arterioskleroserisiko umgekehrt proportional zum LDL-Cholesterinspiegel) durch diätetische und medikamentöse Maßnahmen (z. B. HMG-CoAReduktasehemmer). 2. Gefäßchirurgische Verfahren Unter Berücksichtigung der Datenlage aus den Studien NASCET, ECST können momentan folgende Empfehlungen gegeben werden: * Symptomatische Arteriosklerose Eine A. carotis interna-Stenose ≥70%, die ischämische zerebrale oder okuläre Symptome innerhalb der letzten 6 Monate verursacht hat, ist eine gesicherte Indikation für eine Thrombendarterektomie. Die NNT (number needed to treat) um einen ipsilateralen Schlaganfall zu verhindern ist 17. Die Komorbidität sollte eine Lebenserwartung von etwa 5 Jahren zulassen. Zur dilatativen Angioplastie extra- und intrakranieller Gefäße mittels
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Ballon und ggf. Stent-Anlage gibt es bislang keine ausreichende Datenlage, sodass diese momentan nur im Rahmen kontrollierter Studien durchgeführt werden sollten. * Asymptomatische Arteriosklerose Die einzig vorliegende Studie, die für eine Thrombendarterektomie bei asymptomatischen Stenosen >60% spricht, ist die amerikanische ACAS Studie. Die NNT ist jedoch hoch mit 100, zudem wird die Studie kritisiert wegen der aus den 2-Jahresbeobachtungen extrapolierten, und nicht tatsächlich erhobenen 5Jahresprognose. Überwiegend wird deshalb derzeit bei asymptomatischen Stenosen die Operation nicht empfohlen. Kann-Indikationen sind filiforme Karotisstenosen >90% und progrediente Karotisstenosen. 3. Thrombozytenaggregationshemmer * Symptomatische Arteriosklerose Bei neurologischen Symptomen durch eine Arteriosklerose (TIA, Schlaganfall, Amaurosis fugax) haben Thrombozytenaggregationshemmer eine gesicherte Indikation. Dies gilt auch postoperativ nach Karotisoperationen (s. o.): – Acetylsalicylsäure (100 mg täglich) – Clopidogrel (75 mg täglich) – Ticlopidin (2×250 mg täglich), cave: Neutropenien – Kombination von ASS und Dipyridamol (z. B. ASS 25 mg plus Dipyridamol 200 mg 2×tgl.) * Asymptomatische Arteriosklerose Gesunde Menschen sollten keine Thrombozytenaggregationshemmer zur Schlaganfallprophylaxe einnehmen, da die Risikoreduktion für Ischämien durch eine geringe Hirnblutungszunahme aufgewogen wird. Bei Nachweis einer Arteriosklerose (z. B. in der Duplexsonographie) bzw. erhöhtem Risikoprofil (z. B. Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie) werden häufig die Empfehlungen zur Sekundärprophylaxe zugrundegelegt (s. o.), so in den Richtlinien der amerikanischen Diabetesgesellschaft. 4. Cholesterinsenkende Medikamente, insbesondere HMG-CoA Reduktasehemmer (Statine, CSE-Hemmer) und Statine senken das Schlaganfallrisiko. Durch Studien erwiesen
A
Arthritis
ist dies bislang nur bei Patienten mit gleichzeitiger koronarer Herzkrankheit.
Definition
empirisch Hyperhomocysteinämie: Durch die tägliche Einnahme von 5 mg Folsäure – zum Teil auch in Kombination mit Pyridoxin (Vitamin B6) – kann ein erhöhter Homocysteinspiegel gesenkt werden. Es ist bislang noch unklar, ob eine erfolgreiche Behandlung der Hyperhomocysteinämie – sei es durch Folsäuresubstitution oder beispielsweise auch diätetisch – mit einer Reduktion arteriosklerotischer Veränderungen verbunden ist. Nach momentaner Studienlage gibt es keine Empfehlung für eine antibiotische Therapie zur kalkulierten Behandlung der möglicherweise infektiösvermittelten Arteriosklerose. unwirksam/obsolet Pentoxyphyllin.
Nachsorge Regelmäßige duplexsonographische Verlaufskontrollen (z. B. halbjährlich).
Prognose Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz arteriosklerotischer Veränderungen. Die Optimierung des Risikofaktorprofils ist entscheidend für die Prognose.
Diätetik/Lebensgewohnheiten * * * *
Arylsulfatase A
Kochsalzrestriktion in der täglichen Nahrung zur adjuvanten Blutdrucksenkung. Konsequente Nikotinabstinenz. Gewichtsnormalisierung. Ausdauersport.
Arthritis Einleitung Eine Arthritis mit Beteiligung des zentralen oder peripheren Nervensystems kann zum einen bei der chronischen Polyarthritis, zum anderen bei der rheumatoiden Arthritis auftreten.
Sulfatabspaltendes Enzym (Sulfatidase), dessen Fehlen Ursache der metachromatischen Leukodystrophie ist. 3
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Ascorbinsäure Synonyme Vitamin C
Vorkommen L-Ascorbinsäure wird von höheren Pflanzen und Tieren aus D-Glukose synthetisiert. Menschen sind nicht zu ihrer Synthese fähig. Bei Pflanzen sind alternative Wege zur Ascorbinsäure möglich, Mikroorganismen bilden und benötigen sie nicht. Der Tagesbedarf beträgt ca. 75 mg für den Erwachsenen. Zu den wichtigsten Nahrungsmitteln mit L-Ascorbinsäure gehören Gemüse, insbesondere verschiedene Kohlarten und Kartoffeln sowie Zitrusfrüchte. Der Gehalt liegt zwischen 0,02 und 1,7%. Von gewisser therapeutischer Bedeutung sind Hagebutten, Ebereschen und Sanddornfrüchte. Auch in tierischen Organismen ist L-Ascorbinsäure verbreitet, jedoch in geringer Konzentration. Den höchsten Gehalt haben jeweils die Organe mit endokriner Funktion.
Wirkungen Vitamin C ist an biochemischen Redoxsystemen beteiligt. Über Redoxprozesse hinaus gibt es aber auch Wirkungen der Ascorbinsäure, deren Mechanismus noch völlig unbekannt ist. Die wichtigsten Wirkungen der Ascorbinsäure sind deren Funktion als Radikalfänger sowie deren Beteiligung an mikrosomalen Hydroxylierungsreaktionen. Außerdem begünstigt Vitamin C die Eisenresorption durch Reduktion zu Fe2+. Ascorbinsäure hemmt die Nitrosaminbildung aus Nitrit und sekundären Aminen und hat Einflüsse auf das Immunsystem und endokrine Regelsysteme, die z. Zt. noch nicht vollständig erklärt werden können.
Resorption Ascorbinsäure wird dosisabhängig begrenzt hauptsächlich im Duodenum und proximalen Jejunum, aber auch bereits über die Mund-
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3
Aspergillose
schleimhaut resorbiert. Mit steigender Dosis sinkt die Resorptionsrate. Sie liegt nach peroraler Gabe in einer Dosis von z. B. 180 mg/d noch zwischen 80 und 90%, nach 3 g bei ca. 40% und nach 12 g nur noch bei 16%. Der nicht resorbierte Anteil wird von der Dickdarmflora überwiegend zu organischen Säuren und CO2 abgebaut. Der Resorptionsmechanismus unterliegt beim Menschen einem Carrier- und Na+-abhängigen aktiven Transport, der den Gesetzen der Sättigung folgt. Im Plasma ist Ascorbinsäure zu etwa 24% an Eiweiß gebunden. Die Verteilung im Organismus ist sehr unterschiedlich. Besonders reich an Vitamin C sind beim Menschen die Nebennieren, Hypophyse, Retina, Milz, Leber, Lunge und das Gehirn. Ascorbinsäure wird ebenfalls über einen aktiven Transportmechanismus diaplazentar auf den Fötus übertragen. Neugeborene verfügen über einen höheren Ascorbinsäurespiegel als die Mutter. Beim gesunden Erwachsenen wird der maximale metabolische turnover von 40– 50 mg/d bei Plasmakonzentrationen von 0,8– 1,0 mg/dL erreicht. Die biologische Halbwertzeit beim Menschen liegt je nach Zufuhr zwischen 10 und 30 Tagen.
Elimination Ascorbinsäure wird beim Menschen entweder über eine reversible Oxidation zu Dehydroascorbinsäure oder zu Oxalsäure und L-Threonsäure abgebaut. Nach physiologischen Dosen sind neben unveränderter Ascorbinsäure (10– 20%), Dehydroascorbinsäure (ca. 20%), Dioxogulonsäure (ca. 20%) und Oxalsäure (ca. 40%) die wesentlichen mit dem Urin ausgeschiedenen Metabolite. Der Abbau zu CO2 und die anschließende Abatmung sind beim Menschen bei üblicher Dosis zu vernachlässigen. Bei Zufuhr sehr hoher Dosen wird der größte Teil als nichtmetabolisierte Ascorbinsäure durch die Nieren eliminiert, der Anteil an CO2 steigt an und die Oxalatausscheidung erreicht eine Sättigung.
Anwendungsgebiete Gesichertes Anwendungsgebiet ist die Prävention und Therapie von Ascorbinsäuremangelzuständen verschiedener Ursachen, soweit sie ernährungsmäßig nicht behoben werden können. Der klinisch-chemisch gesicherte Vitamin CMangel kann auftreten bei: Fehl- und Mangelernährung, dessen klassische Symptome sich
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als Skorbut äußert, sowie bei Malabsorption und Dialysepatienten. Nach schweren Infektionen, Traumen, bei längerfristiger parenteraler Ernährung sowie bei Methämoglobinämie im Kindesalter und bei seltenen angeborenen Stoffwechselstörungen kann ebenfalls ein Mangel auftreten, der eine Therapie erfordert. Therapieversuche bei Cystinurie waren ebenso erfolgversprechend wie bei Infektionen zur Immunmodulation. Als Radikalfänger kommt Vitamin C ebenfalls eine besondere Bedeutung zu.
Dosierung und Art der Anwendung Zur Prophylaxe des Vitamin C-Mangels werden täglich p. o. Gaben von 50–200 mg Ascorbinsäure empfohlen. Zur Therapie sind p. o. Gaben von 200–1.000 mg erforderlich. Bei parenteraler Applikation, z. B. bei parenteraler Ernährung, sollten 200–500 mg Ascorbinsäure/d zugeführt werden. Bei akut toxisch bedingter Methämoglobinämie werden 500–1.000 mg i. v. verabreicht.
Unerwünschte Wirkungen Gelegentlich treten nach Einzeldosen von mehr als 1 g kurz anhaltende osmotische Diarrhoen auf, begleitet von entsprechenden abdominellen Symptomen; bei 10 g und mehr fast immer.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Absolute Gegenanzeigen sind nicht bekannt. Relative Gegenanzeigen bestehen bei OxalatUrolithiasis und Eisen-Speichererkrankungen wie Thalassämie, Hämochromatose.
Überdosierung Keine.
Aspergillose Definition Systemische Infektionskrankheit mit Aspergillus Spezies.
Einleitung Häufigster Krankheitserreger ist Aspergillus fumigatus (selten A. niger, A. flavus), der in Getreide, Heu oder bei Haustieren auftritt und primär zu Infektionen der Lunge führt. Bei hämatogener Aussat ist besonders bei immunsuppri-
A
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Aspiration
mierten Patienten (z. B. AIDS) die Entwicklung einer ZNS-Aspergillose möglich (Pilzenzephalitis). Es kann innerhalb weniger Tage zur Durchwanderung des Gehirns mit Aspergillen mit Entstehung von Granulomen und Abszessen, sowie zur Infiltration der zerebralen Gefäße mit thrombotischen Verschlüssen und intrazerebralen Massenblutungen kommen. Trotz Behandlung besteht eine Mortalität von über 90%. 3
3
Aspiration Definition Eindringen flüssiger oder fester Stoffe in die Atemwege mit zeitweiliger teilweiser oder kompletter Verlegung.
Einleitung Ursache einer Aspiration können fehlende Schutzreflexe bei Bewusstlosen, Narkoseeinleitung bei nicht nüchternen Patienten, Überblähung des Magens oder Erbrechen, z. B. bei Ileus, nach Apoplex, Epilepsie, Barbituratvergiftung oder Aspiration von Wasser bei Ertrinkenden sein. Zu chronischen Aspirationen kommt es z. B. bei Schluckstörungen verschiedener Genese (z. B. infolge Bulbärparalyse bei ALS oder Hirnstamminfarkten, bei Myasthenie und Muskeldystrophien), bei Ösophagusachalasie oder ösophagotrachealer Fistel. Die Folge der Verlegung der Atemwege ist eine Hypoxie, evtl. eine Aspirationspneumonie bis hin zu einem ARDS.
Therapie gesichert Akut: Tracheale Absaugung, evtl. unter Bronchoskopie und sofortige antibiotische Prophylaxe mit Breitbandantibiose, die v. a. auch gram-negative Erreger abdeckt, Röntgen-Thorax. Mikrobiologische Untersuchung des Trachealsekretes und daraufhin Umstellung der Antibiose nach Antibiogramm. Untersuchung der Blutgase, Atemgymnastik und Physiotherapie, insbesondere Klopfmassagen, evtl. Sekretolytika, Magensonde oder parenterale Ernährung und bei möglicher Entwicklung einer Schocklunge frühzeitige Beatmung. Bei Schluckstörungen zusätzlich Therapie der Grunderkrankung.
Nachsorge Verlaufskontrolle anhand des Röntgen-Thorax und evtl. der Blutgase, sowie evtl. weitere Untersuchung des Trachealsekrets.
Prognose Abhängig von Grunderkrankung, der Schwere der Aspiration, der Therapie und der allgemeinen Konstitution des Patienten.
ASS (Acetylsalicylsäure) Synonyme Aspirin
Zubereitungen
Hypoxie oder Pneumonien anderer Genese.
Orale Applikation: Tabletten in einer Dosierung von 50–500 mg. Parenterale Applikation: Injektionslösung mit 1000 mg Acetylsalicylsäure (Aspisol®).
Prophylaxe
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Präoperativ mindestens 6-stündige Nahrungsund Flüssigkeitskarenz und Gabe von Antazida, bei Eingriffen an nicht nüchternen Patienten evtl. Absaugen des Mageninhalts. Bei Risikopatienten rasche Narkoseeinleitung mit schnell wirkenden Einleitungsnarkotika und Verzicht auf Maskenbeatmung. Patient in Oberkörperhochlagerung. Bei Schluckstörungen logopädische und diätetische Maßnahmen und optimale Lagerung der Patienten, evtl. parenterale Ernährung.
Aspirin®, Aspisol®, ASS ® Aspro 320 . In Kombination mit mol: Aggrenox®.
100/500®, Dipyrida-
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Differenzialdiagnose
Wirkungen Thrombozytenaggregationshemmung, Analgetikum, Antipyretikum, Antiphlogistikum. Grundlage hierfür ist eine irreversible Hemmung der Cyclooxygenase, was zu einer verminderten Prostaglandin- und Thromboxan A2Synthese führt.
Astrozytome
Pharmakologische Daten HWZ: 15 min., Metabolite dosisabhängig 3– 22 Stunden.
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Thrombozytenaggregationshemmung zur Sekundärprophylaxe zerebraler Ischämien (z. B. im Rahmen einer Makro- oder Mikroangiopathie, aber auch bei Vorhofflimmern und Kontraindikation für eine orale Antikoagulationstherapie). Therapie der instabilen Angina pectoris, bei akutem Herzinfarkt und als Reinfarktprophylaxe. Therapie des akuten Migräneanfalls (Aspisol® 1000 mg i. v.). Bei leichten bis mittelstarken Schmerzen, Fieber, Entzündungen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.
Dosierung/Anwendung
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Thrombozytenaggregationshemmung beim Schlaganfall: Derzeit werden 75–325 mg/ die zur Sekundärprophylaxe empfohlen. In placebokontrollierten Studien mit ausreichender Fallzahl wurden niedrige, mittlere und höhere Dosierungen miteinander vergleichen. Man geht davon aus, dass bei den meisten Patienten ASS-Dosen ≥30 mg/die wirksam sind. Daten zur Wirksamkeit von ASS in der Akutphase (0–6 Stunden) eines Schlaganfalls fehlen. ASS innerhalb von 48 Std. nach Schlaganfall senkt frühe Rezidive (in den ersten 14 Tagen) um 1,2% bei einer sehr geringen, nichtsignifikanten Zunahme sekundär hämorrhagischer Infarkte. Unterschiedliche Dosierungen für die Anwendungsgebiete Analgesie, Fiebersenkung und antirheumatische Therapie (500– 2000 mg/die). Zur Prophylaxe und Therapie koronarer Ereignisse: 100 mg/die, teilweise in Kombination mit Clopidogrel. Zur Prophylaxe bei Arrhythmie, absolute 300 mg tgl. 3
*
Unerwünschte Wirkungen *
Asthma. Allergie.
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Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Insbesondere Blutungen Intrakraniell: v. a. Parenchymblutungen, eingeblutete Infarkte, subdurale Hämatome. Extrakraniell: v. a. Gastrointestinaltrakt. Gesichert: Zunahme der Häufigkeit gastrointestinaler Blutungen mit höherer Dosierung.
Wechselwirkungen Siehe Fachinformation.
Astrozytome Definition Astrozytome sind Gliome astrozytärer Herkunft, d. h. die Tumorzellen zeigen Eigenschaften astrozytärer Zellen. So exprimieren sie z. B. das saure Gliafaserprotein GFAP, welches immmunhistochemisch in astrozytären Gliazellen nachgewiesen werden kann.
Einleitung Astrozytome sind eine heterogene Gruppe von Tumoren mit unterschiedlicher Biologie, Malignität und Prognose, die nach der WHO-Klassifikation für Gehirntumoren [1] eingeordnet werden und insgesamt etwa 20% der primären intrakraniellen Tumoren ausmachen [2]. Die gutartigsten Astrozytome sind die pilozytischen Astrozytome, WHO-Grad I. Diese sind differenzierte Tumoren des Kindes- und Jugendalters, die infratentoriell oder in Mittellinienstrukturen auftreten und nach chirurgisch kompletter Resektion, wenn diese möglich ist, nicht rezidivieren und insofern biologisch und klinisch eine Sonderstellung einnehmen. Differenzierte Astrozytome, WHO-Grad II, sind histologisch fibrilläre, protoplasmatische oder gemistozytische Astrozytome, die makroskopisch und radiologisch selten relativ scharf begrenzt und häufiger diffus infiltrativ sind. Diese Tumoren können eine maligne Progression durchmachen und dann als anaplastisches Astrozytom oder als Glioblastom rezidivieren. Sie betreffen überwiegend jüngere Erwachsene und können durch zerebrale Anfälle, Hirndruckzeichen und/oder neurologische fokale Symptome auffällig werden. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung eines differenzierten Astrozytoms liegt bei 7 bis 8 Jahren [2]. Anaplastische Astrozytome, WHO-Grad III können de novo oder nach maligner Progres3
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Siehe Fachinformation.
Anwendungsgebiete *
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Astrozytome
sion eines initial differenzierten Astrozytoms auftreten. Es handelt sich um maligne Tumoren mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr und einer mittleren Lebenserwartung nach Diagnosestellung von 2 bis 4 Jahren. Das bösartigste Gliom, das Glioblastom, ist ebenfalls oft ein Tumor astrozytärer Herkunft. Alte Klassifikationsschemata ordneten diesen Tumor z.T. als Astrozytom Grad IV ein. Diese Einteilung ist durch die WHO-Klassifikation überholt [1], welche die klinisch relevante Tatsache berücksichtigt, dass Glioblastome in Einzelfällen oligodendroglialer Herkunft sein können. Histologische und klinische Varianten astrozytärer Gliome sind das seltene pleomorphe Xanthoastrozytom, PXA (WHOGrad II oder selten Grad III), das (intraventrikuläre) subependymale Riesenzellastrozytom (WHO-Grad I), welches für die tuberöse Sklerose pathognomonisch ist, und die diffuse Gliomatosis cerebri, die mehrere Lobi beider Hemisphären und infratentorielle Gehirnanteile betrifft [2]. Das Oligoastrozytom soll bei den Oligodendrogliomen besprochen werden. Spinale Astrozytome werden unter Gliom, spinales besprochen. 3 3
3
Diagnostik Die diagnostische Methode der Wahl ist das Kernspintomogramm, welches die Ausdehnung des Tumors und des möglichen Ödems genau darstellt und über eine Kontrastmittelaufnahme der Läsion einen Hinweis auf eine mögliche Anaplasie gibt. Eine für Oligodendrogliome fast pathognomonische Kalzifikation ist allerdings im CT besser darstellbar. Pilozytische Astrozytome, WHO-Grad I, sind inhomogene, z. T. zystisch, z. T. fokal Kontrastmittel aufnehmende, in der Regel scharf begrenzte Prozesse. Differenzierte Astrozytome, WHO Grad II, nehmen kein Kontrastmittel auf, zeigen häufig keine scharfen Grenzen und stellen sich in der T1-Wichtung oft signalhypointens oder isointens, in der T2 Wichtung stark hyperintens dar. Anaplastische Astrozytome weisen eine fokale oder ausgedehnte, inhomogene Kontrastmittelaufnahme auf, es findet sich fast immer ein perifokales Ödem. Bei Prozessen, die chirurgisch nicht risikoarm anzugehen sind, wird als diagnostische Methode der Wahl die Gewebegewinnung durch eine stereotaktische Biopsie erfolgen. Die Biopsie kann u. U. dann unmittelbar mit einer Thera-
piemaßnahme kombiniert werde, z. B. der Implantation von Radionukleotiden in die Läsion zur interstitiellen Brachytherapie (s. u.).
Therapie Die Therapie richtet sich nach der präzisen histopathologischen Zuordnung und ist abhängig vom Tumorgrad nach der WHO-Klassifikation, von der Lokalisation des Tumors und von Alter und Zustand des Patienten. gesichert Von den Therapiemodalitäten Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie und ausschließlich symptomatische Therapie ist lediglich die Strahlentherapie im Rahmen einer randomisierten, prospektiven Untersuchung geprüft und als wirksam bewiesen worden und dies nur für maligne Gliome, hier also für anaplastische Astrozytome, WHO-Grad III [3]. empirisch Dennoch besteht ein breiter Konsens über die differenzierte, multimodale Therapie der Astrozytome: Pilozytische Astrozytome sind bei makroskopisch kompletter Resektion chirurgisch kurativ behandelbar [4]. Sie sollen deshalb,wenn möglich, reseziert werden. Ein malignes Rezidiv ist eine absolute Rarität; deshalb ist aus Sicht der Autoren auch bei makroskopisch inkompletter Resektion eine abwartende Haltung unter regelmäßigen klinischen und radiologischen Kontrollen unbedingt möglich. Eine Indikation zur postoperativen Radiatio besteht beim pilozytischen Astrozytom deshalb nicht. Die Indikation zur operativen Resektion eines differenzierten Astrozytoms, WHO-Grad II, wird gestellt, * wenn der Tumor nicht diffus infiltrativ wächst und wenn er ohne vorhersagbares neues neurologisches Defizit (weitgehend) reseziert werden kann, * wenn eine lebensbedrohliche Raumforderung ein operatives Debulking erfordert, * wenn eine medikamentös therapierefraktäre symptomatische Epilepsie eine Resektion unter epilepsiechirurgischen Kriterien notwendig macht oder * wenn eine radiologisch dokumentierte Größenzunahme bei zuvor abwartender Haltung eine Änderung der Tumorbiologie vermuten lässt [2,5].
Astrozytome
Eine primäre konventionelle externe Strahlentherapie kommt nur dann in Betracht, wenn die Größenprogredienz eines nicht operativ angehbaren Astrozytoms zunehmende neurologische Störungen verursacht [2,5]. Die interstitielle Radioneurochirurgie, welche am Ort der stereotaktisch implantierten Radionukleotide eine lokale Strahlennekrose genau kalkulierter Ausdehnung hinterlässt, ist v. a. bei chirurgisch nicht gut angehbaren, umschriebenen Prozessen, z. B. im Hirnstamm, eine schonende, effiziente alternative Therapiemethode, die von einigen Autoren auch zur Nachbehandlung eines Tumorrestes (<3.5 cm im größten Durchmesser) nach operativer Resektion empfohlen wird [5]. Die Wirksamkeit einer postoperativen Strahlentherapie ist beim differenzierten Astrozytom unbewiesen, eine neurotoxische Spätfolge auch bei moderner Strahlentherapie dagegen nicht auszuschließen; deshalb besteht aus Sicht der Autoren keine Indikation zur konventionellen Nachbestrahlung eines Tumorrestes nach Operation eines differenzierten Astrozytoms [2]; dieser sollte klinisch und kernspintomographisch alle 6 Monate nachbeobachtet werden. Anaplastische Astrozytome, WHO-Grad III, werden wenn möglich, weitgehend operativ reseziert, mit einer Gesamtdosis von 55–60 Gy in Einzelfraktionen von 1,8–2 Gy lokal nachbestrahlt und in den Kliniken der Autoren mit einer Chemotherapie nach PCV-Schema behandelt [2]. Trotz fehlender prospektiver Studien zur Wirksamkeit einer Operation basiert der Konsens für dieses Vorgehen auf mehreren Ergebnissen: * Die Größe bzw. das Vorhandensein eines Tumorrestes nach Operation beeinflusst signifikant die Überlebenszeit [6]. * Über die Operation ist eine sichere histologische Zuordnung und damit Planung der postoperativen Therapie möglich. * Mit den heute verfügbaren Operationstechniken liegt die permanente operationsbedingte Morbidität bei ca. 3% und die Operationsmortalität bei ca. 1% [5]. 3
Die Strahlentherapie ist bewiesenermaßen lebensverlängernd [2]. Die Daten für die Wirksamkeit einer nitrosoharnstoffbasierten Chemotherapie [7,8] sind durch neueste Daten einer großen britischen Multicenter-Studie relativiert worden, die zwar einen Trend zugunsten von
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mit PCV behandelten Patienten mit anaplastischen Astrozytomen, aber keinen statistisch signifikanten Behandlungsvorteil ergab [9]. In der Rezidivsituation kann bei jüngeren Patienten in gutem Allgemeinzustand mit operativ gut angehbarem Rezidivtumor eine neuerliche Operation erwogen werden. Es besteht in Deutschland für die Rezidivsituation eine Indikation für das orale Chemotherapeutikum Temozolomide (Temodal®), mit dessen Einsatz in einer unkontrollierten multizentrischen Therapiestudie eine mediane Überlebenszeit nach Diagnose des Tumorrezidivs bei anaplastischen Astrozytomen von 13,4 Monaten erzielt wurde [10]. Temozolomide ist bis auf seltene Thrombozytopenien vergleichsweise gut verträglich und beeinträchtigt die Lebensqualität praktisch nicht.
Nachsorge Patienten nach Ersttherapie eines Astrozytoms müssen im Rahmen einer Tumornachsorge regelmäßig betreut werden, da in der Rezidivsituation spezifische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (s. o.). Die Autoren empfehlen Patienten nach inkompletter Resektion eines pilozytischen Astrozytoms, WHO-Grad I, im ersten Jahr halbjährliche, dann jährliche MR-tomographische und klinische Verlaufskontrollen, Patienten mit differenzierten Astrozytomen, WHO-Grad II, und mit anaplastischen Astrozytomen, WHO-Grad III, halbjährliche Kontrollen. Neurologische Symptome, Zephalgien oder eine Veränderung im Rahmen einer symptomatischen Epilepsie müssen unmittelbar zu einer bildgebenden Kontrolluntersuchung führen.
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee W (Hrsg.) (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumours. IARC Press, Lyon. 2. Schlegel U, Westpahl M (Hrsg.) (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 3. Walker MD, Green SB, Byar DP et al. (1980) Randomized comparisons of radiotherapy and nitrosureas for the treatment of malinant gliomas after surgery. New Engl J Med 303:1323–1329. 4. Shaw EG, Scheithauer BW, O'Fallon JR (1997). Supratentorial gliomas: a comparative study by grade and histologic type. J Neurooncol 31:273– 278. 5. Peraud A, Kreth FW, Siefert A et al. (2001) Niedermaligne Gliome. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Empfehlungen zur Diagnostik,
A
AT III-Mangel
Therapie und Nachsorge. Zuckschwerdt, München Bern Wien New York. 6. Albert FK, Forsting M, Sartor K et al. (1994) Early postoperative magnetic resonance imaging after resection of malignant glioma: objective evaluation of residual tumor and its influence on regrowth and prognosis. Neurosurgery 34:45–60. 7. Levin VA, Silver P, Hannigan J et al. (1990) Superiority of post-radiotherapy adjuvant chemotherapy with CCNU, procarbazine, and vincristine (PCV) over BCNU for anaplastic gliomas: NCOG 6G61 final report. Int J Rad Oncol Biol Phys 18:321–324. 8. Hildebrandt J, Sahmoud T, Mignolet F et al. (1994) Adjuvant therapy with dibromodulcitol and BCNU increases survival of adults with malignant gliomas. Neurology 44:1479–1483. 9. Thomas DGT, Bleehan NM, Roberts JT et al. (1998) MRC randomised trial of adjuvant chemotherapy in high grade glioma (HGG)–BR05. J Neuro Oncol 39:102. 10. Yung WK, Prados MD, Yaya-Tur R et al. (1999) Multicenter phase II trial of temozolomide in patients with anaplastic astrocytoma or anaplastic oligoastrocytoma at first relapse. J Clin Oncol 17:2762–71.
*
einem erhöhten Thrombembolierisiko verbunden. Klinik Im Allgemeinen ist das Risiko für venöse Thrombosen gegenüber dem Risiko arterieller Thrombosen deutlich erhöht. Venöse Thrombosen können bei Vorhandensein eines kardialen Rechts-Links-Shunts (z. B. offenes Foramen ovale, PFO) zu einer paradox-embolisch bedingten zerebralen Ischämie führen. 3
132
Diagnostik * *
Anamnese (thrombembolische Ereignisse). AT III-Bestimmung im Rahmen einer Thrombophilie-Diagnostik (Speziallabors).
Therapie gesichert AT III-Substitution bei Thrombosegefährdung. empirisch Antikoagulation bei nachgewiesenem kardialen Rechts-Links-Shunt, in allen anderen Fällen individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung.
Synonyme
unwirksam/obsolet Wirkung von endogenem und exogenem Heparin bei AT III-Mangel vermindert.
Antithrombin-III-Mangel
Prognose
Definition
Langfristig kommt es bei fast allen Patienten zu thrombembolischen Ereignissen.
AT III-Mangel
Antithrombin III zählt zu den Inhibitoren des Gerinnungssystems. Ein Mangel führt zu einer Steigerung der physiologischen Gerinnung.
Ataktische Atmung Einleitung *
*
Ätiologie – Angeboren (erbliche AT III-Dysproteinämie): Häufigkeit 1/2000, autosomal-dominant vererbt. – Erworben: Verminderte Synthese (Leberzhirrose), erhöhter Verbrauch (Verbrauchskoagulopathie), erhöhter Verlust (Nephropathie, exsudative Enteropathie). Pathomechanismus Durch Bildung eines Thrombin-Antithrombin-III-Komplexes sowie Hemmung der an der Blutgerinnung beteiligten Proteasen (aktivierte Faktoren IXa – XIIa) wird eine überschießende Thrombinaktivierung verhindert. Ein Antithrombin III-Mangel ist daher mit
Definition Irreguläres Atemmuster mit verlangsamter Frequenz, unterschiedlich tiefen Atemzügen und unvermittelten Atempausen.
Einleitung Ataktische Atmung findet man bei Läsionen des kaudalen Pons und/oder der rostralen Medulla oblongata. Ursachen sind foraminale Einklemmungen durch Tiefertreten der Kleinhirntonsillen bei infratentorieller Drucksteigerung nach Blutungen, ischämischen Infarkten und Tumoren, bei Schädel-Hirn-Traumata, durch Hirnstammenzephalitiden oder Demyelinisierungen.
Ataxie
Differenzialdiagnose 3
Cheyne-Stokes-Atmung,
Cluster-Atmung.
3
Prophylaxe Die Restatmung der Patienten ist unberechenbar und besonders empfindlich gegenüber Sedativa wie Benzodiazepinen oder Hypnotika. Es kann jederzeit zu einem Atemstillstand kommen, weshalb die maschinelle Beatmung erforderlich ist.
133
toprotein nicht verwertbar ist, wird die DNASyntheserate in Lymphozyten gemessen, die im Gegensatz zu Gesunden durch Bestrahlung nicht vermindert wird. Eine definitve Diagnose ist nur durch den aufwendigen Nachweis von Mutationen in beiden Allelen des ATM-Gens möglich. Diese Untersuchung wird aufgrund der vielen Mutationen nicht routinemäßig durchgeführt und ist bei typischem Phänotyp und eindeutigen Befunden auch nicht erforderlich.
Therapie Beatmung.
Therapie
Nachsorge
Krankengymnastik auch zur Vorbeugung von Atemwegsinfekten, Logopädie.
Abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
Prognose
Prognose Abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
Ataxia telangiectatica (Louis-BarSyndrom) Synonyme Ataxia teleangiectasia
Rollstuhlpflicht besteht meist um das 10. Lebensjahr. Aufgrund der rezidivierenden Infekte und der Neigung zu bösartigen Neubildungen ist die Lebenserwartung massiv reduziert. Das mediane Todesalter beträgt etwa 20 Jahre.
Ataxie Definition
Ataxia teleangiectasia ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die gekennzeichnet ist durch progressive Ataxie, Choreoathetose, Okkulomotoriksstörungen mit Beginn in der Kindheit, Teleangiektasien an lichtexponierten Körperpartien und immunologische Anomalien, die zu rezidivierenden Infekten und malignen Neubildungen prädestinieren.
Ataxie beschreibt im engeren Sinne Störungen in der Bewegungskoordination und Gleichgewichtsregulation. Wörtlich heißt Ataxie Unordnung. Sie kann sich bei allen Bewegungen bemerkbar machen, auch bei Bewegungen der Augen, beim Sprechen und bei der Stimmbildung. Ataktische Störungen werden in erster Linie mit dem Kleinhirn, einschließlich seiner Efferenzen und Afferenzen in Verbindung gebracht.
Einleitung
Einleitung
Eine Ataxia teleangiectasia gilt als gesichert, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: 1. Progressive Ataxie mit einem Beginn vor dem 10. Lebensjahr. 2. Vorhandensein okulokutaner Teleangiektasien. 3. Erhöhter Spiegel von α-Fetoprotein im Serum.
Zur Beschreibung spezieller Aspekte der Ataxie werden folgende Begriffe verwendet: Dysmetrie (falsche Zielbewegungen, bei überschießenden Bewegungen, oft mit Korrekturen, Hypermetrie), Intentionstremor (typischerweise bei Annäherung an das Ziel zunehmender Tremor, bei starker Ausprägung in Intentionsmyoklonien übergehend). Während die Dysmetrie und der Intentionstremor für Hemisphärenschädigungen sprechen, liegen bei der Standataxie und Rumpfataxie (typischerweise ein 2–3/secVorwärts- und Rückwirtswippen) Läsionen des
Definition
Diagnostik Wenn das α-Fetoprotein nicht erhöht ist oder bei Kindern unter einem Jahr, bei denen α-Fe-
A
Ataxie, afferente
3 3 3
Ataxie, afferente Synonyme Sensible Ataxie
Definition Störung der Koordination oder des Ausmaßes von Bewegungsabläufen durch Ausfall der sensiblen (propriozeptiven) Kontrolle der Motorik.
Einleitung Leitsymptom bei zahlreichen Erkrankungen des peripheren (z. B. Polyneuropathien) und zentralen (z. B. Hinterstrangsyndrom) Nervensystems. Typisch ist die Verstärkung der Ataxie bei fehlender visueller Kontrolle (RombergStandversuch, Blindgang).
Therapie Alkoholentzug, Abstinenz. Bei akutem oder subakutem Beginn ist eine sofortige Substitution von Vitamin B1 analog der Behandlung der Wernicke-Enzephalopathie unbedingt durchzuführen.
Ataxie, autosomal-dominante zerebellare (ADCA) Synonyme 3
Unterwurms, bei der Gangataxie eher des Oberwurms vor. Vitamin E-Mangel Paraneoplastische Syndrome Hypothyreose
Ataxie, spinozerebellare;
3
134
ADCA
Definition Nach Harding 1981 geprägte Klassifikation, heute werden damit die spinozerebellaren Ataxien gemeint.
Ataxie, bei Hypothyreose Einleitung Selten führt eine Hypothyreose zu einer reversiblen Ataxie, die durch Gabe von Schilddrüsenhormonen gebessert werden kann.
Ataxie, alkoholtoxische Zwei Formen sind zu definieren: * Die Ataxie bei akuter Alkoholintoxikation (Rausch) ist eine reversible zerebellare Ataxie. * Die weitgehend irreversible Ataxie nach chronischem Alkoholismus aufgrund einer Degeneration der Kleinhirnrinde.
Einleitung Die Gangataxie und Standataxie mit anteroposteriorer Unsicherheit ist in der Regel viel stärker als die Extremitätenataxie und die okulomotorischen Störungen ausgeprägt. Typisch ist ein schubförmiger Verlauf über Wochen und Monate mit stationären Phasen über Jahre.
Diagnostik Charakteristisch ist in der strukturellen Bildgebung eine im Bereich des Kleinhirnoberwurms betonte Atrophie.
Ataxie, dentorubropallidoluysische (DRPLA) 3
Definition
DRPLA (dentorubropallidoluysische Atrophie)
Ataxie, Friedreich-Ataxie (FRDA) und autosomal-rezessive Ataxie Definition 1863 von Friedreich beschriebene progressive Ataxie mit autosomal-rezessivem Erbgang und Beginn meist in der Pubertät, die ursächlich bei fast allen Patienten auf eine homozygote intronische GAA-Repeat-Expansion auf 9q13–21 mit Verlust eines mitochondrialen Proteins, dem Frataxin, zurückzuführen ist. Zu den autosomal-rezessiven Ataxien wird außerdem eine heterogene Gruppe von Ataxien
Ataxie, Friedreich-Ataxie (FRDA) und autosomal-rezessive Ataxie
gezählt, die sich von der Friedreich-Ataxie unterscheidet nach [1, 2]: * Ataxia teleangiectasia (Louis-Bar-Syndrom). * Vitamin E-Mangel-Ataxie. * A-β-Lipoproteinämie (Bassen-KornzweigSyndrom). * Morbus Refsum. * Früh beginnende zerebellare Ataxie (Early onset cerebellar ataxia = EOCA) mit erhaltenen Muskeleigenreflexen (Fickler-Winkler). * EOCA mit pigmentärer Retinadegeneration (Hallgren-Syndrom). * EOCA mit Hypogonadismus (Holmes). * EOCA mit Optikusatrophie und mentaler Retardierung (Behr-Syndrom). * EOCA mit Katarakt und mentaler Retardierung (Marinesco-Sjögren-Syndrom). * EOCA mit Myoklonus (Ramsay-Hunt-Syndrom). * EOCA mit Spastik und Amyotrophie (autosomal-rezessive spastische Ataxie Charlevoix-Saguenay).
Einleitung Leitsymptom ist die progrediente Ataxie mit Beginn vor dem 25. Lebensjahr, die zunächst Gang und Stand betrifft, im Krankheitsverlauf jedoch auch auf die obere Extremität übergreift. Die Muskeleigenreflexe fehlen typischerweise an der unteren Extremität und sind an der oberen Extremität abgeschwächt oder ebenfalls fehlend. Babinski-Zeichen finden sich bei etwa einem Drittel. Die axonale Neuropathie führt zu distal betonten Atrophien zunächst der Beine, dann der Arme, im weiteren Verlauf zu Skoliose und Hohlfußbildung (Hammerzehe). Weitere regelhaft auftretenden Befunde beeinhalten die Dysarthrie schon in den ersten Jahren nach Beginn, Defizite in der Tiefensensibilität, Okulomotorik, Optikusatrophie, gelegentlich auch eine Hörminderung. Über 30% weisen eine hypertrophische Kardiomyopathie, etwa 10% einen Diabetes mellitus auf. Mit Rollstuhlpflicht ist bei Friedreich Ataxie nach durchschnittlich 13,6 Jahren zu rechnen [1]. Die Lebenserwartung beträgt nach einer italienischen Studie 34,7 Jahre nach Erkrankungsbeginn. Erkrankungsbeginn zeigt eine inverse Korrelation zur GAA-Repeat-Länge des kürzeren Allels: Bei Patienten mit längeren Expansionen zeigt sich ein früherer Erkrankungsbeginn und eine rasche Progression.
135
Diagnostik Bei der klassischen Trias mit progressiver Ataxie, Areflexie und Störungen der Hinterstrangssensibilität bei Krankheitsbeginn vor dem 20. Lebenjahr, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Friedreich Ataxie vor. Hier dient der molekulargenetische Nachweis nur zur Bestätigung [2]. Bei etwa ein Drittel zeigt sich jedoch ein atypischer Phänotyp mit erhaltenen Reflexen bzw. spätem Beginn (bis 50. Lebensjahr) nach dem 20. Lebensjahr. Hier ist der molekulargenetische Nachweis einer homozygoten GAA-Repeat-Expansion diagnostisch weiterführend. Alle übrigen Untersuchungen sind allenfalls als Verlaufsparameter von Interesse. Die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten sind normal oder leicht verlangsamt. Im EMG finden sich in distalen Extremitätenmuskeln ein chronisch-neurogener Umbau. Die sensiblen Nervenaktionspotentiale sind deutlich amplitudengemindert oder fehlen. Die MRT zeigt eine ausgeprägte Atrophie des zervikalen Rückenmarks, während man im Kleinhirn nur eine leichte Atrophie des Kleinhirnvorderlappens beobachten kann. Für die KardiomyopathieDiagnostik ist das EKG und die Echokardiographie wichtig. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind die erbliche sensomotorische Neuropathien (HMSN). Der demyelinisierende Typ der HMSN Typ I (Charcot-Marie-Tooth = CMT 1) zeigt massiv verlangsamte NLGs. Die Differenzierung zwischen FRDA und der axonalen Form der HMSN II ist elektrophysiologisch schwierig, da EMG und NLG bei beiden Erkrankungen sehr ähnlich sind. Okulomotorikstörungen, Dysarthrie sowie eine Kardiomyopathie und Atrophie des Halsmarkes im MRT sprechen für eine FRDA. Vitamin E und Phytansäure sollte zum Auschschluss einer A-βLipoproteinämie und Vitamin E-Mangel-Ataxie bzw. eines Morbus Refsum im Serum bestimmt werden.
Therapie Es ist keine spezifische Therapie bisher bekannt. Im Vordergrund steht Physiotherapie und Bereitstellung orthopädischer Hilfsmittel. Da der Frataxin-Mangel zur vermehrtem Bildung freier Radikale führt, könnten antioxidativ wirksame Substanzen, wie z. B. Idebenone, ein Kurzkettenderivat des Coenzym Q10, eine po-
A
136
Ataxie, idiopathische zerebellare (IDCA), sporadische, im Erwachsenenalter begin ...
sitive Wirkung haben. In einer offenen Studie wurde eine Abnahme der KardiomyopathieZeichen gesehen.
beteiligung, ggf. Vitamin E im Serum, B12, Folat, paraneoplastische Parameter wie AntiYO, TR, KV2, HU, RI, Immunelpho u. a.
unwirksam/obsolet 5-Hydroxytryptophan, Buspiron, Amantadin.
Therapie Eine Therapie ist nicht bekannt.
Prognose Die Krankheit zeichnet sich durch eine stetige Progression aus.
Ataxie, Lösungsmittel/ Schwermetalle
Literatur 3
1. Klockgether T, Bürck T, Dichgans J (1996). Zerebelläre Bewegungsstörungen (Ataxien). In: Conrad B und Ceballos-Baumann A.O. (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme, Stuttgart New York 254–279. 2. Tan E.-K. and Ashizawa T (2001). Genetic testing in spinocerebellar ataxias. Arch Neurol 58:191– 195.
Ataxie, toxisch-medikamentöse
Ataxie, Malabsorptionssyndrome Definition Ataxie, die aufgrund einer gestörten Resorption von wichtigen Nahrungsstoffen auftritt.
Ataxie, idiopathische zerebellare (IDCA), sporadische, im Erwachsenenalter beginnende Ataxie
Einleitung Zu den Ataxien als Folge eines Malabsorptionssyndroms zählen die A-β-Lipoproteinämie ( Bassen-Kornzweig-Erkrankung), die Ataxie mit isoliertem Vitamin E-Defizit ( Ataxie, Vitamin E-Mangel-Ataxie) sowie die im Rahmen eines erworbenen langjährigen chronischen Fettmalabsorptions-Syndroms (Ileumresektion, biliäre Atresie, Zöliakie u. a.), auf Grund eines Mangels an Vitamin E auftretende Ataxie. 3
Synonyme
3
Sporadische, im Erwachsenenalter beginnende Ataxie, früher auch Marie-Foix-AlajouanineAtaxie
Definition Mit diesem Begriff werden jene zerebellaren Ataxien bezeichnet, bei denen die Abklärung einer genetischen oder exogenen Ursache negativ verläuft und die auch nicht für die Diagnose einer Multisystematrophie qualifizieren.
Ataxie, medikamentös-toxische
3
Definition Einleitung Vielen Patienten mit sporadischer, im Erwachsenenalter beginnender Ataxie erfüllen weder die diagnostischen Kriterien einer Multisystematrophie noch ist die Abklärung in Richtung genetischer und exogener Ursache wegweisend.
Diagnostik Molekulargenetische Untersuchung im Hinblick auf spinozerebellare Ataxien ( ADCA), zur Zeit bei SCA1–3, -6, -7, -8,-10 und -12 möglich, MRT (DD Multisystematrophie), EMG/NLG, MEP zur Verlaufskontrolle der Sensibilitätsstörungen (DD symptomatische, rein sensible Ataxie) und der Pyramidenbahn-
Ataxie, die aufgrund medikamentöser oder toxischer Einwirkungen ausgelöst wird.
Einleitung Zu unterscheiden ist eine akute Ataxie (z. B. nach Alkoholgenuss/Intoxikation, Benzodiazepin-, Barbiturat-, Antiepileptika-Überdosierung) bzw. eine irreversible Ataxie aufgrund einer chronischen Schädigung des Kleinhirns oder des peripheren Nervensystems. Die Überdosierung führt zu einem reversiblen zerebellaren Syndrom mit Gang- und Standataxie, Dysarthrie und Störungen der Okulomotorik. Eine irreversible Ataxie aufgrund einer Degeneration der Kleinhirnrinde kann bei Epilep-
3
Ataxie, spinozerebellare
tikern nach langjähriger Einnahme von Diphenylhydantoin auftreten, außerdem nach Einnahme von Zytostatika, Lithium, Nitrofurantoin, Schwermetallen und Lösungsmitteln.
137
(Unfähigkeit, mehr als ein einzelnes visuelles Element zu überblicken, ein einzelnes Element kann aus einer komplexen Szene herausgelöst werden, aber mehrere Elemente werden nicht integrativ erfasst).
Therapie Beendigung der Exposition mit dem toxischen Agens.
Ataxie, physikalischer Genese Ataxie, mit Neuropathie und Retinitis pigmentosa NARP-Syndrom
3
Definition NARP (= Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa).
Einleitung Das NARP-Syndrom betrifft insbesondere junge Erwachsene und ist durch die klinische Trias einer Neuropathie, Ataxie und einer Retinitis pigmentosa gekennzeichnet. Begleitsymptome können in Form einer Entwicklungsverzögerung, Demenz oder epileptischer Anfälle bestehen.
Diagnostik Eine Punktmutation der mitochondrialen DNA an Position 8993 im ATPase 6-Gen liegt meist dem NARP-Syndrom zugrunde. Diese lässt sich molekularbiologisch im EDTA-Blut nachweisen.
Definition Ataxie, die durch physikalische Einwirkungen bedingt ist.
Einleitung Ataxie bei erhöhter Körperkerntemperatur (>40°C) nach Hitzschlag, Sepsis, malignem neuroleptischem Syndrom u. a.
Therapie Symptomatisch.
Ataxie, spinozerebellare Synonyme Früher: autosomal-dominante Ataxien, NonnePierre-Marie-Erkrankung, olivopontozerebellare Atrophie, ADCA Typ I–III nach Harding, Machado-Joseph-Krankheit für SCA3 = spinozerebellare Ataxie (3 für die Mutation)
Definition Genetisch und klinisch heterogene Gruppe von autosomal-dominant vererbten Ataxien.
Therapie Nicht bekannt.
Ataxie, optische Definition Beim Ergreifen von Objekten werden visuelle Hinweise missachtet.
Einleitung Tritt beim Balint-Syndrom auf infolge von Läsionen im Parietallappen. Die Trias ist optische Apraxie (Unfähigkeit, Blick präzise auf ein Ziel im Gesichtsfeld zu wenden), optische Ataxie und Simultanagnosie
Einleitung 17 SCA-Genloki (SCA1–8,10–14, -16, -17, 18, -19) wurden bisher den spinozerebellaren Ataxien (SCA) zugeordnet. SCA9 und SCA15 stehen für noch unbekannte Genloki. Der Phänotyp der verschiedenen SCA ist sehr heterogen. Es handelt sich in der Regel um multisystemische Erkrankungen mit Beteiligung des Kleinhirns und des Rückenmarks. Dabei sind meist auch das periphere und andere Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen. Am häufigen sind SCA1–3 und 6. 1. SCA1 (Mutation im Ataxin-1 kodierenden Gen mit CAG Repeatlänge zwischen 40 und 81). Inverse Korrelation zwischen CAG-Repeat-
A
138
Ataxie, zerebellare
Länge und Erkrankungsalter, je mehr Repeat desto schwerer sind die Patienten betroffen. Antizipation (früherer Krankheitsbeginn bei den Nachkommen von Patienten) tritt in den Familien auf. Die Klinik besteht in einem progredienten zerebellaren Syndrom mit Stand-, Gang- und Extremitätenataxie, Dysarthrie und Okulomotorikstörungen mit Beginn im Erwachsenenalter. 2. SCA2 (Mutation im Ataxin-2 kodierenden Gen mit Repeatlänge zwischen 36 und 63). Antizipation tritt in den Familien auf. Klinisch kommt es meist im frühen Erwachsenenalter zu einer Gang-, Stand-, Extremitätenataxie und Dysarthrie. Typisch sind außerdem verlangsamte Sakkaden, Hypobzw. Areflexie, Pallhypästhesie und Gesichtsfaszikulationen. 3. SCA3 (Machado-Joseph-Krankheit, Mutation im Ataxin-3 kodierenden Gen mit Repeatlängen zwischen 55 und 84). Es besteht eine inverse Korrelation zwischen CAG-Repeatlänge und Erkrankungsalter. Antizipation ist bekannt. Die Ataxie beginnt im frühen Erwachsenenalter. Neben dem progredienten zerebellaren Syndrom mit Dysarthrie sowie Stand-, Gang- und Extremitätenataxie kommt es Okulomotorikstörungen und im späteren Verlauf zu Schluckstörungen. Fast die Hälfte der SCA3-Patienten haben ein dopasensitives Restless-LegsSyndrom. Beginn mit einer auf Dopa ansprechende Parkinson-Symptomatik wurde ebenfalls beschrieben. Bei früheren Krankheitsbeginn treten Dystonie und Pyramidenbahnzeichen auf. Hinzu kommt eine Polyneuropathie mit Atrophien und gestörter Tiefensensibilität. 4. SCA6 (Mutation im CACNA1A-Gen für die Alpha1A-Untereinheit im spannungsabhängigen Kalziumkanal mit Repeatlängen zwischen 21 und 27). Die SCA6 kennzeichnet sich im Vergleich zu den anderen SCA durch eine vorwiegend rein progrediente zerebellare Symptomatik aus. Neben einem horizontalen Blickrichtungsnystagmus ist meist auch ein downbeat-Nystagmus vorhanden. Die extrazerebellare Beteiligung ist meist nur diskret (Pyramidenbahnzeichen, Sensibilitätsstörungen). Die Erkrankung beginnt in der Regel im späteren Erwachsenenalter und ihre Progredienz ist langsamer.
Diagnostik Molekulargenetische Untersuchung zur Zeit bei SCA 1–3, 6, 7, 8, 10 und 12 möglich. MRT (bei SCA3 nur leichte zerebellare Atrophie, DD Multisystematrophie). EMG/NLG, MEP zur Verlaufskontrolle der Sensibilitätsstörungen (DD symptomatische, rein sensible Ataxie) und der Pyramidenbahnbeteiligung, ggf. Vitamin E im Serum, B12, Folat, paraneoplastische Parameter wie AntiYO, TR, KV2, HU, RI, Immunelpho u. a.
Therapie Symptomatisch, z. B. Dopa bei SCA-3. Bisher gibt es keine wirksame Therapie für die Ataxie. Krankengymnastik, Hilfsmittel. unwirksam/obsolet Isoniacid.
Literatur 1. Klockgether T, Bürk T und Dichgans J (1996). Zerebelläre Bewegungsstörungen (Ataxien). In: Conrad B and Ceballos-Baumann AO (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme, Stuttgart New York 254–279. 2. Tan EK and Ashizawa T (2001). Genetic testing in spinocerebellar ataxias. Arch Neurol 58: 191– 195.
Ataxie, zerebellare Definition Ataxie beschreibt im engeren Sinne Störungen in der Bewegungskoordination und Gleichgewichtsregulation. Wörtlich heißt Ataxie Unordnung. Sie kann sich bei allen Bewegungen bemerkbar machen, auch bei Bewegungen der Augen, beim Sprechen und bei der Stimmbildung. Ataktische Störungen werden in erster Linie mit dem Kleinhirn, einschließlich seiner Efferenzen und Afferenzen in Verbindung gebracht.
Einleitung Zur Beschreibung spezieller Aspekte der Ataxie werden folgende Begriffe verwendet: Dysmetrie (falsche Zielbewegungen, bei überschießenden Bewegungen, oft mit Korrekturen, Hypermetrie), Intentionstremor (typischerweise bei Annäherung an das Ziel zunehmender Tremor, bei starker Ausprägung in Intentionsmyoklo-
Atemstörung
nien übergehend). Während die Dysmetrie und der Intentionstremor für Hemisphärenschädigungen sprechen, liegen bei der Standataxie und Rumpfataxie (typischerweise ein 2–3/secVorwärts- und Rückwirtswippen) Läsionen des Unterwurms, bei der Gangataxie eher des Oberwurms vor. Lange Zeit wurden die zerebellaren Ataxien nach den zugrunde liegenden neuropathologischen Veränderungen klassifiziert. Es wurde dabei im Wesentlichen unterschieden zwischen spinalen bzw. spinozerebellaren Formen, rein zerebellaren Degenerationen (zerebellar-kortikale Atrophie) und Degenerationsformen, die neben dem Kleinhirn auch den Hirnstamm betreffen und als olivopontozerebellare Atrophien bezeichnet werden. Diese neuropathologischen Klassifikationen sind aber klinisch wenig praktikabel. Heute können die meisten Ataxien ätiologisch nach den zugrunde liegenden Genmutationen bzw. erworbenen Krankheitsursachen klassifiziert werden.
139
gung des Atemzentrums bei Blutungen und Tumoren im Bereich der Medulla oblongata, Thrombosen der Arteria basilaris, Landry Paralyse.
Prophylaxe Rechtzeitiges Erkennen einer Ateminsuffizienz, Spirometrie, engmaschige Analyse der Blutgase bei gefährdeten Patienten und frühzeitige Intubation und maschinelle Beatmung bei einer Vitalkapazität unter 0,01 l/kgKG. Thromboseprophylaxe.
Therapie Maschinelle Beatmung und Behandlung der Grunderkrankung.
Atemstörung Definition Symptom bei verschiedenen Grunderkrankungen.
Atemmuskulatur, Insuffizienz Definition Lähmung aller oder eines Teils der Atemmuskeln mit der Folge einer respiratorischen Insuffizienz. Als Ursache kommen hohe Querschnittsläsionen (C1–C4), Läsionen des Nervus phrenicus, Polyneuropathien, Poliomyelitis, Myasthenia gravis, andere Muskelerkrankungen, akutes Guillain-Barré-Syndrom, Botulismus, Tetanus, neurodegenerative Erkrankungen (z. B. ALS) oder iatrogene Ursachen (z. B. Muskelrelaxation) in Frage.
Einleitung Zu den Atemmuskeln gehören: Bei Inspiration: Zwerchfell, Mm. intercostales externi. Bei Exspiration: Mm. intercostales interni, M. transversus thoracis. Zu den Atemhilfsmuskeln gehören: Bei Inspiration: Mm. scaleni, Mm. sternocleidomastoidei, Mm. pectorales. Bei Exspiration: Äußere Bauchmuskeln.
Differenzialdiagnose Ateminsuffizienz anderer Genese, z. B. Aspiration, zentrale Atemlähmung infolge Schädi-
Einleitung Klinisch sind neurogene, muskuläre, metabolische und pulmonale Ursachen einer gestörten Atemfunktion zu unterscheiden. Verschiedene Atemmuster und Begleitsymptome erlauben eine topische Zuordnung und eine Diagnose der vorliegenden ursächlichen Grunderkrankung.
Differenzialdiagnose Atemstörungen treten auf bei * Zentralen Atemantriebsstörungen infolge Schädigung des Atemzentrums durch Sedativa und Hypnotika, bei Schädel-HirnTraumata und Erkrankungen mit erhöhtem intrakraniellem Druck, bei Blutungen und Tumoren im Bereich der Medulla oblongata, Thrombosen der Arteria basilaris, Landry Paralyse, Intoxikationen, z. B. Alkohol, Morphine. * gestörter Atemmechanik, z. B. bei Polyradikulitis, Myasthenie, hohem Querschnitt, Myositis, Poliomyelitis, Tetanus, Botulismus, Myopathien etc. * Kaudalen Hirnnervenparesen nach Hirnstamminfarkt, Fisher-Syndrom, Traumata, Blutungen in der hinteren Schädelgrube.
A
140 *
*
Atenolol
Obstruktion der Atemwege nach beidseitiger Rekurrensparese, Glottisödem, Tracheomalazie, Aspiration oder Asthma bronchiale. Pulmonalen Erkrankungen, z. B. Pneumonien, ARDS, Lungenödem unterschiedlicher Genese, Atelektasen, Lungenembolien, Pneumothorax etc.
Prophylaxe Rechtzeitiges Erkennen einer Ateminsuffizienz, Spirometrie, engmaschige Analyse der Blutgase bei gefährdeten Patienten und frühzeitige Intubation und maschinelle Beatmung bei einer Vitalkapazität unter 0,01 l/kgKG. Thromboseprophylaxe.
Therapie Behandlung der Grunderkrankung und evtl. Intubation und maschinelle Beatmung.
Prognose Abhängig von der Grunderkrankung, Schwere des klinischen Bildes und der Behandlung.
Resorption Atenolol wird nach p. o. Gabe nur unvollständig resorbiert, die Bioverfügbarkeit beträgt 56 ±30% mit größeren Schwankungen im Alter und in der Schwangerschaft. Die maximale Plasmakonzentration wird nach 2–4 h erreicht. Die Plasmahalbwertzeit beträgt 6,1±2,0 h mit größeren Schwankungen in der Schwangerschaft, bei Kindern und bei Hyperthyreose, sie ist erhöht bei Urämie und im Alter. Bei Niereninsuffizienz kann die Halbwertzeit bis 35 h betragen mit entsprechend erhöhten Plasmaspiegeln, jedoch ist eine Entferung aus dem Plasma durch Hämodialyse möglich. Bei Neugeborenen, deren Mütter Atenolol erhalten haben, kann die Plasmahalbwertzeit bis auf 16 h verlängert sein.
Verteilung Die Plasmaeiweißbindung beträgt etwa 5%. Atenolol passiert kaum die Blut-Hirn-Schranke. Über die Passage der Plazentabarriere bestehen widersprüchliche Angaben, in der Milch wurden messbare Mengen nachgewiesen.
Elimination
Atenolol Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Atebeta®, Atehexal®, Atel® Atenolol 1a®, Heumann®, ct®, ratiopharm® Blocotenol®, Tenormin®
Wirkungen Atenolol ist ein hydrophiler Betarezeptor-Antagonist (Betablocker) mit relativer Kardioselektivität, aber ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität. (ISA) und ohne membranstabilisierende Eigenschaften. Mit Ausnahme seiner kardioselektiven Eigenschaften sind seine Wirkungen ähnlich denen von Propranolol – die Substanz kann zur Therapie des essentiellen Tremors eingesetzt werden. Wie andere Betablocker wirkt es bei sympathomimetisch bedingter Tachykardie frequenzsenkend und negativ inotrop sowie blutdrucksenkend. Die Blutdrucksenkung wird hauptsächlich auf die kardiale Wirkung zurückgeführt, aber auch die Hemmung einer sympathomimetisch bedingten Reninsekretion trägt möglicherweise dazu bei.
Resorbiertes Atenolol wird beinahe zu 100% renal ausgeschieden. Die Clearance beträgt 2,4±0,2 ml/min/kg mit erniedrigten Werten im Alter sowie bei Urämie und mit größeren Schwankungen beim Kind.
Dosierung und Art der Anwendung Bei essentiellem Tremor, Hypertonie und Angina pectoris werden 50–100 mg/d p. o., geteilt oder als Einzeldosis, über Monate gegeben. In der Langzeitbehandlung der Hypertonie wird die Wirksamkeit von Atenolol durch Kombination mit einem Diuretikum erhöht, so dass die Dosis reduziert werden kann. Beim Alkoholentzugssyndrom senkt Atenolol bei 50–100 mg/d den Benzodiazepinbedarf bis zu 50%.
Unerwünschte Wirkungen In einem Vergleich mit den β-Blockern Propranolol und Metoprolol bei Behandlung der Hypertonie wird Atenolol am besten vertragen und hat die wenigsten Nebeneffekte. Während längerer Behandlung mit Atenolol kommt es bei 15,4% der Patienten zu unerwünschten Wirkungen, jedoch nur bei 1,6% sind sie schwerwiegend. Die bei β-Blockern üblichen unerwünschten Wirkungen wie Bradykardie, Kopf-
3
3
Atrophie, Optikusatrophie
Definition Multisystematrophie (MSA).
Atrophie, olivopontozerebellare Synonyme MSAc, ren Typ
3
Co-Medikation mit Ampicillin (1 g) bewirkt Verminderung der Bioverfügbarkeit von 60 auf 20–30%, jedoch ohne nennenswerte klinische Relevanz. Bei noch höheren Dosen Ampicillin sollte Atenolol jeweils einige Zeit vor dem Antibiotikum eingenommen werden. Bei Kombination von Atenolol mit Calciumantagonisten ist auf Hypotonie (Nifedipin) und auf Bradykardie (Verapamil) zu achten. Indomethacin, reduziert die antihypertensive Wirkung von Atenolol.
Atrophie, Multisystematrophie (MSA) 3
Wechselwirkungen
3
Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen von Atenolol sind allgemein die von Betablockern (Propranolol). Auf Grund seiner Kardioselektivität (β1-Selektivität) zeigt Atenolol jedoch bei niedriger Dosis deutlich geringere β2-typische unerwünschte Wirkungen wie Dilatation der Arteriolen oder Bronchokonstriktion.
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Bewegung in einer bestimmten Lage zu halten...“. Athetose wird mit andauernden, wurmförmigen, langsamen Bewegungen, vorwiegend distal an den Extremitäten in Zusammenhang gebracht. Man kann Athetose als eine langsame, distale Form der Chorea beschreiben. Im Gegensatz zur Dystonie sind die Bewegungen weder repetitiv, noch durch ein bestimmtes Aktivierungsmuster oder durch anhaltende Muskelkontraktionen gekennzeichnet. Athetose, Chorea und Ballismus bilden ein Kontinuum einer Art von Bewegungsstörungen, wobei die Athetose die kleinste Amplitude aufweist. Typische Ursachen sind perinataler Hirnschaden wie der Icterus neonatorum. Bevor es den Begriff der Dystonie gab, wurden alle Krankheitsbilder mit verzerrenden und repetitiven Bewegungen unter dem Begriff Athetose zusammengefasst. Athetose wird heute von vielen lediglich als eine distale Dystonie oder eine langsame Chorea betrachtet. 3
schmerz, Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Schwäche, Nausea, Depression, Lethargie und Impotenz kommen vor. Bei chronisch obstruktiver Bronchitis bewirkten 100 mg Atenolol weniger Atemwegswiderstand als 80 mg Propranolol. Atenolol hat eine im Vergleich zu anderen Betablockern nur geringe bronchokonstringierende Wirkung. Magenbeschwerden und Diarrhöe sowie Ödeme sind selten. Wie allgemein bei Betablockern ohne ISA ist wegen des zu erwartenden Rebound-Effekts ein plötzliches Absetzen zu vermeiden. Nichtbeachtung kann besonders bei Angina pectoris schwere Anfällen bis hin zum Infarkt auslösen, und es kann zum Atemstillstand kommen.
141
Multisystematrophie vom zerebella-
Toxikologische Eigenschaften In seltenen Fällen wurden länger dauernde Bradykardie und Blutdruckabfall beobachtet; als Antidot kann Atropin oder Prenalterol i. v. gegeben werden.
Atrophie, Optikusatrophie Definition Progrediente Degeneration des Nervus opticus (ein- oder beidseitig) mit progredienter Visusminderung unterschiedlichster Ätiologie. Optikusneuropathie 3
Ursächlich in Frage kommen hereditäre degenerative Veränderungen ( ADON, ARON), ischämische Optikusläsionen, druckbedingte 3
Hammond beschrieb damit 1871 „...die Unfähigkeit, Finger und Zehen auf Grund ständiger
Einleitung 3
Definition
3
Athetose
A
142
Atropin
Sehnervenschädigungen durch Tumoren, Aneurysmen o. ä., postentzündliche Veränderungen, Optikusatrophien nach Schädel-Hirn-Traumata, toxische Schädigungen (z. B. Alkohol, Methanol, Medikamente wie Chloroquin, Chloramphenicol) oder Optikusdegenerationen im Rahmen neurologischer Systemerkrankungen (z. B. Friedreich-Ataxie oder Charcot-MarieTooth-Erkrankung). 3
3
Diagnostik Differenzialdiagnostik der beschriebenen Ätiologien abhängig von Anamnese und neurologischer Zusatzsymptomatik.
Therapie Abhängig von der nachgewiesenen Grunderkrankung.
Atropin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Atropinsulfat Braun® Inj.lösg.; Dysurgal® Drg.; Atropin-POS® AT.
Wirkungen Atropin hemmt die Wirkungen des Acetylcholins an muscarinischen cholinergen Rezeptoren. Muscarinische Rezeptoren befinden sich an den Effektorzellen des Parasympathikus, vorwiegend an der glatten Muskulatur und im Drüsengewebe, und an neuronalen Zellen des peripheren und zentralen Nervensystems. Somit besteht die periphere Atropinwirkung in einer Hemmung der durch den Parasympathikus vermittelten Funktionen (parasympatholytische Wirkung): 1. Abnahme der Sekretion parasympathisch aktivierbarer Drüsen (Speichel-, Tränen-, Naso-pharyngeal- und Bronchialdrüsen, Magen, Pankreas) und der Schweißdrüsen (sympathische Innervation aber Acetylcholin als Transmitter). Die Galle- und Milchsekretion wird kaum beeinflusst. 2. Abnahme des kontraktilen Tonus der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Traktes (und Reduktion der Peristaltik), der Harnblase (M. detrusor), der Bronchien (Bronchialmuskulatur) und des Auges (Ciliarmuskel und Sphinkter iridis).
3. Zunahme der Herzfrequenz und Verkürzung der atrioventrikulären Überleitung. Initial und bei niedrigen Dosen kann auch eine paradoxe Abnahme der Herzfrequenz auftreten. Muscarinische Rezeptoren im Zentralnervensystem werden durch Atropin ebenfalls gehemmt. Auf diese Wirkung wird eine schwache zentrale vagale Erregung, respiratorische Stimulation und die Hemmung extrapyramidal-motorischer Aktivitäten zurückgeführt. Bei Überdosierung treten erregende z. T. auch psychotische Effekte auf. Lebensbedrohliche Vergiftungen sind durch zentrale depressorische Wirkungen gekennzeichnet. Atropin hemmt die Wirkung von Acetylcholin und anderen Agonisten der muscarinischen Rezeptoren kompetitiv. Atropin ist ein sehr selektiver Antagonist für die Gruppe der muscarinischen Rezeptoren. Nikotinische Cholinoceptoren werden nur in wesentlich höheren Konzentrationen beeinflusst (ca. 1.000fach). Nicht-cholinerge Rezeptoren werden von Atropin in therapeutisch relevanten Konzentrationen ebenfalls kaum beeinflusst.
Resorption Atropin wird peroral, i. m. und s. c. schnell und vollständig resorbiert. Maximale Blutkonzentrationen werden bei peroraler Gabe nach ca. 60 min erreicht. Nach inhalativer Gabe wurden ähnliche Werte gemessen. Bei i. m. Injektion wird die maximale Konzentration nach ca. 8– 13 min, bei s. c. Injektion nach ca. 10 min erreicht. Ähnliche Werte wurden nach ocularer Applikation gemessen. Klinische Wirkungen wurden nach ca. 30 min beobachtet. Bei i. v. Gabe wird das Maximum der peripheren Wirkung nach 12–16 min beobachtet.
Verteilung Die Eiweißbindung ist mit 12% gering. Atropin durchtritt die Blut/Hirn-Schranke und ist plazentagängig. In der Muttermilch wurden nur Spuren gefunden.
Elimination Die Halbwertzeit der Elimination beträgt bei Gesunden 3–4 h, Atropin wird zu 30–57% unverändert über die Niere, der Rest (vorwiegend in der Leber entstandene Metabolite) ebenfalls renal ausgeschieden. Bei älteren Menschen wurde die Halbwertzeit der Elimination von
Attackenschwindel, phobischer
L-Hyosyamin mit 2,3 h bestimmt. Die Wirkungen am Auge halten auch nach systemischer einmaliger Gabe etwa 24 h, bei lokaler Gabe mehrere Tage lang an.
Anwendungsgebiete Für Atropin gibt es nur noch wenige rational begründete Anwendungsgebiete. Atropin hemmt die parasympathische und zentrale Symptomatik bei Vergiftungen mit Hemmstoffen der Acetylcholinesterasen und gilt dabei als Standardtherapeutikum ( myasthene Krise!). Für die Vergiftungsbehandlung wurden z. T. sehr hohe Dosen eingesetzt. Eine starke Erregung nikotinischer Rezeptoren bei gehemmtem Acetylcholinabbau mit Blutdrucksenkung und Lähmung der Skelett- und Atemmuskulatur ist atropinresistent. Zur Vermeidung von Opiatnebenwirkungen und zur Verminderung des Brechreizes ist die Gabe von Atropin sinnvoll. Am Auge ist eine lokale Anwendung von Atropin nur dann indiziert, wenn eine langfristige (mehrere Tage anhaltende) Akkomodationslähmung (Cycloplegie) oder Weitstellung der Pupille (Mydriasis) notwendig ist. Ansonsten sind kürzer wirkende Substanzen besser geeignet. Bei lokaler Anwendung am Auge sind toxische systemische Wirkungen möglich. Atropin hat in der Behandlung der Symptome der Parkinson-Krankheit keine nennenswerte Bedeutung mehr. Andere Anticholinergika wie z. B. Biperiden werden wegen relativ geringerer peripherer Nebenwirkungen bevorzugt. 3
Dosierung und Art der Anwendung Als Antidot bei Vergiftungen mit Cholinesterasehemmern: i. v. 2–4 mg initial, dann 2 mg alle 5–10 min, bis sich die parasympathischen Symptome bessern oder Zeichen einer Atropinintoxikation auftreten. Bei Kindern liegt die Dosis für eine anticholinerge Wirkung bei 0,01–0,03 mg/kgKG.
143
motorische Störungen können zentrale Zeichen einer Überdosierung sein. Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, Sprechstörungen, retrosternale Schmerzen durch Refluxösophagitis, Obstipation, erschwertes Wasserlassen, erhöhte Herzfrequenz, verminderte Schweißsekretion, erhöhte Körpertemperatur, warme, gerötete Haut sind typisch. Kinder reagieren empfindlich auf die durch Atropin ausgelösten Störungen des Wärmehaushaltes (stark ansteigende Körpertemperatur möglich). Allergische Reaktionen mit Hautausschlägen und Schleimhautreizungen sind nicht selten. Akkomodationsstörungen am Auge mit Zunahme des Augeninnendrucks, Lichtscheu und vermehrter Blendungsempfindlichkeit.
Wechselwirkungen Verstärkung der Wirkung durch andere Pharmaka mit anticholinerger Wirkung wie z. B. einige Antihistaminika, Antidepressiva und niedrig potente Neuroleptika. Glucocorticoide (erhöhter Augeninnendruck). Antacida können die Resorption verlangsamen. Verminderung der Resorption von Ketoconazol. MAO-Hemmer (verstärkte anticholinerge Wirkung).
Akute Toxizität Toxische Zeichen sind Tachykardie, Fieber, Atmungsbeschleunigung, Unruhe, Erregung, paranoide Symptome, Halluzinationen und Krämpfe. Im weiteren Verlauf Übergang in ZNS-Depression mit Koma, Herz-KreislaufVersagen und Tod. Die tödliche Dosis variiert von 10 mg bei Kindern bis über 1 g bei Erwachsenen. Der Cholinesterasehemmstoff Physostigmin kann als Antidot versucht werden, um zentrale und periphere Effekte zu antagonisieren.
Attackenschwindel, phobischer
Unerwünschte Wirkungen
Synonyme
Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen resultieren aus der spezifischen Hemmung peripherer und zentraler muscarinischer Rezeptoren. Bei lokaler Anwendung am Auge sind alle systemischen anticholinergen Wirkungen unerwünscht, die nach der Resorption der Substanz über das Auge beobachtet werden. Durst, Unruhe, Erregung, Verwirrtheit, Schwindel und
Pseudovertigo
Definition Die Symptomatik dieser Schwindelform beruht auf einer psychischen Genese. Nicht selten werden von dem Patienten neben dem reinen Schwindelgefühl auch phobische Komponenten mit Angst beschrieben.
A
144
Aufmerksamkeit
Einleitung
Differenzialdiagnose
Sehr wahrscheinlich wird diese Diagnose, wenn der Schwindel regelmäßig bei bestimmten Situationen, z. B. Aufenthalt auf großen Plätzen oder in großen Menschenmengen ( Agoraphobie), in engen Räumen bzw. im Fahrstuhl ( Phobie, phobische Störung, Klaustrophobie) oder bei Streß- oder Konfliktsituationen auftritt.
Die Differenzialdiagnose der Augenmotilitätsstörungen ist komplex und umfasst neben zentralen Prozessen (vaskuläre Läsionen, Tumoren, Entzündungen, toxische Schäden z. B. durch Alkohol Wernicke-Enzephalopathie) periphere Hirnnervenschäden (Diabetes, Aneurysmen, granulomatöse oder entzündliche Prozesse) und Erkrankungen der Muskulatur (Myopathie, Myositis, Myasthenie) sowie lokale Prozesse im Bereich der Orbita. Zur Analyse der Augenmotilitätsstörung sind die klinische Beobachtung der Augenbewegung unter Zuhilfenahme von Abdecktests, der Okulomotoriktrommel, eines Farbglases sowie der vestibulookuläre Reflex und die Kopfhaltung entscheidend.
3
3
Ursachen für andere Formen der Pseudovertigo sind präsynkopale Symptome, Hyperventilationsanfälle, autonome Funktionsstörungen und hypoglykäme Zustände.
3
Diagnostik
Therapie empirisch Bewährt hat sich der Einsatz von SSRI, wie z. B. Paroxetin 20–40 mg/die. Kontrollierte Studien liegen nicht vor.
Therapie Die Therapie richtet sich nach Art der zugrunde liegenden Schädigung. Bei peripheren (nukleären/infranukleären Augenmotilitätsstörungen) mit persistierenden Fehlstellungen kommen verschiedene Schieloperationen in Frage ( Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre). Grundsätzlich steht die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. 3
Aufmerksamkeit Definition Ausrichtung der geistigen Aktivität auf einen Gegenstand.
Grundlagen Unterscheidung von drei Hauptkomponenten: * Generelle Wachheit oder Aktivierung. * Selektive Aufmerksamkeit (analog zur Konzentrationsfähigkeit). * Vigilanz i. S. einer Aufmerksamkeitszuwendung über längere Zeit.
Augenbewegung/-Störung
Augenbewegung/-Störung, bilaterale Definition Beide Augen sind von der Augenbewegungsstörung betroffen. Ursachen können zentral im Bereich der Hemisphären (Blickparesen), im Hirnstamm (Blickparesen, internukleäre Ophthalmoplegie, Nystagmus, Apraxie, Opsoklonus), im Bereich der Augenmuskelnerven (Augenmuskelparesen durch Raumforderungen, Entzündungen, Traumata), an der neuromuskulären Synapse ( Myasthenie), an den Augenmuskeln (Dystrophie, Myositis, mitochondriale Myopathien) lokalisiert oder mechanisch bedingt sein. 3
3
Ätiologisch kann differenziert werden zwischen mechanisch bedingten (restriktiv durch Raumforderungen im Bereich der Orbita), nukleären, infranukleären oder supranukleären Augenmotilitätsstörungen. Zugrunde liegen können Schädigungen der Augenmuskeln, der drei sie versorgenden Hirnnerven (infranukleär/nukleär) oder der für die koordinierte Blickmotorik verantwortlichen Schaltzentren (supranukleär).
3
Definition
Differenzialdiagnose Klinische Zuordnung der Symptomatik zur entsprechenden anatomischen Struktur und weitere Abklärung mittels kranieller Bildgebung, Liquordiagnostik, gegebenenfalls Acetylcholinrezeptor-Antikörpern oder Muskelbiopsie.
Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre
Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre Definition Schädigung eines oder mehrerer Augenmuskelnerven (N. III, N. IV, N. VI) im Kerngebiet (nukleär), im Hirnstamm oder in ihrem peripheren Verlauf (infranukleär), Okulomotoriusparese, Trochlearisparese, Abduzensparese. Klinisch imponiert die nukleäre/infranukleäre Augenbewegungsstörung durch eine Bulbusfehlstellung mit Doppelbildern, die bei Blick in Richtung des paretischen Muskels ihr Maximum zeigen. 3
3
3
Differenzialdiagnose 3
Okulomotoriusparese, Abduzensparese
Trochlearisparese,
3 3
Therapie Die Therapie der peripher-neurogenen Augenmuskellähmungen sollte, wenn irgend möglich kausal sein [1]. Bilden sich die Lähmungen unter kausaler Therapie nicht ausreichend zurück, so kommen lokale konservative und operative ophthalmologische Therapieverfahren in Frage. Wichtigstes störendes Symptom ist die Diplopie, sofern nicht das störende Doppelbild durch Fusion ausgeschaltet wird. gesichert 1. Konservative Therapie: Kann in einem relativ großen Blickfeld binokuläres Einfachsehen erhalten werden, sollten beide Augen offen gelassen werden, selbst wenn dazu in gewissen Blickwinkeln eine abnorme, kompensatorische Kopfhaltung eingenommen werden muss. Ist der Blickwinkel nicht ausreichend, so sollte eine Prismenkorrektur erfolgen (Verbesserung der Fusion vor allem für das Blickfeld geradeaus = Ferne und nach unten = Lesen). Nach Prismenanpassung kann sich das Blickfeld noch innerhalb von Tagen vergrößern (Prismenadaptation). Wegen dieser Schwankungen sollten besonders am Anfang billigere, aufklebbare Fresnel-Prismen aus Plastik anstelle der teueren in die Brille eingebauten Prismen verwendet werden. Prismenkorrektur meist am paretischen Auge, bei höheren Graden evtl. auch Verteilung auf beide Augen. Bei mangelnder Fusion trotz Prismen ist bei störender Diplopie
145
Abkleben eines Auges erforderlich (möglichst alternierend wegen Gefahr der Suppression). Auf der Straße sollte zur größeren Sicherheit das nicht gelähmte Auge benutzt werden. Partielle Okklusion ist auch möglich. Zur Vermeidung einer Kontraktur der homolateralen Antagonisten sollten aktive Bewegungsübungen in Richtung des gelähmten Muskels erfolgen, ggf. unter orthoptischer Anleitung. Aufhebung der Diplopie auch durch intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin in den homolateralen Antagonisten als temporäre Maßnahme bis zur Reinnervation des paretischen Muskels oder bis zur Operation möglich. Botulinumtoxin-Injektion ist alternative Therapie bei Kontraindikationen gegen eine Operation. Die Injektion sollte unter elektromyographischer Kontrolle erfolgen (je nach Grad der Parese 1–2 ng in den paretischen Muskel). 2. Operative Therapie: Nach Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen und nach gesichertem Eintreten eines Endzustandes ohne Schwankungen und ohne Aussicht auf Spontanremission (frühestens nach 12 Monaten) ist die Indikation zur Operation gegeben. Entscheidungshilfe kann das EMG mit der Frage der Reinnervierung geben. Die Operation dient zur Beseitigung der Doppelbilder und zur Wiederherstellung paralleler Sehachsen in allen Bulbusstellungen. Grundsätzlich kommen 4 verschiedene Operationsverfahren in Frage: * Verstärkung des paretischen Muskels. * Abschwächung des homolateralen Antagonisten (häufig Kontraktur durch Schrumpfung von Muskel- und Bindegewebe bei mangelnder Dehnung des Antagonisten). * Abschwächung des kontralateralen Synergisten und Verstärkung des kontralateralen Antagonisten. Hierzu stehen 3 Operationsverfahren zur Verfügung: a) Verbesserung der Stellung des paretischen Auges. b) Operationen nach dem Prinzip der Gegenparese. c) Ansatzverlagernde Muskeltranspositionen.
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
A
146
Augenbewegung/-Störung, restriktive
Augenbewegung/-Störung, restriktive
Augenbewegung/-Störung, supranukleäre Synonyme
Definition
Störung der Blickmotorik
Mechanische Behinderung der Augenbeweglichkeit, häufig begleitet von einem Exophthalmus. Häufigste Ursachen sind Raumforderungen oder eine endokrine Ophthalmopathie.
Differenzialdiagnose Abklärung durch bildgebende Verfahren des Zerebrums und der Orbita (CCT, MRT). Differenzialdiagnostisch müssen neben tumorösen Veränderungen Entzündungen wie Orbitaphlegmone, traumatische Läsionen, eine Fistel, Sinus-cavernosus-Fistel, Parasitosen, spontane Blutungen, ein Tolosa-Hunt-Syndrom, ein Pseudotumor orbitae oder ein Brown-Syndrom berücksichtigt werden. Bei der endokrinen Orbitopathie liegt eine immunologisch bedingte Entzündung des Orbitagewebes in Assoziation mit einer Hyperthyreose vor. Zur speziellen Abklärung gehört hier die Bestimmung der TSH-Rezeptorantikörper und der Schilddrüsenfunktionsparameter im Serum. 3
3
Therapie Die Therapie sollte möglichst kausal entsprechend der Grunderkrankung erfolgen.
Definition Störung der Blickmotorik durch Schädigung eines oder mehrerer Zentren für die neuronale Kontrolle koordinierter Augenbewegungen (Frontal- oder Okzipitallappen im Großhirn, Basalganglien, zerebellär, Medulla, Pons, Mittelhirn).
Differenzialdiagnose Zu den Störungen der Blickmotorik gehören horizontale und vertikale Blickparesen, die Skew deviation, Sakkadenstörungen, FusionsAkkomodationsschwächen und eine pathologische Augen-Kopf-Koordination (Apraxie). Die Differenzialdiagnose umfaßt das gesamte Spektrum zerebraler Läsionen.
Therapie Entsprechend der Grunderkrankung.
Augenbewegung/-Störung, unwillkürliche Definition
3
3
Differenzialdiagnose Die Differenzialdiagnose erfasst sämtliche Ursachen zerebraler Läsionen aber auch degenerative Erkrankungen wie die Ataxie, idiopathische und insbesondere Intoxikationen (Alkohol, Sedativa, Antikonvulsiva). 3
Bei der endokrinen Ophthalmopathie wird primär eine Normalisierung der Schilddrüsenstoffwechsellage angestrebt. Eine Nikotinkarenz ist wichtig. Zusätzlich kann eine Kortikoidtherapie erforderlich werden (zunächst 3 x 1 g, dann langsames Ausschleichen). Bei Versagen dieser Maßnahmen kommt eine retrobulbäre Bestrahlung in Frage (10×2 Gy über 10 Tage). Bei drohender Optikusatrophie durch die Kompression kann eine operative Orbitadekompression erforderlich werden. Der Pseudotumor orbitae wird ebenfalls mit Steroiden behandelt. Zur Therapie der anderen Ursachen siehe spezielle Krankheitsbilder ( Fistel, Sinus-cavernosus-Fistel, BrownSyndrom).
Ungewollte, spontan oder bei Blickbewegungen ausgelöste Augenbewegungen. Die unwillkürlichen Augenbewegungen können zu Sehstörungen, oft Doppelbildern, führen. Häufigstes Erscheinungsbild ist ein spontaner oder blickfolgeabhängiger Nystagmus. Seltener liegen okuläre Myoklonien, Myokymien (z. B. Brown-Syndrom), ein „ocular flutter“ oder „ocular bobbing“ oder eine Lidöffnungsapraxie vor. 3
gesichert
3
3
Autoantikörper, Kollagenosen
Therapie
147
Autoantikörper, Kollagenosen
Die Therapie orientiert sich an der Grunderkankung.
Synonyme Antinukleäre Antikörper (ANA), antinukleäre Faktoren (ANF)
Aura
Definition 3
Epilepsie,
Sammelbegriff für gegen verschiedene Zellkernbestandteile gerichtete Antikörper. Sie werden hier im weiteren Sinne aufgefasst.
Migräne
3
Grundlagen
Aura, epigastrische Synonyme Einfach-fokaler Symptomatik.
Anfall
mit
epigastrischer
Definition Einfach-fokaler Anfall ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) mit einem vom Epigastrium aufsteigenden Gefühl des Unwohlseins. Tritt in der Regel als Aura vor komplex-fokalen oder sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, seltener auch isoliert auf. 3
3
3
Einleitung Epigastrische Auren treten in der Regel bei Temporallappenepilepsien auf. 3
Differenzialdiagnose Präsynkopale Zustände mit Unwohlsein in der Magengegend können ggf. mit epigastrischen Auren verwechselt werden, haben aber meist nicht den typischen aufsteigenden Charakter.
Therapie Epilepsie, fokale
3
Prognose Epilepsie, fokale
3
Autoantikörper, antineutrophile Zytoplasma-Autoantikörper ANCA (antineutrophile Zytoplasma-Autoantikörper)
Kollagenosen sind mit zahlreichen, nicht nur antinukleären Autoantikörpern (ANA) assoziiert. Das Auftreten verschiedener ANA ist ihnen jedoch gemeinsam. Obwohl ihre pathogenetische Bedeutung nicht immer klar ist, spielen die ANA als diagnostische Marker eine wichtige Rolle. Als Nachweismethode dient überwiegend die indirekte Immunfluoreszenz. Der unsprünglich von Klemperer eingeführte Begriff „Kollagenosen“ bezog sich auf chronisch-rheumatische Erkrankungen. Heute zählen zu den „Kollagenosen im engeren Sinne“ unter Ausschluss der Rheumatoidarthritis, reaktiver Arthritiden und Autoimmun-Endokrinopathien die folgenden Krankheitsbilder: Systemischer Lupus erythematodes (SLE), SjögrenSyndrom (SS), progressive Systemsklerose (PS), Polymyositis (PM) und Dermatomyositis (MD), Mixed connective tissue syndrome (MCTD), Polymyositis/Sklerodermie (PM/ Scl), Jo-1-Syndrom und andere serologisch definierten Overlap-Syndrome, Antiphospholipidantikörpersyndrom, Panarteriitis und Immunkomplexvaskulitis. ANA werden unterteilt in Antikörper gegen DNA, Histone, DNA-Histon-Komplexe (LEFaktor), Non-Histone und andere nukleäre Antigene, wie z.B. RNA. Sie gehören überwiegend dem IgG-Typ an. Obwohl der Nachweis von ANA ein wichtiges Kriterium für Kollagenosen darstellt, kommen ANA nicht bei allen Kollagenosen vor (z. B. ANA-negativer SLE) und werden andererseits auch bei anderen Erkrankungen (z. B. primär biliäre Zirrhose und Myasthenia gravis) und Gesunden, besonders im höheren Lebensalter, gefunden. Die Tab. 1 gibt eine Übersicht über ausgewählte praxisrelevante ANA mit Nachweismethoden und häufigen Erkrankungen.
A
3
148
Autoantikörper, neuronale
Autoantikörper, Kollagenosen. Tab. 1: ANA, Nachweismethoden und Vorkommen Antigen
Wichtigste Nachweismethoden
Häufigstes Vorkommen
Ds-DNA (Doppelstrang-DNA)
Farr-Assay, ELISA, Crithidia luciliae indirekter Immunfluoreszenz-Test
SLE, SS, PM/Scl
Ss-DNA (Einzelstrang-DNA)
Farr-Assay
SLE und zahlreiche andere Kollagenosen
PCNA (proliferating cell nuclear antigen, Cyclin)
Indirekter ImmunfluoreszenzTest
SLE (selten, aber hochspezifisch)
SS-A/Ro*(p60 und p52 RNA-bindende Proteine)
ELISA, Radioimmunpräzipitationstest
SLE, neonataler und subakuter kutaner LE, SS, Sicca-Syndrom
SS-B/La* (Transkriptions- und Terminationsfaktor der RNA-Polymerase III)
ELISA, Radioimmunpräziptiationstest
SLE, neonataler LE, SS, Sicca-Syndrom
Sm=Smith bzw. soluble macroglobulin** (D1-, D2-, D3-, seltener E-, F- oder GProteine der in Spleißosomen vorkommenden Ribonukleoprotein-Partikel UsnRNP)
Westernblot, ELISA, indirekter Immunfluoreszenz-Test
SLE, neonataler LE
RNP=U1-snRNP/Mo** (small nuclear ribo- Westernblot, ELISA, indirekter nucleoprotein particle assoziiert mit U1Immunfluoreszenz-Test RNA) *
MCTD, SLE, PM/Scl
kommen auch im Zytoplasma vor gehören zu den ENA = extrahierbare nukleäre Antigene
**
Autoantikörper, neuronale
Autoantikörper, Schilddrüsenautoantikörper
Definition
Definition
Sammelbegriff für gegen verschiedene Nervenzellbestandteile gerichtete Autoantikörper. Ausgenommen sind üblicherweise Myelinbestandteile.
Autoantikörper gegen Bestandteile und/oder Produkte der Schilddrüse.
Grundlagen Die Antikörper sind Indikatoren paraneoplastischer neurologischer Syndrome (PNS). Ihre pathogenetische Bedeutung für Zellschädigungen im zentralen und peripheren Nervensystem variiert und ist nicht in jedem Falle geklärt. Die wichtigsten neuronalen Antikörper sind zusammen mit den assoziierten Neoplasien und neurologischen Syndromen in der Tab. 1 aufgeführt
Grundlagen Autoantikörper gegen das Thyreoglobulin und mikrosomale Antigene der Schilddrüsenazinuszellen besitzen Relevanz für die HashimotoThyreoiditis. Autoantikörper gegen den Thyreotropinrezeptor der Schilddrüsenfollikelzellen imitieren die Wirkung des thyreoideastimulierenden Hormons (TSH) aus dem Hyophysenvorderlappen. Sie sind vom IgG-Typ und werden auch als long-acting thyroid stimulator (LATS) bezeichnet. Die klinische Folge ist eine Hyperthyreose (Morbus Basedow). Autoantikörper gegen Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) sind im Serum bei Hypothyre-
Stiff-Person-Syndrom
Amphiphysin Mamma-Ca, kleinzelliges Bronchial-Ca, Colon-Ca, Morbus Hodgkin
Färbung von neuronalen Zellen
Färbung von retinalen 23 und 48 kDa Neuronen, Stäbchen und Zapfen
kleinzelliges> nicht kleinzelliges Bronchial-Ca, Mamma- und Endometrium-Ca
Subakute Retinadegeneration
CAR
Färbung des Zytoplasmas (feingranulär) von Purkinjezellen
Morbus Hodgkin
Langsam progrediente Kleinhirndegeneration mit gelegentlicher Dysarthrie und Nystagmus
128 kDa, isoliert aus neuronalen Zellen
bislang kein definiertes Protein bekannt
Synaptisches Vesikelprotein, Funktion?
Visinin-ähnliches Protein?, Calmodulin, Ca 2+ - bindendes Protein?
nicht bekannt
DNA- Bindungsproteine für die Regulation der Gentranskription
34–62 kDa aus Purkinje- und Tumorzellen sowie rekombinante CDR34/CDR62 Proteine
Färbung des Zytoplasmas (granulär) und der proximalen Axone von Purkinjezellen
Ovarial-Ca>Uterus-Ca, Mamma-Ca. Einzelfälle: Lymphom, Adeno-Ca der Lunge und der Parotis
RNA-Bindungsprotein, Bedeutung für die Reifung von Neuronen
Neuronenspezifisches RNA/DNABindungsprotein
Antigeneigenschaften
55–80 kDa sowie rekombinantes 55 kDa Protein
Subakute Kleinhirndegeneration mit ausgeprägter Ataxie, Dysarthrie und Nystagmus
Anti-Yo, APCA-1/PCA-1, Typ1
Reaktion mit Proteinen
Immunoblot,
Färbung der Nuclei 38–40 kDa sowie realler neuronaler Zel- kombinantes 43 kDa len, geringer auch der Protein (HuD) Zytoplasma
Immunhistologie/ Zytochemie
Färbung der Nuclei aller neuronaler Zellen des ZNS
Opsoklonus- Myoklonus-Syndrom
Anti-Ri, ANNA-2, Typ IIb
Kleinzelliges BronchialCa> nicht kleinzelliges Ca der Lunge und der Prostata, Seminom, Neuroblastom
Häufig assoziierte Karzinome
Mamma-Ca>kleinzelliges Bronchial-Ca, Neuroblastom, Medulloblastom
Limbische Enzephalitis, Hirnstammenzephalitis, SSN, autonome Neuronopathie
Syndrom
Neurologisches
Anti-Hu, ANNA-1, Typ IIa
Antikörper, Antigeneigenschaften
Autoantikörper, neuronale. Tab. 1: Klassifikation der PNS nach Antikörperbefunden
Autoantikörper, Schilddrüsenautoantikörper 149
A
Autoimmunerkrankungen
ose, Schwangerschaft und Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöht.
Synaptisches Vesikelprotein, Ca-Kanäle
Antigeneigenschaften
150
Autoimmunerkrankungen
43 kDa, 53/106 kDa (Synaptotagmin)
Autoaggressionskrankheiten
Definition Erkrankungen, in deren Pathogenese autoreaktive T-Lymphozyten und/oder Autoantikörper eine wesentliche Rolle spielen. Hu, Ri, Yo: Initialen der ersten Patienten, bei denen die entsprechenden PNS beschrieben wurden ANNA: anti-neuronal-nuclear-antibody (antineuronale nukleäre Antikörper) APCA: anti-purkinje-cell-antibody (Anti-Purkinjezell-Antikörper) PCA: purkinje-cell-antibody (Purkinjezell-Antikörper) CAR: cancer-associated-retinopathy (tumorassoziierte Retinopathie) VGCC: voltage gated calcium channels (spannungsabhängige Ca-Kanäle)
kleinzelliges Bronchial-Ca, Färbung von SynapEpidermoid-Ca sen LEMS VGCC
Reaktion mit Proteinen
Immunhistologie/ Zytochemie Häufig assoziierte Karzinome Syndrom
Neurologisches
Antikörper, Antigeneigenschaften
Autoantikörper, neuronale. Tab. 1: Klassifikation der PNS nach Antikörperbefunden (Fortsetzung)
Immunoblot,
Synonyme
Grundlagen Für die Diagnose einer Autoimmunerkrankung ist die Erfüllung der Witebsky-Kriterien zu fordern: 1. Nachweis von T-Lymphozyten und/oder Antikörpern, die bei Körpertemperatur mit Antigenen der betroffenen Organe reagieren. 2. Identifizierung und Isolierung von Autoantigenen, die im Tierversuch autoreaktive TLymphozyten und/oder Autoantikörperbildung stimulieren. 3. Auftreten gleicher oder ähnlicher morphologischer Veränderungen im Tierversuch wie bei der menschlichen Erkrankung. 4. Übertragbarkeit der Erkrankung durch Lymphozyten und/oder Serum auf nicht immunisierte gesunde Tiere. Die Autoimmunreaktionen können allein für den Krankheitsprozess verantwortlich sein, z. B. bei der Myasthenia gravis pseudoparalytica und Autoimmunzytopenien, den weiteren Verlauf einer Erkrankung wesentlich beeinflussen, z. B. bei der Rheumatoidarthritis, oder lediglich diagnostische Bedeutung besitzen, z. B. Rheumafaktoren. Das Spektrum der Autoimmunkrankheiten reicht von streng organspezifischen Erkrankungen, wie der Hashimoto-Thyreoiditis, bis zu systemischen Multiorgan-Erkrankungen mit Syndromcharakter, wie den Kollagenosen.
AVM (arteriovenöse Malformation, Angiom)
Bewertung Beuge- und Strecksynergismen sprechen gegen die Diagnose Hirntod, ebenso Tremor, epileptische Anfälle, Pyramidenbahnzeichen und Tonuserhöhungen.
Autonomes Nervensystem, Erkrankungen Grundlagen Das autonome Nervensystem steuert vorwiegend unbewusste, unwillkürliche Vorgänge im
Synonyme Angiom
Definition Angeborene, fehlerhaft Differenzierung der Arterien, Venen und Kapillaren mit arteriovenöser Fistelbildung.
Einleitung Die Störung der Gefäßanlage entsteht in der dritten Woche der Embryonalentwicklung und führt zu einer direkten Verbindung von pialen Arterien und Venen. Die Angioarchitektur der AVM weist speisende Arterien auf, sog. „feeder“ ( „feeder“, Angiom). Der Angiomnidus stellt die arteriövenöse Kurzschlussverbindung dar, die venöse Drainage kann mono- oder multipedunkulär sein und in tiefe und/oder oberfächliche Hirnvenen, die aneurysmatisch ektasiert sein können, münden. Das von Spetzler und Martin vorgeschlagene Graduierungssystem berücksicht Angioarchitektur und mutmaßliche Funktionsbedeutung (Angiom <3 cm: 1 Punkt, 3–6 cm: 2 Punkte, >6 cm: 3 Punkte, oberflächlich-kortikale Venendrainage: 0 Punkte, tiefe innere/basale Venendrainage: 1 Punkt). Das betroffene Hirngewebe ist gliös verändert und funktionslos. Klinisch können AVMs durch * eine intrakranielle Angiomblutung (60%, Blutung, Angiomblutung, intrakranielle), 3
Epileptische Anfälle und Automatismen beim Hirntod sind zu unterscheiden. Abzugrenzen sind Sprachautomatismen, sog. Recurring utterances oder Verbigeration im Rahmen von Schizophrenie, geistiger Behinderung und Verhaltensstörungen.
AVM (arteriovenöse Malformation, Angiom)
3
Differenzialdiagnose
3
Von klinischer Bedeutung sind v. a. Automatismen während epileptischer Anfälle und spinale Automatismen bei der Untersuchung auf Hirntod: * Bei epileptischen Anfällen können orale Automatismen, z. B. Schlucken, Kauen, Schlecken, mimisch-gestische, z. B. Nesteln, Wischen oder ambulatorische, z. B. Laufen, beobachtet werden. * Zu den spinalen Automatismen zählen durch Berühren, Lagerung oder Diskonnektion der Beatmung induzierte motorische Äußerungen wie dystone Bewegungen, Anheben von Extremitäten (Lazarus-Phänomen), Myoklonien oder Drehbewegungen. Sie sind v. a. bei jungen Erwachsenen zu finden und können zu erheblicher Verunsicherung bei der Diagnose Hirntod führen. Zu beachten ist, dass spinale Automatismen auch beim Bulbärhirnsyndrom nicht erloschen sein müssen und bei länger bestehendem Bulbärhirnsyndrom nach zwischenzeitlichem Ausfall wieder auftreten können.
3
Einleitung
3
Stereotyp ablaufende, stets gleich ausgeformte Bewegungsmuster.
3
Definition
Dienste der Konstanz des inneren Milieus. Es gliedert sich in ein sympathisches und ein parasympathisches System, dessen Komponenten sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem lokalisiert sind. Neben seltenen primären Erkrankungen des autonomen Nervensystems ( Pandysautonomie, Multisystematrophie) tritt bei einer Vielzahl von Erkrankungen sowohl des zentralen, z. B. Multiple Sklerose ( MS (Multiple Sklerose)), Parkinson-Syndrom als auch des peripheren Nervensystems, ( Polyneuropathie) eine autonome Beteiligung auf, die sich klinisch u. a. in kardiovaskulären, gastrointestinalen, sudomotorischen, trophischen oder Störungen von Blasen-, Darm- und Sexualfunktion manifestieren. 3
Automatismus
151
A
152
Axonotmesis
AVM (arteriovenöse Malformation, Angiom). Tab. 1: Kriterien für ein konservatives oder kuratives Therapiekonzept Kriterien für ein konservatives Therapiekonzept
Kriterien für ein kuratives Therapiekonzept
*
Die vollständige Entfernung der AVM ist nur fraglich oder sicher nicht möglich
*
Gute Aussicht auf vollständige Angiomausschaltung
*
Schwerwiegendes, die Lebensqualität stark beeinträchtigendes neurologisches Defizit
*
Der Angiom- oder Blutungslokalisation zuzuordnende, den Patienten nicht wesentlich beeinträchtigende neurologische Symptomatik
*
Alter über 70 Jahre
*
Alter unter 60 Jahre
*
Patient ist an seinen Zustande psychisch und sozial gut angepasst
*
Patient ist durch die Diagnose stark beunruhigt
*
Die möglichen Folgen einer operativen Angiomentfernung wären mit der Lebensplanung des Patienten vereinbar
*
Die möglichen Folgen einer Angiom(re)blutung wären mit der Lebensplanung des Patienten nicht vereinbar
* *
Bewertung Inzidenz von AVMs mit 1:100.000–125.000/ Jahr, entsprechend einer Prävalenz von 0,05% der Bevölkerung angegeben. Geschlechtsverteilung Männer:Frauen 1,25:1. Nachweis mehrerer AVMs bei einem Patienten sehr selten.
Prognose
Diagnostik
Blutung, Angiom, intrakranielles. Angiomassoziierte Epilepsien sind gut medikamentös behandelbar, Anfallsfreiheit nach Angiomexstirpation in etwa 50–70%. 3
Zerebrale Bildgebung (CCT, CTA, kraniales MRT, MRA, Mittel der Wahl Angiographie).
3
*
3
*
zerebrale Durchblutungsstörungen infolge des Steal-Effektes, fokal-neurologische Ausfälle (15%), Kopfschmerzen und durch zerebrale Anfälle (34%) symptomatisch werden, meist zwischen der 2. und 5. Lebensdekade. 3
*
Therapie Therapieindikationen kontrovers, da wenig über den Spontanverlauf bekannt ist. Ausweitung der Therapieindikation durch Weiterentwicklung der neuroradiologischen Intervention, Radiochirurgie ( Radiochirurgie, Neuroradiologie, interventionelle) und Mikrochirurgie. Endgültige Ausschaltung meist nur durch Kombination der Verfahren möglich.
Axonotmesis Definition Umschriebene axonale Schädigung eines Nervs ohne Kontinuitätsunterbrechung der Nervenhüllen, häufig durch Druckschädigung. Gute Regenerationstendenz.
3
3
gesichert Keine. empirisch Siehe Tabelle 2
Nachsorge Angiographische Verlaufskontrollen bei inkompletter Ausschaltung erforderlich.
Axonreflextest, quantitativer sudomotorischer (QSART) Definition Methode zur Untersuchung der Intaktheit des peripheren sudomotorischen Systems mittels auf die Haut aufgebrachter Substanzen. Auf-
Azathioprin
153
AVM (arteriovenöse Malformation, Angiom). Tab. 2: Chancen und Risiken der Angiombehandlung Behandlungsform und Risiko
Anteil [%]
Endovaskuläre Behandlung Anteil der Angiome, die kurativ embolisiert werden können
Etwa 10, abhängig von der Angioarchitektur
Passagere neurologische Symptomatik infolge der endovaskulären Angiombehandlung
Etwa 20, abhängig von Angioarchitektur und Angiomlokalisation
Permanente, geringgradige neurologische Symptomatik infolge der endovaskulären Angiombehandlung
Bis zu 10, abhängig von Angioarchitektur und Angiomlokalisation
Permanente, schwerwiegende neurologische Symptomatik infolge der endovaskulären Angiombehandlung
Bis zu 5, abhängig von Angioarchitektur und Angiomlokalisation
Letale Komplikation der endovaskulären Angiombehandlung
Unter 3, abhängig vom verwendeten/verwendbaren Embolisat
Radiochirurgische Behandlung am Gamma-knife Obliterationsrate 3 Jahre nach der Bestrahlung primär kleiner Angiome
Etwa 80, abhängig von Angiomgröße und Angioarchitektur
Obliterationsrate 3 Jahre nach der Bestrahlung primär größerer, durch Embolisation partiell devaskularisierter Angiome
Etwa 50, abhängig von Größe und Angioarchitektur des Restnidus
Passagere neurologische Symptomatik infolge der Gamma-knife-Bestrahlung
Etwa 6, abhängig von Dosis und Angiomlokalisation
Permanente neurologische Symptomatik infolge der Gamma-knife-Bestrahlung
Etwa 3, abhängig von Dosis und Angiomlokalisation
(Re-)Blutung nach Gamma-knife-Bestrahlung
3–5
Angiomexstirpation, ggf. nach Embolisation Komplikationslose und vollständige Angiomexstirpation
Etwa 50, abhängig von Größe und Lokalisation des Angioms, endovaskulär erzielter Devaskularisation und Erfahrung des Operateurs
Passagere neurologische Symptomatik infolge der Angiomexstirpation
Etwa 20, abhängig von Größe und Lokalisation des Angioms, endovaskulär erzielter Devaskularisation und Erfahrung des Operateurs
Permanente neurologische Symptomatik (geringfügig oder schwerwiegend) infolge der Angiomexstirpation
Bis zu 30, abhängig von Größe und Lokalisation des Angioms, endovaskulär erzielter Devaskularisation und Erfahrung des Operateurs
Letaler Ausgang der Angiomexstirpation
Unter 3%, abhängig von Größe und Lokalisation des Angioms, endovaskulär erzielter Devaskularisation, Vorerkrankungen, begleitenden Läsionen und spezifischer Erfahrung des neurochirurgischen Zentrums
grund aufwendiger Methodik kein klinisches Routinediagnostikum.
Azathioprin Synonyme AZA, purin
6-(1-Methyl-4-nitroimidazol-5-ylthio)
A
154
Azathioprin
Zubereitungen Filmtabletten, Trockensubstanz zur Injektion und Infusion.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Azefalk 25 mg/-50 mg Filmtabletten (Falk); Azamedac® Tabletten (medac), Azamedac® Trockensubstanz (medac); Azathioprin-ratiopharm® 25 mg/-50 mg Filmtabletten (ratiopharm); Imurek® 25/-50 Filmtabletten (GlaxoWellcome), Imurek® i. v. (GlaxoWellcome); Zytrim® 25 mg/50 mg Fimtabletten (Merckle).
Wirkungen Azathioprin ist ein Purin-Analog (Antimetabolit) und eine inaktive Vorläufersubstanz: Intrazellulär entstehen mehrere Metabolite, wobei vor allem 6-Mercaptopurin als aktiver Metabolit anzusehen ist. Dieses führt zu einer Reduktion der DNS- und RNS-Synthese mit nachfolgendem Zelltod. Azathioprin hemmt die Teilung und Aktivierung von B- und T-Lymphozyten sowie anderer Zellen (Monozyten), die bei der Entzündungsreaktion beteiligt sind.
Pharmakologische Daten Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe ca. 90%. Die Plasmaeiweißbindung beträgt etwa 30%. Eliminationshalbwertszeit 4,5–5 Stunden. Abbau von 6-Mercaptopurin durch die Xanthinoxidase inaktive 6-Thioharnsäure und Eliminierung über die Niere. Elimination durch Hämodialyse möglich. Wirkungseintritt frühenstens nach 4–6 Wochen, in der Regel nach 3–6 Monaten.
Anwendungsgebiete Langzeitimmunsuppresion bei * Myasthenia gravis. * Poly- und Dermatomyositis. * Immulogisch vermittelten entzündlichen Neuropathien (CIDP). * Encephalomyelitis disseminata, schubförmige Verlaufsform (vor allem bei Unverträglichkeit oder Ablehnung anderer Basistherapeutika durch den Patienten). * Vaskulitiden (Arteriitis temporalis). * Neurosarkoidose. * Morbus Behçet.
Dosierung und Art der Anwendung Initial einschleichende Behandlung mit 50 mg
Azathioprin/d. Dann innerhalb einer Woche auf die angestrebte Dosis steigern. Kontrollierte Studien zur Dosisfindung existieren nicht. Es hat sich eine Dosierung von 2–4 mg/kg Körpergewicht/d (in der Regel 100–200 mg/d) etabliert. Die Therapiekontrolle erfolgt zusätzlich über das Blutbild. Die angestrebte Leukozytenzahl ist 3500–4000/μl bei einer Lymphozytenzahl von 800–1200/μl. Weiterhin sind die Transaminasen zu kontrollieren. Die Kontrolle sollte im 1. Monat wöchentlich, im 2. und 3. Monat zweiwöchentlich, konsekutiv monatlich erfolgen. Bei einer ausbleibenden Lymphopenie ist eine Dosisadaptation bis max 250 mg/d anzustreben. Bei einer Leukopenie mit Leukozyten <3500/μl sollte eine 50%ige Dosisreduktion und bei <3000/μl das Absetzen des Azathioprin bis zur Normalisierung der Leukozytenwerte erfolgen. Bei einer Thrombopenie sind ein Absetzen für mindestens 3–4 Tage unter weiteren Laborkontrollen notwendig. Vor Therapiebeginn ist ein Blutbild inklusive Leukozyten, Hämoglobinwert, MCV, Thrombozyten, Bestimmung der Leberwerte sowie ein Schwangerschaftstest durchzuführen.
Unerwünschte Wirkungen Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie. Gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhöe, Cholestase, selten toxische Pankreatitis oder Hepatitis). Anstieg der Leberenzyme. Drug-fever. Keine sicher erhöhte Infektanfälligkeit, jedoch unter Umständen schwererer Verlauf. In einzelnen Studien nach langjähriger Therapie leichte Zunahme der Manifestationsrate von Non-Hodgkin-Lymphomen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwere Leber-, Nieren- und Knochenmarksschäden. Bekannte Allergien gegen AZA und/ oder 6-Mercaptopurin. Chronische Infektionskrankheiten (Tbc, chronische bakterielle oder virale Infekte, Mykosen). Schwangerschaft bzw. Kinderwunsch, Stillzeit. Antikonzeption für beide Geschlechter unter AZA-Medikation. Impfung mit Lebendimpfstoffen.
Wechselwirkungen Senkung des Phenytoinspiegels durch gleichzeitige Azathioprintherapie. Anstieg des Azathioprinspiegels (Dosisreduktion um 25%) durch gleichzeitige Therapie mit Allopurinol.
Azetylcholin
Alternativ kann man statt Allopurinol ein Urikosurikum einsetzen.
155
20 mg Azetylcholin-Chlorid mit Lösungsmittel zur Herstellung von 2 ml einer 1%igen Lösung zur topischen Anwendung am Auge.
Bewertung Es existieren bisher keine prospektiven doppelblinden, randomisierten placebokontrollierten Studien unter Einbeziehung von MRT-Kriterien für den Einsatz von Azathioprin in der Behandlung der Multiplen Sklerose. Die MS-Therapie Konsensus Gruppe ordnete Azathioprin in die Gruppe der Basistherapeutika ein. Für die Behandlung der Multiplen Sklerose findet zur Zeit eine Phase II – Studie zur Kombinationstherapie von Azathioprin mit Interferon beta-1a statt. Eine Metaanalyse belegt einen Benefit für MSPatienten mit schubförmiger Verlaufsform. Für die Myasthenia gravis ist ein Therapiebenefit in verschiedenen randomisierten doppelblinden und retrospektiven Studien belegt. In offenen Fallkontrollstudien wurde ein Nutzen für die inflammatorischen Myopathien und die CIDP nachgewiesen. Die Behandlung der Arteriitis temporalis sowie der Neurosarkoidose erfolgt empirisch.
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Wirkungen Skelettmuskelkontraktion, Bradykardie, verlängerte Überleitungszeit und Refraktärzeit des Herzens, leichte Vasodilatation, Bronchokonstriktion und vermehrte Bronchialsekretion, Zunahme der Magen-Darm-Motilität, Erschlaffung der Sphinkteren, vermehrte Sekretion endo- und exokriner Drüsen, Miosis.
Pharmakologische Daten Gut wasserlösliches, weißes kristallines Pulver. Azetylcholin ist ein physiologischer Transmitter mit einem breiten Bereich an Wirkungen. Extern zugeführt wirkt es als starkes Parasympathomimetikum. Nikotinische Wirkungen hat es am Skelettmuskel, den autonomen Ganglien und dem Nebennierenmark. Azetylcholin wird von postganglionären parasympathischen (und teilweise sympathischen) Nerven freigesetzt und entfaltet muskarinerge Wirkungen: Vasodilatation, Bradykardie, Vagusstimulation, tonische Aktivierung glatter Muskulatur, Lakrimation, Salivation. Azetylcholin ist kurz wirksam, weil es von Cholinesterasen inaktiviert wird.
Anwendungsgebiete Das Hauptanwendungsgebiet ist als sofort wirkendes Miotikum in der Kataraktchirurgie am Auge. Wegen der sehr kurzen Wirkdauer ist der Einsatz limitiert.
Dosierung/Anwendung 1%ige, wäßrige Lösung konjunktival.
Unerwünschte Wirkungen Die Nebenwirkungen ergeben sich aus dem pharmakologischen Profil: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Flush, Schwitzen, Tränenfluss, Speichelfluss, Rhinorrhöe, unwillkürlicher Urin- bzw. Stuhlabgang, Bradykardie, Hypotension, vorübergehender Herzstillstand, Bronchokonstriktion, sternales Engegefühl.
Azetylcholin Wechselwirkungen (2-Acetoxyethyl)-trimethylammonium
Cholinesterasehemmer verstärken und verlängern die Wirkung von Azetylcholin.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Bewertung
Miochol® (Cooper Vision, Großbritannien):
In der Neurologie wird man Azetylcholin allen-
Synonyme
A
156
Azetylcholinesterase
falls für die Differenzierung von Pupillenstörungen heranziehen.
Definition Histologisch als Myopathie mit Ragged-red-Fasern charakterisierte Myopathie bei Patienten, die längere Zeit mit Azidothymidin behandelt werden.
Azetylcholinesterase Einleitung
Synonyme Cholinesterase I, Azetylcholin-Azetylhydrolase, wahre Cholinesterase
Grundlagen Die spezifische Azetylcholinesterase kommt neben der motorischen Endplatte noch in der grauen Substanz des ZNS vor, ferner in sympathischen Ganglien und in Erythrozyten, nicht aber im Blutplasma. Daneben gibt es eine unspezifische Cholinesterase, die AcylcholinAcylhydrolase (Pseudocholinesterase, Cholinesterase II), die im Plasma, in der Leber, verschiedenen inneren Organen und in der weißen Substanz des ZNS vorkommt. Beide Enzyme werden durch Cholinesterasehemmer gehemmt. Die Plasmacholinesterase wird z. B. zur Beurteilung der Lebersyntheseleistung herangezogen sowie bei V. a. Pestizidintoxikationen. Für die Neurologie hat die muskuläre Cholinesterase die größere Bedeutung. Das Enzym sorgt durch Spaltung der Esterbindung in Cholin und Azetat für die Inaktivierung des Azetylcholins. Hemmung des Enzyms führt zu vermehrter Verfügbarkeit des Transmitters im synaptischen Spalt. Diesen Effekt macht man sich bei der Myasthenia gravis diagnostisch (Tensilontest) und therapeutisch nutzbar. Die Hemmung hat ein Optimum. Wird dieses überschritten, so führt das Zuviel an Transmitter zur Desensitisierung der Muskelmembran. Die Rezeptoren sprechen vorübergehend nicht mehr auf Azetylcholin an. Es resultiert eine Parese. Dies ist das Problem der cholinergen Krise und ein Teilproblem der insensitiven Krise.
Eines der wichtigsten Mittel zur Behandlung des AIDS-Erregers HIV ist Azidothymidin (AZT). Relativ viele Patienten, die über lange Zeit mit AZT behandelt werden, entwickeln eine Myopathie, die sich als mitochondriale Myopathie einordnen lässt. Tiere, die längere Zeit mit AZT behandelt werden, entwickeln eine entsprechende Myopathie. Die Ragged-red-Fasern sind bevorzugt schnelle Fasern. In den betroffenen Fasern nimmt die mitochondriale DNS ab. Deletionen werden nicht gefunden. Experimentell zeigt sich auch ein Effekt auf die Atmungskettenproteine. Neben dem Skelettmuskel können Herz und Leber betroffen sein. Bei Kindern, die pränatal AZT exponiert waren ohne mit HIV infiziert zu werden, entwickeln sich nicht selten bleibende, schwere Missbildungen, die unter anderem das Nervensystem betreffen können.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Laktat in Ruhe und nach Belastung, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie zur Abgrenzung der bei HIV-Patienten ebenfalls möglichen Polymyositis.
Therapie Symptomatisch. Umsetzung der antiretroviralen Therapie.
3
Prognose
Azidothymidin (AZT)-Myopathie Synonyme Zidovudine-Myopathie
Wenn die Myopathie zügig erkannt wird und die Therapie umgestellt werden kann, ist die Prognose gut. Ein größeres Problem stellt die AZT-Fetopathie dar.
3
B
Baclofen Synonyme (RS)-4-Amino-3-(4-chlorphenyl)-buttersäure; (RS)-β-(Aminomethyl)-4-chlor-benzenpropansäure; (RS)-β-(Aminomethyl)-p-chlorhydrozimtsäure; (RS)-β-(4-Chlorphenyl)-γ-aminobuttersäure
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Baclofen AWD®, - ratiopharm®, Lebic®, Lioresal® 5/10/25.
Wirkungen Baclofen wirkt spinal und supraspinal muskelrelaxierend [1, 2, 3, 4]. Baclofen ist ein Struktur-Analoges der Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), des wahrscheinlich wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitters. Baclofen aktiviert GABAB-Rezeptoren und hemmt dadurch den spannungsabhängigen Calcium-Einstrom in das betroffene Neuron [3, 4, 5]. Diese Wirkung wurde nicht nur an isolierten Zellsystemen, sondern auch an Neuronen des Rückenmarks, des Hirnstamms und des Zwischenhirns nachgewiesen [2, 3, 4, 5]. Besonders gut untersucht ist die spinale Wirkung: Die Aktivierung von GABAB-Rezeptoren an Ia-afferenten Neuronen des Hinterhorns durch Baclofen senkt deren intrazelluläre Calciumkonzentration. Dadurch wird die Ausschüttung des erregenden Neurotransmitters Glutamat vermindert. Die postsynaptischen Glutamat-Rezeptoren auf den Motoneuronen des Vorderhorns werden weniger erregt. Die Folge ist eine Verminderung der motorischen Reflexaktivität polysynaptischer (und monosynaptischer) Reflexe im Rückenmark. Aber auch eine Verminderung des motorischen Tonus von supraspinalen Zentren wird durch Baclofen ausgelöst [3, 4, 5]. Tierexperimentell und klinisch ist jedoch die
spinale Wirkung deutlicher ausgeprägt, was erklären könnte, warum Baclofen bei spinal-spastischen Erkrankungen wirksamer zu sein scheint als bei zerebraler Spastik [5, 6]. In kontrollierten klinischen Studien kann Baclofen vor allem spastische Zustände bei Multipler Sklerose [6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13], aber auch bei Querschnittslähmungen [6, 14, 15] und zerebraler Spastik, [16, 17] etwa bei Tumoren, Infekten oder Hirninfarkten günstig beeinflussen. Auch über eine therapeutische Wirksamkeit bei tardiven Dyskinesien (Spätdyskinesien) bei Parkinson wurde berichtet [18]. In den letzten Jahren wurde wiederholt die Wirksamkeit des Baclofen bei neurogenen Schmerzen, insbesondere bei Trigeminus-Neuralgie, beschrieben [19, 20]. Allerdings gilt Baclofen bei dieser Indikation als zweite Wahl nach Carbamazepin, wenn Carbamazepin schlecht vertragen wird.
Resorption Baclofen wird nach p. o. Gabe schnell und nahezu vollständig resorbiert. Peak-Plasma-Konzentrationen werden nach 2,5 h erreicht [21]. Die Bioverfügbarkeit beträgt mehr als 80% und wird durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme nicht beeinflusst [22].
Elimination Bei gesunden Versuchspersonen und Patienten mit intakter Nierenfunktion wird Baclofen mit einer Halbwertzeit von 4–7 h eliminiert. Zwischen 60 und 75% des eingenommenen Baclofens erscheinen in unveränderter Form im Urin, der Rest als Metaboliten [21, 23]. Bei älteren Menschen wurde keine verzögerte Elimination beobachtet, [24, 25] doch kann die Einschränkung der Nierenfunktion, z. B. als unerwünschte Wirkung nicht-steroidaler Antirheumatika, eine erhebliche Zunahme der Toxizität von Baclofen durch verminderte renale Clearance auslösen [24].
158
Baclofen
Anwendungsgebiete
Akute Toxizität
Baclofen gilt als Therapie der Wahl in der Behandlung der spinalen Spastik, z. B. bei Multipler Sklerose, bei degenerativen und traumatischen Rückenmarkserkrankungen, Querschnitts-Syndromen und Syringomyelie. Bei zerebraler Spastik ist Baclofen weniger wirksam. Allerdings wurden auch bei zerebraler Spastik und Kinderlähmung, Schlaganfällen oder Tumoren partielle Verbesserungen beobachtet.
Menschliche Intoxikationen können suizidal, akzidentell, aber auch bei normaler Dosis bei eingeschränkter Nierenfunktion auftreten [24]. Typische Symptome sind: Extreme Muskelhypotonie, Hyporeflexie, Atemdepression, Hypothermie, Halluzinationen, Verwirrtheit, Blutdruckabfall, Krampfanfälle, Bradykardie. Behandlung: Giftentfernung durch Magenspülung und Aktivkohle. Behandlung der Atemdepression. Benzodiazepine bei Krampfanfällen.
Dosierung und Art der Anwendung
Literatur
Baclofen wird einschleichend dosiert. Beginnend mit 3×täglich 5 mg (bei Erwachsenen) wird die Dosis im Verlauf von 1–2 Wochen auf 3×10 bis 3×25 mg täglich gesteigert. Für Kinder gelten besondere Dosis-Schemata. Eine eingeschränkte Nierenfunktion ist unbedingt in der Dosis zu berücksichtigen. Ältere Menschen vertragen meist nicht die volle Erwachsenendosis. Auch ein Absetzten der Therapie muss schrittweise erfolgen, da „Entzugserscheinungen“ auftreten können [26]. Bei ausgeprägter Spastik kommt die intrathekale Gabe als Baclofen-Pumpe in Frage.
Unerwünschte Wirkungen Vorherrschend sind zentrale und gastrointestinale unerwünschte Wirkungen [6, 7, 8, 11, 25]. Allergische Reaktionen, insbesondere auf der Haut, können vorkommen. Müdigkeit, Benommenheit und unangenehme Träume treten häufig auf, insbesondere bei älteren Menschen [25], seltener werden depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, Sehstörungen, Angstzustände, Halluzinationen, Kopfschmerzen und Hypothermie beobachtet. Epileptische Anfälle können – vor allem bei intrathekaler Gabe ausgelöst werden. Hypotonie ist relativ häufig vorhanden. Muskelschwäche und Muskelschmerzen treten gelegentlich auf. Häufig sind Übelkeit, gelegentlich Erbrechen oder Durchfälle, gelegentlich werden Leberfunktionsstörungen beobachtet.
Wechselwirkungen Die Wirkung anderer zentral sedierender Pharmaka, einschließlich Alkohol, wird verstärkt. Bei Kombination mit L-Dopa plus Carbidopa sind Halluzinationen möglich. Die Wirksamkeit von Antihypertensiva, insbesondere solcher mit zentralem Angriffspunkt, wird verstärkt.
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Ballismus
159
(sog. „Aufdotterung“ von Gefäßen) mit oder ohne Stentimplantation.
B Baló-Erkrankung Synonyme Konzentrische Sklerose, Leucoencephalitis periaxialis concentrica
Definition Die Baló-Erkrankung ist eine seltene Sonderform der Multiplen Skerose, die akut mit typischen, meist multilokulären konzentrisch sklerosierten Läsionen auftritt.
Einleitung
Definition Hemiballismus.
3
Ballon, Okklusion Definition Transkutaner endovaskulärer Eingriff zur gefäßverschließenden Intervention mittels Ballonkatheter.
Grundlagen Behandlungskonzept der interventionellen Neuroradiologie, bei dem üblicherweise über einen transfemoralen Zugang und Legen einer Katheterschleuse ein Ballonkatheter zur läsionstragenden Arterie vorgebracht wird. Drei Arten der Embolisation mit Ballonkathetern stehen zur Verfügung: * Ablösbarer Ballon mit Ventil. * Ablösbarer Ballon mit Ligatur. * Nicht ablösbarer Ballon. 3
( Sinus cavernosus, Fistel; Durafistel, arteriovenöse; Angiom; Aneurysma) 3
3
3
3
Ballondilatation Definition 3
Interventionelles Verfahren zur
Angioplastie
Die von Josef Baló erstmals 1928 beschriebene Erkrankung ist histopathologisch durch perivenöse Marklager-Läsionen gekennzeichnet, in denen sich lamellenartig angeordnet demyelinisierte und remyelinisierte Bereiche (Zwiebelschalenformationen) abwechseln. Diese Läsionen können multilokulär, symmetrisch oder singulär in beträchtlicher Größe im Marklager vorkommen und dann differenzialdiagnostisch mit einem Hirntumor verwechselt werden.
Diagnostik Klinisch ist die Baló-Erkrankung in erster Linie durch akut auftretende neurologische Defizite wie eine Halbseiten-Symptomatik oder eine Bewusstseinsstörung charakterisiert. Andererseits sind auch subakute Verläufe mit im Vordergrund stehenden neuropsychologischen Auffälligkeiten bekannt. Mit der kranialen Kernspintomographie (T2-gewichtete Aufnahmen) lassen sich zum Teil die typischen Läsionen mit lamellenartig- konzentrischer Sklerose darstellen. Die Diagnose kann durch den Nachweis von demyelinisierenden Läsionen in den evozierten Potentialen unterstützt werden. In der Regel erbringt die Liquordiagnostik Befunde wie bei der Multiplen Sklerose. Sie kann aber auch ohne pathologischen Befund ausfallen. In differenzialdiagnostischen Zweifelsfällen muss die Diagnose in der Abgrenzung gegenüber einem Hirntumor wie einem Astrozytom oder einem ZNS-Lymphom mittels einer Hirnbiopsie gesichert werden.
160
Bandscheibe, Sequestrierung
Therapie Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung fehlen systematische Therapiestudien, sodass keine gesicherten Behandlungsempfehlungen gegeben werden können. empirisch Die klinischen Ausfälle wie auch die bildmorphologisch fassbaren Läsionen bilden sich nach Einzelfallberichten unter einer intravenösen Kortikosteroid-Stoßtherapie (500–1000 mg/d über 5 Tage mit Ausschleichen der Dosis über 4 Wochen) deutlich zurück. Bei Versagen der Kortikosteroid-Therapie ist in Einzelfällen Cyclophosphamid (1000 mg als Bolus, eventuell vierwöchentliche Wiederholung unter Blutbild-Kontrolle) mit Erfolg eingesetzt worden.
3. Chen CJ, Chu NS, Lu CS, Sung CY (1999). Serial magnetic resonance imaging in patients with Balo's concentric sclerosis: natural history of lesion development. Ann Neurol 46 (4):651–656. 4. Moore GR, Neumann PE, Suzuki K, Lijtmaer HN, Traugott U, Raine CS (1985). Balo's concentric sclerosis: new observations on lesion development. Ann Neurol 17 (6):604–611. 5. Stoll G, Brück W (2001). Sonderformen der Multiplen Sklerose. In: Zettl UK, Mix E (Hrsg.). Multiple Sklerose – Kausalorientierte, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin-New York S. 81–90. 6. Zettl UK, Lehmitz R, Mix E (2003). Klinische Liquordiagnostik. De Gruyter Berlin-New York.
Bandscheibe, Sequestrierung
Nachsorge
Definition
Aufgrund der vereinzelt berichteten Rezidive sollten regelmäßige klinische Verlaufskontrollen erfolgen.
Ablösung eines demarkierten, abgestorbenen Bandscheibenfragmentes nach Kontinuitätsunterbrechung des hinteren Längsbandes beim Bandscheibenvorfall. Kranial- und Kaudalverlagerung sind möglich. Oft resultiert ein Kaudasyndrom. Meist ist OP-Indikation gegeben.
Die seltene Baló-Erkrankung sollte bei akut einsetzenden neurologischen Ausfällen, zum Teil begleitet von Bewusstseinsstörungen oder neuropsychologischen Auffälligkeiten in die differenzialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen werden.
3
Bewertung
Bandscheibenvorfall
Prognose
Synonyme
Den Kasuistiken und kleineren klinischen Studien zufolge soll die Erkrankung überwiegend monophasisch, chronisch-progredient verlaufen. Trotz Einsatz einer immunsuppressiven Therapie und häufig guter Remission der neurologischen Defizite sind auch Rezidive und therapieresistente Verläufe mit letalem Ausgang bekannt. Bisher ist nur ein Fall einer Spontanremission dokumentiert. Eine eindeutige Bewertung einer Langzeitprognose der Baló-Erkrankung ist aufgrund der vorliegenden Daten nicht möglich.
Bandscheibenprolaps, Diskusprolaps, Nucleus pulposus Prolaps
Einleitung Betroffen sind vor allem die lumbalen Segmente L4/5 und L5/S1, zervikal am häufigsten C6/ 7. Klinisch imponieren Schmerzen mit radikulärer Ausstrahlung ( Wurzelsyndrome, Lumboischialgie) und radikuläre neurologische Defizite mit Paresen, Sensibilitätsstörungen und Reflexabschwächungen bzw. - ausfällen. 3
1. Bolay H, Karabudak R, Tacal T et al. (1996) Balo’s concentric sclerosis: Report of two patients with magnetic resonance imaging follow-up. J Neuroimaging 6:98–103. 2. Caracciolo JT, Murtagh RD, Rojiani AM, Murtagh FR (2001). Pathognomonic MR imaging findings in Balo concentric sclerosis. Am J Neuroradiol 22 (2):292–293.
Verlagerung bzw. Austritt von Gewebe des Nucleus pulposus der Bandscheibe in die Foramina intervertebralia oder den Spinalkanal.
3
Literatur
Definition
Diagnostik Elektromyographie: Nachweis von Denervierungszeichen im entsprechenden Myotom
Bandscheibenvorfall
161
B
Bandscheibenvorfall. Abb. 1: Verlaufsstadien der Bandscheibendegeneration
(Kennmuskeln der Extremitäten sowie paraspinal). In Kombination mit der Elektroneurographie zur Abgrenzung von z. B. Plexusläsionen in uneindeutigen Fällen. Bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT, Myelographie) sollten gezielt eingesetzt werden, festgestellte morphologische Veränderungen müssen in Einklang mit der klinischen Symptomatik stehen, da asymptomatische pathologische Befunde häufig sind (30–50% der über 40-Jährigen!).
Therapie empirisch *
*
*
Zervikaler Bandscheibenvorfall: Konservativ: Ruhigstellung der HWS mittels individuell angepasster Halskrawatte (für maximal 2–3 Wochen, auch nachts) in Kombination mit Analgetika, Muskelrelaxantien und lokaler Eisanwendung. Beim Versagen dieser Behandlung bzw. bei hinzutretenden funktionell bedeutsamen Paresen prinzipiell Indikation zum operativen Vorgehen (abhängig von Ausmaß und Lokalisation der degenerativen Veränderungen). Lumbaler Bandscheibenvorfall: Konservativ: In der Akutphase Bettruhe, Stufenbett (Nutzen nicht nachgewiesen!), lokale Eisund Wärmeanwendung, medikamentös. Nach eingetretener Besserung vorsichtige Remobilisation durch krankengymnastische Übungsbehandlung, Bewegungsbad, Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur. Wesentlich ist die Fortsetzung dieser aktiven Behandlung über die Symptomfreiheit hinaus. Eine Indikation zur operativen Therapie besteht beim Versagen der konservativen Behandlung innerhalb von 1–3 Wochen oder beim Vorliegen funktionell relevanter neurologischer Ausfälle (höhergradige Paresen
*
funktionell bedeutsamer Muskeln, Kaudasymptomatik mit Blasen-Mastdarmstörungen). Dabei ist der Mikrodiskektomie zur Zeit aufgrund hoher Erfolgs- und niedriger Rezidivquote der Vorzug zu geben [2]. Bei einem Kaudasyndrom muss eine notfallmäßige Operation innerhalb von Stunden erfolgen, da sonst irreversible Blasen-Mastdarmstörungen drohen. Perkutane Operationsverfahren (endoskopische Nukleotomie) sind nur dann zu erwägen, wenn eine Sequestrierung von Bandscheibenmaterial sicher ausgeschlossen wurde und keine begleitenden knöchernen Einengungen bestehen. Laserchirurgie und Chemonukleolyse sind keine Behandlungsmethoden der Wahl [2]. Vorschläge zur analgetischen und muskelrelaxierenden medikamentösen Therapie beim Bandscheibenvorfall: Diclofenac (Voltaren®) 50–100 mg alle 8–12 h; Tramadol (Tramal long®) 50–100 mg alle 6–8 h; Flupirtin (Katadolon®) 100 mg alle 8 h; Tetrazepam (Musaril®) 50–300 mg/d.
unwirksam/obsolet Intraglutäale Injektionen steroidhaltiger Analgetikazubereitungen, wiederholte Wurzelblockaden, manuelle Therapie.
Prognose Rezidivquote nach Mikro- oder Standarddiskektomie ca. 4% (bei Chemo- oder Lasernukleolyse 16–17%).
Diätetik/Lebensgewohnheiten Erziehung des Patienten zu „bandscheibengerechtem“ Verhalten: Korrektes Stehen und Sitzen am Arbeitsplatz, Heben von Lasten aus der Hocke anstatt aus dem Kreuz heraus, symmet-
162
Barbexaclon
rische Belastung beim Tragen von Lasten, adäquates Schuhwerk usw. Verzicht auf Zigarettenrauchen. Längere Zwangspositionen (Autofahren) vermeiden.
Literatur 1. Vroomen PCAJ, Krom MCTFM de, Wilmink JT, Kester ADM, Knottnerus JA (1999) Lack of effectiveness of bed rest for sciatica. NEJM 340: 418–23. 2. Schmid UD (2000) Mikrochirurgie lumbaler Bandscheibenvorfälle. Nervenarzt 71: 265–274 (Metaanalyse von 69 Artikeln).
Barbexaclon Wirkungen Barbexaclon stellt eine salzartige Verbindung von Phenobarbital und L-Propylhexedrin dar. Nach Gabe von Barbexaclon wird im Blut Phenobarbital nachgewiesen. Die Veränderungen im EEG unterscheiden sich nicht von denen durch Phenobarbital allein.
raten im Rahmen der Hirndrucktherapie oder der Therapie des Status epilepticus.
Grundlagen In der Hirndrucktherapie werden Barbiturate als gut steuerbare Sedativa verwendet, das Barbituratkoma ist allerdings weitgehend verlassen worden. Meist werden sie als intermittierende Bolustherapie zum Absenken von Hirndruckspitzen verwendet (Thiopental 3–5 mg/kgKG/ h i. v. oder Etomidate-Bolus 0,3–0,5 mg/kgKG/ h). Die Barbituratnarkose stellt allerdings weiterhin eine Ultima Ratio bei diffuser Hirnschwellung dar, wenn die konventionelle Hirndrucktherapie versagt. Dabei wird Thiopental zunächst als Bolus 200–400 mg verabreicht und anschließend auf kontinuierliche i. v.Gabe umgestellt. Diese Dosis wird kontinuierlich angehoben bis zum Erreichen des Burstsuppression-Musters im EEG. Ein ähnliches Vorgehen gilt für die Behandlung des Status epilepticus. Wesentliche Nebenwirkungen sind Hypotonie und erhöhte Gefahr von Druckläsionen an abhängigen Körperpartien.
Anwendungsgebiete Barbexaclon ist wirksam bei Grand-mal-Epilepsie; bei Petit-mal-Krämpfen als Zusatzmedikation, Erfolgsquote ca. 90%. Die Substanz ist heute obsolet.
Barotrauma Definition
Unerwünschte Wirkungen Die Häufigkeit von unerwünschte Wirkungen soll bei gleicher therapeutischer Wirksamkeit geringer sein als bei alleiniger Phenobarbitalgabe, vor allem geringere Sedierung.
Toxikologische Eigenschaften Bei Intoxikationen ist neben dem Risiko durch das Barbiturat (Cyclobarbital, Phenobarbital) auch das durch Propylhexedrin zu berücksichtigen. Symptome: Palpitationen, Kopfschmerzen, Infarktgefahr, Atemnot, Lungenödem.
Barbituratnarkose
Durch plötzliche Änderung des Luftdrucks bei mangelndem Druckausgleich ausgelöste Verletzung von Organen.
Einleitung Nach Aufenthalt in Überdruck und anschließendem raschen Druckabfall wird im Blut und im Gewebe gelöster Stickstoff frei und führt zu Gasembolien, lokaler Gewebeschädigung und Nekrosen. Die Symptome reichen von Trommelfellrupturen, Aerootitis, Schwindel und neuropsychologischen Störungen über Herz-Kreislauf- und Atembeschwerden, Haut- und Mediastinalemphysemen bis hin zu Pneumothorax und - perikard und akut auftretenden Querschnittsläsionen.
Synonyme Supranarkotische Barbiturattherapie
Diagnostik
Definition
Abhängig von den betroffenen Organen: Röntgen-Thorax, abdominales, spinales und kraniales MRT, Herz-Echo, Sono Abdomen etc.
Allgemeinnarkose durch Infusion von Barbitu-
Basilarismigräne
163
Unterschiedlich etablierte Versionen: Version nach Wade und Collin (maximale Punktzahl 20) * Version nach Granger (ingesamt 15 Items mit Gesamtpunktzahl von 100) * erweiterter Barthelindex: Erweiterung durch neuropsychologische Funktionen und soziale Fähigkeiten * Frühreha-Barthel-Index: Erweiterung durch Rehabilitationserschwernisse wie Überwachungspflichtigkeit, absaugpflichtiges Tracheostoma, schwere Orientierungs-, Verhaltens-, Schluck- und Verständigungsstörung mit Abzügen von 25 oder 50 Punkten (minimal 0 Punkte, maximal 100 Punkte).
HNO-ärztliche und klinisch-neurologische Untersuchung.
*
Therapie Sofortige Rekompression.
Nachsorge Abhängig von den betroffenen Organen: Röntgenthorax, abdominales, spinales und kraniales MRT. HNO-ärztliche, neurologische und neuropsychologische Untersuchung.
Barthel-Index Definition Score zur Erfassung von Behinderungen in Alltagsfunktionen insbesondere im Bereich der körperlichen Selbstversorgung.
Basilarismigräne Definition Migräne mit Aurasymptomen, die sich eindeutig auf Funktionsstörungen im Hirnstamm oder in beiden Okzipitallappen zurückführen lassen.
Grundlagen Benannt nach D.W. Barthel, breite Anwendung zur Beurteilung: * des Behinderungsgrades * der Rehabilitationsphasen * des Rehablitationsergebnisses * des Outcomes im Rahmen klinischer Studien.
Einleitung Als Aurasymptome können visuelle Störungen sowohl im temporalen als auch im nasalen Gesichtsfeld beider Augen, Dysarthrie, Vertigo, Tinnitus, Hörminderung, Doppeltsehen, Ataxie, bilaterale Parästhesien oder Paresen oder eine Bewusstseinsstörung ( Anfälle, nichtepileptische) auftreten, am häufigsten bei jungen Erwachsenen.
Einteilung in insgesamt 10 Items mit maximaler Punktzahl von 100 (siehe Tab. 1). Genaue Richtlinien sind den entsprechenden Manualen zu entnehmen.
3
Barthel-Index. Tab. 1: Erfassung von Behinderungen in Alltagsfunktionen Nicht möglich
Mit viel Hilfe
Mit wenig Hilfe
Selbstständig
Essen
0
5
10
Anziehen
0
5
10
5
10
Waschen
0
Toilettenbenutzung
0
Badbenutzung
0
Umsteigen vom Bett in den Rollstuhl
0
5 5 5
10
50 m Gehen auf ebener Fläche 0
5
10
Treppensteigen
5
10
0
15 15
Kontrolle des Stuhlgangs
0
5 (inkonstant)
10
Harnkontinenz
0
5 (inkonstant)
10
B
164
Basilaristhrombose
Diagnostik
*
Migräne
3
Therapie Migräne. Triptane und Ergotaminderivate sind kontraindiziert.
Arteriosklerotisch/lokalthrombotisch: fluktuierende Hirnstammsymptome mit oft stotternder Progredienz. * Je nach Lokalisation der Ischämie kommt es zusätzlich zur Vigilanzminderung, zu uni-/bilateralen Hirnnervenausfällen mit zum Teil komplexer Okulomotorikstörung, zu einer Hemi- oder Tetraparese, bei Einbeziehung des posterioren Stromgebietes zu Gesichtsfeldstörungen, Hemianopsie bis hin zur kortikalen Blindheit sowie zu mnestischen bzw. psychotischen Störungen bei Befall temporaler Hirnanteile und des Thalamus. 6. Sonderform: „top of the basilar“-Syndrom: Durch einen Verschluss der A. basilaris kurz vor der Aufzweigung in die beiden Aa. cerebri posteriores (Basilariskopfverschluss) kommt es zu bilateralen Thalamusischämien mit Vigilanzstörung sowie zu einer Beeinträchtigung der vertikalen Okulomotorik und der Pupillomotorik mit ein- oder beidseitiger Mydriasis.
3
3
Definition Lokalthrombotischer oder thrombembolischer Verschluss der A. basilaris mit Ischämie im nachfolgenden basilären und posterioren Stromgebiet.
3
Thrombose der Arteria basilaris, A. basilarisVerschluss
3
Synonyme
3
Basilaristhrombose
Einleitung Diagnostik 1. Anatomische Grundlagen Die A. basilaris entsteht aus der Vereinigung der beiden Arteria vertebralis an der kaudalen Pons und teilt sich an ihrem oberen Rand in die beiden Aa. cerebri posteriores auf. Wichtigste Gefäßabgänge: jeweils bilateral A. cerebelli inferior anterior und A. cerebelli superior. 2. Pathogenese der Basilaristhrombose Durch eine lokale Thrombosierung auf dem Boden eines arteriosklerotisch veränderten Gefäßes oder durch eine kardiale Embolie kommt es zu einem Verschluss der A. basilaris, der prinzipiell in jedem Abschnitt des Gefäßes auftreten kann. 3. Häufigkeit 15–20% aller thrombembolischen Ereignisse. 4. Leitsymptome Bewusstseinsstörung unterschiedlicher Ausprägung, Hirnnervenausfälle, Tetraparese. 5. Klinische Symptomatik Die klinische Symptomatik wird durch die Höhe des Verschlusses und die zugrundeliegende Ätiologie bestimmt: * Kardiogen-embolisch: meist schlagartiger Beginn mit schwerer neurologischer Symptomatik, da fehlende Gefäßkollateralen.
* *
3
3
*
3
3
*
*
Anamnese: kardiovaskuläres Risikofaktorprofil, Hinweise auf kardiale Emboliequelle. Klinisch-neurologische Untersuchung sowie orientierende internistische Untersuchung einschließlich EKG. Zerebrale Bildgebung: – CCT/MRT: Nachweis von Ischämien im basilären/posterioren Stromgebiet, Blutungsausschluss. – CCT/MR-Angiographie: Nachweis der Basilaristhrombose. Cave: Eine unauffällige CCT/MR-Angiographie schließt eine Basilariskopfthrombose nicht aus. Doppler/Duplexsonographie: ausgeprägt erhöhte Pulsatilität oder Pendelfluss. Cave: Die Treffsicherheit der Diagnose sinkt, je weiter kranial der Verschluss liegt, je langsamer er sich entwickelt hat und je länger das Verschlussereignis zurückliegt. Selektive Katheterangiographie: Goldstandard mit direktem Nachweis der Stenose/ des Verschlusses und Möglichkeit der lokalen bzw. regionalen intraarteriellen Lyse.
Therapie Es muss zwischen einer spezifischen Therapie mit dem Ziel einer Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes bzw. Hemmung des Fort-
Basilaristhrombose
Symptomatische, adjuvante Therapie: * Sicherung der Vitalfunktionen: – Atmung: großzügige Indikation zur Intubation bei respiratorischer Insuffizienz (pO2 <50–60 mmHg, pCO2 >50 mmHg, mechanische Erschöpfung) und bei Vigilanzminderung mit Aspirationsgefahr. – Kreislauf: invasives Monitoring mit zentralvenösem und arteriellem Katheter, da häufig vegetative Dysregulation mit hypotensiver und hypertensiver Entgleisung sowie neurogenes Lungenödem. * Ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt durch konsequente Bilanzierung. * Ausgleich von metabolischen Entgleisungen (Blutzucker) und Elektrolytstörungen. * Initial parenterale, nach Ausschluss einer Schluckstörung oder Aspirationsgefahr orale, ansonsten enterale Ernährung via nasogastrale Sonde bzw. PEG-Sonde. * Normo- bis leichte Hypothermie (35– 37 °C). * Bei raumfordernden Kleinhirninfarkten: Indikation zur subokzipitalen (Entlastungs-) Kraniektomie. 3
a) Antikoagulation (Ziel-PTT: 3facher Ausgangswert, ca. 80 s), mit der Vorstellung eine Progredienz (Appositionsthromben) zu verhindern. b) Durch systemische intravenöse Thrombolyse konnten in Einzelfällen Rekanalisationen erzielt werden (Keine Daten aus kontrollierten Studien vorhanden). c) Die lokale intraarterielle Fibrinolyse erbrachte in mehreren Studien vielversprechende Resultate. * Indikation: – Klinisch: Hirnstammsyndrom mit Bewusstseinsstörung ohne Rückbildungstendenz bzw. mit progredientem Fortschreiten. Fluktuierendes Hirnstammsyndrom bei wachem Patienten (Einzelfallentscheidung). Koma <6 Stunden. – Radiologisch: Nachweis eines frischen Basilarisverschlusses in der Angiographie. * Ausschlusskriterien: Große infratentorielle Infarzierung (Kleinhirn, Hirnstamm). Blutung. Koma >6 Stunden (Einzelfallentscheidung). Fehlende Hirnstammreflexe. * Durchführung: – Platzierung eines über die A. femoralis eingeführten Mikrokatheters im Bereich des Thrombus (lokale Lyse), bei fehlender Platzierungsmöglichkeit ggf. Versuch der regionalen Lyse über Vertebralarterie. – Medikation: rt-PA Lokale Lyse: initial 1 mg/min über 10 min, dann 40– 60 mg über 1 h. Regionale Lyse: 0,9 mg/kg KG. Urokinase: 400000 IU/h über 1 h (maximal 1,0 Mio IU). – Angiographische Kontrolle im Anschluss an die Lyse.
3
Spezifische Therapie:
3
gesichert
– CCT-Kontrolle unmittelbar nach Lyse und am Folgetag zum Ausschluss von Einblutungen. – PTT-wirksame Heparinisierung zur Verhinderung einer Reokklusion im Anschluss an die Lyse. Ziel-PTT: 1,5–2fache Verlängerung.
3
schreitens der Thrombosierung und einer symptomatischen adjuvanten Therapie unterschieden werden.
165
empirisch Klinisch nicht etabliert und in Einzelfallberichten beschrieben sind: * Angioplastie durch Ballonkatheter. * Stenting.
Bewertung Obwohl es bislang nur wenige Studien mit geringen Fallzahlen zur intraarteriellen lokalen Thrombolyse bei der Basilaristhrombose gibt, sollte aufgrund der hohen Mortalität nach Ausschluss von Kontraindikationen dieses Verfahren in Betracht gezogen werden.
Prognose Unbehandelt ist die Basilaristhrombose mit einer hohen Mortalität verbunden. Je jünger der Patient, je kurzstreckiger die Thrombose und je besser die Kollateralgefäße
B
166
Bassen-Kornzweig-Erkrankung
ausgeprägt sind, desto besser ist die klinische Prognose nach erfolgreicher Rekanalisierung.
ente Behandlung kann zur Besserung, zumindest aber zum Stillstand der Erkrankung führen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Siehe Therapie.
Bassen-Kornzweig-Erkrankung Synonyme A-β-Lipoproteinämie
Bauchdeckenmuskulatur, Paresen
Definition
Synonyme
Autosomal-rezessive Erkrankung mit Fehlen aller über Apolipoprotein B verfügenden Plasmalipoproteine. Dadurch Malabsorption von Fetten und Mangel der fettlöslichen Vitamine A, E und K.
Definition
Die klinische Symptomatik beginnt mit Fettstühlen im Kindesalter. Neuromuskuläre Symptomatik umfasst Retinopathia pigmentosa, Degeneration von Hintersträngen und spinozerebellären Bahnen und Polyneuropathien mit bevorzugtem Befall großer Fasern. Beginn in den ersten beiden Lebensdekaden.
Diagnostik Diagnose erfolgt anhand klinischer und laborchemischer Merkmale (Akanthozytose, Fehlen von Chylomykronen, VLDL und normalem LDL).
Therapie Therapie mittels Fettrestriktion und hochdosierter Substitution der Vitamine A, E und K. gesichert Fettaufnahme sollte auf 8–12% der täglich zugeführten Kalorien beschränkt werden. Therapiekontrolle über Rückbildung von Fettstühlen. Therapie der neurologischen Symptome über orale Gabe hoher Dosen von Vitamin E (100 mg/kg/Tag) mindestens 2 h vor anderen absorptionshemmenden Medikamenten (z. B. Vitamin A). Zusätzliche Gabe von Vitamin A (200–400 IU/kg/Tag) und Vitamin K (5 mg alle 2 Wochen).
Läsion kaudaler thorakaler Nervenwurzeln oder Interkostalnerven oder auch kombinierte Läsionen von N. iliohypogastricus und ilioinguinalis können zur Parese der Bauchdeckenmuskeln führen.
Einleitung Zur klinischen Symptomatik und Diagnostik, Bauchwandhernie. 3
Einleitung
Bauchwandparese, neuroparalytische Bauchwandhernie
Differenzialdiagnose Läsionen von thorakalen Nervenwurzeln oder Interkostalnerven können bedingt sein durch solide Tumoren (insbesondere Metastasen), Meningeosis carcinomatosa, Radikulitiden (Zoster, Neuroborreliose, Guillain-Barré-Syndrom, diphtherische Neuropathie), diabetische Radikuloneuropathie, Traumata.
Therapie Therapie und Prognose der Bauchwandparese als Symptom der Nervenläsion richten sich nach der jeweiligen Grunderkrankung.
Bauchwandhernie Synonyme Paralytische Bauchwandhernie (1) versus (chir.) Eingeweidebruch durch Bruchpforte in den weichen Bauchdecken (2)
Definition 1. Schädigung der kaudalen thorakalen Nervenwurzeln („Spinalnerven“) oder Interkostalnerven (Th 7–12), ggf. auch kombinierte Läsion von N. iliohypogastricus und N. 3
Die Therapie sollte so früh wie möglich begonnen werden, da die Krankheit ohne Behandlung unweigerlich progredient verläuft. Eine suffizi-
3
Prognose
Bechterew-Erkrankung
ilioinguinalis, können zu Bauchwandparese führen („paralytische Bauchwandhernie“) [1, 2]. 2. Chir. Bauchwandhernie kann extramedian ( Spiegeli-Bauchwandhernie) oder median (Hernia epigastrica oder paraumbilicalis) auftreten. 3
Einleitung Schädigung der Thorakalnerven kann entzündlich (z. B. Zoster, Neuroborreliose), diabetogen ( Radikulopathie, diabetische), tumorös (solide Tumoren oder Meningeosis), traumatisch oder postoperativ bedingt sein. 3
3
3
Diagnostik Klinische Symptomatik mit entsprechenden gürtelförmigen Sensibilitätsstörungen und Paresen der Bauchmuskeln (wenn mindestens 2 benachbarte Nerven betroffen sind). Paralytische Bauchwandhernie am besten bei Bauchpresse im Stehen zu sehen. Path. Beevor-Zeichen. Segmental fehlende Bauchhautreflexe. Sicherer Nachweis der neurogenen Schädigung mittels EMG der Bauchmuskeln. Weitere Abklärung der Ätiologie (bildgebende Verfahren, Liquor). 3
Therapie gesichert Die kausale Therapie und Prognose der Bauchwandparese richten sich nach der für die Nervenschädigung verantwortlichen Grunderkrankung. Die Therapie der chirurgischen Bauchwandhernie muss gegebenenfalls operativ erfolgen.
Literatur 1. Berlit P (1999) Klinische Neurologie. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg. 2. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
167
Grundlagen Indikationen zur Intubation und Beatmung sind: 1. Respiratorische Insuffizienz: Vitalkapazität <10 ml/kgKG, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Tachypnoe >30 Atemzüge/min, Ruhedyspnoe, zentrale Zyanose, dekompensierte Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem. 2. Koma mit Aspirationsgefährdung, Verlust trachealer Schutzreflexe, pathologische Atemmuster. 3. Blutgasanalyse: paO2 <50 mmHg, paCO2 >60 mmHg, Azidose pH<7,35. Man unterscheidet verschiedene Formen der Beatmung: * Bei der kontrollierten Beatmung werden Atemfrequenz, Hubvolumen bzw. Beatmungsdruck, Dauer der In- und Exspirationsphase und Flow am Beatmungsgerät eingestellt und den Erfordernissen angepasst. * Bei der assistierten Beatmung wird ein vorgegebener Atemhub durch den Inspirationssog des Patienten selbst getriggert. Die assistierte Ventilation unterstützt eine nicht ausreichende Spontanatmung. * Daneben gibt es Mischformen dieser Beatmungstypen.
Bechterew-Erkrankung Synonyme Ankylosierende Spondylitis
Definition Erkrankung des rheumatischen Formenkreises (seronegative Arthritis) unbekannter Ätiologie.
Einleitung
Beatmung Synonyme Künstliche Ventilation
Definition Maschinelle, manuelle oder durch Atemspende durchgeführte Ventilation der Lungen bei insuffizienter oder nicht vorhandener Spontanatmung.
Typischerweise Manifestation mit Sakroiliitis, Spondylitis, evtl. Arthritis peripherer Gelenke, Enthesopathien, Iritis. Manifestationsalter meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen (ca. 80%). Häufig schubförmiger Verlauf. Gehäuft Nachweis des HLA-B27 Antigenes. Als neurologische Komplikationen können in aktiven Krankheitsphasen Läsionen einzelner thorakaler oder lumbosakraler Nervenwurzeln auftreten, meist lediglich mit radikulären
B
168
Becker-Kiener, Muskeldystrophie (BMD)
Schmerzen. Wiederholt wurde über okkulte Wirbelkörperfrakturen nach Trauma berichtet. Als Spätkomplikationen kommen gelegentlich (als Folge einer Arachnopathie) sehr langsam progrediente Kaudasyndrome mit Schmerzen in der Dammregion und Blasen-Mastdarmstörungen vor.
Diagnostik Klinik, Nachweis des HLA-B27, Röntgen. Bei Auftreten eines Kaudasyndromes zeigen die lumbale CT oder MRT eine charakteristische Kombination von dorsalen Arachnoidalzysten und korrespondierenden Erosionen der Wirbelbögen und Dornfortsätze kaudal von LWK1.
Therapie empirisch Bechterew-Gymnastik, bei Bedarf nichtsteroidale Antiphlogistika. Kortikosteroide nur kurzfristig bei schweren entzündlichen Schüben (siehe Lehrbücher der Inneren Medizin). Ggf. Versorgung von Wirbelkörperfrakturen. Bei Auftreten eines Kaudasyndromes kann möglicherweise die Anlage eines lumboperitonealen Shunts die Progression verhindern.
Becker-Kiener, Muskeldystrophie (BMD) Muskeldystrophie, Typ Becker
3
Beevor-Zeichen Definition Zeichen einer einseitigen Bauchwandparese (entsteht durch Schädigung von mindestens 2 nebeneinander liegenden Interkostalnerven einer Seite). Dabei wird beim Aufrichten aus dem Liegen ohne Zuhilfenahme der Hände oder bei der Bauchpresse der Nabel zur gesunden Seite verzogen [1].
Therapie Bauchdeckenmuskulatur, Paresen
3
Literatur 1. Berlit P (1999) Klinische Neurologie. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg.
Behçet-Syndrom Synonyme „Small-vessel“-Vaskulitis
Definition Das Behçet-Syndrom ist eine systemische „small-vessel“-Angiitis unbekannter Ursache mit überwiegendem Befall von Kapillaren und Venen, die durch rezidivierende orale aphtöse Ulzera (Stomatitis), Genitalulzera, Uveitis und Hautläsionen charakterisiert ist.
Einleitung Das Behçet-Syndrom tritt in der Türkei mit der höchsten Prävalenz von 80–370 auf 100.000 Einwohner auf, während es in Europa mit einer Prävalenz von 0,64 auf 100.000 Einwohner (Deutschland: 0.42–0.55/100.000) deutlich seltener vorkommt. Das Haupterkrankungsalter ist die 3.–4. Lebensdekade, das Geschlechtsverhältnis ausgewogen.
Diagnostik Aufgrund des Fehlens von pathognomonischen Symptomen und spezifischen Laborbefunden wird die Diagnose anhand der Kriterien der „International Study Group for Behçet Disease“ gestellt, wobei das Auftreten von oralen Ulzerationen und zwei weiteren Befunden für die Diagnosestellung notwendig sind Weiterhin können gastrointestinale Symptome, Mono- und Poliarthritiden auftreten. In bis zu 50% der Fälle manifestiert sich die Erkrankung im zentralen Nervensystem (Neuro-Behçet), häufig als Meningoenzephalitis mit Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung und multifokalen Symptomen. In späteren Stadien können Persönlichkeitsveränderungen und Demenz hinzutreten. Ein Leitungssymptom ist das der Sinusvenenthrombose. Bei jedem Patienten mit Sinusvenenthrombose – nicht nur bei denen türkischer Abstammung – sollte nach einem Behçet-Syndrom gefahndet werden. Neben den allgemeinen Entzündungszeichen ist der positive Nachweis zirkulierender Immunkomplexe und des IgD im Serum häufig. Ebenfalls ist eine HLA-Typisierung in einigen Fällen sinnvoll (enge Assoziation zum HLAB51). Im Liquor findet sich zum einen eine mäßiggradige lymphomonozytäre Pleozytose, zum anderen in der radialen Immundiffusion oligoklonale IgA und IgM.
Beinplexusläsion
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Behçet-Syndrom. Tab. 1: Diagnostische Kriterien des Behçet-Syndroms (nach Criteria for diagnosis of Behcet's disease. International Study Group for Behcet's Disease 1990) Befund
B
Definition
Rezidivierende orale Ul- Kleine oder große aphtöse, oder herpetiforme Ulzera, die mindestens 3× zerationen innerhalb eines Jahres aufgetreten sind Rezidivierende Genitalulzera
Aphtöse Ulzerationen oder Narben im Genitalbereich
Okuläre Läsionen
Vordere oder hintere Uveitis; oder Zellen im Glaskörper in der Spaltlampenuntersuchung; oder retinale Vasculitis
Hautläsionen
Erythema nodosum; oder Pseudofollikulitis oder papulopustulöse Läsionen; oder akneiforme Knoten bei erwachsenen Patienten ohne Kortikoidtherapie
Positiver Pathergie-Test Positiv nach 24–48 Stunden
Therapie Die Wahl der Therapie hängt im entscheidenden Maße von den betroffenen Organsystemen ab. gesichert Mukokutane Läsionen: * Kortikosteroide (topische Applikation) bei Aphten und Genitalulzera * Thalidomid (100–300 mg/Tag, oral) bei Aphten und Genitalulzera, sowie Pseudofollikulitis Okuläre Läsionen: * Trotz therapeutischer Intervention haben ca. 25% aller Patienten mit okulärer Beteiligung ein hohes Risiko blind zu werden. Neuro-Behcet: * Kortikoide 1 g i. v. über 5 Tage, dann ausschleichend per os * Immunsuppressiva, z. B. Azathioprin, Ciclosporin, Chlorambucil * Antikoagulation bei Sinusvenenthrombose
sind neuroradiologische Kontrollen durch die MRT sinnvoll.
Literatur 1. Sakane T et al. Behçet’s Disease (1999). NEJM 341(17):1284–1291. 2. Sakane T, Takeno M (2000) Novel approaches to Behçet’s disease. Expert Opin Investig Drugs 9 (9):1993–2005. 3. Saenz A et al. (2000) Pharmacotherapy for Behçet’s syndrome (Cochrane Review). In: The Cochrane Library 4. Oxford: Update Software. 4. International Study Group for Behcet's Disease (1990) Criteria for diagnosis of Behcet's disease. Lancet 335:1078–80
Behr-Syndrom Definition Seltene, früh beginnende zerebellare Ataxie unklarer Ätiologie mit Optikusatrophie, Spastik und mentaler Retardierung.
Therapie Eine kausale/spezifische Therapie ist nicht bekannt. Zur symptomatischen Therapie siehe Ataxie. 3
empirisch * IFN-α * Anti-TFN-α
Nachsorge Eine Therapiekontrolle kann neben der regelmäßigen Beurteilung des klinischen Bildes mit der Bestimmung von Entzündungsparametern wie BKS, CRP und des Aktivitätsfaktors C9 im Serum erfolgen. Beim Neuro-Behçet und/oder Vorliegen einer Sinusvenenthrombose
Beinplexusläsion Definition Der Beinplexus setzt sich aus dem Plexus lumbalis (L1–L4) und dem Plexus sacralis (L4–S4)
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Beinplexusläsion
zusammen. Schädigungen des Beinplexus sind deutlich seltener als solche des Armplexus. Der Plexus lumbalis verläuft im M. psoas, versorgt den M. psoas und den M. quadratus lumborum und gibt dann den Nervus iliohypogastricus, Nervus ilioinguinalis, Nervus cutaneus femoris lateralis, Nervus femoralis, Nervus genitofemoralis und Nervus obturatorius ab. Der Plexus sacralis, der retroperitoneal liegt, gibt zunächst den Nervus glutaeus superior und Nervus glutaeus inferior ab. Aus dem Unterabschnitt des Plexus sacralis, dem Plexus ischiadicus, der auch die Mm. piriformis, gemelli und quadratus femoris innerviert, zieht als Hauptast der Nervus ischiadicus durch das Foramen infrapiriforme. Der Plexus pudendus (aus den Ventralästen der Spinalnerven S2– S4) bildet als Hauptast den Nervus pudendus. 3
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Einleitung Der Plexus lumbalis versorgt den ventralen Oberschenkel motorisch und sensibel, während aus dem Plexus sacralis die Äste für die Versorgung des dorsalen Oberschenkels, des ge-
samten Unterschenkels und Fußes stammen. Bei Läsionen des Plexus lumbalis sind Hüftbeugung, Hüftadduktion und Kniestreckung paretisch. Schädigungen des Plexus sacralis führen zu Paresen der Glutaealmuskeln, der Kniebeugung und der Unterschenkel-, Fuß- und Zehenmuskeln. Da im Plexus sympathische und parasympathische Fasern enthalten sind, ist die Beurteilung der Schweißsekretion wichtig zur Abgrenzung von Wurzelläsionen (ohne Schweißsekretionsstörungen).
Diagnostik Traumata als Ursache einer Beinplexusläsion sind eher selten. Mögliche Ursachen sind insbesondere Beckenringfrakturen, Azetabulumfrakturen oder Sakroiliakalgelenkssprengungen. Hierbei ist an den speziellen und häufigen Mechanismus einer Nervenquetschung durch Knochenfragmente oder - kanten zu denken. Diagnostisch ist das Becken-CT unumgänglich. Zum Nachweis einer Nervenschädigung muss auf Sensibilitätsstörungen geachtet werden. Weitere auslösende Traumata können stumpfe
Beinplexusläsion. Abb. 1: Anatomie des Beinplexus: Plexus lumbalis und Plexus sacralis (rot)
Beinplexusläsion
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Bei traumatischen Plexusschäden mit Hinweisen auf eine Nervenverletzung durch Knochenfragmente ist eine sofortige operative Revision indiziert. Die Therapie des Psoashämatoms besteht ebenfalls in der Regel in einer operativen Entlastung. Bei Abszessen muss neben der ope-
3
Therapie
rativen Ausräumung eine antibiotische Therapie durchgeführt werden. Die Prognose einer Druckschädigung des Plexus ist in der Regel gut. Eine möglichst umgehende Druckentlastung sollte angestrebt werden. Eine geburtstraumatische Plexusschädigung in einer vorherigen Schwangerschaft ist ggf. eine Indikation zur Sectio caesarea. Zur Therapie der diabetischen Radikuloplexopathie Neuropathie, diabetische. Eine operative Intervention nach einer iatrogenen Schädigung des Plexus lumbosacralis im Rahmen von Hüftoperationen ist nur bei Kontinuitätsdurchtrennung oder einem großen Hämatom indiziert. Zur Therapie der vaskulitischen Beinplexusläsion, Neuropathie, ischämische/vaskulitische. Autoimmunvermittelte entzündliche Plexusläsionen können in Einzelfällen von einer hochdosierten intravenösen Immunglobulintherapie profitieren [1]. Bei Infiltration des Plexus durch Malignome erfolgt die Therapie nach onkologischen Gesichtspunkten. Eine ausreichende Schmerztherapie ist essentiell. Die Behandlung der radiogenen Plexusschädigung ist unbefriedigend. Eine operative Neurolyse lindert allenfalls die Schmerzen, führt aber nicht zu einer Rückbildung der neurologischen Defizite und ist daher in der Regel nicht indiziert. Die Therapie umfasst symptomatisch konservative Maßnahmen wie eine thymoleptische Schmerztherapie ( Polyneuropathie), Physiotherapie und eventuell die Behandlung eines Lymphödems. Grundsätzlich wird bei allen Plexusläsionen eine symptomatische Therapie, angepasst an die jeweiligen Ausfälle erfolgen. Bei dauerhaften höhergradigen Paresen kommen eventuell Ersatzoperationen in Betracht (siehe bei den einzelnen Nervenläsionen). 3
Bauchtraumen mit direkter Plexuskontusion oder auch ein sekundäres Psoashämatom sein. Das Bein wird dann meist in Schonstellung außenrotiert und flektiert gehalten. Bei der Entbindung kann es auch bei der Gebärenden zu einer traumatischen Plexusläsion kommen. Ein Kompressionssyndrom des Plexus durch Druck kann auch während der Geburt oder am Ende der Schwangerschaft entstehen, außerdem durch ein Aortenaneurysma, ein retroperitoneales Hämatom (durch Antikoagulantiengabe oder andere Gerinnungsstörungen) oder eine Raumforderung bzw. einen Abszess im Bereich des M. psoas. Druckschäden vorwiegend des Plexus sacralis können auch nach langem Knien oder Hocken auftreten (Rübenzieherneuritis). Tumoren (Genitaltumoren, Lymphome, ossäre Tumoren, kolorektale Tumoren, Metastasen) können den Beinplexus durch Druck oder durch eine direkte Infiltration schädigen. Fast immer bestehen Schmerzen; häufiger ist der Plexus sacralis betroffen. Differenzialdiagnostisch muss bei vorhergegangener Strahlentherapie an eine radiogene Plexusläsion gedacht werden, die oft viele Jahre nach einer Bestrahlung auftritt und möglicherweise erst durch zusätzliche Faktoren wie ischämische oder druckbedingte Nervenschäden manifest wird. Die Toleranzdosis des Beinplexus wurde mit 1400 ret berechnet (entsprechend einer Strahlendosis von 40 Gy in 4 Wochen mit 20facher Fraktionierung). Die Erkrankung ist langsam progredient und zeigt bei 50% Schmerzen. Der Plexus kann auch ischämisch geschädigt werden (nach Gefäßligaturen, intraarteriellen Chemotherapien oder bei der diabetischen Mikroangiopathie im Sinne einer diabetischen Radikuloplexopathie). Entzündliche Ätiologien sind erregerbedingte (Borreliose, TBC, Psoasabszesse) oder immunologische Plexusschäden (bei Vaskulitis oder analog zur neuralgischen Schulteramyotrophie). Iatrogen kann der Plexus intraoperativ besonders bei Hüftoperationen überdehnt werden.
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Prognose Die Rückbildung sensomotorischer Defizite kann aufgrund der langen Reinnervationsstrecke bis zu 3 Jahre dauern. Die Prognose hängt grundsätzlich von der Ursache der Plexusläsion ab. Bei Druckschäden ist sie meist gut. Bei der autoimmunen Plexusneuritis kommt es ebenfalls meist zur spontanen Rückbildung nach Wochen bis Monaten. Iatrogene intraoperative Dehnungsschäden zeigen bei 3/4 der Patienten eine gute bis mäßige Reinnervation.
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Belastungsreaktion, akute
Literatur 1. Höllinger P, Sturzenegger M (2000) Chronic progressive primary lumbosacral plexus neuritis: MRI findings and response to immunoglobulin therapy. J Neurol 247: 143–145.
Belastungstest, ischämischer Synonyme Laktatischämietest, Ischämiebelastungstest
Grundlagen
Belastungsreaktion, akute Definition Eine akute Belastungsreaktion beschreibt einen Zustand der Bewusstseinseinengung, eingeschränkter Reizverarbeitung und Desorientiertheit, welcher innerhalb von Minuten nach einem traumatischen Ereignis, wie Unfall, Verbrechen oder Todesfall auftreten kann. Anschließend folgt ein Übergang zu depressiven Symptomen, Angst, erhöhter Reizbarkeit, Verzweiflung, Hyperaktivität oder psychischem Rückzug bis hin zum Stupor. Die Symptomatik bildet sich typischerweise nach Stunden bis Tagen wieder zurück und kann eine teilweise oder komplette Amnesie hinterlassen. Aufgrund der Unterschiede in der Bewältigungsstrategie traumatischer Erlebnisse ist das Risiko, eine solche Störung zu entwickeln, interindividuell verschieden.
Belastungsstörung, posttraumatische Definition Die posttraumatische Belastungsstörung ist ein charakteristisches Beschwerdebild, das nach außergewöhnlichen Bedrohungssituationen, wie Naturkatastrophen, Folterung oder Kriegshandlungen, mit einer Latenz von Wochen oder Monaten auftritt und offenbar wenig von interindividuell verschiedenen Faktoren abhängig ist. Charakteristisch sind wiederholte unausweichliche Erinnerungen oder Wiederinszenierungen der traumatisierenden Situation in Tagträumen oder Träumen. Typischerweise werden dazu assoziierte Gegenstände oder Vorstellungen gemieden. Gleichzeitig können unspezifische Symptome, wie eine depressive Reaktion oder eine Angststörung hinzutreten.
Bei akuter Muskelarbeit unter anaeroben Bedingungen wird die Energie über die Glykolyse bis zum Laktat gewonnen. Laktat steigt an. Ammoniak, das unter Vermittlung der Myoadenylat-Deaminase von Adenosinmonophosphat abgespalten wird, steigt ebenfalls an und wird als interne Referenz verwendet. Steigen beide Substanzen nicht ausreichend an, so ist vermutlich die Muskelarbeit nicht suffizient gewesen oder es wurde Blut aus einer falschen Region gewonnen und der Test ist nicht aussagekräftig. 1. Durchführung: Zu Beginn werden die nötigen Blutröhrchen für die Bestimmung von Laktat und Ammoniak bereitgelegt. Die Laktatröhrchen sollen mit Natriumfluorid benetzt sein. Die Proben werden nach der Abnahme auf Brucheis gekühlt. Ammoniak ist flüchtig und Laktat kann durch Blutzellen verstoffwechselt werden. Daher darf die Kühlung nicht unterbrochen werden und die Proben sollten nach dem Test unverzüglich im Labor bearbeitet werden. Es wird ein großlumiger Zugang in der Fossa cubitalis gelegt. Nach einer Ruhephase von 1 Stunde (im Liegen) wird ein Ausgangswert ungestaut entnommen. Danach wird eine Blutdruckmanschette am Oberarm oberhalb des venösen Zugangs so angelegt, dass der Druck deutlich über dem systolischen Blutdruck liegt. Dann wird 60 s lang mit dem gestauten Arm ein Gummiball mit maximaler Kraft 60×mit der Faust komprimiert. Danach wird die Blutdruckmanschette gelöst und es werden Blutproben nach 1, 3, 5 und 10 min wiederum ungestaut entnommen. Es wird empfohlen, die Blutproben direkt nach Entnahme mit eiskalter Perchlorsäure zu enteiweißen. Dies wird im klinischen Alltag aber nicht immer zu gewährleisten sein. Wenn die Proben unverzüglich im Labor bearbeitet werden, sollte die Kühlung auf Brucheis ähnlich gute Ergebnisse liefern. 2. Beurteilung: Wesentlich ist der relative Anstieg von Lak-
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPV)
tat im Vergleich zum Ammoniak. Bei Stoffwechselgesunden verhalten sich beide Substanzen gleichsinnig. Nach Belastung steigen Laktat- und Ammoniakspiegel auf etwa den 4fachen Ausgangswert an. Normwerte in Ruhe für Laktat 0,5–2,4 mmol/l, für Ammoniak <50 mmol/l. In Jerusalem und Zierz [1] werden folgende Werte nach Belastung unter Ischämie mitgeteilt (Mittelwert +/- Standardabweichung; Minimum und Maximum in Klammern): Absoluter Anstieg von Laktat um 3,5 +/- 1,1 (2,4; 5,9) mmol/l, relativer Anstieg vom Ausgangswert um den Faktor 4,4 +/- 1,4 (1,6; 7,1). Absoluter Anstieg von Ammoniak um 105 +/- 39 (28; 190) μmol/l, relativer Anstieg vom Ausgangswert um den Faktor 4,1 +/- 1,4 (1,8; 7,0). Wichtig bei der Beurteilung ist also nicht so sehr, ob Laktat angestiegen ist oder nicht. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Anstieg für Laktat und Ammoniak vergleichbar ist, ob Ammoniak überproportional ansteigt (V. a. Glykogenose) oder ob Laktat überproportional ansteigt (V. a. Myoadenylatdeaminase-Mangel).
Literatur 1. F. Jerusalem und S. Zierz (1991). Muskelerkrankungen. 2. Auflage, Thieme Stuttgart S. 163.
Bell-Phänomen Definition Durch unvollständigen Lidschluss bei Parese des N. facialis wird beim Versuch des Augenschlusses die Drehung des Bulbus nach oben am betroffenen Auge sichtbar.
Therapie gesichert Behandelt werden muss nicht das Phänomen an sich, sondern der unvollständige oder fehlende Lidschluss. Zur Prophylaxe von Kornealäsionen (Keratitis e lagophthalmo!) sind Uhrglasverband und die Applikation von Augensalbe (nachts) oder Augentropfen (tagsüber) sinnvoll, Parese, Fazialisparese [1]. 3
Literatur 1. Schmidt D, Malin JP (1986) Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme, Stuttgart New York.
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Benedikt-Syndrom Synonyme Nucleus-ruber-Syndrom
Definition Hirnstammsyndrom bei Läsion des oberen Mittelhirnes/Nucleus ruber mit ipsilateraler Okulomotoriusparese oder Blickparese und kontralateralem Intentionstremor, Hemiparese, evtl. Hemiataxie/Hemichorea.
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPV) Definition Streng lageabhängiger Schwindel mit rezidivierenden, durch Lagerungswechsel auslösbaren kurzdauernden Drehschwindelattacken mit oder ohne Übelkeit und Oszillopsien. Typische Auslöser sind Hinlegen, Aufrichten oder Herumdrehen im Bett mit Lagerung auf das betroffene Ohr, Bücken, und Kopfreklination. Drehschwindel und rotierender Lagerungsnystagmus zum unten liegenden Ohr treten nach einer kurzen Latenz von Sekunden für ca. 30 Sek. crescendo-decrescendo-artig auf. Die Schlagrichtung des Nystagmus ist torsional rotierend beim Blick zum unten liegenden Ohr und vorwiegend vertikal zur Stirn schlagend beim Blick zum oben liegenden Ohr. Wiederholte Lagewechsel führen zu einer vorübergehenden Abschwächung der Attacken. Pathogenetisch finden sich traumatisch oder spontan degenerativ abgelöste, anorganische Partikel des Utrikulusotolithen im Bogengang, die hier beweglich sind und ein das Lumen ausfüllendes Konglomerat bilden können (Canalolithiasis). Der BPV ist mit etwa 18–20% das häufigste Schwindelsyndrom im klinischen Alltag. Meist degenerative oder idiopathische Genese; symptomatisches Auftreten nach Schädeltrauma oder nach Neuropathia vestibularis (15%). Haupterkrankungsalter 6.–7. Lebensdekade. Gehäuftes Auftreten nach verlängerter Bettruhe. Meist spontanes Abklingen innerhalb weniger Wochen oder Monate, Rezidive bei 20– 30%.
Diagnostik Bei typischer Anamnese und Nachweis eines
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Benserazid
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Literatur 1. Baloh RW, Jacobson K, Honrubia V (1987). Benign positional vertigo. Neurology 37:371–378 2. Brandt Th, Daroff RB (1980). Physical therapy for benign paroxysmal positional vertigo. Arch Otolaryngol 106:484–485 3. Brandt Th, Steddin S, Daroff RB (1994). Therapy for benign paroxysmal positioning vertigo, revisited. Neurology 44:796–800 4. Epley JM (1992). The canalith repositioning procedure: For treatment of benign paroxysmal positioning vertigo. Otolaryngol Head Neck Surg 10: 299–304 5. Semont A, Freyss G, Vitte E (1988). Curing the BPV with a liberatory manoevre. Adv Otorhinolaryngol 42:290–293
L-Dopa und Benserazid im Verhältnis 4:1. Madopar® 62,5/-125 Kapseln; 125 T/-250 Tabletten; LT Tabletten (100 mg L-Dopa, 25 mg Benserazid). Madopar® Depot (100 mg L-Dopa, 25 mg Benserazid). Levodopa comp. B STADA® 50 mg/12,5 mg/100 mg/25 mg/-200 mg/50 mg. Levopar® 62,5 mg/-125 mg/-250 mg. PK-Levo® Tabletten 100/25 mg, Restex® Retardkapseln, Tabletten.
Wirkungen Nach der Verabreichung wird Levodopa ( LDopa) sowohl im Gehirn als auch in extrazerebralen Geweben rasch zu Dopamin dekarboxyliert. Damit geht der größte Teil des verabreichten Levodopas für die Stammganglien verloren und das peripher gebildete Dopamin führt oft zu Nebenwirkungen. Die Blockierung der extrazerebralen Dekarboxylierung von Levodopa ist somit ein grosser Vorteil. Dies lässt sich durch gleichzeitige Verabreichung von Levodopa und Benserazid, einem peripher wirkenden Decarboxylasehemmer, erreichen.
Pharmakologische Daten Levodopa und Benserazid werden zum größten Teil (66–74%) im oberen Dünndarmabschnitt resorbiert. Im Gegensatz zu Levodopa überwindet Benserazid in therapeutischen Dosen die Blut-Hirn-Schranke nicht. Benserazid wird vor allem in den Nieren, in den Lungen, im Dünndarm und in der Leber konzentriert. Benserazid wird in der Darmschleimhaut und in der Leber zu Trihydroxybenzylhydrazin hydroxyliert. Benserazid wird fast vollständig in Form von Metaboliten ausgeschieden. Die Metaboliten werden vor allem mit dem Urin und ein kleiner Teil mit den Faeces ausgeschieden.
Anwendungsgebiete L-Dopa
Dosierung/Anwendung L-Dopa
Unerwünschte Wirkungen 3
Durch physikalische Befreiungsmanöver lässt sich der Partikelpfropf aus dem betroffenen Bogengang entfernen. Mit einer Lagerung um mindestens 180° zur Gegenseite ( SemontManöver) in drei Schritten, wobei der Kopf des sitzenden Patienten um 45° zum gesunden Ohr gedreht wird, um während der Lagerung den betroffenen posterioren Bogengang parallel zur Bewegungsebene einzustellen, ist in etwa 70% der Fälle Heilung zu erzielen. Der Lagerungsnystagmus zum oben liegenden Ohr zeigt an, dass die Partikel den Bogengang verlassen und damit die Therapie erfolgreich ist. Beim Befreiungsmanöver nach Epley erfolgt durch Kopf- und Rumpfrotation des liegenden Patienten in leichter Kopfhängelage in vier Lagerungsschritten die Deliberation. Antivertiginosa (z. B. 100 mg Dimenhydrinat) dürfen nur bei sehr empfindlichen Patienten mit starker Übelkeit kurzfristig zur Erleichterung der Lagerungsübungen gegeben werden. Der Patient sollte in die spezifischen Befreiungsmanöver eingewiesen werden, um sie selbstständig zu Hause oder mit Hilfe eines Krankengymnasten wiederholen zu können. Durch ein solches Lagerungstraining kommt es innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen zu Beschwerdefreiheit.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
3
Therapie
Benserazid
3
rotierenden Crescendo-Descrescendo-Nystagmus in den Lagerungsproben lässt sich die Diagnose ohne weitere apparative Diagnostik stellen. Die Lagerungsproben erfolgen zu beiden Seiten mit 45° zur Gegenseite gedrehtem Kopf und in Kopfhängelage mit Beurteilung des Lagerungsnystagmus (Semont-Manöver).
3
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L-Dopa
Benzodiazepine
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei Mädchen und Frauen (L-Dopa-responsive Dystonie, Segawa-Syndrom), die schwanger werden wollen, ist ein Präparat mit Carbidopa als Decarboxylasehemmer im L-Dopa Präparat vorzuziehen (Benserazid in Madopar® ist wegen Störung im Knochenaufbau kontraindiziert).
Wechselwirkungen L-Dopa
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Bewertung L-Dopa
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Norcotral®, Planum®, Pronervon®, temazep® (Temazepam), Sonin® (Loprazolam).
Wirkungen Man unterscheidet kurzwirksame (<6 Stunden, Mida-, Tria-, Brotizolam), mittellang wirksame (6–24 Stunden, Oxa-, Alpra-, Broma-, Clotia-, Lorazepam) und langwirksame Benzodiazepine (>24 Stunden, Pra-, Dia-, Meda-, Norda-, Clobazepam, Chlordiazepoxid, Dikaliumchlorazepat).
Pharmakologische Daten Benzodiazepine verstärken die Wirkung von GABA auf bestimmte Chloridkanäle.
3
Anwendungsgebiete
Benzodiazepine Zubereitungen Erhältlich in Tablettenform, als Tropfen, als Rectiole und Injektionslösung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Adumbran®, Azutranquil®, Durazepam®, Mirfudorm®, Noctazepam®, neo OPT®, oxa®, Praxiten®, Uskan®, Oxazepam® (Oxazepam), Alprazolam®, Xanax® (Alprazolam), Bromazanil®, Bromazep®, Bromazepam®, Durazenil®, Gityl®, Lexostad®, Lexotanil®, Normoc® (Bromazepam), Rivotril®, Antelepsin® (Clonazepam), Cassadan®, Esparon®, Tafil® (Alprazolam), Demetrin® (Prazepam), Diazep®, Diazepam®, Diazepam Desitin®, Faustan®, Lamra®, Stesolid®, Tranquase®, Valiquid®, Valium®, Valocordid® (Diazepam), Dormicum® (Midazolam), Durazolam®, Laubeel®, Lorazep®, Prodorm®, Punktyl®, Somagerol®, Tavor®, Tolid®, Lorazepam- Pro Dorm® (Lorazepam), Frisium® (Clobazam), Halcion® (Triazolam), Lendormin® (Brotizolam), Librium®, Multum®, Radepur® (Chlordiazepoxid), Medazepam®, Rudotel® (Medazepam), Mono-Demetrin® (Praxepam), Tranxillium® (Dikaliumchlorazepat, Nordazepam), Trecalmo® (Clotiazepam), Flunitrazepam®, Flunimerck®, Fluninoc®, Rohypnol® (Flunitrazepam), Dalmadorm® (Flurazepam), Eatan®, DORMO PUREN®, imeson®, Mogadan®, Nitrazepam®, Novanox®, Radedorm® (Nitrazepam), Ergocalm®, Loretam®, Lormetazolam® (Lormetazepam), Flurazepam®, Stauradorm® (Flurazepam), Remestan®,
Ein- und Durchschlafstörungen, Angstzustände, psychomotorische Erregung, Hypervigilanz, präoperativ, zur Sedierung bei medizinischen Eingriffen, als Antikonvulsiva. Alpra- und Lorazepam werden oft als Anxiolytika eingesetzt, Nitrazepam als Schlafmittel, Flunitrazepam als Hypnotikum, Clonazepam beim manischen Syndrom und als Anfallsschutz, Diazepam hauptsächlich in sedierender Funktion, Midazolam als Kurzsedativum bei verschiedenen medizinischen Eingriffen.
Dosierung/Anwendung Siehe jeweiliges Medikament.
Unerwünschte Wirkungen Sedierung und Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, gedämpfte Emotionen, anterograde Amnesie, Störungen der Koordination, Muskelrelaxation, vermehrtes Schwitzen, Tachykardie. Bei Überdosierung Blutdruckabfall und Atemstillstand. Besonders bei älteren Menschen können paradoxe Reaktionen auftreten. Über teratogene Wirkungen liegen widersprüchliche Aussagen vor. Bei Einnahme am Ende der Schwangerschaft kann es zu einem Floppy-infant-Syndrom kommen. Bei Langzeittherapie kann es zu Entzugserscheinungen kommen, deshalb sollte eine Therapiedauer von 4–6 Wochen nicht überschritten werden und das Medikament stets ausschleichend abgesetzt werden.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Nicht angewendet werden dürfen Benzodiaze-
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Beriberi-Erkrankung
pine bei Myasthenia gravis pseudoparalytika, beim akuten Engwinkelglaukom und bei bekannten allergischen Reaktionen. Unter großer Vorsicht sind sie anzuwenden beim SchlafApnoe-Syndrom, bei Leberinsuffizienz und bei respiratorischer Insuffizienz.
*
Die akute ödematöse Form führt zu Symptomen am kardiovaskulären System, mit Tachykardie, Blutdruckabfall bis hin zu akutem Herzversagen, sowie peripheren Ödemen.
Diagnostik Wechselwirkungen Die psychotropen Wirkungen von Alkohol, Opiaten und Barbituraten sowie die relaxierende Wirkung von Muskelrelaxantien werden verstärkt. Omeprazol führt zu einer Wirkungsverlängerung von Diazepam. Antagonist: Flumazenil.
Bewertung Benzodiazepine stellen unentbehrliche Medikamente bei der Akuttherapie epileptischer Anfälle und bestimmter psychischer Störungen dar.
Kontrolle des Thiamin-, Pyruvat- und Laktatspiegels im Blut. Ausschluss anderer Ursachen einer Polyneuropathie.
Therapie gesichert 2×50 mg Thiamin (z. B. Betabion) für drei Monate, bei Malabsorption parenteral 100 mg/ Tag, bei Leberschädigung 2×100 mg/Tag, bei Alkoholismus dauerhaft 40 mg/Tag.
Nachsorge Kontrolle des Thiaminspiegels.
Beriberi-Erkrankung Synonyme Vitamin B1-Mangelerkrankung, Thiamin-Mangelerkrankung
Definition Chronische Thiamin-Mangelkrankheit.
Einleitung Thiaminmangel führt abhängig vom Ausmaß zu drei neurologischen Krankheitsbildern: Der Wernicke-Enzephalopathie, dem seltenen Strachans-Syndrom und bei leichtem, chronischen Mangel zu der Beriberi-Erkrankung. Endemisch kommt die Beriberi-Erkrankung in Asien vor. Ursache ist hier die ausschließliche Ernährung mit geschältem und poliertem Reis. In westlichen Ländern ist die häufigste Ursache chronischer Alkoholismus, wobei in beiden Fällen der Thiaminmangel nicht alleinige Ursache ist. Man unterscheidet zwei Verlaufsformen: * Die trockene chronische Form ist durch eine distal betonte, symmetrische sensomotorische Polyneuropathie meistens der unteren Extremitäten charakterisiert. Erste Symptome manifestieren sich meist im 30.–60. Lebensjahr, bei der orientalischen Form etwa 10 Jahre früher.
Bestrahlung, spinale Tumoren Synonyme Radiatio
Definition Die Bestrahlung spinaler Tumoren ist in der Regel eine konventionelle perkutane Radiatio mit ultraharten Photonen, die in einem Linearbeschleuniger erzeugt werden.
Grundlagen Am häufigsten wird die Bestrahlung spinaler Tumoren eingesetzt als palliative Therapie bei extraduralen Metastasen, die von befallenen destruierten Wirbelkörpern ausgehen. Die gewählte Dosis beträgt 30–36 Gy in Einzeldosen von 3 Gy 5×pro Woche. Extradurale Lymphome (25–30 Gy) und Plasmozytome (45 Gy in Einzeldosen von 1,8 Gy) sprechen sehr gut auf eine Radiatio an. Intradurale,extramedulläre Meningeome werden postoperativ nur bei (selten vorliegender) Anaplasie bestrahlt. Die Strahlentherapie maligner intramedullärer Tumoren (Gliome, Lymphome, Metastasen) wird empirisch durchgeführt, da keine anderen überzeugenden Therapieoptionen zur Vefügung stehen. Die Dosis beträgt z. B. fokal 50,4 Gy in Einzeldosen von 1,8 Gy mit einem Sicherheitsabstand von 2 cm kraniokaudal. Bei diffus
Betahistin
wachsenden differenzierten Astrozytomen des Rückenmarkes ist völlig ungewiss, ob eine Radiatio einer rein symptomatischen Therapie überlegen ist.
Unerwünschte Wirkungen * *
*
Betablocker
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*
Synonyme
Kreislaufwirksame Bradykardien, durch Sinusbradykardien oder AV-Block III. Orthostatische Dysregulation durch Blutdrucksenkung und Blockierung der reflektorischen Frequenzsteigerung. Verengung der Bronchien. Hypoglykämien durch Verminderung der Glykogenolyse und Blockierung der Gegenregulationsmechanismen.
β-Rezeptorenblocker, β-Rezeptorantagonisten, β-Sympatholytika
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Zubereitungen
*
Meist oral als Tabletten, auch in retardierter Form. Intravenöse Präparate, u. a. für Metoprolol, Esmolol.
Wechselwirkungen
* *
Bradykardie. Obstruktive Atemwegserkrankungen. Kardiogener Schock.
Siehe Fachliteratur.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Siehe einzelne Substanzen.
Betahistin
Wirkungen * * *
*
Senkung der Herzfrequenz durch negativ chronotrope und dromotrope Wirkung. Senkung der Myokarderregbarkeit durch negativ bathmotrope Wirkung. Senkung des Blutdrucks u. a. durch negativ inotrope Wirkung und Verminderung der renalen Reninausschüttung. Kontraktion der Bronchien und der Uterusmuskulatur über β2-Rezeptoren.
Pharmakologische Daten Selektive β1-Rezeptorblocker, z. B. Metoprolol, Atenolol, Esmolol, Bisoprolol. Nichtselektive β-Blocker, z. B. Propanolol, Carvedilol.
Anwendungsgebiete * * * * * *
*
Tachykarde Herzrhythmusstörungen. Essentieller Tremor. Migräneprophylaxe. Behandlung der Herzinsuffizienz. Neurokardiogene Synkopen. Akutbehandlung des Myokardinfarktes (Senkung der Myokarderregbarkeit), Kardioprotektion nach Herzinfarkt. Arterielle Hypertonie.
Dosierung/Anwendung Siehe einzelne Substanzen.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Aequamen®, - forte, - retard Tbl.; Betahistin AL®, - ratiopharm®; Vasomotal® 16/24 Tbl., Tropfen.
Wirkungen Betahistin ist mit Histamin strukturverwandt, zeigt aber nicht die ausgeprägten unerwünschten Wirkungen des Histamins und kann p. o. angewendet werden. Betahistin wirkt über Stimulation von H1-Rezeptoren, u. a. auch der Gefäße der Stria vascularis des Innenohres, gefäßdilatierend. Es soll eine verbesserte Durchblutung der Kapillaren des Innenohres bewirken. Ein weiterer Angriffspunkt sei eine Erregungshemmung der polysynaptischen Neuronen des Nucleus vestibularis lateralis.
Verteilung Tierexperimentell lässt sich eine Penetration der Blut-Hirn-Schranke und eine Bindung an zerebrale Histaminrezeptoren nachweisen.
Elimination Das Hauptprodukt der Biotransformation ist 2Pyridylessigsäure. Die Ausscheidung erfolgt über den Urin und die Faeces nahezu vollständig innerhalb von 24 h.
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Beugekontraktur
Dosierung und Art der Anwendung Betahistin wird beim Ménière-Symptomenkomplex angewendet. Insbesondere im Frühstadium dieser Erkrankung ist Betahistin offensichtlich gegenüber einer Therapie mit Plazebo überlegen. Betahistin bessert den Schwindel, weniger die Ohrgeräusche und hat keinen Einfluss auf den Hörverlust. In der Langzeitbehandlung des M. Ménière wird ebenfalls über gute therapeutische Ergebnisse unter Betahistin berichtet. Auch bei rezidivierenden Schwindelzuständen unklarer Genese wird Betahistin eingesetzt. In einem Doppelblindvergleich des Kalziumantagonisten Flunarizin gegen Betahistin bei 117 Patienten mit vestibulärem Schwindel war der therapeutische Effekt des Kalziumantagonisten bezüglich der Rate der unerwünschten Wirkungen und Besserung der Symptome Kopfschmerzen, Angst und neurovegetative Störungen dem Betahistin überlegen [1]. Im Vergleich von Trimetazidin gegen Betahistin wird bei der Indikation M. Ménière über ein besseres Ergebnis unter Trimetazidin berichtet [2,3]. Einzeldosis von 6–16 mg 3-mal täglich p. o.
Beugekontraktur Definition Gelenksteife in Beugestellung durch Verkürzung der an der Beugeseite gelegenen Weichteile.
Einleitung Nach Art des geschädigten Gewebes werden neurogene (z. B. bei Beugespastik), tendomyogene, arthrogene und dermatogene Kontrakturen unterschieden.
Prophylaxe Mobilisation und krankengymnastische Übungsbehandlung, insbesondere auch beim Bewusstlosen. Bei schmerzhaften Gelenk- oder Hauterkrankungen: Schmerztherapie.
Therapie empirisch Medikamentös: Antispastika oder Injektion von Botulinumtoxin bei spastischer Verursachung. In ausgewählten Fällen plastische Operation.
Unerwünschte Wirkungen
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Zu den Gegenazeigen zählen Phäochromozytom, Magen- und Duodenalulzerationen, Bronchialasthma und Gravidität.
Wechselwirkungen Antihistaminika mindern die Wirkung von Betahistin.
Literatur 1. Elbaz P (1988) Acta Otolaryngol Suppl (Stockh) 460:143–50148 2. Kluyskens P, Lambert P, D'Hooge D (1990) Ann Otolaryngol Chir Cervicofac 107:Suppl 1,11–19 3. Martini A, De Domenico F (1990) Ann Otolaryngol Chir Cervicofac 107:Supp 1,20–27
Bewusstsein Definition Mit Bewusstsein wird die Gesamtheit aller Bewusstseinsinhalte bezeichnet: Wahrnehmungen, Gedanken, Wissensinhalte und das Wissen um ein „Ich“, das dieses Bewusstsein hat.
Grundlagen Zu den Qualitäten des Bewusstseins gehört die Wachheit, zeitliche und räumliche Orientierung, Aufmerksamkeit, Denkvermögen und Merkfähigkeit. Bei den Bewusstseinsstörungen unterscheidet man qualitative und quantitative Bewusstseinsstörungen.
Bickerstaff-Enzephalitis 3
Müdigkeit, Hitzegefühl im Kopfbereich, Herzklopfen, Magenunverträglichkeit, Durchfall. In Einzelfällen wird auch aufgrund der histaminähnlichen Wirkung Urtikaria beobachtet.
Hirnstammenzephalitis
Biopsie, Nervenbiopsie
Bielschowsky-Phänomen Definition Zunahme des paralytischen Strabismus und der Doppelbilder bei Kippung des Kopfes auf die Seite der Läsion bei Trochlearisparese. Dabei weicht das befallene Auge nach innen oben ab. Phänomen ist bei über 90% aller Trochlearisparesen nachweisbar.
*
179
Klinisch: Ödeme, auskultatorisch pulmonale Rasselgeräusche. Radiologisch: Zeichen der pulmonalen Überwässerung. Monitoring: Blasendauerkatheter und zentralvenöser Katheter. Therapie: Volumenrestriktion. Forcierte Diurese (beispielsweise Schleifendiuretika).
* * * *
Therapie Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre
Bing-Horton-Kopfschmerz Clusterkopfschmerz
3
3
Bilanzierung beim Hirninfarkt
Definition Neuropathologische Diagnose einer diffusen zerebralen Mikroangiopathie bei klinisch bestehender Demenz.
Diagnostik SAE
Therapie SAE
Biopsie, Hirnbiopsie 3
Hirnbiopsie
Biopsie, Nervenbiopsie 3
Überwässerung/Hyperhydratation * Häufig bei kardialer Vorschädigung mit akuter Dekompensation einer Rechts-/Links-/ Globalherzinsuffizienz.
Oft synonym verwendet: vaskuläre Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie ( SAE), vaskulär assoziierte Demenz.
3
Exsikkose/Dehydratation * Häufig vor allem bei älteren Patienten. * Klinisch: initial Durstgefühl, trockene Zunge, Verlust des Hautturgors mit stehenden Hautfalten, konzentrierter Urin, im Verlauf Hypotonie und Bedarfstachykardie, bei schwerer Exsikkose progrediente Verlangsamung mit Vigilanzminderung bis hin zum Koma. * Laborchemisch: Hämatokriterhöhung, Anstieg von Kreatinin, Harnstoff und Osmolarität. * Monitoring: Blasendauerkatheter zur Überwachung der Ausscheidung. * Zentralvenöser Katheter zur Überwachung des zentralen Venendrucks in schweren Fällen. * Magensonde bei Reflux/Peristaltikstörung. * Abschätzen: Flüssigkeitsverluste über Perspiratio. * Therapie: Flüssigkeitssubstitution mit Kristalloidlösungen. Keine hypotonen Lösungen, da dadurch ein postischämisches Ödem verstärkt werden kann.
Synonyme
3
Grundlagen
Binswanger-Erkrankung
3
Herstellung und Überwachung eines ausgeglichenen Flüssigkeitshaushaltes.
3
Definition
Nervenbiopsie
B
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Biot-Atmung
Biot-Atmung Synonyme Intermittierende Atmung
Definition Eine Form der periodischen Atmung mit kräftigen, tiefen Atemzügen, die von plötzlichen Atempausen unterbrochen werden.
Einleitung Wie andere Atemstörungen findet man die Biot-Atmung bei einer Störung des Atemzentrums durch direkte Hirnverletzungen oder erhöhten intrakraniellen Druck.
Differenzialdiagnose Andere Atemstörungen mit intermittierenden Atempausen, Intoxikationen etc.
Therapie Abhängig von der Grunderkrankung.
Biotinmangel Synonyme Biotin-Deficiency
Definition Biotinmangel kann durch Malnutrition oder im Rahmen metabolischer Defekte auftreten. Symptome betreffen Haut, Haare und das Nervensystem.
Einleitung Biotin gehört zu den B-Vitaminen. Es ist ein wasserlöslicher Kofaktor für verschiedene Carboxylasen. Darunter befinden sich Acetyl-CoACarboxylase, Propionyl-CoA-Carboxylase (limitierender Faktor der Fettsäure-Verlängerung im Lipid-Stoffwechsel), Pyruvat-Carboxylase. Neben dem Lipidstoffwechsel haben die Carboxylasen Bedeutung für Glukoneogenese und Aminosäure-Katabolismus. Die Carboxylasen werden als Apo-Carboxylasen ohne Biotin synthetisiert. Die Aktivierung erfolgt durch kovalente Bindung von Biotin durch die Holo-Carboxylase-Synthetase. Die Degradation erfolgt durch Abspaltung des Biotins durch die Biotinidase. Biotinmangel ist extrem selten. Malnutrition,
insbesondere durch häufigen Verzehr roher Eier oder seltene hereditäre Stoffwechselstörung, z. B. der Holo-Carboxylase-Synthetase oder der Biotinidase können den Mangel verursachen. Daneben wird diskutiert, ob leichtere Grade von Biotinmangel in der Schwangerschaft teratogen wirken können. Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verursacht Biotinmangel eine Alopezie und eine charakteristische, schuppende, erythematöse Dermatitis im Bereich der Körperöffnungen. Die Hautläsionen ähneln denen bei Zinkmangel. Candida albicans lässt sich häufig aus Hautläsionen anzüchten. Bei hereditärem Biotinmangel, z. B. Biotinasemangel, entwickeln sich neben Alopezie und Hauteffloreszenzen auch neurologische Symptome, z. B. epileptische Anfälle, Ataxie, Hypotonie, Entwicklungsretardierung, Taubheit.
Diagnostik Klinische Untersuchung, insbesondere Haut, Haare und Nervensystem. Biotin im Serum. Bei hereditären bzw. kongenitalen Fällen ggf. spezifische biochemische Untersuchungen an Gewebeproben, z. B. Muskel.
Therapie Biotinsubstitution.
Nachsorge Zunächst vierteljährliche, dann jährliche Verlaufsbeobachtung.
Bewertung Bei Alopecia areata oder totalis und Effloreszenzen im Bereich der Körperöffnungen sollte ein Biotinmangel in Erwägung gezogen werden.
Prognose Bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Vermeiden roher Eier. Ggf. Biotinsubstitution in der Schwangerschaft.
Biperiden Zubereitungen Biperiden-Hydrochlorid.
Biperiden
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Akineton® Tabletten, retard, Ampullen; biperiden 2 von ct, Biperiden-neuraxpharm®, Biperiden-ratiopharm®, Biperiden-TEVA®, Norakin® N.
Wirkungen Blockade zentraler und peripherer Muskarinrezeptoren. Die degenerativen Veränderungen beim Parkinson-Syndrom führen im Striatum zu einer Dopaminmangelsituation. Daraus resultiert vermutlich eine Störung des funktionellen Gleichgewichts exzitatorisch-cholinerger und inhibitorisch-dopaminerger Neurotransmission. Akineton® hemmt vor allem die zentrale cholinerge Impulsübertragung durch reversible Bindung an Azetylcholinrezeptoren; im Gegensatz zu Atropin ist die periphere Parasympathikolyse wenig ausgeprägt. Im Unterschied zu LDopa vermag Biperiden aufgrund seines zentralen Azetylcholinantagonismus in sehr ausgeprägtem Maße die durch eine Neuroleptikatherapie ausgelösten extrapyramidalen Nebenwirkungen zu unterdrücken. Klinisch wirkt Biperiden vor allem auf den Rigor, weniger ausgeprägt auf den Tremor. Vegetative Symptome (Schweiß-, Speichel-, Talgsekretion) lassen sich durch Biperiden vermindern oder beseitigen. Gut ansprechbar sind auch Blick- und Muskelkrämpfe sowie postenzephalitische Kopfschmerzen.
Pharmakologische Daten Das Ausmaß der Bioverfügbarkeit der retardierten und der schnell freisetzenden Darreichungsform ist bei gleicher Dosierung äquivalent, wobei der Wirkeintritt bei der retardierten Form verzögert ist (8 h versus 1 h). Nahrungsaufnahme besitzt keinen Einfluss auf das Ausmaß der Bioverfügbarkeit von Akineton® retard. Bei älteren Patienten kann die Bioverfügbarkeit erhöht sein. Die systemische Bioverfügbarkeit von Biperiden nach oraler Gabe beträgt vermutlich infolge intensiver Metabolisierung 33±5%. Die Plasmaproteinbindung beträgt ca. 93%. Das scheinbare Verteilungsvolumen wird mit 24±4,1 l/kg angegeben. Der Hauptmetabolit von Biperiden entsteht durch Hydroxylierung am Bicycloheptenring (60%), daneben findet zum Teil zusätzlich eine Hydroxylierung am Piperidinring (40%) statt. Unverändertes Biperiden wird im Urin nicht nachgewiesen. Die
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terminale Plasmaeliminationshalbwertszeit wird bei einmaliger i. v.-Applikation von 4 mg Biperidenlactat mit 24,3 h (Mittel) angegeben. Bei oraler Gabe einer Einzeldosis von 4 mg Biperidenhydrochlorid wird im Mittel eine terminale Eliminationshalbwertszeit von 11–21,3 h und für ältere Patienten eine von 23,8–36,6 h ermittelt. Die Plasmaclearance beträgt 11,6±0,8 ml/min/KG.
Anwendungsgebiete Zugelassen für Parkinson-Syndrome, insbesondere bei Rigor und Tremor, auch für medikamentös bedingten Parkinson und „sonstige extrapyramidale Symptome“, die Injektionslösung von Biperiden ist auch für Nikotinvergiftung, Vergiftung durch organische Phosphorverbindungen zugelassen. Anticholinergika werden aufgrund ihres ungünstigen Verhältnisses zwischen erwünschten und unerwünschten Wirkungen selbst bei Tremordominanz immer weniger eingesetzt.
Dosierung/Anwendung Einschleichende Einstellung mit 2 mg/die; individuelle Erhaltungsdosis zwischen 6 mg und 12 mg/die (oral); bei parenteraler Gabe zur Beseitigung medikamentös bedingter extrapyramidaler Symptome 2,5–5 mg i. m. oder langsam i. v.; Kinder bis zu 1 Jahr 1 mg, bis zu 6 Jahren 2 mg, bis zu 10 Jahren 3 mg; bei Bedarf gleiche Dosis nach 30 min wiederholen.
Unerwünschte Wirkungen Wärmestau, Hautrötung, Unruhe, Halluzinationen, Akkommodationsstörungen, Glaukomauslösung, Mundtrockenheit, Tachykardie, Miktionsbeschwerden bis zum Harnverhalt, Obstipation, Mydriasis mit Photophobie, Magenbeschwerden, Übelkeit, Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Erregung, Schlafstörungen, Angst, Kopfschmerzen, Euphorie, Verwirrtheit, Delir, gelegentlich Gedächtnisstörungen. Sehr selten Bradykardie. Vereinzelt Dyskinesien, Ataxie, Muskelzuckungen, Sprechstörungen. Vereinzelt Missbrauch und Abhängigkeitsentwicklung, bei parenteraler Applikation Blutdrucksenkung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Prostataadenom mit Restharnbildung, Harnverhaltung, Myasthenia gravis, Tachyarrhythmie. Akineton® retard ist nicht für Kinder bestimmt.
B
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Bird-Rohr
Bei Miktionsbeschwerden: Dosis reduzieren. Bei erhöhter Krampfbereitschaft vorsichtig dosieren.
Bird-Rohr Synonyme
Verstärkung der anticholinergen Wirkung von Antihistaminika und Spasmolytika; Verstärkung der zentralnervösen Wirkung von Pethidin. Verstärkung von Levodopa-Dyskinesien und neuroleptikabedingten Spätdyskinesien. Bei zusätzlicher Gabe anderer Antiparkinsonpräparate Verstärkung vegetativer oder zentraler Wirkungen.
Bird-Respirator
Definition Atemhilfsmittel zur Erleichterung der Inspiration durch Verbreiterung des Durchmessers der Atemwege.
Grundlagen Wie das Giebel-Rohr gehört das Bird-Rohr zu den physiotherapeutischen Hilfsmitteln im Rahmen des Atemtrainings, die beim wachen kooperativen Patienten angewendet werden können. 3
Wechselwirkungen
Blasenfunktionsstörung. Abb. 1: Praktisches Vorgehen bei Blasenfunktionsstörung
Blepharospasmus
Blasenfunktionsstörung Definition Beeinträchtigung der Speicherfunktion der Blase und/oder der Harnentleerung, Detrusorareflexie, Detrusorhyperreflexie, Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie. Praktisches Vorgehen siehe Graphik. 3
3
3
Bleisaum, Zahnfleisch Definition Der Bleisaum des Zahnfleisches ist ein diagnostisches Merkmal einer Bleivergiftung.
Einleitung Eine Bleivergiftung kann zur gemischten motorisch führenden Polyneuropathie und Motoneuropathie führen. Typisch ist die Bleilähmung der Finger- und Handextensoren. Gelegentlich treten bei einigen Patienten Schmerzen sowie ZNS-Beteiligung (Myelo- oder Enzephalopathie) auf. Im Blutausstrich ist eine charakteristische basophile Tüpfelung der Erythrozyten zu beobachten.
Therapie Ziel ist die Elimination des Bleis durch Gabe chelatbildender Medikamente mit anschließender renaler Ausscheidung der wasserlöslichen Komplexe. gesichert Gabe von D-Penicillinamin:0,6–1,5 g/Tag (oral) oder 1 g/Tag (i. v.) oder Ca-Na-EDTA (Ethylendiamintetraacetat):0,4–1,2 g/Tag (i. v.).
Blepharospasmus Definition Der essentielle Blepharospasmus ist charakterisiert durch unwillkürliche tonische oder klonische Spasmen, hauptsächlich des M. orbicularis oculi und ferner der M. corrugatores supercilii und M. procerus.
Einleitung Neben den tonischen oder klonischen Spasmen,
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hauptsächlich des M. orbicularis oculi und ferner der M. corrugatores supercilii und M. procerus sowie der paranansalen und Stirnmuskulatur kommt es häufig zu einer Vergesellschaftung mit einer oromandibulären Dystonie (>60%). Der Blepharospasmus tritt im mittleren bis höheren Lebensalter (mittleres Alter 56, 11– 81) gehäuft bei Frauen (1,8:1) auf. Neben einer kosmetischen Beeinträchtigung und sozialen Stigmatisierung kann diese fokale Dystonie zur Sehbehinderung in verschiedensten Situationen (Autofahren, Bildschirmarbeit u. a.) bis zur funktionellen Blindheit bei intaktem Sehorgan führen. Die Symptomatik kann sehr variabel sein. Viele Patienten berichten über eine Zunahme der Beschwerden beim Lesen oder Autofahren. Andere beschreiben wiederum eine Abnahme der Symptomatik bei Situationen, die vermehrte Aufmerksamkeit erfordern. Regelhaft wird angegeben, dass helles Licht und Luftzug den Blepharospasmus verstärkt, weshalb viele dieser Patienten ständig Sonnenbrillen tragen. Initiales Symptom ist oft ein Fremdkörpergefühl, das zunächst häufig zur Diagnose eines SiccaSyndroms führt. Bei vielen Patienten liegt tatsächlich auch ein Sicca-Syndrom vor. Patienten können mit bestimmten Tricks (Gähnen, Singen, Anlegen eines Fingers an die Schläfe), insbesondere zu Beginn der Erkrankung, den Blepharospasmus durchbrechen.
Diagnostik Als diagnostisches Kriterium eines Blepharospasmus wird häufig die Objektivierung eines bilateralen Lidkrampfs, also eines langanhaltenden oder immer wiederkehrenden kräftigen Lidschlusses, verursacht durch Spasmen hauptsächlich der periorbitalen und präseptalen Anteile des M. orbicularis oculi, herangezogen. Bei einem derartigen Befund ist die Diagnose leicht zu stellen. Das Spektrum der Phänomenologie des Blepharospasmus ist jedoch viel breiter und reicht von einem klassischen Blepharospasmus bis zu einer Lidöffnungsinhibition (oder Blepharokolysis, Kolysis = Hemmung), bei der ein Spasmus gar nicht sichtbar ist. Diese beiden Extreme des Spektrums findet man auch als Randformen einer Einteilung des Blepharospasmus in 5 Typen, die auf EMG-Ableitungen des M. levator palpebrae und des M. orbicularis oculi basieren [1]. In
B
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Blepharospasmus
dieser Klassifikation wird ein „klassischer“ Blepharospasmus bei dystoner EMG-Aktivität im M. orbicularis oculi mit intakter reziproker Hemmung im M. levator palpebrae beschrieben. Am anderen Ende des Spektrums zeigt der M. levator palpebrae elektromyographisch eine vollkommene Inhibition ohne dystone Aktivität im M. orbicularis oculi. Zwischen den beiden Randformen liegen Mischbilder mit eingeschränkter reziproker Hemmung vor. Im Hinblick auf die Therapie wäre diese Klassifikation sinnvoll, jedoch sind EMG-Ableitungen des M. levator palpebrae schwierig und im klinischen Alltag kaum durchzuführen. Der Autor hatte daher folgende klinische Klassifikation vorgeschlagen. 1. Klassischer Blepharospasmus: Klonischer Spasmus als intermittierender bis anhaltend kräftiger Lidschluss imponierend. 2. Tonischer Blepharospasmus: Tonische Dauerkontraktion zu anhaltender Lidspaltenverengung führend. 3. Lidöffnungsinhibitionstyp: Kein offensichtlicher Krampf des M. orbicularis oculi, aber Kontraktion des M. frontalis mit entsprechender Stirnfalte. Der letztgenannte Blepharospasmustyp („atypischer Blepharospasmus“) bereitet die größten diagnostischen und therapeutischen Schwierigkeiten [4]. Die Patienten haben bei geschlossenen Lidern Schwierigkeiten, auf Aufforderung die Augen zu öffnen und kontrahieren dafür den M. frontalis. Bei tatsächlich vorliegender ausschließlicher Levatorinhibition tritt diese Form der Lidöffnungsstörung vorwiegend bei PSP und MSA auf. Synonym werden dafür auch Begriffe wie Lidöffnungsapraxie, „Akinese der Lidöffner“ oder supranukleäre Lidöffnungsparese gebraucht. Ein prätarsaler Blepharospasmus, bei dem die Kontraktionen primär oder sekundär (nach Denervierung der präseptalen und periorbitalen Anteile des M. orbicularis oculi) entsteht, imponiert aber ebenfalls wie ein Lidöffnungsinhibitionstyp.
„Zwinkern“ oder „Zwicken“, andere Patienten sprechen davon, dass sie die „Augen nicht mehr aufbekommen“ oder von einem „Zufallen der Augendeckel“. Differenzialdiagnose Blepharospasmus: Beim Blepharospasmus im höheren Erwachsenenalter findet man meist keine Ursache. Die häufigste Ursache für einen Blepharospasmus als sekundäre Dystonie ist vermutlich eine tardive Genese. Differenzialdiagnostisch muss man beim Blepharospasmus Ursachen abnormaler Blinkbewegungen und abnormaler Lidschluss/Lidöffnung (Ptosis) erwägen. Akute ophtalmologische Ursachen wie Iritis, Konjunktivitis u. a. bereiten wegen der vorhandenen Begleitsymptomatik (rotes Auge, Schmerzen) keine Schwierigkeiten. Bei chronischen ophthalmologischen Störungen wie Achromatopsie oder Albinismus tritt die abnorme Blinkfrequenz nur bei Helligkeit auf (verstärkter optikopalpebraler Reflex). Die häufigste Fehldiagnose stellt die okuläre Myasthenie bei atypischem oder prätarsalem Blepharospasmus ohne kräftigen Lidschluss dar. Diese Differenzialdiagnose wird dadurch kompliziert, weil Blepharospasmus in seltenen Fällen bei Myasthenie beschrieben worden ist [7]. Diese Patienten wiesen meist aber auch Doppelbilder auf. Assoziationen und Übergänge zu chronischen Tic-Störungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden [6]. Eine entsprechende Tic-Anamnese mit willkürlicher Unterdrückbarkeit der Tics, wachsender innerer Anspannung bis zur TicAuslösung, sensorischen Missempfindungen im Gesichtsbereich, die nach Tic-Auslösung nachlassen, sollte den Blepharospasmus vom chronischen Zwinker-Tic differenzieren helfen. Schwierig ist es, eine Augenschlussstereotypie bei jungen psychotischen Patienten von einem tardiven Blepharospasmus zu unterscheiden.
Es ist bemerkenswert, dass die wenigsten Patienten über einen Lidkrampf klagen. Bei einigen wird außerdem während der Untersuchungssituation kein Befund zu erheben sein, da, wie bei den anderen Dystonien der Blepharospasmus durch einen fluktuierenden Charakter gekennzeichnet ist. Ein Teil der Betroffenen beschreibt die Beschwerden als ein „Zucken“,
Eine der dankbarsten Indikationen für Botulinumtoxin stellt sicherlich der Blepharospasmus dar, da es hier bei schwerem Verlauf zur funktionellen Blindheit bei intaktem Sehorgan kommen kann. 90% der Patienten profitieren von der Therapie, ein großer Teil mit einer vorübergehenden Symptomfreiheit [3, 8]. Der Spasmus hemifacialis gehört nicht zu den
3
Therapie gesichert
Blepharospasmus
fokalen Dystonien. Pathophysiologisch handelt es sich hier um eine periphere Bewegungsstörung, bei der man davon ausgeht, dass sie durch eine Affektion des N. facialis verursacht wird. Aus praktischen Erwägungen wird aber diese Bewegungsstörung an dieser Stelle mitbehandelt. Mit Hilfe von Tuberculinspritzen und 30Gauge-Kanülen kann man das Toxin subkutan applizieren, sodass sich an den Injektionspunkten eine kleine Quaddel bildet. Bei einem essentiellen Blepharospasmus ohne Mitbeteiligung der Brauen könnten die Injektionspunkte in der Nähe des Kanthus direkt an dem lateralen Rand des Ober- und Unterlides sowie am medialen Rand des Oberlides und auch in der Mitte des Unterlides liegen. Unbedingt ausgespart werden muss der mittlere Anteil des Oberlides, d. h. es sollte am Oberlid auch immer weg vom mittleren Lidteil gespritzt werden, um ein Diffundieren des Toxins in den M. levator palpebrae oder M. rectus superior und damit eine Ptosis oder eine vertikale Augenmotilitätsstörung zu vermeiden. Weiterhin empfiehlt es sich, ein oder zwei Depots temporal des lateralen Kanthus zu setzen. Dort erscheint auch keine Gefahr einer unerwünschten Ausbreitung auf den M. levator palpebrae zu bestehen. Falls der Blepharospasmus die Brauen einbezieht, lohnt es sich, über den M. procerus und M. corrugator kleine Depots zu setzen. Die Dosierung sollte sich auch nach dem Alter des Patienten richten. Ältere Patienten tendieren dazu, stärker zu reagieren. Deshalb wird hier die Dosis bei der ersten Behandlung nicht mehr als 80 Einheiten Dysport® oder 15 Einheiten BOTOX® pro Auge betragen; d. h. die Gesamtdosis bei Berücksichtigung beider Gesichtshälften nicht mehr als 160 Einheiten Dysport® oder 30 Einheiten BOTOX®. Der klassische Blepharospasmus ist am einfachsten zu behandeln, während der Lidöffnungsinhibitionstyp Probleme bereitet. Hier müssen unter Umständen Injektionen lidrandnah und in den prätarsalen Anteil des M. orbicularis oculi gesetzt werden. Beim Spasmus hemifacialis kommt man mit geringeren Dosen und weniger Injektionspunkten als beim Blepharospasmus aus. Wenn der Spasmus sich im Wesentlichen auf den M. orbicularis oculi beschränkt, reichen Depots am medialen und lateralen Rand des Oberlids sowie am lateralen Rand des Unterlids aus. Auf Depots unterhalb des M. orbicularis oculi
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kann man meist verzichten und vermindert so das Risiko einer Mundastschwäche. Auffallenderweise hält die Wirkung länger an als bei den fokalen Dystonien im Gesichtsbereich. Die Janetta-Operation mit mikrochirurgischer vaskulärer Dekompression des N. facialis im Kleinhirnbrückenwinkel stellt für jüngere Patienten bei nicht unerheblichem Operationsrisiko eine Alternative zur chronischen Botulinumtoxin-Therapie dar. Bei postparetischen Fazialissynkinesien sollte das Vorgehen individuell auf die Störung und den Patienten abgestimmt sein. Klinisch fassbare systemische Nebenwirkungen von Botulinumtoxin-Injektionen im peri- und orbitalen Bereich wurden bisher nicht beobachtet. Lokale Nebenwirkungen nach periorbitalen Injektionen sind im Allgemeinen tolerabel und passager und werden von den Patienten oft gar nicht als solche erlebt. Über ihre Häufigkeit werden unterschiedliche Angaben gemacht [3]: Ptosis 5,3% nach einer Injektion bis zu 52% nach 4 Injektionen, periorbitale Flüssigkeitsansammlung 92% (andere Autoren führen diese Nebenwirkung gar nicht auf), Tränenfluss 11,4%, Keratitis 4–45%, Diplopie 3–7%. Durch Eiskühlung nach Injektion und oberflächlicher subkutaner Injektion lassen sich Hämatome minimieren. Auch weitere seltene Nebenwirkungen wie Ektropium, Entropium und Lagophthalmus sind vorübergehender Natur. Patienten sollten auf jeden Fall über das Risiko einer vorübergehenden Ptosis aufgeklärt werden, da es in sehr seltenen Fällen zu einer bilateralen kompletten Ptosis kommt. Eine Ptosis kann allerdings auch schon vor der Botulinumbehandlung bestanden haben, ein Befund, der ausreichend dokumentiert werden sollte. Besonders hervorzuheben ist hier die Levatoraponeurosen-Disinsertion (oder - Dehiszenz), die gerade durch den ständigen Zug bei Blepharospasmuspatienten besonders häufig auftritt und eine Ptosis bedingt. Die Levatordisinsertion ist durch einen Verlust oder ein Verstreichen der oberen Lidfalte nach oben und eine Verschmälerung des Lidanteils über dem Tarsus gekennzeichnet. Sie tritt bei älteren Menschen als involutionelle Ptosis auf. Es hat sich bewährt, eine Keratitisprophylaxe mit einer Augensalbe zur Nacht durchzuführen, da bei vielen Patienten der Lidschluss einige Tage nach der Injektion für 1–2 Wochen nicht vollständig ist. Ist bei voller Medikamentenwir-
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Blickapraxie
kung der Lidschluss unauffällig, kann auf die Augensalbe verzichtet werden. Um einen möglichst lang anhaltenden therapeutischen Effekt der periorbitalen Injektionen zu erzielen, und um auf der anderen Seite die Nebenwirkungen wie Diplopie und Ptosis zu minimalisieren, lassen sich zwei Trends bei der Wahl der Applikationspunkte und Dosierungen erkennen. Ein Teil der Therapeuten bevorzugt viele und der Bewegungsstörung angepasste Injektionspunkte mit kleineren Depots (0,05– 0,1 ml Injektionslösung bei Verdünnung von 500 U Dysport® auf 2,5 ml und 100 U BOTOX® auf 4 ml, bei prätarsalen Injektionen mit 0,025 ml anfangen) [3, 9]. Der andere Teil der Therapeuten schlägt ein relativ fixes Schema mit wenigen Injektionspunkten und größeren Depots (0,1–0,2 ml Injektionslösung) [5, 8] vor. Letztgenanntes Verfahren ist besser standardisierbar, weniger zeitaufwendig, weniger schmerzhaft und bietet eher Garantie für einen eindeutigen Effekt. Allerdings erscheinen die Nebenwirkungen häufiger. Im Hinblick auf die Ptosis und Diplopie mag das daran liegen, dass größere Depots die lokale Resorptionskapazität für das Toxin überfordern können, und es zu einer Diffusion zum M. levator palpebrae sowie anderen äußeren Augenmuskeln kommt.
Literatur 1. Aramideh M, Ongerboer DVB, Devriese PP et al. (1994) Electromyographic features of levator palpebrae superioris and orbicularis oculi muscles in blepharospasm. Brain 117: 27–38. 2. Castelon-Konkiewitz E, Trender-Gerhard I, Kamm C et al. (2002) Service-based survey of dystonia in munich. Neuroepidemiology 21: 202– 6. 3. Ceballos-Baumann AO, Gasser T, Dengler R, Oertel WH (1990). Lokale Injektionsbehandlung mit Botulinum-Toxin A bei Blepharospasmus, Meige-Syndrom und Spasmus hemifacialis. Beobachtungen an 106 Patienten. Nervenarzt 61: 604–610. 4. Elston JS (1992). A new variant of blepharospasm. J Neurol Neurosurg Psychiatry 55: 369– 71. 5. Elston JS, Granje FC, Lees AJ (1989). The relationship between eye-winking tics, frequent eye-blinking and blepharospasm (see comments). J Neurol Neurosurg Psychiatry 52: 477–80. 6. Elston JS, Russell RW (1985). Effect of treatment with botulinum toxin on neurogenic blepharospasm. Br Med J 290: 1857–9. 7. Kurlan R, Jankovic J, Rubin A et al. (1987) Coexistent Meige's syndrome and myasthenia
gravis. A relationship between blinking and extraocular muscle fatigue? Arch Neurol 44: 1057–60. 8. Poewe W, Kleedorfer B (1989). Therapie des essentiellen Blepharospasmus und hemifacialen Spasmus mit lokalen Injektionen von BotulinumToxin Typ A: Erfahrungen an 50 Patienten. Akt Neurol 16: 78–82. 9. Roggenkämper P (1986). Blepharospasmus-Behandlung mit Botulinum-Toxin (Verlaufsbeobachtungen). Klein Mbl Augenheilkunde 189: 283– 285. 10. Burke RE, Fahn S, Mayeux R et al. (1981) Neuroleptic malignant syndrome caused by dopamine-depleting drugs in a patient with Huntington disease. Neurology 31: 1022–5.
Blickapraxie Definition Unfähigkeit einer zielgerichteten Ausführung von visuell stimulierten Blickbewegungen (z. B. langsamen Folgebewegungen, Orientierungssakkaden oder dem optokinetischen Nystagmus) bei funktionell intakten sensorischen und motorischen Bahnen sowie Ausführungsorganen. Vorkommen meist bei kontralateralen parietalen Läsionen häufig zusammen mit einer Hemianopsie.
Differenzialdiagnose * * *
*
*
Sensorische Störungen im Auge oder im Verlauf der Sehbahn. Visueller Neglect. Agnosien (Störungen des Erkennens bekannter Objekte) insbesondere Stereoagnosien mit Fixationsstörung (z. B. Balint-Syndrom). Optische Ataxie mit Verfehlen von Objekten im kontralateralen Gesichtsfeld bei Greifbewegungen. Störung durch Läsion der motorischen Kerne, Bahnen oder Verschaltungen einschließlich Blickparesen, Nystagmus und Sakkadendysmetrien.
Blickdyspraxie Definition Störung in der Ausführung von Blickbewegun-
Blickparese, progressive supranukleäre (PSP)
gen bei funktionell intakten sensorischen und motorischen Bahnen sowie Ausführungsorganen, Blickapraxie. Vorkommen meist bei parietalen Läsionen oder diffusen mikroangiopathischen Marklagerläsionen. 3
Differenzialdiagnose * * *
*
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Sensorische Störungen im Auge oder im Verlauf der Sehbahn. Visueller Neglect. Agnosien (Störungen des Erkennens bekannter Objekte), insbesondere Stereoagnosien mit Fixationsstörung (z. B. Balint-Syndrom). Optische Ataxie mit Verfehlen von Objekten im kontralateralen Gesichtsfeld bei Greifbewegungen. Störung durch Läsion der motorischen Kerne, Bahnen oder Verschaltungen einschließlich Blickparesen, Nystagmus und Sakkadendysmetrien.
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Blickparese Definition Lähmung einer Augenbewegung.
Einleitung Unterscheidung: * Konjugierte Blickparese. * Dissoziierte Blickparese. * Horizontale Blickparese. * Vertikale Blickparese. * Konvergenzparese. * Blickparese mit Verrollung der Bulbi („ocular tilt reaction“). * Skew deviation (vertikale Achsabweichung).
Blickparese, progressive supranukleäre (PSP) Synonyme 3
Blickmotorik Synonyme Okulomotorik
Definition Überbegriff über die verschiedenen Funktionen der Augenbewegungen einschießlich der Akkomodation.
Grundlagen Beteiligte Strukturen: * Frontallappen (übergeordnetes motorisches Zentrum). * Okzipitallappen (Sehrinde mit visuellen Assoziationsfeldern). * Parietallappen (Steuerung langsamer Folgebewegungen). * Basalganglien. * Hirnstamm (Augenmuskelkerne, Generierung von vertikalen und horizontalen Blickbewegungen, Verschaltungen). * Kleinhirn (Blickfeinmotorik, Sakkadenkontrolle). * Hirnnerven III, IV und VI. * Intere und externe Augenmuskeln. * Orbita und Bulbus.
Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom
Definition Als progressive supranukleäre Blickparese (PSP) wird eine häufige neurodegenerative Erkrankung mit Parkinson-Syndrom bezeichnet, deren differenzierendes klinisches Zeichen eine supranukleäre Ophthalmoplegie mit vertikaler Blickparese darstellt. Hinzukommen weitere Parkinson-Plus-Zeichen. Synonym wird der Begriff des Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom verwendet. Diese Autoren beschrieben Anfang der 60er-Jahre eine Serie von Patienten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr mit einer progressiven Hirnstammdegeneration, die klinisch eine supranukleäre Ophthalmoplegie, eine axiale Dystonie, eine Dysarthrie, eine Pseudobulbärparalyse und eine leichtere Demenz aufwiesen [5]. Die heute verwendeten diagnostischen Kriterien sind in Tab. 1 aufgeführt.
Einleitung Verlauf: Eine Gangstörung mit subjektiven Beschwerden wie „Schwindel“ und später Stürzen ist der häufigste Grund zunächst ärztlichen Rat aufzusuchen. Eine leise Dysarthrophonie kommt früh hinzu. Die Akinese bezieht sich in erster Linie auf die axiale Muskulatur mit
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Blickparese, progressive supranukleäre (PSP)
Starthemmungen beim Gehen und Aufstehen. Der Gang ist aufrecht. Der Rigor/Dystonie, auch eher in der axialen Muskulatur lokalisiert, zeigt sich häufig mit einer Hyperextension im Nacken. Mit weiterem Fortschreiten der Erkrankung weisen die Patienten den charakteristischen starren und erstaunten Blick auf: Die Augen sind aufgerissen, das Oberlid retrahiert und die Stirn ist in Falten gelegt, weil ständig der Musculus frontalis aktiviert wird. Es besteht bei etwas 10% der Patienten eine Lidöffnungs-/schlussinhibition. Im Frühstadium der Erkrankung fällt initial meist nur eine vertikale supranukleäre Blickparese nach oben auf. Es folgt dann eine leichte Verlangsamung der willkürlichen Blicksakkaden nach unten, ein verschlechterter vertikaler optokinetischer Nystagmus und eine gestörte Suppression des vertikalen vestibulookulären Reflexes. Die Patienten werden im Spätstadium meist bettlägerig. Im Bett können sie sich nur mit Hilfe umdrehen. Dann tritt bei vielen Patienten eine komplette vertikale Ophthalmoplegie ein, die schließlich zu einer Fixation der Bulbi in Primärstellung führt (bei erhaltenem vertikalem Puppenkopfphänomen = intaktem vertikalem vestibulookulärem Reflex). Der Patient muss den Kopf wenden, um die Blickrichtung zu ändern. Schluckstörungen mit dem Risiko zu aspirieren treten regelhaft auf. Gelegentlich besteht eine emotionale Labilität mit unkontrolliertem Weinen. Rigor führt zu Kontrakturen an den Extremitäten und manchmal zu einem Ophistotonus. Die Patienten sterben meist an einer Pneumonie. Bei der PSP entwickelt sich regelmäßig eine klinisch offensichtliche Demenz (>50% der Patienten). Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz („kortikale“ Demenz mit Aphasie, Apraxie und Akalkulie) stellt die PSP den Prototyp der sogenannten „subcortikalen“ Demenz dar, bei der Bradyphrenie, Perseveration, Aufmerksamkeitsstörungen, Abulie, Initiativlosigkeit im Vordergrund stehen. Kortikale Funktionen wie Stereognosie, Graphaesthesie, Praxie, Sprache, Rechnen sind hingegen relativ intakt. Gedächtnisleistungen wie Wiedererkennen und Abrufen sind bei Patienten mit kortikaler und subkortikaler Demenz betroffen, doch ist das Wiedererkennen bei subkortikale Demenz lange erhalten. Neuropathologisch findet sich ein Verlust von Nervenzellen, eine Gliose und zahlreiche neu-
rofibrillären Fäden „tangles“ mit einer typischen Verteilung: 1. Im pallidosubthalamischen Komplex. 2. In der Pars compacta der Substantia nigra. 3. Im Colliculus superior, dem periaquäduktalen Höhlengrau, den prätektalen Gebieten mit ihren für die Kontrolle der Augenbewegung zuständigen Kernen und den Nuclei pontis. Darüber hinaus sind auch andere Hirnregionen betroffen.
Diagnostik Die Diagnose erfolgt klinisch und kann mit letzter Sicherheit nur neuropathologisch gesichert werden. Die diagnostischen Kriterien sind in Tab. 1 aufgeführt. Die Diagnose der PSP erfordert das Vorliegen einer vertikalen supranukleären Blickparese, die auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen vorliegen kann. Gerade zu Beginn der Krankheit ist die Diagnose schwierig. Übergänge der PSP zur subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie („vaskuläres“ Parkinson-Syndrom, Parkinson-Syndrom der unteren Körperhälfte) schlagen sich in dem Begriff der „vaskulären“ PSP nieder. Ein Zusammenhang beider Erkrankungen legt der Befund der hohen Inzidenz von Hypertonus in der Vorgeschichte vieler PSP-Patienten nahe [3]. Das EEG ist bei den meisten Patienten normal. Im Elektronystagmogramm können subklinische Auffälligkeiten der Okulomotorik dargestellt werden: Störung der vertikalen Augenbewegungen mit Sakkadenverlangsamung, eine angedeutete vertikale Blickparese, die zunächst nach oben ausgeprägter als nach unten ist, sowie eine Störung der raschen Phasen des optokinetischen und vestibulären Nystagmus. In der kranialen Bildgebung zeigt sich eine Vergrößerung des III. Ventrikels mit Erweiterung der Cisterna interpeduncularis und der Cisterna magna bei Mittelhirnatrophie („Mickey-mouseZeichen“, bei Verschmächtigung des anteroposterioren Mittelhirn-Durchmessers >als 24 mm). Das Kleinhirn ist in der Regel nicht atrophiert. Eher findet sich eine leichte kortikale Atrophie frontotemporal.
Therapie Es ist fraglich, ob es derzeit eine effektive medikamentöse Behandlung der PSP überhaupt gibt. Dopaminergika können nur bei etwa
Blickzentrum, pontines
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Blickparese, progressive supranukleäre (PSP). Tab. 1: Klinische Kriterien für die Diagnose einer progressiven supranukleären Blickparese (Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom) nach NIH [4] PSP möglich
Langsam progrediente Erkrankung mit Beginn frühestens im 40. Lebensjahr oder meist später. Vertikale supranukleäre Blickparese nach oben und/oder unten oder Verlangsamung vertikaler Sakkaden und posturale Instabilität mit Stürzen im ersten Jahr der ErkankungKeine anderen Erkrankungen, die die Symptomatik erklären könnten.
PSP wahrscheinlich
Kriterien wie unter möglich; anstatt Verlangsamung vertikaler Sakkaden vertikale Blickparese.
PSP sicher
Kritierien von möglich und wahrscheinlich sowie histopathologischer Nachweis der charakteristischen subkortikalen Änderungen.
10% der Patienten zu Beginn des Verlaufs eine meist nur bescheidene und kurz anhaltende Besserung erzielen. Bei einem Therpieversuch mit Dopaminergika (z. B. langsam aufsteigend bis 800 mg Dopa/die) muss unbedingt darauf geachtet werden, dass nicht der motorische Zustand iatrogen verschlechtert wird: Viele Patienten müssen unter Dopaminergika bisweilen schmerzhafte Dystonien in Kauf nehmen, die nach Absetzen dieser Medikamente wieder sistieren [1]. Falls sich Dopaminergika nicht bewähren sollten Adamantan-Derivate (Amantadin-HCl oder /sulfat nicht mehr als 2–3×100 mg), alternativ Memantine versucht werden. Gelegentlich wird über mäßige bis beeindruckende Therapieeffekte bei vereinzelten Patienten mit Amitriptylin in kleiner Dosierung (25– 75 mg) berichtet [2]. Diese Substanz ist jedenfalls für die Therapie der Affektinkontinenz geeignet. Botulinumtoxin sollte bei fokalen Dystonien im Rahmen der PSP versucht werden (bei Blepharospasmus, prätarsale Injektionen!). Häufig ist wegen der Schluckstörungen eine Ernährung über einen Magensonde oder perkutane Gastrostomie erforderlich. Krankengymnastik, Ergotherapie, Beratung durch Sozialdienste und gegebenfalls Logopädie muss angeboten werden.
Literatur 1. Barclay CL, Lang AE (1997). Dystonia in progressive supranuclear palsy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 62: 352–6. 2. Engel PA (1996). Treatment of progressive supranuclear palsy with amitriptyline: therapeutic and toxic effects. J Am Geriatr Soc 44: 1072–4.
3. Ghika J, Bogousslavsky J (1997). Presymptomatic hypertension is a major feature in the diagnosis of progressive supranuclear palsy. Arch Neurol 54: 1104–8. 4. Litvan I, Agid Y, Calne D et al. (1996) Clinical research criteria for the diagnosis of progressive supranuclear palsy (Steele-Richardson-Olszewsky syndrome): report of the NINDS-SPSP international workshop. Neurology 47: 1–9. 5. Steele JC, Richardson JC, Olszewsky J (1964). Progressive supranuclear palsy. A heterogeneous degeneration involving the brain stem, basal ganglia and cerebellum with vertical gaze and pseudobulbar palsy, nuchal dystonia and dementia. Arch Neurol 10: 333–358. 6. Lopez OL, Wisnieski SR, Becker JT et al. (1997) Extrapyramidal signs in patients with probable Alzheimer disease. Arch Neurol 54: 969–75. 7. Mc Keith IG, Galasko D, Kosaka K et al (1996). Consensus guidelines for the clinical and pathologic diagnosis of dementia with Lewy bodies (DLB): report of the consortium on DLB international workshop. Neurology 47: 1113–24.
Blickzentrum, pontines Definition In der paramedianen pontinen Formatio reticularis (PPFR) gelegenes Blickzentrum.
Grundlagen Übergeordetes kortikales Blickzentrum im Frontallappen (Area 8 nach Brodmann) für schnelle Augenbewegungen. Verschaltungen zu den Kernen des N. abducens und des N. oculomotorius über den Fasziculus longitudinalis medialis, zum Flocculus und hinteren Kleinhirnwurm sowie über vestibulospinale Bahnen.
B
190
Blindheit
Bei Läsion des pontinen Blickzentrums entsteht eine ipsilaterale Blickparese mit Blickwendung zur Gegenseite.
Blindheit, kortikale Synonyme Rindenblindheit
Definition
Blindheit
Blindheit durch bilaterale Läsion des visuellen (Primär-)Kortex.
Synonyme
Einleitung
Amaurose
Ätiologie: a) Häufig: * bilaterale Posteriorischämie. b) Seltener: * okzipitale Blutung, * Schädelhirntrauma, * Tumor.
Definition Angeborenes oder erworbenes Fehlen des Sehvermögens.
Einleitung Unterscheidung: * Okuläre Ursache: Makuladegeneration, diabetische Retinopathie, Glaskörperblutungen, Zentralarterienverschluss, Katarakt, traumatische Verletzungen etc. * Retrobulbäre Ursache: ischämische Optikusneuropathien, Läsionen der Sehbahn. * Kortikale Blindheit bei Läsionen des visuellen Kortex (z. B. bilaterale Posteriorinfarkte).
Differenzialdiagnose *
Okuläre oder retrobulbäre Ursache. Visuelle Agnosie (Seelenblindheit), z. B. aperzeptive visuelle Objektagnosie, assoziative Agnosie und Prosopagnosie bei Läsion der visuellen Assoziationsfelder, insbesondere der inferotemporalen visuellen Areale. Resultierende Sehstörungen trotz intakter sensorischer Funktionen bei Fixationsstörungen, Blickapraxie und optischer Ataxie, z. B. beim Balint-Syndrom Psychogene Blindheit im Rahmen von psychischen Erkrankungen.
*
*
3
*
Differenzialdiagnose
*
Therapie Blindheit
Bewertung Die Kombination von kortikaler Blindheit und diesbezüglicher Anosognosie wird als AntonSyndrom bezeichnet. 3
*
Psychogene Blindheit im Rahmen von psychischen Erkrankungen. Visuelle Agnosie (Seelenblindheit), z. B. aperzeptive visuelle Objektagnosie, assoziative Agnosie und Prosopagnosie bei Läsion der visuellen Assoziationsfelder, insbesondere der inferotemporalen visuellen Areale. Resultierende Sehstörungen trotz intakter sensorischer Funktionen bei Fixationsstörungen, Blickapraxie und optischer Ataxie, z. B. beim Balint-Syndrom.
3
*
Prognose Bei bilateralen Posteriorinfarkten bezüglich einer sensorischen Restitution meist schlecht.
Therapie * * * *
Behandlung der Grundkrankheit. Versuch der Restitution über sensorische Stimulation. Kompensation über Stärkung anderer sensorischer Systeme. Adaptation über entsprechende Anpassung der Lebensumstände (Blindenstock, Blindenhund, Wohnungsanpassung etc.).
Blinzeltic Synonyme Einfacher motorischer Tic im Bereich des Musculus orbicularis oculis, Blinzeltic eher für beidseitige synchrone Augenschlussbewegungen.
Blut-Liquor-Schranke
191
Definition
Definition
Tics sind abrupte, sich unregelmäßig und schnell wiederholende Bewegungen oder Lautäußerungen. Es werden chronische und transitorische Tic-Syndrome unterschieden. Transitorische Tic-Syndrome während der Kindheit sind häufig. Der Zwinker-/Blinzeltic stellt die häufigste Form dar.
Im Rahmen des West-Syndroms auftretende Anfallsarten. Blitzartige uni- oder bilaterale Zuckungen (Myoklonien, Blitzkrämpfe) und tonische Krämpfe mit Flexions- oder seltener Extensionsbewegungsrichtung. Die Anfälle betreffen Kopf, Nacken, Rumpf und Extremitäten, häufig in Gestalt von Kopf- und Rumpfbeugung nach vorne mit Anteversion der Arme (Salaamkrämpfe), gelegentlich aber auch nur als Nickbewegung des Kopfes.
3
Es ist wahrscheinlich, dass sowohl die chronischen wie die transitorischen Tic-Syndrome abortive Formen der Tourette-Störung darstellen. Bei isoliertem Blinzeltic kommen allerdings auch andere Ursachen in Betracht. Beispielsweise imponiert die exzessive Blendempfindlichkeit bei Albinos wie ein Blinzeltic.
Differenzialdiagnose Lokale Irritation bei Konjunktivitits, lokalen Prozessen, Iritis, Glaukom, exzessive Blendempfindlichlkeit bei Albinos und retinalen Prozessen, Blepharospasmus im Sinne einer fokalen Dystonie, Spasmus hemifacialis (früher wurde hierzu synonym der Begriff Gesichts-, bzw. Zwinkertic für diese pathophysiologisch eindeutig abgrenzbare Störung des N. fazialis gebraucht), Stereotypie, enthemmter opticopalpebraler Reflex.
3
Einleitung
Blockwirbel Definition Angeborene Wirbelverschmelzung, z. B. der HWS beim Klippel-Feil Syndrom.
Blut-Liquor-Schranke Definition
Abhängig von Ätiologie.
Gesamtheit der anatomischen Strukturen, die für den Diffusionsweg zwischen Serum und Liquor und für die Liquorzusammensetzung mitbestimmend sind.
Therapie
Grundlagen
Prophylaxe
empirisch Therapie der zugrunde liegenden Störung, Sonnenbrille, Windschutz, bei Ausschluss lokaler Affektionen und chronischem Verlauf Versuch mit Botulinumtoxin.
Prognose In der Regel bei isoliertem Vorkommen gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Nicht bekannt.
Blitz-Nick-Salaam-Anfall Synonyme BNS-Anfall, Anfall mit myoklonischer Symptomatik, Flexions- oder Extensionsspasmen
Der in den Plexus choroidei der vier Hirnkammern gebildete (circa 500 ml/die) und in Pacchioni-Granulationen des Groß- und Kleinhirns größtenteils resorbierte Liquor cererbrospinalis ist im Wesentlichen ein Serumfiltrat. Durch Primärfiltration der Plexuskapillaren, deren Permeabilität und Selektivität durch „tight junctions“ bestimmt wird, werden korpuskuläre Elemente zurückgehalten, wasserlösliche Bestandteile können je nach Molekülgröße durchtreten. Somit ist die Liquorkonzentration des relativ kleinmolekularen Albumins wesentlich höher als die der großmolekularen Immunglobuline. Die intakte Blut-Liquor-Schranke hält den Konzentrationsunterschied zwischen Serum- und Liquorproteinen aufrecht, sodass der Liquor-Serum-Quotient des Albumins als Schrankenparameter verwendet werden kann. Für eine Störung der Schrankenfunktion, also
B
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Blutdruck
schiedlichen systemischem Blutdruckwerten die intrazerebrale Durchblutung konstant zu halten. – Eine engmaschige Blutdrucküberwachung und suffizientes Management ist in der Akutphase aller zerebrovaskulären Erkrankungen entscheidend.
einen Anstieg des Albuminquotienten gibt es zwei Ursachen: * Anstieg der Kapillarpermeabilität, z. B. bei Enzephalitis, Meningitis, Tumoren und * Verlangsamung der Liquorströmung, z. B. Hydrocephalus malresorptivus. 3
3
3 3
Blutdruck
Bluthochdruck (Hypertonie)
Synonyme
Synonyme
Arterieller Blutdruck
Arterielle Hypertonie, arterieller Hypertonus, Hochdruckerkrankung
Der arterielle Blutdruck schwankt während jedem Herzschlag zwischen einem Maximalwert (systolischer Blutdruck) und einem Minimalwert (diastolischer Blutdruck). Ihr Mittelwert ist der mittlere Blutdruck (mean aterial pressure, MAD).
Grundlagen * *
* *
*
Blutdruck = Herzzeitvolumen×Gefäßwiderstand. Arterieller Hypertonus entsteht durch erhöhten peripheren Widerstand und/oder erhöhtes Herzzeitvolumen. Normwerte: systolisch 120 mmHg, diastolisch 80 mmHg. Bedeutung der arteriellen Hypertonie für die Entstehung zerebrovaskulärer Erkrankungen: – Mikro- und makroangiopathische Gefäßveränderung als Ursache zerebraler Infarkte. – Kardiale Schädigung (z. B. hypertensive Herzerkrankung, koronare Herzerkrankung), die sekundär zur Entstehung kardioembolischer Schlaganfälle führt. – Hypertensiv bedingte intrazerebrale Blutungen. Bedeutung des arteriellen Blutdrucks in der Akutphase zerebrovaskulärer Erkrankungen: – Der zerebrale Perfusionsdruck (cerebral perfusion pressure, CPP) hängt von intrakraniellem Blutdruck (intracranial pressure, ICP) und mittlerem arteriellen Blutdruck (MAD) ab: CPP = MAD - ICP. – Das Gehirn ist in einem bestimmten Rahmen (60–180 mmHg) durch zerebrale Autoregulation in der Lage bei unter-
Definition 3
Definition
Hypertonie, arterielle
Blutkultur Definition Keimanzüchtungsversuch aus einer venösen Blutprobe, die mit Nährlösungen gemischt und unter aeroben und anaeroben Bedingungen auf verschiedenen Nährböden bebrütet wird.
Grundlagen Blutkulturen sollten nicht über liegende Verweilkatheter/-kanülen entnommen werden. Da die bakteriellen Endotoxine etwa 2 Stunden benötigen, um die Pyrogenfreisetzung aus neutrophilen Granulozyten und Makrophagen zu stimulieren, ist dieser Zeitraum vor einem Fieberanstieg der wahrscheinlich beste für einen Erregernachweis in Blutkulturen. Wiederholt abgenommene Blutkulturen erhöhen einen Erregernachweis (in bis zu 98% bei Streptokokkenendokarditiden bei drei Blutkulturen). Nach bereits ungezielt eingeleiteter Antibiotikatherapie fast immer falsch negative Blutkulturen.
Blutplättchen Synonyme Thrombozyten
Definition Kernlose, korpuskuläre Blutbestandteile.
Blutung, Angiomblutung, intrakranielle
Grundlagen
empirisch
Blutung, Angiomblutung, intrakranielle
Blutung, Aneurysmablutung, intrazerebrale
Definition
Blutung innerhalb der Gehirnstrukturen durch Ruptur eines Aneurysmas.
Einleitung Einteilung nach der Aneurysmalokalisation (meist Aneurysmen des Ramus communicans anterior oder der A. cerebri media). Unterscheidung bzgl. rein intrazerebraler Blutung und subarachnoidalem Blutungsanteil. Differenzialdiagnose: Intrazerebrales Hämatom durch mikroangiopathische Gefäßveränderungen einschließlich der Charcot-BouchardAneurysmen. 3
3
Diagnostik * * *
Akutdiagnostik der Blutung durch CCT. Angiographie zur Aneurysmalokalisation. CT-Angiographie zur topographischen Darstellung der Lagebeziehung von Aneurysmen.
Therapie Blutung, intrazerebrale
3
gesichert subIm Gegensatz zur Akuttherapie von arachnoidalen Blutungen durch Aneurysmaruptur existieren für die intrazerebralen Aneurysmablutungen keine in randomisierten Studien gesicherte Therapien.
Intrakranielle Angiom.
Blutung
bei
arteriovenösem
Einleitung Bei 50–70% der Angiompatienten kommt es als Erstsymptom zu einer intrakraniellen Blutung, die sich in etwa 60% als intrazerebrale Blutung, in 30% als Subarachnoidalblutung und in 10% als intraventrikuläre Blutung manifestiert. Die jährliche Blutungsinzidenz beträgt etwa 2– 4% bei bislang nicht gebluteten Angiomen und etwa 18% bei stattgehabter Angiomblutung, das statistische Risiko einer Rezidivblutung beträgt etwa 6% im ersten Jahr mit Rückgang des Risikos auf etwa 2–4% in den weiteren Jahren. Als prädisponierende Risikofaktoren für ein erhöhtes Blutungsrisiko gelten tiefe venöse Drainage, nur eine venöse Drainagevene, männliches Geschlecht, Stenose und/oder variköse Erweiterung der Drainagevenen, Angiomlokalisation in den Stammganglien, Thalamus oder Zerebellum. Umstritten ist, ob ein erhöhtes Risiko für Angiome mit einem Durchmesser <2 cm besteht ( Mikroangiom). Die Prognose bei Angiomblutungen ist günstiger als die der Aneurysmablutungen: Mortalität der ersten Blutung bei 10%, bei weiteren Blutungen 20%. Permanente schwerwiegende neurologische Defizite entstehen in 20–30% der Fälle. 3
Definition
3
*
3
*
Abhängig von der Größe und Lokalisation der Blutung ( Blutung, intrazerbrale).
3
*
Prognose
3
*
Bei Ruptur von basalen Hirnarterien mit intrazerebralen Hämatomanteilen neben einer Subarachnoidalblutung wird teilweise ein Aneurysmaclipping mit gleichzeitiger Hämatomausräumung empfohlen. Daneben gelten die Therapierichtlinien für die Subarachnoidalblutungen.
3
Entstehung: Abschnürung aus Megakaryozyten des Knochenmarks, mutmaßlich unter Stimulation durch Erythropoetin. Funktion: Wesentlich für die Blutstillung durch Thrombozytenadhäsion (Anheften an Oberflächen) und Thrombozytenaggregation (Thrombusbildung) sowie Aktivierung der Blutgerinnung durch Freisetzung von Thrombozytenfaktoren mit Stimulation der Prostaglandinsynthese und gefäßaktiver Substanzen. Normalwert: 150.000–450.000/nl. Lebensdauer: 8–12 Tage. Speicher und Abbau: Milz.
3
*
193
B
3
194
Blutung, Hirnmassenblutung
kleinster Blutgefäße durch intrakranielle Scherkräfte).
Blutung, Hirnmassenblutung Synonyme Oft synonym verwandt: intrazerebrale Hämorrhagie, intrazerebrales Hämatom 3
3
Definition Intrazerebrale Blutung mit raumforderndem Effekt. 3
Blutung, intrazerebrale Synonyme Intrazerebrale Hämorrhagie, intrazerebrales Hämatom, oft synonym verwendet: Hirnmassenblutung ( Blutung, Hirnmassenblutung) 3
Definition Blutung innerhalb der Gehirnstrukturen.
Einleitung Einteilung der intrazerebralen Blutungen nach dem Blutungsmechanismus: * Rhexisblutung durch Ruptur meist mikroangiopathisch vorgeschädigter Gefäße, z. T. sog. Charcot-Bouchard-Aneurysmen. Bei raumforderndem Effekt entsteht Hirnmassenblutung. * Diapedeseblutung im Rahmen einer Revaskularisation von okkludierten Gefäßen durch ischämische Schädigung der Gefäßwand (insbesondere der Basalmembran) distal des Gefäßverschlusses. * Blutungen durch Ruptur pathologischer Gefäße (s. u.). * Ruptur von Aneurysmen intrazerebraler Arterien (meist mit subarachnoidalem Blutungsanteil). * Primär intraventrikuläre Blutung durch Ependym- oder Plexus-choroideus-Läsionen (v. a. bei Antikoagulation). * Stauungsblutung ( Blutung, Stauungsblutung) bei (Sinus-)Venenthrombose. * Petechiale Blutungen als perivaskuläre Ringblutungen um Gefäße der Mikrozirkulation ( Purpura cerebri). * Traumatische Blutungen im Sinne einer Kontusionsblutung. * Sog. Stippchenblutungen beim diffusen Axonschaden (traumatisches Einreißen
Einteilung der intrazerebralen Blutungen nach der Lokalisation: * Supratentoriell. * Infratentoriell. * Intraventrikulär. Einteilung der intrazerebralen Blutungen nach der Blutungsursache: * Primäre Blutungen: Durch mikroangiopathische Gefäßwandschädigung, Amyloidangiopathie, hirneigene Tumoren oder Hirnmetastasen, Aneurysmen, Angiome, arteriovenöse Fehlbildungen, Kavernome, Dissektionen, Arteriitis, Moya-Moya, Eklampsie, Psychostimulantien, Gerinnungsstörungen. * Sekundäre Blutungen: Infarkte, Sinusvenenthrombosen, hämorrhagische Entzündungen (mykotische Aneurysmen), traumatisch. * Perinatale Blutungen: Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren wie Unreife des Gehirns und des Gerinnungssystems, Hypoxie, venöse Stauung während der Geburt, Geburtstraumata.
Diagnostik *
*
3
*
3
* *
Akutdiagnostik durch CCT: – Im Vergleich zum übrigen Hirngewebe hyperdens. – Bei Anämie nur noch gering hyperdens bis isodens. – Bei Gerinnungsstörungen hypodense Blutungsanteile durch gestörte Thrombusbildung. – Hypodense Transformation zwischen 4. und 21. Tag. – DD: Hyperdenser Tumor, kleinere Verkalkungen. MRT: – Diagnostik älterer Blutungen (hohe Sensitivität für Ferritin-, Hämosiderin- und Methämoglobinablagerungen). – Detektion von Kavernomen und anderen zerebralen Raumforderungen. Angiographie zur Detektion von Angiomen, Aneurysmen oder Sinusvenenthrombosen (phlebographische Phase). MR-Angiographie bei V. a. Sinusvenenthrombose. CT-Angiographie im Vergleich zur konventionellen Angiographie insbesondere zur to-
Blutung, intrazerebrale
Therapie gesichert Für Blutungen gibt es bislang keine in randomisierten Studien gesicherten Therapieformen. empirisch 1. Standardverfahren: a) Prähospitale Notfallversorgung: * Atemwege freimachen, evtl. Güdel-/ Wendeltubus, Sauerstoff 3 l/min.zurückhaltende Indikation für Intubation (Cave: Blutdruckabfall). * Vermeidung jeglicher Gerinnungshemmung. * Blutdruck nicht senken bei Werten bis 180/110 mmHg. Bei Blutdruckwerten >200 mmHg: Nitro 1–2 Hübe s.l., Urapidil (Ebrantil®) 1:10 verdünnt, fraktioniert i. v. * i. v.-Zugang: langsame NaCl-Infusion bei normotonen und hypertonen Patienten; bei Übelkeit und/oder Brechreiz Antiemese mit z. B. Metoclopramid (Paspertin®) i. v. * Lagerung in Kopfmittelposition und mit 30° erhöhtem Oberkörper. * Schneller Transport ins nächstgelegene Krankenhaus, dort rasche Triage in der Nothilfe. b) Basistherapie im Krankenhaus: * Ggf. Substitution von Gerinnungsfaktoren bzw. Antagonisierung einer Gerinnungshemmung (PPSB bei oraler Antikoagulation). * Erhaltung eines hochnormalen Blutdrucks: – Keine Blutdrucksenkung, wenn Blutdruck bis 180 mmHg syst. oder 110 mmHg diastol., außer wenn hypertensive Organkomplikationen vorliegen. – Behandlung einer Hypotonie <120 mmHg syst. mit Volumengabe, ggf. Katecholamine unter intensivmedizinischer Überwachung. * Sauerstoffzufuhr, Normokapnie anstreben.
*
Einstellung normoglykämischer Blutzuckerwerte: – Zielwert bei Nicht-Diabetikern: 120 mg/dl. – Zielwert bei Diabetikern: ≤170 mg/ dl (Ausnahme lakunäre Infarkte). * Kontrollierte Volumentherapie (Cave: Herzinsuffizienz). * Physikalische Kühlung bzw. Antipyretika bei Temperatur >37,5 °C. * Vermeidung von Sekundärkomplikationen: – Bei Schluckstörungen ggf. parenterale Ernährung oder Magensonde, bei Bedarf antiemetische Therapie. c) Behandlung akuter Komplikationen: * Bei Ventrikeltamponade: Gefahr eines Hydrozephalus occlusus, deshalb Ventrikeldrainage ggf. mit intraventrikulärer Lyse. * Antikonvulsiva bei epileptischen Anfällen (Carbamazepin, Phenytoin). * Bei raumfordernden Kleinhirnblutungen: Okzipitale Kraniotomie mit Hämatomausräumung. 2. Therapie außerhalb von Standardverfahren: * Bei hemisphärischen Hämatomen operative Freilegung und Ausräumung des Hämatoms (ab 3 cm Durchmesser und 30 ml Volumen). * Lokale stereotaktische Lyse. * Primäre Ventrikeldrainage mit intraventrikulärer Lyse. * Stereotaktische Punktion und Absaugung. * Endoskopische Hämatomentleerung. 3
pographischen Darstellung der Lagebeziehung von Aneurysmen zu den umgebenden Schädel- und Hirnstrukturen geeignet.
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Nachsorge *
*
Sekundärprävention (insbesondere bei hypertensiver Blutung strenge Blutdruckeinstellung). Bei nicht erhöhtem Hirndruck frühe Mobilisation (1.–3. Tag) und Rehabilitation.
Bewertung Die Wirksamkeit der einzelnen Basistherapiemaßnahmen ist nicht durch kontrollierte Studien belegt, sondern wird aufgrund pathophysiologischer Überlegungen und empirischer Daten vermutet. Die Gesamtheit der Maßnahmen (Konzept der akuten Stroke-Unit-Versorgung) zeigt auch bei
B
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Blutung, spinale
intrazerebralen Blutungen eine signifikante Überlegenheit in bezug auf Mortalität und funktionelles Outcome.
Prognose Gesamtmortalität zwischen 20 und 50%. Negative Prädiktoren für Mortalität und Outcome: * Blutungsgröße, Lokalisation und Mittellinienverschiebung. * Vigilanzminderung (Sopor, Koma) und andere Hirndruckzeichen (Erbrechen etc.). * Hirnstammblutungen.
Blutung, spinale Synonyme Hämatom, spinales
Definition Blutung innerhalb des Spinalkanales, die epidural, subdural (extrem selten), subarachnoidal oder intramedullär lokalisiert sein kann.
Liquors (ggf. Suche nach Siderophagen). Wenn MR-tomographisch oder MR-angiographisch die Blutungsquelle nicht zu identifizieren ist, sollte eine arterielle zerebrale bzw. spinale DSA durchgeführt werden.
Therapie empirisch Bei epiduralen oder subduralen Blutungen ist die sofortige chirurgische Ausräumung indiziert. In Fällen mit minimaler oder eindeutig in Rückbildung befindlicher Symptomatik ist ein Zuwarten unter engmaschigen klinischen und MR-tomographischen Kontrollen gerechtfertigt. Auch für intraparenchymatöse Blutungen gilt, dass sofern das Hämatom operativ zugänglich ist eine sofortige operative Dekompression indiziert ist, wenn schwerwiegende oder fortschreitende neurologische Ausfälle bestehen. Im Intervall ist eine etwaige Blutungsquelle chirurgisch (Kavernom, Angiom, Fistel) oder interventionell durch Embolisation (Angiom, Fistel) auszuschalten. Hämorrhagische Diathesen müssen korrigiert werden.
Einleitung Epidurale (und subdurale) Blutungen (spontan, bei Gefäßmissbildungen oder hämorrhagischen Diathesen, traumatisch) treten typischerweise mit einem plötzlichen lokalisierten Initialschmerz auf, innerhalb von Stunden entwickelt sich ein spinales Kompressionssyndrom. Zeichen einer spinalen Subarachnoidalblutung sind diffuse Rückenschmerzen, auch Nackenund Kopfschmerzen, Meningismus, Erbrechen und Bewusstseinstrübung. Spinale Funktionsstörungen können in unterschiedlichem Grad auftreten, aber auch ganz fehlen. Intramedulläre Blutungen sind in der Regel schmerzlos, je nach Höhe und Ausdehnung können ein Quadrantensyndrom, asymmetrische oder symmetrische Querschnittsyndrome auftreten.
Diagnostik Epidurale, subdurale und intraparenchymatöse Blutungen sind MR-tomographisch zu diagnostizieren, frische Blutungen am sichersten mit der CT, wenn die Läsionshöhe bekannt ist. Subarachnoidalblutungen können mittels CT oder MRT zu erfassen sein, falsch negative Befunde sind jedoch möglich. Dann LP zum Nachweis eines blutigen oder xanthochromen
Blutung, Stauungsblutung Definition Intrazerebrale Blutung im Rahmen einer venösen Stauung.
Einleitung Ursachen der venösen Stauung: * Sinusvenenthrombose. * Hirnvenenthrombose. * Abflusshindernis im Bereich der Vv. jugulares einschließlich Strangulation. Pathophysiologische Mechanismen: * Erhöhung des intravasalen Druckes durch Verhinderung des venösen Abflusses. * Sekundäre Einblutung im Rahmen eines venösen Infarktes.
Diagnostik Methode der Wahl: * MRT kombiniert mit MR-Angiographie zum Nachweis der venösen Thrombose bzw. Stase und der Parenchymläsionen.
Bornholm-Erkrankung
Ergänzend: * CCT zur Notfalldiagnostik der Blutung. * Angiographie zur Detektion und Lokalisierung der Venenthrombose ( Blutung, intrazerebrale, Sinusvenenthrombose).
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weiterführende Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Histologie.
B
3
3
Bornholm-Erkrankung
Therapie Sinusvenenthrombose.
Synonyme
3
Epidemische Pleurodynie, Myositis epidemica, Myalgia epidemica
Blutung, subdurale Blutung Definition Hämatom, subdurales
Durch Coxsackie-B-Viren (insbesondere Serotypen 3 und 4) ausgelöste Krankheit, die mit Muskelsymptomen einhergeht.
Blutung, Tumoreinblutung
Einleitung
3
Einleitung Eine Tumoreinblutung kann bei bekanntem Gehirntumor auftreten oder bei bis dahin asymptomatischer intrakranieller Raumforderung apoplektiform ( Gliom, apoplektisches) zu einer erheblichen Symptomatik i. S. neurologischer fokaler Symptome, intrakranieller Druckerhöhung oder Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma führen. 3
Diagnostik Im Computertomogramm kann das Ausmaß der Blutung den zugrunde liegenden Tumor „maskieren“, sensitiver ist das Kernspintomogramm. Im Zweifelsfall muss das Kernspintomogramm nach beginnender Resorption der Blutung ohne und mit Gadolinium-DTPA wiederholt werden. Zur Planung der weiteren Diagnostik ist die Kenntnis von Tumorentitäten mit Blutungsneigung wichtig: In absteigender Häufigkeit sind dies Hypernephrommetastasen, Maligne-Melanom-Metastasen, Glioblastome, Metastasen von Bronchialkarzinomen, primäre ZNS-Lymphome u. a.
Therapie Selten wird eine massiv raumfordernde Blutung zur unmittelbaren operativen Entlastung und Gewebegewinnung zur histologischen Diagnostik veranlassen, wobei Alter, Allgemeinzustand und vor allem, wenn bekannt die zugrunde liegende Tumorerkrankung ein offensives oder reserviertes Vorgehen bestimmen. Die
Bei der typischen Bornholm-Krankheit stehen Fieber und schlagartig einsetzende, atemabhängige Schmerzen im lateralen Thorax bzw. lateralen Abdomen, teils auch im Gliedergürtelbereich im Vordergrund. Es wurden etliche Epidemien publiziert, die gehäuft im Sommer und Herbst auftreten. Im Rahmen der Epidemien zeigte sich, dass die Symptome vielfältig sein können. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beiderlei Geschlechts sind bevorzugt betroffen. Im Anschluss an das Bornholm-Syndrom entwickelt sich nicht selten eine Herzbeteiligung und nachfolgend eine Meningoenzephalitis. CK und Transaminasen können leicht erhöht sein. EMG und Muskelbiopsie sind in der Regel normal. Bei Patienten mit Myokarditis, Perikarditis, dilatativer Kardiomyopathie, Atemwegsinfekten, Meningitis, Fieber ohne sonstige Symptome sowie Patienten mit chronischen Myalgien und Müdigkeit werden gehäuft Coxsackie-B-Viren gefunden. Als Hinweis für diesen Erreger werden gewertet: Erregernachweis im Stuhl (meist nur zu Beginn der Erkrankung), hochtitrige IgM-Ak, signifikante Titerveränderung bei IgG-Ak, Virusnachweis in Geweben (gelingt nur selten).
Diagnostik Typische Anamnese, klinische Untersuchung, Serum-CK, EEG, Elektromyographie. Stuhl auf Enteroviren, einschließlich Coxsackie-B. Serologische Untersuchung auf Coxsackie-B, im Verlauf zu wiederholen.
Borreliose, Neuroborreliose
Prognose Hängt von der Herzbeteiligung mit Myokarditis oder Entwicklung einer Kardiomyopathie ab.
reliose im Stadium III sind die Acrodermatitis chronica atrophicans, die Arthritis, die Myositis oder Augenaffektionen. 3
198
Diagnostik
Die Neuroborreliose beinhaltet die neurologischen Manifestationsformen der Lyme-Borreliose, einer durch Zeckenbiss übertragenen Infektion mit der Spirochaete Borrelia burgdorferi.
Einleitung Das Stadium I der Lyme-Borreliose zeigt noch keine neurologischen Symptome. Hier tritt das charakteristische Erythema chronicum migrans auf. Im Stadium II, welches nach einer Woche bis zu etwa einem halben Jahr nach der Übertragung auftritt, ist die typische neurologische Symptomatik die Meningoradikulopolyneuritis ( Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom). Außer neurologischen Symptomen können hier auch Allgemeinsymptome, Hautveränderungen (Lymphadenosis cutis benigna), akute Arthritiden oder kardiale Symptome (in Europa sehr selten) auftreten. Die Meningitis zeigt hier meist nur leichtere, flukturierende Kopfschmerzen. Die Radikulitis (meist 4–6 Wochen nach dem Zeckenbiss) führt zu starken, vor allem nächtlichen Schmerzen, die z. T. wandern oder pseudoradikulär mit fleckförmigen Hypästhesien auftreten. Asymmetrische, radikuläre Paresen, stellen sich im Verlauf ein; bei ca. 10% bestehen auch Bauchwandparesen. Hirnnervenparesen treten in bis zu 60% der Fälle auf, hier am häufigsten die periphere Fazialisparese. Selten kommt es auch zu einer Myelitis. Das Stadium III der Borreliose manifestiert sich nach mehr als 6 Monaten. Als Symptome der chronischen Neuroborreliose gibt es hier Polyneuropathien, die oft asymmetrisch, schmerzhaft, begleitet von Missempfindungen und nur selten motorisch sind, Myelitiden, Enzephalitiden oder Enzephalomyelitiden. Die Abgrenzung zur Multiplen Sklerose kann hier schwierig sein. Die chronische Neuroborreliose kann sich auch akut als zerebrale Vaskulitis manifestieren. Weitere Organmanifestationen der Bor-
Therapie gesichert Mittel der 1. Wahl bei nachgewiesener Neuroborreliose sind die Cephalosporine der 3. Generation. Gängigstes Präparat ist das Ceftriaxon (Rocephin) mit 1×2 g/die i. v., alternativ das Cefotaxim (Claforan) mit 3×2 g/die i. v. über 2–3 Wochen. Ggf. kann bei Problemfällen auch längerfristig oral weiterbehandelt werden. Als Mittel der 2. Wahl kommen Penicillin oder Tetracycline (Doxycyclin) in Betracht [1]. Das Erythema chronicum migrans wird mit Doxycyclin 2×100 mg/die p. o. behandelt, bei Kindern mit Amoxicillin 50 mg/kgKG/die p. o. Die anderen Hautmanifestationen (Lymphadenosis cutis benigna, Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer) mit Amoxicillin 2×1000 mg/die p. o. über 2–3 Wochen. Zur schnellen Schmerzlinderung bei GarinBujadoux-Bannwarth-Syndrom oder bei sekundärer Vaskulitis kann zusätzlich mit Kortikosteroiden therapiert werden. Möglicherweise ist eine Post-Expositions-Prophylaxe mit Doxycyclin sinnvoll, da in einer Studie gezeigt werden konnte, dass nach einem frischen Zeckenbiss die Einmalgabe von Doxycyclin innerhalb von 72 Stunden das Risiko eines nachfolgenden Erythema chronicum migrans oder einer Neuroborreliose vermindern soll [3]. 3
Definition
3
Borreliose, Neuroborreliose
Als Suchtest bei Verdacht auf Neuroborreliose dient der ELISA-Test im Serum, der eine hohe Sensitivität aber niedrige Spezifität hat. Bei positivem ELISA muss ein Immunoblot (95% Spezifität) durchgeführt werden. Zum Nachweis einer Neuroborreliose unumgänglich ist die Liquordiagnostik. Neben lymphozytärer Pleozytose und erhöhter intrathekaler IgMbzw. IgG-/IgA-Synthese können spezifische Anti-Borrelien-Antikörper im Liquor nachgewiesen werden. Es findet sich dann ein erhöhter Antikörper-Index (Liquor-Serum-Quotient).
Nachsorge Pathologische Serumtiter können auch nach erfolgreicher Therapie persistieren. Ergebnisse verschiedener Labors können aufgrund fehlen-
3
Botulinumtoxin-Therapie (BTX)
der Standardisierung meist nicht miteinander verglichen werden.
Prognose Grundsätzlich ist die Prognose der akuten Borrelien-Infektion gut. Häufig kommt es auch ohne antibiotische Therapie zur raschen Ausheilung. Bei einer chronischen Borrelien-Infektion erfolgt die Ausheilung nach Wochen bis Monaten, z. T. mit Defektheilungen. Einige Patienten entwickeln langfristige Störungen im Sinne eines depressiven Syndroms mit fibromyalgieartigen Beschwerden. Bei suffizienter Primärtherapie besteht hier keine Indikation zu einer erneuten antibiotischen Therapie. In einer placebokontrollierten Studie konnte kein positiver Effekt auf das Beschwerdebild nach 90-tägiger Fortsetzung der antibiotischen Therapie erreicht werden [2]. Die Ergebnisse unterschieden sich nicht zwischen den Patientengruppen, die nach der primären antibiotischen Therapie seropositiv oder seronegativ für Borrelien waren. Alternativ kommt bei diesen Patienten die Behandlung mit Antidepressiva in Betracht.
Literatur 1. Karkkonen K, Stiernstedt SH, Karlsson M (2001) Follow-up of patients treated with oral doxycycline for Lyme neuroborreliosis. Scand J Infect Dis 33: 259–262. 2. Klempner MS, Hu LT, Evans J, Schmid CH, Johnson GM, Trevino RP, Norton D, Levy L, Wall D, Mc Call J, Kosinski M, Weinstein A (2001) Two controlled trials of antibiotic treatment in patients with persistent symptoms and a history of Lyme disease. N Engl J Med 345: 85– 92. 3. Nadelman RB, Nowakowski J, Fish D, Falco RC, Freeman K, McKenna D, Welch P, Marcus R, Aguero-Rosenfeld ME, Dennis DT, Wormser GP (2001) Prophylaxis with single-dose doxycycline for the prevention of Lyme disease after an Ixodes scapularis tick bite. N Engl J Med 345: 79 – 84
Botulinumtoxin-Therapie (BTX) Grundlagen BTX Typ A wurde in Deutschland im Jahr 1993 für die Behandlung von bestimmten fokalen Dystonien zugelassen. Zunächst erfolgte die Zulassung nur für die Behandlung von „idiopathischem Blepharospasmus und gleichzeitig be-
199
stehenden hemifazialen dystonen Bewegungsabläufen“, wenig später auch für die Indikation des „einfachen idiopathischen rotierenden Torticollis spasmodicus mit Beginn im Erwachsenenalter“. Aus dem Erfolg von BTX bei den Dystonien lernen wir, dass BTX sich offenbar dann besonders gut einsetzen lässt, wenn es sich um oberflächliche und eindeutig lokalisierbare Muskeln handelt, deren Aktivierungsmuster leicht zu erfassen ist. Das Prinzip der vorübergehenden Denervierung gilt auch für jüngeren Indikationen wie der Spastik, dem dystonen Tremor, dem übermäßigen Schwitzen (Hyperhidrosis) oder in der kosmetischen Faltenbehandlung. Der Dauer der Wirkung kann allerdings recht unterschiedlich sein mit etwas 8 Wochen bei der Spastik bis zu einem Jahr bei der Hyperhidrosis. Der reversible Charakter der Wirkung ist Vorteil und Nachteil zugleich. Zum einen müssen Injektionen bei Nachlassen der Wirkung und Wiederaufkommen der Symptome im Durchschnitt ein- bis dreimal im Jahr wiederholt werden. Zum anderen kann mit einem allmählichen Abklingen von etwaigen Nebenwirkungen gerechnet werden. Bisher ist BTX im Prinzip überall dort eingesetzt worden, wo aus einer vorübergehenden Reduktion der Azetylcholin-Ausschüttung aus peripheren Nerventerminalen ein Nutzen erwartet werden konnte, sei es zur Schwächung quergestreifter Muskulatur bei Zuständen zentraler muskulärer Hyperaktivität, zur Ruhigstellung von Muskulatur (z. B. protektive Ptosis, Faltenreduktion) oder zur Denervierung von Schweißdrüsen bei Hyperhidrose. Wie bei vorangegangenen Entwicklungen in der Medizin werden auch potentielle Indikationen zufällig entdeckt, bei denen ein klares pathogenetisches Konzept bisher fehlt. Das ist der Fall bei BTX als Migräneprophylaktikum, wobei eine erhöhte perikranielle Muskelspannung als ätiopathogenetischer Faktor der Migräne diskutiert wird. Bei der Vielzahl der sich ergebenden Einsatzmöglichkeiten, bleibt zu hoffen, dass eine Inflation der Indikationen nicht zu einem unkritischen Einsatz von BTX führt und dieses segensreiche Therapeutikum in Verruf bringt. Kenntnis von Pharmakologie der verschiedenen Toxin-Darreichungsformen, Ausbildung in der Injektionstechnik und Erfahrung sind weiterhin wichtige Faktoren, die das therapeutische Ergebnis entscheiden: Behandlungserfolg, Wir-
B
200
Botulismus
kungslosigkeit sowie unerwünschte Wirkungen liegen eng beieinander.
Botulismus Definition Erkrankung durch das Neurotoxin des Bakteriums Clostridium botulinum (Anaerobier). Das Toxin wird entweder aus der Nahrung aufgenommen (unsachgemäß anaerob konserviert) oder kann auch durch Wundinfektion mit dem Bakterium entstehen.
Einleitung Das Toxin blockiert die präsynaptische Acetylcholinfreisetzung an motorischen Endplatten und postganglionären parasympathischen Synapsen. Die klinische Symptomatik beginnt etwa 10–50 h nach der Nahrungsaufnahme. Bei normaler Bewusstseinslage finden sich gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, paralytischer Ileus), Hirnnervenstörungen (Doppelbilder, Mydriasis, Ptosis, Sprech-, Schluckstörungen), generalisierte Paresen bis hin zur Ateminsuffizienz, vegetative Störungen (trockener Mund, rote Augen, Blasen-/Darmentleerungsstörungen). Bei einer Wundinfektion bestehen keine gastrointestinalen Symptome. Herz-, Kreislaufstörungen (Hypotonie, Rhythmusstörungen) können ebenfalls auftreten [1, 2].
Diagnostik Bei oraler Aufnahme des Toxins kann dieses erstmalig nach ca. 24 h bis zu 3 Wochen im Tierversuch aus Mageninhalt, Speiseresten oder Stuhl nachgewiesen werden. Das Liquoreiweiß ist häufig erhöht. In der Elektrophysiologie finden sich reduzierte Amplituden der Antwortpotentiale, insbesondere aber ein Inkrement nach hochfrequenter repetitiver Reizung und/oder nach maximaler Willkürinnervation (ähnlich dem Lambert-Eaton-Syndrom, aber geringer ausgeprägt). 3
Therapie gesichert Eine Intensivtherapie zur Überwachung der Vitalparameter, gegebenenfalls auch eine künstliche Beatmung, sind erforderlich. Ein Grundprinzip der Therapie ist es, noch nicht resorbier-
tes Toxin zu entfernen. Dieses kann durch Magen-Darm-Spülung und Gabe von Aktivkohle im Frühstadium oder durch Gabe von Laxantien (nicht bei paralytischem Ileus) erfolgen. Zur Therapie des Ileus können Metoclopramid 30–40 mg über 6–8 h oder Pyridostigmin 25 mg und Dexpanthenol 2,5 g i. v. über 5 h eingesetzt werden. In schweren Fällen kann trivalentes Antitoxin vom Pferd eingesetzt werden (Cave: Vorher Intrakutan- oder Konjunktivaltest auf Allergien gegen Pferdeserum). Es werden 500 ml langsam i. v., dann nach klinischem Verlauf weitere 250 ml nach 4–6 h gegeben. Das Antitoxin kann nur zirkulierendes Toxin entfernen. Bereits bestehende Paresen bessern sich dadurch nicht [1, 2]. Bei einer Wundinfektion durch Botulismus erfolgt eine Wundrevision und die Gabe von Penicillin G (10–20 Mio. IE/d i. v. für 10–12 Tage).
Prognose Die Letalität der Erkrankung liegt bei etwa 10%, nach anderen Angaben sogar noch bei 20–30%. Wird der Botulismus überlebt, besteht meist nach ca. 6 Monaten Symptomfreiheit.
Literatur 1. Pascuzzi RM (1998) Drugs and toxins associated with myopathies. Curr Opin Rheumatol 10: 511– 520. 2. Shapiro RL, Hatheway C, Swerdlow DL (1998) Botulism in the United States: a clinical and epidemiologic review. Ann Intern Med 129: 221– 228.
Botulismus-Antitoxin Wirkstoff Botulismus-Antitoxin vom Pferd.
Zubereitungen Proteine vom Pferd mit Antitoxin gegen Clostridium botulinum Typ A 750 IE, Typ B 500 IE, Typ E 50 IE Phenol (maximal 0,025 mg), Natriumchlorid und Wasser für Injektionszwecke. Botulismus-Antitoxin ist ein Fermoserum. Es ist ein durch fermentative (enzymatische) Behandlung gereinigtes Immunserum. Durch die Behandlung mit Pepsin wird die Gefahr der Sensibilisierung und infolgedessen allergischer
Botulismus-Antitoxin
Reaktionen verringert. Das Verfahren beruht darauf, dass Antikörpermoleküle gegenüber Pepsin resistenter sind als die übrigen Serumproteine. Während diese schon zu Peptinen und Peptonen abgebaut sind, werden die Antikörperglobuline (7S) nur um etwa ein Drittel ihrer Molekülgröße (FC-Teil) zum F (ab)-2Fragment (5S) unter weitgehender Beibehaltung ihrer Aktivität abgebaut. Botulismus-Antitoxin ist eine klare, farblose bis blassgelbe Lösung und wird von Pferden, die mit den Toxinen von Clostridium botulinum Typ A, Typ B und Typ E immunisiert wurden, gewonnen.
Wirkungen Die im Botulismus-Antitoxin enthaltenen Antikörper reagieren spezifisch mit BotulismusToxin und neutralisieren es.
Wirkungsverlauf Nach intravenöser Gabe werden die Antikörper sofort aktiv.
Elimination Die entstehenden Immunkomplexe werden physiologisch abgebaut.
Anwendungsgebiete Therapie des Botulismus. Schon bei geringstem Verdacht muss behandelt werden. Auf keinen Fall darf das Ergebnis längerer klinischer Beobachtungen oder einer bakteriologischen/serologischen Untersuchung abgewartet werden. Kinder und Erwachsene erhalten die gleiche Dosis, da die zu neutralisierende Toxinmenge vom Körpergewicht unabhängig ist.
Dosierung und Art der Anwendung Initialdosis: 500 ml. Erst 250 ml langsam infundieren unter Beobachtung der Kreislaufsituation, anschließend weitere 250 ml als Dauertropfinfusion. Je nach klinischem Bild sind nach 4–6 h weitere 250 ml zu empfehlen. Bei schweren Intoxikationen kann auch die intralumbale Gabe von 20 ml Antitoxin versucht werden, besonders dann, wenn die intravenöse Anwendung keinen deutlichen Erfolg gezeigt hat. Es werden 20 ml Liquor abgelassen und 20 ml Antitoxin langsam injiziert. Nach Bedarf im Abstand von je 24 h wiederholen.
Unerwünschte Wirkungen Es kann kurzzeitig zur Temperaturerhöhung
201
kommen. Allergische und anaphylaktische Reaktionen treten gelegentlich auf, in sehr seltenen Fällen bis zum Schock. Gelegentlich kommt es zu Auftreten einer Serumkrankheit etwa 7–14 Tage nach Anwendung; andere spätallergische Reaktionen, z. B. eine serogenetische Polyneuritis, kommen selten vor und haben in der Regel eine gute Prognose. Die Anwendung heterologer Sera birgt die Gefahr einer allergischen Sensibilisierung; deshalb ist auf entsprechende Dokumentation und Information des Patienten besonders zu achten.
Gegenanzeigen Keine! Es handelt sich um eine vitale Indikation. Schwangerschaft und Stillzeit sind keine Kontraindikationen. Der Toxinnachweis im Tierversuch erfolgt aus Serum (Abnahme vor Antitoxingabe), Erbrochenem, Stuhl oder Mageninhalt zur Bestätigung der klinischen Diagnose. Nach der Antitoxingabe empfiehlt es sich, für den Tierversuch erneut Patientenserum abzunehmen, um sicherzustellen, dass alles Toxin abgebunden worden ist. Die Anwendung heterologer Sera muss stets vom behandelnden Arzt mit Chargennummer und Bezeichnung des Präparats (Handelsname) in den internationalen Impfausweis eingetragen werden.
Vorsichtsmaßnahmen Allgemeine Regeln bei der Injektion heterologer Immunsera: * Strenge Indikationsstellung für jede Immunsera-Applikation. * Getrübte Immunsera nicht verwenden. * Schocktherapie vorbereiten. * Verträglichkeitsprüfung durch Allergie-Testung erforderlich. * Personen, die in der Verträglichkeitsprüfung gegenüber Pferdeeiweiß positiv reagieren, können Immunsera nur unter medikamentöser Schockprophylaxe erhalten. * Der Patient ist sorgfältig auf beginnende Schocksymptome zu beobachten und nach der Applikation 2 h unter ärztlicher Kontrolle zu halten. * Allergie-Testung: 0,1 ml Gasbrand-Antitoxin (polyvalent) wird mit 0,9 ml physiologischer Kochsalzlösung verdünnt. Ergibt sich aus der Anamnese ein Verdacht auf Vorliegen einer Allergie gegen Pferdeprotein, sind aus Vorsichtsgründen zur Testung 0,05 ml
B
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Bourneville-Pringle-Erkrankung
des auf 1:1000 verdünnten Gasbrand-Antitoxins zu verwenden. Intrakutan-Test: 0,1 ml der 1:10 verdünnten Lösung bzw. 0,05 ml der 1:1000 verdünnten Lösung werden an der Innenseite des Unterarms intrakutan appliziert. Bildet sich innerhalb der nächsten 15 min eine Quaddel mit Erythem an der Injektionsstelle, so liegt eine Überempfindlichkeit gegen Pferdeprotein vor Konjunktival-Test:1 Tropfen der 1:10 verdünnten Lösung Gasbrand-Antitoxin-Lösung wird in den Konjunktivalsack gegeben. Treten innerhalb von 15 min Juckreiz, Tränenfluss, Lidödem und/oder konjunktivale Rötung auf, so ist der Test positiv. Bei jedem Test ist eine Kontrolle mit physiologischer Kochsalzlösung in gleicher Technik und Dosis am anderen Arm oder Auge durchzuführen.
Wechselwirkungen
Diagnostik Schädel-MRT: Nachweis kortikal-subkortikal gelegener Tubera. Schädel-CT: Nachweis paraventrikulärer Verkalkungen. EEG. Dermatologische, ophthalmologische und internistische Abklärung. Die molekulargenetische Diagnostik ist bislang aufgrund der großen Zahl verschiedener ursächlicher Mutationen keine Routinemethode.
Therapie Eine kausale Therapie der TSC ist bislang nicht bekannt. empirisch Therapie der Epilepsie mit Antikonvulsiva, insbesondere Vigabatrin (Sabril®) scheint wirksam zu sein [1]. Ggf. epilepsiechirugische Therapie. Heilpädagogische Behandlung. Ggf. aus kosmetischer Indikation hautchirurgische Behandlung des Adenoma sebaceum. Shuntanlage bei Hydrocephalus occlusus.
Nicht bekannt.
Prognose
Bourneville-Pringle-Erkrankung Synonyme Tuberöse Sklerose (TSC)
Definition Dominant erbliche oder sporadische (50–80%) im Kindesalter beginnende Phakomatose. Klassische Symptomtrias: Geistige Retardierung, Adenoma sebaceum und epileptische Anfälle.
Einleitung Manifestation der Krankheit oft im Kleinkindalter durch fokale oder generalisierte Anfälle und eine verzögerte psychomotorische Entwicklung. Mit zunehmendem Kindesalter entwickeln sich charakteristische Hautveränderungen (Angiofibrome im Bereich von Nase und Wangen, sog. Adenoma sebaceum). Beweisend für die Diagnose sind der Nachweis von Tubera der Hirnrinde, subependymaler Knoten, Hamartomen der Retina, fazialen Angiofibromen, Nagelfalzfibromen, fibrösen Stirnplaques oder multiplen Angiomyolipomen der Nieren. Die Penetranz ist sehr variabel, daher häufig klinische „forme fruste“.
Patienten mit oligosymptomatischen Formen können eine normale Lebenserwartung haben. Bei ausgeprägten Formen verkürzte Lebenserwartung (Status epilepticus, Niereninsuffizienz, Nierenkarzinom, blutende Angiomyolipome, Riesenzellastrozytom).
Literatur 1. Hancock E, Osborne JP (1999) Vigabatrin in the treatment of infantile spasms in tuberous sclerosis: literature review. J Child Neurol 14 (2): 71–4.
Brachialgia paraesthetica nocturna Definition Brachialgie mit Parästhesien bei Karpaltunnelsyndrom (CTS).
Einleitung Klinische Symptomatik ist charakterisiert durch nächtliches, diffuses Schwellungsgefühl und Parästhesien der Hand, Steifigkeit der Finger, z. T. mit Schmerzausstrahlung bis zum Nacken. Typisch ist Erleichterung durch Schütteln der Hand. Verstärkte Beschwerden nach intensiven manuellen Arbeiten am Vortage. Oft Erstsymp-
Brissaud-Syndrom
tom eines CTS noch ohne sensible oder motorische Defizite.
Diagnostik Karpaltunnelsyndrom.
203
Therapie Abhängig von der Grunderkrankung. Bei hämodynamischer Relevanz evtl. Anticholinergika (z. B. Atropin), externer Herzschrittmacher.
3
Therapie gesichert Liegt ausschließlich eine Brachialgia paraesthetica nocturna ohne sensomotorische Defizite vor, so sollte die Therapie immer konservativ sein (z. B. volare, gut gepolsterte Schiene während der Nacht, die das Handgelenk in neutraler Mittelstellung fixiert, um extreme Flexion oder Dorsalextension und damit weitere Einengung des Karpaltunnels zu vermeiden) [1]. Weitere Therapieverfahren Karpaltunnelsyndrom.
Definition
Prognose
Test zur qualitativen Untersuchung der zerebralen Vasomotorenreaktivität (wenig spezifisch).
Bradykinese Akinese
3
„Breath holding“-Test
3
Im Stadium der isolierten Brachialgie unter konservativer Therapie oft gute Ergebnisse.
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Bradykardie
Brissaud-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion der unteren Brückenhaube (Benennung nach Erstbeschreiber).
Einleitung
Einleitung Die Ursache einer Bradykardie ist vielfältig. Zur Diagnosesicherung dienen EKG, Langzeit-EKG und Echokardiographie.
Differenzialdiagnose Eine physiologische Bradykardie findet man bei Sportlern. Weitere Ursachen können endokrinologisch (z. B. Hypothyreose), durch Unterkühlung, medikamentös (z. B. Digitalis, βRezeptorenblocker), durch Elektrolytstörungen, Herzmuskelerkrankungen, Erkrankungen des Reizbildungs- und - leitungssystems (z. B. Sick-Sinus-Syndrom, AV-Block) oder neurogen (z. B. erhöhter Hirndruck) bedingt sein.
Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss eines kleinen, von der A. basilaris abzweigenden, den Hirnstamm penetrierenden Gefäßes zu einer Läsion im Bereich des unteren Teils der Brückenhaube mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral Hemiparese. * Ipsilateral Fazialisspasmus.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
Nachsorge 3
Langsame Schlagfolge des Herzens mit einer Frequenz unter 60/min.
3
Definition
Hirninfarkt
Prognose Abhängig von der Grunderkrankung.
Hirninfarkt. Die Prognose ist abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Prophylaxe
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Brivudin
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
ica. In 60% liegt einer chronischen BrocaAphasie ein vorderer Mediainfarkt zugrunde.
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Differenzialdiagnose Kortikale Dysarthrie: Kein Agrammatismus, keine semantischen Bennenungsstörungen, intaktes Sprachverständnis. Amnestische Aphasie: Keine Sprechverlangsamung, regelrechte Artikulation. 3
Brivudin Zosterganglionitis
3
Broca-Aphasie Brody-Myopathie Synonyme Motorische Aphasie, verbale Aphasie
Synonyme Brody-Krankheit
Definition Sprachstörung mit erheblich verlangsamtem Sprechfluss, großer Sprechanstrengung und nur mäßig eingeschränktem Sprachverständnis.
Definition
Einleitung
Einleitung
3
Bei Patienten mit Broca-Aphasie ist eine große Sprachanstrengung (Schwierigkeiten, Gedanken aufgrund von Wortfindungsstörungen sowie Störungen in der Wort- und Satzbildung) sprachlich auszudrücken, die z. T. durch Interjektionen Gequältheit ausdrückt, kennzeichnend. Inhaltlich zusammengehörende Äußerungen bestehen meist nur aus 1–3 Wörtern. Die Artikulation ist unsicher und undeutlich, es besteht eine stark gestörte Prosodie (Sprachmelodie), außerdem reichlich phonematische Paraphrasien und Agrammatismus. Das Sprachverständnis ist nur gering eingeschränkt. Die Kommunikationsfähigkeit ist aufgrund der expressiven Sprachstörung stark eingeschränkt. Nachsprechen und Benennen nur gering durch phonematische Paraphrasien beeinträchtigt. Lesen und Schreiben wie expressive Sprachstörungen gestört. Die Broca-Aphasie ist von allen Aphasie-Formen lokalisatorisch am striktesten einer Hirnregion zugeordnet. Läsionen sollen am Fuß der dritten Stirnwindung der sprachdominanten Hemisphäre (Broadman-Area 44 und 45) liegen, sog. „Broca’sche Region“ (hier auch motorischer Assoziationkortex für das Gesicht). Läsionen kommen aber auch weiter dorsal im Marklager des Stirnhirns übergreifend auf die Inselregion vor. Beide Lokalisationen entsprechen dem Versorgungsgebiet der A. präroland-
Seltene Erbkrankheit, die durch eine gestörte Funktion der Kalzium-ATPase des sarkoplasmatischen Retikulums bedingt ist.
Autosomal-rezessive Erkrankung. Verschiedene Mutationen im ATP2A1-Gen, das SERCA1 (Kalzium-ATPase des sarkoplasmatischen Retikulums) kodiert, wurden beschrieben. Das Protein wird überwiegend in Typ II-Fasern exprimiert. Die Kalziumtransportfunktion des Proteins ist häufig gestört, kann aber offensichtlich auch normal sein. Die immunhistochemische Färbung des Proteins kann ebenfalls normal sein. Die Patienten leiden lebenslang unter einer belastungsabhängigen Störung der Skelettmuskelrelaxation, unter Muskelsteifigkeit und Krampi. Da vorwiegend phasische Fasern betroffen ist, treten die Beschwerden insbesondere bei forcierter Muskelarbeit auf. Verstärkte Symptome in Kälte. Serum-CK und EMG sind normal. Während einer Kontraktur herrscht im EMG elektrische Stille. Die Muskelbiopsie zeigt einen normalen Befund oder eine partielle Typ II-Faseratrophie.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Evtl. genetische Untersuchung des ATP2A1-Gens.
Therapie Versuch mit Verapamil einschleichend bis 3–4× 80–120 mg/d.
3
Bromocriptin
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Nachsorge
Pharmakologische Daten
Verlaufsbeobachtung an spezialisierten Zentren eher im Rahmen des Erkenntnisgewinns sinnvoll.
1. Pharmakokinetik: Nach oraler Verabreichung wird Bromocriptin rasch und gut resorbiert (Resorptionshalbwertszeit bei 0,2–0,5 h). Die Bindung an Plasmaproteine beträgt 96%. Die maximalen Plasmaspiegel werden nach 1–3 h erreicht. Die prolaktinsenkende Wirkung tritt 1–2 h nach Einnahme ein, erreicht nach 5– 10 h ihr Maximum, d. h. eine Prolaktinsenkung im Plasma von über 80%, und hält 8– 12 h an. Die Substanz wird in der Leber durch Cytochrom P450 (CYP3A) metabolisiert. Die Elimination der Wirksubstanz geschieht in zwei Phasen und die Endhalbwertszeit beträgt ca. 15 h (Grenzwerte 8– 20 h). Die unveränderte Wirksubstanz und die Metaboliten werden nahezu vollständig über die Leber ausgeschieden. Nur 6% der Substanz werden über die Nieren eliminiert. 2. Rezeptorspezifität: D1-antagonistisch, vorwiegend D2-agonistisch, weniger bis gering D3, Alpha 1, Alpha 2, 5-HAT (Serotonin).
Prognose Gut.
Bromocriptin Zubereitungen Bromocriptin Tbl. zu 2,5 mg, Kaps. zu 5 mg und 10 mg.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Bromocrel®, bromocriptin 2,5 von ct, Bromocriptin AZU®, Bromocriptin beta®, Bromocriptin-ratiopharm®, Bromocriptin-TEVA®, kirim, Pravidel®.
Wirkungen Neurologische Indikationen: Wegen seiner dopaminergen D2-Aktivität eignet sich Bromocriptin in Dosen, zur wirksamen Behandlung der Parkinson´schen Krankheit; diese ist durch ein spezifisches Dopamindefizit im Nigrostriatum gekennzeichnet. Klinisch verbessert Pravidel® während allen Phasen der Erkrankung Tremor, Rigidität, Bradykinesie. In der Regel hält die therapeutische Wirkung über Jahre an. Bromocriptin kann in der Anfangs- und späteren Phase der Erkrankung allein oder in Kombination mit anderen Parkinson-Therapeutika verabreicht werden. Die Kombination mit Levodopa ergibt eine verstärkte Antiparkinson-Wirkung, die oft eine Verminderung der Levodopa-Dosierung gestattet. Bromocriptin wirkt sich bei Patienten mit Abnahme der therapeutischen Wirkung der Levodopa-Behandlung oder mit Komplikationen wie Bewegungsstörungen (choreoathetosische Dyskinesie und/oder schmerzhafte Dystonie), End-of-dose-failure- und On-Off-Phänomenen besonders günstig aus. Bromocriptin mildert die depressiven Symptome, die oft bei Parkinsonikern beobachtet werden. Dies ist bedingt durch seine antidepressive Wirkung, die durch kontrollierte Studien bei Nichtparkinsonikern belegt ist.
Anwendungsgebiete 1. Neurologische Indikationen: Zur Behandlung des Morbus Parkinson als Monotherapie in der Frühphase der Erkrankung, um den Einsatz von Levodopa hinauszuzögern; als Kombinationstherapie mit Levodopa/Dopa-Decarboxylasehemmern in späteren Stadien der Erkrankung. OFFLABEL: Restless-Legs. 2. Endokrinologische Indikationen: * Prolaktinabhängige, hyperprolaktinämische und scheinbar normoprolaktinämische Zustände: Amenorrhöe (mit oder ohne Galaktorrhöe), Oligomenorrhöe; gestörte Lutealphase; medikamentös bedingte hyperprolaktinämische Störungen (z. B. durch gewisse psychotrope oder blutdrucksenkende Pharmaka). * Prolaktinunabhängige Infertilität bei der Frau: Polyzystisches Ovarialsyndrom; anovulatorische Zyklen (als Ergänzung von Anti-Östrogenen, z. B. Clomiphen). * Prämenstruelle Symptome: Mastalgie; zyklische Ödeme; Völlegefühl; Verstimmungszustände. * Hyperprolaktinämie beim Mann: Prolaktinbedingter Hypogonadismus (Oligospermie, Verlust der Libido, Impotenz).
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Bromocriptin
Prolaktinome: Konservative Behandlung prolaktinsezernierender Mikro- oder Makroadenome der Hypophyse. Vor der Operation zur Verkleinerung der Tumoren und zur Erleichterung der Exstirpation. Nach der Operation bei noch erhöhtem Prolaktinspiegel. Akromegalie: Als Zusatzbehandlung; in speziellen Fällen als Alternativbehandlung zur Chirurgie oder Strahlentherapie. Gutartige Brustdrüsenerkrankungen: Mastalgie (allein oder im Zusammenhang mit dem prämenstruellen Syndrom oder gutartigen nodulären bzw. zystischen Veränderungen). Gutartige, zystische und/oder noduläre Befunde, im speziellen fibrozystische Erkrankungen der Mamma. Laktationshemmung: Verhinderung oder Unterdrückung der Laktation im Wochenbett aus medizinischen Gründen; Verhinderung der Laktation nach Abort; Behebung des Milchstaus im Wochenbett; Behandlung einer beginnenden Mastitis im Wochenbett.
Ansprechen auf Bromocriptin eingetreten ist, darf die Levodopa-Dosierung schrittweise weiter gesenkt werden. Bei gewissen Patienten kann die Levodopa-Behandlung ganz abgesetzt werden. Die Tagesdosis für Mono- und Kombinationstherapie liegt im Allgemeinen zwischen 10–40 mg Pravidel®. Bei einigen Patienten sind höhere Dosen erforderlich. Bei der Aufdosierung von Parkinson-Patienten hat es sich bewährt, die peripheren dopaminergen Wirkungen mit Domperidon (3×10–20 mg Motilium®) zu koupieren. 2. Endokrinologische Indikationen Prämenstruelle Symptome: Die Behandlung wird am 14. Tag des Zyklus mit 1,25 mg/d (½ Tablette) eingeleitet; die Dosierung wird schrittweise um 1,25 mg (½ Tablette) erhöht bis zu 2,5 mg (1 Tablette) 2×am Tag und bis zum Eintritt der Menstruation. Prolaktinome, Akromegalie, Hyperprolaktinämie beim Mann: Einleitend 1,25 mg (½ Tablette) 2 oder 3×am Tag. Je nach klinischem Ansprechen (Prolaktinnormalisierung) und Auftreten von Nebenwirkungen allmählich auf 10–20 mg/d steigern.
Dosierung/Anwendung 1. Morbus Parkinson Bromocriptin soll immer mit dem Essen eingenommen werden. Um eine optimale Verträglichkeit zu gewährleisten, empfiehlt sich, die Behandlung mit einer kleinen Dosis von 1,25 mg/d (½ Tablette) einzuleiten. Die Verabreichung erfolgt während der 1. Woche vorzugsweise abends. Die Dosis soll langsam gesteigert werden, um für jeden Patienten die minimal wirksame Dosierung zu erzielen. Die Tagesdosis ist allmählich um 1,25 mg in Abständen von 1 Woche zu erhöhen; sie wird auf 2 oder 3 Einzelgaben verteilt. Eine ausreichende therapeutische Wirkung ist innerhalb von 6–8 Wochen zu erwarten. Andernfalls kann die Dosierung weiter mit 2,5 mg/d erhöht werden, in Abständen von je 1 Woche. Sollten sich während der Aufbauphase unerwünschte Wirkungen (insbesondere Übelkeit, Erbrechen, Schwindel) zeigen, so ist die Tagesdosis vorübergehend zu reduzieren und über mindestens 1 Woche auf dieser niedrigen Stufe zu halten. Nach Abklingen der unerwünschten Wirkungen darf die Tagesdosis wieder angehoben werden. Wenn ein zufriedenstellendes
Unerwünschte Wirkungen Während der ersten Behandlungstage kann es bei einigen Patienten zu Übelkeit, seltener Schwindelgefühl, Müdigkeit, Erbrechen oder Diarrhöe kommen, ohne dass jedoch eine Unterbrechung der Behandlung nötig ist. Bei Bedarf kann Übelkeit und/oder Erbrechen zu Beginn der Behandlung durch die Einnahme eines peripheren Dopaminantagonisten, wie z. B. Domperidon (Motilium® 10–20 mg), während einiger Tage mindestens 1 h vor der Bromocriptin-Einnahme, verhindert werden. Bromocriptin kann eine Hypotonie einschliesslich orthostatischer Hypotonie bewirken, die gelegentlich zum Kollaps führen kann. Es ist deshalb ratsam, vor allem während der ersten Behandlungstage bei ambulanten Patienten den Blutdruck zu kontrollieren. Eine orthostatische Hypotonie kann störend sein, spricht aber auf symptomatische Behandlung an. Außerdem sind Nasenverstopfung, Obstipation, Schläfrigkeit, Kopfschmerzen sowie seltener Verwirrtheit, psychomotorische Erregung, Halluzinationen, Dyskinesie, Mundtrockenheit, Krämpfe in den Beinen, Muskelschmerzen, allergische
Bromocriptin
Hautreaktionen und Haarausfall beobachtet worden. Im Normalfall sind diese Nebenwirkungen dosisabhängig und in der Regel durch Dosisreduktion kontrollierbar. Gelegentlich wurde über Parästhesien, arterielle Durchblutungsstörungen (Extremitätenischämien u. a.) oder über Episoden von kälteinduzierter, reversibler Blässe von Fingern und Zehen während langdauernder Behandlung, besonders bei Patienten mit einem bereits bestehenden Raynaud-Syndrom, sowie über Arterienspasmen und Gangrän berichtet (RaynaudPhänomen, Erythromelalgie). Bromocriptin wurde assoziiert mit Verschlechterung einer Angina pectoris, Bradykardie und vorübergehenden Rhythmusstörungen (Schenkelblock). Die Anwendung von Bromocriptin zur postpartalen Laktationshemmung wurde mit dem seltenen Vorkommen von Hypertonie, Myokardinfarkt, Krampfanfällen, Schlaganfall oder psychischen Störungen in Verbindung gebracht. Bei Parkinson-Patienten sind die unerwünschten motorischen und psychotropen Wirkungen ansonsten ähnlich wie L-Dopa, wahrscheinlich aber potenter als L-Dopa bezüglich des Auslösens von psychiatrischen, gastrointestinalen oder kardialen Nebenwirkungen. Zu Therapiebeginn und später jährlich sollten Röntgen-Thorax, EKG, Blutbild, Leber- und Nierenwerte durchgeführt werden. Bei Langzeitanwendung (Jahre) bei Tagesdosen von über 30 mg können retroperitoneale und pleurale Fibrosen auftreten. Sie werden jedoch bisher nur bei der Behandlung von Morbus Parkinson beobachtet. Patienten mit ätiologisch unklaren pleuropulmonalen Störungen sollten diesbezüglich untersucht werden. Zur Früherkennung der retroperitonealen Fibrose im reversiblen Stadium empfiehlt es sich, bei dieser Kategorie von Patienten auf die entsprechenden Krankheitsmanifestationen (z. B. Rückenschmerzen, Ödeme an den unteren Extremitäten, Nierenfunktionsstörungen) zu achten. Raynaud-Phänomen, Erythromelalgie. Ansonsten ähnlich wie L-Dopa. Wahrscheinlich potenter als L-Dopa bzgl. Auslösen von psychiatrischen, gastrointestinalen oder kardialen Nebenwirkungen; Zu Therapiebeginn und später jährlich sollten Röntgen-Thorax, EKG, Blutbild, Leber- und Nierenwerte durchgeführt werden.
207
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Überempfindlichkeit gegenüber Ergotalkaloiden, koronare Herzerkrankung und arterielle Verschlusskrankheiten, schwere psychische Störungen, unkontrollierte Hypertonie, Nierenund Lebererkrankungen (mangels Therapieerfahrung), Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sowie Blutungen im Magen-DarmTrakt, Schwangerschaft, Stillzeit.
Wechselwirkungen * * * * *
*
Alkohol: Verminderte Alkoholverträglichkeit. Reserpin, Neuroleptika, Opioide: Verminderte Wirkung der Agonisten. Antihypertensiva: Blutdrucksenkung verstärkt. Guanethidin: Häufigere Arrhythmien. Die gleichzeitige Anwendung von Makrolid-Antibiotika (z. B. Erythromycin, Clarithromycin, Troleandomycin, Spiramycin oder Josamycin), Azolantimykotika (z. B. Ketoconazol oder Itraconazol), oder generellen Cytochrom-P450-Hemmern (z. B. Cimetidin) kann daher zu einer Erhöhung des Bromocriptin-Plasmaspiegels führen, weshalb mit dem erhöhten Auftreten unerwünschter Wirkungen gerechnet werden muss. Die gleichzeitige Anwendung von Octreotid führt zu erhöhten Bromocriptin-Plasmaspiegel.
Bewertung Bromocritpin ist der erste Dopaminagonist, der Anfang der 80er-Jahre in die Parkinson-Therapie eingeführt worden. Die initiale Monotherapie mit Dopaminagonisten bzw. die frühe Kombinationstherapie von Dopaminagonisten und L-Dopa zeigen eine deutlich verminderte Inzidenz von Spätkomplikationen. Jüngere Patienten sind wegen des zu erwartenden längeren Verlaufes von diesen Komplikationen am meisten betroffen. In den jüngeren großen Studien zur initialen Monotherapie mit Cabergolin, Ropinirol und Pramipexol konnte gezeigt werden, dass die Verträglichkeit mit Ausnahme von psychiatrischen Nebenwirkungen bei adäquater Aufdosierung und die Wirksamkeit in den ersten Jahren der Krankheit dem Dopa fast als gleichwertig anzusehen ist. Allerdings finden sich bisher keine ausreichenden vergleichenden
B
208
Bronchialkarzinom
Studien, die eine Differenzialtherapie einzelner Dopaminagonisten begründen könnten.
men chemotherapiesensibler. Bei geringer Größe zerebraler Metastasen, ohne drohende rasche neurologische Verschlechterung, ist eine primäre Chemotherapie möglich ( Hirnmetastase). 3
Bronchialkarzinom Definition
3
3
3
Diagnostik Jede zerebrale Metastasierung, leptomeningeale Karzinomatose oder (potentiell) paraneoplastische neurologische Erkrankung (limbische Enzephalitis, subakute zerebelläre Degeneration, subakute sensorische Neuropathie und andere) muss zu Röntgen Thorax, CT-Thorax und ggf. Bronchoskopie mit Biopsie Veranlassung geben. Ein Anti-Hu Antikörper Nachweis ist spezifisch und für ein kleinzelliges Bronchialkarzinom praktisch beweisend, wobei sich Bronchialkarzinome bei paraneoplastischer Symptomatik durch ihre geringe Größe auszeichnen!
Therapie Kleinzellige Bronchialkarzinome sind im Vergleich zu nicht kleinzelligen Bronchialkarzino-
Krampfartiges Zusammenziehen der Bronchialmuskulatur mit Verengung der Atemwege.
Einleitung Ein Bronchialspasmus findet sich bei Astma bronchiale, obstruktiver Bronchitis, Inhalation von Reizgasen oder Aspiration.
Differenzialdiagnose Atemstörung,
Aspiration
Prophylaxe Vermeiden von Auslösern eines Asthma oder Inhalation von Reizgasen, antibiotische und atemgymnastische Behandlung einer Bronchitis und Vermeiden einer Aspiration. 3
Aus diesem Grunde stellen sie die größte Gruppe der Primärtumoren ( Hirnmetastase) und die zweitgrößte Gruppe, nach den Mammakarzinomen als Primarius für die leptomeningeale Karzinomatose. Bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen wird wegen der Häufigkeit einer zerebralen Metastasierung z. T. eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung empfohlen. Mit großem Abstand führt das kleinzellige Bronchialkarzinom die Ursachenliste für die Entwicklung paraneoplastischer neurologischer Syndrome ( paraneoplastische Syndrome) an. Sehr gut charakterisierte Autoantikörper gegen neuronale Strukturen mit Kreuzantigenität für Oberflächenproteine der Tumorzellen (Anti-Hu) erlauben bei Nachweis in Serum und Liquor die Diagnose.
Definition
3
Einleitung
Bronchospasmus
3
Aus therapeutischer Sicht ist die Unterscheidung in kleinzellige und nichtkleinzellige Bronchialkarzinome notwendig. Bronchialkarzinome sind vor den Mammakarzinomen die häufigsten Tumoren in den westlichen Industrienationen.
Therapie Bronchospasmolytika: * β -Sympathomimetika. 2 * Phosphodiesterasehemmer. * Kortison. * Parasympatholytika. Bei drohender Ateminsuffizienz: Intubation und Beatmung.
Nachsorge Abhängig von der Ursache: Röntgen-Thorax, Allergietestung, Lungenfunktionstests, Atemgymnastik etc.
Prognose Abhängig vom Schweregrad der Funktionseinschränkung, des raschen Ansprechens auf eine adäquate Therapie, des Verlaufs und der Nachsorge.
Brucellose, Neurobrucellose
Brown-Séquard-Syndrom Definition Inkomplettes (halbseitiges) Querschnittssyndrom durch Ausfall der gesamten linken oder rechten Hälfte eines spinalen Segmentes.
Einleitung Ipsilateral zur Läsion kommt es zur segmentalen schlaffen Parese und kompletter Anästhesie in Läsionshöhe, kaudal davon spastische Paresen sowie Störung von Berührungsempfinden, taktiler Diskriminationsfähigkeit und Tiefensensibilität. Kontralateral kommt es zu einer dissoziierten Sensibilitätsstörung (Schmerz, Temperatur) sowie einer leichten Herabsetzung des Berührungsempfindens kaudal der Läsion. Das Syndrom in seiner reinen Form ist selten. Ursächlich kommen eine Myelomalazie (Arteria-sulcocommissuralis-Syndrom), Trauma, intramedulläre Tumoren, Entzündungen oder extramedulläre Raumforderungen von lateral (Tumor, Hämatom) vor.
Brown-Syndrom
209
enden Doppelbildern können beobachtet werden [1].
B
Einleitung Das Brown-Syndrom kann hereditär oder erworben sein. Als Ursachen kommen z. B. Metastasen, eine Sinusitis oder ein Trauma in Betracht.
Therapie Eine spezifische Therapie des Brown-Syndroms existiert nicht. Gegebenenfalls kann eine Behandlung der Grunderkrankung erfolgen.
Prognose Bei gutartigen Ursachen kommt es häufig zur spontanen Rückbildung der Symptomatik.
Literatur 1. Berlit P (1999) Erkrankungen der Hirnnerven und des Hirnstamms. In: Berlit P (Hrsg.) Klinische Neurologie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, S 352–407.
Brucellose, Neurobrucellose
Definition Mechanische Behinderung des Gleitens der Sehne des M. obliquus superior an ihrer Umschlagstelle im fibrösem Ring. Ein „Schnappen des Bulbus“ oder Myokymien mit intermittier-
Definition Sammelbezeichnung für meldepflichtige subakut rezidivierende Infektionskrankheiten, die durch Brucellen ausgelöst werden.
Brown-Séquard-Syndrom. Tab. 1: Inkomplette querschnittsförmige Läsionen des Rückenmarks und der Kauda Betroffene Systeme
Klinische Symptomatik
Vorkommen
Einseitig: Hinterstränge, Tractus spinothalamicus lateralis und anterior, kortikospinale Bahnen, spinozerebellare Bahnen, Seitenstränge, graue Substanz
Ipsilateral: Segmentale schlaffe Paresen und komplette Anästhesie in Läsionshöhe. Kaudal davon spastische Parese sowie Störung von Berührungsempfinden, taktiler Diskriminationsfähigkeit und Tiefensensibilität Kontralateral: Dissoziierte Sensibilitätsstörung (Schmerz, Temperatur) und leichte Herabsetzung des Berührungsempfindens kaudal der Läsion
Myelomalazie (A. sulcocommissuralis), Trauma, intramedulläre Kompression von lateral (Tumor, Hämatom)
210
Brudzinski-Zeichen
Einleitung
Bewertung
Die Übertragung der weltweit verbreiteten Erreger (gramnegative, aerobe Stäbchen) auf den Menschen erfolgt ausschließlich über Tiere (Haustiere, landwirtschaftliche Nutztiere), sog. Zoonose oder durch kontaminierte Lebensmittel (z. B. nicht pasteurisierte Milch/Milchprodukte). Die endemisch in der Golf- und Mittelmeerregion vorkommenden Brucellosen werden überwiegend durch B. abortus (Bangsche Krankheit), vereinzelt durch B. melitensis (Maltafieber) und sehr selten durch B. suis (Schweinebrucellose) verursacht. Klinisch: Fieber, Schüttelfrost, Nachtschweiß, Lymphadenopathie, Arthralgie, Myalgie, Endokarditis. Eine Neurobrucellose entwickelt sich bei 2–5% der Infizierten, die zu einer Meningitis/Meningoenzephalitis, selten Myelitis, Radikuloneuritis (Hirnnervenparesen) und zu zerebrovaskulären Störungen ( Vaskulitiden, Vasospasmus, mykotisches Aneurysma, septische Embolie) führen kann.
Bei Neurobrucellose wird die Kombination aus Cotrimoxazol und Rifampicin bevorzugt eingesetzt.
Einleitung Das Brudzinski-Zeichen gehört neben dem Meningismus, Lhermitte-, Lasegue- und Kernig-Zeichen zu den Nervendehnungszeichen, die Ausdruck eines meningealen Reizsyndromse sind.
Differenzialdiagnose Positives Brudzinski-Zeichen bei meningealer Reizung, Meningitis, Enzephalitis und Subarachnoidalblutung. Möglicherweise auch bei paravertebralem Muskelhartspann, HWS-Degeneration (jeweils auch Seitwärtsbewegungen schmerzhaft).
Brueghel-Syndrom 3
empirisch Rifampin (Rifa®): 600 mg/die plus Doxycyclin (Doxycyclin Heumann®): 200 mg/die plus Streptomycin (Streptomycin „Grünenthal“) 1 g/die i. m. Akutbehandlung 1–2 Wochen, insgesamt Behandlungsdauer 3–6 Monate. Alternativ: Rifampin (Rifa®): 600 mg/d plus Doxycyclin (Doxycyclin Heumann®): 200 mg/die plus Ciprofloxacin (Ciprobay®) 2×250 mg/die i. v. In der Akutphase zusätzlich: Dexamethason (Fortecortin®): 3×8 mg/die i. v. ausschleichend absetzen.
Reflektorische Beugung der Knie bei passiver Kopfbeugung
3
Antibiotische Behandlung mit Rifampicin plus Doxycyclin und Streptomycin (i. m.), in der Akutphase i. v. anschließend orale 2er Therapie. Kortikosteroide können zusätzlich gegeben werden.
Definition
3
3
Therapie
Brudzinski-Zeichen
3
3
Erregernachweis in Liquor-/Blutkultur (in <30% positiv), Identifizierung mit Gram-Präparat. Serologie: Erhöhte IgG-Titer in Serum und Liquor (ELISA, Agglutinationstiter >1:160). Im Liquor lymphozytäre Pleozytose meist <500 Zellen/μl, Eiweißerhöhung, Glukoseerniedrigung.
Unter einer Behandlung kommt es meist zum Abklingen der Symptomatik mit einer vollständigen Restitution in >50%. Unbehandelt ist eine Letalität von 2% beschrieben.
3
3
Diagnostik
Prognose
Meige-Syndrom
BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) Synonyme Rinderwahnsinn
Definition Epidemisch beobachtete, stets tödlich verlaufende spongiforme Enzephalopathie bei Rindern.
Budipin
Einleitung
211
Budipin
Neben der Scrapie die wichtigste Prionenerkrankung bei Tieren. Der Ursprung der BSE ist unklar, es könnte eine spontan entstandene Krankheit sein, die sich durch Tiermehlaufbereitung ausgebreitet hat. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der Scrapie. Die BSE-Erreger fanden sich beim Rind bisher nur im Gehirn, Rückenmark, terminalem Ileum und Auge. Die BSE ist oral auf Schafe, jedoch nur intrazerebral auf Schweine übertragbar. Das epidemische Auftreten in England (bislang 180.000 Fälle; in Deutschland 67 Fälle; Stand Mai 2001) infolge der Rückfütterung kontaminierter Rinderhirne im Tiermehl hat im Zusammenhang mit der beobachteten neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung Diskussionen über eine mögliche Übertragung auf den Menschen ausgelöst. 3
Definition Transkranielle Ultraschalluntersuchung mit nicht lungengängigem Ultraschallkontrastmittel zum möglichen Nachweis eines intrakardialen oder pulmonalen Rechts-Links-Shunts.
Grundlagen Durch Bolusinjektion nicht lungengängiger Ultraschallkontrastmittel, z. B. Galaktoseverbindungen (Echovist®) über eine Kubitalvene ist der Nachweis eines intrakardialen Shunts auf Vorhofebene (permanent- oder ventiloffenes Foramen ovale) sowie eines pulmonalen AV-Shunts möglich. Bei der transkraniellen Ultraschalluntersuchung sind im positiven Fall Kontrastmittelbläschen („Bubbles“) als hochamplitudige Signale im Dopperfrequenzspektrum sichtbar sowie akustisch nachweisbar. Beim PFO sollten die ersten Signale nach 6 Herzschlägen nachweisbar sein. Nach 5 sekundigem Valsalva-Manöver (ausreichend bei Reduktion der zerebralen Strömungsgeschwindigkeit um >30%) ist außerdem der Nachweis eines ventiloffenen Foramen ovale möglich. Beim Nachweis eines PFO besteht eine 90% ige Übereinstimmung mit der transösophagealen Echokardiographie.
Budipin-Hydrochlorid.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Budipin (Parkinsan®) Tabl. zu 10 mg, 20 mg und 30 mg.
Wirkungen Neben einer offenbar guten Wirkung auf den Tremor bei einem Teil der Parkinson-Patienten, lindert diese Substanz auch Akinese und Rigor.
Pharmakologische Daten HWZ 31 Stunden. Die Substanz lässt sich keiner Substanzgruppe zuordnen. Budipin weist anticholinerge, serotonerge, dopaminerge Wirkungen auf, wobei NMDA-antagonistische Eigenschaften hauptverantwortlich für den Effekt auf die Parkinson-Kardinalsymptome zu sein scheinen.
Anwendungsgebiete Budipin (Parkinsan®) ist für die Kombinationstherapie mit L-Dopa im April 1997 in Deutschland zugelassen worden. Aufgrund guter Erfahrungen in kleineren Studien bei Tremor im Rahmen von Parkinson-Syndromen wurde für eine gesonderte Zulassung von Budipin speziell für die Indikation tremordominantes Parkinson-Syndroms eine große Multizenterstudie mit Tremor-Langzeitmessungen durchgeführt, die wegen dem Auftreten von Torsade-de-Pointes-Herzrhythmusstörungen abgebrochen wurde. 3
3
Bubbles-Untersuchung
Zubereitungen
Dosierung/Anwendung Einschleichend mit 3×10 mg beginnen. Nach einer Woche individuell entsprechend der Verträglichkeit bis auf 3×20 mg/die oder 2×30 mg/ die aufdosieren. Die Wirkung sollte in zwei Wochen beurteilt werden können.
Unerwünschte Wirkungen Mundtrockenheit tritt häufig auf. Engwinkelglaukom und Prostatahypertrophie sind relative bis absolute Kontraindikationen. Selten kommt es zu einer initialen Verstärkung des Tremors. Vorsicht ist bei Patienten mit kognitiven Leistungseinbußen oder vorbestehender Demenz geboten.
B
212
Bulbärhirn-Syndrom
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wegen dem Auftreten von Herzrhythmusstörungen vom Typ der Torsade des Pointes unterliegt Budipin Anwendungsbeschränkungen. Die Verschreibung von Budipin ist nur möglich nach einer schriftlichen Verpflichtungserklärung zur EKG-Kontrolle. Vor Therapiebeginn und zu den Zeitpunkten 1 und 3 Wochen danach ist ein EKG (50 mm/s) zu schreiben und die frequenzkorrigierte QT-Zeit nach Bazett (QTc) manuell zu bestimmen. Bei Dosiserhöhungen zu späterem Zeitpunkt muss ein solches EKG vorher und zwei Wochen nachher geschrieben werden. Danach haben EKG-Kontrollen zumindest jährlich zu erfolgen. Patienten mit QTc-Vorwerten über 420 ms oder mit einem QTc-Anstieg von über 60 ms unter Parkinsan® oder mit QTc-Zeiten >480 ms unter Parkinsan® sowie mit erkennbaren U-Wellen sind von der Behandlung auszuschließen. Bei Risikofaktoren für Elektrolytstörungen, z. B. Diuretikamedikation, häufigem Erbrechen und/oder Durchfall, Anwendung von Insulin in Notfallsituationen, Nierenerkrankungen oder anorektischen Zuständen sind adäquate Laborkontrollen und ein entsprechender Elektrolytausgleich durchzuführen, insbesondere für Kalium und Magnesium. Sobald Symptome wie Palpitationen, Schwindel oder Synkopen auftreten, ist Budipin abzusetzen und der Patient innerhalb von 24 Stunden auf eine eventuelle QTVerlängerung zu untersuchen. Wenn keine QTVerlängerung vorliegt, kann Budipin unter Berücksichtigung der Gegenanzeigen und Wechselwirkungen wieder eingesetzt werden. Bei Herzschrittmacherpatienten ist die exakte Bestimmung der QT-Zeiten nicht möglich. Budipin ist kontraindiziert bei schwerer, nicht kompensierter Herzinsuffizienz (Stadium NYHA IV), Kardiomyopathien und Myokarditiden, AV-Block Grad II und III, vorbekannter Bradykardie unter 55 Schläge/min, Hypokaliämie oder Hypomagnesiämie, bekanntem langem QT-Intervall (QTc nach Bazett >420 ms) oder erkennbaren U-Wellen oder angeborenem QT-Syndrom in der Familienanamnese oder einer Vorgeschichte von schwerwiegenden ventrikulären Arrhythmien einschließlich Torsade de pointes sowie bei Myasthenia gravis (krankhafte Muskelschwäche) und fortgeschrittenen neurologischen, nicht durch die Parkinson´sche Krankheit bedingten, Erkrankungen,
wie z. B. Verwirrtheitszustände oder Sinnestäuschungen. Bei Patienten mit hochgradiger Nierenfunktionsstörung oder schwerem Leberschaden sollte die tägliche Dosis 30 mg Budipinhydrochlorid nicht überschreiten. Regelmäßige laborchemische Kontrollen der Nieren- und Leberfunktion sind durchzuführen. Bei Patienten mit einem Engwinkelglaukom (grüner Star) ist Parkinsan mit Vorsicht anzuwenden. Der Augeninnendruck ist in regelmäßigen Zeitabständen zu kontrollieren. Ebenfalls kontraindiziert ist die Kombination mit Domperidon (z. B. Motilium®), Amantadin oder anderen QT-verlängernden Arzneimitteln. Beispiele sind bestimmte Antiarrhythmika der Klasse IA (wie z. B. Chinidin, Diso-pyramid, Procainamid) und der Klasse III (wie z. B. Amiodaron, Sotalol), bestimmte Antipsychotika (wie z. B. Thioridazin, Chlorpromazin, Haloperidol, Pimozid), bestimmte tri- und tetrazyklische Antidepressiva (wie z. B. Amitriptylin), bestimmte Antihistaminika (wie z. B. Astemizol, Terfenadin), bestimmte Makrolid-Antibiotika (wie z. B. Erythromycin, Clarithromycin), bestimmte Gyrasehemmer (wie z. B. Sparfloxacin), Azol-Antimykotika, sowie weitere Arzneimittel wie Halofantrin, Cotrimoxazol, Pentamidin, Cisaprid oder Bepridil.
Wechselwirkungen Medikamente, die zu QT-Zeit Verlängerungen (z. B. Domperidon, Motilium®) führen, müssen vermieden werden.
Bulbärhirn-Syndrom Definition Symptomenkomplex durch progredienten Ausfall der Mittelhirnfunktion.
Einleitung Das Bulbärhirn-Syndrom entwickelt sich in 2 Phasen: * In der ersten Phase zeigt der komatöse Patient auf Schmerzreize Reste eines Strecksynergismus, die Bulbi sind divergent, die Pupillen weit und zeigen eine sehr geringe Lichtreaktion. Der Körpertonus ist schlaff, kann aber distal erhöht sein. Pyramidenbahnzeichen sind regelmäßig auslösbar.
Bulbokavernosusreflex
*
Die langsame Maschinenatmung geht in eine ataktische Atmung über. Phase zwei ist gekennzeichnet durch schlaffen Muskeltonus bei fehlenden Reflexen, weiterhin Koma, die Bulbi sind fixiert und weiterhin divergent, die Lichtreaktion fehlt komplett. Hirnstammreflexe sind nicht auslösbar, die Spontanatmung ist erloschen. Phase zwei entspricht klinisch dem Hirntod.
bärparalyse (durch Schädigung der supranukleären Bahnen, meist mikroangiopathisch) abgegrenzt werden, bei der keine Atrophie oder Faszikulationen der Zunge auftreten und der Masseterreflex gesteigert ist.
Bulbärparalyse, progressive
Differenzialdiagnose
Synonyme
Andere, als Hirnstamm-Syndrom imponierende Schädigungen, mit unterschiedlicher Höhenlokalisation.
Fazio-Londe-Syndrom
Abhängig von der zugrunde liegenden Schädigung.
Therapie Intensivmedizinische Überwachung, evtl. Beatmung und Therapie eines Hirnödems, evtl. Trepanation, Behandlung von Infektionen und krankengymnastische Behandlung.
Nachsorge Abhängig von der zugrunde liegenden Schädigung.
Definition Sehr seltene Erkrankung des Kindesalters (Manifestation im Alter von 2–4 Jahren) mit progredienten Paresen der Kau- und mimischen Muskulatur, Dysarthrie und Dysphagie durch Degeneration der kaudalen motorischen Hirnnervenkerne. Angenommen wird ein autosomal-dominanter Erbgang. Spielart der spinalen Muskelatrophie. Klinisch imponieren eine Artikulationsstörung, Kau- und Schluckstörungen, Atrophie und Faszikulationen der Zunge, ein Ausfall des Masseterreflexes sowie pathologisches Lachen oder Weinen. 3
Prophylaxe
213
Differenzialdiagnose Prognose
Differenzialdiagnostisch müssen eine ALS (auch Symptome seitens des 1. Motoneurons) bzw. eine Pseudobulbärparalyse durch Schädigung der supranukleären Bahnen, meist mikroangiopathisch) abgegrenzt werden, bei der keine Atrophie oder Faszikulationen der Zunge auftreten und der Masseterreflex gesteigert ist. 3
Meist letaler Ausgang.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Abhängig von der Grunderkrankung.
Bulbärparalyse Diagnostik Definition
EMG, MRT.
Bilaterale Läsion der motorischen Hirnnervenkerne V, VII, IX, X, XII bei der ALS (amyotrophe Lateralsklerose).
Therapie Nicht bekannt.
3
Einleitung Klinisch imponieren eine Artikulationsstörung, Kau- und Schluckstörungen, Atrophie und Faszikulationen der Zunge, ein Ausfall des Masseterreflexes sowie eine Affektlabilität mit pathologischem Lachen oder Weinen.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch muss eine Pseudobul-
Bulbokavernosusreflex Definition Über die Segmente S3/4 vermittelter Fremdreflex: Sensible Reize an der Glans penis führen zu reflektorischer Kontraktion des M. sphincter ani externus.
B
214
Buphthalmos
Buphthalmos
„Burst suppression“-Muster Definition
Synonyme Buphthalmus, Hydrophthalmus
Definition Vergrößerung des noch wachsenden Augapfels bei erhöhtem Augeninnendruck bei kongenitalem Glaukom.
Grundlagen Erkrankung tritt häufiger doppelseitig als einseitig auf. Beginn meist schon im 1. Lebensjahr. Therapie nach augenärztlichen Maßgaben.
„Burning feet“-Syndrom
Das „burst suppression“-Muster ist ein charakteristischer EEG-Befund, der im Rahmen verschiedener pathologischer Zustände vorkommen kann.
Grundlagen Man unterscheidet insgesamt vier Typen des „burst supression“-Musters in Abhängigkeit von Dauer und Amplitude der bursts im Verhältnis zur Dauer der Suppression. „burst suppression“-Muster findet man nach ischämischem Infarkt, zerebralen Massenblutungen, Subarachnoidalblutungen, SchädelHirn-Traumata und Intoxikationen. Während das Auftreten von Typ 1 und 2 mit einer relativ guten Prognose einhergeht, ist diese bei Typ 3 oder 4 schlecht. Daneben finden sich „burst suppression“-Muster auch bei genetisch bedingter Hirnschädigung, so bei der BNS-Epilepsie.
Definition Brennende, schmerzhafte Missempfindungen der Füße, vorwiegend im Rahmen von Polyneuropathien auftretend, z. B. bei diabetischer oder urämischer Polyneuropathie. Verstärkung der Beschwerden häufig in der Bettwärme.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostische Abgrenzung vom „restless legs“-Syndrom, welches bei zugrunde liegender Polyneuropathie aber auch assoziiert sein kann.
Bypass, extra-/intrakranieller Definition Anastomosierung der A. temporalis superficialis (Ast der A. carotis externa) mit einem Ast der A. cerebri media über ein Trepanationsbohrloch.
3
Therapie Wenn möglich, kausale Therapie der zugrunde liegenden Polyneuropathieursache. Falls nicht möglich oder nicht effizient, symptomatische Therapie der Missempfindungen mit trizyklischem Antidepressivum (z. B. Amitriptylin 1– 3×25–50 mg/d, initial 25–50 mg) oder Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin 100– 1200 mg). Besserung manchmal auch durch Kaltwasserbäder, Polyneuropathie.
Grundlagen Es handelt sich hierbei nicht um ein Standardverfahren. Mögliche Indikationen: * Hochgradige Stenosen oder Verschlüsse (z. B. arteriosklerotisch) der A. carotis interna oder der proximalen A. cerebri media mit hochgradig erniedrigter oder aufgehobener Reservekapazität. (Operation im Regelfall nur bei symptomatischen hämodynamisch wirksamen Stenosen/Verschlüssen). * Andere progrediente Verschlussprozesse der basalen Hirnarterien (z. B. Moyamoya-Erkrankung).
3
C
Cabergolin Zubereitungen Cabergolin.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Cabergolin (CABASERIL®) Tabl. zu 1 mg, 2 mg und 4 mg.
Wirkungen Cabergolin ist ein dopaminerges Ergolin-Derivat mit der Eigenschaft, den Dopamin-D2-Rezeptor langanhaltend zu stimulieren. Kontrollierte klinische Studien mit ParkinsonPatienten unter Levodopa/Carbidopa haben gezeigt, dass die tägliche Einmalgabe von Cabergolin in mittleren Dosen von 4 mg nach vorangegangener Titration (bis zu 5–6 mg/Tag in den verschiedenen Studien) eine Herabsetzung der täglichen Fluktuationen in der Beweglichkeit bewirkt. Studien bei de-novo Patienten haben gezeigt, dass Cabergolin auch als Monotherapie zumindestens in der Anfangsphase des idiopathischen Parkinson-Syndroms eingesetzt werden kann. 3
Pharmakologische Daten Die Pharmakokinetik von Cabergolin scheint dosisunabhängig zu sein sowohl bei gesunden Freiwilligen (Dosen von 0,5–1,5 mg/Tag) als auch bei Parkinson-Kranken (Fließgleichgewicht im Plasma bei täglichen Dosen bis zu 7 mg/Tag). Nach oraler Gabe der radioaktiv markierten Substanz erfolgt die Absorption aus dem Gastrointestinaltrakt innerhalb von 0,5–4 Stunden, wobei die großen interindividuellen Schwankungen der Plasmaspiegel vermutlich durch die enterohepatische Rückresorption erklärt werden können. Die Nahrung scheint die Absorption und absolute Bioverfügbarkeit nicht zu beeinflussen. Da Cabergolin beim Menschen nur oral verabreicht
wurde, liegen keine Angaben über die absolute Bioverfügbarkeit vor. Cabergolin passiert die Blut-Hirn-Schranke, wobei die Bindung an die Dopamin-Rezeptoren im Corpus striatum wesentlich stärker erschien als in jedem anderen dopaminergen Bereich. In Ratten passiert Cabergolin die Plazentarschranke. In weiblichen Ratten wurde Cabergolin und/oder seine Metaboliten in die Milch sezerniert. Die Plasmaprotein-Bindung beträgt beim Menschen 41–42%. Auf der Basis der Plasmaeliminationshalbwertszeit sollte der Steady State innerhalb von 4 Wochen erreicht sein. Da die Cabergolin-Plasmaspiegel in der ersten Zeit nach erfolgter Einnahme sehr niedrig sind, kann man annehmen, dass Cabergolin, wie andere Ergot-Derivate (Lisurid, Tergurid), einem ausgeprägten First-pass-Effekt unterliegt. Aufgrund von methodologischen Schwierigkeiten ist die Information über den Metabolismus begrenzt. Wegen des metabolischen Musters, das man von toxikologischen Studien am Menschen und Tier gewonnen hat, ist es jedoch wahrscheinlich, dass der Hauptbiotransformationsweg des Cabergolins die Hydrolyse und weniger die Oxydation ist. Im Urin wurden verschiedene Metaboliten identifiziert, deren wichtigster 6-Allyl-8b-Carboxyergolin ist. Sein Anteil beträgt 4–6% der applizierten Dosis. Die anderen Metaboliten machen weniger als 3% der Dosis aus. Sämtliche Metaboliten gelten als wesentlich weniger wirksam als Cabergolin. Beim Menschen erfolgt die Ausscheidung der radioaktiv-markierten Dosis (3H-Cabergolin/ 14C-Cabergolin) während 10 Tagen hauptsächlich über die Faeces (55/72%), zu einem kleineren Teil über die Nieren (18/20%) in Form von Metaboliten. Unverändertes Cabergolin wurde zu 2–3% der applizierten Dosis ausgeschieden. Die Halbwertszeit, geschätzt aufgrund der
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CADASIL-Syndrom
Urinausscheidung, betrug bei gesunden Probanden 63–68 Stunden. Niereninsuffizienz beeinflusst die Ausscheidung von Cabergolin nicht. Jedoch ist bei schwerer Leberinsuffizienz (größer Score 10 in der Child-Pugh-Klassifikation, maximal Score 12) mit einem Ansteigen der AUC zu rechnen, sodass die Dosis angepasst werden muss.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung des Morbus Parkinson als Monotherapie in der Frühphase der Erkrankung, um den Einsatz von Levodopa hinauszuzögern. Als Kombinationstherapie mit Levodopa/DopaDecarboxylasehemmern in späteren Stadien der Erkrankung. Zur Zeit noch als OFF-LABEL: Restless Legs.
Dosierung/Anwendung Beginn der Behandlung mit 1 mg. In 1–2wöchigen Abständen Steigerung um 0,5–1 mg bis zum Erreichen der optimalen Dosis. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 2–6 mg Cabergolin pro Tag als Einmalgabe, allerdings lehrt die unkontrollierte klinische Erfahrung, dass sich bei höheren Dosierungen durch die Gabe morgens und abends unerwünschte Wirkungen verringern (Kreislaufhhypotonie) und wahrscheinlich die nächtliche Akinese und damit die Schlafqualität verbessern lassen.
kommen. Gleichzeitig beobachtete man in diesen Fällen eine erhöhte Senkungsreaktion. Daher sollte man auch bei einer unerklärlich erhöhten Senkungsreaktion eine Röntgenaufnahme des Thorax veranlassen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Überempfindlichkeit gegenüber Ergotalkaloiden, koronare Herzerkrankung und arterielle Verschlusskrankheiten, schwere psychische Störungen, unkontrollierte Hypertonie, schwere Leberinsuffizienz und Cholestase, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren sowie Blutungen im Magen-Darm-Trakt, Schwangerschaft, Stillzeit. Patientinen, die schwanger werden, müssen die Einnahme von Cabergolin sofort beenden.
Wechselwirkungen Eine gleichzeitige Behandlung mit Erythromycin resp. Ketokonazol oder anderen via Cytochrom P450 abbaubaren Medikamenten kann potentiell überhöhte Cabergolinspiegel zur Folge haben.
Bewertung Bisher finden sich keine ausreichenden vergleichenden Studien, die eine Differenzialtherapie einzelner Dopaminagonisten begründen könnten. Allerdings ist die Aufdosierung im Vergleich zu den anderen Ergot-Derivaten Lisurid, Bromocriptin, Pergolid einfacher.
Unerwünschte Wirkungen Ähnlich wie L-Dopa. Wahrscheinlich potenter als L-Dopa bezüglich Auslösen von psychiatrischen, gastrointestinalen oder kardiovaskulären Nebenwirkungen. Eine pharmakodynamische Wirkung, die nicht mit der therapeutischen Wirkung korreliert, ist die Blutdrucksenkung. Die hypotone Wirkung von Cabergolin tritt gewöhnlich während der ersten 6 Stunden nach Einnahme auf, sie ist dosisabhängig sowohl bezüglich der höchsten Blutdruckabnahme als auch der Häufigkeit. Sehr selten: Pleura- oder Retroperitonealfibrose, Pleuraergüsse, Raynaud-Phänomen, Erythromelalgie. Bei Auftreten von Atembeschwerden ist daher eine Röntgen-Thoraxaufnahme zu empfehlen. Im Falle von röntgenologischen Zeichen eines Pleuraergusses/Fibrose sollte die Behandlung mit Cabergolin sofort beendet werden. Danach sollte es zu einer raschen Rückbildung der genannten Krankheitszeichen
CADASIL-Syndrom Synonyme Zerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie
Definition Autosomal-dominant vererbte, nicht arteriosklerotische Erkrankung der leptomeningealen und langen, penetrierenden Mikrogefäße im Gehirn.
Einleitung Vorkommen: Erstbeschreibung der Krankheit 1993, seither mehr als 100 CADASIL Familien in Deutschland bekannt. Pathogenese: Unklar, histologisch: generalisier-
Canalolithiasis
te Verdickung der Lamina elastica interna der Gefäßwände. Klinik: * Manifestation vor dem 50. Lebensjahr (ab 30–40 Jahre). * Episodisch auftretende affektive Störungen (30%), z. B. Halluzinationen, Wahnideen, Depression. * Migräneattacken mit Aura (40%). * Epileptische Anfälle (10%). * Rezidivierende transitorisch ischämische Attacken. * Im Verlauf progredientes dementielles Syndrom.
Diagnostik Anamnese: Oft fehlende vaskuläre Risikofaktoren, positive Familienanamnese, rezidivierende flüchtige neurologische Symptomatik, psychiatrische Auffälligkeiten. Zerebrale Bildgebung: Progrediente konfluierende periventrikuläre Dichteminderungen im Marklager unter Aussparung von Kortex und Kleinhirn (Sensivität MRT >CCT). Hautbiopsie: Elektronenmikroskopischer Nachweis von osmophilen Granula in der Basalmembran. Direkte DNA-Analyse: Nachweis der Mutation des Notch 3-Gens auf dem Chromosom 19.
Therapie Bislang keine Therapie bekannt.
Nachsorge
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kompressionskrankheit mit Verletzung von verschiedenen Organen.
Einleitung Nach Aufenthalt in Überdruck und anschließendem raschen Druckabfall wird im Blut und im Gewebe gelöster Stickstoff frei und führt zu Gasembolien, lokaler Gewebeschädigung und Nekrosen. Die Symptome reichen von Trommelfellrupturen, Aerootitis, Schwindel und neuropsychologischen Störungen über Herz-Kreislauf- und Atembeschwerden, Haut- und Mediastinalemphysemen bis hin zu Pneumothorax und - perikard und akut auftretenden Querschnittsläsionen. Bei chronischen Gasembolien (Ebullismus) kann es zu verschiedenen motorischen und sensiblen neurologischen Störungen, neuropsychologischen Symptomen wie Euphorie, Schwindel, Herz-Kreislaufbeschwerden, Atembeschwerden und Knochennekrosen, v. a. in Femur und Humerus kommen.
Diagnostik Abhängig von den betroffenen Organen: Röntgen-Thorax, abdominales, spinales und kraniales MRT, Herz-Echo, Sono Abdomen etc. HNO-ärztliche und klinisch-neurologische Untersuchung.
Therapie
Neuropsychologische und soziale Betreuung.
Akut: Sofortige Rekompression. Chronisch: Abhängig von den betroffenen Organen.
Prognose
Nachsorge
Langsam progredientes Fortschreiten über Jahre. Lebenserwartung nach Diagnosestellung durchschnittlich 10 Jahre.
Abhängig von den betroffenen Organen: Röntgen-Thorax, abdominales, spinales und kraniales MRT. HNO-ärztliche, neurologische und neuropsychologische Untersuchung. Die Krankheit ist als Berufskrankheit Nr. 2201 der BeKV meldepflichtig.
Caisson-Krankheit Synonyme
Prognose Abhängig von den betroffenen Organen.
Druckluftkrankheit, Taucherkrankheit, Druckabfallkrankheit
Definition
Canalolithiasis
Durch plötzliche Änderung des Luftdrucks bei mangelndem Druckausgleich ausgelöste De-
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
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Candesartan
Candesartan Gebräuchliche Fertigarzneimittel Atacand® 4/8/16 mg Tbl., Blopress® 4/8/16 mg Tbl.
Wirkungen Candesartan ist ein Antihypertensivum, welches selektiv an den Angiotensin Rezeptor Typ AT1 bindet und somit als Antagonist die Wirkungen des endogenen Liganden Angiotensin II (ANG II) an diesem Rezeptor verhindert. Andere Rezeptoren des kardiovaskulären Systems, wie der Angiotensin Rezeptor vom Typ AT2, oder Rezeptoren für Endothelin, Acetylcholin oder Catecholamine werden durch Candesartan nicht besetzt. Im Vordergrund steht eine Hemmung der ANG II-vermittelten Vasokonstriktion. Die Herzfrequenz bleibt dabei unbeeinflusst. Die ANG II-vermittelte Stimulation der Aldosteronsekretion wird ebenfalls gehemmt. Candesartan kann darüber hinaus zur Regression einer bestehenden Herzhypertrophie führen. Candesartan ist kardioprotektiv und wirkt einer Verschlechterung der Herzfunktion bei Reperfusion nach Ischämie entgegen. Bei Patienten mit Hypertonie senkt Candesartan den Blutdruck wirkungsvoll, ohne die zirkardiane Blutdruckrhythmik zu beeinflussen. Durch Fortfall der Angiotensin IIvermittelten Hemmung der Reninsekretion steigen Reninaktivität und Angiotensin II-Spiegel im Plasma sowohl bei den gesunden Probanden als auch bei Patienten mit primärer Hypertonie an. Dies bleibt jedoch durch den antagonistischen Effekt von Candesartan ohne Wirkung auf den Blutdruck oder auf die Aldosteronfreisetzung. In einer multizentrischen Doppelblindstudie mit 844 Patienten (STRETCH) konnte eine signifikante Verbesserung der Belastungstoleranz und anderer Symptome der Herzinsuffizienz nachgewiesen werden, allerdings keine signifikante Verbesserung des Schweregrads der Insuffizienz nach der Klassifikation der New York Heart Association [3]. Eine weitere Studie namens RESOLVD (768 Patienten) ergab eine Überlegenheit der Kombination Candesartan mit dem ACE-Inhibitor Enalapril im Vergleich zu den Einzelsubstanzen bezüglich der ventrikulären Umbauprozesse bei Herzinsuffizienz [2]. In der Therapie des akuten Hirninfarktes verringerte Candesartan die Mortalität und vaskuläre Ereignisse im Vergleich zu
Plazebo signifikant (ACCESS-Studie 2002). Dabei ließ sich dieser Effekt nicht über die Blutdrucksenkung erklären. Bei Hypertonikern mit Typ 2 Diabetes und Microalbuminurie (n=35) wurde die Albuminurie vermindert. In zwei Studien bewirkte Candesartan eine Verbesserung der Insulinsensitivität bei Patienten (n=12, bzw. 13) mit primärer Hypertonie.
Resorption Candesartan wird als Prodrug in Form von Candesartan Cilexetil oral appliziert und während der Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt vollständig zum aktiven Metaboliten Candesartan konvertiert. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 42% und ist unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Candesartan unterliegt weder einem First-Pass-Effekt noch einem enterohepatischen Kreislauf.
Verteilung Die maximale Plasmakonzentration wird 3– 15 h nach oraler Gabe erreicht. Candesartan akkumuliert nicht bei wiederholter Gabe. Die Bindung an Plasmaproteine ist hoch und beträgt 99,4–99,8%. Candesartan passiert die Blut-Hirnschranke und antagonisiert dementsprechend auch zentrale Wirkungen von Angiotensin II.
Wirkungsverlauf Die Wirkung einer Einzelgabe ist 4–8 h nach oraler Applikation maximal ausgeprägt. Die Wirkung wird durch wiederholte Gabe der Substanz verstärkt. Eine klinisch relevante Reduktion des Blutdrucks (80% des Langzeit-Maximaleffektes) wird schon innerhalb der ersten 2 Wochen der Therapie erreicht. Nach 4 Wochen Behandlung ist etwa 90% des erzielbaren Effektes erreicht. Die Blutdruckantwort auf ANG II ist auch 24 h nach einer Einzelgabe noch reduziert. Eine Toleranz bezüglich der Verminderung des peripheren Widerstandes ist auch nach 6 Wochen Therapie mit 16 mg/d Candesartan Cilexitil nicht festzustellen. Die antihypertensive Wirkung von Candesartan Cilexitil bleibt auch bei Langzeittherapie (12 Monate) erhalten. Ein Rebound nach abruptem Absetzen ist nicht zu erwarten.
Elimination Candesartan wird vorwiegend unverändert eliminiert. Nach einer Einzeldosis von 8 mg Can-
Candesartan
desartan Cilexitil erschienen 33% im Urin und 68% in den Faeces. Die orale Clearance von Candesartan (2–16 mg/d) bei Patienten mit Hypertonie wurde mit 14,07 l/h berechnet. Nach intravenöser Applikation betrug die Clearance 0,37 mL/min/kg. Die terminale Eliminationshalbwertzeit beträgt 9–13 h und ist unabhängig von der Dosis. Die maximale Plasmakonzentration ist im Alter erhöht. Bei Probanden im Alter von 19–40 Jahren wurde bei Gabe von 4 mg bzw. 16 mg Candesartan eine maximale Plasmakonzentration von 27,6 μg/L bzw. 107,5 μg/ L gemessen, bei Probanden im Alter von 65–78 Jahren hingegen von 42,3 μg/L bzw. 184 μg/L. Eine Akkumulation der Substanz im Alter wurde allerdings nicht beobachtet. Bei Patienten mit milder bis moderater Leberinsuffizienz wurden keine Veränderungen des pharmakokinetischen Profils festgestellt. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Clearance von Candesartan verlangsamt. Zur Akkumulation von Candesartan kommt es nur bei Patienten mit Niereninsuffizienz unter Hämodialyse, da diese Methode nicht in der Lage ist, Candesartan zu eliminieren.
Anwendungsgebiete Candesartan Cilexetil wird vorwiegend bei milden bis moderaten Formen primärer Hypertonie angewendet, ist aber auch wirksam bei schweren Verlaufsformen. Ein weiteres mögliches Indikationsgebiet ist die Herzinsuffizienz, für diese Indikation gibt es aber noch keine Zulassung. In der Neurologie kann Candesartan beim akuten Hirninfarkt mit Hypertonie eingesetzt werden.
Dosierung und Art der Anwendung Candesartan Cilexetil wird in einer Menge von 4–32 mg/d oral appliziert. Es reicht eine einmalige Gabe pro Tag aus. Die übliche Dosierung beträgt 8–16 mg/d, höhere Dosierungen (64 mg) haben keinen zusätzlichen Effekt mehr. Die initiale Dosis sollte bei Patienten mit Leberinsuffizienz oder Niereninsuffizienz reduziert werden. Üblicherweise wird mit 4 mg/Tag begonnen.
Unerwünschte Wirkungen Kopfschmerz (10,4%), Infektion des oberen Respirationstraktes (5,1%), Rückenschmerz (3,2%), Benommenheit (2,5%) und Übelkeit (1,9%). Bei Volumenmangel ist die Gefahr
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einer Hypotonie gegeben. Es wurde ein geringfügiger Anstieg der Leberenzyme festgestellt. Bei Nierenarterienstenose können Harnstoff und Kreatininspiegel im Blut ansteigen, so dass hier besondere Vorsicht geboten ist. Der Einfluss von Candesartan Cilexetil auf biochemische Parameter ist gering. Es kam lediglich zu einem Anstieg der Leberenzyme. Klinische Studien zeigen, dass Candesartan gut verträglich ist. Eine gepoolte Analyse europäischer Studien mit insgesamt 4147 Patienten mit milder bis moderater Hypertonie zeigt, dass sich die Verträglichkeit kaum von Plazebo unterscheidet [1]. Im Gegensatz zur Behandlung mit ACE-Hemmern traten unter Candesartan Cilexetil weder Husten noch initiale Hypotonien auf. Zwischen älteren und jüngeren Patienten (±65 Jahre) wurden keine Unterschiede in der Verträglichkeit beobachtet.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Candesartan Cilexetil ist in der Schwangerschaft und in der Stillzeit kontraindiziert. Weitere Gegenanzeigen sind schwere Leberinsuffizienz und Cholestase und bei Allergie gegen Komponenten der Tabletten. Die Anwendung bei primärem Hyperaldosteronismus wird nicht empfohlen, da die Aldosteronproduktion hier autonom, d. h. unabhängig von der Aktivierung des AT1 Rezeptors erfolgt.
Wechselwirkungen Es wurden keine klinisch relevanten Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln festgestellt. Candesartan Cilexetil soll wegen der Gefahr einer Hyperkaliämie nicht mit kaliumsparenden Diuretika kombiniert werden und nicht bei Hyperkaliämie eingesetzt werden. Bei der Kombination mit anderen Antihypertensiva muss die verstärkte Blutdrucksenkung bedacht werden.
Literatur 1. Belcher G, Hübner R, George M, et al. (1997) Candesartan cilexetil: safety and tolerability in healthy volunteers and patients with hypertension. J Hum Hypertens 11 (Suppl. 2):85–89 2. McKelvie RS, Yusuf, Pericak D et al. (1999) Comparison of candesartan, enalapril, and their combination in congestive heart failure. Circulation 100:1056–1064 3. Riegger GAJ, Bouzo H, Petr P, et al. (1999) Improvement in exercise tolerance and symptoms of congestive heart failure during treatment with candesartan cilexetil.Circulation 100:2224–2230
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Cannabis, Cannabinoide
Kachexie bei Tumorleiden, chronische Schmerzen und Spastik bei Multipler Sklerose.
schwelle beobachtet worden. Bei längerer, wiederholter Anwendung kommt es nach einigen Tagen jedoch zu einer Erhöhung der Schmerzschwelle, auch der Juckreiz bei Histamin-Applikation ist nach mehrtägiger, lokaler Vorbehandlung mit Capsaicin vermindert. Capsaicin kann bei Applikation in die Nachbarschaft kutaner Nervenstämme auch eine länger anhaltende, lokale Schmerzunterempfindlichkeit auslösen. Der Effekt ist mit einer Schädigung afferenter C-Fasern durch Capsaicin erklärt worden. Capsaicin steigert die Freisetzung des kutanen schmerzvermittelnden Neuropeptids Substanz P und verhindert seine Reakkumulation. Bei systemischer Zufuhr erzeugt Capsaicin an Tieren eine Hypothermie. Bei i. v. Injektion treten Apnoe, Blutdrucksenkung und Bradykardie auf, die durch eine Stimulation von Afferenzen respiratorischer und kardiovaskulärer Reflexe (z. B. Bezold-Jarisch Reflex) bedingt zu sein scheinen. Bei innerlicher Aufnahme steigert Capsaicin die gastrale Säuresekretion.
Dosierung und Art der Anwendung
Pharmakologische Daten
2–3×2,5 mg täglich. Festgesetzte Höchstmenge 500 mg in 30 Tagen.
Systematische Untersuchungen über die Resorption von Capsaicin liegen nicht vor. Capsaicin wird Cytochrom P450-abhängig in der Leber in Stellung 5 des Ringes hydroxyliert. Der Capsaicin-Metabolismus ist nach Induktion durch Phenobarbital gesteigert. Dihydrocapsaicin bindet – möglicherweise als Epoxid-Metabolit – an Leberzellmembranen.
Cannabis, Cannabinoide Definition Wegen ihrer muskelrelaxierenden Wirkung wurden Cannabinoide zur Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose eingesetzt. Der Effekt ist allerdings nur mäßig und war in einer kontrollierten Studie [1] nicht signifikant. In Deutschland ist das Cannabinoid Dronabinol zur Rezeptur zugelassen. Es ist BTM-pflichtig.
Zubereitung 50 Kapseln a 2,5 mg Dronabinol entsprechend 125 mg Dronabinol gemäß schriftlicher Anweisung oder ölige Dronabinoltropfen 30 ml entsprechend 750 mg Dronabinol gemäß schriftlicher Anweisung.
Anwendungsgebiete
Unerwünschte Wirkungen Sedierung, Konzentrationsfähigkeits-, Gedächtnisstörungen, Dysphorie, orthostatische Dysregulation.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Psychische Erkrankungen, Hypersensitivität gegen Dronabinol, Schwangerschaft.
Literatur 1. KillesteinJ, Hoogervorst ELJ, Reif M et al. (2002) Safety, tolerability, and efficacy of orally administered cannabinoids in MS. Neurology 58:1404–7.
Capsaicin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Capsamol® N Lösung.
Wirkungen Capsaicin hat eine starke lokale Reizwirkung an Schleimhäuten, aber auch an der Haut. Bei wiederholter Anwendung sind eine Hyperalgesie und eine Senkung der Wärme-Schmerz-
Anwendungsgebiete In alkoholischen Lösung, Salben und Pflastern wird Capsaicin zur hyperämisierenden Lokalbehandlung von rheumatischen Beschwerden und zur Therapie lokaler Kälteschäden (Frostbeulen) eingesetzt. Eine neuere Anwendung betrifft die Verwendung als längerwirksames Lokalanalgetikum. So kann der anhaltende Schmerz nach Herpes zoster durch eine lokale Anwendung einer 0,025%igen CapsaicinCreme zuverlässig supprimiert werden. Einsatz bei schmerzhaften Neuropathien. Auch in AntiMücken-Sprays wird Capsaicin verwendet.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Wirkungen. Bei chronischem Kontakt mit Chili-Pfeffer kann eine schwere Kontakt-Dermatitis auftreten. Bei der Verwendung von Capsaicin in Mückensprays sind bronchospastische Reaktionen beobachtet worden. Cap-
Captopril
saicin löst an Schleimhäuten oder in höheren Konzentrationen an der Haut eine initiale Irritation mit Brennen, Schmerzen und Schwellung aus. Capsaicin scheint ein cancerogenes Potenzial zu besitzen.
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zentration wird nach 45–90 min erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit (Vergleich der AUC nach i. v. und peroraler Gabe) wird mit 60% angegeben. Gleichzeitige Nahrungszufuhr verzögert und vermindert die Resorption um mindestens 25%.
Elimination
Captopril Gebräuchliche Fertigarzneimittel ACE-Hemmer-ratiopharm® 12,5/25/50/100 Tbl., Capozide® mite 25/50 Tbl., Captopril PB®, - Stada®, - Verla®, Lopirin® 6,25/Cor/25/ 50 Tbl., Tensobon® 25/50 Tbl.
Wirkungen Captopril ist die erste oral wirksame Hemmsubstanz des Conversionsenzyms, das Angiotensin I zu Angiotensin II konvertiert und Kinine zu inaktiven Produkten metabolisiert. ACE-Hemmer wirken vor allem über eine Hemmung der Bildung des vasokonstriktorischen Oktapeptids Angiotensin II, des aktiven Wirkprinzips des Renin-Angiotensin-Systems. Darüber hinaus scheint die Akkumulation von vasodilatierenden Kininen eine Rolle zu spielen. Große Mengen von Angiotensin II werden nicht nur in der Zirkulation, sondern auch in verschiedenen Geweben gebildet, z. B. Gefäße, Nebenniere, Herz, Gehirn. Die Hemmung solcher lokaler Renin-Angiotensin-Systeme spielen möglicherweise eine entscheidende Rolle in der Langzeitwirkung der ACE-Hemmer. Wie auch andere ACE-Hemmer wirkt Captopril vasodilatorisch. Im Gegensatz zu anderen Vasodilatatoren führen ACE-Hemmer in der Regel nur zu einem geringen oder zu keinem Anstieg der Herzfrequenz. Außerdem sind sie natriuretisch wirksam. Die vasodilatatorische Wirkung wird zurückgeführt auf eine verminderte Angiotensin II-Wirkung am glatten Gefäßmuskel. Über seine direkte vasokonstriktorische Wirkung hinaus zeigt Angiotensin II eine positive Interaktion mit alphaadrenergen Effekten am glatten Gefäßmuskel, es potenziert die synaptische Freisetzung von Noradrenalin und stimuliert gehirnständige vasopressorische Zentren.
Resorption Bei peroraler Gabe wird Captopril schnell zu etwa 65% resorbiert, der Rest wird mit den Faeces ausgeschieden. Die maximale Blutkon-
Innerhalb 6 h werden 84% einer i. v. gegebenen Dosis von Captopril im Urin, z. T. als gemischte Disulfide, ausgeschieden. Nach 48 h wird fast die gesamte Dosis im Urin wiedergefunden. Captopril wird glomerulär frei filtriert und tubulär sezerniert. Insgesamt beträgt die renale Clearance zwischen 300 und 400 ml/ min. Die t 1/2 der Elimination wird mit 0,4– 1,9 h angegeben. Die Berechnungen sind schwierig wegen des zeitlich variablen Verhältnisses von freiem Captopril zu seinen Metaboliten.
Anwendungsgebiete Captopril und andere ACE-Hemmer haben zwei Hauptindikationsgebiete: Hypertonie und Herzinsuffizienz. Als Monotherapeutikum bei Hypertonie ist Captopril von vergleichbarer Effektivität wie Thiaziddiuretika, Betablocker, Calciumantagonisten. Nach peroraler Gabe sinkt der Blutdruck innerhalb von 30–60 min. Je nach Dosis steigt er innerhalb der nächsten Stunden wieder auf das Ausgangsniveau. Ab einer Dosis von 50 mg/d kann bei Einmaldosis mit einer Wirkung über fast 24 h gerechnet werden. Nach Absetzen einer chronischen Therapie steigt der Blutdruck erst nach Tagen wieder an. Ist die Therapie mit Captopril oder anderen ACE-Hemmern nicht erfolgreich, dann hat sich die Kombination mit einem Diuretikum oder einem Vasodilatator (z. B. Calciumant.) bewährt. Die Kombination mit einem Betablocker (ebenfalls ein Hemmer des Reninsystems) wirkt außer bei tachykarden Patienten weniger additiv. Captopril senkt die Folgeschäden der Hypertonie, z. B. den Schlaganfall. Es konnte gezeigt werden, das Captopril nur geringe subjektive unerwünschte Wirkungen auslöst, die Glukosetoleranz verbessert und keine Fettstoffwechselstörung auslöst. Captopril hat eine streng dosisabhängige Wirkung. Bereits 5 mg Captopril/70 kg können das ACE fast vollständig hemmen. Diese Wirkung hält allerdings nur über 1–2 h an. Zur Verlängerung der Wirkung werden klinisch höhere Dosen eingesetzt. Es
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Carbamazepin
konnte gezeigt werden, dass die maximale Wirkung auf den Blutdruck bei etwa 75 mg/d erreicht wird. Da Captopril, im Gegensatz zu zahlreichen anderen ACE-Hemmern, nicht in einen aktiven Metaboliten umgewandelt werden muss, tritt seine Wirkung schnell ein. Bei Patienten mit aktiviertem Reninsystem, z. B. kochsalzarmer Diät oder gleichzeitiger Therapie mit einem Diuretikum, wird man daher initial niedrig und einschleichend dosieren. Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis reduziert werden.
Unerwünschte Wirkungen Problematisch ist das angioneurotische Ödem, das bei etwa 0,05% der Patienten auftritt. Es tritt in der Regel in den ersten Behandlungstagen auf und seine Genese ist ungeklärt. Unter hohen Dosen sind Einzelfälle von Neutropenie und Agranulozytose bekannt geworden. Trockener Husten zählt zu den häufigsten unerwünschte Wirkungen von Captopril und anderen ACE-Hemmern. Partieller oder totaler Geschmacksverlust (2–5%) tritt häufig auf. Unter hohen Dosen sind Einzelfälle von membranöser Glomerulonephritis bekannt geworden. Bei Patienten mit Nierenarterienstenose, Vol.-Mangel und bei eingeschränkter Nierenfunktion anderer Genese kann das Serumkreatinin ansteigen. Akute, dialysepflichtige Nierenversagen sind beobachtet worden. Diese Störung ist funktionell bedingt (Erweiterung der postglomerulären Gefäße mit folgendem Abfall des hydrostatischen Filtrationsdrucks) und praktisch immer reversibel. Andererseits ist berichtet worden, dass gerade bei Patienten mit Niereninsuffizienz ACE-Hemmer renoprotektiv wirken sollen. Generell gilt, dass bei Patienten mit Niereninsuffizienz einschleichend dosiert werden sollte unter engmaschiger Kontrolle des Serumkreatinins. Gelegentlich tritt eine Hyperkaliämie (weniger als 1%) auf.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Captopril und ander ACE-Hemmer sind bei Schwangeren kontraindiziert. In Tierversuchen wurde eine Abortneigung beobachtet. Bei immunologischen Systemerkrankungen sollte Captopril nur mit Vorsicht eingesetzt werden (Ausnahme: Sklerodermie!). Dies gilt auch für Patienten mit bilateraler Nierenarterienstenose oder Stenose bei Einzelniere.
Wechselwirkungen Die Resorption von Captopril wird durch Antacida vermindert (um 15–50%). Die Wirkung von Captopril und anderen ACE-Hemmern wird von Diuretika, Calciumantagonisten u. a. Vasodilatatoren wesentlich verstärkt. Kaliumsparende Diuretika und nicht-steroidale Antiphlogistika erhöhen das Hyperkaliämie-Risiko.
Toxikologische Eigenschaften Toxische Effekte einer akzidentellen oder suizidalen Überdosis (bis zu 1 g/d wurden früher in therapeutischer Absicht gegeben!) sind nicht bekannt, sieht man von der mäßigen Hypotonie ab. Es empfiehlt sich die Gabe von Kochsalz i. v. Angiotensin II (Hypertensin CIBA) wird man nur in Notsituation infundieren. Eine chronische Toxizität ist nicht bekannt.
Carbamazepin Zubereitungen (Retard-)tabletten.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Finlepsin® Tabletten à 200 mg. Finlepsin® retard Tabletten à 200, 400, 600 mg. Fokalepsin® Tabletten à 200mg. Fokalepsin® retard Tabletten à 300, 600 mg. Sirtal® Tabletten à 200 mg. Sirtal® retard Tabletten à 400 mg. Tegretal® Tabletten à 200 mg. Tegretal® retard Tabletten à 200, 400 mg. Tegretal® Suspension (5 ml=100 mg). Timonil® Tabletten à 200, 400 mg. Timonil® retard Tabletten à 150, 200, 300, 400, 600 mg. Timonil® Saft (5 ml=100 mg).
Wirkungen Membranstabilisierung über die Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle.
Pharmakologische Daten Orale Bioverfügbarkeit ca. 75–85%, Plasmaeiweißbindung ca. 70–80%. Halbwertszeit von Retardpräparaten zu Beginn der Behandlung ca. 25–35 h, bei chronischer Einnahme (nach Autoinduktion der Metabolisierung innerhalb des ersten Monats) ca. 15–25 h, in Komedikation mit enzyminduzierenden Antiepileptika
Carbamazepin
u. U. nur 10–12 h; Steady State nach 4–5 d. Hepatische Metabolisierung in mehr als 30 Metaboliten (Carbamazepin-10,11-Epoxid mit eigener antiepileptischer Aktivität und Verantwortlichkeit für Nebenwirkungen). Stark leberenzyminduzierende Wirkung.
Anwendungsgebiete 1. Epilepsiebehandlung: Mittel der 1. Wahl bei fokalen Epilepsien und diffusen sowie Schlaf-Grand-Mal-Epilepsien. 2. Trigeminusneuralgie, Glossopharyngeusneuralgie: Mittel der 1. Wahl zur medikamentösen Therapie der Trigeminus- und Glossopharyngeusneuralgie. Dosierung entsprechend dem Einsatz als Antiepileptikum. 3. Neuropathische Schmerzen: Schmerzhafte diabetische Neuropathie. 4. Phasenprophylaxe bei manisch-depressiver Erkrankung: Bei Ineffektivität oder Kontraindikation von Lithium. 5. Weitere Indikationen: Symptomlinderung beim Alkoholentzugssyndrom, nichtepileptische Anfälle bei Multipler Sklerose ( Anfall, Hirnstammanfall). 3
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Dosierung/Anwendung Aufdosierung bei Erwachsenen in Schritten von 150–200 mg jeden 3. Tag (als Retardpräparation als Zweimalgabe/d, ggf. auch nur abendliche Einmalgabe/d), endgültige Dosis bei Erwachsenen in Abhängigkeit von Effektivität und Nebenwirkungen sehr verschieden, ca. 400–2400 mg/d (Kinder ca. 20–25 mg/kg Körpergewicht).
Unerwünschte Wirkungen Innerhalb der ersten Behandlungswochen in bis zu 5% allergische Hautreaktionen, z. T. mit Fieber und Lymphknotenschwellung (z. B. Pruritus oder Urtikaria, bei Nichtabsetzen u. U. bis zum Lyell- oder Stevens-Johnson-Syndrom). Bei bis zu zwei Drittel der Patienten, häufig auf die initiale Behandlungsphase beschränkte, zentralnervöse (Sedierung, Schwindel, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Diplopie, Ataxie, Tremor, Dysarthrie, Blickrichtungsnystagmus; bei massiver Überdosierung Asterixis, Myoklonien, choreatische Hyperkinesien) und gastrointestinale (Nausea, Erbrechen) Nebenwirkungen, gehäuft bei Serumspiegeln ≥10 μg/ml. Häufig Erhöhung der γ-GT als Zeichen der Enzyminduktion, seltener auch Transaminasenanstieg,
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sehr selten Hepatitis oder Pankreatitis. Hyponatriämie infolge Schwartz-Bartter-Syndroms bei bis zu 30% (meist asymptomatisch). Vor allem bei kardialer Vorschädigung auch Herzrhythmusstörungen (z. B. AV-Block, bradykarde Arrhythmien). Blutbildveränderung (Leukozytose, Eosinophilie, Leuko-, Thrombopenie) treten häufiger auf, das Risiko idiosynkratischer Reaktionen wie Agranulozytose oder aplastischer Anämie liegt bei ca. 1:50.000. Teratogenität: Risiko für Spina bifida ca. 1% (für alle, auch Minor-Missbildungen 5,7% [1]), für Aborte und Totgeburten ca. 6%.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bekannte hepatische Porphyrie, Knochenmarksschädigung, AV-Block. Kombination mit MAO-Hemmern.
Wechselwirkungen Absinken des Carbamazepinspiegels durch Zugabe von Phenytoin, Phenobarbital, Primidon, Theophyllin. Anstieg von Carbamazepin u. a. durch Cimetidin, Desipramin, Erythromycin, Kalziumantagonisten, Ketokonazol, Imipramin, Isoniazid, Miconazol, von Carbamazepin-Epoxid durch Valproat und Felbamat. Als Enzyminduktor Erniedrigung der Serumspiegel von Felbamat, Lamotrigin, Topiramat, Valproinsäure, trizyklischer Antidepressiva, Digitalisglykosiden, hormoneller Kontrazeptiva, Phenprocoumon und Theophyllin.
Bewertung Carbamazepin gilt als Mittel der 1. Wahl bei fokalen Epilepsien und bei Trigeminusneuralgie. Im Vergleich zu anderen Standardantiepileptika, insbesondere Phenytoin, liegen die Vorteile in der geringer sedierenden Wirkung und fehlenden kosmetischen sowie Langzeitnebenwirkungen. Nachteilig sind die initial notwendige relativ langsame Aufdosierung, das Interaktionspotential und eine fehlende parenterale Applikationsform.
Literatur 1. Kaneko S, Battino D, Andermann E, Wada K, Kan R, Takeda A, Nakane Y, Ogawa Y, Avanzini G, Fumarola C, Granata T, Molteni F, Pardi G, Minotti L, Canger R, Dansky L, Oguni M, LopesCendas I, Sherwin A, Andermann F, Seni MH, Okada M, Teranishi T (1999). Congenital malfor-
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Carbidopa
mations due to antiepileptic drugs. Epilepsy Res 33:145–158.
Carbidopa
therapie bei primären Carnitin-Mangelzuständen einschließlich Reye-Syndrom, bei metabolischen Myopathien sowie zum Ausgleich bei sekundären Mangelzuständen wie längerfristigen Hämodialysen und kindlichen Acidurien. Weiterhin wird L-Carnitin bei längerfristiger parenteraler Ernährung zugesetzt.
L-Dopa
3
Dosierung und Art der Anwendung
Carbimazol
Für den Erwachsenen 4 g/d; Kinder erhalten 50–100 mg/d –3 g.
Unerwünschte Wirkungen Wirkungen Carbimazol ist ein Thionamid, das im Vergleich zu Thiamazol über eine zusätzliche Carbaethoxygruppe verfügt. Nach p. o. Aufnahme und einer Resorption von ca. 70–75% wird Carbimazol enzymatisch sehr schnell und vollständig in Thiamazol umgewandelt. Carbimazol stellt somit ein Prodrug für Thiamazol dar, wobei 15 mg Carbimazol einer Dosis von 10 mg Thiamazol entsprechen. Die Pharmakologie von Carbimazol ist damit identisch mit der von Thiamazol. Einsatz bei der Hyperthyreose.
L-Carnitin
Nausea, Erbrechen, Bauchkrämpfe und Durchfälle werden den L-Isomeren des Carnitins zugeschrieben. Myasthenieartige Muskelschwächen sind offenbar möglich, falls das Racemat verwendet wird.
Cefazolin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Basocef® 1 g/2 g Trockensubstanz, Cefazolin 2,0 HEXAL® Inj.lösg., Elzogram® 1,0/2,0 Trockensubstanz.
Wirkungen Wirkungen
L-Carnitin wird oral gut aufgenommen, so dass sich 3,5 h nach einer 2 g-Dosis 60–70 μmol/L im Plasma vorfinden. Die Halbwertzeit variiert von 2–15 h. 70–95% des zugeführten L-Carnitins erscheinen unverändert im Harn.
Cefazolin ist ein parenteral anwendbares Cephalosporin, das der sogenannten ersten Generation zuzuordnen ist. Der Wirkungsmechanismus beruht auf der Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese. Der Wirktyp ist bakterizid. Das Wirkspektrum ist breit. Cefazolin zeigt nur eine geringe Widerstandsfähigkeit gegen die Hydrolyse durch Beta-Laktamasen, ist jedoch penicillinasefest. Hervorzuheben ist seine Aktivität gegen Staphylokokken. Cefazolin erwies sich in vitro im Allgemeinen gegen folgende Keimarten als wirksam: Staphyloccocus aureus (einschließlich penicillinaseproduzierender Stämme), Staphylococcus epidermidis, Streptococcus pyogenes, Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Neisseria gonorrhoeae und Corynebacterium diphtheriae, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis. Unterschiedliche Empfindlichkeit haben Enterobacter spp. und Haemophilus influenzae.
Anwendungsgebiete
Verteilung
L-Carnitin wird angewendet zur Substitutions-
Therapeutisch wirksame Konzentrationen wer-
Als körpereigene Substanz, die allerdings überwiegend durch fleischliche Kost zugeführt wird, übernimmt L-Carnitin Funktionen in der Oxidation langkettiger Fettsäuren dadurch, dass es Acetyl-Coenzym A in die Mitochondrien einschleust und sie vor Calcium-Überladung schützt. Primäre und sekundäre Carnitin-Mangelzustände sind folgerichtig durch Zufuhr von Carnitin ausgleichbar. Als Wirkung des Carnitins wurden darüber hinaus eine Steigerung der Surfactant-Synthese und eine Stimulation der Leukozytenmigration beobachtet.
Wirkungsverlauf
Cefazolin
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den in vielen Geweben und Körperflüssigkeiten erreicht, z. B. in Niere, Leber, Lunge, Knochengewebe, Pleuraexsudat, Gallenflüssigkeit. Im Liquor werden nur geringe Konzentrationen erreicht, die therapeutisch unzureichend sind. Die Serumproteinbindung von Cefazolin liegt bei 70–85%.
Lebensjahr an beträgt die Tagesdosis ca. 50 mg/kgKG, ebenfalls in 2–3 Einzelgaben. Höhere Tagesdosen (–100 mg/kg) sind bei diesen Kindern möglich. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion soll die Erhaltungsdosis bis auf 2-mal 0,25 g reduziert werden.
Wirkungsverlauf
Unerwünschte Wirkungen
Nach i. v. Bolusinjektion von 1 g Cefazolin werden 15 min nach Applikation hohe Serumkonzentrationen von durchschnittlich 211 mg/L gefunden. Eine Stunde nach i. m. Applikation von 1 g Cefazolin werden Serumkonzentrationen von 64 mg/L und nach i. m. Gabe von 500 mg werden Spitzenkonzentrationen von 30–40 mg/L erreicht.
Unter der Behandlung mit Cefazolin können wegen seines MTD-Substituenten sehr selten Blutgerinnungsstörungen auftreten. Gefährdet sind Risikopatienten mit Begleiterkrankungen, die zu einem Vitamin K-Mangel führen oder andere Blutgerinnungsmechanismen beeinflussen. Daher sollte – vor allem in diesen Fällen – der INR-Wert regelmäßig (alle 2–3 Tage) kontrolliert werden. Eine Vitamin K-Gabe (10 mg/ Woche) ist ggf. angebracht. Als begleitende Risikofaktoren, welche die Gefahr von Blutungen bzw. deren Auswirkungen erhöhen, sind anzusehen: parenterale Ernährung; Mangelernährung; Krebserkrankungen: gestörte Leber- und Nierenfunktion; höheres Lebensalter; Verminderung der Zahl der Blutplättchen (Thrombozytopenie); andere Begleiterkrankungen, die Blutungen auslösen oder verstärken (z. B. Bluterkrankheit, Magen-Darm-Geschwüre).
Elimination Cefazolin wird im Organismus praktisch nicht metabolisiert und fast ausschließlich durch die Nieren ausgeschieden und zwar sowohl durch glomeruläre Filtration als auch durch tubuläre Sekretion. Im 24-h-Sammelurin werden 90% (Bereich 80 bis fast 100%) einer Dosis wiedergefunden. Die Wiederfindungsquote ist unabhängig von der Höhe der Einzeldosis und der Applikationsart (i. v. bzw. i. m.). Die Eliminationshalbwertzeit im Serum liegt bei 100 min (Bereich: 85–120 min). Die renale Clearance beträgt etwa 49–65 ml/min.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung von akuten und chronischen Infektionen, die durch cefazolinempfindliche Erreger verursacht sind: Infektionen der Atemwege; im Hals-, Nasen-, Ohrenbereich; des Urogenital-Traktes; der Haut und des Weichteilgewebes; der Knochen und der Gelenke; der Gallenwege; venerische Infektionen; Sepsis; Endokarditis.
Dosierung und Art der Anwendung Erwachsene erhalten im Allgemeinen bei Infektionen mit grampositiven Erregern eine Tagesdosis von 1,5–2,0 g Cefazolin. Bei Infektionen mit gramnegativen Keimen sollte die Tagesdosis 3–4 g betragen. Eine Anhebung der Tagesdosis auf 6 g ist möglich. Bei ernsten, lebensbedrohlichen Infektionen können bis zu 12 g/d notwendig sein. Bei Säuglingen wird als Tagesdosis 60 (–100) mg/kgKG, geteilt in 2–3 Einzelgaben, empfohlen. Vom vollendeten ersten
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei erwiesener Allergie gegen Cephalosporine darf Cefazolin nicht angewendet werden. Eine Parallelallergie mit anderen Beta-Laktam-Antibiotika (z. B. Penicilline u. a.) kann bestehen. Mit besonderer Vorsicht sollte Cefazolin bei Personen angewandt werden, die in ihrer Vorgeschichte an ausgeprägten Allergien oder an Asthma litten.
Wechselwirkungen Wichtigste Inkompatibilitäten a). Auf Grund einer physikalisch-chemischen Inkompatibilität mit allen Aminoglykosiden sollte Cefazolin nicht mit einem Aminoglykosid-Antibiotikum in einer Spritze oder Infusionslösung gemischt injiziert oder infundiert werden. b) Aus Vorsicht soll darauf hingewiesen werden, dass die meisten par. Cephalosporine bei höheren pHWerten als 7 chemisch instabil sind. Wenn keine eigenen Stabilitätsuntersuchungen vorliegen, dürfen sie nicht mit Natriumhydrogencarbonatösung gemischt werden. Bei gleichzeitiger Gabe von hochdosiertem Heparin, von
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Cefotaxim
p. o. Antikoagulantien und von anderen Mitteln, welche das Blutgerinnungssystem beeinflussen, sollten die Gerinnungsparameter häufig und regelmäßig überwacht werden. Dies gilt auch bei gleichzeitiger Gabe von Substanzen, welche Thrombozytenfunktionsstörungen auslösen können. Bei einer Kombinationstherapie mit Aminoglykosiden bzw. mit Polymyxin B oder Colistin kann deren Nephrotoxizität erhöht werden. Die Nierenfunktion ist deshalb besonders sorgfältig zu überwachen. Dies gilt besonders für Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion. Aus Vorsichtsgründen wird darauf hingewiesen, dass es bei hohen Cephalosprindosen und gleichzeitiger Gabe von Schleifendiuretika, wie z. B. Etacrynsäure oder Furosemid, zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion kommen kann. Bei gleichzeitiger Gabe von Probenecid können durch Hemmung der tubulären Sekretion höhere und länger anhaltende Cefazolin-Serumspiegel auftreten.
Akute Toxizität Intoxikationen im strengen Sinn sind unbekannt. Bei bestimmten Risikokonstellationen und bei Gabe sehr hoher Dosen kann es zu zentral nervösen Erregunszuständen, Myoklonien und Krämpfen kommen, wie sie auch für andere Beta-Laktame beschrieben worden sind. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion, Epilepsie und Meningitis ist das Risiko des Auftretens dieser unerwünschten Wirkungen erhöht. Erste Maßnahmen. Beim Auftreten von Krämpfen empfiehlt sich die Sedierung mit Lorazepam. Bei anaphylaktischen Reaktionen sind die üblichen Sofortmaßnahmen, möglichst mit den ersten Anzeichen des Schocks, einzuleiten. Eine mäßige Erhöhung der Elimination von Cefazolin kann mittels Hämodialyse erzielt werden.
phalosporin. Es war der erste Vertreter der sogensannten 3. Generation. Cefotaxim kann im menschlichen Organismus in bemerkenswertem Umfang metabolisch hydrolysiert werden. Der Wirkungsmechanismus beruht auf der Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese. Der Wirktyp ist bakterizid. Das Wirkspektrum ist sehr breit. Cefotaxim besitzt eine sehr große Widerstandsfähigkeit gegen die Hydrolyse durch Betalaktamasen. Wie andere Cephalosporine (z. B. Ceftizoxim und Ceftriaxon) mit einem Aminothiazolyl-Methoxyimino-Substituenten in Position 7 des Moleküls ist Cefotaxim nicht absolut laktamasefest. Wie wir heute wissen, kann es durch Betalaktamasen mit sogenanntem „extended spectrum“ (z. B. von Bacteroides fragilis, Proteus vulgaris) hydrolysiert werden. Ein weiterer Resistenzmechanismus besteht im „Trapping“ der Cephalosporine. Cefotaxim ist in der Regel gut wirksam gegen Staphylokokken (Penicillin-G-empfindliche und - resistente Stämme), aerobe und anaerobe Streptokokken, Pneumokokken, Neisseria meningitidis und N. gonorrhoeae (einschl. β-lactamase-bildende Stämme), Haemophilus influenzae (Ampicillin-empfindliche und - resistente Stämme), E. coli, Citrobacter, Shigella, Salmonellen, Klebsiella pneumoniae, Enterobacter aerogenes, Serratia marcescens, indolpositive und - negative Proteus, Yersinia enterocolitica, Bacteroides Spezies, Providencia, Eubacterium, Fusobacterium, Peptostreptococcus, Propionibacterium, Veillonella und Clostridium perfringens. Als resistent zu betrachten sind: Enterokokken, Mykoplasmen, Legionellen. Mit den Cephalosporinen der Cefalothin-Gruppe besteht eine partielle Kreuzresistenz bei gramnegativen Stäbchen und eine vollständige Kreuzresistenz bei Oxacillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen.
Verteilung
Cefotaxim Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Cefotaxim ratiopharm® 0,5 g/1 g/2 g Trockensubstanz, Claforan 0,5/1,0/2,0 Trockensubstanz.
Wirkungen Cefotaxim ist ein parenteral anwendbares Ce-
Cefotaxim ist gut gewebegängig, passiert die Plazentaschranke und erreicht hohe Konzentrationen in fetalen Geweben (–6 mg/kg). Bei entzündeten Meningen penetrieren Cefotaxim und Desacetyl-Cefotaxim in den Liquorraum und erreichen dann dort Konzentrationen, die eine ausgezeichnete Wirksamkeit bei bakterieller Meningitis bedingen. Die Serumproteinbindung beträgt etwa 25–40%.
Cefotaxim
Wirkungsverlauf Nach i. v. Injektion von 1 g Cefotaxim betrugen die Serumkonzentrationen nach 5 min etwa 81– 102 mg/L und nach 15 min 46 mg/L. 8 min nach i. v. Injektion von 2 g Cefotaxim wurden Serumkonzentrationen von 167–214 mg/L gemessen. Nach i. m. Gabe werden maximale Serumkonzentrationen (etwa 20 mg/L nach 1 g [1]) innerhalb von 30 min erreicht.
Elimination
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in 12–6stündigen Abständen gegeben werden. In Einzelfällen 150–200 mg/kg. Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance <10 ml/min ist die Erhaltungsdosis auf die Hälfte der normalen Dosis im üblichen Dosisintervall zu reduzieren. Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance <5 ml/min scheint eine Reduzierung der Erhaltungsdosis auf 1 g Cefotaxim pro Tag (aufgeteilt in 2 Einzelgaben im Abstand von 12 h) angemessen zu sein.
Unerwünschte Wirkungen
Die Ausscheidung von Cefotaxim und von Desacetyl-Cefotaxim erfolgt überwiegend renal. Ein kleinerer Prozentsatz (ca. 2%) wird mit der Galle ausgeschieden. Im 6-StundenSammelurin werden 40–60% einer Dosis in unveränderter Form und ca. 20% als DesacetylCefotaxim wiedergefunden. Die totale Clearance des Cefotaxims beträgt 240–390 ml/min und die renale Clearance 100–150 ml/min. Die Serumhalbwertzeit liegt bei 50–80 min. Bei geriatrischen Patienten betrug die Halbwertzeit 120–150 min. Bei schweren Nierenfunktionsstörungen (Kreatinin-Clearance 3–10 ml/min) kann die Halbwertzeit des Cefotaxims auf 2,5–10 h verlängert sein. Cefotaxim akkumuliert unter diesen Bedingungen nur in geringem Umfang, im Gegensatz zu den aktiven und inaktiven Metaboliten.
In seltenen Fällen, insbesondere bei längerer Therapiedauer kann eine Agranulozytose auftreten. Deshalb sollen bei einer länger als 10 Tage dauernden Therapie Blutbildkontrollen durchgeführt werden. Beobachtungen am Menschen haben bisher keinen Hinweis auf eine Schädigung des im Mutterleib befindlichen Kindes ergeben. Experimetelle Studien haben keine fruchtschädigende Wirkung erkennen lassen. Dennoch sollte Cefotaxim während der Schwangerschaft, besonders in den ersten drei Monaten, nur nach eingehender Nutzen/Schaden-Abschätzung angewendet werden. Stillzeit: In der Muttermilch werden nur geringe Cefotaxim-Konzentrationen nachgewiesen (0,4 mg/L nach Gabe von 2 g Cefotaxim). Strenge Indikationsstellung in der Stillzeit.
Anwendungsgebiete
Allgemeines Nebenwirkungsprofil Cephalosporine
Akute und chronische schwere bakterielle Infektionen mit Cefotaxim-empfindlichen Keimen wie z. B. Infektionen des HNO-Bereichs; der Atemwege; der Niere und ableitenden Harnwege; der Haut und des Weichteilgewebes; der Knochen und Gelenke; der Geschlechtsorgane einschließlich Gonorrhoe; des Bauchraumes (einschließlich Peritonitis) und des ZNS: bakterielle Meningitis und Ventrikulitis, Borreliose. 3 3
Dosierung und Art der Anwendung Dosierung Erwachsene: Im Allgemeinen erhalten Erwachsene und Kinder über 12 Jahre eine Tagesdosis von 2–4 bis 6 (–8) g Cefotaxim, aufgeteilt in 2–3 (–4) Einzeldosen. In schweren Fällen kann die Tagesdosis bis auf 12 g erhöht werden. Säuglinge und Kinder bis 12 Jahre: Je nach Schwere der Infektion 50–200 mg/kgKG/d, aufgeteilt in 2–4 gleich große Einzeldosen, die
Allergische Wirkungen aller Schweregrade an der Haut, z. B. Hautrötungen mit Hitzegefühl (rash), Juckreiz, Nesselausschlag mit Bläschenund Quaddelbildung (urtikarielles Exanthem), masernähnlichen Ausschlägen (makulopapulöse, morbilliforme Exantheme) über Arzneimittelfieber und angioneurotischem Ödem bis zur Anaphylaxie sind möglich. Ggf. auch Gesichtsödem, Zungenschwellung, innere Kehlkopfschwellung mit Einengung der Luftwege, Herzjagen, Luftnot, Blutdruckabfall bis hin zu bedrohlichem Schock. Beim Auftreten dieser Erscheinungen ist u. U. sofortige ärztliche Hilfe erforderlich. In Einzelfällen trat unter einer Cephalosporin-Therapie eine interstitielle Pneumonie auf, mit Fieber, Atemnot, ungewöhnlichen Röntgenbefunden und einem Anstieg der eosinophilen Blutkörperchen. In seltenen Fällen ist im zeitlichen Zusammenhang mit einer Cephalosporin-Therapie über schwere Hauterscheinungen mit lebensbedrohlichen Allge-
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Cefotaxim
meinreaktionen (wie z. B. Stevens-JohnsonSyndrom, exfoliative Dermatitis, Lyell-Syndrom) berichtet worden. Ein Kausalzusammenhang ist bisher nicht bewiesen. Zentralnervensystem: Selten werden vorübergehende Schlaflosigkeit oder Schläfrigkeit, Nervosität, Hyperaktivität, Verwirrung oder Schwindel berichtet. (in Einzelfällen Krampfanfälle bei best. Risikokonstellationen) Blut/Milz: Beobachtet wurden: Leukopenie, Leukozytose, Neutropenie, Granulozytopenie, Thrombozytopenie, Thrombozytose, Lymphozytose, Eosinophilie, Anämie (Hypoprothrombinämie und Blutgerinnungsstörungen bei NMTT- und MTD-Cephalosporinen). Diese Erscheinungen sind reversibel. Verdauungstrakt: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Blähungen, Durchfälle. Bei Auftreten von schweren, anhaltenden Durchfällen während oder nach der Therapie ist an eine pseudomembranöse Enterocolitis zu denken, die sofort behandelt werden muss (z. B. Vancomycin oral, viermal täglich 250 mg über einen Zeitraum von mindestens 10 Tagen). Peristaltikhemmende Präparate sind kontraindiziert. Leber: Ein reversibler Anstieg von Leberenzymen (Transaminasen, alkalische Phosphatase) und der Bilirubinkonzentration im Serum kann in seltenen Fällen vorkommen. In Einzelfällen wurde über eine vorübergehende Leberzellschädigung (Hepatitis) und Cholestase mit Ikterus berichtet. Niere. Erhöhung der Harnstoff- und Kreatininkonzentration im Serum. In Einzelfällen interstitielle Nephritis und Proteinurie. Sonstige: Entzündung der Mund- und Scheidenschleimhaut (teilweise verursacht durch Candida-Superinfektionen). Alkoholunverträglichkeit bei gleichzeitiger Therapie mit NMTT-Cephalosporinen (Cefamandol, Cefoperazon, Latamoxef, Cefmenoxim, Cefotetan). Schmerzen an der Injektonsstelle (i. v./i. m.) und Reizungen der Venenwand bis zur Thrombophlebitis sind möglich.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei erwiesener Allergie gegen Cephalosporine darf Cefotaxim nicht angewendet werden. Eine Parallelallergie mit anderen Betalaktam-Antibiotika (z. B. Penicilline u. a.) kann bestehen. Mit besonderer Vorsicht sollte Cefotaxim bei Personen angewandt werden, die in ihrer Vor-
geschichte an ausgeprägten Allergien oder an Asthma litten.
Wechselwirkungen Cefotaxim sollte nicht mit bakteriostatisch wirkenden Antibiotika kombiniert weden, da hinsichtlich der antimikrobiellen Wirkung ein antagonistischer Effekt auftreten kann. Ein synergistischer Effekt ergibt sich hingegen bei Kombination mit Aminoglykosiden. Wichtigste Inkompatibilitäten. Auf Grund einer physikalisch-chemischen Inkompatibilität mit allen Aminoglykosiden sollte Cefotaxim nicht mit einem Aminoglykosid-Antibiotikum in einer Spritze oder Infusionslösung gemischt injiziert oder infundiert werden. Cefotaxim ist nicht kompatibel mit Natriumhydrogenkarbonatlösung. und mit Infusionslösungen mit einem pH>7. Die gleichzeitige Gabe von Probenecid führt als Folge einer Hemmung der renalen Ausscheidung zu erhöhten und länger anhaltenden Cefotaxim-Konzentrationen im Blut. Da Cephalosporine potenziell die Wirkung nephrotoxischer Substanzen verstärken können, sollte die zusätzliche Gabe von Aminoglykosiden und von Schleifendiuretika (wie z. B. von Furosemid) unter Kontrolle der Nierenfunktion erfolgen. Das gilt insbesondere bei bereits bestehenden Nierenfunktionsstörungen und hochdosierter Therapie.
Akute Toxizität Intoxikationen im strengen Sinn sind unbekannt. Bei bestimmten Risikokonstellationen und bei Gabe sehr hoher Dosen kann es zu zentralnervösen Erregungszuständen, Myoklonien und Krämpfen kommen, wie sie auch für andere Betalaktame beschrieben worden sind. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion, Epilepsie und Meningitis ist das Risiko des Auftretens dieser unerwünschten Wirkungen erhöht. Erste Maßnahmen: Beim Auftreten von Krämpfen empfiehlt sich die Sedierung mit Diazepam. Bei anaphylaktischen Reaktionen sind die üblichen Sofortmaßnahmen, möglichst mit den ersten Anzeichen des Schocks, einzuleiten. Eine Elimination von Cefotaxim sowie von Desacetyl-Cefotaxim kann mittels Hämodialyse erzielt werden.
Ceftriaxon
Ceftriaxon Gebräuchliche Fertigarzneimittel Rocephin® i.v. 500 mg/1 g; i.m. 1 g; zur Infusion 1 g/2 g Trockensubstanz.
Wirkungen Ceftriaxon gilt als par. Cephalosporin der sogenannten 3. Generation. Ceftriaxon ist ein Aminothiazolyl-Methoxyimino-Cephalosporin. Der Wirkungsmechanismus beruht auf der Hemmung der Zellwandbiosynthese. Der Wirktyp ist bakterizid. Ceftriaxon besitzt eine hohe Stabilität gegen Betalaktamasen. Das Wirkspektrum und die Wirkungsintensität entspricht etwa der des Cefotaxims. Folgende grampositive und gramnegative Erreger sind in der Regel als empfindlich anzusehen: Grampositive Erreger: Streptococcus pneumoniae, Streptokokken der Gruppe A einschl. Streptococcus pyogenes, Streptokokken der Gruppe B einschl. Streptococcus agalactiae, Streptococcus viridans, Streptococcus bovis, Peptostreptococcus, Peptococcus (die meisten Stämme sind empfindlich). Gramnegative Erreger: Escherichia coli, Citrobacter, Salmonella spp., Shigella spp., Klebsiella spp., Serratia marcescens (die meisten Stämme sind empfindlich), Providencia, Proteus mirabilis, Proteus spp. (indolpositiv) einschl. Morganella morganii, Haemophilus influenzae und parainfluenzae, Neisseria gonorrhoeae, Neisseria meningitidis.
Wirkungsverlauf Die Anwendung von Ceftriaxon muss parenteral erfolgen. Nach einmaliger i. v. Applikation von 0,5 g, 1 g bzw. 2 g finden sich beim Erwachsenen Serumspitzenkonzentrationen von 79–127 mg/L, 145–168 mg/L bzw. von 257– 280 mg/L. Ceftriaxon besitzt unter den heute klinisch angewandten Cephalosporinen die längste Halbwertzeit. Sie liegt nach i. v. Gabe einer Einzeldosis bei 6–9 h. Die Gewebepenetration des Ceftriaxons ist ähnlich wie die der anderen Cephalosporine der sogenannten 3. Generation. Im Liquor cerebrospinalis werden 7–17% der zeitgleichen Serumkonzentrationen erreicht. Diese Konzentrationen reichen aus zur Behandlung von bakteriellen Meningitiden. Ceftriaxon wird beim Menschen nicht metabolisiert. Innerhalb 48 h werden etwa 40–65% einer Dosis in unveränderter Form im Urin und etwa 11–65% in der Galle wiedergefunden.
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Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von 10 ml/min ist die Halbwertzeit nur mäßig verlängert (bis 12 h). Nur bei anephrischen Patienten mit einer zusätzlichen wesentlichen Einschränkung (≥80%) der nichtrenalen Elimination ist eine Dosisanpassung erforderlich. Die renale Exkretion des Ceftriaxons erfolgt hauptsächlich durch glomeruläre Filtration. Dass die tubuläre Sekretion nur von geringer Bedeutung ist, wird durch die Tatsache unterstützt, dass Probenecid die Pharmakokinetik des Ceftriaxons nicht beeinflusst. Als Folge der konzentrationsabhängigen Proteinbindung nehmen die Serumspitzenkonzentrationen und die Gewebskonzentrationen in einer nichtlinearen Beziehung mit steigenden Dosis zu. Andererseits nimmt tmax. ab. Dieses pharmakokinetische Verhalten unterstützt die Empfehlung, Ceftriaxon eher als hohe Einzeldosis anstatt in mehreren kleinen Dosen zu verabreichen.
Anwendungsgebiete Hirnhautentzündung (Meningitis); Lyme – Borreliose.
Dosierung und Art der Anwendung Im Allgemeinen erhalten Erwachsene und Schulkinder über 12 Jahre 1–2 g Ceftriaxon 1× täglich. Bei schweren, lebensbedrohlichen Infektionen kann die Dosis auf 1× täglich 4 g erhöht werden. Bei der Neuroborreliose 2 g täglich über 3 Wochen. Säuglinge ab 2 Wochen und Kinder bis zu 12 Jahren erhalten entsprechend dem Schweregrad der Infektion eine tägliche Dosis von 20–80 mg/kgKG, üblicherweise in 24stündigen Abständen. Bei bakterieller Meningitis beginnt die Behandlung mit 1× täglich 100 mg/kgKG (jedoch nicht mehr als 4 g/ d). Sobald die Empfindlichkeit des Erregers bestinnt ist, kann die Dosis entsprechend reduziert werden. Bei Früh- und Neugeborenen bis zu 2 Wochen empfiehlt es sich, unter Berücksichtigung der nicht ausgereiften Organfunktionen Dosen von 50 mg/kgKG und Tag nicht zu überschreiten. Bei Leberschädigung ist es nicht notwendig, die Dosis zu reduzieren, sofern die Nierenfunktion intakt ist und umgekehrt. Da Ceftriaxon nur in sehr geringem Maße dialysiert wird, braucht die Dosis bei der Hämooder Peritonealdialyse nicht erhöht zu werden. Bei gleichzeitigen schweren Nieren- und Leberschäden sind die Konzentrationen von Ceftriaxon im Blutplasma regelmäßig zu kontrollieren.
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Central-Core-Myopathie
Unerwünschte Wirkungen ( Cefotaxim). Besonderheiten beim Ceftriaxon: Ceftriaxon kann sich in der Gallenblase ablagern. In seltenen Fällen wurden Verschattungen im Sonogramm (bei Ultraschalluntersuchungen) der Gallenblase beobachtet. Beobachtungen am Menschen haben bisher keinen Hinweis auf eine Schädigung des im Mutterleib befindlichen Kindes ergeben. Dennoch sollte Ceftriaxon während der Schwangerschaft, besonders in den ersten 3 Monaten, nur nach eingehender Nutzen/Schaden-Abschätzung angewendet werden. Während der Stillzeit darf Ceftriaxon nicht angewandt werden. 3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei erwiesener Allergie gegen Cephalosporine darf Ceftriaxon nicht angewendet werden. Eine Parallelallergie mit anderen Betalaktam-Antibiotika (z. B. Penicilline u. a.) kann bestehen. Mit besonderer Vorsicht sollte Ceftriaxon bei Personen angewandt werden, die in ihrer Vorgeschichte an ausgeprägten Allergien oder an Asthma litten. Besondere Vorsichtshinweise: In seltenen Fällen wurden Verschattungen im Sonogramm (bei Ultraschalluntersuchungen) der Gallenblase beobachtet, welche nach Absetzen oder nach Beendigung der Therapie mit Ceftriaxon wieder verschwanden. Auch wenn diese Befunde mit Schmerzen einhergehen sollten, werden symptomatische, nicht-operative Maßnahmen empfohlen. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Ceftriaxon Bilirubin aus seiner Bindung an Serumalbumin verdrängen kann. Das den Packungen zur i. m. Applikation beigegebene Lösungsmittel darf bei Überleitungsstörungen oder akut dekompensierter Herzinsuffizienz nicht verwendet werden. In diesen Fällen sollte auf die i. v. Applikationsweise mit Wasser für Injektionszwecke als Lösungsmittel übergegangen werden.
Wechselwirkungen Experimentelle Untersuchungen mit Ceftriaxon in Kombination mit Aminoglykosid-Antibiotika zeigten eine Verstärkung der Wirkung (additiver oder synergistischer Effekt), die besonders bei schweren, lebensbedrohlichen Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa von Bedeutung ist. Im Übrigen ergaben sich keine Wechselwirkungen bei gleichzeitiger Gabe eines Aminoglykosids. Beide Präparate müssen jedoch getrennt verabreicht werden. Eine Verstärkung
der Nierentoxizität von Aminoglykosiden durch Ceftriaxon wurde bisher nicht beobachtet. Dieses gilt auch für die gleichzeitige Anwendung mit Schleifendiuretika wie Furosemid. Aufgrund der chemischen Struktur von Ceftriaxon ist nach Alkoholgenuss eine disulfiramartige Wirkung nicht zu erwarten. Probenecid hat keinen Einfluss auf die Ausscheidung von Ceftriaxon.
Akute Toxizität Intoxikationen im strengen Sinn sind unbekannt. Bei bestimmten Risikokonstellationen und bei Gabe sehr hoher Dosen kann es zu zentralnervösen Erregungszuständen, Myoklonien und Krämpfen kommen, wie sie auch für andere Betalaktame beschrieben worden sind. Bei Patienten mit stark eingeschränkten Nierenfunktionen, Epilepsie und Meningitis ist das Risiko des Auftretens dieser Unerwünschten Wirkungen erhöht. Erste Maßnahmen. Beim Auftreten von Krämpfen empfiehlt sich die Sedierung mit Lorazepam. Bei anaphylaktischen Reaktionen sind die üblichen Sofortmaßnahmen, möglichst mit den ersten Anzeichen des Schocks, einzuleiten. Mittels Hämodialyse wird Ceftriaxon nur in ganz geringem Umfang eliminiert.
Central-Core-Myopathie Definition Kongenitale Myopathie mit charakteristischen zentralen „Cores“ in der Muskelbiopsie.
Einleitung Autosomal-dominante, seltener autosomal-rezessive Erkrankung (Mutationen am NH2Ende, in der Mitte und seltener am C-Ende und des Ryanodinerezeptor kalziumfreisetzenden Kanals am sarkoplasmatischen Retikulum; Chromosom 19q13.1). Es gibt 2 Isoformen: RyR1 und RyR2. Die Central-Core-Myopathie geht auf RyR1 zurück. RyR2 wird als kardiale Isoform angesehen. Der mutierte Kanal setzt in Abwesenheit von Pharmaka Kalzium frei („Kanal-Leck“) und spricht erst bei stärkerer Depolarisation an (verminderte Erregungs-Kontraktions-Kopplung). Der Kanal reagiert wie der Wildtyp auf den Inhibitor Dantrolen.
Chamberlain-Linie
Klinisch stehen im Vordergrund muskuläre Hypotonie postnatal, Gliedergürtelparesen bei meist nur geringer Muskelatrophie, verzögerte motorische Entwicklung. Teils Beteiligung der mimischen Muskulatur, Scapula alata, skelettale Symptome (hoher Gaumen, Skoliose, Hüftdysplasie, Gelenkkontrakturen). Vereinzelt Herzbeteiligung. Bei der Central-Core-Myopathie kann es zur malignen Hyperthermie kommen. Bei einem Teil der Patienten mit maligner Hyperthermie ohne histologisch nachweisbare zentrale Cores wurden ebenfalls Mutationen auf dem RyR1-Gen beschrieben. Warum Cores nur in einem Teil der Fälle mit RyR1Mutation auftreten ist unbekannt. Immunhistochemisch enthalten die Cores relativ viel Ryanodinrezeptoren. Selten gibt es Familien mit Central-Core Myopathie, die histologisch zusätzlich zu den Cores Nemaline-Körper aufweisen. Die Serum-CK ist normal oder leicht erhöht. Der EMG-Befund kann leicht myopathisch, normal oder chronisch neurogen sein. In der Biopsie finden sich die charakteristischen Cores, also ein zentraler Bereich in der Muskelfaser mit verminderter oder fehlender Aktivität an Enzymen und anderen Proteinen. Die Cores finden sich in der Regel in Typ 1-Fasern, selten in Typ 2-Fasern. Cores kommen nur in innervierten Fasern vor. Die Pathogenese ist nicht klar. Cores kommen auch bei einigen Fällen mit peripher-neurogenen Störungen vor.
Prognose
Diagnostik
Therapie
Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie und Muskelbiopsie. Ggf. genetische Untersuchung im Bereich des RyR1-Gens.
Nachsorge
3
Cefazolin,
Cefotaxim,
Ceftriaxon
Céstan-Chenais-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion im Bereich der lateralen Medulla oblongata (Benennung nach Erstbeschreibung).
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss eines kleinen, den Hirnstamm penetrierenden Gefäßes zu einer Läsion im Bereich der lateralen Medulla oblongata mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral sensomotorische Hemiparese. * Ipsilateral Horner-Syndrom, Hemiataxie, Gaumensegel- und Schlundparese, Stimmbandlähmung.
Diagnostik Kernspintomographie.
3 3
Hirninfarkt
Hirninfarkt
Prognose Hirninfarkt. Die Prognose ist abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Nachsorge
C
Cephalosporine 3
Symptomatische Therapie, insbesondere bei Skelettdeformitäten. Regelmäßige Krankengymnastik.
In der Regel gut.
3
Therapie
231
Hirninfarkt
Vorstellung in längeren Abständen, etwa einmal in 1 bis 3 Jahren, an einem Muskelzentrum erscheint sinnvoll.
Chamberlain-Linie Bewertung Wichtig ist es, auf die Möglichkeit der malignen Hyperthermie beim Patienten und seinen Angehörigen hinzuweisen.
Definition Im seitlichen Röntgennativbild des Schädels die Linie zwischen Hinterrand des harten Gau-
Charcot-Bouchard-Aneurysmen
mens zum Okziput. Ein Denshochstand, z. B. bei basilärer Impression besteht, wenn die Densspitze die Chamberlain-Linie um mehr als 5 mm überragt.
Charcot-Bouchard-Aneurysmen Definition Mikroaneurysmen (0,2–1 mm) kleiner zerebraler Arterien und Arteriolen im Rahmen der zerebralen Mikroangiopathie. 3
3
Grundlagen Ungeklärte Bedeutung für die Pathogenese der hypertensiven Hirnblutungen.
Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Synonyme Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN), Charcot-Marie-Tooth-Syndrom 3
Definition Hereditäre motorische und sensible Neuropathien wurden erstmals von Charcot und Marie als „peronaeale oder neurale Muskelatrophien“ beschrieben. Während sich später anhand klinischer Gesichtspunkte eine Einteilung dieser Erkrankungen nach Dyck als HMSN 1–7 durchsetzte, wurde in der Genetik die Bezeichnung Charcot-Marie-Tooth-Syndrom (CMT) beibehalten. Je nach molekulargenetischem Befund wird die Bezeichnung CMT ergänzt (z. B. CMT 1A). Dabei werden Untergruppen mit autosomalen Mutationen mit A, B, C usw. bezeichnet, X-chromosomale Mutationen dagegen mit X1, X2 usw. [1]. Die CMT 1 entspricht der HMSN 1, die CMT 2 der HMSN 2; insgesamt sind die Gruppen aber nicht immer identisch mit der HMSN-Einteilung, z. B. ist die CMT 4 nicht gleich der HMSN 4. Eine weitere hereditäre Neuropathie ist die Déjerine-Sottas-Erkrankung, welche der HMSN 3 entspricht. 3
Einleitung Klinisch stehen distal und beinbetonte Muskelatrophie, Hohlfußbildung durch Myatrophie, Unterschenkelatrophie (“Storchenbeine”),
Steppergang und distal betonte Hypästhesie und Hypalgesie im Vordergrund. Der Erbgang kann autosomal-dominant, autosomal-rezessiv, X-chromosomal sein. Für die Einteilung werden klinische, elektroneurographische, nervenbioptische und genetische Befunde herangezogen. Üblicherweise wird die Einteilung nach Dyck verwendet: Typ I bis III sind reine Polyneuropathien. Bei Typ IV bis VII liegen zusätzliche Symptome vor. * Typ I ist die hypertrophische Form der HMSN. Erkrankungsbeginn 5.–20. Lj. Nervenleitgeschwlindigkeiten an den Beinen unter 30 m/s. In der Biopsie Zwiebelschalenformationen, Hypertrophie des Perineuriums. De- und Remyelinisierung, sekundärer Axonverlust. Genetisch sind mindestens 8 Unterformen bekannt. Betroffene Proteine sind unter anderem P0, PMP22 und Connexin 32. * Typ II ist der axonale oder neuronale Typ der HMSN. Erkrankungsbeginn zwischen 20.–40. Lj. NLG nur leicht verzögert (35– 40 m/s an den Beinen). Im EMG subakute axonale Degeneration mit Nebeneinander von pathologischer Spontanaktivität und chronisch neurogenem Umbau gemessen an den Muskelaktionspotentialen. Histologisch überwiegend axonale Degeneration mit sekundärer Demyelinisierung. Nur vereinzelt Zwiebelschalenformationen. Genetisch sind mindestens 4 Unterformen bekannt. * Typ III ist die hypertrophische Form mit frühem Beginn und schwerem Verlauf (Dejerine-Sottas). Erkrankungsbeginn 1.–10. Lj. Elektroneurographisch Leitgeschwindigkeit meist unter 10 m/s. Histologisch ausgeprägte Hypo-, De- und Remyelinisierung, Zwiebelschalenformationen. Liquorgesamteiweiß bis 2000 mg/l. Es sind genetisch mindestens 3 Unterformen bekannt. Beteiligte Proteine vermutlich P0 und PMP22. * Typ IV entspricht dem Morbus Refsum ( Heredopathia atactica polyneuritiformis). In Deutschland bisher keine sicheren Fälle nachgewiesen. Autosomal-rezessiver Erbgang. Erkrankungsbeginn Kindheit bis 20. Lj. Polyneuropathie, Retinopathia pigmentosa, Ataxie. Deutlich verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit. Phytansäure im Serum erhöht. Histologisch segmentale Demyelinisierung, Zwiebelschalenbildung, lysosomale 3
232
Charles-Bonnet-Syndrom
*
* * *
Einschlüsse in Schwann-Zellen, hypertrophische Veränderungen. Typ V ist eine seltene autosomal-dominant vererbte Krankheit mit Polyneuropathie und spastischer Paraparese. Sensibilitätsstörungen stehen nicht im Vordergrund. Beginn im Jugendalter oder später. Nervenleitung normal oder gering verlangsamt. Im EMG subakute neurogene Läsion mit pathologischer Spontanaktivität und Zeichen eines chronisch neurogenen Umbaus. Histologisch Verlust myelinisierter Axone. Typ VI entspricht einer Kombination aus Typ I mit Optikusatrophie. Typ VII entspricht einer Kombination aus Typ I mit Retinopathia pigmentosa. Das Roussy-Levy-Syndrom entspricht einer Kombination aus Typ I (seltener II) und essentiellem Tremor.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Elektroneurographie, Elektromyographie und Nervenbiopsie. Ggf. genetische Untersuchung je nach Erkrankung.
Therapie Symptomatische Therapie, Peronaeusschiene, Krankengymnastik.
Nachsorge Vorstellung in längeren Abständen, etwa einmal in 1–3 Jahren an einem spezialisierten Zentrum erscheint sinnvoll.
Bewertung Eine diagnostische Einordnung ist vor allem auch zur Abschätzung der Prognose sinnvoll.
Prognose Unterschiedlich je nach Krankheit.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Phytansäurearme Diät bei Morbus Refsum.
Literatur 1. Martini R, Zielasek J, Toyka KV (1998) Inherited demyelinating neuropathies: from Gene to disease. Curr Opin Neurol 11: 545–556.
233
Charles-Bonnet-Syndrom Definition Das Charles-Bonnet-Syndrom beschreibt komplexe visuelle Pseudohalluzinationen bei Patienten, welche primär an einer Schädigung des visuellen Systems leiden.
Einleitung Die Halluzinationen treten bei ca. 10% aller Patienten mit schwerer Visusminderung oder Blindheit auf, wobei älterer Menschen vorrangig betroffen sind. Die Halluzinationen sind komplex und haben oft szenischen Charakter. Sie treten üblicherweise bei geöffneten Augen auf und können Minuten bis zu einigen Stunden andauern. Die Patienten sind sich der Irrealität der Halluzinationen bewusst, können diese durch bestimmte Handlungen (Augenbewegungen, Augenzwinkern oder - schließen) unterdrücken und haben insgesamt einen eher geringen Leidensdruck.
Differenzialdiagnose Komplex visuelle Halluzinationen können bei zahlreichen anderen Erkrankungen auftreten, die dabei häufig mit einer Schlafstörung vergesellschaftet sind. Differenzialdiagnostisch sind dabei zu erwähnen: das Narkolepsie-Kataplexie-Syndrom, Läsionen des rostralen Hirnstamms („peduncular hallucinosis“), ein Morbus Parkinson unter medikamentöser Therapie, eine Lewy-Body-Demenz ohne Therapie, Migräne, Schizophrenie, Epilepsie und durch Halluzinogene verursachte Zustände. Vorgeschlagen sind folgende diagnostischen Kriterien: 1. Visuelle Halluzinationen bei älteren Personen ohne Bewusstseinsstörungen 2. Visusminderung (fakultativ) 3. Ausschlusskriterien: Bewusstseinstrübung, Demenz oder Debilität, organisch bedingte affektive Störung, Wahnwahrnehmung, Psychose, Intoxikation, neurologische Erkrankung mit Läsionen der visuellen Bahnen, bzw. des Kortex [1]. 1. Visuelle Halluzinationen, die * geformt * komplex * andauernd oder intermittierend * stereotyp erscheinen 2. Vollständige Einsicht
C
234
Cheiralgie
3. Keine primäre oder sekundäre Wahnwahrnehmung 4. Keine Halluzinationen anderer Modalität [2].
Therapie Die in der Literatur beschriebenen Therapieempfehlungen sind Einzelfallbeschreibungen und eher empirischer Natur.
Cheiralgie Synonyme Cheiralgia paraesthetica
Definition Schädigung der distalen Endäste des R. superficialis N. radialis an der radialen Daumenseite [1, 2].
gesichert
Einleitung
Es gibt keine durch kontrollierte Studien gesicherte Therapie.
Als Ursachen kommen Druckläsionen (z. B. durch Uhrarmbänder oder Werkzeuge wie Scheren) oder wiederholte Pro- und Supinationsbewegungen in Frage. Klinisch bestehen Hypästhesie/-algesie und Dysästhesien vor allem am Daumenrücken, aber keine motorischen Ausfälle [1, 2].
empirisch Ein Therapieversuch kann mit Valproat (400– 800 mg/die), Melperon (25–100 mg/die), Cisaprid oder Carbamazepin erfolgen [3, 4]. Eine Kombination aus Carbamazepin und Clonazepam wurde bei Einzelfällen beschrieben [5]. unwirksam/obsolet Bis auf oben genannte Ausnahmen haben sich Neuroleptika, Antidepressiva oder Benzodiazepine als unwirksame Therapie erwiesen.
Differenzialdiagnose Andere distale Radialisläsionen, z. B. Schnittverletzungen am Unterarm oder Verletzung des Nerven durch Venenpunktion (Braunüle), Shuntanlage bei Dialyse, Druckeinwirkung durch Handschellen.
Prophylaxe
Prognose
Vermeiden der auslösenden Tätigkeit.
Die Prognose ist gut, da die Pseudohalluzinationen nach einigen Wochen bis Monaten verschwinden. Der Patient sollte über die Art Erscheinungen und die Benignität des Syndroms beruhigend aufgeklärt werden und darauf hingewiesen werden, dass die Trugbilder meist durch bestimmte Augenbewegungen (s.o.) verschwinden.
Therapie
Literatur 1. Podoll K et al. (1989) Das Charles-BonnetSyndrom. Fortschr Neurol Psychiatr 57:43–60. 2. Gold K & Rabins PV (1989) Isolated visual hallucinations and the Charles Bonnet syndrome: a review of the literature and presentation of six cases. Compr Psychiatry 30:90–98. 3. Hori H et al. (2000) Treatment of Charles Bonnet syndrome with valproate. Int Clin Psychopharm 15:117–119. 4. Batra A et al. (1997) Therapeutic options in Charles Bonnet syndrome. Acta Psychiatr Scand 96:129–133.5. Terao T (1998). Effect of Carbamazepine and clonazepam combination on Charles Bonnet syndrome: a case report. Hum Psychopharmacol Clin Exp 13:451–453.
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Die Druckeinwirkung oder die wiederholten Pround Supinationen sollten vermieden werden.
Literatur 1. Massey EW (1998) Sensory mononeuropathies. Semin Neurol 18: 177–183. 2. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Chemoprophylaxe, Meningitis Zubereitungen Tabletten, Ceftriaxon als Lösungsmittel zur i . m.-Gabe.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Empfohlene Dosierung von Rifampicin (Rifa®) per os: Alternativ, jeweils nur einmalige Gabe:
Chemotherapie, intrathekale
235
Chemoprophylaxe, Meningitis. Tab. 1: Dosierungsempfehlung zu Rifampicin (Rifa®) Erreger
Erwachsene
Kinder (1 Monat–12 Jahre)
Kinder <1 Monat
Meningokokken-Menin- 2×600 mg/die für gitis 2Tage
2×10 mg/kgKG für 2 Tage
2×5 mg/kgKG für 2 Tage
Haemophilus-Typ-BMeningitis
20 mg/kgKG (max. 600 mg/die) für 4 Tage
10 mg/kgKG für 4 Tage
2×600 mg/die für 4 Tage
Ceftriaxon (Rocephin®): Erwachsene 250 mg i. m., Kinder 125 mg i. m. Ofloxacin (Tarivid®) 400 mg p. o. Ciprofloxacin (Ciprobay®) 500 mg p. o.
Literatur 1. Pelota H (1999) Prophylaxis of bacterial meningitis. Infectious Disease Clinics of North America, 3:658–710.
Anwendungsgebiete
Chemosis Synonyme Griech.: Entzündliche Augenkrankheit
Definition Ödeme der Bulbusbindehaut mit blasenartiger Abhebung der Lederhaut.
Differenzialdiagnose Sinus cavernosus, Fistel, dysthyreote Ophthalmopathie, Myositis, okuläre. 3
3
Empfohlen für Menschen, die in engem Kontakt (Aufenthalt in gleichem Raum >4 h/die) zu Patienten mit Haemophilus-influenza-Typ-Boder Meningokokken-Meningitis ( Meningitis) in den Tagen vor Beginn der Erkrankung, bzw. für medizinisches Personal, das vor der ersten Antibiotikagabe in direktem Kontakt mit Sputum oder Speichel des erkrankten Patienten standen. Das Erkrankungsrisiko für enge Kontaktpersonen liegt etwa 200– 1000mal über dem der Allgemeinbevölkerung. Mittel der ersten Wahl ist Rifampicin (Rifa®) p. o., alternativ Behandlung mit Ceftriaxon (Rocephin®), Ofloxacin (Tarivid®), Ciprofloxacin (Ciprobay®).
Therapie Behandlung der Grunderkrankung.
3
Unerwünschte Wirkungen Keine Nebenwirkungen bei kurzfristiger Anwendung.
Chemotherapie, intrathekale Zubereitungen
Bewertung Trotz Chemoprophylaxe kann es zu einem Krankheitsausbruch kommen, sodass eine sorgfältige Beobachtung der Kontaktpersonen erforderlich ist. Eine Chemoprophylaxe bei Schwangeren sowie bei Einnahme oraler Kontrazeptiva und oraler Antikoagulation (mögliche Wechselwirkung) sollte nicht mit Rifampicin durchgeführt werden, eine i. m.-Gabe von Ceftriaxon ist die Alternative. Sollte eine Zunahme der Resistenz gegenüber Rifampicin auftreten, ist die einmalige Gabe von Orofloxacin oder Ciprofloxacin ratsam.
Zur intrathekalen Chemotherapie sind Methotrexat (MTX), Cytosin-Arabinosid (Ara-C), Thiotepa und Steroide, z. B. Prednisolon, zugelassen.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Die Substanzen werden für die intrathekale Chemotherapie besonders zubereitet.
Wirkungen MTX ist ein Folsäreantagonist, Ara-C ebenfalls ein Antimetabolit, Thiotepa ein Alkylanz. Steroide besitzen eine zytotoxische Wirkung bei lymphozytären Tumorzellen.
C
236
Cheyne-Stokes-Atmung
Pharmakologische Daten Abhängig von ihrer schlechten Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schrankengängigkeit besitzen die o. g. Substanzen nur eine geringe Eindringtiefe in das dem Ependym benachbarte Gehirnparenchym. Bei MTX sind dies lediglich 1–2 mm. Dies bedeutet, dass lokal im Liquorkompartiment und an den Meningen zytotoxische Konzentrationen erreicht werden können, nicht jedoch im Gehirn. Bei der intrathekalen Applikation, d. h. bei einer mittels Lumbalpunktion durchgeführten Instillation in das Liquorkompartiment ist die Pharmakokinetik schlecht kalkulierbar, sodass die lumbal und ventrikulär erzielten Konzentrationen um den Faktor 50 differieren können. Deshalb bevorzugen die Autoren die Applikation über ein subgaleales Reservoir mit Anschluss an das Ventrikelsystem (Ommaya- oder Rickham-Reservoir), die jedoch mit einer höheren Rate an iatrogenen Ventrikulitiden assoziiert ist.
Anwendungsgebiete Die intrathekale, oder besser die intraventrikuläre Applikation, ist indiziert bei der leptomeningealen Karzinomatose, mit den besten Ansprechraten beim Mammakarzinom, bei der leptomeningealen Aussaat von Leukämien und bei Beteiligung der Meningen im Rahmen primärer oder sekundärer ZNS-Lymphome.
Dosierung/Anwendung Bei ZNS-Lymphomen und Leukämien sind die Dosierungen abhängig von den komplexen Therapieprotokollen. Bei meningealer Karzinomatose werden initial 12–15 mg MTX pro Einzelgabe, dies 2×pro Woche für 4 Wochen gegeben und dann bei Ansprechen in immer größeren Abständen bis zu Erhaltungstherapien mit der gleichen Einzeldosis alle 4 Wochen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Die synergistische neurotoxische Wirkung von intraventrikulärer MTX-Gabe und Gehirnbestrahlung muss unbedingt berücksichtigt werden. Bei der leptomeningealen Karzinomatose ist die Bestrahlung solider meningealer Tumorknoten und bei Progress der Symptomatik eine Ganzhirnbestrahlung indiziert, zumal die Patienten ganz überwiegend wegen der sehr schlechten Prognose Strahlenspätfolgen nicht erleben werden.
Cheyne-Stokes-Atmung Definition Zentrale Atemstörung mit rhythmischem Wechsel der Atemtiefe und - frequenz (CrescendoDecrescendo-Charakter) sowie interponierten Atempausen.
Einleitung Die Cheyne-Stokes-Atmung ist eine Form der periodischen Atmung, deren Ursache eine Unterbrechung hemmender nervaler Impulse bei einer Schädigung des Mittelhirns, bei bilateraler Hemisphärenläsion mit drohender Einklemmung, frontodienzephalen Schädigungen und bei hypoxischem oder metabolischem Koma ist. Dieser Schädigung können verschiedenste Ursachen zugrunde liegen, u. a. Enzephalitiden, Schädel-Hirn-Traumata und Zirkulationsstörungen (auch aufgrund kardialer Erkrankungen). Dabei kommt es zu einer Kombination aus gesteigertem Atemantrieb des Hirnstamms bei CO2-Anstieg und vermindertem frontalem Atemantrieb während des CO2-Abfalls. Bei gesunden Personen findet man diesen Atemtypus z. T. im Schlaf oder nach raschem Aufstieg in große Höhen.
Unerwünschte Wirkungen
Differenzialdiagnose
Neben der iatrogenen Ventrikulitis/Meningitis kommen selten aseptische („Reiz-“)Meningitiden vor mit Zephalgien, Fieber und Nackensteifigkeit, die zu sorgfältiger mikrobiologischer Diagnostik führen müssen. Selten und gefürchtet sind generalisierte Krampfanfälle, Leukenzephalopathien, insbesondere bei gestörter Liquorzirkulation und Myelopathien mit aufsteigender Tetraparese.
Bei kaudalen Hirnstammschädigungen können der Cheyne-Stokes-Atmung ähnliche Atemtypen auftreten, die aber ein unregelmäßigeres Atemmuster zeigen, z. B. Cluster-Atmung, ataktische Atmung.
Prophylaxe Die Prophylaxe richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung.
Chinin
Therapie
237
Intubation und Beatmung. Behandlung der Grundkrankheit.
wird durch Chinin herabgesetzt und die Reaktionen auf wiederholte nervöse Stimuli und auf Acetylcholin werden durch Chinin reduziert.
Nachsorge
Resorption
Die Nachsorge richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung.
Nach p. o. Aufnahme wird Chinin schnell und nahezu quantitativ vorwiegend im oberen Dünndarm resorbiert. Die maximalen Plasmawerte sind nach p. o. Applikation nach 1–3 h erreicht.
Prognose Die Prognose richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung.
Verteilung
Chinarestaurant-Syndrom Natriumglutamatkopfschmerz
Chinin hat eine Plasmaproteinbindung von 88– 92%. In den Erythrozyten Gesunder liegt der Chiningehalt 3–5fach und in parasitierten Erythrozyten 20- bis zu 100fach höher als im Plasma. In den übrigen Organen ist die Verteilung weitgehend gleichmäßig. Im Liquor werden zeitgleich nur 7% der Serumwerte erreicht.
3
Elimination
Chinin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Chininum hydrochloricum 0,25 g Drg.®, Limptar®, - N, Tbl.
Wirkungen Chinin, das Hauptalkaloid aus der Rinde des Chinabaumes, erlebte in der Malariatherapie eine Renaissance. Für die p. o. Verabreichung wird vor allem das Chininsulfat, für die i. v. Applikation das bessere lösliche Chinindihydrochlorid (1 g Base=1,2 g Salz) eingesetzt. Chinin wird insbesondere zur Therapie chloroquinoder multiresistenter Plasmodium falciparumInfektionen (=Malaria tropica) eingesetzt. Es gibt aber auch Chinin-resistente Fälle, hier sind Kombinationen z. B. mit anderen Malariamitteln oder bei hochgradiger Multiresistenz mit Tetrazyklin erforderlich. Chinin wirkt auf die erythrozytären Schizonten aller MalariaArten des Menschen (Plasmodium falciparum, Plasmodium malariae, Plasmodium ovale, Plasmodium vivax). Chinin findet in der Neurologie Einsatz zur Prophylaxe und Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe (200–300 mg). Die muskelrelaxierende Wirkung beruht auf der antagonistischen Wirkung zum Physostigmin auf die Skelettmuskulatur, wie sie auch beim Curare gegeben ist. Die Erregbarkeit der motorischen Endplatten
Chinin wird zu 95% in metabolisierter Form vorwiegend über den Harn ausgeschieden. Die Ausscheidung beginnt 1 h nach Verabreichung und ist nach 48 h weitgehend abgeschlossen. Die oxidative Metabolisierung erfolgt in den Mikrosomen der Leberzellen. Die Angaben zur Halbwertzeit liegen zwischen 11,4±2 h und 16,4 h. Bei Kindern ist die Halbwertzeit verkürzt (3,0–10,7 h). Bei saurem Urin wird Chinin doppelt so schnell ausgeschieden wie bei alkalischem. In letzterem Fall kann es zu einer tubulären Resorption kommen. Auch bei mehrtägiger Behandlung kommt es nicht zu einer kumulativen Anreicherung. Die Pharmakokinetik von Chinin ist in Malariapatienten anders als in Gesunden: So ändert sich z. B. auch die systemische Clearance von 0,9 ml/ kg/min in denselben Patienten im Verlauf der Rekonvaleszenz.
Dosierung und Art der Anwendung Therapie chloroquin- und multiresistenter Malaria tropica (Plasmosium flaciparum: Chininsulfat p. o. Erwachsene 3× täglich 650 mg für 10–14 Tage. Bei multiresistenter Malaria Kombination mit anderen Malariamitteln. Liegt Resistenz gegenüber allen verfügbaren Malariamitteln vor, ist die Chinintherapie zu kombinieren mit Gaben von Tetrazyklin (15 mg/kg/d), aufgeteilt in 4 Gaben für 7 Tage. Nächtliche Wadenkrämpfe: Erwachsene 200– 300 mg vor dem Schlafengehen.
C
238
Chiray-Foix-Nicolesco-Syndrom
Unerwünschte Wirkungen Zentralnervöse Störungen (Kopfschmerz, Tinnitus, verschiedenartige Sehstörungen) bei hohen Dosen. Zusätzlich können sich einstellen: Verwirrtheitszustände, massiver Blutdruckabfall und ventrikuläre Arrhythmien (besonders bei zu schneller i. v. Injektion von Chinin). Hämolyse mit Hämoglobinämie und Hämoglobinurie nur bei Malariatherapie. Asthma bei Chinin-Überempfindlichkeit auftreten. Gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe), Hauterscheinungen (Rötung, Ausschlag oder Schweißausbruch, gelegentlich Hautödeme, vor allem im Gesicht) kommen vor. Chinin nicht i. m. applizieren, wegen der Ausbildung (steriler) Abszesse, außerdem sind i. m. Injektionen schmerzhaft.
Chiray-Foix-Nicolesco-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion im oberen Teil des Nucleus ruber im Mittelhirn (Benennung nach Erstbeschreibern)
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss eines kleinen, von der A. basilaris abzweigenden, den Hirnstamm penetrierenden Gefäßes zu einer Läsion im Bereich des kranialen Anteils des Nucleus ruber im Mittelhirn mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: Kontralaterale Hyperkinesien, Intentionstremor, sensomotorische Hemiparese und eventuell Hemiataxie.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie 3
Chinin darf nicht angewandt werden bei Chininallergie, Tinnitus, Schädigung des Nervus opticus, Glukose-6-phosphat-DehydrogenaseMangel, Myasthenia gravis, Schwangerschaft und in der Stillzeit. Bei Herzrhythmusstörungen vorsichtig dosieren.
Hirninfarkt
Nachsorge Hirninfarkt
Wechselwirkungen
3
Chinin kann diejenigen Leberenzyme hemmen, die für die Bildung von Vitamin K-abhängigen Faktoren verantwortlich sind; entsprechend kommt es zu einer Steigerung der Wirkung von Antikoagulantien. Azetazolamid, Natriumcarbonat u. a. Stoffe, die zu einer Alkalisierung des Urins führen können, bewirken eine verzögerte Chininausscheidung und führen damit zu erhöhten Plasmaspiegeln, diese können auch bei gleichzeitiger Gabe von Chinin und Digoxin und Digitoxin auftreten. Neuromuskulär blockierende Stoffe wir z. B. Pancuronium, Succinylcholin und Tubocurarin werden durch Chiningabe in ihrer Wirkung potenziert mit der Folge von Störungen bei der Atmung.
Prognose
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Lebensbedrohliche Intoxikationen bei Einnahme von 1–2 g für Kleinkinder, 2 g für herzkranke Erwachsene, 6 g für herzgesunde Erwachsene, 8 g wirken letal. Neben schweren zentralnervösen Störungen treten kardiale Komplikationen auf. Es kann zu irreversiblen Nervenschäden (bes. Nervus opticus) kommen.
3
Überdosierung
Hirninfarkt. Die Prognose ist abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen
Hirninfarkt
Chloramphenicol Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Chloramsaar® N/-500 Kps.; Paraxin® pro injectione Trockensubstanz.
Wirkungen Chloramphenicol interagiert mit einer Bindungsstelle am Ribosom, die auf der S-50-Untereinheit liegt, was zur Hemmung der Peptidyltransferase führt. Auf diese Weise werden die Polysombildung und die Eiweißsynthese verhindert. Chloramphenicol wirkt bakteriostatisch auf intra- und extrazellulär gelegene
Chloramphenicol
Keime. Da Chloramphenicol auch die Proteinsynthese in den Mitochondrien hemmt, können einige schwere unerwünschte Wirkungen resultieren. Chloramphenicol besitzt ein breites Wirkungsspektrum gegenüber aeroben und anaeroben grampositiven und gramnegativen Keimen, einschließlich Spirochäten, Rickettsien, Mijagawanellen (Chlamydien u. a.) und Mycoplasmen. Besondere klinische Relevanz besitzt die Wirkung gegen Salmonella typhi und paratyphi B. Die MHK-Werte liegen bei 2–12 (–24) μg/ml. Allerdings müssen bei Werten über 10 μg/ml die entsprechenden Keime als resistent gelten. Pseudomonas-Arten werden nicht erfasst. Eine Resistenzausbildung erfolgt chromosomal über R-Plasmide.
Resorption Nach peroraler Applikation wird Chloramphenicol rasch (maximale Plasmagehalte nach 2– 3 h) und praktisch vollständig (90%) resorbiert. Bei i. v. Injektion werden rasch hohe Serumspiegel erzielt, die aber aufgrund der kurzen Eliminationshalbwertzeit schnell wieder absinken. Entgegen früheren Vorstellungen wird Chloramphenicol auch nach i. m. Applikation rasch und vollständig resorbiert, so dass – im Vergleich zur i. v. Gabe – keine Differenzen bei den maximalen Blutspiegeln und den AUCWerten auftreten. Die rektale Applikation ist wegen der unsicheren Resorption nicht zu empfehlen. Im Allgemeinen diffundiert Chloramphenicol gut in den Liquor (etwa 50%). Im Einzelfall können aber sehr unterschiedliche Konzentrationen auftreten, z. B. in Abhängigkeit vom Grad der Entzündung (Eiweißgehalt), von der Therapiephase, da die Steady-StateKonzentrationen im Liquor langsamer erreicht werden als im Blut.
Wirkungsverlauf Chloramphenicol ist als bitter schmeckende, schlecht wasserlösliche, aber gut fettlösliche Substanz zur therapeutischen Anwendung primär nur ungenügend geeignet. Das unveränderte Chloramphenicol kann nur peroral in Form von Dragees oder Kapseln appliziert werden. In der Pädiatrie werden die schlecht wasserlöslichen, aber geschmacklosen Ester Chloramphenicolpalmitat und Stearylglycolat (als Granulat für Suspensionen) angewandt. Das sehr gut wasserlösliche Chloramphenicol-monosuccinat-Na (=Hemisuccinat-Na) wird zur parentera-
239
len Applikation verwendet. Die Ester sind nicht antibakteriell wirksam, werden aber durch die körpereigenen Esterasen rasch gespalten, so dass das wirksame Chloramphenicol freigesetzt wird. Daraus resultiert aber, dass die Instillation der Ester in esterasefreie Kompartimente, z. B. in die Bauchhöhle, keine Wirkung haben kann. Das wasserlösliche Azidamphenicol wird nur in Augentropfen angewandt.
Elimination Chloramphenicol wird zu 80% biotransformiert. Die Ausscheidung erfolgt zu 90% renal, davon 5–15% unverändert, und zu 10% enteral. Da die Glucuronide tubulär sezerniert werden, resultieren die kurzen Eliminationshalbwertzeiten bei Erwachsenen von 1,5–6 h. Bei Säuglingen und Neugeborenen betragen sie hingegen 10 bzw. 25–30 (–300) h. Nierenfunktionsstörungen: Elimination wird nicht verzögert, Metaboliten können kumulieren. Leberfunktionsstörungen: Eliminationshalbwertzeit bei Patienten mit portaler Hypertension, extrahepatischer Obstruktion 7–8 h, Budd-ChiariSyndrom 8–9 h, akuter Hepatitis, Zirrhose 10–12 h im Vergleich zu Probanden 4–5 h.
Anwendungsgebiete Schwere Salmonellen-Infektionen (Sepsis, Meningitis, Typhus, Paratyphus), lebensbedrohliche intraokuläre Infektionen, Hirnabszess, Rickettsiosen; Lokalbehandlung von Haut und Augen; unverzichtbares Antibiotikum in den Tropen und Subtropen, da stabil, billig und wirksam.
Dosierung und Art der Anwendung Erwachsene: 2,0 g/d in vier Einzeldosen, maximal 10 Tage (pro Therapie nicht mehr als 20,0 g). Kinder und Säuglinge: 50–80 mg/kg/ d, Neugeborene (1. und 2. Lebenswoche): 25 mg/kg/d (Kinder pro Therapie nicht mehr als 750 mg/kg). Blutspiegelkontrollen sind indiziert, damit der Bereich zwischen 10 und 20 μg/ml Serum eingehalten und 25 μg/ml nicht überschritten werden. Häufigere Kontrollen sind notwendig bei Patienten, die enzyminduzierende Wirkstoffe erhalten. Bei der Meningitistherapie, bei Ventilinfektionen sind Liquorkontrollen unumgänglich.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Wirkungen an der Haut und an den
C
Chlordiazepoxid
Schleimhäuten sind selten. Extrem selten (1:18.000 bis 1:50.000–1:600.000) können irreversible letale Knochenmarksaplasien auftreten, bisweilen erst 3–6 Monate nach Abschluss der Therapie, so dass der Kausalzusammenhang zweifelhaft bleiben mag. Opticus- und periphere Neuropathien treten sehr selten auf und nur bei überdurchschnittlich langer Behandlung mit sehr hohen Dosen. Eine reversible, dosisabhängige Suppression der Erythropoese tritt häufiger bei Blutspiegeln >20 μg/ml auf (sogenannte frühe Toxizität). Lokale Reizerscheinungen des Gastrointestinaltraktes sind selten. JarischHerxheimer-Reaktionen sind infolge massiver Initialbehandlung (Typhus, Brucellose) möglich.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Blutkrankheiten (aplastische Anämie, Pancytopenie), schwere Leberfunktionsstörungen, Schwangerschaft, Stillperiode.
Wechselwirkungen Chloramphenicol wirkt als Enzyminhibitor, wodurch die Elimination von Tolbutamid, Chlorpropamid, Phenytoin, Dicoumarol und Cyclophosphamid deutlich protrahiert wird mit der Gefahr der Kumulation und toxischer unerwünschter Wirkungen. Paracetamol, Cotrimoxazol, Isoniazid, Phenytoin und Penicillin erhöhen und Phenobarbital senkt den Chloramphenicol-Gehalt im Blut. Die Kombination mit hämatotoxischen Wirkstoffen (z. B. Phenothiazine, Phenylbutazon, Phenytoin, Sulfonamide) kann Blutbildschäden hervorrufen und ist zu vermeiden. Chloramphenicol kann die Methotrexat-Toxizität erhöhen. Eine Kombination von Chloramphenicol (bakteriostatisch) mit bakteriziden Antibiotika wird generell abgelehnt, da häufig mit einem Antagonismus zu rechnen ist. Andererseits ist bekannt, dass Chloramphenicol in vitro die Synthese von Beta-Lactamasen hemmen kann, wodurch Beta-Lactamase resistente Stämme wieder sensibel werden.
Chlordiazepoxid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Librium® Tabs, Multum® 5/10/25 Filmtbl., Radepur® 10.
Wirkungen Chlordiazepoxid ist ein psychotroper Wirkstoff aus der Klasse der Benzodiazepine, deren spezifische pharmakologische Eigenschaften sich durch angst- bzw. spannungslösende, antikonvulsive, sedativ-hypnotische, über zentrale Mechanismen vermittelte muskelrelaxierende und amnestische Wirkungen auszeichnen ( Diazepam). 3
240
Resorption Nach peroraler Applikation wird Chlordiazepoxid schnell resorbiert. Die Bioverfügbarkeit beträgt nahezu 100%. Maximale Plasmakonzentrationen werden ca. 1–2 h nach Applikation erreicht. Nach i. m. Gabe wird Chlordiazepoxid langsam mit einer mittleren Halbwertzeit von 3 h resorbiert.
Elimination Chlordiazepoxid wird in der Leber zu mehreren, biologisch meist aktiveren Metaboliten (Desmethylchlordiazepoxid, Demoxepam, Desmethyldiazepam, Oxazepam) verstoffwechselt. Die Plasmahalbwertzeit von Chlordiazepoxid beträgt 15 h. Chlordiazepoxid passiert die Plazentaschranke und wird in die Muttermilch sezerniert. Die Elimination von Chlordiazepoxid ist im Alter und bei Erkrankungen der Leber deutlich verlangsamt.
Anwendungsgebiete Zur symptomatischen Behandlung von akuten und chronischen Spannungs-, Erregungs- und Angstzuständen. Trotz guter hypnotischer Wirkungen sollte Chlordiazepoxid nur dann als Schlafmittel eingesetzt werden, wenn gleichzeitig ausgeprägte Benzodiazepinwirkungen am Tag erwünscht sind. In vielen angelsächsischen Ländern gilt Chlordiazepoxid als Standardtherapie für die Behandlung des Alkoholentzugsdelirs.
Dosierung und Art der Anwendung Die perorale Tagesdosis liegt bei bis zu 60 mg, verteilt auf Einzelgaben, die 30 mg nicht überschreiten sollten. Bei der Behandlung des Alkoholentzugsdelirs werden perorale Tagesdosen bis zu 300 mg, im Einzelfall auch höher, eingesetzt.
Unerwünschte Wirkungen Die UW von Chlordiazepoxid entsprechen
Chlormezanon
denen anderer Substanz aus der Gruppe der Benzodiazepine (Diazepam).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Siehe Diazepam.
Wechselwirkungen Chlordiazepoxid kann die Wirkung anderer zentraldämpfender Medikamente und von Alkohol verstärken. Bei gleichzeitiger Einnahme mit Cimetidin kann die Wirkung von Chlordiazepoxid verstärkt und verlängert werden.
Toxikologische Eigenschaften Siehe Diazepam.
241
und vorzeitiger Geburt. Die Krankheit geht auf Mutationen des Furosemid-sensitiven NaK-2Cl-Kotransporter oder des einwärts rektifizierenden Kalium-Kanals ROMK zurück. Das klassische Bartter-Syndrom wird durch Mutationen des basolateralen Chloridkanals CLCKb zurück. Es macht sich meist im 1. Lebensjahr mit Dehydratation bemerkbar und geht in 20% mit Hypomagnesiämie einher sowie normaler oder vermehrter Kalziurie. Die Dent-Krankheit ist eine X-chromosomale renale tubuläre Krankheit, die durch Nephrolithiasis, Nephrokalzinose, Nierenversagen, Hyperkalziurie und Proteinurie mit geringem Molekulargewicht charakterisiert ist. Ursache sind Mutationen im X-gebundenen renalen Chloridkanal-Gen CLCN5.
Chloridkanäle, Erkrankungen Chlormezanon
Definition Erkrankungen, die durch eine gestörte Funktion von Chloridkanälen bedingt sind.
Grundlagen Chloridkanäle kommen in der Plasmamembran und in intrazellulären Organellen vor. Sie dienen der Ionenhomöostase, der Regulation des Zellvolumens, dem transepithelialen Transport, der Regulation der elektrischen Erregbarkeit und der synaptischen Informationsübertragung. Funktionsverlust bestimmter Chloridkanäle für den transepithelialen Transport führt zu zystischer Fibrose, zum Bartter-Syndrom oder DentSyndrom. Fehlfunktion von Chloridkanälen führt zur Muskelmembranübererregbarkeit bei der Myotonia congenita ( Myotonie/myotone Syndrome, kongenitale myotone Syndrome). Eine verminderte Chloridleitfähigkeit ist ferner die Ursache der zystischen Fibrose. In Knockout-Mäusen führt das Fehlen bestimmter Chloridkanäle darüber hinaus zu Blindheit. Renaler Salzverlust und hypokaliämische metabolische Alkalose (Bartter-Syndrom) kommt in 3 Formen vor. Mutationen des Thiazid-sensitiven NaCl-Kotransporters NCCT des distalen Tubulus (Gitelman-Variante des Bartter-Syndroms) manifestieren sich in Kindheit oder Jugend mit Tetanieattacken. HyperprostaglandinE-Syndrom. Das vorgeburtliche Bartter-Syndrom ist eine lebensbedrohliche Neugeborenenkrankheit mit Polyhdramnion, Hyposthenurie, Nephrokalzinose, Entwicklungsverzögerung
Wirkungen Chlormezanon wirkt im Tierexperiment zentral muskelrelaxierend (myotonolytisch), sowohl auf der Ebene des Rückenmarks (spinal) durch Dämpfung polysynaptischer Reflexe als auch mit einer supraspinalen Komponente. Pharmakologisch steht das Chlormezanon dem Meprobamat nahe. Es hat dementsprechend eine sedative und anxiolytische (tranquilisierende) Wirkungskomponente. Auch eine analgetische Wirksamkeit wird beschrieben. In mehreren klinischen Studien wird eine therapeutische Wirksamkeit des Chlormezanons bei schmerzhaften Muskelspasmen im Gefolge akuter und chronischer Tendomyopathien, Lumbalgien, Hals- und Lendenwirbelsyndromen und Sportverletzungen mit einer Abnahme der Schmerzhaftigkeit und der Spasmen sowie einer verbesserten Beweglichkeit beschrieben. Es handelt sich jedoch ausnahmslos um Kurzzeitstudien von 3–20 Tagen und die meisten Studien genügen den heutigen Anforderungen an eine kontrollierte klinische Studie nicht. Ein Teil der therapeutischen Erfolge ist möglicherweise auf die sedative und anxiolytische Wirkung zurückzuführen.
Resorption Nach p. o. Gabe einer Einzeldosis von 400 mg Chlormezanon treten peak-Plasmakonzentrationen nach 2 h auf.
C
3
242
Chlorpromazin
Elimination Chlormezanon (oder sein wirksamer Hauptmetabolit) wird mit einer Halbwertzeit von 24– 40 h renal eliminiert. Hauptmetabolit im Urin ist die 4-Chloro-Hippursäure.
Anwendungsgebiete Chlormezanon wurde als Myotonolytikum bei verschiedenen weichteilrheumatischen Schmerzen und Spannungszuständen verwendet. Es wurde 1998 wegen häufig auftretender allergischer Hautreaktionen und Leberfunktionsstörungen aus dem Markt genommen.
Chlorpromazin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Propaphenin® Filmtbl., Tropfen, Inj.lösg.
Wirkungen Chlorpromazin gehört zu den Neuroleptika mit einer mittelstarken antipsychotischen Potenz (Tagesdosis 75–2.000 mg), die sich in der symptomatischen Unterdrückung der sogenannten Plussymptome der Schizophrenie widerspiegelt. Dazu gehören besonders Halluzinationen, Ichstörungen, Wahnideen und Störungen des Denkens. Der Effekt entwickelt sich frühestens nach zweiwöchiger Behandlung. Für den antipsychotischen Effekt wird die Blockade dopaminerger (DA2) Rezeptoren verantwortlich gemacht, die bei Chlorpromazin schwach ausgeprägt ist. Eine bevorzugte Blockade mesolimbischer bzw. mesokortikaler Dopaminrezeptoren ist nicht vorhanden. Die stark sedierende, sofort auftretende Wirkung des Arzneistoffes (50 mg) ist durch eine Blockade zentraler Histamin (H1)-Rezeptoren bedingt. Zum Wirkungssprektrum gehören antiemetische (10–50 mg), anxiolytische (50 mg), temperatursenkende und analgetische Effekte.
mazin sein. Bei Rauchern ist die Konzentration im Plasma signifikant niedriger.
Elimination Hauptmechanismen der Elimination von Chlorpromazin sind jejunale und hepatische Biotransformationen mit nachfolgender renaler Exkretion. Nur 2% von Chlorpromazin finden sich unverändert im Urin. Hauptmetabolite sind Chlorpromazin-sulfoxid, N-Desmethyl-Chlorpromazin sowie 7-Hydroxy-Chlorpromazin.
Anwendungsgebiete Schizophrene Syndrome mit vorwiegend psychomotorischer Erregung und Angst, agitierte Depressionsformen (100–300 mg), Angst- und Erregungszustände unterschiedlicher Genese (bis 50 mg), symptomatischen Therapie der extrapyramidalen Störungen bei Chorea Huntington, Zusatztherapie bei bestimmten Schmerzerkrankungen.
Unerwünschte Wirkungen Selten Agranulozytose. Senkung der Krampfschwelle. Störungen der extrapyramidalen Motorik sind die Ausnahme und an höhere Plasmakonzentrationen gebunden. Typisch sind dosisabhängig auftretende orthostatische Kreislauflabilität mit Hypotension und Reflextachykardie. Selten Cholestase mit Ikterus (etwa 1:10.000). Photosensibilisierung in 3%. Nach längerer Anwendung sind Ablagerungen auf Cornea und Linse möglich (20–30%).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei Leberparenchymschaden ist Chlorpromazin absolut kontraindiziert. Bei Arteriosklerose mit zerebraler Beteiligung, cardiovaskulärer Vorschädigung, zerebralen Krampfanfällen, Glaukom sowie bei Störungen des hämatopoetischen Systems ist Chlorpromazin nur unter speziellen Bedingungen indiziert. Im ersten Schwangerschaftsdrittel sowie in der Stillzeit keine Anwendung.
Resorption Nach peroraler Aufnahme wird Chlorpromazin enteral gut und vollständig resorbiert. PlasmaPeak-Werte werden nach 2–4 h erreicht. Typisch ist eine extreme Individualvariabilität. Hauptursache dürfte die unterschiedliche Kapazität der präsystemischen Biotransformation in Dünndarm und Leber und der variable Anteil von in Erythrozyten gespeichertem Chlorpro-
Wechselwirkungen Können bei allen Arzneimitteln mit einer hohen Plasmaproteinbindung sowie allen zentral dämpfenden Arzneistoffen (Potenzierung der dämpfenden Opiat-, Schlafmittel-, Alkohol-, Psychosedatia-, Antidepressiva-Wirkung) auftreten. Bei Kombination mit Lithium oder trizyklischen Antidepressiva sinkt die Plasmakon-
Chordom
zentration von Chlorpromazin. Während die hypotensive Wirkung von MAO-Hemmstoffen verstärkt wird, antagonisiert Chlorpromazin die Effekte anderer Antihypertensiva wie Clonidin, Methyl-Dopa oder Guanethidin.
Überdosierung Typische Symptome sind Schläfrigkeit, konfuses Verhalten, Krämpfe (tonisch-klonisch), dystone Reaktionen, Hypotension, Herzrhythmusstörungen, Hypothermie, zentral bedingte Ateminsuffizienz. Chlorpromazin besitzt kein Abhängigkeitspotential.
243
renziertes Chondrosarkom, myxoides Chondrosarkom
Definition Mesenchymaler, oft mit der Dura verbackener, bösartiger Tumor nicht meningoendothelialer Herkunft.
Einleitung Die Tumoren treten überwiegend im Kindesalter auf, gehen häufiger von knöchernen Strukturen der Wirbelsäule oder vom Schädel aus als von der Dura. Dennoch ist die ZNS-Manifestation die häufigste extraossäre Manifestation.
Diagnostik
Cholecalciferol-Mangel
Bildgebung, Histologie.
Vitamin D3-Mangel
Therapie
Cholinerge Krise
Bei Nachweis eines intrakraniellen, intraspinalen Chondrosarkoms ist der Ausschluss oder Nachweis eines extraneuralen Primärtumors durchzuführen. Die Behandlung richtet sich nach pädiatrischen onkologischen Protokollen.
Myasthenie, myastenische Syndrome, Myasthenia gravis
3 3
Chorda tympani Cholinesterasehemmer 3
Alzheimer-Erkrankung, Nootropika
Definition Myasthenie,
Grundlagen
Chondrome sind gutartige Tumoren, die vom Knorpelgewebe ausgehen.
Läsionen der Chorda tympani treten bei Fazialisläsionen proximal vom Foramen stylomastoideum auf, z. B. auch bei idiopathischen Fazialisparesen Parese, Fazialisparese. 3
3
Definition
3
3
Chondrom
Die Chorda tympani führt Geschmacksfasern zu den vorderen 2/3 der Zunge und Fasern zur Speichelsekretion. Sie ist der distalste vom N. fazialis abgehende Ast (noch distal vom N. stapedius).
Einleitung In der Neuroonkologie spielt das Chondrom im Gegensatz zum Chondrosarkom keine Rolle.
Chordom
3
Definition
Chondrosarkom Synonyme Typen: mesenchymales Chondrosarkom; diffe-
Das Chordom ist ein histologisch benigner Tumor, WHO-Grad I, der sich aus Resten der Chorda dorsalis entwickelt und in allen Abschnitten des Achsenskelettes auftreten kann.
C
244
Chordom, Klivus-Chordom
Einleitung
Nachsorge
Chordome sind zu 50% lokalisiert im Bereich des Os sacrums ( Chordom, sakrales), oder im perisellären Bereich, zu 35% vom Klivus ( Chordom, Klivuschordom) oder von den Clinoidfortsätzen ausgehend. Obwohl histologisch gutartig zeichnen sie sich durch eine hohe Rezidivrate und durch ein ausgesprochen invasives Wachstum aus.
Die häufigen Rezidive erfordern regelmäßige klinische und neurologische Kontrollen. Nach Bestrahlung sind enokrine Funktionsstörungen möglich, die mit einer Latenz von Jahren auftreten können.
3
3
Diagnostik
Literatur 1. Harsh GR, Smith AR, Loeffler JS (2000). Proton Beam Therapy. In: Βernstein M, Burger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York.
Die Kernspintomographie wird ergänzt durch eine CT mit Knochenfenster um das Ausmaß der knöchernen Destruktion darzustellen.
Chordom, sakrales Therapie Die operative Resektion ist praktisch nie vollständig möglich und wird deshalb routinemäßig durch eine postoperative Radiatio ergänzt.
Definition
Nachsorge
Sakrale Chordome sind mit 50% die häufigsten Chordome.
3
Die häufigen Rezidive erfordern regelmäßige klinische und neurologische Kontrollen.
Einleitung
Diagnostik 3
Definition Chordom
3
Einleitung Chordom
Chordom
Therapie Die operative Resektion wird von einer Strahlentherapie mit einer Gesamtdosis von 40– 50 Gy mit einem Sicherheitsabstand kraniokaudal von jeweils einem Segment gefolgt.
Nachsorge 3
Chordom, Klivus-Chordom
Chordom
Chordom
3
Diagnostik Chordom
Chorea
3
Therapie
Einleitung
Eine komplette operative Resektion ist praktisch nicht möglich. Deshalb muss eine postoperative Radiatio angeschlossen werden. Wegen der anatomischen Nähe zu strahlenempfindlichen Strukturen an der Schädelbasis besitzt die fraktionierte Protonenbestrahlung mit der Möglichkeit einer höheren lokalen Strahlendosis bei präziser definiertem Zielvolumen Vorteile. Bei Klivuschordomen wurde über eine lokale Kontrollrate nach 3 Jahren von 80% (67% nach 5 Jahren), im Gegensatz zu 55% 5 Jahre nach konventioneller Photonenbestrahlung berichtet [1].
Chorea geht auf das griechische Wort Tanz zurück. Als Bewegungsstörung versteht man darunter kräftige, schnelle, unregelmäßig auftretende ruckartige Bewegungen. Die Bewegungen können an Komplexität einer koordinierten Handlung gleichkommen und zu Symptombeginn oft mit einer scheinbar sinnvollen Bewegung (z. B. durch das Haar fahren) kaschiert werden (Parakinesie). Die Bewegungen sind ständig im Fluss, unvorhersehbar von einer Körperregion in die nächste zufällig wechselnd und können in ihrer Natur eher spielerisch anmuten. Durch Willkürbewegungen kommt es in
Chorea, Hemichorea
ben worden, bei denen Kopplungsanalysen auf einen Genort auf Chromosom 14 hinweisen mit reiner Chorea ohne eine Fortschreiten zur Demenz und über die Chorea hinausgehende neurologische Symptome.
Diagnostik Anamnese (Familienanmnese, wichtigste DD: tardive Dykinesien nach Neuroleptika). Gentest zum Ausschluss einer HuntingtonKrankheit. 3
Therapie Symptomatisch, falls subjektiv notwendig, Huntington-Krankheit. 3
der Regel zu einer Verstärkung von Chorea. Anhaltende willkürliche Muskelkontraktionen (z. B. Zunge herausgestreckt halten) sind schwer durchzuführen (motorische Impersistenz), sodass Ungeschicklichkeit ein Problem wird (Tassen fallen lasssen, etc.). Muskeleigenreflexe können pendelnd sein und es kann zum Gordon-Kniephänomen (anhaltende Beinstreckung bei Auslösung des Patellarsehnenreflexes) kommen. Chorea, Athetose und Ballismus bilden ein Kontinuum einer Art von Bewegungsstörungen, wobei die Athetose die kleinste Amplitude aufweist. Man kann Athetose als eine langsame, distale Form der Chorea beschreiben.
245
Diagnostik
Therapie Therapie der Grundkrankheit und evtl. symptomatische Chorea-Therapie.
Chorea, Chorea gravidarum, kontrazeptivainduzierte Chorea Definition Während der Schwangerschaft aufgetretene oder durch Kontrazeptiva ausgelöste Chorea.
Einleitung Eine Chorea während der Schwangerschaft oder während der Einnahme von Kontrazeptiva (Östrogene) tritt meist nach einer früher abgelaufenen Chorea, Sydenham-Chorea (chorea minor) auf. 3
Chorea weist als Syndrom auf Krankheitsentitäten hin: Parkinson-Syndroms (On-Choreoathetose bei dopaminergika induzierten Dyskinesien) and andere medikamentös induzierte Dyskinesien, insbesondere die tardiven Dyskinesie-Syndrome, kontrazeptivainduzierte Chorea, Chorea gravidarum, paroxysmale kinesiogene und nichtkinesiogene (dystone) Choreoathetosen, Huntington-Krankheit.
Diagnostik
Chorea, benigne hereditäre Definition Bewegungsstörung mit im Vordergrund stehender Chorea, die sich im Vergleich zur Huntington-Krankheit durch einen gutartigen Verlauf kennzeichnen soll. Autosomal-dominante Erkrankung mit frühem Beginn, die sich von der Huntington-Krankheit insofern unterscheidet, als sie nicht zur Demenz und über die Chorea hinausgehende neurologische Symptome fortschreitet.
Anamnese und Erkennen der Chorea, DD Einnahme von Neuroleptika bzw. Metoclopramid (Emesis gravidarum), vaskulär, metabolisch bedingt, bei Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom.
Therapie Absetzen der Kontrazeptiva, symptomatische Therapie.
Chorea, Hemichorea
Einleitung In den 90er-Jahren noch kontrovers diskutiertes Krankheitsbild. Viele vermeintliche Fälle einer benignen Chorea zeigten sich nach Durchführung des Gentestes als Huntington-Krankheit mit spätem Beginn und niedriger CAG-Repeat-Zahl. Neuerdings sind Familien beschrie-
Definition Chorea, die eine Körperseite betrifft.
Einleitung Hierbei handelt es sich praktisch ausschließlich um Konsequenzen vaskulärer Störungen im
C
246
Chorea, Huntington-Chorea
Stammganglienbereich, inbesondere in der Region um den Ncl. subthalamicus. Vorkommen beim systemischen Lupus erythematodes.
Chorea, Huntington-Chorea Huntington-Chorea
3
Chorea, metabolisch/endokrin induzierte Definition Chorea, die im Rahmen von metabolischen Entgleisungen in der Regel akut auftritt und bei Korrektur der auslösenden Störung sistiert.
Einleitung Die Mutationsanalyse bei sogenannten „senilen Chorea“-Patienten hat gezeigt, dass hier die Störung ebenfalls durch die Huntington-Mutation (Expansion des CAG-Triplets auf über 38– 40 mal in Exon1 auf dem kurzen Arm von Chromosom 4) bedingt wird. Die CAG-Tripletzahl ist bei diesen Patienten häufig nur gering gradig erhöht. Bei sorgfältiger Reevaluation der Patienten, die keine Expansion des CAG-Triplets aufwiesen, stellten sich andere Diagnosen wie tardive Dyskinesie-Syndrome, DystonieMyoklonus-Syndrom, Polycythämia vera, postischämische Chorea u. a. heraus.
Chorea, Sydenham-Chorea (Chorea minor) Sydenham-Chorea
3
Einleitung
3
Unpräziser Begriff, mit dem in der Regel ein gutartiger Phänotyp einer Chorea mit Beginn im höheren Lebensalter in der Prä-Gen-Ära gemeint wurde, bei dem die Krankheit nur langsam ohne wesentliche kognitive Beeinträchtigung fortschreitet.
3
Definition
3
Chorea, senile
Mischsyndrom zwischen Huntington-Chorea und einer Athetose. Der Terminus wird besonders im Zusammenhang mit den paroxysmalen Choreoathetosen/Dystonien ( Dystonie, paroxysmale) gebraucht, seltener im Zusammenhang mit Spätdyskinesien und L-DopaDyskinesien ( Dyskinesien, „peak dose“-Dyskinesie; Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive). Chorea geht auf das griechische Wort Tanz zurück. Als Bewegungsstörung versteht man darunter kräftige, schnelle, unregelmäßig auftretende ruckartige Bewegungen. Die Bewegungen können an Komplexität einer koordinierten Handlung gleichkommen und zu Symptombeginn oft mit einer scheinbar sinnvollen Bewegung (z. B. durch das Haar fahren) kaschiert werden (Parakinesie). Die Bewegungen sind ständig im Fluss, unvorhersehbar von einer Körperregion in die nächste zufällig wechselnd, und können in ihrer Natur eher spielerisch anmuten. Durch Willkürbewegungen kommt es in der Regel zu einer Verstärkung von Chorea. Anhaltende willkürliche Muskelkontraktionen (z. B. Zunge herausgestreckt halten) sind 3
Therapie der metabolisch-endokrinen Störung.
Definition 3
Therapie
Choreoathetose, choreoathetotisches Syndrom 3
Prinzipiell kann eine Chorea zusammen mit anderen Hyperkinesen bei allen denkbaren akuten metabolischen Entgleisungen und subakut auch bei schwerwiegenderen chronischen metabolischen Störungen auftreten. Insgesamt handelt es sich bei der akuten Chorea um ein seltenes klinisches Problem, dass letztlich meist nur in einer medizinischen Notaufnahme bzw. auf einer Intensivstation beobachtet wird, wenn andere Problem im Vordergrund stehen. Als Ursachen kommen Hyper- und Hypoglykämie, Hyper- und Hyponatriämie, Hyper- und Hypokalzämie, Hypoparathyreoidimus, thyreotoxische Krise, Polyzythämie, Addison-Krise.
Chorionkarzinom
tion führen sie zu einer Liquorabflussbehinderung und fakultativ zu einem Parinaud Syndrom. Sie sezernieren oft β-HCG und plazentale alkalische Phosphatase (PLAP), welche sich im Liquor nachweisen lassen. Die Tumoren zeigen häufig eine leptomeningeale Aussaat mit Tumorabsiedlungen im gesamten Spinalkanal, sie können jedoch auch hämatogene Fernmetastasen streuen.
Diagnostik Die Diagnose einer Raumforderung in der Pinealisregion wird kernspintomographisch gestellt. Zum differenzierten diagnostischen Vorgehen bei Raumforderungen in der Pinealislloge Pinealistumoren. 3
schwer durchzuführen (motorische Impersistenz), sodass Ungeschicklichkeit ein Problem wird (Tassen fallen lasssen, etc.). Muskeleigenreflexe können pendelnd sein und es kann zum Gordon-Kniephänomen (anhaltende Beinstreckung bei Auslösung des Patellarsehnenreflexes) kommen. Athetose bezeichnet andauernde, wurmförmige, langsame Bewegungen, vorwiegend distal an den Extremitäten. Man kann Athetose als eine langsame, distale Form der Chorea beschreiben. Im Gegensatz zur Dystonie sind die Bewegungen weder repetitiv, noch durch ein bestimmtes Aktivierungsmuster oder durch anhaltende Muskelkontraktionen gekennzeichnet. Athetose, Chorea und Ballismus ( Hemiballismus) bilden ein Kontinuum einer Art von Bewegungsstörungen, wobei die Athetose die kleinste Amplitude aufweist. Typische Ursachen sind perinataler Hirnschäden wie der Icterus neonatorum.
247
3
Choreoathetose, paroxysmale Dystonie, paroxysmale (tonische Spasmen)
3
Choriomeningitis, lymphozytäre Enzephalitis
3
Chorionkarzinom
Therapie Die Behandlung ist kombiniert operativ, chemotherapeutisch und strahlentherapeutisch. Die Implantation eines Shuntsystems ist zu vermeiden; bei bedrohlicher Liquorabflussbehinderung ist eine externe Liquorabflussdrainage vorzuziehen [1,2]. gesichert Ein etabliertes Schema gibt es nicht. empirisch Bei Nachweis eines malignen Keimzelltumors wird empfohlen, zwei Zyklen einer Chemotherapie mit Bleomycin, Etoposid und Cisplatin durchzuführen, gefolgt von der Resektion des Tumors, dann erneut Chemotherapie in Form von zwei Zyklen Vincristin, Ifosfamid und Cisplatin, dann Radiatio mit 30 Gy Ganzhirn, 20 Gy Tumordosis und 30 Gy spinal [3].
Nachsorge
Definition Das Chorionkarzinom ist ein “nicht germinomatöser Keimzelltumor”, der zusammen mit den embryonalen Karzinomen ( embryonale Tumoren, Gehirn), den Dottersacktumoren ( Sinustumor, endodermaler) und den malignen Teratomen zu den malignen Germinomen gezählt wird. Die Tumorzellen des Chorionkarzinoms leiten sich vom Trophoblasten ab.
Regelmäßige klinische, kernspintomographische sowie liquordiagnostische (sekundärer Wiederanstieg der Tumormarker) Kontrollen sind erforderlich.
Einleitung
1. Winkler D (1998). Tumoren der Pinealis. In: Schlegel U, Westphal M. Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 2. Kreth FW, Bise K (2001). Tumoren der Pinealisregion. In: Tumorzentrum München (Hrsg.)
3
3
3
Chorionkarzinome sind seltene Tumoren der Pinealisregion, die überwiegend Kinder und Jugendliche betreffen. Aufgrund ihrer Lokalisa-
Prognose Mehrjährige rezidivfreie Intervalle wurden beobachtet [3].
Literatur
C
Chronisch progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO)
Chronisch progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO) Definition Mitochondriale Multisystemerkrankung mit progredienter externer Ophthalmoplegie und bioptischem Nachweis von Ragged-red-Fasern in der Trichromfärbung.
Einleitung Die CPEO macht etwa die Hälfte aller Fälle mit konstanter myogener Ptose aus. Die Mehrzahl der Fälle ist sporadisch. Der Erbgang kann maternal sein via Punktmutationen der mt-DNS, autosomal-rezessiv und autosomal-dominant. Bei autosomalem Erbgang werden gehäuft multiple Deletionen der mt-DNS gefunden. Bei der mitochondrialen neurogastrointestinalen Enzephalomyopathie ( MNGIE), einer anderen Mitochondriopathie gehen die ebenfalls vorhandenen multiplen mitochondrialen DNS-Deletionen auf Mutationen des Gens für die Thymidinphosphorylase zurück. Der defekte Thymidinmetabolismus geht mit einer Replikationsstörung der mt-DNS einher. Evtl. spielen ähnliche Mechanismen eine Rolle bei autosomal vererbten Formen der CPEO. Die Ursache für den bevorzugten Befall der äußeren Augenmuskeln ist unbekannt. Es entwickelt sich ein fixierter Strabismus divergens mit Richtung nach außen unten. Bei älteren Patienten haben die Bulbi nur mehr eine geringe Restbeweglichkeit. Die CPEO kann sich im Kindes- und Jugendalter bis ins Erwachsenenalter manifestieren, in der Regel zwischen 10. und 20. Lj. Es sind vereinzelt Patienten mit relativ spätem Symptombeginn um das 50. Lj. beschrieben. Wenn eine Retinopathia pigmentosa und kardiale Symptome (Reizleitungsstörung, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) auftreten, spricht man von CPEO plus oder Kearns-SayreSyndrom. Patienten mit diesem Syndrom erkranken vor dem 20. Lj. Meist ist das Liquor-
eiweiß deutlich erhöht. Bei CPEO und KearnsSayre-Syndrom gibt es eine Reihe weiterer möglicher Symptome. Zentrale Symptome sind Wesensänderung, kognitive Einbußen bis hin zur Demenz, Ataxie, Dystonie. Ferner Diabetes mellitus, teils auch andere endokrine Dysregulationen. Die Skelettmuskulatur ist meist wenig (Gliedergürtelsyndrom, skapuloperonäales Syndrom) oder nicht klinisch und im EMG fassbar betroffen. Die Muskelbiopsie zeigt die typischen Ragged-red-Fasern als Korrelat der Akkumulation abnormer Mitochondrien. In der Mehrzahl findet sich ein erhöhtes Serumlaktat in Ruhe und nach Belastung. Normale Werte sprechen nicht gegen die Erkrankung. Auch normale Aktivitäten der Atmungskettenenzyme schließen eine CPEO nicht aus. Andererseits sind diese Untersuchungen und die Messung von Karnitin, Coenzym Q10 und ggf. weiteren Substanzen wichtig, um therapierbare Störungen zu erfassen. KarnitinmangelSyndrom, Coenzym-Q-Mangel. 3
Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Zuckschwerdt, München. 3. Herrmann H-D, Westphal M, Winkler K et al. (1994) Treatment of non-germinomatous germcell tumors in the pineal region. Neurosurgery 34:524–529.
3
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Diagnostik Klinische Untersuchung, EMG, Muskelbiopsie; Messung der Atmungskettenfunktionen, Karnitin- und Coenzym-Q10-Konzentration im Muskel.
3
Therapie Symptomatisch. Bei definiertem Mangelsyndrom ggf. spezifische Substitution des defizienten Metaboliten.
Nachsorge Anbindung an Muskelzentrum.
Bewertung Kearns-Sayre-Patienten haben ein hohes Risiko, am plötzlichen Herztod zu sterben. Es ist zu erwägen zu einem frühen Zeitpunkt einen Herzschrittmacher implantieren zu lassen.
Prognose Abgesehen vom Auftreten von Herzrhythmusstörungen bei Kearns-Sayre-Patienten gut.
Churg-Strauss-Syndrom Synonyme Allergische Granulomatose
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Churg-Strauss-Syndrom
Definition Das Churg-Strauss-Syndrom ist eine „smallvessel“-Vaskulitiden mit charakteristischen eosinophilen Granulomen perivaskulär und in den betroffenen Organen. Im peripheren Blut lässt sich eine Eosinophilie in von mindestens 10% nachweisen. 3
Einleitung Klinisch ist die Erkrankung primär durch allergische Rhinitis und Asthma bronchiale sowie eine Eosinophilie charakterisiert. Im weiteren Verlauf können sich eosinophile Infiltrate in Lunge, mit rezidivierenden Bronchitiden oder Pneumonien, oder im Gastrointestinaltrakt ausbilden. Das periphere Nervensystem ist bei ca. 70% aller Patienten beteiligt, die unter einer Mononeuritis multiplex leiden. Die Patienten entwickeln dabei meist schmerzhafte asymmetrische Paresen und/oder Sensibilitätsstörungen, nicht selten unter Beteiligung des N. opticus im Sinne einer ischämischen Optikopathie, der Augenmuskelnerven, des N. trigeminus und des N. facialis. Bei 20–30% der Patienten manifestiert sich die Erkrankung im zentralen Nervensystem mit Ischämien, Hämorrhagien oder einer Enzephalopathie. Lebensbedrohlich ist eine kardiale Beteiligung mit Arteriitis der Koronarien oder Myokarditis.
Diagnostik Die Eosinophilie ist sowohl im Serum als auch Liquor nachweisbar. Man findet dabei oft eine milde lymphomonozytäre Pleozytose und Eiweißerhöhung. Bei 70% der Patienten ist der Nachweis für p-ANCA positiv. Zusätzlich kann das IgE im Serum erhöht sein. Diagnosesicherung wird durch Nachweis der Vaskulitis und eosinophiler Granulome in einer Nerv/ Muskelbiopsie erreicht. Die folgende Tabelle fasst die diagnostischen Kriterien zusammen: Kriterien des American College of Rheumatology für die Diagnose des Churg-Strauss-Syndroms (allergische Granulomatose) [1]. Vier der sechs Kriterien müssen erfüllt sein (Spezifität: 99,7%; Sensitivität: 85%): 1. 2. 3. 4.
Asthma bronchiale Eosinophilie >10% Neuropathie Lungeninfiltrate (Thoraxübersichtsaufnahme) 5. Befall der Nasennebenhöhlen
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6. Extravaskuläre eosinophile Granulome in einer Gefäßbiopsie
Therapie Das Therapieregime richtet sich nach dem Schweregrad des klinischen Bildes. Zunächst sollte eine Monotherapie mit hochdosierten Kortikoiden erfolgen. Bei nicht ausreichender Wirksamkeit wird eine Kombinationstherapie mit Immunsuppressiva empfohlen, wobei die Studienlage hinsichtlich Effizienz und Nebenwirkungsrate widersprüchlich erscheint [3]. gesichert Wenn eine Behandlung mit Cyclophosphamid angezeigt ist, sollte die Kombination von oralen Kortikoiden mit intravenösen Gabe von Cyclophosphamid verteilt auf mehrere Zyklen (2 mg/ kgKG, 1 Jahr) gewählt werden, da dieses Therapieregime eine geringere Toxizität besitzt als bei kontinuierlicher oraler Gabe [3]. empirisch Bei therapieresistentem Churg-Strauss-Syndrom (Kortikoide und Immunsuppression) scheint Interferon-alpha eine Wirksamkeit zu besitzen [4].
Nachsorge In den Nachsorgeuntersuchungen kann der Nachweis der p-ANCA weiterhin positiv sein und möglicherweise für einen weiterhin vorliegenden Krankheitsprozess sprechen. Dies sollte aber keinesfalls als alleiniger Indikator für eine Intensivierung der Therapie herangezogen werden [2].
Prognose Das Churg-Strauss-Syndrom hat unter Kortikoidtherapie in Kombination mit einem Immunsuppressivum eine gute Prognose. Im Vergleich zu anderen systemischen Vaskulitiden hat es eine geringere Mortalität.
Literatur 1. Bloch DA, et al. The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of vasculitis. Patients and methods. Arthritis Rheum. 1990; 33(8):1068–1073. 2. Gayraud M, et al. Treatment of good-prognosis polyarteritis nodosa and Churg-Strauss syndrome: Comparison of steroids and oral or pulse cyclophosphamide in 25 patients. Br J Rheumatol 1997; 36:1290–1297.
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Chymopapain
3. Cohen P, et al. Persistance of ANCA in asymptomatic patients with systemic polyarteritis nodosa or Churg-Strauss syndrome: follow-up of 53 patients. Clin Exp Rheumatol 1995; 13:193– 198. 4. Gross WL. Churg-Strauss syndrome: update on recent developments. Curr Opin Rheumatol; 2002; 14:11.14.
Chymopapain Wirkungen Polynesische Ureinwohner nutzten bereits die proteolytische Wirkung der Blätter der Papayapflanze, um Fleisch besonders zart zu machen. 1941 wurde das Enzym Chymopapain aus der Papayapflanze isoliert. Chymopapain ist eine Cystein-Protease, die bevorzugt Prolin enthaltende Peptidbindungen spaltet. Chymopapain hat eine chondrolytische Wirkung aufgrund seiner Fähigkeit, Proteoglykane abzubauen. Die Fähigkeit, auch Bandscheibengewebe aufzulösen, wurde 1962 im Tierversuch gezeigt, und 1963 erfolgte bereits der erste Einsatz beim Menschen. Chymopapain löst nach Injektion in den Nucleus pulposus die Bindung zwischen den Gerüstproteinen und Polyglykanen der Grundsubstanz. Sowohl positive als auch negativ geladene Formen des Chymopapains sind in der Lage, aus Knorpelgewebe Glykosaminoglykan freizusetzen. Es wurde hierfür der Begriff Chemonukleolyse geprägt. Nach Injektion erhöht sich die Ausscheidung von Glykosaminoglykanen im Urin. Der unmittelbare Erfolg der Chemonukleolyse lässt sich auch am Anstieg von Keratansulfaten im Plasma nachweisen. Durch diese Depolymerisation reduziert sich der Quelldruck des Bandscheibengewebes. Der Anulus fibrosus und bindegewebige Strukturen werden offensichtlich nicht angegriffen. Am Hund lässt sich zeigen, dass der Proteoglykanverlust der Bandscheibe nach intradiskaler Injektion von Chymopapain reversibel ist, der Nucleosus pulposus regenerieren kann.
Resorption Unmittelbar nach intradiskaler Injektion tritt die proteoglykanspaltende Wirkung ein. Bereits kurz danach lässt sich Chymopapain im Plasma nachweisen, welches allerdings inaktiv ist, da es von Proteaseninhibitoren wie α2-Makroglobulin gebunden wird.
Anwendungsgebiete Chymopapain wird nur zur Chemonukleolyse bei selektierten Patienten mit nachgewiesener Nucleus pulposus-Prolaps im lumbalen Bandscheibenbereich eingesetzt, wenn nach konservativer Therapie von wenigstens 6 Wochen keine Besserung eingetreten ist. Zu den Indikationen zählen monoradikuläres Irritations- und Kompressionssyndrom mit segmentalen Sensibilitätsstörungen, Muskeleigenreflexdifferenzen, und mit der klinischen Symptomatik korrelierender radiologischer Befund in der MRoder Computertomographie und Diskographie, Es besteht eine Diskrepanz zwischen den positiven Berichten in der Literatur, die sich sowohl auf randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudien gründen, [2,3,4,6] als auch auf den Vergleich zwischen operativer Laminektomie und Chemonukleolyse und der realen Akzeptanz der Substanz. Als Grund wird die Angst vor anaphylaktischen Reaktionen mit möglicher Todesfolge und die schlechteren Ergebnisse im Vergleich zur Operation bei komplizierteren Bandscheibenvorfällen angegeben. Es wird auch in randomisierten Studien, beim Vergleich Chemonukleolyse versus Operation über ein wesentlich schlechteres Ergebnis nach Chymopapain berichtet und auch über unbefriedigende Langzeitresultate [1,5,7]. Bei Versagen einer Chemonukleolyse verschlechtert die vorausgegangene Behandlung mit Chymopapain nicht das Ergebnis der dann notwendigen Operation.
Dosierung und Art der Anwendung Die empfohlene Dosis für eine Bandscheibe liegt zwischen 3,0 und 6,0 nkat (2.000 und 4.000 E). Die Maximaldosis bei Injektion in mehrere Bandscheiben liegt bei 15,0 nkat (10.000 E). Bis zum Vorliegen weiterer klinischer Erfahrungen soll Chymopapain nur einmal im Leben angewendet werden.
Unerwünschte Wirkungen In ungefähr 1% der Fälle muss mit unmittelbaren allergischen anaphylaktischen unerwünschten Wirkungen gerechnet werden, die auch lebensbedrohlich sein können. Hauttests zur Überprüfung der Sensibilisierung gegenüber Chymopapain sind sensitiver als SerumRAST-Tests, um gefährdete Patienten identifizieren zu können. Gefürchtet sind die Paraplegie nach Injektion in den Liquor und die septische Discitis. Nach der Injektion kommt es bei
Ciclosporin
vielen Patienten zu einer vorübergehenden Verstärkung der Rückenschmerzen.
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zentrat, Sandimmun® Optoral 10 mg/-25 mg/50 mg/-100 mg Kapseln, Sandimmun® Optoral Lösung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Chymopapain wird nicht eingesetzt bei bereits bekannter Chymopapainallergie, in der Schwangerschaft, bei Voroperationen im erkrankten Segment, bei Spinalkanalstenosen oder traumatischen Bandscheibenläsionen, bei Verdacht auf psychogene Beschwerden, bei Verdacht auf spinalen Tumor, bei Paresen oder Sphinkterstörungen, bei Verdacht auf Bandscheibensequester, bei segmentaler Instabilität, sowie bei entzündlich-infektiösen Erkrankungen im zur Injektion vorgesehenen Bewegungssegment.
Literatur 1. Crawshaw C, Frazer AM, Merriam WF, Mulholland RC, Webb JK (1984) A comparison of surgery and chemonucleolysis in the treatment of sciatica. A prospective randomized trial. Spine 9:195–198 2. Dabezies EJ, Langford K, Morris J, Shields CB, Wilkinson HA (1988) Safety and efficacy of chymopapain (Discase) in the treatment of sciatica due to a herniated nucleus pulposus. Results of a randomized, double-blind study. Spine 13:561– 565 3. Fraser RD (1984) Chymopapain for the treatment of intervertebral disc herniation. The final report of a double-blind study. Spine 9:815–818 4. Javid MJ, Nordby EJ, Ford LT, Hejna WJ, Whisler WW, Burton C, Millett DK, Wiltse LL, Widell EH Jr, Boyd RJ, Newton SE, Thisted R (1983) Safety and efficacy of chymopapain (Chymodiactin) in herniated nucleus pulposus with sciatica. Results of a randomized, doubleblind study. JAMA 249:2.489–2.494 5. Maroon JC, Abla A (1985) Microdiscectomy versus chemonucleolysis. Neurosurgery 16:644– 649 6. Schenk KD, Freischütz G (1986) [Clinical evaluation of Chymodiactin and post-marketing surveillance]. Neurochirurgia 29:167–172 7. Shields CB, Reiss SJ, Garretson HD (1987) Chemonucleolysis with chymopapain: results in 150 patients. J Neurosurg 67:187–191
Ciclosporin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ciccloral® 25 mg/-50 mg/-100 mg Kapseln; Sandimmun® 25 mg/-100 mg, Sandimmun® Lösung, Sandimmun® Infusionslösungskon-
Vorkommen Stoffwechselprodukt, das von dem Pilz Tolypocladium inflatum (Trichoderma polysporum) u. a. Fungi imperfecti gebildet wird. Hauptkomponenten sind die zyklischen Oligopeptide Ciclosporin A und C, von denen Ciclosporin A therapeutisch genutzt wird.
Wirkungen Die reversible Hemmung der T-Helferzellproliferation ist die immunologische Hauptwirkung von Ciclosporin (CS). Dadurch wird auch die Freisetzung von Lymphokinen eingeschränkt. Die Bildung von Interleukin-2 wird vermindert und damit die klonale Proliferation der zytotoxischen T-Zellen herabgesetzt. Die Expression von Interleukin-2-Rezeptoren wird nicht beeinflusst. Auch die Bildung von α-Interferon durch die Lymphozyten wird gehemmt. Die Funktion von zytotoxischen T-Zellen und BLymphozyten wird nicht wesentlich beeinflusst. Die Aktivierung und Proliferation von T-Suppressorlymphozyten wird kaum beeinflusst. Exogenes Interleukin-2 behält seine Wirkung auf aktivierte T-Lymphozyten. Eine wesentliche Myelosuppression wird nicht beobachtet. Die immunsuppressive Wirkung von CS erfolgt wahrscheinlich über die Bindung an Cyclophilin in der Zelle.
Resorption CS ist lipophil und wird deshalb in Olivenöl gelöst peroral verabreicht. Die Bioverfügbarkeit liegt bei etwa 30%. Sie kann jedoch nach anhaltender Behandlung mit CS steigen. Externe Galleableitung, Fettstühle und gastrointestinale Dysfunktionen können die Resorption herabsetzen.
Verteilung Nach peroraler Gabe werden Spitzenkonzentrationen nach 1–8 h gemessen. Die terminale Halbwertzeit schwankt zwischen 5 und 35 h. Meist ist sie jedoch geringer als 12 h. Im Blut wird CS an Erythrozyten und Leukozyten und Lipoproteine gebunden. CS wird im gesamten Körper verteilt. Die höchsten Konzentrationen werden in Leber, Niere und Fettgewebe gemessen. CS wird durch die Leber metabolisiert und
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Cinnarizin
über die Gallenwege ausgeschieden. CS wird durch Hämodialyse nicht aus dem Blut entfernt.
Anwendungsgebiete CS wird zur Prophylaxe und Therapie der Organabstoßung bei allogener Transplantation von Niere, Leber, Herz und Knochenmark eingesetzt. Bei peroraler Gabe werden 10–15 mg/ kg täglich verabreicht. CS wird bei verschiedenen Autoimmunerkankungen eingesetzt, wenn es zu einer akuten Exazerbation kommt und die sonst üblichen Medikamente nicht mehr gut wirksam sind. Zu diesen Erkrankungen gehören in der Neurologie die Myasthenie, Vaskulitiden und Myositiden. Die Dosis liegt bei 3–5 mg/kg täglich. Wegen der unterschiedlichen Bioverfügbarkeit und dem wechselnden Metabolismus von CS ist eine Überwachung der Blutspiegel mittels Radioimmunoassay notwendig. Im Blut werden 250–800 ng/ml und im Plasma 50–300 ng/ml CS einschließlich Metaboliten als Wirkspiegel empfohlen. Bei Bestimmungen von nativen CS werden 100–150 ng/ml im Blut als Wirkspiegel angegeben. Das Medikament kann auch als langsame Infusion über einige Stunden verabreicht werden. Die Dosis beträgt nur etwa ein Drittel der peroralen Dosis.
teroidalen Analgetika gesteigert werden. Auch eine chronische Nephrotoxizität mit langsamem Anstieg des Serumkreatinins wird beobachtet. Reduktion der Dosis verbessert meist wieder die Nierenfunktion. Eine Hypertonie tritt oft zusammen mit der Nephrotoxizität auf. Nach mehreren Monaten kann es zu Gingivahyperplasie kommen. Eine vermehrte Behaarung im Gesicht und am Körper wird bei 60% der Patienten beobachtet. Opportunistische Infektionen und maligne Erkrankungen treten bei üblicher Dosierung von CS seltener als bei immunsuppressiver Therapie mit Azathioprin und Prednisolon auf. Unter den malignen Erkrankungen ist das B-Non-Hodgkin-Lymphom am häufigsten.
Wechselwirkungen Rifampicin, Phenytoin und Phenobarbital erniedrigen die Blutkonzentration von CS. Ketonazol und Erythromycin erhöhen die Blutspiegel. Metoclopramid kann bei einzelnen Patienten die Resorption von CS steigern. Verapramil kann die Wirksamkeit erhöhen. Bei kombinierter Behandlung mit Lovastatin und CS kann eine Myopathie auftreten. Eine gesteigerte Toxizität bei gleichzeitiger Gabe von CS und Prednison wurde nicht bestätigt.
Unerwünschte Wirkungen
Cinnarizin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Arlevert® Tbl., Cinnarizin forte ratiopharm® Kps.
Wirkungen Cinnarizin ist ein Piperazinderivat mit calciumantagonistischem Eigenschaften ( Flunarizin). Obwohl die Substanz einen inhibitorischen Einfluss auf den Calciumeinstrom durch die spannungsabhängigen Calciumkanäle in den glatten Gefäßmuskelzellen besitzt, hemmt sie auch den Einstrom von Natrium durch die Natriumkanäle. Eine zusätzliche Blockade von Histamin-1-Rezeptoren wird postuliert. Dementsprechend wird Cinnarizin als unspezifischer Calciumantagonist betrachtet. 3
Seltene Komplikation der CS-Therapie sind anaphylaktische Reaktionen nach i. v.-Applikation. Sie sind offenbar auf das Lösungsmittel von CS zurückzuführen. Neurotoxizität wurde bei etwa 25% der Patienten nach Lebertransplantation registriert. Sie äußerte sich in Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Tremor, Lähmungen und Krämpfen bis zum Koma. Bei Beginn einer CS-Therapie treten häufig vorübergehend gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit auf. Hepatotoxizität mit Anstieg von Serumbilirubin, Transaminasen und alkalischer Phosphatase werden bei hoher CS-Dosis beobachtet. Die häufigste unerwünschte Wirkung ist die Nephrotoxizität. Die akute Niereninsuffizienz mit Anstieg von Serumkreatinin und Serumkalium wird meist bei hohen CS-Dosen beobachtet. Die Reduktion der CS-Dosis führt meist zu einem Rückgang des Nierenversagens. Die Nephrotoxizität des CS kann durch gleichzeitige Verordnung von Aminoglycosiden, Amphotericin B, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Melphalan und nichts-
Wirkungsverlauf Cinnarizin wird zu 90% resorbiert, besitzt eine
Cisaprid
Bioverfügbarkeit von 40–60%, maximale Plasmaspiegel werden nach 2–4 h erreicht, und die Plasmahalbwertzeit beträgt 3–8 h. Cinnarizin wird innerhalb von 8–16 h so weit metabolisiert, dass nur noch geringste Mengen an unveränderter Substanz in den Geweben nachweisbar sind. Die Exkretion von Cinnarizin und seiner Metabolite erfolgt zum größten Teil über die Faeces.
Anwendungsgebiete Durchblutungsstörungen, z. B. HNO-Heilkunde. Die Anfangsdosis beträgt 75–225 mg/d Cinnarizin, während als Erhaltungsdosis im Allgemeinen 75 mg täglich genügen.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Rekationen sind möglich. Insbesondere zu Beginn der Therapie kann es vorübergehend zu Müdigkeit kommen; Schwindel, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit sind selten. In Ausnahmefällen, insbesondere bei älteren Patienten und bei höheren Dosen können parkinsonartige, extrapyramidal-motorische Störungen auftreten, mit Tremor, Rigor und Hypokinesie. Selten vermehrtes Schwitzen.
Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Anwendung mit Vasodilatantien kann deren Wirkung verstärkt werden. Cinnarizin kann durch seine antivasopressorische Wirkung den blutdrucksenkenden Effekt von Antihypertonika verstärken und ebenso die blutdrucksteigernde Wirkung von Antihypotonika vermindern.
Ciprofloxacin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Ciprobay® Tbl., Saft 5%/10%, Infusionslösung; Ciprobeta® 250/500/750 Filmtabletten; ciprodura® 100 mg/250 mg/500 mg/750 mg Filmtabletten; Ciprofloxacin TAD 100 mg/250 mg/ 500 mg/750 mg Filmtabletten; Ciprogamma 100 mg/250 mg/500 mg/750 mg Filmtabletten.
Dosierung und Art der Anwendung Infektionen der Atemwege (auch bei Problemkeimen, wie z. B. Klebsiella, Enterobacter, Proteus, Pseudomonas, Legionella, Staphylococ-
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cus, E. coli; nicht Mittel der ersten Wahl für ambulante Behandlung von PneumokokkenPneumonien), des Mittelohrs, der Nasennebenhöhlen, der Augen, der Nieren und der ableitenden Harnwege, der Geschlechtsorgane, des Bauchraumes, der Haut und des Weichteilgewebes, der Knochen und Gelenke, ferner bei Sepsis, Infektionen oder drohender Infektionsgefahr (Prophylaxe) bei Patienten mit geschwächter körpereigener Abwehr und zur selektiven Darmdekontamination bei immunsuppressiv behandelten Patienten. Je nach Indikation 2mal tgl. 125–500 mg (oral) oder 2mal tgl. 100 mg bis 2mal 400 mg (i. v.). In schweren Fällen kann die Dosis auf 2mal 750 mg (oral) oder 3mal 400 mg (i. v.) erhöht werden.
Unerwünschte Wirkungen Achillessehnenentzündung, die möglicherweise zum Sehnenriss führen kann. Leberzellnekrose. Hirndruck. Serumkrankheit. Ödeme. Panzytopenie. In Einzelfällen Verschlimmerung der Symptome einer Myasthenia gravis. Granulozytopenie. Thrombozytopenie. Thrombozytose. Kristallurie. Hämaturie. Veränderte Prothrombinwerte. Evtl. Verlust des Geruchsvermögens (reversibel).
Wechselwirkungen Mit nichtsteroidalen Antiphlogistika (nicht ASS) erhöhte Krampfbereitschaft. Unter Metoclopramid und Probenecid erhöhte Serumkonzentration von Ciprofloxacin, durch Antazida verminderte Resorption von Ciprofloxacin. Erhöhte Mexiletin-Konzentration, erhöhte Phenytoin-Serumkonzentration. Verlängerte Diazepam-HWZ. Im Falle akuter, extensiver Überdosierung neben den Routine-Notfallmaßnahmen Nierenfunktion kontrollieren. Zur Verringerung der Resorption von Ciprofloxacin Gabe von magnesium- und kalziumhaltigen Antazida. Lediglich geringe Mengen an Ciprofloxacin (<10%) werden aus dem Körper mittels Hämodialyse oder Peritonealdialyse entfernt.
Cisaprid Wirkungen Cisaprid erhöht den Ruhetonus des unteren
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Cisaprid
Ösophagussphinkters, es stimuliert die Ösophagusperistaltik, verkürzt die Magenentleerung und erhöht die Motilität am Dünn- und Dickdarm. Die motilitätssteigernde (prokinetische) Wirkung von Cisaprid beruht einerseits auf einer Freisetzung von Acetylcholin aus dem Plexus myentericus Auerbach, andererseits auf einem Partialantagonismus an Serotonin-5HT4Rezeptoren. Außerdem hat Cisaprid Eigenschaften eines Antiarrhythmikums der Klasse III. Diese Eigenschaften werden therapeutisch nicht genutzt, können aber Ursache von Rhythmusstörungen sein. Cisaprid besitzt im Gegensatz zu Metoclopramid, Bromoprid und Domperidon keine Dopamin-antagonistische Wirkung.
Kleinkindern und Kindern bis zum Alter von 12 Jahren werden 3–4× tgl. 0,2 mg/kgKG Cisaprid gegeben. Die Behandlungsdauer beträgt maximal 8 Wochen.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Exantheme, selten Bronchospasmus. Kopfschmerz, Benommenheit, Einzelfälle von Krämpfen und Extrapyramidalmotorik. Herzrhythmusstörungen mit ventrikulärer Tachykardie, QT-Verlängerung, Torsades des point, insbesondere bei Kindern mit bestehender Tendenz zu Arrhythmien. Diarrhoen, abdominale Krämpfe, gelegentlich Cholestasesymptome sind möglich.
Resorption
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Nach p. o. Gabe wird Cisaprid rasch resorbiert. Die maximalen Plasmakonzentrationen nach Gabe von 10 mg Cisaprid treten nach 1–2 h auf und liegen bei 45–65 μg/L. Die p. o. Bioverfügbarkeit von Cisaprid liegt zwischen 40 und 50% (First-Pass-Metabolismus).
Da die unerwünschten kardialen Wirkungen strikt dosisabhängig sind, soll die Dosierung generell so niedrig wie möglich gehalten werden. Kontraindikationen sind eine bestehende Arrhythmietendenz (QT-Verlängerung, EKGDokumentation), Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Diuretika-Therapie), die Einnahme von Antiarrhythmika der Klasse Ia und III, sowie die gleichzeitige Gabe von Substanzen, die mit dem Metabolismus von Cisaprid interferieren.
Elimination Cisaprid wird nahezu vollständig metabolisiert, wobei die wichtigsten Abbauwege oxidative NDesalkylierung und aromatische Hydroxylierung über das CYP3A4-Isoenzym des Cytochrom P450-Systems sind. Die Hauptmetabolite sind Norcisaprid, 3-Fluor-4-Hydroxycisaprid und 4-Fluor-2-Hydroxycisaprid. Die Metabolite werden je zur Hälfte renal und über die Faeces ausgeschieden. Die Plasmahalbwertzeit beträgt 7–10 h.
Anwendungsgebiete Gastrointestinale Motilitätsstörungen bei autonomer, z. B. diabetischer Polyneuropathie mit Magen-Darm-Symptomen, postoperative Gastroparese und intestinale Pseudoobstruktion.
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosis beim Erwachsenen beträgt 3×5– 3×10 mg. Die Einnahme soll 15 min vor den Hauptmahlzeiten erfolgen. Bei Bedarf können zusätzlich noch 10 mg vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Bei Leberfunktionsstörungen und renaler Insuffizienz (KreatininClearance unter 40 ml/min) sollte die initiale Tagesdosis halbiert werden. Die Anwendung beträgt 2, maximal 12 Wochen. Bei Säuglingen,
Wechselwirkungen Durch die motilitätssteigernde Wirkung kann die Resorption anderer Medikamente beeinflusst werden. Die Resorption aus dem Magen kann vermindert, die aus dem Dünndarm beschleunigt werden. Cisaprid vermindert geringfügig die Resorption von Digoxin (klinisch nicht relevant) und beschleunigt die von Diazepam und Alkohol. Durch Atropin und andere Anticholinergika kann die motilitätssteigernde Wirkung von Cisaprid aufgehoben werden. Folgende Substanzgruppen interferieren mit der Metabolisierung von Cisaprid und können dadurch toxische Konzentration von Cisaprid induzieren: Makrolidantibiotika (z. B. Erythromycin, Chlarithromycin), Azol-Antimykotika (z. B. Ketoconazol, Miconazol, Fluconazol, Itraconazol), Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Maprotilin, Nefazodon), Histaminantagonisten (z. B. Terfenadin, Fexofenadin) oder Sparfloxacin und Grapefruitsaft. Bei einer akzidentellen oder suizidalen Überdosis sind resorptionsmindernde Maßnahmen (Magenspü-
CK-Erhöhung
lung, Gabe von Aktivkohle) angezeigt. Ggf. kann auch Atropin gegeben werden.
Cisplatin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Cisplatin 10/50 HEXAL Platinex®-Lösung.
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PI Infusionslösung,
Wirkungen Cisplatin (Cis-Dichlorodiamminplatin) wirkt zytostatisch und zytozid bei soliden Tumoren. Für die ausschließliche zytostatische Wirkung der cis-Isomere des Platinkomplexes ist wahrscheinlich die Bildung von Ring-Chelaten mit den Guaninbasen der DNS verantwortlich, CDDP wirkt strahlensensibilisierend bei Tumorzellen durch Bildung freier Radikale und Hemmung der Reparaturkapazität subletal geschädigter Zellen.
Wirkungsverlauf Die Induktion von DNS-Quervernetzungen erfolgt bereits nach 3,5 h, das Maximum ist nach 6–12 h erreicht. Nach Bolusinjektion erfolgt eine schnelle Plasmaclearance des filtrierbaren Plasmas. Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend renal durch glomeruläre Filtration und aktive Sekretion; Reabsorption ist nachgewiesen. Bei Niereninsuffizienz ist mit Kumulation zu rechnen.
Anwendungsgebiete CDDP hat ein breites Wirkungsspektrum bei soliden Tumoren wie Hodentumoren, Ovarialkarzinom, Blasenkarzinom, Prostatakarzinom, kleinzelligen und nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen, Karzinomen des Kopf-Hals-Bereichs, Zervixkarzinom, Endometriumkarzinom, Sarkomen, Thymomen und Melanomen. CDDP wird als i. v. Kurzzeitinfusion oder als Infusion über 2–8 h in einer Dosis von 50– 120 mg/m2 an einem Tag oder an 3–5 Tagen in einer Dosis von 15–20 mg/m2 alle drei Wochen verabreicht. In Kombinationstherapie und bei Risikopatienten muss die Dosierung angepasst werden. Die Anwendung ist nur praktikabel, wenn die sonst limitierende Nephrotoxizität durch Prähydratation, forcierte Diurese mit Mannitol und begleitender Flüssigkeitszufuhr
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sowie Posthydratation verhindert wird. Die extreme emetische Potenz des CDDP muss durch hochdosierte antiemetische Therapie, der Elektrolytverlust durch Substitution bekämpft werden. Die strahlensensibilisierende Wirkung wird klinisch genutzt, die Komplikationsrate der Strahlentherapie kann aber steigen.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Wirkungen sind selten. Nach längerer Verabreichung können häufiger neurotoxische Veränderungen mit Verlust des Tastsinnes bei Polyneuropathie, Krämpfen und Adynamie auftreten. CDDP wirkt kumulativ ototoxisch durch Zerstörung der basalen, äußeren Haarzellen der Cochlea. Haarzellverlust im Labyrinth ist weniger ausgeprägt. Tinnitus und Hörverminderung, vor allem im Frequenzbereich von 4.000–8.000 Hz, kommt in bis zu 70% vor, Hörbeeinträchtigung im Sprechbereich bei 7% der Patienten. Sehr selten ist eine Retrobulbärneuritis. Die Myelosuppression ist gewöhnlich relativ gering, soweit es die Leuko- und Thrombozyten betrifft. Längerfristige Behandlung führt bei 9–40% zur Anämie. Die gastrointestinalen unerwünschte Wirkungen sind regelmäßig schwer und müssen mit intensiver antiemetischer Therapie bekämpft werden. Die hohen intrazellulären und intratubulären Gewebespiegel in der Niere verursachen die Nephrotoxizität. Die Nephrotoxizität ist stereospezifisch an die cis-Form des CDDP gebunden, damit handelt es sich nicht um eine Schwermetallnephropathie. Hyperurikämie kommt in 27% der Fälle vor. Die Tubulusschädigung führt zu Polyurie und Elektrolytverlustniere mit z. T. gravierender Magnesiumverarmung. Die Hydratationsprogramme mit mannitol-induzierter forcierter Diurese mit chloridreichen Lösung haben die klinisch fassbare Nephrotoxizität von etwa 35% auf 5% verringert.
CK-Erhöhung Definition Erhöhung der Serum-Kreatinkinase über den Referenzbereich.
Grundlagen Die Kreatinkinase (CK) katalysiert die Übertragung der Phosphatgruppe von Kreatinphosphat
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Claude-Syndrom
auf Mg-ADP. Es entsteht Mg-ATP. Zur Erfassung der Gesamt-CK wird die Hexokinasereaktion genutzt: Hexokinase überträgt eine Phosphatgruppe des ATP auf Glukose. Es entsteht Glukose-6-Phosphat und ADP. Als Indikatorenzym dient Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase, die aus Glukose-6-Phosphat und NADP Glukonat-6-Phosphat und NADPH2 erzeugt. Die gemessene Konzentration an NADPH2 ist der Aktivität der Kreatinkinase proportional. Es werden eine Reihe von Zusätzen benutzt, um die CK zu stabilisieren und um den Einfluss anderer Enzyme, etwa der Adenylatkinase gering zu halten. In Deutschland sind 2 Einheiten gebräuchlich: U/l (Normbereich bis 80 bei Erwachsenen) und μmol/l/s (Normbereich bis 2,4 bei Erwachsenen). Die CK wird von verschiedenen Genen gebildet, deren Produkte CK-M (M für muscle), CKB (B für brain) und CK-Mi (Mi für mitochondrial) sind. Aufgrund der Verteilung in den Organen bzw. in der Zelle wird CK-MM als Muskeltyp, CK-MB als Herztyp, CK-BB als Gehirntyp und CK-MiMi als mitochodrialer Typ aufgefaßt. Die größte Menge an CK-MB findet sich in der Skelettmuskulatur. Der relative Anteil an CK-MB ist im Herzmuskel allerdings höher als in der Skelettmuskulatur. Die Gesamt-CK im Serum setzt sich aus den Aktivitäten der zytoplasmatischen dimeren Isoenzyme CK-MM, CK-MB, CK-BB und den Aktivitäten der Makro-Kreatinkinasen (CK mit hohem Molekulargewicht) zusammen. Wegen der relativen Bedeutung zur Abgrenzung einer CK-Erhöhung kardialer Genese (Herzinfarkt) hat vor allem die Bestimmung der CK-MB Bedeutung. Die CK-MB wird in der Regel durch einen Immuninhibitionstest bestimmt. Dabei wird durch Antikörper die CK-M quantitativ gehemmt. Die dann enzymatisch gemessene Restaktivität der CK-B stammt daher in der Regel von der CKMB. Der Test geht davon aus, dass keine anderen CK-Aktivitäten in der Probe vorhanden sind. Wenn z. B. ein signifikanter Anteil an Makro-CK, die nicht durch CK-M-Antikörper gehemmt wird, in der Probe ist, so erscheint der Anteil an CK-MB fälschlicherweise deutlich erhöht. Mit der aufwendigeren Isoenzym-Elektrophorese lässt sich dieses Problem umgehen. Mit der Isoenzym-Elektrophorese lassen sich Makro-CK Typ 1 und 2 unterscheiden (Typ 2 entspricht der mitochondrialen CK), ferner die postsynthetisch modifizierten Formen der CKMM (CK-MM 1, 2 und 3) sowie neben der CK-
BB deren postsynthetisch modifizierte Form (CK-BB’). Neben den enzymatischen und den IsoenzymElektrophorese-Methoden gibt es noch Immunassays zur Bestimmung der CK-MB. Die postsynthetischen Modifikationen der CK entstehen erst nach dem Übertritt ins Blut. Die Kenntnis der Methode und ihrer spezifischen Grenzen sind für die Beurteilung der Ergebnisse ebenso wichtig wie die Tatsache, dass CK-MB nicht für den Herzmuskel spezifisch ist, sondern auch im Skelettmuskel vorkommt. Die Gesamt-CK entspricht überwiegend der Aktivität der CK-MM und kann daher als Leitbefund einer Schädigung von Skelett- oder Herzmuskel dienen. Es ist trivial zu erwähnen, dass ein normaler CK-Wert eine Muskelerkrankung nicht ausschließt. Andersherum findet man erhöhte CK-Werte nicht selten nach körperlicher Belastung gesunder Probanden. Ein CK-Anstieg findet sich iatrogen nach intramuskulären Injektionen bzw. Insertionen (EMG) und nach operativen Eingriffen. Leichte (bis mäßige) Anstiege der CK-Aktivität finden sich bei vielen neurologischen Krankheiten, insbesondere Myopathien einschließlich endokrinen Myopathien und Sarkoidose, Neuropathien, motorischen Systemerkrankungen. Mäßig bis stark erhöhte Werte finden sich in der Regel bei Polymyositis und Dermatomyositis. Exzessiv erhöhte Werte sind charakteristisch für eine Rhabdomyolyse. Erhöhte CKWerte finden sich bei weiteren neurologischen Krankheiten (Multiple Sklerose, Hirninfarkt, Schädel-Hirn-Trauma, Grand-Mal-Anfall) sowie vielen konsumierenden Krankheiten.
Claude-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion des unteren Anteils des Nucleus ruber im Mittelhirn (Benennung nach Erstbeschreiber).
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss eines kleinen, von der A. basilaris abzweigenden, den Hirnstamm penetrierenden Gefäßes zu einer Läsion im Bereich des unteren Teils des Nucleus ruber im Mittelhirn mit charakteristischer klinischer Symptomatik.
Claudicatio intermittens, neurogene (Claudicatio spinalis)
Klinik: * Kontralateral Hemiparese, Hemiataxie oder Hemiasynergie. * Ipsilateral Okulomotoriusparese.
257
sakraler Nervenwurzeln bei lumbaler Spinalkanalstenose.
Einleitung Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
3
Nachsorge Hirninfarkt
3
Prognose Hirninfarkt. Die Prognose ist abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
3
Claudicatio intermittens, neurogene (Claudicatio spinalis) Definition Haltungs- und belastungsabhängige Einklemmung der Cauda equina bzw. einzener lumbo-
Manifestation meist jenseits des 50. Lebensjahres. Eine knöcherne Enge des lumbalen Spinalkanales (Sagittaldurchmesser in der CT ≤14 mm; relative Stenose: 12–14 mm, absolute Stenose: ≤12 mm) bedingt haltungs- und belastungsabhängig Rückenschmerzen, uni- oder bilaterale Beinschmerzen vorwiegend in den Segmenten L4 bis S1 sowie flüchtige sensomotorische Defizite. In typischer Weise hat der Patient die Beschwerden beim Stehen oder Gehen, wobei Stehenbleiben allein die Beschwerden nicht lindert, der Patient muss sich vornüberbeugen oder hinsetzen (Entlordosierung). Radfahren verursacht typischerweise keine Beschwerden (Kyphosierung), Bergaufgehen fällt den Patienten aus dem gleichen Grund häufig leichter als Bergabgehen. Klinisch finden sich häufig leichte pluriradikuläre Zeichen, die Dehnungszeichen sind meist negativ. In fortgeschrittenen Stadien finden sich auch persistierende neurologische Defizite bei teilweise zurückgehenden Schmerzen.
Claudicatio intermittens, neurogene (Claudicatio spinalis). Abb. 1: Pathogenetischer Mechanismus der bilateralen Schädigung einzelner lumbosakraler Nervenwurzeln mit Aussparung der kaudalen Sakralwurzeln. Ein medialer Bandscheibenvorfall kann in Kombination mit einer Enge des lumbalen Spinalkanals (v. a. der Recessus lateralis infolge hypertrophierter Gelenkfortsätze) eine isolierte bilaterale Kompression der in Höhe des Vorfalls lateral gelegenen Nervenwurzeln hervorrufen, während die medial gelegenen kaudaleren Wurzeln der Kompression entgehen
C
258
Claudicatio intermittens, spinalis
Diagnostik
Einleitung
Nachweis der spinalen Enge im MRT und lumbaler Myelographie mit Myelo-CT. Ggf. Nachweis einer polyradikulären Denervierung im EMG.
Im Bereich des Rückenmarkes oder der Cauda equina auftretende flüchtige Durchblutungsstörungen führen typischerweise zur passageren Beeinträchtigung von Stand und Gang, sensomotorischen Defiziten oder Blasenstörungen ohne begleitende Schmerzen, bevorzugt bei körperlicher Belastung. Wichtige Ursachen sind die spinale Durafistel oder das LéricheSyndrom.
Differenzialdiagnose 3
Claudicatio intermittens, vaskuläre (bei pAVK): Die Beinschmerzen bessern sich im Gegensatz zur neurogenen Claudicatio typischerweise bereits durch Stehenbleiben, lassen sich dagegen auch durch Radfahren provozieren, Bergaufgehen fällt schwerer als Bergabgehen. Klinisch finden sich u. a. ein Pulsverlust distal der Stenose und trophische Störungen, radikuläre Zeichen fehlen. Diagnostik: arterieller Doppler, ggf. Angiographie. Claudicatio intermittens, spinalis (bei passageren spinalen Durchblutungsstörungen): Flüchtige spinale Symptomatik, die typischerweise ohne begleitende Schmerzen auftritt. Selten. Diagnostik: MRT.
3
Differenzialdiagnose
Claudicatio intermittens, neurogene
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Ursache.
3 3
Claudicatio intermittens, vaskuläre Synonyme
empirisch Bei gering ausgeprägtem Beschwerdebild zunächst konservativer Behandlungsversuch mit Krankengymnastik (Stärkung der Rumpfmuskulatur), Anpassung eines Korsetts zur Entlordosierung, Kortikoidinfiltration der Facettengelenke. Bei persistierenden Beschwerden und/oder neurologischen Defiziten ist eine operative Dekompression indiziert, wobei der Umfang von der Facettektomie bis zur Laminektomie über mehrere Etagen unter Belassung der Gelenkfortsätze reicht.
Prognose Der Spontanverlauf ist häufig über Jahre stabil, ein jeweils kleiner Anteil der Patienten zeigt entweder eine Verschlechterung oder bessert sich.
Schaufensterkrankheit
Definition Durch eine chronische periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) der unteren Extremitäten verursachte belastungsinduzierte, gehstreckenabhängige, ischämische Muskelschmerzen der Beine. Sehr selten sind flüchtige spinale Ischämien mit schmerzloser sensomotorischer Symptomatik.
Einleitung Ursächlich meist Arteriosklerose (≥95%), seltener rezidivierende Thrombembolien oder Thrombangiitis obliterans. Wichtigster Risikofaktor ist das Rauchen.
Differenzialdiagnose 3
Therapie
Claudicatio intermittens, neurogene
Claudicatio masticatoria Claudicatio intermittens, spinalis Definition Durch Störungen der spinalen Durchblutung induzierte flüchtige, meist belastungs- oder lageabhängige spinale Symptomatik.
Definition Die Claudicatio masticatoria bezeichnet die während des Kauens fester Speisen auftretende temporale Schmerzverstärkung, der eine Ischämie der Massetermuskulatur zugrunde liegt. Charakteristischerweise sistieren die Beschwer-
Clobazam
den nach einer gewissen Ruhepause. Dieses Symptom ist pathognomonisch für die Arteriitis temporalis, die bei ca 20% der erkrankten Personen zu finden ist.
259
Clobazam Gebräuchliche Fertigarzneimittel Frisium® 10/20 Tabs, Tbl.
3
Wirkungen
Clioquinolmyelopathie Myelooptikoneuropathie, subakute (SMON)
Clobazam ist ein psychotroper Wirkstoff aus der Klasse der Benzodiazepine, deren spezifische pharmakologische Eigenschaften sich durch angst- bzw. spannungslösende, antikonvulsive, sedativ-hypnotische, über zentrale Mechanismen vermittelte muskelrelaxierende und amnestische Wirkungen auszeichnen ( Diazepam). Zumindest bei chronischer Therapie scheint Clobazam etwas geringere muskelrelaxierende und sedierende Eigenschaften zu haben als vergleichbare Benzodiazepine. 3
3
Clip-Operation Definition Operative Ausschaltung eines Aneurysmas aus der Zirkulation durch Platzierung eines Clips auf den Aneurysmahals. 3
Grundlagen Die Clip-Operation gilt als die sicherste Behandlung eines symptomatischen, blutungsverurachenden Aneurysmas zur Verhinderung einer Rezidivblutung ( Subarachnoidalblutung). Gegenwärtig stehen eine große Variation von inzwischen aus Titan hergestellten Clips zur Verfügung, die durch Anwendung des Operationsmikroskops in mikrochirurgischer Weise eingebracht werden können. Umstritten ist der günstigste Zeitpunkt der Operation: Bis zum Stadium IV nach Hunt und Hess verhindert die Frühoperation (Tag 1–3) Rezidivblutungen, hat jedoch ein höheres Operationsrisiko gegenüber der Spätoperation (ab dem 10. Tag). Nach erfolgter Clip-Operation und angiographischer Befundkontrolle sind im Unterschied zur interventionellen Aneurysmatherapie ( Neuroradiologie, interventionelle) Nachuntersuchungen meist nicht erforderlich. Die operationsbedingte Morbidität und Mortalität bei asymptomatischen Aneurysmen liegt bei 15,7%/Jahr und bei 13,1% bei Aneurysmen, die durch eine Subarachnoidalblutung symptomatisch geworden sind [1]. 3
3
3
Literatur 1. ISUIA Investigators (1998). Unruptured intracranial aneurysms – risk of rupture and risks of surgical intervention, The New England Journal of Medicine 24: 1725–1733.
Resorption Nach peroraler Applikation wird Clobazam schnell resorbiert. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 90%. Maximale Plasmakonzentrationen werden ca. 1–2 h nach Applikation erreicht. Die Plasmaproteinbindung des Clobazams liegt im therapeutischen Bereich bei 85%.
Elimination Clobazam wird mit einer Plasmahalbwertzeit von 17–31 h zum biologisch aktiven N-Desmethylclobazam metaboliert. Der Metabolit selbst hat eine Plasmahalbwertzeit von ca. 50 h und akkumuliert bei chronicher Therapie beträchtlich. Die Elimination von Clobazam ist im Alter deutlich verlangsamt.
Anwendungsgebiete Zur symptomatischen Behandlung von akuten und chronischen Spannungs-, Erregungs- und Angstzuständen. Als antikonvulsive Zusatzmedikation bei Patienten mit Anfallsleiden, die mit Standard-Antiepileptika nicht zufriedenstellend eingestellt werden können.
Dosierung und Art der Anwendung Die perorale Tagesdosis liegt bei 20–30 mg und kann zum großen Teil abends eingenommen werden. Die Dosis als Antikonvulsivum soll einschleichend mit 5–15 mg/d begonnen werden bis zu einer maximalen Tagesdosis von 80 mg.
Unerwünschte Wirkungen Die unerwünschten Wirkungen von Clobazam
C
260
Clomethiazol
entsprechen weitgehend denen anderer Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine (Diazepam). Bei der Anwendung als Antikonvulsivum ist bei mehrmonatiger Gabe mit der Entwicklung von Toleranz zu rechnen.
Wechselwirkungen
*
Clobazam kann die Wirkung anderer zentraldämpfender Medikamente und von Alkohol verstärken. Bei gleichzeitiger Einnahme mit Cimetidin kann die Wirkung von Clobazam verstärkt und verlängert werden. Carbamazepin und Phenytoin induzieren die Clobazam-Biotransformation zu N-Desmethylclobazam. *
Clomethiazol Zubereitungen Kapseln, Mixtur und Infusionslösung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Distraneurin®.
Wirkungen Clomethiazol wirkt antikonvulsiv, antiadrenerg, anxiolytisch und sedierend.
Pharmakologische Daten Aufgrund seiner kurzen Wirkdauer ist es gut steuerbar.
Anwendungsgebiete 1. Schlafstörungen und Störungen des SchlafWach-Rhythmus im höheren Lebensalter. Verwirrtheits-, Erregungs- und Unruhezustände, sowie Verhaltensstörungen im Rahmen des hirnorganischen Psychosyndroms bei Patienten im höheren Lebensalter (Kapseln/Mixtur). 2. Akute Entzugserscheinungen nach chronischem Alkoholabusus, Prädelir und Delirium tremens (bei stationärer Behandlung Kapseln/Mixtur/sterile Lösung). 3. Unruhe- und Krampfzustände bei Präeklampsie und Eklampsie (sterile Lösung). 4. Nicht anders beherrschbarer Grand-Mal-Status (sterile Lösung).
Dosierung/Anwendung *
Bei Schlafstörungen und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus im höheren Lebens-
alter: Als Anfangsdosis 2 Kapseln (bzw. 10 ml Mixtur) vor dem Schlafengehen. Wenn nötig, können nach 30–60 min weitere 2 Kapseln (bzw. 5–10 ml Mixtur) verabreicht werden. Verwirrtheits-, Erregungs- u. Unruhezustände, sowie Verhaltensstörungen im Rahmen des hirnorganischen Psychosyndroms bei Patienten im höheren Lebensalter: 3×1–2 Kapseln (bzw. 5–10 ml Mixtur) über den Tag verteilt. In den meisten Fällen wird ein optimaler Effekt nach 10–14 Tagen erreicht. Danach ist oft eine Dosisreduzierung möglich. Akute Entzugserscheinungen nach chron. Alkoholabusus: 2–4 Kapseln oder 10–20 ml Mixtur. Wenn die Sedierung nicht in 30–60 min erreicht wird, können zusätzlich 2 Kapseln oder 10 ml Mixtur gegeben werden. Tritt der gewünschte Effekt nicht ein, kann diese Dosis nochmals verabreicht werden. Es sollte jedoch die Gabe von 6–8 Kapseln oder 30– 40 ml Mixtur in einem Zeitraum von 2 Stunden nicht überschritten werden. Die Behandlung sollte unter ausschleichender Dosis in 10–14 Tagen abgeschlossen sein. Wegen seines Suchtpotentials und des abnehmenden Reaktionvermögens sollte es nur stationär angewendet werden. Die parenterale Gabe sollte unter engmaschiger Überwachung auf der Intensivstation erfolgen, da die therapeutische Breite gering und das Risiko einer Atemdepression erheblich ist.
Unerwünschte Wirkungen In seltenen Fällen Niesreiz und Tränen der Augen, Bindehautentzündung, Magenschmerzen oder Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen. Diese Nebenwirkungen klingen im Laufe der Behandlung ab. Bei höheren Dosen, insbesondere bei parenteraler Verabreichung, kann es bei Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen zu einer weiteren Beeinträchtigung der Atmung kommen, daneben können Infekte der oberen Atemwege und Lungenerkrankungen auftreten. Nach i. v.-Verabreichung kann eine vorübergehende Blutdrucksenkung eintreten. Wirkung auf die Atemfrequenz (sowohl Ab- als auch Zunahme), geringe Tachykardie sowie vereinzelte Fälle
Clomipramin
von Zyanose, Erythem, lokalisierter Thrombophlebitis an der Injektionsstelle wurden beobachtet, ebenso Missempfindungen wie Taubheit oder Kribbelgefühl, Juckreiz, Hautausschläge. Eine ernste Atmungs- und Kreislaufdepression, besonders bei i. v.-Verabreichung von Distraneurin, ist in einzelnen Fällen bei Patienten mit bereits bestehender respiratorischer Insuffizienz beschrieben. Die Dauerüberwachung von Kreislauf und Atmung muss gewährleistet sein. Guedel-Tubus, Absauggerät und Möglichkeit zur künstlichen Beatmung sind bereitzuhalten. Möglich ist ein Anstieg der Speichel- und Bronchialsekretion. Gelegentlich Brennen in Hals und Nase, Schnupfengefühl und Hustenreiz. Müdigkeit, Benommenheit, Kopfschmerzen. Anstieg der Serumtransaminasen, Ikterus, cholestatische Hepatitis, vereinzelt Gesichtsödem, allergische oder anaphylaktische Reaktion, Schock. Bei Schwangeren Hitzegefühl im Gesicht, Abnahme der Körpertemperatur. Bei Intoxikation: Atemdepression, massive Hypotonie, komatöse Zustände mit nachfolgendem Herzstillstand und postnatale Atemdepression des Neugeborenen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion, portokavaler Shunt, gleichzeitige Gabe von Diazoxid (während der Schwangerschaft), restriktive und obstruktive Ventilationsstörungen, akute Bronchial- oder Lungenerkrankungen. Wegen des Glukosegehalts in Distraneurin-Lösung keine Anwendung beim akuten Schlaganfall! Eine erhöhte Glukosekonzentration im Blut kann den Erkrankungsverlauf nach einem Schlaganfall ungünstig beeinflussen. Vorsicht bei Verdacht auf Schlafapnoe-Syndrom, zentral verursachten Atemstörungen, akute Intoxikation und vorbestehender Abhängigkeit von Alkohol, Hypnotika, Neuroleptika, Schmerzmitteln. In der Schwangerschaft und Stillzeit sollte eine sehr strenge Indikationsstellung erfolgen. Clomethiazol ist plazentagängig.
Wechselwirkungen Gleichzeitig mit Clomethiazol sollen keine Schmerzmittel, Barbiturate, Psychopharmaka oder andere zentral dämpfende Substanzen verabreicht werden, da mit einer nicht abschätzbaren Wirkungsverstärkung zu rechnen ist. Bei
261
gleichzeitiger Gabe von Cimetidin kann es zu einer Wirkungsverstärkung bzw. Wirkungsverlängerung kommen, sodass die DistraneurinDosis evtl. reduziert werden muss. Die gleichzeitige Anwendung bzw. Einnahme von Alkohol kann lebensbedrohliche Auswirkungen haben.
Bewertung Zur Behandlung des mittelschweren und schweren Delirs ist Clomethiazol, sofern keine kardiopulmonalen Erkrankungen vorliegen, das Medikament der ersten Wahl.
Clomipramin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Anafranil® 10 mg/25 mg, 75 mg retard, Inj. lösg.; Clomipramin - neuraxpharm®, - ratiopharm®; Hydiphen®.
Wirkungen Clomipramin ist ein trizyklisches Antidepressivum mit besonderer Überlegenheit bei der Behandlung von therapieresistenten Depressionen, Zwangserkrankungen und Panikstörungen. Weitere Wirkungen lassen es für die Behandlung von Phobien, Narkolepsie und chronische Schmerzzuständen geeignet erscheinen. Clomipramin gehört zu den wenigen Antidepressiva, für die eine therapeutische Wirksamkeit in der Behandlung chronischer Schmerzzustände nachgewiesen wurde. Diese analgetische Wirkung ist auch bei Patienten ohne Depressionsneigung vorhanden. Clomipramin hemmt die neuronale Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin.
Wirkungsverlauf Clomipramin (Halbwertzeit 21–25 h) wird p. o. gut resorbiert. Durch „First-Pass“-Metabolismus beträgt die Bioverfügbarkeit weniger als 50%. Die Plasmaeiweißbindung liegt bei 98%. Die Verstoffwechselung (97–99%) erfolgt über N-Demethylierung, aber auch Hydroxylierung und N-Oxidation.
Anwendungsgebiete Depressive Erkrankungen. Chronische Schmerzen, insbesondere bei diabetischer und postherpetischer Neuropathie, idiopathische Schmerz-
C
262
Clonazepam
syndrome, Deafferenzierungsschmerz und Tumorschmerz.
Unerwünschte Wirkungen
Dosierung und Art der Anwendung
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
3
Dosis 50–250 mg/d.
Benzodiazepine
Benzodiazepine
3
Unerwünschte Wirkungen
Wechselwirkungen
Das Profil der unerwünschten Wirkungen entspricht anderen Trizyklika wie Imipramin oder Amitriptylin.
Keine bedeutsamen pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Pharmaka. Klinisch relevant sind aber additive Effekte hinschtlich Sedierung und Atemdepression bei Verabreichung mit anderen sedierenden Substanzen.
3
Clonazepam Zubereitungen Tabletten, Tropfenlösung, Injektionslösung.
Zubereitungen
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Augentropfen, Tabletten, Perlongetten, Kapseln, Retardkapseln, Injektions- und Infusionslösung.
®
Antelepsin Tabletten à 0,25, 1 mg. Rivotril® Tabletten à 0,5, 2 mg. Rivotril® Lösung (1 ml=2,5 mg). Rivotril® Ampullen à 1 mg.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Wirkungen Benzodiazepine
3
Pharmakologische Daten Nach oraler Gabe rasche und fast vollständige Resorption, höchste Serumkonzentration nach 3 h. Plasmaproteinbindung ca. 80%, Halbwertszeit 20–40 h, Steady State nach 4–6 d.
Anwendungsgebiete Wegen Toleranzentwicklung, Abhängigkeitspotentials und sedierendem Effekt kein Mittel der 1. Wahl zur Langzeitbehandlung von Epilepsien. Eine Ausnahme bilden Myoklonien im Rahmen myoklonischer Syndrome ( Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive), die meist gut auf Clonazepam ansprechen. Weiterhin Anwendung in der Akuttherapie von Anfallsserien (oral, i. m., i. v.) und Status epilepticus (i. v.) bei Kindern und Erwachsenen sowie Fieberkrämpfen. 3
3
3
3
Dosierung/Anwendung Bei oraler Gabe Tagesdosis 2–6 spiegel 0,02–0,07 ng/ml) in 2–3 Dosisreduktion ambulant wegen Entzugsanfällen extrem langsam 1 mg alle 2 Monate).
Clonidin
mg (SerumEinzeldosen. Gefahr von (z. B. 0,5–
Augentropfen: Aruclonin®, Isoglaukon®, Dispaclonidin®. Antihypertonikum: Catapresan®, Clonidin®, Clonistada®, Combipresan®, Hämiton®, Mirfat®. Migränemittel: Dixarit®. Opiatentwöhnungsmittel: Paracefan®.
Wirkungen Clonidin führt zu einer über α2-Agonismus zentral vermittelten Senkung des systemischen Blutdrucks.
Anwendungsgebiete 1. Leichte bis schwere Hypertonie. 2. Alle Formen des Glaukoms sowie okulärer Hypertension. 3. Basisbehandlung und Vorbeugung anfallsartig auftretender Kopfschmerzen, z. B. Migräne und vasomotorischer Kopfschmerzen. 4. Therapie vasomotorischer Fehlregulationen vor und während der Menopause (klimakterische Hitzewallungen und Schweißausbrüche). 5. Akutes Opiatentzugssyndrom. 6. Gilles-de-la-Tourette-Syndrom bei unzureichender Wirksamkeit und Verträglichkeit der bisherigen Standardtherapie.
Clopidogrel
Dosierung/Anwendung *
*
Augentropfen: 2–3×tgl. 1 Tropfen in den Bindehautsack eintropfen. Antihypertonikum: Clonidin® 75 mg zur langsamen Blutdrucksenkung und bei leichter Hypertonie 1–2 × 1 Tablette täglich. Clonidin® 150 mg Tabletten: Behandlungsbeginn mit 1×1 Tablette täglich, nach Bedarf Steigerung auf 2×1 Tablette täglich. Clonidin Perlongetten®: 1 Perlongette pro Tag. Clonidin® 300 mg Tabletten: Bei schwerer Hypertonie, wobei die Regeldosis 2–3× 1 Tabletten täglich liegt. Clonidin® Injektionslösung: 1–4×täglich 1 Ampulle unverdünnt s. c. oder i. m. oder sehr sehr langsam (über ca. 10 min.) verdünnt (z. B. 1 Ampulle auf 10 ml physiologische NaCl-Lösung.) i. v. injizieren. Nur am liegenden Patienten injizieren.
Unerwünschte Wirkungen Initial Na- und H2O-Retention. Blutdruckabfall, Augenbrennen, Sehstörungen und Fremdkörpergefühl. Haarausfall, selten passagerer Anstieg der Blutzuckerwerte, sehr selten Pseudoobstruktion des Dickdarms, Austrocknen der Nasenschleimhäute, Verminderung des Tränenflusses (Kontaktlinsenträger). Bei hoher Dosierung: Gelegentlich Müdigkeit und Schwindel (dosisabhängig und meist nur vorübergehend bei Theapiebeginn), selten Kopfschmerzen. Sehr selten Kribbeln und Kältegefühl in den Gliedmaßen (Parästhesien), Schlafstörungen, allergische Reaktionen, AVBlock II. und III. Grades. Eine Einschränkung des Reaktionsvermögens ist häufig!
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Zerebrovaskuläre Insuffizienz, Phäochromozytom, Obstipation, Polyneuropathie, schwere Herzinsuffizienz (NYHA IV), Zustand nach Apoplex, Diabetes mellitus, gleichzeitige Therapie mit Glykosiden, Glukokortikoiden oder Laxanzien.
Wechselwirkungen Durch die Zugabe eines Saluretikums lässt sich die antihypertensive Wirkung von Catapresan® verstärken.
263
Abschwächung der blutdrucksenkenden Wirkung durch Tolazolin, Auslösung bzw. Verstärkung von peripheren Gefäßerkrankungen durch ß-Blocker. Abschwächung bis Aufhebung des blutdrucksenkenden Effekts, Auftreten oder Verstärkung von orthostatischen Störungen durch trizyklische Antidepressiva oder Neuroleptika. Verstärkung der arrhythmogenen Wirkung hoher i. v. Haloperidol-Dosen durch hohe i. v.-Dosen von Clonidin® sind möglich.
Clopidogrel Zubereitungen Tabletten a 75 mg.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Iscover®, Plavix®.
Wirkungen Thrombozytenaggregationhemmung über Antagonisierung des ADP-Bindungsrezeptors.
Pharmakologische Daten Aufgrund der irreversiblen Rezeptorblockade Aggregationshemmung für die Lebensdauer eines Thrombozyten (7–10 Tage).
Anwendungsgebiete *
* *
*
Sekundärprävention von ischämischen, nicht kardiogen embolischen Schlaganfällen. Sekundärprävention der koronaren Herzerkrankung. Prävention eines Stentverschlusses in der Akutphase nach Stentanlage in Kombination mit ASS. Sekundärprävention der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit.
Dosierung/Anwendung 75 mg/Tag, schnelle Aufsättigung durch Gabe von 300 mg am ersten Tag möglich (nach Stentimplantation).
Unerwünschte Wirkungen Unter anderem: * Gelegentlich Blutungen (z. B. gastrointestinal, intrazerebral). * Dermatologische Nebenwirkungen (allergische Exantheme etc.).
C
264 * * *
Clostridium tetani
Selten Leuko- und Thrombopenien. Transaminasenanstieg. Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (selten).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung * *
Schwere Leberfunktionsstörungen. Akute Blutungen.
Der lokale Typus mit Muskelspasmen nur in der Umgebung der Wunde ist viel seltener. Die Therapie besteht aus der sofortigen Gabe von Antitoxin, gleichzeitiger aktiver Impfung und einer chirurgischen Wundbehandlung. Die Spasmen werden mit Baclofen® oder Dantrolen® behandelt. Bei drohender Ateminsuffizienz ist eine frühzeitige Intubation und intensivmedizinische Überwachung notwendig.
Wechselwirkungen Verstärkung der Gerinnungshemmung in Kombination mit anderen Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulantien.
Clozapin
Bewertung
Zubereitungen
Stärkere Thrombozytenfunktionshemmung als durch ASS. Im Vergleich zu ASS weniger Magen-/Duodenalulzera und gastrointestinale Blutungen, jedoch mehr andere gastrointestinale Nebenwirkungen wie Durchfälle und dermatologische Begleiteffekte. Im Vergleich zu Ticlopidin weniger Störungen der Hämatopoese.
Teilbare Tabletten zu 25 mg, 100 mg und 200 mg. Injektionslösung (Ampullen 2 ml) zu 50 mg.
Clostridium tetani Synonyme Tetanusbazillus
Definition Peritrich begeißeltes, schlankes, gram-positives, streng anaerob wachsendes Stäbchenbakterium. Sporen kugelförmig.
Grundlagen Clostridium tetani ist ein im Erdboden ubiquitär vorkommender Keim, der über Verletzungen (auch Tierbisse, Verbrennungen) in die Wunde gelangt und sich dort vermehrt. Die Inkubationszeit beträgt 1–30 Tage. Er produziert mehrere Exotoxine (Tetanospasmin, Tetanolysin). Tetanospasmin hemmt die Sekretion inhibitorischer Transmitter in spinalen Neuronen. Dies führt zur Aktivitätssteigerung spinaler Motoneurone. Die meisten Patienten zeigen den generalisierten Typus mit Trismus, Dysphagie und Risus sardonicus. Nach Tagen kommt es zu schmerzhaften Muskelspasmen, Opisthotonus und Atemstörungen. Die Mortalität beträgt 10–50%.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Clozapin-neuraxpharm® 25/-50/-100/-200. Elcrit® 25 mg/-50 mg/-100 mg. Clozapin® 25/-50/-100; Clozapin® Injektionslösung i. m. Leponex® 25/-50/-100; Leponex® Injektionslösung i. m.
Wirkungen Clozapin ist ein antipsychotisch wirkendes Mittel, das sich in pharmakologischer und klinischtherapeutischer Hinsicht von den herkömmlichen Neuroleptika unterscheidet. In pharmakologischen Versuchen löst Clozapin keine Katalepsie aus und bewirkt keine Hemmung des durch Apomorphin oder Amphetamin induzierten stereotypen Verhaltens. Die Substanz besitzt eine schwache Dopaminrezeptoren blockierende Aktivität an den D1-, D2-, D3- und D5-Rezeptoren, zeigt aber zusätzlich zu potenten anti-α-adrenergen, anticholinergen, antihistaminen und die Arousalreaktion hemmenden Wirkungen eine starke Wirksamkeit gegenüber dem D4-Rezeptor. Zudem besitzt Clozapin antiserotoninerge Eigenschaften. Clozapin erzeugt praktisch keine ernsthaften extrapyramidalen Störungen wie akute Dystonie oder tardives Dyskinesie-Syndrom (parkinsonähnliche Nebenwirkungen und Akathisie sind selten). Im Gegensatz zu herkömmlichen Neuroleptika erhöht die Leponex-Behandlung auch kaum oder nicht den Prolaktinspiegel, sodass Nebenwirkungen wie Gynäkomastie,
Clozapin
Amenorrhoe, Galaktorrhöe oder Impotenz nicht zu erwarten sind. In der klinischen Anwendung führt Clozapin zu einer rasch einsetzenden, ausgeprägten Sedierung und wirkt stark antipsychotisch, insbesondere auch bei Patienten, die auf andere Medikamente nicht ansprechen. In solchen Fällen vermag Clozapin die positiven (produktiven), wie auch die negativen Symptome der Schizophrenie zu bessern.
Pharmakologische Daten Clozapin ist ein trizyklisches Dibenzodiazepinderivat. Oral verabreichtes Clozapin wird zu 90–95% resorbiert; Geschwindigkeit und Absorption werden durch Nahrungsaufnahme nicht beeinflusst. Clozapin, unterliegt einem mäßigen First-Pass-Metabolismus; die absolute Bioverfügbarkeit beträgt 50–60%. Unter SteadyState-Bedingungen werden die maximalen Blutspiegel bei zweimal täglicher Verabreichung im Mittel nach 2,1 h (Bandbreite 0,4– 4,2 h) erreicht. Das Verteilungsvolumen beträgt 1,6 l/kg. Clozapin wird nahezu zu 95% an Plasmaprotein gebunden. Clozapin wird vor der Elimination fast vollständig metabolisiert. Von den Hauptmetaboliten ist nur das Desmethyl-Clozapin pharmakologisch aktiv. Seine Wirkung gleicht der von Clozapin, ist aber schwächer und von kürzerer Dauer. Clozapin wird in zwei Phasen ausgeschieden; seine durchschnittliche terminale Eliminationshalbwertszeit beträgt 12 h (zwischen 6 und 26 h). Nach Einzeldosen von 75 mg betrug die durchschnittliche terminale Halbwertszeit 7,9 h. Sie erhöhte sich auf 14,2 h, wenn durch Verabreichung von Tagesdosen von 75 mg während mindestens 7 Tagen SteadyState-Bedingungen erreicht wurden. Im Urin und in den Faeces wurden lediglich Spuren der unveränderten Substanz nachgewiesen. Ca. 50% der verabreichten Dosis werden in metabolisierter Form im Urin und 30% in den Faeces ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Clozapin ist offiziell nur bei therapieresistenten schizophrenen Patienten indiziert, die auf klassische Neuroleptika nicht ansprechen oder diese nicht vertragen. Leponex® ist 2003 auch für die Therapie der pharmakologischen Psychose bei Parkinson-Patienten zugelassen wor-
265
den. Das Kriterium der fehlenden Ansprechbarkeit ist erfüllt, wenn vorherige Behandlungsversuche mit herkömmlichen Neuroleptika bei angemessener Dosierung und genügend langer Therapiedauer keine ausreichende klinische Besserung erbracht haben. Unverträglichkeit liegt vor, wenn schwere, nicht beherrschbare neurologische Nebenwirkungen in Form von extrapyramidalen Störungen oder Spätdyskinesien auftreten, die eine wirksame antipsychotische Therapie mit herkömmlichen Neuroleptika verunmöglichen. Vorausgesetzt wird, dass vor Beginn der Behandlung ein normaler Leukozytenbefund vorliegt (Leukozytenzahl >3500/mm3, normales Differenzialblutbild, die Kontrolle darf maximal 10 Tage zurückliegen), regelmäßige Kontrollen der Leukozyten durchgeführt werden können (wöchentlich in den ersten 18 Behandlungswochen, danach mindestens in monatlichen Abständen, und nach dem Absetzen über einen Zeitraum von weiteren 4 Wochen). Allerdings wird Clozapin gerne bei Bewegungsstörungen (Parkinson, TTremor und andere Tremores, tardive Dystonien u. a.) eingesetzt. Es ist weiterhin das Mittel der Wahl bei der pharmakogenen durch Dopaminergika induzierten Psychose bei Parkinson-Patienten [4], falls bei Parkinson-Patienten eine Vereinfachung der dopaminergen Medikation auf eine Monotherapie und weitere Reduktion der Dopaminergika mit einer nicht vertretbaren Verschlechteung der Parkinson-Symptomatik einhergeht. Neuerdings wird Quetiapin als Alternative vorgeschlagen (Vorteil bisher keine Blutbildkontrollen, Nachteil schlechter als Clozapin, was EPMS angeht).
Dosierung/Anwendung Clozapin sollte bei Parkinson-Patienten unter Berücksichtigung der besonderen Risiken und Auflagen (Blutkontrollen) in geringer Dosierung (um 25 mg/die, beginnend mit einer Viertel 25 mg-Tablette zur Nacht) vorsichtig aufdosiert werden. Es ist oftmals sehr effektiv gegen ParkinsonTremor und kann auch bei dieser Indikation im Rahmen eines Heilversuchs eingesetzt werden. Hier empfiehlt es sich einen sogenannten Clozapin-Test durchzuführen [3]. Die akute Gabe von 12,5 mg Clozapin versus Pacebo bei 17 Parkinson-Patienten mit doparefraktärem Ruhe- und Haltetremor führte bei 15 von 17 Pa-
C
266
Clozapin
tienten zu Tremor-Besserung von >50% nur unter Clozapin, der maximale Effekt war nach 52±19 min ersichtlich mit einer von Dauer von 5.1±1.3 h. Sedierung war die einzige unerwünschte Wirkung, maximal nach 110 ±15 min. In der Langzeitbeobachtung der Clozapin-Test-Positiven kam es unter 45 mg ±9.6 mg Clozapin zu einer signifikanten Reduktion von Halte- und Ruhetremor über 1 Jahr mit einem Nachlassen der Sedierung nach 30 Tagen bei allen Patienten. Eine Toleranz und andere unerwünschten Ereignisse wurden nicht beobachtet. Clozapin ist ebenfalls in kleiner Dosierung wie beim Parkinson-Tremor mit Erfolg auch beim essentiellen Tremor eingesetzt worden, wenngleich weniger systematische Beobachtungen vorliegen.
Unerwünschte Wirkungen Risikofaktoren: Alter, weibliches Geschlecht. Unerwünschte Wirkungen von Clozapin außer Leukopenie/Agranulozytose (Auswahl): * Sedation bis hin zu deliranten Zuständen (besonders relevant bei Parkinson-Patienten und älteren Patienten). * Nächtliche Hypersalivation. * Akute Akathisie. * Myoklonien. * Krampfanfälle. Selten auch letal, teilweise unsicherer Zusammenhang: * Kreislaufkollaps 1/3000. * Fulminante Myokarditis. * Fulminante Lebernekrose. * Akute Pankreatitis. * Hyperglykämie mit Ketoazidose.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Vorausgesetzt wird, dass vor Beginn der Behandlung ein normaler Leukozytenbefund vorliegt (Leukozytenzahl >3500/mm3, normales
Differenzialblutbild, die Kontrolle darf maximal 10 Tage zurückliegen), regelmäßige Kontrollen d. Leukozyten durchgeführt werden können (wöchentlich. in den ersten 18 Behandlungswochen danach mindestend in monatlichen Abständen, und nach dem Absetzen über einen Zeitraum von weiteren 4 Wochen). Eine Verpflichtungserklärung von Seiten des behandelnden Arztes zur kontrollierten Anwendung muss dem Hersteller vorliegen, damit die Apotheken das Medikament verabreichen. 1. Gegenanzeigen: * Anamnestisch bekannte Granulozytopenie oder Agranulozytose (ausgenommen Granulozytopenie/Agranulozytose durch frühere Chemotherapien). * Gestörte Knochenmarksfunktion. * Unkontrollierte Epilepsie. * Alkoholische Psychose, Intoxikationspsychosen, Arzneimittelintoxikation, komatöse Zustände. * Kreislaufkollaps und/oder ZNS-Depression jedwelcher Genese. * Schwere Nieren- oder Herzerkrankungen, Myokarditis. * Akute Lebererkrankungen mit Nausea, Anorexie oder Gelbsucht; fortschreitende Lebererkrankungen; Leberversagen. Im Hinblick auf das Agranulozytoserisiko müssen die folgenden Vorsichtsmaßnahmen unbedingt eingehalten werden: *
*
Gleichzeitig mit Clozapin dürfen keine Medikamente verwendet werden, die selbst ein erhebliches myelosuppressives Potential besitzen. Zu vermeiden ist auch die Kombination von Clozapin mit Depot-Neuroleptika, da diese potentiell myelotoxischen Präparate in dringlichen Situationen, wie z. B. im Falle einer Granulozytopenie, nur langsam aus dem Organismus eliminiert werden.
Clozapin. Tab. 1: Unerwünschte Wrkungen von Clozapin Autor
n (Anzahl der Patienten)
Unerwünschte Wirkungen
Atkin et al. 6316 [2]
2,9% Neutropenie; 0,8% Agranulozytose, letal 0,03% = 2 Patienten.
Alvir et al. [1]
0,91 % Agranulozytose, >85% in den ersten 3 Monaten, letal bei 2 Patienten.
11555
Clozapin *
Patienten mit primären Knochenmarkstörungen in der Anamnese dürfen mit Clozapin nur behandelt werden, wenn der Nutzen das Risiko überwiegt. Sie sollten vor der Behandlung von einem Hämatologen untersucht werden. Dasselbe gilt für Patienten mit niedriger Leukozytenzahl aufgrund einer gutartigen, ethnischbedingten Neutropenie. 2. Leukozyten- und neutrophile GranulozytenMonitoring: Um sicher zu stellen, dass nur Patienten mit normalen Leukozytenbefunden (Leukozytenzahl 3500/mm³ und absolute Zahl der neutrophilen Granulozyten 2000/mm³) einer Clozapin-Therapie zugeführt werden, müssen innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Behandlung die Leukozytenzahl ermittelt und das Differenzialblutbild erstellt werden. Während den ersten 18 Behandlungswochen muss die Leukozytenzahl und wenn möglich die absolute Zahl der neutrophilen Granulozyten wöchentlich und danach, über die ganze Dauer der Therapie, mindestens einmal im Monat und nach dem vollständigen Absetzen von Clozapin noch während 1 Monats kontrolliert werden. Bei jeder Konsultation soll der Patient daran erinnert werden, dass er bei den ersten Anzeichen einer Infektion, von Fieber, Halsweh oder anderen grippeähnlichen Symptomen unverzüglich den behandelnden Arzt aufsuchen muss. Es muss sofort ein Differenzialblutbild gemacht werden. * Im Falle einer Unterbrechung der Therapie aus nicht hämatologisch bedingten Gründen: Bei seit mehr als 18 Wochen mit Clozapin behandelten Patienten, deren Behandlung mehr als 3 Tagen, aber weniger als 4 Wochen unterbrochen werden musste, soll die Leukozytenzahl während weiterer 6 Wochen wöchentlich kontrolliert werden. Tritt kein abnormes Blutbild auf, so können die Kontrollen weiterhin in Abständen von höchstens 4 Wochen durchgeführt werden. Wurde die Clozapin-Behandlung während 4 Wochen oder länger unterbrochen, sind während der folgenden 18 Behandlungswochen wöchentliche Kontrollen erforderlich. * Niedrige Leukozyten- und neutrophile Granulozyten-Werte: Fällt während der ersten 18 Wochen einer
267
Clozapin-Therapie die Leukozytenzahl auf 3500–3000/mm³ und/oder die absolute Zahl der neutrophilen Granulozyten auf 2000–1500/mm³ ab, sind mindestens 2×wöchentlich hämatologische Kontrollen nötig, ebenso wenn nach den 18 Wochen die Werte auf 3000–2500/mm³ resp. 1500–1000/mm³ abfallen. Zusätzlich muss eine erneute Leukozytenbestimmung und ein Differenzialblutbild gemacht werden, wenn die Leukozytenzahl wesentlich unter den Ausgangspunkt absinkt. Eine wesentliche Abnahme wird definiert als ein einmaliger Rückgang der Leukozytenzahl von 3000/mm³ oder mehr oder als ein Rückgang von insgesamt 3000/mm³ oder mehr innerhalb von 3 Wochen. Sofortiger Abbruch der Clozapin-Behandlung ist zwingend, wenn die Leukozyten während der ersten 18 Wochen unter 3000/mm³ und die neutrophilen Granulozyten unter 1500/mm³ absinken, ebenso bei Werten unter 2500/mm³ resp. 1000/mm³ nach 18 Wochen. Die Leukozytenzahl und das Differenzialblutbild müssen dann täglich ermittelt und die Patienten hinsichtlich Symptomen, die auf einen Infekt hindeuten, sorgfältig überwacht werden. Wenn die Zahl der eosinophilen Granulozyten über 3000/mm³ ansteigt, ist Clozapin abzusetzen; die Therapie mit Clozapin soll erst wieder aufgenommen werden, wenn Werte unter 1000/mm³ gemessen werden. Tritt eine Thrombozytopenie auf, soll Clozapin bei Werten unter 50000/mm³ abgesetzt werden. Wenn trotz Absetzen der Clozapin-Behandlung die Leukozytenzahl unter 2000/mm³ und/oder die Zahl der neutrophilen Granulozyten unter 1000/mm³ fällt, soll für die weitere Behandlung ein erfahrener Hämatologe hinzugezogen werden. Der Patient soll wenn möglich in eine hämatologische Spezialklinik eingewiesen werden, wo eine Isolierung zum Schutze des Patienten und die Verabreichung von GM-CSF (Granulozyten-/ Makrophagen-Kolonie stimulierender Faktor) oder von G-CSF (GranulozytenKolonie stimulierender Faktor) indiziert sein kann. Es empfiehlt sich, die Therapie mit dem Kolonie stimulierenden Fak-
C
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Clozapin
tor abzubrechen, wenn die Zahl der neutrophilen Granulozyten wieder auf über 1000/mm³ angestiegen ist. Patienten, bei denen Clozapin wegen schlechter Leukozytenbefunde abgebrochen werden musste, dürfen später nicht mehr mit Clozapin behandelt werden. Eine Bestätigung der hämatologischen Laborwerte wird empfohlen, indem sie an 2 aufeinanderfolgenden Tagen geprüft werden; Clozapin soll aber nach dem ersten Test abgesetzt werden. 3. Kardiale Toxizität: Eine orthostatische Hypotonie mit oder ohne Synkope kann mit Clozapin auftreten. In seltenen Fällen (ungefähr 1 Fall auf 3000 mit Clozapin behandelten Patienten) kann der Kollaps tiefreichend und von einem Herz- und/oder Atemstillstand mit tödlichem Ausgang begleitet sein. Zu derartigen Vorfällen kann es am ehesten während der anfänglichen Dosiseinstellung kommen, wenn die Dosis rasch angehoben wird; in sehr seltenen Fällen traten sie sogar nach der ersten Dosis auf. Eine Ruhetachykardie, die mit Arrhythmie, Dyspnoe oder Symptomen einer Herzinsuffizienz einhergeht, kann selten während des ersten Behandlungsmonats und sehr selten danach auftreten. Bei Auftreten dieser Symptome sind schnellstmöglich diagnostische Maßnahmen einzuleiten, um eine Myokarditis auszuschließen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Symptome während der Titrationsphase von Clozapin auftreten. Nach der Diagnosesicherung einer Myokarditis wird empfohlen, Clozapin sofort abzusetzen. Bei Patienten mit Krampfanfällen in der Anamnese oder mit Herz-Kreislauf- oder Nierenkrankheiten sollte die Initialdosis 1× 12,5 mg am ersten Tag betragen, und die Dosissteigerung ist langsam und in kleinen Schritten vorzunehmen. Patienten mit stabilen vorbestehenden Lebererkrankungen dürfen Clozapin erhalten, die Leberfunktion muss aber regelmäßig überprüft werden. Bei Patienten, welche während der Clozapin-Behandlung Symptome möglicher Leberfunktionsstörungen entwickeln wie Nausea, Erbrechen oder Anorexie, müssen unverzüglich Leberfunktionstests gemacht werden. Wenn die Erhöhung der Werte klinisch signifikant ist oder Zei-
chen einer Gelbsucht auftreten, muss Clozapin abgesetzt werden. Erst wenn die Werte wieder normal sind, darf die Clozapin-Therapie wieder aufgenommen werden. In solchen Fällen ist eine engmaschige Kontrolle angezeigt. Es wurden Fälle von schwerer Hyperglykämie bis hin zur Ketoazidose bzw. zum hyperosmolaren Koma berichtet, auch bei Patienten, die in ihrer Anamnese keine Hyperglykämie bzw. keinen Diabetes mellitus aufwiesen. Während einer Clozapin-Therapie kann es zu vorübergehenden Temperaturanstiegen über 38°C mit Häufigkeitsspitzen in den ersten 3 Behandlungswochen kommen. Dieses Fieber ist im Allgemeinen gutartig. Gelegentlich kann es in Verbindung mit einer Zu- oder Abnahme der Leukozytenzahl auftreten. Bei Patienten mit Fieber ist dessen Ursache sorgfältig abzuklären, um die Möglichkeit eines zugrunde liegenden Infektes oder einer entstehenden Agranulozytose auszuschließen. Bei hohem Fieber muss die Möglichkeit eines malignen neuroleptischen Syndroms in Betracht gezogen werden. Clozapin wirkt anticholinerg, was zu unerwünschten Wirkungen auf den Gesamtkörper führen kann. Deshalb ist bei Prostatahypertrophie, Engwinkelglaukom und paralytischem Ileus eine sorgfältige Überwachung des Patienten notwendig. Wahrscheinlich aufgrund seiner anticholinergen Eigenschaften kann Clozapin in unterschiedlichem Ausmaß zu einer Abnahme der Darmperistaltik führen, deren Symptome von Obstipation, Koprostase und Darmverschluss bis hin zum paralytischen Ileus reichen. In seltenen Fällen führten solche Ereignisse zu einem letalen Ausgang. Unter der Behandlung mit Clozapin kann es zu orthostatischer Hypotonie kommen. Seltene Fälle von Tachykardie, welche längere Zeit bestehen bleiben kann, wurden berichtet. Ältere Patienten, insbesondere solche mit einer eingeschränkten Herzfunktion, können auf diese Wirkungen empfindlicher reagieren. Da Clozapin sedierend wirkt und die Krampfschwelle herabsetzen kann, sind vor allem in den ersten Behandlungswochen Aktivitäten wie Autofahren oder das Bedienen von Maschinen zu unterlassen.
Clozapin
Reproduktionsstudien bei Tieren haben keine Risiken für die Föten gezeigt. Da man über keine kontrollierten Studien am Menschen verfügt, ist die Unbedenklichkeit von Clozapin während der Schwangerschaft nicht erwiesen. Nutzen und Risiko der Therapie mit Clozapin sind im Falle einer Schwangerschaft besonders sorgfältig abzuwägen. In Tierversuchen ließ sich Clozapin in der Milch nachweisen; deshalb sollten Mütter, die mit Clozapin behandelt werden, nicht stillen. Vorsicht ist beim Vorliegen von Leber-, Gallen- und Nierenerkrankungen geboten. In schweren Fällen solcher Erkrankungen ist Clozapin wegen des Kumulationsrisikos kontraindiziert.
Wechselwirkungen Medikamente, die ein erhebliches myelosuppressives Potential haben, sollten nicht mit Clozapin kombiniert werden. Clozapin kann die zentralen Wirkungen von Alkohol, MAO-Hemmern und die dämpfende Wirkung von Narkotika, Antihistaminika und Benzodiazepinen erhöhen. Besondere Vorsicht ist geboten bei der Kombination von Clozapin mit Benzodiazepinen oder anderen Psychopharmaka. Die gleichzeitige Anwendung von Lithium oder anderen zentral wirksamen Medikamenten kann das Risiko eines malignen neuroleptischen Syndroms erhöhen. Wegen der Möglichkeit additiver Wirkungen ist bei gleichzeitiger Verabreichung von Medikamenten mit anticholinergen, blutdrucksenkenden oder respiratorisch dämpfenden Eigenschaften besondere Vorsicht geboten. Aufgrund seiner anti-α-adrenergen Eigenschaften kann Clozapin die blutdrucksteigernde Wirkung von Noradrenalin oder anderer vorwiegend α-adrenerger Mittel herabsetzen und die Druckwirkung von Adrenalin umkehren. Da Clozapin die Krampfschwelle absenken kann, ist gegebenenfalls eine Anpassung der antiepileptischen Medikation nötig. Selten wurden schwere epileptische Anfälle, einschließlich dem erstmaligen Auftreten von Krampfanfällen, und Einzelfälle von Delirium bei der Kombination von Clozapin mit Valproinsäure berichtet. Clozapin ist ein Substrat für viele CYP450 Isoenzyme; die wichtigsten sind 3A4, 1A2 und
269
2D6. Dies sollte das Risiko für metabolische Interaktionen, verursacht durch die Beeinflussung einer einzelnen Isoform, minimieren. Bei Patienten, welche gleichzeitig andere Medikamente einnehmen, die eine Affinität zu einem oder mehreren dieser Enzyme besitzen, sollte trotzdem der Clozapin-Plasmaspiegel eng kontrolliert werden. Die gleichzeitige Verabreichung von Substanzen, die diese Isoenzyme beeinflussen, kann zu einem Absinken oder einem Anstieg der Plasmaspiegel von Clozapin und/ oder der gleichzeitig verabreichten Substanzen führen. Die Verabreichung von Enzym-Inhibitoren wie Cimetidin (Inhibitor von CYP1A2, 3A4 und 2D6) oder Erythromycin (Inhibitor von CYP3A4) zusammen mit einer hochdosierten Clozapin-Therapie wurde mit erhöhten Clozapin-Plasmaspiegeln und dem Auftreten von Nebenwirkungen verbunden. Über erhöhte Clozapin-Plasmaspiegel wurde bei Patienten berichtet, die das Mittel in Kombination mit Fluvoxamin (Inhibitor von CYP3A4 und CYP1A2; bis zu zehnfach erhöht) oder andern selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern (SSRIs) wie Paroxetin (Inhibitor von CYP1A2, 2D6), Sertralin (Inhibitor von CYP2C8/9, 2D6) oder Fluoxetin (Inhibitor von CYP2D6; bis zu zweifach erhöht) erhielten. Azolantimykotika und Proteasehemmer sind starke Inhibitoren/Induktoren von CYP3A4, die zu relevanten Interaktionen mit Clozapin führen können. Coffein (Substrat von CYP1A2) kann die ClozapinPlasmaspiegel erhöhen. Nach 5 Tagen ohne Coffeinaufnahme sinken die Clozapin-Plasmaspiegel um ca. 50%. Dies sollte bei Änderungen des Kaffee-/Teekonsums berücksichtigt werden. Medikamente, welche P450 CYP3A induzieren (wie z. B. Carbamazepin und Rifampicin), können die Clozapin-Plasmaspiegel senken. Das Absetzen von gleichzeitig verabreichtem Carbamazepin führte zu einem Anstieg der Clozapin-Plasmaspiegel. Aus der gleichzeitigen Anwendung von Phenytoin erfolgte eine Senkung des Clozapin-Plasmaspiegels, was zu einer verminderten Wirksamkeit einer zuvor wirksamen Clozapin-Dosis führte. Da Tabakrauch CYP1A2 induziert, kann eine plötzliche Tabakabstinenz bei starken Rauchern zu erhöhten Plasmaspiegeln von Clozapin und damit zu vermehrten Nebenwirkungen führen.
C
Cluster-Atmung
1. Alvir et al. (1993) Clozapine-induced agranulocytosis. Incidence and risk factors in the United States. N Engl J Med 329:162–7. 2. Atkin et al. (1996) Neutropenia and agranulocytosis in patients receiving clozapine in the UK and Ireland. Br J Psychiatry 169:483–8. 3. Bonuccelli et al. (1997) Clozapine in Parkinson's disease tremor. Effects of acute and chronic administration. Neurology 49:1587–90. 4. The Parkinson Study Group (1999). Low-dose clozapine for the treatment of drug-induced psychosis in Parkinson's disease. N Engl J Med 340:757–63.
Cluster-Atmung Definition Pathologisches Atemmuster mit tiefen Atemzügen und periodischer Hypoventilation oder Atemstillstand.
Einleitung Wie die ataktische Atmung findet man die Cluster-Atmung bei Läsionen der kaudalen Pons und/oder der rostralen Medulla oblongata. Ursachen sind foraminale Einklemmungen durch Tiefertreten der Kleinhirntonsillen bei infratentorieller Drucksteigerung nach Blutungen, ischämischen Infarkten und Tumoren, bei Schädel-Hirn-Traumata, durch Hirnstammenzephalitiden oder Demyelinisierungen. Die Cluster-Atmung weist auf ein sich entwickelndes Bulbärhirn-Syndrom hin.
Differenzialdiagnose Cheyne-Stokes-Atmung, ataktische Atmung.
Clusterkopfschmerz Synonyme Bing-Horton-Kopfschmerz, Erythroprosopalgie, Hemikrania continua, Hypnic headache 3
Literatur
3
270
Definition Idiopathisches Kopfschmerzleiden mit Attacken eines schweren, streng einseitig lokalisierten Schmerzes von orbitaler, supraorbitaler oder temporaler Lokalisation mit einer Dauer von 15–180 min und einer Häufigkeit von einer Attacke jeden zweiten Tag bis zu acht Attacken pro Tag mit mindestens einem der folgenden Symptome auf der Seite der Schmerzen: Horner-Syndrom, konjunktivale Injektion, Lakrimation, Rhinorrhoe, periorbitales Ödem, Schwitzen an Stirn und im Gesicht.
Einleitung Man unterscheidet einen episodischen (mindestens 2 Kopfschmerzperioden täglich, die unbehandelt 7 Tage bis 1 Jahr dauern und durch freie Intervalle von mindestens 14 Tagen getrennt sind) von einem chronischen (Attacken seit mehr als 1 Jahr ohne Remission oder mit einer Remissionsdauer von weniger als 14 Tagen) Clusterkopfschmerz. Etwa 80–90% der Patienten leiden unter einem episodischen Clusterkopfschmerz, Männer sind häufiger betroffen (m:w=5–8:1), Beginn meist in der 3. Lebensdekade. Typisch sind eine tageszeitliche Bindung (oft nachts) sowie Ruhelosigkeit der Patienten während der Attacke. Typischerweise können Attacken durch Alkoholgenuss oder Einnahme von Nitraten provoziert werden, bei einigen Patienten auch durch Nikotin.
3
Prophylaxe
Diagnostik
Es kann jederzeit zu einem Atemstillstand kommen, weshalb die Intubation und die maschinelle Beatmung erforderlich ist.
Die Diagnose wird klinisch aufgrund der typischen Anamnese gestellt. Während einer Clusterepisode lassen sich oft Attacken durch Gabe von Nitraten (1 mg Nitrolingual® sublingual) provozieren (Nitrotest). Differenzialdiagnostisch müssen eine Migräne, chronische paroxysmale Hemikranie (häufigere, kürzere Attacken, Ansprechen auf Indomethacin), Trigeminusneuralgie (nur Sekunden dauernde, blitzartig einschießende Schmerzen), Glaukomanfall, Tolosa-Hunt-Syndrom sowie
Therapie Beatmung.
Nachsorge Abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
CO2-Stimulation
271
C
Clusterkopfschmerz. Abb. 1: Lokalisation des Clusterkopfschmerzes
symptomatische Ursachen (Dissekate, Tumoren) abgegrenzt werden.
Therapie
unwirksam/obsolet Carbamazepin, Phenytoin, β-Blocker, Trizyklika, einfache Analgetika, Biofeedback, Akupunktur.
gesichert
Prognose
Akute Attacke: Inhalation von 100% Sauerstoff (7 l/min über 15 min) gilt als Mittel der 1. Wahl. Effektivste pharmakologische Maßnahme ist die Gabe von Triptanen, z. B. Sumatriptan (Imigran® 6 mg s. c.; Erfolgsquote ca. 75% innerhalb von 15 min). Alternativ: Lidocain topisch nasal (z. B. Gelicain® 2%-Gel, Lidesthesin®-Salbe 5%, Xylocain® Pumpspray).
Beim episodischen Clusterkopfschmerz werden in 15–40% spontane Remissionen beobachtet, beim chronischen Clusterkopfschmerz in 10– 20%. Ein Wechsel vom episodischen zum chronischen Typ und umgekehrt tritt bei etwa einem Viertel der Patienten ein.
Prophylaxe: Beim episodischen Clusterkopfschmerz gelten Verapamil (3–4×80 mg, z. B. Isoptin®) und Kortikosteroide (z. B. Prednison, initial 40–80 mg, langsame Reduktion) als Mittel der 1. Wahl. Alternativ können Valproinsäure (600–2400 mg/die, z. B. Ergenyl chrono®) oder die Serotoninantagonisten Pizotifen bzw. Methysergid (bei jüngeren Patienten, einschleichende Dosierung, zunächst 2 mg/die, langsame Steigerung auf 4–10 mg/die, z. B. Deseril®) verwendet werden. Die Gabe von Methysergid ist wegen der Gefahr fibrotischer Komplikationen auf maximal 3 Monate zu limitieren. Beim chronischen Clusterkopfschmerz sind Verapamil und Lithium (einschleichende Gabe von z. B. zunächst 3×6 mval/die, Aufdosierung unter Kontrollen des Serumspiegels [0,4– 0,8 mmol], z. B. Lithium-Duriles®) Mittel der 1. Wahl, Kortikosteroide gelten als zweite Option.
Co-Trimoxazol, Kleinhirnschädigung Einleitung Als seltene Nebenwirkung einer i. v.-Gabe von Co-Trimoxazol (z. B. Bactrim®) in einer Dosierung von 20 mg TMP/kgKG/die und 100 mg SMZ/kg KG/die kann es zu einer Ataxie kommen, die nach Absetzen der Behandlung reversibel sein kann. 3
3
empirisch
CO2-Stimulation Definition Test zur Bestimung der Vasomotorenreaktivität.
Grundlagen Der arterielle pCO2 stellt unter physiologischen Bedingungen einen hochpotenten Reiz zur Dilatation der zerebralen Widerstandsgefäße dar.
272
Cobalamin (Vitamin B12), Mangel
Eine Erhöhung um 10 mmHg führt normalerweise zu einem Anstieg des zerebralen Blutflusses (CBF) um 50%. Bei einer hämodynamischen Beeinträchtigung ist diese Kapazität allerdings bereits ausgeschöpft und die pCO2evozierte Dilatation bleibt aus. Durch Inspiration von 5% CO2 plus 95% O2 oder durch Rückatmung in einen 10 l–Atembeutel wird der pCO2 um 10 mmHg angehoben. Mit dem Kapnometer werden die Ausgangswerte und die Maximalwerte am Ende der CO2-Stimulation gemessen. Die Vasomotorenreaktivität (VMR) wird berechnet: VMR = 100* Diff. des CBF: (CBF am Beginn * Diff. des pCO2) Bei Werten unter 1,0%/mmHg kann die VMR als erschöpft angesehen werden. Eine negative VMR spricht für ein Steal-Phänomen.
tiger Hautalterung verbundenen Xerodermapigmentosum-Syndroms. Warum es zu unterschiedlichen Phänotypen kommt ist nicht bekannt. Übergänge beider Erkrankungen sind wiederholt mitgeteilt worden.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Elektroneurographie, AEP, CCT. Ggf. Untersuchung der Photosensibilität von kultivierten Hautzellen.
Therapie Symptomatisch.
Prognose Große phänotypische Variabilität.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Schutz vor UV-Licht, Infekten.
Cobalamin (Vitamin B12), Mangel Coenzym-Q-Mangel Vitamin B12-Mangel
3
Synonyme Ubichinonmangel
Cockayne-Syndrom
Definition
Definition
Primärer oder sekundärer Coenzym-Q-Mangel, der klinische Symptome hervorruft.
Autosomal-rezessive Störung des DNS-Reparatursystems mit der Folge einer progredienten Multisystemerkrankung.
Einleitung
Einleitung Seltene kongenitale Erkrankung, die klinisch gekennzeichnet ist durch progrediente Kachexie, allgemeine Wachstumsstörung von Körper und Gehirn, vorzeitige Alterung, charakteristische Gesichtsveränderungen, vermehrte Photosensitivität, Ataxie, Spastik, Hörminderung, Retinopathia pigmentosa, Katarakt, Polyneuropathie und Myopathie. Verlängerte Nervenleitgeschwindigkeiten und pathologische AEP sind häufig. Hirnatrophie und Verkalkungen der Basalganglien werden ebenfalls oft beobachtet. Ursache sind Defekte des DNS-Reparatursystems. Beim Cockayne-Syndrom haben dafür 2 Proteine Bedeutung: Cockayne-Syndrom(CS)B-Protein und - CSA-Protein. CSB ist eine Helicase, die bei der DNS-Reparatur Bedeutung hat. Ähnliche Defekte des DNS-Reparatursystems sind auch Ursache des mit vorzei-
NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase ist der Komplex I der mitochondrialen Atmungskette. Dem Elektronen- sowie Protonentransfer dienen neben einem Flavin-Mononukleotid und 8 Eisensulfid-Anteilen 3 Ubisemichinon-Gruppen. Daneben wirkt Ubichinon als Radikalfänger antioxidativ. Primärer Coenzym-Q-Mangel ist sehr selten. Klinisch handelt es sich um eine Multisystemerkrankung mit mitochondrialer Enzephalomyopathie. Klinisch kann es zu rezidivierender Myoglobinurie und zum Nierenversagen kommen. Zerebrale Symptome sind Ataxie, leichte Spastik, zerebrale Anfälle und kognitive Einbußen. Muskelbioptisch finden sich vermehrt Ragged-red-Fasern, eine Fettspeicherung und verminderte Coenzym-Q-Konzentration. Coenzym-Q fand sich auch in Fibroblasten und BlutLymphozyten erniedrigt. Ob es einen isolierten muskulären Coenzym-Q-Mangel gibt ist offen. Sekundärer oder relativer Coenzym-Q-Mangel
Commotio cerebri
Grundlagen Im extrakraniellen Verlauf der Arteria carotis interna wird ein „coiling“ bei dilatativen Gefäßprozessen (spontan oder bei chronischer Hypertonie) häufig beobachtet. Ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko besteht im Unterschied zu dilatativen Gefäßprozessen der Arteria basilaris ( Megadolichobasilaris), mit möglicherweise Ausbildung wandständiger Thromben durch langsame Flussgeschwindigkeiten, nicht. 3
tritt unter anderem bei Selenmangel und bei Malnutrition auf. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz bzw. dilatativer Kardiomyopathie wurden wiederholt erniedrigte Coenzym-Q10-Konzentrationen in Biopsien gefunden. Evtl. gibt es bei diesen Patienten einen therapeuthischen Effekt durch Coenzym-Q-Zufuhr.
273
3
Diagnostik Klinische Untersuchung, EMG, Muskelbiopsie; Coenzym-Q10-Konzentration in Muskel, Lymphozyten und Fibroblasten.
Therapie Coenzym-Q10 Substitution.
Coma vigile 3
Nachsorge
Koma, Wachkoma
Anbindung an Muskelzentrum.
Prognose Bei Ansprechen auf die Therapie gute Prognose.
Commotio cerebri Synonyme Gehirnerschütterung, Trauma
leichtes Schädel-Hirn-
Cogan-Syndrom Definition Einleitung Das Cogan-Syndrom ist durch eine Keratitis, Drehschwindel, beidseitigen Tinnitus und Innenohrschwerhörigkeit gekennzeichnet. Zugrunde liegt eine immunologisch bedingte nekrotisierende Vaskulitis kleiner Gefäße. Im weiteren Verlauf kann sich eine systemische Erkrankung manifestieren.
Diagnostik Laborchemisch finden sich akute Entzündungszeichen mit BKS-Beschleunigung, CRP-Erhöhung und Leukozytose.
„Coiling“
Traumatisch bedingte reversible Einschränkung zerebraler Funktionen ohne morphologisch fassbares Substrat.
Einleitung Die Symptome können vielfältig sein und reichen von einer retrograden und eventuell anterograden Amnesie über eine Bewusstseinsstörung von in der Regel nicht mehr als 15 bis maximal 60 Minuten Dauer, ein Durchgangssyndrom, bis zu Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, abnormen Schlafbedürfnis, Blutdruckschwankungen und Dermographismus. Herdformige neurologische Symptome fehlen.
Diagnostik
Synonyme Schlingenbildung, Gefäßschlinge
Definition Schlingenbildung bei Elongation der hirnversorgenden Gefäße bei dilatativer Arteriopathie.
Röntgen des Schädels zum Ausschluss einer Fraktur, CT des Schädels und der HWS und EEG. Evtl. Röntgen zum Ausschluss weiterer Frakturen und Sonographie bzw. MRT zum Ausschluss einer Verletzung innerer Organe.
Therapie Kurze Bettruhe und Frühmobilisation.
C
3
274
Compressio cerebri
Nachsorge
Prognose
Evtl. Nachuntersuchungen und Beruhigung des Patienten, sowie evtl. psychologische Nachbetreuung.
Abhängig von der Grunderkrankung und der klinischen Schwere und Dauer des Krankheitsbildes.
Bewertung Immer vollständige Reversibilität.
COMT-Hemmer (Catechol-OMethyl-Transferase-Hemmer)
Prognose Gut.
Zubereitungen 3
Kurzzeitige Schonung und rasche Wiederaufnahme der gewohnten Tätigkeiten.
Entacapon,
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Tolcapon
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Entacapon: Comtan® (Österreich), Comtess® (Deutschland) in 200 mg Tabl. In Verbindung mit L-Dopa und Carbidopa Stalevo® Tabl. verschiedener Stärke. Tolcapon: Tasmar® (nur in der Schweiz und den USA) mit speziellen Anwendungseinschränkungen in 100 mg Tabl. (Zulassung ruht in der EU!).
Compressio cerebri Synonyme Hirnquetschung
Definition
Diagnostik Klinisch-neurologisch sind Veränderungen der Bewusstseinslage ebenso wichtig wie Veränderungen der Körpermotorik, der Okulomotorik, der Reaktion auf Schmerzreize und des Atmungstyps.
Therapie Dekompressionstherapie, Therapie des Hirndrucks, evtl. neurochirugische Ausräumung einer Blutung. 3
Nachsorge Abhängig von der Grunderkrankung.
Pharmakologische Daten Entacapon, Tolcapon. Mit der COMT-Hemmung wurde ein vollständig neues Behandlungsprinzip eingeführt, das analog der Decarboxylasehemmung mit Benserazid oder Carbidopa in den L-Dopa-Präparaten, auf der extrazerebralen Hemmung des zweiten wichtigen Abbauweges von L-Dopa durch die COMT beruht. COMT verstoffwechselt einen großen Teil des resorbierten L-Dopas zu 3-O-Methyl-Dopa. Die COMT-Hemmung führt daher zu einer Verbesserung der Bioverfügbarkeit von L-Dopa mit länger anhaltenden therapeutischen L-Dopa-Spiegeln. 3
Als Ursache einer Compressio cerebri kommen direkte traumatische Ursachen, eine Steigerung des intrakraniellen Drucks nach intrakraniellen Blutungen oder durch Entwicklung eines Hirnödems in Frage. Entsprechend der zunehmenden Bedrängung dienzephaler, mesenzephaler, pontiner und medullärer Strukturen entwickeln sich typische klinische Bilder, oftmals als sekundäre Mittelhirn-Syndrome (Phase I–IV) oder BulbärhirnSyndrome (Phase I–II) bezeichnet.
In vielen Studien konnte eine signifikante Verlängerung der On-Phasen und Reduktion von Off-Phasen nachgewiesen werden.
3
Einleitung
Wirkungen
3
Mechanische Druckschädigung des Gehirns infolge zentraler und unkaler Herniation.
Anwendungsgebiete Aufgrund der länger anhaltenden therapeutischen L-Dopa-Spiegeln ohne den Wirkeintritt von L-Dopa zu verzögern oder die maximalen Plasmakonzentrationen zu verringern, ist die COMT-Hemmung geeignet für Patienten mit Fluktuationen wie Wearing off, End-of-doseAkinese sowie Off-Dystonien und biphasische Dyskinesien. Der Einsatz ist nur bei Patienten sinnvoll, die
Conn-Syndrom
auf L-Dopa-Medikation ansprechen. Die bisherigen Studien wurden bei Parkinson-Patienten mit L-Dopa-Wirkungsschwankungen durchgeführt. Insofern liegt zur Zeit hier die Hauptindikation. Inwieweit die COMT-Hemmung einen günstigen Effekt auf den Verlauf bei frühzeitiger Verabreichung hat, ist noch Gegenstand von Untersuchungen.
Dosierung/Anwendung Entacapon wurde in den chronischen Studien mit jeder L-Dopa Dosis als 200 mg Tablette kombiniert und die Tagesdosis ist damit abhängig von der Zahl der täglichen L-Dopa-Einnahmen (bis zu 10). Jetzt im klinischen Alltag außerhalb von Studien seit der Zulassung von Entacapon erscheint gerade bei Patienten mit Peak-doseDyskinesien ein titrierender Einsatz des Medikaments sinnvoll; d. h. bei einem Patienten, der seine Tagesdosis auf zehn Einnahmen fraktioniert hat, könnte zunächst mit einer Tablette bei jeder zweiten Einnahme begonnen werden. Bei Patienten mit schweren Peak-dose-Dyskinesien kann initial der Effekt einer morgendlichen LDopa-Dosis in Kombination mit Entacapon abgewartet werden. Bei Tolcapon (Anwendungseinschränkungen!) reichen in der Regel zwei bis drei Einnahmen von 100 mg pro Tag aus.
Unerwünschte Wirkungen Bei Patienten mit vorbestehenden Peak-doseDyskinesien kommt es durch längere Zeit anhaltende L-Dopa-Plasmaspitzenwerte häufig zu einer Verstärkung der Peak-dose-Dyskinesien. Da die COMT-Hemmer praktisch sofort wirken und ohne Aufdosierung eingesetzt werden, sollte der behandelnde Neurologe bereit sein, in den ersten Tagen der Neueinstellung mit einer L-Dopa-Dosisanpassung zu reagieren. Diarrhöe tritt bei 5–15% mit einer Latenz von bis zu 4 Monaten nach Therapiebeginn auf. Nur selten muss dadurch die Therapie abgebrochen werden. Erhöhte Lebertransaminasewerte bis mehr auf der Dreifache der Normalbereichsobergrenze traten bei 1–3% nur der mit Tolcapon behandelten Patienten auf. In Zusammenhang mit den Fällen von letaler Lebertoxizität müssen deshalb unter Tolcapon (nicht bei Entacapon) alle zwei Wochen Leberwertkontrollen im ersten Jahr, alle 4 Wochen danach, durchgeführt werden. Eine Gelbverfärbung des Urins wird regel-
275
haft unter COMT-Hemmern beobachtet. Darüberhinaus gibt es gelegentlich dopaminerge unerwünschte Effekte wie Nausea durch die Verstärkung der L-Dopa-Wirkung. Im Allgemeinen zeichnen sich aber die COMT-Hemmer durch eine bemerkenswerte Verträglichkeit aus.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Tolcapon (Tasmar®) wurde 1997 in Europa zugelassen. Allerdings ruht seit November 1998 in der EU im Gegensatz zur Schweiz und den USA die Zulassung für Tolcapon wegen Fällen von letaler Lebertoxizität. Derartiges gilt nicht für Entacapon.
Conn-Syndrom Synonyme Conn-Louis-Syndrom, primärer Hyperaldosteronismus, potassium losing nephritis
Definition Gesteigerte autonome Überproduktion von Aldosteron bei Nebennierenrindenadenomen (80%), beidseitiger idiopathischer Nebennierenrindenhyperplasie (20%) oder, extrem selten, durch einseitige Nebennierenrindenhyperplasie, dexamethasonsupprimiertem Hyperaldosteronismus oder Nebennierenrindenkarzinom.
Einleitung Leitsymptom ist die hypokaliämische Hypertonie infolge Hypernatriämie und direkter aldosteronvermittelter Vasokonstriktion. Außerdem findet man eine metabolische Alkalose und eine Hypomagnesiämie. Folge der Hypokaliämie sind Obstipation, Muskelschwäche und Muskelschmerzen, paroxysmale Lähmungen, Tetanie, Parästhesien und Herzrhythmusstörungen. Oftmals finden sich Kopfschmerzen und Sehstörungen. Es kommt zu chronisch-wässrigen Durchfällen, Proteinurie, keine Ödeme.
Diagnostik Labor: Urin: Hyperkaliurie, Hyponatriurie, Hypochlorurie, verminderter Konzentration des Harns, Aldosteron ist erhöht Plasma: erhöhte Konzentration von Aldosteron, Hyporeninämie.
C
276
Contusio cerebri
Zur Unterscheidung einer NNR-Hyperplasie und einem Adenom dient die Plasma-KaliumKonzentration (bei Adenom >3,0 mmol/l), der Plasmaspiegel von 18-Hydrokortikosteron (<100 ng/dl) und die geringe oder fehlende Stimulation der Plasma-Renin-Aktivität unter kochsalzarmer Diät bei Vorliegen eines Adenoms. Lokalisationsdiagnostik: Sonographie der Nebennieren, CT-Abdomen, MRT des Abdomens, Szintigraphie mit Iod 133 – 19- Iodocholesterol, seitengetrennte Alsosteronbestimmung aus dem Nebennierenvenenblut. EKG: Zeichen des Kaliummangels. Differenzialdiagnostisch sollte an ein exogenes Conn-Syndrom (Pseudo-Conn-Syndrom), einen sekundären Hyperaldosteronismus durch Behandlung mit Diuretika oder anderen Antihypertonika gedacht werden.
Therapie Bei Tumoren: operative Entfernung. Bei Nebennierenrindenhyperplasie: medikamentöse Behandlung durch Dauertherapie mit Aldosteronantagonisten (Spironolacton) oder durch Hemmstoffe der Steroidsynthese (z. B. Trilostan).
Nachsorge Kontrolle der Serum-Elektrolyte, des PlasmaAldosteronspiegels und der Nierenparameter (Harnstoff, Kreatinin und Kreatinin-Clearance).
Einleitung Am Ort der Gewalteinwirkung (Stoßherd oder Coup) und an der Gegenseite (Contrecoup) treten petechiale Blutungen, Zerreißung von Gefäßen und sogenannte Prellherde auf. Die Symptomatik hängt stark vom Ort der Schädigung ab. Man unterscheidet eine Contusio cerebri mit und ohne Bewusstlosigkeit. * Contusio cerebri mit Bewusstlosigkeit: Die Dauer der Bewusstlosigkeit überschreitet 15 Minuten, meist dauert sie länger als eine Stunde an. In der Regel findet man herdförmige neurologische Ausfälle. * Contusio cerebri ohne Bewusstlosigkeit: Es gibt hierbei fließende Übergänge zur reinen Schädelprellung (Contusio capitis). Anhaltende Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schwindel nach einer Schädelprellung sollten auch bei sonst unauffälligem Befund an eine zerebrale Beteiligung denken lassen. Akute Symptome sind z. B. leerer Blick, verzögerte verbale und motorische Reaktion, Verwirrtheit, Desorientiertheit, Konzentrationsschwäche, verwaschene Sprache, Koordinationsstörungen. Nach Minuten bis Stunden findet man Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Späte Symptome nach Tagen oder Wochen sind persistierende Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, rasche Ermüdbarkeit, Reizbarkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen oder Konvergenzschwäche.
Prognose Nach operativer Entfernung kommt es meist zu einer raschen Normalisierung aller Parameter. U. a. abhängig von Folgeerscheinungen der arteriellen Hypertonie.
Diagnostik CT des Schädels und Hirnstamms, evtl. des Spinalkanals, EEG, evtl. MRT.
Therapie
Hirnquetschung, schweres Schädel-Hirn-Trauma
3
Synonyme
3
Contusio cerebri
Intensivmedizinische Überwachung, Behandlung eines Hirnödems und evtl. Beatmung.
Nachsorge Eventuell Wiederholung der neuroradiologischen Untersuchungen, EEG und neuropsychologische Untersuchung.
Definition Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma ohne Perforation der Dura mater, singulär, multifokal oder diffus.
Prognose Abhängig vom Schweregrad und der Lokalisation, z. B. Hirnstammkontusion etc.
Copaxone
Contusio labyrinthi Definition Bei stumpfen Schädel-Hirn-Traumen kann es zu Schädigungen des Innenohres kommen. Hierbei kann es zu einer Contusio labyrinthi kommen.
Einleitung Klinisch imponiert ein akut posttraumatisch beginnender Drehschwindel, der bei schwereren anderen neurologischen Defiziten insbesondere initial übersehen werden kann.
Diagnostik Die Anamnese des Schädel-Hirn-Traumas ist diagnostisch entscheidend. Differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden muss die Contusio labyrinthi von persistierenden vestibulären Schädigungen im Rahmen eines Traumas, insbesondere von einer Läsion des N. vestibularis bei Felsenbeinfraktur. Hierzu sollte gegebenenfalls eine zerebrale Bildgebung erfolgen.
Therapie Die Schwindelbeschwerden nach Contusio labyrinthi bilden sich spontan zurück. Die Prognose ist gut. Krankengymnastische Übungsbehandlungen können zur rascheren Adaptation hilfreich sein. Bei starken initialen Beschwerden kann in den ersten Tagen Bettruhe sinnvoll sein.
Conus-medullaris-Syndrom
277
solche, die ohne Hilfe gehfähig sind) mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (MS), bei denen mindestens zwei Schübe mit neurologischen Funktionsstörungen während der letzten 2 Jahre aufgetreten sind. Copaxone® ist nicht indiziert bei primär oder sekundär progredienter MS.
Dosierung und Art der Anwendung Die empfohlene Dosierung bei Erwachsenen beträgt einmal täglich 20 mg Glatirameracetat (entsprechend einer Durchstechflasche Copaxone®). Das Pulver wird in 1 ml Wasser für Injektionszwecke gelöst, die Lösung wird als subkutane Injektion verabreicht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen keine Erkenntnisse über die notwendige Behandlungsdauer des Patienten vor. Die Patienten sind in die Technik der Selbstinjektion einzuweisen und bei der ersten Selbstinjektion und den darauf folgenden 30 Min. von medizinischem Fachpersonal zu überwachen. Die Injektionsstelle ist jeden Tag zu wechseln, um das Risiko möglicher Irritationen oder Schmerzen an der Injektionsstelle zu verringern. Mögliche Injektionsstellen sind: Bauch, Arme, Hüften oder Oberschenkel.
Gegenanzeigen Copaxone® ist kontraindiziert bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Glatirameracetat oder Mannitol; bei Schwangerschaft. Copaxone® ist ausschließlich subkutan zu injizieren. Copaxone® darf nicht intravenös oder intramuskulär verabreicht werden.
Unerwünschte Wirkungen Konussyndrom
3
Copaxone Gebräuchliche Fertigarzneimittel Copaxone® 20 mg, Pulver und Injektionsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung. Jede Durchstechflasche enthält 20 mg Glatirameracetat, entsprechend 18 mg Glatiramer.
Anwendungsgebiete Copaxone® ist angezeigt zur Reduktion der Schubfrequenz bei ambulanten Patienten (d. h.
Innerhalb von Minuten nach einer Injektion von Copaxone® können Reaktionen mit mindestens einem der folgenden Symptome auftreten: Gefäßerweiterung (Flush), Brustschmerzen, Dyspnoe, Herzklopfen oder Tachykardie. Der Patient ist vom behandelnden Arzt über das mögliche Auftreten solcher Reaktionen aufzuklären. Die meisten dieser Reaktionen sind von kurzer Dauer und gehen spontan ohne weitere Folgen zurück. In seltenen Fällen kann es zu ernsthaften Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Bonchospasmus, Anaphylaxie oder Urtikaria) kommen. Es gibt keine Hinweise dafür, dass für bestimmte Patientengruppen bezüglich dieser Reaktio-
C
Copolymer-1
tematisch untersucht. Daten zu Wechselwirkungen mit Interferon beta liegen nicht vor. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Kortikosteroiden wurden Reaktionen an der Injektionsstelle häufiger beobachtet. In-vitro-Untersuchungen deuten an, dass Glatriameracetat in starkem Maße an Plasmaproteine gebunden wird. Jedoch wird Glatriameracetat nicht durch Phenytoin oder Carbamazepin aus der Bindung an Plasmaproteine verdrängt und verdrängt selbst diese Substanzen nicht. Da Copaxone® jedoch theoretisch das Potential besitzt, die Verteilung von proteingebundenen Subtanzen zu beeinflussen, ist die gleichzeitige Gabe solcher Arzneimittel sorgfältig zu überwachen.
Copolymer-1 Synonyme COP1,
3
Glatirameracetat,
Copaxone
Wirkungen Copolymer-1 wird zur Reduktion von Schüben der Multiplen Sklerose eingesetzt. Als Wirkmechanismus wird die Induktion von TH-2-Zellen (T-Helferzellen des Typs 2) durch Copolymer-1 angesehen, die mit basischem Myelinprotein unter Beteiligung der Interleukine IL-4, IL-6 und IL-10 reagieren.
Anwendungsgebiete 3
nen ein besonderes Risiko besteht. Trotzdem ist Vorsicht geboten, wenn Copaxone® bei Patienten mit bereits bestehenden Herzerkrankungen verabreicht wird. Diese Patienten sollten während der Behandlung regelmäßig kontrolliert werden. Unter der Langzeittherapie wurden in den Seren der Patienten Antikörper gegen Glatirameracetat gefunden. Diese erreichten nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 3–4 Monaten ihre maximale Konzentration und nahmen danach bis zu einer Konzentration wieder ab, die geringfügig höher war als die Ausgangskonzentration. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Antikörper gegen Glatirameracetat neuralisierend wirken oder die klinische Wirksamkeit von Copaxone® beeinflussen können. In allen klinischen Studien wurden am häufigsten Reaktionen an der Injektionsstelle beobachtet und von der Mehrheit der Patienten, die Copaxone® erhielten berichtet. In kontrollierten Studien war die Zahl der Patienten, die diese Reaktionen mindestens einmal berichteten, in der Gruppe, die mit Copaxone® behandelt wurden, höher als in der Gruppe, die Plazebo erhielten (82% Verum vs. 48% Plazebo). Zu den häufigsten dieser lokalen Reaktionen gehören: Erythem, Schmerz, Quaddelbildung, Pruritus, Ödem, Entzündung oder erhöhte Empfindlichkeit an der Injektionsstelle. Unmittelbare Postinjektions-Reaktionen wurden in Verbindung mit mindestens einem der folgenden Symptome berschrieben: Gefäßerweiterung, Brustschmerz, Dyspnoe, Herzklopfen oder Tachykardie. Diese Reaktionen können innerhalb von Minuten nach einer Injektion von Copaxone® auftreten. Über mindestens ein Symptom der unmittelbaren PostinjektionsReaktionen wurde im Behandlungszeitraum wenigstens einmal von 41% der Patienten, die mit Copaxone® behandelt wurden, gegenüber 20% der Patienten, die Plazebo erhielten, berichtet. In der folgenden Tab. 1 sind alle unerwünschten Ereignisse aufgeführt, die häufiger bei mit Copaxone® behandelten als bei mit Plazebo behandelten Patienten auftraten.
3
278
Glatirameracetat
Dosierung und Art der Anwendung 20 mg/d subcutan über Jahre.
Unerwünschte Wirkungen Lokaleffekte an der Einstichstelle.
Corpus callosum Synonyme Balken
Wechselwirkungen
Definition
Wechselwirkungen zwischen Copaxone® und anderen Arzneimitteln wurden bisher nicht sys-
Das Corpus callosum (CC) ist das größte Kommissurensystem des Großhirns, das etwa 200 Millionen markhaltige Nervenfasern ent-
Corpus callosum
279
Copaxone. Tab. 1: Unerwünschte Nebenwirkungen nach Behandlung mit Copaxone Systemorganklassen
Sehr häufig (>1/10)
Häufig (> 1/100, <1/10)
Gelegentlich (> 1/1.000, < 1/100)
Ganzer Körper
Reaktionen an der Injektionsstelle*, Brustschmerzen*, Schmerz*, grippeähnliche Symptome, Asthenie, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen
Schüttelfrost*, Gesichtsödem*, lokale Reaktionen*, Allergische Reaktionen, Fieber, Flankenschmerzen, Zyste, Unwohlsein, Nackenschmerzen, Neoplasma
Suizidversuch, Abszess, Zellulitis, Katergefühl, Hernie, allgemeine Unterkühlung, nicht näher beschriebene Entzündung, Schleimhautstörungen, Postlmpfungs-Syndrom
Kardiovaskuläres System Herzklopfen*, Vasodilatation*
Verdauungstrakt
Synkope*, Tachykar- Extrasystolen, Blässe, die*. Hypertonie, Mig- Krampfader räne, Funktionsstörungen der Gefäße
Übelkeit*, Obstipa- Erbrechen*, Anorexie, tion, Diarrhö Dysphagie, Darminkontinenz, Gastroenteritis, Rektale Funktionsstörungen, Stomatitis, Zahnkaries, Störungen der Zähne
Endokrines System
Ösophageales Geschwür, Rektale Blutung, Enterokolitis, Hepatomegalie, Vergrößerung der Speicheldrüse
Struma, Hyperthyreose
Blut- und Lymphsystem
Lymphadenopathie*. Ekchymose
Eosinophilie, Splenomegalie
Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen
Ödem*, Gewichtszunahme*, Peripheres Ödem
Alkohol-Intoleranz, Gicht
Bewegungsapparat
Arthralgie
Arthritis
Störung der Sehne, Sehnenscheidenentzündung
Nervensystem
Angst*, Depression, Schwindel, Hypertonie
Nervosität*, Tremor*. abnorme Träume, Agitation, Amnesie, Ataxie, Verwirrtheit, Spitzfußstellung, Nystagmus, Somnolenz, Sprachstörungen, Stupor
Euphorie, Halluzinationen, Feindseligkeit, Manische Reaktionen, Myoklonus, Neuritis, Persönlichkeitsstörung, Schiefhals
Respirationstrakt
Dyspnoe*
Bronchitis, vermehrter Husten, Rhinitis, nicht näher beschriebene allergische Rhinitis, saisonale Rhinitis
Apnoe, Nasenbluten, Laryngospasmus, Funktionsstörung der Lunge, Veränderung der Stimme
Haut und Hautanhangsgebilde
Rash*. Schwitzen* Herpes Simplex*, benignes Haut-Neoplasma*, Störung der Haut, Urtikaria
Angioödem, Kontakt-Dermatitis, Erythema nodosum, Furunkulose, Haut-Athrophie, Haut-Karzinom, HautKnötchen
C
280
Cotrimoxazol
Copaxone. Tab. 1: Unerwünschte Nebenwirkungen nach Behandlung mit Copaxone (Fortsetzung) Sehr häufig (>1/10)
Urogenitalsystem
hält. Es verbindet beide Großhirnhemisphären zu einer funktionellen Einheit.
Häufig (> 1/100, <1/10)
Gelegentlich (> 1/1.000, < 1/100)
Funktionsstörungen der Augen*, Diplopie, Funktionsstörungen der Ohren, Ohrenschmerzen, Otitis media, Geschmacksstörung, Gesichtsfeldstörungen
näher beschriebener Katarakt, Schädigung der Hornhaut, Augenblutung, Mydriasis, Otitis externa, Rosis
Candida-Mykose der Vagina*, Zystitis, Dysmenorrhö, Impotenz, Menstruationsstörung, Verdacht auf positiven Papanicolaou-Abstrich, Harnretention, Störungen des Harnapparats, Harndrang
Abort, Brustschwellung, Hämaturie, Nierenschmerzen, Störungen der Eierstöcke, Priapismus, Funktionsstörungen der Prostata, Pyelonephritis, Störung der Testis, Harnanomalie, Vaginalblutung, Störung der Vulva und der Vagina
Zubereitungen 3
Systemorganklassen
3
Erkrankungen, die das Corpus callosum betreffen, sind z. B. Fehlbildungen des ZNS, die CCAgenesie assoziierte Syndrome erzeugen, wie das Aicardi- Syndrom. oder das DiGeorge-Syndrom. Ebenso kann durch strukturelle Läsionen ischämischer oder demyelinisierender Genese ein vorderes ( Déjerine-Syndrom) oder hinteres ( Liepmann-Apraxie) Diskonnektionssyndrom entstehen.
Coxsackie-B-Infektion (BornholmErkrankung) 3
Grundlagen
Cumarine: Phenprocoumon (Marcumar®), Warfarin (Coumadin®).
Enzephalitis
3
3
3
3
3
CPAP („continuous positive airway pressure“) Cotrimoxazol
Synonyme Kontinuierlicher positiver Atemdruck
Definition 3
Kombination aus methoxazol (1:5).
Trimethoprim und Sulfa-
Coumadin®
Definition Maschinelle Beatmungsform mit druckunterstützter Inspiration und Exspiration gegen einen positiven endexspiratorischen Druck (PEEP).
Grundlagen Definition Handelsname von Warfarin, das zu den Antikoagulantien der Cumarin-Gruppe zählt.
Durch CPAP-Beatmung wird die funktionelle Residualkapazität und damit der arterielle Sauerstoffpartialdruck erhöht. Indikationen
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
sind das Atemnotsyndrom des Neugeborenen, Atemtraining und Entwöhnung vom Respirator.
281
oder extrapyramidale Symptome und akinetischen Mutismus. Angesichts der BSE-Epidemie in England ist das Auftreten einer sich von der sporadischen Form der CJK unterscheidenden neuen Variante (nvCJK) hervorzuheben. Bei bislang 128 Patienten in England, 5 Patienten in Frankreich, 1 Patienten in Irland und 1 Patienten in Kanada (Stand 9/2002), die im Durchsnittsalter von 30 Jahren (14–74 Jahre) ungewöhnlich jung waren und eine mittlere, mit etwa 13 Monaten fast doppelt so lange durchschnittliche Krankheitsdauer aufwiesen, fanden sich klinisch und histopathologisch einige Besonderheiten. Im Vordergrund standen ein psychiatrisches Krankheitsbild (Depression), erst im Verlauf kam es zu neurologischen Symptomen (initial häufig Dys- oder Parästhesien), bei denen eine Ataxie führend war. Im EEG fanden sich keine CJK-typischen Veränderungen, MRT-Veränderungen zeigten sich im posterioren Thalamus (T2- und/oder protonengewichtet bilateral symmetrische Signalanhebungen im Pulvinar) bei 70% der 26 untersuchten nvCJK-Patienten. Auffälligste neuropathologische Abnormität waren „floride“ Plaques mit einer zentralen Prionprotein-Ablagerung mit umgebenden Vakuolen (gelten als pathognomonisch) im gesamten Gehirn. Der mögliche Zusammenhang mit der BSE wird dadurch unterstützt, dass * die neue Form fast ausschließlich in England beobachtet wurde, * ähnliche neuropathologische Veränderungen bei Makaken durch Übertragung von BSE hervorgerufen werden und * nach Übertragung erregerhaltiger Isolate von nvCJK und BSE auf Mäuse (anders als nach Versuchen mit sporadischer CJK) Inkubationszeit und neuropathologische Veränderungen einander ähneln. 3
Krampus
3
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung Synonyme CJK, Creutzfeldt-Jakob Disease (CJD)
Definition Sehr seltene humane, subakute spongiöse Enzephalopatie, die wahrscheinlich durch Prionproteine verursacht wird. 3
Einleitung Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJK) gehört zu den humanen Prionenerkrankungen, die mit einer Inzidenz von 0,5–1,1 pro Mio. Einwohner pro Jahr und etwas häufiger bei Frauen (1,2–1,5:1) sowie einem mittleren Erkrankungsbeginn von 66 Jahren im höheren Lebensalter auftritt. Als wahrscheinlicher Erreger wird das Prionprotein angesehen. Unterschieden werden eine spontane (>80%) und eine familiäre Form (ca. 15%), sowie die seltenen iatrogenen und atypischen (neue Variante (nvCJK) s. u.) Formen. Pathologisch finden sich ausgedehnte Vakuolenbildung, Neuronenverlust und Gliose. Entzündungsreaktion und Immunantwort fehlen. Für die CJK ist eine Übertragbarkeit nur für die iatrogene Form (z. B. nach Hornhauttransplantation, kontaminiertem Wachstumshormon) nachgewiesen. Mutationen auf dem Gen des Prionproteins, das auf Chromosom 20 lokalisiert ist, findet man bei der autosomal-dominanten Form der CJK, dem Gerstmann-SträusslerScheinker-Syndrom, der familiären fatalen Schlaflosigkeit und der Kuru. Die Ätiologie der häufigen sporadischen Form ist bislang ungeklärt. Klinisch äußert sich die CJK durch eine progrediente Demenz, Myoklonien, visuelle und/ oder zerebellare Symptome, pyramidale und/
3
Crampus
Die Übertragungswege vom Rind auf den Menschen sind nicht bekannt, der Verzehr von erregerhaltigem Gehirn und Rückenmark wird angenommen. Informationen im Internet unter http://www.cjd. ed.ac.uk.
Diagnostik 1. Definitive Diagnose bioptisch durch Nachweis des pathologischen Prionproteins. 2. Klinisch wahrscheinlich: * Demenz <2 Jahren Dauer,
C
3
3
3
3
3
282
„Critical illness neuropathy“ (Komapolyneuropathie)
*
plus typische EEG-Veränderungen (periodische triphasische sharp-wave-Komplexe (Spezifität von etwa 90%), * plus 2 von vier klinischen Symptomen. 3. Klinisch möglich: Wie 2. ohne EEG-Veränderungen. 4. Zusatzdiagnostik: Liquor: Neuronenspezifische Enolase (>35 ng/ml), S-100 (>13 ng/ml), 14-3-3Proteine (Spezifität jeweils >90%). MRT: Im Verlauf bei 85% in T2-, FLAIRund diffusionsgewichteten Aufnahmen bilaterale, symmetrische Hyperintensitäten in den Stammganglien (Spezifität ca. 90%).
Therapie Keine kausale Therapie, symptomatische Behandlung der Myoklonien mit Clonazepam oder Valproat.
versagen (Häufigkeit: etwa 70% der Patienten mit dieser Konstellation). Die klinische Diagnose ist schwierig. Oft fallen die Patienten erst durch ein verzögertes „Entwöhnen“ vom Respirator (periphere Atemlähmung) auf. Distal betonte Paresen der unteren Extremitäten mit Hypo-/Areflexie stehen im Vordergrund. Sie können sich bis hin zur Tetraparese ausbreiten. Hirnnervenbeteiligung kommt vor. Sensibilitätsstörungen können klinisch kaum nachgewiesen werden [1, 2].
Diagnostik Der sichere Nachweis einer Neuropathie kann bei diesen multimorbiden Patienten oft erst elektrophysiologisch erfolgen: Hier finden sich axonale Schäden mit reduzierten Amplituden der motorischen und sensiblen Antwortpotentiale bei meist normalen NLGs. Im EMG findet sich nach ca. 14 Tagen Spontanaktivität.
3
Bewertung Präventive Maßnahmen sind von herausragender Bedeutung. Iatrogene Fälle sollten unter Berücksichtigung hygienischer Maßnahmen und seit Einführung gentechnisch hergestellter Hormonpräparate nicht mehr auftreten. Zur Empfehlung hygienischer Maßnahmen siehe: http://www.Tki.de oder Bundesgesundheitsblatt 7/98 S. 279–285.
Therapie
Prognose
Prognose
Von den initialen Symptomen und der Diagnosestellung vergehen oft vier Monate, die mittlere Erkrankungsdauer beträgt meist 8 Monate.
„Critical illness neuropathy“ (Komapolyneuropathie)
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Im Vordergrund steht die Behandlung von Sepsis und Multiorganversagen. Die Entwöhnung vom Beatmungsgerät sollte nicht zu früh erfolgen. Die neurologischen Defizite werden symptomatisch mit Krankengymnastik und Ergotherapie behandelt.
Bei Vorliegen einer CIP ist das Risiko weiterer Komplikationen (tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie, Pneumonie) größer. Die Letalität bei CIP mit Multiorganversagen und Sepsis liegt etwa bei 50%. Wird die Erkrankung überlebt, so bilden sich die neurologischen Defizite meist rasch zurück, bei ca. 50% der Patienten sogar vollständig.
Synonyme
Literatur
CIP
1. Bolton CF, Gilbert JJ, Hahn AF (1984) Polyneuropathy in critically ill patients. J Neurol Neurosurg Psychiatry 47: 1223–1231. 2. Gutmann L, Hopf HC (1998) Critical-IllnessNeuropathie und - Myopathie. Akt. Neurologie 25: 337–340.
Definition Reversible, akute, vorwiegend axonale Polyneuropathie im Rahmen schwerer, meist beatmungspflichtiger Erkrankungen [1, 2]. Die CIP kann auch in Kombination mit einer Enzephalopathie auftreten.
Einleitung
CTS (Karpaltunnelsyndrom)
Dispositionsfaktoren für die Erkrankung sind längerdauernde Beatmung, Sepsis, Multiorgan-
Karpaltunnelsyndrom
3
Cushing-Syndrom
Cumarine
*
Primäre intrakranielle Blutungen in der Vorgeschichte. Leberparenchymerkrankungen. Niereninsuffizienz. Deutlich erhöhte Sturzneigung. Perioperative Phase. Gefahr von Gefäßrupturen (z. B. abdominelles Aortenaneurysma, Hirnarterienaneurysmen). Floride Endokarditis.
*
Synonyme
*
Cumarinderivate
* *
Zubereitungen
*
Orale Applikationsform.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
*
Phenprocoumon (Marcumar®). Warfarin-Natrium (Coumadin®).
Wechselwirkungen
Wirkungen Hemmung der Aktivierung des Prothrombinkomplexes durch Antagonisierung der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktorsynthese.
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Wirkungsbeeinflussung mit einer Vielzahl von Medikamenten (siehe Fachinformation). Antagonisierung durch Vitamin K (z. B. Konakion®), auch Vitamin K-reiche Speisen.
Bewertung Pharmakologische Daten Halbwertszeit von Phenprocoumon: ca. 7 Tage. Halbwertszeit von Warfarin-Natrium: 44 Stunden.
Bei richtig dosierter Cumarintherapie deutliche Reduktion thrombembolischer Ereignisse bei relativ geringem Anstieg der Blutungskomplikationen.
Anwendungsgebiete Primär- und Sekundärprävention von kardialen Embolien bei sogenannten “major risk”- Emboliequellen ( embolische Hirninfarkte) insbesondere bei Vorhofflimmern und Kunstklappen. Sekundärprävention nach tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien. Primär- und Sekundärprävention von thrombotischen oder embolischen Ereignissen bei Hyperkoagulabilität.
Cupulolithiasis
3
Curschmann-Steinert, myotone Dystrophie 3
3
Bei sogenannter low dose Antikoagulation Dosierung nach einem angestrebten INR-Wert von 2–3. Bei speziellen Indikationen (mechanischer Herzklappenersatz) auch mit Ziel-INR von 3–4.
3
Dosierung/Anwendung
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
Myotonie/myotone Syndrome, myotone Dystrophie Curschmann-Steinert
Cushing-Syndrom
Unerwünschte Wirkungen
Definition
Unter anderem: * Hämorrhagien intrakraniell, gastrointestinal, urogenital usw. * Verlängerung der Blutungszeit bei Verletzungen. * Hautnekrosen und Exantheme. * Leberparenchymschäden.
Klinisch symptomatischer endogener Hyperkortisolismus.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Unter anderem: * Hämorrhagische Diathese.
Einleitung Der primäre Hyperkortisolismus geht bei Erwachsenen in der Regel auf Adenome (Inzidenz 1/100000), bei Kindern häufiger auf Karzinome (Inzidenz 0,2/100000) zurück. Selten handelt es sich um ektope Tumoren. Ein Cushing-Syndrom kann paraneoplastisch auftreten. In einzelnen Fällen wurde von transientem Cushing-
C
284
Cyanocobalamin
Syndrom in der Schwangerschaft berichtet. Klinisch manifestiert sich das Cushing-Syndrom mit den Symptomen eines Hyperkortisolismus. Dazu gehören Vollmondgesicht mit Plethora (Hypertonie), Stammfettsucht, Stiernacken, Osteoporose, Adynamie und proximale Paresen (Steroidmyopathie). Ferner Auftreten von Striae, Akne, Unterschenkelödemen, Virilismus und psychischen Störungen bis hin zu Psychosen. Die metabolischen Veränderungen umfassen ferner Hypercholesterinämie, gestörte Glukosetoleranz oder Diabetes mellitus, z. T. Hypokaliämie sowie Leukozytose. Nebennierenrindenadenome gehören zu den häufigsten Tumoren mit einer Prävalenz von etwa 80/ 100000. Die Masse dieser Nebennierenrindenadenome ist „klinisch stumm“ (Inzidentalome). Allerdings weist ein erheblicher Anteil der Patienten Adipositas, Typ II Diabetes und arterielle Hypertension auf, parallel zu einer Aufhebung der Cortisol-Tagesrhythmik bis hin zu einer kompletten Suppression der anderen Nebennierenrinde. Einseitige Adrenalektomie birgt daher das Risiko einer dauerhaften Nebenniereninsuffizienz. Vor einem solchen Eingriff muss daher mit dem Dexamethason-Hemmtest eine autonome Cortisolsekretion ausgeschlossen werden, damit nicht postoperativ unverhofft eine Addison-Krise auftritt. Bis zur Resektion kann die Cortisolsynthese mit Metopiron gehemmt werden. Ob „subklinische“ Adenome operiert werden sollten, ist nicht sicher geklärt. Der sekundäre Hyperkortisolismus (Morbus Cushing) geht auf ACTH-sezernierende Tumoren, in der Regel Hypophysenadenome, zurück und macht etwa 60–70% der Fälle eines Cushing-Syndroms aus. Die klinischen Symptome gleichen denen des primären Hyperkortisolismus.
Diagnostik Klinische Untersuchung, u. a. achten auf Cushing-Stigmata sowie bitemporale Hemianopsie. Elektrolyte im Serum, CK. Der Dexamethason-Test (z. B. 2 oder 3 mg) ist ein ambulanter Screening-Test (Einnahme oral 23.00 Uhr, Blutentnahme 8.00 Uhr). Bei einem PlasmaCortisol <3 μg/dl scheidet ein Cushing-Syndrom mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Dies ist auch der Fall bei Plasma-Cortisolwerten um 24.00 <5 μg/dl. Bei primärem und sekundärem Hyperkortisolismus ist die Cortisol-Tagesrhythmik aufgehoben (Blutentnahme 8, 12, 18 und
24 Uhr). Ggf. Wiederholung des Dexamethason-Tests mit 8 mg. Beim primären Hyperkortisolismus ist ACTH im Serum supprimiert und lässt sich auch nicht durch CRH stimulieren. Beim sekundären (hypophysären) Hyperkortisolismus ist ACTH normal oder erhöht und steigt nach CRH-Gabe an. Beim primären Hyperkortisolismus lässt sich die Ausschüttung das supprimierten ACTH durch CRH stimulieren. Je nach Ergebnis der Tests ggf. OberbauchSono und Abdomen-MRT oder MRT Schädel.
Therapie Je nach Ursache. In der Regel Resektion des Tumors im Bereich von Hypophyse bzw. Nebennierenrinde.
Nachsorge Eine regelmäßige endokrinologische Verlaufsbeobachtung ist nötig.
Prognose Abgesehen von Malignomen nach Resektion des Tumors in der Regel gut.
Cyanocobalamin Synonyme CN-Cobalamin; Cobalamin; Cobeminum; Cycobemin; B12-Vitamin; Coα-[α-(5,6-Dimethylbenzimidazolyl)]-Coβ-cyanocobamid
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Ambe 12® Inj.lösg., Ambene comp® Fertigspritze, AntiFocal® Tropfen, Inj.lösg., Cytobion® 300 µg Drg., -1000 µg Amp., Funova® Drg., milgamma® Inj.lösg., Multibionta® forte Kps., Neurobion® Inj.lösg., Vitamin B12 ratiopharm® Tbl.
Vorkommen/Gewinnung Primär in Faeces von Mensch und Tier, sekundär in Leber, Niere, Fleisch, Milch, Eiern sowie in bestimmten Pilzen (Streptomyces-Arten) und Bakterienkulturen. Industriell als Nebenprodukt bei der Herstellung von Antibiotika. Die wichtigsten Quellen sind mikrobiologische Reinkulturen von Aktinomyceten, z. B. Streptomyces olivaceus,
Cyanocobalamin
Streptomyces griseus, Streptomyces aureofaciens. Daneben kommen auch Bakterienreinkulturen, z. B. Propioni-Arten und Bacillus megatherium sowie Belebt- und Faulschlamm in Betracht.
Wirkungen Es gibt beim Menschen drei Vitamin B12-abhängige Stoffwechselreaktionen. Vitamin B12 nimmt auf die Nucleinsäuresynthese Einfluss, insbesondere bei der Hämatopoese. Mit dem Stoffwechsel des Nervensystems ist Vitamin B12 auf unterschiedliche Art verknüpft: Zur Methylierung von Homocystein zu Methionin durch 5-Methyltetrahydrofolsäure ist Methylcobalamin erforderlich. Methionin bewirkt über S-Adenosylmethionin die Methylierungsreaktion von Phosphatidylethanolamin zu Lecithin (Membranbestandteil) und von freiem Ethanolamin zu Cholin (Vorstufe von Acetylcholin). Adenosylcobalamin ist für die Umwandlung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA erforderlich. Ist bei Vitamin B12-Mangel diese Umwandlung vermindert, so häufen sich Propionyl-CoA und Methylmalonyl-CoA an und können als Vorstufen für die Fettsäuresynthese verwendet werden. Dabei entstehen ungradzahlige Fettsäuren mit 15- oder 17-C-Atomen sowie methylverzweigte Fettsäuren. Es wird angenommen, dass eine unphysiologische Fettsäurezusammensetzung von Strukturen des Nervensystems ursächlich an den neurologischen Symptomen des Vitamin B12-Mangels beteiligt ist.
Resorption Die Resorption von Vitamin B12 unterliegt dosisabhängig entweder einem aktiven oder passiven Mechanismus: Die aktive Resorption erfolgt nach Bindung von Vitamin B12 an den Intrinsic factor (IF), ein Glycoprotein, das von den Parietalzellen der Magenschleimhaut gebildet wird. Dieser Cobalamin-Intrinsic-Faktorkomplex wird zum Ileum transportiert und energieabhängig an spezifische Rezeptoren in der Membran der Enterocyten des Ileum gebunden. Nach Abdissoziierung von Cobalamin vom IF-Cobalamin-Komplex (ebenfalls ein energieverbrauchender Prozess) durch den „releasing-Faktor“ erfolgt die Aufnahme in die Mucosazelle. Unabhängig von IF kann Vitamin B12 durch Diffusion in den Blutstrom gelangen. Dazu sind jedoch hohe Dosen erforderlich,
285
wobei nur etwa 1% der applizierten Menge resorbiert wird. Das Ausmaß an resorbiertem Vitamin B12 hängt von der verfügbaren Menge an IF, der exkretorischen Pankreasfunktion sowie der Rezeptordichte im Ileum ab. Maximale Plasmaspiegel treten ca. 4–8 h nach p. o. Applikation auf. Aufgrund des enterohepatischen Kreislaufs werden die täglich mit der Galle ausgeschiedenen Mengen an Cobalamin (3–8 μg) rückresorbiert.
Verteilung Im Blut wird Vitamin B12 zum größten Teil an Transcobalamin, ein α-Globulin, gebunden transportiert. Dieses Transportsystem erleichtert die Aufnahme von Vitamin B12 vor allem in die Leber und in die verschiedenen Zellen. Bei normal ernährten gesunden Erwachsenen enthält die Leber ca. 1,7 mg Vitamin B12, die Skelettmuskulatur ca. 2,7 mg Vitamin B12 und die übrigen Organe und Gewebe insgesamt ca. 0,6 mg Vitamin B12. Je nach Vitamin B12-Zufuhr liegt der Gesamtkörperbestand zwischen 2 und 5 mg. Die mittlere biologische Halbwertzeit liegt bei 485 Tagen, woraus sich eine metabolische Umsatzrate von 0,143%/d errechnet. Für die Aufrechterhaltung eines Vitamin B12Körperbestands von 5 mg wäre eine tägliche Aufnahme von 7,2 μg Vitamin B12 und bei einem Gesamtkörper-Vitamin B12-Gehalt von ca. 2 mg eine täglicheAufnahme von ca. 2,9 μg Vitamin B12 erforderlich. Die im Vergleich zum täglichen Bedarf relativ hohen Körperbestände und die geringe Turn-over-Rate sind Ursachen dafür, dass Vitamin B12-abhängige Krankheitssymptomt erst Jahre nach einer Gastrektiomie bzw. bei strikt vegetarisch lebenden Personen auftreten.
Elimination Nach parenteraler Verabreichung von z. B. 1.000 μg Cyanocobalamin fällt der Plasmaspiegel in den ersten Stunden rasch mit einer Halbwertzeit von 4–6 h und anschließend langsamer ab. Innerhalb der ersten 6 h werden bereits 66,5%, in den nachfolgenden 6 h noch 12,7%, in den anschließenden 12 h nur noch 2,9% und kumulativ in 24 h insgesamt 82% an Cyanocobalamin renal eliminiert.
Anwendungsgebiete Prävention und Therapie von klinischen Vitamin B12-Mangelzuständen verschiedener Ursa-
C
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Cyclandelat
chen, soweit sie ernährungsmäßig nicht behoben werden können. Vitamin B12-Mangel kann sich in folgenden Krankheitsbildern äußern: hyperchrome makrocytäre Megaloblastenanämie (Perniciosa, Biermer-Anämie, Addison-Anämie); funikuläre Spinalerkrankung. Der klinisch-chemsich gesicherte Vitamin B12-Mangel kann auftreten bei: jahrelanger Mangel- und Fehlernährung, z. B. durch strenge vegetarische Ernährung; Malabsorption durch ungenügende Produktion von Intrinsic factor, Erkrankungen im Endabschnitt des Ileums (z. B. Sprue), Fischbandwurmbefall oder Blind-loop-Syndrom; angeborenen Vitamin B12-Transportstörungen.
Dosierung und Art der Anwendung Zur Substitution bei Fehl- und Mangelernährung, z. B. bei streng vegetarischer Ernährungsweise, sind zur Sicherung der Bedarfsdeckung prophylaktische Tagesdosen im Bereich von 3– 10 μg ausreichend. Zur Initialbehandlung der perniziösen Anämie haben sich Injektionen von täglich 0,1–1 mg Cobalamin bewährt. Nach Auffüllung der Körperspeicher (1–2 Wochen) reichen monatlich 0,5–1 mg Cyanocobalamin aus. Bei nachgewiesener Resorptionsstörung ist eine lebenslange Erhaltungstherapie erforderlich.
muskulatur. Obwohl als Vasodilatator klassifiziert, senkt Cyclandelat den Blutdruck nicht. Als Mechanismus für die dilatatorische Wirkung wird ein Kalzium-Antagonist angeführt, aber auch eine Hemmung der Phosphodiesterase scheint zumindest teilweise an der Wirkung beteiligt zu sein. Eine Herzwirkung besitzt Cyclandelat nicht. Ein weiterer Bestandteil des pharmakologischen Profils von Cyclandelat ist die Verbesserung der rheologischen Eigenschaften des Blutes. Cyclandelat hemmt die kalziumabhängige Thrombozytenaggregation und steigert die Deformierbarkeit von Erythrozyten. Die Reduktion der Aktivität des geschwindigkeitslimitierenden Enzyms für die Biosynthese von Cholesterin (HMG-CoA) und die damit verbundene Senkung der Cholesterinkonzentration im Plasma trägt möglicherweise ebenfalls zu einer verbesserten Blutzirkulation bei. Cyclandelat besitzt ferner „antidiabetische Eigenschaften“, was mit einer Hemmung der Aldosereduktase in Zusammenhang gebracht wird.
Wirkungsverlauf
Bei parenteraler Anwendung in Einzelfällen anaphylaktische Reaktionen, selten ekzematöse und urticarielle Arzneimittelreaktion.
Nach p. o.-Verabreichung von 1.600 mg wird Cyclandelat rel. rasch resorbiert. Es werden maximale Plasmakonzentrationen von 5 μg/ml nach 2 h gemessen. Die terminale Eliminationshalbwertzeit beträgt ca. 5 h. Cyclandelat wird im Organismus in die Alkoholkomponente und Mandelsäure gespalten. Die Mandelsäurekonzentration erreicht nach 6 h ein Maximum (3 μg/ml).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Anwendungsgebiete
Weder nach p. o. noch nach parenteraler Gabe bekannt.
Natil®; Spasmocyclon®, Spasmocyclon® 400.
Cyclandelat wird in Dosen von 400 mg zur Behandlung zerebraler und peripherer vaskulärer Durchblutungsstörungen eingesetzt. Die normale Tagesdosis beträgt 1,6 g, verteilt auf 3–4 Einzeldosen. Die Auswertung klinischer Studien zur Wirksamkeit von Cyclandelat ist schwierig, da bei der Therapie mit Cyclandelat keine akuten Effekte zu erwarten sind und bei einigen klinischen Studien der Behandlungszeitraum zu kurz ist. Für viele beanspruchte Indikationsgebiete (Angiopathien, Retinopathien) fehlt bis heute der Nachweis der Wirksamkeit.
Wirkungen
Unerwünschte Wirkungen
Cyclandelat verbessert die Blutzirkulation durch einen selektiven Angriff an die Gefäß-
In der klinischen Literatur werden für Cyclandelat so gut wie keine unerwünschten Wirkun-
Unerwünschte Wirkungen
Wechselwirkungen Weder nach p. o. noch nach parenteraler Gabe bekannt.
Cyclandelat Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Cyclophosphamid
gen beschrieben. Bei älteren Patienten werden bis zu 3.200 mg/die vertragen. Vereinzelt können Parästhesien in den Extremitäten, Erröten und leichte Übelkeit auftreten.
Cyclophosphamid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Cyclophosphamid-biosyn® Drg., Cyclostin® Drg.; 100-N/200-N/500-N/1000-N Trockensubstanz, Endoxan® Drg.; 500 mg/1000 mg Trockensubstanz.
Wirkungen Cyclophosphamid (CP) gehört zu den bifunktionellen alkylierenden Substanzen, die ihre antineoplastische Wirkung über eine kovalente Bindung von Alkylgruppen an die DNS der Tumorzellen entfalten. Es wird durch das Cytochrom P450-System des glatten endoplasmatischen Retikulums der Hepatozyten aktiviert. Zunächst entsteht 4-Hydroxycyclophosphamid, welches mit der ringoffenen Form Aldophosphamid im Gleichgewicht steht. Aldophosphamid wird nicht-enzymatisch unter Abspaltung von Acrolein (das für die Blasentoxizität verantwortlich ist) zu N,N-Bis(2-chlorethyl)-phosphorsäurediamid umgewandelt. Durch Abspaltung des Chlors entsteht die entsprechende Aziridiniumverbindung, die über die Bildung des Carbenium-Ions den Alkylrest auf nukleophiile Akzeptoren überträgt. Hauptangriffspunkt des CP ist der N7-Stickstoff des Guanins. Durch die bifunktionelle Alkylierungsfähigkeit des CP können Quervernetzungen zwischen DNSSträngen (cross-linking) auftreten. Die Alkylierung der DNS durch CP betrifft auch andere proliferierende Gewebe oder Zelltypen und führt zu den typischen unerwünschten Wirkungen. Die immunsuppressive Wirkung des CP, die sich u. a. in einer Suppression der Funktion von B- und T-Lymphozyten manifestiert, ist einerseits unerwünschte Wirkung und erklärt die erhöhte Infektanfälligkeit behandelter Patienten. Andererseits kann die immunsuppressive Wirkung zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen ausgenutzt werden.
Resorption CP zeigt bei höherer Dosierung (300 mg) stär-
287
kere Schwankungen von Resorption und Bioverfügbarkeit (35–80%).
Elimination CP hat eine Plasmahalbwertzeit von 3–10 h. Die Halbwertzeit der alkylierenden Aktivität liegt bei 5–7 h. Therapeutisch relevante Metabolite des CP sind das in der Leber im Cytochrom P450-System gebildete 4-Hydroxycyclophosphamid (Halbwertzeit 1–5 h) und das damit im Gleichgewicht stehende Aldophosphamid. Beide Metabolite verteilen sich über den Blutweg in der Peripherie und werden im Cytosol der Zielzellen in das ultimative alkylierende Agens, das N,N-Bis(2-chlorethyl)phosphorsäurediamid (Phosphoramid Mustard) umgewandelt. Ca. 5% des Cyclophosphamids erscheinen unverändert im Urin. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz werden erhöhte und länger anhaltende Plasmakonzentrationen der CPMetabolite gefunden. Für Patienten mit einer Creatinin-Clearance unter 25 ml/min wird deshalb eine Dosisreduktion um 50% empfohlen.
Anwendungsgebiete Cyclophosphamid ist eines der am häufigsten verwendeten Zytostatika und wird meist in Kombination mit anderen Tumortherapeutika nach festgelegten Schemata eingesetzt: COPPSchema (Cyclophosphamid, Oncovin (Vincristin), Procarbazin, Prednisolon). COP-Schema (Cyclophosphamid, Oncovin, Prednison); CHOP-Schema (Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin (Adriamycin), Oncovin, Prednison); CHOEP-Schema (Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin, Oncovin, Etoposid, Prednison). ACO-Schema (Adriamycin, Cyclophosphamid, Oncovin). CMF-Schema (Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil); ECSchema (Epirubicin, Cyclophosphamid). PCSchema (Cisplatin, Cyclophosphamid). CYVADIC-Schema (Cyclophosphamid, Vincristin, Adriamycin, Dacarbazin (DTIC). Cyclophosphamid wird als Immunsuppressivum verwendet bei Wegener Granulomatose und anderen Vaskulitiden, auch der isolierten Angiitis des ZNS; bei Kollagenosen wie Lupus erythematodes und bei dramatischen Verläufen der MS.
Dosierung und Art der Anwendung In der Kombinations-Tumorchemotherapie wird Cyclophosphamid in Dosierungen von 400–1000 mg/m2 Körperoberfläche (ca. 10–
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Cyclophosphamid
25 mg/kg) verwendet. Die Behandlung erfolgt meist in Zyklen, die für jedes der Therapieschemata festgelegt sind. In der Therapie von Autoimmunerkrankungen wird häufig eine Pulsbehandlung, z. B. 10 mg/kg i. v. in monatlichen Abständen für insgesamt 1 Jahr durchgeführt, die mit einer niedrig dosierten Kortikoidbehandlung kombiniert wird.
Unerwünschte Wirkungen Übelkeit ist eine häufige, Erbrechen eine weniger häufige und dosisabhängige Komplikation der CP-Therapie. Das Früherbrechen (1. und 2. Tag) kann wirksam mit Ondansetron oder Granisetron unterdrückt werden, weniger erfolgreich das Späterbrechen. Diese Nebenwirkungen sind bei i. v. Applikation häufiger als bei oraler Anwendung. Bei hoher Dosierung wirkt CP kardiotoxisch. CP löst dosisabhängig eine Suppression der Granulopoese und der Erythropoese aus. Eine Thrombozytopenie ist seltener. Bei Unterschreiten kritischer Granulozytenwerte muss die Therapie unterbrochen werden. Während einer i. v. Pulstherapie mit niedrig dosiertem CP ist die Myelosuppression selten. Risiko und Ausmaß der Myelosuppression durch CP kann mit Amifostin deutlich vermindert werden, ohne dass die antineoplastische Wirkung abgeschwächt wird. In seltenen Fällen wurde unter der Therapie mit CP in niedriger Dosierung eine starke Wasserretention bis Wasserintoxikation beobachtet. Die Wasserintoxikation kann erfolgreich mit Furosemid behandelt werden. Nach mehreren Zyklen einer CPTherapie entsteht mit einer Häufigkeit von 10– 30% eine hämorrhagische Cystitis, die wahrscheinlich durch den CP-Metaboliten Acrolein ausgelöst wird. Diese Komplikation kann mit Sulfhydrylverbindungen wie MESNA (2-Merkaptoethansulfonat) oder durch lokale Instillation von Prostaglandinen (PGI2, PGE2) verhin-
dert oder abgeschwächt werden. Ein gehäuftes Auftreten von Blasenkarzinomen wird mit der CP-Therapie in Verbindung gebracht. Beim Mann erzeugt CP eine Schädigung der Keimzellen unter Schonung der Sertolizellen. Unter einer Therapie mit 50–100 mg CP täglich kommt es meist zu einer Verminderung der Spermienzahl. Azoospermie tritt meist erst nach 6–10 g CP auf. Diese Schädigungen sind nur selten reversibel. Bei der Frau kommt es in etwa 50% zur Amenorrhoe und Ovarialatrophie. Patientinnen über 24 Jahre sind zu etwa 80% und 24 Jahre nur zu etwa 30% betroffen. Östrogen- und Progesteronspiegel sind erniedrigt und FSH- und LH-Spiegel im Blut erhöht. Eine Wiederkehr der Menses wurde nur bei wenigen Patientinnen beoabachtet. Bei den meisten Patienten kommt es zu einem Haarausfall, der nach einigen Monaten trotz weiterer Gabe reversibel ist. Nach Behandlung mit CP kommt es häufiger als bei einem Vergleichskollektiv zur Entwicklung akuter Leukämien und anderer maligner Malignome. Diese entwickeln sich einige Jahre nach Ende der CP-Therapie. Schwangerschaft: Alkylierende Cytostatica wirken teratogen. Für CP wurde gezeigt, dass nur im ersten Drittel der Schwangerschaft mit Störungen der Embryonalentwicklung zu rechnen ist. Während des 2. und 3. Drittels sind normale Schwangerschaften beschrieben worden.
Wechselwirkungen Allopurinol verlängert die Plasmahalbwertzeit von CP, ohne dass es jedoch zu einem Anstieg der alkylierenden Aktivität im Plasma kommt. Allerdings kann eine verstärkte Knochenmarktoxizität gefunden werden. Bei Diabetikern wurde eine blutzuckersenkende Wirkung von CP beobachtet. Die Wirkung von Muskelrelaxantien kann verstärkt werden.
D
Definition
IV. Ventrikels und/oder einer Kleinhirnwurmdysplasie), beim Neugeborenen auch sonographischer Nachweis einer Vergrößerung des IV. Ventrikels.
Sichtbarer Streifen der weißen Sklera bei geöffneten Augen.
Therapie
Einleitung
empirisch Shuntanlage bei Hydrozephalus.
Dalrymple-Zeichen
Das Dalrymple-Zeichen gehört zu den Kardinalsymptomen der endokrinen Orbitopathie. Es ist durch den Exophthalmus bedingt und vermittelt den Eindruck weit aufgerissener Augen. Andere Zeichen der endokrinen Ophthalmoplegie sind seltener Lidschlag (Stellwag-Zeichen) und Zurückbleiben des Oberlids bei Blicksenkung (Graefe-Zeichen). Ferner können Lidödem (Chemosis) und Ophthalmoplegie auftreten.
Dandy-Walker-Malformation
Prognose Etwa die Hälfte der mit einem Shunt versorgten Kinder erreicht einen IQ ≥80.
Dantrolen Gebräuchliche Fertigarzneimittel Dantamacrin® 25 und 50 mg Kps. (enthalten Dantrolen-Natrium 3½H2O). Dantrolen i. v.: 1 Ampulle enthält 20 mg Dantrolen-Natrium 3½H2O.
Synonyme Dandy-Walker-Syndrom
Definition Embryonale Störung mit zystischer Erweiterung des IV. Ventrikels, kompletter oder partieller Kleinhirnwurmaplasie und Atresie der Foramina Luschkae und Magendii.
Einleitung Durch Atresie der Foramina Luschkae und Magendii kann sich ein Hydrocephalus occlusus entwickeln (bei ca. 75% im 1. Lebensjahr), weiterhin finden sich zerebellare Zeichen, eine geistige Retardierung, gelegentlich epileptische Anfälle. Begleitend können kardiovaskuläre Fehlbildungen bestehen.
Diagnostik MRT/CCT (Nachweis einer Vergrößerung des
Wirkungen Dantrolen hemmt die Freisetzung von Kalzium aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Zellinnere. Es ist nicht klar, ob die Hemmung über den Ryanodinrezeptor-Kalziumkanal vermittelt wird. Aufgrund der verminderten Kalziumfreisetzung wird die Erregungs-Kontraktions-Kopplung gehemmt. Ferner wird der Entwicklung einer malignen Hyperthermie als Narkosekomplikation aufgrund einer Leckage des Ryanodinrezeptors entgegengewirkt.
Pharmakologische Daten Dantrolen wird unvollständig über den MagenDarm-Trakt resorbiert. Es wird in der Leber hydroxyliert und an Azetamid gekoppelt. Die Metaboliten werden über den Urin ausgeschieden. Nur wenig Dantrolen wird unmetabolisiert über die Galle freigesetzt. Nach oraler Einnah-
Decarboxylasehemmer
Decarboxylasehemmer 3
me wird der maximale Blutspiegel nach 4 bis 6 Stunden erreicht. Die Halbwertszeit beträgt knapp 9 Stunden.
L-Dopa,
3
290
Benserazid
Anwendungsgebiete
Dosierung bei spastischen Syndromen, z. B. nach Hirninfarkt oder bei multipler Sklerose langsam einschleichend. Beginn mit 2×täglich 25 mg. Die Dosis wird wöchentlich um 25 mg. 4 Tagesdosen bis maximal 4×200 mg. Bei maligner Hyperthermie Infusion von 2,5 mg/kgKG i. v. (entspricht 8–10 Ampullen) so rasch wie möglich. Danach Fortsetzung der Infusion solange Tachykardie, Hypovolämie, Azidose und Hyperthermie fortbesteht. CO2und pH-Kontrollen.
Unerwünschte Wirkungen Benommenheit, Schwindel, Abgeschlagenheitsgefühl, Müdigkeit, Schwäche, Durchfall. Dantrolen kann Leberfunktionsstörungen verursachen, insbesondere bei vorgeschädigter Leber oder bei gleichzeitiger Medikation mit Östrogenen, z. T. auch schwere Leberfunktionsstörungen mit Ikterus und Hepatitis. Es wurden Todesfälle beschrieben.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Vor und unter Therapie sollten die Transaminasen im Serum beobachtet werden. Bei floriden Lebererkrankungen sollte Dantrolen nicht eingesetzt werden. Vorsicht ist auch bei kardialen und pulmonalen Krankheiten geboten.
Synonyme Locked-in-Syndrom, ventrales Ponssyndrom
Definition Unfähigkeit, bei erhaltenem Bewusstsein, sich sprachlich oder durch Bewegungen spontan zu äußern.
Einleitung Das Locked-in-Syndrom entsteht nach beidseitiger Läsion der ventralen Brücke, z. B. bei Basilarisstenose oder - verschluss, durch dadurch bedingte beidseitige Querschnittsläsion des Tractus corticospinalis und corticobulbaris im Bereich des Pons Varolii. Dies führt zu einer Lähmung aller vier Extremitäten sowie zum Ausfall der Hirnnerven mit Ausnahme der Augenmotorik: Der Patient kann sich nicht bewegen, nicht sprechen, aber alles verstehen und seine Umgebung optisch wahrnehmen. Allein durch eine teilweise erhaltene Willkürmotorik für Augenbewegungen kann sich der Kranke mit der Umwelt verständigen. Die fortschreitende Infarzierung bei Ausdehnung des Thrombus führt in der Regel zu Koma, Hypothermie, Atem- und Kreislaufstörungen und ist meist nicht mit dem Leben vereinbar.
Differenzialdiagnose *
Wechselwirkungen Freisetzung aus der Albuminbindung durch Phenprocoumon und Clofibrat. ZNS-Effekte von Dantrolen werden durch Sedativa und Alkohol verstärkt.
Bewertung Dantrolen gehört zu den unverzichtbaren Notfallmedikamenten zum Einsatz bei der malignen Hyperthermie.
*
Apallisches Syndrom: Dies äußert sich in einer tiefen Bewusstseinsstörung, z. B. als koma- oder schlafähnlicher Zustand mit offenen Augen (Coma vigile), bei dem der Patient scheinbar wach ist mit erhaltenen vegetativen Funktionen, jedoch keine spontanen oder sinnvollen Reaktionen auf äußere Reize zeigt. Akinetischer Mutismus: Der Patient spricht und bewegt sich auf Aufforderung nicht, wirkt wach und zeigt orale Automatismen. Ursache: Hypoxie des Mittelhirns, z. B. nach Basilarisverschluss. 3
Dosierung/Anwendung
Deefferentierungssyndrom
3
Dantrolen ist ein Notfall-Arzneimittel bei der malignen Hyperthermie. Es wirkt darüber hinaus antispastisch über die direkte Wirkung an der Muskulatur. In Einzelfällen wurde über Besserung von Muskelschmerzen berichtet.
Degeneration, kortikobasale
Therapie Intensivmedizinische Überwachung, evtl. Beatmung und Therapie eines Hirnödems, Behandlung von Infektionen und krankengymnastische Behandlung. In der Regel sollten die Patienten tief sediert werden, um sie ihre extrem belastende Situation nicht erleben zu lassen.
Prognose Meist letaler Ausgang.
tisch-rigides Syndrom mit zusätzlichen Parkinson-Plus-Zeichen entwickelt, die für das idiopathische Parkinson-Syndrom nicht charakteristisch sind. Die CBD kann als fokales kortikales AtrophieSyndrom eingeordnet werden. Die zugrunde liegende Pathologie ist unterschiedlich. Übergänge zu Morbus Pick, Alzheimer, frontotemporalen Demenzen und primären progressiven Aphasien sind gegeben. Die Krankheit beginnt um das 60. Lebensjahr schleichend und in über 2/3 der Patienten ähnlich wie ein idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS) mit einer ausgeprägten Seitenasymmetrie der bradyhypokinetischen Symptomatik. Ein asymmetrischer Halte- und Aktionstremor (unregelmäßiger als beim IPS) bzw. Myoklonien eines Armes können initial vorkommen. Durch taktile Reize kann ein stimulussensitiver Myoklonus an den Extremitäten ausgelöst werden. Kleinschrittigkeit, Starthemmung, Wendeschwierigkeiten und ausgeprägte Schwellenphänomene treten häufig frühzeitig im Verlauf auf. Sensorische Symptome wie Astereognosie, gestörte Zweipunkte-Diskrimination, Graphhypästhesie gehören ebenfalls zur Anfangssymptomatik, die aber nur bei genauer Untersuchung auffällt. Die akinetisch-rigide Symptomatik schreitet bei der CBD im Vergleich zum IPS schnell fort: Die Haltungsanomalie der Hand geht über die typische Form beim IPS hinaus und wird zu einer immer mehr fixierten, häufig schmerzhaften Beugesdystonie. Parallel oder zeitlich dieser Dystonie voraus entwickelt sich eins bis drei Jahre nach Symptombeginn das charakteristische Gefühl eine ich-fremde Gliedmaße zu besitzen (sogenanntes „alien limb“-Phänomen) mit Zeichen einer kortikalen Dysfunktion. Dazu zählen sensorische Störungen, eine ideomotorische, orobukkofaziale und/oder okuläre Apraxie, eine Aphasie (Dysphasie) sowie Störungen des Gedächtnisses. Das sind Zeichen wie sie bei anderen Syndromen mit fokaler kortikaler Atrophie (Pick-Syndrom, primäre progressive Aphasie, AlzheimerDemenz) auftreten können. Diskrete Paresen bei Pyramidenbahnbeteiligung, die Dystonie und die Akinese komplizieren bei der CBD im weiteren Verlauf das Erkennen einer Apraxie. Denn Apraxie stellt definitionsgemäß eine Störung erlernter Bewegungen dar, die nicht durch Schwäche, Akine3
Defizite, motorische Synonyme Ausfall, Ausfallerscheinung
Definition Ausfallerscheinungen im motorischen Bereich.
Grundlagen Motorische Defizite sind nach zentralnervösen, periphernervösen und muskulären traumatischen, ischämischen, metabolischen, endokrinen, epileptogenen, autoimmunologischen, genetisch bedingten, infektiösen und anderen entzündlichen Läsionen zu finden.
Degeneration, kortikobasale Synonyme Kortikobasale ganglionäre Degeneration
Definition Parkinson-Plus-Syndrom mit zunehmend im Vordergrund stehenden progredienten kortikalen Dysfunktionen (Apraxie, Aphasie, sensorische Diskriminationsstörungen).
Einleitung Der Terminus kortikobasale Degeneration (CBD) oder kortikobasale, ganglionäre Degeneration wurde Ende der 60er-Jahre geprägt. Damals wurde neuropathologisch eine progrediente Krankheit mit kortiko-dentatonigraler Degeneration mit neuronaler Achromasie bei drei Patienten beschrieben. Viele Patienten werden initial als Parkinson-Patienten diagnostiziert, obwohl sich im weiteren Verlauf ein durchaus charakteristisches akine-
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D
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Degeneration, spongiforme (Canavan-van Bogaert-Bertrand-Erkrankung)
se, Deafferentierung, abnormalem Muskeltonus oder Haltung, Bewegungsstörungen wie Tremores oder Chorea, intellektuelle Beeinträchtigung, Verständnisstörungen oder Inkooperation veursacht wird. Okulomotorikstörungen sind bei der CBD häufig. Im späteren Stadien verlieren die Patienten langsam die Fähigkeit, schnelle Sakkaden auf eine verbale Aufforderung durchzuführen (okulomotorische Apraxie). Nach 3 –5 Jahren erreichen die meisten Patienten das Stadium der Schwerstpflegebedürftigkeit. Häufig ist damit eine Dysphagie mit Gefahr der Aspiration vergesellschaftet. Die Patienten sterben 5–10 Jahre nach Symptombeginn, meistens an Aspirationspneumonie oder Sepsis. Im MRT lässt sich schon häufig eine fokale frontopartietale kortikale asymmetrische Atrophie kontralateral zur initial betroffenen oberen Extremität nachweisen. Die lateralen Ventrikel sind erweitert. Das Volumen der zerebralen weißen Substanz, des Corpus callosum und der Pedunculi cerebri kann atrophiert sein. Histologisch zeigt sich ein Verlust von Nervenzellen und eine Gliose im Kortex und in den Basalganglien. Daher der Name kortikobasale oder kortikobasalganglionäre Degeneration. Allerdings sind geschwollene akromatische Neurone oder Neuronenverlust auch im lateralen Thalamus, in Mittelhirnkernen und im Ncl. caudatus beschrieben. Die Neuronen insbesondere im frontopartietalen Kortex erscheinen geschwollen, aufgebläht und akromatisch. In Regionen mit viel Neuronenverlust kommt es zu einer Desorganisation des laminären Musters im Kortex und im Marklager sind geschwollene und demyelinisierte Axone mit einer spongiforme Veränderung des Neuropils nachweisbar. Lewy- (> IPS) und Oligodendroglia-Einschlusskörperchen (>MSA), Antikörper gegen gliales fibrilläres saures Protein und Tau (> Alzheimer-Demenz) fehlen. Differenzialdiagnostisch müssen jene Krankheiten mit Parkinson-Plus-Symptomatik und langsam progredienten kortikalen Dysfunktionen (Apraxie, Aphasie, sensorische Diskriminationsstörungen) erwogen werden. Im Frühstadium hilft das Fehlen einer Motorikbesserung nach Dopa in ausreichender Test-Dosierung (<800 mg/die) um die CBD von einem IPS zu differenzieren.
Diagnostik Das EEG ist im Frühstadium meistens normal; asymmetrische, im Spätstadium auch bilaterale Allgemeinveränderungen können nachweisbar sein. Die somatosensorisch evozierten Potentiale sind häufig in Amplitude verkleinert und in Latenz normal bis verzögert. Fokale kortikale und diffuse zerebrale Atrophien im Spätstadium bei der kraniellen Bildgebung wurden schon erwähnt.
Therapie Eine gesicherte Therapie für die CBD ist bisher nicht bekannt. Antiparkinsonika wie Amantadine, Antispastika wie Baclofen können einmal versucht werden. Botulinumtoxin kann einen palliativen Effekt auf die schmerzhaften Dystonien an den Extremitäten aufweisen und die Pflege erleichtern. Krankengymnastik, Ergotherapie, Beratung durch Sozialdienste (häusliche Hilfen etc.) und ggf. Logopädie muss angeboten werden.
Literatur 1. Rebeiz JJ, Kolodny EH, Richardson EP (1968). Corticodentatonigral degeneration with neuronal achromasia. Arch Neurol 18: 20–33.
Degeneration, spongiforme (Canavan-van Bogaert-BertrandErkrankung) Definition Autosomal-rezessiv vererbte, bevorzugt bei Ashkenazi-Juden und Japanern auftretende spongiöse Hirndystrophie mit ausgeprägter Marklagerbeteiligung, bedingt durch eine verminderte Aktivität der Aspartoazylase.
Einleitung Klinisch zeigen sich eine progressive psychomotorische Retardierung, eine Amaurose, eine spastische Tetraparese und eine Megaloenzephalie.
Diagnostik Nachweis stark erhöhter Spiegel von N-Acetylaspartat in Liquor, Plasma und Urin. Molekulargenetische Diagnostik (auch pränatal).
Déjerine-Sottas-Erkrankung
Therapie
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delt sich um eine meist autosomal-rezessiv vererbte, demyelinisierende Neuropathie mit frühem Beginn. Histologisch finden sich ausgeprägte Zwiebelschalenformationen.
Nicht bekannt.
Déjà-vu
Einleitung
Einfach-fokaler Anfall bzw. Aura mit Déjà-vuSymptomatik.
Definition Epileptische Déjà-vu-Erlebnisse aus der Gruppe einfach-fokaler Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) mit dysmnestischer Symptomatik, also mit Gedächtnistäuschung. Der Patient erlebt neue Situationen oder ihm unbekannte Personen als bereits bekannt bzw. vertraut (déjà vu: franz.=schon gesehen). 3
Einleitung Einfach-fokale Anfälle mit Déjà-vu-Symptomatik treten isoliert oder als Aura bei fokalen Epilepsien auf, in der Regel bei Temporallappenepilepsie. 3
3
Differenzialdiagnose Abzugrenzen sind Déjà-vu-Erlebnisse bei Übermüdung, im Traum, Psychosen oder nicht-epileptischen Läsionen des Temporalhirns.
Therapie Epilepsie, fokale
3
Prognose Epilepsie, fokale
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
3
Déjerine-Sottas-Erkrankung Synonyme Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN), Déjerine-Sottas-Syndrom (DSS) 3
Definition Die Déjerine-Sottas-Erkrankung entspricht der HMSN 3, der von Déjerine und Sottas beschriebenen „hypertrophischen Neuritis“ [1]. Es han-
Die Erkrankung manifestiert sich bereits im Kindesalter, sodass die motorische Entwicklung verzögert ist. Klinisch ist die schwer verlaufende sensomotorische Neuropathie oft von Schmerzen und autonomen Ausfällen begleitet. Die Sensibilitätsstörungen sind ausgeprägt, betreffen alle Extremitäten, manchmal sogar den Rumpf. Die Nerven sind meist tastbar verdickt.
Diagnostik Die Nervenleitgeschwindigkeiten sind beim Déjerine-Sottas-Syndrom stärker verzögert als bei der HMSN 1. Sie liegen meist im Bereich von 10 m/sec. Diagnostisch zur Abgrenzung von anderen HMSN-Formen entscheidend ist der frühe Beginn. Schwierig kann wegen des häufig auch erhöhten Liquor-Eiweiß die Differenzierung von einer chronisch-inflammatorischen, demyelinisierenden Neuropathie sein. Molekulargenetisch finden sich zumeist Punktmutationen im PMP22- oder PMP0-Gen (beides Gene für periphere Myelinproteine).
Therapie Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN). Eine spezifische kausale Therapie existiert auch bei dieser HMSN-Form nicht. Zusätzliche Schädigungen peripherer Nerven (Noxen, Druckschäden) sollten vermieden werden. Die Muskelkraft und die Beweglichkeit sollten durch regelmäßige physiotherapeutische kontrollierte Übungsbehandlungen so gut als möglich erhalten werden. Bei ausgeprägteren Fehlstellungen können orthopädische Korrekturen oder Hilfsmittel, z. B. Peronaeus-Schienen bei ausgeprägtem Fallfuß, erforderlich werden. Die häufig auftretenden Skoliosen müssen eventuell ebenfalls korrigiert werden. 3
Synonyme
Bewertung Eine erhöhte Neigung zu Narkosekomplikationen im Sinne einer malignen Hyperthermie besteht nicht.
Prognose Die Prognose des DSS ist schlecht. Der Verlauf
D
294
Déjerine-Syndrom
ist rasch progredient und führt zu früher Invalidität.
sein. Diese Patienten sind nicht fähig, buchstabierte Wörter zu erkennen und vorgesprochene Wörter selbst zu buchstabieren.
Literatur 1. Martini R, Zielasek J, Toyka KV (1998) Inherited demyelinating neuropathies: from Gene to disease. Curr Opin Neurol 11: 545–556.
Prophylaxe Keine.
Therapie Therapiemaßnahmen umfassen neuropsychologische und logopädische Rehabilitation.
Déjerine-Syndrom Synonyme Diskonnektionssyndrom
Dekortikationshaltung
Definition Kallosale Diskonnektion des intakten rechtshemisphärischen Sehzentrums von den sensorischen Sprachzentren und dem angulären Lesezentrum der linken Hemisphäre bei Läsionen im linken medialen Posteriorgebiet (Calcarinagebiet bis Splenium des Corpus callosum).
Synonyme Dezerebrationshaltung, Enthirnungsstarre
Definition Typische Körperhaltung nach komplettem Ausfall des Großhirns.
Einleitung
Einleitung Klinisch können sich neben einer homonymen Hemianopsie nach rechts zwei Symptome entwickeln: Bei der reinen Alexie (bei erhaltener Schreibund Sprachfähigkeit) besteht eine Störung der ganzheitlichen Worterfassung, das Lesen gelingt nur durch mühsames Zusammenfügen der Buchstaben („letter by letter reading“). Die Alexie ohne Agraphie ist als visuoverbale Assoziationsstörung zu verstehen. Bei Farb-/ Objektnennungsstörung (bei unauffälliger Spontansprache, korrektem Benennen bei akustischer/taktiler Objektdarbietung) können visuell präsentierte Objekte schlecht benannt werden, insbesondere ist das Benennen von Farben gestört.
Die Enthirnungsstarre ist gekennzeichnet durch Überstreckung des Rumpfes (Opisthotonus), Beugestellung der Arme, Streckstellung der Beine, enge Pupillen und träge Lichtreaktion, regelmäßig auslösbare pathologische Reflexe, Pyramidenbahnzeichen. Apallisches Syndrom. 3
3
Hinteres
Differenzialdiagnose Als Ursache kommen Hirndrucksteigerungen durch Hirnödem verschiedenster Ursachen, intrakranielle Blutungen oder Traumata, Einklemmung des Hirnstamms, Ventrikelblutungen etc. in Frage.
Dekrement
Differenzialdiagnose Das isolierte Auftreten der Alexie bzw. der Objekt-/Farbbenennungstörung bei einerseits erhaltener Schreib- und Sprachfähigkeit und erhaltener Farbdiskrimination andererseits, ist Kennzeichen der kallosalen Diskonnektion und damit abzugrenzen gegenüber komplex auftretenden Störungen bei Aphasie, Apraxie und Agnosie. Bei der Alexie mit Agraphie liegt eine kortikale Läsion des Gyrus angularis vor. Hier besteht eine Störung der Schriftsprache ohne von einer homonymen Hemianopsie abhängig zu
Definition Prozentuale Amplituden- oder Flächenabnahme des 4. oder 5. Muskelsummenaktionspotentials (MSAP) bezogen auf das 1. MSAP bei supramaximaler 3/s-Stimulation des innervierenden Nerven.
3
3
3
Grundlagen Ein Dekrement wird als signifikant pathologisch eingestuft, wenn es 10% oder mehr beträgt. Dieser Grenzwert ist nicht unumstritten.
Deliberationsmanöver
Einige Autoren halten schon ein Dekrement ab 8% für signifikant. Bei der Myasthenia gravis kommt das Dekrement vermutlich durch die bevorzugte Bindung der Azetylcholinrezeptorantikörper an den geöffneten Ionenkanal zustande. Patch-Clamp-Arbeiten haben gezeigt, dass die Antikörperbindung an den Kanal teilweise rasch reversibel ist. Die Aktivierungsund Desensitisierungskinetik war dabei unverändert. Die Befunde erklären, warum nach einer kurzen Erholungszeit wieder ein MSAP mit normaler Amplitude und Fläche generiert werden kann. Das Dekrement, das bei Intoxikation mit Organophosphaten beobachtet werden kann, geht auf die Hemmung der Cholinesterase zurück. Azetylcholin kann im synaptischen Spalt nicht abgebaut werden und führt zu einer zunehmenden Desensitisierung der Ionenkanäle. Ein pathologisches Dekrement bei 3/s-Stimulation wird regelmäßig beim Lambert-Eaton-Syndrom gefunden. Die niedrige Ausgangsamplitude sollte Anlass sein, nach einem Inkrement nach 30 s Maximalinnervation zu fahnden. Eine ähnliche Konstellation mit Dekrement bei Ausgangsuntersuchung und Inkrement nach Maximalinnervation kann beim Botulismus auftreten. Abgesehen von kongenitalen myasthenen Syndromen findet sich ein pathologisches Dekrement gelegentlich bei Prozessen mit unreifen Endplatten im Rahmen von Reinervation (ALS, Myositis) und bei myotonen Syndromen.
Dekubitus
295
1. Intakte Haut, aber Rötung. 2. Hautdefekt. 3. Tiefer Defekt mit sichtbaren Muskeln, Bändern oder Sehnen. 4. Tiefer Defekt mit sichtbaren Muskeln, Bändern oder Sehnen sowie mit zusätzlicher Knochenbeteiligung. Prädilektionsstellen sind: Ohrmuschel, Wirbelsäule, Schulterblatt, Ellenbogen, Kreuzbein, Trochanter major, Knie, v. a. Innenseite, Knöchel beidseits, Ferse.
Differenzialdiagnose Durch Infektionen, andere mechanische Reize, z. B. Verbrennungen hervorgerufene Hautläsionen.
Prophylaxe Hautpflege und - schutz, Einreiben und Massage gefährdeter Stellen zur Hyperämisierung (umstritten), Weichlagerung auf Spezialmatratzen, zweistündliche Umlagerung nach Lageplan.
Therapie Die Therapie hängt ab vom Grad der Schädigung: * 1. Grad: Hautpflege und Prophylaxe. * 2. Grad: Chirurgische Behandlung mit Säubern der Wunde, Wundtaschen und - rändern, eventuell Débridement und Förderung der Reepithelialisierung durch SolcoserylSalbe. * 3. und 4. Grad: Eventuell chirurgische Abtragung von Nekrosen, Deckung großer Defekte mit Hauttransplantaten und Verschluss tiefer Wunden.
Synonyme Druckulkus
Nachsorge
Definition
Kontrolle des Wundverschlusses und der - heilung.
Synonyme Epley-Manöver,
Semont-Manöver
Definition Das Ziel dieser therapeutischen Verfahren zur Behandlung des benignen paroxysmalen La3
Ein Dekubitus findet sich vor allem bei bettlägerigen Patienten, dabei vor allem an Stellen, an denen die Haut dem Knochen eng anliegt, aber auch unter Prothesen und Gipsverbänden. Eingeteilt wird der Dekubitus in vier Grade:
3
Einleitung
Deliberationsmanöver 3
Durch längerfristige äußere Druckeinwirkung mit Kompression von Gefäßen entstandene trophische Störung des Hautgewebes mit Nekrose, Mazeration und eventuell Infektion.
D
296
Delir
gerungsschwindels ist die Entfernung des für den Schwindel verantwortlichen Otolithenmaterials aus dem hinteren Bogengang.
(z. B. Vitamin B1, B6, B12) sowie eines substanzinduzierten Delirs. Ein delirantes Bild kann eine Demenz überlagern und sollte daher in diese Richtung abgeklärt werden.
Grundlagen Zur genauen Durchführung beider Verfahren siehe unter Epley-Manöver, Semont-Manöver. 3
3
Delir Synonyme
Therapie Die Therapie eines Delirs muss unter stationären Bedingungen erfolgen und richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Zusätzliche Maßnahmen sind: Überwachung der vitalen Funktionen, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Kontrolle der Elektrolyte und des Blutzuckerspiegels sowie Magenschutz und Thromboseprophylaxe.
Delirium, delirantes Syndrom
Definition Form der akuten organischen Psychose mit Bewusstseins- und Orientierungsstörungen und eventuell vegetativer Symptomatik, Halluzinationen und motorischer Unruhe. Das Delir ist ein Syndrom, keine Diagnose!
Einleitung Ursprünglich wurde der Begriff Delir nur für akute Verwirrtheitszustände mit einhergehender vegetativer Symptomatik verwendet, in den letzten Jahren wird er zunehmend operational definiert. Sein Hauptmerkmal ist die rasch einsetzende fluktuierende Aufmerksamkeitsstörung zusammen mit kognitiven und psychomotorischen Auffälligkeiten, formalen Denkstörungen, flüchtigen Wahnideen, Störungen des Schlaf-/ Wach-Rhythmus und gestörter Affektivität. Als mögliche Ursache kommen Intoxikationen, Medikamentenwirkungen, Entzug von Substanzen mit Abhängigkeitsentwicklung auch eine Vielzahl metabolischer, entzündlicher und vaskulärer internistischer und neurologischer Erkrankungen in Betracht. In der Regel entwickelt sich die Symptomatik über Stunden oder Tage und klingt im Verlauf von Wochen, selten Monaten, ab. Meistens besteht für die Krankheitsepisode eine Amnesie. Das Delir kann sich in jedem Lebensalter entwickeln, findet sich aber besonders häufig bei Kindern und alten Menschen.
Diagnostik Abklärung möglicher zugrunde liegender neurologischer, metabolischer oder anderer internistischer Erkrankungen, Mangelzustände
Delir, Alkoholentzugsdelir Synonyme Alkoholdelir, Delirium tremens, Saunders-Sutton-Syndrom (ungebräuchlich)
Definition Delir bei chronischer Alkoholintoxikation nach Exzess oder Entzug.
Einleitung Das Alhoholentzugsdelir kommt bei bis zu 15% aller Alkoholkranken vor und wird v. a. durch plötzliche Abstinenz oder relativen Alkoholentzug hervorgerufen. Verschiedene Medikamente können auslösend sein: Aciclovir, Chloroquin, Rifampicin, Gyrasehemmer, Isoniazid, Amantadin, L-Dopa, Biperiden, Bromocriptin, Barbiturate, Benzodiazepine, Phenitoin, Valproat, Lithium, Neuroleptika, Trizyklika, Dihydralazin, Reserpin, Spironolacton, Antihistaminika, Atropin, Digitalis, Disulfiram, Glukokortikoide, Indometacin, Methysergid, Theophyllin etc. Im Prodromalstadium kommen gereizte Stimmung, Unruhe, Schlafstörungen, Schwitzen und Schwindel vor. Früh zeigt sich ein mittelfrequenter Tremor (6–8/s), eine Tachykardie, Hypertonie und Mydriasis. Sofern der Alkoholentzug andauert entwickeln einige Patienten das Vollbild eines Delirs mit zusätzlicher Angst und optischen und taktilen Halluzinationen. Bei einem Drittel dieser Patienten kommt es zu einem Grand-Mal-Anfall. Des Weiteren findet man räumliche und zeitliche Desorien-
Demenz
tiertheit, psychomotorische Erregung mit Perseveration und eine gesteigerte Suggestibilität. Die vegetative Symptomatik kann bis zur Hyperthermie, extremem Schwitzen mit Elektrolytentgleisungen, hypertensiver Krise und Tachykardie bis hin zum Kreislaufversagen führen.
297
unwirksam/obsolet Phenothiazine sind kontraindiziert. Die Wirksamkeit von Piracetam ist nicht belegt. Entbehrlich ist heute der Einsatz von Barbituraten, Paraldehyd und Alkohol.
Nachsorge Diagnostik
3
Intrazerebrale Blutungen und Hämatome müssen ausgeschlossen werden, ebenso eine Meningitis, Sepsis oder Enzephalitis. Bei älteren Menschen können eine Subarachnoidalblutung oder verschiedene metabolische Störungen, wie Blutzuckerentgleisungen das Bild eines Delirs zeigen.
Alkohol/alkoholisch, Rausch
Prognose Während früher die Letalität des Alkoholdelirs bei 10–20% lag, konnte diese heute bei entsprechender Therapie auf 1–5% gesenkt werden.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Therapie
3
Während früher zur Behandlung des Alkoholentzugsdelirs Alkohol und Paraldehyd eingesetzt wurden, basiert die Therapie heute auf dem Einsatz von Carbamazepin, Benzodiazepinen und Clomethiazol.
Alkohol/alkoholisch, Rausch
Delir, substanzinduziertes Definition
3
3
empirisch Eine Kombination von Clomethiazol mit Haloperidol (bis zu 60 mg pro Tag) ist möglich. Bei unzureichender Kontrolle von Blutdruck und Tremor ist der Einsatz von β-Blockern oder Clonidin möglich. Unterstützende Maßnahmen: Vitamine des BKomplexes, Magnesiumpräparate.
Einleitung Alle abhängigkeits- und toleranzentwickelnden Stoffe sind in der Lage, ein Delir zu verursachen. Dazu gehören Alkohol, Amphetamine, Ecstasy, Kokain, Opiate, Cannabis, Halluzinogene, Hypnotika, aber auch Medikamente wie Anticholinergika, Trizyklika, Neuroleptika, Benzodiazepine, Antikonvulsiva, Kortikoide, Gyrasehemmer, β-Blocker, Cimetidin etc.
Diagnostik Delir
Therapie 3
Absetzen von Alkohol! Stressulkusprophylaxe, Flüssigkeitszufuhr, Vitamin B1 i. v. unter intensivmedizinischer Betreuung und Monitoring. Regelmäßige Kontrollen von CK, GOT, GPT, Elektrolyten, Gerinnung. Carbamazepin 2 ×200 bis 2×400 mg (Blutspiegelkontrolle!). Clomethiazol, wenn keine kardialen Vorerkrankungen bekannt sind. Bei leichtem Delir: per os 2–4 Kapseln, danach alle 1–2 Stunden 2 Kapseln, bis max. 24 Kapseln/Tag. Bei schwerem Delir: 0,8%ige Lösung i. v. bis zum Erreichen eines leichten Schlafes, dann 50 ml/h (Monitoring erforderlich! Cave Ateminsuffizienz!). Bei kardialen Vorerkrankungen: Benzodiazepine, initial Diazepam 10 mg i. v., dann 20 mg alle 6 Stunden, bei Lebererkrankungen Lorazepam, Oxazepam. Bei Tachykardie evtl. β-Blocker oder Clonidin.
Durch Substanzintoxikation, - entzug, oder - nebenwirkung ausgelöstes Delir.
3
gesichert
Delir
Demenz Definition Organisch bedingte psychische Störungen unterschiedlicher Ätiologie, die zu einem schwerwiegenden, meist prozesshaft fortschreitenden Verlust eines vorher vorhandenen Leistungsvermögens führen.
D
Demenz
Einleitung Fünf Kriterien werden nach der ICD-10 zur Diagnose gefordert: * Störung des Gedächtnisses. * Mindestens eine weitere neuropsychologische Störung ( Neuropsychologische Störungen). * Alltagsrelevante Einschränkung der Lebensführung (je nach Ausprägung Einteilung in leichte/mittelschwere/schwere Demenz). * Keine Bewusstseinsstörung. * Bestehen der Symptomatik seit mindestens sechs Monaten.
Demenz. Tab. 1: Obligate und fakultative Laboruntersuchungen Obligat * Laborroutine (Blutbild, Elektrolyte, Nierenretentionswerte, Leberwerte, Glukose, BSG, CRP) * Schilddrüsenwerte * Vitamin B 12 * Luesserologie * Antinukleäre Antikörper * Antiphospholipidantikörper
3
3
3
3
Fakultativ * Parathormonbestimmung * Weitere Autoimmunantikörper * HIV-Serologie * Liquoruntersuchung
3
Medikamenten). Häufigste Ursachen der reversiblen Demenzen sind chronische Intoxikationen (Medikamente oder Drogen) und metabolische Enzephalopathien. Therapiemaßnahmen umfassen Therapie kognitiver und nichtkognitiver Symptome, Kognitives Training, Beratung der Bezugspersonen. Kontrollierte Studien liegen bislang lediglich zur Behandlung der Demenz bei Alzheimer-Erkrankung mit Cholinesterasehemmern vor. Die Therapie nichtkognitiver Symptome wird empfohlen.
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3
Kognitive Einbußen bei Depressionen ( Pseudodemenz), primäre geistige Behinderung (Oligophrenien), andere organisch bedingte Psychosyndrome (z. B. Delir), kortikale Funktionsstörungen (z. B. Sprache), andersartige neuropsychologische Defizite (z. B. nach multimodaler sensorischer Deprivation).
3
3
3
Differenzialdiagnose
3
Diagnose anhand standadisierter Befunderhebung, z. B. durch Testverfahren ( MinimalMental-State-Test) und Skalen. Prävalenz bei über 65-Jährigen bei 4–8%, bei über 80-Jährigen ca. 20%. 50–60% aller Demenzen werden durch eine Alzheimer Erkrankung verursacht, bei 20– 30% handelt es sich um eine vaskulär assoziierte Demenz, weitere 20–30% sind unterschiedlicher Ätiologie ( Creutzfeld-JakobKrankheit; Demenz, Lewy-Body-Demenz; Enzephalopathie, HIV; Lues cerebrospinalis; Demenz, Huntington-Chorea; Demenz, Parkinson-Syndrom; Paralyse, progressive supranukleäre; Pick-Erkrankung; Hydrocephalus, Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender); Demenz, Intoxikation; Demenz, metabolische Enzephalopathie; Demenz, Endokrinopathie; Vitamin B12-Mangel; Demenz, Leukodystrophie; Thalamus, Demenz; Demenz nach Schädel-Hirn-Trauma; bei MS (Multiple Sklerose); zerebraler Raumforderung). Laboruntersuchungen sollten umfassen:
3
298
empirisch Nicergolin 2×30 mg/die (Sermion®). Nootropikum. NW: Nicht nennenswert.
Demenz. Tab. 2: Potentiell reversible Ursachen einer Demenz Ursache
Anteil (%)
Depression
23,8
Chronische Intoxikation
18,5
Normaldruckhydrocephalus
9,5
3
3
Hypothyreose
6,5
Therapie
Neoplasma
6,5
10% aller Demenzsyndrome beruhen auf gut behandelbaren Erkrankungen (Tab. 2) und sind damit potentiell reversibel, daher gilt es nach Grunderkrankungen zu fahnden und zu behanden. (Keine kritiklose Verordnung von
Subdurales Hämatom
6,0
Alkohol
4,8
Vitamin B12-Mangel
3,0
Andere (z. B. M. Wilson)
21,4
Demenz, Endokrinopathie
299
Demenz. Tab. 3: Therapie nichtkognitiver Symptome bei Demenz (Auswahl) Symptom
Medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie
Paranoides Verhalten
Klärung von Auslösern, Pipamperon 40 mg z. B. (Dipiperon®)
Wahn/Halluzinationen
Atypische Neuroleptika (Risperidon 0,5–2 mg (Risperdal®)
Agressivität
Klärung von Auslösern, Haloperidol 4–5×0,25 mg in Tropfen (Haldol®Janssen), Risperidon 1 mg/die (Risperdal®)
Depressive Symptome
Aktivierung, Paroxetin 10–40 mg/die (Tagonis®), Mianserin 30–90 mg/ die (Mianserin Desitin®)
Störung des Schlaf-Nacht- Tagesstrukturierung, Pipamperon 40 mg z. B. (Dipiperon®); Trazodon 25–100 mg (Thombran®) Rhythmus Oxybutinin 3×5 mg/die (Dridase®), regelmäßige Urin- und Restharnkontrollen
drom zu den Leitsymptomen einer Demenz. Initial besteht eine leichte Störung der Merkfähigkeit, später leichte Altgedächtnisstörungen. Im Verlauf kompletter Verlust der Merkfähigkeit und zunehmende Altgedächtnisstörungen. 3
Piracetam 8–13 g/die (Normabrain®). Nootropikum. NW: Unruhe. Memantine 10–20 mg/die (Axura®) Glutamatmodulator. NW: Unruhe. Siehe auch Nootropika.
3
Inkontinenz
3
Bewertung Bei der Behandlung depressiver Symptome können trizyklische Antidepressiva delirante Zustände hervorrufen und die kognitiven Leistungen verschlechtern, daher sollten selektiv serotoninerge Präparate oder Monoaminooxidasehemmer eingesetzt werden.
Prognose Verkürzte Lebenserwartung der 65–80-Jährigen Demenzkranken (7–8 Jahre nach Auftreten erster kognitiver Einbußen, 4 Jahre nach klinisch gestellter Diagnose); keine Unterschiede in der Überlebenszeit zwischen primär degenerativen und vaskulären Demenzen. Todesursachen meist entzündliche Allgemeinerkrankungen, Schädel-Hirn-Traumen, Mangelernährung, Ersticken durch Fremdkörper. 3
Demenz, Alzheimer
Demenz, Endokrinopathie Einleitung Endokrine Störungen können schleichend zu einer Demenz führen.
Diagnostik Zur Routinediagnostik bei Demenzen ist die Bestimmung der Schilddrüsenparameter, des Serumkalziums und - phosphats sowie bei begründetem Verdacht auf eine inadäquate Parathormonsekretion eine wiederholte Bestimmung des Hormons erforderlich.
Therapie
Alzheimer-Erkrankung
Ätiologiespezifischer Ausgleich der endokrinen Störung.
Demenz, amnestisches Syndrom
Prognose
3
Einleitung Per definitionem gehört ein amnestisches Syn-
Häufig partielle oder vollständige Rückbildung bei suffizienter Behandlung der Grunderkrankung.
D
300
Demenz, Frontallappendemenz
Demenz, Endokrinopathie. Tab. 1: Demenzen bei Endokrinopathien Demenz bei Endokrinopathien
Weitere Symptome
Hypothyreose
Depression, Verlangsamung, wahnhafte und halluzinatorische Symptome
Hyperparathyreoidismus
Nierensteine, Gleiderschmerzen, Knochenresorption (radiologisch), EKG-Veränderungen
Hypoparathyreoidismus
Zerebrale oder tetanische Anfälle, EKG-Veränderungen
Synonyme Demenzen bei frontotemporaler Degeneration
Einleitung Nach anatomischen und histopathologischen Kriterien werden drei Krankheitsbilder unterschieden: * Pick-Erkrankung. * Frontotemporale Degeneration ohne histologische Merkamale der Pick- oder Alzheimer-Erkrankung. * Frontale Degeneration mit Motoneuronenerkankung ( ALS). Nach Autopsieserien wird die Häufigkeit der FLD mit 2–10% angegeben, histopathologisch sind im Frontalund Temporallappen zwei Varianten nachweisbar: * Häufig kortikaler Synapsenverlust mit geringer- bis mittelgradiger astrozytärer Gliose. * Selten Pick-Erkrankung mit ausgeprägter astrozytärer Gliose mit intraneuronalen τimmunoreaktiven Einschlusskörpern und aufgeblähten Nervenzellen (Pick-Körper und Pick-Zellen).
(CCT, kraniales MRT, SPECT, PET). EEG selbst im fortgeschrittenen Stadium meist unauffällig.
Therapie Schwerpunkt liegt nicht in der Behandlung der kognitiven Leistungen, sondern vielmehr in der Stabilisierung der nichtkognitiven Störungen ( Alzheimer-Erkrankung). Strukturierte Tagesprogramme für die Betroffenen und Beratung der Angehörigen haben einen hohen Stellenwert. 3
Demenz, Frontallappendemenz
3
3
Definition Subkortikale Demenz, die sich im Verlauf oder vor der Manifestation einer Huntington-Chorea entwickelt. 3
Nachweis einer frontalen Atrophie, bzw. frontalen Inaktivität in der zerebralen Bildgebung
Demenz, Huntington-Chorea
3
Diagnose
empirisch Alzheimer-Erkrankung 3
3
Bei der frontotemporalen Degeneration ohne histologische Merkmale der Pick-Erkrankung liegen Hinweise für eine autosomale Transmission vor (in ungefähr 50% familiäre Häufung der Erkrankung). Klinisch kennzeichnend ist eine früh einsetzende Veränderung der Persönlichkeit und des sozialen Verhaltens (Enthemmung) mit einer progredienten Aphasie, die einer intellektuellen Leistungsminderung um Jahre voraus geht.
gesichert Keine kontrollierten Studien vorliegend.
Einleitung Meist entwickeln sich die kognitiven Defizite, deren Ausmaß nicht im Zusammenhang mit der Schwere der Bewegungsstörung stehen, im Verlauf der Erkrankung, können aber auch den choreoathetotischen Bewegungsstörungen vorauseilen. Vermutlich sind die kognitiven Defizite Ausdruck einer Störung der Verbindungsbahnen, die den Frontallappen über das Kaudatum mit subkortikalen Strukturen verbinden. Klinisch häufig depressive Verstimmungen, seltener schizophrenieähnliche Bilder und Persönlichkeitsveränderungen mit Antriebsdefizit,
Demenz, Lewy-Body-Demenz
Demenz, Lewy-Body-Demenz Synonyme Lewy-Körper-Demenz, Alzheimer-Demenz Parkinson( Alzheimer-Erkrankung) mit Syndrom, Demenz mit kortikalen Lewy-Körpern, diffuse Lewy-Körper-Erkankung 3
Eine spezifische Therapie der dementiellen Symptome gibt es nicht.
3
Therapie
3
Rückzug, Vernachlässigung des Äußeren, Aspontanität, reduziertem Sprechantrieb, später Zeichen der Enthemmung und der mangelnden Emotionskontrolle.
301
Definition
Demenz, Intoxikation, chronische Einleitung Infolge chronischer Intoxikationen mit Medikamenten und illegalen Drogen kann sich eine Demenz entwickeln. Chronische Überdosierung besonders bei Digitalis-Glykosiden, Sedativa, Hypnotika, Antidepressiva, Neuroleptika, Antihypertensiva, Polychemotherapie und chronischem Alkoholabusus. Außerdem bei langjähriger Exposition (>10 Jahre) von Lösungsmitteln (aromatische und halogenierte Kohlenwasserstoffe) und Metall. 3
Therapie Durch eine ätiologiespezifische Behandlung, bzw. Beendigung der Exposition kommt es zu keiner weiteren Progredienz, z. T. zu einer partiellen oder vollständigen Rückbildung der Demenz.
Mit ca. 15% zweithäufigstes dementielles Syndrom im Alter mit Nachweis von Lewy-Körpern.
Einleitung Lewy-Körper sind intrazytoplasmatische eosinophile Einschlusskörper, die aus veränderten Elementen des neuronalen Zytoskeletts (α-Synuclein) bestehen und in unterschiedlicher Lokalisation bei mehreren Krankheiten vorkommen: * Idiopathische Parkinson-Krankheit: subkortikal. * Reine Lewy-Körper-Krankheit: kortikal ohne Alzheimer-Pathologie. * Diffuse Lewy-Körper-Krankheit: kortikal kombiniert mit Alzheimer-Pathologie. Unklar ist, ob eine Lewy-Körper-Demenz eigenständig aus einer Überlappung parkinsontypischer und alzheimertypischer Pathologie abgegrenzt werden kann.
Diagnostik
Demenz, Leukodystrophie Einleitung Im Rahmen der Leukodystrophien kann es zusätzlich zu den neurologischen Symptomen zur Ausbildung einer Demenz kommen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann (Übersicht in Tab. 1).
Klinisch führend sind: Fluktuationen im kognitiven Befund bis zu Episoden kompletter Verwirrtheit, (optische) Halluzinationen, motorische Parkinson-Symptome mit Sturzneigung, Überempfindlichkeit gegenüber Neuroleptika. Die Spezifität der klinischen Diagnose liegt bei >85%. Im PET bei der diffusen Lewy-KörperKrankheit Stoffwechselminderung über dem gesamten Kortex (im Unterschied zur Alzhei-
Demenz, Leukodystrophie. Tab. 1: Neurologische Symptome bei Leukodystrophie Leukodystrophie
Neurologische Symptome
Krabbe-Erkrankung (Globoidzellenleukodystrophie)
Polyneuropathie, Paresen, Spastik, Erblindung, Schluckstörung
Metachromatische Leukodystrophie
Polyneuropathie, Spastik, Ataxie
Familiäre Leukodystrophie
Spastik
Adrenoleukodystrophie
Spastik, Tetraparese, Dysarthrie
D
302
Demenz, metabolische Enzephalopathie
mer-Erkrankung auch im okzipitalen Assoziationskortex und in der primären Sehrinde).
Prognose Überlebenswahrscheinlichkeit vom Zeitpunkt der ersten klinischen Symptome 2–5 Jahre.
Therapie
Reine Lewy-Körper-Krankheit ist sehr viel seltener als die häufige diffuse Lewy-KörperKrankheit. Früh auftretende Parkinson-Symptome gehören zu den diagnostischen Kriterien einer Lewy-Körper-Demenz, während diese erst im fortgeschrittenen Stadium einer Alzheimer-Demenz erscheinen können.
Durch selektive Schädigung der empfindlichen hippokampalen Neurone können metabolische Störung zu einer Demenz führen, die dem Ausfallsmuster der neuropsychologischen Symptome einer Alzheimer-Demenz ( Alzheimer-Erkrankung) ähneln kann, wobei der akute Beginn mit initialer Bewusstseinsstörung richtungsweisend ist.
Diagnostik Bestimmung der Glukose, Elektrolyte, Leberenzyme, Nierenretentionswerte, ggf. Vitamin B12 und Ammoniak im Serum, gehören in die Routinediagnostik der Demenz.
Therapie Ätiologiespezifische Behandlung der Grunderkrankung.
Demenz, Parkinson-Syndrom Einleitung Angaben zur Prävalenz einer Demenz bei Parkinson-Patienten streuen zwischen 5– 80%, nach DSMIII-R Kriterien 6%. Nach heutiger Auffassung liegen der Demenz drei Ursachen zugrunde: * Massive subkortikale Lewy-Pathologie ( Demenz, Lewy-Body-Demenz) mit kortikalem cholinergen Transmitterdefizit. * Gleichzeitiges Vorhandensein kortikaler alzheimertypischer ( Alzheimer-Erkrankung) morphologischer Veränderungen. 3
3
Bewertung
Einleitung
3
Scheinbar gutes Ansprechen der kognitiven Störungen auf: * Cognex® (Tacrine) 4×40 mg/die. NW: Erhöhung der Leberenzyme, Übelkeit, Erbrechen [2]. * Andere Cholinesterasehemmer Alzheimer-Erkrankung.
Demenz, metabolische Enzephalopathie
3
Die Behandlung der Halluzinationen ist trotz Wirksamkeit wegen der Überempfindlichkeit gegenüber Neuroleptika, die sich in den ersten Wochen oder nach Dosissteigerung entwickelt, sehr schwierig. Depotpräparate vermeiden! Probatorisch einschleichend (für Risperdal scheinbar gute Ergebnisse in Einzelstudien): * Leponex® (Clozapin) 3×50–150 mg/die. Neuroloeptikum. NW: Leuko-, Granulo-, Thrombozytopenie. * Risperdal® (Risperidon) 0,5–2 mg/die. Neuroleptikum. NW: Schlaflosigkeit, Angstzustände, Agitation [1].
1. Stoppe G, Brandt CA, Staedt JM (1999). Behavioural problems associated with dementia: the role of newer antipsychotics. Drugs-Aging 14 (1):41–54. 2. Lebert F, Pasquier F, Souliez L, Petit H (1998). Tacrine efficacy in Lewy-body-dementia. Int-JGeriatr-Psychiatry. 13 (8):516–519.
3
empirisch Die extrapyramidalen Symptome sprechen auf eine Behandlung mit L-Dopa an (bei dieser Behandlung ist eine Verstärkung der psychotischen Symptome möglich!): * Madopar® (L-Dopa und Benserazid) 3× 62,5–125 mg/die. L-Dopa und Dopa-Decarboxylase-Hemmer. NW: Selten Hautreaktionen, äußerst selten hämolytische Anämie, Übelkeit, Erbrechen, Dyskinesien. * Nacom® (L-Dopa und Carbidopa) 3×50– 100 mg/die, L-Dopa und Dopa-Decarboxylase-Hemmer. NW: Selten Hautreaktionen, äußerst selten hämolytische Anämie, Übelkeit, Erbrechen, Dyskinesien.
Literatur
3
Keine klinisch getesteten Studien, die medikamentöse Behandlung umfasst kognitive und vornehmlich nichtkognitive Defizite.
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie
303
Demenz, metabolische Enzephalopathie. Tab. 1: Metabolische Enzephalopathien Metabolische Störung
Mögliche Ursache
Zerebrale Hypoxie/Ischämie
Anämie Kardiopulmonale Insuffizienz Adam-Stokes-Anfälle
Hypoglykämie
Nicht angepasste Diabetesbehandlung Kombinierte endokrine Insuffizienz
Hepatische Enzephalopathie
Akuter Leberausfall Leberumgehungskreislauf bei Zirrhose Porphyrien
Renale Enzephalopathie
Chronische Niereninsuffizienz Enzephalopathie bei chronischer Dialyse
3
3
Differenzialdiagnose Zur Abgrenzung gegenüber der AlzheimerErkrankung dienen das typische neurologische Bild des Parkinson-Syndromes sowie die erst lange nach den motorischen Störungen auftretenden kognitiven Defizite. 3
3
Prophylaxe Unbekannt.
Demenz, subkortikale Einleitung Je nach den führenden psychopathologischen Symptomen und den neuropathologischen Veränderungen lassen sich die primär degenerativen Hirnerkrankungen in drei Demenzformen (kortikal, subkortikal, frontal) unterscheiden, wobei Überschneidungsformen möglich sind:
Therapie Alzheimer-Erkrankung, lär assoziierte. 3
Klinisch imponiert eine subkortikal-frontale Demenz ( Demenz, subkortikale), führend ist eine verminderte Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung (Bradyphrenie). Außerdem Störungen der Wortflüssigkeit, des planenden und problemlösenden Denken.
3
Diffuse Lewy-Körper-Pathologie
Demenz,
3
*
D
vasku-
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie Synonyme
Therapie
M. Binswanger
Ob eine medikamentöse Beeinflussung der kognitiven Defizite möglich ist, bleibt unklar.
Definition
Pathologische Grundlage der sukortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie (SAE), als wichtigster Form der vaskulär assoziierten Demenz, ist die Leukoaraiose (diffuse zerebrale Demyelinisierung der weißen Substanz und multiple lakunäre Infarkte auf dem Boden einer progredienten Arteriosklerose bzw. Lipohyalinose der langen Marklagerpenetrierenden Gefäße Mikroangiopathie). Ob auch arterioarterielle Embolien vorgeschalte3
3
3
3
Die Demenz bei Parkinson-Patienten ist nicht immer progredient, wobei aufgrund der Bradyphrenie eine differenzierte Erfassung schwierig sein kann.
Einleitung 3
Prognose
3
Nicergolin 2×30 mg/die (Sermion®). Nootropikum. NW: Nicht nennenswert. Piracetam 8–13 g/die (Normabrain®). Nootropikum. NW: Unruhe.
subkortikale Demenz auf dem Leukoaraiose.
3
empirisch
Progrediente Boden einer
304
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie
Demenz, subkortikale. Tab. 1: Differenzialdiagnose der kortikalen und subkortikalen Demenz Demenzform
Klinische Merkmale
Kortikale Demenz (z. B. Demenz bei Alzheimer- Störung von Sprache, Gedächtnis, Denken, PraErkrankung) xie, räumlicher Leistungen bei geringen Veränderungen der Persönlichkeit Subkortikale Demenz (z. B. Demenz, SAE, Demenz, Huntington-Chorea, Demenz, Parkinson-Syndrom, Progressive supranukleäre Paralyse)
Verlangsamung des psychischen Tempos, Beeinträchtigung der motorischen Handlungsplanung, Unaufmerksamkeit, geringe Gedächtnisstörung
Frontale Demenz (z. B. Pick-Erkrankung)
Wandel der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens, des planenden und organisierenden Denkens bei gut erhaltenem Gedächtnis, Orientierung und räumlichen Leistungen
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie. Tab. 1: Klinische Symptome bei „white matter lesions“ Bereiche
Störungen
Neurologische Symptome: Posturale Kontrolle
Posturale Reflexe und Drehung um die eigene Achse gestört, bei besserer Ganginitiierung und Lokomotion
Motorische Funktion
Leichte Hyperreflexie und manchmal leichte Spastik, mit positivem Babinski, gelegentlich Primitivreflexe
Komplexe Bewegungsstörungen
Leichter Tremor, Asterixis, Dystonie
Blasen-Mastdarm-Funktion
Oft Kontrollverlust mit Inkontinenz
Pseudobulbärsymptomatik
Dysarthrie, Dysphagie, Fazialisschwäche und affektive Inkontinenz bei fortgeschrittenen Stadien
Visuelle Raumkontrolle
Leicht gestört
Rechts-Links-Interaktion
Leicht gestört
Psychische und neuropsychologische Funktionen: Frontale Funktionen, kognitive Flexibilität
Eingeschränkt, dabei ist v.a. das Tempo kognitiver Verarbeitungsprozesse reduziert
Persönlichkeit
Apathie, Abulie
Affekt
Depression, emotionale Labilität (Inkontinenz)
Orientierung
Fluktuierende Desorientierung, besonders bei zunehmender Progression der Erkrankung
Aufmerksamkeit
Leicht reduziert, reduzierte Antwort auf neue Informationen, Einschränkung der Interessenfelder
Gedächtnis
Der spontane „recall“ ist besonders eingeschränkt, während das Wiedererkennen oft besser erhalten ist
Höhere kortikale Funktion
Gelegentlich leichte bukkofaziale- und Blickdyspraxie. Rechnen, Sprache und Lesen sind häufig lange erhalten. Nur sehr selten Störung von Sprachverständnis und Sprachwiederholung
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie
Für die Differenzialdiagnose werden mehrere Formen der Demenz, modifiziert nach Brunn, unterschieden. Seltene Ursachen sind zerebrale Vaskulitis und Amyloidangiopathie.
Therapie Präventive Maßnahmen richten sich gegen die Risikofaktoren des ischämischen Schlaganfalles ( Hirninfarkt, akuter (Schlaganfall)), insbesondere bei Behandlung der arteriellen Hypertonie konnte die Inzidenz einer Demenz um 50% gesenkt werden [1]. Bei bekannter Wirksamkeit der Thrombozytenaggregationshemmer scheint eine medikamentöse Behandlung sinnvoll. Demenzsymptome auf dem Boden zerebrovaskulärer Symptome sind nicht reversibel. Die Therapie beinhaltet: Prophylaxe wie eben erwähnt, Pharmakotherapie kognitiver und nichtkognitiver Symptome, kognitives Training, Beratung der Bezugspersonen. 3
gesichert Kontrollierte Studien liegen nicht vor.
Behandlung kognitiver Störungen: Galantamin ist auch bei vaskulärer Demenz wirksam ( Alzheimer-Erkrankung). * Gingko biloba 120 mg/die (Tebonin® forte). Möglicherweise Radikalfäger. NW: Nicht nennenswert. * Nicergolin 2×30 mg/die (Sermion®). Nootropikum. NW: Nicht nennenswert. * Piracetam 8–13 g/die (Normabrain®). Nootropikum. NW: Unruhe. * Memantine 0–20 mg/die (Axura®). Glutamatmodulator. NW: Unruhe, Schwindel. * Pentoxifyllin 1200 mg/die (Trental®) Nicotinsäurederivat. NW: Flush, Herzrhythmusstörungen. * Nimodipin 90 mg/die (Nimotop®). Kalziumkanalblocker. NW: Übelkeit, Schwindel, Herzrhythmusstörungen. *
Behandlung nichtkognitiver Störungen, heimer-Erkrankung.
3
3
Diagnostik
empirisch
3
ter Gefäße ( Makroangiopathie) oder hämodynamische Prozesse eine Rolle spielen, ist bislang unklar. Klinisch imponieren eine progediente subkortikale Demenz, eine apraktische Gangstörung und Harninkontinenz.
305
Alz-
Nachsorge Im Vordergrund steht die Vermeidung weiterer zerebraler Ischämien.
Prognose Bei Patienten mit multiplen Infarkten kann eine konsequente Behandlung der arteriellen Hypertonie in Kombination mit einem Thrombozytenaggregationshemmer bei 67% der behandelten Fälle zu einem Sistieren oder zu einer Verbesserung der kognitiven Defizite führen, sodass die Prognose günstiger als bei der AlzheimerErkrankung ist.
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie. Tab. 2: Kriterien der NINDS-AIREN (National Institute of Neurological Disorders and Stroke, Association Internationale pour la Recherche et `Enseignement en Neurosciences) Merkmal
NINDS-AIREN
Demenz
ICD-10
Zerebrovaskuläre Krankheit
Fokale neurologische Zeichen oder Symptome und Nachweis ischämischer Läsionen in Bildgebung
Kausale Beziehung
Alternativ: Beginn der Demenz innerhalb von 3 Monaten nach Schlaganfall oder Akute kognitive Verschlechterung oder Fluktuierendes bzw. progredientes Fortschreiten der Demenz
Diagnose gestützt durch
Gangstörung, Stürze, Harninkontinenz, Affektlabilität, psychomotorische Verlangsamung
D
Subkortikale Demenz Marklagerschäden Subkortikale Demyelinisierung, inkomplette In- Hypoperfusion im Versorgungsgebiet farzierung, Erweiterung der Virchow-Robinlanger penetrierender MarklagerarterRäume iolen
Rekurrente Hypotonie, Hypertonie
Lokalisationsabhängig, (z. B.Thalamus, Demenz) Bilaterale Infarkte im Gyrus angularis, basalem Mikroangiopathie Vorderhirn, Hippocampus, Thalamus Strategische Infarkte
Kortikale Demenz Thrombembolische Verschlüsse (Mak- Hypertonie, Nikotinroangiopathie/ abusus, Diabetes Mikroangiopathie) mellitus
Klinik
Kortikale Territorialinfarkte, subkortikale lakunäre Infarkte Multiple Infarkte
Persistierende Störungen des Gedächtnis, Vigilanzminderung und Schlafneigung bei bilateralen, symmetrischen medialen Thalamusinfarkten.
Einleitung Gewöhnlicherweise entspringen die beiden Aa. thalamoperforantes posteriores dem präkommunikalen (P1-)Segment der A. cerebri posterior. Liegt eine Gefäßvariante mit Ursprung beider Arterien aus einer gemeinsamen A. communicans basiliaris aus dem Basiliariskopf vor, kann es bei einem Verschluss der A. communicans basilaris zu bilateralen, symmetrischen medialen Thalamusinfarkten kommen, die sich klinisch durch eine möglicherweise über Wochen andauernde Vigilanzminderung mit Schlafneigung und persistierenden Gedächtnisstörungen manifestieren ( „top of the basilar“Syndrom).
Therapie Behandlung der Grunderkrankung, z. B. silaristhrombose.
Ba-
Demenz, traumatische Einleitung Schädel-Hirn-Traumen können die zerebrale Funktionsfähigkeit beeinträchtigen und zu einer Demenz führen. Weiterhin ist bekannt, dass Schädel-Hirn-Traumen ein Risikofaktor bezüglich einer Alzheimer-Erkrankung sind. 3
Risikofaktoren
Definition
3
Ätiologie
Demenz, Thalamus-Demenz
3
Pathologie
1. Forette F; Seux ML; Staessen JA; Thijs L; Birkenhäger WH; Babarskiene MR; Babeanu S; Bossini A; Gil Extremera B; Girerd X; Laks T; Lilov E; Moisseyev V; Tuomilehto J; Vanhanen H; Webster J; Yodfat Y; Fagard R (1998). Prevention of dementia in randomised doubleblind placebo-controlled Systolic Hypertension in Europe (Syst-Eur) trial. Lancet Oct; 352:9137,1347–1351.
3
Läsion
Literatur
3
Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie. Tab. 3: Formen der Demenz bei zerebrovaskulären Krankheiten, modifiziert nach Brunn 1994
Demenz, Thalamus-Demenz
3
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Dermatomyositis
307
Prognose
Demenz, vaskulär assoziiert Synonyme Demenz bei zerebrovaskulären Krankheiten
Bei rechtzeitiger Diagnostik und suffizienter Substitutionsbehandlung ist eine Progredienz zu stoppen und sogar eine z. T. vollständige Rückbildung der Demenz möglich.
3
Definition Kognitive Einschränkungen auf dem Boden zerebrovaskulärer Erkrankungen.
D Denervierungsoperation
Einleitung
Definition
Die vaskuläre Demenz (mit 20–40% aller Demenzen) bezeichnet kein ätiologisch einheitliches Krankheitsbild, unterschieden wird nach ätiopathogenetischen, psychopathologischen und den zeitlichen Verlauf der dementiellen Entwicklung betreffenden Kriterien. Die einzige Gemeinsamkeit besteht in der Verursachung durch eine gestörte zerebrale Durchblutung. Gemeint wird im Allgemeinen die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie ( Demenz, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie).
Operative selektive Denervierung betroffener Muskeln bei fokalen Dystonien.
3
Demenz, Vitamin B12-Mangel
Grundlagen Bei botulinumtoxinrefraktärer zervikaler Dystonie ist bei ausgesuchten Patienten eine selektive Denervierung nach Bertrand zu diskutieren. Die Erfolgsquote ist niedrig. Selektive Durchtrennungen von Fazialisästen beim Blepharospasmus werden heute praktisch nicht mehr durchgeführt. Obsolet auch bei Behandlung von Schmerzsyndromen.
Denken
Einleitung
Definition
Die Demenz kann bei einem Vitamin B12-Mangel das einzig vorherrschende Symptom sein, weitere Zeichen (makrozytäre Anämie, funikuläre Myelose) können zum Manifestationszeitpunkt der Demenz (noch) fehlen. Demenzen können sich außerdem auf dem Boden von Ernährungsstörungen und Mangelsyndromen (chronischer Alkoholabusus), vor allem Vitamin B6, - B1 und Folsäure entwickeln.
Psychische Fahigkeit bzw. Tätigkeit, sich mit der Menge aus der Wahrnehmung gewonnenen oder durch Sprache vermittelten Informationen über Wirklichkeiten auseinanderzusetzen. 3
Grundlagen Unterschieden werden formale (in Bezug auf Geschwindigkeit, Ablauf oder logische Struktur) und inhaltliche (Urteilsstörungen bis hin zum Wahn und Zwang) Denkstörungen.
3
Diagnose Bestimmung der relevanten Vitamin-Serumspiegel gehört zur Routine in der Diagnostik der Demenzen ( Myelose, funikuläre).
Denshochstand
3
Therapie
Definition
Myelose, funikuläre Substitutionsbehandlung mit Vitamin B-Komplex, ausgewogene Ernährung.
Überragen der Densspitze über die Chamberlain-Linie bei der basilären Impression. 3
Dermatomyositis 3
3
empirisch Vitamin B-Komplex Forte ratiopharm® 3×1/ die. Polybion Forte® 3×1/die.
Myositis, Dermatomyositis
308
Dermoid/-zyste
Dermoid/-zyste
Desmopressin
Synonyme
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Desmogalen® Spray; Desmopressin 0,1 mg Tbl.; Minirin® 0,2 mg Tbl., Nasenspray; Rhinyle®, - parenteral; Nocutil® 0,1 mg Nasenspray, Octostim® Dosierspray.
Dermoidtumor
Definition Dermoidzysten und Epidermoidzysten sind Missbildungstumoren, die von versprengten Keimzellen der Epidermis ausgehen, wobei in die „wachsende“, raumfordernden Zyste cholesterin- und fettsäurereiche Flüssigkeit sezerniert wird. Die pathologische Unterscheidung von Dermoid- und Epidermoidzyste besitzt nur terminologische Bedeutung, da beim Epidermoid die Zystenkapsel den Aufbau der Epidermis zeigt, während das Dermoid zusätzlich Anteile der Subkutis aufweist. 3
3
Einleitung Epidermoide und Dermoide können zerebral, und selten spinal (intramedullär und intradural, extramedullär auftreten). Es sind histologisch gutartige Läsionen, die überwiegend im Kindesalter und jugendlichen Erwachsenenalter auftreten. Zerebrale Dermoide finden sich im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels, in der Pinealis- oder in der Sellaregion, seltener in den Ventrikeln oder in anderen zerebralen Strukturen. Der Zysteninhalt kann eine umschriebene Entzündungsreaktion auslösen. 3
Diagnostik In der T1- und T2-Wichtung des MRTs ist der liquorisointense Anteil der Zyste mitunter nicht vom soliden Anteil zu differenzieren. In der diffusionsgewichteten MRT (DW-MRI) gelingt der Nachweis des soliden Tumoranteiles jedoch zuverlässig, sodass sich das DW-MRI sehr gut zur initialen Diagnosestellung und zur Verlaufskontrolle nach Resektion eignet.
Therapie
Wirkungen Desmopressin ist ein synthetisches Analogon zum natürlichen, antidiuretischen Hormon Adiuretin (ADH bzw. L-Arginin-Vasopressin, AVP). Es unterscheidet sich von diesem durch die Entfernung der Aminogruppe des Cysteins in Position 1 und den Austausch von L-Arginin durch D-Arginin. Die antidiuretische Wirkung von Desmopressin ist 10fach stärker als die von Adiuretin, während die pressorische Wirkung als Folge einer Vasokonstriktion deutlich vermindert ist. Desmopressin induziert vorübergehend im Blut die Freisetzung von Faktor VIII und des von-Willebrand-Faktors aus den Endothelzellen der Blutgefäße.
Wirkungsverlauf Die Bioverfügbarkeit nach intranasaler Applikation beträgt 6–12%, die Plasmahalbwertzeit 2–4 h und die antidiuretische Wirkungsdauer variiert zwischen 6 und 26 h.
Anwendungsgebiete Diagnostisch findet Desmopressin zur Bestimmung der Nierenkonzentrationsfähigkeit und zur Differenzialdiagnose des Diabetes insipidus Anwendung. Therapeutisch wird Desmopressin hauptsächlich als Antidiuretikum bei zentral bedingtem Diabetes insipidus sowie zentral traumatisch bedingter Polyurie und Polydipsie eingesetzt.
Desobliteration, Karotis
Die Läsionen werden, wenn möglich, operativ reseziert. Rezidive sind häufig.
Synonyme
Nachsorge
Definition
In den ersten Jahren nach Operation sind regelmäßige klinische und kernspintomographische Verlaufskontrollen nötig.
Rekanalisierung der A. carotis interna durch Thrombendarteriektomie (TEA) mit Erweiterung durch Patchplastik oder Angioplastie.
Karotisrekanalisierung
Detrusorareflexie
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie Synonyme DSD
Definition Kombination von Harnentleerungs- und –speicherstörung durch Schädigung aszendierender und deszendierender Rückenmarksbahnen auf zervikalem oder thorakalem Niveau.
Einleitung Die DSD ist die häufigste Ursache einer Blasenstörung bei Patienten mit fortgeschrittener MS (Multiple Sklerose) sowie nach traumatischen Rückenmarksläsionen (nach der Phase des spinalen Schocks). Leitsymptom ist eine gestörte Miktion mit unwillkürlichen Unterbrechungen und Abschwächungen des Harnstrahles, sog. Stakkatomiktion. Bei gering ausgeprägter DSD kann eine erschwerte Miktionseinleitung einziges Symptom sein. Die Restharnmengen sind meist leicht bis mäßig erhöht. 3
Diagnostik Wesentlich sind neben der klinischen Untersuchung die Nierensonographie und Restharnbestimmungen. Beim Fehlen morphologischer Veränderungen des oberen Harntraktes und rezidivierender fieberhafter Harnwegsinfekte (= unkomplizierte DSD) sind diese Untersuchungen im allgemeinen ausreichend, ansonsten oder bei Patienten mit vorausgegangener Querschnittläsion ist eine erweiterte urodynamische Diagnostik erforderlich, mögliche Komplikationen erfordern eine Kooperation mit dem Urologen.
Therapie Bei MS-Patienten mit unkomplizierter DSD können Restharnmengen von 100–200 ml toleriert werden. Vor allem bei weiblichen Patienten können einfache Maßnahmen wie längere Verweildauer auf der Toilette, Vermeidung
von Obstipation oder suprapubisches Beklopfen zu ausreichender Blasenentleerung und Besserung der Drangsymptomatik führen. Bei Patienten mit Querschnittläsionen ist in bis zu 30% durch suprapubisches Beklopfen eine ausreichende Blasenentleerung zu erzielen. Bei infravesikaler Abflussbehinderung (Sphinkterspastik) besteht die Möglichkeit der Stentimplantation, der transurethralen Sphinkterspaltung (häufig danach Inkontinenz) oder der medikamentösen Denervierung durch lokale Injektion von Botulinumtoxin. Bei Restharnmengen über 100 ml sollte mit einem intermittierenden (Selbst-) Katheterismus begonnen werden; dabei sollten die Intervalle so gewählt werden, dass die jeweils abgelassenen Urinmengen 400–500 ml nicht übersteigen. Ist ein intermittierender Katheterismus nicht durchführbar, ist der suprapubischen der Vorzug vor der transurethralen Dauerableitung zu geben. Eine häufig begleitende Detrusorhyperreflexie ist medikamentös durch Gabe von Oxybutyninhydrochlorid (2 ×2,5 mg– 4×5 mg/d, z. B. Dridase®) zu therapieren. Eine Alternative für Patienten mit dauerhaftem neurologischen Defizit stellt die funktionelle Elektrostimulation der Sakralwurzeln nach vorheriger Hinterwurzeldurchtrennung S2–S4 (speziellen Zentren vorbehalten) dar, wobei ein Verlust von Reflexerektionen berücksichtigt werden muss. 3
Gesicherte Indikation für die TEA bei symptomatischen Stenosen der A. carotis interna >70%. Bezüglich Angioplastie derzeit laufende Studien (u. a. CREST).
3
Grundlagen
309
Detrusorareflexie Definition Primäre Blasenlähmung, meist durch Rückenmarkschädigungen in Höhe des Lumbosakralmarks oder der Kaudaregion oder durch suprasakrale spinale Querschnittläsionen in der Akutphase.
Diagnostik Klinisch zeigen sich ein reduzierter Harndrang, erschwerter Miktionsbeginn mit Einsatz der Bauchpresse oder ein Harnverhalt mit Überlaufblase, seltener ein akuter schmerzhafter Harnverhalt ohne Inkontinenz. Eine neurogene Stressinkontinenz kann auftreten, wenn Pudendusefferenzen geschädigt sind. Vorkommen bei Trauma, Bandscheibenvorfall, Tumoren, seltener angeborene lumbosakrale Fehlbildungen,
D
310
Detrusorhyperreflexie
spinale Durafisteln oder sakrale Myeloradikulitiden. Hohe Blasenvolumina und Restharnmengen sind typisch. Diagnostisch sollten neben der klinisch-neurourologischen Untersuchung immer eine Restharn- und Nierensonographie durchgeführt werden. Nach tiefen traumatischen Querschnittläsionen ist eine Druck-Flow-EMG-Ableitung erforderlich, um eine verminderte Blasendehnbarkeit (low-compliance-Blase, insbesondere bei Läsionen im Konus-Kauda-Bereich) zu erkennen.
Therapie empirisch Therapie der Wahl ist der intermittierende Selbstkatheterismus (notwendig bei Restharnvolumina über 100 ml). Bei low-complianceBlase ist zusätzlich die Gabe von Oxybutinin (2×2,5 mg–4×5 mg/d, z. B. Dridase®) zur Blasendämpfung indiziert. Bei gravierender Stressinkontinenz können bei Frauen Sympathomimetika (z. B. Midodrin 3×2,5–3×10 mg/d, z. B. Gutron®) oder anticholinerge Trizyklika (z. B Imipramin, 25–150 mg/d, z. B. Tofranil®) versucht werden, bei Männern kann ein Urinal Abhilfe schaffen. Im Einzelfall kann die Implantation eines artifiziellen Sphinkters sinnvoll sein. unwirksam/obsolet Vom manuellen Ausdrücken der Harnblase (Crédé-Manöver) ist abzuraten, da hierdurch ein Reflux gebahnt werden kann.
einer eventuellen asymptomatischen Restharnbildung erforderlich.
Therapie empirisch Symptomatische Therapie der Wahl ist die Gabe von Oxybutinin (2×2,5 mg bis 4 x 5 mg/d, z. B. Dridase®), das einen hemmenden Effekt auf den Detrusor ausübt. Falls Oxybutinin unzureichend oder nicht wirksam ist, ist der Einsatz von Trizyklika (Imipramin, 25–150 mg/ d, z. B. Tofranil®) indiziert. Während der medikamentösen Therapie sind engmaschige sonographische Restharnmessungen erforderlich; Übersteigt die Restharnmenge 100 ml, ist ein intermittierender Selbstkatheterismus indiziert. Ist eine pharmakologische Therapie nicht möglich, kann bei Männern ein Kondomkatheter oder Urinal hilfreich sein. Bei Frauen kann, wenn Vorlagen oder Windeln nicht akzeptiert werden, im Einzelfall die Anlage eines sakralen Neuromodulators sinnvoll sein, wobei bedacht werden sollte, dass gerade bei MS-Patienten die Detrusorhyperreflexie spontan oder nach Kortikosteroidtherapie eine Restitution erfahren kann. Als Ultima Ratio bleiben, insbesondere bei schwieriger pflegerischer Situation, die Anlage einer suprapubischen Blasenfistel oder eines transurethralen Verweilkatheters.
Devaskularisation, präoperative Definition
3
Leitsymptome sind Pollakisurie, Nykturie, imperativer Harndrang und Dranginkontinenz. Die Miktion ist restharnfrei. Bei Patienten mit MS (Multipler Sklerose) tritt bei bis zu 80% im Krankheitsverlauf eine Detrusorhyperreflexie auf. Diagnostisch ist neben der klinischen Untersuchung eine Restharnsonografie zur Aufdeckung
Unter Verwendung von Polyvenylalkoholpartikeln und Ballonokklusion ( Ballon, Okklusion) bietet sich diese Maßnahme bei gefäßreichen Tumoren im Versorgungsgebiet der Arteria carotis externa (Kalottenmetastasen, Meningeome, Nasenrachenfibrome, Glomus-jugulare-Tumoren) sowie bei Wirbelkörpermetastasen (insbesondere von Hypernephromen und Schilddrüsenkarzinomen), zerebralen Angiomen und zerebralen und spinalen Durafisteln an. Der Abstand bis zum geplanten operativen Ein3
Diagnostik
Grundlagen
3
Isolierte Störung der Harnspeicherfunktion der Blase bei partiellen spinalen oder suprapontinen Läsionen.
3
Definition
3
Detrusorhyperreflexie
Gefäßverschließende Behandlungsmethode der interventionellen Neuroradiologie vor geplanter operativer Behandlung vor allem bei gefäßreichen Tumoren und Gefäßmißbildungen.
3
Dexamethason
griff sollte nicht länger als 3–5 Tage betragen, da die embolisierten Gefäße rekanalisiert werden können. Komplikationsmöglichkeiten bei Eingriffen im Arteria-carotis-externa-Versorgungsgebiet bestehen aufgrund zahlreicher Anastomosen zum Versorgungsgebiet der Arteria carotis interna und zum Versorgungsgebiet des hinteren Hirnkreislaufes, in die das Embolisat durch wechselnde periinterventionelle Druckverhältnisse nach intrazerebral gelangen kann. Der Patient muss über die Risiken von möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt werden (zerebrale Ischämie, Hirnnervenlähmungen, Kopfschmerzen). Präinterventionell sollte eine zerbrale Bildgebung vorliegen (Kontrastmittel-CT, besser MRT). 3
Dexamethason Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Dexa 4/8/40/100 mg inject JENAPHARM® Dexa ratiopharm® 4/8/40/100 mg Inj.lösg. Fortecortin® 0,5/1,5/4/8 mg Tbl.; - Inject 4/8/ 40/100 mg Inj.lösg.
Wirkungen Dexamethason ist ein hochpotentes fluoriertes Glukokortikoid. Seine starke Wirkung beruht auf einer im Vergleich zu Hydrocortison etwa 10fach stärkeren Bindung an den intrazellulären Glukokortikoidrezeptor. Demgegenüber hat Dexamethason keine Affinität zum Mineralokortikoidrezpetor, so dass es keinen Einfluss auf die Natriumresorption aufweist. Die antiinflammatorische Wirkung beruht auf einer Hemmung der Funktionen entzündungsrelevanter Zellen wie z. B. Leukozyten und Monozyten (Inhibition der Phagozytosekapazität, verminderte Chemotaxis und Adhäsion). Glukokortikoide hemmen die Synthese und Freisetzung einer Vielzahl von Entzüngungsmediatoren: Cytokine wie Interleukin 1, Interleukin 6 oder Tumor-Nekrose-Faktor, Stickstoffmonoxid, Arachidonsäuremetaboliten wie Prostaglandine oder Leukotriene sowie lysosomale Enzyme u. a. Bei der immunsuppressiven Wirkung stehen die Effekte auf T-Lymphocyten, z. B. die reduzierte Freisetzung von Interleukin 2, im Vordergrund. Wie auch bei anderen peripheren Zellen kommt es zu einer Umverteilung von
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Lymphozyten im Organismus. Die beobachtete Abnahme in der Peripherie beruht beim Menschen nicht auf einer Zytolyse. Darüber hinaus werden eine Vielzahl weiterer Zellarten wie Fibroblasten, Keratinozyten, Chondrozyten, Mastzellen u. a. direkt oder indirekt beeinflusst. Metabolisch führen Glukokortikoide zu dem sogenannten Cushing-Syndrom, das vor allem durch Veränderungen im Kohlenhydrat- und Lipidmetabolismus sowie durch Osteoporose und Myopathie gekennzeichnet ist. Durch hohe exogene Glukokortikoidzufuhr wird der adrenale Regelkreis (Hypothalamus-HypophyseNebennierenrinde) gestört, so dass es zu einer Nebennierenrindeninsuffizienz kommen kann. Dexamethason unterdrückt bereits in geringen Konzentrationen die endogene Hydrocortisonsekretion. Bereits 0,5 mg, am Morgen verabreicht, führen zu einer starken Suppression nach 10 h, nach 24 h werden wieder Normalspiegel oder leicht reduzierte Spiegel (25%) erreicht. Abends verabreicht, hält die Suppression bedingt durch die zirkadiane Rhythmik der endogenen Hydrocortisonsekretion auch nach 24 h noch an. Die Suppression ist zwischen 0,5 und 1,5 mg dosisunabhängig, während die Erholungsphase dosisabhängig ist. Im Verlauf von 48 h werden nach einmaliger Gabe in allen Fällen wieder normale Hydrocortisonspiegel erreicht. Bei sehr hohen lokalen Konzentrationen kann es auch zu unspezifischen Effekten kommen. Bedingt durch seine chemische Struktur wird Dexamethason wie z. B. Cholesterol in Zellmembranen eingelagert und kann so kurzfristig den Zellmetabolismus beeinflussen.
Resorption Dexamethason wird aus dem Gastrointestinaltrakt vollständig resorbiert. Nach peroraler Applikation werden die maximalen Plasmaspiegel nach 1,5–2 h erreicht.
Elimination Die Eliminationshalbwertzeit wurde in verschiedenen Untersuchungen zwischen 200 und 300 min bestimmt. Die Clearance nimmt dosisabhängig zu. Als mittlere Clearancerate wurden bei 20 mg i. v. 4 l/kg/d bestimmt bzw. 170– 245 ml/min bei 0,5–12 mg Dexamethason.
Anwendungsgebiete Prinzipiell lässt sich Dexamethason zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten ein-
D
312
Diabetes insipidus
setzen wie z. B. bei rheumatischen oder Systemkrankheiten. Wegen seiner starken Wirkung auf den adrenalen Regelkreis sollte Dexamethason aber nur kurzfristig eingesetzt werden, vor allem beim tumorbedingten Hirnödem. Das entzündliche Infiltrat der bakteriellen Meningitis wird durch kurzfristige Gabe von Dexamethason bei Beginn der Antibiose positiv beeinflusst.
Dosierung und Art der Anwendung Dexamethason wird in verschiedenen Konzentrationen als Injektionslösung, als Kristallsuspension, in Tablettenform, als Lösung (Augentropfen), als Salbe oder als Dosiseraerosol von verschiedenen Herstellern angeboten. Bezogen auf 5 mg Prednison hat Dexamethason eine Äquivalenzdosis von 0,75. Für i. v., i. m. oder i. a. Injektionen werden hauptsächlich die schnell hydrolysierbaren wasserlöslichen Phosphatester des Dexamethasons angewendet. Die Dosis liegt je nach Krankheitsbild bei 0,5– 20 mg.
entsprschend therapiert werden: Ulcus ventriculi oder Ulcus duodeni, akute oder chronische bakterielle Infektionen, systemische Mykosen, hochgradiger Blutdruck, schwerer Diabetes mellitus, Osteoporose, psychiatrische Erscheinungen, Glaukom, erniedrigter Blutalbumingehalt. Bei der Behandlung von Kindern muss der mögliche Einfluss auf das Knochenwachstum berücksichtigt werden. Während der Schwangerschaft und Stillzeit sollten Glukokortikoide nur unter strenger Indikationsstellung eingesetzt werden.
Wechselwirkungen Durch Diphenylhydantoin, Rifampicin und besonders Phenobarbital kann die hepatische Plasmaclearance erhöht werden. Weitere Interferenzen kann es geben mit: Herzglykosiden (Wirkung durch Kaliummangel verstärkt), Saluretika (erhöhte Kaliumausscheidung), peroralen Antidiabetika (Blutzuckersenkung vermindert) und nichtsteroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika (erhöhte gastrointestinale Blutungsgefahr).
Unerwünschte Wirkungen Dexamethason zeigt die für Glukokortikoide typischen unerwünschten Wirkungen: Hypertonieentwicklung, Kapillarfragilität; Thromboseneigung; herabgesetzte Infektabwehr; Magenbeschwerden und Ulcusneigung; Verschlechterung einer diabetischen Stoffwechsellage; Kaliumverlust; verzögerte Wundheilung, SteroidOsteopathie, Osteroporose. Cushing-Syndrom: Dexamethason zeigt eine besonders starke und lang anhaltende Hemmwirkung auf den Hypophysenvorderlappen, so dass es zu einer Hemmung der endogenen Hydrocortisonsynthese und weitergehend zu Nebennierenrindenatrophie und sekundärer Nebennierenrindeninsuffizienz kommt. Es eignet sich deshalb nicht für längerfristige Therapie. Die sogenannte Cushing-Schwellendosis liegt für Dexamethason bei 1,5–2 mg (Kinder: 0,4 mg; Frauen: 1,0– 1,3 mg; Männer: 1,3–1,8 mg). Dexamethason hat relativ starke psychotrope Wirkungen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Für die längerfristige Anwendung sind wie bei allen Glukokortikoiden akute Virusinfektionen, HBsAg-positive chronische aktive Hepatitis und Parasitosen Kontraindikationen. Eine Reihe von Krankheiten werden von der Glukokortikoidtherapie beeinflusst und müssen
Diabetes insipidus Definition Störung der Diurese mit verminderter Wassereabsorption in den Sammelrohren der Niere.
Einleitung Man unterscheidet den zentralen (Diabetes insipidus centralis oder neurohormonalis) vom renalen (Diabetes insipidus renalis) Diabetes insipidus. Der zentrale Diabetes insipidus ist auf eine fehlende oder ungenügende Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH) zurückzuführen. Diese kann verschiedene Ursachen haben: * Selten autosomal-dominant erblich. * Idiopathisch (30%). * Hirntumore (30%). * Schädel-Hirn-Traumata (20%). * Histiozytose und Sarkoidose (5%). * Vorübergehend postoperativ nach Verletzungen des Hypophysenstiels (11%). * Entzündliche Erkrankungen des Hypophysenstiels. * Postenzephalitisch.
3,4-Diaminopyridin, 4-Aminopyridin *
Andere Ursachen einhergehend mit Hypopituitarismus.
Beim renalen Diabetes insipidus sprechen die Nieren auf die vorhandene ADH-Stimulation nicht an. Ursachen sollen Intoxikationen und ein autosomal-rezessiv vererbtes Leiden sein. Beide Formen führen zu: hypertoner Dehydratation (Serum-Na erhöht, Serum-Osmolarität erhöht), Polydipsie, Polyurie (>3 l/d) mit verminderter Urin-Osmolarität (<150 mosm/l) und erniedrigtem spezifischen Uringewicht (1,001– 1,00 kg/l) und einer fehlenden Fähigkeit, den Urin zu konzentrieren (normal >800 mosm/l) bei im Durstversuch gleichbleibend hoher Urinausscheidung (>3 ml/h). Klinisch äußern sich beide Formen neben der Polydipsie und ständigem Durst durch Übelkeit, Erbrechen, Fieber und Vigilanzstörungen. Diagnostiziert werden beide Formen durch den Durstversuch. Zur Unterscheidung der beiden Formen wird ADH (5 IU) appliziert. Tritt danach keine Zunahme der Urinosmolarität von mindestens 50% ein, so liegt ein renaler Diabetes insipidus vor.
Differenzialdiagnose * * *
* * *
Diabetes mellitus. Psychogene Polydipsie. Medikamente: V. a. Diuretika, besonders bei Überdosierung, Chlorpromazin, Lithium und verschiedene Anticholinergika und Narkotika. Polyurische Phase bei chronischer Niereninsuffizienz. Primärer Aldosteronismus. Hyperkalzämie, z. B. Hyperparathyreoidismus.
Therapie Die akute Therapie erfolgt durch Flüssigkeitszufuhr (5%ige Glukoselösung) und Gabe von Desmopressin oder Vasopressin i. v. (2–4 μg Minirin® oder 5–10 IE Pitressin®). Achtung: Schwangerschaft und KHK sind Kontraindikationen! Bei zentralem Diabetes insipidus ist die Substitution von ADH die Therapie der Wahl: Desmopressin nasal (10–20 μg Minirin® entspricht 1–2 Sprühstößen alle 12–24 Stunden) oder oral (0,2–1,2 mg Minirin® über den Tag verteilt). Beim renalen Diabetes insipidus zeigen Hydrochlorthiazid (Esidrix® 50–100 mg/d) in Kombi-
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nation mit Indomethacin und Chlorthalidon Hygroton® 50–100 mg/d) eine Wirkung. Flüssigkeitsbilanzierung und Elektrolytkontrollen sind unbedingt notwendig. empirisch Bei inkomplettem ADH-Mangel kann ein Therapieversuch mit Clofibrat (Clofibrat Stada® 500 4×/d) oder Carbamazepin (Tegretal® 400– 600 mg/d) unternommen werden.
Nachsorge Die Patienten müssen einen Notfallausweis tragen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Elektrolytkontrollen und Flüssigkeitsbilanzierung.
3,4-Diaminopyridin, 4Aminopyridin Zubereitungen 3,4-Diaminopyridin und 4-Aminopyridin liegen nicht als Fertigarzneimittel vor. Sie werden über die chemische Industrie bezogen und vom Apotheker in Tablettenform gepresst.
Wirkungen 3,4-Diaminopyridin und 4-Aminopyridin hemmen den axonalen bzw. präsynaptischen verzögert gleichrichtenden Kaliumkanal. Hemmung dieses Kanals führt zur Zunahme der Amplitude der Miniaturendplattenpotentiale und zur Zunahme der Amplitude nach stimulierter Transmitterfreisetzung. Allerdings nimmt die Refraktärzeit des Axons zu, sodass die hochfrequente Fortleitung vermindert ist.
Pharmakologische Daten Es liegen kaum Daten zu Pharmakokinetik und Metabolisierung vor. Dies liegt vermutlich daran, dass es keinen Versuch einer Zulassung gibt. Wirkungsbeginn nach etwa 30 min. Wirkdauer etwa 5 h. Nach intravenöser Injektion bei Meerschweinchen betrug die biologische Halbwertszeit 109 min. Die Liquorgängigkeit ist für 3,4Diaminopyridin signifikant schlechter als für 4Aminopyridin. Für die Behandlung neuromuskulärer Krankheiten soll 3,4-Diaminopyridin
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Diamox-Test
6 bis 10mal wirksamer sein als 4-Aminopyridin. Gleichzeitig soll die Toxizität von 3,4-Diaminopyridin geringer sein.
Krampfanfälle beobachtet. Ein Fall einer Enzephalopathie wurde beschrieben.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Anwendungsgebiete Hauptanwendung ist das Lambert-Eaton-Syndrom ( neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Lambert-Eaton-Syndrom). Wegen der geringeren zentralen Nebenwirkungen wird 3,4-Diaminopyridin bevorzugt. Über Besserung wurde auch in Fällen mit kongenitaler Myasthenie sowie mit myatrophischer Lateralsklerose berichtet. Eine Verringerung von Spastik und Schwäche ist auch für Patienten mit multipler Sklerose und nach Rückenmarkstrauma berichtet worden. Bei Patienten mit multipler Sklerose hat sich 4-Aminopyridin als wirksamer erwiesen, was evtl. auf die bessere Liquorgängigkeit zurückgeführt werden kann. Der Effekt läßt sich auch mit objektiven Methoden, etwa magnetisch evozierten Potentialen, erfassen. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist der Botulismus. Die wenigen behandelten Fälle haben gut auf 3,4-Diaminopyridin angesprochen. Experimentell konnte am Schwein gezeigt werden, dass toxische Wirkungen von Verapamil mit 3,4-Diaminopyridin antagonisierbar waren. 3
3
Dosierung/Anwendung Einschleichende Dosierung bis 3(–4)x 20 mg 3,4-Diaminopyridin (1 mg pro kgKG). Beginn mit 2 oder 3×5 mg. In Literaturberichten wurde bis 100 mg pro Tag verabreicht. Es sind eine Reihe von Langzeitanwendungen bei Patienten mit Lambert-Eaton-Syndrom beschrieben, ohne dass unerwünschte Effekte aufgetreten sind. Aus unserer Erfahrung ist das individuelle Ansprechen sehr verschieden. Es gibt Patienten, die 3,4-Diaminopyridin bedarfsweise vor einer körperlichen Belastung einnehmen und gut mit dieser Art der Einnahme zurechtkommen. Es gibt andererseits auch Patienten, die bei 4×25 mg pro Tag nur eine unzureichende Wirkung zeigen.
Unerwünschte Wirkungen Parästhesien, perioral und an den Akren. Magen-Darm-Beschwerden mit Tenesmen und Durchfall, meist bei Kombination mit Pyridostigmin. Vermehrte Nasensekretion und Lakrimation. Verstärkung von Asthma möglich. Es wurden gelegentlich Verwirrtheitszustände oder
Bei Patienten mit Asthma und Epilepsie ist besondere Vorsicht geboren.
Wechselwirkungen Verstärkung der Wirkung von Pyridostigmin.
Bewertung 3,4-Diaminopyridin ist ein unverzichtbares Mittel beim Lambert-Eaton-Syndrom.
Diamox-Test Definition Test zur Bestimmung der Vasomotorenreaktivität (VMR).
Grundlagen Acetazolamid (Diamox®) bewirkt durch eine Hemmung der Carboanhydrase eine Verschiebung des CO2-Bikarbonat-Gleichgewichts mit nachfolgender Erhöhung der extravasalen CO2-Konzentration im Gehirn. Dadurch kann eine zerebrale Vasodilatation erzielt werden. Der Vorteil gegenüber anderen Verfahren, wie z. B. der CO2-Stimulation ist, dass dieses Verfahren weniger von der Kooperation des Patienten abhängt. 1 g Diamox wird langsam i. v. über 5 Minuten injiziert. Nach etwa 15 Minuten findet man den maximalen Anstieg des CBF. Der Normwert der VMR liegt bei 40%, die untere pathologische Grenze bei 15%. 3
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Diastematomyelie Definition Spinale Dysrhaphie mit längsgerichteter Septierung des Rückenmarkes (bei etwa 1/3 der Myelomeningozelen).
DIC (disseminierte intravasale Gerinnung)
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Wechselwirkungen
Diazepam Zubereitungen Tabletten, Tropfen, Suppositorien, Rektaltuben, Injektionslösung zur i. m.- und i. v.-Injektion.
Keine bedeutsamen pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Pharmaka. Klinisch relevant sind aber additive Effekte hinschtlich Sedierung und Atemdepression bei Verabreichung mit anderen sedierenden Substanzen.
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Gebräuchliche Fertigarzneimittel Diazepam Desitin® Ampullen à 1 mg. Diazepam Desitin® rectal tube à 5, 1 mg. Diazepam® Lipuro Ampullen à 1 mg. Faustan® Ampullen à 1 mg. Faustan® Suppositorien à 1 mg. Faustan® 5 Tabletten à mg. Valiquid® 0,3 Tropfen (30 Tropfen=1 mg). Valium® 10 Roche Ampullen à 1 mg. Valium® Roche Tabletten à 5, 10 mg.
Wirkungen Benzodiazepine
3
Pharmakologische Daten Nach oraler Gabe rasche und fast vollständige Resorption. Plasmaeiweißbindung 95–98%. Halbwertszeit 24–48 h (wirksame Metaboliten 50–100 h), Steady State nach 4–8 d. Keine klinisch bedeutsamen pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Pharmaka.
Anwendungsgebiete Wegen Toleranzentwicklung, Abhängigkeitspotentials und sedierendem Effekt kein Mittel der 1. Wahl zur Langzeitbehandlung von Epilepsien. Anwendung in der Akuttherapie von Anfallsserien (oral, i. m., i. v.) und Status epilepticus (i. v.) bei Kindern und Erwachsenen sowie Fieberkrämpfen. Weitere Anwendungsgebiete sind Intervention bei akuten Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen, Prämedikation vor chirurgischen Eingriffen, Zustände mit erhöhtem Muskeltonus. 3
3
Dosierung/Anwendung Bei oraler Gabe Tagesdosis 5–20 mg in 2–3 Einzeldosen (Serumspiegel 0,2–0,5 μg/ml). Status epilepticus. 3
Unerwünschte Wirkungen Benzodiazepine
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Benzodiazepine
DIC (disseminierte intravasale Gerinnung) Synonyme Verbrauchskoagulopathie
Definition Gerinnungsstörung in der Folge eines gesteigerten Thrombozytenumsatzes und eines gesteigerten Verbrauchs plasmatischer Gerinnungsfaktoren mit den Symptomen einer hämorrhagischen Diathese und multiplen Thrombosen.
Einleitung Die Ursache einer DIC ist eine Hyperkoagulabilität und die Aktivierung der intravasalen Gerinnung mit nachfolgender Bildung von Mikrothromben. Das dabei entstehende Missverhältnis zwischen exzessivem Verbrauch und mangelnder Produktion von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren führt zu einer gesteigerten Blutungsneigung. Zudem kommt es in der Folge zu einer Hyperfibrinolyse, die zwar einerseits die Mikrozirkulation günstig beeinflusst, durch das Anschwemmen von Fibrinspaltprodukten aber zu einer Verschlimmerung der Verbrauchskoagulabilität führt. Ursachen der Hyperkoagulabilität können sein: Geburt und Einschwemmen von Plazentaresten oder Fruchtwasser in den Blutkreislauf, hämorrhagischer oder septischer Schock, thrombotische Mikroangiopathien, Karzinome, akute Pankreatitis, akute Leukämie, dekompensierte Leberzirrhose, hämolytische Transfusionszwischenfälle und therapeutische Fibrinolyse.
Differenzialdiagnose Verschiedene Gerinnungsstörungen.
Prophylaxe Bei Vorliegen einer der genannten Erkrankungen, häufige Kontrolle der Gerinnungsparameter (PTT, INR) und Fibrinspaltprodukte (D-Di-
3
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Diclofenac
mere), Gerinnungsfaktoren und AT III, evtl. Heparinisierung.
Therapie Behandlung der Grunderkrankung und Substitution von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren (fresh frozen plasma – FFP) und AT III unter Heparinisierung, zusätzlich Gabe von Fibrinolyseinhibitoren. Bei einer Verbrauchskoagulopathie ist die Therapie mit FFP oder Gerinnungsfaktoren ohne Gabe von Heparin und AT III kontraindiziert.
Diclofenac Zubereitungen Magensaftresistente Tabletten, Retardtabletten, Kapseln, Dragees, Suppositorien, Injektionslösung, Gel, Creme, Augentropfen.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Allvoran®, Benfofen®, Delphinac®, Diclac®, Diclo-1A Pharma, diclo von ct, Diclo AbZ, Diclo dispers®, Diclo-Divido®, Diclodoc®, Diclo Eu Rho®, Diclofenac Heumann, Diclofenac AL, Diclofenac Atid, DICLOFENAC BASICS, Diclofenac PB, Diclophenac-rationpharm®, Diclofenac STADA®, Diclofenacbeta®, Diclo KD®, Diclophlogont®, DICLOPUREN®, Diclo-saar®, Diclo SM, DicloWolff®, Dolgit®-Diclo, duravolten®, Effekton®, Jenafenac®, Lexobene®, Monoflam®, Myogit®, Rewodina®, Sigafenac, SOLARAZE®, Voltaren®.
Wirkungen Diclofenac, ein Arylessigsäurederivat, ist ein nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR) mit entzündungshemmenden, analgetischen und antipyretischen Eigenschaften. Viele seiner pharmakologischen Effekte werden ebenso wie die anderer nichtsteroidaler Antirheumatika auf die Hemmung der Prostaglandinsynthese zurückgeführt. Jedoch scheint Diclofenac insofern eine besondere Rolle innerhalb dieser Gruppe einzunehmen, als es drei mögliche Angriffspunkte auf die Arachidonsäurekaskade besitzt, die für die pharmakologische Wirkung relevant sein können: Diclofenac hemmt den Cyclooxygenaseweg und reduziert dadurch die Bildung von Prostaglandinen und
Thromboxan, zum anderen beobachtet man nach Gabe von Diclofenac eine Verminderung der Leukotrienproduktion, was auf einen inhibitorischen Effekt auf den Lipoxygenaseweg schließen lässt, und schließlich ist der freie Arachidonsäurespiegel durch die Hemmung der Freisetzung und die Stimulierung des Reuptake reduziert. Wieweit diese Effekte jedoch zur therapeutischen Wirkung beitragen, ist unbekannt. Die therapeutisch genutzten, aber teilweise auch die unerwünschten Wirkungen des Diclofenac werden ebenso wie die anderer NSAR im Wesentlichen durch die Hemmung der mikrosomalen, membrangebundenen Cyclooxygenase erklärt. Dieses Enzym katalysiert die Biosynthese von Prostaglandinen und anderen Eicosanoiden aus ihrer gemeinsamen Vorstufe Arachidonsäure. Eicosanoide sind Gewebshormone, die in allen Körperzellen bei Bedarf synthetisiert und freigesetzt werden können und zahlreiche biologische Mediatorfunktionen erfüllen. Sie spielen als Vermittler der Entzündungsreaktion eine wesentliche Rolle. Diclofenac ist einer der wirksamsten Cyclooxygenaseinhibitoren. Seine in klinischen Studien belegte antirheumatische und analgetische Wirksamkeit entspricht bei einer Tagesdosis von 75–150 mg der von 3– 5 g Acetylsalicylsäure bzw. 75–150 mg Indometacin. Neben der Behandlung von inflammatorischen Prozessen bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist vor allem bei degenerativen Gelenkerkrankungen eine Hemmung der bei der Matrixdegradation im Knorpel beteiligten Enzyme durch Antirheumatika wünschenswert. Proteasen, wie sie in arthrotischem Gelenkknorpel gefunden wurden, zeigen viele Parallelen zur humanen GranulozytenElastase. Diclofenac ist ein potenter Hemmstoff dieses Enzyms. Die Bildung freier Sauerstoffradikale, die in entzündeten Gelenken von aktivierten polymorphkernigen Leukozyten und Makrophagen, aber auch von Chondrozyten und Synovialzellen freigesetzt werden können, wird von Diclofenac nichtkompetitiv inhibiert.
Resorption Nach p. o., rektaler sowie parenteraler (i. m., s. c.) Applikation wird Diclofenac nahezu vollständig resorbiert. Die maximale Plasmakonzentration wird 10–30 min nach i. m.- oder rektaler und 1,5–2,5 h nach p. o.-Gabe der magensaftresistenten Tablette erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt etwa 55%.
Diclofenac
Die Wirkstofffreigabe aus Retardzubereitungen (Fettalkoholmatrix-Einbettung) wird etwa 1 h nach der Einnahme beobachtet. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach etwa 4 h erreicht, wobei 90% der Wirksubstanz innerhalb von 9 h freigesetzt werden. Bei topischer Applikation von Diclofenac in der Emulgelzubereitung werden bis zu 6% der aufgetragenen Dosis p. c. resorbiert. Die Substanz soll auf diese Weise gezielt in entzündete Gewebskompartimente in der Nähe der Applikationsstelle eingebracht werden können. Die systemische Belastung liegt erheblich niedriger als nach entsprechender p. o.-Dosis. Sehr hohe Plasmaeiweißbindung, ≥99,5%, überwiegend an Albumin. Therapeutische Plasmakonzentrationen. liegen im Bereich von 0,7–1,5 mg/l.
Elimination Diclofenac wird in metabolisierter Form zu ca. 2/3 der verabreichten Dosis renal und zu ca. 1/3 der verabreichten Dosis biliär ausgeschieden. Die Metaboliten entstehen durch Hydroxylierung mit anschließende Konjugation (Glucuronid- und Sulfatkonjugate) am aromatischen Dichlorphenylring (30–40%), im Phenylessigsäureanteil (15–20%) sowie an beiden Phenylringsystemen (5–10%). Etwa 10% der applizierten Dosis werden zum Esterglucuronid metabolisiert, nur ca. 1% wird unverändert renal eliminiert. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 1,2–1,8 h bei p. o.-Applikation. Die Pharmakokinetik von Diclofenac wird bei Nieren- bzw. Leberfunktionsstörungen nicht beeinflusst.
Anwendungsgebiete Indikationen für Diclofenac sind akute Arthritiden (einschließlich Gichtanfall), chronische Arthritiden, insbesondere rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis), Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) und andere entzündlich-rheumatische Wirbelsäulenleiden, Reizzustände bei degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen (Arthrosen und Spondylarthrosen), Weichteilrheumatismus, schmerzhafte Schwellungen oder Entzündungen nach Verletzungen oder Operationen. In der Neurologie Einsatz bei Lumboischialgien und Migräne.
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosis bei Erwachsenen sollte individuell nach Wirkung eingestellt werden, beginnend
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mit 2–3×täglich 25 mg bis hin zu 150 mg täglich in Form von magensaftresistenten Dragees, Suppositorien oder i. m.-Injektionen bzw. einmal täglich 100 mg in Form einer Retardzubereitung. Kinder ab 6 Jahren erhalten 2–3 mg/kgKG, verabreicht in 2–3 Einzeldosen über den Tag verteilt. Da eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme die Resorption verzögert, wird die Einnahme der Dragees mit viel Flüssigkeit vor den Mahlzeiten empfohlen. Die Blutplättchenaggregation wird in üblichen p. o.-Dosen kaum beeinflusst.
Unerwünschte Wirkungen Diclofenac entfaltet wie alle NSAR gruppenspezifische unerwünschte Wirkungen durch Hemmung der Prostaglandinbiosynthese. Häufigste unerwünschte Wirkung der nichtsteroidalen Antirheumatika sind Blutungen, assoziiert mit gastrointestinalen Ulzerationen und symptomatischen. Zuständen, wie z. B. Schmerzen im Oberbauch, Diarrhöe, Erbrechen, Obstipation, Sodbrennen. Zweithäufigste unerwünschte Wirkungen der nichtsteroidalen Antirheumatika sind Exantheme, hypersensitive Reaktionen und Phototoxizität; weniger häufig, aber oft mit letalem Ausgang toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) und Stevens-JohnsonSyndrom. Häufig erhöhte Serum- bzw. Plasmaspiegel von Leberenzymen aufgrund hepatotoxischer Reaktion, die auf eine Hepatitis hinweisen können. Öfters Kopfschmerzen und Schwindel, Seh-, Hör- und psychiatrische Störungen. Weniger häufig, aber oft mit letalem Ausgang sind aplastische Anämie, Agranulozytose, Leukopenie, Thrombozytopenie und andere Defekte von Knochenmarkszellen. Asthma und andere hypersensitive Reaktionen kommen vor; weniger häufig Lungenödeme und Ödeme anderer Lokalisation. Häufig reduzierte renale Clearance und andere nephrotoxische Symptome. Diclofenac ist besser verträglich als Acetylsalicylsäure und Indometacin, jedoch ist wie bei anderen NSAR mit einer vergleichbaren Inzidenz von unerwünschten Wirkungen zu rechnen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Ungeklärte Blutbildungsstörungen sowie eine erwiesene Überempfindlichkeit gegen Diclofenac bzw. gegen Acetylsalicylsäure oder andere
D
Dicoumarol
NSAR, die zuvor Asthmaanfälle, Urtikaria oder akute Rhinitis ausgelöst haben, stellen absolute Kontraindikationen dar. Hinweise auf ein besonderes teratogenes Risiko durch Diclofenac bestehen nicht. Analog zu Acetylsalicylsäure und Indometacin sind aufgrund der Hemmung der Prostaglandinsynthese eine Inhibierung der Wehentätigkeit und verstärkte Flüssigkeitsretention bei der Mutter sowie ein vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus Botalli beim Neugeborenen zu erwarten. Während der ersten beiden Drittel der Schwangerschaft und in der Stillperiode sollte Diclofenac nicht eingenommen werden, eine Anwendung im letzten Trimenon ist kontraindiziert. Bei Patienten mit Ulcera ventriculi oder duodeni, schweren Leberfunktions- und Hämatopoesestörungen oder induzierbaren Porphyrien sollte Diclofenac nur unter Beobachtung angewendet werden.
Wechselwirkungen Obwohl Diclofenac eine hohe Plasmaeiweißbindung (ca. 99%) zeigt, kommt es nicht zu Interaktionen mit anderen stark an Plasmaproteine gebundenen Substanzen wie z. B. Salicylsäure, Prednison, Warfarin oder Tolbutamid. Gleichzeitige Gabe von Diclofenac verstärkt die ulzerogene Wirkung von anderen nichtsteroidalen Antirheumatika und/oder Kortikosteroiden. Die gleichzeitige Gabe von Acetylsalicylsäure führt zur signifikanten Verminderung der Plasmakonzentration von Diclofenac. Verminderte Wirksamkeit von Schleifendiuretika und Saluretika sowie eine mögliche Abschwächung der Wirksamkeit von Antihypertensiva aufgrund der Natriumretention und Inhibition der Synthese vasodilatatorisch wirksamer Prostaglandine können auftreten, die klinische Relevanz dieser Interaktion ist jedoch fraglich. Weitere Wechselwirkungen: Anstieg der Plasmakonzentration von Digoxin, möglicherweise infolge verzögerter renaler Digoxin-Ausscheidung. Verminderung der Lithium-Clearance, Erhöhung der Lithium-Plasmakonzentration, Verminderung der renalen Elimination von Methotrexat. Die Plasmaspiegel von Digoxin, Methotrexat und Lithium können bei gleichzeitiger Gabe von Diclofenac u. U. in den Bereich schwerer, manchmal tödlicher Toxizität gelangen.
Toxikologie Über zwei Fälle von Diclofenac-Überdosierung ist berichtet worden, wobei Konfusion, Hypertonie und Bewusstseinsverlust auftraten. Diese Symptome sprechen auf durch Ipecacuanha induzierte Emesis, Kohletherapie, forcierte Diurese an. Dialyse und Hämoperfusion sind von fraglichem Wert. Chronische Toxizität: Einzelfälle von Cholestase und aplastischer Anämie sind bekannt geworden.
Dicoumarol Wirkungen Dicoumarol ist der älteste Vertreter der Cumarine. Es wurde entdeckt als die Ursache der Süßklee-Erkrankung bei Rindern, die verdorbenen Süßklee als Futter erhalten hatten und an diffusen Blutungen starben. Dicoumarol wirkt ebenso wie andere orale Antikoagulantien (Acenocoumarol, Warfarin), als Antagonist des Vitamin K3 (Menadion). Vitamin K ist essentiell für die γ-Carboxylierung von Glutaminsäureresten in mehreren Proteinen, die in der Leber synthetisiert werden. Zu diesen Proteinen gehören auch Gerinnungsproteine, wie Prothrombin (Faktor II) sowie Faktor VII, IX und X. Voraussetzung für diese Wirkung des Vitamin K ist seine Reduktion zum Hydrochinon, die durch das Enzym NAD(P)H: Chinon Reduktase katalysiert wird. Unter der Einwirkung von Dicoumarol werden diese Gerinnungsfaktoren untercarboxyliert. Von den 10 Carboxylierungsstellen des Prothrombin werden z. B. nur die Hälfte carboxyliert. Funktionell resultiert aus dieser Untercarboxylierung das Unvermögen Calcium zu binden, was wiederum Voraussetzung für die enzymatische Aktivität der Gerinnungsfaktoren ist. Diese Eigenschaft des Dicoumarols wird für eine kontrollierte Gerinnungshemmung ausgenutzt. 3
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Wirkungsverlauf Bei oraler Anwendung wird Dicoumarol unvollständig und vor allem unzuverlässig resorbiert. Der Wirkungsbeginn, gemessen an der Prothrombinzeit, liegt zwischen 1–5 Tagen. Dicoumarol hat eine sehr hohe Plasmaeiweißbindung von >95% an zahlreichen Proteinen, darunter Albumin und α1-saures Glykoprotein,
Dihydroergocryptin, α-Dihydroergocryptin
Anwendungsgebiete
Diagnostik 3
was zu erheblichen Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka führen kann. Die Elimination erfolgt ausschließlich durch Metabolisierung mit einer Wirkungshalbwertzeit von 2–10 Tagen.
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Enzephalomyopathie, mitochondriale.
Therapie Eine kausale Therapie existiert nicht. Wichtig ist die adäquate Therapie der hormonellen Entgleisung ( Diabetes insipidus) und die Blutzuckersenkung. Weitere symptomatische Therapieversuche, z. B. mit Coenzym Q, Enzephalomyopathie, mitochondriale. 3
3
Dicoumarol wird als Antikoagulans in der Behandlung tiefer Venenthrombosen, in der Prävention von Thromboembolien bei Patienten mit Vorhofflimmern oder künstlichen Herzklappen, in der Prophylaxe und Nachbehandlung des Myokardinfarktes, des embolischen Schlaganfalls, sowie bei transitorischen ischämischen Attacken angewendet. Die Therapie muss immer durch die Bestimmung des Gerinnungsstatus (z. B. Prothrombinzeit) in regelmäßigen Abständen überwacht werden (INR-Wert). Die übliche therapeutische Dosierung des Dicoumarols liegt bei 50–100 mg/d. Dicoumarol ist heute wegen seiner unzuverlässigen Resorption und Wirkungsdauer weitgehend aufgegeben worden und durch Phenprocoumon oder Warfarin ersetzt.
DiGeorge-Syndrom Definition Autosomal-dominant vererbte Corpus callosum Agenesie mit auffälliger Fazies, Hypokalziämie und Neugeborenenkrämpfen bei Agenesie der Ggl. parathyroideae.
Dihydroergocryptin, α-Dihydroergocryptin
3
Unerwünschte Wirkungen Das Hauptrisiko des Dicoumarols ist die Blutung mit Hämatombildung in nahezu allen Organen. Tödliche Blutungen treten meist im Gastrointestinaltrakt auf. Als Antidot bei erhöhter Blutungsneigung kann Phytomenadion 5– 10 mg i. v. gegeben werden. Bei bedrohlicher Situation müssen die defizienten Gerinnungsfaktoren infundiert werden. Übelkeit, Durchfälle, Haarausfall, Exantheme sind selten.
DIDMOAD-Syndrom („diabetes insipidus, diabetes mellitus, optic atrophy, deafness“) Synonyme Abk. für Diabetes insipidus, Diabetes mellitus, Optic atrophy, Deafness
Definition Syndrom im Rahmen einer mitochondrialen Enzephalomyopathie, bei dem mitochondriale Deletionen nachweisbar sind. Die Erkrankung wird z. T. autosomal-rezessiv vererbt.
Synonyme Dihydroergocryptin-Mesylat
Zubereitungen Dihydroergocryptin-Mesylat, Dihydroergocryptinum* ut Dihydroergocryptini mesilas.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel α-Dihydroergocryptinmethansulfonat (Almirid®, Cripar®) Kapseln zu 5 mg und Tabletten zu 20 mg mit Bruchrillen für 5 mg.
Wirkungen Dihydroergocryptin weist eine hohe Affinität gegenüber Dopaminrezeptoren auf. Dihydroergocryptin wirkt selektiv auf D2-Rezeptoren und ist ein partieller D1-Rezeptoragonist, ohne jedoch in vivo eine Aktivität auf serotoninerge oder adrenerge Rezeptoren zu besitzen. Dihydroergocryptin weist therapeutisch folgende Anwendungsgebiete auf: 1. Intervallbehandlung der Migräne-Kopfschmerzen. Eine der Ursachen der Migräne-Kopfschmerzen liegt in einer erhöhten Sensitivität bzw. übermäßigen Stimulierung der Dopaminrezeptoren im ZNS. Durch die länger-
D
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Dihydroergocryptin, α-Dihydroergocryptin
fristige Einnahme von Cripar® kann die Sensitivität der Rezeptoren normalisiert und dadurch die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken reduziert werden. Dihydroergocryptin wird deshalb zur Intervallbehandlung der Migräne-Kopfschmerzen eingesetzt. Für die symptomatische Behandlung eines akuten Migräneanfalls ist Cripar® dagegen nicht geeignet. 2. Behandlung der Parkinson'schen Krankheit. Dihydroergocryptin eignet sich, wegen seiner ausgeprägten dopaminergen Aktivität auf die D2-Rezeptoren, zur Behandlung der Parkinson'schen Krankheit. Durch die Stimulation der dopaminergen Rezeptoren mittels Dihydroergocryptin kann der Dopaminmangel im Striatum kompensiert und das neurochemische Gleichgewicht wieder hergestellt werden.
tion werden 82,8±6,4% über die Faeces und 3,0 ±0,7% über den Urin ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung des Morbus Parkinson als Monotherapie in der Frühphase der Erkrankung, um den Einsatz von Levodopa hinauszuzögern; als Kombinationstherapie mit Levodopa/DopaDecarboxylasehemmern in späteren Stadien der Erkrankung. Zur Migräneprophylaxe. OFF-LABEL: Restless Legs.
Dosierung/Anwendung Bei Parkinson-Patienten abhängig von der Verträglichkeit, initial 2×5 mg; nach 14 Tagen 2× 10 mg, nach weiteren 2 Wochen 2×15 mg. Erhaltungsdosis 60 mg, in Einzelfällen bis 120 mg, evtl. sollte in der Aufdosierungsphase Motilium 3×10–20 mg hinzugegeben werden. Zur Migräneprophylaxe 2×5 mg zur Nacht.
Pharmakologische Daten Dihydroergocryptin wird nach oraler Verabreichung rasch resorbiert, wobei maximale Plasmaspiegel durchschnittlich nach etwa 1 Stunde erreicht werden. Die absolute Bioverfügbarkeit von Dihydroergocryptin liegt bei etwa 2,4% ±0,5%. Die beiden Darreichungsformen (Kapseln 5 mg und Tabletten 20 mg) sind bei gleicher Dosierung bioäquivalent. Die mittlere Verweilzeit beträgt 9,39±1,75 h. Der Steady State wird bei 2maliger Einnahme pro Tag nach etwa 3 Tagen erreicht. Der Verlauf der Plasma-Clearance sowie das Verteilungsvolumen von 21,77 ±3,70 l/kg weisen auf eine überwiegend extravasale Verteilung hin. Die Bindung an Plasmaproteine beträgt 45–64%. Die Substanz Dihydroergocryptin passiert die Blut-Hirnschranke und reichert sich im Gehirn in therapeutisch wirksamen Konzentrationen an. Die Substanz passiert die Plazentaschranke und liess sich im Tierexperiment in den Föten nachweisen. Oral zugeführtes, resorbiertes Dihydroergocryptin wird beim Menschen zu 94–97% in der Leber metabolisiert, wobei 93% der zugeführten Menge in Form von acht verschiedenen Metaboliten ausgeschieden werden. Die Aktivität der Metaboliten bezüglich der Dopaminrezeptoren ist unbekannt. Nach oraler Einnahme von 5–20 mg beträgt die Plasma-Eliminationshalbwertszeit (slow phase) 15–20 h. Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend über die Leber bzw. Galle. Bei oraler Applika-
Unerwünschte Wirkungen Nach Fachinformation des Herstellers: Nausea (3,6%, bei höheren Dosen bis 14%); Erbrechen (3%); Magenkrämpfe, Sodbrennen (6,5%); Dyspepsie (1,3%); Obstipation (5%); Hautausschlag (0,4%); orthostatische Kreislaufbeschwerden, Hypotonie (2%); Schwindel (6%); Ohnmacht (1,6%); Schlaffheit (Asthenie) (2%); Schläfrigkeit (2%); Tachykardie, Palpitation (1,3%); Angstgefühle, Missstimmung, Depression (5%); Kopfschmerzen (2%); Kribbeln oder Kältegefühl in Armen und Beinen oder Juckreiz (3%); Gewichtsveränderung (0,8%); Dyskinesien (0,8%). Die kombinierte Behandlung mit L-Dopa kann zu einem erhöhten Auftreten von Gastralgie, Sodbrennen, Hypotonie und Kopfschmerzen führen; beobachtet wurde auch die Bildung von Ödemen und das Auftreten von Halluzinationen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Dihydroergocryptin.kann die Blutgerinnung beeinflussen. Bei Patienten, welche Dihydroergocryptin zusammen mit Antikoagulantien einnehmen, sind periodische Kontrollen der Blutgerinnung vorzunehmen. Wegen der strukturellen Analogie mit den Ergolinderivaten ist Vorsicht angebracht, wenn Dihydroergocryptin in hoher Dosierung an Patienten verabreicht wird, deren Anamnese psychische Störungen, schwe-
Dihydroergotamin
re kardiovaskuläre Leiden, Ulcus pepticum oder gastroenterale Hämorrhagien enthält. Bei Patienten mit prolaktinbedingter Galaktorrhöe, prolaktinabhängiger Amenorrhöe, Menstruations- oder Akromegaliebeschwerden, kann die Behandlung mit Dihydroergocryptin eine bestehende Sterilität eliminieren. Daher sollten empfängnisfähige Frauen eine zuverlässige Empfängnisverhütungsmethode anwenden. Relative Kontraindikationen: Akromegalie-Patienten, sowie Patienten aus deren Krankengeschichte ein Ulcus pepticum bekannt ist. Bei einigen Patienten zeigen sich, besonders während den ersten Behandlungstagen, blutdrucksenkende Reaktionen, sodass eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Benutzung von Fahrzeugen, bzw. der Bedienung von Maschinen angezeigt ist. Tierstudien (Ratten, Kaninchen) haben unerwünschte Effekte auf die Föten gezeigt (Embryotoxizität mit erhöhten Raten von Embryoresorptionen und Aborten bei Dosen 18 mg/Tag/ kg). Das Medikament darf in der Schwangerschaft nur verabreicht werden, wenn der potentielle Nutzen das fötale Risiko übersteigt. Wegen der Hemmung der Laktation ist das Präparat während der Stillzeit ebenfalls kontraindiziert.
Wechselwirkungen Dihydroergocryptin kann die Blutgerinnung beeinflussen. Bei Patienten, welche Dihydroergocryptin zusammen mit Antikoagulantien einnehmen, sind periodische Kontrollen der Blutgerinnung vorzunehmen. Außerdem bei Alkohol verminderte Alkoholverträglichkeit; bei Reserpin, Neuroleptika, Opioide verminderte Wirkung der Agonisten; bei Antihypertensiva Blutdrucksenkung verstärkt; bei Guanethidin häufigere Arrhythmien.
Dihydroergotamin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ergo-Lonarid® u. a.
Wirkungen Durch Hydrierung des Ergotamins entsteht Dihydroergotamin. Auf Rezeptorebene wirkt Dihydroergotamin an einigen glattmuskulären Strukturen als partieller Agonist und Antago-
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nist für serotoninerge und adrenerge Rezeptoren. Die Interaktion mit dopaminergen Rezeptoren ist nichtselektiv antagonistisch, die emetische Potenz gering. Dihydroergotamin wirkt während der Gravidität auf den menschlichen Uterus stimulierend. Die vasokonstriktorische Wirkung des Dihydroergotamin nach i. v. Bolus-Injektion (10 μg/kg) am Menschen betrifft vorwiegend die Kapazitätsgefäße der Beine. Ein konstriktorischer Effekt an den Widerstandsgefäßen und den präkapillären Sphinkteren wird bei Vorliegen eines normalen Gefäßtonus nicht beobachtet. Beim liegenden Hypotoniker steigert Dihydroergotamin nach i. v. Injektion von 1 mg das Herzauswurfvolumen durch eine Erhöhung des Schlagvolumens. Die Herzfrequenz und der periphere Widerstand bleiben unbeeinflusst. Bei Patienten mit Varizen bzw. mit einer venösen Insuffizienz der unteren Extremitäten normalisiert Dihydroergotamin (0,5 mg s. c.) die pathologisch gesteigerte druckbedingte Venendilatation. Die Verbesserung des venösen Rückstroms durch Konstriktion der Kapazitätsgefäße der unteren Extremitäten des Menschen stellt die Grundlage für die Anwendung von Dihydroergotamin bei der orthostatischen Hypotonie und der chronisch-venösen Insuffizienz sowie für die Prophylaxe der postoperativen Thrombose der tiefen Beinvenen dar. Die Anwendung von Dihydroergotamin zur Prophylaxe von Migräne-Attacken soll auf dem gleichen Effekt beruhen, der dem Ergotamin zugeschrieben wird, d. h. auf der direkten Konstriktion der arterio-venösen Anastomosen im Bereich der Arteria carotis externa. Die zerebrale Durchblutung wird nicht beeinflusst.
Resorption Nach p. o. Applikation zu 30–34%, Resorptionshalbwertzeit von 11 min und eine mittlere Bioverfügbarkeit von 1%. Aus den niedrigen Werten der Bioverfügbarkeit von Dihydroergotamin und der geringen Ausscheidung von Dihydroergotamin und seinen Metaboliten im Urin wird auf eine hohe First-Pass-Metabolisierung in der Leber geschlossen; sie wird mit 97% angegeben. Die Plasmaproteinbindung beträgt 89–99%, die Bindung an Blutzellen 37%. Da nach i. v. Injektion der vasokonstriktorische Effekt länger anhält als das aufgrund der Eliminationshalbwertzeit zu erwarten wäre, wird eine Bindung von Dihydroergotamin an die glatten
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Dihydroergotamin
Muskelzellen der Gefäße bzw. eine Akkumulation in einem Effekt-Kompartiment angenommen. Die venokonstriktorische Wirkung von Dihydroergotamin beginnt 1 min nach der Injektion oder dem Start einer direkten Infusion in die untersuchte Vene, erreicht innerhalb von 8–20 min ein Maximum und bleibt über 90– 120 min stabil. Die Blutdruckerhöhung tritt nach 15 min ein und klingt nach 30 min wieder ab. Auf dem Höhepunkt der Wirkung beträgt die Dihydroergotamin-Plasmakonzentration 4 ng/ml, nach 4 h und Absinken der Plasmakonzentration auf 0,6 ng/ml ist der Blutdruckeffekt nicht mehr nachweisbar. Die Zeit von ca. 2 h, die nach p. o. Applikation von 10 mg Dihydroergotamin bis zur Einstellung der maximalen Plasmakonzentration vergeht, entspricht der Zeit bis zur Erreichung der maximalenVenenkonstriktion. Während der klinischen Einstellung von Patienten auf die p. o. Applikation von Dihydroergotamin tritt erst nach einigen Tagen der volle therapeutische Effekt (Blutdrucksteigerung oder Verringerung der venösen Kapazität) ein, der nach Absetzen der Medikation bis zu 2 Wochen anhalten kann.
Elimination Die Elimination von 3H-Dihydroergotamin verläuft in zwei deutlich voneinander abgesetzten Phasen mit Halbwertzeiten von 2 und 21 h. Die renale Clearance stellt mit 0,1 l min-1 nach p. o. Applikation und 0,16 l min-1 nach i. v. Injektion nur 1% der Gesamtkörper-Clearance dar. Diese beträgt als Plasma-Clearance 2,04 l min-1 und als Blut-Clearance 1,2 l min-1. Die erhebliche First-Pass-Metabolisierung von Dihydroergotamin in der Leber führt zur Bildung von pharmakologisch aktiven Metaboliten. Der Hauptmetabolit 8′-Hydroxy-Dihydroergotamin liegt in Urin und Plasma in 5–7fach höherer Konzentration vor als das unveränderte Dihydroergotamin. Weitere Metabolite mit ebenfalls deutlicher venokonstriktorischer Aktivität sind 8′,10′-Dihydroxy-Dihydroergotamin und Dihydrolysergsäureamid. Leber-Erkrankungen, vor allem die alkohol-bedingte Zirrhose, führen zu einem Anstieg der Dihydroergotamin-Plasmakonzentrationen nach p. o. Applikation auf das 4fache.
Anwendungsgebiete Dihydroergotamin ist zur Behandlung der akuten Migräneattacke geeignet, weniger auch zur
Migräne-Prophylaxe; hier sind Calcium-Antagonisten und Beta-Rezeptorenblockern Mittel der Wahl. Ein weiteres Anwendungsgebiet für Dihydroergotamin sind alle Formen der orthostatischen Hypotonie. Die Konstriktion der Venen der unteren Extremitäten stellt auch die Grundlage für die Anwendung von Dihydroergotamin bei der Varikosis und der chronischvenösen Insuffizienz dar. Oral: Orthostatische u. hypotone Kreislaufregulationsstörungen, Migräneprophylaxe, vaskuläre Kopfschmerzen, Obstipation bei Megaorganen. Parenteral: Migräneanfall, orthostatische Kreislaufregulationsstörungen in akuten Fällen.
Dosierung und Art der Anwendung P. o. Applikation zur Intervalltherapie der Migräne sowie Behandlung der orthostatischen Hypotonie und der chronisch-venösen Insuffizienz 5–10 mg täglich, möglichst als Retardpräparat. Eine Kumulation wurde bei täglicher Applikation von 10 mg über 16 Tage nicht beobachtet. Dosierung: Die mittlere Dosierung (= Langzeitdosierung) für Erwachsene u. Jugendliche ab 12 Jahre beträgt: morgens und abends je 1 Retard-Tbl. od. Forte-Tbl. od. 3×täglich 20 Tr. od. 3×täglich 2 Tbl. Parenterale Anwendung in akuten Fällen: 1 ml s. c. oder i. m., bei Bedarf nach 30–60 min. 1 ml zusätzlich bis zu einer Höchstmenge von 3 ml, evtl. sehr langsam 0,5 ml i. v. Kosten: 100 Tbl. (N3) 15,16 €; 100 RetardTbl.2,5 mg (N3) 20,10–35,40 €; 100 ml (N3) Tr. 22,86–23,37 €.
Unerwünschte Wirkungen Nach i. v. Injektion können Schwindel, Hitzegefühl und Trockenheit im Rachen auftreten, Symptome, die 20 min nach Applikation abklingen. Nach p. o. Applikation, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, allergischen Hautreaktionen. Bei ununterbrochener Einnahme von Dihydroergotamin, vorwiegend in hohen Dosen über Jahre, wurden vereinzelt fibrotische Veränderungen beobachtet.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwere Leberinsuffizienz, arterielle Gefäßerkrankungen, Hypertonie, schwere Nierenerkrankungen, die nicht dialysiert werden. Sepsis, Schock. Gleichzeitige Anwendung mit anderen ergotaminhaltigen Arzneimitteln, Makrolidanti-
Dihydroergotoxin
biotika, HIV-Protease-Inhibitoren oder mit Sumatriptan. Eine parenterale Applikation in der Schwangerschaft ist kontraindiziert, oral kontraindiziert im 1. Trimenon.
Wechselwirkungen Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin): Dihydroergotamin-Blutspiegel erhöht. Vasodilatatoren wie Nitrate oder Ca-Antagonisten: Wirkungsabschwächung. Katecholamine wie Dopamin, Noradrenalin: unerwünschte arterielle Vasokonstriktion bei parenteraler Anwendung von Dihydergotamin. Erhöhtes Risiko vasospastischer Komplikationen bei Anwendung vasokonstriktorischer Mittel (Ergotaminhaltige Präparate, Sumatriptan, Nicotin). Vorsicht geboten bei gleichzeitiger Anwendung mit Betablockern. Die gleichzeitige p. o. Applikation von Troleandomycin und Dihydroergotamin bewirkt einen Anstieg von nicht metabolisiertem Dihydroergotamin im Plasma. Die Verstärkung der Dihydroergotamin-Wirkung durch Koffein wird mit einer Resorptionsverbesserung erklärt.
Warnhinweis Ampullen enthalten Ethanol! Im Falle einer irrtümlichen i. a. Verabreichung sollten periphervasodilatierende Pharmaka, z. B. NitroprussidNa, Dihydralazin oder Ca-Antagonisten in ausreichenden Dosen gegeben werden. Die Injektionslösung darf nicht mit Heparin-Lösungen gemischt werden, da es dabei zur Wirkstoffausfällung kommt.
Dihydroergotoxin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Circanol®, Dacoren®, DCCK®, Defluina®, Ergodesit®, ergotox 2,5 von ct, Hydergin®, Hydro-Cebral-ratiopharm®, Nehydrin®, Orphol®, Sponsin® Tropflösung, Tabletten, Injektionslösung, Retardkapseln.
Vorkommen/Gewinnung Dihydroergotoxin ist die hydrierte Form eines Alkaloidgemisches, das aus Mutterkorn, Secale cornutum, dem Skelerotium (Dauerform) von Clavipecs purpurea gewonnen wird. Der Pilz kommt parasitär auf Roggenähren vor. Das Sklerotium enthält 0,05–0,1% Alkaloide vom Typ D-Lysergsäureamidderivate: Ergometri-
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n=Ergobasin und vom Peptidtyp, d. h. die Lysergsäure ist peptidartig mit mehreren Aminosäuren verknüpft, die untereinander zyklisch verbunden sind. Hierzu gehören Ergocornin, - cristin und - cryptin. Die α- und β-Isomere des Ergocryptins unterscheiden sich durch LLeucin bzw. L-Isoleucin im Peptidteil. Die genuinen, nicht hydrierten Alkaloide Ergocornin, - cristin und - cryptin kommen im Verhältnis 1:1:1 vor, wobei die Isomere des Ergocryptins ihrerseits im Verhältnis 2:1 vorliegen. Auf Grund der medizinischen Bedeutung der Mutterkorn-Alkaloide wird heute ein planmäßiger „Anbau“ durch Beimpfen von Roggenfeldern mit Konidiensuspensionen betrieben. Die isolierten Alkaloide werden anschließend hydriert.
Wirkungen Mutterkornalkaloide besitzen ein breites Spektrum pharmakologischer Wirkungen, bedingt durch strukturelle Gemeinsamkeiten des Ergolinanteils sowohl mit Noradrenalin, Dopamin, als auch mit Serotonin, wobei es sowohl zu agonistischen als auch antagonistischen Interaktionen mit dem entsprechenden Rezeptortyp kommen kann. Durch Dihydrierung der nativen Alkaloide tritt die Blockade des α-Adrenorezeptors in den Vordergrund des pharmakologischen Profils. Zwischen den drei Komponenten des Gemisches bestehen keine nennenswerten Unterschiede. An peripheren Serotoninrezeptoren wirkt Dihydroergotoxin überwiegend antagonistisch und führt zu einer Gefäßdilatation. Unter klinischen Bedingungen führt die Applikation von Dihydroergotoxin bei Normotonikern wie auch bei Hypertonikern zu einer allmählichen, jedoch lang anhaltenden Blutdrucksenkung. Die Herzfrequenz nimmt ebenfalls ab. Die Durchblutung der Extremitäten wird bei Patienten mit niedrigem Ausgangswert gesteigert. Bei erhöhtem Ausgangswert, wie bei Paraplegie oder während der Spinalanästhesie, wird die Durchblutung dagegen gesenkt. Die Wirkung beruht offensichtlich sowohl auf einer Blockade postsynaptischer α-Rezeptoren als auch auf einer Erregung präsynaptischer Dopaminrezeptoren. Ein Serotoninantagonismus spielt eher eine untergeordnete Rolle. Am menschlichen Uterus während der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Puerperium wurde für Dihydroergotoxin eine beträchtliche kontrahierende Wirkung festgestellt, obwohl
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Dihydroergotoxin
dies im Widerspruch zu der am isolierten Organ dokumentierten uterusrelaxierenden Wirkung steht. In der Niere wird vermutlich über einen α-Adrenorezeptoragonismus die Ausscheidung von Natrium und Wasser erhöht. An Thrombozyten hemmt Dihydroergotoxin sowohl die Adrenalin – als auch die „Platelet Aggregating Factor“ – induzierte Adhäsion und Aggregation. Auch zentral wirkt Dihydroergotoxin auf mindestens drei Rezeptortypen: Noradrenerge α-Rezeptoren, hauptsächlich in der Hirnrinde, werden nicht kompetitiv durch Dihydroergotoxin blockiert. Diese Rezeptor-Interaktion steht in Zusammenhang mit einer Hemmung der Adenylat-Zyklase, die unabhängig von einer Beeinflussung durch β-Rezeptoren auftritt. Gleichzeitig wird die membranständige „lowKM-cAMP-Phosphodiesterase“ gehemmt. Aus diesen beiden Wirkungen resultieren erhöhte zytosolische cAMP-Konzentrationen und ein reduzierter ATP-Umsatz. Serotoninerge Strukturen in der pontinen Formatio reticularis wirken inhibierend auf die ponto-genikulo-okzipitalen Wellen, die charakteristischerweise unmittelbar vor und während der paradoxen Schlafphase auftreten. Diese Veränderungen im EEG lassen sich auch durch Reserpin induzieren. Dihydroergotoxin wirkt in diesem System als Serotoninagonist und unterdrückt die experimentell induzierten Potentiale. In vivo führt diese Beeinflussung in der Formatio raticularis zu einer Verlängerung des Wachzustandes sowie zu einer Verkürzung des klassischen wie auch des paradoxen Schlafes. Ähnliche Veränderungen des Wach-Schlaf-Rhythmus werden auch durch 5-Hydroxytryptophan, eine SerotoninVorstufe, ausgelöst. Eine dopaminagonistische Wirkung des Dihydroergotoxin ist verantwortlich für die Antagonisierung der antinociceptiven Wirkung von Morphin. Die emetische Wirkung von Dihydroergotoxin wird über die chemorezeptive Zone der Area postrema ebenfalls dopaminerg vermittelt. An der nigrostriatalen Bahn des extrapyramidalen Systems besitzt Dihydroergotoxin dopaminerge Wirkungen, was mit einer Steigerung der Bewegungsaktivität verbunden ist. Bei all diesen beschriebenen Wirkungen handelt es sich um tierexperimentell erhobene Daten. Beim Menschen konnte dagegen nachgewiesen werden, dass charakteristische, im Alter auftretende Veränderungen im EEG teilweise durch Gabe von Dihydroergotoxin rückgängig gemacht werden können. Rezeptorvermittelte Stoffwechseleffekte dürften
an der zentralen Wirkung von Dihydroergotoxin beteiligt sein. Dihydroergotoxin hemmt zwar nicht direkt die Grundaktivität der meisten ATPasen, jedoch wird eine noradrenalin-vermittelte Aktivierung teilweise aufgehoben. Erhöhte zytosolische cAMP-Konzentrationen stehen in einem Zusammenhang mit einer Steigerung der Neurotransmittersynthese, mit einer gesteigerten Energieproduktion sowie mit einer Aktivierung des axonalen Transportes. Dihydroergotoxin erhöht ferner die Glukoseaufnahme in die Gehirnzellen sowie die Aufnahme und den Verbrauch von Sauerstoff. Die rezeptorvermittelten neuronalen und metabolischen Wirkungen dürften von primärer Bedeutung für den Wirkungsmechanismus von Dihydroergotoxin bei Demenzen sein, während eine Steigerung der totalen Hirndurchblutung (durch Vasodilatation über α-Blockade) eher als sekundäres Phänomen anzusehen ist, nicht zuletzt deswegen, weil auch die Autoregulation der Hirndurchblutung die Gesamtdurchblutung innerhalb enger Grenzen hält und weil physiologische, pathologische und pharmakologische Stimuli eher die regionale Durchblutung beeinflussen.
Resorption Dihydroergotoxin wird relativ rasch aus dem Magen-Darm-Trakt mit einer Halbwertzeit von 0,5 h resorbiert. Nach p. o. Verabreichung einer Standarddosis von 1 mg werden nach 2,3 h maximale Konzentrationen von 0,5 ng/ml, einschließlich Metaboliten, im Plasma gemessen. Die Resorptionsquote beträgt lediglich 25%. Mutterkornalkaloide zeigen eine ausgeprägte Tendenz zur Komplexbildung. Coffein fungiert als Komplexpartner und kann Löslichkeit und Resorption von Dihydroergotoxin verbessern. Die Bioverfügbarkeit wird durch einen starken First-Pass-Effekt in der Leber eingeschränkt. Nach p. o. Gabe gelangen nur etwa 2–3% der verabreichten Dosis als wirksame Substanz in das Blutplasma. Die Substanz verteilt sich rasch in Leber, Nieren, Milz und Skelettmuskel. Im Gehirn werden die höchsten Konzentrationen in der Hypophyse, gefolgt von Hypothalamus, Sakralmark, Cerebellum, Cerebralcortex und Hippocampus, gemessen.
Elimination Die Elimination erfolgt überwiegend durch Metabolisierung in zwei Phasen. Die kürzere Phase
Diphtherie
Anwendungsgebiete Behandlung von Hirnleistungsstörungen im Alter; zusätzlich: Bluthochdruck bei älteren Patienten. Besserung der Stimmungslage und einzelner kognitiver Leistungen wie Orientierung, Verwirrtheit, Kurzzeitgedächtnis, Motivation und Psychomotorik.
Dosierung Orale Verabreichung am besten vor dem Essen. 3×täglich 30 Tr. od. 2–3×täglich 1 Tbl. 1 mg, oder 2 Retardkps. 2,5 mg bzw. 1 Retardkps. 5,0 mg. Kosten: 100 ml (N3) Tr. 19,31–21,49 €; 100 Tbl. (N3) forte 28,51–34,8 €; 100 Retardkps. (N3) 31,76–59,2 €.
Unerwünschte Wirkungen Appetitlosigkeit, Kopfdruck, Einschlafstörungen, Bradykardie. Bei Patienten mit Angina pectoris kann es bei längerer Behandlung (3–4 Wochen) zu pektanginösen Beschwerden kommen. Dihydroergotoxin löst orthostatische Regulationsstörungen aus und senkt den Blutdruck. Durch eine α-Rezeptor-Blockade kann es ggf. zu einer Schwellung der Nasenschleimhaut kommen. Gelegentlich treten Übelkeit, Magenbeschwerden, Erbrechen und Verdauungsstörungen auf.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Dihydroergotoxin darf im ersten und im letzten Drittel der Schwangerschaft und bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Mutterkornalkaloiden nicht angewendet werden. Auch die Stillzeit gilt als Kontraindikation, da Dihydroergotoxin in die Muttermilch übergeht. Vorsicht ist geboten bei bestehender Hypotonie und bei gleichzeitiger Behandlung mit Antihypertensiva.
Wechselwirkungen Wirkungsverstärkung durch Nitro-Verbindungen, Wirkungsabschwächung von Antihypotonika. Durch Hemmung der Thrombozytenaggregation wird die Wirkung anderer blutgerinnungshemmender Medikamente verstärkt. Wegen der Gefahr eines Ergotismus sollte Dihydroergotoxin nicht in Kombination mit anderen Ergot-Alkaloiden gegeben werden. Die dihydrierten Ergot-Verbindungen sind im Allgemeinen weniger toxisch als die genuinen Alkaloide. Die Toxizität nimmt um das 10–20fache ab, wenn die Substanz s. c. oder p. o. appliziert wird. Die Anzeichen einer Überdosis sind vielfältig und widersprüchlich. Zunächst treten Erregungszustände, Angst, Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Durchfall und Atemnot auf. Anfänglicher Blutdruckabfall und Herzjagen können später durch Blutdruckanstieg und Pulsabfall verdrängt werden. Dies kann sowohl zu einem Schock als auch zu Gefäßkrämpfen führen.
Warnhinweis Tropflösung und Injektionslösung enthalten Ethanol!
Diphtherie Definition Infektionskrankheit, verursacht durch Corynebacterium diphtheriae. Hauptsymptome sind Fieber, Halsschmerzen und eine membranöse Pharyngitis.
Einleitung Die Inkubationszeit beträgt 2–6 Tage. Ein von den Bakterien gebildetes Exotoxin ist verantwortlich für verzögerte systemische Manifestationen wie Myokarditis und Polyneuritis. Die Polyneuritis bei der Diphtherie kann mit einem akuten Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS) verwechselt werden. Die sensomotorische Polyneuropathie entwickelt sich aber verzögerter als das GBS und tritt im Mittel 1–3 Monate nach der Primärinfektion auf. Die Paresen sind proximal betont, Sensibilitätsstörungen eher distal. Eine kraniale Neuropathie mit besonderem Befall der Bulbärmuskulatur und häufig auch Akkomodationsstörungen tritt dagegen eher, innerhalb von 4–30 Tagen nach der 3
weist eine Halbwertzeit von etwa 2 h, die längere β-Phase eine von etwa 13–20 h auf. Es wurden 16 Metaboliten identifiziert, im wesentlichen Oxidationsprodukte im Prolinring des Peptidanteils. Glucuronidierung oder Sulfatierung spielen bei der Entgiftung nur eine untergeordnete Rolle. Die Hauptelimination geschieht über die Galle, nur 0,1–1‰ einer i. v. verabreichten Dosis ist im Urin als pharmakologisch aktive, unveränderte Substanz oder deren Metabolite nachweisbar.
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Dipyridamol
Primärinfektion auf. Neurologische Komplikationen treten bei etwa 20% der Fälle auf [1, 3].
Diagnostik Kultureller Nachweis der Bakterien, serologische Testung, im Liquor oft Eiweißerhöhung, Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (Zeichen der Demyelinisierung, auch Leitungsblöcke).
Therapie Es gibt keine spezifische Therapie der neurologischen Komplikationen. Vielmehr besteht die Therapie in der Gabe eines Antitoxins, sobald eine Diphtherie klinisch vermutet wird, um die Spätmanifestationen durch das Exotoxin zu vermeiden. Außerdem sollten Antibiotika verabreicht werden, um Bakterienfreiheit zu erreichen und eine Übertragung zu vermeiden. gesichert Die Dosis des Antitoxins hängt von der Lokalisation der primären Infektion und von Dauer und Schwere der Symptome ab. Wenn die Erkrankung Pharynx oder Larynx betrifft und weniger als 48 h dauert, sollten 250 IE/kgKG i. m. verabreicht werden. Bei schwereren, progredienten Erkrankungen, die seit mehr als 3 Tagen vorliegen, werden 4000 IE/kgKg i. m. empfohlen. Da das Antitoxin in Pferden produziert wird, sollte vor der Gabe eine Testmenge (0,1 ml einer 1:10 Verdünnung in Kochsalz) intrakutan oder konjunktival verabreicht werden, um Überempfindlichkeitsreaktionen zu erkennen [3]. Als Antibiose kommen Penicillin G (600.000 IE 2×täglich i. m.) oder Erythromycin (500 mg 4×täglich oral oder i. v.) über 14 Tage in Frage. unwirksam/obsolet Glukokortikoide verhindern das Auftreten einer Polyneuritis oder Myokarditis nicht.
Bewertung Diphtherie-Infektionen waren aufgrund der Impfungen in westlichen Ländern selten geworden. In den letzten Jahren kam es durch Einschleppungen aus Staaten der früheren Sowjetunion aber wieder zu einer Zunahme der Erkrankung [2]. Regelmäßige Auffrischungen der Impfung alle 10 Jahre, auch im Erwachsenenalter, sind daher wichtig.
Prognose Die Prognose der Neuropathie ist relativ gut. Während der Erkrankung kann es allerdings zur Beatmungspflichtigkeit kommen.
Literatur 1. Créange A, Meyrignac C, Roualdes B, Degos J-D, Gherardi RK (1995) Diphtheric neuropathy. Muscle Nerve 18: 1460–1463. 2. Prospero E, Raffo M, Bagnoli M, Appignanesi R, D`Errico MM (1997) Diphtheria: epidemiological update and review of prevention and control strategies. Eur J Epidemiol 13: 527–534. 3. Sommer N, Winer JB (1996) Inflammatory and Infectious Polyneuropathy. In: Brandt T, Caplan LR, Dichgans J, Diener HC, Kennard C (eds) Neurological disorders. Course and treatment. Academic Press, San Diego, pp 873–890.
Dipyridamol Gebräuchliche Fertigarzneimittel Aggrenox® Tbl. (25 mg ASS und 200 mg retardiertes Dipyridamol).
Wirkungen Dipyridamol zeigte in experimentellen Studien in vivo und in vitro selektiv auf die Koronargefäße vasodilatierende Wirkung. Bei höherer Dosis kommt es auch zu vasodilatierenden Effekten in anderen Bereichen des Organismus. Dipyridamol senkt den Blutdruck des Hypertonikers ausgeprägter als den des Normotonikers. Herzfrequenz und Schlagvolumen werden als Folge einer Vasodilatation der peripheren Kapazitätsgefäße gesteigert. Die durch Dipyridamol ausgelöste Adenosin-abhängige Vasodilatation tritt besonders in solchen Gebieten des koronaren Gefäßbettes auf, die nicht arteriosklerotisch verändert sind. Das führt zu einer Umverteilung des Perfusionsflusses zu Ungunsten des bereits mangelperfundierten Myokards (Stealeffekt) und kann Angina-pectorisAnfälle auslösen. Dipyridamol ist heute als Koronartherapeutikum zur akuten Behandlung der kornaren Herzkrankheit (KHK) in den Hintergrund getreten. Dipyridamol ist ein Hemmer von Phosphodiesterasen und führt über diesen Effekt zu einem cAMP-Anstieg sowohl in den glatten Muskelzellen der Koronargefäße als auch in den myokardialen Muskelzellen. Dieser cAMP-Anstieg ist auch in den Blutplättchen nachgewiesen und bewirkt eine Aggregations-
Diskonnektionssyndrom
hemmung der Thrombozyten. Auch der nachweisbare Adenosinkonzentrationsanstieg in den Thrombozyten erklärt einen aggregationshemmenden Effekt insbesondere auf die ADPinduzierte Thrombozytenaggregation. Therapeutisch wird heute der gerinnungshemmenden Eigenschaft der Dipyridamols in Kombination mit Acetylsalicylsäure eine große Bedeutung zugemessen.
Resorption Dipyridamol wird zu 25% aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. 60 min nach Einnahme p. o. erreicht die Konzentration im Blutserum ihr Maximum. Eine i. v.-Injektion von Dipyridamol führt zu einer sehr schnellen Verteilung der Substanz über nahezu alle Gewebe des Organismus. Bereits 15 min nach i. v.-Applikation ist das Diffusionsgleichgewicht erreicht. Die biologische Halbwertzeit des Dipyridamols beträgt 25 min. Bei p. o. Applikation unterliegt die Substanz dem enterohepatischen Kreislauf. Der Abbau erfolgt in der Leber durch Glukuronierung. Die Metabolite erscheinen größtenteils in den Faeces, nur ein geringer Teil (1–3%) wird renal ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Die therapeutische Anwendung des Dipyridamol zur antianginösen Behandlung von KHKPatienten ist heute klinisch in den Hintergrund getreten. Vorbeugung von Schlaganfällen, nachdem Vorläuferstadien aufgetreten sind (transitorisch-ischämische Attacken und prolongierte, reversible, ischämisch bedingte, neurologische Defizite), wenn eine Antikoagulanzientherapie nicht möglich oder kontraindiziert ist. Ein therapeutischer Einsatz zur Gerinnungshemmung und Thromboseprophylaxe erfordert Plasmakonzentrationen um 3,5 μmol/L. Zur Gerinnungshemmung wird mit Acetylsalicylsäure kombiniert.
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Verschlechterung der koronaren Herzkrankheit, bei schnellen i. v. Applikationen kann ein Angina-pectoris-Anfall provoziert werden. Selten Diarrhoen, Myalgien, Hitzegefühl, Herzklopfen; in Einzelfall erhöhte Blutungsneigung während und nach Operationen. In Einzelfall ist im zeitlichen Zusammenhang mit der systemischen Anwendung von nichtsteroidalen Antiphlogistika eine Verschlechterung infektionsbedingter Entzündungen (z. B. Entwicklung einer nekrotisierenden Fasciitis) beschrieben worden.
Wechselwirkungen Der Anticholinesterase-Effekt von Cholinesterasehemmern (z. B. Pyridostigmin) kann aufgehoben werden. Xanthinderivate, wie Coffein und Theophyllin, können die adenosinvermittelten Wirkungen von Dipyridamol abschwächen oder aufheben.
Anwendungsbeschränkungen Schwere koronare Herzerkrankung (z. B. instabile Angina pectoris oder vor kurzem durchgemachter Myokardinfarkt), subvalvuläre Aortenstenose oder hämodynamische Instabilität, dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere Hypotonie, hypotone Kollapszustände.
Discus intervertebralis Synonyme Bandscheibe
Definition Knorpelige Verbindung zwischen zwei Wirbelkörpern, bestehend aus Annulus fibrosus (bindegewebiger äußerer Ring) und Nucleus pulposus (innerer Gallertkern).
Dosierung und Art der Anwendung Die klinisch eingesetzten Dosen sind p. o. 2× 200 mg/d in Kombination mit Acetylsalicylsäure.
Diskonnektionssyndrom Synonyme Leitungsstörung
Unerwünschte Wirkungen Infolge der extrakardialen, vasodilatierenden Wirkungen des Dipyridamol kann es zu Kopfschmerzen, Benommenheit, Hautrötung und Zunahme der Herzfrequenz kommen. Selten
Definition Auf Unterbrechung der Verbindungen zwischen kortikalen Assoziationszentren (Assoziationsund Kommisurenfasern) beruhende neurologi-
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Diskushernie
sche Störungen, ohne dass die beteiligten kortikalen Regionen geschädigt sind.
Einleitung Diskonnektionssyndrome sind Funktionsstörungen infolge von Unterbrechungen interoder intrahemisphärischer Faserverbindungen zwischen kortikalen Projektions- und Assoziationsgebieten. Typische Diskonnektionssyndrome sind das vordere Diskonnektionssyndrom (Liepmann-Apraxie; ideomotorische Apraxie der linken Extremitäten) und das hintere Diskonnektionssyndrom ( Déjerine-Syndrom, Alexie ohne Agraphie und visuoverbale Benennungsstörungen bei Patienten mit rechtsseitiger homonymer Hemianopsie nach linksseitiger Läsion des Okzipitallappens und des Spleniums des Balkens). Beim vorderen Diskonnektionssyndrom besteht eine Unterbrechung der supplementärmotorischen und prämotorischen Areale der rechten Hemisphäre von den für die Wilkürbewegungen dominanten motorischen Zentren der linken Hemisphäre, meist infolge eines Anteriorinfarktes oder bei Schmetterlingsgliomen mit einer Schädigung der vorderen vier Fünftel des Corpus callosum. Klinisch resultiert eine isolierte ideomotorische Apraxie der linken
Körperhälfte, eine Agraphie und eine taktile Benennungsstörung der linken Hand. Unter speziellen Untersuchungsbedingungen mit lateralisierter visueller oder taktiler Reizdarbietung lassen sich Diskonnektionssyndrome auch bei Patienten mit operativer Durchtrennung des Corpus callosum (Split brain) beobachten: Werden visuelle und taktile Stimuli auf das linke Gesichtsfeld bzw. auf die linke Hand begrenzt, stehen die entsprechenden Informationen nur der rechten nichtsprachdominanten Hemisphäre zur Verfügung. Unter diesen Umständen zeigen Split-brain-Patienten das Bild einer reinen Alexie, visuelle und taktile Benennungsstörungen und eine unilaterale Apraxie und Agraphie der linken Hand.
Diskushernie Synonyme 3
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Bandscheibenvorfall, Diskusprolaps
Definition Vorwölbung des gallertigen Kerns der Bandscheibe mit Riss des Faserringes und beginn-
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Diskushernie. Abb. 1: Pathogenetischer Mechanismus bei zervikalen Wurzelkompressionssyndromen infolge Osteochondrose. Mögliche Ursachen einer Kompression zervikaler Nervenwurzeln sind laterale (links) oder intraforaminale (rechts) Bandscheibenprotrusionen bzw. –vorfälle, knöcherne Anbauten an der dorsalen Wirbelkörperkante sowie eine Einengung des Foramen intervertebrale im Zusammenhang mit einer Wirbelgelenkarthrose
Dissektion
ender Anhebung des Längsbandes noch ohne abgetrennte Gewebsteile. *
Einleitung Die klinische Symptomatik hängt von der Lokalisation der Diskushernie ab ( Bandscheibenvorfall, Prolaps, Diskus). Es können monoradikuläre Reiz- und Ausfallserscheinungen, aber auch bei medialem lumbalen Vorfall Kaudasyndrome resultieren.
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Synonyme veraltet: Dissectio, Dissekation
Definition Intimaeinriss mit lamellärer Aufspaltung der Arterienwand (meist zwischen Intima und Media, aber auch zwischen Media und Adventitia) und Eindringen von Blut zwischen diese Gefäßwandschichten.
Einleitung Lokalisation: * Eine Dissektion kann prinzipiell an allen Arterien auftreten. Prädilektionsstellen sind Gefäßabschnitte im Übergang vom Weichteilgewebe in knöcherne Strukturen, z. B. Eintritt der A. carotis in die Schädelbasis bzw. der A. vertebralis nach intervertebral oder in das Foramen magnum. * Neurologisch bedeutsam sind vor allem Dissektionen der extrakraniellen Halsgefäße (Karotis und Vertebralis), jedoch auch Dissektionen der Aorta und der supraaortalen Abgänge können sich mit neurologischen Ausfallserscheinungen manifestieren. * Insbesondere bei prädisponierenden Erkrankungen (siehe unten) können gleichzeitig mehrere Gefäße betroffen sein. Ätiologie: * Traumatisch: stumpfes oder penetrierendes Trauma, HWS-Distorsionen (z. B. Schleudertrauma), aber auch Bagatelltraumen wie Husten, Erbrechen oder chiropraktische Manöver. * Prädisponierende Erkrankungen: Das Ehlers-Danlos- oder das Marfan-Syndrom
oder im Rahmen fibromuskulärer Dysplasien. Spontan: keine manifestierbare Grunderkrankung (in bis zu 50% der Fälle). Unwahrscheinlich: durch arteriosklerotische Veränderungen oder im Rahmen von Migräneattacken.
Epidemiologie (Daten aus Frankreich und den USA): * Bei jungen Erwachsenen (30–40 Jahre) in 10–20% Ursache eines Schlaganfalls. * Spontane ACI-Dissektion: 2,5–3/100.000. * Spontane Vertebralis-Dissektion: 1–1,5/ 100000. Pathologische Erscheinungsformen: * Hämatom zwischen Intima und Media mit Ausbildung eines falschen Lumens, das gelegentlich wieder Anschluss an das wahre Lumen findet. Pathophysiologisch: Häufig Stenose oder durch lokale Thrombose Verschluss des betreffenden Gefäßes. * Hämatom zwischen Media und Adventitia mit Aussackung nach außen. Pathophysiologisch: Ausbildung von Pseudoaneurysmen und Gefahr der Thrombenbildung mit nachfolgender Embolisation. Klinik: * Carotis-interna-Dissektion: – Lokal: Halsschmerz, ipsilaterales peripheres Horner-Syndrom mit Ptosis und Miosis durch Läsion der sympathischen Fasern des zervikalen Grenzstrangs, kaudale Hirnnervenausfälle, pulssynchroner Tinnitus. – Ischämisch: Amaurosis fugax, hemisphärische Syndrome als TIA, PRIND oder manifeste zerebrale Ischämie. * Vertebralis-Dissektion: – Lokal: Hals- bzw. Nackenschmerz mit Ausstrahlung nach kranial. – Ischämisch: Hirnstamm- oder Kleinhirnsyndrome, häufig Wallenberg-Syndrom, selten isoliert zervikospinale Syndrome. 3
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Dissektion
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Diagnostik *
Konventionelle Angiographie (ehemals Goldstandard): – Pathognomonisch, aber in weniger als
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*
Dissektion
10% der Pat. nachweisbar: zweites Lumen oder zum Teil flottierendes Intima-Segel. – Nachweis einer Stenose (häufig unregelmäßig, langstreckig) oder eines Gefäßverschlusses (morphologisch meist spitz zulaufend oder auch „flammenförmig“). – Nach dem Eintritt in die Schädelbasis: Aufgrund der knöchernen Enge beim Durchtritt der ACI durch die Pars petrosa häufig wieder normale Flussverhältnisse. In der A. vertebralis setzen sich etwa 10% der Dissektionen nach dem Durchtritt durch das relativ große Foramen magnum nach intrakraniell fort. Kernspintomographie mit Kernspinangiographie (aktuell Goldstandard): – Nachweis ischämischer Areale (hemisphärisch/vertebrobasilär). – Durch die sehr gute Auflösung kann das intramurale Hämatom direkt, z. T. spiralförmig verlaufend, dargestellt werden, sodass diese Untersuchungstechnik inzwischen der konventionellen Angiographie überlegen ist. – Insbesondere Dissektionen ohne intraluminale Gefäßveränderungen können detektiert werden.
schlüsse persistieren, so ist eine Umstellung auf einen Thrombozytenaggregationshemmer zu überlegen. Aufgrund der hohen Spontanheilungsrate ist eine gefäßchirurgische oder endovaskuläre (Ballondilatation, Stentimplantation) Therapie nur im Ausnahmefall zu diskutieren (bislang kaum Daten zu Langzeitergebnissen vorliegend). Es gibt nur wenig Daten zu einer sekundärprophylaktischen Therapie nach den ersten 6 Monaten, sodass es sinnvoll ist, unter Berücksichtigung der Infarktgröße und Schwere der Gefäßläsion eine individuelle Entscheidung zu treffen.
Nachsorge Insbesondere in den ersten 2–3 Monaten kommt es zur Rückbildung von Stenosen oder Aneurysmen sowie zur Rekanalisation von Verschlüssen, daher: * Duplexsonographische Verlaufskontrollen im Abstand von 3 und 6 Monaten sind sinnvoll. * Kernspintomographische Verlaufskontrolle nach etwa 3 Monaten (persistierend unregelmäßiges Lumen).
Duplexsonographie: * Abnorme Flusssignale in mehr als 90% der Patienten. * In weniger als einem Drittel der Pat. können Intimasegel oder intramurales Hämatom direkt nachgewiesen werden. * Bestätigung durch Kernspinangiographie oder konventionelle Angiographie ist fast immer notwendig (insbesondere bei Vertebralisdissektionen).
Bewertung
Therapie
Prognose
Die Indikation zur Antikoagulation für 3–6 Monate ist gegeben, da eine thrombembolische Genese der ischämischen Infarkte vermutet wird und dopplersonographisch mikroembolische Signale nachgewiesen werden konnten. * Initial durch intravenöse PTT-wirksame Heparinisierung. * Später orale Antikoagulation mit Marcumar® und einer Ziel-INR von 2,0–3,0.
Die Prognose ist abhängig von: * Der Größe und Lokalisation des Schlaganfalls. * Der Suffizienz der Kollateralversorgung. * Der Zahl der durch die Dissektion betroffenen Gefäße.
Sollten danach kernspintomographisch oder duplexsonographisch Wandunregelmäßigkeiten, (Pseudo-)Aneurysmen, Stenosen oder Ver-
Insbesondere bei jungen Schlaganfallpatienten mit fehlenden Risikofaktoren ist eine zugrunde liegende Dissektion differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen. Die fehlende Anamnese bezüglich eines vorangegangenen Traumas schließt die Diagnose Dissektion nicht aus.
Die Rekanalisationrate bei Verschlüssen durch Dissektion liegt bei ca. 60%. 30% der Aneurysmen nehmen im Verlauf an Größe ab. Eine Embolisation aus persistierenden extrakraniellen Aneurysmen ist selten.
Dix-Hallpike-Manöver
Disulfiram Gebräuchliche Fertigarzneimittel Antabus® 0,5/0,1 Dispergetten Tbl.
Wirkungen Disulfiram hemmt die Aldehyddehydrogenase (ADH). Dadurch kommt es bei gleichzeitiger Aufnahme von Alkohol im Organismus zu einer Akkumulation des Alkoholmetaboliten Acetaldehyd, der durch die Katalyse der ADH nicht mehr in üblichem Umfang abgebaut wird. Die durch Disulfiram bei Konsum von alkoholischen Getränken ausgelöste Reaktion („Disulfiram-EtOH-Reaktion“) verursacht Rötung im Gesichts-, Hals- und Schulterbereich, Steigerung der Atmung und Herzfrequenz, Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckanstieg oder - abfall, Schwindel, Kopfschmerzen, Dyspnoe, Kollaps. Diese Symptome werden nach dem Spezialitätennamen von Disulfiram „Antabus-Syndrom“ genannt.
Wirkungsverlauf Disulfiram wird aus dem Magen-Darm-Trakt unvollständig resorbiert. Etwa 20% werden mit den Faeces abgegeben. Disulfiram wird in der Leber metabolisiert, wobei in einem ersten Schritt Diethyldithiocarbaminsäure entsteht. Diethyldithiocarbaminsäure bildet mit Proteinen „gemischte Disulfide“. Durch Kopplung entsteht Diethyldithiocarbaminsäure-Glucuronid. Weiter werden Sulfate, CS2, Diethylamin und ein Diethyldithiocarbaminsäure-Methylester gebildet. Die wasserlöslichen Produkte sind renal ausscheidungsfähig. Etwa zwei Drittel des Disulfiram werden zu CS2 metabolisiert, der exhaliert wird. Die CS2-Abatmung setzt 5 h nach p. o. Disulfiram-Aufnahme ein und dauert etwa 130 h.
Anwendungsgebiete Disulfiram wird therapeutisch zur Alkoholentwöhnung angewendet. Das bei simultaner Anwesenheit von alkoholischen Getränken und Disulfiram im Organismus auftretende unangenehme, die Befindlichkeit des Probanden erheblich störende „Antabus-Syndrom“ soll „abschreckend“ wirken: Disulfiram als AlkoholAversivum.
ner/d über mehrere Wochen. P. o. Einzeldosis bis zu 6 g oder monatelange Applikation bis zu 0,75 g/d sollen von Erwachsenen symptomlos vertragen werden. Über extreme DisulfiramEtOH-Reaktion mit Todesfolge wurde allerdings berichtet.
Unerwünschte Wirkungen Nach täglicher p. o. Dosis zwischen 0,125 und 1,5 g über längere Zeit können beim Erwachsenen Müdigkeit, Kopfschmerzen, Verminderung der Leistungsfähigkeit, Einschränkung der Vigilanz, Psychosen (Konfusion, Desorientiertheit, Interesselosigkeit, Erinnerungsverlust, Angstzustände, Wahnvorstellungen, Rastlosigkeit, Depression, Verwirrtheit, Agressivität, motorische Unruhe, Enthemmung, Betriebsamkeit), neurologische Symptome (Schwindelgefühl, Ataxie, Nystagmus, verwaschene Sprache, EEG-Grundrhythmusverlangsamung mit Dysrhythmie, Krampfanfälle) und Neuropathien auftreten. Gastrointestinale Störungen (Erbrechen, Übelkeit, abdominale Krämpfe, Diarrhoe, Obstipation) sind möglich.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Relative Kontraindikationen sind: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Psychosen; Anwendung von Medikamenten, wie beispielsweise Diphenylhydantoin, die in der Leber durch Oxidation metabolisiert werden, da Disulfiram die mikrosomalen Oxygenasen hemmt.
Hinweis Disulfiram wird in der Kautschuk verarbeitenden Industrie als Vulkanisationsbeschleuniger eingesetzt. In diesem Tätigkeitsbereich beträgt die „Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK)“ 2 mg/m3. Bei Einhaltung dieser Konzentration sollen gesundheitliche Schädigungen bei den Disulfiram-exponierten Beschäftigten nicht auftreten.
Dix-Hallpike-Manöver Definition Provokationsmanöver, mit dem in der klinischen Untersuchung ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel nachgewiesen werden kann. 3
Dosierung und Art der Anwendung Übliche Dosierung: 0,5 g Disulfiram/Erwachse-
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DLB (Lewy-Body-Demenz)
Grundlagen
Domperidon
Bei der Durchführung des Dix-Hallpike-Manövers wird der Patient aus einer sitzenden Position in eine Kopfhängelage von 30–40° bei Drehung des Kopfes um 40° gebracht. Dabei tritt Schwindel auf und es ist unter der Frenzel-Brille ein zum unten liegenden Ohr schlagender Nystagmus mit rotatorischer Komponente von Sekundendauer zu beobachten. Bei Rückkehr in die Startposition kommt es zur Auslösung eines kurzen in Gegenrichtung weisenden Nystagmus und Schwindelgefühls.
DLB (Lewy-Body-Demenz) Demenz, Lewy-Body-Demenz
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Motilium®, Filmtbl., Tropfen®.
Wirkungen Domperidon blockiert Dopamin D2-Rezeptoren und hemmt diese im Bereich des Gastrointestinaltrakts und der Area postrema des Hirnstamms. Diese gilt als „Triggerzone“ für das Brechzentrum. Die Motilität und die antro-duodenale Koordination werden gefördert sowie die Auslösung von Erbrechen erschwert. Zur Vermeidung von Übelkeit (z. B. vor einem Apomorphintest) und zur Glättung des Wirkverlaufes wird es auch bei der L-Dopa-Therapie des Parkinson-Syndromes verabreicht.
Resorption
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DNA-Antikörper, antiDoppelstrang-(ds-DNA) Definition Gegen native, nicht denaturierte DNA gerichtete Autoantikörper.
Grundlagen Die Autikörper binden an das Phosphodesoxyribosegerüst der DNA-Doppelhelix über einen Bereich von ca. fünf, häufig G/C-reichen Basen. Die wichtigste Nachweismethode ist der indirekte Immunfluoreszenz-Test (IIT) mit dem Flagellaten Crithidia luciliae, bei dem die Antikörper an ein Riesenmitochondrion (Kinetoplast) binden. Verbreitet ist weiterhin der IIT mit der Larynx-Karzinom-Zelllinie Hep2 (homogene Fluoreszenz, häufig ringförmig in der Randzone des Kerns). Der Farr-Assay erfasst vorzugsweise hochavide Antikörper, der ELISA auch niedrigavide Antikörper. Hochtitrige Seren mit hochaviden ds-DNA-Antikörper sind prädiktiv für den systemischen Lupus erythematodes (SLE), besonders mit Nieren- und ZNS-Beteiligung. Ihre Bestimmung eignet sich für die Aktivitätsbeurteilung und Therapiekontrolle des SLE. Niedrigavide Antikörper werden auch bei Nicht-SLE-Patienten (SjögrenSyndrom, Sklerodermie) gefunden. Autoantikörper, Kollagenosen.
Die Bioverfügbarkeit beträgt etwa 90% nach i. m., 12–17% nach p. o. und etwa 12% nach rektaler Gabe. Das Maximum wird im Blutplasma nach 15–75 min erreicht. Die Absorption der freien Base wird durch Antazida und Histamin H2-Antagonisten vermindert, die Absorption des Maleats ist unbeeinflusst. Die geringe Bioverfügbarkeit wirkt sich wahrscheinlich nicht auf die Wirksamkeit aus. Domperidon ist zu 93% an Protein gebunden.
Elimination Domperidon wird schnell und extensiv durch aromatische Hydroxylierung und oxidative NAlkylierung verstoffwechselt. Die Disposition von Domperidon folgt einem drei-Kompartiment-Modell. Die terminale Halbwertzeit beträgt 7,5–16 h. Bis zur Dosis von 60 mg unterliegt der Ausscheidungsmodus einer linearen Pharmakokinetik.
Anwendungsgebiete Refluxösophagitis, Dyspepsie, Gastroparese (z. B. bei Diabetes, Dyspepsie), Migräne, begleitend auch bei der L-Dopa-Therapie des Parkinson-Syndromes (s. o.).
Unerwünschte Wirkungen Gute Verträglichkeit, Inzidenz von 7% unerwünschte Wirkungen, z. B. Zentralnervensystem. Weniger als 1% Somnolenz und extrapyramidale Wirkungen, Kopfschmerzen (1,2%). Magen-Darmstörungen (2,4%), trockener
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L-Dopa
Zubereitungen L-Dopa und Benserazid im Verhältnis 4:1. L-Dopa und Carbidopa im Verhältnis 4:1 oder 10:1. L-Dopa-Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel L-Dopa und Benserazid im Verhältnis 4:1: * Madopar® 62,5/-125 Kapseln, 125 T/-250 Tabletten, LT Tabletten (100 mg L-Dopa, 25 mg Benserazid). * Levodopa comp. B STADA® 50 mg/ 12,5 mg/-100 mg/25 mg/-200 mg/50 mg. * Levopar® 62,5 mg/-125 mg/-250 mg. * PK-Levo® Tabletten 100 mg/25 mg. * Restex® Retardkapseln, - Tabletten. L-Dopa und Carbidopa im Verhältnis 4:1 oder 10:1: * NACOM® 100/-250. * dopadura® C 100/25 mg/-200/50 mg. L-Dopa + Benserazid im Verhältnis 4:1. LDopa + Carbidopa im Verhältnis 4:1 oder 10:1. L-Dopa-Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung: * isicom® 100 mg/-250 mg. * Levobeta® C 100/25/-200/50. * Levo-C AL® 100/25/-200/50. * Levocarb-GRY® 100 mg/25 mg/-250 mg/ 25 mg. * Levocarb-TEVA® 200 mg/50 mg. * Levocomp® 100 mg/-200 mg. * Levodopa-Carbi-AZU® 100 mg/25 mg/200 mg/50 mg. * Levodopa comp. C STADA® 100 mg/ 25 mg/-250 mg/25 mg. * levodopa comp. von ct 100/25/-200/50. * Levodopa-ratiopharm® comp. 100/25/comp. 200/50. * Levodop-neuraxpharm 100/25/-200/50. * Striaton® (L-Dopa 200 mg/50 mg Carbidopa).
L-Dopa-Präparate in Kombination mit dem COMT-Hemmer Entacapon * STALEVO® Tbl.
Wirkungen L-Dopa ist die bestwirksamste und verträglichste Behandlungsform der Parkinson-Krankheit auch in späteren Stadien der Krankheit. Die Wirkung von L-Dopa auf die Symptomatologie des Morbus Parkinson ist auf das daraus im Gehirn entstehende Dopamin zurückzuführen. Levodopa mindert die Symptome der Parkinsonschen Krankheit, nachdem es im Gehirn zu Dopamin dekarboxyliert wird. Carbidopa und Benserazid passieren die Blut-HirnSchranke nicht und hemmen nur die extrazerebrale Decarboxylierung von Levodopa, daher steht mehr Levodopa für den Transport ins Gehirn und für die anschließende Umwandlung in Dopamin zur Verfügung. Gut beeinflusst werden Akinese >Rigor >Tremor. Weniger gut beeinflusst: Gangstörung, Haltungsinstabilität, Dysarthrie, vegetative Störungen. Nachlassen der Wirkung häufig nach ca. 5 Jahren und Einsetzen von Fluktuationen und Dyskinesien. Deshalb bei jüngeren Patienten (<65) bei Behandlungsbeginn zunächst Dopaminagonisten-Monotherapie oder Amantadin versuchen. Kompromiss: Frühe Kombinationstherapie. Bei Präparaten mit L-Dopa/Decarboxylase-Verhältnis von 10:1 Teilen der Tabletten ist der Decarboxylaseinhibitor-Gehalt wahrscheinlich zu gering. 3
Levodopa, L-3,4-Dihydroxyphenylalanin
L-Dopa-Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung * Madopar® Depot (100 mg L-Dopa, 25 mg Benserazid). * NACOM® 100 mg RETARD/-200 RETARD (L-Dopa 100 mg/ 25 mg Carbidopa; bzw. 200 mg/50).
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Synonyme
Tremopar® 100 mg/25 mg/-200 mg/50 mg.
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L-Dopa
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Mund (1,9%) Ödeme (0,5%), Hautreaktionen (1,1%).
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Pharmakologische Daten HWZ der unretardierten bzw. Depot-Präparate 50–120 min. Gabe p. o. mit nicht-liquorgängigem Decarboxylasehemmer (Benserazid, Carbidopa): Verminderung der peripheren Umwandlung in Dopamin und der damit verbundenen Nebenwirkungen (Übelkeit, Verzögerung der Magenentleerung, Verlangsamung der gastointestinalen
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L-Dopa
Motilität, orthostatische Dysregulation, Blutdrucksteigerung, Arrhythmien). Gabe getrennt von den Mahlzeiten begünstigt die Passage ins ZNS, da L-Dopa mit anderen Aminosäuren um die Carriersysteme konkurriert. Retardierte Präparate: Langsame gastrointestinale Freisetzung, niedrige Absorptionsrate (50–70% von unretardierten Präparaten), niedrigere Blutspiegelgipfel, längere therapeutische Blutkonzentration. Levodopa und Benserazid/Carbidopa werden zum größten Teil (66–74%) im oberen Dünndarmabschnitt resorbiert. Nach der Einnahme wird die maximale Plasmakonzentration von Levodopa nach ungefähr einer Stunde erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit von Levodopa nach der Einnahme der nicht reatrdierten oder Depot Präparaten beträgt um die 100%. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme beeinträchtigt oder vermindert die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Resorption von Levodopa. Die Spitzenkonzentration im Plasma ist um 30% niedriger und tritt später auf, wenn L-Dopa zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen wird. Nahrung vermindert das Ausmaß der Resorption um 15%. Die Resorption wird auch durch Verzögerungen der Magenentleerung vermindert. Die Bioverfügbarkeit der retadierten oder Depot Präparate beträgt etwa 50–70% derjenigen der gewöhnlichen Kapseln und Tabletten. Levodopa überwindet die Blut-Hirn-Schranke durch einen sättigbaren Transportmechanismus. Es wird nicht an Plasmaproteine gebunden. Sein Verteilungsvolumen beträgt 57 l. Im Gegensatz zu Levodopa überwinden Benserazid und Carbidopa in therapeutischen Dosen die Blut-Hirn-Schranke nicht. Benserazid wird vor allem in den Nieren, in den Lungen, im Dünndarm und in der Leber konzentriert. Es gibt zwei Hauptwege der Metabolisierung von Levodopa: Decarboxylierung und O-Methylierung ( COMT-Hemmer). Daneben existieren zwei Nebenwege: Transaminierung und Oxidation. Die Decarboxylierung von Levodopa zu Dopamin erfolgt durch eine aromatische Aminosäuredecarboxylase. Die Hauptabbauprodukte dieses Weges sind Homovanillinsäure und Dihydroxyphenylessigsäure. Die CatecholO-Methyltransferase methoxyliert Levodopa zu 3O-Methyldopa. Dieser Hauptmetabolit im Plasma hat eine Eliminationshalbwertszeit von 15–17 Stunden und kumuliert bei Parkinson-
Patienten, die therapeutische Dosen von LDopa erhalten. Benserazid wird in der Darmschleimhaut und in der Leber zu Trihydroxybenzylhydrazin hydroxyliert. Bei peripherer Hemmung der Levodopa-Decarboxylase beträgt die Eliminationshalbwertszeit von Levodopa etwa 1,5 Stunden. Bei älteren Parkinson-Patienten ist die Eliminationshalbwertszeit um ca. 25% verlängert. Die Clearance von Levodopa beträgt ca. 430 ml/min. Die Ausscheidung von unverändertem Levodopa im Harn beträgt 7% der verabreichten Dosis. Levodopa wird hauptsächlich durch Biotransformation und anschließende renale Ausscheidung der Metaboliten eliminiert. Benserazid wird ebenfalls fast vollständig in Form von Metaboliten ausgeschieden. Die Metaboliten werden vor allem mit dem Urin und ein kleiner Teil mit den Faeces ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Alle Stadien der Parkinson-Krankheit, RestlessLegs-Syndrom, akuter und chronischer LDopa-Test, um das dopaminerge Ansprechen bei Parkinson-Syndromen wie das idiopathische Parkinson-Syndrom (Kriterium gute bis exzelente L-Dopa-Response), multipler Systematrophie u. a. zu untersuchen, Dopa-responsive Dystonie (Segawa-Syndrom). 3
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Dosierung/Anwendung L-Dopa Präparate werden zu Beginn einschleichend und in allen Phasen der Krankheit individuell und so niedrig wie möglich und so viel wie nötig dosiert. Die folgenden Dosierungsangaben gelten deshalb als Richtlinien. 1. Parkinson´sche Krankheit: Da die Resorption durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme behindert oder reduziert werden könnte, sollte Madopar® wenn möglich 30 Minuten vor oder 1 Stunde nach den Mahlzeiten eingenommen werden. Bei manchen Patienten kann aber die Verträglichkeit bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme insbesondere zu Beginn der Krankheit besser sein. Im Frühstadium der Parkinson´schen Krankheit ist es empfehlenswert, die Behandlung mit 3–4mal täglich ½ 50 mg L-Dopa plus peripheren Decarboxylasehemmer zu beginnen. Ein Langzeitvorteil der Ersteinstellung mit einem Retard- oder Depot Präparat
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L-Dopa
konnte bisher nicht gezeigt werden. Sobald die Verträglichkeit und der positive Effekt des Dosierungsschemas für die Initialtherapie bestätigt ist, sollte die Dosis langsam, entsprechend dem Ansprechen des Patienten, angepasst werden (zum Beispiel vier Dosen pro Tag statt drei usw., Kombination mit Dopaminagonist, Amantadin etc.). Sollten bei einem Patienten im Laufe des Tages starke Wirkungsschwankungen auftreten (On-Off-Phänomene), empfiehlt sich eine häufigere Verabreichung entsprechend kleinerer Einzeldosen. Bei den retardierten bzw. Depot-Präparaten kann der Wirkungseintritt bis etwa drei Stunden nach Einnahme verzögert auftreten. Diese Präparate eignen sich besonders bei Patienten, die nachts unter Symptomen leiden (2–3 Kapseln Madopar® Depot bzw. 1× NACOM® 200 RETARD). Die Patienten sind sorgfältig auf mögliche psychische Nebenwirkungen zu beobachten. Beim Umstellen von Standard L-Dopa-Präparaten auf gelöstes L-Dopa in der Form z. B. von Madopar® LT muss die unterschiedliche Pharmakokinetik (raschere Resorption) berücksichtigt werden. 2. Restless-Legs-Syndrom: Das Dopa-Präparat wird eine Stunde von dem Zubettgehen oral eingenommen. Die Einnahme erfolgt am besten mit etwas Flüssigkeit und Gebäck. Vor der Einnahme sind große eiweißreiche Mahlzeiten zu vermeiden. In der Regel wird die Behandlung der Einschlafstörungen zunächst mit der Einnahme von 100 mg Standard L-Dopa-Präparat mit Decarboxylasehmmer abends vor dem Schlafengehen begonnen. Bei weiter bestehenden Symptomen kann die Dosis verdoppelt werden, auf Dopaminagonisten (insbesondere bei Augmentation unter L-Dopa) umgestellt werden, bzw. ein retardiertes/ Depot-Präparat zusätzlich versucht werden (wenn Restless-Legs-Beschwerden in der zweiten Nachthälfte nicht ausreichend gebessert werden). Dialysepflichtige Patienten mit urämischen Restless-Legs-Beschwerden sollen etwa 1 Stunde vor der Dialyse bei Bedarf 1–2× 100 mg Standard L-Dopa-Präparat mit Decarboxylasehmmer einnehmen. Bei Patienten mit mäßigen Leberfunktionsstörungen
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oder mit leichten bis mäßigen Nierenfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Unerwünschte Wirkungen Dyskinesien und On-Off-Phänomene im Rahmen des Levodopa-Langzeitsyndroms, Myoklonien der Gesichtsmuskulatur, Unruhe, Ängstlichkeit, Aggressivität, Halluzinationen, Wahnideen, depressive Verstimmungen, hypomanische Zustände, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Durchfall, Obstipation, gastrointestinale Blutungen, passagere Erhöhung von SGOT, SGPT, alkal. Phosphatase, Harnstoff, Harnsäure, Blutbildveränderungen (Leuko-, Thrombopenien), Hypersexualität, Arrhythmien, Herzklopfen, EKG-Veränderungen, kardiovaskuläre Störungen (zum Beispiel Herzrhythmusstörungen oder orthostatische Hypotonie) können gelegentlich auftreten. Ferner: Appetitverminderung, Anorexie, Nausea, Erbrechen, Diarrhöe und Mundtrockenheit. In Einzelfällen vorübergehender Geschmacksverlust bzw. eine Änderung des Geschmacksempfindens, allergische Hautreaktionen, Erhöhung der Transaminasen und der alkalischen Phosphatase, hämolytische Anämie, vorübergehende Leukopenie und Thrombopenie, Verkürzung der Thromboplastinzeit, Erhöhung der Harnstoff-Stickstoffwerte, leichte Urinverfärbungen (Rotfärbung, die sich bei längerem Stehenlassen dunkel färbt).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Thyreotoxikose, Tachykardien, Phäochromozytom, schwere Herz- und Lebererkrankungen, schwere Blutbildveränderungen, schwere Psychosen, Melanom (steht in den Produktinformationen, allerdings in der Weltliteratur nicht bestätigt), Magen-Darm-Ulzera, Schwangerschaft, Stillzeit, schwere Nierenerkrankungen (Die Wirkung an der Niere ist nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise tritt eine Verschlechterung der Nierenfunktion ein, deshalb Funktionskontrolle!). Bei Benserazid haben Tierstudien unerwünschte Effekte auf den Fötus gezeigt, es existieren keine kontrollierten Humanstudien. Benserazid, z. B. in Madopar®, PK-Levo® ist daher während der Schwangerschaft und bei gebärfähigen Frauen (z. B. bei Restless Legs, Segawa-Syndrom!), die keine verlässlichen Maßnahmen zur Kontrazeption einhalten, wegen möglicher Stö-
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Dopamin
rung der Knochenentwicklung des Fötus kontraindiziert.
Wechselwirkungen L-Dopa darf nicht in Kombination mit nicht selektiven irreversiblen Hemmern der Monoaminooxidase (MOA) verabreicht werden. Die Kombination mit selektiven MAO-B-Hemmern, wie z.B. Selegilin oder die Kombination mit selektiven MAO-A-Hemmern wie Moclobemid mit Madopar ist nicht kontraindiziert. Bei gleichzeitiger Gabe von Anticholinergika wird die Geschwindigkeit der Levodopa Resorption reduziert. Neuroleptika, Opioide und reserpinhaltige Antihypertensiva antagonisieren die Wirkung von Levodopa. Die Einnahme einer proteinreichen Mahlzeit kann zu einer geringeren Resorption von LDopa im Magen-Darm-Trakt führen. Antazida reduzieren die Levodopa Resorption um etwa ein Drittel.
nen haben. Auch in der Peripherie, insbesondere an der Gefäßmuskulatur, finden sich Dopaminrezeptoren. Ein praktisch wichtiger Unterschied zwischen Dopamin und den meisten Sympathikomimetika besteht in der Wirkung auf die Gefäße. So löst Dopamin eine Gefäßdilatation vor allem in den renalen Gefäßen aus, die durch β-Adrenozeptor-Blocker nicht hemmbar ist. Dopamin reagiert nicht nur mit Dopaminrezeptoren, sondern auch mit α- und β-adrenergen Rezeptoren und wirkt zusätzlich als indirektes Sympathikomimetikum, indem es die Freisetzung von Noradrenalin an präsynaptische Membranen stimuliert. Am Herzen, das keine nachweisbare Ausstattung mit DopaminRezeptoren hat, wirkt Dopamin vorwiegend über β1-Adrenozeptoren positiv inotrop und positiv chronotrop. Die daraus resultierende Zunahme des Herzzeitvolumens ist durch βAdrenozeptor-Blocker weitgehend aufhebbar. Außerdem wird die Aktionspotentialdauer verkürzt, die Erregbarkeit und die Automatie-Bereitschaft erhöht.
Bewertung Weiterhin Goldstandard der Parkinson-Therapie, wenn auch in den jüngeren großen Studien zur initialen Monotherapie mit Cabergolin, Ropinirol und Pramipexol gezeigt werden konnte, dass die Verträglichkeit mit Ausnahme von psychiatrischen Nebenwirkungen bei adäquater Aufdosierung und die Wirksamkeit in den ersten Jahren der Krankheit dem L-Dopa fast als gleichwertig anzusehen ist.
Dopamin Gebräuchliche Fertigarzneimittel ®
Dopamin-Fresenius 50 mg/5 ml/200 mg/5 ml/ 250 mg/50 ml/500 mg/50 ml, Dopamin-ratiopharm® 50/200 Lösungskonzentrat, Dopamin Solvay® 50 C/200 C/250 Infus/500 Infus.
Wirkungen Dopamin ist ein körpereigenes Katecholamin, das einerseits als biochemischer Präkursor für die Synthese der Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin dient, andererseits eigene Funktionen als Neurotransmitter hat. So findet man insbesondere im Gehirn dopaminerge Neurone, die über eine Aktivierung von D1 und D2-Rezeptoren unterschiedliche Funktio-
Wirkungsverlauf Dopamin wird enteral nicht resorbiert. Es wird deshalb i. v., meist als Infusion gegeben. Die Plasmahalbwertzeit von Dopamin beträgt 2– 3 min.
Anwendungsgebiete Dopamin wird eingesetzt zur Behandlung des zirkulatorischen Schocks. Bei hochgradigen Stenosen und hämodynamischer zerebraler Ischämie Gabe unter Überwachung auf der Stroke unit.
Dosierung und Art der Anwendung Die Therapie erfolgt als i. v. Infusion von 0,5– 5 μg/kg/min. Nicht selten, insbesondere bei septischem Schock, muss jedoch die Dosis drastisch erhöht werden bis zu 20 μg/kg/min, in Ausnahmefällen bis zu 50 μg/kg/min. Der Vorteil des Dopamins gegenüber anderen positiv inotropen und vasoaktiven Substanzen in der Schockbehandlung liegt in der Verbesserung der Nierendurchblutung, die im zirkulatorischen Schock soweit eingeschränkt sein kann, dass ein akutes Nierenversagen droht. Dopamin ist alkaliempfindlich und sollte daher nicht in Infusionslösung. mit einem pH über 8 für längere Zeit (über 5 h) verabreicht werden.
Dopaminagonisten
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Unerwünschte Wirkungen
Toxikologische Eigenschaften
Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Unruhe, Fingertremor. Pektanginöse Beschwerden, Herzklopfen und Blutdruckanstieg kommen vor. Bei einzelnen Patienten kann jedoch auch Hypotension auftreten, die durch Dosiserhöhung in der Regel beseitigt werden kann. Mit steigender Dosis (oberhalb 4 μg/kg/min) können auch Herzrhythmusstörungen, insbesondere Sinustachykardien und supraventrikläre Ektopien, aber auch Sinus-Bradykardien sowie ein unerwünschter Anstieg des linksventrikulären enddiastolischen Druckes ausgelöst werden. Aufgrund der Blutumverteilung durch Dopamin kann es nach Infusion zu Hautnekrosen kommen, insbesondere bei gefährdeten Patienten mit akralen Durchblutungsstörungen. Bei Operationen im Splanchnikusbereich besteht erhöhte Blutungsgefahr, da Dopamin insbesondere diesen Bereich gut durchblutet. Eine versehentliche paravenöse Infusion kann zu Nekrosen führen. Deshalb sollte eine Infusion mit einem Venenkatheter bevorzugt werden. Als Gegenmaßnahme sollte eine sofortige Infiltration mit Phentolamin erfolgen.
Überdosierung: Bei versehentlicher Überdosis kommt es zu einem starken Blutdruckanstieg und Tachyarrhythmien. Da die Halbwertzeit von Dopamin kurz ist, reicht das Drosseln der Infusion als Gegenmaßnahme meist aus. Sollte dies nicht ausreichen, sind kurzwirksame α-Rezeptorenblocker indiziert.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Thyreotoxikose, Phäochromozytom, Engwinkelglaukom, Prostataadenom mit Restharnbildung, tachykarde Herzrhythmusstörungen. Da in den meisten galenischen Zubereitungen von Dopamin Disulfite als Stabilisator enthalten sind, sollte keine Anwendung bei Asthmatikern mit Sulfit-Überempfindlichkeit erfolgen. Anwendung in der Schwangerschaft nur nach strenger Indikation.
Wechselwirkungen Die gleichzeitige Verabreichung von MAOHemmern, Guanethidin bzw. anderen indirekten Sympathomimetika oder Diuretika verstärkt die Wirkung von Dopamin, d. h. die Dopamindosis muss reduziert werden. Die Kombination mit trizyklischen Antidepressiva oder Halothan erhöht die Gefahr von Rhythmusstörungen. Die Kombination von Phenytoin und Dopamin erhöht die Neigung zu Blutdruckabfall und Bradykardie. Die Kombination von Dopamin und Sekalealkaloiden kann zu einer extremen peripheren Gefäßkonstriktion mit Gangrängefahr führen. Butyrophenonderivate können durch Blockierung von dopaminergen Rezeptoren die Dopaminwirkung antagonisieren.
Dopaminagonisten Zubereitungen Ergot-Derivate: α-Dihydroergocryptin, Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid. Non-Ergot-Derivate: Pramipexol, Ropinirol. Apomorphin zur subkutanen Applikation.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel In der historischen Reihenfolge ihrer Marktzulassung: Bromocriptin (Bromocrel®, bromocriptin 2,5 von ct, Bromocriptin AZU®, Bromocriptin beta®, Bromocriptin-ratiopharm®, Bromocriptin-TEVA®, kirim, Pravidel®), Tabletten zu 2,5 mg, 5 mg und 10 mg. Lisurid (Dopergin®), Tabletten zu 0.2 mg und 0.5 mg. Pergolid (Parkotil®; Permax® in Österreich und Schweiz), Tabletten zu 0.05 mg (weißgelb in Startpackung), 0.25 mg (grün) und 1.0 mg (rosa). α-Dihydroergocryptin (Almirid®, Cripar®) Kaps. 5 mg und Tbl. 20 mg mit Bruchrillen für 5 mg. Cabergolin (CABASERIL®) Tbl. zu 1 mg, 2 mg und 4 mg. Ropinirol (Requip®) Tbl. zu 0.25 mg (weiß), 0.5 mg (gelb), 1 mg (grün), 2 mg (rosa) und 5 mg (blau). Pramipexol (Sifrol®) Tbl. zu 0,088 mg, 0,18 mg, 0,35 mg und 0,7 mg PramipexolBase (entsprechend 0,125 mg, 0,25 mg, 0,5 mg und 1,0 mg Pramipexol–Salz). Apomorphin (als Penject: ApoGo, Apomorphin-Teclapharm).
Wirkungen Dopaminergika, welche ohne Zwischenschaltung des präsynaptischen Dopaminsystems direkt an striatalen Dopaminrezeptoren wirken, werden als Dopaminagonisten bezeichnet.
D
Dopaminrezeptorblocker, Früh- und Spätdyskinesien
Wirkungsweise: Dopamin entfaltet seine physiologischen Wirkungen im Striatum über die Interaktion mit 2 verschiedenen Klassen von Dopaminrezeptoren, welche pharmakologisch ursprünglich anhand ihrer Interaktion mit der Adenylatcyclase charakterisiert wurden: Dopamin-D1-Rezeptor-Stimulation führt zu Aktivierung der Adenylatcyclase mit vermehrter cAMP-Bildung, Stimulation von DopaminD2-Rezeptoren hat den gegenteiligen Effekt. Inzwischen sind 5 Dopamin-Rezeptor-Typen kloniert worden, welche pharmakologisch aber immer noch als Dl-artig (D1-Klone und D5Klone) bzw. D2-artig (D2-, D3- und D4Klone) charakterisiert werden. Die Koaktivierung beider Dopaminrezeptor-Subtypen durch Dopamin wird als Basis der optimalen Antiparkinsonwirkung von L-Dopa angesehen. Demgegenüber wirken die Dopaminagonisten der Ergotreihe in unterschiedlichem Ausmaß selektiv auf D2-Rezeptoren. Dies wird als Grund für die gegenüber L-Dopa geringere Anti-Parkinson Wirkung der Ergot-Alkaloide angesehen.
deutlich verminderte Inzidenz von Spätkomplikationen. Jüngere Patienten sind wegen des zu erwartenden längeren Verlaufes von diesen Komplikationen am meisten betroffen. In den jüngeren großen Studien zur initialen Monotherapie mit Cabergolin, Ropinirol und Pramipexol konnte gezeigt werden, dass die Verträglichkeit mit Ausnahme von psychiatrischen Nebenwirkungen bei adäquater Aufdosierung und die Wirksamkeit in den ersten Jahren der Krankheit dem L-Dopa fast als gleichwertig anzusehen ist. Bisher finden sich keine ausreichenden vergleichenden Studien, die eine Differenzialtherapie einzelner Dopaminagonisten begründen könnten.
Dopaminrezeptorblocker, Frühund Spätdyskinesien Synonyme Neuroleptika, Antipsychotika
Definition
Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol 3
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Anwendungsgebiete Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol 3
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Dosierung/Anwendung Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol 3
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Unerwünschte Wirkungen Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol 3
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Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol
Dopaminrezeptorblocker sind Pharmaka, deren gemeinsamer Nenner der Antagonismus zentraler postsynaptischen Dopaminrezeptoren darstellt.
Einleitung Neuroleptika sind bei weitem diejenigen Pharmaka, die am häufigsten Dyskinesien ( Frühdyskinesien; Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive)) verursachen. Aber nicht nur bei der neuroleptischen Pharmakotherapie der Psychosen werden Dopaminrezeptorblocker enthaltende Pharmaka eingesetzt, sondern auch bei zahlreichen anderen Indikationen. Gemeinsamer Nenner dieser Pharmaka ist ein Antagonismus an zentralen postsynaptischen Dopaminrezeptoren. Der Begriff Dopaminrezeptorblocker erscheint daher im Zusammenhang mit Dyskinesien als Überbegriff sinnvoller als Neuroleptika. Darüber hinaus verursachen andere Pharmaka, die nicht direkt in den Dopaminstoffwechsel eingreifen, medikamentös induzierte Bewegungsstörungen. Neben ihrem Einsatz als Antipsychotika werden Dopaminrezeptorblocker beispielsweise als * Tranquillantia/Anxiolytika, z. B. Fluspirilen, Imap®, 3
Pharmakologische Daten
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Wechselwirkungen Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol 3
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Bewertung Die initiale Monotherapie mit Dopaminagonisten bzw. die frühe Kombinationstherapie von Dopaminagonisten und L-Dopa zeigen eine
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Doppelbilder * *
Antiemetika/Antivertigonosa, z. B. Triflupromazin, Psyquil®und Magen-Darm-Mittel (Beschleuniger der Magen-Darm-Passage, Antiemetika), z. B. Metoclopramid, – Gastrosil®, Ceolat®, Gastro-Timelets® retard, Gastrosil®, Metogastron® retard, Paspertin®, Pertin®, Paspertase® (Österreich); – Gastrosil®, Gastro-Timelets®, Paspertin®, Primaperan® (Schweiz); – Cerucal®, duraclamid®, Gastronerton®, Gastrosil®, Gastro-Tablinen®, Gastrotem®, Gastro-Timelets®, Gastrotranquil®, Hyrin®, Paspertin® (Deutschland).
1. Spektrum der durch Dopamin-Rezeptorblocker (DRB) induzierten Bewegungsstörungen. a) Akute dystone Reaktionen: * Okulogyre Krisen (tonische konjugierte Blickwendung nach oben). * Blepharospasmus. * Linguale Dystonie (Zungenprotrusionen). * Phayrngeale/laryngeale Dystonie („Schlundkrämpfe“). * Oromandibuläre Dystonie (Kieferöffnungs-, Schließungstyp). * Zervikale Dystonie: Mischbilder aus Retro- (am häufigsten),Torti-,Antero-, Laterokollis. * Axiale Dystonie, Pisa Syndrom (axiale Dystonie mit Neigung zu einer Seite), Tortipelvis. * Opisthotonus (extreme dorsalkonkave Rumpfbeugung nach hinten). * Generalisierte Dystonie mit bizarrren Extremitätenhaltungen. b) Akathisie („Unfähigkeit zu sitzen“) akut, subakut, chronisch, tardiv: * „marching in place“-Syndrom. * Pseudoakathisie (motorische Unruhe ohne innerlicher Unruhe). c) Medikamentöses Parkinson-Syndrom: * Rabbit-Syndrom („Mümmeln“, Variante des medikamentösen Parkinson-Syndroms, Ruhetremor im Mund-, Kinn-, Kieferbereich). d) Tardive Syndrome (persistierend): * Tardive Dyskinesie (klassische, orobukkolingual betont), oft mit „fly catchers tongue“ (schwere Form mit Zungenprotrusionen).
339
*
Klavierspielphänomen (Extensions-, Flexionsbewegungen der Finger). * Beteiligung der Atmung (respiratorische Dyskinesie) und mit rhythmisch, wippenden Beckenbewegungen (kopulatorische Dyskinesie). * Tardive Dystonie (fokal, segemental, generalisiert), typisch jüngere Männer mit Retrokollis. * Tardive Akathisie. * Weitere tardive Syndrome: Tardive Tics, okulogyre Krisen, Myoklonus, Tremor, Tourette, tardiver Parkinson. 2. Differenzialdiagnose des Dopaminrezeptorblocker induzierten orobukkolingualen Syndroms: * Idiopathische/sekundäre (z. B. tardive) oromandibuläre Dystonie (Kieferschluss-, Kieferöffnungstyp). * Rabbit-Syndrom (medikamentös induzierter Parkinson-Tremor im Lippenkieferbereich). * Dyskinesien bei Zahnlosigkeit. * Stereotypien bei Schizophrenie. * Spontane senile Dyskinesie * Chorea-Syndrome bei degenerativen Krankheiten: – Huntington-Krankheit. – Neuroakanthozytose. * Chorea-Syndrome bei metabolischen Störungen: – Morbus Wilson. – Hyperparathyreoidismus, Hyperthyreoidismus. – Schwangerschaft, orale Antikonzeptiva. – Polyzythämia rubra. * Chorea-Syndrome bei Vaskulitiden, zerebrovaskulären Störungen.
3
Doppelbilder Definition Leitsymptom einer Augenmuskelparese sind Doppelbilder. Sie können je nach Beteiligung der betroffenen Muskeln horizontal, vertikal oder schräg versetzt sein. Der Abstand der Doppelbilder nimmt bei Blick in Richtung des gelähmten Muskels zu. Kompensatorische Kopfhaltung zur Verringerung des Schielwinkels.
D
340
Down-beat-Nystagmus
Einleitung Doppelbilder können durch mechanische, muskuläre oder neurogene (infranukleäre/nukleäre) Beeinträchtigung der Augenbeweglichkeit entstehen. Sie können fluktuierend sein (Myasthenie).
Therapie Primäres Ziel ist die Therapie der Grunderkrankung (z. B. Myasthenie, okuläre Myositis). Symptomatische Therapie der Doppelbilder durch Prismenbrille, Operation. Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre.
mus gebildeten Hauptmetaboliten Desmethyldoxepin zugeschrieben. Im Vergleich zu anderen trizyklischen Antidepressiva ist Doxepin nur ein schwacher Hemmer der präsynaptischen Noradrenalin- und (noch schwächer) der Serotoninaufnahme. Beide Effekte werden von antihistaminergen, α1-blockierenden und anticholinergen Wirkungen, die deutlich schwächer ausgeprägt sind als bei Amitriptylin, überlagert. Typisch für die Wirkung trizyklischer Antidepressiva ist eine Beeinflussung des Schlafprofils mit Verringerung des REM(rapid eye movement)-Schlafes. Doxepin scheint darüber hinaus die Gesamtschlafzeit zu steigern.
3
Resorption
Down-beat-Nystagmus Nystagmus
3
Doxepin Zubereitungen Doxepin wird als Tabletten, Dragees, Filmtabletten, Kapseln, Injektionslösung, Tropfen angeboten.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Aponal®, Doneurin®, Doxepin Holsten, Doxepin AL, Doxepin AZU®, Doxepin beta®, doxepin-biomo®, Doxepin dura®, Doxepin-neuraxpharm®, Doxepin-ratiopharm®, Doxepin RPh®, Doxepin STADA®, Doxepin-TEVA®, Mareen®, Sinquan®.
Wirkungen Doxepin ist ein trizyklisches Antidepressivum mit antidepressiv-stimmungsaufhellenden, anxiolytischen und psychomotorisch dämpfenden Wirkungen, die denen des Amitriptylins sehr ähnlich sind. Die im Vergleich zu Amitriptylin etwas stärker ausgeprägten psychomotorisch dämpfenden (sedativen) und die anxiolytischen Wirkungen treten innerhalb weniger Tage und etwas schneller als bei Amitriptylin auf. Die antidepressiv-stimmungsaufhellende Wirkung setzt, wie auch bei anderen trizyklischen Antidepressiva, in der Regel erst nach 2 bis 3 Wochen ein. Ein Teil der pharmakologischen Wirkungen wird dem durch N-Demethylierung im Organis-
Die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt ist gut. Der maximale Plasmaspiegel wird nach 2– 4 h erreicht. Die p. o.-Bioverträglichkeit beträgt jedoch wegen eines ausgeprägten hepatischen First-Pass-Effektes nur etwa 17–37%. Die gleichzeitige Gabe von Cimetidin kann die Bioverfügbarkeit von Doxepin steigern. Die wiederholte Gabe konstanter täglicher Dosen (75– 300 mg/d) führt zu Kumulation. Ein Gleichgewicht des Plasmaspiegels wird in der Regel nach 1–2 Wochen erreicht und nach 150 mg/d wurden Plasmakonzentrationen. zwischen 24 und 105 ng/ml gefunden (Doxepin plus Desmethyldoxepin). Als Psychopharmaka mit hoher Lipidlöslichkeit gelangen Doxepin und Desmethyldoxepin gut und schnell ins ZNS. Die Plasmaeiweißbindung liegt bei 90%.
Elimination Doxepin wird vorwiegend in der Leber metabolisiert. Hauptmetabolit ist dabei das durch NDemethylierung entstehende ebenfalls antidepressiv wirksame Desmetyldoxepin (mittlere Plasmahalbwertzeit zwischen 19 h und 44,8 h, wobei Einzelwerte bis zu 80 h ermittelt wurden). Weitere Metabolite werden als Glukuronide zu 60% renal ausgeschieden. Die Plasmahalbwertzeit von Doxepin liegt im Mittel bei 16,8 h und variiert zwischen 8,2 h und 24,8 h. Bei älteren Patienten kann sie länger sein. Einnahme von Cimetidin kann den Metabolismus von Doxepin verzögern, während Rauchen ihn beschleunigen kann.
Anwendungsgebiete Depressives Syndrom, Depressionen mit vorwiegend somatischen Beschwerden, reaktive
Doxycyclin
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Dosierung und Art der Anwendung
ka, Hypnotika, sedierende Neuroleptika; auch Monoaminooxidasehemmstoffe. Der antihypertensive Effekt von α2-Agonisten wie Clonidin und α-Methyldopa sowie die Wirkung von Guanethidin können abgeschwächt oder vollständig antagonisiert werden.
Dosis des Erwachsenen: Von anfänglich 25 mg/ d auf 75–150 mg/d.
Toxikologie
und neurotische Depressionen, Schlafstörungen, depressive Stadien der Zyklothymie, Involutionsdepressionen, chronische Schmerzen, Bulimie.
Unerwünschte Wirkungen Unerwünschte Wirkungen lassen sich im Wesentlichen als anticholinerg, antihistaminerg und antiadrenerg beschreiben. Mit den antihistaminergen Effekten und den Wirkungen am serotonergen System stehen möglicherweise die Appetitssteigerung mit Gewichtszunahme, hypotone Blutdruckrreaktion, Schwindelgefühl, Verwirrtheit und mit den α-blockierenden Wirkungen orthostatischer Hypotonie und reflektorischer Tachykardie in Verbindung. Den anticholinergen Effekten lassen sich Wirkungen wie Sedation, Schläfrigkeit und Sehstörungen zuordnen. Es kann zu Auslösung von Glaukomanfällen, Mundtrockenheit, Herzrhythmusstörungen, Obstipation, Miktionsstörungen, Störungen der Sexualfunktion und Gedächtnisstörungen kommen. Die kardiodepressiven Effekte sind denen des Amitriptylins vergleichbar und werden auf chinidinähnliche oder membranstabilisierende Wirkungen zurückgeführt. Agranulozytosen sind äußerst selten.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wegen der Gefahr des Auftretens hyperpyretischer Krisen und schwerer Krämpfe sollten trizyklische Antidepressiva nicht gleichzeitig mit Monoaminooxidasehemmstoffen angewendet werden. Wegen der kardiodepressiven Wirkung sollte eine Anwendung in der Genesungsphase nach einem Myokardinfarkt nicht erfolgen. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Krampfleiden und (wegen der atropinähnlichen Wirkung) mit Miktionsstörungen, Glaukom oder gesteigertem intraokulärem Druck. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten sorgfältig beobachtet werden. Vorsicht auch bei Hyperthyreose. Doxepin kann die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen.
Wechselwirkungen Die Wirkungen verschiedener zentral dämpfender Pharmaka werden verstärkt: Alkohol, Psychosedativa, Sedativa, morphinartige Analgeti-
Die Toxizität von Doxepin ist mit der von Amitriptylin vergleichbar: Vergiftungserscheinungen sind nach Dosen von über 500 mg zu erwarten, und es wurden Intoxikationen mit bis zu 3.700 mg überlebt. Typische Wirkungen hoher Dosen sind anticholinerge Effekte wie Verwirrtheit, Hyperreflexie und zentrale Krämpfe, die von dosisabhängigen Wirkungen auf die katecholaminergen Mechanismen (Nach hohen Dosen: Senkung von Myokardkontraktilität, Herzfrequenz und Koronardurchblutung) und chinidinähnlichen Wirkungen am Herzen überlagert werden und zum Kreislaufversagen führen.
Doxycyclin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Ambroxol comp ratiopharm® Retardkps., Doxy 100/200 von ct® Kps., Tbl., Vibramycin® N, - Tabs; Vibravenös® SF.
Wirkungen Doxycyclin hemmt – wie andere Tetrazykline – die Proteinbiosynthese in der Bakterienzelle. Doxycyclin ist ein Breitspektrum-Antibiotikum. Bakterienstämme mit MHK-Werten ≤4 μg/ml gelten als sensibel. Dazu gehören grampositive Erreger (Pneumokokken, MHK: 0,04–0,4 μg/ml; Staphylokokken, MHK: 0,04–1,6 μg/ml; Streptokokken, MHK: 0,09– 1,6 μg/ml; Corynebakterium; Listeria monocytogenes; Propionibakterium; Actinomyces; Nocardia), gramnegative Erreger (Neisserien, MHK: 0,09–3,1 μg/ml; einige Enterobacteriaceae; Haemophilus influenzae, MHK: 1,6– 6,3 μg/ml; Fusobakterium; Vibrio cholerae; Yersinia; Treponema), außerdem Mycoplasmen, Chlamydien und Rickettsien. Der Anteil resistenter Stämme ist örtlich unterschiedlich. Ein Resistogramm ist immer angezeigt. Primär resistent sind Pseudomonas aeruginosa (nahezu
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Doxycyclin
100%), Proteus-Arten (etwa 90%), Serratia marcescens. Zwischen den Tetrazyklinen besteht eine komplette Parallelresistenz. Die Resistenzentwicklung beruht auf einer R-Plasmid abhängigen Permeationsänderung der Zellwand und Zellmembran der Bakterien, so dass die zur Proteinsynthese notwendige Tetrazyklinkonzentration in der Bakterienzelle nicht erreicht wird.
sepatienten. Die ursprünglichen Vorstellungen, dass Doxycyclin während der Mahlzeiten gegeben werden soll, um gastrointestinale Reizerscheinungen zu vermeiden, sind nicht aufrechtzuhalten. Auch Doxycyclin sollte präprandial appliziert werden. Doxycyclin kann auch zur Behandlung und Prophylaxe der Borreliose eingesetzt werden. 3
342
Dosierung und Art der Anwendung Resorption Unter präprandialen Einnahmebedingungen hat Doxycyclin eine sehr hohe Resorptionsquote von >95% im Vergleich zur i. v. Applikation. Nach peroraler Gabe von 200 mg werden nach 2–4 h maximale Blutspiegel von 4,5±1,9 μg/ml erreicht. Zwischen den einzelnen pharmazeutischen Präparationen scheinen kaum Bioäquivalenzprobleme zu resultieren. Die Eiweißbindung beträgt 60–90%, das VVol. 50–80 l. Doxycyclin ist gut gewebegängig (50 bis 80– 100%). Im Liquor cerebrospinalis betragen die Doxycyclinkonzentrationen etwa 10–30% der Serumgehalte.
Elimination Doxycyclin wird zu etwa 50% biotransformiert. Die dabei entstehenden Abbauprodukte, vor allem Konjugate wie Glucuronide, sind antibakteriell unwirksam. Die renale Exkretion erfolgt durch glomeruläre Filtration. 70% werden tubulär wieder reabsorbiert. Ein Teil gelangt auch über den enterohepatischen Kreislauf wieder ins Blut. Eliminationshalbwertzeit 10–22 h. 20–40% werden mit den Faeces ausgeschieden. Bei Kindern (bis 9 Jahre) beträgt die Halbwertzeit im Mittel 6 h. Bei älteren Patienten (65–90 Jahre) werden Halbwertzeiten zwischen 6 und 39 h (15±9 h) gemessen. Bei Nierenfunktionseinschränkungen wird zwar die renale Clearance sehr stark reduziert, die Halbwertzeiten verlängern sich aber nur unwesentlich auf 15– 25 h.
Anwendungsgebiete Bei allen Infektionen mit empfindlichen Erregern ist Doxycyclin indiziert und hat anderen Tetrazyklinen gegenüber den Vorteil, dass aufgrund der langen Halbwertzeit eine einmalige tägliche Applikation ausreicht und dass bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen Dosisadaptionen unnötig sind. Doxycyclin ist auch besonders geeignet zur Anwendung bei Dialy-
Erhaltungsdosen pro Tag bei peroraler und parenteraler Applikation (ab 2. Tag) für Erwachsene: 100 mg, Schulkinder: 60–80 mg; Vorschulkinder: 20–40 mg; Säuglinge: 10–15 mg; Neugeborene: 5 mg. Am 1. Tag wird grundsätzlich die doppelte Initialdosis appliziert. Dosierungsintervall: 24 h. Bei Nierenfunktionseinschränkungen keine Dosisänderungen. Kinder unter 8 Jahren sollten Tetrazykline nur in Ausnahmefällen bekommen, wenn keine Alternative zur Verfügung steht. Zur Prophylaxe der Borreliose einmalig 200 mg nach Zeckenbiss.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Reaktionen werden kaum beobachtet. (Kreuzallergie zwischen allen Tetrazyklinen beachten.) Gastrointestinale Störungen treten relativ häufig auf (5–20%) in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer und der Höhe der Dosis. Sie sind entweder eine Folge lokaler Reizungen oder der durch Störungen des biologischen Gleichgewichts hervorgerufenen Dysbakterie (Sodbrennen, Magendruck, Meteorismus, Diarrhoe). Cave: Pseudomembranöse Colitis bei anhaltenden Durchfällen und Koliken! Leber- und Pankreasschäden treten selten auf und nur bei Überdosen. In seltenen Fällen können nach Tagen oder Wochen phototoxische und/oder photoallergische Reaktionen auftreten. Wenn die Nägel betroffen sind, ist auch eine Onycholyse möglich. Tetrazyklineinlagerungen in Zähnen und Knochen werden bei Kindern relativ häufig beobachtet (gelb-braune Zahnverfärbungen, Schmelzdefekte, gesteigerte Kariesanfälligkeit, Wachstumsminderung der Röhrenknochen).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwangerschaft, Stillzeit, schwere Leberfunktionsstörungen. Bei Kindern <8 Jahren nur bei vitaler Indikation und ohne Alternative. Interaktionen mit anderen Arzneistoffen und bei Nahrungsaufnahme beachten. Die in der Lite-
Drogeninduzierte Notfälle
Differenzialdiagnose Abzugrenzen sind ähnliche Symptome bei Übermüdung, Psychosen oder nichtepileptischen Läsionen des Temporalhirns.
Therapie 3
Epilepsie, fokale
Prognose 3
Epilepsie, fokale
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Epilepsie, fokale
Drehschwindel Definition Ein Drehschwindel ist ein systematischer Schwindel, der mit einer rotatorischen Fehlwahrnehmung von Bewegung der Umgebung oder des eigenen Körpers einhergeht.
Einleitung Zur weiteren Differenzialdiagnose und Therapie siehe Schwindel. 3
Tetrazykline in Injektionen oder Infusionen nicht mit anderen Wirkstoffen sowie zweioder dreiwertigen Kationen mischen, um Inkompatibilitäten zu vermeiden. Die Resorption von Doxycyclin wird durch calciumhaltige Zubereitungen (Antacida), durch Milch und andere Molkereiprodukte sowie durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme vermindert. Durch gleichzeitige Applikation von Ferro-Verbindungen wird der Doxycyclin-Gehalt im Serum um 20–45% gesenkt und die Halbwertzeit wird verkürzt. Da die Glucuronidierung von Doxycyclin induzierbar ist, können andere Wirkstoffe die Elimination von Doxycyclin beschleunigen, das betrifft z. B. die Antiepileptika Phenytoin, Carbamazepin und Phenobarbital und in ganz besonderem Maße auch Rifampicin. Auch bei Alkoholikern wird Doxycyclin beschleunigt eliminiert. Darüber hinaus werden die Antikoagulantienwirkung von Cumarin-Derivaten, die Blutzuckersenkung von Sulfonylharnstoff-Derivaten und die Methotrexat-Toxizität verstärkt. Die Digoxinblutspiegel werden erhöht. Tetrazykline können die Wirkung peroraler hormonaler Kontrazeptiva vermindern.
3
Wechselwirkungen
fach-fokaler)) mit Dreamy-state-Symptomatik treten isoliert oder als Aura bei fokalen Epilepsien auf, in der Regel bei Temporallappenepilepsie. 3
ratur beschriebenen lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks nach i. v. Gabe von Doxycyclin insbesondere bei Asthmatikern sind wohl auf den Hilfsstoff Sulfit zurückzuführen. Da die Bioverfügbarkeit peroraler Formulierungen sehr gut ist, sollte nur sehr zurückhaltend parenteral appliziert werden.
343
Drogeninduzierte Notfälle „Dreamy states“
Definition
Synonyme Einfach-fokaler Anfall bzw. Aura mit Dreamystate-Symptomatik.
Definition Epileptisch bedingter traumhaft empfundener Zustand mit „nach innen gerichtetem“ Bewusstsein und affektiver Tönung, häufig mit bekanntem ( Déjà-vu), befremdlichem ( Jamais vu), unheimlichem oder beängstigendem Charakter. 3
3
Einleitung Einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (ein-
Intoxikationen, Entzugserscheinungen und psychotische Reaktionen bei Konsum von Drogen.
Grundlagen Wie beim Alkohol können auch beim Konsum anderer Drogen Entzugserscheinungen, Intoxikationen etc. auftreten. Bei unklaren Fällen sollte ein Drogen-Screening durchgeführt werden, auch sollte man an die gleichzeitig vorliegende Intoxikation durch mehrere Drogen denken. Ebenso sollte man an andere Komplikationen des Drogenkonsums denken, wie Infektionen, Exsikkose und metabolische Störungen, sodass eine stationäre Abklärung oftmals unumgänglich ist.
D
3
„Drop attacks“
2. Ein Pseudo-Huntington-Typ. 3. Ein myoklonischer-epileptischer Typ.
Einleitung Mögliche Ätiologien (oft schwer nachweisbar): * Vertebrobasiläre Durchblutungsstörungen durch Embolien oder Stenosen. * Spinale Ischämien im Sinne einer spinalen TIA.
Differenzialdiagnose * * * * *
Prophylaxe Ggf. Reduktion der vaskulären Risikofaktoren. Sekundärprävention von embolischen Ereignissen.
Therapie Arteriosklerose,
3
3
Embolie, Hirninfarkte
MRT, Gentest.
Therapie Symptomatisch, rea, Dystonie,
Parkinson-Syndrom, Myoklonus.
Cho-
Druck, intrakranieller, Messung Synonyme
Epileptische Anfälle. Orthostatische Dysregulation. Kardiale Synkopen (z. B. Adam-Stokes-Anfälle). Neurokardiogene Synkopen. Hirnstammanfälle tonisch oder atonisch (fließende Übergänge zur Epilepsie). Psychogene Anfälle.
*
Diagnostik
3
Atonische Sturzanfälle, insbesondere bei älteren Menschen (insgesamt selten). Fakultative Begleitsymptome: Schwindel, Parästhesien, Sehstörungen.
3
Definition
3
„Drop attacks“
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embolische
3
DRPLA (dentorubropallidolysische Atrophie)
ICP-Messung
Definition Messung des intrakraniellen Drucks.
Grundlagen Es gibt verschiedene Methoden des Monitoring des intrakraniellen Drucks: Man unterscheidet intraventrikuläre, intraparenchymatöse und epidurale Druckaufnehmer. Welches System im Einzelfall gewählt wird, hängt von vielen Faktoren ab: Wird neben der Druckmessung auch eine kontinuierliche Liquordrainage benötigt, so führt trotz höherer Infektionsrate kein Weg am Ventrikelkatheter vorbei. Eine niedrigere Komplikationsrate haben epidurale Sonden, zeigen aber oft fehlerhafte oder schwankende Messungen. Intraparenchymatöse Sonden erlauben neben dem Druck auch die Aufzeichnung weiterer Parameter wie pO2 und Temperatur.
Definition Gehäuft in Japan vorkommende autosominaldominante CAG-Expansionserkrankung auf Chromosom 12 mit Bewegungsstörungen und Demenz, die mit einer Atrophie vorwiegend im Nucleus dentatus und ruber, Pallidum und subthalamicus einhergeht.
Einleitung Der Erkrankungsbeginn liegt zwischen dem 15.–40. Lebensjahr. Es werden drei Typen unterschieden: 1. Ein ataktischer-choreoathetoider Typ.
Drug-holidays Definition Anfang der 80er-Jahre propagierte Therapie für motorische Fluktuationen wie End-of-doseAkinese bzw. Off-Phasen, die heute als obsolet gilt, nicht zuletzt wegen irreversibler Verschlechterungen der klinischen Situation im Rahmen der iatrogen herbeigeführten akinetischen Krise.
Durafistel, arteriovenöse
* *
Typ I: Kongenitale Parese des M. rectus lateralis ohne Doppelbilder. Bei Adduktion des betroffenen Auges kommt es zu einer Retraktion des Bulbus mit Verengung der Lidspalte. Bei Kaubewegungen kann es zu einer Hebung des ptotischen Lides kommen. Typ II: Isolierte Adduktionslähmung am betroffenen Auge. Typ III: Kombination aus Typ I und Typ II.
Einleitung Duane-Syndrome sind immer kongenital und nicht selten erblich. Sie kommen auch gekoppelt mit anderen Fehlbildungen vor. Ursache ist eine Agenesie des N. abducens und eine Kernaplasie oder - hypoplasie.
Differenzialdiagnose Ein Duane-Syndrom kann auch symptomatisch bei Thalidomid-Embryopathien auftreten. Von einer geburtstraumatischen Abduzensparese wird das Duane-Syndrom durch die Retraktion des Bulbus bei Adduktion und gegebenenfalls durch ein Augenmuskel-EMG abgegrenzt.
Durafistel, arteriovenöse
Diagnostik Methode der Wahl: Superselektive zerebrale Angiographie zur Lokalisation des Fistelpunktes und Nachweis aller duralen Zuflüsse und drainierenden Venen. Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT): Nachweis von Epiphänomenen (thrombosierte Sinus, dilatierte Venen, Hydrocephalus, Stauungsblutungen).
Therapie gesichert Keine gesicherten Daten. empirisch Therapieindikation abhängig von Klinik und angiographischem Befund. Bei Nachweis einer kortikalen Drainage ist aufgrund des Risikos einer intrazerebralen Blutung oder einer Subarachnoidalblutung stets ein vollständiger Fistelverschluss anzustreben. Optional stehen transarterielle Embolisation mit Gewebeklebern oder PVA, transvenöse Behandlung mit Platinspiralen, operative Eingriffe oder eine Kombination dieser Verfahren zur Verfügung. 3
Synonyme Durale arteriovenöse Fistel (dAVF)
Definition Erworbener arteriovenöser Kurzschluss innerhalb der Dura.
Einleitung Durale AV-Fisteln stellen etwa 10–15% aller arteriovenösen kranialen Prozesse. Die dAVF werden nach dem betroffenen duralen Sinus oder nach anatomischen Lokalisationen bezeichnet. Häufigkeitsverteilung: Sinus-transversus und Sinus-sigmoideus-Fistel 62,6%, Sinus-cavernosus-Fistel 11,9%, Tentoriumfistel 8,4%, Sinus-sagittalis-Fistel 7,4%, orbitale Fistel
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Definition
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Kongenitale Abduzensparese mit Retraktionssyndrom
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Synonyme
oder Fistel im vorderen Falxgebiet 5,8%, 3,7% im Bereich der Sylvi-Region. Wahrscheinlich entstehen Durafisteln auf dem Boden abgelaufener Hirnsinus- oder Venenthrombosen, ätiologisch kommen außerdem Arteriosklerose, Trauma oder iatrogene Ursachen in Frage. Für die klinische Symptomatik ( Kopfschmerzen, pulsatiler Tinnitus, Hydrocephalus, Stauungsblutungen, fokale neurologische Defizite, epileptische Anfälle, Kompressionssyndrome) sind neben der Lokalisation der Fistel die Art und Hämodynamik der venösen Drainage entscheidend. Die Gefahr einer intazerebralen Blutung ist bei dAVF im Bereich des Tentoriums mit kortikaler Drainage am höchsten. 3
Duane-Syndrom
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Nachsorge Je nach klinischem Verlauf sind häufig angiografische Kontrolluntersuchungen im Verlauf erforderlich, ggf. sind bei Rezidiven erneute therapeutische Maßnahmen notwendig.
Prognose Das Risiko einer intrazerebralen Blutung als der gefürchtesten Komplikation scheint <2%/
D
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Durafistel, arteriovenöse, spinale
Durafistel, arteriovenöse. Tab. 1: Einteilung von duralen AV-Fisteln nach hämodynamischen Gesichtspunkten – Klassifikation nach venöser Drainage. (Nach Djindjian u. Merland 1978) Typ I
Drainage in einen Sinus oder in eine meningeale Vene
Typ II
Sinusdrainage mit Reflux in zerebrale Venen
Typ III Drainage ausschließlich in zerebrale große Venen Typ IV Drainage über venöse supra- oder infratentorielle seeartige Gebiete (variköse Erweiterungen)
Jahr zu liegen, wobei das Risiko bei tentoriellen Durafisteln, einer kortikalen Drainge und varikös erweiterten Venen am höchsten ist [1]. Nach stattgehabter Blutung sollte unmittelbar der Fistelverschluss hinsichtlich der Gefahr einer Rezidivblutung angestrebt werden.
Literatur 1. Brown RD Jr, Wiebers DO, Nichols DA (1994). Intracranial dural arteriovenous fistulae: angiographic predictors of intracranial hemorrhage and clinical outcome in nonsurgical patients. J Neurosurg Oct; 81(4):531–8.
Therapie empirisch Interventionell-radiologisch: Superselektive Katheterisierung des betroffenen radikulären Arterienastes und Verschluss der Fistel mit Gewebekleber (Histoacryl). Neurochirurgisch: Chirurgische Resektion des fisteltragenden Duragewebes und Klippung der Vene. Werden A. spinalis anterior und der betroffene radikulospinale Ast von der selben Segmentarterie gespeist, so sollte primär neurochirurgisch vorgegangen werden.
Prognose
Durafistel, arteriovenöse, spinale
Nach Behandlung häufig Besserung der neurologischen Ausfälle, selten dramatische Remissionen.
Definition
Häufigste arteriovenöse Gefäßmissbildung des Rückenmarks. Die klinische Manifestation erfolgt typischerweise jenseits des 40. Lebensjahres. Verlauf meist langsam progredient mit Parästhesien und Sensibilitätsstörungen der Beine, fortschreitender Paraparese (initial oft spastisch, im Verlauf meist schlaff und atrophisch), Blasen- und Mastdarmstörungen. Männer sind wesentlich häufiger betroffen als Frauen. Lokalisation meist thorakal (ca. 60% zwischen Th6 und Th12).
Diagnostik MRT: Nachweis von Ödem- und Gliosezonen und erweiterten spinalen Venen. Diagnosesicherung durch selektive Angiographie. Elektrodiagnostische Verfahren (EMG, SEP, Magnetstimulation) können hilfreich bei der Eingrenzung der Läsionshöhe sein.
Definition Traumatische arteriovenöse Durafisteln sind Folge eines Duralecks nach Schädel-HirnTrauma oder Rückenmarkstrauma. 3
Einleitung
Durafistel, arteriovenöse, traumatische
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Arteriovenöse Shuntverbindung zwischen radikulären Arterien und dem spinalen Venensystem.
Durametastase Definition Durametastasen sind insgesamt seltene, mitunter singuläre (sub)durale Läsionen, die mit Schädelmetastasen oder parenchymatösen Metastasen assoziiert sein können.
Einleitung Im Vergleich zu parenchymatösen Metastasen sind Durametastasen selten. Bildgebend können sie oft nicht von anderen meningealen Tu-
Dysarthrie
moren unterschieden werden [1]. In Einzelfällen können sie mit subduralen Hämatomen assoziiert sein [2]. Das Spektrum zugrunde liegender Primärtumoren ist breit: Mammkarzinome, Bronchialkarzinome, gastrointestinale und urogenitale Tumoren wurden gefunden [2].
347
Einleitung
Kernspintomographisch und angiographisch sind Durametastasen von Meningeomen nicht sicher zu differenzieren. Möglicherweise erlaubt die MR-Spektroskopie mit Nachweis eines Lipidsignals oder einem Laktat Peak eine differenzialdiagnostische Abgrenzung [2].
Die Strukturen der Venenwände und des umgebenden Hirngewebes sind regelrecht, selten findet man durch die Lokalisation einer DVA erklärte neurologische Symptome. Eine arteriovenöse Shuntverbindung besteht nicht, vielmehr drainieren die DVA das umgebende Hirngewebe. Eine DVA selbst kann nicht Ursache einer intrazerebralen Blutung sein! Eine Assoziation mit einem Kavernom oder einem Mikroangiom ist möglich, bei Vorhandensein einer arterivenösen Shuntverbindung stellt die DVA eine Übergangsform zur arterivenösen Malformation dar.
Therapie
Diagnostik
Nach chirurgischer Resektion singulärer Metastasen sind mehrjährige Überlebenszeiten beschrieben worden [2]. Der Stellenwert einer postoperativen Radiatio ist ungewiss.
Kraniales MRT.
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1. Bendszus M, Warmuth-Metz M, Burger R et al. (2001) Diagnosing dural metastases: the value of 1 H magnetic resonance spectroscopy. Neuroradiology 43:285–89. 2. Kleinschmidt-DeMasters BK (2001). Dural metastases. A retrospective study and autopsy series. Arch Pathol Lab Med 125:880–887.
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Literatur
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Diagnostik
Therapie Aufgrund der fehlenden klinischen Manifestation besteht keine Behandlungsindikation, zumal nach chirurgischer Exstirpation mit Stauungsinfarkten des umgebenden Hirngewebes zu rechnen ist.
Dysarthrie Synonyme
Durchblutungsstörung, zerebrale
Definition
Zerebrale Ischämie, ischämischer Schlaganfall, ischämischer Insult, ischämischer Apoplex
Definition Schlagan-
Sprechstörung aufgrund einer Läsion der Ausführungsorgane bzw. der zugehörigen nervalen oder muskulären Strukturen. Klinisch: Schlechtere Verständlichkeit, vermehrte Sprechanstrengung, verminderte Sprechgeschwindigkeit, evtl. auch verminderte Sprechlautstärke. 3
Synonyme
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Überbegriff über die ischämischen fälle.
Artikulatonsstörung, Sprechstörung
Einleitung
DVA („developmental venous anomaly“) Synonyme Venöses Angiom
Definition Geflecht mehrerer medullärer Venen, die radiär angeordnet sind und zu einer gemeinsamen Sammelvene hin konvergieren.
Mögliche Schädigungslokalisationen: * Kortikal. * Marklager. * Capsula interna. * Basalganglien. * Hirnstamm. * Kleinhirn. * Beteiligte Hirnnerven (N. fazialis, N. vagus, N. glossopharyngeus, N. hypoglossus). * Ausführungsorgane (Pharynx, Larynx, Zunge, Lippen, Gaumen).
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Dyskinesien
Differenzialdiagnose *
Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
Aphasien mit verminderter Sprachproduktion und Sprachgeschwindigkeit. Sprechapraxien. Psychogene Störungen.
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Synonyme *
Therapie Logopädie. Ansonsten abhängig von der SchäHirnindigung. Bei zerebralen Ischämien farkt.
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Hyperstimulatorische Dyskinesien: Peakdose-Dyskinesien, On-Choreoathetose, IDI (Improvement-Dyskinesie-Improvement)Dyskinesien Hypostimulatorische Dyskinesien: Off-Dystonien, biphasische Dyskinesien
Definition
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Dyskinesien, die unter dopaminerger Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms auftreten.
Dyskinesien
Einleitung
Synonyme Medikamenteninduzierte Bewegungsstörungen
Definition Dyskinesie heißt abnorme Bewegungung und könnte somit als Überbegriff für alle Bewegungsstörungen dienen. Traditionsgemäß wird der Begriff Dyskinesie jedoch mit Bewegungsstörungen assoziert, die infolge von Medikamenten auftreten. Bekannt ist die L-Dopa-Dyskinesie, die sich bei etwa 50% der Patienten mit einem IPS (idiopathischen Parkinson-Syndrom) nach mehrjähriger L-Dopa-Therapie entwickelt; im Vordergrund stehen choreatische und dystone Elemente. Akute und tardive Dyskinesien treten nach Einnahme von Medikamenten vom Neuroleptikatyp auf. Wegen ihrer Persistenz und möglichen Irreversibilität selbst nach Absetzen des kausativen Pharmakons kommt der tardiven Dyskinesie und der ihr verwandten tardiven Dystonie und tardiven Akathisie eine besondere Bedeutung zu. 3
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Dyskinesien, akute Frühdyskinesien
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Therapie Intravenöse Gabe von Anticholinergika, z. B. Biperiden.
Die L-Dopa-Dyskinesien lassen sich in Bezug auf die L-Dopa-Plasmaspiegel vereinfacht in hypo- und hyperstimulatorische Dyskinesien einteilen: Hyperstimulatorische Dyskinesien als sogenannte Peak-dose-Dyskinesien (Synonym: OnChoreoathetose) sind mit Spitzenplasmaspiegeln von L-Dopa vergesellschaftet, während die hypostimulatorischen Dyskinesien in der Form von Off-Dystonien und biphasischen Dyskinesien mit subtherapeutischen L-DopaPlasmaspiegel einhergehen. Paradoxerweise werden die hypostimulatorischen Dyskinesien durch L-Dopa verursacht und wiederum durch L-Dopa gelindert. Peak-dose-Dyskinesien treten nach einer LDopa-Gabe charakteristischerweise in der Mitte einer On-Phase auf; d. h. zunächst kommt eine Phase von befriedigender Motorikbesserung, dann die Peak-dose-Dyskinesie, dann wieder eine Phase guter Beweglichkeit ohne Dyskinesie mit nachlassender L-DopaWirkung. Diskret ausgeprägt werden Peakdose-Dyskinesien vom Patienten oft gar nicht als Dyskinesien erlebt, allenfalls als „Zappelhaftigkeit“, und auch bei mittelgradiger Ausprägung werden diese Dyskinesien häufig als Preis für die Linderung der Akinese in Kauf genommen und vom Patienten verdrängt. Peak-dose-Dyskinesien sind durch ein choreoathetoides Muster an den Extremitäten und Rumpf gekennzeichnet. Begleitende Dystonien, vorwiegend im kraniozervikalen Bereich (z. B. phasischer Tortikollis, Kieferöffnung), sind nicht selten. Peak-dose-Dyskinesien können durch zu hohe Dosen vorausgegangener Einzelgaben von L-
Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
provement-Dyskinesie-Improvement)-Dyskinesien gesprochen. Subjektive Beinunruhe vor dem Einschlafen weist auf ein symptomatisches RestlessLegs-Syndrom. Tagsüber kann bei ParkinsonPatienten phänomenologisch ein Bild wie bei einer neuroleptikainduzierten Akathisie auftreten. Die Patienten können nicht sitzen und laufen auf und ab. Diese Störungen mit innerer Unruhe sind in der Regel Ausdruck einer dopaminergen Unterdosierung. Differenziert werden müssen an Off-Phasen gekoppelte Dyskinesien in der Nacht oder vor dem Einschlafen von Einschlafmyoklonien, die unter dopaminerger Therapie gehäuft und verstärkt auftreten. Myoklonien gehen wiederum bei einigen Patienten dem Einsetzen der erwünschten Wirkung von L-Dopa und Anfang einer On-Phase voraus. 3
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnose der Dyskinesien bei Parkinson-Syndromen: a) Nichtmedikamentös: * Fußdystonie als initiales Symptom bei idiopathischem Parkinson-Syndrom. * Bei Parkinson-Syndromen im Rahmen von multipler Systematrophie (Laterokolllis, axiale Dystonie u. a.). * Progressive supranukleäre Blicklähmung (Blepharospasmus, Retrokollis u. a.). * Kortikobasale Degeneration (Flexionsdystonie der Hand). * u. a. b) Medikamentös: * Durch L-Dopa- und Dopaminagonisten induzierte Dyskinesien bei idiopathischem Parkinson-Syndrom. * Bei Wirkmaximum hyperstimulatorische Dyskinesien. * Peak-dose-Dyskinesien (Synonyme: OnChoreoathetose), monophasische, Middose-Dyskinesien. * Bei subtherapeutischen L-Dopa-Dosen hypostimulatorische Dyskinesien. * Off-Phasen-Dystonie. – Nächtliche Dystonie. – Frühmorgendliche Dystonie. * Biphasische Dyskinesie. – Anflutdyskinesie (Onset-Dyskinesie). – Abflutdyskinesie (End-of-dose-Dyskinesie). * Akathisie. 3
Dopa und vorangegangener Kumulation während des Tages zurückzuführen sein. Diese Probleme lassen sich noch durch Interventionen wie Dosisfraktionierung therapeutisch modifizieren. Im weiteren Verlauf der ParkinsonKrankheit wird aber die dyskinesiefreie Zeit in der On-Phase immer kürzer, bis Patienten schließlich nur noch zwischen akinetischen und dyskinetischen Phasen fluktuieren. Dyskinesien sind in diesem Stadium häufig nicht mehr vermeidbar, wenn akineselindernde Dosen von L-Dopa eingesetzt werden. Das therapeutische Fenster für L-Dopa-Plasmaspiegel wird offenbar im Verlauf der Krankheit immer kleiner. Die Peak-dose-Dyskinesien sind von den sogenannten Off-Dystonien und biphasischen Dyskinesien zu differenzieren. Hier muss der zeitliche Zusammenhang zwischen der L-DopaEinnahme und der Phänomenologie der Hyperkinese anamnestisch genau eruiert werden. Die Off-Dystonien treten am stärksten meist nachts und frühmorgens, typischerweise als schmerzhafte Fußdystonien auf, wenn die L-Dopa-Spiegel nicht mehr messbar sind. Übergänge zu schmerzhaftem Rigor im Bereich der Beinund axialen Muskulatur sind häufig und tragen zu einer erheblichen Einschränkung der Schlafqualität bei Parkinson-Patienten bei. Off-Dystonien treten aber auch zwischendurch am Tage in Perioden von schlechter Beweglichkeit und in anderen Körperregionen als an den Füßen auf, z. B. als schmerzhafte Kieferdystonie. Biphasischen Dyskinesien sind choreoathetoide bis ballistische Dyskinesien und Dystonien in der An- und Abflutungsphase von L-Dopa, die oft schmerzhaft und meist heftiger als die Peakdose-Dyskinesien sind. Sie deuten auf zu niedrige L-Dopa-Grundspiegel oder ein zu langsames Steigen der L-Dopa-Spiegel hin. Bisweilen zeigen die biphasischen Dyskinesien ein rhythmisches Aktivierungsmuster und werden mit Tremorattacken verwechselt. Sie treten typischerweise kurz 10–40 Minuten nach der Einnahme von L-Dopa ein (1. Phase), gehen in eine On-Phase über und wenn der Patient nicht rechtzeitig weiteres L-Dopa einnimmt, kündigt sich die darauffolgende Off-Phase mit End-of-dose-Dyskinesien (2. Phase) an. Deshalb wurde bei den biphasischen Dyskinesien vom Typ der DID(Dyskinesia-ImprovementDyskinesia)-Dyskinesien im Gegensatz zu den Peak-dose-Dyskinesien vom Typ der IDI(Im-
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D
Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
*
Symptomatisches Restless-Legs-Syndrom. c) Atypische medikamentöse Dyskinesien nach L-Dopa: * Isolierte kraniozervikale Dyskinesien bei multipler Systematrophie. * Bei anderen degenerativen ZNS-Erkrankungen. d) Dyskinesien bei medikamentösem Parkinson-Syndrom nach Neuroleptika.
Studie mit Propranolol, weil die Patienten mit kleinen Dosen von nur 3×10 mg Propranolol behandelt wurden. Mit einer Reihe anderer potentiell antidyskinetischer Substanzen laufen derzeit Untersuchungen bei Parkinson-Patienten. Interessant erscheinen die Studien mit Cannabinoiden und Sarizotan zu sein. gesichert 1.
Prophylaxe 3
Dopaminagonisten,
Ropinirol
3
Therapie Bei der Therapie von L-Dopa-induzierten Dyskinesien ist zu beachten, dass diese Dyskinesien von vielen Patienten einer ungenügenden Symptomkontrolle mit Akinese, Rigidität und Tremor subjektiv vorgezogen werden. Vielfach wird von den Angehörigen der Patienten das Problem augenfälliger und entstellender Dyskinesien gravierender empfunden, als von den Betroffenen selbst. Andererseits können massiv ausgeprägte, L-Dopa-induzierte Dyskinesien ebenso behindernd sein wie die Grundkrankheit und bei entsprechenden Bewegungsamplituden mit einer Verletzungsgefahr einhergehen. L-Dopa-Dyskinesien als isoliertes Problem sind selten bei einem IPS. Meist gehen motorische Fluktuationen wie Wearing off, End-of-doseAkinesie der Entwicklung klinisch relevanter L-Dopa-Dyskinesien sogar voraus. Daher gelten für Dopa-Dyskinesien zunächst ähnliche Behandlungsstrategien wie für L-Dopa-Wirkungsschwankungen ganz allgemein: Stabilisierung von L-Dopa Plasmaspiegel, Verbesserung der zentralen Bioverfügbarkeit von LDopa und das Aufdosieren von Dopaminagonisten. In einem weiteren Schritt können Medikamente eingesetzt werden, die eine spezifische antidyskinetische Wirkung aufweisen ohne das Parkinson-Syndrom zu verschlechtern. Bei weiterhin therapierefraktären und behindernden Dyskinesien ergibt sich die Indikation für einen stereotaktischen Eingriff. Spezifische Ansätze zur Therapie von L-DopaDyskinesien: In kleineren Pilotstudien mit Diazepam und Ethybenztropine [20] bei biphasischen Dyskinesien, Fluoxetin [9] und Propranolol [5] bei Peak-dose-Dyskinesien konnte Besserung nachgewiesen werden. Bemerkenswert ist die
Amantadin: Unter den spezifischen Antidyskinetika bei L-Dopa-induzierten Dyskinesien ist das Amantadin hervorzuheben, weil es gleichzeitig eine günstige Wirkung auf Akinese, weniger auch auf den Tremor und den Rigor aufweist. Während die Antiparkinsonwirkung des vorerst als Virustatikums eingesetzen Amantadin vor über 20 Jahren zufällig entdeckt wurde, hat man erst seit wenigen Jahren die antidyskinetische Wirkung erkannt. Kürzlich konnte auch in einer doppelblinden, Cross-over-Studie bei 18 Patienten eine bis zu 60%ige Reduktion in den Dyskinesie-Scores unter Amantadin gezeigt werden, ohne dass es zu einer Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik gekommen wäre [25]. Im Gegenteil, Fluktuationen konnten durch das Hinzugeben von Amantadin ebenfalls geglättet werden. Der Wirkungmechanismus von Amantadin auf Parkinson-Symptome dürfte in der antagonistischen Wirkung der Amantadinderivate am N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor liegen [12]. Die Aufdosierung von Amantadin kann rasch erfolgen. Es ist nicht bewiesen, dass Tagesdosierungen von über 2–3× 100 mg die Effektivität steigern. 2. Invasive Verfahren: Schwerste L-Dopa-Dyskinesien wurden schon vor der Einführung der chronischen Hochfrequenzstimulation und der Wiederentdeckung der Pallidotomie als Indikation für ein stereotaktisches Vorgehen angesehen. Narabayashi war es in den 70iger Jahren bei Thalamotomien aufgefallen, dass das Einbeziehen des Ncl. ventralis oralis bei der stereotaktischen Koagulation des Ncl. ventralis intermedius nicht nur effektiv für den Tremor, sondern auch für choreatische und ballistische Dyskinesien war [18]. Heute werden Eingriffe am inneren Pallidumglied und die Hochfrequenzstimulation im Ncl. subthalamicus (STN) für das Problem schwer3
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Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
ster L-Dopa-Dyskinesien favorisiert. Bei der Pallidotomie sprechen die Ergebnisse von verschiedenen Gruppen für einen globalen Effekt der Pallidotomie auf die Kardinalsymptome Tremor, Bradykinese, Rigor und der schwer zu behandelnden L-Dopa-Dyskinesien [17]. Während die Wirkung auf die akinetisch-rigide Symptomatik eher mittelmäßig ist, kommt es häufig zu einem vollkommenen Sistieren der L-Dopa-Dyskinesien, und die dopaminerge Medikation kann weitergegeben und sogar gesteigert werden. Das dürfte der Grund sein, weshalb dieses Verfahren in den USA Anfang der 90iger Jahre eine rasante Verbreitung erfahren hat. Die Mortalität der Pallidotomie hat in anfänglichen Serien bis zu 10% erreicht. Bilaterale Eingriffe sind besonders riskant im Hinblick auf neuropsychologische Defizite. Stimulationselektroden werden seit ihrer Einführung bei der Tremorbehandlung auch in den Globus pallidus internus und den Ncl. subthalamicus implantiert. Bei Stimulation im Globus pallidus internus sollten sich analog der Pallidotomie vor allem LDopa-Dyskinesien positiv beeinflussen lassen. Allerdings könnte sich die Stimulation des Ncl. subthalamicus auch bei im Vordergrund stehenden Dyskinesien effektiver als Eingriffe am inneren Pallidumglied erweisen, weil durch den im Vergleich zu Pallidum-Eingriffen deutlicheren antiakinetischen Effekt während Off-Phasen weniger Dopaminergika gebraucht werden und auf diesem Wege die Dyskinesien gebessert werden. Tatsache ist, dass Patienten mit schweren L-Dopa-Dyskinesien auch schwere Off-Phasen haben und dieser Aspekt offenbar durch Eingriffe am Pallidum nicht suffizient behandelt wird. empirisch 1. Stabilisierung von L-Dopa Plasmaspiegel: Lösliche L-Dopa/PDI-Darreichungsformen (PDI = peripherer Decarboxylaseinhibitor) Zunächst kann eine Fraktionierung der LDopa-Tagesdosis mit Verkleinerung der Einzelgaben angezeigt sein. Die festzulegenden Einnahmezeitpunkte und Dosierungen von L-Dopa sollten sich nach dem Beweglichkeitsprofil während des Tages richten und können durchaus bei komplexen Fluktuie-
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rern über 10 Dopa-Einnahmen in 24 h betragen. Die Einnahme sollte idealerweise bei Verträglichkeit mindestens 30 min vor und frühestens 90 min nach den Mahlzeiten erfolgen. Insbesondere proteinreiche Mahlzeiten führen zu Resorptionsstörungen von LDopa und prädisponieren zu Fluktuationen mit hypostimulatorischen Dyskinesien. Die darauffolgende kompensatorische Mehreinnahme von L-Dopa kann in der Folge zu Peak-dose-Dyskinesien führen. Dennoch lassen sich mit einer günstigen Dosisfraktionierung an On-Phasen gekoppelte Dyskinesien häufig nicht gut beeinflussen. Therapeutisch besser zu kontrollieren als an OnPhasen gekoppelte Dyskinesien, sind dystone Krämpfe zu Zeiten nachlassender LDopa-Wirkung (Off-Phasen-Dystonie). Hier ist eine schnellere Bereitstellung von LDopa mittels löslicher bzw. schnellwirksamer Darreichungsformen von L-Dopa mit einem peripheren Decarboxylasehemmer (z. B. Madopar®LT) hilfreich, um die Anflutdyskinesien bei biphasischen Dyskinesien zu verkürzen und Off-Dystonien schneller zu durchbrechen. 2. L-Dopa/PDI Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung: Off-Dytonien treten am häufigsten in der zweiten Nachthälfte auf und lassen sich therapeutisch häufig gut mit L-Dopa-Präparaten mit langsamer Wirkstoffreisetzung zur Nacht angehen (z. B. Nacom® 200 Retard als Zu-Bett-geh-Dosis). Die kurze Halbwertszeit von L-Dopa (etwa 1,5 Stunden) erfordert mit Fortschreiten der Erkrankung eine zunehmende Dosierungsfrequenz und prädisponiert zu Wirkungsfluktuationen im Tagesverlauf. Daher sind L-Dopa-Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung entwickelt worden (Nacom® Retard, Madopar® Depot), die weiterhin die Decarboxylasehemmer Carbidopa bzw. Benserazid enthalten. Die Rationale für diese Präparate leitet sich von der Beobachtung einer weitgehenden Glättung motorischer Fluktuationen während intravenöser Infusionen von LDopa ab. Unter klinischen Bedingungen lassen sich tatsächlich mit den Slow-release-LDopa-Präparaten eine Glättung motorischer Fluktuationen und Dyskinesien erreichen. Die L-Dopa-Plasmaspiegel lassen sich jedoch bei weitem nicht so gleichmäßig wie bei intravenöser Verabreichung des Medika-
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Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
ments einstellen. Andere Variablen wie die Nahrungsaufnahme und die aberrante Magenentleerung bei Parkinson-Patienten müssen berücksichtigt werden. Durch eine langsamere gastrointestinale Freisetzung zeigen die resultierenden Blutspiegelprofile einen verzögerten Anstieg, niedrige Blutspiegelgipfel und eine insgesamt längere Persistenz von therapeutischen Blutkonzentrationen im Vergleich zu Standard-L-Dopa-Präparaten. Die gastrointestinale Absorptionsrate beträgt etwa 70% derjenigen der Standardpräparate, sodass für gleichartige therapeutische Effekte höhere Tagesdosen erforderlich sind. Patienten in fortgeschrittenen Stadien beklagen gelegentlich den subjektiven Verlust des unmittelbaren antiakinetischen L-Dopa Effektes, sodass man auf Standardpräparate oder schnell wirksame, lösliche Präparate nicht verzichten kann. Bei komplexen motorischen Fluktuationen mit paroxysmalen On-Offs und bei Patienten mit schweren behindernden Dyskinesien ist der klinische Nutzen der Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung sicherlich eingeschränkt, wenn nicht sogar kontraindiziert: Der verzögerter Wirkungseintritt, die schwere Steuerbarkeit sowie eine Verstärkung der Dyskinesien (durch Kumulation) erschweren die längerfristige Einstellung, wobei der punktuelle Einsatz in Kombination mit konventionellen und löslichen Dopa-Darreichungsformen gelegentlich durchaus nüztzlich sein kann [7]. Hilfreicher sind die Präparate mit langsamer Wirkstoffreisetzung hingegen bei Patienten mit einfachen Wirkungsschwankungen wie End-of-dose-Akinesie und bei Patienten mit nächtlicher und frühmorgendlicher Dystonie. 3. COMT-Hemmer (Catechol-O-MethylTransferase-Hemmer): Entacapone (Comtess®) und Tolcapone: Studien haben gezeigt, dass die L-Dopa-Einnahmefrequenz mit der COMT-Hemmung signifikant reduziert werden konnte [2, 22]. Inwieweit über einen L-Dopa-einsparenden Effekt bei adäquater Anpasssung der dopaminergen Medikation, mit der COMT-Hemmung sekundär auch Peak-dose-Dyskinesien gelindert werden können, ist bisher nicht kontrolliert untersucht worden. Vom Wirkprinzip müssten die COMT-Hemmer für die Therapie der Off-Dystonie besondes geeignet sein.
4. Dopamin-Agonisten: Bei Patienten, die noch nicht auf eine Kombination aus L-Dopa mit einem Dopaminagonisten eingestellt sind, sollte bei Auftreten von Wirkungsfluktuationen einer L-DopaTherapie eine Add-on-Behandlung mit einem Dopaminagonisten eingeleitet werden. Hierdurch kann in der Regel bei ausreichender Dosierung des Dopaminagonisten die L-Dopa-Dosis um 20–30% vermindert werden [14, 15], was wiederum zur Abnahme vorbestehender Dyskinesien führen kann. Außerdem lassen sich insbesondere Fluktuationen vom „Wearing-off-Typ“ deutlich glätten. Hinsichtlich der Auswahl des Dopaminagonisten für das Problem der Dyskinesien sind die sieben zugelassenen Pharmaka als weitgehend gleichartig zu bezeichnen, weil es bisher kaum Vergleichsstudien gibt. Pharmakokinetische Erwägungen und einer kleineren deutschen Studie zufolge [23] wäre bei Peak-dose-Dyskinesien das Cabergolin vorzuziehen. Ferner ist subkutanes Apomorphin bei Patienten mit Dyskinesien zu erwägen, welche gegenüber Modifikationen des oralen Therapieschemas refraktär sind [11]. Die Einstellung erfordert die Gabe des extrazerebralen Dopamin-Rezeptorblockers Domperidon (Motilium®) 3×20 mg wegen der starken emetischen Wirkung. Intermittierende subkutane Apomorphin-Injektionen mit einem Penjects sind sehr effektiv, um schmerzhafte Off-Dystonien (hypostimulatorische Dyskinesien) schnell zu durchbrechen, gehen aber häufig mit choreoathetoiden Dyskinesien wie bei L-Dopa-Spitzenplasmaspiegeln einher. Dauerinfusion mittels kleiner tragbarer Pumpensystemen können dann angezeigt sein, wobei hier Probleme in der Handhabung der Minipumpen und bei einigen Patienten die Hautverträglichkeit der subkutanen Dauerinfusionen die Therapie komplizieren. 5. Botulinumtoxin: Fokale Dystonien, die bei Parkinson-Patienten vorwiegend im Bereich des Fußes als Zehenstrecker-Spasmen frühmorgends, aber auch andere fokale Dystonien wie den Blepharospasmus, können einfach mit lokalen Injektionen von Botulinumtoxin in die überaktive Muskulatur behandelt werden, sofern medikamentöse Umstellungen vorher zu keinem Erfolg geführt haben.
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Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
unwirksam/obsolet Dopaminrezeptorblocker (z. B.: Haloperidol) eignen sich nicht für die Behandlung von LDopa-Dyskinesien und sollten wenn überhaupt nur als Ultima Ratio akut bei anders nicht kontrollierbaren dyskinetischen Krisen erwogen werden. Der Preis eines einmaligen Einsatzes selbst in kleinster Dosierung kann eine häufig über Tage anhaltende Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik sein. L-Dopa-DyskinesieKrisen lassen sich wahrscheinlich schonender mit Benzodiazepinen behandeln. Für die chronische Behandlung von L-DopaDyskinesien wurde der Dopaminrezeptorblocker Tiaprid untersucht. Zwar kann nach einer Studie Tiaprid, ein substitutiertes Benzamid, LDopa-induzierte Dyskinesien reduzieren [21], doch kam es dabei regelmäßig auch zu einer Steigerung der Parkinson-Symptomatik, der mit einer weiteren Titrierung der L-DopaDosis entgegengesteuert werden musste. Das atypische Neuroleptikum Clozapin führt in Studien zur Therapie von L-Dopa-Dyskinesien zu keiner Verschlechterung der ParkinsonSymptomatik, doch Sedierung sowie vermehrter Speichelfluss, orthostatische Dysregulation waren schnell dosislimitierend [3, 8].
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Dyskinesien, respiratorische
Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive) Synonyme Tardive Dyskinesie-Syndrome
Definition Persistierende oder anhaltende Dyskinesien nach Exposition mit Neuroleptika, präziser Dopaminrezeptorblockern, tardive Syndrome. 3
diazepam on levodopa-induced diphasic dyskinesias in Parkinson's disease. Mov Disord, 4:195– 201. 21. Price P, Parkes JD, Marsden CD (1978). Tiaprid in Parkinson´s disease. Lancet, II, 1106. 22. Rinne UK, Larsen JP, Siden A, Worm-Petersen J (1998). Entacapone enhances the response to levodopa in parkinsonian patients with motor fluctuations. Nomecomt Study Group. Neurology, 51:1309–14. 23. Siegfried J, Lippitz B (1994). Bilateral chronic electrostimulation of ventroposterolateral pallidum: a new therapeutic approach for alleviating all parkinsonian symptoms. Neurosurgery, 35:1126–1129. 24. Verhagen Metman L, Del Dotto P, van den Munckhof P, Fang J, Mouradian MM, Chase TN (1998). Amantadine as treatment for dyskinesias and motor fluctuations in Parkinson's disease [see comments]. Neurology, 50:1323–6.
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Einleitung Die mit Dopaminrezeptorblockern in Verbindung gebrachten Dyskinesien hat man traditionell in zwei Gruppen eingeteilt: * Zum einen jene, die früh nach Exposition mit Dopaminrezeptorblockern auftreten, als akute dystone Reaktionen und als akute Akathisie häufig von einem medikamentösen Parkinson-Syndrom begleitet. * Zum anderen jene, die vermeintlich „spät“, erst nach längerer Einnahme von Dopaminrezeptorblockern auftreten und auch nach Absetzen der Dopaminrezeptorblocker anhalten (persistieren), die „tardiven“ Syndrome. Der Begriff „tardiv“ wurde eingeführt, weil das Syndrom zunächst bei Patienten beschrieben wurde, die chronisch Neuroleptika einnahmen, um es gegen Frühdyskinesien abzugrenzen. Eine Dauer von mindestens 3 Monaten Neuroleptikabehandlung wurde von Kane und Mitarbarbeitern [5] als Kriterium für die Diagnose einer tardiven Dyskinesie vorgeschlagen. Es gibt allerdings schon seit längerem Berichte, dass tardive Syndrome schon nach kürzerer Zeit, in seltenen Fällen sogar innerhalb von Tagen, nach einer Einnahme von Dopaminrezeptorblockern auftreten können [7]. Irreführend ist jedenfalls die Bezeichnung von „tardiv“ im Sinne von „spät“, weil damit suggeriert wird, dass diese Dyskinesien erst nach langer Einnahme der Dopaminrezeptorblocker auftreten. Der Begriff „tardiv“ hat sich jedoch derart eingebürgert, dass er nicht mehr wegzudenken ist. Es wäre sinnvoller, von persistierenden oder anhaltenden Dyskinesien zu sprechen. 3
Dyskinesien, respiratorische Definition Abnorme respiratorische Motorik in der Regel im Rahmen eines tardiven Dykinesie-Syndroms ( Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive)). 3
Einleitung Die Atmung kann bei einem tardiven Dyskinesie-Syndrom in Mitleidenschaft gezogen sein. Dabei kann es zu merkwürdigen Lautbildungen kommen.
Differenzialdiagnose Die respiratorische Dyskinesie tritt selten isoliert auf. Im Zusammenhang mit einer orobukkolingualen Dyskinesie, Flexions-ExtensionsBewegungen der Finger („Klavierspielen in der Luft“) und das als Beckendyskinesie bezeichnete Vor- und Zurückwippen des Rumpfes ist die Symptomatik so charakteristisch, dass kaum eine Differenzialdiagnose in Betracht kommt. Typischerweise verschlechtert sich diese Form der tardiven Dyskinesie im Gegensatz zur tardiven Dystonie unter Anticholinergika.
Unter dem Begriff tardive Dyskinesie kann man heute phänomenologisch mindestens drei
Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive) 3
Darüber hinaus ist das Adjektiv „tardiv“, im Sinne von persistierend nach Neuroleptika und anderen Dopaminrezeptorblockern (DRB) wie Metoclopramid, auch im Zusammenhang mit Myoklonus, Tourette-Syndrom, Tremor, und Parkinson-Syndrom verwendet worden. Ob es ein tardives Parkinson-Syndrom gibt, ist umstritten. Zweifelsohne gibt es lange (2 Jahre), auch nach Absetzen der kausativen Pharmaka persistierende, medikamentöse parkinsonoide oder durch Dopaminrezeptorblocker „demaskierte“ idiopathische ParkinsonSyndrome.
Diagnostik Sofern Zweifel über die Diagnose bestehen: Ausschluss anderer Hyperkinesen, die nicht medikamentös bedingt sind, z. B. HuntingtonKrankheit, Morbus Wilson.
Therapie Die Behandlung der tardiven Syndrome gestaltet sich in der Regel schwierig. Unterschiede zwischen den einzelnen tardiven Syndromen müssen berücksichtigt werden. Beispielsweise gibt es Patienten mit tardiver Dystonie, die von Anticholinergika profitieren, obwohl Anticholinergika die klassische orobukkolinguale Dyskinesie regelhaft verschlechtern. 1. Überprüfung der Indikation: Bei etwa 50% der Patienten kommt es klinischer Beobachtung zufolge innerhalb von 5 Jahren bei Dopaminrezeptorblockerkarenz zu einer Rückbildung des tardiven Syndroms. Wenn die Chance einer Remission wahrgenommen werden soll, muss angestrebt werden, die ursächlichen Pharmaka abzusetzen, auch wenn eine Erhöhung der Dopaminrezeptorblockerdosis zunächst zu einer Linderung der Symptomatik führen kann. 2. Umstellung auf Clozapin: Falls ein Ausschleichen der Dopaminrezeptorblocker wegen einer psychiatrischen Grundkrankheit nicht in Frage kommt, sollte eine Umstellung auf Clozapin unter Berücksichtigung der Risiken (etwa 1% Agranulo-
zytose, Compliance) und den mit diesen Medikamenten verbundenen praktischen Schwierigkeiten (wöchentliche Blutbildkontrollen, keine Depotdarreichungsform usw.) erwogen werden, weil dieses Medikament bisher kaum mit tardiven Syndromen in Verbindung gebracht worden ist. Außerdem ist bei Patienten mit vorwiegender tardiver dystoner Komponente über den positiven Einfluss von Clozapin berichtet worden [6]. 3. Dopaminspeicherentleerer: Wenn auch aus eigener Erfahrung nebenwirkungsreich und von vielen Patienten nicht toleriert, ist die Verabreichung von Tetrabenazin (12,5–25 mg täglich steigern bis maximal 250 mg) die in den letzten 15 Jahren international am häufigsten vorgeschlagene medikamentöse Therapie[4]. Tetrabenazin (Nitoman®) ist nur über die Fa. Roche, England, erhältlich. Der initiale Therapieversuch mit Tetrabenazin zur Beobachtung von etwaigen Nebenwirkungen wie akuter Akathisie, akuten dystonen Reaktionen und Depression findet idealerweise stationär statt. Bei Patienten, bei denen Neuroleptika nicht abgesetzt werden können, muss mit einem ParkinsonSyndrom oder einer Verstärkung eines bereits vorhandenen Parkinson-Syndroms gerechnet werden. Ein malignes neuroleptisches Syndrom ist bei der Behandlung eines Choreapatienten beschrieben worden [1]. Tetrabenazin wirkt ähnlich wie Reserpin durch Entleerung der zentralen Katecholaminspeicher und kann bei den drei Hauptformen der tardiven Syndrome (Dyskinesie, Dystonie und Akathisie) [3] und beim tardiven [8] gleichermaßen verwendet werden. Auf Grund des präsynaptischen Wirkmodus geht man davon aus, dass Tetrabenazin und Reserpin selbst keine tardiven Syndrome verursachen. Bei Tetrabenazin sind aber akute dystone Reaktionen und akute Dyskinesien [2] bekannt, die man sich mit zusätzlichen postsynaptischen blockierenden Eigenschaften erklärt. Der Effekt von Tetrabenazin setzt im Vergleich zu Reserpin mit geringerer Latenz als bei Reserpin ein, bei Reserpin beträgt die Latenz eine Woche. Zudem ist bei Tetrabenazin der periphere Effekt auf postsynaptische Dopaminspeicher und damit der blutdrucksenkende Effekt weit weniger ausgeprägt als bei Reserpin. Bei Tetrabenazin geht man davon aus, dass 3
eigenständige tardive Dyskinesie Syndrome abgrenzen: * Die klassische tardive (orobukkolinguale) Dyskinesie. * Die tardive Dystonie. * Die tardive Akathisie.
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Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive)
die Dopaminspeicherentleerung nach 24 Stunden reversibel ist. Die Nebenwirkungen sistieren daher bald nach Absetzen von Tetrabenazin. Anders als bei Anticholinergika kann hier das Absetzen abrupt erfolgen. Eine Kombination mit dem bei Phaeochromozytom verwendeten Antihypertonikum α-Methyl-Para-Tyrosin, ein Tyrosin-Hydroxilasehemmer (Demser, über die Fa. MSD aus Großbritannien und USA erhältlich), verstärkt den zentralen dopaminverarmenden Effekt und potenziert die erwünschten und unerwünschten Effekte von Tetrabenazin. Kombinationen von Tetrabenazin und Lithium können sich günstig auf Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil auswirken[3]. Darüber hinaus sind Benzodiazepine in der Regel vorübergehend bei allen tardiven Syndromen subjektiv hilfreich. Kontrollierte Studien liegen für Clonazepam (Rivotril®) vor [9]. 4. Spezifische Therapie bei tardiver Dystonie: Bei einer im Vordergrund stehenden dystonen Komponente wird man initial langsam ein Anticholinergikum (Trihexyphenydil, Artane® 2 mg wöchentlich steigern) bis zur Verträglichkeitsgrenze einschleichen und Tetrabenazin als Mittel der 2. Wahl einsetzen. Dosen von über 40 mg von Trihexyphenydil sind keine Seltenheit bei Patienten, die von diesem Medikament profitiert haben. Darüber hinaus wurde Clozapin (Leponex®) zur Therapie tardiver Dystonie vorgeschlagen [6]. Lokale Injektionen von Botulinumtoxin A (BOTOX®, Dysport®) sind ausschließlich für die Behandlung der tardiven Dystonien in ihrer fokalen Form in Analogie zu anderen symptomatischen und idiopathischen Dystonievarianten zu empfehlen. Ein spezielles Problem stellt der Retrokollis mit axialer Komponente dar. Dabei sind sehr hohe therapielimitierende Dosen von Botulinumtoxin notwendig, um positive Effekte zu erzielen. 5. Wann kann auf Neuroleptika zur Therapie tardiver Syndrome zurückgegriffen werden? Auf die Verabreichung eines klassischen Neuroleptikums wird man in drei Situationen zurückgreifen: a) Wenn nach Ausschöpfung der medikamentösen Möglichkeiten einschließlich Clozapin (Leponex®) weiterhin eine schwerwiegende „tardive“ Symptomatik mit Extrembildern wie CK-Erhöhung
bis zur Rhabdomyolyse, Einschränkung der Atmung durch Opisthotonus oder schwere Schlunddystonie mit Indikation zur Tracheotomie besteht. b) Wenn die Symptomatik sich über 5 Dopaminrezeptorblocker-freie Jahre nicht zurückgebildet hat. Nach einem solchen Zeitraum kann man davon ausgehen, dass das Warten auf eine Remission aussichtslos ist. c) Wenn bei Patienten in hohem Lebensalter eine Fortführung der Einnahme von Dopaminrezeptorblockern und eine eventuelle Erhöhung der Dosis bei der verbleibenden Lebenserwartung vielleicht eine bessere Lebensqualität gewährleisten, als das Warten auf eine mögliche Remission. Bei schwerster, vorwiegend generalisierter dystoner Komponente bewährt sich die Dreier-Kombination Trihexyphenydil, Pimozid und Tetrabenazin, schlimmstenfalls müssen Patienten vorübergehend relaxiert und beatmet werden. Angesichts der im Allgemeinen unbefriedigenden Therapie der tardiven Syndrome ist es verständlich, dass man nach Alternativen sucht. Die Vielzahl der veröffentlichten positiven Therapieergebnisse in den letzten Jahren mit neuen und alten Substanzen (z. B. Cholinergika: Cholin, Tacrin, Ingram, Lecithin; Dopamaminergika: Dimethylaminoethanol Lisurid, L-Dopa; Kalziumantagonisten: Verapamil; Antioxidantien: Tocopherol), die nicht bestätigt werden, zeigt jedoch, dass man eine spezifische medikamentöse Behandlung noch nicht gefunden hat. Die Prävention durch strenge Indikationsstellung für den Einsatz von Dopaminrezeptorblockern kann daher nicht genügend betont werden. 3
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Dysphonie, spasmodische 4. Jankovic J, Orman J (1988) Tetrabenazine therapy of dystonia, chorea, tics, and other dyskinesias. Neurology 38:391–394 5. Kane JM, Smith JM (1982) Tardive dyskinesia. Arch Gen Psychiatry 39:473–481 6. Lieberman JA, Saltz BL, Johns CA, et al. (1991) The effects of clozapine on tardive dyskinesia. Br J Psychiatry 158:503–10 7. Miller LG, Jankovic J (1992). Drug induced movement disorders: an overview. In: Joseph AB and Young RP (eds). Movement disorders in neurology and psychiatry. Blackwell Scientific, Cambridge 8. Stacy M, Jankovic J (1992) Tardive tremor. Mov Disord 7:53–57 9. Thaker GK, Nguyen JA; Strauss ME, et al. (1990) Clonazepam treatment of tardive dyskinesia: a practical GABA mimetic strategy. Am J Psychiatry 147:445–51
Dysmetrie Definition Bei Zielbewegungen wird das Ziel unter überschießenden Bewegungen, oft mit Korrekturen, verfehlt.
Einleitung Die Dysmetrie gehört zu Ataxie und wird in erster Linie mit dem Kleinhirn, einschließlich seiner Efferenzen und Afferenzen in Verbindung gebracht. Während die Dysmetrie und der Intentionstremor für Hemisphärenschädigungen sprechen, liegen bei der Standataxie und Rumpfataxie (typischerweise ein 2–3/sec Vorwärts- und Rückwärtswippen) Läsionen des Unterwurms, bei der Gangataxie eher des Oberwurms vor. Ataxie beschreibt im engeren Sinne Störungen in der Bewegungskoordination und Gleichgewichtsregulation. Wörtlich heißt Ataxie Unordnung. Sie kann sich bei allen Bewegungen bemerkbar machen, auch der Augen, beim Sprechen und bei der Stimmbildung.
Dysosmie Parosmie
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Dysphonie, spasmodische Synonyme Laryngeale Dystonie
Definition Dystonie innerer Larynxmuskeln.
Einleitung Die spasmodische Dysphonie stellt die Dystonie innerer Larynxmuskeln dar. Diese Stimmstörung betrifft beide Geschlechter gleichermaßen und tritt als fokale Dystonie meist im frühen bis mittleren (20–70 Jahre, mittleres Alter 47 Jahre) Erwachsenenalter auf. Die erste klinische Beschreibung der spasmodischen Dysphonie ist Traube zuzuschreiben, der 1871 eine Arbeit mit dem Titel „Spastische Form der nervösen Heiserkeit“ veröffentlichte. Man tendiert heute dazu, eher von der „spasmodischen“ als von der „spastischen“ Dysphonie zu sprechen, um das Krankheitsbild von dem Symptomenkomplex der Spastik bei Läsionen der Pyramidenbahn zu differenzieren. Die spasmodische Dystonie wird im Wesentlichen in zwei gegensätzliche Typen, den ADDuktor-Typ (gepresste Stimme) und den 20mal selteneren AB-Duktor-Typ (Flüsterdysphonie) eingeteilt: * Beim AD-Duktor-Typ klingt die Stimme gepresst, als würde man versuchen zu sprechen, während man erstickt. Kompensatorisch versuchen manche Patienten während der Inspiration zu sprechen. Bei über 40% der Patienten liegt zusätzlich ein Stimmtremor vor. Laryngologische Untersuchungen zeigen, dass die Stimmlippen entweder ständig überadduziert sind bzw. intermittierende Spasmen aufweisen, die zu Pausen und Abbrüchen in der Stimmbildung führen. Motorische Kontrolldefizite äußern sich in frühzeitigen und übermäßigen vertikalen Bewegungen des Larynx vor dem Stimmeinsatz. Elektromyographische Untersuchungen zeigen eine intermittierende Zunahme der Muskelaktivität des AD-Duktors, die mit den Abbrüchen in der Stimmbildung zusammenfällt [2, 4]. Je nach Schweregrad lässt sich von ADDuktorspasmen der Stimmlippen, der Stimmlippen und Taschenfalten sowie von einer zirkulären Konstriktion des Hypopharynx sprechen. Bei sehr gepresster Stimme
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*
Dysphonie, spasmodische
und Abbrüchen in der Stimmbildung tritt letztgenannter Fall ein. Das Lumen nimmt hierbei nicht nur eine ovale Form in anteroposteriorer Richtung wie bei den AD-Duktorspasmen der echten und/oder falschen Stimmlippen ein, sondern es kommt zu einem sphinkterischen bzw. zirkulären Spasmus im supraglottischen Raum. Die intrinsische laryngeale Hyperadduktion tritt gemeinsam mit einer Kontraktion pharyngealer Konstriktoren auf. In diesen Situationen sind auch Bewegungen der extrinsischen laryngealen Muskeln durch die Haut am Hals sichtbar. Oft begleiten aberrante Atembewegungen die Hyperadduktionsspasmen. Sekundär kann ein Flushphänomen beobachtet werden, in ausgeprägten Fällen eine Zyanose aufgrund des erhöhten intrathorakalen Drucks während der Hyperadduktionsspasmen. Bei der seltenen spasmodischen Dysphonie vom AB-Duktor-Typ können in Ruhe die Stimmlippen ausgehöhlt erscheinen. Während der Stimmbildung kommt es zu Abduktionsbewegungen, der fehlende Glottisschluss führt zur hauchigen Flüsterstimme. Durch stimmvolle Konsonanten kann dieses Phänomen weitgehend unterdrückt werden. Die Inspirationsperiode geht in das Vokalisationssegment über und nimmt dabei der Stimmbildung die Kraft. Im eigenen Krankengut konnte eine Mischform zwischen AD-Duktor- und AB-Duktor-Typ der spasmodischen Dysphonie beobachtet werden, bei der initial bei Phonation exkavierte Stimmlippen mit unvollständiger Annäherung zu sehen waren, die bei längerer Phonation in Spasmen der AD-Duktoren übergingen.
Die spasmodische Dysphonie findet man zumeist als isoliertes Syndrom, obwohl eine diskrete Beteiligung der äußeren Larynxmuskulatur und des Pharynx die Regel ist. Assoziationen mit anderen kraniozervikalen Dystonien sind häufig. Es handelt sich bei der spasmodischen Dysphonie analog dem Schreibkrampf um eine aktionsinduzierte Dystonie, die sich nur beim Stimmeinsatz bemerkbar macht. Es ist nicht ungewöhnlich, Patienten zu erleben, bei denen beim Sprechen eine schwere Symptomatik vorliegt, beim Singen die Stimme jedoch normal klingt. Falls die Symptomatik un-
abhängig von vokaler Aktivität auch in Ruhe (z. B. als Stridor, Dysphagie) auftritt, ist meist der Larynx und der Pharynx über die intrinsische Larynxmuskulatur hinaus betroffen. Eine Form des dystonen Stridors stellt das GerhardtSyndrom dar, bei dem die Stimmlippen aufgrund einer tonischen Aktivität des M. thyroarytenoideus ständig in paramedianer Stellung zu sehen sind [5]. Die extrinsische laryngeale Dystonie führt über die Aktivität der infrahyoidalen Muskulatur zu einer Annäherung des Zungenbeins und Unterkiefers mit entsprechender Fehlstellung. Die Muskelkontraktionen sind manchmal unter der Haut über dem Kehlkopf sichtbar. Stimm- und Sprechstörungen sind zu beobachten, Engegefühl im Hals wird von den Patienten beschrieben. Ausgeprägtere Formen treten ähnlich wie im Fall der pharyngealen Dystonie praktisch nicht isoliert auf. Bei der pharyngealen Dystonie erleben die Patienten Dysphagie unterschiedlicher Schweregrade, die von einem Globusgefühl bis zur Unfähigkeit, Speichel zu schlucken, reicht. Bei ausgeprägterer Symptomatik kann ein dystoner Stridor hinzukommen. Dysphagie tritt aber auch bei Patienten mit zervikaler Dystonie ohne pharyngeale Beteiligung auf. Der Schluckakt ist bei Antero- und Retrokollisformen erschwert, da der Zungengrund dem oberen Ösophagus-Sphinkter entweder zu sehr angenähert oder von ihm entfernt wird [6]. Die Hypertrophie des M. sternocleidomastoideus stellt in seltenen Fällen ein Hindernis dar. Bei einer der spasmodischen Dysphonie ähnlichen Symptomatik, die nicht modifiziert wird durch Lachen, Flüstern, Räuspern oder Singen u. a., sind differenzialdiagnostisch nichtdystone Ursachen auszuschließen, wie z. B. lokale Prozesse bei Polypen, Gefäßmissbildungen, Karzinome u. a. Die Art der gestörten Stimmbildung ist allerdings beim AD-Duktor-Typ meist so charakteristisch, dass lokale Differenzialdiagnosen kaum Schwierigkeiten bereiten.
Diagnostik Ein Ausschluss von lokalen Prozessen ist im Hinblick auf eine lokale Botulinumtoxin-Behandlung wichtig. Stimmbandlähmungen können ähnlich wie eine AB-Duktor-Typ-Dysphonie klingen. Zu Problemen kann es bei Dysphonie im Rahmen von degenerativen akinetischrigiden Syndromen kommen. Die Differenzie-
Dysplasie, fibromuskuläre
rung von Dystonie und Parese in der Larynxmuskulatur im Fall von Stridor und Flüsterstimme kann bei Patienten mit multiplen Systematrophien Schwierigkeiten bereiten.
Therapie Lokale Injektionen mit Botulinumtoxin stellen das Mittel der Wahl dar. Die Behandlung der spasmodischen Dysphonien erfordert eine intensive Kooperation mit einem Phoniater im Hinblick sowohl auf die Diagnostik als auch auf die therapeutischen Injektionen. Hämangiome im Larynxbereich und andere lokale Veränderungen müssen vor einer Botulinumbehandlung unbedingt ausgeschlossen werden. gesichert Spasmodische Dysphonie vom AD-DuktorTyp, dystoner Stridor: Die Injektion erfolgt unter simultaner EMGKontrolle perkutan durch die Membrana cricothyroidea oder peroral unter Sicht mit Oberflächenanästhesie in den Vocalis-thyroarytenoideus-Muskelkomplex. Durch die resultierende Schwächung des Stimmlippenmuskels kommt es zu einer oft dramatischen Symptomlinderung (bis zu 100%), wobei bei Nachlassen der Wirkung nach etwa 3 Monaten die Injektionen wiederholt werden können. In der größten Serie wurde eine durchschnittliche Stimmfunktion von 90% mit einem über 4 Monate anhaltenden Effekt erzielt [1]. Ein erhöhter Luftverbrauch beim Sprechen sowie eine heisere und hauchende Stimme stellen Nebenwirkungen dar, die vorübergehend bei fast allen Patienten bis zu einem gewissen Grad auftreten. Der dystone Stridor im Rahmen eines GerhardtSyndroms kann ebenfalls erfolgreich mit Injektionen in den M. thyroarytenoideus behandelt werden, wenn andere Ursachen für die Paramedianstellung der Stimmlippen ausgeschlossen wurden [5]. empirisch Spasmodische Dysphonie vom AB-DuktorTyp: Injektionen müssen hier in die Stimmlippenschließer (M. cricoarytaenoideus posterior) und können initial nur einseitig erfolgen. Als unerwünschte Wirkung ist Stridor unter Belastung zu nennen. Die Reduktion des Flüstercharakters der Stimme und der damit zusammenhängenden Symptomatik (Anstrengung beim
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Sprechen, erhöhter Luftverbrauch) ist jedoch nicht so dramatisch (maximale Besserung 70%) wie beim AD-Duktor-Typ [3]. unwirksam/obsolet Bevor Botulinumtoxin Mittel der Wahl geworden ist, fanden folgende konservative Behandlungsansätze hauptsächlich Anwendung: Psychotherapie, Stimmtherapie und medikamentöse Therapie mit Anticholinergika. Anhand der eigenen Erfahrung und der anderer Autoren sind diese Behandlungsansätze wenig befriedigend, wenn nicht sogar erfolglos.
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Dysplasie, fibromuskuläre Definition Nicht entzündliche Gefäßerkankung ungeklärter Ätiologie mit multiplen (perlschnurartigen) intraluminalen Stenosen mittelgroßer Arterien, vor allem der hirnversorgenden Arterien und der Nierenarterien. Häufung bei Frauen (75%) und in der kaukasischen Bevölkerung. Mittleres Erkrankungsalter: 50 Jahre. Die Wertigkeit bezüglich zerebrovaskulärer Ereignisse und Progredienz ist unklar, da hierzu keine größeren epidemiologischen Untersuchungen vorliegen.
Einleitung Neben dem extrakraniellen Abschnitt der A.
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Dysraphie, dysraphische Störungen
Diagnostik *
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Konventionelle Angiographie (Nachweis der Stenosen, Dilatationen und Aneurysmen. Gezielte Diagnostik hinsichtlich Nierenarterienbeteiligung). Duplexsonographie (Wandbeurteilung, Stenosegraduierung). MR-Angiographie. Histologie.
Therapie Kontrollierte Therapiestudien zur fibromuskulären Dysplasie existieren nicht. Im Allgemeinen wird eine Rezidivprophylaxe von ischämischen Ereignissen durch Thrombozytenaggregationshemmer empfohlen. Bei höhergradigen symptomatischen Stenosen oder Aneurysmen ist ein operatives Vorgehen analog zu arteriosklerotischen Stenosen möglich. So wird in einer Fallserie (Chiche et al., 1997) von 60 symptomatischen Patienten über eine Schlaganfallsfreiheit von 94% 5 Jahre nach Desobliteration (operativ oder Angioplastie) berichtet. Beim Auftreten von Hirninfarkten, intrazerebralen Blutungen und Subarachnoidalblutungen muss entsprechend behandelt werden. 3
3
carotis interna und seltener der A. vertebralis werden auch die Nierenarterien betroffen, was zur renalen Hypertonie führt. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 50 Jahren. Frauen sind mit 75% der Patienten deutlich häufiger betroffen. Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt, wobei eine multifaktoriellen Genese mit kongenitaler Komponente diskutiert wird. Klinisch äußern sich die Gefäßveränderungen in flüchtigen Ischämien (33%) oder Infarkten (15%), die entweder thrombembolischer oder hämodynamischer Genese sein können. Bei begleitenden Kopfschmerzen, einem Horner-Syndrom oder Hirnnervenausfällen ist eine Gefäßdissektion zu postulieren. Zusätzlich können assoziierte Aneurysmen zu intrakraniellen Blutungen bzw. Subarachnoidalblutungen führen. Je nach betroffener Gefäßwandschicht unterscheidet man drei verschiedene Typen. Am häufigsten (> 95%) kommt eine Fibroplasie bzw. Muskelhypertrophie der Tunica media vor, in 1–2% der Fälle ist die Intima betroffen, am seltensten ist die Adventitia beteiligt. Intraluminale Stenosen treten bei allen drei Typen auf, hingegen ist das typische Perlschnurmuster („string of beads“) mit Wechsel von Stenosen und Aneurysmen ausschließlich bei der Fibroplasie der Media nachzuweisen. Bei Hypertrophie der Media kommen aneurysmatische Dissektionen mit Hämorrhagien und Thrombosierung des falschen Lumens vor. Angiographische Klassifikation: * Typ I: Perlschnurartiges Aussehen mit Wechsel von kurzstreckigen Stenosen (<40%) und kurzstreckigen Dilatationen. * Typ II: Multiple Stenosierungen (>1 cm) oder langstreckige konzentrische Stenosen. * Typ III: Unilateral normale Gefäßwand, kontralateral elongierte ovale Divertikel, die durch nicht zirkumferente Einschnürungen abgegrenzt werden.
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Nachsorge Thrombozytenfunktionshemmer sollten lebenslang eingenommen werden.
Dysraphie, dysraphische Störungen
Histologische Kriterien: * Fibroplasie bzw. Muskularishyperplasie der Tunica media (>95%). * Beteiligung der Intima. * Beteiligung der Adventitia (sehr selten).
Synonyme
Bei fibromuskulären Dysplasien werden gehäuft Dissektionen und intrakranielle Aneurysmen beobachtet.
Durch eine embryonale Fehlentwicklung bedingte, angeborene kombinierte Fehlbildungen durch unvollständigen Schluss der Neuralplatte. Man unterscheidet kranielle (Anenzephalie, Zephalozele) und spinale ( Spina bifida) Dysraphien.
Neuralrohrdefekt
Definition
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Dystonie
Dysreflexie, autonome Synonyme Autonome Hyperreflexie
Definition Überschießende Sympathikusaktivierung (z. B. durch Überdehnung der Blasenwand, schwere Obstipation, Schmerzen, diagnostische Eingriffe, Hitze- oder Kälteexposition, gastrointestinale Erkrankungen) bei Patienten mit hoher Rückenmarkläsion (oberhalb von Th6).
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zum Spektrum. Darunter fasst man ein breites Spektrum an Bewegungsstörungen zusammen, die ein bestimmtes Muster zentralnervöser Fehlfunktionen bei der Bewegungs- und Haltungskontrolle aufweisen. Der Begriff Dystonie wird zum einen gebraucht, um ein Symptom zu beschreiben, zum anderen um eine eigenständige Krankheitsentität zu bezeichnen und schließlich, um sich auf ein Syndrom (sekundäre Dystonie) im Rahmen einer anderen Grundkrankheit zu beziehen.
Einleitung
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Klinisch finden sich unterhalb der Läsionshöhe Blässe und eine Piloerektion, oberhalb der Läsion führt der Blutdruckanstieg zu vermehrter Vagusaktivität mit Bradykardie, Kopfschmerzen und Gesichtsrötung.
Unter idiopathischer Torsionsdystonie versteht man heute meist die generalisierte Form der Dystonie, die im Kindes- und Jugendalter typischerweise am Fuß beginnt, und bei der oft eine Familienanamnese vorliegt. Seit Beginn der 60er-Jahre hat man begonnen, lokalisierte Bewegungsstörungen des Erwachsenenalters wie den Schreibkrampf oder den Blepharospasmus als Teil des Krankheitsspektrums der Dystonie zu sehen, weil diese Störungen gehäuft bei Angehörigen von Patienten mit generalisierter Dystonie auftreten. Die im Erwachsenenalter auftretenden umschriebenen Dystonien werden heute als fokale Dystonien bezeichnet. Man geht davon aus, dass ein gewisser Teil der fokalen Dystonien ohne erkennbare Ursache partielle Formen der idiopathischen Torsionsdystonie darstellen. Die Patienten mit fokaler Dystonie müssen aber nicht denselben genetischen Defekt wie Patienten mit der generalisierten idiopathischen Torsionsdystonie aufweisen. Es besteht schon bei der generalisierten idiopathischen Torsionsdystonie, die typischerweise als fokale Fußdystonie beginnt, eine genetische Heterogenität [8]. Die Subsummierung der verschiedenen Dystonieformen unter dem Oberbegriff Dystonie wird somit durch praktische Erwägungen (ähnliche Therapie und Abklärung) und durch elektrophysiologische, neuroanatomische oder bildgebende Gemeinsamkeiten gerechtfertigt. Einen gemeinsamen Aspekt bei den verschiedenen Dystonieformen stellen die sogenannten sensorischen „Tricks“ oder Manöver dar (z. B. Anlegen eines Fingers an die Wange bei der zervikalen Dystonie, Singen bei der spasmodischen Dysphonie), die die Patienten einsetzen, um die Dystonie zu lindern. Die fokalen Dystonien stellen die häufigste
Prophylaxe Vermeidung der auslösenden Faktoren (Blasenentleerung, Ausräumung des Rektums), Analgesie. Prophylaxe durch Langzeitmedikation mit einem selektiven α-Rezeptorenblocker (z. B. Prazosin, 2–3×0,5–5 mg, Minipress®).
Therapie empirisch Sofortige Elimination der auslösenden Faktoren (Blasenentleerung, Ausräumung des Rektums). Bei Persistenz hoher Blutdruckwerte antihypertensive Medikation (z. B. Gabe von Nitroprussidnatrium, 0,2–10 µg/kgKG/min, z. B. Nipruss®), zur Prophylaxe ist dann die Langzeitmedikation mit einem selektiven α-Rezeptorenblocker erforderlich (z. B. Prazosin, 2–3×0,5– 5 mg, Minipress®).
Dystonie Synonyme Dystonia musculorum deformans, Torsionsdystonie
Definition Unter dem Begriff Dystonie wird „ein Syndrom anhaltender Muskelkontraktionen, das häufig zu verzerrenden und repetitiven Bewegungen und abnormalen Haltungen führt“ verstanden. Myokloniforme und tremoröse Formen gehören
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Dystonie
Dystonieform dar. Sie beginnen in der Regel im mittleren Erwachsenenalter. Es handelt sich im Wesentlichen um kraniozervikale Dystonien und den Schreibkrampf. Kraniozervikale Dystonie stellt den Überbegriff für Blepharospasmus, oromandibuläre, pharyngeale, laryngeale und zervikale Dystonie dar. Meistens lässt sich keine Ursache für die fokalen Dystonien im Erwachsenenalter finden. Im Gegensatz zur Dystonie mit Beginn im Kindes- oder Jugendalter zeigen sie kaum eine Tendenz, sich über benachbarte Körperregionen hinaus auszubreiten. Sie bleiben fokal oder segmental. Eine Fußdystonie im Erwachsenenalter, ein Blepharospasmus oder eine frühzeitige bulbäre Beteiligung in jungen Jahren ist eher symptomatisch. Die seit Beginn der 80iger Jahre gängige Klassifikation unterteilt die Dystonien nach der Ätiologie (primär bzw. idiopathisch, hereditär, sekundär bzw. symptomatisch), nach dem Alter beim erstmaligen Auftreten (infantile, juvenile und adulte Form) und nach ihrer topischen Verteilung (fokale, segmentale, multifokale, generalisierte Dystonie, Hemidystonie). Neuerdings werden Varianten der primären Dystonie wie die dopasensitive Form ( Segawa-Dystonie, dopasensitive) oder die myoklonische Dystonie unter der Rubrik Dystonie-Plus-Syndrome geführt [6]. 3
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Diagnostik Den Ausschlag für die Diagnose eines dystonen Syndroms gibt das Erkennen von bestimmten Bewegungsmustern. In bestimmten Fällen ist die Symptomatik angesichts der Abhängigkeit von äußeren Einflüssen (z. B. Licht beim Blepharospasmus) und affektiven Faktoren bei Befunderhebung schwer nachzuvollziehen. Hier kommt der Anamnese eine zentrale Bedeutung zu. Außerdem werden bestimmte sekundäre Dystonien, z. B. tardive Dystonien (Medikamentenanamnese) oder verzögert auftretende Dystonien (Geburtsanamnese) nach frühkindlichem Hirnschaden nur durch eine genaue Anamnese eruierbar sein. In bestimmten Fällen, vorwiegend bei Hinweisen auf eine symptomatische Form (Atrophien, Paresen, Pyramidenbahnzeichen, Ataxie, Bradyhypokinese, kognitive Leistungseinbußen, Epilepsie, verzögerte Entwicklung, Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt) und bei Beginn im jugendlichen Alter, muss eine aufwendige Ausschlussdiagnostik (Speicher-
krankkheiten, Stoffwechseldefekte) erfolgen. Insbesondere darf eine Kupferstoffwechselstörung (Morbus Wilson) und eine dopasensitive Form nicht übersehen werden, da deren Therapie sekundäre Folgeschäden verhindern kann. Bei Hemidystonien muss immer eine strukturelle Läsion in den kontralateralen Stammganglien ausgeschlossen werden.
Therapie Bisher gibt es keine allgemeingültige erfolgreiche Behandlungsmethode für die Dystonien. Wir können lokale Injektionsbehandlungen mit Botulinumtoxin, medikamentöse und chirurgische Therapien sowie unterstützende oder begleitende Verfahren, wie Krankengymnastik unterscheiden [3]. gesichert Hier ist die Einführung von Botulinumtoxin in die klinische Routine besonders hervorzuheben, da sie heute für die fokalen Dystonien das Mittel der ersten Wahl darstellt [4]. Eine detailliertere Darstellung dieser Therapieform ist unter den einzelnen fokalen Dystonien zu finden. Hochdosierte Anticholinergika (Trihexyphenydil, Artane®) sind besonders bei jugendlichen Patienten mit generalisierter idiopathischer Dystonie zu erwägen. Der positive Effekt dieser Therapie ist neben vielen offenen Studien auch in einer Doppelblindstudie erwiesen worden [2]. empirisch Eine medikamentöse Therapie ist indiziert bei generalisierten und multifokalen Dystonien mit Beginn im Kindes- und Jugendalter, sowie bei fokalen und segmentalen Dystonien, die mit Botulinumtoxin-Therapie nicht befriedigend zu behandeln sind. Es wird eine ganze Reihe von Medikamenten gegeben, deren Einsatz unterschiedlich diskutiert wird: L-Dopa, Anticholinergika, Baclofen, Benzodiazepine, Dopaminspeicherentleerer wie Reserpin und Tetrabenazin, Neuroleptika, Dopaminagonisten wie Lisurid und Antiepileptika. Die Medikamentenstudien sind fast ausnahmslos vor der Botulinumtoxin-Ära durchgeführt worden und müssen daher heute anders beurteilt werden. Bei Erwägung einer medikamentösen Therapie muss man grundsätzlich zwischen fokalen oder segmentalen Dystonien mit Beginn im Erwach-
Dystonie
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1. L-Dopa: Bei Dystonien mit Beginn vor dem 20. Lebensjahr wird zunächst eines der modernen L-Dopa-Kombinationspräparate versucht. Damit wird die L-Dopa-sensitive Dystonie ( Segawa-Dystonie, dopasensitive) ausgeschlossen oder bestätigt. Außerdem profitieren einige Patienten mit sekundärer Dystonie. Die Dosierung erfolgt einschleichend, um bei Verträglichkeit eine Tagesdosis von 3× 200 mg L-Dopa zu erreichen (bei initialer Unverträglichkeit zusätzlich Domperidon 3×20 mg/die). Bei Verschlechterung, oder wenn nach 8 Wochen keine Besserung erzielt worden ist, bricht man den Therapieversuch ab. Typischerweise reichen bei der klassischen L-Dopa-sensitiven Dystonieform gleich zu Beginn kleine Dosen (2× 100 mg L-Dopa) aus, um die Symptomatik fast vollständig zu kupieren. Bei Frauen, die schwanger werden wollen, ist ein Präparat mit Carbidopa als Decarboxylasehemmer im L-Dopa-Präparat vorzuziehen (Benserazid in Madopar® ist wegen Störung im Knochenaufbau kontraindiziert). Selbst nach 22 Jahren L-Dopa-Therapie in kleiner Dosierung kommt es zu keinem LDopa-Langzeitsyndrom wie beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. Bei Beginn einer fokalen Dystonie im Erwachsenenalter lohnt sich ein solch langwieriger L-Dopa-Therapieversuch kaum, es sei denn, es handelt
sich um eine sekundäre Dystonie, etwa bei einem Parkinson-Syndrom. 2. Anticholinergika: Trihexyphenydil (Artane®) ist das Anticholinergikum, mit dem man die meiste Erfahrung bei Dystonie gewonnen hat. Man kann auch andere Anticholinergika wie Biperiden (Akineton®) versuchen, die annähernd dosisäquivalent sind. Die Dosierung des Trihexyphenydil erfolgt einschleichend (1– 2 mg pro Woche steigernd) unter Anpassung an die Verträglichkeit. Dosen von über 100 mg werden von jungen Patienten vertragen, wenn die Aufdosierung sehr langsam erfolgt. Insbesondere bei Schulkindern ist es sinnvoll, eine Psychometrie vor und nach dem Einsatz von Anticholinergika durchzuführen, um den Einfluss auf kognitive Funktionen zu monitoren. Es kann zu Erhöhung der Transaminasen und Verlängerung der PT (Quick) unter hochdosierten Anticholinergika kommen, weshalb eine regelmäßige Bestimmung der Leberwerte sinnvoll ist. Etwa die Hälfte der jugendlichen Dystoniker profitiert, oft erst nach längerer Einnahme, von einer hochdosierten anticholinergen Therapie. Hingegen erzielt man im Langzeitverlauf nur bei etwa 10% (initial bei 1/5 der Blepharospasmuspatienten) der erwachsenen Dystoniker mit Anticholinergika eine Besserung. Bei Patienten mit sekundärer Dystonie mit strukturellen Hirnläsionen ist eine hochdosierte Anticholinergikatherapie nach eigener Erfahrung ebenfalls von geringem Nutzen. Hier sollte man einen Versuch mit L-Dopa durchführen. Bei der Aufdosierung mit Trihexyphenydil kann es initial durch Auflösen der dystonen Haltungen zu einer vermeintlichen Verschlechterung kommen, weil myokloniforme Aktivierungsmuster demaskiert werden. In diesem Fall sollte man eine Kombinationstherapie erwägen. Nebenwirkungen: Probleme bereiten bei Anticholinergika periphere (Verschwommmensehen, trockener Mund, Obstipation, Harnverhalt usw.) und zentralnervöse (z. B. kognitive Leistungseinbußen, Vergesslichkeit, Psychosyndrom, Chorea) Nebenwirkungen. Die medikamentös induzierte Chorea kann bei älteren Patienten schon bei geringen Dosen von 12 mg/die auftreten und ist von dem dystonen Syndrom zu differenzieren. Limitieren lediglich periphere Nebenwirkungen den therapeutischen Nutzen 3
senenalter und einer generalisierten Dystonie mit Beginn im Kindesalter unterscheiden. Beispielsweise vertragen jüngere Patienten aus noch nicht geklärten Gründen hohe Dosen von Anticholinergika, während bei Erwachsenen unerwünschte Wirkungen schnell therapielimitierend wirken. Patienten mit Schreibkrampf oder anderen Beschäftigungskrämpfen entwickeln ihren Leidensdruck meist aufgrund der Behinderung in ihrem Beruf. Kognitive Leistungseinbußen, die in der Regel mit einer medikamentösen Therapie einhergehen würden, stehen in diesem Fall in keinem Verhältnis zu dem geringen therapeutischen Nutzen. Bei Patienten mit generalisierter Dystonie, insbesondere bei Jugendlichen und Kindern, kann es sein, dass die Dystonie zu fixierten Haltungen mit sekundären Kontrakturen führt. Hier ist dann eine aggressivere Pharmakotherapie gerechtfertigt.
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der Anticholinergika, kann man periphere Cholinesterasehemmer wie Pyridostigmin (Mestinon®) oder ein Miotikum als Augentropfen bei Verschwommensehen einsetzen. Zentralnervöse unerwünschte Effekte können nur mit einer Dosisreduktion angegangen werden. Ein plötzliches Absetzen von hochdosierten Anticholinergika kann zu einer Verschlechterung der Dystonie und zu einem gravierenden Psychosyndrom führen. Kombinationen von Anticholinergika mit Baclofen können bei jugendlichen Dystonikern hilfreich sein, um die Anticholinergika zu reduzieren. 3. Weitere Medikamente und Kombinationstherapie: Falls Anticholinergika keinen Erfolg zeigen, können weitere Medikamente einzeln oder in Kombination eingesetzt werden: Baclofen (Lioresal®) in hoher Dosierung (40–120 mg/die) hilft vereinzelten Patienten. Antiepileptika wurden auch vorgeschlagen, sind aber praktisch nur bei den seltenen paroxysmalen kinesiogenen Dystonien effektiv. Hier kann auch Acetazolamid (Diamox®) versucht werden, das bei periodischen Ataxien und bei symptomatischen paroxysmalen Dystonien wirksam ist. Benzodiazepine wirken wahrscheinlich unspezifisch und sind bei bestimmten Patienten trotz der Gewöhnungsproblematik zu vertreten. Für Patienten mit myokloniformen Aktivierungsmustern stellt Clonazepam (Rivotril®) eine Alternative dar. Neuroleptika lindern wohl die Symptomatik über eine Dämpfung der affektiven Verstärkungsmomente und über die Auslösung eines Parkinsonoids. Neuroleptika sind jedoch kontraindiziert, da hier das Risiko besteht, neben der Dystonie nun iatrogen ein zusätzliches tardives Dyskinesiesyndrom zu induzieren. Tetrabenazin (über England erhältlich) oder Reserpin sind Dopaminspeicherentleerer, die vermutlich nicht das Risiko bergen, tardive Dyskinesien zu verursachen. Dafür werden sie häufig wegen ihrer Nebenwirkungen nicht vertragen. Tetrabenazin kann eine akute Akathisie und akute Dystonien auslösen, weshalb es günstig ist, die initiale Einstellung (jeden Tag um 25 mg steigern, bis maximal 300 mg) unter Beobachtung durchzuführen Parkinsonismus, Depression, Übelkeit sind weitere unerwünschte Wirkungen, die unter Umständen in Kauf ge-
nommen werden müssen. Tetrabenazin kann bei nicht tolerablen Nebenwirkungen sofort abgesetzt werden. Bei sehr schweren Dystonien (CK-Erhöhung, Bildung von Kontrakturen) kann eine Dreierkombination erforderlich werden, bei der man dann auch das Neuroleptikum Pimozid einsetzt. Marsden schlägt hierfür die Kombination von Tetrabenazin (3× 25 mg), Pimozid (langsam einschleichend 6–25 mg) und Trihexyphenydil (6–30 mg) bis zur Verträglichkeitsgrenze vor [7]. 75% der erwachsenen Patienten mit schwerster axialer Dystonie und 2 Kinder mit lebensbedrohlicher Dystonie hätten von dieser Strategie erheblich profitiert. Der Dopaminantagonist und der Dopaminspeicherentleerer sollen hierbei die myokloniformen Bewegungen dämpfen und das Anticholinergikum wiederum das medikamentöse Parkinsonoid. Unter der Langzeittherapie mit Pimozid sind EKG-Kontrollen erforderlich, da hier QT-Verlängerungen und Herzrhythmusstörungen aufgetreten sind. Vorwiegend bei symptomatischen Dystonien kann es zu dystonen Krisen kommen, die die Atmung einschränken und eine Relaxation mit Curare und Ventilation des Patienten erforderlich machen. Bei diesen lebensbedrohlichen Zuständen mit Hyperthermie bis zur Rhabdomyolyse kann ein Aufenthalt von 2 Monaten auf einer Intensivstation notwendig sein, bis die Krise mit Hilfe der oben angeführten Medikamente in Kombination überwunden wird. Anekdotisch wird der positive Einfluss von einem Barbituratkoma beschrieben. 4. Stereotaktische Thalamotomie: Die stereotaktische Thalamotomie ist der Behandlung schwerster, vorwiegend distal betonter hemidystoner Syndrome vorbehalten, am günstigsten bei tremorösen und myokloniformen Aktivierungsmustern. Das Risiko von Dysphagie und Dysarthrie nimmt bei bilateralen Operationen, die bei schweren dystonen Syndromen in der Regel durchgeführt werden müssen, von 6 auf 18% zu. Eine Besserung ist vorwiegend für die distale Symptomatik zu erwarten [9]. 5. Chronische Hochfrequenzstimulation: Die chronische Hochfrequenzstimulation im Globus pallidus internus wird zunehmend mit Erfolg anstelle von Thalamotomien bei
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idioapthsichen generalisierten Dystonien mit dem DYT1-Gen und auch bei anders nicht zu behandelnden segmentalen Dystonien um den zervikalen Bereich eingesetzt [5]. 6. Intrathekales Baclofen: Bei Patienten mit schwerer Bein- und/oder axialer Dystonie kann analog zur Spastikbehandlung der Einsatz von intrathekalem Baclofen per Pumpe erwogen werden. Der Effekt setzt nicht so unmittelbar wie bei der Spastik schon nach einzelnen Testdosen ein. Die Dosis ist in der Regel höher und tritt erst nach kontinuierlicher Infusion ein [10, 11]. 7. Denervierungsoperationen: * Bei botulinumtoxinrefraktärer zervikaler Dystonie kann bei ausgesuchten Patienten eine selektive Denervierung nach Bertrand diskutiert werden. Nur wenige Neurochirurgen haben sich auf diese langwierige Operation spezialisiert. Die einzelnen Äste des N. accesorius zum M. sternocleidomastoideus und die Rr. dorsales von C1–C6 werden während einer Allgemeinanästhesie ohne Muskelrelaxation freipräpariert, und abhängig von dem Aktivierungsmuster werden bestimmte Äste durchtrennt. Mit intraoperativer Nervenstimulation wird überprüft, ob die Denervierung vollständig war. Im deutschen Sprachraum wird über eine Besserung von 75% der 35 Tortikollispatienten, die sich einer modifizierten Version der Operation nach Bertrand und einem krankengymnastischen Übungsprogramm unterzogen hatten berichtet [1]. * Die selektive Fazialisneurektomie bei Patienten mit Blepharospasmus stellt eine weitere Denervierungsoperation dar. Der Fazialis wird über Schnitte durch die Augenbrauen und vor dem Ohransatz freipräpariert und einzelne Äste werden mit Stimulation identifiziert und durchtrennt. Rezidive und Mundastschwächen sind aber häufig. Die Patienten können nach der Operation die Stirn nicht mehr runzeln. Die Stirn wird gefühlslos. unwirksam/obsolet Myektomie des M. sternocleidomastoideus, die Rhizotomie, die epidurale Halsmarkstimulation, die mikrochirurgische vaskuläre Dekompression des N. accesorius und die stereotakti-
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sche Thalamotomie bei zervikaler Dystonie. Vor orthopädischen Eingriffen, beispielsweise wegen einer Skoliose im Rahmen einer generalisierten Dystonie, bei abnormalen Fußhaltungen, bei Zehenextensionsdystonien oder bei Handdystonien muss gewarnt werden. Die Dystonie wird in vielen Fällen schlechter. Aggressive Zahnbehandlungen oder kieferorthopädische Eingriffe führen in der Regel ebenfalls zu Verschlechterungen in einer oromandibulären Dystonie.
Prognose Das Manifestationsalter der Dystonie hat einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose einer Dystonie. Folglich werden Dystonien des Kindes-, Jugendlichen- und Erwachsenenalters unterschieden. Je früher im Leben eine fokale Dystonie auftritt, desto wahrscheinlicher ist mit einem Übergreifen auf benachbarte Körperregionen zu rechnen. Weniger als 3% aller Dystoniker leiden unter einer vollausgebildeten generalisierten Form. Spontane Remissionen sind selten. Lediglich beim Tortikollis kann man mit Remissionen in etwa 10% der Fälle rechnen.
Literatur 1. Braun V, Richter HP (1991). Selective peripheral denervation in patients with spasmodic torticollis. Stereotact Funct Neurosurg 57: 113–22. 2. Burke RE, Fahn S, Marsden CD (1986). Torsion dystonia: a double-blind, prospective trial of highdosage trihexyphenidyl. Neurology 36(2): 160–4. 3. Ceballos-Baumann AO, Kupsch A, Naumann M, Volkmann J (2002). Dystonie. In: Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Neurologie, http:// www.dgn.org/leitl.shtml. 4. Ceballos-Baumann AO (2001). Evidence-based medicine in botulinum toxin therapy for cervical dystonia. J Neurol 248 Suppl 1: 14–20. 5. Coubes P, Roubertie A, Vayssiere N, Hemm S, Echenne B (2000). Treatment of DYT1-generalised dystonia by stimulation of the internal globus pallidus. Lancat 355 (9222): 2220–1. 6. Fahn S, Bressman SB, Marsden CD (1998). Classification of dystonia. Adv Neurol 78: 1–10. 7. Manji H, Howard RS, Miller DH, Hirsch NP, Carr L, Bahtia K, Quinn N, Marsden CD (1998). Status dystonicus: the syndrome and ist management. Brain 121 (Pt 2): 243–52. 8. Nemeth AH (2002). The genetics of primary dystonias and related disorders. Brain 125 (Pt 4): 695–721. 9. Speelman D, v. M. J (1989). Cerebral palsy and stereotactic neurosurgery: long term results. J Neurol Neurosurg Psychiatry 52 (1): 23–30.
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Dystonie, aktionsinduzierte
10. van Hilten BJ, van de Beek WJ, Hoff JI, Voormolen JH, Delhaas EM (200). Intrathecal baclofen for the treatment of dystonia inpatients with reflex sympathetic dystrophy. N Engl J Med 343 (9): 625–30. 11. Walker RH, Danisi FO, Swope DM, Goodman RR, Germano IM, Brin MF (2000). Intrathecal baclofen for dystoia: benefits and complications during six years of experience. Mov Disord 15 (6): 1242–7.
Dystonie, biphasische Synonyme L-Dopa An- und Abflutdyskinesie, DID(Dyskinesia-Improvement-Dyskinesia)-Dyskinesien
Definition Form der hypostimulatorischen Dyskinesien ( Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien) wie die Off-Dystonien, die mit subtherapeutischen LDopa-Plasmaspiegeln einhergehen. 3
Einleitung
Dystonie, aktionsinduzierte Definition Dystonie, die bei Willkürinnervation auftritt. Der aktionsinduzierte Charakter kann sehr spezifisch sein. Beispielsweise zeigen die Patienten mit Schreibkrampf ( Schreibkrampf und andere Dystonien der Hand) bei anderen feinmotorischen Leistungen, wie Auf- und Zuknöpfen, eine vollkommen normale Feinmotorik (einfacher Schreibkrampf), eine weitere Form sind die Tätigkeitskrämpfe. Die spasmodische Dysphonie gehört zu den aktionsinduzierten fokalen Dystonien, da sie nur beim Vokalisieren auftritt. Dystonie, oromandibuläre; Dystonie, laryngeale. 3
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Dystonie, axiale Synonyme In ausgeprägter Form kann auch der Begriff Opisthotonus herangezogen werden, bei Torsion zu einer Seite des Rumpfes auch Pisa-Syndrom.
Definition Dystonie der Rückenmuskulatur mit Rückwärtsbeugung des Kopfes.
Therapie Dystonie
Biphasische Dystonien sind choreoathetoide bis ballistische Dyskinesien und Dystonien in der An- und Abflutungsphase von L-Dopa, die oft schmerzhaft und meist heftiger als die Peakdose-Dyskinesien sind. Sie deuten auf zu niedrige L-Dopa-Grundspiegel oder ein zu langsames Anfluten der L-Dopa-Spiegel hin. Bisweilen zeigen die biphasischen Dyskinesien ein rhythmisches Aktivierungsmuster und werden mit Tremorattacken verwechselt. Sie treten typischerweise kurz nach der Einnahme von LDopa ein (1. Phase), gehen in eine On-Phase über und wenn der Patient nicht rechtzeitig weiteres L-Dopa einnimmt, kündigt sich die darauffolgende Off-Phase mit End-of-dose-Dyskinesien (2. Phase) an. Deshalb wurde bei den biphasischen Dyskinesien vom Typ der DID (Dyskinesia-Improvement-Dyskinesia)-Dyskinesien im Gegensatz zu den Peak-dose-Dyskinesien vom Typ der IDI(Improvement-Dyskinesie-Improvement)-Dyskinesien gesprochen.
Differenzialdiagnose Andere Dyskinesien bei dopaminerger Therapie eines Parkinson-Syndroms.
Therapie Bisher gibt es keine größeren Studien, die speziell die Therapie der biphasischen Dyskinesien untersuchen. Die biphasischen Dyskinesien sind therapeutisch häufig schwer zu kontrollieren. Hier ist eine schnellere Bereitstellung von L-Dopa mittels löslicher bzw. schnellwirksamer Darreichungsformen von L-Dopa mit einem peripherem Decarboxylasehemmer bzw. eines parenteralen Dopaminagonisten wie Apomorphin zu gewährleisten, Intermittierende subkutane Apomorphin-Injektionen mit einem Penject (ApoGo®) sind sehr effektiv, um schmerzhafte Anflut-Dyskinesien schnell zu durchbrechen,
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Dystonie, Hemidystonie
gehen aber häufig mit choreoathetoiden Dyskinesien wie bei L-Dopa-Spitzenplasmaspiegeln einher. L-Dopa Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung können das Auftreten von biphasischen Dyskinesien fördern, da sie zu einer langsamen Dopa-Spiegelsteigerung führen.
Dystonie, fokale Definition 3
Begrenzte
Dystonie auf eine Körperregion.
Einleitung Die fokalen Dystonien stellen die häufigste Dystonieform dar. Sie beginnen in der Regel im mittleren Erwachsenenalter. Es handelt sich im Wesentlichen um kraniozervikale Dystonien und den Schreibkrampf. Kraniozervikale Dystonie stellt den Überbegriff für Blepharospasmus, oromandibuläre, pharyngeale, laryngeale und zervikale Dystonie dar. Eine Schulterdystonie wird zu den kraniozervikalen Dystonien gerechnet, sofern sie Bestandteil einer zervikalen Dystonie ist. Wird der Begriff kraniozervikale Dystonie als Diagnose gebraucht, sollte man davon ausgehen können, dass bei dem jeweiligen Patienten tatsächlich Anteile aller oben aufgeführten fokalen Dystonien vorliegen. Meistens lässt sich keine Ursache für die fokalen Dystonien im Erwachsenenalter finden. Im Gegensatz zur Dystonie mit Beginn im Kindes- oder Jugendalter zeigen sie kaum eine Tendenz, sich über benachbarte Körperregionen hinaus auszubreiten. Sie bleiben fokal oder segmental. Eine Fußdystonie im Erwachsenenalter, ein Blepharospasmus oder eine frühzeitige bulbäre Beteiligung in jungen Jahren ist eher symptomatisch. Seit Beginn der 60er-Jahre hat man begonnen, lokalisierte Bewegungsstörungen des Erwachsenenalters wie den Schreibkrampf oder den Blepharospasmus als Teil des Krankheitsspektrums der Dystonie zu sehen, weil diese Störungen gehäuft bei Angehörigen von Patienten mit generalisierter Dystonie auftreten. Die im Erwachsenenalter auftretenden umschriebenen Dystonien werden heute als fokale Dystonien bezeichnet. Man geht davon aus, dass ein gewisser Teil der fokalen Dystonien ohne erkennbare Ursache partielle Formen der idiopathi-
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schen Torsionsdystonie darstellen. Die Patienten mit fokaler Dystonie müssen aber nicht denselben genetischen Defekt wie Patienten mit der generalisierten idiopathischen Torsionsdystonie aufweisen. Es besteht schon bei der generalisierten idiopathischen Torsionsdystonie, die typischerweise als fokale Fußdystonie beginnt, eine genetische Heterogenität. Die Subsummierung der verschiedenen Dystonieformen unter dem Oberbegriff Dystonie wird somit durch praktische Erwägungen (ähnliche Therapie und Abklärung) und durch elektrophysiologische, neuroanatomische oder bildgebende Gemeinsamkeiten gerechtfertigt. Einen gemeinsamen Aspekt bei den verschiedenen Dystonieformen stellen die sogenannten sensorischen „Tricks“ oder Manöver dar (z. B. Anlegen eines Fingers an die Wange bei der zervikalen Dystonie, Singen bei der spasmodischen Dysphonie), die die Patienten einsetzen, um die Dystonie zu lindern.
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Diagnostik Dystonie
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Therapie Botulinumtoxin, medikamentös. Chirugisch siehe unter den einzelenen fokalen Dystonien. gesichert Botulinumtoxin. Siehe unter den einzelnen fokalen Dystonien.
Dystonie, generalisierte Synonyme Dystonia musculorum deformans, Torsionsdystonie
Definition Die generalisierte Dystonie betrifft beide Körperseiten und mindestens eine untere und obere Extremität. 3
Dystonie, Hemidystonie Definition Dystonie, die nur eine Körperseite betrifft.
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Dystonie, idiopathische
Einleitung
Literatur
Bei über 90% der Patienten mit sekundären Hemidystonien sind Läsionen in den kontralateralen Basalganglien, mit der Kenspintomographie vornehmlich im Putamen oder im Thalamus nachweisbar. Damit sind fast alle Hemidystonien sekundär, Dystonie, sekundäre.
1. Fahn S, Bressman SB, Marsden CD (1998). Classification of dystonia. Adv. Neurol 78: 1–10. 2. Nemeth AH (2002). The genetics of primary dystonias and related disorders. Brain 125 (Pt 4): 695–721.
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Dystonie, L-Dopa-empfindliche 3
Dystonie, idiopathische
Segawa-Dystonie, dopasensitive
Synonyme
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Diagnostik Dystonie, sekundäre
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Therapie Dystonie
Dystonie,
Einleitung Fokale Dystonie, die isoliert seltenst vorkommt und dann schwer zu diagnostizieren ist. Meistens tritt sie als Bestandteil einer oromandibulären Dystonie auf.
Differenzialdiagnose Tardive buccolingomastikatorische Dyskinesie, bei der die Zungenbeteiligung im Vordergrund steht.
Therapie Medikamentös analog den Prinzipien der Dystoniebehandlung, Botulinumtoxin ist hier gefährlich. Dystonie.
Dystonie, myokloniforme, hereditäre Synonyme Dystonie-Myoklonus-Syndrom, DYT13-Dystonie, hereditärer essentieller Myoklonus
Definition Variante der idiopathischen (primären) Dystonie wie die doparesponsive Form ( SegawaDystonie)und die paroxysmalen Dystonien die zu den Dystonie-Plus Syndromen gezählt wird, bei der Dystonie und Myoklonus nebeneinander vorkommen. 3
Bei der idiopathischen Torsionsdystonie finden sich abgesehen von dem dystonen Syndrom keine weiteren klinischen oder anamnestischen Auffälligkeiten. Die gängigen neurologischen Zusatzuntersuchungen einschließlich struktureller Bildgebung sind unauffällig. Varianten der primären Dystonie wie die dopasensitive Form (Segawa-Dystonie) oder die myoklonische Dystonie werden unter dem der Rubrik Dystonie-Plus-Syndrome geführt [1]. Es ist davon auszugehen, dass bis zu 85% der idiopathischen, segmentalen, multifokalen sowie generalisierten Dystonien mit einer Penetranz von 40% bei Beobachtung bis zum 70ten Lebensjahr und mit dabei sehr unterschiedlicher Expressivität dominant vererbt werden. Bei der idiopathischen Dystonie mit Beginn im Erwachsenenalter, die in aller Regel fokal bzw. segmental beschränkt bleibt, steht die hereditäre Komponente nicht so stark im Vordergrund (allenfalls 25% der Verwandten ersten Grades sind bei genauer Nachuntersuchung betroffen) [2].
Dystonie, die die Zunge betrifft, fokale.
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Einleitung
Definition
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Dystonie, bei der sich keine Ursache außer einer genetischen finden lässt und keine über das Dystonie-Syndrom hinausgehende neurologische Zeichen das Bild komplizieren.
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Definition
Dystonie, linguale 3
Primäre Dystonie
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Dystonie, „off“-Dystonie
Einleitung
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Dystonie, „off“-Dystonie
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Diagnostik Klinik und Anamnese der auf Alkohol sistierenden Myoklonien, Familienanamnese. Da es sich um Punktmutationen in dem Sarcoglycan-Gen handelt, ist die molekularbiologische Diagnostik für das DYT13-Gen recht aufwendig.
Synonyme Off-Phasen Dystonie
Definition Dystonie, die während Phasen von schlechter Beweglichkeit im Rahmen von komplexen Wirkungsfluktuationen bei L-Dopa-Therapie auftritt.
Einleitung Etwa ein Drittel der Patienten mit L-Dopa-Dyskinesien ( Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien) entwickelt schmerzhafte dystone Verkrampfungen der distalen Extremitäten, insbesondere einseitige Zehen-, Fuß- und Wadenkrämpfe. Diese Off-Dystonien (eine Form der hypostimulatorische Dyskinesien) treten meist nachts oder frühmorgens, typischerweise als schmerzhafte Fußdystonien auf, wenn die L-Dopa-Spiegel nicht mehr messbar sind. Übergänge zu schmerzhaften Rigor im Bereich der Beinund axialen Muskulatur sind häufig und tragen zu einer erheblichen Einschränkung der Schlafqualität bei Parkinson-Patienten bei. Off-Dystonien treten aber auch zwischendurch am Tage in Perioden von schlechter Beweglichkeit und in anderen Körperregionen als an den Füßen auf, z. B. als schmerzhafte Kieferdystonie. 3
Die hereditäre myokloniforme Dystonie oder das Dystonie-Myoklonus-Syndrom ist durch einen Beginn in den ersten 2 Lebensdekaden mit bilateralem, vorwiegend aktionsinduzierten Myoklonus in Arm und axialen Muskeln gekennzeichnet, der durch Alkohol gelindert wird. Die dystone Komponente wird hingegen durch den Alkohol kaum beeinflusst. Eine fokale Dystonie, wie ein Schreibkrampf bzw. Tortikollis kommt bei den meisten Patienten hinzu und kann das einzige Symptom darstellen. Psychiatrische Auffälligkeiten wie Zwangsstörungen, Panikattacken, wurden bei dem MyoklonusDystonie-Syndrom vermehrt beschrieben. Ob es sich tatsächlich um eine eigenständige Variante der idiopathischen Torsionsdystonie handelt, wurde zunächst angezweifelt, da myokloniforme Aktivierungsmuster mit der idiopathischen Torsionsdystonie vereinbar sind. Es wurden dann Familien beschrieben, bei denen die Krankheit mit einem Lokus auf Chromosom 7q21 assoziert ist. Schließlich wurde das Myoklonus-Dystonie-Syndrom mit Mutationen in dem Gen für Epsilon-Sarcoglycan (SGCE) in Verbindung gebracht [1].
Differenzialdiagnose Andere Dyskinesien bei dopaminerger Therapie eines Parkinson-Syndroms.
Prophylaxe
Es gelten die selben Richtlinien wie bei den Dystonien allgemein. Die medikamentöse Therapie ist schwierig. Clonazepam wird zur Behandlung der Myoklonien favorisiert. 3
Literatur 1. Zimprich A, Grabowski M, Asmus F, Naumann M, Berg D, Bertram M, Scheidtmann K, Kern P, Winkelmann J, Muller Myhsok B, Riedel L, Bauer M, Muller T, Castro M, Meitinger T, Strom TM, Gasser T (2001). Mutations in the gene encoding epsilon-sarcoglycan cause myoclonusdystonia syndrome. Nat Genet 29 (1): 66–9.
3
Therapie
Dyskinesien, L-Dopa-Dyskinesien
Therapie Bisher gibt es keine größeren Studien, die speziell die Therapie der Off-Dystonien untersuchen. Die Off-Dystonien sind häufig therapeutisch besser zu kontrollieren als an On-Phasen gekoppelte Dyskinesien. Hier ist eine schnellere Bereitstellung von L-Dopa mittels löslicher bzw. schnellwirksamer Darreichungsformen von L-Dopa mit einem peripherem Decarboxylasehemmer bzw. eines parenteralen Dopaminagonisten wie Apomorphin notwendig. Intermittierende subkutane Apomorphin-Injektionen mit einem Penject (ApoGo®) sind sehr effektiv, um schmerzhafte Off-Dystonien schnell zu
D
Dystonie, oromandibuläre
Hier treten Kontraktionen der Muskeln des Kiefers und des Mundes auf, die sich durch periorale Unruhe, Grimassieren, Fältelung der Nase, Schnauzbewegungen, Kiefersperre und Kieferaufreißen bemerkbar machen. Man kann 3 Typen oromandibulärer Dystonie unterscheiden: * Einen fazialen Typ (oberflächliche, vom VII. Hirnnerven versorgte periorale Gesichtsmuskulatur). * Einen Kieferschließungstyp (vom V. Hirnnerven versorgte Muskeln: M. masseter, M. pterygoides medialis, M. temporalis). * Einen Kieferöffnungstyp (Inhibition der Kieferschließer, Überaktivität der submentalen Muskulatur). Der faziale Typ mit anhaltenden Kontraktionen im Bereich der mimischen Muskulatur kann äußerst stigmatisierend sein. Eine Patientin zog sich vollkommen zurück, weil sie in der Öffentlichkeit auf ihr permanentes abnormes Grinsen angesprochen wurde, was durch die dystonen Kontraktionen des M. risorius bedingt war. Funktionell beeinträchtigender ist der Kieferschließungstyp und Kieferöffnungstyp. Beide sind oft aktionsinduziert und können durch Sprechen, Kauen oder von der Region entfernten motorische Aktivitäten wie etwa Schreibmaschinenschreiben ausgelöst werden. Zahnverschleiß, Kiefersperre oder orale Ulzeratio-
Meige-Syndrom (Brueghel-Syndrom) Über 60% der Patienten mit einem Blepharospasmus weisen zusätzlich eine oromandibuläre Dystonie auf. Diese Kombination wird als Meige-Syndrom bezeichnet, benannt nach Henry Meige, der das Krankheitsbild sehr ausführlich 1910 beschrieb. Man spricht auch vom Brueghel-Syndrom, da Peter Brueghel d.Ä. das Krankheitsbild schon im 16. Jahrhundert auf einem Bild mit dem Titel „Der Gähner“ festhielt. Leichtere oromandibuläre Dystonien, vorwiegend in der vom N. facialis versorgten Muskulatur, werden von vielen Patienten gar nicht wahrgenommen oder als Manöver erlebt, um die Augen zu öffnen. Oft sind über das Gesicht hinaus angrenzende Körperregionen ( zervikale Dystonie, spasmodische Dysphonie, pharyngeale Dystonie) mitbetroffen, sodass in diesen Fällen der Begriff kraniozervikale Dystonie exakter erscheint. 3
Einleitung
3
Dystonie in oromandibulären Muskeln.
3
Definition
3
Dystonie, oromandibuläre
nen bringen die Patienten zunächst zu Zahnärzten. Die Schmerzen im Masseter- und Temporalisbereich beim Kieferschließungstyp führen häufig zur Fehldiagnose temporomandibuläres Gelenksyndrom oder Bruxismus. Beim Kieferöffnungstyp treten Kieferluxationen auf. Eine zusätzliche Zungendystonie ( Dystonie, linguale) führt bei Patienten zu Schwierigkeiten beim Essen, da die Zunge den Nahrungsbolus aus dem offenen Mund befördert. Unwillkürliche Protrusionen der Zunge können hinzukommen. Eine linguale Dystonie tritt kaum isoliert auf. Bei sekundärer Dystonie im Rahmen eines Kernikterus oder hypoxischen Hirnschadens führt sie häufig zu Dysarthrie/Anarthrie. Die oromandibulären Dystonien im Erwachsenenalter sind meist idiopathisch. Hirnstammaffektionen und lokale Prozesse sind auszuschließen. Eine tardive oromandibuläre Dystonie sollte nicht mit der klassischen orobukkolingualen Dyskinesie verwechselt werden, die durch annähernd rhythmische, kauende, grimassierende Bewegungen mit Zungenwälzen gekennzeichnet ist. 3
durchbrechen, gehen aber häufig mit choreoathetoiden Dyskinesien wie bei L-Dopa-Spitzenplasmaspiegeln einher. L-Dopa Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung können zur Behandlung frühmorgendlichen Off Dystonien hilfreich sein. Fokale Off-Dystonien, vorwiegend im Bereich des Fußes als Zehenstrecker-Spasmen frühmorgens, aber auch andere fokale Dystonien wie den Blepharospasmus, können mit lokalen Injektionen von Botulinumtoxin in die überaktive Muskulatur behandelt werden, sofern medikamentöse Umstellungen vorher zu keinem Erfolg geführt haben.
3
370
Diagnostik Coeruloplasmin, Ausschluss Hirnstammprozesse, Morbus Wilson, Dystonie.
Therapie Beim Meige-Syndrom wird nur bei subjektiver Beeinträchtigung durch die oromandibuläre
Dystonie, paroxysmale (tonische Spasmen)
Dystonie und erst wenn der Behandlungserfolg der Injektionen im Bereich des M. orbicularis oculi im oromandibulären Bereich beurteilt worden ist, injiziert. Letzteres Vorgehen ist dadurch begründet, dass es bei der Mehrzahl der Patienten zu einer objektiven Besserung der oromandibulären Dystonien schon nach alleiniger Behandlung des Blepharospasmus kommt. Bei der im Vordergrund stehenden oromandibulären Dystonie ist vor allem die Kieferschließungsdystonie gut und einfach zu behandeln. Injektionen in den M. masseter und temporalis reichen meist aus. Bei Injektionen in die mimische Muskulatur um den Mund kommt es schnell zu Paresen, die nicht nur kosmetisch unangenehm sein können, sondern auch zu Sprechstörungen (Verschluss- und Reibelaute) führen können. Am problematischsten ist die Behandlung der äußerst stigmatisierenden Kieferöffnungsdystonie und der lingualen Dystonie. Wegen der häufig auftretenden schweren Schluckstörungen nach Injektionen in die submentale Muskulatur injizieren manche Anwender bei der Kieferöffnungsdystonie nur noch den M. pterygoideus lateralis perkutan unter EMG-Kontrolle. Dieser Muskel spielt bei der initialen Kieferöffnung eine wichtige Rolle. Hiermit lassen sich meist nur tendenzielle Besserungen erreichen. Insgesamt sind die Studien zu Botulinumtoxin bei den oromandibulären Dystonie rar und die Fallzahlen klein. Das liegt daran, dass eine im Vordergrund stehende oromandibuläre Dystonie relativ selten ist. Die Anwender sind sich zwar darüber einig, dass Botulinumtoxin das Mittel der Wahl für den Kieferschließungstyp darstellt, es gibt aber keine einheitlichen Empfehlungen hinsichtlich Dosis und Verteilung der Injektionspunkte. Bei der Kieferöffnungsdystonie fehlt noch grundlegendes Wissen über die Mechanik und das Zusammenspiel von M. pterygoideus lateralis, submentaler und suprahyoidaler Muskulatur.
Dystonie, paroxysmale (tonische Spasmen) Synonyme Paroxysmale nichtkinesiogene (dystone) Choreoathetose, paroxysmale kinesiogene dystone Choreoathetose, sogenannte „tonische Spas-
371
men“ werden als symptomatische Formen einer paroxysmalen nichtkinesiogenen (dystonen) Choreoathetose, bzw. kinesiogenen dystonen Choreoathetose bezeichnet.
Definition Plötzlich, attackenartig auftretende DystonieSyndrome von unterschiedlicher Dauer.
Einleitung Es sind im Wesentlichen 3 Arten von paroxysmalen Dystonie-Syndromen zu unterscheiden: Eine paroxysmale nichtkinesiogene dystone Choreoathetose mit mittlerer Attackendauer nach Muskelbelastung, eine mit längerer Attackendauer sowie die paroxysmale kinesiogene dystone Choreoathetose. Alle Formen treten autosominal-dominant mit reduzierter Penetranz und unterschiedlicher Expressität sowie sporadisch auf. Darüber hinaus hat Angelini eine transiente paroxysmale Dystonie der Kindheit beschrieben [1], auf die weiter unten als paroxysmaler oder benigner Kindheitstortikollis eingegangen wird. Die paroxysmale nichtkinesiogene dystone Choreoathetose ist durch episodische Attacken von Dystonie und/oder Choreoathetose bei erhaltenem Bewusstsein gekennzeichnet, die Stunden oder Minuten anhalten und selten mehr als 4mal am Tag auftreten. Präzipitierende Faktoren können der Konsum von Alkohol und Kaffee, Temperaturänderungen, Übermüdung und emotionaler Stress darstellen [5, 6]. Ferner ist eine familiäre Form beschrieben worden, bei der die Attacken 5– 30 Minuten nach längeren Muskelbelastungen auftreten [7]. Die paroxysmale nichtkinesiogene ist von der paroxysmalen kinesiogenen dystonen Choreoathetose zu differenzieren. Während beide Formen im Kindes- und Jugendalter beginnen, werden dystone oder choreoathetotische Attacken durch rasche Bewegungen (kinesiogen), z. B. vom Stuhl aufstehen bis zu 100mal am Tag ausgelöst und halten nur Sekunden bis Minuten an. Die Attacken können auf eine Seite beschränkt sein oder nur fokal auftreten. Die Patienten versuchen, über einen langsameren Bewegungsablauf oder dessen Vermeidung die Attacken unter Kontrolle zu halten. Differenzialdiagnostisch bereiten die paroxysmalen Dystonies-Sndrome Probleme. Sie sind selten, während der Untersuchungssituation ist kein Befund zu erheben. Patienten haben oft-
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372
Dystonie, paroxysmale (tonische Spasmen)
mals Schwierigkeiten, sie zu beschreiben. Eine psychogene Störung auszuschließen, ist schwierig. Wie bei der Tic-Anamnese ist es hier hilfreich, die Patienten aufzufordern, die Störung nachzumachen, um die Phänomenologie der Störung nachzuvollziehen. Bei kinesiogenen Dystonien kann man versuchen, durch rasche Bewegungen unter Hyperventilation, die Attacken zu provozieren. Die Abgrenzung zu frontalen Epilepsien ist oftmals schwierig, zumal gerade bei der kinesiogenen Variante Antiepileptika in kleiner Dosierung sehr effektiv sind. Bei der nichtkinesiogenen Variante helfen Phenytoin, Carbamazepin und Primidon kaum. In einer Studie wurden bei der nichtkinesiogenen Form die Attacken mit L-Dopa provoziert, während Haloperidol und Valproat zu einer befriedigenden Symptomreduktion führte [8]. Im Vergleich zu einem Anfallsleiden ist das uneingeschränkte Bewusstsein bei den paroxysmalen Dystonien/ Choreoathetosen während der Attacke ein wichtiges diagnostisches Kriterium. Die Differenzierung von einem Anfallsleiden hat praktische Konsequenzen, da die Diagnose einer paroxysmalen Dystonie die Fahrtauglichkeit eines Patienten nicht einschränkt. Symptomatische paroxysmale dystone Choreoathetosen (nichtkinesiogen und kinesiogen) sind nach Schädelhirntrauma, bei multipler Sklerose, bei Hypoparathyroidismus mit Basalganglienkalzifikation, bei Hypoglykämie, AIDS, TIAs, Thyreotoxikose und bei Zustand nach perinatalem Hirnschaden beobachtet worden [2, 4, 9]. Sie können das initiale Symptom einer multiplen Sklerose darstellen. Darüber hinaus sollten differenzialdiagnostisch weitere paroxysmale, periodische, episodische oder intermittierende Bewegungsstörungen wie Exazerbationen einer Chorea minor, episodische Ataxien, Frontallappenepilepsie und metabolische Störungen erwogen werden. Ein benigner, auch als paroxysmaler bezeichneter Kindheitstortikollis tritt vorübergehend in den ersten 3 Lebensjahren attackenweise auf. Die Attacken können Minuten bis Wochen anhalten und auch die axiale Muskulatur betreffen [1]. Die Kleinkinder scheinen darunter nicht zu leiden, es sei denn, die Eltern versuchen die Kopfhaltung zu korrigieren. Tumoren in der hinteren Schädelgrube sowie eine Hiatushernie (Sandifer-Syndrom) sollten ausgeschlossen werden.
Diagnostik Die Diagnose geschieht durch Abgrenzung von anderen paroxymalen bzw. periodischen Bewegunsstörungen: * Mesiale Frontallappenepilepsie und andere epileptische Anfälle. * Drop attacks. * Hyperekplexie. * Periodische/episodische/intermittierende Ataxien. * Tonische Spasmen (z. B. bei ED, Myelonaffektion). * Metabolische Störungen (z. B. Hypoglykämie). * TIA. * Medikamentösinduzierte Bewegungsstörungen. Molekularbiologische Untersuchungen können unter bestimmten Voraussetzungen ganz spezifisch seltene Syndrome zu differenzieren helfen.
Therapie Größere Studien gibt es nicht. Die kinesiogenen Variante sowie tonischen Spasmen bei multipler Sklerose sprechen sehr gut auf Antiepileptika in kleiner Dosierung an. Meist reicht Carbamazepin 300 mg/die aus. Bei der nichtkinesiogenen Variante helfen allerdings Carbamazepin und Primidon kaum. In einer Studie wurden bei der nichtkinesiogenen Form die Attacken mit L-Dopa provoziert, während Valproat zu einer befriedigenden Symptomreduktion führte. Für die nichtkinesiogene Form sind positive Effekte mit Clonazepam, Carbamazepin, Phenytoin (nach [3] sprechen 25% an), Valproat, Gabapentin, Diazepam, Acetazolamid, Flunarizin, Tetrabeanzin, Cannabinoide und anderen Substanzen beschrieben worden. Bei bekannten Auslösesituationen sollten diese vermeiden werden, Aufklärung.
Prognose Der Spontanverlauf ist eher günstig.
Literatur 1. Angelini L, Rumi V, Lamperti E, Nardocci N (1988). Transient paroxysmal dystonia in infancy. Neuropediatrics 19 (4): 171–4. 2. Bhatia KP (1999). The paroxysmal dyskinesias. J Neurol 246 (3): 149–55.
Dystonie, segmentale
373
Dystonie, paroxysmale (tonische Spasmen). Tab. 1: Molekularbiologische Marker Periodische/paroxysmale Störung
Kanalopathie
Chromosom
Hyper K periodische Lähmung
SCNA4
17q
Paramyotonia congenita
SCNA4
17q
Acetazolamid-responsive Myotonie
SCNA4
17q
Hypo K periodische Lähmung
CACNLIA3
1q
Periodische Ataxien und Myokymie
KCNA1
12p
Periodische Ataxien und Nystagmus
CACNA1S
19p
Paroxysmale dystone Choreoathetose
Gamma-Subunit Na? 2q
Paroxysmale dystone Choreoathetose mit Spastik
K-Kanal?
1p
Paroxysmale dystone Choreoathetose, belastungsinduziert ?
?
Paroxysmale kinesiogene Choreoathetose
16p
ein dystoner Stridor hinzukommen. Dysphagie tritt aber auch bei Patienten mit zervikaler Dystonie ohne pharyngeale Beteiligung auf. Der Schluckakt ist bei Antero- und Retrokollisformen erschwert, da der Zungengrund dem oberen Ösophagussphinkter entweder zu sehr angenähert oder von ihm entfernt wird. Die Hypertrophie des M. sternocleidomastoideus stellt in seltenen Fällen ein Hindernis dar.
Diagnostik 3
Dystonie.
Therapie empirisch Eine isolierte Pharynxdystonie ist extrem selten. Meist tritt das Problem im Rahmen einer kraniozervikalen Dystonie ( Dystonie, zervikale; Dystonie) auf. Hier ist ein polypragmatisches Vorgehen angezeigt, dass in erster Linie die medikamentöse Dystonie-Therapie beeinhaltet, falls die Pharynxmuskulatur in erster Linie betroffen ist. 3
3
3. Demirkiran M, Jankovic J (1995). Paroxysmal dyskinesias: clinical features and classification. Ann Neurol 38 (4): 571–9. 4. Drake MJ, Jackson RD, Miller CA (1986). Paroxysmal choreoathetosis after head injury [letter]. J Neurol Neurosurg Psychiatry 49 (7): 837–8. 5. Klinz C, Biesold K-H (1990). Familiäre paroxysmale dystone Choreoathetose. Nervenarzt 61: 507–509. 6. Lance JW (1977). Familial paroxysmal dystonic choreoathetosis and ist differentiation from related syndromes. Ann Neurol 2 (4): 285–93. 7. Plant GT, Williams AC, Earl CJ, Marsden CD (1984). Familial paroxysmal dystonia induced by exercise. J Neurol Neurosurg Psychiatry 47 (3): 275–9. 8. Przuntek H, Monninger P (1983). Therapeutic aspects of kinesiogenic paroxysmal choreoathetosis and familial paroxysmal choreoathetosis of the Mount and Reback type. J Neurol 230 (3): 163–9. 9. Sethi KD, Hess DC, Huffnagle VH, Adams RJ (1992). Acetazolamide treatment of paroxysmal dystonia in central demyelinating disease. Neurology 42 (4): 919–21.
?
Dystonie, pharyngeale Definition
Bei der pharyngealen Dystonie erleben die Patienten eine Dysphagie unterschiedlicher Schweregrade, die von einem Globusgefühl bis zur Unfähigkeit Speichel zu schlucken reicht. Bei ausgeprägterer Symptomatik kann
Definition Auf zwei benachbarte Körperregionen begrenzte Dystonie, z. B. das Meige-Syndrom: Blepharospasmus und eine oromandibuläre Dystonie. 3
Einleitung
Dystonie, segmentale
3
Dystonie in der Pharynxmuskulatur.
D
Dystonie, sekundäre
Synonyme Symptomatische, erworbene Dystonie
Definition Dystonie mit definierbarer exogener Ursache oder als Ausdruck einer bekannten Krankheitsentität.
Einleitung Wann ist ein dystones Syndrom Ausdruck eines zugrunde liegenden sekundären Krankheitsprozesses? Diese Frage ist von Bedeutung, weil sie das Ausmaß der Labor- und apparativen Zusatzuntersuchungen bei der Abklärung einer Dystonie bestimmt. Ein über das typische dystone Syndrom hinausgehender Befund ist mit einer idiopathischen Dystonie schwer vereinbar und sollte zu weiteren diagnostischen Anstrengungen führen. Insgesamt kann bei etwa 20% aller Dystoniker eine Ursache für die Erkrankung gefunden werden. Je älter der Patient und je fokaler die Dystonie, desto weniger wahrscheinlich findet man eine Ursache. Bei Beginn einer fokalen Dystonie im Erwachsenenalter wird in weniger als 10% eine Ursache gefunden. Einen Morbus Wilson mit Beginn jenseits des 50. Lebensjahres gibt es so gut wie nicht. Bei Beginn im Kindesalter findet man bei 30% und bei generalisierten bzw. multifokalen Formen unabhängig vom Alter bei 45% eine Ursache der Dystonie. Bei Kindern, Jugendlichen sowie bei generalisierten und rasch progredienten Dystonien ist daher eine ausgedehnte apparative und Labordiagnostik durchzuführen. Eine Hemidystonie erfordert eine genaue Bildgebung, da sich bei etwa 80% der Patienten im CCT oder NMR strukturelle Auffälligkeiten in den kontralateralen Basalganglien finden. 3
Differenzialdiagnose Die Liste der Erkrankungen, bei denen eine sekundäre Dystonie auftreten kann, ist lang und umfasst viele seltene neurologische Erkrankungen. Eine Auswahl mit Charakteristiken degenerativer und metabolischer Krankheiten mit Dystonie als mögliches Leitsymptom ist in Tab. 1 dargestellt. Häufigere Ursachen für sekundäre Dystonien stellen Neuroleptika, perinataler Hirnschaden, zerebrovaskuläre Ereignisse und Traumata (peripher und zentral) dar. Die tar-
dive Dystonie nach Neuroleptikaexposition betrifft 1,5–20% der Patienten unter Langzeitneuroleptika. Perinataler Hirnschaden kann bemerkenswerterweise zu einem verzögert erst im Jugend- oder Erwachsenenalter auftretenden dystonen Syndrom („delayed onset dystonia“) führen [2]. In einigen Fällen sind strukturelle Anomalien in der Bildgebung nicht nachzuweisen. Eine ähnliche zeitliche Verzögerung ist bei der posthemiplegen Dystonie nach Infarkten in Basalganglien oder Thalamus zu verzeichnen. Bei Dystonikern unter 50 Jahren muss an den behandelbaren Morbus Wilson gedacht werden. Das Durchschnittsalter in einer der größten Serien von Wilson-Patienten betrug bei Beginn der Symptomatik im Mittel 16,2 Jahre (9–40 Jahre). Meistens bestanden zusätzlich zur Bewegungsstörung kognitive Leistungseinbußen oder psychiatrische Auffälligkeiten [1]. Choreoathetotische und dystone Bilder als initiales Symptom traten eher bei den jüngeren Patienten dieser Serie auf, während Parkinson-Syndrome typisch für die ältere Gruppe waren. Eine ähnliche Reaktion auf Basalganglienschädigung, je nachdem ob die Läsion in jüngeren Jahren oder im späteren Lebensalter eintritt, lässt sich auch bei anderen Ursachen für sekundäre Dystonien oder akinetisch-rigide Syndrome nachvollziehen. Als Screeningtest reicht eine Coeruloplasmin- und Spaltlampenuntersuchung (Kupferablagerung in der Kornea, Kayser-Fleischer-Ring) aus. Kontrovers diskutiert wird, ob ein Morbus Wilson mit neurologischer Symptomatik auch ohne Kayser-FleischerRing einhergehen kann. Die Kupferablagerung in der Descementmembran ist allerdings in bestimmten Fällen auch unter der Spaltlampe nicht so offensichtlich. Es muss gewährleistet sein, dass ein mit dieser Fragestellung erfahrener Ophthalmologe die Untersuchung durchführt. Falls Zweifel bestehen bleiben, wird man als nächsten Schritt den Kupfergehalt aus einer Leberbiopsie direkt bestimmen (normal kleiner als 50 μg/g Lebertrockengewicht). Die Diagnose einer sekundären Dystonie ist aber auch im Falle einer bisher fehlenden spezifischen Therapie nicht nur von akademischem Interesse. Beispielsweise haben Patienten mit sekundärer Dystonie bei Ataxia teleangiectasia eine höhere Empfindlichkeit für ionisierende Strahlung. Röntgenuntersuchungen sollten daher vermieden werden. Viele der Laboruntersuchungen sind nicht alltäglich. Die Diagnose erfordert häufig die Wiederholung von Unter3
Dystonie, sekundäre
3
374
3
Dystonie, sekundäre
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Dystonie, sekundäre. Tab. 1: Krankheiten mit Dystonie als Leitsymptom Neurodegenerative Krankheiten ohne bekannten meta- Dystonie-Parkinson-Syndrom bolischen Defekt - ohne Marker intraneuronale Einschlusskörperkrankheit Machado-Joseph-Syndrom Morbus Parkinson Multiple System Atrophien Progressive supranukleäre Blicklähmung Rett-Syndrom Neurodegenerative Krankheiten ohne bekannten meta- Ataxia teleangiectasia bolischen Defekt - mit Marker Fahr-Syndrom Huntington Krankheit Kupferstoffwechselstörung
Morbus Wilson
Lipidstoffwechselstörungen
Abetalipoproteinämie (Bassen-Kornzweig-Syndrom) Hypoprebetalipoproteinämie Gangliosidosen GM1 u. 2 Metachromatische Leukodystrophien neuronale Zeroid lipofuszinose (Morbus Kufs) juvenile dystone Lipidose?
Aminosäurenstoffwechselstörungen
Glutarsäure-Azidurie Hartnup-Syndrom Homocystinurie Methylmalonsäure-Azidämie Thyrosinose
mitochondriale Enzephalopathien
Morbus Leigh Leber'sche Amaurose
weitere spezifische Ursachen
Vitamin E Mangel 6-Pyruvoyl-Tetrahydrobiopterin-Synthese-Mangel Triosephosphat-Isomerase Mangel Lesch-Nyhan-Syndrom
unspezifische Ursachen
Arteriovenöse Mißbildungen entzündlich (z.B. SLE) Enzephalitis, infektiös (AIDS, Lues, Jakob-Creutzfeldt, Tbc) medikamentös (tardive Dystonien!) perinatale Enzephalopathie (z.B. Kernikterus) toxisch (z.B. Co, CS, Methan, Mangan) traumatisch (zentral/peripher) zentrale pontine Myelonolyse zerebrovaskulär
suchungen in Laboratorien, die diese Untersuchungen regelmäßig durchführen. Bei der Glutarsäureazidurie, die nach Ansicht einiger Autoren durch entsprechende Diät und Karnitinsubstitution behandelbar ist, kann beispielsweise die
vermehrte Ausscheidung von Glutar-, 3-OHGlutar- und Glutaconsäure nur während kataboler Zustände nachweisbar sein.
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Dystonie, zervikale
Therapie
Diagnostik
Dystonie
3
3
empirisch Die Therapie ist empirsich und symptomorientiert. Sie richtet sich nach den allgemeinen Grundzügen der Therapie bei Dystonie. Bei den fokalen Dystonien kommt Botulinumtoxin zum Zuge. 3
3
Literatur Walshe JM, Yealland M (1992). Wilson's disease: the problem of delayed diagnosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 55: 692–6.
Dystonie, zervikale Synonyme Torticollis spasmodicus
Definition Dystonie, die die zervikale Region betrifft.
3
Einleitung Die zervikale Dystonie ist die häufigste fokale Dystonie mit einer Prävalenz von etwa 1 auf 10000, die gehäuft bei Frauen (w/m = 2,9) im mittleren Alter (45; 19–76 Jahre) auftritt. Sie ist charakterisiert durch unwillkürliche, drehende (Tortikollis), seitwärts neigende (Laterokollis) oder nach vorwärts (Anterokollis) oder rückwärts (Retrokollis) gerichtete, tonische oder phasische Spasmen der Hals- und Nackenmuskulatur. Als Oberbegriff ist die Bezeichnung zervikale Dystonie günstiger als Torticollis spasmodicus, zumal meistens Mischformen von Torti-, Latero-, Antero- bzw. Retrokollis vorliegen. Vergesellschaftung mit anderen fokalen Dystonien wie der oromandibulären, pharyngealen oder der spasmodischen Dysphonie sind häufig. Neben den Spasmen der Hals- und Nackenmuskulatur, die von den Patienten oft mit sensorischen Tricks wie der „geste antagonistique“ (z. B. Anlegen eines Fingers an die Wange) durchbrochen werden können, treten oft auch myokloniforme oder tremorartige Wackelbewegungen bzw. Zuckungen des Kopfes und der Schulter sowie ein tonischer Schulterhochstand auf.
Dystonie
Therapie Die Botulinumtoxin-Behandlung der zervikalen Dystonie führt bei 60–80% der Patienten zu einer Besserung der Kopfkontrolle und - haltung. Regelhaft wird damit die Besserung von zervikalen Schmerzen angegeben. Bei etwa 5% der Patienten kann es jedoch zu einer Verstärkung der Schmerzsymptomatik nach den Injektionen kommen, vermutlich wegen denervierungsbedingter Veränderungen in der Mechanik der Halswirbelsäule. Die Wirkung auf die Kopfhaltung ist bei vielen Patienten nicht so eindeutig und dramatisch wie die bei der Behandlung im Bereich des M. orbicularis oculi. Wie beim Blepharospasmus wird aber in der Mehrheit der Fälle eine Wiederholungsinjektion gewünscht. Als wesentliche vorübergehende unerwünschte Wirkungen sind Schwäche der behandelten Muskeln mit erschwerter Kopfhaltung (ca. 10%) und Schluckstörungen (ca. 10%) sowie Heiserkeit und ein grippeähnliches Syndrom zu nennen. 1. Polygraphische EMG-Analyse: Im Vergleich zum Blepharospasmus zeichnen sich zervikale Dystonien durch eine höhere Komplexität aus, bis zu 46 Muskeln und das Platysma können in diese Bewegungsstörung miteinbezogen sein. Die zu injizierenden Muskeln liegen in der Tiefe und haben ein großes Volumen im Gegensatz zu den Hautmuskeln im Gesichtsbereich. Die Auswahl der zu behandelnden Muskeln kann mit einer polygraphischen EMG-Analyse erleichtert werden. Dabei lässt sich meist der klinische Verdacht auf ein bestimmtes Aktivierungsmuster bestätigen (beispielsweise antagonistisches Muster mit Überaktivität im M. splenius rechts und sternocleidomastoideus links). 2. Injektionen unter simultaner EMG-Kontrolle: Hilfreich erscheinen die EMG-Ableitungen während der Injektion mit teflonbeschichteten Injektionsnadeln, die gleichzeitig als EMG-Nadel dienen, insbesondere bei Injektionen in die tiefe Nackenmuskulatur, bei komplexen Aktivierungsmustern und adipösen Patienten. Für den Unerfahrenen in der Anwendung von Botulinumtoxin ist dieses Vorgehen besonders zu empfehlen, um ein
3
Dystonie, zervikale
zwischen primären und sekundären Therapieversagern zu unterscheiden. Zunächst muss man davon ausgehen, dass etwa 20% der behandelten zervikalen Dystoniker nach ihrer initialen Behandlung unzufrieden mit der Therapie sind (primäre Therapieversager) und dass bei Wiederholungsbehandlungen der Erfolg unterschiedlich ausfallen kann. Als Ursache für sekundäres Therapieversagen (kein therapeutischer Effekt bei Patienten, die zuvor von einigen Injektionsbehandlungen profitiert haben), kommen die Antikörperbildung gegen das Toxin und Veränderungen im Aktivierungsmuster in Frage. Sekundäre Therapieversager nach Antikörperbildung zeigen keine Muskelatrophie nach Injektionen, die besonders leicht am M. sternocleidomastoideus zu beobachten ist. Unter therapiebedingter Veränderung im Aktivierungsmuster von einzelnen Muskeln versteht man, dass die Dystonie auf vorher nicht betroffene Muskeln übergreift, die unter Umständen in der Tiefe liegen und mit den Injektionen kaum mehr erreicht werden können. Auf Grund der höheren Dosen, die bei der zervikalen Dystonie verabreicht werden (das 5–10fache der beim Blepharospasmus applizierten Dosis) kommt es zur Antikörperbildung praktisch nur bei der zervikalen Dystonie und bei Indikationen wie Beindystonie oder Spastik. Für den Fall der Antikörperbildung steht Botulinumtoxin Typ B zur Verfügung. Anticholinergika (insbesondere Trihexiphenydil) und andere Medikamente, Dystonie. 3
besseres Verständnis für die lokale Anatomie und Pathophysiologie der zervikalen Dystonie zu gewinnen. Injektionen können dann gezielt am Ort der stärksten EMG-Aktivität erfolgen. Zudem lassen sich Toxininjektionen außerhalb von Muskelgewebe oder in nicht beteiligte Muskeln vermeiden, sodass einerseits die Gefahr unerwünschter Wirkungen verringert und andererseits die Chance auf einen günstigen Therapieeffekt vergrößert wird. Eine jüngere kontrollierte Studie, die Injektionen ohne EMG-Kontrolle mit EMG-kontrollierten Injektionen verglich, zeigte bessere Ergebnisse in dem EMG-kontrollierten Studienarm. 3. Dosierung, Wahl der Injektionspunkte: Die Verdünnung des Toxins, die Dosierung, die Verteilung der Gesamtdosis auf die einzelnen Muskeln und die Auswahl derselben sowie die Anzahl der Injektionspunkte wird in den verschiedenen Zentren unterschiedlich gehandhabt. Neben dem M. splenius, trapezius sind auch der M. levator scapulae und die Mm. scalenii sowie die tiefen Nackenmuskeln zu beachten. Der M. sternocleidomastoideus ist sicherlich der auffälligste Muskel, ob er jedoch auch funktionell wichtig bei Aufrechterhaltung der Bewegungsstörung ist, kann zunehmend in Frage gestellt werden. Bei Injektionen in den M. sternocleidomastoideus ist das Risiko von Schluckstörungen relativ größer, am ehesten bedingt durch die Nähe zur pharyngealen Muskulatur. Man sollte 3 Wochen abwarten, um den Effekt der Behandlung zu beurteilen. Bei Retrocollispatienten, insbesondere wenn dieser in einen Opisthotonus übergeht, sind höhere Dosen notwendig. Der Anterokollis ist schwierig zu behandeln, da ein wichtiger Kopfbeuger, der M. longus colli, am besten transoral zu erreichen ist. Bilaterale Injektionen der submentalen Muskulatur einschließlich der Mm. sternocleidomastoideii und linguale Injektionen haben schwere Dysphagien verursacht und erfordern deshalb ein vorsichtiges Vorgehen. Es kam schon zu Aspirationspneumonien, die zu Aufenthalten auf Intensivstationen führten. In der Regel reicht das Legen einer Magensonde aus, um schwerere Schluckstörungen zu behandeln. 4. Therapieversager: Wichtig ist es bei der zervikalen Dystonie
377
gesichert Nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin kann die Botulinumtoxin mit Typ-A- und Typ-B-Toxin als gesichert gelten. Dies gilt auch, allerdings in weit geringerem Maße für die Behandlung mit Trihexiphenydil. unwirksam/obsolet Myektomie des M. sternocleidomastoideus, die Rhizotomie, die epidurale Halsmarkstimulation, die mikrochirurgische vaskuläre Dekompression des N. accesorius und die stereotaktische Thalamotomie bei zervikaler Dystonie. Vor orthopädischen Eingriffen, beispielsweise wegen einer Skoliose im Rahmen einer generalisierten Dystonie, bei abnormalen Fußhaltun-
D
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Dystonie-Plus-Syndrome
gen, bei Zehenextensionsdystonien oder bei Handdystonien muss gewarnt werden.
Dystonie-Plus-Syndrome
Literatur 1. Fahn S, Bressman SB, Marsden CD (1998). Classification of dystonia. Adv Neurol 78: 1–10.
Dystrophin
Definition Nach einer Klassifikation von Fahn et al. [1] bezeichnen Dystonie-Plus-Syndrome jene Dystonien, die neben der Dystonie andere dominierende charakteristische Krankheitszeichen aufweisen.
Definition Dystrophin ist Teil des Dystrophin-Glykoprotein-Komplexes, der die Muskelfaser mit der umgebenden extrazellulären Matrix verbindet.
Grundlagen Dystrophin ist das Produkt eines Gens auf Chromosom Xp21. Es wird auf Skelettmuskel, Herzmuskel und glatten Muskelzellen exprimiert. Neben der Funktion für die mechanische Verankerung der Zelle wird eine Funktion für die Kalziumhomöostase diskutiert. Fehlende Darstellung von Dystrophin im Skelettmuskel mit immunhistochemischen Methoden ist der typische Befund bei der Duchenne-Muskeldystrophie, während bei der Becker-Muskeldystrophie nur ein relativer Mangel vorliegt ( Muskeldystrophie, Typ Becker; Muskeldystrophie, Typ Duchenne). Darüber hinaus wurde ein teils nach Therapie reversibler relati3
Die seit Beginn der 80er-Jahre gängige Klassifikation unterteilt die Dystonien nach der Ätiologie (primär bzw. idiopathisch, hereditär, symptomatisch), nach dem Alter beim erstmaligen Auftreten (infantile, juvenile und adulte Form) und nach ihrer topischen Verteilung (fokale, segmentale, multifokale, generalisierte Dystonie, Hemidystonie). Varianten der primären Dystonie wie die dopasensitive Segawa-Dystonie, die myoklonische Dystonie und die paroxysmalen Dystonien werden unter dem der Rubrik Dystonie-Plus geführt [1].
3
Grundlagen
Dystrophin. Abb. 1: Schematisierter Ausschnitt aus einer Muskelzelle mit krankheitsrelevanten Strukturproteinen
Dystrophinassoziierte Proteine
ver Mangel an Dystrophin bei verschiedenen Patienten mit Kardiomyopathie beobachtet. Es erscheint daher möglich, dass Dystrophinmangel auch eine sekundäre Erscheinung sein kann.
379
destens 10 Proteinen an der Muskelzelloberfläche, der u. a. die dystrophinassoziierten Proteine α-Dystroglykan, β-Dystroglykan, Sarkoglykane, Syntropine und Dystrobrevine umfasst.
Grundlagen
Dystrophin-Glykoprotein-Komplex Dystrophin
3
Dystrophinassoziierte Proteine Definition Dystrophin verankert einen Komplex aus min-
In Muskel und zentralem Nervensystem bilden Dystrophin und die dystrophinassoziierten Proteine verschiedene Komplexe, die für die strukturelle Intaktheit des Muskels, aber auch z. B. von Synapsen wichtig sind. Der DystrophinGlykoprotein-Komplex ist unter anderem wichtig für die Stabilisierung von Azetylcholinrezeptor-Clustern der neuromuskulären Synapse sowie für den Kontakt mit Proteinen der extrazellulären Matrix.
D
E
E 605
EBD (Muskel-Augen-GehirnErkrankung)
Synonyme 3
Paration, Diethylparanitrophenylthiophosphat
Kongenitale Muskeldystrophie
Definition
Echinokokkose
Zur Gruppe der Phosphorsäureester oder Alkylphosphate gehörendes Insektizid.
Definition Bei Alkylphosphaten handelt es sich um hochgiftige Verbindungen. Sie werden als Insektizide eingesetzt, aber auch in Schmiermitteln und als Kampfgase (z B. Sarin, Tabun, Soman) verwendet. Ihre toxische Wirkung entfalten sie über eine Hemmung der Cholinesterase. Die letale Dosis für E 605 beim Menschen beträgt 5–30 mg/kgKG. Vergiftungssymptome sind: Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Atembeklemmung, Kopfschmerzen, Schwindel, Speichel- und Tränenfluss, Miosis, Koliken, Bronchospasmus, Muskelzuckungen, Bradykardie, Blutdruckabfall, bis hin zu Koma und Tod. Therapie: Emetika und Magenspülungen, Abführmittel. Atropin, Obidoxim.
Ear-click-Syndrom Definition Im Rahmen des palatalen Tremors ( Tremor, Gaumensegeltremor; Myoklonus, Gaumensegelmyoklonus) lästiges Ohrgeräusch aufgrund der Kontraktionen des M. tensor veli palatini.
Durch Echinococcus spezies hervorgerufene Infektionskrankheit.
Einleitung Die zu den Parasitosen gehörende Erkrankung wird durch die Larven von Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) und Echinococcus multilocularis hervorgerufen. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt über Kontakt mit Bandwurmträgern (Hunde, Katzen, Füchse) oder durch Aufnahme kontaminierter Eier. Endemiegebiete der durch Echinococcus granulosus hervorgerufenen zystischen Echinokokkose sind die Länder Osteuropas, Südamerika, Afrika und im Mittelmeerraum, die alveoläre Echinokokkose durch Echinococcus multilocularis ist überwiegend in Mitteleuropa, Nordamerika und Japan vorkommend multizystisch, infiltrativ wachsend). Bei der menschlichen Echinokokkose wird hauptsächlich die Leber befallen, in 1–4% der Fälle kommt es zu Ausbildung von Zysten im ZNS. Klinisch kommt es zu fokal-neurologischen Ausfällen sowie ggf. zu Zeichen der Raumforderung. 3
Grundlagen
Diagnostik * * *
Eosinophilie im Differenzialblutbild. IgE-Erhöhung im Serum. Serologische Tests (KBR).
3
3
3
*
Edrophoniumchlorid
Zerebrale Bildgebung mit Nachweis der zystischen Raumforderung (liquorisodens).
( neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis) eingesetzt. 3
382
Therapie
Pharmakologische Daten
Neurochirurgische Exstirpation ist die Therapie der Wahl (Cave: Bei Zystenruptur droht Zystenaussaat). Medikamentöse Behandlung mit Benzoimidazolderivaten.
Plasmaeliminations-Halbwertszeit 1–3 min nach i. v.-Injektion. Ursache ist eine Umverteilung und nicht eine Metabolisierung.
Anwendungsgebiete empirisch Präoperative Behandlung (für 30 Tage): Albendazol (Eskazole®): 15 mg/kgKG/die p. o. Alternativ: Mebendazol (Vermox®): 50 mg/ kgKG/die p. o. Sind die Zysten primär inoperabel, empfehlen sich Behandlungszyklen a 4 Wochen mit jeweils 2 Wochen Pause.
Nachsorge CCT, MRT-Kontrollen zur Verlaufskontrolle, Laborkontrolle (Blutbild, Leberwerte) unter Therapie. NW: Panzytopenie, Leberfunktionsstörungen, Fieber, Haarausfall, Urtikaria.
Prognose Echinococcus-multilocularis-Zysten bilden keine Kapsel, nur 20–40% sind operabel. Die Letalität bei inoperablen Patienten beträgt binnen 10 Jahren etwa 90%. Hohe Rezidivrate, daher gegebenenfalls medikamentöse Dauerbehandlung erforderlich. Bei Echinococcus granulosus 60–70% klinische Besserung bei inoperablen Zysten.
Diagnostik der Myasthenia gravis bzw. von belastungsabhängigen Paresen. Ferner Anwendung zur Differenzierung myasthener und cholinerger Krisen.
Dosierung/Anwendung Es werden 2 mg i. v. injiziert. Treten in etwa 45 s keine Nebenwirkungen auf, so werden weitere 8 mg i. v. injiziert. Es gibt auch vorsichtigere Kollegen, die erst 0,5 mg, nach 5– 10 min 1 mg und nach weiteren 15–20 min 2– 5 mg injizieren. In jedem Fall aber sollte eine aufgezogene Atropinspritze (0,5 mg) bereit liegen. Es bedarf einer gut beobachtbaren Parese (Ptose o. ä.), um die Wirkung der Substanz zu erfassen. Alternativ kann Tensilon im Rahmen der 3/sStimulation eingesetzt werden. Die Wirkung wird dann an der Veränderung des Dekrements festgemacht.
Unerwünschte Wirkungen Unerwünschte Wirkungen gehen auf vermehrte cholinerge Wirkungen zurück, Azetylcholin: Hitzegefühl, Hypersalivation, Lakrimation, vermehrte bronchiale Sekretion, Miosis, Bradykardie, Arrhythmie, Hypotension, Faszikulationen, Tenesmen, Diarrhöe. Wenn der Test in der angegebenen Weise durchgeführt wird, werden meist Hitzegefühl, vermehrte Salivation und Lakrimation sowie eine gewisse Bradykardie beobachtet. Komplikationen des Tests sind selten. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Fettreiche Kost erhöht die Wirkstoffresorption der Medikamente.
Edrophoniumchlorid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Camsilon®. 1 Ampulle enthält 10 mg Edrophoniumchlorid in 1 ml. Das Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen und muss importiert werden.
Wirkungen Edrophoniumchlorid ist ein rasch und kurz wirksamer Cholinesterasehemmer. Wegen dieser Eigenschaften wird die Substanz vor allem zur Diagnostik der Myasthenia gravis
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei V. a. ausgeprägte bulbäre Myasthenie sollte der Test unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden, weil die vermehrte Schleimabsonderung zu ernsten Atemwegskomplikationen führen kann.
Wechselwirkungen Nicht bekannt.
Einklemmung/einklemmungssyndrome
Bewertung Der Edrophoniumchlorid-Test gehört zur Standard-Diagnostik bei der Myasthenia gravis.
383
tio reticularis) und das mediale Längsbündel erfassen.
Differenzialdiagnose
Ehlers-Danlos-Syndrom
Die internukleäre Ophtalmoplegie und das Eineinhalbsyndrom können durch eine okuläre Myasthenie imitiert werden.
Definition Genetisch heterogene (x-chromosomal, autosomal-dominant oder - rezessiv) Gruppe von Erkrankungen mit Kollagendysplasie.
E Einklemmung/einklemmungssyndrome
Einleitung Symptome: * Hyperelastizität und erhöhte Vulnerabilität der Haut. * Überstreckbarkeit der Gelenke mit Luxationsneigung. * Disposition für Dissektionen und Aneurysmen. * Gehäuft Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz. * Vasogene Hämorrhagiedisposition (einschließlich verlängertem Nachbluten). * Augenanomalien (Myopie, Linsenektopie, blaue Skleren).
Diagnostik Biochemischer Nachweis der spezifischen Enzymdefekte.
Therapie Bei großen Aneurysmen ggf. Implantation einer Gefäßprothese, sonst symptomatisch.
Prognose Reduzierte Lebenserwartung vor allem durch vaskuläre Komplikationen.
Eineinhalbsyndrom Definition Kombination aus horizontaler Blickparese und internukleärer Ophtalmoplegie.
Einleitung Das Eineinhalbsyndrom findet man bei ausgedehnten pontinen Läsionen (v. a. ischämisch, entzündlich, Blutung), die gleichzeitig das horizontale pontine Blickzentrum (pontine Forma-
Synonyme Herniation
Definition Einklemmung von Hirngewebe in den Tentoriumschlitz (Kompression des Mittlehirns), unter die Falx cerebri und das Foramen magnum (Tonsillenherniation, Kompression der Medulla oblongata).
Einleitung Die Herniation ist meist Folge eines erhöhten intrakraniellen Drucks und führt zu Bewusstseinstrübung und Koma bis hin zum Tod. Neben der Kompression des Parenchyms kommt es auch zu einer Venenstauung und danach zu einer Stauung der Arterien mit sekundären Hämorrhagien und ischämischen Infarkten. Der Nervus oculomotorius wird durch die Herniation gegen die Plica petroclinoidea gedrückt, sodass es zum Befund der ipsilateralen Pupillenerweiterung kommt. Neben kontralateralen findet man auch ipsilaterale Pyramidenbahnzeichen (Kernohan-Zeichen). Infratentorielle Raumforderungen führen durch Aquäduktstenosen zu Liquorabflussstörungen mit hydrozephalem Aufstau.
Prophylaxe Frühe Hirndruckbehandlung und Erkennen einer Raumforderung mit drohender Einklemmung, sofortige Therapie.
Therapie Operative Dekompression der ableitenden Liquorwege, Anlage einer Drainage, Trepanation, je nach zugrunde liegender Erkrankung.
384
Ekbom-Syndrom
Einklemmung/einklemmungssyndrome. Abb. 1: Befunde bei einklemmungssyndromen
Ekbom-Syndrom Restless-Legs-Syndrom
scher Blutdruckanstieg und starke Kopfschmerzen, Augenflimmern, Magendruck. Betroffen sind v. a. Erstgebärende.
3
Diagnostik Kraniale CT, evtl. MRT, EEG, EKG.
Eklampsie
Therapie
Auftreten charakteristischer tonisch-klonischer Krämpfe im Verlauf einer Gestose.
Anfallsbehandlung mit Magnesium oder Antikonvulsiva, gegebenenfalls Entbindung als Ultima Ratio.
Einleitung
Nachsorge
Die Anfälle treten oft blitzartig auf, Prodromalsymptome sind jedoch meist vorhanden: ra-
Regelmäßige Schwangerschaftsvorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen.
3
Definition
Elektrolytstörung, Hirninfarkt
– Parkinson-Syndrom, – Alzheimer-Demenz oder – Syndromen, die der ALS ähneln. Die Diagnose einer ALS wird gestützt durch – Faszikulationen in einer oder mehreren Regionen, – neurogene Veränderung bei EMG-Untersuchungen, – normale motorische und sensible Nervenleitgeschwindigkeiten (distale motorische Latenzen dürfen erhöht sein), – Fehlen von Leitungsblöcken.
Bewertung Der Zustand kann lebensbedrohlich sein und sollte eventuell intensivmedizinisch behandelt werden.
385
*
Diätetik/Lebensgewohnheiten Schwangerschaftsvorsorge.
El-Escorial-Kriterien, amyotrophe Lateralsklerose Grundlagen
Elektrokrampftherapie (EKT) Grundlagen Die Elektrokrampftherapie findet zunehmend in der Behandlung von schweren Depressionen, v. a. bei älteren Patienten Anwendung. Dies vor allem dann, wenn eine medikamentöse Therapie nicht wirksam ist oder aufgrund von zu starken Nebenwirkungen abgebrochen werden muss. Ebenso ist die EKB bei akuten lebensbedrohlichen Zuständen wie schwerem Gewichtsverlust oder Katatonie, was eine sofortige konsequente Behandlung erforderlich macht, indiziert. Während der Therapie kommt es zum kurzzeitgen Anstieg von Puls und Blutdruck, was eine erhöhte myokardiale Sauerstofflast hervorruft. Zusätzlich kann ein Delir auftreten, v. a. bei bereits kognitiv beeinträchtigten älteren Patienten. Eine typische Nebenwirkung der EKT ist eine anterograde und retrograde Amnesie. Die Gabe von hochdosiertem intravenös verabreichtem Naloxon vor der Durchführung der EKT hat in einer kontrollierten Studie zu einer Reduktion der anterograden Amnesie und kognitiven Leistungen geführt. Eine gleichzeitige Anästhesie mit Muskelrelaxation führt zur Verbesserung der Verträglichkeit und höheren Sicherheit in der Durchführung der EKT. 3
3
Diagnosekriterien für die ALS (amyotrophe Lateralsklerose) nach der World Federation of Neurology: * Die Diagnose einer ALS erfordert das Vorhandensein von – Zeichen der Läsion des 2. Motoneurons (auch EMG-Befunde in klinisch normalen Muskeln), – Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons, – Progredienz. * Diagnostische Kategorien – sichere ALS: Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons und des 2. Motoneurons in drei Regionen (Regionen sind: Hirnstamm, Arme, Thorax und Rumpf, Beine), – wahrscheinliche ALS: Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons und des 2. Motoneurons in zwei Regionen (Zeichen des 1. Motoneurons rostral zu den Zeichen des 2. Motoneurons), – mögliche ALS: Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons und Zeichen der Läsion des 2. Motoneurons in einer Region (z.B. bei monomelischer ALS oder progressiver Bulbärparalyse) oder Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons in zwei oder drei Regionen (z.B. primäre Lateralsklerose), – ALS-Verdacht: Zeichen der Läsion des 2. Motoneurons in zwei oder drei Regionen, keine Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons (z.B. bei spinaler Muskelatrophie). * Die Diagnose einer ALS erfordert das Fehlen von – Gefühlsstörungen, – Sphinkterstörungen, – Sehstörungen, – autonomer Dysfunktion,
Elektrolytstörung, Hirninfarkt Synonyme Störung des Elektrolythaushaltes
E
3
386
Eletriptan
Definition
*
Entgleisung des Elektrolythaushaltes im Rahmen einer zerebralen Ischämie.
Einleitung Allgemein: Schwerere Elektrolytstörungen bei Hirninfarkten sind eher selten. Je nach Begleiterkrankungen und Vormedikation kommt es überwiegend zu Störungen des Natrium-, Kalium- und Kalziumhaushaltes, seltener zu Regulationsstörungen im Magnesium- und Phosphatstoffwechsel. Ätiologie: * Bei zerebralen Ischämien kommt es bei manchen Patienten im Rahmen einer Exsikkose ( Bilanzierung) zu leichten bis mäßigen Elektrolytstörungen. * Hypothalamische Infarkte: Ischämische Läsionen im Bereich des Hypothalamus können ein Syndrom der inadäquaten ADHSekretion (SIADH) mit Hyponatriämie bedingen. * Zentrales Salzverlustsyndrom: Zentrale Dysregulation mit Hyponatriämie und Hypernatriurie (z. B. als Folge einer Subarachnoidalblutung).
*
Hypokaliämie: Substitution maximal 20 mmol/h bzw. maximal 3 mmol/kgKG/ die, Beseitigung der auslösenden Ursache. Hyperkaliämie: Forcierte Diurese (Furosemid), Insulin-Glukose-Lösung, Beseitigung der auslösenden Ursache.
Bewertung Elektrolytentgleisungen können eine vorbestehende zentralnervöse Störung zum Teil dramatisch verschlechtern.
Prognose Nach Substitution in der Regel Restitutio ad Integrum. Eine zentrale pontine Myelinolyse nach zu schnellem Ausgleich einer Hyponatriämie zeigt in schweren Fällen meist eine nur unvollständige Rückbildung.
Eletriptan Gebräuchliche Fertigarzneimittel Relpax® 20 mg/40 mg Filmtbl.
3
Wirkungen Prophylaxe Regelmäßige Überwachung sowie ausgewogene enterale bzw. parenterale Zufuhr.
Therapie *
Regelmäßige Überwachung und ggf. orale oder parenterale Korrektur des – Elektrolythaushaltes (v. a. Natrium, Kalium, Kalzium, Phosphat, Magnesium und Chlorid) sowie der – Osmolarität (v. a. bei forcierter Diurese bzw. osmotischer Therapie eines Hirnödems ( Hirndruck) und des – Säure-Base-Haushaltes (metabolische/respiratorische Alkalose/Azidose). Schwere Elektrolytstörungen erfordern in der Regel die Anlage eines zentralvenösen Katheters. Hyponatriämie: Langsamer (!) Ausgleich, maximal 10–12 mmol/die. Cave: zentrale pontine Myelinolyse bei zu schnellem Ausgleich. Hypernatriämie: Natriumfreie/natriumarme Infusionslösungen, Beseitigung der auslösenden Ursache. 3
*
*
*
Eletriptan wird zur Behandlung des Migräneanfalls verwendet und hat von allen bisher zugelassenen Triptanen die höchste Affinität zu humanen 5HT1B und 1D-Rezeptoren. Die Substanz führt zu einer dosisabhängigen Konstriktion menschlicher Meningealarterien und bei den gleichen Serumkonzentrationen nur zu einer geringen Konstriktion von Koronararterien. Eletriptan hemmt die neurogene Entzündung und die Plasmaextravasation nach Stimulation des Ganglion Gasseri im Tierexperiment. In einer initialen doppelblinden Parallelgruppenstudie an 365 Patienten betrug die Wirkung nach 2 h 38% für 5 mg, 46% für 20 mg und 47% für 40 mg [1]. Nebenwirkungen waren bei allen drei Dosierungen identisch. In zwei weiteren Studien zeigte Eletriptan eine dosisabhängige Verbesserung der Kopfschmerzen nach 1 und 2 h. 20, 40, 80 mg Eletriptan waren signifikant besser als Plazebo. 80 mg Eletriptan waren besser wirksam als 100 mg Sumatriptan. Die Wirkung setzte bereits innerhalb 1 h ein. Die Erfolgsquoten 2 h nach Einnahme betrugen für 20, 40, 80 mg Eletriptan, 100 mg Sumatriptan und Plazebo 54%, 65%, 77%, 55% und 24%. Kopfschmerzfrei nach 2 h waren 6%
Eletriptan
mit Plazebo, 37% für 80 mg Eletriptan, 29% für 40 mg Eletriptan und 23% für 100 mg Sumatriptan. Eletriptan hatte auch signifikant positive Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit im Alltag. Wiederauftretende Kopfschmerzen nach initialer Wirkung wurden bei 33% der Patienten mit 100 mg Sumatriptan beobachtet, bei 28%, 34% und 32% nach 20, 40, 80 mg Eletriptan. Eine Subgruppenanalyse an 454 Frauen zeigte, dass die Wirksamkeit von Eletriptan bei Migräneattacken während der Periodenblutung genauso gut ist wie bei Migräneattacken außerhalb dieser Zeit. In einer zweiten Studie [2] an 1153 Patienten waren 40 und 80 mg Eletriptan bereits nach 30 min besser wirksam als Plazebo. Die Wirksamkeit nach 2 h betrug 62% für 40 mg und 65% für 80 mg Eletriptan verglichen mit 19% für Plazebo. Die Raten für Kopfschmerzfreiheit betrugen 32 und 34% für Eletriptan und 3% für Plazebo. In dieser Studie betrug das Wiederauftreten der Kopfschmerzen 40% unter Plazebo, 30% für 40 mg und 21% für 80 mg Eletriptan. In einer weiteren doppelblinden Studie wurden 40 und 80 mg Eletriptan mit 50 und 100 mg Sumatriptan und Plazebo verglichen [3]. Die Erfolgsquoten nach 2 h betrugen 64% für 40 mg Eletriptan und 67% für 80 mg. Dies war höher als für 50 mg Sumatriptan (50%) und 100 mg Sumatriptan (53%). Metaanalysen der drei mit Sumatriptan durchgeführten Vergleichsstudien zeigen für Eletriptan bereits in der 40 mg-Dosierung eine signifikant höhere Wirksamkeit als Sumatriptan 100 mg; Eletriptan 80 mg ist noch einmal wirksamer. Außerdem wurden 40 und 80 mg Eletriptan auch in einer Studie mit einer Kombination Ergotamintartrat plus 200 mg Coffein und Plazebo verglichen. Die Erfolgsquoten für Eletriptan betrugen 54 und 68% im Vergleich zu 33% für Cafergot [4]. In dieser Studie zeigte sich auch eindrucksvoll, dass Eletriptan Übelkeit und Erbrechen verbessert, während die Häufigkeit von Übelkeit unter Ergotamin plus Coffein nicht abnimmt.
Resorption Eletriptan ist sehr lipophil und wird rasch resorbiert. Bei gesunden Versuchspersonen werden maximale Plasmakonzentrationen nach oraler Gabe (tmax) nach 1 h erreicht. Während eines Migräneanfalls kann die Resorption von oral verabreichten Medikamenten durch eine Stase des Mageninhaltes verzögert sein. Bei Migrä-
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nepatienten zeigte sich eine Verlängerung der tmax für Eletriptan während eines Migräneanfalls auf 2,8 h; der Wirkeintritt ist dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt bei oraler gegenüber intravenöser Verabreichung ~50%. Nach Tierversuchsdaten beträgt die Liquor-Konzentration von Eletriptan etwa 45% der freien Plasmakonzentration.
Wirkungsverlauf Die Wirkung von Eletriptan tritt – in der Kopfschmerzphase des Migräneanfalls eingenommen – schnell ein und ist nach 30 min signifikant gegenüber Plazebo.
Elimination Mittlere totale Plasmaclearance nach intravenöser Verabreichung: 36 l/h. Mittlere renale Clearance nach oraler Gabe: 3,9 l/h. Die Eliminationshalbwertzeit von oralem Eletriptan (Einzeldosis 1,5–120 mg) reicht bei gesunden Probanden von 3,6–5,5 h und ist von der Dosis unabhängig. Weniger als 20% werden als unverändertes Eletriptan mit dem Urin ausgeschieden. Der durch das Cytochrom P450-Isoenzym CYP 3A4 gebildete Hauptmetabolit NDemethyl-Eletriptan hat etwa die gleiche Wirkungsstärke wie Eletriptan.
Anwendungsgebiete Behandlung des Migräneanfalls.
Dosierung und Art der Anwendung Einnahme möglichst früh, aber erst nach Beginn der Kopfschmerzphase des Migräneanfalls. Übliche Standarddosis 40 mg. Bei unzureichender Wirksamkeit kann eine Folgeattacke mit 80 mg behandelt werden. Ein Wiederkehrkopfschmerz (Recurrence) ist selten und kann mit einer zweiten Dosis gleicher Stärke behandelt werden (Mindestabstand zu Erstdosis: 2 h). Maximaldosis innerhalb von 24 h: 160 mg. Bei älteren Patienten (>65 Jahre) sowie bei leichter bis mäßiger Niereninsuffizienz wird eine initiale Dosis von 20 mg empfohlen; die maximale Einzeldosis beträgt 40 mg, die maximale Tagesdosis 80 mg.
Unerwünschte Wirkungen Am häufigsten wurden in klinischen Studien Schwächegefühl, Somnolenz, Schwindelgefühl und Übelkeit beobachtet. Seltener Parästhesien,
E
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Elsberg-Syndrom
Gefühl der Steifheit, Kopfschmerz, Hypästhesie, Vertigo. Kreislauf. Wärmegefühl, Flush. Mundtrockenheit, Engegefühl im Hals, Dyspepsie. Brustsymptome, Bauchschmerzen, Schmerzen, Rückenschmerzen, Schüttelfrost, Schwitzen. Insgesamt ist die Häufigkeit von unerwünschte Wirkungen gering. Die Inzidenz liegt für die 20 mg Dosierung auf Plazebo-Niveau. Die oben angeführten unerwünschten Wirkungen werden bei 40 mg beobachtet. Manche dieser Symptome können Teil der Migräneattacke sein. Wird zunächst mit der Standarddosis begonnen und bei einem nachfolgenden Migräneanfall auf die Dosis von 80 mg erhöht, steigt die Häufigkeit von unerwünschte Wirkungen nicht an.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Einsatz bei Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren) nicht empfohlen. Schwere Leber- oder Nierenfunktionseinschränkung. Therapeutisch nicht kontrollierte Hypertonie. Nachgewiesene koronare Herzkrankheit, einschließlich ischämischer Herzerkrankungen (Angina pectoris, Myokardinfarkt in der Anamnese oder nachgewiesene stille Ischämie), objektive oder subjektive Symptome einer ischämischen Herzerkrankung, Prinzmetal-Angina. Klinisch bedeutsame Herzrhythmusstörungen oder Herzversagen. Periphere Gefäßerkrankungen. Zerebrale Ischämien in der Vorgeschichte. Gleichzeitige Anwendung von Ergotamin, Ergotaminderivaten (einschließlich Methysergid) oder anderen 5HT1-Rezeptor-Agonisten. Nicht für die Behandlung einer hemiplegischen oder BasilarisMigräne.
Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Anwendung von potenten CYP 3A4-Inhibitoren (z. B. Ketoconazol, Itraconazol, Erythromycin, Clarithromycin) Dosisreduktion (20 mg als Einzeldosis, Tageshöchstdosis 40 mg). Aus den durchgeführten klinischen Studien ergaben sich keine Hinweise auf Interaktionen mit Betablockern, trizyklischen Antidepressiva, SSRI, Methysergid, Flunarizin, Östrogenen und Calciumantagonisten.
wertzeit ca. 4 h). Auswirkungen einer Hämooder Peritonealdialyse auf die Eletriptan-Plasmaspiegel sind nicht bekannt.
Literatur 1. Färkkilä M, Diener HC, Dahlöf C, Steiner TJ, on behalf of the Eletriptan Steering Committee (1996) A dose-finding study of eletriptan (5– 30 mg) for the acute treatment of migraine. Cephalalgia 16:387 2. Goadsby PJ, Ferrari MD, Olesen J et al., for the Eletriptan Steering Committee (2000) Eletriptan in acute migraine: a double-blind, placebocontrolled comparison to sumatriptan. Neurology 54:156–163 3. Pryse-Philips W, on behalf of the Eletriptan Steering Committee (1999) Comparison of oral eletriptan (Relpax™) (40–80 mg) and oral sumatriptan (50–100 mg) for the treatment of acute migraine. A randomised, placebo controlled study in sumatriptan-naive patients. In: 9th Congress of the International Headache Society 4. Reeches A, on behalf of the Eletriptan Steering Committee (1999) Comparison of the efficacy, safety and tolerability of oral eletriptan (Replax™) and Cafergot for the acute treatment of migraine. In: 9th Congress of the International Headache Society, Barcelona
Elsberg-Syndrom Synonyme Radikulitis sacralis, Cauda equina
Radikulomyelitis
der
Definition Bei der Radikulitis sacralis bestehen Dysästhesien und Parästhesien im Sakralbereich sowie Blasenstörungen.
Einleitung Bei diesem ätiologisch inhomogenen Krankheitsbild kommt es neben einer immunologisch mediierten Form (Sonderform des GuillainBarré-Strohl-Syndroms) zu symptomatischen Varianten bei Borreliose, Herpes-simplex-TypII-Infektionen (Herpes genitalis) und CMV-Infektionen.
Akute Toxizität
Diagnostik
Einzeldosen bis 120 mg wurden ohne signifikante unerwünschte Effekte vertragen. Bei Überdosierung supportive Maßnahmen und/ oder Beobachtung über mindestens 20 h (Halb-
Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch Sensibilitätsstörungen (Dysästhesien, Parästhesien), Paresen und Sphinkterstörungen entsprechend dem Versorgungssystem der sakralen
Embolieprophylaxe
Nervenwurzeln (Kauda-Syndrom). Differenzialdiagnostisch müssen liquorologisch einerseits eine erregerbedingte Genese und andererseits eine Meningeosis neoplastica ausgeschlossen werden. Zum Ausschluss einer Raumforderung sollte eine MRT durchgeführt werden.
Therapie Bei den symptomatischen Formen richtet sich die Therapie nach der diagnostizierten Ursache. Bei der Radikulitis sacralis als Sonderform des Guillain-Barré-Strohl-Syndroms kommen die entsprechenden Therapierichtlinien ( Guillain-Barrré-Syndrom) zur Anwendung. 3
Prognose Prognose in Abhängigkeit der Ätiologie. Bei der Variante des Guillain-Barré-Stohl-Syndroms häufig subakuter Verlauf mit guter Symptomrückbildung. In der Originalbeschreibung chronisch-progredienter Verlauf über Jahre.
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Gebräuchliche Fertigarzneimittel Warfarin: Coumadin®. Phenprocoumon: Falithrom®, Marcumar®, Marcuphen®, Phenpro-ratiopharm®.
Wirkungen Antikoagulation.
Anwendungsgebiete Prophylaxe und Therapie thrombembolischer Erkrankungen. Herzinfarkt (Langzeitbehandlung), wenn ein erhöhtes Risiko für thrombembolische Komplikationen gegeben ist. Die Indikation zur Antikoagulation ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Die Dosierung von Coumadin® ist durch die Bestimmung der Thromboplastinzeit (Quick-Wert, INR) oder einen gleichwertigen Test zu überwachen und individuell anzupassen. Näheres dazu s. Gebrauchs- u. Fachinformation.
Dosierung/Anwendung Literatur 1. Gareth JP (1993). Guillain-Barré-Syndrome. Thieme Verlag Stuttgart-New York.
Embolie, Hirnembolie Embolischer Hirninfarkt
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Embolie, Lungenembolie Lungenembolie
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Embolieprophylaxe
Erste Bestimmung der Thromboplastinzeit stets vor Therapiebeginn. Rasche Aufsättigung mit 4 Tabletten am ersten Tag, dann nach INR abnehmende Dosierung bis zu einem angestrebten wirksamen Bereich von 2,0–3,5 INR. Bei Kindern unter 14 Jahren: Kein ausreichendes Erkenntnismaterial.
Unerwünschte Wirkungen Überempfindlichkeitsreaktion, allergische Reaktion. Hepatitis, Leberschäden durch Gallestauung, Gelbsucht, erhöhte Leberenzyme. Vaskulitis, Ödeme, Fieber, Exantheme. Abdomineller Schmerz mit Krämpfen, Blähungen/ Völlegefühl. Müdigkeit, Lethargie, Asthenie, Kopfschmerzen/Schmerzen, Schwindel. Geschmacksveränderungen. Kälteempfindlichkeit, Parästhesie mit Kältegefühl und Schüttelfrost. Tracheale und bronchiale Verkalkungen (Signif. unklar). Systemische Cholesterinmikroembolien, Pruritus, selten Netzhautblutungen.
Synonyme
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Thrombembolieprophylaxe
Refraktäre Hypertonie (>200/105 mmHg). Kürzlich stattgehabte oder geplante Untersuchungen des ZNS. Große offene Wunden als Folge traumatisierender Untersuchungen bzw. chirurgischer Eingriffe. Blutungsneigungen in Zusammenhang mit akuten Ulzerationen oder offenen Blutungen des Magen-Darm-Traktes, der Harnwege oder der Atemwege. Zerebrovas-
Zubereitungen Zur Embolieprophylaxe, beispielsweise bei Vorhofflimmern, kann prinzipiell entweder ein Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Clopidogrel) gegeben oder eine Antikoagulation durch Cumarine durchgeführt werden.
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Embolieprophylaxe
kuläre Blutungen, Aortendissektion. Perikarditis und Perikarderguss. Apoplexie, ZNS-Trauma, chirurgische Eingriffe am ZNS oder am Auge, Retinopathie mit Blutungsrisiko, zerebrales Aneursysma. Bakterielle Endokarditis. Spinale Punktionen, rückenmarksnahe Regionalanästhesien.
Wechselwirkungen 1. Wirkungsverstärkende Faktoren: * Fehlerhafte Blutzusammensetzung, Neoplasien, vaskuläre Kollagenosen, Stauungsherzinsuffizienz, Diarrhoe, erhöhte Temperatur, Lebererkrankung, Hyperthyreose, schlechter Allgemeinzustand, Steatorrhoe, Vitamin K-Mangel. * Zentral-adrenerge Stimulanzien, Kombinationen zur Bekämpfung von Alkoholabusus, Inhalationsanästhetika, Antikoagulantien, Antimalariamittel, Antiparasitika, antimikrobielle Mittel, Thyreostatika, β-Blocker, Bromelain, Cholelitholytika, orale Antidiabetika, Arzneimittel gegen gastrointestinale ulzerative Kolitis, Gichttherapeutika, Hämorrheologika, hepatotoxische Arzneimittel, Insuline, Notfallantihypertonika, MAO-Hemmer, langwirksame Narkotika, Psychostimulanzien, SSRI, Urikosurika, Impfstoffe, langwirksame Sulfonamide, androgene Steroide, Anabolika, Analgetika, orale Aminoglykoside, parenterale Cephalosporine, Makrolide, verschiedene intravenös hochdosierte Penicilline, Chinolone, Fluorchinolone. 2. Antikoagulationswirkung verstärkt und/oder Verschlimmerung von gastrointestinalen Blutungen: * Nichtsteroidale Antiphlogistika/Antirheumatika, Thrombozytenaggregationshemmer, Pyrazolone, Salizylate. 3. Wirkungsvermindernde Faktoren: * Ödeme, hereditäre Cumarinresistenz, Hyperlipidämie, Hypothyreose, nephrotische Syndrome. * Anxiolytika, Antihistaminika, Antipsychotika, Barbiturate, enteral anzuwendende Nahrungsergänzungsmittel, Immunsuppressiva, Östrogen enthaltende orale Kontrazeptiva, Adrenokortikosteroidhemmer, Diuretika, Colestyramin (Verminderung der Antikoagulatienresorption).
4. Sowohl wirkungsvermindernde, als auch - verstärkende Faktoren: * Antacida, Antiarrhythmika, Antibiotika, Antikonvulsiva, Antidepressiva, Tumortherapeutika, Diuretika, systemische Antimykotika, Hypnotika, Lipidsenker, Vitamine, Ulkustherapeutika, Adrenokortikoide, Thyreostatika, Tuberkulosemittel. 5. Bei gleichzeitiger Anwendung von Ticlopidin und Warfarin: Cholestatische Hepatitis möglich. 6. Intoxikationen: Das Auftreten von Blut im Stuhl oder Urin, starke Menstruationsblutungen, Melaena, Petechien, starke Quetschungen oder persistierende Sickerblutungen von oberflächlichen Verletzungen sind frühe Anzeichen einer nicht zufrieden stellenden Antikoagulantientherapie. Das klinische Bild der akuten Überdosierung zeigt abhängig vom Ausmaß der Intoxikation im Wesentlichen Hämaturie, petechiale Blutungen an Stellen mechanischer Belastung, spontane Hautund Schleimhautblutungen, Melaena, Verwirrtheitszustände bis zur Bewusstlosigkeit. Innerhalb der ersten 24 h nach Einnahme großer Warfarinmengen steht die Kapillarwirkung im Vordergrund (mit Hirnödem). Zu Blutungen kann es erst vom zweiten Tag an kommen. Bei schweren Leberparenchymschäden mit symptomatischem Gerinnungseffekt oder vorangegangener bestimmungsgemäßer Medikation mit Warfarin können auch schon früher Blutungen auftreten. Therapie: Bei leichteren Blutungen Absetzen oder Reduktion der Dosis von Coumadin®. Falls notwendig kann eine Einzeldosis von 5– 10 mg Vitamin K1 oral verabreicht werden. Wirkungseintritt gewöhnlich zwischen der 4. und 8. Stunde nach Verabreichung. Nur bei lebensbedrohlichen Blutungen sollten 5– 25 mg Vitamin K1 (selten bis zu 50 mg) langam i. v. (Cave: Anaphylakische Reaktion) gegeben werden. Falls der INR-Wert nicht sinkt, kann die Applikation nach einigen Stunden wiederholt werden. Im Notfall bei schweren Blutungen können die Blutgerinnungsfaktoren durch Gabe von 200–500 ml Frischblut, frisch gefrorenem Plasma oder kommerziellem Faktor-IXKomplex wieder normalisiert werden. Wenn bei sehr starker oder bedrohlicher
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie, Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee WK (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon.
Embryopathie, Alkoholembryopathie Synonyme Alkoholfolgekrankheiten, Embryopathie, fetales Alkohol-Syndrom 3
Blutung der Eintritt der vollen Vitamin K1Wirkung nicht abgewartet werden kann, ist durch Infusion von virusinaktivierenden Prothrombinkomplexkonzentraten (PPSB) die Aufhebung der Warfarinwirkung möglich. Sollte PPSB nicht vorliegen, kann Frischblut oder ein Faktorenkonzentrat mit den Gerinnungsfaktoren des Prothrombinkomplexes (II, VII, IX, X) appliziert werden. Durch orale Verabreichung von Cholestyramin (5×4 g/Tag) kann zusätzlich die Eliminationsgeschwindigkeit von Warfarin beschleunigt werden. Eine engmaschige Überwachung der Gerinnungsparameter sollte gewährleistet sein.
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Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie, Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie
Embolisation Definition Neuroradiologie, interventionelle.
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Embryonale Tumoren, Gehirn Definition Nach der WHO-Klassifikation werden zu den embryonalen Tumoren die Medulloblastome, die histologisch gleichartigen, jedoch nicht zerebellär lokalisierten anderen PNET (primitiven neuroektodermalen Tumoren) und wenige, nach ihrer histologischen Zuordnung z. T. umstrittenen Sonderformen (Medulloepitheliom, zerebrales Neuroblastom und Ependymoblastom) gerechnet [1]. Nach der Expertenmeinung der WHO leiten sich embryonale Tumoren von pluripotenten „embryonalen“ neuroektodermalen Stammzellen ab, die sich in neuronale oder gliale Zellen differenzieren können. 3
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Einleitung Medulloblastome und PNETs werden gesondert besprochen. Medulloepitheliome, „zerebrale“ Neuroblastome oder Ependymoblastome sind histologische Sonderformen, ihre biologische Einordnung ist unklar. Sie sollten wie PNETs kategorisiert und behandelt werden. Alle embryonale Tumoren sind Neubildungen des Kindes- und Jugendalters; Manifestationen im Erwachsenenalter sind jedoch möglich.
Definition Die Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie ist Xchromosomal-rezessiv erblich und geht mit Kontrakturen in Ellenbogen- und Sprunggelenken sowie Neigung zu Kardiomyopathie einher. Ursache ist ein Mangel an Emerin (Genlokus Xq28). Klinisch kaum zu unterscheiden ist ein autosomal-dominant vererbtes Syndrom, das von Hauptmann und Thannhauser beschrieben wurde. Dies wird zu Unrecht häufig als autosomal-dominante Form der Emery-DreifussMuskeldystrophie bezeichnet. Hier liegt der Gendefekt im Lamin A/C-Gen.
Einleitung Lamin A/C gehört zu den nukleären Intermediärfilamenten und ist mit Emerin, als einem Teil eines Proteinkomplexes der Kernhülle verbunden. Diese Proteine haben u. a. für die Replikation eine große Bedeutung. Interessanterweise führen Mutationen an verschiedenen Stellen im Lamin A/C-Gen zu weiteren, unterschiedlichen Phänotypen: * Autosomal-dominante partielle Lipodystrophie Dunnigan. * Autosomal-rezessive Charcot-Marie-ToothKrankheit, Typ 2 (entspricht HMSN II). * Gliedergürteldystrophie Typ 1B. * Dilatative Kardiomyopathie mit atrioventrikulärer Überleitungsstörung Typ 1A. Patienten mit Emery-Dreifuss- und mit Haupt-
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Emetin-Intoxikation
mann-Thannhauser-Muskeldystrophie können bereits konnatal oder im Verlauf der frühen Kindheit Kontrakturen im Bereich des Sprunggelenks und des Ellenbogengelenks aufweisen. Nicht selten Trichterbrust. Meist entwickelt sich ein relativ gutartig verlaufendes Gliedergürtelsyndrom im ersten Lebensjahrzehnt. Beginn im Beckengürtel, später im Schultergürtel. Teils Facies myopathica. Gehäuft Kardiomyopathie mit der Neigung zu Herzrhythmusstörungen.
insbesondere Methylalkohol sollte gedacht werden.
Diagnostik Blutbild, Blutgase, Entzündungsparameter, Gerinnungsstatus, Elektrolyte, Leberwerte etc.
Therapie Auslösen von Erbrechen, Magenspülung, Abführmittel, intensivmedizinische Überwachung, Monitoring.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Genetische Untersuchung des Lamin A/C-Gens bei autosomal-dominanten Fällen, des EmerinGens in den anderen Fällen.
Therapie Symptomatisch. empirisch Bei Entwicklung von Herzrhythmusstörungen kommt ein Herzschrittmacher in Betracht.
EMG (Elektromyographie), Biofeedback Definition Methode zum Erlernen einer willentlichen Kontrolle der Muskelspannung durch akustische oder visuelle Rückmeldung über den aktuellen Anspannungszustand des Muskels. Therapeutisch eingesetzt z. B. beim Kopfschmerz vom Spannungstyp (Ableitung von M. frontalis, M. trapezius, M. temporalis).
Nachsorge
Prognose Insgesamt eher gutartig verlaufende Krankheit. Die Prognose wird wesentlich von den kardialen Symptomen bestimmt.
Emetin-Intoxikation
„Empty-triangle-sign“ Synonyme „Delta-sign“
Definition Phänomen bei Sinusvenenthrombose: Computer- oder kernspintomographische Darstellung des nach KM-Applikation umspülten, nicht anreichernden Thrombus im Sinus sagittalis superior oder im Confluens sinuum. Häufig falsch positive Befunde (15–45 %). 3
Jährliche EKG- und Herzecho-Untersuchungen zur Erfassung und Beobachtung einer Kardiomyopathie bzw. Arrhythmie sind wichtig.
Synonyme Cephaelin-3-methylether
Definition
Empyem
Alkaloid aus Radix Ipecacuanhae (Brechwurz).
Definition Einleitung Emetin ist ein Protoplasma- und Kapillargift, das früher therapeutisch eingesetzt wurde bei Infektionen mit Entamoeba histolytica. Es besitzt eine hohe Toxizität. Es kann eine Optikusatrophie bewirken. An eine Intoxikation mit anderen Substanzen,
Eiteransammlung in einer präformierten Körperhöhle durch direkte oder fortgeleitete Infektion.
Einleitung Unterschieden werden das subdurale und das seltenere epidurale Empyem, die sich im klini-
ENA (extrahierbare nukleäre Antikörper)
schen Verlauf und der Therapie nicht unterscheiden. Die subduralen Empyeme kommen deutlich seltener als Hirnabszesse (1:4) vor ( Abszess, Hirnabszess). Sie entstehen in fast allen Fällen per continuitatem aus einer paranasalen Sinusitis, einer Otitis media, einer Mastoiditis oder als Folge einer bakteriellen Meningitis. Selten treten sie nach Infektion eines subduralen Hämatoms oder Hygroms, nach neurochirurgischen Operationen und/oder nach penetrierenden Verletzungen auf ( Schädel-HirnTrauma). Die subduralen Empyeme finden sich meist diffus oder fokal (frontobasal) an der Konvexität, selten infratentoriell. Die häufigsten Erreger sind Streptokokken, Staphylokokken und Enterokokken, meist ist mit einer polymikrobiellen Infektion zu rechnen. Klinisch imponieren Kopfschmerzen, Bewusstseinstörungen, epileptische Anfälle und fokal neurologische Ausfälle. Empyeme sind ein neurologisch-neurochirurgischer Notfall!
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plus Neomycin (Nebacetin®) und Legen einer Drainage. Der primäre Entzündungsherd sollte baldmöglichst saniert werden.
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Nachsorge Wichtigste Komplikationen sind Hirndruck, epileptische Anfälle, bakterielle Meningitis, septische Sinusvenenthrombose. 3
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Prognose Bestimmend ist ein frühzeitiger Therapiebeginn. Die Gesamtmortalität beträgt 15–40%, unbehandelt kommt es innerhalb weniger Tage zum Tod. Etwa 50% der überlebenden Patienten leiden an einer Residualepilepsie, die meisten Anfälle treten nach Abheilung der akuten Erkrankung nach 1–2 Jahren auf.
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Synonyme
Diagnostik * *
* *
ENA (extrahierbare nukleäre Antikörper) Sm-Antikörper, RNP-Antikörper
Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT). Mikrobiologsche Untersuchungen (Blutkultur, Punktat aus Nasennebenhöhle und Innenohr). Labor (Entzündungsparameter). Liquor (Cave: Aufgrund der Einklemmungsgefahr kann eine Lumbalpunktion absolut kontraindiziert sein, der Befund kann unspezifisch sein (steril oder geringe Pleozytose, Eiweißerhöhung).
Therapie Antibiotische Behandlung so schnell wie möglich, bis zum Eintreffen der spezifischen Kulturergebnisse ist die Behandlung der Behandlung des Hirnabszesses gleich ( Abszess, Hirnabszess). Die weiterführende und postoperative antibiotische Behandlung richtet sich nach dem Ergebnis der Blutkultur ( Meningitis, bakterielle). Die Behandlungsdauer beträgt je nach Symptomatik 4–6 Wochen. Notfallmäßige neurochirurgische Entleerung (am besten durch Kraniotomie) mit Spülung des Subduralraumes (mit H2O und Bacitracin
Definition Sammelbegriff für Autoantikörper, die gegen extrahierbare Kernantigene gerichtet sind.
Grundlagen Die Antikörper binden an Strukturen, die aus Zellkernen mit Phosphatpuffer extrahierbar sind. Der Sm-Antikörper bindet D1-, D2- und D3-Proteine (seltener E-, F- und G-Proteine), die in Spleißosomen mit U1-snRNP (small nuclear ribonucleoprotein particle assoziiert mit UQ-RNA) gemeinsame Moleküle bilden. Die Epitope für Anti-Sm liegen auf Proteinabschnitten am 3′-Ende, die für Anti-RNP-Antikörper auf Proteinabschnitten am 5′-Ende der U1RNA. Beim Nachweis im indirekten Immunfluoreszenz-Test dominiert ein grobgesprenkeltes bzw. fleckiges Bild ohne Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Anti-Sm- und Anti-RNP-Antikörpern. Eine Differenzierung ist mit Agarpräzipitation (Immundiffusion) und indirekter Hämagglutination nach RNase-Behandlung möglich, wobei das Sm-Ergebnis positiv bleibt. Anti-D-Protein-Antikörper lassen sich im Westernblot gut nachweisen und besitzen eine hohe
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Enalapril
Spezifität für den systemischen Lupus erythematodes (SLE). ELISAs sind nur Sm-spezifisch, wenn die als Antigen verwendeten RNase-behandelten Zellkernextrakte oder UsnRNP keine B’B-Proteine enthalten. RNP-Antikörper weisen eher auf ein mixed connective tissue syndrome (MCTD) hin. Autoantikörper, Kollagenosen
quantitative Bedeutung diese Wirkung der CEHemmer in der antihypertensiven Therapie hat. Evtl. kann das Phänomen, dass chronische Gaben von CE-Hemmern auch dann blutdrucksenkend sind, wenn die Plasmareninaktivität niedrig ist, auf die Hemmung des Kininabbaus zurückgeführt werden.
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Resorption
Enalapril Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Corvo® 5, 10, 20; Pres® 2,5, 5, 10, 20; Renacor® Tbl.; Xanef® 5/10/20/Cor 2,5.
Wirkungen Enalapril wurde als zweiter Hemmer des Conversionsenzyms (CE) nach Captopril entwickelt. Es beinhaltet keine SH-Gruppe und ist nach Bioaktivierung in der Leber als Enalaprilat aktiv. Enalaprilat hemmt das CE und damit die Bildung von Angiotensin II und den Abbau von Kininen. Andere Wirkungsmechanismen von Enalaprilat sind nicht bekannt. Wie andere CE-Hemmer ist Enalaprilat durch Hemmung der Angiotensin II-Bildung ein starker Vasodilatator und außerdem natriuretisch wirksam. Angiotensin II wirkt vasokonstriktorisch durch direkten Angriff am glatten Gefäßmuskel, durch positive Interaktion mit postsynaptischen α-Rezeptoren, präsynaptische Steigerung der Noradrenalinfreisetzung und seinen Angriff an zerebralen Vasomotorenzentren. Die antinatriuretische Wirkung von Angiotensin II beruht auf einer proximal tubulär vermehrten Rückresorption (dort ebenfalls positive Interaktion mit αadrenergen Mechanismen der Natriumrückresorption) und auf einer Steigerung der Aldosteronfreisetzung. Damit wird auch die distal tubuläre Natriumrückresorption gesteigert. Im Übrigen induziert Angiotensin II eine Hyperplasie der Nebennierenrinde und damit die Zahl Aldosteron produzierender Zellen. Auch für andere Zellen (Herz, Gefäße, Niere) kann Angiotensin II als Wachstumsfaktor wirken. Da das Conversionsenzym gleichzeitig für den Abbau von Kininen verantwortlich ist, führen CE-Hemmer zur Akkumulation von Kininen, die vor allem eine vasodilatierende Wirkung haben. Es ist zur Zeit noch nicht geklärt, welche
Der Mensch resorbiert etwa 55–75% einer oral gegebenen Menge von Enalapril, unabhängig von der Nahrungszufuhr. Die Resorption von Enalapril erfolgt rasch. Enalapril erreicht nach etwa 1 h, der pharmakologisch aktive Metabolit Enalaprilat nach etwa 4 h, die maximale Serumkonzentration. Enalapril verteilt sich in sämtlichen Organen, jedoch nicht im ZNS. Die Plasmaeiweißbindung von Enalapril liegt bei 73%, die von Enalaprilat bei 56%.
Elimination Enalapril selbst ist als CE-Hemmer inaktiv. Die Substanz wird nach Resorption zu etwa einem Drittel über die Niere ausgeschieden, etwa zwei Drittel werden hautpsächlich in der Leber durch Abspaltung einer Estergruppe aktiviert. Im Bereich therapeutischer Dosen ist diese Bioaktivierung dosisunabhängig. Enalaprilat wird renal ausgeschieden mit einer Clearance beim Gesunden von etwa 160 ml/min (renale Clearance von Enalapril über 300 ml/min). Insgesamt werden von einer gegebenen Dosis Enalapril 18% im Urin und 16% in den Faeces, als Enalaprilat 43% im Urin und 27% in den Faeces wiedergefunden. Intestinales Enalaprilat entsteht durch Hydrolyse im Darm. Enalaprilat zeigt eine polyphasische Eliminationskinetik mit einer verzögerten terminalen Phase (Halbwertzeit etwa 35 h). Die Halbwertzeit der Akkumulation wird mit 11 h angegeben. Die lange terminale Halbwertzeit wird einer Bindung von Enalaprilat an das CE zugeschrieben. Die Rolle dieser Bindung für die über Tage und Wochen anhaltenden Effekte einer chronischen CEHemmer-Therapie, ist noch unklar.
Anwendungsgebiete Enalapril wird zur Behandlung der arteriellen Hypertonie und der kongestiven Herzinsuffizienz eingesetzt. Der Wirkungseintritt ist wegen der Bioaktivierung langsam und hält in den üblichen Dosis 24 h an. Wie andere CEHemmer kann bei etwa 60% der Patienten mit
End-of-dose-Akinese
Schwangeren kontraindiziert. Bei Patienten mit bilateraler Nierenarterienstenose oder Stenose einer Einzelniere sind CE-Hemmer nicht Medikamente der ersten Wahl.
Wechselwirkungen Die Wirkungen von Enalapril werden von Diuretika, Calciumantagonisten und anderen Vasodilatatoren wesentlich verstärkt. Kaliumsparende Diuretika und nicht-steroidale Antiphlogistika erhöhen das Hyperkaliämierisiko. Dies betrifft vor allem ältere Patienten mit geringer Flüssigkeitszufuhr und Patienten mit Herzinsuffizienz, denen zu einer geringen Trinkmenge geraten werden muss. Todesfälle wegen Hyperkaliämie sind bekannt geworden, jedoch ist insgesamt die Überlebensrate dieser Patienten durch Enalapril dramatisch verbessert worden.
End-of-dose-Akinese Synonyme Off-Phase (wenn einer Dopa-Dosiseinnahme zuordnenbar). Wearing-off-Akinese stellt eher die Vorstufe zur End-of-dose-Akinese dar.
Definition Verkürzte Wirkdauer einer Dopa-Gabe, die zu einem Einbruch in der Motorik führt, im Extremfall, die Akinese. Dyskinesien, L-DopaDyskinesien. 3
essentieller Hypertonie mit einer Monotherapie ein normaler Blutdruck erreicht werden. Die übrigen Patienten sprechen entweder besser auf ein anderes Antihypertensivum an oder benötigen eine Kombinationstherapie. Die Dosis von 2,5 mg/Patient/d ist durchaus wirksam, üblich sind 5–10 mg/d; oberhalb einer Dosis von 20–40 mg/d ist kein Wirkungszuwachs zu erwarten. Initial sollte man niedrig dosieren, insbesondere bei Patienten mit wahrscheinlicher oder nachgewiesener Aktivierung des Reninsystems (z. B. Diuretikatherapie, geringe diätetische Kochsalzzufuhr). Da Enalapril wie die meisten CE-Hemmer renal eliminiert wird, muss die Dosis bei Niereninsuffizienz reduziert werden. Enalapril senkt die hohe Mortalität der schweren Herzinsuffizienz bei kongestiver und ischämischer Kardiomyopathie. Die Wirksamkeit beruht auf der Entlastung des Herzens durch venöse und vor allem arterielle Vasodilatation und auf einer Hemmung des sekundären Hyperaldosteronismus (Senkung von „pre-“ und „afterload“). Da diese Gruppe von Patienten initial einen normalen bis niedrigen Blutdruck aufweist, kann in Einzelfällen der arterielle Druck nach CE-Hemmergabe erheblich abfallen. Eine anfangs besonders vorsichtige Dosierung ist daher ratsam, vor allem wenn gleichzeitig eine hochdosierte diuretische Therapie notwendig ist. Eine Orthostase-Symptomatik (Schwindel etc.) ist bei mit CE-Hemmern behandelten Patienten mit Herzinsuffizienz erstaunlich selten. Enalapril kann antiproteinurisch wirken und verzögert den Verlauf der diabetischen Nephropathie.
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Einleitung Unerwünschte Wirkungen Das Spektrum der unerwünschten Wirkungen von verschiedenen CE-Hemmern ist einheitlich, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Allerdings wurde über Glomerulopathien und Agranulozytosen unter Enalapril nicht berichtet. Ansteigende Kreatininwerte sind reversibel. Als Gegenmittel empfiehlt sich Kochsalz. Ein Todesfall wegen eines angioneurotischen Ödems ist bekannt. Trockener Husten tritt auf. Störungen des Geschmacksempfindens kommen bei 2–5% der Patienten vor. Hyperkaliämie als unerwünscht Wirkung liegt bei unter 1%. Selten Hautausschlag.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wie andere CE-Hemmer ist auch Enalapril bei
Die End-of-dose-Akinese ist im Rahmen des sogenannten L-Dopa-Langzeitsyndroms zu sehen, welches nach etwa 5–6jähriger Monotherapie über die Hälfte der Patienten betrifft. Diese Spätprobleme der L-Dopa-Behandlung umfassen L-Dopa-induzierte Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen im Tagesverlauf. Sie resultieren aus der Wechselwirkung zwischen chronischer Medikamentenexposition und fortschreitender Grunderkrankung. Die End-of-dose-Akinese gehört zu den Wirkungsfluktuationen unter chronischer L-DopaTherapie. Diese korrelieren zum Teil mit den Plasmaspiegelverläufen des Medikaments und bestehen in einem vorhersagbaren Abflauen der Wirkung gegen Ende eines jeden Dosierungsintervalls.(Wearing-off-Muster, frühmorgendliche Akinese). 10–15% der Patienten ent-
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End-of-dose-Akinese
wickeln im Krankheits- und Therapieverlauf sogenannte paroxysmale On-Off-Schwankungen im engeren Sinne, bei denen es mehrfach täglich scheinbar ohne Beziehung zu den Tabletteneinnahmen zum abrupten Wechsel zwischen voll ausgeprägter Parkinsonsymptomatik und Phasen guter Beweglichkeit, in der Regel verbunden mit Dyskinesien, kommt. L-Dopa-induzierte Dyskinesien treten am häufigsten zu Zeiten des klinischen Wirkmaximums jeder Einzeldosis auf und können von leichter choreatischer, zumeist einseitig betonter Bewegungsunruhe der Extremitäten bis zu erschöpfenden heftigen und bizarren beidseitigen Dyskinesien führen. Zusätzlich entwickelt etwa ein Drittel der betroffenen Patienten schmerzhafte dystone Verkrampfungen der distalen Extremitäten, insbesondere einseitige Zehen-, Fuß- und Wadenkrämpfe. Sie treten vor allem in der zweiten Nachthälfte bzw. in den frühen Morgenstunden nach dem einnahmefreien Intervall der Nacht auf (sogenannte Off-Phasen-Dystonie). Medikamentös induzierte Unruhebewegungen zu Zeiten des An- und Abflutens der Wirkung jeder Einzeldosis werden als biphasische Dyskinesien bezeichnet. Typische Wirkungsfluktuationen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom im Rahmen des sogenannten L-Dopa-Langzeitsyndroms. 1. Wirkungsfluktuationen: a) „Vorhersehbare“ Fluktuationen: Wearing-off-Phänome, End-of-dose-Akinesie, Nächtliche/frühmorgendliche Akinesie. b) „Unvorhersehbare“ Fluktuationen: Zufallsschwankungen (On-Off-Fluktuationen im engeren Sinne). 2. Dyskinesien: On-Choreoathestose, Biphasische Dyskinesie, Off-Dystonie. 3. Psychiatrische Komplikationen: Verwirrtheitszustände, Halluzinose.
Differenzialdiagnose Freezing-Phänomene (Synonym: motorische Blockaden), atypische Parkinson-Syndrome, mangelhafte Resporption von L-Dopa.
Prophylaxe Die Behandlung von Patienten mit dem LDopa-Langzeitsyndrom ist häufig nicht befriedigend möglich, sodass aus prophylaktischen Gründen bei jüngeren, ansonsten gesunden Pa-
tienten eine L-Dopa-Monotherapie zu vermeiden ist und die initiale Behandlung mit Dopaminagonisten (alternativ auch Amantadin) erfolgen sollte.
Therapie empirisch 1. Stabilisierung des L-Dopa-Plasmaspiegels: Zunächst am einfachsten durchzuführenund mit am wenigsten Nebenwirkungen behaftet ist bei Patienten mit beginnenden Fluktuationen die Erhöhung der Einnahmefrequenz und Einführung verkürzter Dosierungsintervalle. Zur Bestimmung der Einnahmezeitpunkte ist es hilfreich, wenn Patienten oder Betreuer vorher Beurteilungsbögen zur Beweglichkeit ausfüllen, in denen Phasen von schlechter und guter Beweglichkeit sowie Dyskinesien während des Tagesverlaufs festgehalten wurden. Der in der Regel schnellere Wirkungseintritt von gelösten LDopa ist bei der ersten Dosis morgens günstig oder dient als Bedarfsmedikation zur Überbrückung von End-of-dose-Akinesen. Retard- oder Depotpräparate eignen sich zum Einsatz bei einfachen Wirkschwankungen mit Wearing-off und für die nächtliche Akinesie. Wichtig im Zusammenhang mit einer Stabilisierung von Plasmaspiegeln ist eine kritische Überpüfung der Notwendigkeit einer zusätzlichen anticholinergen Medikation. Anticholinergika können eine geichmäßige Bereitstellung von L-Dopa verhindern. Sie führen zu einer Verlangsamung der gastrointestinalen Motilität und insbesondere zu einer Verzögerung der Magenentleerung. Weitere Faktoren die zu einer verzögerten Magenentleerung beitragen können, sind exzessiver pH des Magensaftes und ganz banal große Mahlzeiten. Domperidon (Motilium®) als Suspension (ein Kaffeelöffel voll) zu den Mahlzeiten kann hilfreich sein, die Magenentleerung zu beschleunigen ohne die Parkinson-Symptomatik wie z. B. Metoclopramid zu verschlechtern. COMT-Hemmer führen zu einer Verlängerung der Halbwertszeit von L-Dopa, ohne zu einer Kumulation zu führen. 2. Orale Dopamin-Agonisten: Bei Patienten, die noch nicht auf eine Kombination aus L-Dopa mit einem Dopaminagonisten eingestellt sind, solllte bei Auftre-
Endokarditis
ten von Wirkungsfluktuationen einer LDopa-Therapie eine Add-on-Behandlung mit einem Dopaminagonisten eingeleitet werden. 3. Parenterale Dopaminagonisten, Apomorphin: Subkutane Apomorphingaben können bei Patienten mit Wirkungsfluktuationen, welche gegenüber Modifikationen des oralen Therapieschemas refraktär sind, versucht werden. Zwei Applikationsarten kommen in Frage: Intermittierende subkutane Bolusinjektionen oder subkutane Dauerinfusion mittels kleiner tragbarer Pumpensysteme. Diese kommen für Patienten in Frage, die mehr als 15 Injektionen am Tag gebrauchen, oder bei abrupten, unregelmäßigen Schwankungen zwischen Akinese und Dyskinese. Hautreaktionen an den Injektionsstellen können therapielimitierend sein. 4. Tiefe Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus: Stimulationselektroden werden seit ihrer Einführung bei der Tremorbehandlung auch in den Globus pallidus internus (GPi) und den Ncl. subthalamicus implantiert. Bei Stimulation im Globus pallidus internus sollten sich analog der Pallidotomie vor allem L-Dopa-Dyskinesien positiv beeinflussen lassen. Allerdings könnte sich die Stimulation des Ncl. subthalamicus auch bei im Vordergrund stehenden Dyskinesien effektiver als Eingriffe am inneren Pallidumglied erweisen: Durch den im Vergleich zu Pallidum-Eingriffen deutlicheren antiakinetischen Effekten während der Off-Phasen werden weniger Dopaminergika gebraucht und auf diesem Wege die Dyskinesien gebessert. Tatsache ist, dass Patienten mit schweren L-Dopa-Dyskinesien auch schwere Off-Phasen bzw. End-of-dose-Akinesien haben und dieser Aspekt offenbar durch Eingriffe am Pallidum nicht suffizient behandelt wird. Bei Patienten höheren Alters oder mit kognitiven und psychiatrischen Defiziten kann es allerdings durch die STNStimulation zu einer Zuspitzung der präoperativ bestandenen neuropsychologischen Defizite kommen, sodass es zu diskutieren gilt, ob diese Patientengruppe sicherer mit der GPi-Stimulation versorgt werden könnte. Letztendlich wird es zunächst nach Abwägen individueller Aspekte des Patienten und abhängig von den Erfahrungen des ein-
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zelnen Behandlers eine Einzelfallentscheidung bleiben, welche Art von operativer Therapie man dem Patienten empfiehlt. unwirksam/obsolet Drug-holidays.
Diätetik/Lebensgewohnheiten L-Dopa ist eine in der Natur selten vorkommende Aminosäure. Deshalb muss es bei der Absorption aus dem Dünndarm und beim Transport durch die Blut-Hirnschranke mit großen neutralen Aminosäuren wie Leucin, Isoleucin, Tryptophan, Valin und Phenylalanin konkurrieren. Aus diesem Grund sind Diät-Schemata entwickelt worden, die die Proteinaufnahme während des Tages reduzieren. Hierunter konnte eine Linderung der Fluktuationen aber auch eine Zunahme von Dyskinesien beobachtet werden. Für viele Patienten können die vorgeschlagenen Proteineinschränkungen jedoch eine erhebliche Minderung der Lebensqualität bedeuten und schwer praktikabel sein. Sicherlich ist es aber sinnvoll, sich über das diätetische Verhalten der Patienten mit Wirkungsfluktuationen zu informieren. Durch einfache Änderung von ungünstigen Gewohnheiten, wie etwa die L-Dopa Medikation mit einem Glas Milch oder Vermeidung von proteinreichen Mittagsmahlzeiten einzunehmen, kann eine bessere Wirksamkeit von L-Dopa erreicht werden.
Endokarditis Definition Entzündung des Endokards. Durch bakterielle Vegetationen auf den Herzklappen Gefahr der septischen Embolisation.
Einleitung Einteilung: * Rheumatische Endokarditis als infektallergische Immunreaktion gegen das Endokard mit Entstehung von rheumatischen Herzvitien. (Vor Einführung der Antibiotika häufig im Rahmen des rheumatischen Fiebers). * Bakterielle Endokarditis: – Akute bakterielle Endokarditis meist durch Staphylokokken oder Enterokokken bei schlechter Immunabwehr und
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Endokarditis, Libmann-Sacks
Klappenvorschädigung. Hohe Gefährdung für arterielle Embolien u. a. in Gehirn, Milz und Nieren. Klinik: Septisches Krankheitsbild mit undulierendem Fieber und septischen Organmanifestationen. – Subakute bakterielle Endokarditis (Endokarditis lenta) meist durch Streptococcus viridans (häufig nach Zahnextraktionen). Klinik: Weniger schweres Krankheitsbild mit Temperaturerhöhung um 38°C, derbe, linsengroße „Osler“-Knötchen in der Haut, petechiale Blutungen an Haut und Augenhintergrund, Herzgeräusch. Seltene Formen: – Libmann-Sacks (Lupus erythematodes visceralis). – Endokarditis fibroplastica (Löffler). – Endokarditisbeteiligung bei anderen Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, M. Bechterew etc.).
Bei intrazerebralen Abszessen und Herdenzephalitiden muss immer an eine Endokarditis gedacht werden!
Diagnostik Diagnose der Klappenveränderungen durch Echokardiographie, insbesondere transösophageale Echokardiographie. Bei bakterieller Endokarditis massiver Anstieg der Entzündungsparameter im Blut; Erregernachweis durch wiederholte Blutkulturen und ggf. Punktion einer bakteriellen Absiedelung.
Therapie Bei bakterieller Endokarditis primär breite antibiotische Abdeckung, nach Erregernachweis und Antibiogramm ausreichend lange (siehe internistische Fachliteratur) testgerechte Antibiose. Bei massiven Herzvitien ggf. Klappenersatz. Bei Infekten durch ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A konsequente Penicillintherapie.
Prophylaxe: Bei rheumatischem Fieber langdauernde, konsequente Penicillintherapie. Bei vorbestehenden Herzfehlern prophylaktische Antibiotikatherapie bei diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen, v.a. auch bei Zahneingriffen.
Endokarditis, Libmann-Sacks Definition Bei der Libmann-Sacks-Endokarditis handelt es sich um eine sterile fibrinöse Endokarditis, die entweder mit einer Verdickung des Endokards oder sterilen verrukösen Vegetationen auf valvulärem oder muralem Endokard einhergeht.
Einleitung Die Erkrankung ist bei einem Drittel der Patienten mit einem Antiphospholipid-Syndrom zu finden, das eng mit dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) assoziiert ist. Aufgrund der fibrinösen Vegetationen sind kardioembolische zerebrale Ischämien bei diesen Patienten häufig. Diese treten klinisch entweder als rezidivierende TGA oder Schlaganfall in Erscheinung. Eine Klappendysfunktion findet sich dabei eher bei der Endokardverdickung, wobei es häufiger zu Regurgitation als zu hämodynamisch relevanten Stenosen kommt. Am häufigsten ist die Mitralklappe, gefolgt von der Aortenklappe betroffen. Bei einigen Patienten mit entweder SLE oder einem Antiphospholipid-Syndrom kann eine pseudoinfektiöse Endokarditis manifest werden. Dabei haben die Patienten Fieber, Herzgeräusche, in der Echokardiographie Nachweis von fibrinösen Vegationen, Splinter Hämorrhagien, mäßige bis hohe Antiphospholipid-Titer und mehrfach negative Blutkulturen. In der Differenzialdiagnose helfen die Bestimmung von CRP, APL-Titer und Leukozytenzahl. 3
398
Diagnostik In der Echokardiographie erscheinen die fibrinösen Auflagerungen mit variabler Größe (bis zu 3–4 mm) und Form und unregelmäßiger Begrenzung und Echogenität. Neben den verrukösen Endokardläsionen sind oft Verdickungen des Endokards erkennbar.
Therapie Grundsätzlich gelten zwei Therapieprinzipien. Zum einen die Herabsetzung der Bluthyperkoagulabilität, zum anderen die Immunsuppression beim Vorliegen eines SLE. Zusätzlich wird als Sekundärprophylaxe eine intensive orale Antikoagulation empfohlen. Ob die Gabe von Aspirin, entweder in Mono- oder Kombinationstherapie, sinnvoll ist, ist bislang noch nicht ausreichend durch kontrollierte Studien bewiesen.
Enoxaparin
empirisch Eine immunsuppressive Therapie ist nur bei einer entsprechenden Grundkrankheit indiziert. In Einzelfällen ist die operative Rekonstruktion einer oder mehrerer Herzklappen notwendig. unwirksam/obsolet Die Gabe von Kortikosteroiden ist nicht wirksam und kann sogar die valvulären Läsionen verschlimmern.
Endovaskuläre Behandlung Neuroradiologie, interventionelle
3
Enolase, neuronspezifische Definition Neuronenspezifisches Isoenzym der Enolase, ein Enzym der Glykolyse (und Glukoneogense), das die Wasserabspaltung (Waseranlagerung) am 2-Phosphoglyzerat katalysiert.
Grundlagen Die neuronenspezifische Enolase (NSE) wird beim Untergang von Neuronen freigesetzt. Die NSE gilt allerdings auch als Tumormarker, insbesondere beim kleinzelligen Bronchialkarzimom. Die Aktivität der NSE im Serum korreliert mit dem Ausmaß des Neuronenuntergangs. Somit können NSE-Werte bei Verdacht auf eine gravierende Hirnschädigung, z. B. hypoxischer Hirnschaden, als prognostische Parameter herangezogen werden. Die Bestimmung der NSE-Aktivität im Serum sollte erst ab 12 h nach Eintritt der Hirnschädigung erfolgen.
Enophthalmus
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Enoxaparin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Clexane® Inj.lösg., Fertigspritzen.
Wirkungen Enoxaparin enthält einen großen Anteil von Molekülen, die an Faktor Xa binden und einen wesentlich kleineren Teil von Glykosaminoglykanketten, die eine Thrombinhemmung bewirken. Bei einer äquivalenten AntiFaktor Xa-Aktivität hat Enoxaparin eine fünffach geringere Anti-Faktor IIa-Aktivität als unfraktioniertes Heparin (UFH). Die Wirkung von Enoxaparin beruht auf einer direkten Hemmung von Thrombin durch Verstärkung der durch Antithrombin III (AT-III) hervorgerufenen Inaktivierung des Gerinnungsenzyms sowie in einer Hemmung der durch den Prothrombinkomplex induzierten Thrombinbildung. Hinzu kommt eine Resistenz gegenüber der Neutralisierung durch den Plättchenfaktor 4 sowie die Freisetzung des „tissue factor pathway inhibitor“ (TFPI) aus dem Gefäßendothel. Enoxaparin zeigt eine starke Wirksamkeit sowohl bei der venösen als auch bei der arteriellen Thrombose. Es verhindert die Anlagerung von Fibrinogen und Plättchen an intravasal gebildete Thromben und somit deren weiteres Wachstum und hat eine thrombolytische Aktivität. Enoxaparin ist unter experimentellen Bedingungen antithrombotisch stärker wirksam als UFH, führt aber zu wesentlich geringeren hämorrhagischen Nebenwirkungen. Plättchenfunktionen werden durch Enoxaparin nicht so stark beeinflusst wie durch UFH, insbesondere sind die Hemmung der Plättchenaggregation als auch eine Plättchenaktivierung in vitro wesentlich geringer ausgeprägt. Der antikoagulatorische Effekt von Enoxaparin, gemessen durch eine Verlängerung von Thrombinzeit und APTT, ist gering. Sowohl in vitro als auch ex vivo wird vor allem eine konzentrationsabhängige Verlängerung der Gerinnungszeiten im Heptest® beobachtet.
Definition
Resorption
Zurücksinken des Augapfels in die Augenhöhle, z. B. im Alter, bei hochgradiger Abmagerung (Schwund des Augenhöhlenfettgewebes), bei unfallbedingtem Defekt der knöchernen Orbita oder bei Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus).
Die Resorption von Enoxaparin nach s. c. Injektion ist sehr gut; die Bioverfügbarkeit beträgt 91%. Das Maximum der Anti-Faktor-Xa-Aktivität im Plasma nach s. c. Applikation wird nach 2–4 h erreicht und zeigt eine lineare Abhängigkeit von der applizierten Dosis. Die Ver-
E
3
400
Entacapon
teilung erfolgt vorwiegend in Leber, Nieren und Milz, die Affinität und somit Bindung an Endothelzellen ist gering.
ringfügig, so dass eine tägliche Kontrolle während der Anwendung von Enoxaparin nicht erforderlich ist.
Elimination
Unerwünschte Wirkungen
Enoxaparin wird primär renal eliminiert, die Elimination ist nicht dosisabhängig. Die totale Clearance von Enoxaparin beträgt bei gesunden Probanden zwischen 0,8 und 1,9 l/h. Die Eliminationshalbwertszeit liegt nach s. c. Injektion zwischen 3 und 6 h, im Mittel bei 4,4 h, nach i. v. Gabe bei 4,6 h. Aufgrund der relativ langsamen Elimination von Enoxaparin ist eine einoder zweimalige tägliche Gabe des Heparinderivats für therapeutische Zwecke ausreichend. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Clearance von Enoxaparin um ca. die Hälfte vermindert und die Eliminationshalbwertzeit um etwa das zweifache verlängert.
Als unerwünschte Wirkungen treten allergische Reaktionen mit Fieber, Übelkeit, Ödemen, allergischen Hautreaktionen sowie milden Thrombozytopenien auf. Die bedeutsamste Nebenwirkung bei der klinischen Anwendung von Heparin und niedrigmolekularen Heparinderivaten ist das Auftreten von Blutungen. Bei vergleichenden Studien wurden in der Gesamtheit bei Anwendung von Enoxaparin große sowie kleinere Blutungen in 0,4–4% bzw. 0,4–28% gefunden.
Enoxaparin kann zur Prophylaxe und Therapie verschiedener thromboembolischer Erkrankungen eingesetzt werden. Die wichtigste Indikation für Enoxaparin ist die Prophylaxe tiefer Venenthrombosen. Enoxaparin kann ebenfalls zur Therapie einer bestehenden tiefen Venenthrombose eingesetzt werden; bei vergleichenden Untersuchungen war es wirksamer als UFH im Hinblick auf das Auftreten rekurrenter thromboembolischer Ereignisse. Insbesondere bei Kindern und bei Patienten mit einem hohen Risiko hämorrhagischer Nebenwirkungen besitzt Enoxaparin sowohl eine hohe antikoagulatorische Wirksamkeit als auch eine gute Verträglichkeit.
Dosierung und Art der Anwendung 40 mg s. c. 1×täglich oder 30 mg s. c. 2×täglich führt zu einer signifikanten Verminderung im Auftreten tiefer Venenthrombosen. Bei Hochrisikopatienten besitzt Enoxaparin eine größere antithrombotische Wirksamkeit als UFH bei vergleichbaren hämorrhagischen Nebenwirkungen. Die Wirksamkeit von Enoxaparin zur Prophylaxe tiefer Venenthrombosen wird durch eine längere Therapiedauer noch verbessert. Bei Patienten mit einem geringeren Thromboembolierisiko ist eine niedrigere Dosis von Enoxaparin (20 mg s. c. 1×täglich) in ausreichendem Maße prophylaktisch wirksam. Enoxaparin beeinflusst im Gegensatz zu UFH Gerinnungsparameter wie die APTT nur sehr ge-
Enoxaparin ist kontraindiziert bei einer bekannten Allergie gegen den Wirkstoff einschließlich einer allergisch bedingten Thrombozytopenie sowie bei Patienten mit akuten Magen- und Duodenalulzera und Blutungen.
Wechselwirkungen Die hämorrhagische Wirkung von Enoxaparin wurd durch gleichzeitige Gabe nichtsteroidaler antiinflammatorischer Arzneimittel einschließlich Acetylsalicylsäure verstärkt.
Toxizität Bei wiederholter s. c. Gabe von Enoxaparin über einen längeren Zeitraum wurden ab einer Dosis von 3 mg/kg Ödeme und Hämatome an den Injektionsstellen beobachtet. Bei einer Überdosierung nach i. v. oder s. c. Gabe von Enoxaparin mit Auftreten schwerer hämorrhagischer Komplikationen kann Protamin als Antidot langsam i. v. injiziert werden.
Entacapon Synonyme 3
Anwendungsgebiete
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
COMT-Hemmer (Catechol-O-Methyl-Transferase-Hemmer)
Zubereitungen Entacapon.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Entacapon (Comtan® Österreich, Comtess®
Entspannungsverfahren
Deutschland), 200 mg Tabletten. In Verbindung mit L-Dopa und Carbidopa: Stalevo®.
Wirkungen
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essen wie malignen Media- und Kleinhirninfarkten, Hirnödem nach Schädelhirntrauma oder intrazerebralen, sub- bzw. epiduralen Blutungen.
COMT-Hemmer (Catechol-O-Methyl-Transferase-Hemmer)
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Grundlagen
Anwendungsgebiete COMT-Hemmer (Catechol-O-Methyl-Transferase-Hemmer)
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Dosierung/Anwendung Entacapon wurde in den chronischen Studien mit jeder L-Dopa-Dosis als 200 mg Tablette kombiniert und die Tagesdosis ist damit abhängig von der Zahl der täglichen L-Dopa-Einnahmen (bis zu 10). Jetzt im klinischen Alltag außerhalb von Studien seit der Zulassung von Entacapon erscheint gerade bei Patienten mit Peak-dose-Dyskinesien ein titrierender Einsatz des Medikaments sinnvoll; d. h. bei einem Patienten, der seine Tagesdosis auf zehn Einnahmen fraktioniert hat, könnte zunächst mit einer Tablette bei jeder zweiten Einnahme begonnen werden.
Unerwünschte Wirkungen COMT-Hemmer (Catechol-O-Methyl-Transferase-Hemmer)
Indikationen: a) Gesichert: * Bei symptomatischen sub- und epiduralen Blutungen meist in Form einer Bohrlochtrepanation. * Bei großen oberflächennahen intrazerebralen Blutungen. * Bei malignen Mediainfarkten ( Hirninfarkt, maligner) in Form einer Hemikraniektomie mit ausgedehnter (mindestens 12 cm Durchmesser) osteoklastischer Entfernung der knöchernen Schädeldecke und ausreichender Erweiterung der Dura mater durch eine Duraplastik. * Bei malignen Kleinhirninfarkten und blutungen durch eine okzipitale osteoklastische Kraniotomie. b) Experimentell: * Bei diffusem Hirnödem nach Schädelhirntrauma evt. in Form einer bilateralen Kraniektomie unter Belassung der sinusnahen knöchernen Strukturen. 3
HWZ 3,4 h, Bioverfügbarkeit 36±11%, Verteilungsvolumen 33 l, Clearance 45±7.6 l/h, starker First-Pass-Mechanismus, 2% nicht an Eiweiß gebunden, Ausscheidung 80% über Faeces, 20% über Urin.
3
Pharmakologische Daten
Meist wird bei größeren Knochendefekten aus kosmetischen Gründen und aufgrund positiver Rehabilitationsergebnisse eine Reimplantation des Knochenfragments angestrebt.
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Leberaffektionen, Unverträglichkeiten gegen das Prärparat oder L-Dopa-Darreichungen.
Entspannungsverfahren
Synonyme Osteoklastische Entlastungstrepanation, Kraniektomie
Definition Eröffnung der knöchernen Schädeldecke und Erweiterung der Dura mater zur Druckentlastung bei raumfordernden intrazerebralen Proz-
Definition Zur Schmerztherapie (z. B. bei Migräne), psychotherapeutischen Intervention (z. B. bei Angststörungen) oder in der somato-psychosomatischen Rehabilitation (z. B. nach Schlaganfall) eingesetzte Methoden, insbesondere das autogene Training (AT) oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen. 3
Entlastungskraniotomie
E
Entzugssyndrom
Entzugssyndrom
(CMV) oder das Epstein-Barr-Virus (EBV), eine neuronale Ausbreitung findet sich bei Herpes simplex, der Tollwut und wahrscheinlich auch bei Poliomyelitis. Je nach klinischem Verlauf und Pathogenese werden unterschieden: 1. Akute Virusinfektionen (am häufigsten). 2. Chronische ZNS-Infektion (Humanes Immunodefizienz Virus (HIV), Human T-cell lymphotrophic virus (HTLV), Zytomegalievirus, Rötelnvirus, lymphozytäres Choriomeningitisvirus (LCM). 3. Latente Infektionen (Herpes Viren). 4. Übertragbare neurodegenerative Erkrankungen durch Viren ( subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) und Prionenerkrankungen. 3
Je nach Abhängigkeits-Typ manifestieren sich die Entzugssymptome nach unterschiedlichen Abstinenzzeiträumen und in unterschiedlichen Ausprägungen: * Psychopathologische Symptome: Unruhe, Angstzustände, Dysphorie, Halluzinationen, akute Psychosen, depressive Verstimmung u. a. * Vegetative Symptome (durch eine sympathische Hyperaktivität): Hyperhydrosis, Tachykardie, Hypertonie, Tremor, Hyperthermie u. a.
Neben einer virale Enzephalitis kann es zu einer meningealen (Meningoenzephalitis), deren häufigsten Erreger HSV-1, Arboviren, Enteroviren, Masern, Mumps, EBV und HIV sind oder spinalen (Enzephalomyelitis) Begleitinfektion kommen. Gelegentlich können auch Zeichen einer Radikulitis (Enzephalomyeloradikulitis) hinzutreten. Klinisch besteht häufig ein kurzes Prodromalstadium mit Fieber, Kopfschmerzen, Photophobie, Abgeschlagenheit, Meningismus, Übelkeit, Erbrechen. Typischerweise folgen dann Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Sopor) Verwirrtheit, Psychose, neurologische Fokalzeichen (Hemiparese, Aphasie, Myoklonien, zerebelläre Symptome, etc.) und häufig epileptische Anfälle. Die Bewusstseinstörungen können bis zum Koma reichen und von Zeichen des erhöhten Hirndrucks begleitet sein. Krankheitsverlauf über 2 Wochen bis mehrere Monate. 3
Gemäss WHO werden folgende Drogenabhängigkeitstypen unterschieden: 1. Morphin-/Opiat-Typ. 2. Barbiturat-/Alkohol-Typ. 3. Amphetamin-Typ. 4. Kokain-Typ. 5. Cannabis-Typ. 6. Halluzinogen-Typ.
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Einleitung
3
Nach akutem Entzug von Substanzen mit Abhängigkeits- und Toleranzentwicklung auftretende psychopathologische und vegetative Symptome.
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Definition
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Enzephalitis
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Definition
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Infektion des Hirngewebes durch Invasion der Erreger in den kranialen Subarachnoidalraum.
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Einleitung Diagnostik Liquoruntersuchung: Typischerweise (im Verlauf) lymphozytäre Pleozytose mit Zellzahlen <500 Zellen/mm3 (in 5–10% auch höhere Zellzahlen möglich). Cave: Bei persistierender polymorphkerniger Pleozytose kann eine bakterielle Meningitis vorliegen! Liquorzucker in 90% normal, Liquoreiweiß leicht erhöht (jedoch meist nicht >800 mg/dl). EEG: Grundrhythmusverlangsamung und Herdbefund in 60–80%. Zerebrale Bildgebung: Einerseits Hinweise für virale Enzephalitis ( Herpes-simplex-Enze3
3
Virus-Enzephalitiden machen etwa 90% aller erregerbedingten Infektionen des Hirnparenchymes aus. Pathogenetisch liegt eine Invasion und Vermehrung der Viren entweder über den Blutstrom oder entlang des peripheren Nervensystems in den kranialen Subarachnoidalraum meist als Folge einer systemischen Virusinfektion vor. Unterschieden werden die parainfektiöse Enzephalitis (immunologische Reaktion des ZNS auf eine virale Allgemeinerkrankung) und die Enzephalitiden durch direkten Virusbefall. Typische Vertreter der hämatogenen Ausbreitung sind das Zytomegalievirus 3
Enzephalitis, Zerebellitis, zerebrale Vaskulitis, Meist Zoster ophthalmicus, Zosterganglionitis, - radikulitis, selten - myelitis, Zosterexanthem aufsteigende Enzephalitis bei Immundefizienz
Meningitis, (Hirnstamm-) Enzephalitis, Zerebellitis, Polyneuritis
Meningoenzephalitis, Polyneuritis, Myelitis (meist endogene Reaktivierung bei Immunsuppression)
HSV-1
VZV
EBV
CMV
Herpesviren
Myxoviren
Temporallappenenzephalitis
LCM
Verlauf
Protrahierter Verlauf, schwere hämorrhagisch-nekrotisierende Enzephalitis und Residualsymptome selten, Letalität 2,5%
Isolierte Meningitis in ca. 50%, Meningoenzephalitis in 10%, Enzephalomyelitis in 10%, Letalität 0,8–2%
Restitution in 80–90%, Letalität in 2–5%
Meningitis, Meningoenzephalitis (manchmal vor Parotitis)
Parainfektiöse Enzephalitis
Mumpsvirus
Masernvirus
Meist benigner Verlauf, auch schwere Verläufe möglich (Gesamtletalität <10%)
Biphasischer Verlauf, katar- Schlechte Prognose bei Koma oder rhallisches Stadium, Exan- Anfällen, Letalität ca. 20%, Defektheithem, evtl. Bronchopneumo- lung ca. 30–40% nie
Parotitis, Orchitis, Pankreati- Meist benigne, bei Erwachsenen auch tis, Oophoritis schwere Verläufe, selten Hydrocephalus durch Ependymitis
Enzephalitis, Enzephalomyelitis (parainfektiös) Grippale Symptome, Bronchitis, Pneumonie, Exanthem
Influenza- A, - BVirus
Leichte bis schwere Verläufe, auch Todesfälle
Lymphomonozytose, nicht Akute oder subakute Bewusstseinsstöselten kombiniert mit Hepa- rung, fokale Defizite titis, Myokarditis, Pneumonie
Infektiöse Mononukleose, Fieber, Lymphadenopathie
Letalität 5–10%, Residuen bis 2%, postherpetische Neuralgie in 10%, bei >60-Jährigen in 50%
Grippale Prodromi, fokale Unbehandelt Letalität bis 80%, <20 bei epileptische Anfälle, Aphasie Aciclovir-Behandlung, 50% Residuen
Grippale Prodromi
Humanes Herpes Selten Meningoenzephalitis (fokal oder diffus) Erreger der Roseola infanVirus Typ 6 tum, meist bei Kindern und (HHV-6) Immunkompromittierten
Meningoenzephalitis und - myelitis durch Mäuse und Hamster
Klinik Grippale Prodromi, häufig biphasischer Verlauf
Arenaviren
Neurologische Manifestation
Meningitis, Meningoenzephalitis (nach Zeckenbiss Ixodes ricinus)
Virustyp
FSME
Virusgruppe
Arboviren
Enzephalitis. Tab. 1: Übersicht der akuten viralen (Meningo-) Enzephalitiden (verändert nach [1])
Enzephalitis 403
E
Pockenvirus
Rötelnvirus
Tollwutvirus
Pockenvirus
Rötelnvirus
Rhabdoviren
Lyssa-Enzephalitis
Enzephalitis (parainfektiös)
Enzephalomyelitis (fast immer parainfektiös)
Gutartige Meningitis
Gesamtletalität 10%, Restparesen bei ca. 30%
Prodromalstadium, Exzitatiomsstadium, paralytisches Stadium
Rötelnexanthem, nuchale Lymphadenopathie
Letalität nahezu 100%
Letalität der Enzephalitis 6–20%
Zyklischer Verlauf mit Initial- Zerebrale Beteiligung in 2,7% stadium, Erruptions-Suppurationsstadium (Exanthem)
Gastroenteritis, grippale Symptome
Meningitis, selten Meningomyelitis
Verlauf
Herpangina, Sommergrippe, Benigne Meningitis Pleurodynie, Myo- und Perikarditis (Bornholm-Erkrankung)
ECHO-Viren
Meningitis, selten Enzephalitis
Klinik
Biphasischer Verlauf
Coxsackie Virus A, B
Enteroviren
Neurologische Manifestation
Poliomyelitisvirus, Poliomyelitis Typ 1–3
Virustyp
Virusgruppe
Enzephalitis. Tab. 1: Übersicht der akuten viralen (Meningo-) Enzephalitiden (verändert nach [1]) (Fortsetzung)
404 Enzephalitis
Enzephalitis, bei HIV-Krankheit
125 mg i. v., anschließend 3×100 mg/die oral (unter Serumspiegelkontrollen). Sollte eine schnellere Behandlung erforderlich sein: Lorazepam (Tavor®) 2 mg i. v., Clonazepam (Rivotril®) 2 mg i. v. (Cave: Atemdepression). Symptomatisch bei Fieber und (Kopf-) Schmerzen: Paracetamol-ratiopharm® (Paracetamol 500 mg Tbl., 500 mg Brausetabletten, 125–1000 mg Suppositorien): Säuglinge bis 1/2 Jahr Einzeldosis 125 mg Supp. bis max 3 Supp./die, Säuglinge >1/2 Jahr max 4 Supp./die, Kleinkinder 1–3 Jahre Einzeldosis 250 mg Supp. bis max. 3 Supp./die, Kinder 4–6 Jahre max 4 Supp./die, Kinder 6–9 Jahre 1 Tbl/die, bis 12 Jahre 1–4 Tbl/ die, Kinder >12 Jahre und Erwachsene Einzeldosis 1–2 Tbl bis max. 8 Tbl/die. Novalgin® (Metamizol 500 mg Tbl, Injektionslösung, Tropfen, Zäpfchen (1 g/0,3 g): Sgl. In den ersten 3 Mon. sollten Novalgin nicht erhalten! Falls erforderlich nicht >3× 1 Tr./die, Sgl. ab 3 Mon. und Kleinkdr. bis 3 Jahre 1–4×/die 2–10 Tr. (parenteral i. m., i. v. 1–4×/die 0,1–0,5 ml), Kinder 4–14 Jahre 1–4×5–25 Tr./die oder 1 Kdr.-Supp., parenteral 1–4×0,3–1,8×/die, Erwachsene 1–4×1–2 Tbl/die oder 20–40 Tr. oder 1–4× 1 Erw.-Supp., parenteral 2×5 ml/die.
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Therapie 3
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empirisch Allgemeine Maßnahmen (richten sich vorallem gegen Komplikationen): * Intrakranielle Druckerhöhung: Oberkörperhochlagerung in 30°–45°, Intubation und Hyperventilation (Zielwert pCO2 25– 30 mmHg, Flüssigkeitsrestriktion, Osmotherapie (z. B. Mannit 20% 125 ml in 10 min bis 6×/die). * Ventilationsstörungen: Frühzeitig Indikationsstellung zur Intubation und maschinellen Beatmung. * Prophylaxe und Behandlung von Anfällen: i.v.-Schnellaufsättigung mit Phenytoin (Phenhydan®): 2 Tage 3×250 mg langsam i. v. über zentralen Zugang, 3. Tag 3×
Literatur 1. Brandt, Dichgans, Diener (1998). Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. Kohlhammer-Verlag, 3. Auflage, 461–463.
Enzephalitis, bei HIV-Krankheit Einleitung Die infektiösen Erkrankungen, insbesondere durch opportunistische Infektionen, machen einen Großteil der sekundären neurologischen Komplikationen aus. Die größte Bedeutung haben die Toxoplasmose-Enzephalitis, die Kryptokokkenmeningitis, die Enzephalitis, Zytomegalie-Enzephalitis und die progressive multifokale Leukenzephalopathie. 3
Herpes simplex-Enzephalitis.
3
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gesichert Aciclovir bei
unwirksam/obsolet Kortikosteroide bei intrakranieller Druckerhöhung oder zytotoxischem Hirnödem unwirsam, sollten daher vermieden werden.
3
Eine spezifische Therapie nur bei Herpes simplex, Zytomegalie, Varicella-ZosterVirus, HIV, Ebstein-Barr-Virus ( Enzephalitis, Ebstein-Barr-Virus-Enzephalitis), bei Tollwut und FSME ( Frühsommermeningoenzephalitis). Impfungen im Sinne einer Postexpositionsprophylaxe. Weiterer Bestandteil der Therapie liegt in der präventiven Immunisierung besonders bei Masern, Mumps, Röteln (auch bei Influenza, FSME, Adenovirus Typ 4 und 7) Therapie der übrigen viralen Infektionen durch allgemeine Maßnahmen.
3
phalitis) oder parainfektiöse Enzephalomyelitis ( ADEM, häufig multiple Marklagerläsionen mit Hyperintensität in den T2-gewichteten MRT-Aufnahmen und simultaner Anreicherung von Gadolinium in 25% der Fälle), andererseits Ausschluss nichtviraler Ursachen einer Enzephalitis. Serologie und kulturelle Züchtung: Positiver Nachweis des Virus nur in etwa 30% möglich. Verbesserung der spezifischen Diagnose durch direkten Nachweis viraler DNA (Polymerasekettenreaktion) im Liquor mit Bestimmung des antigenspezifischen IgG-Antikörperindex mittels ELISA im Liquor und Serum. Differenzialdiagnose: Ausschluss einer bakteriellen Meningitis, viralen Meningitis, Sinusvenenthrombose oder toxisch-allergischen und metabolischen Enzephalopathien.
405
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Enzephalitis, Epstein-Barr-Virus-Enzephalitis
Enzephalitis, Epstein-Barr-VirusEnzephalitis
Diagnostik
Einleitung Durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) vermittelte Infektionen verlaufen üblicherweise unter dem klinischen Bild der infektiösen Mononukleose (Pfeiffer Drüsenfieber), das durch Fieber, Pharyngitis und Lymphadenopathie gekennzeichnet ist. Zerebrale Manifestationen (aseptische Meningitis, Enzephalitis) nehmen meist einen prognostisch günstigen Verlauf, wobei es bei Kindern und immunkompromittierten Patienten zu schweren Krankheitsbildern kommen kann. Als weitere Komplikation einer EBV-Infektion kann es zu einem Guillain-Barre-Syndrom (GBS) oder zu einer meist protrahiert verlaufenden Myelitis kommen. 3
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Diagnostik *
Differenzialblutbild mit Anstieg der Monozyten Spezifische EBV-Titer in Serum und Liquor Entzündlicher Liquor ( Enzephalitis)
* *
Tag). Im Verlauf gehäuft Hirnvenen- und Sinusvenenthrombosen möglich.
Enzephalitis. Untersuchung auf Läusebisse hilfreich. Mikrobiologie (ab 10. Tag) im Serum und Liquor: Weil-Felix-Reaktion, ELISA, IFT. 3
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Therapie Keine gesicherten Daten vorliegend. Antibiose mit Doxycyclin. Alternativ: Rifampicin, Chloramphenicol. empirisch Doxycyclin (Doxycyclin-ratiopharm®) 100 mg Kps., Amp. (5 ml, enthält 100 mg): initial 2× 200 mg/die i. v., nach Entfieberung 6 Tage oral 1×100 mg/die. Alternativ: Chloramphenicol (Paraxin®) 3×1 g/ die i. v., Rifampicin (Rifa®) 2×300 mg/die i. v.
Prognose Letalität unbehandelt 10–20%, mit Behandlung günstig.
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Therapie Keine gesicherten Daten, therapeutisch werden Aciclivir und Ganciclovir empfohlen. empirisch Aciclovir (Zovirax®): 3×10 mg/kg KG alle 8 h i.v. als Kurzinfusion in 100 ml Nacl über 14–21 Tage. Ganciclovir 500 mg i.v. (Cymeven®): 2×5 mg/ kgKG/die einstündige Infusion über 14 Tage. 3
Enzephalitis, FleckfieberEnzephalitis Einleitung Durch Rickettsien (Rickettsia prowazeki), Rickettsiosen, verursachtes Krankheitsbild, das durch den Biss infizierter Kleiderläuse übertragen wird. Infektionshäufigkeit ist stark von hygienischen Gegebenheiten abhängig, in Westeuropa sehr selten. Klinische Symptomatik unterscheidet sich nicht von anderen Enzephalitiden ( Enzephalitis), zusätzlich Auftreten des namengebenden Exanthems (meist 5.–10.
Enzephalitis, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) Definition Die FSME ist eine endemisch auftretende Viruserkrankung, die durch Zecken übertragen wird.
Einleitung Der Erreger ist ein RNA-Virus (Flavivirus), drei Subtypen (europäisch, östlich, fernöstlich) sind bekannt. Nach Infektion auch lebenslange Kreuzimmunität. Übertragung des FSME-Virus durch Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock) und Ixodes persukatus, Häufigkeitsgipfel der Infektion liegt zwischen Juni und August. Verbreitung des Virus hauptsächlich in waldreichen, feucht-gemäßigten Klimazonen, ca. 0,1–5% der Zecken sind infiziert. Bei etwa 60% der Infizierten findet sich ein klinisch inapparenter Verlauf, bei 30% kommt es zu unspezifischen „grippeartigen“ Symptomen und bei 10% entwickelt sich ein enzephalitisches Krankheitsbild (jüngere Patienten haben eher einen meningitischen, äl-
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Enzephalitis, limbische
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Diagnose selbst beruht auf Nachweis spezifischer FSME-Antikörper in Serum und Liquor, bei einer akuten Infektion kann der IgM-Anstieg auch fehlen! Daher sind Kontrolluntersuchungen nach 10–14 Tagen indiziert.
Therapie Da keine kausale Therapie existiert, ist die Möglichkeit einer aktiven Immunisierung wichtig. Eine Postexpositionsprophylaxe (passive Immunisierung) wird nicht mehr empfohlen. empirisch Expositionsprophylaxe (aktive Immunisierung) gegenüber allen Subtypen wirksam, empfehlenswert bei Exposition in endemischen Gebieten (Grundimmunisierung umfasst drei Teilimmunisierungen): Encepur® 0,5 ml i. m. zu den Zeitpunkten 0,1 und 12 Monate, Auffrischung nach 3 Jahren). Symptomatische Behandlung von Kopfschmerz und Fieber, z. B. Paracetamol/Metamizol.
Enzephalitis, Herpes-simplexEnzephalitis Herpes simplex-Enzephalitis
Enzephalitis, Hirnstammenzephalitis (Bickerstaff-Enzephalitis) Hirnstammenzephalitis phalitis)
(Bickerstaff-Enze-
Enzephalitis, KinsbourneEnzephalitis 3
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Bei schwerem Verlauf kann es zur Entwicklung von Hirndruck und Einklemmung ( Enzephalitis) kommen. Bei mildem Verlauf ist nach einer Woche mit Rückbildung der neurologischen Symptome zu rechnen. Defektheilung, insbesondere bei Erwachsenen, bei ca. 40%, Kinder und Jugendliche haben meist einen günstigen Verlauf ohne Residuen. Letalität in Europa liegt bei 2%, die Letalität der myelitischen Form ist etwa 10fach höher.
3
3
3
*
Zeckenstich-Expositionsanamnese (nur etwa zwei Drittel erinnern sich an Zeckenstich!). Biphasischer klinischer Verlauf. Labor: Leukozytose, BSG-, CRP-Erhöhung, spezifische IgM- und IgG-Antikörper. Liquor: Lymphozytäre Pleozytose mit Schrankenstörung, intrathekale IgM,A,GSynthese. EEG-Veränderungen. Kraniales MRT: Veränderungen im Thalamus möglich (nur bei etwa 20%).
Prognose 3
3
*
3
Diagnostik
ein ausreichender Impfschutz. Nebenwirkungen der aktiven Immunisierung treten in >90% nach erster Injektion auf: Lokalreaktionen, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen. Komplikationen sind mit 1:1.000.000 sehr selten ( Polyneuritis, Krampfanfälle). Wirksamer Schutz bei 99% der Geimpften. 3
tere Patienten einen eher enzephalitischen Verlauf). Klinisch besteht ein biphasischer Verlauf: Mit 3–21tägiger Latenz zum Zeckenstich imponiert ein grippales Krankheitsbild, nach freiem Intervall von 4–7 Tagen kann nach vorangehendem Temperaturanstieg eine perakute Meningoenzephalitis folgen. Selten auch radikulitische und myelitische Verläufe. Führend bei der Enzephalitis sind Bewusstseinsstörungen mit progredientem Psychosyndrom, außerdem Hemiparesen, zerebellare Symptome, Aphasien sowie seltener epileptische Anfälle, Myoklonien und Hyperkinesen.
407
Kinsbourne-Enzephalitis
Enzephalitis, limbische Synonyme Paraneoplastische limbische Enzephalitis
Bewertung
Definition
Erst nach zweiter Teilimmunisierung besteht
Zu den paraneoplastischen Syndromen gehör-
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Enzephalitis, parainfektiöse
Auftreten beim Prostatakarzinom, SLE, Neuroblastom, Seminom, Thymom. Klinisch steht ein subakutes amnestisches Syndrom ( Amnesie, amnestisches Syndrom) mit affektiven Störungen im Vordergrund. Zusätzlich kann es zu komplex-fokalen Anfällen oder generalisierten Anfällen kommen, häufig Hirnstammsymptome.
3
Einleitung
Pertussis-, Röteln-, EBV- und VZV-Infektionen. Als Ausdruck des immunologischen Geschehens findet sich eine perivenöse, zellulär vermittelte, entzündliche Reaktion vorwiegend in der weißen Substanz. Klinisch führend ist häufig ein biphasischer Verlauf mit allgemeinen Krankheitszeichen und Exanthem, einem kurzen Intervall und anschließendem subakuten Ausbruch der enzephalitischen Symptomatik, Enzephalitis, Bickerstaff-Enzephalitis, Miller Fisher-Syndrom. 3
endes Krankheitsbild mit Neuronenuntergang im Bereich des limbischen Systems.
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Diagnostik
Enzephalitis, Polioencephalitis haemorrhagica superior (Wernicke-Enzephalopathie) 3
In der kranialen MRT können in den T2-gewichteten Bildern Dichteanhebungen im Temporallappen imponieren, im EEG in der Regel Allgemeinveränderungen und epileptiforme Abläufe. Labor: Anti Hu, Anti Ta, Anti Ma, ANNA-3, Anti CV2/CRMP5.
Polioencephalitis haemorrhagica (Wernicke-Enzephalopathie)
superior
Therapie Onkologische Therapie des Tumors. Immunmodulatorische Therapien führen meist nicht zu einer deutlichen Befundbesserung. Probatorisch: * Steroidzyklus 500 mg Methylprednisolon für 5 Tage i. v. * Immunglobuline 2 g/kgKG für 5 Tage i. v.
Prognose Insgesamt ist die Prognose ungünstig, auch wenn der Primärtumor effektiv behandelt wird. ( Enzephalomyelitis, paraneoplastische).
Enzephalitis, postvakzinale Definition Enzephalitisches Krankheitsbild als seltene Komplikation nach Schutzimpfungen gegen virale Erkrankungen.
3
Einleitung
Definition Immunologische Reaktion des ZNS auf eine virale Allgemeinerkrankung.
3
Enzephalitis, parainfektiöse
Als Komplikationen nach Schutzimpfungen sind enzephalitische Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Häufigkeiten beobachtet worden, am häufigsten nach Pockenschutzimpfungen (1:10.000–1:30.000), seltener nach Grippeimpfungen (1:1 Mio.) und nach aktiver Immunisierung gegen Tollwut.
Einleitung Es handelt sich um eine immunologisch vermittelte Enzephalitis bei einer viralen Allgemeinerkrankung. Klinisch kann von einer Enzephalitis durch direkten Virusbefall nicht unterschieden werden. Die häufigsten Erreger der parainfektiösen Enzephalitis sind: Maserninfektionen (1:1000) und seltener nach Influenza-, Pocken-,
Prognose Die Prognose ist unterschiedlich, die höchste Letalität ist für die postvakzinale Enzephalitis nach Pockenimpfung mit etwa 30% beschrieben.
3
Enzephalitis, Zytomegalie-Enzephalitis
Enzephalitis, subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE)
409
VZV-Infektion außer der VZV-Ganglionitis entspricht der Therapie der Herpes-simplex-Enzephalitis.
Enzephalitis, ToxoplasmoseEnzephalitis
empirisch Aciclovir Zovirax®: 3×10 mg/kgKG alle 8 h i. v. als Kurzinfusion in 100 ml NaCl über 14– 21 Tage. Bei fehlender klinischen Besserung und bei Viruspersistenz in der Liquor-PCR ist eine Umstellung auf Foscarnet (Foscavir®) i. v. 3× 60 mg/kgKG/die möglich.
Toxoplasmose
Prognose
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3
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3 3
Diagnostik Enzephalitis. Klinische Zeichen der Herpes-zosterGanglionitis (typische Effloreszenzen, radikulärer Schmerz). * Entscheidend ist Nachweis der Virus-DNA im Liquor und/oder Nachweis monospezifischer intrathekaler IgG-Synthese gegen Virus-Antigen (Sensitivität der Virus PCR im Liquor bei 90%). * Im Liquor lymphozytäre Pleozytose bis 500 Zellen/μl häufig mit blastenförmig transformierten Lymphozyten und Plasmazellen, geringe Eiweißerhöhung, Laktat und Glukose normal. * Im kranialen MRT perivaskuläre Kontrastmittelanreicherung. 3
*
3
Therapie Die Behandlung aller Manifestationsformen der
Enzephalitis, ZytomegalieEnzephalitis Einleitung Obwohl etwa 50–60% aller Erwachsenen in Europa Zytomegalievirus-seropositiv sind, treten neurologische Komplikationen überwiegend nur bei immuninkompetenten Menschen, z. B. bei fortgeschrittener AIDS-Erkrankung (ca. 85%), Malignomen oder nach Knochenmarks- oder Organtransplantation auf und können zu einer schweren nekrotisierenden Enzephalitis (initial oft organisch-psychotische Symptome), Myelitis oder Radikulomyelitis auch mit systemischen Begleiterkrankungen wie Retinitis, Kolitis oder Pneumonie führen.
Diagnostik Enzephalitis. Kraniales MRT: Subependymale Dichteminderung in T2-gewichteten Aufnahmen mit Kontrastmittelaufnahme. Fundoskopie bei Retinitis. 3
Seltenes, dann aber schweres durch das Varicella-Zoster-Virus (VZV) hervorgerufenes Krankheitsbild, häufig bei Immunschwäche als Erstsymptom einer malignen Erkrankung oder bei AIDS. Klinische Erscheinungsformen sind: VZVGanglionitis, -Meningitis, -Enzephalitis, -Myelitis, -Vaskulitis. Bei der VZV-Enzephalitis können zerebellare Symptome im Vordergrund stehen, häufig klinisch aber auch der Herpes-simplex-Enzephalitis ähnlich.
3
3
Einleitung
Prognose der VZV-Enzephalitis etwas besser als die der HSV-Enzephalitis, bei der die Letalität durch Aciclovir auf etwa 25% gesenkt werden konnte.
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Enzephalitis, Varicella-ZosterEnzephalitis
3
SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis)
Therapie empirisch Antivirale Therapie mit Virusstatika. 1. Akuttherapie: * Ganciclovir i. v. (Cymeven®): 2×5 mg/ kgKG/die einstündige Infusion über 14 Tage.
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410
Enzephalomyelitis, akute demyelinisierende
Alternativ: Foscarnet (Foscavir®, 1 ml enthält 15,4 mg): 3×60 mg/kgKG/die i. v. 2. Erhaltungsdosierung: * Ganciclovir i. v. (Cymeven®): 1×5 mg/ kgKG/die einstündige Infusion. * Alternativ: Foscarnet (Foscavir®, 1 ml enthält 15,4 mg): 1–2×60 mg/kgKG/die i. v. *
Bei ausgeprägter Immunschwäche ist häufig eine Dauerthrapie erforderlich! Bei schwerem Verlauf ist eine i. v.-Gabe von menschlichem CMV-Hyperimmunglobulin (Cytotect®, 1 ml enthält 100 mg humane Plasmaproteine mit Antikörpergehalt gegen CMV): 6×1 ml/kgKG i. v. sinnvoll, ebenfalls ist auch eine Kombinationstherapie aus Ganciclovir und Foscarnet möglich.
Nachsorge
Enzephalomyelitis, akute demyelinisierende Synonyme ADEM
Definition Akute entzündliche, gehäuft parainfektiös auftretende Demyelinisierung der weißen Substanz des ZNS. Diese seltene, in der Regel monophasische Erkrankung tritt vor allem im jüngeren Lebensalter auf.
Einleitung Unter dem Begriff einer akuten disseminierten Enzephalomyelitis (ADEM) wird ein perakuter und protrahierter, z. T. letaler Verlauf einer akuten Demyelinisierung verstanden, wie er auch bei der seltenen malignen Form der Multiplen Sklerose, dem Typ Marburg ( MarburgKrankheit) vorkommt. Letztendlich konnte nur durch histopathologische Befunde belegt werden, dass es sich pathophysiologisch um zwei getrennte Krankheitsbilder handelt. Bei der ADEM steht die perivaskuläre T-Lymphozyten- und Makrophageninfiltration im Vordergrund. Die Entmarkungsherde, die gegenüber der Zellinfiltration deutlich in den Hintergrund treten, sind alle gleichen Entwicklungsalters und ausschließlich perivaskulär lokalisiert. 3
NW Ganciclovir: Knochenmarkssuppression mit Neutropenie, Kopfschmerz, Verwirrung, Krampfanfälle, Halluzinationen, Psychosen. NW Foscarnet: Nephrotoxizität (kann bis zu Nierenversagen führen, daher auf ausreichende Hydratation achten), Elektrolytverschiebungen, Kopfschmerz, Tremor, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen. 3
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3
3
Bewertung Gutes Ansprechen der Therapie bei Retinitis, während eine sichere Wirkung auf die Enzephalitis nicht erwartet werden kann! Eine prophylaktische Behandlung zur Prävention bei immundefizienten Patienten: 1. Bei Polytransfusion und Immundefizit: 500 mg IgG-Präparat (Gamma-Venin®), (1 ml enthält 50 mg Immunglobulinpräparation 5S) i. v. pro Blutkonserve. 2. Nach Knochenmarkstransplantation: CMVHyperimmunglobulin (Cytotect®), (1 ml enthält 100 mg humane Plasmaproteine mit Antikörpergehalt gegen CMV) 6×1 ml/ kgKG i. v.
Prognose Retrospektive Auswertungen sprechen für eine ungünstige Prognose der Zytomegalievirus-Enzephalitis mit raschem Tod.
Diagnostik Die seltene ADEM tritt spontan oder in Assoziation mit einem unspezifischen viralen Infekt der oberen Luftwege (meist 3 Tage bis 4 Wochen nach einem Infekt) und seltener infolge einer Impfung (besonders nach Masern-, Mumps- und Röteln-Impfungen) auf. Symptomatik und Ausprägung sind sehr variabel, vom diskreten bis zu einem foudroyanten, zum Teil letalen Verlauf. Neben Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, einem hirnorganischen Psychosyndrom und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma treten fokal neurologische Defizite wie Hemiparese, Ataxie, Aphasie, Dysarthrie, Doppelbilder, Schwindel und andere Hirnstammsymptome auf. Vigilanzstörungen und Fieber manifestieren sich bei der ADEM im Erwachsenenalter seltener. Während bilaterale Optikusneuritiden sowie fokale oder generalisierte epileptische Anfälle häufig sind, kommen spinale Symptome selten vor.
Enzephalomyelitis, akute demyelinisierende
Aufgrund des protrahierten Verlaufes ist eine schnelle Eingrenzung der Differenzialdiagnosen geboten. Besonders bei jüngeren Patienten zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr sollte bei disseminierten und foudroyanten neurologischen Ausfällen mit Bewusstseinsstörungen an eine akute demyelinisierende Enzephalomyelitis gedacht werden. Die Liquoranalytik zeigt eine lymphozytäre Pleozytose mit meist >100 Mpt/l, jedoch auch bis zu 1000 Mpt/l, in den letztgenannten Fällen häufig mit einem Granulozytenanteil bis zu 20%. Neben Eiweißerhöhungen bei leichter bis mäßiger Schrankenfunktion scheinen intrathekale IgG-Synthesen seltener nachweisbar als bei der akuten MS. In der kranialen Kernspintomographie zeigen sich im Marklager (periventrikulär, subkortikal) ausgeprägte zum Teil raumfordernde Herde mit Kontrastmittel-Enhancement als Ausdruck des floriden Prozesses. Ein besonderes differenzialdiagnostisches Problem kann neben der Virusenzephalitis und der MS vom Typ Marburg das ZNS-Lymphom darstellen. Vergleichbar akute neurologische Verläufe anderer Autoimmunerkrankungen wie der des Lupus erythematodes stellen eine Rarität dar.
Therapie Da bei der ADEM ein (auto-) immunologischer Prozess eine zentrale pathophysiologische Rolle spielt, kommen immunsuppressive oder immunmodulatorische Verfahren zum Einsatz. gesichert Es liegen keine größeren Therapiestudien zu diesen Krankheitsbildern vor, sodass bislang keine Empfehlungen im Sinne einer `evidence based medicine´ gegeben werden können. empirisch Nach Einzelfallberichten und kleineren klinischen Studien ist eine intravenöse Kortikosteroid-Stoßtherapie wie beim MS-Schub in der Behandlung der ADEM erfolgversprechend. Dosis: 1000 mg Methylprednisolon i. v. täglich über 5 d mit anschließendem Ausschleichen über weitere zwei Wochen. Alternativ oder bei Nichtansprechen einer Kortikosteroid-Therapie können intravenöse Immunglobuline (0,4 g/kg Körpergewicht/d über 5 d) oder eine Plasmapherese eingesetzt werden. Unter beiden Therapieoptionen sind dramati-
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sche klinische Besserungen anhand von Kasuistiken belegt. In Einzelfallberichten wurde bei Versagen vorangegangener Therapien mit Cyclophosphamid ein Therapieerfolg erzielt.
Nachsorge Eine regelmäßige klinische Kontrolle sollte erfolgen, um im Verlauf das Beschwerdebild endgültig von der Erstmanifestation einer schubförmigen MS zu unterscheiden.
Bewertung Unklarheit herrscht bis heute darüber, ob die ADEM als eine Sonderform der MS oder als eine eigene Krankheitsentität einzuordnen ist. Pathophysiologisch handelt es sich bei der ADEM wie bei der MS um eine demyelinisierende Erkrankung des ZNS. Aus klinischer Sicht ist nach einer ersten monophasischen Symptomatik meist erst im Verlauf erkennbar, ob eine ADEM oder eine MS mit einer schweren Erstmanifestation vorliegt. Fragliche Fälle von Rezidiven einer ADEM sind beschrieben. Bei bislang fehlenden systematischen Untersuchungen erscheint die klinische Abgrenzung einer ADEM besonders gegenüber akuten Verlaufsformen einer MS (z. B. Marburg-Variante der MS) im Einzelfall sehr schwierig.
Prognose Die Rückbildung der Symptome ist sehr variabel, sowohl eine Restitutio ad integrum als auch schwerste Behinderungen sind möglich. Insgesamt ist die Prognose der ADEM aber als günstig einzuschätzen. Bei Ansprechen auf eine immunsupprimierende Therapie finden sich bei den Betroffenen meist komplette Remissionen oder nur leichtgradige residuelle Ausfälle.
Literatur 1. Dale RC, De Sousa C, Chong WK et al. (2000) Acute disseminated encephalomyelitis, multiphasic encephalomyelitis and multiple sclerosis in children. Brain 123:2407–2422. 2. Haase CG, Faustmann PM, Diener H (1999). Idiopathic inflammatory demyelinating diseases of the central nervous system: differentiating between acute disseminated encephalomyelitis and malignant multiple sclerosis. J Clin Neurosci 6(3):221–226. 3. Littig E, Schmidt RM, Hoffmann F (2002). Differenzialdiagnose, Sonderformen und Diagnosesicherung der Multiplen Sklerose. In: Schmidt RM, Hoffmann F (Hrsg.) Multiple Sklerose. 3.
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Enzephalopathie, AIDS-Enzephalopathie
Auflage. Urban & Fischer Verlag, München S.71– 100. McAlpine D (1931). Acute disseminated encephalomyelitis. Lancet 1: 846–852. Poser S, Lüer W, Bruhn H, Frahm J, Brück Y, Felgenhauer K (1992). Acute demyelinating disease. Classification and non-invasive diagnosis. Acta Neurol Scand 86:579–585. Stoll G, Brück W (2001). Sonderformen der Multiplen Sklerose. In: Zettl UK, Mix E (Hrsg.) Multiple Sklerose – Kausalorientierte, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin New York, S.81–90. Tselis AC, Lisak RP (1995). Acute disseminated encephalomyelitis and isolated central nervous system demyelinative syndromes. Curr Opin Neurol 8(3):227–229. Review. Zettl UK, Lehmitz R, Mix E (2003). Klinische Liquordiagnostik. De Gruyter Berlin-New York.
Enzephalopathie, AIDS-Enzephalopathie
niak, Phenole) nicht eliminiert werden können. Ursächlich für eine akute Enzephalopathie ist das akute Leberversagen z. B. bei einer Hepatitis, Ethylen-Glykol-Intoxikation oder Knollenblätterpilzvergiftung. Im fortgeschrittenen Stadium tritt bei 50–85% aller Patienten mit akuter Enzephalopathie ein Hirnödem auf. Auslösend für beide Formen kommen gastrointestinale Blutungen, übermäßige Proteinzufuhr, Diuretika, Alkohol, Sedativa, Analgetika und Obstipation in Frage. Die Diagnose wird anhand der Leitsymptome Psychosyndrom, Bewusstseinstörungen (bis zum Koma), „flapping tremor“ (Asterixis), Ataxie, Rigor, Hyperreflexie klinisch gestellt. In Verbindung mit Zusatzdiagnostik wird die manifeste hepatische Enzephalopathie in vier Schweregrade nach Conn und Lieberthal eingeteilt. Fallen psychometrische Tests pathologisch aus, ohne dass klinische Symptome vorliegen, spricht man von einer latenten Enzephalopathie.
Enzephalopathie, HIV
Diagnostik
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Enzephalopathie, bovine spongiforme (BSE) BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie)
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Enzephalopathie, hepatische Synonyme Portokavale Enzephalopathie, hepatoportale Enzephalopathie. portosystemische Enzephalopathie
Definition Sammelbezeichnung für die bei akuten oder chronischen Lebererkrankungen auftretenden neurologischen und psychopathologischen Veränderungen.
Einleitung Zugrunde liegend ist in der Regel eine Leberzirrhose (meist auf dem Boden chronischen Alkoholismus) mit chronischem Shunt von Pfortaderblut in den systemischen Blutkreislauf, sodass neurotoxische Substanzen (u. a. Ammo-
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Anamnese. Klinik. Im EEG repetitive triphasische Wellen mit Blockierung bei Augenöffnen. Ammoniakerhöhung im Labor (arterielles Blut).
Therapie Entgiftung des Darmes, ggf Lebertransplantation. Schwere Verläufe erfordern intensiv-medizinische Maßnahmen. gesichert Als einzig gesicherte Therapie bei akuter Enzephalopathie gilt die Lebertransplantation, bei chronischer Verlaufsform ist die medikamentöse Therapie durch randomisierte Studien gesichert: * Beseitigung auslösender Faktoren. * Reduktion der oralen Proteinzufuhr auf 20– 30 g/die für maximal drei Tage, anschließend um 10 g/die bis zu einer täglichen Proteinzufuhr von 1 g/kgKg steigern. Bei chronischen Verläufen kann eine dauerhafte Proteinrestriktion von 0,5 g/kgKG/die erforderlich sein. Während der Proteinrestriktion ist eine ausreichende Kalorienzufuhr (mindestens 1600 kcal) per infusionem zu gewährleisten.
Enzephalopathie, HIV
*
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Lactulose (Bifiteral®): stündlich 20–30 g, bei chronischen Verläufen 3×10 bis 4× 50 g/die. Antibiotika zur Reduktion der intestinalen Bakteriendichte: Paromomycin (Humantin®) oder Neomycin (Bykomycin®): 6–8 g/die durch eine Magensonde, bei Dauerbehandlung 2–3 g/die. Alternativ Metronidazol (Clont®): 2–3× 200–400 mg/die. In besonders schweren Fällen Behandlung mit parenteral verabreichten verzweigtkettigen Aminosäuren: Comafusin® Hepar: 500–1000 ml/die, ggf. dauerhafte Therapie 3×1 Btl Falkamin® p. o.
Nachsorge Die Dauer der Behandlung richtet sich nach dem klinischen Bild, bei vielen Patienten ist eine dauerhafte Behandlung erforderlich.
Prognose Abhängig von der Grunderkrankung und dem klinischen Stadium. Bei komatösen Patienten (Stadium IV) kommt es bei 65% der Patienten entweder zu keiner klinischen Besserung oder zu bleibenden Schäden. Die Mortalität bei akutem Leberversagen beträgt 80%, durch Leberimplantation kann die Mortalität auf 30% reduziert werden, allerdings erhalten derzeit nur 10% aller Patienten eine Spenderleber!
Pathogenetisch handelt es sich um eine primär HIV-bedingte, multifaktorielle Hirnfunktionsstörung. Die HIV-Enzephalopathie ist häufig kombiniert mit weiteren entzündlichen AIDSKomplikationen (z. B. Pneumocystis-cariniiPneumonie). Klinisch kennzeichnend ist ein schleichend progredienter Verlauf, Unterscheidung nach Schweregraden: 1. Sog. AIDS- Demenz-Komplex mit schweren alltagsrelevanten kognitiven Defiziten und motorischen Störungen („Parkinsonoid“). 2. Milde Form mit amnestischen Störungen, Konzentrationsstörungen, Apathie, psychomotorischer Verlangsamung, selten motorische Störungen, bei ca. 30% extrpyramidalmotorische und ataktische Störungen. Fokal neurologische Defizite sind eher selten und sollten an eine opportunistische Infektion oder eine ZNS-Neoplasie denken lassen. Je nach Verlauf kann sich eine schwere Demenz mit spastischer Tetraparese, Blasenstörung und Mutismus entwickeln. 3
*
413
Diagnostik
Überwiegend in fortgeschrittenen Stadien der HIV-Infektion auftretende neurologische Komplikation, die ein großes Spektrum klinischer Symptome umfasst.
Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT): In 75% supratentoriell betonte Hirnatrophie (wird allerdings auch bei 50% aller nicht betroffenen AIDS-Patienten gefunden). In T2-gewichteten MRT Aufnahmen Nachweis konfluierender oder kleinfleckiger Hyperintensitäten im Marklager ohne Kontrastmittelaufnahme. Liquor: Oft normale Zellzahl bis geringe Pleozytose, geringe Gesamteiweßerhöhung, Erhöhung des IgG-Anteils. EEG: Grundrhythmusverlangsamung, Einlagerung frontotemporaler Theta-(Delta)-Dysrhythmien, ein Herdbefund sollte an sekundäre HIVKomplikationen denken lassen. Cave: HIV-Enzephalopathie ist stets eine Ausschlussdiagnose, da ein ausreichend sensitives und spezifisches diagnostisches Kriterium fehlt!
Einleitung
Therapie
Enzephalopathie, HIV Synonyme AIDS-Enzephalopathie
Definition
Die HIV-Enzephalopathie macht etwa 10–15% der neurologischen Komplikationen bei HIVInfektionen aus und wird überwiegend in fortgeschrittenen Stadien angetroffen, kann sich aber auch bei Patienten mit noch erhaltenem Immunsystem und vor Eintreten systemischer Komplikationen manifestieren.
Hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) mit liquorgängigen Substanzen. gesichert Die HIV-1-assoziierte Enzephalopathie ist die einzige neurologische Erkrankung, für die
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414
Enzephalopathie, Leukenzephalopathie
eine gesicherte Indikation zur antiretroviralen Therapie besteht.
Einleitung
empirisch 3–4fach-Kombinationen sind überlegen, Basis muss eine Kombination aus Zidovudine oder Stavudin sein: * Zidovudine/AZT (Retrovir®) 6×1–2 mg/ kgKG/die i. v.; 3×200 mg/die p. o. * Stavudin/d4T (Zerit®) 2×30–40 mg/die p. o. * Indinavir/IDV (Crixivan®) 2×400 mg/die p. o. * Didanosin/ddI (Videx®) 1×250–400 mg/die p. o. * Nevirapin/NVP (Viramune®) in den ersten 14 Tagen 1×200 mg/die p. o., anschließend 2×200 mg/die p. o. (verringert Hautausschlag).
Leitsymptom der Enzephalopathie ist das hirnorganische Psychosyndrom mit Persönlichkeits-, Hirnleistungs- und Bewusstseinsstörungen. Je nach Ätiologie zusätzlich epileptische Anfälle und internistische Symptome. Die wichtigsten Enzephalopathien sind: Die hepatische Enzephalopathie, die urämische Enzephalopathie, das Dysequilibrium-Syndrom, die progressive Dialyse-Enzephalopathie, die hyperkalzämische Enzephalopathie, die Schwermetall-Enzephalopathie sowie Enzephalopathien durch Alkoholkrankheit, Hypoglykämie und Vitaminmangel. Die Enzephalopathie beruht auf der Kumulation neurotoxischer Substanzen oder Elektrolyten bei mangelnder Ausscheidung oder zu raschem Anstieg bzw. durch Mangelzustände.
Prognose
Diagnostik
Üblicherweise nicht reversibles Krankheitsbild, eine Besserung durch die medikamentöse Behandlung ist nur graduell zu erwarten. Die Prognose hängt im Wesentlichen von der Viruslast ab. Unter HAART ist die Erkrankung deutlich seltener geworden.
Anamnese. Grunderkrankung. Labordiagnostik.
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3
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Therapie Förderung der Ausscheidung der relevanten Substanzen, bzw. Substitution bei Mangelzuständen. 1. Enzephalopathie, hepatische. 2. urämische Enzephalopathie: Peritonealoder Hämodialyse bei 10–12 mg/100 ml. 3. Dysequilibrium-Syndrom: Vermeidung zu langer und aggressiver Dialysen, häufig spontane Besserung innerhalb weniger Stunden, sonst i. v.-Glukoselösungen (50 ml 20%ige Glukose). 4. Progessive Dialyse-Enzephalopathie: Prophylaktisch Verwendung aluminiumfreier Dialysate und Aluminiumrestriktion (Trinkwasser), Behandlung ab Aluminiumspiegeln von 200 μg/l mit Desferrioxamin (Desferal®) 4–6 g/Woche (1–2 g während der letzten zwei Stunden der Dialyse i. v.) 5. Hyperkalzämische Enzephalopathie: Flüssigkeitssubstitution mit 0,9% NaCl-Infusion 3000–8000 ml/die. Gabe von Diuretika: Furosemid (Lasix®) 20–60 mg alle 2 Stunden i. v. Falls erforderlich Kalzitonin (Calcitonin L) 100 I:E s. c. alle 12 Stunden kombiniert mit Prednison (Decortin®) 60 mg/die p. o. 6. Schwermetall-Enzephalopathie: * Blei: Akute Intoxikation: 2,3-Dimercaptopropan-1-sulfonsäure (DMPS-Heyl®) 3
Enzephalopathie, Leukenzephalopathie Definition Erkrankungen, denen pathoanatomisch eine vakuoläre Demyelinisierung des HemisphärenMarklagers zugrunde liegt ( Enzephalopathie, SAE (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie); Binswanger-Erkrankung; Leukenzephalopathie, progressive multifokale; MS (Multiple Sklerose). 3
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Enzephalopathie, metabolische Synonyme Metabolisch-toxische Enzephalopathie
Definition Durch Stoffwechelstörung oder Intoxikation hervorgerufene Enzephalopathie.
Enzephalopathie, tuberkulöse
SAE (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie), Demenz, subkortikale 3
Enzephalopathie, SLE (systemischer Lupus erythematodes) Definition Die Enzephalopathie beim systemischen Lupus erythematodes stellt neben psychopathologischen Auffälligkeiten und symptomatischer Epilepsie die häufigsten neuropsychiatrischen Symptome dieser Erkrankung dar, die bei ca. 60% aller Patienten auftreten. 3
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MNGIE (myoneurogastrointestinale Enzephalopathie)
Enzephalopathie, SAE (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie) 3
Enzephalopathie, MNGIE (myoneurogastrointestinale Enzephalopathie)
weis von Veränderungen des Marklagers entsprechend der Binswanger-Erkrankung sowie Läsionen der großen und kleinen zerebralen Gefäße. 3
1. Tag 6×250 mg, 2. und 3. Tag 4× 250 mg i. v. Anschließend 1–3× 250 mg/die p. o. oder i. v. Chronische Intoxikation: 3×100–200 mg p. o. * Quecksilber: Magenspülung, Infusion eiweißreicher Lösungen. Zusätzlich Behandlung wie Blei-Intoxikation und Gabe von Colestyramin (Quantalan® 50) 16–24 g/die p. o. * Thallium: Magenspülung, Berliner Blau (Antidotum Thalli Heyl®) 3–20 g/die über Magensonde, zusätzlich forcierte Diurese Flüssigkeitssubstitution mit 0,9% NaCl-Infusion 3000–8000 ml/die und Gabe von Diuretika: Furosemid (Lasix®) 20–60 mg alle 2 Stunden i. v. Die Behandlungsdauer richtet sich nach dem Thallium-Nachweis im Stuhl. Bei schweren Intoxikation ist die Hämodialyse erforderlich. * Mangan: Kalziumtrinatriumpenetat, DTPA (Ditripentat-Heyl®): 1 g in 250 ml 0,9% NaCl-Infusion i. v. für 6 Tage. 7. Vitaminmangel-Enzephalopthie, Vitaminmangel.
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Einleitung Bei ca. 70% aller Erkrankten wird durch neuropsychologische Diagnostik ein kognitives Defizit festgestellt. Bei 20% wird die Enzephalopathie durch deutliche Einschränkungen bei alltäglichen Handlungen manifest.
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Diagnostik
Enzephalopathie, nichthypertensive
In der MRT finden sich typische Hyperintensitäten in der T2-Wichtung, deren Größe mit der Krankheitsaktivität korreliert und in der Akutphase Kontrastmittel aufnehmen können.
Definition Seltene, in Japan beobachtete Enzephalopathie, die sich in der dritten Lebensdekade mit diffuser Alopezie, und ernster Spondylitis mit möglichem autosomal-dominantem Erbgang manifestiert.
Definition
Einleitung
Enzephalopathie im Rahmen einer Neurotuberkulose ( Tuberkulose, Neurotuberkulose).
Enzephalopathie, tuberkulöse
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Seltene Differenzialdiagnose der Krankheiten, die sich mit „white matter lesions“ präsentieren und zu den vaskulär assoziierten Demenzen gezählt werden. Histopathologisch Nach-
Einleitung Praktisch nur bei Kindern vorkommende Enzephalopathie im Rahmen einer Neurotuberkulo-
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Enzephalopathie, Vaskulitis
se. Klinisch akuter Beginn mit Krampfanfällen, Koma und Dezerebration. 3
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Enzephalopathie, Vaskulitis Definition Die Enzephalopathie mit kognitiven Einbußen und Wesensänderungen stellt neben anhaltenden unangenehmen Dauerkopfschmerzen und multifokalen Syndromen durch rezidivierende Ischämien die Leitsymptom-Trias der isolierten Angiitis des zentralen Nervensystems dar.
Klinik: Akutes Auftreten von okulomotorischen Symptomen: Nystagmus (v. a. horizontal), Augenmuskel- (v. a. M. rectus lateralis) und konjugierte Blickparesen, INO, Pupillenstörungen. * Psychische Störungen: Verwirrung, Desorientierung, Erregungszustände, daneben auch Apathie, Schläfrigkeit bis hin zu Sopor und Koma. * Zerebellare Ataxie. * Vegetative Dysregulationen (Tachykardie, Hypotension, Hypothermie, Schwitzen, Tremor). *
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Diagnostik
Enzephalopathie, Wernicke-Enzephalopathie
Klinik mit Trias: Neuro-ophthalmologische und psychische Störungen, Ataxie. EEG: Nicht charakteristisch verändert. Liquor: Meist Normalbfund, selten leichte Eiweißerhöhung.
Synonyme Polioenzephalopathia haemorrhagica superior, Wernicke-Korsakow-Syndrom
Definition Akut einsetzendes Syndrom mit den Kardinalsymptomen Augenmuskel- und Blickparesen, Nystagmus und Ataxie sowie psychischen Störungen aufgrund eines Thiaminmangels, das bei verschiedenen Krankheiten auftreten kann.
Einleitung Das Wernicke-Syndrom beruht immer auf einem Thiaminmangel, der als Folge einer Fehlernährung, eines Hungerzustandes oder als Folge von Resorptionsstörungen auftritt. Als Ursache eines Thiaminmangels ist an erster Stelle der chronische Alkoholismus zu nennen, daneben Karzinome des oberen Verdauungstraktes, Hyperemesis gravidarum, exzessives Fasten, Hämodialyse, inadäquate parenterale Ernährung, Urämie, schwere Infektionskrankheiten. Auf welche Weise dieser Mangel die pathologisch-anatomischen Veränderungen herbeiführt, ist noch ungeklärt. Histologisch findet man einen spongiösen Zerfall des Gewebes mit Proliferation und Dilatation der Kapillaren und häufig auch petechialen Blutungen. Vor allem die Corpora mamillaria und das Höhlengrau des III. und IV. Ventrikels und um den Aquädukt sind betroffen.
Therapie gesichert Hochdosierte parenterale Gabe von Thiamin (je nach Autor zwischen 50 und 300 mg/die). Pragmatisches Vorgehen: Initial 50 mg Thiamin i. v. und 50 mg Thiamin i. m., dann 50 mg i. m./ die, bis der Patient in der Lage ist, wieder normale, ausgewogene Nahrung zu sich zu nehmen empirisch Clonidin® (2× 0.3 mg/die oral) zur Verbesserung der Gedächnisfunktion von Korsakow-Patienten.
Bewertung Gesicherte Therapie der Korsakow-Psychose ist bislang nicht verfügbar, v. a. bei intravenöser Gabe von Thiamin sind anaphylaktische Reaktionen mit zum Teil letalem Ausgang beschrieben, bei oraler Substitution ist hiermit kaum zu rechnen.
Prognose 10–20%ige Letalität in der akuten Phase der Wernicke-Enzephalopathie (v. a. durch vegetative Dysregulation). Die neuro-ophthalmologischen Symptome bessern sich unter Thiamingabe meist rasch (innerhalb von 24 h), Ataxie und Nystagmus können in geringer Ausprägung auch länger persistieren, der Verlauf der
Ependymome, intradurale extramedulläre (Filum terminale)
amnestischen Störungen lässt sich nicht wesentlich durch Thiaminsubstitution beeinflussen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Ausgewogene Ernährung, bei gefährdeten Patienten prophylaktische Gabe von mindestens 5 mg Thiamin/die.
Ependymome
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Ependymome, intradurale extramedulläre (Filum terminale) Synonyme Myxopapilläres Ependymom
Definition Das myxopapilläre Ependymom ist eine vom Konus oder der Cauda equina ausgehende Ependymomvariante, die dem WHO-Grad I zugeordnet wird.
Einleitung
Definition Ependymome sind gliale Tumoren, die sich von Zellen der Ependymauskleidung der Ventrikel und des Zentralkanales ableiten.
Mehr als 50% der medullären Ependymome sind im Filum terminale lokalisiert. Diese myxopapillären Ependymome wachsen umschrieben im kaudalen Spinalkanal und müssen differenzialdiagnostisch in erster Linie vom ebenfalls dort bevorzugt lokalisierten Paragangliom abgetrennt werden. Obwohl histologisch gutartig, wurden in einzelnen Fällen Fernmetastasen dieses Tumors beschrieben [1, 2], der chirurgisch nicht immer komplett reseziert werden kann. Regressiv veränderte Filum-terminaleEpendymome können bluten und eine spinale Subarachnoidalblutung verursachen. 3
Einleitung Charakteristischerweise sind zerebrale Ependymome im Bereich der Ventrikelwand, selten im Parenchym oder an der Oberfläche von Kleinhirn und Hirnstamm lokalisiert. Spinale Ependymome nehmen ihren Ausgang vom Zentralkanal und liegen meistens zentral und gut abgegrenzt. Zerebrale und insbesondere supratentorielle Ependymome sind ganz überwiegend Tumoren des Kindes- und Jugendalters, spinale Ependymome Tumoren des Erwachsenenalters. Die seltenen myxopapillären Ependymome des Filum terminale und die Subependymome der Ventrikelwand werden dem WHO-Grad I zugeordnet. Sonst werden differenzierte Ependymome von malignen Varianten abgegrenzt, wobei die ersteren dem WHO-Grad II, die letzteren dem WHO-Grad III entsprechen. Der klinische Verlauf ist allerdings, insbeondere bei kindlichen Ependymomen, auf der Grundlage der Histologie nicht immer vorhersagbar, sodass auch bei differenzierter Histologie engmaschige Kontrollen immer erforderlich sind. 3
Diagnostik Ependymome, intradurale extramedulläre (Filium terminale); Ependymome intramedulläre; Ependymome, zerebrale
Diagnostik Wichtigste und in der Regel auch ausreichende Untersuchungsmethode ist das spinale MRT ohne und mit Kontrastmittel.
Therapie Die komplette chirurgische Resektion ist mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von mehr als 90% verbunden. gesichert Außer der operativen Resektion gibt es keine etablierte Therapiemaßnahme.
Nachsorge Bei inkompletter chirurgischer Resektion sind regelmäßige kernspintomographische und klinische Verlaufskontrollen erforderlich.
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Therapie Ependymome, intradurale extramedulläre (Filium terminale); Ependymome intramedulläre; Ependymome, zerebrale
Literatur 1. Ilhan I, Berberoglu S, Kutluay L, Maden HA (1998). Subcutaneous sacrococcygeal myxopapillary ependymoma. Med Pediatr Oncol 30:81–84. 2. Newton HB, Henson J, Walker RW (1992). Extraneural metastases in ependymoma. J Neuro-Oncol 14:135–142.
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Ependymome, intramedulläre
Ependymome, intramedulläre Definition Intramedulläre Ependymome sind intrinsische Rückenmarkstumoren, die von den Ependymzellen des Zentralkanales ausgehen.
Einleitung Ependymome machen ca. 25–45% der intramedullären Tumoren aus und sind damit etwa gleich häufig wie Astrozytome des Rückenmarks. Die Tumoren betreffen überwiegend Patienten zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr. Differenzierte (WHO-Grad II) und anaplastische (WHO-Grad III) Varianten treten auf. Die Tumoren liegen häufig zentral, sind oft gut abgegrenzt und sind an den Polen fakultativ von einer Begleitsyrinx demarkiert. Ependymome können als singuläre oder als multiple Läsionen auftreten.
Diagnostik Im MRT zeigen sich häufig homogen und intensiv kontrastmittelaufnehmende Läsionen, die das Rückenmark zentral auftreiben und oft scharf demarkierte Grenzen aufweisen. Ependymome haben fakultativ zystische Anteile; die Kontrastmittelgabe erlaubt eine Differenzierung zwischen solidem Tumoranteil und Ödem.
Therapie Bei der Mehrheit der medullären Ependymome ist eine komplette mikroneurochirurgische Resektion möglich und indiziert [1]. gesichert Es besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass nach einer kompletten Resektion keine postoperative Radiatio indiziert ist [1]. Die 5Jahres-Überlebensrate liegt nach kompletter Tumorresektion zwischen 70 und 90% [1]. empirisch Nach inkompletter Resektion wird eine Radiatio empfohlen und zwar unabhängig vom Tumorgrad, also auch bei WHO-Grad II Tumoren [2]. Der Wert einer solchen Therapie ist jedoch nie in einer prospektiven Studie unter Einschluss einer Kontrollgruppe ohne Radiatio bewiesen worden [1]. Pragmatisch wird die Strahlentherapie mit z. B. einer Gesamtdosis von 50,4 Gy in Einzeldosen von 1,8 Gy auf das erweiterte Tumorvolumen durchgeführt, wobei
ein Sicherheitssaum kraniokaudal jeweils 2 cm von den kernspintomographisch bestimmbaren Tumorgrenzen eingehalten wird [2]. Bei anaplastischen Ependymomen oder bei liquorzytologischem Nachweis einer Tumorzellausaat auch bei WHO-Grad II Ependymomen wird eine (zusätzliche) Bestrahlung der Neuroachse mit einer Gesamtdosis von 36 Gy empfohlen [2]. In Einzelfällen rezidivierter spinaler Ependymome, nach Ausschöpfen der chirurgischen und strahlentherapeutischen Optionen, haben wir eine palliative Chemotherapie nach dem PCV-Schema durchgeführt, die zu stabilen Verläufen, u. U. mit Besserung der neurologischen Symptomatik für mehrere Monate führte. 3
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Nachsorge Bei inkompletter Tumorresektion sind regelmäßige kernspintomographische und klinische Kontrolluntersuchungen obligat. Auch bei kompletter Resektion differenzierter medullärer Ependymome sind regelmäßige Kontrollen, z. B. jährlich unbedingt empfehlenswert.
Prognose Wie oben angeführt, ist die mikroneurochirurgisch komplette Resektion eines WHO-Grad II Ependymoms potentiell kurativ. Nach imkompletter Resektion und postoperativer Radiatio liegen die 5-Jahres-Überlebensfraktionen immerhin noch über 50% [1].
Literatur 1. Fehlings MG, Rao SC (2000). Spinal Cord and Spinal Column Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (eds.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 445–464. 2. Trappe AE, Frank AM, Grosu AL, Hiller E, Jaschke H, Mayer TE, Weinzierl FX (2001). Primäre Tumoren des Rückenmarks. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Zuckschwerdt, München 147–154.
Ependymome, zerebrale Definition Zerebrale Ependymome sind langsam wachsende Gliome des Kindes- und jugendlichen Erwachsenenalters, die von neoplastischen Zellen des Ependyms in den Ventrikeln oder im Zentralkanal ausgehen.
Epidermoid/-zyste
Ependymome machen ca. 6–12% aller intrakraniellen Tumoren aus [1, 2], bei Kindern unter 3 Jahren sind 30% der zerebralen Raumforderungen Ependymome [1]. Ependymome treten überwiegend infratentoriell auf, sie gehen in absteigender Reihenfolge vom Ependym des IV., der Seitenventrikel oder des III. Ventrikels aus. Unklar ist, ob die histologische Zuordnung zu einer „anaplastischen“, malignen oder zu einer differenzierten Variante eine prognostische Bedeutung besitzt und damit Einfluss auf die Therapieplanung haben sollte. Dagegen ist eine inkomplette Tumorresektion ein eindeutig prognostisch ungünstiger Parameter. Daneben sind ein Lebensalter unter 2–3 Jahren bei Erstdiagnose und das Einbrechen von Tumorgewebe in den Subarachnoidalraum mit leptomeningealer Tumorausaat im Spinalkanal prognostisch ebenfalls ungünstig [1, 3].
Diagnostik Kernspintomographisch sind die Tumoren heterogen mit kleinen Zysten und Nachweis alter Hämorrhagien. Bei infrantentorieller Lokalisation gehen sie in der Regel vom Boden des IV. Ventrikels aus, dehnen sich von dort in die Kleinhirnbrückenwinkel und in die Cisterna cerebellomedullaris aus.
Therapie Die operative Resektion steht am Beginn der Therapie. Bei infratentoriellen Ependymomen liegt die Rate der kompletten Resektionen jedoch nur bei 20–40%, wobei der intraoperative Eindruck des Chirurgen unbedingt durch ein postoperatives (innerhalb von 72 Stunden nach OP) kontrastmittelverstärktes MRT überprüft werden muss [1]. gesichert Die operative Resektion ist zur histologischen Diagnosesicheruung und zur Beseitigung eines Liquorabflusshindernisses erforderlich und dient der Tumorvolumenreduktion. empirisch Die Wirksamkeit einer postoperativen Strahlentherapie ist nie in einer randomisierten, prospektiven Studie untersucht worden. Patienten mit Ependymomen, die postoperativ nachbestrahlt wurden, zeigen jedoch längere Überle-
benszeiten als historische Kontrollgruppen. Bei inkompletter Resektion, bei histologischem Nachweis einer malignen Variante, bei Einbruch in den Subarachnoidalraum und bei leptomeningealer Tumoraussaat besteht die Indikation zur adjuvanten Strahlentherapie [1, 2, 3]. Diese wird durchgeführt mit einer erweiterten fokalen Strahlentherapie von mindestens 45 Gy Gesamtdosis. Nach Abschluss der Strahlentherapie und Nachweis eines Tumorrestes im MRT kann eine Second-look-Operation sinnvoll sein [1,3]. Da Rezidive ganz überwiegend lokal auftreten und spinale Tumorabsiedlungen in der Rezidivsituation fast ausnahmslos mit einem lokoregionalen Rezidiv assoziiert sind, kann die Bestrahlung der gesamten Neuroachse in der Primärsituation allenfalls bei bereits vorhandener diffuser leptomeningealer Absiedlung empfohlen werden. Bei malignen Ependymomen im Kindeasalter werden Patienten in Deutschland im Rahmen der HIT-Studie behandelt und prospektiv verfolgt.
Nachsorge Regelmäßige, z. B.halbjährliche klinische und MR-tomographische Verlaufskontrollen sind obligat.
Literatur 1. Taylor MD, Rulka JT (2000). Pediatric Posterior Fossa Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (eds.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 363–376. 2. Kleihue P, Cavenee WK (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon. 3. Haas RJ, Müller-Weirich S, Poellinger B, Goetz (2001). Pädiatrische ZNS Tumoren. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Zuckschwerdt, München 76–88.
Epidermoid/-zyste Definition Epidermoidzysten und Dermoidzysten sind Missbildungstumoren bzw. tumorartige Läsionen, die von versprengten Keimzellen der Epidermis ausgehen, wobei die raumfordernde Zyste cholesterin- und fettsäurereiche Flüssigkeit enthält. Die pathologische Unterscheidung von Epidermoid- und Dermoidzyste besitzt nur terminologische Bedeutung, da beim Epider3
Einleitung
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Epiduralabszess
moid die Zystenkapsel den Aufbau der Epidermis zeigt, während das Dermoid zusätzlich Anteile der Subkutis aufweist.
Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie) Synonyme
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Diagnostik In der T1- und T2-Wichtung des MRTs ist der liquorisointense Anteil der Zyste mitunter nicht vom soliden Anteil zu differenzieren. In der diffusionsgewichteten MRT (DW-MRI) gelingt der Nachweis des soliden Tumoranteiles jedoch zuverlässig, sodass sich das DW-MRI sehr gut zur initialen Diagnosestellung und zur Verlaufskontrolle nach Resektion eignet.
Therapie Die Läsionen werden, wenn möglich, operativ reseziert. Rezidive sind häufig.
Nachsorge In den ersten Jahren nach Operation sind regelmäßige klinische und kernspintomographische Verlaufskontrollen nötig.
Epiduralabszess Abszess, spinaler
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Epikonussyndrom Definition Selteneres Querschnittsyndrom in Höhe des thorakolumbalen Überganges mit Paresen von Hüftstreckung und - außenrotation, Kniebeugung, Fuß- und Zehenbewegungen, ausgefallenen ASR, Sensibilitätsstörung ab L4 (oder tiefer) und Blasen- (Reflexblase oder schlaffe Überlaufblase) und Mastdarmlähmung, jedoch erhaltenen perinealen Reflexen. Ursächlich meist Trauma oder Tumoren.
Pyknoleptisches Petit Mal, Friedmann-Syndrom
Definition Epilepsie mit Absencen, Erstmanifestation im 3. bis 13. Lebensjahr (Gipfel 6–7. Lebensjahr) und starker genetischer Disposition (positive Familienanamnese in 15–40%). Die Pyknolepsie tritt bei Mädchen häufiger als bei Knaben auf. Absencen treten als initiale Anfallsform auf, wobei alle genannten phänomenologischen Varianten außer myoklonischen und atypischen Absencen vorkommen können. Typisch ist ein täglich gehäuftes, bevorzugt morgendliches Auftreten der Anfälle, wobei ohne Behandlung z. T. mehrere Hundert Absencen pro Tag vorkommen können. Bei etwa 30– 50% der Patienten treten im Verlauf zusätzlich generalisierte tonisch-klonische Anfälle auf (in der Regel Aufwach-Grand-Mal).
Einleitung Epilepsiesyndrom aus der Gruppe der idiopathischen generalisierten Epilepsien (nach der Klassifikation der International League against Epilepsy [1]).
Diagnostik Patienten mit typischer Anfallssemiologie, typischen interiktualen und iktualen EEG-Veränderungen ( Absencen), normaler Intelligenz und unauffälligem neurologischen Status bedürfen keiner ausgedehnten diagnostischen Abklärung. Hingegen sollte in Fällen mit pathologischem neurologischen Untersuchungsbefund, mentaler Retardierung oder fokalen Zeichen im EEG eine bildgebende Diagnostik mittels kraniellem MRT erfolgen. EEG-Ableitungen (evtl. mit Spike Wave-Quantifizierung) können zur Effektivitätskontrolle der laufenden Behandlung eingesetzt werden.
Therapie gesichert Beim ausschließlichen Auftreten von typischen Absencen ist in der Regel eine Monotherapie mit Ethosuximid erfolgreich. Treten zusätzlich generalisierte tonisch-klonische Anfälle auf, gilt Valproinsäure als Mittel der ersten 3
Epidermoide und Dermoide können zerebral, und selten spinal vorkommen. Spinale Dermoide/ Epidermoide sind seltene Raumforderungen, die intramedullär oder extramedullär, intradural vorkommen können. Es sind histologisch gutartige Läsionen, die überwiegend im Kindesalter und jugendlichen Erwachsenenalter auftreten.
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Epilepsie, Alkohol
Wahl. Als ebenfalls sehr effektiv hat sich Lamotrigin erwiesen, sowohl gegen Absencen als auch gegen Grand-Mal-Anfälle. Ist die Monotherapie mit einer dieser Substanzen nicht ausreichend wirksam, kann eine Kombinationsbehandlung versucht werden. Erweisen sich tonisch-klonische Anfälle als therapierefraktär gegenüber Valproat und Lamotrigin, kann eine zusätzliche Gabe von Phenobarbital oder Primidon erforderlich werden. 3
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empirisch Die ebenfalls wirksamen Substanzen Clonazepam und Clobazam sollten wegen ihres sedativen Effektes und der Gefahr der Toleranzentwicklung für therapierefraktäre Fälle reserviert bleiben. Als weitere Mittel der ferneren Wahl mit Effekt gegen Absencen können Mesuximid und Ethadion (Präparat in Deutschland nicht im Handel, Bezug als Petidion® über internationale Apotheke) gelten, die beide keinen Grand-MalSchutz bieten. Unpublizierte Einzelfallberichte deuten auf die Wirksamkeit von Topiramat in der Behandlung von Absencen hin, wobei das Medikament noch keine Zulassung für die Behandlung von idiopathischen generalisierten Epilepsien und für Kinder unter 12 Jahren besitzt. 3
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unwirksam/obsolet Unwirksam gegen Absencen sind Carbamazepin, Phenytoin, Vigabatrin und Tiagabin, wobei sogar Aktivierung hypersynchroner Aktivität im EEG und Provokation von Absencen beobachtet werden.
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und Nachtblindheit; selten kann es zum Auftreten nephrotischer Syndrome kommen; das Medikament kann außerdem generalisierte tonischklonisch Anfälle provozieren.
Prognose Die Mehrzahl der Patienten spricht gut auf die Behandlung an, bei etwa 70–85% wird Anfallsfreiheit erreicht. Zusätzliche generalisierte tonisch-klonische Anfälle sowie Absence-Status verschlechtern die Prognose. Als günstige prognostische Faktoren hinsichtlich einer Ausheilung der Epilepsie werden negative Familienanamnese, normale Intelligenz und Abwesenheit von Absence-Status angenommen; bei etwa 90% der Patienten mit dieser Konstellation kommt es zur Remission. Bei etwa 20% der Patienten persistiert die Anfallsaktivität, vor allem in Form generalisierter tonisch-klonischer Anfälle, bis ins Erwachsenenalter und ist dann häufig schwerer kontrollierbar.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Eine Regulierung der Lebensführung, insbesondere die Vermeidung anfallsprovozierender Faktoren wie Schlafentzug und übermäßiger Alkoholgenuss, trägt zu einer verbesserten Kontrolle der Epilepsie bei.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399.
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Bewertung
Epilepsie, Alkohol Synonyme Symptomatische fokale Epilepsie bei Alkoholismus
Definition Die Mehrzahl der alkoholinduzierten Anfälle tritt entzugsbedingt auf und entspricht somit Gelegenheitsanfällen ( Anfall, Gelegenheitsanfall). Nur eine Minderzahl erfüllt die Definition einer symptomatischen fokalen Epilepsie mit dem Auftreten unprovozierter Anfälle durch chronische toxische zerebrale Schädigung. Von einer Alkoholepilepsie kann auch nur dann gesprochen werden, wenn keine an3
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Valproinsäure wird aus folgenden Gründen häufig als Mittel der ersten Wahl angesehen: Einerseits bietet es gegenüber Ethosuximid Schutz vor den häufig erst im Verlauf auftretenden tonisch-klonischen Anfällen, andererseits führt es seltener zu kognitiven Einbußen als Ethosuximid und Phenobarbital. Die Gefahr der Hepatotoxizität ist in dieser Altersgruppe und bei diesem Epilepsiesyndrom als gering anzusehen. Ethadion ist durch die moderneren Substanzen in den Hintergrund gedrängt worden. Typische, zumeist dosisabhängige Nebenwirkungen dieses Präparates sind zentralnervöse Erscheinungen wie Müdigkeit, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Singultus sowie Photophobie
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Epilepsie, benigne Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spikes
dere strukturelle oder funktionelle Hirnschädigung vorliegt. Pathogenetisch bedeutsam sind alkoholinduzierte Hypoglykämie, Hypomagnesiämie, Hypokaliämie und Alkalose sowie ein Anstieg des Glutamatspiegels. Vitamin B1-Mangel führt zu verminderter Aktivität einer Glutamat zu GABA umwandelnden Decarboxylase. Diskutiert wird auch eine erhöhte neuronale Erregbarkeit durch Vermehrung von Kalziumkanälen in den Zellmembranen.
Diagnostik Bildgebend findet sich häufig nach langjährigem Alkoholabusus eine zerebrale Atrophie. Weiteres Epilepsie, fokale. 3
Therapie Langfristig unabdingbar ist Alkoholkarenz. Im akuten Entzug ggf. antidelirante Therapie ( Delir). Weiteres Epilepsie, fokale. 3
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Prognose Epilepsie, fokale
tiven oder neurologischen Defizite, z. T. aber Teilleistungsstörungen. Im interiktualen EEG altersentsprechende Grundaktivität und hochamplitudige Spikes(Waves) über der Zentrotemporal-, Parietotemporal- oder Parietookzipitalregion. Aktivierung der Spikes im Schlaf mit Tendenz zur Generalisation oder Seitenwechsel.
Einleitung Idiopathische fokale Epilepsie (nach der Klassifikation der International League against Epilepsy [1]).
Diagnostik Zur Abgrenzung gegenüber kryptogenen oder symptomatischen fokalen Epilepsien reichen normalerweise die typischen klinischen und elektroenzephalographischen Merkmale (typisch konfigurierte „Rolando-Spikes“) aus, eine Bildgebung ist in der Regel nicht erforderlich. 3
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Therapie
Epilepsie, benigne Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spikes
Meist gute therapeutische Erfolge. gesichert Als Mittel der 1. Wahl gelten Sultiam (Ospolot®, 10–15 mg/kg/d, als Zweimalgabe), Carbamazepin und Valproinsäure (häufig abendliche Einmalgabe ausreichend). 3
Rolando-Epilepsie, benigne Partialepilepsie mit zentrotemporalen Spikes
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Synonyme
Definition
Prognose
Im 3.–12. Lebensjahr beginnende Epilepsie mit polygenem Erbgang, gekennzeichnet durch kurze, einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)), häufig halbseitige orofaziale, z. T. auch komplex-fokale Anfälle. Die Semiologie der häufig schlafgebundenen Anfälle ist gekennzeichnet durch motorische ( myoklonische, klonische oder tonische Anfälle der fazialen oder pharyngealen Muskulatur, seltener der Extremitäten), häufig auch sensible (pharyngeale oder bukkale Parästhesien) Symptome; auch sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle kommen vor. Mit 15–20% häufigstes Epilepsiesyndrom des Kindes- und Schulkindesalters, Überwiegen des männlichen Geschlechts, ca. 2:1. Keine kogni-
In den meisten Fällen Ausheilung vor dem 16. Lebensjahr. Normale geistige und körperliche Entwicklung.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Ausreichend Schlaf, da Anfallsprovokation durch Müdigkeit.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399.
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Epilepsie, fokale
Epilepsie, Epilepsia partialis continua
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Epilepsie, fokale Synonyme Partielle Epilepsie, Herdepilepsie
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Diagnostik Bei der ersten Form Diagnostik hinsichtlich der zugrunde liegenden Läsion, bei Pharmakoresistenz ggf. auch unter epilepsiechirurgischen Gesichtspunkten ( Epilepsie, fokale). Zur Rasmussen-Enzephalitis siehe dort.
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Zwei ätiologische Formen: * Die erste, nicht altersgebundene Form ist auf fokale Hirnläsionen (z. B. Tumoren, Ischämien, traumatische Läsionen) in der Zentralregion zurückzuführen. * Beim zweiten Typ, der sich im 2.–10. Lebensjahr (Gipfel 6. Lebensjahr) bei zuvor neurologisch unauffälligen Kindern manifestiert und einen progredienten Verlauf mit Parese der betroffenen Extremität bzw. Halbseite, zusätzlichen Anfallsformen und dementieller Entwicklung zeigt, liegt eine chronisch-entzündliche Erkrankung einer Hirnhemisphäre ( Rasmussen-Enzephalitis) zugrunde; pathogenetisch werden eine virale bzw. autoimmunologische Genese diskutiert.
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Einleitung
Die Definition fokaler Epilepsiesyndrome gemäß der International League against Epilepsy [1] umfasst neben der Anfallsklassifikation weitere diagnostische Merkmale wie z. B. Ätiologie, Manifestationsalter, Genetik, Verlauf der Erkrankung und EEG-Befunde. Unterschieden werden symptomatische (nachweisbare Ursache), kryptogene (ohne Nachweis einer strukturellen Läsion, metabolischen Ursache oder familiären Disposition) und idiopathische (Altersbindung, familiäre Disposition, kein Nachweis einer strukturellen Läsion oder metabolischen Ursache) fokale Epilepsien. Weiterhin wird der Ausgangspunkt der epileptischen Entladungen zur lokalisatorischen Klassifikation des Epilepsiesyndroms ( Frontal-, Okzipital-, Parietallappen-, Temporallappenepilepsie) berücksichtigt. Weitere Syndrome: benigne Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spikes, Epilepsia partialis continua. 3
Sonderform des Status epilepticus mit einfachfokalen motorischen Anfällen mit über Tage bis Monate, z. T. Jahre anhaltenden rhythmischen oder arrhythmischen Myoklonien mit gleichbleibender Lokalisation, die streng unilateral sind und nur eine Extremität oder einzelne Muskelgruppen betreffen. Entsprechend der typischen Lokalisation der zugrunde liegenden Läsionen dominieren Hand und Gesicht. Persistenz häufig auch im Schlaf.
Definition
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Definition
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Kojewnikow-Syndrom, Kojewnikow-Status
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Synonyme
Diagnostik Anamnese (Anfallssemiologie, Hinweis auf zerebrale Läsionen oder Funktionsstörungen, familiäre Disposition) und neurologischer Befund liefern wesentliche Hinweise. EEG zum Nachweis (fokaler) epilepsietypischer Aktivität. Morphologisch und funktionell bildgebende Untersuchungen (MRT, SPECT, PET). Zum Ausschluss einer progredienten bzw. raumfordernden strukturellen Läsion sollte nach dem Beginn einer fokalen Epilepsie eine Magnetresonanztomographie durchgeführt werden. Ggf. neuropsychologische Diagnostik, insbesondere im Rahmen epilepsiechirurgischer Evaluation und rehabilitativer bzw. sozialmedzinischer Begutachtung.
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Therapie Therapie Bei der Epilepsia partialis continua infolge fokaler Läsionen der Zentralregion zumindest teilweises Ansprechen auf antikonvulsive Therapie, bei der Rasmussen-Enzephalitis sind alle bekannten Antiepileptika auf Dauer unwirksam. Zur Antiepileptikatherapie Epilepsie, fokale.
Antiepileptische Behandlung i. d. R. immer angezeigt, relative Therapieindikation bei einem ersten unprovozierten Anfall bei Nachweis einer zerebralen Läsion oder epilepsietypischer Aktivität im EEG. Therapieziel ist die vollständige Anfallsfreiheit bei guter Verträglichkeit der Medikation. Bei erwiesener Pharmakoresistenz, d. h. nach ausdosierter Monotherapie mit
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Epilepsie, Frontallappenepilepsie
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Die Behandlungsprognose kryptogener bzw. symptomatischer fokaler Epilepsien ist sehr unterschiedlich und hängt von vielfältigen unbekannten und bekannten Faktoren ab, wie z. B. Ätiologie, Lokalisation des epileptogenen Fokus, neurologische bzw. psychische Defizitsymptomatik und Erkrankungsalter.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Der Patient sollte bezüglich einer therapieunterstützenden Lebensführung informiert werden, insbesondere sollten ausgeprägter Schlafmangel, individuell anfallsauslösende Ursachen und Alkoholkonsum vermieden werden. In Einzelfällen Effekt mit verhaltenstherapeutischen („Anfallsselbstkontrolltraining“) und Biofeedback-Verfahren.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989) Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399.
Synonyme Frontalhirnepilepsie
Definition Epilepsien des Frontalhirns werden nach der Lokalisation des epileptogenen Fokus in frontopolare, frontoorbitale, frontozinguläre, supplementärmotorische und dorsolaterale Epilepsien eingeteilt. Davon abgegrenzt werden Epilepsien der präzentralen motorischen Rinde. Bei z. T. sehr unterschiedlicher Anfallssemiologie bestehen Gemeinsamkeiten der bei Frontallappenepilepsien auftretenden einfach- und komplex-fokalen Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler); Anfall, komplex-fokaler) in meist sehr kurzer Dauer (häufig ≤30 s), fehlender oder nur sehr kurzer postiktualer Verwirrtheit, gehäuft nächtlichem Auftreten, hoher Frequenz und Neigung zu Status epileptici. 1. Frontopolare Epilepsien: Neben initialem Bewegungsstopp und Kontaktverlust („Pseudoabsence“) können Versivbewegung von Kopf und Augen, axiale klonische Zuckungen, Stürze und vegetative Symptome auftreten. 2. Frontoorbitale Epilepsien: Typisch sind komplexe (gesturale, ambulatorische) und z. T. sprachliche Automatismen, olfaktorische Halluzinationen und vegetative Phänomene. 3. Frontozinguläre Epilepsien: „Hypermotorische“ Anfälle mit komplexen Bewegungen der Extremitäten, teilweise auch des Rumpfes, z. B. Strampeln, Lauf-, Beckenbewegungen. Häufig lautes Schreien oder Stöhnen, z. T. auch sexuell gefärbte genitale Manipulationen, vegetative Phänomene und Änderung von Affekt oder Stimmung. Cave: Anfälle häufig als psychogen fehlgedeutet! 4. Supplementärmotorische Epilepsien: Abrupt beginnende tonische Haltungsanfälle, häufig mit charakteristischer Stellung der Extremitäten („Fechterstellung“). Meist erhaltenes Bewusstsein, aber Spracharrest. Die sekundäre Generalisation kann durch eine Versivbewegung vom Fokus weg eingeleitet werden. Möglich ist eine sensible Aura der Extremitäten. 5. Dorsolaterale Epilepsien: 3
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Prognose
Epilepsie, Frontallappenepilepsie
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zwei Medikamenten der ersten Wahl und zwei Präparaten der zweiten Wahl in Kombination mit einem der ersten Wahl, sollte die Indikationsstellung zu einem epilepsiechirurgischen Eingriff überprüft werden. Medikamente der 1. Wahl sind Carbamazepin bzw. Oxcarbazepin und Valproinsäure, alternativ sind auch Lamotrigin und Gabapentin für die Monotherapie zugelassen. Wegen ihres Nebenwirkungsspektrums sind Phenytoin und Phenobarbital mittlerweile als Substanzen der 2. Wahl anzusehen, die aber im Einzelfall bei guter Effektivität und Verträglichkeit weiterhin ihre Berechtigung haben. Lässt sich durch Ausdosierung von Antiepileptika der 1. Wahl keine Anfallsfreiheit erzielen, sollte zunächst mit einem zweiten Antiepileptikum kombiniert werden. Als günstig hat sich z. B. die Kombination aus Valproinsäure und Lamotrigin erwiesen, da beide Präparate eine hohe Wirksamkeit besitzen und eine Dosiseinsparung von Lamotrigin möglich ist. Mittlerweile gibt es eine Reihe weiterer Antiepileptika zur Kombinationstherapie, z. B. Tiagabin, Topiramat, Vigabatrin.
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Epilepsie, generalisierte
Epilepsie, generalisierte Definition Die Definition generalisierter Epilepsiesyndrome gemäß der International League against Epilepsy [1] umfasst neben der Anfallsklassifikation weitere diagnostische Merkmale wie z. B. Ätiologie, Manifestationsalter, Genetik, Verlauf der Erkrankung und EEG-Befunde. Unterschieden werden idiopathische (Altersbindung, familiäre Disposition, kein Nachweis einer strukturellen Läsion oder metabolischen Ursache), kryptogene (ohne Nachweis einer strukturellen Läsion, metabolischen Ursache oder familiären Disposition) und symptomatische (nachweisbare Ursache) generalisierte Epilepsien. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind Epilepsiesyndrome mit rasch sekundär generalisierenden Anfällen. Einzelne Syndrome sind juvenile Absencen, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie), juvenile myoklonische Epilepsie, Aufwach-Grandmal-Epilepsie, West-Syndrom, LennoxGastaut-Syndrom. 3
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Einfach- oder komplex-fokale Anfälle mit tonischen Beuge-, Propulsiv- oder Versivbewegungen des Kopfes, der Extremitäten und des Rumpfes sowie Spracharrest. 6. Epilepsien der motorischen Rinde: Einfach-fokale Anfälle, Symptomatik entsprechend der Topographie der Präzentralregion: Im Bereich des unteren prärolandischen Areals Spracharrest bzw. Aphasie, tonisch-klonische Zuckungen der kontralateralen Gesichtsmuskulatur oder Schlucken. Im rolandischen Areal fokal-motorische, in der Regel klonische Anfälle mit oder ohne Jackson-March. 7. Sonderform: Autosomal-dominante familiäre nächtliche Frontallappenepilepsie, der Mutationen des neuronalen nikotinischen Azetylcholinrezeptorgens auf Chromosom 20q mit Veränderungen der α-4-Untereinheit des Rezeptors zugrunde liegen. Beginn der nächtlichen, in schweren Fällen auch zusätzlich tags auftretenden Anfälle in der ersten beiden Lebensdekaden.
425
Diagnostik
gesichert Substanzen der 1. Wahl sind Valproinsäure und Lamotrigin mit guter Wirksamkeit gegenüber allen bei generalisierten Epilepsien auftretenden Anfallstypen. Behandlungsalternativen sind Ethosuximid bei Absencen und Phenobarbital (bzw. Primidon) sowie Topiramat bei ansonsten therapieresistenten generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Ist trotz ausdosierter Monotherapien eine Therapieresistenz festzustellen, ist eine Kombinationsbehandlung indiziert, wobei Valproat und Lamotrigin als sehr effektiv gelten. 3
3
3 3 3
unwirksam/obsolet Phenytoin i. d. R. nicht und
3
3
Zu Therapie, Nachsorge, Bewertungen, Prognose, Diätetik siehe unter Epilepsie, fokale.
Therapie
3
1. Der Anfallsursprung kann in einer klinisch „stummen“ Region liegen, wobei die Initialsymptomatik dann keinen lokalisatorischen Wert hat, sondern lediglich Ausdruck der Propagation in eloquente Kortexareale ist. 2. Initiale Anfallsaktivität mittels Oberflächenelektroden häufig nicht erfassbar, u. a. da große Anteile des Frontalhirns von der Kalotte weit entfernt liegen. Im OberflächenEEG nicht selten „generalisierte“ epileptische Aktivität durch sekundäre bilaterale Synchronisation (rasche Überleitung zur Gegenseite über anteriore Kommisurfasern). 3. Häufig große Ausdehnung des epileptogenen Areals (kein eng eingrenzbarer Fokus). 4. Epileptogene Läsionen nicht selten bildgebend schwer darstellbar oder sehr klein (z. B. fokale kortikale Dysplasien).
Wichtige Hinweise ergeben sich aus der Anamnese (Alter bei Beginn, Anfallssemiologie, tageszeitliche Bindung der Anfälle, familiäre Disposition). EEG zum Nachweis generalisierter epilepsietypischer Aktivität. Bei kryptogenen bzw. symptomatischen generalisierten Epilepsien morphologisch und funktionell bildgebende Diagnostik. Zu Einzelheiten s. einzelne Epilepsiesyndrome.
3
Lokalisationsdiagnostik (klinisch, EEG, Magnetenzephalographie, Bildgebung) aus folgenden Gründen häufig schwierig:
3
Diagnostik
Vigabatrin
E
3
Epilepsie, Impulsiv-Petit-Mal-Epilepsie
sowie Tiagabin sind kontraindiziert wegen der Gefahr der Anfallsprovokation, insbesondere bei Absencen. 3
3
Prognose S. einzelne Epilepsiesyndrome.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Der Patient sollte bezüglich einer therapieunterstützenden Lebensführung informiert werden, insbesondere sollten ausgeprägter Schlafmangel, individuell anfallsauslösende Ursachen und Alkoholkonsum vermieden werden.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989) Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399
Epilepsie, Impulsiv-Petit-MalEpilepsie Epilepsie, juvenile myoklonische
Einleitung Idiopathische generalisierte Epilepsie (nach der Klassifikation der International League against Epilepsy [1]).
Diagnostik Bei typischer Anfallssemiologie, typischen interiktualen und iktualen EEG-Veränderungen, normaler Intelligenz und unauffälligem neurologischen Status keine ausgedehnte diagnostische Abklärung erforderlich. Dagegen kranielles MRT und u. U. Video-EEG bei pathologischem neurologischen Untersuchungsbefund, mentaler Retardierung, Therapieresistenz oder fokalen Zeichen im EEG.
Therapie gesichert Valproinsäure. Mittel der ersten Wahl ist Ebenfalls effektiv ist Lamotrigin sowohl gegen myoklonische als auch gegen GrandMal-Anfälle. Bei nicht ausreichender Wirksamkeit dieser Substanzen in Monotherapie kann eine Kombinationsbehandlung versucht werden. Bei Therapieresistenz der myoklonischen Anfälle Versuch der Add-on-Therapie mit Ethosuximid, tonisch-klonische Anfälle können die zusätzliche Gabe von Phenobarbital oder Primidon erfordern. 3
empirisch Clonazepam und Clobazam sollten wegen ihres sedativen Effektes und der Gefahr der Toleranzentwicklung für therapierefraktäre Fälle reserviert bleiben. Einzelfallberichte deuten auf die Wirksamkeit von Topiramat [2] hin. 3
3
unwirksam/obsolet Unwirksam sind
Carbamazepin,
3
Idiopathische generalisierte Epilepsie mit generalisierten myoklonischen Anfällen, tonisch-klonischen Anfällen (ca. 90%) und seltener auch Absencen (ca. 10%). Bevorzugtes Manifestationsalter 12.–18. Lebensjahr, genetische Prädisposition (Chromosom 6p bzw.15q), keine Geschlechtspräferenz, normale psychomentale und körperliche Entwicklung. Massive, blitzartige, bilateral-synchrone, isolierte oder salvenartige myoklonische Anfälle, bevorzugt nach dem Erwachen bzw. vormittags mit Provokation durch Schlafdefizit oder Veränderung des gewohnten Schlafrhythmus. Anfallsaktivität bevorzugt im Bereich der oberen Extremität mit Abduktion im Schultergelenk und Extension der Arme sowie Spreizen der Finger. Bei
3
Definition
3
Janz-Syndrom,
3
Impulsiv-Petit-mal-Epilepsie, Janz-Herpin-Syndrom
3
Synonyme
3
3
Epilepsie, juvenile myoklonische
Einbeziehung der Beine Einknicken in den Knien, z. T. mit abrupten Stürzen. Möglich ist eine crescendoartige Zunahme der Myoklonien mit Übergang in generalisierte tonisch-klonische Anfälle. Im interiktualen EEG normale Grundaktivität, generalisierte singuläre Spikes oder irreguläre (Poly-)spike-wave-Komplexe (i. d. R. ≥3/s). Iktual irreguläre generalisierte Poly-spike(-wave)-Komplexe von 2–6/s. Der psychopathologische Befund ist häufig dem der Grand-Mal-Epilepsie, Aufwach-GrandMal ähnlich. 3
426
Pheny-
3
3
3
Epilepsie, MERRF („myoclonic epilepsy with ragged red fibers“) 3
Valproinsäure ist Mittel der ersten Wahl, Lamotrigin wird aber zukünftig möglicherweise aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsspektrums zumindest als gleichwertig einzustufen sein. Beide Medikamente führen viel seltener zu kognitiven Einbußen als Phenobarbital. Die Gefahr der Hepatotoxizität von Valproat ist in dieser Altersgruppe und bei diesem Epilepsiesyndrom als gering anzusehen.
Prognose Behandlungsprognose sehr gut, Anfallsfreiheit bei etwa 75–90%, schlechter bei langer Erkrankungsdauer vor Therapiebeginn. Sehr geringe Chance auf Ausheilung, nach Absetzversuchen der Medikation trotz Anfallsfreiheit ≥2 Jahre Rezidivrate ≥80%.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Essenziell sind Einhaltung eines konstanten Schlaf-Wach-Rhythmus (auch am Wochenende!), Vermeidung von Schlafentzug sowie Verzicht auf Kaffee, Tee und übermäßigen Alkoholgenuss vor dem Schlafengehen.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989) Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399. 2. Kellett MW, Smith DF, Stockton PA, Chadwick DW (1999) Topiramate in clinical practice: first year's postlicensing experience in a specialist epilepsy clinic. J Neurol Neurosurg Psychiatry 66:759–763.
Epilepsie, MERRF („myoclonic epilepsy with ragged red fibers“) Definition Syndrom aus der Gruppe der mitochondrialen Enzephalomyopathien, basierend auf mitochondrialen DNA-Punktmutation von t-RNAkodierenden Genen. Folge ist eine Störung bei der Synthese von Atmungskettenproteinen. Maternaler Erbgang, selten sporadische Fälle.
Diagnostik Im interiktualen Wach-EEG Grundrhythmusverlangsamung, physiologisches Schlafmuster meist nicht vorhanden. Generalisierte SpikeWave-Komplexe und Polyspikes, nicht selten auch fokale, vorwiegend okzipitale epilepsietypische Aktivität. Photosensibilität in ca. 30%. Während der Myoklonien generalisierte SpikeWave-Bursts möglich, bei den generalisierten und fokalen Anfällen entsprechendes EEG-Anfallsmuster. Im kraniellen CT und MRT evtl. hypodense bzw. hyperintense Läsionen im Marklager und Verkalkungen in den Basalganglien. Im PET Nachweis von Sauerstoff- und Glukosehypometabolismus im gesamten Kortex. Somatosensibel evozierte Potentiale: Riesenpotentiale mit verlängerter zentraler Überleitung. Muskelbiopsie: ragged red fibers (subsarkolemmale und interfibrilläre Ansammlung ultrastrukturell veränderter Mitochondrien), gelegentlich Vakatfett bei Fasernekrosen. Biochemische Charakterisierung der enzymatischen Defekte der Atmungskette. Molekulargenetischer Nachweis der entsprechenden Punktmutationen der mitochondrialen DNA.
Therapie Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive
Prognose Verlauf sehr variabel, letaler Ausgang beschrieben nach 3–30 Jahren. Progression in MELASoder Leigh-Erkrankung möglich. 3
3
Bewertung
Manifestationsalter 3–65 Jahre, Gipfel 5–14 Jahre. Kardinalsymptome: Polytope Myoklonien, vor allem als Aktions- und Intentionsmyoklonus, generalisierte tonisch-klonische oder fokale Anfälle, progrediente dementielle Entwicklung. Variable Symptome: Ataxie (zerebellär und/ oder sensibel, ca. 80%), Muskelschwäche, Optikusatrophie, Ertaubung (je ca. 40%), seltener auch Sensibilitätsstörungen (sensible Neuropathie und/oder Hinterstrangdegeneration), Katarakt und Spastik. Klinisches Bild oft nicht eindeutig, variabler Schweregrad und Symptomkombination, teils auch Overlap-Syndrome, z. B. mit MELAS.
3
toin, Vigabatrin und Tiagabin, u. U. sogar Gefahr der Anfallsprovokation.
427
E
Epilepsie, myoklonische, Säuglingsalter
Die frühinfantile myoklonische Enzephalopathie und die frühkindliche epileptische Enze-
Definition Heterogene Gruppe von zumeist autosomal-rezessiv vererbten Erkrankungen mit gemeinsamen Kernsymptomen: Progressive Epilepsie mit Myoklonien, generalisierten klonischen, tonisch-klonischen und auch fokalen Anfällen ( Anfall, klonischer; Anfall generalisiert tonisch-klonischer; Anfall fokaler) sowie dementieller Abbau. Zusätzlich für die einzelnen Entitäten charakteristische zerebelläre, extrapyramidale, visuelle oder okulomotorische Störungen. Abgesehen von den frühkindlichen Formen liegt das bevorzugte Manifestationsalter im 6. bis 20. Lebensjahr, der Verlauf ist chronisch mit unterschiedlich rascher Progredienz.
Einleitung Progressive Myoklonusepilepsien sind Bestandteil der baltischen und mediterranen Form des Unverricht-Lundborg-Syndroms, der Lafora-Einschlusskörperkrankheit, der neuronalen Zeroidlipofuszinose (Typ Jansky-Bielschowsky, Lake-Cavanagh, Spielmeyer-VogtSjögren, Kufs), der Gaucher-Krankheit Typ III, der GM2-Gangliosidose Typ III, der Sialidose Typ I sowie von mitochondrialen Enzephalomyopathien. Epilepsie, MERRF („myoclonic epilepsy with ragged red fibers“) und Epilepsie, 3
Therapie
Epilepsie, Myoklonusepilepsie, progressive
3
Bei frühkindlichen myoklonischen Epilepsien mit progredientem Verlauf müssen hinsichtlich der Ätiologie insbesondere metabolische Störungen berücksichtigt werden, z. B. Pyridoxinabhängigkeit, nicht-ketotische Hyperglyzinämie und D-Glyzerinazidämie (Nachweisverfahren siehe neuropädiatrische Fachliteratur). Differenzialdiagnostisch muss auch an progressive Myoklonusepilepsien gedacht werden. Häufig finden sich auch strukturelle zerebrale Läsionen, z. B. Fehlbildungen. Im EEG bei den schwer verlaufenden Formen keine normal entwickelte Hintergrundaktivität, bilateral synchrone oder asynchrone Paroxysmen aus Spikes, Sharp-Waves und SlowWaves, unterbrochen durch Strecken flacher bis fehlender Aktivität bis hin zum Burst-Suppression-Muster. Bei der benignen myoklonischen Epilepsie des Kleinkindesalters hingegen altersentsprechende Hintergrundaktivität und iktuale, seltener interiktuale generalisierte Spitzenpotentiale.
Bei der frühinfantilen myoklonischen Enzephalopathie und der frühkindlichen epileptischen Enzephalopathie mit Suppression-Bursts ungünstiger Verlauf, insbesondere beim ersten Syndrom nicht selten Tod bereits im 1. Lebensjahr. Eine gute Prognose weist die benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters auf.
3
Diagnostik
Prognose
3
Sammelbegriff für verschiedene, in der Regel schwer verlaufende Epilepsien mit Beginn im Säuglingsalter, gekennzeichnet durch polytope oder bilaterale massive Myoklonien, bzw. myoklonische, z. T. auch tonische, fokale und tonisch-klonische Anfälle, Stillstand oder Rückschritt der psychomotorischen Entwicklung sowie Therapieresistenz. Unterschieden werden die frühinfantile myoklonische Enzephalopathie (Beginn meist vor 3. Lebensmonat), die frühkindliche epileptische Enzephalopathie mit Suppression-Bursts (Ohtahara-Syndrom, Beginn in den ersten Lebenswochen) und die schwere myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters (Beginn im 1. Lebensjahr). Aufgrund ungleich besserer Behandlungs- und Entwicklungsprognose ist die benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters (idiopathische generalisierte Epilepsieform, nur myoklonische Anfälle, Beginn 2. Lebensmonat bis 2. Lebensjahr) gesondert zu nennen.
3
Definition
phalopathie mit Suppression-Bursts sind therapeutisch kaum beeinflussbar. Während die schwere myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters häufig therapieresistent ist, spricht die benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters meist sehr gut auf Valproinsäure an.
3
Epilepsie, myoklonische, Säuglingsalter
3
428
Epilepsie, Parietallappenepilepsie
MELAS ( „mitochondrial encephalomyopathy, lactic acidosis, stroke-like episodes“). 3
Diagnostik Zur Syndromdiagnose führen spezielle Untersuchungen (z. B. Urin, Haut-, Leber-, Hirn-, Knochenmarkbiopsie zur Erfassung metabolischer bzw. morphologischer Marker oder DNA-Analyse). Im interiktualen EEG neben einer häufig progredienten Verlangsamung der Grundaktivität ν- und δ-Rhythmen sowie (multi-)fokale (häufig okzipital) und generalisierte Spikes, Poly-Spike-Waves und zum Teil Photosensibilität.
Therapie gesichert Antiepileptika der 1. Wahl sind Valproinsäure Benzodiazepine, wobei häufig hohe und Dosen erforderlich sind. Als häufig effektiv hat sich die zusätzliche Gabe von Piracetam 7–24 g/d in 2 Einzeldosen erwiesen [1].
429
3. Uldall P, Buchholt JM(1999). Clinical experiences with topiramate in children with intractable epilepsy. Europ J Paediatr Neurol 3:105–111. 4. Genton P (2000). Levetiracetam bei myoklonischen Syndromen. Vortrag Deutsch-Österreichisch-Schweizer Arbeitskreis Epilepsie, SilsMaria, 8.4.2000.
Epilepsie, Okzipitallappenepilepsie Synonyme Okzipitalhirnepilepsie
Definition
unwirksam/obsolet Nicht nur als unwirksam, sondern als kontraindiziert ist Phenytoin wegen der Gefahr der Anfallsprovokation und Kleinhirnschädigung anzusehen.
Für Okzipitallappenepilepsien sind einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) mit visueller Symptomatik typisch ( Anfall, visueller), gelegentlich kombiniert mit Augen- oder Lidbewegungen bzw. - kloni oder Version von Augen und Kopf. Der genannten Symptomatik kann eine Aura in Form von migräneartigem Kopfschmerz mit Tinnitus, Schwindel (Eindruck schwankender Umgebung) und Wahrnehmung einer Oszillation der Augen oder des ganzen Körpers vorangehen. Bei Anfallspropagation Entwicklung komplex-fokaler Anfälle mit Symptomen wie bei temporal-neokortikalen, hippokampalen, amygdalären, parietalen oder supplementär-motorischen Epilepsien bzw. sekundäre Generalisation.
Prognose
Diagnostik
Epilepsie, fokale
Epilepsie, Parietallappenepilepsie Synonyme Parietalhirnepilepsie
Definition Einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) bei Parietallappenepilepsien sind vielgestaltig mit sensorischen bzw. sensiblen, positiven oder negativen Phänomenen. Bei Anfallsausbreitung Übergang in komplex-fokale 3
3
1. Genton P, Guerrini R, Remy C (1999). Piracetam in the treatment of cortical myoclonus. Pharmacopsychiatry 32 Suppl 1:49–53. 2. Leppik IE (1999). Zonisamide. Epilepsia 40 Suppl 5:23–29.
Epilepsie, fokale
Therapie 3
3
Literatur
3
3
Als supportive Maßnahme zur medikamentösen Therapie kann eine ketogene Diät in Erwägung gezogen werden.
3
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
3
3
Die Progredienz der Erkrankung variiert in Abhängigkeit von der jeweiligen Entität sehr stark. Während z. B. die Lafora-Krankheit innerhalb von 5–10 Jahren zum Tod führt, schreitet die mediterrane Form des Unverricht-LundborgSyndroms langsam über Jahrzehnte bei meist nur geringer Behinderung fort.
3
empirisch Einzelfallberichte belegen die Wirksamkeit von Zonisamide (400–600 mg/d) in 2 Einzeldosen [2], Topiramat [3]und Levetiracetam [4].
E
Epilepsie, Reflexepilepsie
Einleitung Gemäß der Klassifikation der International League against Epilepsy [1] werden Leseepilepsien den idiopathischen fokalen Epilepsien zugerechnet, durch andere höhere zerebrale Leistungen ausgelöste Epilepsien sind meist generalisiert, Epilepsien mit Auslösung durch taktile oder propriozeptive Reize treten zumeist als fokale Epilepsien bei erworbenen Läsionen auf.
Diagnostik Klinik: Konstante Beziehung zwischen definierbarem auslösenden Ereignissen und dem anschließenden Auftreten von spezifischen, gleichförmigen Anfällen, Epilepsie, fokale; Epilepsie, generalisierte.
Therapie Zur medikamentösen Therapie Epilepsie, fokale; Epilepsie, generalisierte 3
3
3
Diagnostik
tenz durch einfache Sinnesreize mit hoher Reizintensität ausgelöst, bei letzteren ist die Intensität unwesentlich, die Auslöser sind hochspezifisch (z B. Hören eines bestimmten Musikstücks) und teilweise ist sogar mentale Reizantizipation anfallsauslösend.
3
Anfälle möglich. Bei Einbeziehung des Lobulus paracentralis ist eine sekundäre Generalisierung besonders häufig. Positivsymptome (z. B. Kribbeln, „Elektrisieren“, Gefühl der Kälte/Steife, Dysästhesien, Schmerzen, Gefühl/Drang des Bewegens eines Körperteils) finden sich am häufigsten in Körperteilen mit ausgedehnter postzentraler Repräsentation (Gesicht, Zunge, Arm, Hand), wobei eine Propagation im Sinne eines sensiblen Jackson-Anfalls möglich ist. Übelkeit oder Gefühle des Sinkens bzw. Erstickens treten besonders bei Einbeziehung des unteren seitlichen Parietallappens, Metamorphopsien besonders bei Entladungen der nichtdominanten Hemisphäre auf, auch andere visuelle Symptome sind möglich. Negativsymptome (z. B. Gefühl der Taubheit, Erstarrung oder des Fehlens eines Körperteils, sensorische Sprachstörung) finden sich besonders bei links-parietalen Anfällen. Möglich sind bei Einbeziehung der suprasylvischen Region Drehschwindel, des linken hinteren Parietallappens rezeptive oder Leitungsstörungen der Sprache, des Lobulus paracentralis beidseitige Sensibilitätsstörungen der Beine und Angst, sexuelle Sensationen sowie tonische Phänomene als Schalensymptome.
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430
Prognose Unterschiedliche Verläufe.
Epilepsie, fokale
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Therapie Epilepsie, fokale
3
Epilepsie, Reflexepilepsie Synonyme Sensorisch ausgelöste Epilepsie (Teilform)
Wesentlich zum Therapieerfolg trägt die Vermeidung der spezifischen Auslöser bei, ggf. mit entsprechenden Hilfsmitteln (z. B. spezielle polarisierende Brillen).
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399.
Definition Epilepsie mit Anfallsauslösung durch sensorische Reize (z. B. optisch, akustisch, musikogen, vestibulär, taktil, gustatorisch, olfaktorisch, propriozeptiv), Bewegungen oder komplexe mentale Prozesse (Entscheidungen, Kopfrechnen, Lesen, Schreiben, Karten- oder Schachspiel). Den größten Anteil nehmen optisch ausgelöste Anfälle ein. Unterschieden werden einfache und komplexe Reflexepilepsien. Erstere werden mit kurzer La-
Epilepsie, Sturge-Weber-Syndrom Synonyme Symptomatische fokale Epilepsie bei SturgeWeber-Erkrankung
Definition Eine fokale Epilepsie tritt bei der Sturge-
Epilepsie, symptomatische, nach Hirninfarkt
Eine günstige Prognose hinsichtlich epilepsiechirurgischer Maßnahmen haben Patienten mit geringen neurologischen Defiziten.
Epilepsie, symptomatische, nach Hirninfarkt Synonyme Vaskuläre Epilepsie
Definition Symptomatische fokale Epilepsie, bedingt durch vorausgegangene(n) Hirninfarkt(e). Risikofaktoren sind kortikale Beteiligung, insbesondere im Mediastromgebiet, embolische Infarkte und PLEDs (periodic lateralized epileptiform discharges) im EEG. Ein Großteil der epileptischen Anfälle nach Hirninfarkten tritt innerhalb der ersten Woche auf und ent-
Indikation zur antiepileptischen Therapie nach dem zweiten unprovozierten Anfall. Erstmanifestation als Status epilepticus oder besondere Gefährdung durch Anfälle (z. B. ausgeprägte kardiale Grunderkrankung oder Marcumartherapie) rechtfertigen auch Therapiebeginn nach dem ersten Anfall. Zu berücksichtigen sind die besonderen pharmakologischen Gegebenheiten der zumeist älteren und multimorbiden Schlaganfallpatienten ( Alter, Antiepilepika). gesichert Meiste Erfahrungen zwar für die Standardantiepileptika Carbamazepin bzw. Phenytoin, dennoch sind sie aufgrund komplexer Pharmakokinetik und enzyminduzierender Wirkung nicht ideal; allerdings in der Regel auch eher geringe Tagesdosen (Carbamazepin 400–800 mg, Phenytoin 200–250 mg) erforderlich [3]. Gut geeignet zur Behandlung vaskulärer Epilepsien sind aufgrund guter Verträglichkeit und weitgehend fehlender Interaktionen Lamotrigin und Gabapentin. Valproinsäure wird zwar zumeist ebenfalls gut vertragen, kann aber zu einer erhöhten Blutungsneigung beitragen. unwirksam/obsolet Phenobarbital und Primidon sind wegen negativ psychotroper Effekte und kognitiver Leistungsminderung bei den zumeist älteren Patienten eher kontraindiziert. 3
3
Prognose
Therapie
3
Medikamentöse Therapie Epilepsie, fokale. Da sich Anfälle beim Sturge-Weber-Syndrom häufig als pharmakoresistent erweisen, können epilepsiechirurgische Maßnahmen indiziert sein. Je nach Ausmaß der Veränderungen umschriebene kortikalen Resektionen, Entfernung kalzifizierter Areale oder Hemisphärektomie. Als Palliativmaßnahme, z. B. bei Multifokalität, auch Kallosotomie. Wegen des fortschreitenden Charakters der Erkrankung ist eine frühzeitige Operation anzustreben.
Zu der bei zerebrovaskulären Ereignissen üblichen Diagnostik sollten aus prognostischen Gründen auch immer EEG-Untersuchungen zählen. Da Anfälle und Todd´sche Paresen häufig zur Fehldiagnose Reinfarkt führen, sollten diese differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden und Anlass zu EEG-Kontrollen geben.
3
Therapie
Diagnostik
3
Bezüglich prognostischer Aussagen und zur Planung epilepsiechirurgischer Maßnahmen ist die Erfassung des vollen Ausmaßes der leptomeningealen und zerebralen Veränderungen notwendig. Zusatzinformationen bringt die Darstellung hypoperfundierter Areale mittels SPECT, die als epileptogene Foci in Betracht kommen und durch CCT oder MRT nicht ausreichend erfasst werden.
3
Diagnostik
spricht akuten Gelegenheitsanfällen, die Häufigkeit rezidivierender Anfälle im Sinne einer vaskulärer Epilepsie wird mit ca. 3–17% angegeben [1]. Am häufigsten treten einfach-fokale motorische Anfälle auf, etwa zur Hälfte mit sekundärer Generalisierung [2]. Seltener sind komplex-fokale Anfälle, diese sollten differenzialdiagnostisch bei „verwirrten“ Patienten nach Schlaganfall berücksichtigt werden.
3
Weber-Erkrankung in etwa 90% auf, häufig mit okzipitalem Anfallsursprung. Schweregrad und Anfallssemiologie variieren, am häufigsten kommen einfach-fokale visuelle und motorische Anfälle vor, häufig mit sekundärer Generalisierung und Todd’scher Parese.
431
E
432
Epilepsie, Tay-Sachs-Syndrom
Prognose
Diagnostik
Im Vergleich zu anderen symptomatischen fokalen Epilepsien zeigen vaskuläre Epilepsien in der Regel einen günstigeren Verlauf und geringere Pharmakoresistenz. In einer retrospektiven Untersuchung waren in 2 Jahren 65% der Patienten anfallsfrei, 23% hatten lediglich 1–3 Anfälle/Jahr und nur 12% wiesen bis zu 12 Anfälle/Jahr auf [4].
Charakteristisch ist der sog. kirschrote Fleck in der Fovea centralis. Im interiktualen EEG finden sich eine Verlangsamung der Grundaktivität und multifokale Spikes und Poly-SpikeWaves. Nachweis des Enzymdefektes in Leukozyten oder Fibroblasten.
Therapie Symptomatische Therapie der Anfälle, z. B. mit Benzodiazepinen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
Prognose Letaler Ausgang nach 2–3 Jahren.
1. Pohlmann-Eden B, Hoch DB, Cochius JI, Hennerici MG (1996). Stroke and epilepsy: Part I: Epidemiology and risk factors. Cerbebrovasc Dis 6:332–338. 2. Pohlmann-Eden B (1999). Schlaganfall-EpilepsieSyndrome – Eine gesundheitsökonomische und akademische Herausforderung. Epilepsieblätter 12:94–100. 3. Krakow K, Pohlmann-Eden B (1999). Epilepsien und epileptische Anfälle im höheren Lebensalter. Dtsch Med Wschr 124:567–572. 4. Lühdorf K, Jensen L, Plesner AM (1986). Epilepsy in the elderly: Incidence, sozial function, and disability. Epilepsia 27:458–463.
Epilepsie, Temporallappenepilepsie Synonyme Temporalhirnepilepsie
Definition Temporallappenepilepsien äußern sich durch einfach-fokale Anfälle mit vegetativen, sensorischen, dysmnestischen oder psychischen Symptomen, häufig mit Übergang in komplex-fokale Anfälle mit oroalimentären und manuellen Automatismen, für die eine Amnesie besteht, bzw. sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle. Anfälle häufig mit zykloleptischer (clusterhafter) Häufung mit längeren freien Intervallen. Je nach Ursprung der epileptischen Aktivität Unterscheidung zwischen amygdalohippokampaler (syn. mesialer, mediobasaler, limbischer), lateral-neokortikaler und insulärer (syn. operkulärer) Temporallappenepilepsie. 1. Amygdalohippokampale Epilepsien (70– 80%): Auren mit epigastrischer Symptomatik ( Aura, epigastrische), Déjà- bzw. Jamais vu-Gefühl, Angst, Illusionen oder Halluzinationen. Häufig begleitende vegetative Symptome wie Blässe oder Erröten, insbesondere bei amygdylären Formen. Bei Ausbreitung nach frontal entsprechende Symptomatik der komplex-fokalen Anfälle möglich, z. B. motorische Hyperaktivität von Rumpf und Extremitäten ( Epilepsie, Frontallappenepilepsie). 2. Lateral-neokortikale Temporallappenepilep3
3
Literatur
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3
3
Im Säuglingsalter beginnende, autosomal-rezessiv erbliche Speicherkrankheit (Gangliosidose) infolge Enzymdefekts der Hexosaminidase A. Typisch sind progredienter Visusverlust (tapetoretinale Degeneration infolge Speicherung von GM2-Gangliosid und Zeramidtrisaccharid), psychomotorische Entwicklungsverzögerung, Muskelhypotonie und später Rigor. Ab dem frühesten Lebensalter treten akustisch induzierte Schreckreaktionen mit tonischer Flexionsbewegung der Extremitäten und spontane und/oder stimulus-induzierte Myoklonien auf, ab dem 2. Lebensjahr zusätzlich fokale und tonisch-klonische Anfälle ( Anfall, fokaler; Anfall, generalisiert tonisch-klonischer).
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Definition
3
GM2-Gangliosidose Typ I
3
Synonyme
3
Epilepsie, Tay-Sachs-Syndrom
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3
3
Epley-Manöver
durch Anfälle und Vermeidung der Epileptogenese durch Frühanfälle ( „kindling“), z. B. mit Carbamazepin 400–800 mg/d oder Phenytoin 200–300 mg/d. Therapie bei chronischer traumatischer Epilepsie, Epilepsie, fokale. 3
3
sien: Kennzeichnend sind einfach-fokale Anfälle mit auditiven oder visuellen (z. B. Illusionen, Halluzinationen) Symptomen, aber auch „Dreamy states“, begleitet oder gefolgt von Orientierungs- und Sprachstörungen bei Befall der dominanten Hemisphäre sowie gelegentlich Kopfwendung und Starren. 3. Insuläre Epilepsie: Bezeichnend sind entweder auditive oder vestibuläre Anfälle und vegetative Symptome oder einseitige Gesichtsparästhesien oder - myoklonien.
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Prognose Frühanfälle werden, abhängig von der Schwere des Traumas, in ca. 2–35% beobachtet, eine posttraumatische Epilepsie entwickelt sich bei schweren Fällen (Glasgow-Coma-Scale ≤8) in 10–35%, nach leichterem Schädelhirntrauma (Glasgow-Coma-Scale ≥9) in etwa 5–15%.
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Diagnostik Diätetik/Lebensgewohnheiten
Epilepsie, fokale
3
3
Therapie
Epilepsie, fokale
Epilepsie, fokale
Epley-Manöver
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Epilepsie, traumatische
Synonyme
Synonyme Posttraumatische Epilepsie
Deliberationsmanöver
Definition
Definition
3
Diagnostik Epilepsie, fokale
3
Therapie Effektivität prophylaktischer Therapie aufgrund heterogener Studienergebnisse umstritten. Sinnvoll erscheint sie nur in den ersten Wochen zur Vermeidung zusätzlicher zerebraler Schädigung
Therapeutische Maßnahme beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel mit dem Ziel, das abgelöste Material der Otolithen aus dem hinteren Bogengang zu entfernen. 3
Häufigkeit epileptischer Anfälle nach Schädelhirntrauma 3–30%, abhängig vom Schweregrad. Etwa 5% aller Epilepsien sind posttraumatisch. Diagnosestellung einer posttraumatischen Epilepsie erst beim wiederholten unprovozierten Auftreten von Anfällen nach ≥1 Woche nach Trauma (sog. Spätanfälle). Zwei Drittel manifestieren sich innerhalb von 2 Jahren. Risikofaktoren sind schwere, offene Traumata, intrazerebrales Blut oder Fremdkörper, ausgedehnte Defekte und ein persistierendes neurologisches Defizit. Gehäuft Status epileptici (bis 20%), v. a. bei frontalen Läsionen ( Status epilepticus, Grand-Mal-Status).
Grundlagen Wichtig bei der Durchführung des Epley-Manövers sind schnelle (< 1 sec) und energisch durchgeführte Bewegungen. Bei einigen Patienten ist daher eine antiemitische und sedative Prämedikation sinnvoll. Nach jeder Einzelbewegung soll eine Pause von 30 sec eingehalten werden. Begonnen wird mit einer 45°-Drehung des Kopfes zur betroffenen Seite in sitzender Position. Dann erfolgt die Lagerung des Patienten in Kopfseitenlage zur betroffenen Seite. Anschließend wird der Kopf um 90° zur Gegenseite bewegt. Nun wird der Patient bei zum Körper fixiertem Kopf um 90° in diese Richtung gedreht. Nun wird der Patient aufgerichtet. Abschließend wird gleichzeitig der Kopf in die Mittelposition gebracht und um 45° vornüber gebeugt.
E
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Epstein-Barr-Virus (EBV)
Epley-Manöver. Abb. 1: Selbstbehandlung des gutartigen Lagerungsschwindels
Epstein-Barr-Virus (EBV) 3
Enzephalitis, litis
unwillkürlicher Kontraktion von Magen-, Zwerchfellmuskulatur und Bauchpresse.
Epstein-Barr-Virus-Enzepha-
3
Erbrechen Synonyme Emesis, Vomitus
Definition Retrograde Entleerung des Mageninhaltes, eventuell auch des Ösophagusinhaltes infolge
Einleitung Protrahiertes Erbrechen führt durch Verlust von Nahrung, Flüssigkeit und Elektrolyten (Magensaft, Salzsäure) zu Hunger (Katabolismus, Azetonkörperbildung), Exsikkose (Hypovolämie), hypochlorämischer metabolischer Alkalose und Hypokaliämie (renale Genese und sekundären Hyperaldosteronismus). Bei vigilanzgestörten Patienten besteht immer die Gefahr einer Aspiration.
Erektionsstörung
Differenzialdiagnose Diagnostische Hinweise liefert die Konsistenz/ Aussehen des Erbrochenen: * Kaffeesatzartiges, durch Hämatin braun bis schwarz gefärbtes Erbrechen bei v. a. obere GI-Blutungen. * Fäkulentes Erbrechen (Misere) bei Ileus. * Galliges Erbrechen bei Stenosen aboral der Papilla Vateri. Suche nach Ursache: Anamnese, AbdomenSono, Endoskopie, EKG, Labor-Screening, CCT. Mögliche Ursachen: * Gastrointestinale Erkrankungen: – Viszerale Schmerzen, z. B. bei Gallenkolik – Entzündungen, z.B. Peritonitis, Gastroenteritis. – Passagestörungen, z. B. Ileus, Stenosen. – Z. n. Magenoperation, z. B. B II-Operation. * Erkrankungen des ZNS: – Meningitis. – Enzephalitis. – Erhöhter Hirndruck. – Zentral bedingter Schwindel. * Vestibuläre Ursachen, z. B. Morbus Meniere, Neuronitis vestibularis. * Intoxikationen, z. B. Alkohol und einige Medikamente, z. B. Zytostatika, Opiate. * Urämie. * Schwangerschaft. * Schmerzen verschiedener Ursache. * Exposition mit ionisierenden Strahlen. * Psychogene Ursachen, z. B. induziertes Erbrechen bei Anorexia nervosa.
Therapie Zuerst immer kausale Therapie. Symptomatisch: * Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. * Antiemetika: Aus ersichtlichen Gründen als Suppositorium oder i. v. * Dopaminantagonisten. * Antihistaminika. * Serotoninantagonisten. 3
Siehe
Übelkeit.
435
Erektionsstörung Synonyme Erektile Dysfunktion (ED)
Definition Unfähigkeit, eine ausreichende Erektion für einen befriedigenden Vollzug des Geschlechtsverkehrs zu erreichen oder aufrechtzuerhalten.
Einleitung Häufigste sexuelle Funktionsstörung des Mannes, in Deutschland sind schätzungsweise 4 Millionen Männer betroffen. Zu unterscheiden sind * Rein organische Ursachen, z. B. arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Operationen im kleinen Becken, endokrine Störungen, neurologische Erkrankungen, Medikamenteneinnahme (u. a. β-Blocker, Psychopharmaka, Hormonpräparate), Drogenkonsum. * Rein psychogene Ursachen, z. B. durch Stress, Partnerverlust, Scheidung, Arbeitsplatzverlust. * Eine Kombination organischer und psychischer Ursachen.
Diagnostik Grundlage ist die Erhebung einer ausführlichen Sexualanamnese, weiterhin sollte eine medizinische Basisdiagnostik erfolgen. Die Differenzierung zwischen organischen und psychogenen Ursachen wird unter anderem durch das Fehlen (bei organischen Störungen) bzw. Auftreten (bei psychogenen Störungen) spontaner oder nächtlicher Erektionen ermöglicht. Ggf. ist eine weiterführende andrologische Diagnostik indiziert.
Therapie gesichert 1. Orale medikamentöse Therapie a) Sildenafil [1] (Viagra®) ist ein peripher wirkender Phosphodiesterase-Hemmstoff. Sildenafil ist effektiv sowohl bei Patienten mit psychogener als auch mit überwiegend organischer ED, die Effektivität liegt bei 45–60%. Die Substanz hat keinen Einfluss auf die Libido. Bei Patienten mit rein psychogener Erektionsstörung kann eine Medikation mit Sildenafil die Dauer der Behandlung ver-
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Erektionsstörung
kürzen, die Behandlung der psychogenen Ursache muss jedoch im Vordergrund stehen. Bei organisch bedingter ED hat Sildenafil die beste Wirksamkeit bei Patienten mit arteriell bedingter Durchblutungsstörung. Bei neurogener ED nach Prostataresektion ist Sildenafil nicht wirksam. Die Wirkung tritt nach etwa 60 min ein und hält mehrere Stunden an. Die Initialdosis beträgt in der Regel 50 mg, je nach Effekt und Nebenwirkungen kann eine Anpassung auf 25 oder 100 mg erfolgen. Patienten über 65 Jahren, mit Niereninsuffizienz sowie Leberzirrhose sollten nur 25 mg einnehmen. Häufigere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Gesichtsrötung sowie Verdauungsstörungen. Wesentliche Kontraindikationen sind die gleichzeitige Einnahme von Nitraten, schwere Herz-Kreislauferkrankungen, kurz zurückliegender Schlaganfall, Hypotonie, schwere Leberinsuffizienz, Retinitis pigmentosa. Alternativ Gabe von Valdenafil (Levitra®). b) Apomorphin [3] (Uprima®, Ixense®) ist ein zentral wirksamer Dopaminagonist. Die Substanz (Dosierung initial 2 mg, ggf. 3 mg) wird bei Bedarf sublingual appliziert, der Effekt tritt überwiegend innerhalb von 20 min ein. Die Wirksamkeit scheint vergleichbar mit der von Sildenafil. Häufigere Nebenwirkungen sind Übelkeit, Kopfschmerz, Schwindel und Benommenheit, selten treten Synkopen auf. Wesentliche Kontraindikationen sind schwere, instabile Angina pectoris, kürzlich stattgehabter Myokardinfarkt, schwere Herzinsuffizienz und Hypotonie. c) Yohimbin [2] (Yocon-Glenwood®), ein zentral wirkender α2-Antagonist, ist vor allem bei psychogenen Störungen wirksam. Die Dosierung sollte an den ersten drei Einnahmetagen 3×5 mg betragen und bei Abwesenheit von Nebenwirkungen auf 3×10 mg erhöht werden. Die Wirkung tritt erst nach etwa 14 Tagen ein, die Einnahme sollte mindestens 6 Wochen erfolgen. An Nebenwirkungen werden Unruhe, Händezittern und Blutdruckdysregulation beobachtet. 2. Intraurethrale Applikation von Prostaglandin E1 (MUSE)Die Applikation von PGE1 (250–1000 μg) erfolgt mittels eines sterilen
Einmalsystems. Die Effektivität liegt (je nach Patientenkollektiv) bei 35–70%. Systemische Nebenwirkungen sind selten, lokal treten bei etwa einem Drittel penile Schmerzen und in 5% eine Hämaturie auf, Dauerfolgen sind sehr selten. Erstapplikation und Dosisadaptation erfolgen durch einen Urologen. 3. Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT)Bei der SKAT erfolgt die direkte Injektion von Prostaglandin E1 intrakavernös durch den Patienten. Die Effektivität beträgt 60–80%, im Gegensatz zu Sildenafil ist die Methode auch bei neurogener ED nach Operationen im kleinen Becken wirksam. Die systemischen Nebenwirkungen sind aufgrund der Applikationsform minimal, gefährlichste Nebenwirkung ist das Auftreten einer prolongierten (über 4 h) Erektion mit Gefahr der permanenten hypoxischen Schädigung der kavernösen Muskulatur, die eine umgehende Behandlung erfordert. Bei etwa einem Viertel der Anwender treten penile Schmerzen auf, die aber nur selten zum Therapieabbruch zwingen und oft im Verlauf attenuieren. 4. Penisprothese. empirisch Bei psychogen bedingter ED scheinen psychotherapeutische Verfahren (insbesondere verhaltenstherapeutische Methoden und vorzugsweise als Paartherapie) effektiv zu sein. Der Einsatz einer Vakuumpumpe ist nebenwirkungsarm und bei 80% der Patienten erfolgreich. Nachteilig sind der technische Aufwand und ein Abknicken des Penis an der Basis. Die Methode ist am ehesten sinnvoll für Patienten, bei denen andere Methoden erfolglos waren oder aufgrund von Nebenwirkungen zu gefährlich sind. Invasivste Therapieoption stellt die operative Implantation einer Penisprothese dar. Bei Ejakulationsstörung Versuch mit Yohimbin.
Literatur 1. Goldstein D et al. (1998) Oral sildenafil in the treatment of erectile dysfunction. N Engl J Med 338:1458–1459. 2. Vogt HJ et al.(1997) Double-blind, placebocontrolled safety and efficacy trial with yohimbine hydrochlorid in the treatment of nonorganic erectile dysfunction. Int J Impotence Res 9 (3):155–161.
437
Dihydroergocryptin, Bromocriptin, bergolin, Lisurid, Pergolid
Ca-
Unerwünschte Wirkungen 3
3
3
3
3
3. Padma-Nathan et al. (1998) Efficacy and safety of apomorphine SL vs placebo for male erectile dysfunction. J Urol 159:A920.
Ergotherapie
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Mutterkorn-Derivate, Ergolin-Derivate, ErgotAlkaloide (8-α-Aminoergoline)
Zubereitungen α-Dihydroergocryptin, Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid.
Wechselwirkungen Dihydroergocryptin, Bromocriptin, bergolin, Lisurid, Pergolid 3
3
Bewertung Cabergolin wird aufgrund der langen HWZ einmal am Tag eingenommen. Die Aufdosierung ist im Vergleich zu Bromocriptin, Lisurid, Pergolid relativ einfach. Bei diesen Präparaten empfiehlt es sich zur Steigerung der Compliance während der Aufdosierung Domperidon (Motilium®) 3×10–20 mg zu verabreichen.
Ergotherapie Synonyme Beschäftigungs- und Arbeitstherapie Hirninfarkt, Multiple Sklerose 3
3
In der historischen Reihenfolge ihrer Marktzulassung: * Bromocriptin: Bromocrel®, bromocriptin von ct, Bromocriptin AZU®, Bromocriptin beta®, Bromocriptin-ratiopharm®, Bromocriptin-TEVA®, kirim, Pravidel®; Tbl. zu 2,5 mg, Kaps. zu 5 mg und 10 mg. * Lisurid: Dopergin®; Tbl. zu 0,2 mg und 0,5 mg. * Pergolid: Parkotil®, Permax® (Österreich, Schweiz); Tbl. zu 0,05 mg (weißgelb in Startpackung), 0,25 mg (grün) und 1,0 mg (rosa). * α-Dihydroergocryptin: Almirid®, Cripar®; Kaps. zu 5 mg und Tbl. zu 20 mg mit Bruchrillen für 5 mg. * Cabergolin: CABASERIL®; Tbl. zu 1 mg, 2 mg und 4 mg.
Ca-
3
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
3
Synonyme
Überempfindlichkeit gegenüber Ergotalkaloiden, koronare Herzerkrankung und arterielle Verschlusskrankheiten, schwere psychische Störungen, unkontrollierte Hypertonie, Nierenund Lebererkrankungen (mangels Therapieerfahrung), Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sowie Blutungen im Magen-DarmTrakt, Schwangerschaft, Stillzeit.
3
Ergot-Dopaminagonisten
Definition
Wirkungen Dopaminagonisten
3
Pharmakologische Daten 3
Dihydroergocryptin, Bromocriptin, bergolin, Lisurid, Pergolid
Ca-
Durch Ergotherapie werden physische, psychische und auch soziale Behinderungen behandelt, die infolge von Krankheiten, Unfällen oder Entwicklungsstörungen aufgetreten sind.
3
3
3
3
Grundlagen Anwendungsgebiete Zur Behandlung des Morbus Parkinson als Monotherapie in der Frühphase der Erkrankung, um den Einsatz von Levodopa hinauszuzögern; als Kombinationstherapie mit Levodopa/DopaDecarboxylasehemmern in späteren Stadien der Erkrankung. OFF-LABEL: Restless-Legs.
Dosierung/Anwendung 3
Dihydroergocryptin, Bromocriptin, bergolin, Lisurid, Pergolid
Ca-
Ziel ist die Wiederherstellung oder erstmalige Herstellung verlorengegangener oder noch nicht vorhandener körperlicher, geistiger oder seelischer Funktionen. Der Patient soll größtmögliche Selbstständigkeit im täglichen Leben erreichen. Zusätzlich wird die Wiedereingliederung in die Gesellschaft oder das Arbeitsleben durch systematische Förderung handwerklicher und künstlerischer Fertigkeiten, kognitiver Leistungsfähigkeit und lebenspraktischer Handlungen angestrebt. Man kann verschiedene Be-
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3
3
3
438
Erkrankung, hepatolentikuläre
reiche unterteilen: funktionelle Ergotherapie, Selbsthilfetraining (Aktivitäten des täglichen Lebens), Haushaltstraining, Konzentrationsund Stabilisationstraining, Gruppenverfahren sowie Anleitung zum Gebrauch bestimmter Hilfsmittel.
Erkrankung, hepatolentikuläre Wilson-Erkrankung
3
Ernährung, Hirninfarkt Grundlagen Patienten in der Akutphase einer zerebralen Ischämie oder Blutung befinden sich in einer Stresssituation und haben häufig einen erhöhten Energiebedarf (katabole Stoffwechselsituation). Man geht in dieser Phase von einem täglichen Energiebedarf von ca. 30–40 kcal/kgKG aus. Die entsprechende Nahrungszufuhr sollte substratgesteuert sein und sich aus folgenden Nahrungsbestandteilen zusammensetzen (Anteile in Prozent): * Kohlenhydrate: parenteral Glukose, enteral leicht aufschließbare Polysaccharide (Richtwert: 50%). * Eiweiß: einschließlich essentieller Aminosäuren (Richtwert: 20%). * Fette: hohe Energiedichte, parenteral vor allem MCT-Fette (Richtwert: 30%). * Elektrolyte: K+, Na+, Ca++, Mg++, Phosphat. * Vitamine: geringe Reservekapazität, großer Einfluss auf den Stoffwechsel: Vitamin C, A, E, Thiamin, Pyridoxin, Nicotinsäureamid. * Spurenelemente: Selen, Zink, Eisen, Kupfer, Mangan, Chrom, Molybdän. Patienten mit Hirninfarkten haben nicht selten eine leichte bis höhergradige Schluckstörung, sodass eine orale Nahrungszufuhr oft nicht möglich ist. Je nach Gesamtsituation und Ernährungszustand des Patienten kann die Nährstoffapplikation zum einen enteral via nasogastrale, duodenale oder PEG-Sonde erfolgen. Zum anderen kann die Nahrungszufuhr auch parenteral (kurzzeitig hypokalorisch über periphervenösen
Zugang oder längerfristig normokalorisch über einen zentralvenösen Katheter) sichergestellt werden. Argumente für eine frühzeitige enterale Ernährung: * Physiologischere Nahrungszufuhr. * Bessere Immunkompetenz (geringere Schleimhautatrophie, weniger Bakteriendurchwanderung). * Günstig für Leber- und Darmfunktion (v. a. propulsiver Effekt bezüglich der unter Katecholaminen häufig auftretenden Darmatonie). * Weniger invasiv. * Komplikationsärmer. * Kostengünstiger. Indikationen für eine parenterale Ernährung: * Orale Ernährung oder Sondenernährung nicht möglich,Beispiele: Digestionsstörung/ Resorptionsstörung des GI-Traktes, eingeschränkte Peristaltik mit Reflux/Erbechen. * Orale Ernährung/Sondenkost nicht ausreichend zur Kompensation von Ernährungs-/ Stoffwechseldefiziten. * Eine isolierte neurogene Schluckstörung impliziert nicht zwingend eine totale parenterale Ernährung. Wenn möglich, sollte die enterale Ernährung aufgrund geringerer Komplikationen, physiologischerer Nahrungszufuhr und geringerer Kosten bevorzugt werden. Folgende Stoffwechselparameter sollten überwacht werden: * Blutzucker: In der Akutphase 3–4 stündlich. Cave: hyperglykämische Entgleisungen. * Elektrolyte: nach Bedarf täglich bis mehrmals wöchentlich. * Blutfette: bei parenteraler Ernährung 2×wöchentlich. * In Ausnahmefällen: Vitamin- und Spurenelement-Bestimmung.
3
Erythema chronicum migrans Synonyme Erythema migrans
Definition Das Erythema chronicum migrans ist die cha-
Erythema chronicum migrans
rakteristische Hautmanifestation (Leitsymptom) der Lyme-Borreliose im Stadium I.
Einleitung Nach einem Zeckenbiß entwickelt sich bei 90% der mit dem Erreger Borrelia burgdorferi infizierten Patienten nach Tagen bis Wochen ein rundes makuläres oder papulöses Erythem, das sich zumeist hellrot und subjektiv symptomlos, selten intensiv rot und schmerzhaft manifestiert. Während es sich zirkulär ausbreitet, verblasst das Zentrum. Das Erythema migrans bildet sich über einen Zeitraum von Wochen bis Monaten spontan zurück. Durch hämatogene Dissimination verursachte multiple Herde und Rezidive, die sich erneut von der Bissstelle ausbreiten, sind möglich. Begleitend werden häufig grippeähnliche Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Heiserkeit, Abgeschlagenheit, Nackensteife, Muskel- und Gelenkschmerzen beschrieben. Mehrere Monate nach Rückbildung des Erythems kann sich ein weicher, livider bis bräunlicher Knoten an der Bissstelle bilden, was als Lymphozytom bezeichnet wird. Es stellt eine pseudolymphomatöse Reaktion auf den Erreger dar, die sich unbehandelt nach Monaten zurückbildet.
Differenzialdiagnose Die klinische Ausprägung des Erythema migrans ist so typisch, dass selten differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bestehen. Das Erythem sollte mindestens 5 cm Durchmesser besitzen. Zusätzliche Hinweise für eine Borrelieninfektion sind entsprechende Aufenthalte des Patienten in bekannten Borreliose-Endemiegebieten. An dermatologischen Erkrankungen die ähnlich konfiguriert sind, sollten das fixe Arzneimittelexanthem, das Erysipel (Streptokokkeninfektion der Haut) und andere gyrierten Erytheme bedacht werden.
Prophylaxe Der beste Schutz vor der Lyme-Borreliose ist die Vermeidung eines Zeckenbisses. In Gebieten mit bekannter Zeckenpandemie sollte daher das Tragen von Hosen und langärmeliger Hemden obligat sein. Schutz können Insektenrepellants bieten, die auf die Haut oder Kleidung aufgetragen werden können. Zu beachten sind v. a. bei Kindern die allergischen und neurotoxischen Nebenwirkungen der Insektenabwehr-
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mittel aufgrund der Aufnahme über die Haut. Eine prophylaktische Antibiotikagabe hat sich in klinischen Studien nicht bewährt [1]. Ein Impfstoff ist von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zwar zugelassen, muss aufgrund des schnellen Rückgangs des Antikörpertiters jedoch mindestens jährlich aufgefrischt werden und erlangt erst nach der dritten Impfung über einen Zeitraum von 12 Monaten seine Wirksamkeit [2].
Therapie Die Therapieempfehlung bei der Lyme-Borreliose richtet sich zum zum einen nach dem Krankheitsstadium und zum anderen nach einer Mitbeteiligung des Nervensystems. gesichert Bei Patienten mit einem Erythema migrans, also der frühen Form der Lyme-Borreliose ist die Gabe von Amoxicillin 1.5 g/Tag oder Doxycyclin 200 mg/Tag für 3–4 Wochen eine effektive Therapie. Doxycyclin sollte etwas länger als Penicillin gegeben werden, um ausreichende therapeutische Sicherheit zu erreichen. Bei Kindern unter 9 Jahren und Schwangeren ist Doxycyclin kontraindiziert. Weiterhin wirksam sind Cefuroxim, Penicillin V, Azithromyzin, Minocyclin und Ceftriaxon. Einige der neueren Makrolide, wie z. B. Azithromycin oder Clarithromycin haben zwar nachgewiesene antibiotische Wirksamkeit, sind aber nicht so effektiv wie Amoxicillin oder Doxycyclin. unwirksam/obsolet Erythromycin hat nur in vitro-Wirksamkeit bewiesen, besitzt jedoch in vivo keinen therapeutischen Effekt.
Prognose Die Heilungsrate ist bei der akuten, lokalen Form der Lyme-Borreliose mit 90–95% sehr gut. Dennoch treten bei ca. 1% aller Patienten mit einem Erythema migrans trotz antibiotischer Therapie später neurologische Symptome auf.
Literatur 1. Sha Shapiro ED, Gerber MA, Holabird NB, et al. (1992) A controlled trial of antimicrobial prophylaxis for Lyme disease after deer-tick bites. N Engl J Med 327:1769–73. 2. Steere AC, Sikand VK, Meurice F, et al. (1998) Vaccination against Lyme disease with recombi-
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440
Erythroprosopalgie
nant Borrelia burgdorferi outer surface protein lipoprotein A with adjuvant. N Engl J Med 339:209–15.
operiert werden. Bei Befall der Dura oder des Hirnparenchhyms sind größere transfrontale Eingriffe erforderlich [3]. empirisch
Olfaktorisches Neuroblastom, olfaktorisches neurales Neoplasma, neuroendokrines Karzinom
Die Esthesioneuroblastome werden nach einem vereinfachten Klassifikationsschema in niedrig maligne und höher maligne Tumoren eingeteilt [1]. Lokale Rezidive werden bei 1/4 der Patienten mit niedrig malignen und bei 2/3 der Patienten mit höher malignen Tumoren innerhalb von 5 Jahren gesehen [3]. Eine adjuvante, postoperative Radiatio soll die Rezidivrate auf 20% reduzieren [3]. Bei höher malignen Varianten sollen Bestrahlung und ggf. eine Chemotherapie durchgeführt werden; sichere Aussagen sind aufgrund der geringen Fallzahl jedoch nicht möglich.
Definition
Nachsorge
Diese seltenen neuroektodermalen Tumoren sollen von olfaktorischen Sinneszellen im oberen Nasenhöhlenbereich ausgehen und können eine neuroendokrine Differenzierung aufweisen, die ihnen den Namen „neuroendokrines Karzinom“ gegeben hat [1].
Das hohe Risiko eines Rezidives macht regelmäßige HNO-ärztliche und MR-tomographische Nachkontrollen erforderlich.
Erythroprosopalgie Clusterkopfschmerz
3
Esthesioneuroblastom Synonyme
Einleitung Die Tumoren gehen charakteristischerweise von der Lamina cribriformis aus, zerstören die Nasenscheidewände und können destruierend in das Schädelinnere vorwachsen. Eine klinisch-pathologische 4-Stadieneinteilung ist hilfreich für prognostische Einschätzung und die Therapieplanung: 1. Der Tumor ist begrenzt auf eine Nasenhaupthöhle. 2. Der Tumor ist begrenzt auf Nasenhaupt- und - nebenhöhlen. 3. Ausdehnung in Nachbarschaftsstrukturen per continuitatem. 4. Metastasierung, meist in regionale Lymphknoten und Lunge [2].
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee WK (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon. 2. Kadish S, Goodman M, Wang CC (1976). Olfactory neuroblastomas. A clinical analysis of 17 cases. Cancer 37:1571–1576. 3. Schramm J, Kristof RA (1998). Neuronale und neurogliale Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart.
Ethosuximid Synonyme 3-Ethyl-2-Methylsuximid
Zubereitungen
Diagnostik
Kapseln, Saft.
Computertomogramm und Kernspintomogramm erlauben die Einschätzung der Größenausdehnung und Infiltration.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Therapie Die Tumoren werden operiert, sind aber häufig nicht komplett resektabel. Solange das Schädelinnere noch nicht befallen ist, kann transnasal
Petnidan® Kapseln à 250 mg. Petnidan® Saft (5 ml = 25 mg). Pyknolepsinum® Kapseln à 25 mg. Pyknolepsinum® Saft (5 ml = 25 mg). Suxinutin® Kapseln à 25 mg. Suxinutin® Saft (5 ml = 25 mg).
Etilefrinhydrochlorid
Wirkungen Blockade spannungsgesteuerter T-Typ-Kalziumkanäle thalamischer Neurone, die unter pathologischen Bedingungen thalamokortikale Rhythmen erzeugen, im eigentlichen Sinne Spike-Wave-Entladungen bei Absencen. Unwirksam gegen generalisierte tonisch-klonische und fokale Anfälle ( Anfall, generalisiert tonisch-klonischer; Anfall, fokaler (einfach-fokaler)). 3
3
Pharmakologische Daten Rasche und vollständige Resorption, geringe Plasmaeiweißbindung (0–5%), lineare Pharmakokinetik. Halbwertszeit 40–60 h.
Anwendungsgebiete Pyknoleptische und juvenile Absencen. Gelegentlich sprechen auch (myoklonisch-)astatische und myoklonische sowie ImpulsivPetit-Mal-Epilepsien auf die Substanz an. 3
3
3
3
Dosierung/Anwendung Tagesdosis für Kinder ca. 30 mg/kg (500– 1500 mg), für Erwachsene ca. 750–2000 mg, jeweils in 1–2 Tagesdosen. Wöchentliche Aufdosierung in Schritten von 250 mg.
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cen ohne Wirkung auf tonisch-klonische Anfälle.
Etilefrinhydrochlorid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Agit® plus sanol Kps. Amphodyn® retard Kps. Effortil® plus Lösg., Kps. Thomasin® retard Tbl., Tropfen.
Wirkungen Etilefrin wirkt sympathomimetisch. Als NEthyl-Analogon des Phenylephrins hat Etilefrin neben der α- eine relativ starke β-adrenerge Wirkungskomponente. In gleicher Weise wie Noradrenalin erhöht Etilefrin den peripheren Gefäßwiderstand und damit den systolischen und diastolischen Blutdruck. Die β1-stimulierende Wirkung trägt über eine Steigerung des Herzzeitvolumens zur Blutdrucksteigerung bei. Die Herzfrequenz wird aufgrund der parasympathischen Gegenregulation nur wenig verändert.
Resorption Unerwünschte Wirkungen Häufig sind dosisabhängige gastrointestinale Nebenwirkungen wie Appetitstörung, Übelkeit, Erbrechen oder Singultus. Gelegentlich treten Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Lethargie, selten paranoid-halluzinatorische Erscheinungen auf. Seltene Therapiekomplikationen sind Blutbildveränderungen (Eosinophilie, selten Leukopenie, Agranulozytose) und Exantheme sowie Lupus erythematodes.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bekannte Allergie gegen Succinimide.
Wechselwirkungen Valproinsäure erhöht, Enzyminduktoren ( Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) erniedrigen den Spiegel von Ethosuximid. Ethosuximid kann ein geringes Ansteigen des Phenytoinspiegels bewirken.
Bei p. o. Gabe wird Etilefrin nahezu vollständig resorbiert. Die biologische Verfügbarkeit beträgt 35% und kann durch verschiedene galenische Zubereitungen deutlich verbessert werden. Eine Penetration der Blut-Hirn-Schranke erfolgt aufgrund der phenolischen Hydroxylgruppe nicht.
Elimination Die Substitution an der Aminogruppe führt zur sterischen Hinderung der Desaminierung. In der Darmwand findet ein First-Pass-Metabolismus durch Konjugation statt. Die Plasmahalbwertzeit wird mit 2,5 h angegeben. Die Wirkungsdauer beträgt ca.6 h.
Anwendungsgebiete Bei Hypotonie, orthostatischer Dysregulation, posturaler Hypotension.
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3
3
3
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Bewertung
Dosierung und Art der Anwendung
Mittel der ersten Wahl bei idiopathischen generalisierten Epilepsien mit ausschließlich Absen-
Als Dosis wird 30–60 mg pro Tag, verteilt auf drei Gaben, empfohlen.
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Exophthalmus
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Phäochromozytom, Thyreotoxikose, Engwinkelglaukom, Arteriosklerose, Koronarinsuffizienz, tachykarde Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Prostataadenome mit Restharnbildung.
Wechselwirkungen Kombination mit anderen Sympathomimetika führen zur Verstärkung der erwünschten und unerwünschten Wirkungen. Zusammen mit Atropin kann es zur Tachykardie kommen. Trizyklische Antidepressiva können mit Etilefrin zu einem unerwünschten Blutdruckanstieg führen. Vorsicht bei der Kombination mit Narkotika wie Halothan und Cyclopropan. Die Bioverfügbarkeit ist bei Kombination mit Dihydroergotamin verbessert. Hohe i. v. verabreichte Dosen können zu Blutdruckkrisen führen, die durch α-Blocker beeinflussbar sind. Möglicherweise auftretende Herzrhythmusstörungen können mit kardioselektiven β-Blockern behandelt werden.
Exophthalmus
Ein- oder beidseitige Vordrängung des Augapfels, evtl. mit Bewegungseinschränkung.
Einleitung Restriktive (mechanische) Bulbusmotilitätseinschränkung, z. B. bei Raumforderungen oder entzündlich granulomatösen Prozessen in der Orbita, die zum Hervortreten des Bulbus führt. Klinisch beurteilbar durch Erfassung des Brauen-Wimpern-Abstandes, wenn der Untersucher von oben auf den sitzenden Patienten blickt (Normale Position des Hornhautscheitels in Bezug auf den seitlichen Orbitarand 14– 21 mm, Seitendifferenz bis 2 mm ist normal).
Differenzialdiagnose Pulsierender Exophthalmus bei arteriovenösen Malformationen (z. B. Sinus-cavernosus-Fistel), Teilsymptomatik der endokrinen Ophthalmopathie und okulären Myositis, intermittierender Exophthalmus infolge Varizenblutung, tumorbedingter Exophthalmus, Scheinexophthalmus bei hochgradiger Myopie, Exophthalmus paralyticus durch äußere Augenmuskellähmung, maligner Exophthalmus (progrediente, schwer und schmerzhaft verlaufende Form mit Konjunktivitis, Ulcus corneae). 3
Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände, innere Unruhe. Schwitzen. Herzklopfen, pektanginöse Beschwerden. Magen-Darm-Beschwerden.
Definition
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Unerwünschte Wirkungen
3
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Therapie Behandlung der Grunderkrankung. empirisch Bei fehlendem oder mangelndem Lidschluss, z. B. Bepanthen®- oder Refobacin®-Augensalbe zur Prophylaxe eines Ulcus corneae.
Synonyme Protusio bulbi
Exsikkose Synonyme Dehydratation
Definition Abnahme des Gesamtkörperwassers durch inadäquaten Ersatz der Wasserverluste.
Einleitung
Exophthalmus. Abb. 1: Erfassung des Brauen-Wimpern-Abstandes
Abhängig von der Serumosmolalität unterscheidet man drei Formen: 1. Isotone Dehydratation: Extrazellulärer Nat-
Extrapyramidale Erkrankungen
rium- und Wasserverlust in isotonem Verhältnis. * Ursachen: Renale Verluste, extrarenale Verluste (enteral), z. B. Diarrhoe,Erbrechen. Verlust in den „dritten Flüssigkeitsraum“, z. B. Pankreatitis, Ileus. Verluste über die Haut, z. B. Verbrennungen. * Klinik: Hypovolämiesymptome wie Durst, Tachykardie, Kollapsneigung, Hypotonie, Oligurie, trockene Haut und Schleimhäute, stehende Hautfalten, Fieber. 2. Hypotone Dehydratation: Salzverlust ist größer als Wasserverlust mit resultierender extrazellulärer Dehydratation und intrazellulärem Ödem. * Ursachen: Wie bei isotoner Dehydratation, wobei oft zuviel kochsalzfreies Wasser substituiert wird. * Klinik: Hypovolämiesymptome, wie bei isotoner Dehydratation. Zerebrale Symptome, wie erhöhte Krampfneigung, Vigilanzstörungen, neuropsychologische Symptome, delirante Zustände. 3. Hypertone Dehydratation: Defizit an freiem Wasser mit Verminderung des extra- und intrazellulären Volumens. * Ursachen: Mangelnde Wasserzufuhr, Wasserverluste über Haut (Schwitzen), Lungen (Hyperventilation), Nieren (z. B. Diabetes insipidus), MagenDarm-Trakt, iatrogen (z. B. übermäßige Zufuhr osmotisch wirksamer Substanzen). * Klinik: Hypovolämiesymptome, wie bei isotoner Dehydratation mit v. a. starkem Durst, zusätzlich Vigilanzstörungen und neuropsychologische Symptome.
Differenzialdiagnose Ätiologie, entscheidend ist die Labordiagnostik. Generell als Zeichen der Dehydratation: Erhöhter HK, Hb, Serumeiweiß.
443
*
Urin-Na <20 mmol/l bei extrarenalen Verlusten, >20 mmol/l bei renalen Verlusten. 3. Hypertone Dehydratation: * Serumnatrium und - osmolalität erhöht. Urinosmolalität erhöht bei normaler Nierenfunktion, erniedrigt bei Diabetes insipidus.
Therapie * *
Kausale Therapie. Symptomatische Therapie.
gesichert Symptomatisch: 1. Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr, regelmäßiges Wiegen, regelmäßige Kontrolle des Elektrolytstatus. 2. Flüssigkeitssubstitution (Cave: Bei Herz-/ Niereninsuffizienz vorsichtige Flüssigkeitssubstitution). 3. Korrektur des Natriumhaushaltes. unwirksam/obsolet Bei Exsikkose keine Plasmaexpander, da diese ein extravasales Flüssigkeitsdefizit verstärken.
Nachsorge Generell abhängig von Grunderkrankung. Regelmäßige Kontrolle von RR, Gewicht, Elektrolyte.
Extrapyramidale Erkrankungen Synonyme EPMS-Krankheiten, Basalganglienkrankheiten, zentrale Bewegungsstörungen
Definition Unstimmiger, eigentlich obsoleter, aber nicht mehr wegzudenkender Begriff.
Grundlagen 1. Isotone Dehydratation: * Serumnatrium und - osmolalität normal. * Spez. Uringewicht normal (bei intakter Niere). 2. Hypotone Dehydratation: * Serumnatrium- und - osmolalität erniedrigt.
Kinner Wilson beschrieb die Basalganglien Anfang des 19. Jahrhunderts wegen ihrer geheimnisvollen Funktion und ihrer anatomischen Lage als „die Keller des Gehirns“. Wilson verstand die Basalganglien als Korrelat des sogenannten extrapyramidal-motorischen Systems (EPMS), das als motorisches Zentrum parallel
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Extrapyramidale Erkrankungen
( Parkinson-Syndrome, Dyskinesien, Dystonien, Tics, Tremor, Chorea) zu den EPMS-Krankheiten, besser Basalganglienerkrankungen gezählt, womit ein gemeinsamer Nenner zumindest für die grobe neuroanatomische Lokalisation der Funktionsstörung oder pathologische Auffälligkeit für einige der Störungen vorliegt. Als Basalganglien werden die grauen Kernkomplexe in der Tiefe der Hemisphären bezeichnet (das Striatum mit Putamen und Ncl. caudatus, das innere und äußere Globus pallidus, und der Corpus amygdaloideum). Aus Gründen der funktionellen Einheit rechnet man den Ncl. subthalamicus sowie die Substantia nigra hinzu. 3
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3
3
und unabhängig zum pyramidalen System arbeitet. Das Konzept eines extrapyramidalen System ist jedoch heute nicht mehr haltbar. Zum einen sind neben den Basalganglien und dem pyramidalen System weitere Hirnstrukturen wie Thalamus und Kleinhirn an der Ausführung von Motorik beteiligt, zum anderen sind die Basalganglien intensiv mit pyramidalen Strukturen im frontalen Kortex verschaltet. Schließlich umfasst der Oberbegriff extrapyramidale Erkrankungen auch Syndrome, bei denen bisher keine primäre Pathologie in den Basalganglien gefunden wurde (z. B. idiopathische Dystonie, essentieller Tremor). Traditionell werden die Bewegungsstörungen
3
444
F
Fabry-Erkrankung Synonyme Angiokeratoma corporis diffusum; Anderson-Fabry-Krankheit; Glykosphingolipidose. 3
Definition Seltene X-chromosomale Lipidspeicherkrankheit, die durch einen Mangel an lysosomaler α-Galaktosidase verursacht wird.
Einleitung Das Gen für die α-Galaktosidase liegt auf Chromosom Xq22. Der Stoffwechseldefekt führt zur Akkumulation von neutralen Glykosphingolipiden (Trihexosylzeramide) in Plasma und Geweben. Organe werden vorrangig durch eine Mikroangiopathie sowie Ablagerungen der glatten Muskulatur betroffen. Klinisch stehen dermale Gefäßektasien (Angiokeratoma), Small-fiber Polyneuropathie mit neuropathischem Schmerz (75%) und Anhidrose, Hörminderung (80%), Niereninsuffizienz (30%), Hornhautdystrophie (Cornea verticillata), kardiovaskuläre Erkrankungen und Neigung zu Hirninfarkten (25%) im Vordergrund. Erste Symptome (bei Wärme zunehmende Parästhesien, Brennschmerzen) werden meist in Kindheit oder Adoleszenz berichtet. Eine Schweißsekretionsstörung tritt bald hinzu. Angiokeratome sind meist disseminierte, makulopapuläre, purpurrote, teils auch ins bläuliche gehende Veränderungen. Niereninsuffizienz wird meist im 3.–4. Dezennium manifest. Es gibt eine Reihe von Berichten über oligosymptomatische Fälle, etwa mit isolierter Nierenbeteiligung oder isolierter Linksherzhypertrophie. Über Symptome bei weiblichen Carriern herrscht Uneinigkeit. Während viele Autoren Carrier für nicht betroffen halten, meinen einige, dass die Mehrzahl oligosymptomatisch betroffen ist mit isolierten Akroparäs-
thesien, kardialen Symptomen oder einer charakteristischen Hornhautdystrophie. Die α-Galaktosidase-Aktivität kann in Plasma, Leukozyten und Fibroblasten bestimmt werden. Rekombinante α-Galaktosidase A steht für die Behandlung zur Verfügung. Angiokeratoma corporis diffusum kann auch bei anderen lysosomalen Stoffwechselstörungen auftreten, etwa dem β-Mannosidase-Mangel, bei dem zusätzlich kognitive Störungen vorliegen. Ähnliche Hautläsionen können auch bei der tuberösen Sklerose beobachtet werden. Vereinzelt wurden Fälle ohne nachweisbaren Stoffwechseldefekt mitgeteilt.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Bestimmung der Aktivität der α-Galaktosidase im Plasma. Ggf. Biopsie eines betroffenen Organs (in der Regel Haut). Ggf. genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatisch. Substitution mit rekombinanter α-Galaktosidase. Dialyse bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Symptomatische Schmerztherapie (häufig schwierig).
Bewertung Bei neuropathischem Schmerz und Angiokeratomen sollte man an die Krankheit denken.
Facies myopathica Definition Charakteristische Veränderung des Gesichtes als Folge einer Parese der mimischen Muskulatur. Beidseits Ptose mit kompensatorisch aktiviertem Musculus frontalis und hochgezogenen Augenbrauen. Gering ausgeprägte Nasolabialfalte; nach vorne hervorstehende Lippen
446
Fahr-Syndrom
(Tapirmund). „Traurig“, weil hypomim wirkende Gesichtszüge.
Einleitung Zusätzlich zu diesen recht statisch anmutenden Gesichtszügen bleiben die Wimpern bei kräftigem Augenschluss sichtbar (beidseits Zilienzeichen). Bei ausgeprägter Facies myopathica können die Patienten nicht kräftig grinsen und auch nicht pfeifen. Eine Facies myopathica ist unspezifisch und kann in unterschiedlicher Ausprägung bei verschiedenen neuromuskulären Krankheiten auftreten: Bilaterale Ptose bei Myasthenia gravis, fazioskapulohumerale Muskeldystrophie, Dystrophia myotonica (hier zusätzlich Atrophie des M. temporalis), okulopharyngeale Muskeldystrophie, eine Reihe von kongenitalen Myopathien, chronisch-progrediente externe Ophthalmoplegie (CPEO), Botulismus etc.
Differenzialdiagnostik Wesentlich ist die zügige Diagnostik einer Myasthenia gravis und ggf. eines Botulismus. Die Myasthenie ist durch belastungsabhängige Paresen charakterisiert, etwa im Simpson-Test. Ferner elektrische 3/s-Stimulation, z. B. Ableitung des M. nasalis und Stimulation des N. fazialis. Der Botulismus entwickelt sich relativ rasch und zeigt neben den Hirnnervenausfällen mit Mydriasis meist auch eine Tetraparese. Bei der myotonen Dystrophie zeigt das EMG in der Regel myotone Serien. Myotone Dystrophie und FSHD sind einer genetischen Diagnostik zugänglich.
ropsychiatrischen schaftet ist.
Auffälligkeiten
vergesell-
Einleitung Der Name Fahr ist mit jeder Form einer Basalganglienverkalkung vergesellschaftet, obwohl Fahr im Jahr 1930 lediglich einen Patienten wahrscheinlich mit Hypoparathyroidismus beschrieb, bei dem die Autopsie eine subkortikale Kalzifikation der weißen Substanz mit wenig Kalzifikation der Basalganglien ergab. Seit der Einführung des CCTs wird eine subkortikale Kalzifikation häufig gesehen. Bis zu 12% aller CCTs weisen Kalzifikationen in den Basalganglien auf, die bei mehr als 95% im Bereich des Globus pallidus lokalisiert sind ohne dass eine Korrelation zur klinischen Symptomatik hergestellt werden kann [1]. Eine bilaterale Striatopallidodentatus-Kalzinose mit Bewegungs- und psychiatrischen Störungen ist selten. Eine Korrelation zu einer Klinik ist wahrscheinlicher je ausgedehnter die Kalzifikation ist. Diese umfasst dann meist neben den Basalganglien, den Ncl. dentatus, den Thalamus und das Zentrum semiovale. Sie kommt sporadisch und familiär vor. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 40 Jahren. Die Klinik ist heterogen. Am häufigsten wurde als Bewegungsstörungen ein Parkinson-Syndrom beobachtet. Eine Kopplung mit einem Lokus auf Chromosom 14q bei symptomatischen und asymptomatische Familien ist beschrieben worden.
Diagnostik DD primärer und sekundärer Hypoparathyroidismus.
Fahr-Syndrom Synonyme Bilaterale Striatopallidodentatus-Kalzinose, idiopathische Basalganglien-Kalzifikation
Therapie Eine ursächlich Therapie ist nicht bekannt. Deshalb kann sie sich nur an den Symptomen orientieren.
Definition
Literatur
Bei dem Fahr-Syndrom im engeren Sinne handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung mit subkortikaler Kalzifikation im Wesentlichen der Basalganglien, die mit Bewegungsstörungen, kognitiven und anderen neu-
1. GomilleT, Meyer RA, Falkai P, Gaebel W, Konigshausen T, Christ F (2001) Prevalence and clinical significance of computerized tomography verified idiopathic calcinosis of the basal ganglia. Radiologe 41(2):205–10
Famciclovir
Die Auswirkung von Antiepileptika auf die Fahrtauglichkeit ist von vielen Faktoren abhängig. Neben individuell sehr unterschiedlicher Nebenwirkungsempfindlichkeit und Gewöhnungseffekten sind Einnahmezeitpunkte, pharmakokinetische und - dynamische Interaktionen (z. B. Potenzierung sedativer Effekte anderer Pharmaka oder Alkohol), Compliance, emotionale Stabilität und zerebrale Schädigung zu berücksichtigen. Eine Einschränkungen der Fahrtauglichkeit wird vor allem durch Nebenwirkungen wie Störung von Konzentration, Auffassung, psychomotorischem Tempo und kognitiver Funktionen bewirkt. Daneben können aber auch antiepileptikabedingte Verhaltensänderungen wie Aggressivität, Enthemmung oder Kritikverlust beeinträchtigend wirken. Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Fahrtauglichkeit: Abendliche Einmalgabe stark sedierender Antiepileptika, Verteilung der Tagesdosis auf mehrere Einnahmezeitpunkte, Vermeidung ungünstiger pharmakodynamischer Interaktionen, Umstellung auf nebenwirkungsärmere „neue“ Antiepileptika (z. B. Lamotrigin).
Derzeit außer Vermeidung von zusätzlichen gerinnungssteigernden Noxen (Nikotin, hormonelle Kontrazeption) keine Empfehlung zur Primärprävention. Kommt es zu thrombembolischen Ereignissen wird insbesondere bei jüngeren Patienten eine Antikoagulation empfohlen. Kontrollierte Therapiestudien liegen bisher nicht vor.
F Fallhand Definition Parese der Hand- und Fingerstrecker, in der Regel ausgelöst durch eine Schädigung des N. radialis (periphere Nervenläsion proximal des Unterarmes, z. B. Schlafdrucklähmung). Differenzialdiagnostisch muss an eine zentrale Fallhand gedacht werden.
Therapie 3
Grundlagen
Therapie
3
Fahrtauglichkeit, Antiepileptika
447
Nervus radialis, Läsion
3
3
Famciclovir Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Faktor-V-Leiden-Mutation Definition Bei einer Punktmutation am Faktor V (auch Faktor-V-Leiden-Mutation genannt) resultiert eine Inaktivierungsresistenz des Faktor V durch aktiviertes Protein C mit Koagulopathie.
Famvir® 125 mg/250 mg Filmtbl.; Famvir® 250 Filmtbl.
Wirkungen Famciclovir ist ein nach oraler Gabe resorbier-
Einleitung Vorkommen bei etwa 5% der Bevölkerung, aber bei ca. einem Fünftel der Patienten mit venösen Thrombembolien. Assoziation zum Auftreten von Sinusvenenthrombosen und ischämischen Schlaganfällen bei Kindern und Jugendlichen ist beschrieben. Keine gesicherte Assoziation zu zerebralen arteriellen Ischämien bei älteren Patienten.
Diagnostik Bestimmung der APC-Resistenz oder Nachweis der Faktor-V-Leiden-Mutation (Bluttests).
Fallhand. Abb. 1: Fallhand bei Radialisläsion und Kerngebiet des sensiblen Innervationsareals des R. superficialis nervi radialis
448
Famciclovir
bares Prodrug von Penciclovir und entspricht diesem vom antiviralen Spektrum her. Penciclovir wird in virusinfizierten Zellen durch die virale Thymidinkinase in das entsprechende Penciclovir-Monophosphat umgewandelt. Anschließend erfolgt intrazellulär in weiteren Phosphorylierungsschritten die Umwandlung in das Triphosphat, welches den eigentlichen Wirkstoff darstellt. Penciclovir-Triphosphat hemmt kompetitiv die virale DNA-Polymerase und führt nach Einbau in die DNA zum Kettenabbruch. Das antiviral wirksame Triphosphat besitzt in Zellen, die mit dem Varizella-Zoster-Virus infiziert sind, eine intrazelluläre Halbwertzeit von etwa 9 h. Der molekulare Wirkungsmechanismus des Penciclovir ist also mit dem Mechanismus von Aciclovir und anderen Nukleosid-Analoga vergleichbar, doch zeichnet sich das biologisch aktive Triphosphat durch eine deutlich längere (ca. 10fach) intrazelluläre Halbwertzeit aus.
Resorption Da Penciclovir nicht in ausreichendem Maße aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert wird, ist Famciclovir entwickelt worden, aus dem im Organismus Penciclovir entsteht. Chemisch gesehen ist es das Diacetyl-5-deoxy-Analog des Penciclovir. Die Abspaltung der beiden Acetylreste sowie die Oxidation des Moleküls erfolgen rasch, so dass der ursprüngliche Arzneistoff nach oraler Gabe des Medikamentes in Plasma und Urin nicht, oder nur in sehr geringen Konzentrationen, nachweisbar ist. Die Bioverfügbarkeit von Famciclovir wurde mit 77% errechnet. Die Spitzenspiegel von Penciclovir werden nach etwa 45 min erreicht. In einem Dosisbereich von 125–750 mg Famciclovir verändern sich die pharmakokinetischen Parameter linear. Das Verteilungsvolumen liegt bei etwa 1 l/kg, die Plasmaproteinbindung bei 20%.
Elimination Penciclovir wird überwiegend renal eliminiert, die Halbwertzeit beträgt 2,1–2,7 . Bei Niereninsuffizienz ist die Elimination verzögert, so dass die Dosierungsintervalle hier verlängert werden sollten.
Zytomegalieviren und Hepatitis-B-Viren ist die Verbindung in vitro wirksam. In doppelblind durchgeführten klinischen Studien zur Wirksamkeit in der Therapie des akuten Herpes zoster bei immunkompetenten Patienten erwies sich die Behandlung mit 3×250 mg Famciclovir pro Tag hinsichtlich der Verkürzung der kutanen Symptomatik als ebenso wirksam wie eine Behandlung mit 5×800 mg Aciclovir pro Tag. [1] Auch die Gabe von Famciclovir muss möglichst rasch nach Auftreten der Symptomatik erfolgen (<72 ). Im Vergleich mit Aciclovir waren die mit Famciclovir behandelten Patienten signifikant schneller schmerzfrei, wenn die Therapie innerhalb von 48 h nach Auftreten der Beschwerden begonnen wurde.
Dosierung und Art der Anwendung Bei Herpes zoster werden achtstündlich 250 mg per os für 7 Tage empfohlen. Bei Erstmanifestation eines Herpes genitalis wird dieselbe Dosierung für 5 Tage, beim Rezidiv die halbe Dosierung für 5 Tage empfohlen.
Unerwünschte Wirkungen Klinische Studien zeigten, dass Famciclovir gut vertragen wird. Kopfschmerzen, Übelkeit und Diarrhoe sind selten.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Famciclovir ist während Schwangerschaft und Stillzeit und bei Überempfindlichkeit kontraindiziert. Die Erfahrungen mit immunsupprimierten Patienten und solchen, die jünger als 18 Jahre sind, sind sehr begrenzt.
Wechselwirkungen In mehreren Studien an gesunden Probanden wurde überprüft, ob Famciclovir zu klinisch relevanten Interaktionen mit anderen gleichzeitig gegebenen Arzneimitteln führt. Es ergab sich kein Anhalt auf eine relevante Beeinflussung der Pharmakokinetik von Famciclovir durch Allopurinol, Cimetidin, Theophyllin oder Digoxin.
Literatur Anwendungsgebiete Die Substanz ist wirksam gegen Varizella-Zoster-Virus, Herpes-simplex-Virus Typ 1 und Typ 2 und Epstein-Barr-Virus. Auch gegenüber
1. Perry CM, Wagstaff AJ (1995) Famciclovir. A review of its pharmacological properties and therapeutic efficacy in herpesvirus infections. Drugs 50:396–415
Faszikulationen
Familiäre fatale Schlaflosigkeit Synonyme Familiäre fatale Insomnie
449
Diagnostik Nachweis der Amyloidablagerung (durch Kongorot-Färbung oder immunhistochemisch) in Nerven-, Muskel- oder Rektumbiopsie.
Therapie
Sehr seltene, autosomal-dominant vererbte humane spongiforme Enzephalopathie.
Einleitung Humane Prionenerkrankung mit charakteristischer Mutation des Prionproteins. Klinisch stehen eine unbehandelbare Schlaflosigkeit, vegetative Störungen mit gesteigertem Sympatikotonus, Verwirrtheitszustände und Störungen des Gedächtnis im Vordergrund, neuropathologisch wird eine Thalamusdegeneration beschrieben.
Eine gesicherte kausale Therapie der Amyloidosen besteht nicht. Zu empirischen oder symptomatischen Therapieverfahren Amyloidose, Polyneuropathie. 3
Definition
Literatur 1. Kyle RA, Dyck PJ (1993) Amyloidosis and neuropathy. In: Dyck PJ, Thomas PK (Hrsg) Peripheral neuropathy. WB Saunders Company, Philadelphia, pp 1294–1309.
3
3
3
Farbagnosie Agnosie
3
FAP (familiäre Amyloidpolyneuropathie) Farbbenennungsstörung
Synonyme Amyloidose, Polyneuropathie
Agnosie
3
3
Definition Extrazelluläre Proteinablagerung als Folge eines Gendefektes mit fehlerhafter Proteinsynthese führt zur Organschädigung. Anhand der klinischen Symptomatik des im Vordergrund stehenden Organbefalls können die familiären Amyloidosen als neuropathisch, nephropathisch, kardiopathisch oder gemischte Formen bezeichnet werden.
Einleitung Die hereditären Amyloidosen werden in der Regel autosomal-dominant vererbt. Der Gendefekt resultiert am häufigsten in einem Defekt von Transthyretin (Präalbumin), seltener sind Apolipoprotein A-1 oder Gelsolin betroffen. Zur klinischen Symptomatik, Amyloidose, Polyneuropathie. Die einzelnen Formen der familiären Amyloidosen werden meist nach der geographischen Region ihres Auftretens benannt. Zu den Typen mit Neuropathie-Symptomatik gehören u. a.: portugiesischer Typ, japanischer Typ, schwedischer Typ, Typ IndianaRukinava, texanischer Typ [1].
Farbsinnstörung Einleitung Die Kollner Regel besagt, dass Farbsinnstörungen bei neurologischen Erkrankungen in der Regel eine Rot-Grün-Schwäche bedingen, während bei Netzhaut- oder choroidalen Erkrankungen eine Blau-Gelb-Schwäche resultiert. Ausnahmen bilden Neuropathien mit erhaltenem Visus, z. B. das chronische Papillenödem.
Differenzialdiagnose Zur Differenzialdiagnose der Farbsinnstörungen siehe Tab. 1.
Faszikulationen Definition An der Skelettmuskulatur sichtbare Kontraktio-
F
3
450
Fatigue
Farbsinnstörung. Tab. 1: Farbsinnstörungen Rot-Defizit
Grün-Defizit
Blau-Defizit
Visus
Angeboren: Zapfen-Monochromate
Farbenblindheit Deuteranopie
Deutlich reduziert
Zapfen-Dichromate
Protanopie
Anomale Trichromaten
Protanomalie Deuteranomalie Tritanomalie
Tritanopie
Normal Normal
Erworben (oft einseitig!): Optikusneuropathien (RBN, LHON, Kompression) Intakte RotGrün-Differenzierung
Keine RotGrün-Differenzierung
Mäßig reduziert
Typ I
Protanopie
Typ II
Deuteranopie Keine RotGrün-Differenzierung
Leichte BlauMäßig Gelb-Schwäche reduziert
Intakte RotGrün-Differenzierung
Leicht Keine Blaureduziert Gelb-Differenzierung (Tritanopie)
Retinale und choroideale Erkrankungen (Glaukom, Chloroquin-Toxizität), chronisches Papillenödem, dominante Optikusatrophie Typ III
RBN: Retrobulbärneuritis; LHON: Lebers hereditäre Optikusatrophie
nen von Muskelfaserbündeln als Ausdruck von Spontanaktivität.
Fatigue Synonyme
Auftreten bei Läsionen des 2. Motoneurons, insbesondere bei proximal lokalisierten Prozessen (typisch z. B. bei der ALS als sog. maligne Faszikulationen).
Müdigkeit, Erschöpfbarkeit, allgemeine Abgeschlagenheit bei Mulitpler Sklerose 3
Einleitung
Therapie Siehe Tab. 1.
Differenzialdiagnose Die differenzialdiagnostische Zuordnung zu Neuro- oder Radikulopathien (oder generalisierten Prozessen) ist anhand des Verteilungsmusters möglich. Sogenannte benigne Faszikulationen (ohne Krankheitswert) sind häufig auf die Wadenmuskeln beschränkt, im EMG fehlen neurogene Schädigungszeichen. Eine spezifische Therapie gibt es nicht.
Fauci-Schema Definition Das Fauci-Schema stellt einen Standard in der Therapie von systemischen Vaskulitiden mit der kombinierten Anwendung von Cyclophosphamid und Kortikosteroiden dar.
60 mg/Tag
2×20 mg
Individuell 1×5 mg bis 3×10–20 mg
Individuell 1×10 mg bis 4×20 mg
300 mg
Senior 20® Tradon®
–
–
Vigil®
Pemolin
4-AP
3,4-DAP
Modafinil 600 mg
80 mg/Tag 1 mg/kgKG
50 mg/Tag
600 mg/Tag
2×100 mg PK-Merz® Amantadin-ratioph® arm Vireqyt®
Maximaldosis
Amantadin
Dosierung pro Tag
Präparatename
Substanz
Abhängigkeitserkrankung, Angstzustände
Epilepsie, Verwirrtheitszustände, unklare Bewusstseinsstörungen, große rindennahe Läsionen im MRT
Epilepsie, Verwirrtheitszustände, unklare Bewusstseinsstörungen, große rindennahe Läsionen im MRT
Psychosen, Leberfunktionsstörungen, Depressionen mit Suizidtendenz
Psychosen, Verwirrtheitszustände, Prädelir, Delir, Epilepsie, Nierenfunktionsstörungen, Prostatahyperplasie, Glaukom, arterielle Hypertonie
Kontraindikationen
Fatigue. Tab. 1: Wichtige Medikamente zur symptomatischen Therapie von Fatigue
Kopfschmerz, Unruhe
Parästhesien v. a. im Bereich der Akren, Bauchschmerzen, Übelkeit, Verwirrtheit, Angst, Leberfunktionsstörungen, Hepatitis, epileptische Anfälle, Bewusstseinsverlust
Übelkeit, Schwindel, Verwirrtheit, Angst, epileptische Anfälle, Bewusstseinsverlust
Schlaflosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Tremor, Benommenheit, Tachykardien, Leberfunktionsstörungen, epileptische Anfälle
Unruhe, Schlafstörungen, optische Halluzinationen, Sehstörungen, Obstipation, Übelkeit, Harnretention, Mundtrockenheit, Durst, Herzinsuffizienz, Schwindel. Livedo reticularis
Nebenwirkungen
Fauci-Schema 451
F
Fazialis (Nervus facialis)
Grundlagen *
Initial: Cyclophosphamid 2 mg/kg KG täglich p. o. (Leukozyten nicht unter 1500) + Prednison 60 mg täglich Reduktion: von Cyclophosphamid nach 1 Jahr um 25 mg alle 2–3 Monate; von Prednison nach 2–4 Wochen (nach BSG) Bei fulminantem Verlauf: Cyclophosphamid 4 mg/kg KG täglich i. v. + Prednison 30 mg/ kg KG Bolus für 3 Tage, dann 15 mg/kg KG Bolus für 3 Tage
*
*
Cave: Kumulative Dosis von Cyclophosphamid beachten. Das Austin Schema ist eine Alternative des Fauci-Schemas.
Fazialis (Nervus facialis)
Fazio-Londe-Syndrom 3
452
Bulbärparalyse
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) Synonyme Landouzy-Déjerine-Krankheit bzw. DuchenneLandouzy-Déjerine-Krankheit
Definition Autosomal-dominant erbliche (Genlokus 4q35) Muskeldystrophie mit Gliedergürtelsyndrom und fazialer Beteiligung.
Einleitung Nervus facialis
3
Fazilitierung Definition Fazilitierung im engeren Sinne ist die Zunahme postsynaptischer Reizantworten sukzessive durch präsynaptische Stimuli.
Grundlagen Zentralmotorische Output-Neurone feuern dann, wenn die die Zelle erregenden Impulse die Reizschwelle überschreiten. Zellen, die wenig erregende Stimuli erhalten, sind daher nicht leicht zu stimulieren. Dies lässt sich leicht am Beispiel der transkraniellen Magnetstimulation oder der langen Latenzreflexe verdeutlichen. Reizantworten sind in Ruhe nahezu nicht zu erhalten. Erst, wenn die Pyramidenbahnzellen voraktiviert sind (leichte Anspannung der abgeleiteten Muskeln) lassen sich deutliche Reizantworten erhalten. In der klinischen Neurologie machen wir uns diese Fazilitierung zunutze, z. B. beim Jendrassik-Handgriff, um Bein-Eigenreflexe besser auslösen zu können. Ähnlich lassen sich ArmEigenreflexe fazilitieren, z. B. durch Kopfrechenaufgaben oder durch forcierten Kieferschluss.
Relativ häufige Muskeldystrophie mit einer Prävalenz von 1:20.000 bis 1:100.000. Typischerweise Beginn zwischen 10. und 20. Lebensjahr. Die Symptome können lange gering ausgeprägt sein und werden daher nicht selten spät bemerkt. Auffällig ist meist ein beidseitiges Zilienzeichen bei kräftigem Lidschluss, die Unfähigkeit zu Pfeifen, z. T. „Tapirmund“ oder „Schmollmund“, nur gering ausgeprägtes Grinsen, Skapulae alatae und eine vermehrte Lendenlordose. Seit eine molekulargenetische Sicherung der Diagnose möglich ist, werden zunehmend atypische Fälle ohne Gesichtsbeteiligung sowie mit einer skapuloperonäalen Symptomatik als FSHD erkannt. Der fehlende Muskelgürtel um das Schultergelenk kann zur Hypermobilität der „losen Schulter“ prädisponieren. Es wurden Hörstörungen und retinale Veränderungen (Retinitis centralis serosa, Coats-Syndrom) beschrieben. Daneben kommen auch uncharakteristische sensible Symptome (Kribbelparästhesien, Schulterschmerzen) vor. Teilweise Neigung zu dilatativer Kardiomyopathie ohne Korrelation zur Ausprägung der Skelettmuskelbeteiligung.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie, EKG, Herzecho, genetische Untersuchung. Muskelbiopsie in typischen Fällen entbehrlich.
Felbamat
Symptomatisch.
Nachsorge Jährliche Herzecho-Untersuchungen zur Erfassung und Beobachtung einer Kardiomyopathie sind wichtig.
Prognose Aufgrund der großen Variabilität sehr unterschiedlich. In der Regel verläuft die Erkrankung sehr langsam und ist dann relativ gutartig.
„Feeder“, Angiom
wertszeit in Monotherapie ca. 20 h, in Kombination mit enzyminduzierenden Substanzen ca. 13 h. Steady State nach etwa 4 Tagen. Keine aktiven Metaboliten, Ausscheidung zu ca. 90% unverändert renal.
Anwendungsgebiete In kontrollierten Studien zeigte sich Felbamat als effektiv bei fokalen und generalisierten Anfällen mit einer Anfallsreduktion von ≥50% bei etwa 40–50% der Patienten. Beim LennoxGastaut-Syndrom wurde eine Reduktion der tonisch-klonischen Anfälle um 40% und der Sturzanfälle um bis zu 50% beobachtet. Weiterhin ist auch die Wirksamkeit bei generalisierten Epilepsien und West-Syndrom belegt. Aufgrund des Nebenwirkungsspektrums aber eng umschriebene Zulassung: Kombinationsbehandlung von Erwachsenen und Kindern ab dem 4. Lebensjahr mit Lennox-Gastaut-Syndrom, das mit allen bisher zur Verfügung stehenden relevanten Antiepileptika nicht ausreichend behandelbar ist. 3
Therapie
453
3
Definition Angiom-versorgende Arterien.
3
3
Grundlagen Arterielle Zuflüsse zum Angiomnidus können direkt aus der Arteria carotis interna entstammen, bestehen Zuflüsse aus der Arteria carotis externa und/oder duralen Ästen der Arteria carotis interna spricht man von sog. „transduralen feedern“. Bei „En-passant-feedern“ handelt es sich um sowohl angiomspeisende als auch nutritive hirnparenchymversorgende Äste.
Dosierung/Anwendung Therapeutische Dosis bei Erwachsenen 2400– 3600 mg/d, bei Kindern 20–45 mg/kg/d, als Zwei- oder Dreimalgabe. Aufdosierung innerhalb von 3 d auf 2400 mg, weitere Steigerung langsam in Schritten von 400 mg.
3
3
Unerwünschte Wirkungen
Felbamat
Tabletten, Saft.
Dosisabhängig Müdigkeit, Ataxie, Schwindel, Schlafstörungen, Inappetenz (mit Gewichtsverlust) und Kopfschmerzen. Schwere lebensbedrohliche Nebenwirkungen sind aplastische Anämien (Häufigkeit ca. 1:4.000) und toxische Hepatopathien (Häufigkeit ca. 1:10.000, ca. 30% mit letalem Ausgang!).
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Taloxa® Tabletten à 400, 600 mg. Taloxa® Saft (5 m l= 600 mg).
Bekannte Hepatopathie bzw. hämatopoetische Störungen. Bekannte allergische Reaktion gegenüber Carbaminsäurederivaten.
Synonyme 2-Phenyl-1,3-Propandiol-Dicarbamat
Zubereitungen
Wirkungen Wechselwirkungen Enzyminduzierende Antiepileptika ( Carbamazepin, Phenytoin, Primidon) beschleunigen den Abbau von Felbamat, Valproinsäure führt zu einer leichten Erhöhung des Spiegels. Felbamat führt zu einem Anstieg des Phenytoin-, Phenobarbital- und Valproinsäurespiegels und zu einer Abnahme 3
3
3
Genauer Wirkmechanismus unbekannt, ein Teileffekt ist die Minderung der exzitatorischen Wirkung von Glutamat über eine Interaktion am NMDA-Rezeptorkomplex.
3
Schnelle Resorption, orale Bioverfügbarkeit ≥90%. Proteinbindung ca. 25%, Plasmahalb-
3
Pharmakologische Daten
F
Fettsäuren
Bewertung Ein breiter Einsatz von Felbamat ist trotz guter Wirksamkeit in den Zulassunggstudien aufgrund der potentiell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen ausgeschlossen. Bei der Therapie von Lennox-Gastaut-Syndromen sehr sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung.
Fettsäuren Definition Fettsäuren werden über die β-Oxidation in die Energiegewinnung eingebracht. Bei bestimmten Lipidspeicherkrankheiten ist der Abbau überlangkettiger Fettsäuren gestört. Überlangkettige Fettsäuren (VLCFA) lagern sich bei der Adrenoleukodystrophie im Myelin und in fast allen Körperzellen an und führen zur Zellschädigung. 3
Fettstoffwechsel, Defekte Definition Metabolische Störungen, die den Transport, den Katabolismus oder die Speicherung von Fettsäuren bzw. Fetten und anderen Lipiden beeinträchtigen.
rung. Das gleiche gilt für Defekte der verschiedenen Acyl-CoA-Dehydrogenasen, Schlüsselenzymen der β-Oxidation der Fettsäuren. Die Adrenomyeloneuropathie geht ebenfalls auf eine gestörte β-Oxidation zurück. Ursache ist die Mutation eines peroxisomalen Transportproteins für überlangkettige Fettsäuren. Bei Fehlen der Phytansäure-α-Dehydrogenase (autosomal-rezessive Refsum-Krankheit, HMSN IV) lagert sich Phytansäure ab und führt zu Polyneuropathie, Ataxie, Retinopathia pigmentosa und Hörminderung. Die autosomal-rezessive zerebrotendinöse Xanthomatose ist durch eine Gallensäuresynthesestörung charakterisiert. Es kommt zur Akkumulation von Cholestanol und Urinausscheidung von Gallenalkoholmetaboliten. Leitsymptome sind Xanthome an Strecksehnen, juvenile Katarakt, Spastik und Ataxie. Beim Morbus Fabry besteht ein Mangel an α-Galaktosidase. Klinisch steht eine Mikroangiopathie im Vordergrund mit Beteiligung von Haut, Niere, unmyelinisierten Nerven sowie Herz und Gehirn. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Lipidspeichererkrankungen, die vorwiegend Lipide des Nervensystems betreffen. Dazu gehören die GM2-Gangliosidosen (Hexosaminidasemangel), Morbus Gaucher (Glukozerebrosidasemangel), Morbus Niemann-Pick (Sphingomyelinasemangel), Morbus Spielmeyer-Vogt, Morbus Kufs (Jugend- bzw. Erwachsenenform der neuronalen Zeroidlipofuszinose), metachromatische Leukodystrophie (Mangel an Arylsulfatase A), Morbus Krabbe (Globoidzell-Leukodystrophie; Mangel an β-Galaktozerebrosidase). 3
von Carbamazepin. Unter Felbamat steigt der Phenprocoumonspiegel leicht an, bei oralen Kontrazeptiva tritt eine Abnahme der Ethinylöstradiol- und der Gestagenkonzentration auf.
3
454
Grundlagen Der Transport von Fetten bzw. Lipiden im Blut erfolgt über Lipoproteine. Aus neurologischer Sicht sind hier vor allem die A-β-Lipoproteinämie (Morbus BassenKornzweig) und die Hypo-β-Lipoproteinämie zu erwähnen. Das Fehlen oder der relative Mangel des Proteins führt u. a. zum Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, E etc.). Neurologische und ophthalmologische Symptome stehen im Vordergrund. Der Fettsäuretransport durch die innere Mitochondrienmembran, also zum Ort der β-Oxidation ist abhängig von Karnitin und den Karnitin-Palmityltransferasen. Mangel führt zur Neigung zu Rhabdomyolyse und zur Lipidspeiche-
Fibrinogen Synonyme Faktor I der Blutgerinnung
Definition In der Leber synthetisiertes großes Glykoprotein; Vorstufe des Fibrins.
Grundlagen Normale Plasmakonzentration 150–400 mg/dl. Ein Mangel an Fibrinogen kann bei Hyperfibri-
Fieberkrampf
nolysen und bei Verbrauchskoagulopathien vorkommen. Ein Anstieg des Fibrinogens wird nach thrombembolischen Ereignissen, im Rahmen von Akutphase-Reaktionen bei Entzündungen und auch bei Nikotinabusus beobachtet. Eine Fibrinogenerhöhung gilt als unabhängiger Risikofaktor für kardio- und zerebrovaskuläre Ereignisse. Inwieweit Fibrinogen als Zeichen für Hyperkoagulabilität oder im Sinne eines AkutphaseProteins als Marker für allgemeine Entzündungsprozesse (einschließlich der Arteriosklerose) angesehen werden muss, wird kontrovers diskutiert.
* *
455
bei der medikamentösen Thrombolyse, bei der disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, Verbrauchskoagulopathie).
D-Dimere gelten als sensitivster Marker für venöse Thrombosen und Embolien sowie für eine Verbrauchskoagulopathie (bereits in der Initialphase).
Fieberkrampf
F
Synonyme Infektkrampf
Definition 3
Fibrinspaltung, häufig synonym verwendet: Thrombolyse
Definition Proteolytischer Abbau von Fibrin. Physiologisch bei der Auflösung von entstandenen Thromben und zur Aufrechterhaltung der hämostasiologischen Gleichgewichte (hohe fibrinolytische Aktivität in der Lunge). Therapeutisch im Sinne einer thrombolytischen Therapie zur Auflösung von thrombotischen oder embolischen Gefäßverschlüssen.
Grundlagen Plasminoge-
3
Fibrinspaltprodukte
3
Synonyme
Schema der Fibrinolyse siehe naktivator, Abb. 1.
Bevorzugt im Alter von 4 Monaten bis 5 Jahren auftretende epileptische, in der Regel generalisiert tonisch-klonische Anfälle bei febrilen extrazerebralen Infekten. Prävalenz ca. 3– 4%. Bevorzugt zu Beginn einer Erkrankung bei raschem Fieberanstieg. Unterschieden werden unkomplizierte (syn. benigne, einfache) und komplizierte Fieberkrämpfe. Unkomplizierte Fieberkrämpfe dauern weniger als 15 Minuten und sind elektroenzephalographisch und genetisch verwandt mit den idiopathischen generalisierten Epilepsien, außerhalb von Fieberschüben bestehen aber keine zusätzlichen Anfälle. Die Kinder sind neurologisch unauffällig. Komplizierte Fieberkrämpfe dauern länger als 15 Minuten und treten häufig fokal beginnend oder fokal betont auf. Sie können das Kleinkindesalter überdauern und sind häufiger bei positiver Familienanamnese für Epilepsie und zerebraler Vorschädigung anzutreffen; dementsprechend häufig fokale Befunde bei der klinischen Untersuchung und im EEG. 3
Fibrinolyse
Einleitung Synonyme Definition
Gemäß der Klassifikation der International League against Epilepsy [1] fallen Fieberkrämpfe als Gelegenheitsanfälle unter die Gruppe der speziellen Syndrome.
Nach Spaltung des Fibrinpolymers durch Plasmin entstehende Moleküle (D-Dimere).
Differenzialdiagnose
D-Dimere
Grundlagen Fibrinspaltprodukte entstehen * bei der physiologischen Auflösung von intravasalen Thromben,
Aufgrund anderer therapeutischer Implikationen dürfen Fieberkrämpfe nicht verwechselt werden mit Gelegenheitsanfällen oder einer beginnenden Epilepsie, die durch eine (Meningo-) enzephalitis oder septischer Sinusthrombose
Fila olfactoria
bedingt sind. Insbesondere bei komplizierten Fieberkrämpfen daher Ausschluss einer infektiösen ZNS-Erkrankung durch Lumbalpunktion.
obasis zum Bulbus olfactorius ziehen. Gemeinsam bilden die Fila olfactoria den Nervus olfactorius, den 1. Hirnnerven. 3
456
Prophylaxe
3
3
3
Therapie Bei Fieberkrämpfen mit üblicher Dauer kein Behandlungsbedarf, bei prolongierten Fieberkrämpfen hingegen Diazepam rektal oder i. v. (Säuglinge ≥4 Monate: 5 mg, Kleinkinder ≥15 kg: 10 mg).
Prognose Fieberkrampfrezidiv etwa in 30–40%. Nachfolgende Epilepsie in etwa 5%, Risiko bei komplizierten Fieberkrämpfen gegenüber unkomplizierten Fieberkrämpfen ca. dreifach erhöht. Die Frage, ob (insbesondere prolongierte) Fieberkrämpfe zu einer Sklerose, mesiale (hippokampale) und damit zu einer mesialen Temporallappenepilepsie führen, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. 3
3
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised clinical and electroencephalographic classification of epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399.
Fingeragnosie Definition Identifikationsstörung einzelner Finger, nosie.
3
Bei bekannter Fieberkrampfdisposition auf jeden Fall physikalische und medikamentöse Maßnahmen zur Fiebersenkung. Intermittierende Rezidivprophylaxe bei ersten Anzeichen für fieberhaften Infekt mit Diazepam (0,5 mg/kg alle 8 h rektal oder als Topfen über 1–3 Tage). Prophylaktische Dauertherapie nach erstem Fieberkrampf in der Regel nicht nicht indiziert. Bei komplizierten Fieberkrämpfen, bei Anfallsserien und dauerhafter epilepsietypischer EEGAktivität noch Wochen nach den Anfällen ist eine zweijährige antiepileptische Therapie mit Phenobarbital (ca. 3 mg/kg/d) oder Valproinsäure (15–20 mg/kg/d) zu erwägen.
Ag-
Fissura-orbitalis-superiorSyndrom Definition Komplette oder inkomplette Schädigung der Hirnnerven III, IV, V1 und VI in der Fissura orbitalis superior [1].
Einleitung Im Vollbild liegt eine komplette Ophthalmoplegie mit Ptosis, weiter, lichtstarrer Pupille und Sensibilitätsstörungen im 1. Trigeminusast vor. Häufig bestehen auch Schmerzen. Als Ursache kommen vor allem Tumoren der mittleren Schädelgrube (meist Metastasen) in Betracht, seltener Traumata oder Aneurysmen [1].
Differenzialdiagnose Je nach Beteiligung der Hirnnerven abzugrenzen vom vorderen Sinus-cavernosus-Syndrom, Syndrom der Orbitaspitze.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei fixierter Bulbusstellung kommen zur Therapie der Doppelbilder evtl. Prismengläser in Betracht, zur Schmerztherapie symptomatische Maßnahmen wie Antikonvulsiva oder Antidepressiva.
Prognose
Fila olfactoria
Die Prognose ist abhängig vom Verlauf der Grunderkrankung, bei malignen Tumoren meist infaust.
Definition Nervenfasern, welche von den Sinneshärchen des Riechepithels in der oberen Nasenmuschel ausgehen, durch die Lamina cribrosa der Front-
Literatur 1. Schmidt D, Malin J-P (1986) Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme, Stuttgart New York.
Fistel, spinale perimedulläre
457
Fistel
Fistel, Sinus-cavernosus-Fistel
Perilymphfistel
Sinus cavernosus, Fistel
3
Fistel, Sinus-sagittalis-superiorFistel
Definition Arteriovenöse Durafisteln mit hohem Fluss, bzw. Shuntvolumen, Durafistel, arteriovenöse. 3
3
Fistel, Liquorfistel
Definition Arteriovenöse Durafistel, die im Bereich des Sinus sagittalis superior lokalisiert ist, Durafistel arteriovenöse. 3
3
Fistel, „high flow“-Fistel
Fistel, Sinus-transversus-/Sinussigmoideus-Fistel
Liquorfistel
3
Definition Im Bereich des Sinus-transversus/sigmoideus lokalisierte arteriovenöse Durafistel. 3
Fistel, Lunge, A-V-Fistel Definition
Arteriovenöse Lungenfisteln werden gehäuft bei der heriditären hämorrhagischen Teleangiektasie (Osler-Rendu-Weber-Syndrom) angetroffen. In seltenen Fällen können sie neben pulmonaler klinischer Manifestation zu zerebralen Ischämien führen. 3
3
Diagnostik * * *
Klinik. Transösophageale Echokardiographie. Bubbles-Untersuchung. Definitive Diagnose durch selektive Pulmonalisangiographie. 3
*
Therapie Fistelverschluss durch (neuro-) radiologische Intervention, Neuroradiologie, interventionelle.
Definition Intradural-extramedullär lokalisierte, von einer oder mehreren der spinalen Längsarterien (A. spinalis anterior, Aa. spinales posterolaterales) gespeiste, in die spinalen Venengeflechte drainierende arteriovenöse Fistel.
Einleitung Lokalisation meist in Höhe des thorakolumbalen Überganges auf der Ventral- oder Dorsalseite des Rückenmarkes. Klinische Manifestation meist im frühen bis mittleren Erwachsenenalter mit (im Gegensatz zur spinalen Durafistel) rasch progredienten Paresen und Sensibilitätsstörungen der Beine und Blasen-Mastdarmstörungen. Komplizierend können subarachnoidale spinale Blutungen auftreten. Nach Größe, Anzahl der speisenden Arterien, Shuntvolumen und Drainage werden die Typen 1–3 unterschieden. 3
Einleitung
Fistel, spinale perimedulläre
3
Gefäßanomalie des Lungenkreislaufs, bei der venöses Blut aus der Arteria pulmonalis unter umgehung der kapillären Abschnitte in die Lungenvenen gelangt.
Diagnostik MRT, Angiographie.
F
3
3
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Fistel, Tentoriumfistel
Therapie Je nach Fistelbeschaffenheit chirurgische Resektion, Katheterembolisation oder Ballonokklusion (ggf. Kombination der einzelnen Verfahren).
Fistel, Tentoriumfistel Definition 3
Im Bereich des Tentoriums lokalisierte riovenöse Durafistel.
arte-
Fleckfieber-Enzephalitis 3
Enzephalitis,
Fleckfieber-Enzephalitis
3
Flexorenloge Synonyme Tiefe und oberflächliche Beugerloge
Definition Muskelloge am Unterschenkel. Sie wird unterteilt in eine oberflächliche und eine tiefe Flexorenloge.
Grundlagen Die Skelettmuskulatur wird durch Faszien und intermuskuläre Septen zu Funktionseinheiten zusammengefasst. In diesen Muskellogen verlaufen Muskeln mit ähnlicher Funktion. Die tiefe Flexorenloge beinhaltet den M. tibialis posterior und die langen Zehenbeuger. Druckerhöhungen in den Muskellogen können zum Kompartmentsyndrom führen. 3
Fluconazol Gebräuchliche Fertigarzneimittel Diflucan® Kps., Saft; Fungata® Kps.
Wirkungen Fluconazol gehört in die Gruppe der Azol-Antimykotika. Die antimykotische Wirkung beruht
auf einer Hemmung der Cytochrom-P450-abhängigen Demethylierung von Lanosterol.
Resorption Fluconazol unterscheidet sich durch seine bessere Wasserlöslichkeit von Ketoconazol und Itraconazol; die Substanz kann sowohl p. o. als auch parenteral verabreicht werden. Aus dem Magen-Darm-Trakt wird Fluconazol gut resorbiert, die Bioverfügbarkeit wird mit 90% angegeben. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder die medikamentöse pH-Absenkung des Magensafts haben keinen signifikanten Effekt auf die Resorption. Die Plasmakonzentrationen und die AUC sind in einem Bereich von 50–400 mg Fluconazol pro Tag direkt proportional zur verabreichten Dosis. Nach einmaliger Gabe von 100–400 mg wurden bei gesunden Probanden mittlere Plasmakonzentrationen zwischen 1,7 und 6,7 mg/L gemessen. Steady-State-Konzentrationen werden nach 6–10 Tagen erreicht, sie können durch eine Verdopplung der Dosis am ersten Tag schneller erreicht werden.
Anwendungsgebiete Die einmalige orale Gabe von 150 mg Fluconazol ist zur Behandlung der vaginalen Candidose etwa ebenso wirksam wie die dreitägige lokale Anwendung von 200 mg Clotrimazol. Von größerer klinischer Bedeutung ist die Anwendung bei systemischen Mykosen. Die orale Gabe von Fluconazol ist wirksam bei Candidosen der Mundhöhle und des Ösophagus, die bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auftreten können. Die Kryptokokkenmeningitis, die häufig bei AIDS-Patienten auftritt, wird mit einer Kombination von Amphotericin B und Flucytosin behandelt.
Unerwünschte Wirkungen Die Inzidenz aller unerwünschten Wirkungen belief sich bei etwa 4.000 Patienten, die länger als 7 Tage mit Fluconazol behandelt worden waren, auf 16%. Die unerwünschte Wirkungen veranlassten 1,5% der Patienten zum Therapieabbruch, bei weiteren 1,3% der Patienten führten Veränderungen der klinisch-chemischen Parameter zum Therapieabbruch. Zentralnervensystem. Schwindel: 3,7%, Kopfschmerzen: 1,9%. Verdauungstrakt. Bauchschmerzen: 1,7%, Erbrechen 1,7% und Durchfälle 1,5%. Leber. Eine deutliche Erhöhung der Transaminasen (> 8-mal mehr als normal) wurde bei 1%
Flunarizin
der Patienten festgestellt. Die gleichzeitige Einnahme von Rifampicin, Phenytoin, Isoniazid, Valproinsäure oder oralen Antidiabetika führte zu einer höheren Inzidenz von veränderten Leberwerten. Sehr selten treten Lebernekrosen auf. Haut. Hautausschläge wurden bei 1,8% der Patienten beobachtet. Bei 7 Patienten, die AIDS hatten, trat ein Stevens-Johnson-Syndrom auf.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Es liegen bisher keine Erfahrungen zur Anwendung von Fluconazol in der Schwangerschaft und Stillzeit und bei Kindern und Jugendlichen vor, Fluconazol sollte bei diesen Patientengruppen nicht angewandt werden. Bei schweren Leberfunktionsstörungen sollte Fluconazol nur unter geeigneten Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt werden.
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Wirkungsverlauf Fludrocortison wird schnell und vollständig bei peroraler Gabe aufgenommen. Es werden 1,2– 1,7 μg 4–8 h nach peroraler Gabe bzw. 1,7 h nach i. v. Gabe erreicht. Die Halbwertzeit beträgt 30 min, die Plasmaeiweißbindung 70– 80%. Im Liquor finden sich 17% der Plasmakonzentration. Fludrocortison wird vollständig weitermetabolisiert. 80% der Metaboliten werden renal, 20% vorwiegend über den Stuhl ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Orthostatische Hypotension bei autonomer Neuropathie. Zur Ergänzung der Therapie einer Nebenniereninsuffizienz, bei orthostatischen Hypotensionen auf neurogener Grundlage. Fludrocortison wird als Testgabe zur Diagnose eines primären Hyperaldosteronismus verwendet.
Wechselwirkungen Keinen Einfluss auf die Kinetik hat die simultane Gabe von Fluconazol mit Antipyrin oder den Inhaltsstoffen eines oralen Kontrazeptivums (Ethinylestradiol, Norgestrel). Auch auf die Testosteronserumspiegel männlicher Probanden hat Fluconazol keinen signifikanten Einfluss. Interaktionen treten dagegen auf nach gleichzeitiger Gabe von Fluconazol mit Ciclosporin A, Phenytoin, Rifampicin, Tolbutamid und Cimetidin.
Dosierung und Art der Anwendung 50–300 μg/d. Eine Überdosierung kann an der Ausbildung einer Hypertension, einer Hyperkaliämie und dem Anstieg der Plasma-Renin-Aktivität erkannt werden.
Unerwünschte Wirkungen Wegen seiner glucocorticoiden Wirkkomponente sind Kortikoid-Nebenwirkungen möglich. Flüssigkeitsretention (Ödeme), Muskelschwäche. gastrointestinale Ulcera, Diabetogenese, Myopathien.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Fludrocortison
Hypertonie, Ödeme, Hypoalbuminämie gelten als Kontraindikationen.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Astonin H®, Fludrocortison Tbl.
Wechselwirkungen
Wirkungen
Mit Phenytoin kann der Abbau von Fludrocortison (über Enzyminduktion) gesteigert werden sowie mit Lithiumsalzen die Wirkung von Fludrocortison in der Niere vermindert werden.
Fludrocortison besitzt im Vergleich zu Aldosteron bei gleicher mineralokortikoider Wirkung eine zehnfach höhere glukokortikoide Wirkung. Die Wirkungen entsprechen denen des Aldosterons: Natriumretention bei vermehrter Ausscheidung von Kalium und Protonen in der Nieren, aber auch analog in Schweißdrüse, Speicheldrüse und Colon. Ein FludrocortisonTest kann zur (suppressiven) Diagnose des primären (Hyper)aldosteronismus durchgeführt werden.
Flunarizin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Flunarizin acis® 5 mg/-10 mg; flunarizin5/-10 von ct; Flunarizin-ratiopharm®; Flunavert® 5 mg/-10 mg; Sibelium®.
F
460
Fluoxetin
Wirkungen Flunarizin ist ein Piperazinderivat, das als unspezifischer Kalziumantagonist klassifiziert ist. Es reduziert den transmembranösen Kalziumstrom in die Zelle in Situationen, die mit einem erhöhten Kalziumeinstrom einhergehen, während es keinen Einfluss auf die normale zelluläre Kalziumhomöostase hat. Flunarizin inhibiert langanhaltend die durch Einstrom von extrazellulärem Kalzium induzierten Kontraktionen von glatten Gefäßmuskeln. In-vitround In-vivo-Untersuchungen haben gezeigt, dass Flunarizin Endothelzellen vor den schädigenden Auswirkungen eines exzessiven Kalziumeinstroms wie auch Erythrozyten vor einer kalziuminduzierten Membranrigidität schützt. Aufgrund seiner Lipophilie ist Flunarizin hirngängig. Sowohl in tierexperimentellen wie auch in klinischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass nach einseitiger Schädigung des Vestibularapparates Flunarizin die vestibuläre Kompensation beschleunigt. Darüber hinaus reduziert Flunarizin Dauer und Geschwindigkeit eines experimentell induzierten Nystagmus. Neben dem inhibitorischen Effekt auf den Kalziumeinstrom in den glatten Gefäßmuskelzellen verlangsamt Flunarizin auch den Natriumioneneintritt durch die natriumleitenden Kanäle und zeichnet sich zusätzlich durch antiserotonerge, antihistaminerge und antikonvulsive Wirkungen aus.
zu Müdigkeit; bei längerer Anwendung ist eine Gewichtszunahme möglich. Gelegentlich treten extrapyramidale Symptome und depressive Verstimmungen auf. Es ist nicht sicher, dass diese unerwünschten Wirkungen nach Absetzen in allen Fällen vollständig reversibel sind.
Fluoxetin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Fluctin® Kps., Tbl., Lösg.; Fluoxetin STADA® Kps.; Fluxet® 20 mg Kps.
Wirkungen Fluoxetin gehört zur Gruppe der SSRI. Pharmakologisch hemmt Fluoxetin selektiv die neuronale Wiederaufnahme von Serotonin im ZNS. Seine antidepressive Wirkung, die in der Regel nach etwa einer Woche einsetzt, ist der von Imipramin, Amitriptylin und Doxepin prinzipiell vergleichbar. Im Unterschied zu den Trizyklika besitzt es nur geringe anxiolytische Wirkungen, wirkt eher psychostimulierend und antriebssteigernd und beeinflusst Schlafstörungen depressiver Patienten kaum. Dabei ist es nahezu frei von antihistaminergen, anticholinergen und antiadrenergen Effekten.
Wirkungsverlauf
Resorption
Maximale Plasmakonzentrationen werden 2– 4 h nach peroraler Gabe erreicht. Bei chronischer Gabe stellt sich ein Steady-State-Spiegel nach ungefähr 22 Tagen ein. Die Eliminationshalbwertzeit liegt im Bereich von 18 Tagen. 40–80% einer Dosis wurden im Tierversuch biliär ausgeschieden; unverändertes Flunarizin findet sich praktisch nicht im Urin.
Die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt erfolgt schnell und nahezu vollständig. Maximale Plasmakonzentrationen (zwischen 0,02 und 0,05 mg/L) werden 6–8 h nach p. o. Einzeldosen von 40–60 mg erreicht. Ein Gleichgewicht des Plasmaspiegels von Fluoxetin und seinem pharmakologisch wirksamen Metaboliten Desmethylfluoxetin (0,25–0,35 mg/L) stellt sich nach 2–4wöchiger Applikation ein. Im Bereich normaler therapeutischer Konzentrationen beträgt die Plasmaproteinbindung etwa 94%.
Anwendungsgebiete Flunarizin ist zur Intervalltherapie der Migräne und zur Behandlung von Gleichgewichtsstörungen in Folge einer Funktionsstörung des Vestibularapparates zugelassen.
Dosierung und Art der Anwendung
Elimination Die Halbwertzeit des Fluoxetins nach Einzeldosis beträgt ca. 2 Tage (1–4 Tage), nach multiplen Dosen ca. 4 Tage (2–7 Tage).
5–10 mg täglich.
Anwendungsgebiete Unerwünschte Wirkungen Insbesondere zu Beginn der Therapie kommt es
Depressive Erkrankungen, Angst- und Panikstörung
Folsäure
Dosierung und Art der Anwendung Als mittlere Dosen werden 20–80 mg/d empfohlen.
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Injektopas® 5 mg; Folsäure-rationpharm® 5 mg; Folsäure STADA® 5 mg; Folsan 0,4 mg/-5 mg; Folverlan®; GRAVI-FOL®; Lafol®; Lederfolat®; RubieFol®.
Unerwünschte Wirkungen Typische unerwünschte Wirkungen sind Übelkeit, Nervosität und Schlaflosigkeit (bei 20– 25% der Patienten), seltener treten Kopfschmerzen, Tremor, Angst und Benommenheit auf. Gelegentlich Mundtrockenheit, Schweißausbruch und Diarrhoe. Ein geringer Gewichtsverlust kann auftreten.
Wechselwirkungen Fehlende Interaktion mit Alkohol. Nach Dosen von 60 mg wird die Halbwertzeit von Diazepam verlängert, während 30 mg die Pharmakokinetik von Diazepam, Tolbutamid, Chlorothiazid oder Secobarbital nicht veränderten.
„Fly catcher's tongue“
Wirkungen Folsäure ist nicht als solche wirksam, sondern in der reduzierten Form als Tetrahydrofolsäure (THF), und zwar als Carrier von C1-Gruppen. Die unterschiedlichen C1-Reste werden benötigt für die Purinsynthese (C8 und C2 des Purinrings) sowie für die DNA-Synthese bei der Methylierung von d-Uridylat zu Thymiylat und für die Methylierung von Homocystein zu Methionin. Über weitere Methylierungsreaktionen, z. B. der Methylierung von Phosphatidylethanolamin zu Lecithin bzw. Ethanolamin zu Cholin, greift Folat auch in den Stoffwechsel des Nervensystems ein. Da für die Methylierung von Homocystein auch Methylcobalamin erforderlich ist, besteht in diesem StoffwechselSchritt eine gegenseitige Abhängigkeit von Folsäure und Vitamin B12.
Resorption
Einleitung Die klassische tardive Dyskinesie, vorwiegend orobukkolinguale, stellt ein typisches nosologisches Syndrom dar, welches durch kauende, grimassierende Bewegungen im Mund-, Kiefer- und Zungenbereich gekennzeichnet ist. Die Bewegungen sind rhythmisch mit einem Zungenwälzen in Ruhe. Unwillkürliche Kau- und Schmatzbewegungen kommen ebenfalls vor, weshalb in der Literatur initial der Begriff bukkolingual-mastikatorisches Syndrom gebraucht wurde. Oftmals kommt es zu einem unwillkürlichen Herausfahren der Zunge aus dem Mund. Hier wurde in der älteren psychiatrischen Literatur eine für Patienten stigmatisierende syndromatische Bezeichnung eingeführt, „fly catcher’s tongue“, die allerdings immer wieder zu lesen ist. 3
Folsäure Gebräuchliche Fertigarzneimittel DreisaFol®; Folarell® Tabletten, Folarell® Injektionslösung; Fol-Asmedic®; Folcur®; Folsäure-biosyn; Folsäure Dr. Hotz; Folsäure-Hevert®, Folsäure-Hevert® mite/-forte; Folsäure-
Der Folattransport durch die Mukosamembran erfolgt überwiegend aktiv. Die Resorption ist bei einem pH von 6,0 optimal. Etwa 20–30% der Folsäure werden unabhängig von der Folatkonzentration über Diffusionsprozesse aufgenommen. Im Pfortaderblut finden sich vor allem nichtmethylierte Folate, die in der Leber in die methylierten Verbindungen umgewandelt werden. Im Blut kommt neben THF und 10Formyl-THF hauptsächlich 5-Methyl-THF vor, das an Albumin, α-Makroglobulin und an Transferrin gebunden transportiert wird. Der Serumfolatspiegel eines mit durchschnittlicher Mischkost ernährten Menschen liegt zwischen 7 und 17 ng/ml, wobei 5-Methyl-THF den Hauptanteil bildet und erheblichen ernährungsbedingten Schwankungen unterliegt. In rasch wachsenden Geweben ist der Serumspiegel von 10-Formyl-THF erhöht, bei gesunden Erwachsenen jedoch recht konstant. Die Aufnahme von 5-Methyl-THF in die Erythrozyten folgt den Gesetzen der Sättigungskinetik, wobei ein membrangebundener Carrier den Transport vermittelt. In den Erythrozyten liegt die Folsäure als Polyglutamat vor. Die Folatkonzentration der Erythrozyten ist etwa 40fach höher (200 bis 500 ng/ml) als im Serum. 5-Methyl-THF passiert vermutlich ebenfalls entsprechend der Sät-
F
462
Folsäure
tigungskinetik die Blut-Hirn-Schranke und erreicht in der zerebrospinalen Flüssigkeit 2–3× höhere Folsäurespiegel als im Serum. Folsäure ist auf alle Gewebe verteilt, hauptsächlich als Polyglutamyl-THF. Die Gesamtkörpermenge an Folat im menschlichen Organismus liegt zwischen 5 und 10 mg, wovon die Leber etwa die Hälfte enthält. Als Speicherorgan reguliert die Leber die Versorgung anderer Organe. Die Reserven des Körpers an Folsäure sind relativ gering, die biologische Halbwertzeit beträgt ca. 100 Tage. Bei Entzug von Nahrungsfolat reicht der Vorrat der Leber zur Aufrechterhaltung eines normalen Serumfolatspiegels etwa 3–4 Wochen aus, danach kommt es zunächst zu einem Abfall des Folatspiegels im Serum und innerhalb von 10–12 Wochen zur Übersegmentierung der neutrophilen Granulozyten. Nach 18 Wochen ist der Folatgehalt in den Erythrozyten vermindert und nach 4–5 Monaten kommt es zur Manifestation der megaloblastischen Anämie.
bei vermindertem enterohepatischen Kreislauf sowie bei Dauerhämodialyse. Weitere Ursachen eines Mangels liegen im gesteigerten Bedarf, z. B. während der Schwangerschaft und Laktation, bei Erkrankungen mit hoher Zellumsatzrate oder chronischem Blutverlust. Eine Therapie mit Antikonvulsiva, z. B. Barbituraten, Phenytoin, Primidon u. a., und hormonalen Kontrazeptiva bei langfristigem Gebrauch können ebenfalls einen Mangel zu Folge haben. Einsatz auch zur Korrektur einer Hyperhomozysteinämie.
Dosierung und Art der Anwendung Zur Prophylaxe des Folsäuremangels werden Tagesdosen von 0,16–1 mg Folsäure/d empfohlen. Zur Therapie des manifesten Folsäuremangels sind p. o.-Gaben von 1–15 mg erforderlich. Korrektur einer Hyperhomozysteinämie mit 0,5 mg Folsäure/d. Parenterale Gabe bei nachgewiesener Resorptionsstörung.
Elimination Die mit der Galle ausgeschiedene Folsäure von 10–90 μg/d wird praktisch quantitativ rückresorbiert (enterohepatischer Kreislauf). Bei normaler Folsäurezufuhr werden 1–12 μg mit dem Urin ausgeschieden. In den Faeces finden sich 5–10fach höhere Folatmengen als in der aufgenommenen Nahrung aufgrund der mikrobiellen Folatsynthese in distalen Darmabschnitten.
Unerwünschte Wirkungen Nach Folatgabe sind in extremen Einzelfällen allergische bzw. pseudoallergische Reaktionen aufgetreten. Bei hohen Dosen sind in sehr seltenen Fällen Schlafstörungen, gastrointestinale Störungen, Erregung und Depression beschrieben worden.
Anwendungsgebiete Gesichertes Anwendungsgebiet für Folsäure ist die Therapie oder Prävention von Folsäuremangelzuständen verschiedener Ursachen. Bei solchen kann es zur Entwicklung folgender Krankheitsbilder kommen: Megaloblastenanämie (Nur durch Bestimmung von Folsäure und Kobalaminen im Blutplasma und evtl. roten Blutkörperchen von der durch Vitamin B12-Mangel hervorgerufenen unterscheidbar). Ferner treten neurologische und psychiatrische Störungen wie hirnorganisches Syndrom, Störungen der Pyramidenbahn (funikuläre Myelose), Neuropathie sowie Schleimhautveränderungen auf. Ursachen des klinisch-chemisch gesicherten Folsäuremangels sind hauptsächlich: Mangeloder Fehlernährung bei chronischen Alkoholismus, therapieresistentem Malabsorptionssyndrom, nach Resektion des oberen Dünndarms,
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Absolute Megaloblastenanämie infolge isolierten Vitamin B12-Mangels, z. B. infolge Mangels an Intrinsic Factor, ohne gleichzeitige Vitamin B12-Therapie. Relative Megaloblastenanämie unklarer Genese.
Wechselwirkungen Da Folsäure und Vitamin B12 einen Retikulozytenanstieg im Blut bewirken, kann die Gabe eines der beiden Vitamine unter Umständen den Mangel des anderen Vitamins maskieren, deshalb muss auch bei lebensbedrohlicher Megaloblastenanämie wegen der Gefahr irreversibler neurologischer Störungen vor Therapiebeginn die Diagnose eines evtl. Vitamin B12-Mangels ausgeschlossen werden.
Foramen ovale, persistierendes (PFO)
Foramen ovale, persistierendes (PFO)
*
Synonyme Patent foramen ovale, offenes Foramen ovale, Foramen ovale persistens
Offene Verbindung zwischen rechtem und linken Vorhof in Höhe der Fossa ovalis mit oder ohne Rechts-Links-Shunt.
Einleitung
Risiko für zerebrale Embolien: * Primäres Embolierisiko wird durch PFOGröße, Shuntvolumen sowie durch das simultane Vorhandensein eines ASA bedingt (PFO mit ASA zeigt ein deutlich erhöhtes Risiko). * Bei jungen Patienten (<55 Jahren) mit ischämischem Infarkt ohne Nachweis einer Infarktursache (cryptogenic stroke) findet sich mit 54% signifikant häufiger ein offe-
nes Foramen ovale, als bei Patienten mit gesicherter Infarktursache (21%). Reinfarkt-Risiko: Zum Teil widersprüchliche Daten, jedoch insgesamt die Tendenz, dass es unter den PFO-Patienten sog. „high risk groups“ gibt: a) 2-Jahres-Rezidiv-Risiko: Isoliertes PFO: Schlaganfall: 2,3%; Schlaganfall und TIA zusammen: 6,7%. PFO mit gleichzeitig vorhandenem Vorhofseptumdefekt: 9,0% bzw. 22,0%. Fallzahl: 132 (French Study, 1995). b) Rezidive sind assoziiert mit Mitralklappenprolaps, Migräne, Vorhandensein eines weiteren CVRF oder primärer Ischämie im Posteriorstromgebiet und unabhängig vom Vorliegen eines ASA oder einer Sekundärprophylaxe mit medikamentöser bzw. chirurgischer Therapie. Follow up-Dauer: 3 Jahre, Fallzahl: 140 (Lausanne Study, 1996).
Definition
Inzidenz: Bei etwa 30% der Bevölkerung (27% autopsiegesichert). Pathophysiologie: * Größe: zwischen 1 und 22 mm, durchschnittlich 4,9 mm (autopsiegesichert). * Häufig auch in Kombination mit hypermobilem Vorhofseptum oder ASA (AtrialesSeptum-Aneurysma mit einer Septumexkursion von >10–15 mm). * Meist ohne funktionellen Shunt auf Vorhofebene. * Bei großem Foramen ovale kann sich durch einen Links-Rechts-Shunt im Verlauf eine Rechtsherzbelastung mit pulmonaler Hypertonie und im Extremfall eine Shunt-Umkehr entwickeln. * Bei intrathorakaler Druckerhöhung (Husten, Pressen) kann es zum Blutübertritt von rechtem zu linkem Vorhof und dadurch auch zu Embolien kommen: Kardiogene Embolie: Durch Turbulenzen im Bereich des PFO entstehen Gerinnsel, die in das arterielle System embolisieren können. Paradoxe Embolien: Aus Thrombosen im venösen System (z. B. tiefe Beinvenenthrombose) können sich Emboli lösen und über das PFO in das arterielle System embolisieren.
463
Diagnostik *
*
* * *
EKG („crochetage pattern“ in den Ableitungen II, III, aVF. Sensitivität: 36%, Spezifität: 91%). Transkranielle Doppleruntersuchung mit PFO-Diagnostik (Nachweis von Emboliesignalen in der Untersuchung mit intravenöser Gabe eines Echokontrastverstärkers; aus der Anzahl der Emboliesignale können Rückschlüsse bezüglich der Shuntgröße gezogen werden). – transthorakal (nur orientierende Aussagekraft). – transösophageal: Graduierung des PFO nach KM-Gabe und Valsalva-Manöver anhand der Zahl der Bubble-Übertritte möglich (z. B. 0 Bubbles: Grad 0, >25 Bubbles: Grad 3). Genaue Größenangaben sehr schwierig, da oft gefaltet und in Kombination mit Vorhofseptumaneurysma bzw. hypermobilem Vorhofseptum auftretend. Echokardiographie: Herzkatheter obligat vor interventionellen Eingriffen. Erweiterte Gerinnungsdiagnostik (AT III, Protein C, Protein S, APC-Resistenz, AntiCardiolipin-Antikörper) zum Ausschluss einer pathologisch erhöhten Gerinnungsneigung mit dem Risiko für Thrombosen im venösen System.
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Foramen-jugulare-Syndrom
– Vorteile: Permanenter Verschluss, kein Risiko einer Operation am offenen Herzen, geringere Kosten. – Nachteile: Material im Körper (Endokarditis- und Thromboserisiko am Device). – Es gibt keine gesicherten Daten zur Frage, ob nach einem Verschluss via Katheter eine Sekundärprophylaxe, z. B. mittels Thrombozytenaggregationshemmer notwendig ist.
Therapie Primärprophylaxe: Hierzu gibt es keine Studiendaten. Sekundärprophylaxe: a) Konservativ: * Therapieempfehlungen empirisch, größere aussagekräftige Studien fehlen bislang. * Thrombozytenaggregationshemmer bei kleinem PFO und thrombembolischem Erstereignis ohne Nachweis einer DVT oder Gerinnungsstörung. * Orale Antikoagulation bei kleinem PFO und Nachweis einer Beinvenenthrombose oder Gerinnungsstörung, größerem PFO, PFO mit gleichzeitig vorhandenem Vorhofseptumaneurysma oder hypermobilem Vorhofseptum. * Vorteile: Kein interventioneller Eingriff; kein Fremdmaterial im Körper. * Nachteile: Tägliche Medikamenteneinnahme, Blutungsrisiko, prophylaktische Wirksamkeit nicht eindeutig gesichert, Rezidive nachgewiesen. b) Chirurgisch: Indikation bei großem PFO mit deutlichem Shuntvolumen, insbesondere bei jüngeren Patienten sowie Patienten mit wiederholten Rezidiven. *
*
*
Invasiv-chirurgischer Verschluss: – Sterniotomie und Verschluss des Defekts mittels Naht. – Vorteile: Permanenter Verschluss, Wirksamkeit bzgl. Rezidivereignissen vor allem bei jüngeren Patienten sehr gut. – Nachteile: Perioperative Komplikationen (Postperikardiotomie-Syndrom, Blutungen, respiratorische Probleme) v. a. bei älteren Pat. mit eingeschränkter Herzfunktion. Minimal-invasiver (endoskopischer) Verschluss: – Transthorakal endoskopisch durchgeführter Verschluss. Relativ neues Verfahren, wenig Erfahrung bislang, aufgrund des kleineren Eingriffs weniger perioperative Komplikationen. Transluminaler perkutaner Verschluss mittels Katheter: – Platzierung eines Schirmchens (Device) über einen perkutan eingeführten Katheter.
Nachsorge *
*
Nach chirurgischer Sanierung sind regelmäßige echokardiographische Verlaufskontrollen sinnvoll. Nach Schirmchenverschluss für 6 Monate ASS 100 mg täglich (keine Studiendaten).
Bewertung Das Rezidivrisiko bei Pat. mit ischämischem Infarkt und nachgewiesenem PFO ist gering (ca. 3%). Es gibt bislang nicht genügend Daten bezüglich einer geeigneten und suffizienten Sekundärprophylaxe. Die Entscheidung zum Verschluss (minimal-invasiv oder invasiv) eines PFO ist momentan anhand der individuellen klinischen Untersuchungsergebnisse unter Berücksichtigung des möglichen Risikos bezüglich Morbidität und Mortalität sowie auch unter Einbezug einer Kosten-Nutzen-Analyse individuell für jeden Patienten zu stellen.
Foramen-jugulare-Syndrom Synonyme Vernet-Syndrom
Definition Komplette oder inkomplette Läsion der Hirnnerven IX, X und XI beim Austritt aus der Schädelbasis im Foramen jugulare.
Einleitung Kardinalsymptome sind Heiserkeit, Phonationsschwäche, Schluckstörungen, Regurgitation durch die Nase, vermehrter Speichelfluss sowie Husten und Atemschwäche. Typisch ist bei der Untersuchung das Kulissenphänomen. Ätiologisch kommen vor allem extra3
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Foville-Syndrom
und intrakranielle Tumoren in Betracht, aber auch vaskuläre Prozesse wie eine Thrombose der V. jugularis interna oder eine Sinusvenenthrombose (S. transversus), entzündliche Erkrankungen wie basale Meningitiden, eine chronische Otitis oder Mastoiditis oder auch Traumata (Fraktur der Schädelbasis am Foramen jugulare: „Siebenmann-Syndrom“). 3
3
Differenzialdiagnose Wichtige Differenzialdiagnose ist die Bulbärparalyse, aber auch andere basale Hirnnervenoder Hirnstammsyndrome. Erforderliche Diagnostik: CCT zum Nachweis knöcherner, MRT zum Nachweis parenchymatöser Läsionen, Lumbalpunktion zum Nachweis entzündlicher Prozesse, Angiographie bei V. a. venöse Thrombose.
465
Foster-Kennedy-Syndrom Definition Homolatarale Optikusatrophie und kontralaterale Stauungspapille bei Raumforderungen in der vorderen Schädelgrube.
Einleitung Das Foster-Kennedy-Syndrom wurde von dem Neurologen F. Kennedy erstbeschrieben und umfasst die primäre Optikusatrophie und kontralaterale Stauungspapille bei Tumoren im Bereich der vorderen Schädelgrube, v. a. im Bereich des medialen Keilbeinflügels. Durch direkte Kompression des Nervus opticus kommt es primär zu eine Optikusatrophie homolateral mit resultierendem Visusverlust. Kontralateral entwickelt sich durch den erhöhten Hirndruck eine Stauungspapille.
3
Therapie
Differenzialdiagnose
Therapie und Prognose sind abhängig von der Grunderkrankung.
Ursache eines Foster-Kennedy-Syndroms können alle Prozesse in der vorderen Schädelgrube sein, die zu einer Kompression des Nervus opticus und einer Hirndrucksteigerung führen. Somit müssen alle Raumforderungen/Tumoren in der Differenzialdiagnose berücksichtigt werden. Zur Sicherung der Diagnose stehen CCT ohne/mit KM, MRT und ggf. Biopsie zur Verfügung.
Literatur 1. Schmidt D, Malin J-P (1986) Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme, Stuttgart New York.
Therapie
Forbes-Erkrankung
Kausale Therapie.
Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase-Mangel (Andersen-Erkrankung)
Nachsorge
Forellen-Phänomen
Prognose
3
Definition Petechiale Einblutungen der Haut im Gesichts-, Hals- oder Décolleté-Bereich als Folge generalisierter tonisch-klonischer Anfälle, vom Aspekt an die Hautzeichnung einer Forelle erinnernd. Somit differenzialdiagnostisch als Hinweis auf stattgehabten tonisch-klonischen Anfall hilfreich. Ursächlich sind kapilläre Blutungen während der tonischen Phase.
Je nach Ursache des Syndroms, v. a. bei Tumoren müssen regelmäßige klinische und apparative (CCT, MRT) Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden.
Generell abhängig von der Grunderkrankung. Der Visusverlust durch die Optikusatrophie ist irreversibel.
3
Foville-Syndrom Synonyme Syndrom des kaudalen Brückenfußes
F
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Freezing
Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion des kaudalen Brückenfußes (Benennung nach Erstbeschreiber).
nur Sekunden bis selten weniger als eine Minute) von Initierungsstörungen in der Regel der Gangmotorik, aber auch anderer motorischer Funktionen insbesondere der Sprechmotorik.
Einleitung
Einleitung
Bei ischämischer Genese kommt es durch Thrombose der Rr. circumferentes der A. basilaris zu einer Läsion im Bereich des kaudalen Brückenfußes mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral Hemiparese, Analgesie, Thermanästhesie sowie herabgesetzter Berührungs-, Lage- und Vibrationssinn. * Ipsilateral Abduzensparese, fakultativ Fazialisparese (nukleär oder peripher).
Das Freezing zählt zu den motorischen Fluktuationen. Meist ist es nicht medikamentenabhängig, d. h. es ist refraktär auf Steigerungen der Dopaminergikadosis. Freezing-Phänomene sind viel kürzer als sogenannte Off-Phasen, Wearing-offs oder End-of-dose-Akinesien, bei denen in der Regel eine Abhängigkeit mit der zeitlichen Einnahme von Dopa zu erruieren ist oder die sich durch Dopaminergikasteigerung, Dosisverteilung bessern lassen.
Diagnostik Kernspintomographie.
Differenzialdiagnose Off-Phasen, Wearing-offs oder End-of-doseAkinesien.
Therapie Hirninfarkt
Friedreich-Ataxie
Hirninfarkt
3
Prognose Hirninfarkt. Die Prognose ist abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
3
Freezing
Synonyme Spinozerebellare Heredoataxie, Morbus Friedreich, Ataxie, autosomal rezessive 3
3
Nachsorge
Definition Autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung (Gendefekt auf Chromosom 9q) mit Degeneration von Nucleus dentatus, spinozerebellaren Bahnen, Hintersträngen, Pyramidenbahn sowie einer sensomotorischen Polyneuropathie.
Synonyme
Einleitung
Motorische Blockaden
Krankheitsbeginn gewöhnlich zwischen dem 8. und 15. Lebensjahr (breite Streuung vom Kleinkindes- bis ins junge Erwachsenenalter). Es treten Hinterstrangsymptome mit Parästhesien und sensibler Ataxie sowie zerebellare Symptome (zerebellare Ataxie und Okulomotorikstörung) auf, die Muskeleigenreflexe sind abgeschwächt oder fehlen. Im Verlauf häufig distal betonte Muskelatrophien und spastische Zeichen. Es entstehen Skelettdeformitäten mit Krallenhohlfuß („Friedreich-Fuß“) und Kyphoskoliose. Schließlich tritt eine Demenz hinzu, häufig sind eine begleitende Kardiomyopathie sowie ein Diabetes mellitus.
Definition Aus dem Amerikanischen: Bildhafte Patientensprache, die das Phänomen motorischer Blockaden bei Parkinson-Patienten beschreibt und in den Jargon der Parkinsonologen übergegangen ist. Dazu zählen Startschwierigkeiten nach dem Aufstehen aus dem Sitzen, typischerweise das mit Wendebewegungen und Schwellen assozierte Verharren (Steckenbleiben während des Gehens durch Türdurchgänge oder zwischen Stühlen), sowie plötzliche kurze Phasen (meist
Frovatriptan
Diagnostik
*
Frontallappendemenz 3
*
Epilepsie, Frontallappenepilepsie
Demenz,
3
*
Frontallappenanfall
Molekulargenetischer Nachweis des Gendefektes. Elektroneurographie: Sensomotorische Polyneuropathie vom vorwiegend axonalen Typ. Transkranielle Magnetstimulation: Verlängerte zentrale motorische Leitungszeiten. MRT: Atrophie zervikaler Rückenmarksabschnitte.
3
*
467
Frontallappendemenz
F
Therapie
Frovatriptan
gesichert Keine gesicherte Therapie bekannt.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Allegro® 2,5 mg Filmtbl.
empirisch Krankengymnastische Behandlung in Form eines Koordinationstrainings. Logopädie. Zur symptomatischen Behandlung der Ataxie können 5-Hydroxytryptophan (10 mg/kgKG/d, Levothym®), Buspiron (30–60 mg/d, Bespar®) oder Amantadin (100–200 mg/d, PK-Merz®) probatorisch eingesetzt werden. Symptomatische Therapie der Spastik z. B. mit Baclofen. Bei ausgewählten Patienten kann eine operative Korrektur von Skelettdeformitäten sinnvoll sein. Je nach Verlauf sind eine internistische Behandlung von Diabetes mellitus und Kardiomyopathie notwendig. 3
Prognose Meist stetige Progredienz, in Ausnahmefällen kann die Symptomatik über Jahre stabil bleiben. Rollstuhlpflicht nach durchschnittlich 15 Jahren Krankheitsverlauf. Tod, meist durch Komplikationen der Bettlägerigkeit im Durchschnitt 35 Jahre nach Symptombeginn. Ein frühes Manifestationsalter bedeutet meist ein rascheres Fortschreiten der Krankheit.
Friedreich-Fuß Definition Hohl- und Spitzfußbildung mit Dorsalflexion der Zehen im Grundgelenk bei FriedreichAtaxie.
Wirkungen Frovatriptan ist ein selektiver 5-HT-RezeptorAgonist mit hoher Affinität zu 5-HT1B- und 5-HT1D-Bindungsstellen. Frovatriptan hat eine signifikante Affinität zu BenzodiazepinBindungsstellen. Frovatriptan wirkt während der Migräne selektiv an extrazerebralen, intrakraniellen Arterien vermutlich über die Hemmung der exzessiven Dilatation dieser Gefäße. In klinisch relevanten Konzentrationen bewirkt Frovatriptan eine Konstriktion von isolierten menschlichen zerebralen Arterien mit geringem bis keinem Effekt an isolierten humanen Koronararterein. In Dosisfindungsstudien wurden Frovatriptandosierungen von 0,5 mg, 1 mg, 2,5 mg, 5 mg, 10 mg, 20 mg und 40 mg mit Plazebo verglichen. Ab einer Dosis von 2,5 mg war die Substanz besser wirksam als Plazebo innerhalb eines Zweistundenfensters. Schmerzfrei nach 2 h waren 15% der Patienten nach 2,5 und 5 mg Frovatriptan und 5% mit Plazebo. Bei der geringen Wirksamkeit hat Frovatriptan allerdings eine niedrige Rate an wiederauftretenden Kopfschmerzen. Bei insgesamt fünf plazebokontrollierten Studien lag die Wiederauftretensrate zwischen 7 und 25%. In einer Langzeitstudie über 12 Monate an 496 Migränepatienten ergab sich kein Wirkungsverlust im Lauf der Zeit. In einer Metaanalyse wurden drei Studien analysiert, bei denen 2,5 mg Frovatriptan mit Plazebo verglichen wurden. 1632 Patienten nahmen Frovatriptan ein und 811 Plazebo. Die Besserung der Kopfschmerzen nach 2 h lag zwischen 38 und 46%, während die unter Plazebo zwischen 21 und 25%
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Frovatriptan
lag [1]. Frovatriptan ist bei menstruationsassoziierten Migräneattacken genauso wirksam wie bei Attacken außerhalb der Menstruation.
Resorption Nach Gabe einer oralen Einzeldosis von 2,5 mg Frovatriptan an gesunde Probanden wurden mittlere maximale Blutkonzentrationen (Cmax) von 4,2 ng/ml (Männer) bzw. 7,0 ng/ ml (Frauen) innerhalb von 2–4 h erreicht. Die orale Bioverfügbarkeit lag bei 22% (Männer) bzw. 30% (Frauen). Die geschlechtsspezifischen pharmakokinetischen Unterschiede (die zumindest teilweise auf der gleichzeitigen Anwendung von oralen Kontrazeptiva beruhen) führten während der klinischen Anwendung zu keinerlei Unterschieden in der Wirksamkeit oder Sicherheit von Frovatriptan und erforderten keinerlei Dosisanpassung. Bei Migränepatienten zeigten sich keine Unterschiede in den pharmakokinetischen Parametern während und außerhalb der Migräne-Attacke. Die Pharmakokinetik von Frovatriptan war bei gesunden Probanden und Migränepatienten gleichartig. Frovatriptan zeigte in klinischen Studien generell eine lineare Pharmakokinetik über einen Dosisbereich von 1 mg–40 mg. Nach intravenöser Einmalgabe von 0,8 mg Frovatriptan betrug das Steady-State Verteilungsvolumen 4,2 l/kg (Männer) bzw. 3,0 l/kg (Frauen). Die Serumproteinbindung von Frovatriptan ist gering (ca. 15%). Die reversible Bindung an Blutzellen betrug im Gleichgewicht ca. 60%, ohne Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Elimination Nach oraler Gabe von 2,5 mg radionmarkiertem Frovatriptan werden 32% der Dosis im Urin und 62% in den Faeces wiedergefunden. Die renale Clearance betrug bei Männern 38% (82 ml/min) und bei Frauen 49% (65 ml/min) der totalen Clearance. Die mittlere terminale Eliminationshalbwertzeit einer 2,5 mg Dosis betrug ca. 26 h, unabhängig vom Geschlecht. Bei milden bis moderaten Nieren- oder Leberfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Anwendungsgebiete Frovatriptan wird zur Behandlung von Migränekopfschmerzen mit oder ohne Aura eingesetzt.
Dosierung und Art der Anwendung Frovatriptan sollte frühestmöglich nach Beginn der Migräneattacke eingenommen werden, ist jedoch auch bei Einnahme zu einem späteren Zeitpunkt in der Attacke wirksam. Frovatriptan sollte nicht prophylaktisch angewendet werden. Die Tablette sollte unzerkaut mit Flüssigkeit geschluckt werden. Erwachsene (18–65 Jahre): Die empfohlene Dosis ist eine 2,5 mgTablette. Bei nach initialer Besserung wiederkehrendem Kopfschmerz kann eine zweite Tablette eingenommen werden. Der Abstand zwischen den beiden Dosen muss mindestens 2 h betragen. Die Gesamttagesdosis sollte 2 Tabletten Frovatriptan (5 mg pro Tag) nicht überschreiten. Wenn nach der ersten Dosis keine Besserung eintritt, sollte keine zweite Dosis in derselben Attacke eingenommen werden, da dies keinen Nutzen erbrachte. Für spätere Attacken kann Frovatriptan wieder eingesetzt werden. Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahre), Senioren (über 65 Jahre): Anwendung nicht empfohlen (unzureichende Datenlage).
Unerwünschte Wirkungen Die Mehrzahl der unerwünschten Wirkungen traten in gleichartiger Häufigkeit nach Gabe von Frovatriptan bzw. Plazebo auf. Schwindel, Kopfschmerzen, Parästhesien, Müdigkeit, Temperatursensationen, Brustschmerz, Somnolenz. Flush. Übelkeit, Mundtrockenheit, Dyspepsie. Skelettale Schmerzen. Sowohl durch den Migräneanfall auch nach Einnahme von Frovatriptan kann Somnolenz auftreten. Dies kann die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit Maschinen zu bedienen, beeinflussen. Die Sicherheit von Frovatriptan bei Schwangeren ist nicht belegt.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung In der Anamnese Myokardinfarkt, ischämische Herzerkrankung, Koronarspasmen (z. B. Prinzmetal-Angina), periphere arterielle Erkrankung, Patienten mit Symptomen oder Anzeichen einer ischämischen Herzerkrankung. Mäßiger bis schwerer Bluthochdruck, unkontrollierter milder Bluthochdruck. Frühere zerebrovaskuläre Ereignisse. Schwere Leberfunktionsstörung (Child-Pugh C). Frovatriptan ist nicht indiziert bei hemiplegischer, Basilar- oder ophthalmoplegischer Migräne. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Frovatriptan während der Auraphase, vor Einset-
Frühdyskinesien
zen der Kopfschmerzen, ist nicht gesichert. Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren (einschließlich starke Raucher, Nikotinersatztherapie) müssen vorab einen kardiovaskulären Check-up erhalten. Besondere Aufmerksamkeit bedürfen Frauen in der Menopause und Männer über 40 Jahre mit Risikofaktoren.
Wechselwirkungen
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raartikuläre Steroidinjektion ist effektiv und sollte arthrographisch erfolgen. 2 Jahre nach Symptombeginn besteht kaum ein Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten Patienten. Während der akuten Phase der Erkrankung ist forcierte Mobilisierung des Gelenks nicht indiziert. Nach Abklingen der Akutphase kann die Mobilisierung unter Anästhesie die Beweglichkeit signifikant verbessern. Zusätzlich ins Gelenk injizierte Steroide haben zu diesem Zeitpunkt keinen zusätzlichen Nutzen.
Die gleichzeitige Anwendung von Frovatriptan mit Ergotamin bzw. Ergotamin-Derivaten (einschließlich Methysergid) oder anderen 5-HT1Agonisten ist kontraindiziert.
Diagnostik
Literatur
Klinischer Befund, Nativröntgen der Schulter, MRT des Schultergelenks nativ und mit KM.
1. McDaris HL, Hutchinson J, on behalf of the Frovatriptan Phase III Investigators (1999) Frovatriptan - a review of overall clinical efficacy. 9th International Congress of the IHS, Barcelona
Frozen shoulder
Therapie Orale oder lokal ins Gelenk injizierte Glukokortikosteroide in der schmerzhaften Frühphase der Erkrankung. Nach Abklingen der schmerzhaften Phase der Krankheit Gelenkmobilisation, ggf. unter Anästhesie.
Definition
Überbegriff für akute dystone Reaktionen, akute Akathisie
Definition Dyskinesien, die früh nach Exposition mit Dopaminrezeptorblocker ( Dopaminrezeptorblocker, Früh- und Spätdyskinesien) auftreten.
Einleitung Die mit Dopaminrezeptorblockern in Verbindung gebrachten Dyskinesien hat man traditionell in zwei Gruppen eingeteilt: * Zum einen jene, die früh nach Exposition mit Dopaminrezeptorblocker auftreten, als akute dystone Reaktionen und als akute Akathisie häufig von einem medikamentösen Parkinson-Syndrom begleitet. * Zum anderen jene, die vermeintlich „spät“, erst nach längerer Einnahme von Dopaminrezeptorblockern auftreten und auch nach Absetzen der Dopaminrezeptorblocker anhalten (persistieren), die „tardiven“ Syndrome ( Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive)). 3
Erste Beschreibung von Duplay 1872. Ähnlichkeiten mit der Dupuytren-Kontraktur. Tatsächlich findet sich bei über der Hälfte der Patienten mit Frozen shoulder auch eine solche Erkrankung. Der Beginn der meist nächtlich betonten Schmerzen kann der Bewegungseinschränkung um Wochen bis Monate vorausgehen. Im MR-Tomogramm findet sich während der ersten Monate nach Symptombeginn eine spezifische Kontrastaufnahme im Bereich von Synovialis und Gelenkkapsel. Arthroskopisch findet sich makroskopisch eine Synovialitis in oberen und ventralen Gelenkanteilen bei etwa der Hälfte der Fälle. Adhäsionen finden sich in der Regel nicht. Der Prozess kann zur Alteration der langen Bizepssehne führen. Histologisch finden sich eine Gelenkkapselfibrose, verdickte Gefäßwände und eine Zunahme an synovialer Oberfläche, während eine zelluläre Entzündungsreaktion nicht die Regel ist. Therapeutisch steht die Schmerztherapie im Vordergrund. Mit oralen Steroiden lassen sich die nächtlichen Schmerzen gut kupieren. Int-
Synonyme
3
Einleitung
Frühdyskinesien
3
Schmerzhafte Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit im Schultergelenk ohne glenohumerale Auffälligkeiten im Nativröntgenbild.
F
Frühdyskinesien
scherweise mit Torti-/Retrokollis, tonischer Kontraktion des Platysmas und der submentalen Muskulatur. Weiterhin zählen dazu pharyngeale Dystonien („Schlundkrämpfe“) mit Zungen- und laryngealen Spasmen, die im Extremfall eine Tracheotomie erfordern können, oromandibuläre Dystonien mit Zungenprotrusionen sowie tonische Kieferöffnung oder Kieferschließung, die zu Kieferluxationen und Zungenverletzungen führen können. Auch generalisiertere Reaktionen mit Opistothonus (extreme dorsalkonkave Rumpfbeugung nach hinten), axialer Dystonie mit Skoliose und Körperneigung zu einer Seite („Pisa-Syndrom“) treten auf. Akute dystone Reaktionen können sehr schmerzhaft sein und halten Minuten bis Tage an. In sehr seltenen Fällen mündet ein protrahierter Verlauf einer akuten dystonen Reaktion in das sog. „ maligne neuroleptische Syndrom“ mit Hyperpyrexie, Rigor, Akinese, autonomen Störungen, Hyponatriämie, Stupor bis zum Koma. 2. Akathisie: Die akute Akathisie gehört nach den früheren Erhebungen zu der häufigsten unerwünschten Wirkung (21% aller Behandelten) von Dopaminrezeptorblockern. Die zunächst beschriebene vermehrte Häufigkeit bei Frauen wurde in späteren Studien nicht bestätigt. In einer jüngeren Erhebung wird die Häufigkeit von Akathisie unter Neuroleptikabehandlung mit 36% angegeben, wobei diese disproportional häufig bei den hochpotenten Neuroleptika auftrat. Die Prävalenzzahlen variieren aber beträchtlich, offensichtlich wegen Schwierigkeiten in der Diagnosestellung, weil bei einem nicht unerheblichen Anteil in placebobehandelten Gruppen eine Akathisie diagnostiziert wurde. In einer alten Doppelblindstudie bei 400 vorher unbehandelten jungen Schizophrenen trat Akathisie bei 6% der mit Chlorpromazin behandelten (mittlere Dosis 650 mg/d), bei 12% der mit Fluphenazin (mittlere Dosis 6 mg), bei 5% der mit Thioridazin (mittlere Dosis 700 mg/d) und bei 4% der placebobehandelten Gruppe auf. Klinik: Akathisie heißt wörtlich übersetzt „Unfähigkeit zu sitzen“. Praktisch als Synonym gilt der Begriff der Tasikinesie, eines unstillbaren, von der Körperlage unabhängigen Bedürfnisses, sich 3
3
Als entscheidendes Kriterium, Frühdyskinesien von den tardiven Syndromen zu unterscheiden, gilt die leichte Reversibilität der Frühdyskinesien nach Absetzen der induzierenden Pharmaka. Zu den Frühdyskinesien werden hier die akuten dystonen Reaktionen und die akute bis subakute Akathisie gezählt. 1. Akute dystone Reaktionen: Die Inzidenz von akuten dystonen Reaktionen hängt von der Dosierung, von der Wahl des Dopaminrezeptorblockers und von dem Patientenkollektiv ab. Je jünger der Patient, desto höher scheint die Inzidenz zu sein. Männer entwickeln akute dystone Reaktionen häufiger als Frauen. In den Anfängen der Neuroleptikaära wurde die Inzidenz akuter Dyskinesien unter Behandlung mit Phenothiazinen mit 2,3% (3,1% bei 1833 Männern und 1,5% bei 1942 Frauen) angegeben. Die Einführung hochpotenter Neuroleptika ließ die Inzidenz auf 15–25% steigen. Diese Zunahme ist wohl auf den vermehrten Einsatz von Haloperidol und Depot-Phenothiazinen wie Fluphenazin zurückzuführen. Als Metoclopramid in hoher Dosierung noch als Neuroleptikum gebraucht wurde, kam es in 25% der Fälle zu akuten Dyskinesien. Binder u. Levy beobachteten eine Inzidenz von 35% bei 80 Patienten innerhalb der ersten 14 Tage einer Behandlung mit Haloperidol (5–70 mg/d). Sie stellten außerdem erhebliche Unterschiede in der Inzidenz bei Schwarzen, Orientalen und Kaukasiern fest. Eventuell liegt eine genetisch determinierte Prädisposition vor. Ferner liegen Hinweise vor, dass akute Dyskinesien bei jüngeren Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern sowie bei Verwandten von Patienten mit idiopathischer Dystonie häufiger auftreten. Klinik: Dystone Reaktionen treten innerhalb der ersten Stunden bis etwa 7 Tage nach Beginn einer Behandlung mit Dopaminrezeptorblockern auf. Bei Erwachsenen kommt es in erster Linie zu fokal/segmentalen Dystonien ( Dystonie, fokale) im kraniozervikalen Bereich, bei Kindern zu dem Bild einer akuten generalisierten Dystonie (z. B. bei medikamentöser Prophylaxe der Reisekrankheit). Zu den fokal/segmentalen Dystonien gehören der Blepharospasmus, okulogyre Krisen (konjugierte tonische Blickwendung, meist nach oben), zervikale Dystonie typi-
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3
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Frühdyskinesien
len schwierig und hat zu sehr unterschiedlichen Prävalenzzahlen geführt. Dies kann an mangelnden diagnostischen Kriterien und häufiger Fehldiagnose einer Agitation bei einem psychotischen Rezidiv gelegen haben. Die Beobachtung der charakteristischen motorischen Akathisie ist in vorgegebenen Situationen (z. B. bei der Vorstellung des Patienten im Arztzimmer) oft erschwert und in einer gewöhnlicheren Umgebung leichter zu erzielen. Inzwischen sind verschiedene Beurteilungsskalen entwickelt worden, um den Schweregrad der Akathisie klinisch zu erfassen und zu quantifizieren. Am vollständigsten, und damit auch am aufwendigsten sind die Hillside-Akathisieskala [8] sowie die Barnes-Akathisieskala. Die Diagnose einer Akathisie beruht neben der Beobachtung der oben angeführten charakteristischen motorischen Erscheinungen auch auf der Bestätigung entsprechender subjektiver Symptome durch eine Exploration. Patienten kann man befragen, ob sie Schwierigkeiten erleben, längere Zeit ruhig zu sitzen, wo sie ihre Unruhe spüren. Sensorische Zuordnungen von Missempfindungen zu den Beinen, die durch Bewegung entspannt werden, sind charakteristisch. Es bestehen in diesem Zusammenhang Parallelen mit dem Restless-Legs-Syndrom sowie dem Phänomen der Tics.
Differenzialdiagnose Die Symptomatik der akuten Dystonien und der anamnestische Hintergrund einer Einnahme von Dopaminrezeptorblockern bildet im Allgemeinen eine so typische Situation, dass es selten zu differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten kommt. Die oromandibuläre Dystonie kann gelegentlich mit Hirnstammaffektionen und mit Raritäten wie Tetanus, Strychninvergiftung, Katatonie oder Tollwut („Risus sardonicus“) verwechselt werden. Der paroxysmale Charakter der Störung kann bei Unkenntnis etwaiger eingenommener Medikamente differenzialdiagnostische Überlegungen in Richtung Frontallappenepilepsie, paroxymalen Choreoathetosen und enzephalitischer Geschehen aufkeimen lassen. Schwierigkeiten bereiten am ehesten klinische Situationen, bei denen die Exposition mit einem Dopaminrezeptorblocker nicht offensichtlich ist. Beispiele sind hier Kinder, die Ma3
3
ständig zu bewegen. Vor Einführung der Neuroleptika in die Klinik war dieses Symptom extrem selten und wurde gelegentlich im Rahmen der Parkinson-Krankheit und des postenzephalitischen Parkinson-Syndroms erwähnt. Auf den Zusammenhang zwischen Akathisie und Phenothiazine haben wahrscheinlich erstmals Delay und Mitarbeiter Ende der 50er-Jahre aufmerksam gemacht. Subjektiv erlebt der Patient ein quälendes Gefühl der inneren Unruhe, das nach Ansicht mancher Autoren das einzige Symptom darstellen kann. Die Akathisie kann in Extremfällen so sehr beeinträchtigend sein, dass sie zum Suizid und zu Aggressionshandlungen führt. Objektiv äußert sich die Akathisie in einem Umherlaufen, Trippeln, ständigen Gewichtsverlagerungen beim Sitzen und Stehen, Über- und Entkreuzen der Beine und anderer ungezielter, oft komplexer Bewegungen. Die Unfähigkeit, ruhig zu stehen und immer auf der Stelle treten zu müssen, ist ein charakteristisches Zeichen. Eine subjektive sensorische Symptomatik ist typisch. Die innere Unruhe wird auf Missempfindungen (Kälte-, Hitzeempfindungen, Ameisenlaufen usw.) in bestimmte Körperteile, vorwiegend in die untere Extremität projiziert. Wenn eine Akathisie auftritt, tritt sie in 50% der Fälle innerhalb von 4 Wochen und in 90% der Fälle in den ersten drei Monaten einer Behandlung mit Dopaminrezeptorblockern auf. Barnes u. Brande unterscheiden neben der „akuten“ eine chronische, eine tardive sowie eine Pseudoakathisie (bei Vorliegen von motorischer Unruhe ohne subjektive Symptomatik). Nach der Barnes-Klassifikation gilt für die „akute“ Akathisie, dass diese bis zu sechs Monaten nach initialem Einsatz oder Dosiserhöhung der Dopaminrezeptorblocker aufgetreten sein muss. Die Begrifflichkeit ist leider mißverständlich. Eine „akute“ Akathisie kann damit auch „spät“ nach Jahren einer Dopaminrezeptorblocker-Behandlung im Rahmen einer Dosiserhöhung auftreten. Außerdem kann die sogenannte „akute“ Akathisie wie ein medikamentöses Parkinson-Syndrom „chronisch“ im Verlauf einer Behandlung mit Dopaminrezeptorblockern bestehen bleiben und bei Absetzen wieder sistieren. Die Diagnose der Akathisie ist in vielen Fäl-
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F
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Frühmobilisation
gentropfen (Metoclopramid) ihrer Eltern einnehmen, und Toximane, die Neuroleptika ausprobieren. Das frappierende Ansprechen auf i. v.-Gabe von Anticholinergika lässt die akuten dystonen Reaktionen von anderen Bewegungsstörungen differenzieren, obwohl hin und wieder von punktuellen Besserungen auch anderer Hyperkinesen auf i. v.-Anticholinergika berichtet wird. Diese Effekte der i. v.-Anticholinergika bei anderen Bewegungsstörungen sind jedoch in der Regel nicht beeindruckend und dürften eine wesentliche Placebokomponente beinhalten.
Therapie gesichert * Akute dystone Reaktionen: Größere Studien fehlen. Allerdings ist die Wirksamkeit der Anticholinergika und Benzodiazepine allgemein anerkannt. * Akute Akathisie: Für niedrig dosierte lipophile β-Blocker in geringer Dosierung (Propranolol 30–80 mg/d) ist in zahlreichen offenen und einigen doppelblinden Studien eine signifikante Besserung objektiver und subjektiver Akathisiescores erzielt worden. empirisch Akute dystone Reaktionen werden in der Regel effektiv mit langsamer i. v.-Verabreichung von Anticholinergika wie Biperiden 5 mg (Akineton®) oder Benzatropin 2 mg (Cogentin, Österreich; Cogentinol®, Deutschland) behandelt. Nach Möglichkeit sollte auch das verursachende Pharmakon abgesetzt werden, was bei psychiatrischen Patienten oft nicht praktikabel ist. Der Behandlungseffekt ist in der Regel dramatisch: etwa 10 Minuten nach der Verabreichung des Anticholinergikums kommt es meist zu einem Sistieren der Störung, ansonsten kann die Injektion nach 30 Minuten wiederholt werden. Falls man Schwierigkeiten hat, einen venösen Zugang zu finden, kann man das flüssige Anticholinergikum aus der Ampulle sublingual verabreichen. Der Effekt setzt zwar nicht so schnell ein, aber dafür sind die gelegentlich zu beobachtenden Verwirrtheitszustände nach i. v.-Verabreichung seltener. Sofern keine Beobachtung des Patienten gewährleistet ist, sollte eine weiterführende orale anticholinerge Medikation für die folgenden Tage erwogen werden, da es zu einem Wiederauftreten der Dyskinesie
kommen kann, wenn der Effekt der Anticholinergika nachlässt. Bei Kontraindikationen gegen Anticholinergika und bei früher aufgetretenen Verwirrtheitszuständen sind eventuell Benzodiazepine mittels langsamer i. v.-Injektion wie Clonazepam 1 mg (Rivotril®) oder Diazepam 5–10 mg (Valium®) vorzuziehen.
Literatur 1. Ceballos-Baumann AO (1996). Medikamentös induzierte Bewegungsstörungen. In: Conrad B, Ceballos-Baumann AO (Hrsg.) Bewegungsstörungenin der Neurologie. Thieme, Stuttgart: 308– 332. 2. Ceballos-Baumann AO (1999). Medikamenteninduzierte Dyskinesien. In: Berlit P (Hrsg.) Klinische Neurologie. Springer-Verlag 906–12.
Frühmobilisation Definition Therapeutisches Konzept zur früh einsetzenden Aktivierung von Patienten nach Krankheitsereignissen.
Grundlagen Abgestufte Behandlungsmaßnahmen der Frühmobilisation sind: * (Teils passive) Bewegung der Patienten im Bett. * Aufsetzen im Bett. * Sitzen am Bettrand. * Transfer in den Rollstuhl oder Pflegerollstuhl. * Gehen mit Hilfe oder alleine. Die Frühmobilisation wird als therapeutisches Konzept in vielen Bereichen der stationären Behandlung miteinbezogen und ist integraler Bestandteil der Stroke-Unit-Therapie sowohl bei ischämischen Schlaganfällen als auch bei intrakraniellen Blutungen. Durch die Frühmobilisation ist eine nachweisbare Reduktion von Komplikationen wie Beinvenenthrombosen, Lungenembolien, Pneumonien und Inaktivitätsmuskelatrophie möglich. Im Rahmen der neurologisch-rehabilitativen Therapie nach ZNSLäsionen wird dabei zusätzlich eine Aktivierung der neuronalen Plastizität angestrebt.
FSME-Impfstoff
Synonyme
*
Vegetative Dysregulationen. Schwere Paresen. Schwere Schluckstörungen mit häufig erforderlichem Aspirationsschutz durch Trachealkanüle. Stuhl- und Harninkontinenz.
* *
Phase B der neurologischen Rehabilitation *
Definition
Grundlagen Typische Krankheitsbilder der neurologischen Frührehabilitation: * Schweres Schädel-Hirn-Trauma. * Zerebrale Hypoxien (meist nach Reanimation). * Hohe Querschnittssyndrome. * Ausgedehnte Hirninfarkte (z. B. komplette Mediainfarkte, Basilaristhrombosen). * Schwere intrazerebrale Blutungen. * Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Enzephalitis, Meningitis, schweres Guillain-Barré-Syndrom). * ZNS-Tumoren. * Intoxikationen. Voraussetzungen für die Aufnahme in der Frührehabilitation: * Abgeschlossene primäre Akutversorgung (keine unmittelbar notwendigen operativen Eingriffe). * Stabile Herz-Kreislaufverhältnisse im Liegen. * Nicht interventionspflichtige intrakranielle Druckverhältnisse. * Keine (kontrollierte) Beatmungspflichtigkeit. Häufige Kennzeichen von Frührehabilitationspatienten: * Qualitative und quantitative Bewusstseinsstörungen (Somnolenz bis Koma, Hypersomie, Abulie, akinetischer Mutimus, apallisches Syndrom). * Schwere neuropsychologische Störungen wie Verwirrtheit, aggressive Tendenzen, Neglectphänomen, Sprachstörungen.
Die Frührehabilitation stellt ein interdisziplinäres Behandlungskonzept dar. Beteiligt sind Ärzte (medizinische Überwachung, Diagnostik, Indikation und Koordination der Therapie), Pflegetherapeuten (neben der pflegerischen Versorgung der Patienten auch rehabilitative Behandlung), Schlucktherapeuten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Sozialpädagogen. Die Einstufung in die Phase B geschieht meist durch Scores zur Erfassung von Behinderung und Alltagsfunktionen wie Barthel-Index, Frühreha-Barthelindex, Functional independence measure (FIM).
FSME (Frühsommermeningoenzephalitis) Synonyme Enzephalitis, phalitis (FSME) 3
Rehabilitationsphase bei Patienten mit schweren bis schwersten Schädigungen des Nervensystems bei weitgehender bis vollständiger pflegerischer Abhängigkeit und noch erforderlicher intensiver medizinischer Überwachung. Die Frührehabilitation beschreibt weniger den Zeitpunkt der Behandlung als die Schwere der Behinderung und Intensität des Behandlungskonzeptes.
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Frührehabilitation
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Frühsommer-Meningoenze-
FSME-Impfstoff Gebräuchliche Fertigarzneimittel Encepur® Vaccine.
Wirkungen Wirkstoff Inaktivierte FSME-Viren (Stamm nach Herstellerangabe). Zusammensetzung: Auf HühnerfibroblastenZellkulturen oder Hühnerembryonalzellen und Maushirn (nach Herstellerangabe) vermehrte, inaktivierte FSME-Viren, adsorbiert an Aluminiumhydroxid. Übrige Bestandteile nach Herstellerangabe. Wirkprinzip Induktion der humoralen Immunität.
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FSME-Impfstoff
Schutzrate Nach vollständiger Grundimmunisierung ist je nach Impfstoff und Impfschema mit einer Schutzrate von bis zu 99% der Geimpften zu rechnen. Schutzdauer Durchschnittlich mindestens 3 Jahre.
Wirkungsverlauf Frühestens 14 Tage nach der zweiten Teilimpfung ist eine Serokonversion zu beobachten. Eine längerfristige Immunität ist erst nach Abschluss der Grundimmunisierung zu erwarten.
Elimination Eine Ausscheidung des Impferregers ist nicht möglich, da es sich um einen Totimpfstoff handelt.
Anwendungsgebiete Aktive Immunisierung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis bei Kindern und Erwachsenen, die sich dauernd in einem Endemiegebiet aufhalten. Besondere Indikation besteht bei Personen mit hoher Expositionsgefahr (z. B. Waldarbeiter, Förster). Indikationsimpfung vor Reisen in Endemiegebiete.
Dosierung und Art der Anwendung Eine Dosis beträgt 0,5 ml (nach Herstellerangabe). Abhängig vom Impfstoff ist es möglich, eine sogenannte Schnell-Immunisierung an den Tagen 0, 7 und 21 vorzunehmen. Das übliche Impfschema („Langzeitschema“) besteht insgesamt aus drei Impfdosen: am Tag 0, 14 Tage bis 3 Monate nach der ersten und 9–12 Monate nach der zweiten Impfung. Nach Empfehlung der STIKO (Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut, Berlin) ist nach abgeschlossener Grundimmunisierung etwa alle 3–5 Jahre eine Auffrischung mit einer Impfdosis erforderlich. Nach der Schnell-Immunisierung ist eine Auffrischung bereits nach 12–18 Monaten zu empfehlen. Die Impfung sollte vorzugsweise i. m. in den Oberarm erfolgen, bei besonderer Indikation (z. B. bei hämorrhagischer Diathese) ist auch eine subkutane Gabe möglich.
Unerwünschte Wirkungen Impfreaktion/Impfkrankheit Eine Reaktion an der Impfstelle und die Schwellung regionaler Lymphknoten sind sel-
ten. Eine schmerzbedingte Einschränkung der Beweglichkeit im nahegelegenen Gelenk ist dabei möglich, ebenso das vorübergehende Auftreten von Missempfindungen. Besonders bei zu oberflächlicher Injektion (subkutan) von Adsorbat-Impfstoffen – auch bei der FSME-Impfung – kann es gelegentlich zu sterilen Abszessen oder Granulomen kommen; ursächlich ist eine teils veranlagungsbedingte entzündliche Überreaktion auf das Adsorbens. Allgemeinbeschwerden i. S. einer grippeähnlichen Symptomatik mit Fieber, Kopfschmerzen Abgeschlagenheit, Kreislaufreaktion, auch Gelenkbeschwerden und Muskelschmerzen werden bei bis zu 10% aller Impflinge als Zeichen der immunologischen Auseinandersetzung mit dem Impfstoff innerhalb von 48 h nach der Impfung beobachtet. Sie sind nach der ersten Impfung häufiger als nach späteren Impfungen.
Impfkomplikationen Selten treten allergische oder pseudoallergische Reaktionen auf. Fieberkrämpfe können im Rahmen einer allgemeinen Impfreaktion insbesondere bei entsprechender Prädisposition vorkommen. Starke Kopfschmerzen zusammen mit Fieber und Schmerzen im Nackenbereich werden im Rahmen der Allgemeinreaktion beobachtet und können einen Meningismus vortäuschen. Die Häufigkeit dieser Komplikation beträgt etwa 1:1000 Impfungen. Bisher wurde in keinem dieser Fälle bei einer Lumbalpunktion ein Hinweis auf eine aseptische Meningitis gefunden, so dass von einer starken Allgemeinreaktion ausgegangen werden kann. Besteht der geringste Verdacht auf eine andere Erkrankung (z. B. Borreliose), ist umgehend eine differenzialdiagnostische Abklärung zu empfehlen. Wie nach allen Impfungen kann es möglicherweise durch eine unspezifische Stimulation des Immunsystems zu einer Mono- oder Polyneuritis kommen. Es sind Einzelfälle solcher und ähnlicher Erkrankungen, auch i. S. eines akuten Guillain-Barré-Syndroms im zeitlichen Zusammenhang mit FSME-Impfungen berichtet worden. Autoimmunerkrankungen und demyelinisierende Erkrankungen des Nervensystems wie z. B. eine Multiple Sklerose werden nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht durch Impfungen beeinflusst. Bei versehentlicher intravasaler Injektion ist mit Reaktionen bis hin zum Schock zu rechnen.
Fugue
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Gegenanzeigen
Hinweis
Bekannte Überempfindlichkeiten gegen einen der im Impfstoff oder Lösungsmittel enthaltenen Bestandteile. Personen mit akuten behandlungsbedürftigen Erkrankungen sollen nicht geimpft werden; versäumte Impfungen können frühestens zwei Wochen nach Genesung nachgeholt werden; eine mit Komplikationen verlaufene Impfung stellt bis zur Klärung der Ursache eine Kontraindikation gegen eine nochmalige Impfung mit dem gleichen Impfstoff dar. Angeborene oder erworbene Immundefekte sind keine Kontraindikation gegen Impfungen mit einem Totimpfstoff; bei diesen Patienten ist eine serologische Kontrolle des Impferfolges angezeigt. Banale Infekte – auch mit subfebrilen Temperaturen – sowie ein möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit ansteckenden Krankheiten sind keine Kontraindikation. Es bestehen keine ausreichenden Erfahrungen über die Impfung von Schwangeren und stillenden Müttern. Die Impfung sollte deshalb in diesen Situationen nur nach strenger Indikationsstellung und sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Aus prinzipiellen Erwägungen ist aber bei der Anwendung eines Totimpfstoffes keine Fruchtschädigung zu befürchten.
Postexpositionell kann eine FSME-Prophylaxe bei nicht-immunen Individuen durch eine FSME-Immunglobulin-Gabe erfolgen. Dies gilt für Personen über 14 Jahre und innerhalb eines Zeitraums von 96 h nach Zeckenbiss und sollte in ausreichender Dosierung (nach Hersteller-Angabe) erfolgen. Bei Exposition in einem Zeitraum bis 14 Tage nach der 2. Teilimpfung sollte bei Personen über 14 Jahre ebenfalls eine passive Immunisierung mit Immunglobulin erfolgen. Die aktive Immunisierung sollte 4 Wochen nach der Gabe des Immunglobulins mit der 2. Teilimpfung fortgesetzt werden. Bei Kindern unter 14 Jahren haben Hinweise auf einen möglicherweise schwereren Verlauf der FSME-Erkrankung dazu geführt, dass bis zur wissenschaftlichen Klärung die Gabe von Immunglobulin als nicht mehr indiziert gilt. Gegen andere von Zecken übertragene Krankheiten wie z. B. die Borreliose bietet ein FSME-Impfstoff keinen Schutz. Alle Impfungen und Immunglobulingaben müssen vom Impfarzt mit Chargen-Nr. und Bezeichnung des Präparates (Handelsnamen) in den Internationalen Impfausweis eingetragen werden.
Vorsichtsmaßnahmen
Zeitabstände zu anderen Impfungen/Immunisierungen Zeitabstände zu anderen Impfungen, auch solchen mit Lebendimpfstoffen, sind nicht erforderlich. Nach Gabe von FSME-Immunglobulin ist ein Abstand von mindestens 4 Wochen einzuhalten, da sonst eine Beeinträchtigung des Impferfolges nicht ausgeschlossen werden kann.
Epileptischer Fugue-Zustand
Definition Sinn- und zielloses Herumlaufen im Rahmen iktualer (z. B. Status epilepticus, nichtkonvulsiver generalisierter; Status epilepticus, Status komplex-fokaler Anfälle) oder postiktualer, Stunden bis Tage andauernder epileptischer Dämmerzustände. Trotz der eingeschränkten Bewusstseinslage fallen die Patienten der Umgebung aufgrund ihres zumindest teilweise geordnet wirkenden Verhaltens zumeist nicht auf. Für den Zustand besteht komplette oder partielle Amnesie.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch kommen transitorische globale Amnesie ( Amnesie, TGA (transitorische globale Amnesie))oder psychisch bedingte Ausnahmezustände in Betracht. 3
Während einer immunsuppressiven Therapie kann der Impferfolg eingeschränkt sein.
Synonyme
3
Wechselwirkungen
Fugue
3
Bei Patienten mit bekannter atopischer Diathese treten häufiger allergische oder pseudoallergische Reaktionen auf als in der Normalbevölkerung. Eine angemessene Nachbeobachtungszeit von 30–60 min nach der Impfung ist zu empfehlen. Bei Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz und bei Personen mit malignen Erkrankungen kann der Impferfolg eingeschränkt sein und ist ggf. serologisch zu kontrollieren.
F
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Furosemid
Therapie Status epilepticus, nichtkonvulsiver generalisierter; Status epilepticus, Status komplexfokaler Anfälle 3
3
Prognose Status epilepticus, nichtkonvulsiver generalisierter; Status epilepticus, Status komplexfokaler Anfälle 3
3
Furosemid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Betasemid® Filmtbl.; Diurapid® Tbl., Inj.lösg.; Furo Tbl., Kps.; Lasix® Tbl., Inj.lösg., liquidum.
Wirkungen Furosemid ist das wichtigste Schleifendiuretikum. Während einer starken und schnell einsetzenden Diurese können bis zu 30% des filtrierten Natriums eliminiert werden. Die diuretische Wirkung beruht auf der luminalen Hemmung des Na+/2Cl–/K+-Cotransports im dicken aufsteigenden Ast der Henle'schen Schleife. Dadurch verliert die Niere ihre Konzentrierungsfähigkeit und es wird ein fast plasmaisotoner Harn ausgeschieden. Schleifendiuretika steigern außer der NaCl- und Wasserelimination auch die Ausscheidung von Calcium, Magnesium und Kalium. Normalerweise werden im aufsteigenden Ast der Henle'schen Schleife etwa 20% des Calciums, 50–60% des Magnesiums und 20–30% des Kaliums über einen kationenselektiven, parazellulären Weg rückresorbiert. Triebkraft für diese Art der Rückresorption ist die durch den aktiven NaCl-Rücktransport aufgebaute lumenpositive transepitheliale Potentialdifferenz. Die hormonal regulierte Calcium- und Magnesiumrückresorption im distalen Tubulus scheint durch Schleifendiuretika nicht beeinflusst zu werden. Die Hemmung des Na+/2Cl–/K+-Einstroms in die Macula densa Zellen führt zur Unterbrechung des tubuloglomerulären Feedbacks und zur Steigerung der Reninsekretion. Die erhöhte Beladung des distalen Tubulus mit NaCl führt zu Kaliumund Protonensekretion in die Tubulusflüssigkeit. Dieser Prozess zusammen mit der Erhöhung der reninabhängigen Aldosteronsekretion
kann Hypokaliämie und hypochlorämische Alkalose auslösen. Initial steigt auch die Bicarbonatausscheidung an. Furosemid hat als Sulfonamid eine schwach hemmende Wirkung auf die Carboanhydrase im proximalen Tubulus, die aber nicht zur Diurese beiträgt. Furosemid steigert die renale Prostaglandinfreisetzung. Die Nierendurchblutung nimmt um etwa 30% zu. Nicht-steroidale Antiphlogistika vermindern durch Hemmung der Prostaglandinbiosynthese die Furosemid-bedingte Durchblutungssteigerung und die diuretische Wirkung. Mit zunehmender Diurese fällt durch Verminderung des Extrazellulärvolumens die Nierendurchblutung wieder ab. Die Kontraktion des Extrazellulärvolumens gefolgt von Steigerung des efferenten Sympathikotonus, Erhöhung der Renin-, Angiotensin- und Aldosteron-Plasmakonzentrationen führt zu gesteigerter NaCl– und Wasserreabsorption aus den Tubuli, wodurch die diuretische Wirkung des Furosemids abnimmt. Schleifendiuretika wirken von der luminalen Seite des Tubulusepithels und binden in Gegenwart von Na+, K+ und Cl– reversibel an eine der beiden Chloridbindungsstellen des Carriers. Schleifendiuretika werden glomerulär filtriert und tubulär über das Transportsystem für organische Anionen ins Tubuluslumen sezerniert. Dadurch werden im Tubuluslumen die für die Hemmung des Carriers erforderlichen hohen Konzentrationen erreicht, die 20–50-mal höher als im Blut sein können. Die tubuläre Sekretion ist durch Probenecid und andere organische Anionen, die tubulär sezerniert werden, hemmbar, der diuretische Effekt wird entsprechend vermindert. Furosemid hemmt die Harnsäuresekretion und steigert infolge einer Verminderung des Extrazellulärvolumens (s. o.) die Harnsäurerückresorption. Nach hohen Dosen wird die Sekretion der kaliumhaltigen Endolymphe des Innenohrs gehemmt. Es kann zu Hörstörungen kommen. Schleifendiuretika senken die Vorlast des Herzens. Dieser Effekt tritt nach i. v. Applikation hoher Dosen von Furosemid (1 mg/ kg) in der Frühphase auf, wird durch eine prostaglandinbedingte Dilatation der Kapazitätsgefäße vermittelt und geht der diuretischen Wirkung zeitlich voraus.
Resorption Furosemid wird rasch, aber unvollständig resorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 60– 70%. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder
Furosemid
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Furosemid wird zu 57–70% unverändert renal eliminiert. In der Leber erfolgt eine Metabolisierung zum Glucuronid. Furosemid wird auch über die Galle ausgeschieden. Bei Herz- und Niereninsuffizienz, Hypertonie und Lebererkrankungen ist die Elimination verzögert. Die totale Clearance beträgt 36–194 ml/min, die renale 68–118 ml/min.
schen Befund und der Urinausscheidung. Bei der Behandlung der akuten Herzinsuffizienz können durch eine Hypokaliämie zusätzlich Rhythmusstörungen ausgelöst werden. Bei einer Hochdosistherapie mit Furosemid bei akutem oder chronischem Nierenversagen (GFR nicht unter 5 ml/min) können Dosen von 250 mg/250 ml/h und mehr erforderlich sein. Dabei sollte die Dosis 4 mg/min nicht überschreiten. 250 mg i. v. entsprechen etwa 500 mg p. o. Wenn keine Reaktion eintritt, ist eine Dialyse erforderlich. Eine Hochdosistherapie ist kontraindiziert bei Nierenversagen durch nephrotoxische oder hepatotoxische Stoffe und bei gleichzeitig bestehendem Leberkoma. Furosemid führt bei akuter Hypercalcämie zur Senkung des Calciumspiegels. Solche Patienten haben häufig einen Wasser- und Salzmangel. Bei Ausgleich des Flüssigkeitsdefizits mit physiologischer Kochsalzlösung und gleichzeitiger Furosemidgabe wird die Calciumelimination gesteigert.
Anwendungsgebiete
Unerwünschte Wirkungen
Furosemid wird zur Kurz- und Langzeitbehandlung von Ödemen kardialer, hepatischer und renaler Genese eingesetzt, wenn mit Thiaziden kein ausreichender Effekt erzielt werden kann. Zur Behandlung der Hypertonie wird Furosemid wegen seiner kurzen Wirkungsdauer und geringeren Effektivität nur dann gegeben, wenn Thiazide wegen Niereninsuffizienz nicht ausreichend wirken.
Elektrolytstörungen mit Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypomagnesiämie bedürfen der sorgfältigen Kontrolle und Substitution. Die gesteigerte Calciumausscheidung wird bei Hypercalcämie ausgenutzt. Allergische Reaktionen an der Haut mit Rötung, Photosensibilisierung, Kreuzallergie mit Sulfonamiden, akute febrile neutrophile Dermatose, Veränderungen wie bei Erythema exsudativum multiforme (Sweet Syndrom) sind beschrieben, Thrombopenie und Knochenmarksdepression treten gelegentlich auf. Bei zu starker Ausschwemmung sowie stark eingeschränkter Kochsalzzufuhr kann Natriummangel auftreten mit orthostatischem Blutdruckabfall, Wadenkrämpfen, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Schwächegefühl, Schwindel, Schläfrigkeit, Verwirrtheitszuständen. Bei zu hoher Dosis oder bei vorgeschädigtem Innenohr können Hörstörungen im Bereich der mittleren bis hohen Töne auftreten Bei sehr hoher Dosis sind Parästhesien möglich. Bei Kaliumund Magnesiummangel Rhythmusstörungen, EKG-Veränderungen. Bei zu starker Ausschwemmung Hypovolämie und Thromboserisiko bei Hämokonzentration. Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe oder Leberfunktionsstörungen sind selten, eine bestehende metabolische Alkalose bei dekompensierter Leberzirrhose kann sich verschlechtern; in seltenen
nephrotischem Syndrom kann sie infolge von Stauung im Gastrointestinaltrakt auf 30% reduziert werden. Durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme wird die Resorption verzögert. Furosemid wird zu über 95% fast ausschließlich an Albumin gebunden und kann andere saure Stoffe aus dieser Bindung verdrängen. Bei Niereninsuffizienz ist die Plasmaeiweißbindung auf 80–85% reduziert. Die Verteilung erfolgt biphasisch. Die terminale Halbwertzeit beträgt 45– 92 min, ist bei Niereninsuffizienz verlängert und kann bei Anurie 2 bis 10 h betragen.
Elimination
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosen für die orale Anwendung sind individuell anzupassen und liegen im Allgemeinen bei 20–80 mg/d, einmal morgens gegeben, bei Kindern bei 1–3 mg/kg p. o. oder 0,5–1,5 mg/ kg i. v. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz können Dosen bis zu 600 mg/d, u. U. i. v., erforderlich sein. Bei Herzinsuffizienz mit verminderter oraler Resorption kann die i. v. Gabe noch zu einer ausreichenden Diurese führen. Wenn eine schnelle und intensive Diurese erforderlich ist, wie beim akuten Lungenödem, beim Hirnödem, bei drohendem Nierenversagen, EPH-Gestose, hypertensiver Krise oder zur forcierten Diurese bei Intoxikationen, wird Furosemid i. v. appliziert. Beim Lungenödem werden 1 mg/kg; beim Hirnödem zur Initialbehandlung 20–40 mg gegeben, die Dosis für die Weiterbehandlung richtet sich nach dem neurologi-
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Furosemid
Fällen Porphyrie. Hyperurikämie kann auftreten und bei prädisponierten Patienten zur Auslösung von Gichtanfällen führen. Die Blutharnstoffkonzentration kann ansteigen. Infolge von Überempfindlichkeitsreaktionen kann es zu reversibler, interstitieller Nephritis kommen. Nephrolithiasis, bei unreifen Neugeborenen Gefahr der Konkrementbildung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei Nierenversagen mit Anurie, schweren Leberfunktionsstörungen, Hypovolämie sowie Natrium-, Kalium- und Magnesiummangel und Sulfonamidallergie ist Furosemid kontraindiziert. Furosemid passiert die Plazenta. Es ist daher während der Schwangerschaft nur bei lebensbedrohenden Erkrankungen wie Lungenödem oder EPH-Gestose indiziert. Auf die Gefahr der Nephrolithiasis beim unreifen Neugeborenen sowie auf die mögliche Osteopenie ist hinzuweisen. Furosemid geht in die Muttermilch über und soll während der Stillperiode nicht gegeben werden. Bei Patienten mit Prostatahypertrophie und Miktionsstörungen sollte Furosemid nicht gegeben werden.
Wechselwirkungen Phenytoin vermindert die Resorption. Probenecid hemmt die renale Elimination und führt zur Wirkungsabschwächung. Nicht-steroidale Antiphlogistika schwächen die diuretische und antihypertensive Wirkung ab und hemmen die Reninfreisetzung. Bei Kombination mit Conversionsenzymhemmern kann es bei Volumenmangel zu schwerer Hypotonie bis zum akuten Nierenversagen kommen. Durch Kalium- und Magnesiummangel kann die Wirkung von Herzglykosiden verstärkt werden. Die otound nephrotoxische Wirkung von Aminoglykosiden, die nephrotoxische Wirkung bestimmter Cephalosporine (Cefalotin) wird verstärkt. Unter Furosemid kann der Lithiumspiegel ansteigen, wenn auch seltener als unter Thiaziden. Der Phenobarbitalplasmaspiegel wird erhöht, der Theophyllinspiegel kann erhöht oder erniedrigt sein. Orale Antidiabetika können schwächer wirken. Die Chloramphenicolelimination wird gehemmt, die der Metaboliten hingegen gesteigert.
G
Wirkungsmechanismus bislang unbekannt.
6–9 d. Tagesdosis als Dreimalgabe, Höchstdosis in der Regel 2400 mg, ggf. bis 3200 mg (Kinder ca. 10–60 mg/kg Körpergewicht). Bei Niereninsuffizienz Dosisverminderung erforderlich, bei Kreatinin-Clearance von 30– 60 ml/min 50%, bei Kreatinin-Clearance von 15–30 ml/min 25% und bei Kreatinin-Clearance von ≤15 ml/min 12,5% der üblichen Tagesdosen. Tagesdosis bei neuropathischen Schmerzen: 900–1500 mg.
Pharmakologische Daten
Unerwünschte Wirkungen
Orale Bioverfügbarkeit dosisabhängig, prozentuale Abnahme bei steigender Dosis (ca. 35– 60%). Keine Proteinbindung, Plasmahalbwertszeit 5–7 h, Ausscheidung zu 100% unverändert renal. Steady State nach 1–2 Tagen. Keine Enzyminduktion.
Am häufigsten zentralnervöse, in der Regel milde Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel und Ataxie, häufig nur initial mit Rückbildung innerhalb einiger Wochen. Seltener sind Kopfschmerzen, Tremor und Nystagmus. Nicht selten Gewichtszunahme.
Anwendungsgebiete
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Gabapentin Zubereitungen Kapseln.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Neurontin® Kapseln à 100, 300, 400 mg.
Wirkungen
1. Epilepsiebehandlung: Anwendung bei fokalen Epilepsien als Add-on-Therapie bei Patienten über 3 Jahren, als Monotherapie ab 12 Jahren. 2. Neuropathische Schmerzen: Schmerzhafte diabetische Neuropathie, postherpetische Neuralgie, Trigeminusneuralgie [1], Kopfschmerz vom Spannungstyp (chronic daily headache) [2]. 3
Dosierung/Anwendung In klinischen Studien bei therapierefraktären fokalen Epilepsien führte Gabapentin als Add-onMedikament zu einer Anfallsreduktion von ≥50% bei ca. 25–30% der Patienten. In Monotherapiestudien bei unbehandelten bzw. nicht pharmakoresistenten Epilepsien wurde eine Anfallsreduktion von ≥50% bei bis zu 45% erreicht. Rasche Aufdosierung möglich, Initialdosis 300 mg/d, Steigerung auf 600 mg innerhalb von 2–3 d, auf 1200–1800 mg innerhalb von
Galaktosämie. Dosisanpassung bei verminderter Nierenfunktion. Ausreichende Erfahrungen über die Anwendung während der Schwangerschaft liegen nicht vor. Im Tierversuch keine Hinweise auf embryotoxische/teratogene Wirkungen.
Wechselwirkungen Keine relevante Interaktion mit anderen Pharmaka.
Bewertung Aufgrund günstiger Pharmakokinetik und guter Verträglichkeit Anwendung insbesondere bei leichter verlaufenden fokalen Epilepsien und im höheren Lebensalter.
Literatur 1. Magnus L (1999). Nonepileptic uses of gabapentin. Epilepsia 40 Suppl 6:66–74.
480
α-Galaktosidase-A-Mangel
2. Spira PJ, Beran KG (2003) Gabapentin in the prophylaxis of chronic daily headache. Neurology 61:1753–59.
*
Milde Proteinurie und Nierenfunktionsstörung.
Diagnostik
α-Galaktosidase-A-Mangel
Nachweis einer verminderten/fehlenden αGalaktosidase-A-Aktivität im Blut. Erhöhte Trihexosidasekonzentration in Blut, Urin und Gewebe. Nachweis von Speicherphänomenen in Haut- oder Nierenbiopsie. Pränatale Diagnostik im 1. Trimenon durch Chorionzottenbiopsie und Amnionzellkultur möglich.
* *
Synonyme Morbus Fabry, Angiokeratoma corporis diffusum, Zerebrosidspeicherkrankheit, Angiomatosis miliaris
* *
Definition X-chromosomal-rezessiv vererbte Sphingolipidose mit verminderter oder fehlender Aktivität des lysosomalen Enzyms α-Galaktosidase-A mit Ablagerung von Glykosphingolipiden in den Endothelzellen und glatten Muskelzellen der Blutgefäße v. a. in ZNS, Herz, Nieren und Haut.
Therapie *
Enzym-Ersatz-Therapie. Symptomatische Therapie: – Carbamazepin oder andere Antikonvulsiva bei neuralgiformen Schmerzen und Parästhesien. – Hämodialyse oder Nieren-Transplantation bei terminaler Niereninsuffizienz. – Metoclopramid/Domperidon oder Lipisorb bei gastrointestinaler Hyperaktivität.
*
Einleitung
Prognose Einschränkung der Lebenserwartung aufgrund von kardiovaskulären und nephrologischen Komplikationen auf im Mittel 41 Jahre.
Galen-Vene, Malformation VGAD („vein of Galen aneurysmal dilatation“), VGAM („vein of Galen aneurysmal malformation“) 3
3
Gamma-knife Definition Radiochirurgische Behandlungsmaßnahme durch Applikation eines zuvor stereotaktisch festgelegten Zielvolumens zwischen 30 und 60 Gray. Radiochirurgie 3
Epidemiologie: Inzidenz: 1:40.000 (Genträger schätzungsweise 1:200). Klinische Symptomatik: a) Bei Männern: * Im Kindesalter Episoden von Schmerzen und Brennen in Händen und Füßen („burning pain“) und Fieberschüben. * Angiokeratome an Haut (periumbilikal, Knie, Lippen) und Schleimhäuten (nicht obligatorisch). * Kornea- und Linsentrübung. * Hypohidrosis. * Manifestation von nephrologischen, kardialen und neurologischen Symptomen zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr: – Niere: Progrediente Niereninsuffizienz. – Herz: Mitralklappenprolaps, linksventrikuläre Hypertrophie, Hypertonie, dilatative Kardiomyopathie, Myokardinfarkt. – Nervensystem: zerebrale Ischämien, Akroparästhesien, Tinnitus. – postprandiale Abdominalschmerzen. – Arthropathien. b) Bei Frauen (meist asymptomatisch), gelegentlich: * Leichte Symptome wie Hautexantheme, Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus. * Akroparästhesien, v. a. während fieberhafter Episoden bei Kindern.
Ganciclovir
Ganciclovir Gebräuchliche Fertigarzneimittel Cymeven® Kps. 250 mg/500 mg; Cymeven® i. v. Trockensubstanz.
Wirkungen Ganciclovir ist ein synthetisches, azyklisches Nucleosid-Analogon mit enger chemischer Verwandtschaft zum Aciclovir. Intrazellulär wird Ganciclovir zunächst durch zelluläre Kinasen zum Triphosphat phosphoryliert. Die erhöhte Aktivität dieser Enzyme in infizierten Zellen bewirkt eine etwa zehnfach höhere Konzentration des Triphosphats in virusinfizierten Zellen im Vergleich zu nichtinfizierten Zellen. Das biologisch aktive Derivat (Ganciclovir-Triphosphat) hemmt die DNS-Polymerase und kann in die DNS anstelle des physiologischen Substrats eingebaut werden, woraus eine Hemmung der DNS-Replikation und ein virustatischer Effekt resultieren. Ganciclovir hemmt in vitro (Untersuchungen an Zellkulturen) verschiedene Viren der Herpesgruppe bereits bei relativ niedrigen Konzentrationen. Zum Spektrum des Ganciclovir gehören neben Cytomegalieviren auch die Herpes simplex-Viren Typ 1 und 2 sowie das Epstein Barr- und das Varizella Zoster-Virus. Eine synergistische Wirkung gegen Cytomegalieviren in vitro wird in Kombination mit Foscarnet beschrieben. Resistenzentwicklung. Die meisten Isolate der Cytomegalieviren zeigen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Ganciclovir, d. h. die inhibitorischen Konzentrationen liegen überwiegend in Bereichen unter 3 mg/L. Allerdings wurden auch schon Kasuistiken von immunsupprimierten Patienten mit Cytomegalie-Virus-Infektionen veröffentlicht, in denen eine deutliche Abnahme der Empfindlichkeit unter der Therapie mit dem Nucleosid-Analogon beschrieben wird.
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normaler Nierenfunktion ergeben sich mittlere Plasmakonz.entrationen von etwa 6 mg/L (=24 μM). Bei normaler Nierenfunktion wird Ganciclovir nach einer initialen Verteilungsphase mit einer Halbwertzeit von 3–4 h überwiegend unverändert renal eliminiert. Die begrenzten Erfahrungen bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion zeigen einen kontinuierlichen Abfall der Plasma-Clearance und damit eine Verlängerung der Halbwertzeit bis auf 0,33 ml/min/kgKG (Halbwertzeit: ca. 30 h) bei einem Plasma-Kreatininwert von 400 μmol/L. Die Dosis muss bei diesen Patienten entsprechend der eingeschränkten Nierenfunktion angepasst werden.
Anwendungsgebiete Eine Behandlung mit Ganciclovir ist bei Patienten mit schwerwiegenden Cytomegalie-VirusInfektionen indiziert; dabei handelt es sich in der Regel um immunsupprimierte Patienten (AIDS-, Transplantations- oder Krebs-Patienten), deren Leben oder Augenlicht durch die Virusinfektion bedroht ist. Auch bei anderen klinischen Manifestationen der CMV-Infektion bei immungeschwächten Patienten (Gastrointestinaltrakt, Lunge, ZNS) kommt eine Behandlung in Frage.
Dosierung und Art der Anwendung Bei normaler Nierenfunktion werden zur Initialtherpie 2 Wochen lang 5 mg Ganciclovir/ kgKG alle 12 h infundiert. Es schließt sich eine Erhaltungstherapie mit 5–6 mg Ganciclovir/kgKG täglich (5–7 Tage pro Woche) an. Bei eingeschränkter Nierenfunktion wird die Dosis während der zweiwöchigen Initialtherapie nach den Serum-Kreatinin-Werten reduziert; zur Erhaltungstherapie wird diese Dosis halbiert und als tägliche Einzelgabe verabreicht.
Unerwünschte Wirkungen Resorption Da die orale Bioverfügbarkeit der Substanz gering ist (<5%), steht Ganciclovir nur zur i. v. Infusion zur Verfügung. Die Bindung der Substanz an Plasmaproteine ist mit 1–2% sehr niedrig. Der Übergang ins ZNS und in andere Organe ist ausreichend.
Elimination Nach i. v. Gabe einer Dosis von 5 mg/kgKG als einstündige Dauerinfusion bei Patienten mit
Schwindel, Kopfschmerz, Halluzinationen und Krämpfe werden bei 1–10% der Patienten beobachtet. Angstzustände und Ataxie treten selten auf. Selten werden Fälle von Schwerhörigkeit beobachtet. Herzrhythmusstörungen treten selten auf. Während der Behandlung mit Ganciclovir werden häufig Blutbildveränderungen beobachtet. Bei etwa 40% der Patienten kommt es zu schweren Neutropenien (<1.000 Neutrophile/μL) und bei 20% der Behandelten zu Thrombozytopenien (<50.000 Thrombozy-
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Gang-/Standataxie
ten/μL). Anämie und Eosinophilie treten bei 1– 10% der Behandelten auf. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe treten häufiger auf (1%), Hämatemisis seltener (1%). Erhöhung der Transaminasen oder der Harnstoff- und Kreatininkonzentrationen im Plasma werden häufiger festgestellt. Seltener kommt es zur Hämaturie. Hauterscheinungen werden bei 1–10% der Behandelten registriert, seltener tritt eine Alopezie auf. Nutzen/Risiko-Abwägung nur bei schwerkranken Patienten mit CMV-Infektionen zugunsten eines Einsatzes des Präparats.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwangerschaft und Stillzeit. Die Infusionslösung ist stark alkalisch (pH 11) und sollte aus Verträglichkeitsgründen nur in genügend große Venen appliziert werden. Der Arzneistoff darf wegen der Gefahr von Gewebsschäden nicht i. a., s. c. oder i. m. verabreicht werden. Bei der Herstellung der Infusionslösung sollten Handschuhe und Schutzbrille verwendet werden, um einen direkten Kontakt mit dem Wirkstoff zu verhindern.
Wechselwirkungen Die Elimination von Ganciclovir kann durch Probenecid vermindert werden. Eine Verstärkung der hämatotoxischen Wirkungen muss bei gleichzeitiger Gabe weiterer Wirkstoffe, die die Zellproliferation hemmen, erwartet werden. So wird die Kombination mit Zidovudin bei AIDS-Patienten nicht empfohlen, weil unter der Kombinationsbehandlung bei ca. 80% der Patienten lebensbedrohliche hämatologische Reaktionen registriert wurden.
Gangliogliom Definition Das Gangliogliom und seine sehr seltene Variante, das Gangliozytom, gehören zur Gruppe der neuronalen und glioneuralen Tumoren, die als wesentlichen zellulären Bestandteil neoplastische Ganglienzellen enthalten und dem WHO-Grad I zugerechnet werden. 3
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Einleitung Neuronale und glioneurale Tumoren sind selten. Gangliogliome machen 0,4–1,3% der primären Gehirntumoren aus [1]. Es sind ganz überwiegend hochdifferenzierte Tumoren des jungen Lebensalters, die durch fokale Epilepsien symptomatisch werden und die eine geringe Wachstumstendenz aufweisen. Maligne Varianten, z. B. das anaplastische Gangiogliom, sind eine Rarität. Eine sehr seltene Variante dieses Tumors, das desmoplastische infantile Gangliogliom, ist als eigene Entität in der WHO Klassifikation aufgenommen und wird deshalb hier erwähnt. Es ist ein Tumor des Kleinkindesalters, der mitunter eine beträchtliche Größe erreicht, supratentoriell oberflächennah liegt und operativ reseziert wird. Er wird dem WHO-Grad I zugeordnet [2].
Diagnostik Gangliogliome verursachen typischerweise fokale, pharmakoresistente Epilepsien. Sie können überall im ZNS auftreten. Supratentorielle Lokalisation und hier temporomesiale Manifestation sind jedoch am häufigsten [3]. Im Kernspintomogramm werden solide, KM-aufnehmende und zystische Formationen gesehen. Insgesamt ist das Bild heterogen. Computertomographisch sind bei einem Drittel der Fälle Verkalkungen nachweisbar [3].
Therapie
Gang-/Standataxie Definition Koordinationsstörung von Stand und Gang verschiedener Ursache, z. B. durch eine Kleinhirnschädigung (zerebellare Ataxie) oder bei Rückenmarkserkrankungen bzw. Polyneuropathien (sensible Ataxie).
gesichert Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion, wobei die Eingriffe neben einer Tumorbeseitigung das Ziel der operativen Kontrolle pharmakoresistenter Epilepsien verfolgen [3]. Eine prächirurgische, z. T. invasive Epilepsiediagnostik und eine Durchführung der Operation unter epilepsiechirurgischen Gesichtspunkten in einem spezialisierten Zentrum sind in der Regel erforderlich [3].
3
3
Gangliosidose (Tay-Sachs-Syndrom)
empirisch Bei anaplastischen Varianten wird eine adjuvante, postoperative Radiatio empfohlen, wobei aufgrund der geringen Fallzahlen keine verbindlichen Therapieempfehlungen gemacht werden können [3].
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ten VZV-Antikörperindex als Ausdruck der lokalen spezifischen Antikörpersynthese. Erhöhter Antikörper-Titer kann allerdings bis zu 2 Jahre nach Genesung des Patienten bestehen bleiben.
Therapie Nachsorge Eine regelmäßige klinisch epileptologische Nachsorge mit Dokumentation der Anfallssituation und regelmäßge kernspintomographische Kontrollen, bei benignen Varianten in 1jährigem Rhythmus, sind erforderlich.
Zur Verhinderung einer postzosterischen Neuralgie sollte möglichst frühzeitig und wirksam (d. h. parenteral) eine Behandlung mit Aciclovir eingeleitet werden (Dosis 3×tgl. 5 mg/kgKG i. v., bei immunsupprimierten Patienten oder schwereren Verläufen auch 3×tgl. 10 mg/ kgKG i. v.). Siehe auch Herpes zoster. 3
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee WK (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon. 2. Wiestler OD (1998). Pathologische Anatomie und WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart. 3. Schramm J, Kristof RA (1998). Neuronale und neurogliale Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart.
Gangliosidose (Tay-SachsSyndrom) Synonyme GM2-Gangliosidose Typ I, Hexosaminidase-Defizienz-Syndrom
Definition
Ganglioneurom Definition Das Ganglioneurom ist ein histopathologischer Subtyp des Neuroblastoms, zu dem auch das eigentliche Neuroblastom, das gemischte Ganglioneuroblastom und das noduläre Ganglioneuroblastom gehören. Diese Subtypen werden beim Neuroblastom besprochen. 3
Ganglionitis, Zosterganglionitis Definition Entzündung der Spinalganglien durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV) mit weitgehend normaler Blut-Liquor-Schranken-Funktion. Typische Klinik einer „Gürtelrose“ mit mono- oder polysegmentalen Schmerzen und den typischen Hauteffloreszenzen, z. T. mit sensiblen und bei Beteiligung der Vorderwurzeln auch motorischen Ausfallserscheinungen.
Diagnostik Diagnosesicherung über Nachweis eines erhöh-
Das Tay-Sachs-Syndrom ist eine autosomal-rezessiv vererbbare Lysosomenspeicherkrankheit aufgrund eines Defekts im Gen der β-Hexosaminidase A auf Chromosom 15q23-q24. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *272800, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim).
Einleitung Diese Erkrankung ist die häufigste Gangliosidose mit einer Häufigkeit unter AshkenaziJuden von 1:2000. Die Genfrequenz liegt dabei bei der jüdischen Bevölkerung bei 1:27, wobei sie bei Nicht-Juden um ein Hunderstel geringer ist. Typischerweise beginnen die ersten Symptome ab dem 3.–6. Lebensmonat mit dem Verlust bereits erworbener mentaler und körperlicher Fähigkeiten und Blindheit. Es bildet sich eine generalisierte muskuläre Hypotonie aus, die im weiteren Verlauf in eine Tetraspastik übergeht. Zumeist erstes Symptom, das den Eltern auffällt, ist die „startle reaction“, was eine überschießende Reaktion auf akustische Geräusche beschreibt. Nach dem 1. Lebensjahr werden die Kinder meist makrozephal und gelangen in einen vegetativen Zustand, der bis zu ihrem Tode anhält. Dieser tritt meist im 3. Lebensjahr auf.
G
Gangliozytom
Gangliozytom Definition Gangliozytome sind eine insgesamt sehr seltene Variante der Gangliogliome, denen eine eigene gliale Komponente fehlt; es finden sich histopathologisch nur wenige reaktive Gliazellen. Eine andere Entität stellen dysplastische zerebelläre Gangliozytome dar, die auch als Lhermitte-Duclos Syndrom bezeichnet werden.
ose. Bei heftigen Schmerzen können zusätzlich zur antibiotischen Therapie kurzfristig Kortikosteroide (Methylprednisolon 30–60 mg/die für 3–7 Tage) verabreicht werden. Persistierende neurologische Defizite sollten physiotherapeutisch behandelt werden. Zur symptomatischen Schmerztherapie langfristiger Schmerzen oder Missempfindungen, Polyneuropathie. 3
484
3
Gasperini-Syndrom
Einleitung Den in der Kindheit und Jugend auftretenden WHO-Grad I Missbildungstumoren fehlt eine gliale Tumorkomponente, deshalb ist fraglich, ob sie nicht eher einer hamartösen Missbildung entsrechen [1]. Diagnostik, Therapie und Prognose entsprechen denen von Gangliogliomen.
Definition
Literatur
Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss kleiner, von der A. basilaris abzweigender, den Hirnstamm penetrierender Gefäße zu einer Läsion im Bereich der unteren Brückenhaube mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral Sensibilitätsstörung. * Ipsilateral Fazialis- und Abduzensparese, Beteiligung von Trigeminus und Akustikus.
Definition Das Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom ist die klassische neurologische Manifestationsform ( Borreliose, Neuroborreliose) der Lyme-Borreliose. Sie stellt eine lymphozytäre Meningoradikulopolyneuritis dar, die von der durch Zeckenbiss übertragenen Spirochaete Borrelia burgdorferi verursacht wird. Das Syndrom gehört zum Stadium 2 der Borreliose und beginnt zwischen 1 Woche und mehreren Monaten nach dem Zeckenbiss.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
Nachsorge 3
Garin-Bujadoux-BannwarthSyndrom
Einleitung
3
1. Schramm J, Kristof RA (1998). Neuronale und neurogliale Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart.
Hirnstammsyndrom mit Läsion in der unteren Brückehaube (Benennung nach Erstbeschreiber)
Hirninfarkt
Prognose
3
Hirninfarkt. Die Prognose ist abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Klinisch bestehen meist radikuläre Schmerzen (DD: Bandscheibenvorfall), periphere Paresen (oft ist der N. fazialis doppelseitig betroffen) und asymmetrische Polyneuropathien.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Einleitung
Hirninfarkt
Diagnostik
Gaucher-Erkrankung
Borreliose, Neuroborreliose.
3
Therapie
Synonyme
Zur antibiotischen Therapie des BannwarthSyndroms, siehe Borreliose, Neuroborreli-
Morbus Gaucher, zienz-Syndrom
Glukozerebrosidase-Defi-
3
3
Gaucher-Erkrankung
Definition Die Gaucher-Erkrankung ist eine autosomal-rezessiv vererbte lysosomale Sphingolipidspeicherkrankheit. Durch einen Defekt im Gen der β- Glukozerebrosidase auf Chromosom 1q21q23 ist der katabole Sphingolipidmetabolismus gestört und es kommt zur Anreicherung von Glukozerebrosiden in den Lysosomen des retikuloendothelialen Systems. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *230800 (Typ I), *230900 (Typ II), *231000 (Typ III), http:// www.ncbi.nlm.nih.gov/omim). 3
Einleitung Der M. Gaucher ist mit einer Häufigkeit von 1:20.000 in Europa und 1:2.000 in Israel die häufigste Sphingolipidspeicherkrankheit. Je nach klinischer Ausprägung werden drei Typen unterschieden: * Typ I (chronisch adulte oder nicht neuronopathische Form): Dieser Erkrankungstyp ist durch fast ausschließliches Vorkommen im Erwachsenenalter und immer durch eine Hepatosplenomegalie gekennzeichnet. Zusätzlich findet sich häufig ein Hypersplenismus, sowie Mitbeteiligung von Lunge, Nieren, Herz oder Haut und eine verminderte Knochendichte. Letzteres Symptom kann während des Knochenwachstums von der klinischen Erscheinung und den Laborparametern wie eine akute Osteomyelitis imponieren. Die Patienten klagen häufig über Müdigkeit, Leistungsschwäche und Antriebslosigkeit, zeigen aber keine neurologische Symptomatik. * Typ II (infantile oder neuronopathische Form): Man unterscheidet zwei Unterformen mit jeweils einem Manifestationsalter in den ersten Lebensmonaten, progressivem Verlauf und Tod häufig vor dem 2. Lebensjahr. – IIa: Diese Form geht mit einer leichten Hepatosplenomegalie sowie epileptischen Anfällen einher. Psychomotorische Fähigkeiten gehen eher schleichend verloren. – IIb: Hier ist häufig eine exzessive Hepatomegalie mit Splenomegalie, die teilweise mit Ösophagusvarizen einhergehen kann, aufzufinden. Das vorrangige neurologische Symptom ist eine horizontale Blickparese.
*
485
Typ III (juvenile oder subakute neuronopathische Form): Dieser Erkrankungstyp tritt insgesamt häufiger auf als Typ II und beginnt meist im 1. Lebensjahr mit einer graduellen Progression der klinischen Symptomatik. Neben einer Hepatosplenomegalie besteht eine variabel ausgepräge neurologische Symptomatik mit zerebellärer Ataxie, mentaler Involution und einer im weiteren Verlauf zunehmenden Spastik.
Diagnostik Man findet laborchemisch eine Erhöhung der sauren Phophatase, des ACE und des Ferritins im Serum sowie eine charakteristische Anämie und Thrombozytämie. Ein sensitiver Marker für die Krankheitsaktivität ist die Chitotriosidase im Plasma. Die verminderte Aktivität der βGlukozerebrosidase lässt sich in den Leukozyten oder einer Fibroblastenkultur der Haut nachweisen. Die typischen Gaucher-Speicherzellen in der Leber- oder Knochenmarkspunktion liefern den sicheren diagnostischen Nachweis. Ob der histologische Nachweis zur Diagnosestellung notwendig ist, wird allerdings kontrovers diskutiert.
Therapie gesichert Durch den intravenösen Enzymersatz (z. B. Cerezyme®) kann die Krankheitsprognose und die Lebensqualität der Patienten mit dem Typ I deutlich verbessert werden. Die Dosis ist individuell einzustellen, wobei eine Minimaldosis von 10–15 IU/kg KG alle 2 Wochen einzuhalten ist. Eine hohe Initialdosis von 60 IU/kg KG führt zur raschen Verbesserung des klinischen Bildes und sollte v. a. bei Patienten mit aggressiverem Verlauf angesetzt werden [1]. Die Langzeiterfahrungen mit der Enzymsubstitution beschränken sich allerdings auf einen Zeitraum von ca. 10 Jahren, wobei die Daten der 5-Jahres-Studie für eine hocheffiziente und extrem sichere Therapie sprechen [2]. Schwere infantile Verlaufsformen sprechen leider auf diese Therapie schlecht an. Eine Splenektomie ist bei einer ausgeprägten Organvergrößerung, die nicht auf die Enzymsubstitution anspricht, ratsam.
Nachsorge Erwachsenen Patienten mit stabil verlaufender Erkrankung kann eine Reduktion der Dosie-
G
Gaumensegelmyoklonus
rung und/oder der Häufigkeit der intravenösen Enzymsubstitution angeboten werden ohne eine Verschlechterung des klinischen Bildes befürchten zu müssen [3].
Bewertung Patienten mit Typ I profitieren eindeutig von der zwar unangenehmen (regelmäßige intravenöse Applikation) und extrem teuren Therapie durch eine Verbesserung ihres klinischen Bildes und ihrer Lebensqualität. Allerdings sprechen einige Patienten nicht auf die Enzymsubstitution an oder müssen sie aufgrund zu starker Nebenwirkungen abbrechen.
Prognose Aufgrund der starken phänotypischen Variabilität fällt eine verlässliche prognostische Aussage schwer. Eine Genotypisierung kann weitere Hinweise auf den Krankheitsverlauf geben und erlaubt v. a. die Identifizierung von asymptomatischen Überträgern des Gendefekts.
Literatur 1. Altarescu G et al. (2000) Comparative efficacy of dose regimens in enzyme replacement therapy of Gaucher type I disease. Blkood Cells Mol Dis; 26:285–290. 2. Grabowski GA et al. (1998) Enzyme therapy for Gaucher disease: the first 5 years. Blood Rev 12:115–130. 3. Elstein D. Withdrawal of enzyme replacement therapy in Gaucher's disease. Br J Haematol 2000; 110:488–492.
Gaumensegelmyoklonus Myoklonus
noch bis 1 s nach Verschwinden für Informationsverarbeitung zur Verfügung), das Kurzzeitgedächtnis (Sekundengedächtnis) (Festhalten von etwa sieben Informationseinheiten für etwa 10 s) und das Langzeitgedächtnis (prinzipiell zeitlich unbegrenzte Gedächtnisform, die Dauer der Verfügbarkeit hängt z. B. von subjektiver Bedeutung und Wiederholungen ab) unterschieden. Materialspezifisches Gedächtnis für sprachliche (linkshemisphärisch) und räumlichfigurale (rechtshemisphärisch) Informationsverarbeitung (Verbalgedächtnis, Raum-/Figuralgedächtnis, motorisches Gedächtnis, emotionales Gedächtnis). Das Einspeichern und Abrufen von Gedächtnisinhalten kann als bewusster Prozess erfolgen (deklaratives/explizites Gedächtnis) oder automatisiert ablaufen (prozedurales/implizites Gedächtnis).
Gefäß-Nerv-Kontakt Definition Pathologischer Gefäß-Nerv-Kontakt führt durch ständiges Pulsieren des Gefäßes zu Störungen der Myelinscheide des entsprechenden Nerven und damit zu rekurrierenden (Ephapsen-Bildung) oder spontanen Entladungen. Wahrscheinlichste Ursache der idiopathischen Trigeminusneuralgie, mögliche Ursache auch beim Spasmus hemifacialis und Vestibularisparoxysmus. 3
486
Grundlagen Behandlung des pathologischen Gefäß-NervKontaktes durch operatives Einbringen eines Muskelstückchens ( Jannetta-Operation).
3
3
Gedächtnis Definition Einheit von Merkfähigkeit und Erinnerung.
Grundlagen Teilfunktionen des Gedächtnis sind Einspeicherung (Engrammierung, Lernen), Gedächtnisspeicher, Gedächtnisabruf (Erinnern). Bei der Dauer der Informationskonservierung werden das Ultrakurzzeitgedächtnis (Reize stehen
Gefäße Definition Sammelbezeichnung für die Blutgefäße.
Grundlagen Man unterscheidet das arterielle vom venösen Gefäßsystem: Aorta →Arterien →Arteriolen →Kapillaren
Gentamicin
→Venolen →Venen, →Vena cava superior und inferior.
487
Genikulatumneuralgie Synonyme Intermediusneuralgie
Gelegenheitsanfall
Definition
Synonyme
Sehr seltene Neuralgie des Nervus intermedius oder des Ganglion geniculatum.
Provozierter epileptischer Anfall
Einleitung
Unprovozierte generalisierte tonisch-klonische Anfälle als Erstmanifestation einer Epilepsie.
3
Differenzialdiagnose
3
Gelegenheitsanfälle sind epileptische Anfälle mit zumeist generalisierter tonisch-klonischer Symptomatik auf dem Boden einer dispositionell erniedrigten Krampfschwelle, die nur durch Provokation, z. B. durch Schlafentzug oder Fieber, oder im Rahmen (sub-)akuter Hirn- oder Allgemeinerkrankungen auftreten. Ursachen sind z. B. Fieber, anaphylaktische Reaktionen, metabolische und hormonelle Störungen (z. B. Hypoglykämie, nichtketotische Hyperglykämie, Urämie, Eklampsie), Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes, lokale oder globale zerebrale Hypoxie, anfallsfördernde Medikamente und Drogen, Drogenentzug (z. B. Alkohol), Vergiftungen (z. B. Benzol, Benzin, Organophosphate), physikalische Einwirkungen (z. B. Stromverletzungen, Insolation) oder Schlafentzug. Zu einmaligen oder seltenen Gelegenheitsanfälle kommt es bei 5% der Bevölkerung.
Einschießende Schmerzen im Bereich von Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, die auf eine Schädigung des N. intermedius zurückgeführt wird. Diese kann z. B. als neuralgisches Schmerzsyndrom nach Zoster oticus mit peripherer Fazialisparese (Ramsay-Hunt-Syndrom) auftreten. Triggerung möglich durch taktile Reize im äußeren Gehörgang, Schlucken oder den Anblick von Speisen. Die Literatur ist widersprüchlich. Differenzialdiagnostisch sind in erster Linie die Glossopharyngeusneuralgie ( Neuralgie, Glossopharyngeusneuralgie), ferner Trigeminusneuralgie ( Neuralgie, Trigeminusneuralgie), Clusterkopfschmerz, atypischer Gesichtsschmerz sowie raumfordernde intrakranielle Prozesse abzugrenzen. 3
Definition
Diagnostik Die Diagnose muss anhand der Anamnese gestellt werden.
Therapie Falls keine spontane Besserung auftritt, kann die symptomatische Behandlung der Neuralgie mit Carbamazepin (alternativ auch mit Phenytoin) oder mit Gabapentin erfolgen ( Neuralgie, Glossopharyngeusneuralgie, Neuralgie, Trigeminusneuralgie). Keine gesicherte chirurgische Behandlungsmöglichkeit. 3
Prophylaxe Gelegenheitsanfälle erfordern keine spezielle Therapie, vorrangig ist die Behandlung der Grunderkrankung bzw. Vermeidung der individuell auslösenden Ursache(n), z. B. bei Fieberkrämpfen physikalische bzw. medikamentöse Maßnahmen zur Fiebersenkung.
Therapie In Ausnahmefällen kann eine medikamentöse (antikonvulsive) Behandlung indiziert sein, wenn der Patient durch das Auftreten einzelner Anfälle vital gefährdet ist (z. B. schwere kardiale Erkrankung).
Gentamicin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) genta 40/80 von ct Amp; Refobacin® 10/40/80/ 120 Amp.
Wirkungen Gentamicin hemmt als Aminoglykosid in Ab-
G
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Gentamicin
hängigkeit von der Konzentration bakteriostatisch oder bakterizid die Proteinsynthese extrazellulär gelegener Bakterien. Gentamicin hat vier Rezeptoren am 70-S-Ribosom, möglicherweise ist die Bindung an der großen 50-S-Subeinheit von Bedeutung. Durch die Bindung kommt es zu einer Konformationsänderung der Ribosomen − auch des „Wiedererkennungsareals“ −, zu einem falschen Ablesen der mRNA-Information (misreading) und konsekutiv zur Synthese von „Nonsens“-Proteinen mit falscher Aminosäuresequenz. Neuerdings ist auch der Mechanismus der Penetration der Aminoglykoside durch die Zellschichten der Bakterien zum Ribosom erkannt: 1. Schnelle energieunabhängige Bindung an der Zelloberfläche mit anschließender passiver Diffusion durch die Poren der äußeren Membran bei gramnegativen Bakterien, 2. langsame energieabhängige und carriervermittelte Phase durch die Cytoplasmamembran in zwei konsekutiven Schritten. Dadurch lassen sich der weitgehend bakterizide Charakter sowie die Hemmunterschiede innerhalb verschiedener Aminoglykoside erklären. Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokken, Enterobacter aerogenes, Klebsiella pneumoniae, E. coli, Proteus vulgaris, Serratia, Yersinien, Pasteurellen, Brucellen und Campylobacter fetus sind ausreichend empfindlich. Resistenzen können ausgebildet werden über die Hemmung der aktiven Transportmechanismen (Verlust der Membranpermeabilität), durch Strukturänderungen des Ribosoms und durch das Auftreten plasmidkontrollierter aminoglykosidinaktivierender Enzyme. International Resistenzquoten 10–20%. Die mittleren MHKWerte empfindlicher Keime betragen etwa 2– 4 μg/ml.
Resorption Gastrointestinale Resorptionsquote nach peroraler Gabe <0,2%. Bei lokaler Applikation kann es allerdings selbst bei kleinflächigen Wunden, Verbrennungen usw. zu einer beträchtlichen Resorption mit der Möglichkeit von Intoxikationen kommen. Nach i. m. Gabe erfolgt eine rasche Verteilung. Maximale Blutspiegel werden nach etwa 1 h erreicht, nach 40, 80 oder 100 mg etwa 3, 5 bzw. 8 μg/ml. Nach 6 und 8 h sind die Serumgehalte auf 0,5–0,7 bzw. 0,2–0,4 μg/ml abgesunken. Eiweißbindung: 0 (–30)%. Bezogen auf die Serumgehalte betragen die Gentamicin-Konzentrationen im
normalen und entzündlichen Liquor 0–10 bzw. 10–25%, in der Muttermilch <2% und im Gewebe 50–90%. Gentamicin ist gut plazentagängig. Endolymphe und Perilymphe des Innenohres und der Cortex der Niere wirken als tiefe Kompartimente für Gentamicin. Es kommt zur Kumulation und zu einer sehr langsamen Ausscheidung, was für die Oto- und Nephrotoxizität des Antibiotikums von Bedeutung ist. Gentamicin ist eine relativ starke Base (pHWerte zwischen 6,6 und 9,6), die zusätzlich durch mehrere polare Molekülgruppen lipophob reagiert. Deshalb keine Diffusion durch Lipidmembranen (keine gastrointestinale Absorption, keine Liquorgängigkeit), keine Eiweißbindung, keine Biotransformation, aber rasche glomeruläre Filtration, da die Molmasse nur etwa 500 beträgt, bei Nierenfunktionsstörungen Verlängerung der Halbwertzeit.
Elimination Die Biotransformation beträgt <10%. Die βPhase der Eliminationshalbwertzeit liegt bei Erwachsenen, Kindern und Säuglingen zwischen 0,6 und 5,7 h, lediglich bei Neugeborenen werden bis zu 9 h erreicht. Mit abnehmender Kreatinin-Clearance oder abnehmendem Glomerulusfiltrat wird die Elimination deutlich verzögert. Bei Anurie beträgt die Eliminationshalbwertzeit 50–70 h. Sie kann durch Hämodialyse, Peritonealdialyse oder Hämofiltration auf 5–11; 5–30 bzw. 2–4 h verkürzt werden.
Anwendungsgebiete Gezielte Anwendung bei allen schweren Infektionen entsprechend dem mikrobiologischen Ergebnis. Ungezielte Anwendung in Notfallkombination zusammen mit β-Lactam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine) und/oder Anaerobier-Mitteln (Metronidazol) bei bakterieller Meningitis oder Hirnabszess. Bei systemischer Anwendung ist eine blutspiegelorientierte Therapieführung empfehlenswert. Anzustrebende cmax-Werte (5–12 μg/ml = 11–25 μmol/L) werden 1 h nach einer i. m. Dosis oder 0,5 h nach einer 30minütigen Infusion und cminWerte (<2 μg/ml = <4 μmol/L) unmittelbar vor der nächsten Dosis ermittelt.
Dosierung und Art der Anwendung Initialdosis: Erwachsene, Kinder: 1–2 mg/kg; Neugeborene: 2–2,5 mg/kg. Erhaltungsdosis: Erwachsene: 4–8 mg/kg/d; Kinder: 4–12 mg/
Germinom
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwangerschaft, Allergie und Gruppenallergie, Vorschädigung des Vestibular- und Cochlearorgans, terminale Niereninsuffizienz. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist eine blutspiegelorientierte Therapie erforderlich.
Einleitung Im ZNS treten Germinome ganz überwiegend in der Pinealisregion auf, mitunter jedoch auch in der Region der suprasellären Zisterne und im Dienzephalon [2]. Sie betreffen überwiegend junge Patienten und machen mindestens die Hälfte aller Keimzelltumoren in der Pinealisregion aus [2,3]. Liquorabflussbehinderung mit Hydrozephalus und Hirndrucksymptomatik sowie fokale neurologische Störungen durch Druck auf oder Infiltration von benachbarten Hirnstammstrukturen sind klinisch führend; ein Parinaud Syndrom ist charakteristisch [2]. 3
Allergische Reaktionen treten nur selten auf. Die Ototoxizität ist abhängig von der Höhe der Einzeldosis, von der Therapiedauer (>10 Tage), vom Alter (>60 Jahre), vom Funktionszustand der Nieren. Die Gefahr resultiert aus der Akkumulation im Innenohr. Vestibuläre Schäden (ca. 1%) sollen vor den cochlearen (ca. 0,5%) auftreten und zunächst reversibel sein. Beim Ausfall der akustischen Wahrnehmung sind zunächst hohe Frequenzen (>4.000 Hz) betroffen. Anämie, Granulozytopenie und Thrombozytopenie kommen selten vor. Leberschäden sind ebenfalls selten. Nierenschäden werden zwischen 4 und 14% angegeben. Nach zweiwöchiger Behandlung mit Gentamicin soll bei 5–10% der Patienten die Kreatinin-Clearance abnehmen, ein Vorgang, der reversibel sein soll. Neuromuskuläre Blockade ist selten.
3
Unerwünschte Wirkungen
sich aus der primordialen Keimzelle entwickeln sollen, deren Histogenese im ZNS jedoch nicht geklärt ist [1]. Zu den reifen Keimzelltumoren gehören auch die Teratome, die Zellelemente aller drei Keimblätter enthalten. Unreife und damit bösartigere Varianten von Keimzelltumoren sind embryonale Karzinome, endodermale Sinustumoren (Dottersacktumoren) und Chorionkarzinome. 3
kg/d, Neugeborene: 2–7,5 mg/kg/d. Dosisintervalle: Erwachsene: Einmalgabe möglich; Kinder: 8 oder 4 h; Neugeborene: 24 oder 8 h. Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis an die Nierenfunktion adaptiert werden. Eine intrathekale (vorwiegend intraventrikuläre) Applikation sollte die Ausnahme bleiben.
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Diagnostik Das MRT ist die überlegene bildgebende Diagnostik. Germinome stellen sich in der T2-Wichtung signalhyperintens, in der T1-Wichtung mit KM intensiv anreichernd dar. Heute gilt die stereotaktische Biopsie als Methode der Wahl zur Histologiegewinnung [4], wobei die Bestimmung der Tumormarker β-HCG und α-Fetoprotein im Liquor (wenn ohne Gefahr der Einklemmung gewinnbar) die Diagnostik komplementiert, da nur maligne Keimzelltumoren fakultativ diese Tumormarker sezernieren.
Wechselwirkungen Die Kombination mit Ciclosporin, Cisplatin, Amphotericin oder Cephalosporinen kann die Nephrotoxizität verstärken, Schleifendiuretika verstärken die Oto- und Nephrotoxizität, Halothan, Methoxyfluran und Muskelralaxantien verstärken die neuromuskuläre Blockade. Bei Intoxikationen kann hämodialysiert und/oder hämoperfundiert werden, um die Elimination erheblich zu beschleunigen.
Germinom Definition Germinome sind reife Keimzelltumoren, die
Therapie Lokal begrenzte Germinome sind durch eine Radiatio kurativ behandelbar. gesichert Eine partielle konventionelle Bestrahlung des Neurokraniums unter Einschluss der Ventrikel mit 30 Gy wird mit einem lokalen Boost von 20–25 Gy kombiniert, der die Tumorlokalisation mit einem Sicherheitssaum von 2–3 cm umfaßt. Nur bei multiplen Germinomen und/ oder bei leptomenigealer Dissemination ist eine Bestrahlung der gesamten Neuroachse mit 30–36 Gy erforderlich [4]. Zur Verhinderung später strahlentherapieinduzierter Neurotoxizität, insbesondere bei Radiatio im jungen
G
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
Lebensalter werden Therapiestudien in Japan zur Dosisreduktion der Radiatio durchgeführt, die durch eine Chemotherapie ergänzt wird [5].
der CJK. Neuropathologisch werden multizentrische Plaquesablagerungen in der Groß- und Kleinhirnrinde und Mutationen des Prionproteins gefunden. 3
490
Nachsorge
Geruchssinnstörung
Bewertung
Synonyme
Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Chemotherapie als Alternative zur Radiatio noch nicht als etablierte Behandlungsmethode angesehen werden.
Riechstörung
3 3
3
1. Wiestler OD (1998). Pathologische Anatomie und WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart 4–47. 2. Winkler D (1998). Tumoren der Pinealis. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart 239–249. 3. Bauman GS, Larson DA (2000). Conventional Radiation. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 169–182. 4. Kreth FW, Bise K (2001). Tumoren der Pinealisregion. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Zuckschwerdt, München 109–113. 5. Sawamura Y, Shirato H, de Tribolet N (1998). Intracranial Germ Cell Tumors. Springer-Verlag, Wien New York.
Störungen des Geruchssinnes können quantitativer (meist Minderungen wie Hyposmie oder Anosmie, seltener auch Hyperosmien) oder qualitativer Natur ( Parosmie, Dysosmie, Kakosmie) sein. Außerdem gibt es olfaktorische Halluzinationen bei psychiatrischen Erkrankungen, einfach partielle epileptische Anfälle mit der vermeintlichen Wahrnehmung nicht vorhandener Gerüche (Unzinatus-Anfälle) oder – sehr selten – auch eine olfaktorische Agnosie (v. a. beim Korsakow-Syndrom). 3
Literatur
Definition
3
Regelmäßige kernspintomographische Kontrolle in z. B. halbjährlichen Abständen sind erforderlich.
Einleitung
Sehr seltene, autosomal-dominant vererbte humane spongiforme Enzephalopathie.
Die Geruchswahrnehmung erfolgt über den Nervus olfactorius. Geruchs- und Geschmackssinn sind eng miteinander verknüpft. Schäden der einen Sinnesmodalität führen oft zu subjektiven Funktionsstörungen der jeweils anderen Wahrnehmungsart. So wird eine reine Aufhebung des Geruchssinnes ( Anosmie) oft auch als Geschmacksstörung wahrgenommen. Eine einseitige Anosmie wird subjektiv meist nicht bemerkt. Eine Hyposmie ist für die neurologische Diagnostik in der Regel nicht relevant. Der Nachweis einer Geruchssinnstörung erfolgt über standardisierte Geruchstests. Erste Erfahrungen gibt es auch mit der Ableitung olfaktorisch-evozierter Potentiale.
Einleitung
Differenzialdiagnose
Mit einer Prävalenz von etwa 1/10.000.000 sehr seltene, zu den humanen Prionenerkrankungen zählende spongiforme Enzephalopathie, die ätiopathogenetisch dem Formenkreis der familiären Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJK) zugerechnet wird. Klinisch steht eine zerebellare Ataxie im Vordergrund, während die Demenz oft erst spät auftritt. Klinischer Beginn und Verlauf sind protrahierter als bei der sporadischen Form
Häufigste Ursache einer Hyp- oder Anosmie ist die Virusgrippe mit Entzündung der oberen Luftwege (bei etwa 75% der Betroffenen), gefolgt vom Schädel-Hirn-Trauma (Kontusion oder Abriss der Fila olfactoria). Weitere Ursachen sind andere Nasenaffektionen (Polypen, Sinusitis, Rhinitis sicca, Infektionen, M. Boeck), periphere (Papillome, Karzinome oder Adenome) oder zentrale Tumoren ( Meningeome der vorderen Schädelgrube,
3
3
Definition
3
Gerstmann-Sträussler-ScheinkerSyndrom
3
3
3
3
Geschmackssinnstörung
Hypophysentumoren, Frontal-, Temporallappen- Gliome, Metastasen), Radiatio, basale Meningitis/Enzephalitis, degenerative Erkrankungen ( Parkinson-Syndrom, AlzheimerErkrankung), medikamentös-toxische Einwirkungen (z. B. Kortison, α-Interferon, Antibiotika, L-Dopa, Kokain), internistische oder endokrinologische Ursachen (z. B. Diabetes mellitus, Zinkmangel) oder angeborene Defekte (Bulbusaplasie bei Kallmann-Syndrom). Sehr häufig finden sich Hyposmien bei Rauchern. Hyperosmien kommen z. B. bei Migräne-Attacken vor.
491
Amphetaminen oder bestimmten Medikamenten.
Literatur 1. Berlit P (1999) Erkrankungen der Hirnnerven und des Hirnstamms. In: Berlit P (Hrsg.) Klinische Neurologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, S 352–407.
Geschmackssinnstörung
3
3
3
Synonyme Prophylaxe
G
Ageusie, Hypogeusie
Therapie Die Therapie einer Geruchssinnstörung ist sehr problematisch und richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei traumatischen Schäden kann nur der Spontanverlauf abgewartet werden. Bei Erkrankungen, die mit Schwellungen der Nasenschleimhaut einhergehen, können abschwellende Maßnahmen versucht werden. Sind die Geruchsstörungen toxisch oder medikamentös bedingt, so sollte die entsprechende Noxe vermieden werden. Bei benignen oder malignen Raumforderungen erfolgt gegebenenfalls eine Operation. Entzündliche Veränderungen sprechen eventuell auf eine lokale Kortikoidapplikation an. Unzinatus-Anfälle werden antikonvulsiv behandelt [1]. Parosmien.
Definition Störung des Geschmacksempfindens. Bei der echten Ageusie ist die Empfindung für alle 4 Geschmacksqualitäten aufgehoben. Geschmacksstörungen werden aber auch oft bei einer reinen Anosmie angegeben, da hier nur die 4 Grundqualitäten des Geschmacks (süß, sauer, bitter, salzig) empfunden werden, und die differenziertere Wahrnehmung, die über den Geruch erfolgt, fehlt. Eine echte Ageusie und Anosmie in Kombination wird nur sehr selten bei Zwischenhirnkontusionen oder Kontusionen der Wand des III. Ventrikels gesehen. Ebenfalls selten werden einfach-partielle Anfälle mit gustatorischen Auren beobachtet. Schließlich gibt es auch veränderte Geschmackswahrnehmungen (Dysgeusie, Pargeusie, Kakogeusie) analog den Geruchssinnstörungen, Hypergeusien oder gustatorische Halluzinationen. 3
Störungen des Geruchssinnes sind subjektiv unangenehm und können auch Gefahren beinhalten (verminderte Wahrnehmung toxischer oder gefährlicher Gerüche wie von verdorbenen Speisen, Gas oder Rauch). Die Patienten müssen zur Erkennung solcher Gefahren besonders geschult werden.
3
Prognose Die Prognose hängt von der Grunderkrankung ab. Nach einer Virusgrippe erholen sich z. B. nur 65% der schwer Betroffenen mit einer Störung des Geruchssinnes. Bei einem Drittel aller Patienten mit Anosmie nach Schädel-HirnTrauma kommt es zu einer Besserung.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Für den Geruchssinn schädliche Noxen sollten bei Geruchssinnstörungen unbedingt vermieden werden. Hier ist insbesondere das Rauchen zu nennen, aber auch die Anwendung von Kokain,
Geschmackssinnstörung. Abb. 1: Geschmacksinnervation
492
Gesichtsfeldausfall
Einleitung
Gesichtsfeldausfall
Die nervale Versorgung erfolgt für das hintere Zungendrittel (vorwiegend bitter) über den N. glossopharyngeus, für die vorderen 2/3 der Zunge über die Chorda tympani (N. lingualis, N. facialis). Die zentrale Geschmacksbahn kreuzt zur Gegenseite. Die Geschmackswahrnehmung ist an die chemische Lösbarkeit der Geschmacksstoffe im flüssigen Medium gebunden.
Differenzialdiagnose Häufige Ursachen von Geschmacksstörungen sind starkes Rauchen, Virusinfekte (häufig auch mit Anosmie), Austrocknen der Zunge (Sjögren-Syndrom), Hyperviskosität des Speichels (z. B. bei zystischer Fibrose, Strahlentherapie), Medikamenteneinnahme (Penicillin, LDopa), Hirnnervenläsionen ( Parese, Fazialisparese, Nervus glossopharyngeus, Läsion) mit umschriebenen Geschmacksstörungen, Vitaminmangelzuständen, Eisenmangel, orale Kandidiasis, Zinkionen-Verlust, Diabetes oder halbseitige Geschmacksstörungen bei zentralen Läsionen (Infarkte, Tumoren). Geschmacksstörungen können auch idiopathisch (evtl. durch Zinkmangel) oder bei psychiatrischen Erkrankungen (meist Dysgeusien) auftreten [2].
Differenzialdiagnose Zu unterscheiden sind peripher bedingte Gesichtsfelddefekte (Retinaerkrankungen, Amaurosis fugax), von Optikusläsionen (AION; PION) und zentralen Läsionen (z. B. ischämisch bei Posteriorinfarkten, usw.).
Therapie Die Therapie der Gesichtsfelddefekte hängt entscheidend von der durchgeführten Topodiagnostik ab und richtet sich nach der zugrundeliegenden Erkrankung.
3
Gesichtsfeldstörung
3
3
Therapie Wichtigste therapeutische Schritte sind das Ausschalten von Noxen (z. B. Rauchen, Medikamente), die Normalisierung der Mund-Rachen-Verhältnisse (durch verbesserte Mundhygiene, künstlichen Speichel oder lokal abschwellende Maßnahmen) und die Behandlung der Grunderkrankung (z. B. Behandlung internistischer Erkrankungen). Bei der idiopathischen Hypogeusie kann ein Therapieversuch mit Zink durchgeführt werden. Epileptische Anfälle mit Geschmacks-auren werden antikonvulsiv behandelt [1].
Synonyme Gesichtsfeld: visual field Gesichtsfeldstörung: Skotom, Anopsie
Definition Eine Gesichtsfeldstörung ist das Fehlen eines Teils des normalen Gesichtsfeldes.
Einleitung Okuläre Usachen: * Netzhautläsionen (Ablatio retinae, Retinopathia pigmentosa, Zentralarterienverschluss). * Linsen- oder Hornhauttrübungen.
Literatur
Läsionen der Sehbahn: * Zerebrale Infarkte der A. cerebri posterior, A. cerebri media oder A. choroidea anterior. * Intrazerebrale Blutungen. * Hirneigene Tumoren, Infiltrationen (Kraniopharyngeom, Hypophysentumoren) oder Metastasen. * Traumatische oder entzündliche (z. B. MS) Läsionen. * Flimmerskotome bei Migräne mit Aura.
1. Berlit P (1999) Erkrankungen der Hirnnerven und des Hirnstamms. In: Berlit P (Hrsg.) Klinische Neurologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, S 352–407. 2. Osaki T, Ohshima M, Tomita Y, Matsugi N, Nomura Y (1996) Clinical and physiological investigations in patients with taste abnormality. J Oral Pathol Med 25: 38–43.
Einteilung nach der Form: * Monookukläre Skotome bei okulären Läsionen oder Läsionen des N. opticus. * Bitemporale Hemianopsie bei medialer Kompression des Chiasma opticum. * Homonyme Hemianopsien bei Läsionen retrochiasmatischer Anteile.
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3
3
3
Gewebeplasminogenaktivator (t‑PA)
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Gesichtsfeldausfall. Abb. 1: Gesichtsfeldausfälle: 1 Optikusläsion, 2 bitemporale Hemianopsie bei Chiasmakompression, 3,4 homonyme Hemi- und Quadrantenanopsie bei Läsion der Sehstrahlung (Radiatio optica), 5 homonyme Hemianopsie bei Läsion der Sehrinde (Area 17), 6 homonymer fovealer Gesichtsfelddefekt bei Teilläsion der Area 17
*
Quadranten-Anopsien bei inkompletten einseitigen Läsionen der Sehstrahlung.
Gesichtsfeldausfälle können zur Fahruntauglichkeit führen.
Differenzialdiagnose
*
*
Visueller (Hemi-) Neglect. Visuelle Agnosie (Störung der Objektwahrnehmung und - erkennung). Hemiamblyopie: Ausfall der Form- und Detailwahrnehmung bei noch erhaltener Wahrnehmung von Objektbewegungen. Andere Formen visueller Störungen: Hemiachromatopsie, Akinetopsie, Fixationsstörungen etc.
Therapie Behandlung der Grunderkrankung (z. B. Operation bei Hypophysentumor). Bei fehlender Restitution wird eine Kompensation durch vermehrte Blickbewegungen angestrebt (für die Alltagstätigkeiten häufig relativ gute Ergebnisse): Sakkadentraining.
„Geste antagonistique“ Dystonie, zervikale; cus 3
*
3
*
Torticollis spasmodi-
Gewebeplasminogenaktivator (t‑PA) Synonyme Engl.: tissue plasminogen activator
Zubereitungen Als rekombinanter Gewebsplasminogenaktiva-
Gesichtsfeldausfall. Tab. 1: Gesichtsfelddefekte Skotome
Läsionen des N. opticus: Retrobulbärneuritis (RBN), Lebers hereditäre Optikusneuropathie (LHON), anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION), toxisch/metabolisch Läsionen der Retina: Blutungen, Ischämien (Cotton-wool-Herde), toxisch/metabolisch
Hemianopsien Heteronyme bitemporale Hemianopsie
Läsionen der Sehbahn Läsion des Chiasmas, Hypophysentumor, Kraniopharyngeom Aneurysma, Sella-Meningeom, Wegener-Granulomatose, Sarkoidose, Hand-Schüller-Christian-Syndrom, Metastasen, Germinom, Mukozele, Hypophysenapoplex
Heteronyme binasale Hemianopsie (sehr selten!):
Kompression/Umwachsen des Chiasmas von außen
Homonyme Hemianopsie
Läsion des Tractus opticus, Corpus geniculatum laterale, Radiatio optica, visueller Kortex, Infarkt, Blutung, Tumor, Abszess, Granulom, Enzephalitis, SHT, AVM, Leukodystrophien
G
„Giant axon neuropathy“
tor (rt-PA = plikation.
3
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Alteplase) zur intravenösen Ap-
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Actilyse® 10 mg, 20 mg, 50 mg.
Wirkungen Umwandlung von Plasminogen in Plasmin ( Fibrinolyse). 3
Anwendungsgebiete Auflösung von Gefäßverschlüssen: * Akuter Myokardinfarkt (innerhalb von 6 Stunden). * Akuter hemisphärischer Hirninfarkt (innerhalb von 3 Stunden). * Basilaristhrombose (lokale Thrombolyse über Katheterapplikation). * Tiefe Beinvenenthrombose. * Akute Lungenembolie.
Dosierung/Anwendung Strenge Indikationsstellung und Anwendungsvorschriften. Beim hemisphärischen Hirninfarkt innerhalb von 3 Stunden systemische Lyse mit 0,9 mg/ kgKG. Bei Basilaristhrombose intraarterielle, möglichst thrombusnahe Applikation bis maximal 100 mg.
Definition Seltene, autosomal-rezessive Erkrankung mit frühzeitigem Stillstand der psychomotorischen Entwicklung und vorwiegend motorischer Neuropathie, die morphologisch durch erhebliche Verdickungen der Axone (Riesenaxone) charakterisiert ist.
Einleitung Ein Genort wurde auf dem Chromosomenabschnitt 16q24 lokalisiert [1]. Die Erkrankung beginnt in den ersten Lebensjahren. Die ausgeprägte Polyneuropathie betrifft vorwiegend die unteren Extremitäten mit Hypotonie, Paresen und Sensibilitätsstörungen. Kleinhirnsymptome oder Hirnnervenstörungen können ebenfalls auftreten. Äußerlich auffällig sind oft Kleinwuchs und krause Haare.
Diagnostik Morphologisch charakteristisch und für die Diagnose entscheidend ist die erhebliche Verdickung der Axone mit dicht-gepackten Neurofilamenten, die in der Nervenbiopsie nachgewiesen werden kann. Störungen der intermediären Filamente liegen auch in anderen Organen vor. Elektronenmikroskopisch nachweisbare Veränderungen der Haare können ebenfalls zur Diagnosesicherung beitragen [2].
Unerwünschte Wirkungen Unter anderem: Sekundäre Einblutung in das infarzierte Gewebe. Andere Blutungen (gastrointestinale, Gelenkeinblutungen etc.).
Therapie
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Es existieren nur wenige Fallberichte in der Weltliteratur. Die Erkrankung führt wohl innerhalb der ersten Lebensjahrzehnte, meist in der späten Adoleszenz zum Tode.
Thrombolyse (siehe auch Fachinformation).
3
Wechselwirkungen Thrombolyse (siehe auch Fachinformation).
3
Bewertung Thrombolyse (siehe auch Fachinformation).
3
„Giant axon neuropathy“ Synonyme Riesenaxoneuropathie
Eine spezifische Therapie existiert nicht.
Prognose
Literatur 1. Flanigan KM, Crawford TO, Griffin JW, Goebel HH, Kohlschutter A, Ranells J, Camfield PR, Ptacek LJ (1998) Localization of the giant axonal neuropathy gene to chromosome 16q24. Ann Neurol 43: 143–148. 2. Treiber-Held S, Budjarjo-Welim H, Reimann D, Richter J, Kretzschmar HA, Hanefeld F (1994) Giant axonal neuropathy: a generalized disorder of intermediate filaments with longitudinal grooves in the hair. Neuropediatrics 25: 89–93.
Glatirameracetat
Giebel-Rohr Definition Kunsstoffrohr aus ineinander steckbaren Segmenten (100 ccm Rauminhalt) zur stufenweise Vergrößerung des Totraums.
Grundlagen Das Giebel-Rohr kommt bei der Atemgymnastik zur Anwendung. Die Mundatmung durch das Rohr (wichtig: mit Nasenklemme) führt über eine Erhöhung des Totraumvolumens zum Anstieg des alveolären Kohlendioxid-Partialdrucks. Dadurch kommt es zur Steigerung des Atemantriebs und der Ventilation.
495
letzungen und anoxische Enzephalopathien nach Herzstillstand untersucht. Hauptsächlicher Nachteil der GCS ist die ungenaue Differenzierung tiefer Komastadien und die eingeschränkte Anwendbarkeit bei intubierten oder aphasischen Patienten. Wertung: Summe >7 = leichtes Koma; Summe 7–6 = mittelschweres Koma; Summe <6 = tiefes Koma. Die Angabe aller 3 Zahlenwerte ist sinnvoll, z. B. „GCS 1–2–1“.
Glasgow-Outcomeskala Synonyme Glasgow Outcome Scale (GOS)
Gilles de la Tourette-Syndrom
Definition
Tics
Die Glasgow-Outcomeskala dient der Graduierung des Outcome nach schweren Hirnschädigungen jeglicher Genese.
3
Grundlagen
Glasgow-Komaskala Synonyme Glasgow Coma Scale (GCS)
Zur Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der Behandlungsergebnisse nach schweren Hirnschädigungen wird häufig die GOS herangezogen. Als relevantes Nachuntersuchungsintervall ist inzwischen ein halbes Jahr anerkannt.
Definition Die GCS ist eine weitverbreitete Skala zur Quantifizierung von Bewusstseinsstörungen und Prognosestellung bei bewusstlosen Patienten.
Glatirameracetat Synonyme Copolymer 1, COP 1
Grundlagen Es handelt sich um die Graduierung von 3 reproduzierbaren reflektorischen Mechanismen und willkürlichen Reaktionen. Validität und Reliabilität sind v. a. für traumatische Hirnver-
Wirkungen Der Mechanismus, durch den Glatirameracetat seine Wirkung auf MS-Patienten entfaltet, ist
Glasgow-Komaskala. Tab. 1: Graduierung, Glasgow-Komaskala Augenöffnen
beste motorische Antwort
verbale Antwort
1 nicht
1 keine
1 keine
2 bei Schmerzreiz
2 Strecksynergismen
2 unverständlich, einzelne Laute
3 auf Aufforderung
3 Beugesynergismen
3 inadäquat, einzelne Worte
4 spontan
4 ungezielt nach Schmerzreiz
4 verwirrt
5 gezielt nach Schmerzreiz
5 orientiert prompt
6 gezielt nach Aufforderung
G
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Glatirameracetat
Glasgow-Outcomeskala. Tab. 1: Graduierung, Glasgow-Outcomeskala Punkte
Ergebnis
1
Tod
2
Persistierender vegetativer Status
3
Schwere Behinderung, in der täglichen Versorgung abhängig
4
Mäßige Behinderung, aber unabhängig
5
Gute Erholung, führt bis auf kleinere Behinderungen ein normales Leben
nicht vollständig geklärt. Man geht jedoch davon aus, dass Glatirameracetat modifizierend in Immunprozesse eingreift, die für die Pathogenese von MS verantwortlich gemacht werden. Diese Hypothese wird durch Ergebnisse unterstützt, die sich aus Untersuchungen der Pathogenese der experimentellen allergischen Enzephalomyelitis (EAE) ergaben. Die EAE wird häufig als experimentelles Tiermodell für MS verwendet und kann bei verschiedenen Tierspezies durch Immunisierung gegen myelinhaltiges Material aus dem zentralen Nervensystem induziert werden. Studien an Tieren und MS-Patienten weisen darauf hin, dass nach Verabreichung von Glatirameracetat wirkstoffspezifische T-Suppressorzellen induziert und in der Peripherie aktiviert werden. Insgesamt wurden 269 Patienten in drei kontrollierten Studien mit Copaxone® behandelt. Bei der ersten handelte es sich um eine Studie über 2 Jahre mit 50 Patienten (Copaxone® n=25, Plazebo n=25); die zweite Studie schloss 251 Patienten ein, die bis zu 35 Monate behandelt wurden (Copaxone® n=125, Plazebo n=126) und die dritte Studie, eine Studie über 9 Monate, umfasste 239 Patienten (Copaxone® n=119, Plazebo n=120). Bei MS-Patienten, die in klinischen Studien Copaxone® erhielten, wurde eine signifikante Reduktion der Anzahl der Schübe im Vergleich zu Plazebo beobachtet. In der größten kontrollierten Studie wurde die Schubrate um 32% reduziert (von 1,98 unter Plazebo auf 1,34 unter Glatirameracetat). Langzeitdaten über bis zu 6 Jahre liegen von 76 mit Copaxone® behandelten Patienten vor. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich Copaxone® gegenüber Plazebo günstig auf die kernspintomographischen Parameter der schubförmig remittierenden MS auswirkt. Copaxone® hatte jedoch keinen günstigen Einfluss auf die Progression von Behinderungen
bei Patienten mit schubförmig remittierend verlaufender MS. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Behandlung mit Copaxone® die Dauer oder den Schweregrad eines Schubes beeinflusst.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Copaxone® 20 mg, Pulver und Injektionsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung. Jede Durchstechflasche enthält 20 mg Glatirameracetat, entsprechend 18 mg Glatiramer.
Anwendungsgebiete Copaxone® ist angezeigt zur Reduktion der Schubfrequenz bei ambulanten Patienten (d. h. solche, die ohne Hilfe gehfähig sind) mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (MS), bei denen mindestens zwei Schübe mit neurologischen Funktionsstörungen während der letzten 2 Jahre aufgetreten sind. Copaxone® ist nicht indiziert bei primär oder sekundär progredienter MS.
Dosierung und Art der Anwendung Die empfohlene Dosierung bei Erwachsenen beträgt einmal täglich 20 mg Glatirameracetat (entsprechend einer Durchstechflasche Copaxone®). Das Pulver wird in 1 ml Wasser für Injektionszwecke gelöst, die Lösung wird als subkutane Injektion verabreicht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen keine Erkenntnisse über die notwendige Behandlungsdauer des Patienten vor. Die Patienten sind in die Technik der Selbstinjektion einzuweisen und bei der ersten Selbstinjektion und den darauf folgenden 30 Min. von medizinischem Fachpersonal zu überwachen. Die Injektionsstelle ist jeden Tag zu wechseln, um das Risiko möglicher Irritationen oder Schmerzen an der Injektionsstelle zu verrin-
Glibenclamid
gern. Mögliche Injektionsstellen sind: Bauch, Arme, Hüften oder Oberschenkel.
Gegenanzeigen Copaxone® ist kontraindiziert bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Glatirameracetat oder Mannitol; bei Schwangerschaft. Copaxone® ist ausschließlich subkutan zu injizieren. Copaxone® darf nicht intravenös oder intramuskulär verabreicht werden.
Unerwünschte Wirkungen Innerhalb von Minuten nach einer Injektion von Copaxone® können Reaktionen mit mindestens einem der folgenden Symptome auftreten: Gefäßerweiterung (Flush), Brustschmerzen, Dyspnoe, Herzklopfen oder Tachykardie. Der Patient ist vom behandelnden Arzt über das mögliche Auftreten solcher Reaktionen aufzuklären. Die meisten dieser Reaktionen sind von kurzer Dauer und gehen spontan ohne weitere Folgen zurück. In seltenen Fällen kann es zu ernsthaften Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Bonchospasmus, Anaphylaxie oder Urtikaria) kommen. Es gibt keine Hinweise dafür, dass für bestimmte Patientengruppen bezüglich dieser Reaktionen ein besonderes Risiko besteht. Trotzdem ist Vorsicht geboten, wenn Copaxone® bei Patienten mit bereits bestehenden Herzerkrankungen verabreicht wird. Diese Patienten sollten während der Behandlung regelmäßig kontrolliert werden. Unter der Langzeittherapie wurden in den Seren der Patienten Antikörper gegen Glatirameracetat gefunden. Diese erreichten nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 3–4 Monaten ihre maximale Konzentration und nahmen danach bis zu einer Konzentration wieder ab, die geringfügig höher war als die Ausgangskonzentration. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Antikörper gegen Glatirameracetat neuralisierend wirken oder die klinische Wirksamkeit von Copaxone® beeinflussen können. In allen klinischen Studien wurden am häufigsten Reaktionen an der Injektionsstelle beobachtet und von der Mehrheit der Patienten, die Copaxone® erhielten berichtet. In kontrollierten Studien war die Zahl der Patienten, die diese Reaktionen mindestens einmal berichteten, in der Gruppe, die mit Copaxone® behandelt wurden, höher als in der Gruppe, die Plazebo er-
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hielten (82% Verum vs. 48% Plazebo). Zu den häufigsten dieser lokalen Reaktionen gehören: Erythem, Schmerz, Quaddelbildung, Pruritus, Ödem, Entzündung oder erhöhte Empfindlichkeit an der Injektionsstelle. Unmittelbare Postinjektions-Reaktionen wurden in Verbindung mit mindestens einem der folgenden Symptome berschrieben: Gefäßerweiterung, Brustschmerz, Dyspnoe, Herzklopfen oder Tachykardie. Diese Reaktionen können innerhalb von Minuten nach einer Injektion von Copaxone® auftreten. Über mindestens ein Symptom der unmittelbaren PostinjektionsReaktionen wurde im Behandlungszeitraum wenigstens einmal von 41% der Patienten, die mit Copaxone® behandelt wurden, gegenüber 20% der Patienten, die Plazebo erhielten, berichtet. In Tab. 1 sind alle unerwünschten Ereignisse aufgeführt, die häufiger bei mit Copaxone® behandelten als bei mit Plazebo behandelten Patienten auftraten.
Wechselwirkungen Wechselwirkungen zwischen Copaxone® und anderen Arzneimitteln wurden bisher nicht systematisch untersucht. Daten zu Wechselwirkungen mit Interferon beta liegen nicht vor. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Kortikosteroiden wurden Reaktionen an der Injektionsstelle häufiger beobachtet. In-vitro-Untersuchungen deuten an, dass Glatriameracetat in starkem Maße an Plasmaproteine gebunden wird. Jedoch wird Glatriameracetat nicht durch Phenytoin oder Carbamazepin aus der Bindung an Plasmaproteine verdrängt und verdrängt selbst diese Substanzen nicht. Da Copaxone® jedoch theoretisch das Potential besitzt, die Verteilung von proteingebundenen Subtanzen zu beeinflussen, ist die gleichzeitige Gabe solcher Arzneimittel sorgfältig zu überwachen.
Glibenclamid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Euglucon® N - Tbl.; Glucoreduct® Tbl.; Humedia® 3,5 Tbl.; Maninil® Tbl.
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Glibenclamid
Glatirameracetat. Tab. 1: Unerwünschte Nebenwirkungen nach Behandlung mit Copaxone Systemorganklassen
Sehr häufig (>1/10)
Häufig (> 1/100, <1/10)
Gelegentlich (> 1/1.000, < 1/100)
Ganzer Körper
Reaktionen an der Injektionsstelle, Brustschmerzen, Schmerz, grippeähnliche Symptome, Asthenie, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen
Schüttelfrost, Gesichtsödem, lokale Reaktionen, Allergische Reaktionen, Fieber, Flankenschmerzen, Zyste, Unwohlsein, Nackenschmerzen, Neoplasma
Suizidversuch, Abszess, Zellulitis, Katergefühl, Hernie, allgemeine Unterkühlung, nicht näher beschriebene Entzündung, Schleimhautstörungen, Postlmpfungs-Syndrom
Kardiovaskuläres System Herzklopfen, Vaso- Synkope, Tachykardilatation die. Hypertonie, Migräne, Funktionsstörungen der Gefäße
Extrasystolen, Blässe, Krampfader
Verdauungstrakt
Ösophageales Geschwür, Rektale Blutung, Enterokolitis, Hepatomegalie, Vergrößerung der Speicheldrüse
Übelkeit, Obstipation, Diarrhö
Erbrechen, Anorexie, Dysphagie, Darminkontinenz, Gastroenteritis, Rektale Funktionsstörungen, Stomatitis, Zahnkaries, Störungen der Zähne
Endokrines System
Struma, Hyperthyreose
Blut- und Lymphsystem
Lymphadenopathie, Ekchymose
Eosinophilie, Splenomegalie
Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen
Ödem, Gewichtszunahme, Peripheres Ödem
Alkohol-Intoleranz, Gicht
Arthritis
Störung der Sehne, Sehnenscheidenentzündung
Bewegungsapparat
Arthralgie
Nervensystem
Angst, Depression, Nervosität, Tremor, Schwindel, Hyper- abnorme Träume, tonie Agitation, Amnesie, Ataxie, Verwirrtheit, Spitzfußstellung, Nystagmus, Somnolenz, Sprachstörungen, Stupor
Euphorie, Halluzinationen, Feindseligkeit, Manische Reaktionen, Myoklonus, Neuritis, Persönlichkeitsstörung, Schiefhals
Respirationstrakt
Dyspnoe
Bronchitis, vermehrter Husten, Rhinitis, nicht näher beschriebene allergische Rhinitis, saisonale Rhinitis
Apnoe, Nasenbluten, Laryngospasmus, Funktionsstörung der Lunge, Veränderung der Stimme
Haut und Hautanhangsgebilde
Rash, Schwitzen
Herpes Simplex, benignes Haut-Neoplasma, Störung der Haut, Urtikaria
Angioödem, Kontakt-Dermatitis, Erythema nodosum, Furunkulose, Haut-Athrophie, Haut-Karzinom, HautKnötchen
Glibenclamid
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Glatirameracetat. Tab. 1: Unerwünschte Nebenwirkungen nach Behandlung mit Copaxone (Fortsetzung) Systemorganklassen
Sehr häufig (>1/10)
Urogenitalsystem
Wirkungen Glibenclamid ist ein perorales Antidiabetikum vom Sulfonylharnstoff-Typ. Es stimuliert die Insulinsekretion des endokrinen Pankreas, Voraussetzung sind funktionstüchtige B-Zellen. Infolge dieser Stimulierung kommt es zur Degranulierung der B-Zellen. Die Wirkung ist an die Anwesenheit von Glukose gebunden. Glibenclamid und Glukose verstärken sich in ihrer Wirkung an der B-Zelle. Sulfonylharnstoffe binden an einen Rezeptor der B-Zellmembran. Sie vermitteln über die Schließung ATP-abhängiger K+-Kanäle eine Depolarisation der BZellmembran mit Öffnung der spannungsabhängigen Calciumkanäle (Ca-Einstrom). Glibenclamid ist auch ein Antagonist des cromakalimaktivierbaren K+-Kanals im Muskel (Vasorelaxation). Eine erhöhte Calciumionenkonzentration im Cytosol bewirkt durch Stimulation des Mikrotubulus-/Mikrofilamentsystems den Transport von Insulingranula in Richtung Zelloberfläche, eine anschließende Verschmelzung der Granula mit der Zellmembran und die nachfolgende Ausschüttung von Insulin. Es ist umstritten, ob extrapankreatische Effekte, z. B. die Hemmung der hepatischen Insulinaufnahme und die Erhöhung der Bindung von Insulin an Insulinrezeptoren seiner Zielorgane, an der blutzuckersenkenden Wirkung beteiligt sind. Eher wahrscheinlich gemacht wurden „post-re-
Häufig (> 1/100, <1/10)
Gelegentlich (> 1/1.000, < 1/100)
Funktionsstörungen der Augen, Diplopie, Funktionsstörungen der Ohren, Ohrenschmerzen, Otitis media, Geschmacksstörung, Gesichtsfeldstörungen
näher beschriebener Katarakt, Schädigung der Hornhaut, Augenblutung, Mydriasis, Otitis externa, Rosis
Candida-Mykose der Vagina, Zystitis, Dysmenorrhö, Impotenz, Menstruationsstörung, Verdacht auf positiven Papanicolaou-Abstrich, Harnretention, Störungen des Harnapparats, Harndrang
Abort, Brustschwellung, Hämaturie, Nierenschmerzen, Störungen der Eierstöcke, Priapismus, Funktionsstörungen der Prostata, Pyelonephritis, Störung der Testis, Harnanomalie, Vaginalblutung, Störung der Vulva und der Vagina
ceptor“-Effekte, die dem Insulinrezeptor nachgeschaltet sind. Wie bei einigen anderen Sulfonylharnstoffen werden HDL-Werte (High-density-Lipoproteine) erhöht und die Plättchenaggregation vermindert.
Resorption Glibenclamid wird praktisch vollständig aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Es scheinen Unterschiede hinsichtlich der Bioverfügbarkeit zwischen verschiedenen Präparaten zu bestehen (bis 100%). Ein sehr strenger Zusammenhang zwischen den Serumkonzentrationen und der therapeutischen Wirkung besteht nicht. Wirkungseintritt: nach 1–2 h. Wirkungsmaximum: nach 3–5 h, maximale Plasmakonzentrationen (100 μg/L) werden nach 2–4 h (je nach Handelspräparat) erreicht. Plasmaeiweißbindung: >99%. Glibenclamid penetriert im Gegensatz zu anderen Sulfonylharnstoffen deutlich in die β-Zellen (Anionenkanäle). Therapeutsiche Serumkonzentrationen: ca. 6 nmol/ L. Eine Kumulationsgefahr besteht bei vorschriftsmäßigem Gebrauch nicht.
Elimination Plasmahalbwertzeit: 2 h (für die schnelle Elimination, Umverteilung), 10 h (für langsame Elimination, Metabolisierung und Ausscheidung). Bei Lebererkrankungen ist die Eliminations-
G
500
Gliedergürteltyp der Muskeldystrophie
halbwertzeit verlängert. Wirkungsdauer: bis zu 15 h. Durch Hydroxylierung der Cyclohexylgruppe wird Glibenclamid praktisch vollständig zu meist unwirksamen Metaboliten abgebaut. Der Hauptmetabolit, ein in 4-trans-Stellung hydroxyliertes Derivat, besitzt eine schwache Blutglucose senkende Wirkung. Etwa 50% der Metaboliten werden mit dem Urin, die andere Hälfte über die Galle mit den Faeces ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Glibenclamid ist beim Erwachsenendiabetes (Typ-II-Diabetes) indiziert nach Diät-Therapie und Gewichtsreduktion. Glibenclamid ist nicht bei juvenilem Diabetes (Typ-I-Diabetes; IDDM) geeignet, da seine Wirkung an eine Restfunktion der B-Zelle gebunden ist. Eine Dauerkombination mit Insulin ist nicht sinnvoll. Glibenclamid führt auch noch bei Diabetikern zur Blutzuckersenkung, die auf andere Sulfonylharnstoffe nicht mehr ansprechen. Wenn – nach Jahren – perorale Sulfonylharnstoffe keine ausreichende Einstellung des Diabetikers mehr erlauben, liegt dies – abgesehen von Diätfehlern und zusätzlichen, den Stoffwechsel belastenden Erkrankungen – möglicherweise auch an einer fortschreitenden Sekretionsinsuffizienz.
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosen beim Erwachsenendiabetes betragen 1,75–10,5 mg/d (individuelle Einstellung notwendig).
Unerwünschte Wirkungen Glibenclamid führt in Einzelfällen zu einer thrombozytopenischen Purpura sowie zu vorübergehenden Leukopenien. Aufstoßen findet sich in 0,5% der behandelten Fälle. Übelkeit und Erbrechen treten nur selten auf. Wie nach anderen Sulfonylharnstoffen kann ein cholestatischer Ikterus auftreten. Glibenclamid führt in 1,5–5% der Fälle (damit häufiger als andere Sulfonylharnstoffe) zu schweren, langdauernden hypoglykämischen Zuständen bis hin zum hypoglykämischen Schock. Orale Antidiabetika sollten in der Schwangerschaft nicht angewendet werden, möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen ihrer Einnahme und dem Auftreten von Missbildungen bei Kindern diabetischer Mütter. Außerdem überwinden orale Antidiabetika die Plazentaschranke, wodurch
auch die Insulinsekretion beim Föten stimuliert wird. Aus beiden Gründen ist deshalb eine Umstellung auf Insulin erforderlich.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Insulinpflichtiger Diabetes (juveniler Diabetes); Neigung zu Ketoacidose; instabile Diabetesformen; Präkoma, Coma diabeticum; eingeschränkte Nierenfunktion (Dosisverringerung!); Stresssituationen, z. B. Operationen, auch Infektionen (Übergang zu Insulin!); Schwangerschaft (Übergang zu Insulin!).
Wechselwirkungen Folgende Substanzen können die hypoglykämische Wirkung der Sulfonylharnstoffe verstärken (Hypoglykämie): Guanethidin (insulinotrope Wirkung); Tranylcypromin (indirekte insulinotrope Wirkung); Propranolol, wahrscheinlich auch andere β-Rezeptorenblocker (Hemmung der durch Catecholamin induzierten Glykogenolyse?); Salicylate (Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung); Methandrostenol (hypoglykämische Eigenwirkung); Sulfonamide (Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung). Glukokortikoide, Glucagon, Isoniazid, orale Kontrazeptiva, Phenothiazine, Schilddrüsenhormone, Sympathomimetika, Thiazid-Diuretika, in Einzelfällen auch trizyklische Antidepressiva, Indometacin und Lithiumsalze können die Glukosetoleranz verschlechtern und führen somit zu einer Abschwächung der Sulfonylharnstoffwirkung. Durch Alkoholeinnahme kann die Wirkung von Sulfonylharnstoffen verstärkt oder abgeschwächt werden. Nach Einnahme von Glibenclamid kann Alkoholintoleranz bestehen (Disufiram-Reaktion). Mit Antikoagulantien behandelte Patienten sollten anstelle von z. B. Tolbutamid Glibenclamid wegen geringerer Gefahr von Wechselwirkungen erhalten.
Gliedergürteltyp der Muskeldystrophie Synonyme Limb girdle muscular dystrophy, LGMD
Definition Genetisch heterogene Gruppe von Muskelerkrankungen mit Paresen im Becken- und Schul-
Glioblastom
tergürtel (ohne faziale Beteiligung) und histologisch nachweisbarer Muskeldystrophie.
Einleitung Vielzahl autosomal-rezessiv oder dominant vererbter Erkrankungen mit Beginn in den ersten Lebensjahren, selten bis zum frühen Erwachsenenalter. Autosomal-dominant vererbte Krankheiten betreffen Myotilin (Chromosom 5q22-34), Lamin A/C (Hauptmann-Thannhauser, 1q11-21), Caveolin-3 (Rippling Muscle Disease, 3p25), sowie 2 weitere Gendefekte auf 6q23 und 7q. Die autosomal-rezessiven Syndrome betreffen Calpain-3 (15q15.1), Dysferlin (Miyoshi Myopathie, 2p13), γ-Sarkoglykan (13q12), α-Sarkoglykan (17q12-q21.33), β-Sarkoglykan (4q12), δ-Sarkoglykan (5q33-q34), Telethonin (17q11-q12), E3-Ubiquitin-Ligase (9q31-q34), Fukutin-ähnliches Protein (19q13.3).
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durch das Vorliegen von Nekrosen zusätzlich zu anderen Anaplasiemerkmalen aus [1]. Eine kleine Untergruppe der Glioblastome (<10%) ist oligodendroglialen Ursprungs, diese besitzt eine bessere Prognose [2].
Einleitung Glioblastome machen 15–20% der intrakraniellen Tumoren aus und führen im Mittel innerhalb eines Jahres zum Tode [3]. Histologische Varianten sind das Gliosarkom und das Riesenzell-Glioblastom [1]. Für diese Varianten gelten dieselben diagnostischen und therapeutischen Kriterien wie für das Glioblastoma multiforme. Glioblastome können jedes Lebensalter betreffen, ein Häufigkeitsgipfel liegt im 5. und 6. Lebensjahrzehnt.
Diagnostik
Jährliche Verlaufsbeobachtung in einem Muskelzentrum sinnvoll.
Computertomographisch zeigt sich eine oft ringförmig kontrastmittelanreichende Läsion mit einem hypodensen Zentrum, die einer Nekrose entspricht, und mit einem ausgeprägten perifokalen Ödem, welches sich mitunter fingerförmig innerhalb des umgebenden Marklagers ausbreitet. Kernspintomographisch ist eine im T1-gewichteten Bild signalhyperintense, heterogen gadoliniumaufnehmende Läsion mit ausgedehntem Ödem im T2-gewichteten Bild nachweisbar. Glioblastome sitzen häufig in der Großhirnkonvexität und in einem geringeren Anteil in tiefen Mittellinienstrukturen mit einer Prädilektion zum Balken, über den sich die Tumoren als charakteristisches Schmetterlingsgliom in beide Hemisphären ausdehnen können.
Prognose
Therapie
Je nach Art des genetischen Defektes unterschiedlich. Auch innerhalb eines Genotyps z. T. große phänotypische Variabilität.
Die Standardtherapie ist, wenn schonend möglich, die weitgehende mikroneurochirurgische Resektion des Tumors „im Gesunden“, sog. „gross total resection“, gefolgt von einer postoperativen Strahlentherapie mit einer Gesamtdosis von 60 Gy.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, EKG, Elektromyographie und Muskelbiopsie. Immunhistochemie der verschiedenen muskulären Strukturproteine. Genetische Untersuchung ohne klaren Befund aus der Immunhistochemie zu aufwendig.
Therapie Symptomatisch. Diagnostik.
Ggf.
auch
kardiologische
Nachsorge
Glioblastom Synonyme Glioblastoma multiforme
Definition Glioblastome sind die bösartigste Variante astrozytärer Gliome; sie werden dem WHO-Grad IV zugerechnet und zeichnen sich histologisch
gesichert Die operative Resektion eines Glioblastoms dient der Gewebegewinnung für eine histologische Diagnose und der Reduktion der Tumormasse. Wenngleich der Nachweis einer therapeutischen Wirkung der chirurgischen Resektion nie im Rahmen einer kontrollierten, randomisierten Studie geführt worden ist, besteht
G
502
Glioblastom
ein breiter Konsens darüber, dass Patienten mit einer sogenannten makroskopisch kompletten Tumorresektion eine günstigere Prognose haben als Patienten, deren Tumor makroskopisch nur inkomplett entfernt werden kann [4]. Verbindliche Richtlinien darüber, wann keine Indikation zur Operation vorliegt, gibt es nicht. Man wird auf eine Operation in der Regel verzichten bei einem Schmetterlingsgliom, bei Betroffensein tiefer Mittellinienstrukturen, bei einer Lebenserwartung von unter 6 Monaten und bei einem hohen Lebensalter. Der routinemäßige Einsatz einer Chemotherapie ist nicht Therapiestandard. Anders zu bewerten ist der Erfolg einer Chemotherapie bei Glioblastomen im kindlichen Lebensalter und bei Glioblastomen mit oligodendroglialer Differenzierung, d. h. also mit Tumoranteilen, die auf eine oligodendrogliale Herkunft des Tumors deuten [2]. Die pädiatrischen Glioblastome sollten unbedingt in pädiatrisch-onkologische Therapieprotokolle eingeschlossen werden. Glioblastome oligodendroglialer Differenzierung sprechen oft temporär auf eine Therapie mit dem PCV-Schema an und sollten deshalb wie anaplastische Oligodendrogliome behandelt werden. In der Rezidivsituation hat der Einsatz von Temozolomide (Temodal®) bei Glioblastomen im randomisierten Vergleich zu Procarbazin (als „Standard“) eine marginale, jedoch statistisch signifikante Verlängerung der medianen progressionsfreien Überlebenszeit nach Rezidivdiagnose erbracht (3 Monate nach Temodal versus 2 Monate nach Procarbazin) [5], wobei möglicherweise ein positiver Einfluss der Therapie auf die Lebenqualität der betroffenen Patienten höher zu bewerten ist als die Lebenszeitverlängerung [6]. Aus diesen Gründen besteht in Deutschland für Temozolomide eine Zulassung in der Rezidivsituation bei Glioblastomen. Darüber hinaus beschränken sich gesicherte therapeutische Möglichkeiten beim Tumorrezidiv auf eine antiödematöse Therapie mit Steroiden, wodurch der Verlauf der Tumorerkrankung mitunter noch über mehrere Monate stabilisiert werden kann, und auf rein palliative Maßnahmen. 3
3
empirisch Bei Überprüfung der Indikation zur Rezidivoperation sind Ausdehnung und Erreichbarkeit
des Tumors, Alter und Zustand des Patienten sowie zu erwartende operationsbedingte Morbidität ausschlaggebend neben der Frage, ob noch eine postoperative adjuvante Therapiemöglichkeit zur Verfügung steht. Neben Temozolomide sind hier vor allem lokale Einzeit- oder fraktionierte Strahlentherapieverfahren [7] zu nennen, die wegen einer häufigen, oft permanenten Verschlechterung des neurologischen Zustandes nur zurückhaltend einzusetzen sind und ohnehin durch eine Ausdehnung des Prozesses von mehr als 3 cm eine Begrenzung erfahren. Anders ist die Indikation zur Rezidivoperation zu sehen, wenn eine neue postoperative adjuvante Therapie zur Verfügung steht, die im Rahmen einer Studie evaluiert werden soll. Wenn keine etablierte Therapie mehr offen steht, sind experimentelle Verfahren im Rahmen prospektiver Studien gerechtfertigt. Genannt seien 1. immunologische Verfahren, wie z. B. die systemische oder intratumorale Applikation von Lymphokinen wie Interferon, von lymphokinaktivierten Killerzellen (LAK-Zellen) oder von bispezifischen Antikörpern; 2. die Hemmung der Neoangiogenese mit z. B. Thalidomid oder mit Antisense-Oligonukleotiden gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF); 3. der Einsatz des Proteinkinase-C-Hemmers Tamoxifen, des Leukotriensynthesehemmers Boswelliasäure (H15) und 4. von Differenzierungsmolekülen wie 13-cisRetinolsäure [8]. Diese Methoden blieben in Phase-I- und PhaseII-Studien bislang ohne überzeugenden Erfolg wie auch der Einsatz neuer Chemotherapeutika (z. B. Topotecan, Paclitaxel, Gemcitabine) oder der von Substanzen zur Eröffnung der BlutHirn-Schranke. Besonders enttäuschend waren die Ergebnisse einer Phase-III-Studie zur Gentherapie mit Hilfe des Herpes-simplex-Thymidin-Kinase (HSV-tk)-Gens [9]. Eine Zwischenevaluation der Studie ergab, dass nicht gentherapeutisch behandelte Patienten in der Kontrollgruppe längere progressionsfreie und Gesamtüberlebenszeiten als die behandelten Patienten aufwiesen. unwirksam/obsolet Beim Einsatz experimenteller Verfahren ist eine sorgfältige Dokumentation und eine Validierung postulierter Therapieerfolge nach strikten
Gliom, niedriger Malignität
Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Nachsorge ist nicht als absolut zu postulieren, da die Möglichkeiten bei Auftreten des unweigerlichen Rezidivs sehr begrenzt sind. Die Autoren führen nach Operation und Strahlentherapie eine regelmäßige Nachsorge in 3-monatigen Abständen mit neurologisch klinischen und bildgebenden Verlaufskontrollen durch. Diese haben zum einen das Ziel bei Auftreten des Rezidivs frühzeitig mit Temozolomide zu behandeln und zum anderen eine sachgerechte Behandlung von Begleitsymptomen zu gewährleisten, z. B. Therapie/Prophylaxe von epileptischen Anfälle, tiefen Beinvenenthrombosen und von Steroidnebenwirkungen. Wesentlich ist, die oft lange, völlig unnötige Medikation mit Steroiden nach Abschluss der Radiatio zu vermeiden.
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee WK (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon. 2. Kraus JA, Lamszus K, Glesmann N, Beck M, Wolter M, Sabel M, Krex D, Klockgether T, Reifenberger G, Schlegel U. (2001). Molecular genetic alterations in glioblastomas with oligodendroglial component. Acta Neuropathol 10:311–20. 3. DeAngelis LM (2001). Brain tumors. N Engl J Med 344:114–23. 4. Black, PM (1991). Medical Progress: Brain tumors (second of two parts). New Engl J Med 324:1555–1561. 5. Yung WK, Albright RE, Olson J, Fredericks R, Fink K, Prados MD, Brada M, Spence A, Hohl RJ, Shapiro W, Glantz M, Greenberg H, Selker RG, Vick NA, Rampling R, Friedman H, Phillips P, Bruner J, Yue N, Osoba D, Zaknoen S, Levin VA. (2000). A phase II study of temozolomide vs. procarbazine in patients with glioblastoma multiforme at first relapse. Br J Cancer 83:588–93. 6. Osoba D, Brada M, Yung WK, Prados M (2000). Health-related quality of life in patients treated with temozolomide versus procarbazine for recurrent glioblastoma multiforme. J Clin Oncol 18:1481–91. 7. Cho KH, Hall WA, Gerbi BJ, Higgins PD, McGuire WA, Clark HB (1999). Single dose versus fractionated stereotactic radiotherapy for
G Gliom, apoplektisches Einleitung Maligne Gliome, insbesondere Glioblastome, können aufgrund der Fragilität versorgender Blutgefäße zu symptomatischen, mitunter letalen Blutungen führen. Wenn die neurologische Symptomatik (oft bei bislang beschwerdefreien Personen) im Rahmen der Blutung „apoplektiform“ auftritt, werden die Tumoren apoplektische Gliome genannt.
Diagnostik Im CT und MRT kann die ausgedehnte Blutung den zugrunde liegenden Tumor mitunter „maskieren“. Atypische Blutungen müssen differenzialdiagnostisch immer auch an einen Tumor (Metastase, malignes Gliom) als Blutungsursache denken lassen.
Therapie Zur Therapie siehe Blutung, Tumoreinblutung und spezifische Therapie bei den einzelnen Histologien. 3
Nachsorge
recurrent high-grade gliomas. Int J Radiat Oncol Biol Phys 45:1133–41. 8. Schlegel U (2000). Neue Aspekte der Tumortherapie bei Hirntumoren. Nervenheilkunde 19:14– 20. 9. Ram Z, Culver KW, Oshiro EM, Viola JJ, DeVroom HL, Otto E, Long Z, Chiang Y, McGarrity GJ, Muul LM, Katz D, Blaese RM, Oldfield EH (1997). Therapy of malignant brain tumors by intratumoral implantation of retroviral vector-producing cells. Nat Med 12:1354–61. 10. Macdonald DR, Cascino TL, Schold SC Jr et al. (1990) Response criteria of phase II studies of supratentorial malignant glioma. J Clin Oncol 8:1277–1280.
3
Kriterien [10] zu fordern. Leider werden bei Glioblastomen oft Behandlungsversuche durchgeführt, die diesen Kriterien in keiner Weise genügen und mitunter falsche Hoffnungen wecken.
503
Gliom, niedriger Malignität Definition Gliome sind Tumoren der „Stützzellen“ im Gehirn. Sie umfassen astrozytäre und oligodendrogliale Tumoren sowie Ependymome.
Einleitung Gliome werden wie andere Gehirntumoren nach der WHO-Klassifikation für Tumoren
Gliom, spinales
des Nervensystems in ihrer revidierten Fassung von 2000 klassifiziert [1]. Danach entsprechen niedrig maligne Gliome dem WHO-Grad I oder II.
Diagnostik
3
Ependymom,
Oligodend-
3
3
Ependymom,
3
Astrozytom, rogliom
Oligodend-
3
Therapie Astrozytom, rogliom 3
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee WK (2000). Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon.
tung nach kraniokaudal im Sinne eines Stiftglioms ( Gliom, Stiftgliom) wachsen. 3
504
Diagnostik Diagnostik der Wahl ist das spinale MRT. Kernspintomographisch zeigen die intramedullären Astrozytome in ca. 30% der Fälle zystische Veränderungen, in den T1-gewichteten Aufnahmen ein hypo- bis isointenses Signalverhalten und eine Signalhyperintensität im T2-gewichteten Bild. Eine zum Teil inhomogene und unterschiedlich starke Kontrastmittelanreicherung im soliden Tumoranteil ist die Regel. Das Ausmaß der Kontrastmittelanreicherung entspricht nicht notwendigerweise der gesamten Tumorausdehnung [5]. Eine sichere Abgrenzung von Ependymomen ist nicht immer möglich. Ependymome, intramedulläre. 3
Therapie
Gliom, spinales Definition Spinale Gliome umfassen Astrozytome, Ependymome und sehr selten Oligodendrogliome. Mit Ausnahme des myxopapillären Ependymoms des Filum terminale ( Ependymome, intradurale extramedulläre (Filum terminale)) handelt es sich dabei um intramedulläre Tumoren.
gesichert Aufgrund der oft kleinen, unizentrischen und notwendigerweise nicht randomisierten Erfahrungen gibt es keine gesicherte Therapie [2].
3
3
3
3
Einleitung Ependymome machen ca. 60%, Astrozytome ca. 30% der spinalen Gliome aus, wobei unter den intramedullären Tumoren Astrozytome und Ependymome etwa gleich häufig sind; Glioblastome und Oligodendrogliome sind sehr selten [1, 2]. Die Diagnostik und Therapie der intramedullären und der Filum-terminale-Ependymome wird dort besprochen. Über 80% der intramedullären Astrozytome sind differenzierte Astrozytome. Am häufigsten handelt es sich um fibrilläre, diffus wachsende, am oberen und unteren Pol nicht sicher abgrenzbare Tumoren, die überwiegend das Kindesalter und das junge Erwachsenenalter betreffen [3]. Zystische Tumoranteile und eine Kontrastmittelaufnahme bei der spinalen MRT weisen auf ein pilozytisches Astrozytom hin. Astrozytome, die das Spinalmark in seiner gesamten longitudinalen Ausdehnung diffus durchsetzen, wurden beschrieben [4]. Dabei können die Tumoren zentral umschrieben mit der Hauptwachstumsrich-
empirisch Eine, wenn möglich komplette chirurgische Resektion ist offenbar mit einer günstigeren Prognose behaftet als eine inkomplette Resektion des Tumors [6, 7]. Die Wirksamkeit einer Strahlentherapie ist für differenzierte und für maligne Astrozytome nicht systematisch untersucht. Es handelt sich dabei praktisch ausnahmslos um eine multifokale oder das Spinalmark diffus infiltrativ durchsetzende Tumorerkrankung. Möglicherweise hat eine „makroskopisch komplette“ Resektion einen günstigen Einfluss auf die Prognose [7]. Die Wirksamkeit einer Chemotherapie ist nicht systematisch untersucht. Auch die Wirksamkeit einer Radiatio ist naturgemäß bei kleinen Fallzahlen nicht bewiesen. Sie wird empfohlen, wenn eine makroskopisch komplette Resektion des Tumors nicht möglich ist und dann keine anderen Therapieoptionen bestehen [8]. Das Zielvolumen umfasst das Rückenmark in einer Längsausdehnung, die in der Regel begrenzt wird ein bis zwei Segmente oberhalb und unterhalb der radiologisch nachweisbaren Tumorgrenzen. Die mittleren gewählten Dosen liegen zwischen 40–45 Gy, die in Einzeldosen von ca. 2 Gy verabreicht werden. Die Toleranzdosis des Myelons liegt bei ca. 50 Gy. Zur
Gliomatosis cerebri
Nach der in der Regel erforderlichen stationären Rehabilitation ist eine engmaschige klinische und MR-tomographische Verlaufskontrolle erforderlich.
Prognose Die Prognose der differenzierten spinalen Astrozytome ist deutlich schlechter als die der Ependymome, die 5-Jahres-Überlebensfraktion dieser Tumoren beträgt unabhängig vom Tumorgrad 50–60% [2]. Eine makroskopisch komplette Resektion des Tumors ist seltener möglich [7]. Maligne Astrozytome des Spinalmarkes haben eine ungünstige Prognose, die mittleren Überlebenszeiten liegen bei einem Jahr oder darunter [6, 7, 9].
Literatur 1. Schlegel U, Westphal M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart. 2. Fehlings MG, Rao SC (2000). Spinal cord and spinal column tumors. In: Bernstein M, Berger MS (eds). Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 445–464. 3. Sandler HM, Papadopoulos SM, Thornton AF et al. (1992) Spinal cord astrocytomas: Results of therapy. Neurosurgery 30:490–493. 4. Epstein F, Epstein N (1981). Surgical management of holocord intramedullary spinal cord astrocytomas in children. J.Neurosurg 54:829– 832. 5. Freitag HJ (1996). Spinale Tumoren und tumorähnliche Krankheiten. In: Sartor K (Hrsg.) Neuroradiologie. Thieme, Stuttgart. 6. Cristante L, Herrmann HD (1994). Surgical management of intramedullary spinal cord tumors: Functional outcome and sources of morbidity. Neurosurgery 35:69–76. 7. Jallo GI, Danish S, Velasquez L et al. (2001) Intramedullary low-grade astrocytomas: long-term outcome following radical surgery. J Neurooncol 53:61–66. 8. Stein BM, McCormick PC (1992). Intramedullary neoplasms and vascular malformations. Neurosurgery 39:361–387. 9. Cohen AR, Wisoff JH, Allen J (1989). Malignant astrocytomas of the spinal cord. J.Neurosurg 70:50–54.
Definition Stiftgliome sind in der Regel differenzierte spinale Astrozytome mit axial eng umschriebener Ausdehnung und Wachstumsausrichtung nach kraniokaudal. Sie liegen benachbart zum Zentralkanal mit oder ohne begleitende Syrinx.
Therapie Eine komplette operative Resektion ist oft nicht möglich. Ansonsten gelten die Therapieempfehlungen für intramedulläre Astrozytome wie bei den spinalen Gliomen beschrieben ( Astrozytome, Gliome, spinale). 3
Nachsorge
Gliom, Stiftgliom
3
Ödemprophylaxe sollte die spinale Bestrahlung mit Steroiden begleitet werden, z. B. mit der oralen Dosis von 3×oder 4×4 mg Dexamethason/die.
505
Gliomatosis cerebri Definition Die Gliomatosis cerebri ist eine diffuse Infiltration des Parenchyms durch gliale Tumorzellen in mehreren Lobi. Die gesamte weiße Substanz, supra- und infratentorielle Abschnitte, Nervus opticus und Chiasma können betroffen sein.
Einleitung Histologisch entpricht der multilokuläre, diffus infiltrierende Tumor oft einem fibrillären Astrozytom, WHO-Grad II, oder anaplastischen Varianten, selten einem pilozytischen Astrozytom, WHO-Grad I [1].
Diagnostik Das Kernspintomogramm zeigt insbesondere in der FLAIR-Sequenz die Ausdehnung des Tumors.
Therapie Unterschiedliche Varianten mit differenter histologischer Malignität, durchweg kleine Serien und das Fehlen einer kurativen Behandlungsmöglichkeit machen eine Therapieempfehlung schwer. gesichert Gesicherte Therapieempfehlungen gibt es nicht. empirisch Bei Auftreten progredienter und behandlungsbedürftiger neurologischer Symptome ist eine Ganzhirnbestrahlung mit 55–60 Gy möglich.
G
506
Globale Aphasie
In einem Einzelfall wurde die Abnahme der Raumforderung nach Gabe von Temozolomide beobachtet [2]. unwirksam/obsolet Der Versuch einer operativen Resektion ist nicht sinnvoll.
Differenzialdiagnose *
*
Nachsorge Da keine Therapiemöglichkeiten nach Ausschöpfen der o. g. Maßnahmen zur Verfügung stehen, ist auch eine regelmäßige Nachsorge nur dann sinnvoll, wenn der Patient sie wünscht.
Anarthrie (sog. Wortstummheit): Unfähigkeit zu jeder mündlichen Sprachäußerung, die Leistungen beim Schreiben und Sprachverständnis sind herausragend besser. Mutismus bei psychiatrischen Krankheiten: Patient zeigen eher ablehnendes Verhalten auch der nichtsprachlichen Art, Patienten haben keine Paresen (oft bei globaler Aphasie kombiniert).
Globoidzell-Leukodystrophie (Krabbe-Erkrankung)
Prognose Die Erkrankung führt in der Regel innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren zum Tode; vereinzelt wurden jahrzehntelange Verläufe berichtet [1].
Definition
Literatur
Einleitung
1. Schlegel U, Westpahl M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 2. Benjelloun A, Delavelle J, Lazeyras F et al. (2001). Possible efficacy of temozolomide in a patient with gliomatosis cerebri. Neurology 57:1932–1933.
Zu etwa 90% Beginn der Erkrankung in den ersten Lebensmonaten mit Entwicklungsverzögerung, Tetraspastik, Amaurose, Anfällen, vermehrter Irritabilität, Opisthotonus. Selten adulte Form mit Gangstörung (Tetraspastik, Ataxie, demyelinisierende Polyneuropathie), Optikusatrophie, Demenz.
Autosomal-rezessiv vererbte lysosomale Erkrankung mit Mangel der β-Galaktozerebrosidase.
Diagnostik
Globale Aphasie
*
Synonyme Sensomotorische Aphasie
*
Definition Leitsymptom der globalen Aphasie ist die Unfähigkeit, differenzierte sprachliche Äußerungen zu produzieren.
* *
Diagnosestellung durch Nachweis des βGalaktozerebrosidase-Mangels in der Fibroblastenkultur (auch pränatal möglich). Ergänzend: MRT: Periventrikuläre Signalanhebung in der T2-Wichtung. Liquor: Proteinerhöhung. Elektroneurographie: Verlangsamte NLG. Verzögerte evozierte Potentiale.
Therapie
Einleitung Schwerste Form der Sprachstörung, Sprachproduktion und - verständnis sind gleichermaßen stark reduziert. Kennzeichnend ist außerdem ein stockender Sprechfluss mit erheblicher Sprech- und Sprachanstrengung, meist schlechte Prosodie und Artikulation, Vorherrschen von Sprachautomatismen und Stereotypien. Ursächlich überwiegend ausgedehnte ischämische Hirninfarkte im frontotempoparietalen Mediastromgebiet unter Einbeziehung subkortikaler Strukturen der dominanten Hemisphäre.
Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Experimentelle Therapien (Knochenmark-, Stammzelltransplantation) werden zur Zeit untersucht.
Glomus-jugulare-Tumoren Synonyme Paragangliom, Chemodektom des Glomus jugulare
3
3
Glossopharyngeusneuralgie
Definition Paragangliome des Glomus jugulare sind Tumoren, die von den neurosekretorischen Zellen des Glomus jugulare ausgehen. Diese liegen in einer kleinen Ansammlung in der Aventitia des Bulbus jugulare.
507
kung. Bei Vitaminmangel oder Eisenmangelzuständen erfolgt eine entsprechende Substitutionstherapie bzw. eine kausale Therapie. Eine larvierte Depression wird mit trizyklischen Antidepressiva oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern behandelt.
Einleitung
Therapie Die zur Verfügung stehenden Therapiemodalitäten sind neurochirurgische Resektion, endovaskuläre Embolisation, fraktionierte Bestrahlung und Radioneurochirurgie [1, 2]. gesichert Die o. g. Verfahren sind in ihrer Wertigkeit im Vergleich nicht abschließend beurteilbar. Unter Umständen werden sie komplementär eingesetzt, z. B. wenn bei einem großen Tumor die neurochirurgische Resektion allein nicht möglich ist [2].
Literatur 1. Schlegel U, Westpahl M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 2. Morita A, Sekhar LN (2000). Skull base tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) NeuroOncology. Thieme, New York 419–433.
Glossodynie Definition Dumpfer oder brennender Dauerschmerz im Bereich der Zunge.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch kommen eine senile Glossodynie, Zungenschmerzen bei der Hunter-Glossitis im Rahmen eines Vitamin B12Mangels, bei einer larvierten Depression, bei Eisenmangelanämie oder bei ungenügender Mundpflege in Betracht. Schließlich kann auch eine Malabsorption fettlöslicher Vitamine zu einer schmerzhaften Glossitis führen.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkan-
Glossopharyngeus (Nervus glossopharyngeus) 3
Obwohl es sich histologisch um benigne Tumoren handelt, können sie zu einer Arrosion des Felsenbeins führen mit Ausdehnung in die hintere Schädelgrube.
Nervus glossopharyngeus, Läsion
Glossopharyngeusneuralgie Definition Chronische Schmerzerkrankung mit plötzlich einschießenden, einseitigen Schmerzattacken im Versorgungsgebiet des Nervus glossopharyngeus. Die Krankheit tritt vorwiegend in der 5. und 6. Dekade auf und ist wesentlich seltener als die Trigeminusneuralgie.
Einleitung Die blitzartig einsetzenden, stechenden und brennenden Schmerzen betreffen meist den Oropharynx, seltener den Bereich des Ohres oder des Kieferwinkels. Sie treten über Tage bis Wochen auf und sind gefolgt von monatelangen schmerzfreien Intervallen. Triggermechanismen sind Husten, Niesen und Schlucken.
Diagnostik Bei den idiopathischen Formen wird definitionsgemäß kein organisch-pathologischer Befund gesehen. Symptomatische Glossopharyngeusneuralgien treten besonders bei Tumoren im Kleinhirnbrückenwinkel, bei vaskulären Läsionen, Gefäßanomalien der PICA oder der Vertebralarterien, Tumoren des Pharynx oder Tonsillenprozessen auf. Diagnostisch hilfreich ist die vorübergehende Blockade der Schmerzattacken durch Anästhesie von Tonsillen und hinterem Pharynx durch 10%iges LidocainSpray.
Therapie Mittel der 1. Wahl in der medikamentösen Therapie ist das Carbamazepin, welches bei stärksten Schmerzen und Schluckproblemen auch in
G
Glukozerebrosidase
3
Literatur 1. Childs AM, Meaney JF, Ferrie CD, Holland PC (2000) Neurovascular compression of the trigeminal and glossopharyngeal nerve: three case reports. Arch Dis Child 82: 311–315. 2. Garcia Callejo FJ, Marco Algarra J, Talamantes Escriba F, Martinez Beneyto MP, Esparcia Navarro M, Morant Ventura A (1999) Use of gabapentin in glossopharyngeal neuralgia. Acta Otorrinolaringol Esp 50: 175–177.
Glukozerebrosidase
Glutealnerven, Läsionen Nervus glutaeus superior, Läsion, glutaeus inferior, Läsion 3
Sirup-Form rasch aufdosiert werden kann (Carbamazepin-Sirup initial 400 mg, Steigerung nach Verträglichkeit bis 3×400 mg oder Carbamazepin retard 1–3×200 mg/die p. o. initial, Steigerung je nach Klinik und Nebenwirkungen). Als Mittel der 2. Wahl kommen Phenytoin (initial 3×100 mg/die p. o.) oder neuerdings auch Neurontin [2] (initial 300–600 mg/die in 3 Einzeldosen) in Betracht. Weitere zur Verfügung stehende Medikamente sind Pimozid, Clonazepam oder Baclofen. Bei pathologischem Gefäß-Nerven-Kontakt kommt in Analogie zur Trigeminusneuralgie auch die operative mikrovaskuläre Dekompression ( Jannetta-Operation) in Betracht [1].
3
508
Nervus
Glycerol Synonyme Glyzerin
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Glycerosteril 10% Inf.lösg.; Lipovenös® Emulsion.
Definition Glycerol-Propan-1,2,3-triol (HOCH2-CHOHCH2OH) ist chemisch der einfachste 3-wertige Alkohol, farb- und geruchlos, süß schmeckend, viskös, hygroskopisch. Es stellt einen natürlichen Bestandteil der Lipide dar; wird beim Fettabbau im Darm freigesetzt und zur Leber transportiert und geht, nach Umsetzung mit ATP zu Glycerin-3-phosphat (durch Glycerinkinase) oder nach Oxidation und Phosphorylierung zu Glycerinaldehyd-3-phosphat bzw. Glycerinsäure-2-phosphat, in den Kohlenhydratoder Fettstoffwechsel ein.
Anwendungsgebiete Synonyme β-Glukosidase, β-Glukozerebrosidase
Definition Die β-Glukozerebrosidase ist ein lysosomales Enzym, das funktionell am Abbau der Glukozerebroside beteiligt ist.
Grundlagen Das Enzym wird auf Chromosom 1q21–q23 kodiert und fehlt bei der autosomal-rezessiven Sphingolipidspeicherkrankheit Gaucher ( Gaucher-Erkrankung). Dies führt infolgedessen zur Anhäufung von Glukozerebrosiden in den lysosomalen Strukturen des retikuloendothelialen Systems. Eine Verminderung der Enzymaktivität kann in den Leukozyten oder Fibroblastenkulturen der Haut nachgewiesen werden.
Neben der Anwendung als Abführmittel wird es noch als Hautpflegemittel und in der Otologie verwendet. In der neurologischen Intensivmedizin wird Glycerol zur konservativen Hirndrucktherapie eingesetzt. Dabei kann es oral oder intravenös verwendet werden, wobei die orale Gabe effektiver den Hirndruck zu senken vermag. Glycerol hat eine kürzere Wirkdauer als das ebenfalls eingesetzte Mannitol. Hypervolämie, Hämolyse, Durchfälle und Elektrolytstörungen sind die Hauptnebenwirkungen. Eine initial verwendete Medikation besteht zum Beispiel aus der oralen Gabe von 4×50 ml Saft (10%) oral/die oder der Gabe von Glycerol 10% 4×250 ml i. v./die über eine Infusionsdauer von je 2 h. Glycerol sollte nicht abrupt abgesetzt (Rebound), sondern über mehrere Tage ausgeschlichen werden. Eingesetzt wird es hauptsächlich zur Hirnödemtherapie bei ischämischem Schlaganfall oder bei Hirntumoren mit fokalem Ödem, nicht ein-
3
Glykolyse, Defekte
gesetzt werden sollte es bei Ödem durch venöse Abflussstörungen (Sinusvenenthrombose).
Glykogenosen
509
sich auch eine vermehrte Glykogenspeicherung. Bekannte Defekte betreffen die Phosphoglyzeratkinase, Phosphoglyzeratmutase, Laktatdehydrogenase, Hexokinase und Phosphorylase-β-Kinase.
Diagnostik
Erbliche Multisystemkrankheiten des Glykogen- oder Glukosemetabolismus, die sich bevorzugt an Muskel, Herz und Leber manifestieren.
Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, Elektroneurographie, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Biochemische Untersuchung der Enzymaktivitäten. Ggf. genetische Untersuchung.
Einleitung
Therapie
Bei Defekten der Glukosefreisetzung aus Glykogen oder bei Glykogensynthesestörung mit Bildung abnormen Glykogens kommt es zur Glykogenspeicherung in verschiedenen Organen, insbesondere aber in Leber und Muskel. Je nach Art des metabolischen Defektes manifestiert sich die Erkrankung konnatal mit Muskelhypotonie und Hepatomegalie oder im Laufe der ersten Lebensjahre, seltener in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter. Da Glukose nicht oder unzureichend aus den Speichern mobilisiert werden kann, kommt es meist zu Beginn einer körperlichen Belastung zu Myalgien und zur Belastungsintoleranz. Es kann bei einem Missverhältnis an Belastung und Energiebereitstellung auch zur Rhabdomyolyse, ggf. mit Nierenschädigung kommen. Dementsprechend kann Pigmenturie nach Belastung bei einigen Patienten eruiert werden. Bei fortgesetzter Belastung mit niedriger Intensität springt die Energiegewinnung über Fettsäure-β-Oxidation an und die Beschwerden können nachlassen (second-wind-Phänomen). Es sind 7 verschiedene Glykogenosen bekannt, teils mit Unterformen. Die CK ist normal oder erhöht. Das EMG weist in der Regel myopathisch veränderte Muskelaktionspotentiale, teils auch pathologische Spontanaktivität nach. Der Laktat-IschämieTest zeigt einen fehlenden Laktatanstieg bei normalem Ammoniakanstieg nach Belastung unter Ischämie. Histologisch Glykogenspeicherung und biochemisch nachweisbarer spezifischer Enzymdefekt. Seltener sind metabolische Defekte der Glykolyse ( Glykolyse, Defekte), die zu Belastungsintoleranz zu Beginn der Belastung führen. Die klinischen und paraklinischen Befunde sind ähnlich den Glykogenosen, teilweise findet
Symptomatisch. Ggf. Lebertransplantation, ggf. Herztransplantation.
Prognose Unterschiedlich und auch innerhalb eines Genotyps unterschiedliche Penetranz möglich.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Theoretisch sollte eine kohlenhydratarme, fettund proteinreiche Diät vorteilhaft sein. Dies führt aber nicht in allen Fällen zu überzeugenden Effekten. Die meisten Patienten lernen, mit ihren Einschränkungen umzugehen.
Glykogenosen, Myopathien, Typ III (Amylo-1,6-Glukosidase-Mangel) 3
Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase-Mangel (Andersen-Erkrankung)
Glykogenosen, Myopathien, Typ IV (Amylo-1,4-1,6-TransGlukosidase-Mangel) 3
Definition
Amylo-1,4-1,6-Transglucosidase-Mangel (Andersen-Erkrankung)
Glykolyse, Defekte Definition Seltene Stoffwechselerkrankungen, die durch
G
3
Glykoprotein, myelinassoziiertes
Mangel an einem Enzym im Glukoseabbau charakterisiert sind.
Glykoprotein, myelinassoziiertes MAG, myelinassoziiertes Glykoprotein, Antikörper 3
Einleitung Da Erythrozyten ihre Energie vorwiegend aus der Glykolyse beziehen, führen Enzymdefekte der Glykolyse in der Regel zu einer hämolytischen Anämie. Je nachdem, wie eventuell vorhandene Isoenzyme in verschiedenen Organen verteilt sind, kann die Hämolyse aber auch im Hintergrund stehen und eine Myopathie im Vordergrund, wie etwa beim Muskelphosphofruktokinase-Mangel ( PhosphofruktokinaseMangel, Glykogenose Typ VII). Wenn muskuläre Symptome im Vordergrund stehen, decken sich die Symptome überwiegend mit denen bei der Glykogenose Typ V ( Muskelphosphorylase-Mangel, Glykogenose Typ V). Es kommt zur Belastungsintoleranz mit Myalgien, Muskelsteifigkeit, Neigung zu Krampi und evtl. zur Rhabdomyolyse mit Pigmenturie. Enzymdefekte mit muskulärer Symptomatik wurden neben der Muskelphosphofruktokinase (autosomal-rezessiv; 1cenq32) für Mangel an Phosphoglyzeratkinase (X-chromosomal-rezessiv; Xq13), Muskelphosphoglyzeratmutase (autosomal-rezessiv; 7p12-p13), Laktatdehydrogenase (autosomal-rezessiv; 11p15.4) beobachtet. 3
3
Diagnostik Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, Laktat-Ischämie-Test, Elektromyographie und Muskelbiopsie. Untersuchung der relevanten glykolytischen Enzyme im Muskel. Testung der osmotischen Resistenz der Erythrozyten. Ggf. Untersuchung glykolytischer Enzyme in Erythrozyten.
Therapie Vermeiden abrupter bzw. vermehrter körperlicher Belastung. Bei symptomatischer hämolytischer Anämie kommt eine Splenektomie in Betracht.
Nachsorge Anbindung an Muskelzentrum sinnvoll.
Prognose Gut, wenn Rhabdomyolysen vermieden werden können.
3
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Glyzerol-Test Definition Der Glyzerol-Test ist ein diagnostisches Verfahren zum Nachweis eines M. Menière.
Grundlagen Obwohl beim M. Menière die genaue Ursache unbekannt ist, wird einer Volumenzunahme der Endolymphe (endolymphatischer Hydrops) pathophysiologische Bedeutung zugesprochen. Durch Infusion der osmotisch dehydrierenden Substanz Glyzerol wird beim M. Menière typischerweise eine Besserung der Hörschwelle und Verminderung des Summenaktionspotentials bei der Elektrocochleographie erzielt. Dieses Verfahren macht man sich so differenzialdiagnostisch zunutze.
Glyzin Synonyme Aminoessigsäure
Pharmakologische Daten Glyzin ist die einfachste Aminosäure. Die Reinsubstanz ist ein weißes, geruchloses kristallines Pulver. Neben seiner Rolle als Bestandteil von Peptiden und Proteinen wirkt Glyzin als ein wichtiger inhibitorischer Transmitter im zentralen Nervensystem, insbesondere im Rückenmark. Im unreifen Gehirn können glyzinerge Synapsen auch exzitatorisch wirken. Z. T. wird Glyzin zusammen mit GABA freigesetzt. Es gibt neben verschiedenen Unterformen des pentameren Strychnin-sensitiven Glyzinrezeptors, der einen Chlorid-Ionenkanal bildet, auch eine Glyzinbindungsstelle auf dem NMethyl-D-Aspartat-Typ-Glutamatrezeptor. Glyzintransporter (GLYT1 und 2) sind auf Gliazellen und präsynaptisch lokalisiert und spielen für die Transmitterinaktivierung eine entscheidende Rolle. Mutationen des Glyzinrezeptors füh-
Gorlin-Goltz-Syndrom
ren bei Tieren zu Syndromen mit Hyperekplexie und Myoklonus. Beim Menschen spielt der Glyzinrezeptor bei Startle-Syndromen eine Rolle. Verschiedene Arten von Leukozyten einschließlich Lymphozyten, Neutrophilen und Granulozyten exprimieren an ihrer Oberfläche Glyzinrezeptoren mit Chlorid-Ionenkanal, die den Strychnin-sensitiven Glyzinrezeptoren des ZNS ähneln. Glyzin hat immunmodulatorische Eigenschaften und soll bei Sepsis, Arthritis und anderen entzündlichen Krankheiten nützliche Eigenschaften besitzen.
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Pseudohypertrophie der Waden bei von der Duchenne-Muskeldystrophie betroffenen Jungen verwendet.
Diagnostik Der voluminöse Aspekt der Muskulatur steht im Kontrast zur reduzierten Kraftentfaltung. Der Tonus des Gewebes ist tastbar herabgesetzt. Mit bildgebenden Verfahren (Ultraschall, MRT) ist der Fett- und Bindegewebsumbau der Muskulatur faßbar. Das EMG zeigt je nach Ursache einen myopathischen oder neurogenen Umbau der motorischen Einheiten.
G
Anwendungsgebiete Glyzin wird als Nahrungsergänzungsstoff eingesetzt und ist Bestandteil von Aminosäurelösungen zur parenteralen Ernährung. Einsatz bei anderen Erkrankungen ist nicht ausreichend durch Studien fundiert.
Gonyalgia paraesthetica Definition
Glyzin kann die Elektrolytbalance beeinflussen und so einen ungünstigen Einfluss auf kardiale und pulmonale Krankheiten ausüben.
Kompression des R. infrapatellaris des N. femoralis im Sinne eines anatomischen Engpasssyndroms im Ansatzbereich des M. sartorius oder durch Bursitis des Pes anserinus oder durch Einbeziehung des Nervens in Narbengewebe.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Therapie
Bei Lebererkrankungen und Anurie ist Vorsicht geboten.
Versuch einer Infiltrationsserie mit Carbostesin bei überwiegend schmerzhaften Nervenläsionen. Bei Therapieresistenz kommt eine Verlagerung des N. infrapatellaris ins subkutane Fettgewebe oder eine Neurektomie in Frage.
Unerwünschte Wirkungen
Bewertung Glyzinrezeptoren könnten Bedeutung in der Immuntherapie erlangen.
Gnomenwaden
Gorlin-Goltz-Syndrom Synonyme
Synonyme Wadenpseudohypertrophie
Gorlin-Syndrom, naevoides BasalzellkarzinomSyndrom, Basalzell-Naevus-Syndrom
Definition
Definition
Voluminöser Ersatz untergegangener Wadenmuskeln durch Fett- und Bindegewebe.
Das Gorlin-Goltz-Syndrom ist eine Phakomatose, die autosomal-dominant vererbt mit Entwicklungsstörungen verschiedener Organe verbunden ist und zu einer Reihe von malignen sowie benignen Neoplasien disponiert [1].
Einleitung Muskelpseudohypertrophie durch Vakatfett und - bindegewebe ist ein unspezifisches Phänomen, das bei Myopathien und auch bei neuraler Muskelatrophie auftreten kann. Betroffen sind häufig Wadenmuskeln, glutäale Muskeln, Deltoidei, Kaumuskeln oder Zunge. Der Begriff „Gnomenwaden“ wird insbesondere für die
Einleitung Neben Basalzellkarzinomen der Haut, Kieferzysten, Skelettdeformitäten und anderen extrazerebralen Manifestationen treten im Rahmen des Gorlin-Goltz- Syndroms intrakranielle Kal-
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Gradenigo-Syndrom
zifikationen, Makrozephalie und in 5% der Fälle Medulloblastome auf [1, 2]. Ursächlich ist eine Keimzellmutation im sog. PTCH-Gen auf Chromosom 9q22.3 [1]. Somatische Mutationen in diesem Gen finden sich auch bei einem Teil sporadischer desmoplastischer Medulloblastome [3].
Differenzialdiagnose Raeder-Syndrom, beginnendes vorderes oder hinteres Sinus-cavernosus-Syndrom, Raumforderungen der hinteren Schädelgrube oder Nasopharynxtumoren, Trigeminusneuralgie.
3
Prophylaxe
Diagnostik
Bei Otitiden frühzeitige antibiotische Therapie, sonst entsprechend der Grunderkrankungen keine wesentliche Prophylaxe möglich.
Diagnostisch wegweisend ist das klinische Bild und die Familienanamnese.
Therapie
Literatur 1. Reifenberger G, Wiestler OD, Chenevix-Trench C (2000). Naevoid basal cell carcinoma syndrome. In: Kleihues P, Cavenee WK. Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 240–241. 2. Schlegel U, Westphal M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 3. Pietsch T, Waha A, Koch A et al. (1997) Medulloblastomas of the desmoplastic variant carry mutations of the human homologue of Drosophila patched. Cancer Res 57:2085–2088.
Gradenigo-Syndrom Synonyme Syndrom der Felsenbeinspitze, Syndrom der Pyramidenspitze
Definition Prozess der Pyramidenspitze mit Schädigung der Nn. VI und V1 (evtl. auch des V2, V3, VII, VIII), begleitet von Schmerzen ähnlich einer Trigeminusneuralgie.
Einleitung Ätiologisch lag den Prozessen der Pyramidenspitze früher meist eine Otitis media zugrunde, heute vorwiegend Tumoren wie Cholesteatome, Chordome, Trigeminusneurinome, Meningeome, Metastasen, Sarkome, Chondrome, eine Meningeosis carcinomatosa, seltener Frakturen oder Hämatome.
Graefe-Zeichen Definition Lidretraktion bzw. Zurückbleiben des Oberlids bei Blicksenkung als Zeichen einer endokrinen Orbitopathie.
Einleitung Das Graefe-Zeichen gehört zu den Kardinalsymptomen der endokrinen Orbitopathie. Ähnlich wie das Dalrymple-Zeichen (sichtbarer weißer Sklerastreifen) ist es durch den Exophthalmus bedingt und vermittelt den Eindruck weit aufgerissener Augen. Andere Zeichen der endokrinen Ophthalmoplegie sind seltener Lidschlag (Stellwag-Zeichen), Lidödem (Chemosis) und Ophthalmoplegie. 3
Die klinischen Manifestationen werden, wenn möglich entsprechend behandelt. Eine Bestrahlung führt zum vermehrten Auftreten von Basalzellkarzinomen der Haut [1].
gesichert * Otitis media: Antibiotische Therapie unter HNO-ärztlicher Kontrolle. * Tumoren: Entsprechend der zugrunde liegenden Tumorerkrankung Operation, Radiatio und/oder Chemotherapie. * Symptomatische Therapie: Medikamentöse Schmerztherapie, Trigeminusneuralgie. * Therapie der Doppelbilder ggf. durch Prismengläser 3
Therapie
Grand-Mal-Epilepsie Synonyme Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
Definition Epilepsiesyndrome mit ausschließlich oder
Grand-Mal-Epilepsie, Aufwach-Grand-Mal
3
3 3
3
3
Therapie Grand-Mal-Epilepsie, Aufwach-Grand-Mal; Grand-Mal-Epilepsie, diffuse, Grand-MalEpilepsie, Schlaf-Grand-Mal 3
3
3
Literatur 1. Janz D (1969). Die Epilepsien. Spezielle Pathologie und Therapie. Stuttgart, Thieme. 2. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389-–399.
Einleitung Idiopathische generalisierte Epilepsie (nach der Klassifikation der International League against Epilepsy [1]). Da es bei dieser Gruppe von Epilepsien Überschneidungen zwischen den einzelnen Entitäten gibt, können neben den generalisierten tonisch-klonischen Anfällen auch seltene Absencen und/oder myoklonische Anfälle auftreten. 3
3
Grand-Mal-Epilepsie, Aufwach-Grand-Mal; Grand-Mal-Epilepsie, diffuse, Grand-MalEpilepsie, Schlaf-Grand-Mal
3
3
Diagnostik
freien Intervallen. Anfallsprovokation durch Schlafmangel, vorzeitiges Gewecktwerden, Alkoholgenuss und unregelmäßige Medikamenteneinnahme. Im interiktualen EEG meist normale Grundaktivität, generalisierte Spikes oder Spike-WaveKomplexe, häufig provozierbar durch Hyperventilation. Photosensibilität in ca. 20% der Fälle. Iktuales EEG: Anfall, generalisiert tonisch-klonischer. Die neurologisch und intellektuell zumeist unauffälligen Patienten werden psychopathologisch häufig als unstet, oberflächlich, extrovertiert und mit mangelnder Krankheitseinsicht beschrieben. Neuropathologisch finden sich bei einem Teil der Patienten regional unterschiedlich verteilte Mikrodysgenesien, die als Ausdruck einer genetisch determinierten oder früh erworbenen Hirnreifungsstörung interpretiert wurden. 3
überwiegend generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Nach Janz [1] werden entsprechend der Beziehung der Anfälle zum SchlafWach-Rhythmus Aufwach-, Schlaf- und diffuse Grand-Mal-Epilepsien unterschieden, wobei die ersteren häufiger eine hereditäre (d. h. idiopathische), die beiden letzteren häufiger eine symptomatische Genese implizieren. In der internationalen Nomenklatur wurde die Bezeichnung „Grand-Mal-Epilepsie“ durch „Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen“ ersetzt [2].
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Differenzialdiagnose Juvenile Absencenepilepsie und juvenile myoklonische Epilepsie mit zusätzlichen tonisch-klonischen Anfällen, fokale Epilepsien mit sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ohne eindeutige Aura. 3
Therapie gesichert Medikament der 1. Wahl ist Valproinsäure. Bei Unverträglichkeit oder ungenügender Wirksamkeit Primidon oder Phenobarbital. Bei Therapieresistenz ggf. auch Phenytoin oder Bromid. 3
empirisch Auch für Lamotrigin [2] und Topiramat [3] ist mittlerweile die Effektivität bei AufwachGrand-Mal-Epilepsie belegt. 3
3
unwirksam/obsolet Unwirksam ist Ethosuximid. 3
Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ohne Aura in der Aufwachphase, d. h. in den ersten 1–2 h nach dem (morgendlichen) Erwachen. Gelegentlich zweiter Häufigkeitsgipfel der Anfallstätigkeit am späten Nachmittag oder frühen Abend („FeierabendGrand-Mal“). Erstmanifestation im 6.–22. Lebensjahr, Gipfel um die Pubertät. Auftreten der Anfälle häufig in sehr unregelmäßiger Folge mit z. T. wochen- bis monatelangen anfalls-
3
Definition
3
Idiopathische generalisierte Epilepsie mit Aufwach-Grand-Mal, idiopathische generalisierte Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen in der Aufwachphase
3
Synonyme
3
Grand-Mal-Epilepsie, AufwachGrand-Mal
G
3
Grand-Mal-Epilepsie, diffuse
Therapie
Behandlungsprognose sehr gut, Anfallsfreiheit bei etwa 70–95%, vor allem bei Einhaltung einer geregelten Lebensführung. Sehr geringe Chance auf Ausheilung, während oder nach Absetzversuchen der Medikation Rezidivrate ≥80%.
Epilepsie, fokale
Prognose 3
Prognose
3
514
Epilepsie, fokale
Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399. 2. Steiner TJ, Dellaportas CI, Findley LJ, Gross M, Gibberd FB, Perkin GD, Park DM, Abbott R (1999). Lamotrigine monotherapy in newly diagnosed untreated epilepsy: a double-blind comparison with phenytoin. Epilepsia 40:601–607. 3. Biton V, Montouris GD, Ritter F, Riviello JJ, Reife R, Lim P, Pledger G (1999). A randomized, placebo-controlled study of topiramate in primary generalized tonic-clonic seizures. Topiramate YTC Study Group. Neurology 52:1330–1337.
1. Janz D (1969). Die Epilepsien. Spezielle Pathologie und Therapie. Stuttgart, Thieme.
Grand-Mal-Epilepsie, SchlafGrand-Mal Synonyme Epilepsie mit schlafgebundenen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (Grand-Mal)
Definition Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen aus dem (Nacht-)Schlaf. Nach Janz [1] in 23% bedingt durch fokale zerebrale Läsionen im Sinne einer symptomatischen fokalen Epilepsie. 3
Literatur
Literatur
3
Essentiell sind Einhaltung eines konstanten Schlaf-Wach-Rhythmus (auch am Wochenende!), Vermeidung von Schlafentzug sowie Verzicht auf Kaffee, Tee und übermäßigen Alkoholgenuss vor dem Schlafengehen.
Therapie 3
Synonyme
Prognose 3
Grand-Mal-Epilepsie, diffuse
Epilepsie, fokale
Epilepsie, fokale
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Epilepsie mit tageszeitlich diffusen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (GrandMal)
Literatur
Definition
1. Janz D (1969). Die Epilepsien. Spezielle Pathologie und Therapie. Stuttgart, Thieme.
3
Granulomatose Synonyme Allergische Granulomatose ( Churg-StraussSyndrom), Wegener-Granulomatose, Lymphomatoide Granulomatose 3
3
3
Differenzialdiagnose Bei ungenauer Anamneseerhebung Verwechslungsmöglichkeit mit einer Grand-Mal-Epilepsie, Aufwach-Grand-Mal.
3
3
Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ohne tageszeitliche Bindung (im Gegensatz zur Aufwach- oder SchlafGrand-Mal-Epilepsie). Nach Janz [1] in 53% bedingt durch fokale zerebrale Läsionen im Sinne einer symptomatischen fokalen Epilepsie.
Epilepsie, fokale
Definition Als
Granulomatose
werden
verschiedene
3
Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS)
Krankheitsentitäten beschrieben, bei denen als pathologisches Hauptcharakteristikum ein mehrere Millimeter großes Knötchen (=Granulom) auftritt. Ein Granulom besteht aus einer fokalen Ansammlung von Entzündungszellen des Makrophagensystems (Makrophagen, Epitheloidzellen und mehrkernige Riesenzellen).
Granulomatose, allergische (Churg-Strauss-Syndrom)
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Therapie Das Therapieregime richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. In der Literatur sind sehr variable Verläufe von spontaner Remission, Ausheilung unter Kortikoiden und Cyclophosphamid, bis hin zum Therapieversagen von aggressiver Chemotherapie beschrieben [1]. In Einzelfallbeschreibungen werden Erfolge durch Bestrahlung des Neurokraniums berichtet [2]. gesichert Kontrollierte Studien liegen nicht vor.
Churg-Strauss-Syndrom
3
Literatur
Granulomatose, lymphomatoide Synonyme Maligne intravaskuläre Lymphogranulomatose, neoplastische Angioendotheliose
1. Cadranel J, et al. Primary pulmonary lymphoma. Eur Respir J. 2002; 20:750–762. 2. Petrella TM, et al. Radiotherapy to control CNS lymphomatoid granulomatosis: a case report and review of the literature. Am J Hematol 1999; 62:239–241.
3
Definition
Granulomatose, WegenerGranulomatose 3
Die lymphomatoide Granulomatose ist eine seltene Erkrankung mit hoher Mortalität. In unterschiedlichem Ausmaß manifestiert sich die Erkrankung primär in der Lunge, jedoch auch in der Haut, den Nieren und dem ZNS.
Wegener-Granulomatose
Einleitung
Definition Hirninfarkt, hämodynamisch bedingter.
Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS) Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP), akute Polyradikuloneuritis 3
3
Nicht selten weisen Patienten mit dieser Erkankung einen Defekt der T-Zell-Funktion oder reduzierte CD8-T-Zellen auf. Ebenso häufig ist eine Assoziation mit Immunerkrankungen (AIDS, Wiskott-Aldrich-Syndrom, Immundefizienz nach Transplantation) beschrieben. In der zerebralen Kernspintomographie imponieren variable Befunde, u. a. diffuse hyperintense T2-Läsionen des Marklagers, Hirnstamms oder Kleinhirns. Charakteristisch, aber selten nachweisbar sind punktförmige oder lineare Kontrastmittel aufnehmende Herde entlang des Perivaskularraumes.
Schreibkrampf
Grenzzoneninfarkt 3
Diagnostik
Graphospasmus 3
Ätiologisch bedeutsam scheint eine EbsteinBarr-Virus bedingte B-Zell-Proliferation mit nachfolgender überschießender T-Zell-Reaktion zu sein. Eine neurologische Manifestation ist in gut einem Drittel aller Patienten zu beobachten und spricht für eine schlechte Prognose.
G
Guyon-Loge
Guyon-Loge Synonyme Loge-de-Guyon-Syndrom, Guyon-Kanal
Definition Im Bereich der Guyon-Loge unter dem Ligamentum carpi ulnare kommt es häufig zu einer Kompression des distalen N. ulnaris. Es können 3 Formen des Guyon-Logen-Syndroms unterschieden werden, je nachdem ob nur der R. superficialis (sensibel), der R. profundus (motorisch) oder, wie am häufigsten, beide Äste betroffen sind [1].
von Interossei und Lumbricales, sodass die typische Krallenhand fehlt und isolierte Atrophien im Spatium interosseum I vorliegen. Bei Schädigung des R. superficialis sind die sensiblen Defizite am Hypothenar rein palmar, nur an den Fingern IV und V auch dorsal lokalisiert [1]. Als Ursachen kommen anhaltende bzw. repetitive äußere Druckeinwirkungen wie z. B. durch Werkzeuge (Hobel, Scheren), Gehstöcke, Fahrradfahren ( Radfahrerlähmung) oder regelmäßige Benutzung eines „Joy-sticks“ in Frage, aber auch Traumata, Ganglien, Tumoren oder eine Arthropathie. Die Behandlung ist abhängig von der Ätiologie. Äußere Druckeinwirkung sollte vermieden werden. Bei progredienten Defiziten sollte eine mikrochirurgische Revision des Guyon-Kanals durchgeführt werden. 3
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Grundlagen Klinisch findet sich bei einer Läsion des R. profundus die für Ulnarisläsionen typische Krallenhand. Proximale Ulnarismuskeln (M. flexor carpi ulnaris, M. flexor digitorum profundus IV/V) sind nicht mitbetroffen. Cave: Bei sehr weit distalem Schädigungsort des R. profundus bleibt die Muskulatur des Hypothenars verschont, evtl. sogar die ulnaren Anteile
Literatur 1. Kimura J (1989) Electrodiagnosis in diseases of nerve and muscle: principles and practice. F. A. Davis Company, Philadelphia.
H
Hallervorden-Spatz-Syndrom
Haloperidol Zubereitungen
Definition Autosomal-rezessiv vererbte, neurometabolisch-lysosomale Erkrankung, die pathoanatomisch durch eine neuroaxonale Dystrophie und Pigmentansammlungen charakterisiert ist.
Haloperidol als Injektionslösung 5 mg in Aqua q. s. ad solut. pro 1 ml. Tabletten zu 1 mg, 2 mg, 5 mg und 10 mg. Tropfen zu 2 mg/ml bis zu 10 mg/ml.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Einleitung
Haldol®-Janssen und viele Generika.
Das Hallervorden-Spatz-Syndrom gehört zu den lysosomalen Stoffwechselerkrankungen, die meist im Säuglings- oder Kleinkindalter beginnend klinisch zu einem extrapyramidalmotorischen Syndrom mit ausgeprägter Rigidität, fortschreitender Dystonie, Choreoathetose und progredienter Demenz führt. Fakultativ Retinopathia pigmentosa und Hyperpigmentierungen der Haut. Pathoanatomisch liegt eine neuroaxonale Dystrophie und Eisenpigmentansammlungen v. a. im Globus pallidum und in der Substantia nigra vor. Zerebrale Speicherung von Zeroidlipofuszinen sowie „sea blue histiocytes“ sind beschrieben. Die Genlokalisation erfolgte auf Chromosom 20p12.3–p13.
Wirkungen
3
3
3
Diagnostik Klinik. Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT): Hypodensitäten im Globus pallidum mit anteromedialer Hyperintensität (sog. Tigeraugenzeichen).
Therapie Keine kausale Therapie bekannt.
Prognose Unterschiedlich, Krankheitsverläufe bis zu 30 Jahren sind beschrieben.
Haldoperidol ist ein Neuroleptikum aus der Substanzgruppe der Butyrophenone. Wegen seiner starken zentralen antidopaminergen Wirkung wird es den hochpotenten Neuroleptika zugeordnet. Haldoperidol besitzt geringe antihistaminerge oder anticholinerge Eigenschaften. Es entfaltet eine ausgeprägte Wirkung gegen Wahnvorstellungen und Halluzinationen, wahrscheinlich aufgrund einer Dopaminrezeptorblockade im Mesocortex und limbischen System. Zudem wirkt es in den Basalganglien (nigrostriatales System), was wahrscheinlich die Ursache für extrapyramidal-motorische Störungen (Dystonien, Akathisie und Parkinsonismus) darstellt. Haloperidol führt zu einer starken psychomotorischen Dämpfung. Dadurch werden Manien und Erregungszustände günstig beeinflusst. Die peripheren antidopaminergen Effekte von Haloperidol erklären die Wirksamkeit bei Übelkeit und Erbrechen (via Chemorezeptor-Triggerzone), sowie die Relaxation der gastrointestinalen Sphinkter und die erhöhte Prolaktinausschüttung (Hemmung des Prolaktin-InhibitingFaktors in derAdenohypophyse).
Pharmakologische Daten Maximale Plasmaspiegel werden nach oraler Gabe innerhalb von 3–6 Stunden und nach intramuskulärer Applikation nach durchschnittlich
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Haloperidol
20 Minuten gemessen. Die Bioverfügbarkeit von Tabletten und Tropfen beträgt 60–70%. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 92% und das Verteilungsvolumen im Steady State (VD SS) beträgt 7,9±2,5 l/kg. Für eine therapeutische Wirkung sind Plasmakonzentrationen von 4 μg/l bis maximal 20– 25 μg/l erforderlich. Die Plasmaspiegel und die meisten pharmakokinetischen Parameter von Haloperidol unterliegen einer starken interindividuellen, aber nur einer kleinen intraindividuellen Variabilität. Oxidative N-Desalkylierung und Glucuronidierung stellen die Hauptbiotransformationsreaktionen von Haloperidol dar. Weitere Reaktionen sind reversible Oxidation/Reduktion sowie Hydroxylierung. Haloperidol wird hauptsächlich durch das CYP 3A4 metabolisiert. Die terminale Eliminationshalbwertszeit beträgt nach oraler Gabe im Mittel 24 Stunden (Bereich: 12–38 Stunden) und nach intramuskulärer Verabreichung im Mittel 21 Stunden (Bereich: 13–36 Stunden). Nach einmaliger oraler Gabe von 1 mg wurden innerhalb von 12 Tagen 32% der verabreichten Dosis im Urin und 32% mit den Faeces ausgeschieden. Im Urin erscheint Haloperidol hauptsächlich in Form von Metaboliten (unveränderter Wirkstoff <3%).
Neuro- und Polyneuropathien, Phantomschmerzen, traumatische Schmerzen, Rheuma- und Karzinomschmerzen.
Dosierung/Anwendung *
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Anwendungsgebiete Haloperidol wird vielen Bereichen angewendet: * Psychotische Symptome, akute und chronische Schizophrenie; paranoid-halluzinatorische Syndrome; Manien und maniforme Zustände. * Psychomotorische Erregungszustände. * Zerebralsklerotisch bedingte Unruhe. * Erethische Oligophrenie. * Erregungszustände beim Alkoholentzugssyndrom. * Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, falls andere Therapieverfahren inklusive Medikamente ungenügend wirksam sind. * Übelkeit und Erbrechen verschiedener Ursache, wie z. B. postoperatives oder zytostatikabedingtes Erbrechen, opiatinduzierte Übelkeit, falls die klassischen Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen ungenügend wirksam sind * Als Begleitmedikation zu Analgetika bei schweren chronischen Schmerzzuständen verschiedener Genese, z. B. Neuralgien,
Akute schizophrene Schübe und Manien: 1 Ampulle (5 mg) i. m. oder i. v. Falls nötig, kann diese Dosis alle 30 Minuten wiederholt werden, bis der Akutzustand beherrscht wird. Sobald als möglich sollte man auf die perorale Medikation übergehen. Chronische Psychosen bei Erwachsenen: 3×täglich 1–3 mg peroral. Falls erforderlich, kann die Dosis auf 3×täglich 10–20 mg erhöht werden. Alte Patienten kommen meist bereits mit kleinen oralen Dosen von 1– 1,5 mg/Tag aus, aufgeteilt in mehrere Einzelgaben. Alkoholentzugssyndrom: Erhaltungsdosis bei chronischem Alkoholabusus 2–3×täglich 2 mg p.o. Tourette-Störung: Niedrige, einschleichende Dosen bis zu ca. 1–1,5 mg/Tag p. o. Erbrechen: Per os 2×täglich 1–1,5 mg. Parenteral ½–1 Ampulle (2,5–5 mg) i. m. oder langsam i. v. Chronische Schmerzzustände: 2–3×täglich 0,5–1 mg p. o. Ältere Patienten: Die Behandlung wird mit der halben Erwachsenendosis (0,5 mg) begonnen und je nach Wirkung weiter angepasst.
Unerwünschte Wirkungen *
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Extrapyramidale Symptome: Häufig (ca. 25%) können extrapyramidale Symptome, wie Tremor, Rigidität, Hypersalivation, Bradykinesie, Akathisie, akute Dystonie (Frühdyskinesien), okulogyre Krisen und laryngeale Dystonien vorkommen. Tardive Dyskinesien: Häufig können während einer Langzeittherapie oder nach Absetzen tardive Dyskinesien auftreten. Das Risiko tardive Dyskinesien zu entwickeln, steigt wahrscheinlich mit zunehmendem Alter, Dosis und Anwendungsdauer, speziell bei Frauen. Antiparkinsonmittel lindern die Symptome der tardiven Dyskinesie nicht und tendieren zu einer Exazerbation. Die Symptome können persistieren und sind bei einigen Patienten irreversibel. Eine Wiederaufnahme der Behand-
Haloperidol
*
*
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lung, eine Dosiserhöhung oder ein Wechsel zu einem anderen Antipsychotikum können das Syndrom maskieren. Die Behandlung sollte sobald als möglich abgebrochen werden. Auch tardive Dystonien können vorkommen. Malignes neuroleptisches Syndrom: Das maligne neuroleptische Syndrom ist charakterisiert durch Hyperthermie, generalisierte Muskelsteifheit, autonome Instabilität, erhöhte CPK-Spiegel, getrübtes Bewusstsein. Anzeichen einer autonomen Dysfunktion wie Tachykardie, schwankender Arteriendruck und Schwitzen können einer Hyperthermie vorausgehen und als frühe Warnsignale dienen. Bei Auftreten des malignen neuroleptischen Syndroms sollte eine antipsychotische Therapie sofort beendet, und geeignete symptomatische Maßnahmen mit sorgfältiger Überwachung eingeleitet werden. Andere ZNS-Wirkungen: Gelegentlich Depression, Sedation, Agitation, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Schwindel, Ruhelosigkeit, Angstzustände, Euphorie, Lethargie, Grand-Mal-Anfälle und Verschlimmerung psychotischer Symptome einschließlich Halluzinationen. Gastrointestinale Symptome: Gelegentlich treten Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Dyspepsie und Gewichtsveränderungen auf. Endokrine Wirkungen: Als hormonale Wirkung von Haloperidol und anderen Neuroleptika kann es zu einer Hyperprolaktinämie kommen, welche Gynäkomastie, Galaktorrhöe und Oligo- oder Amenorrhöe verursachen kann. In sehr seltenen Fällen wurde von Hypoglykämie und vom Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion berichtet (SIADH). Kardiovaskuläre Wirkungen: Tachykardie und Hypotonie wurden gelegentlich gemeldet. Selten wurde über QTVerlängerungen und/oder ventrikuläre Arrhythmien (Torsades de pointes) berichtet, hauptsächlich während der Anwendung von parenteralem Haloperidol. Diese können bei höheren Dosen und bei prädisponierten Patienten häufiger auftreten. Hohe Dosen sollten sich deshalb auf die schwach reagierenden Patienten beschränken.
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Selten auftretende unerwünschte Wirkungen: Vorübergehende Reduktion der Leukozyten, Agranulozytose, Thrombozytopenie, Hepatitis (meist cholestatisch), Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautausschläge, Urtikaria und Anaphylaxie, Photosensibilität, Obstipation, verschwommenes Sehen, Mundtrockenheit, Harnretention, Priapismus, Erektionsstörungen, periphere Ödeme, starkes Schwitzen, Speichelfluss, Sodbrennen, Thermoregulationsstörungen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Komatöser Zustand, Parkinson-Syndrome, schwere toxische Depression des zentralnervösen Systems durch Alkohol oder zentraldämpfende Medikamente, Läsion der Basalganglien und bekannte Überempfindlichkeit, bestehendes QT-Syndrom, Hypokaliämie, Medikamente mit bekannter QT-Verlängerung. Thyroxin kann die pharmakologischen Wirkungen von Haloperidol verstärken. Deshalb sollte Haloperidol nur mit großer Vorsicht bei Patienten mit Hyperthyreoidismus angewendet werden. Speziell unter höheren Dosierungen und zu Beginn der Therapie kann es zu einer Sedierung oder Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens kommen, dies kann durch Alkohol verstärkt werden. Studien an schwangeren Frauen haben keinen signifikanten Anstieg von fötalen Anomalien aufgezeigt. Haloperidol soll aus grundsätzlichen Überlegungen während der Schwangerschaft nur verabreicht werden, wenn der potentielle Nutzen das fötale Risiko übersteigt. Haloperidol geht in die Muttermilch über. Bei Kindern, die von mit Haloperidol behandelten Frauen gestillt wurden, sind extrapyramidale Symptome beobachtet worden.
Wechselwirkungen Die Wirkung von Alkohol, Hypnotika, Sedativa oder starken Analgetika (insbesondere Opiaten) kann verstärkt werden (Sedierung, Atemdepression). Die Wirkung von Antiparkinsonika, insbesondere L-Dopa, wird über Tage bis Wochen (abhängig von der Dauer der Exposition mit Haloperidol) antagonisiert. Haloperidol kann die Metabolisierung von tri-
H
Halothan-Koffein-Kontrakturtest
Halothan-Koffein-Kontrakturtest Grundlagen Der Halothan-Koffein-Kontrakturtest (HKT) ist ein pharmakologischer in-vitro-Test, der an frisch gewonnenen menschlichen Muskelbiopsien durchgeführt wird, um die Veranlagung zu einer malignen Hyperthermie zu sichern. Auch mit den heute verfügbaren molekulargenetischen Untersuchungen lassen sich nur in etwa 40–70% der Patienten mit durchgemachter maligner Hyperthermie und positivem HKT Mutationen im Ryanodinrezeptorgen nachweisen. Die Schwierigkeiten liegen in der Größe des Gens und der Zahl möglicher Mutationen (derzeit 26 bekannte) begründet. Somit stellt der HKT derzeit den Gold-Standard in der Diagnostik der malignen Hyperthermie dar. Für den Test wird eine frisch entnommene 20– 30 mm lange Muskelgewebsprobe mit einem Durchmesser von 8 mm in 8–10 Bündel mit 2–3 mm Durchmesser disseziert und binnen 3 h in 3–4 unabhängigen Apparaten in einer Badlösung aus einer speziellen KalziumKrebs-Ringer-Lösung bei 37°C verschiedenen
Konzentrationen von Halothan bzw. Koffein exponiert. Dabei wird die evtl. auftretende Kontraktur der Muskelbündel mit einem Kraftaufnehmer erfasst. Das Problem des Tests liegt in der Sensitivität und Spezifität der Ergebnisse in Abhängigkeit der eingesetzten Konzentrationen. Z. B. zeigen Muskeln von Maligne-Hyperthermie-suszeptiblen (MHS) Individuen bei 3% Halothan in 80% eine signifikante Kontraktur, während 20% der nicht maligne-Hyperthermiesuszeptiblen (MHN) ebenfalls eine Kontraktur zeigen. 100% MHS Muskeln zeigen eine Kontraktur bei einem der Tests und 25% MHN. Testet man in aufsteigender Konzentration mit verschiedenen Konzentrationen Koffein und Halothan, so bleibt das Ergebnis in etwa 15% der MHS Individuen unsicher. Es wurde aus diesem Grund vorgeschlagen, Ryanodin in die Testung einzubeziehen, um Sensitivität und Spezifität weiter zu verbessern. Aufgrund der diagnostischen Unsicherheit einerseits und der für den HKT nötigen Muskelbiopsie andererseits werden immer wieder Anstrengungen unternommen, um die Diagnose auf andere Weise zu sichern. Dazu gehören die Kalziumfreisetzung aus Lymphozyten und die direkte Injektion von Koffein in den Muskel mit der Messung elektrophysiologischer oder biochemischer Parameter. Bislang ist aber noch kein Test gefunden worden, der den HKT als Gold-Standard ablösen könnte.
Halskrawatte Grundlagen Eine individuell angepasste Halskrawatte ist sinnvoll in der konservativen Therapie zervikaler radikulärer Syndrome ( Bandscheibenvorfall) oder der zervikalen Myelopathie (in Kombination mit krankengymnastischen Übungen, physikalischer und/oder medikamentöser analgetischer und relaxierender Therapie). Einsatz zeitlich limitieren! 3
zyklischen Antidepressiva hemmen, wodurch deren Plasmaspiegel ansteigen. In Pharmakokinetik-Studien wurden bei der gleichzeitigen Anwendung von Haloperidol und einer der folgenden Substanzen erhöhte Plasmaspiegel beobachtet: Chinidin, Buspiron, Fluoxetin. Haloperidol ist ein Substrat von CYP 3A4. Wenn eine längerdauernde Behandlung mit enzyminduzierenden Substanzen wie Carbamazepin, Phenobarbital, Rifampicin (auch Induktoren von CYP 3A4) mit einer Haloperidol-Therapie kombiniert wird, werden die Plasmaspiegel von Haloperidol gesenkt. In seltenen Fällen wurde während einer Kombinationstherapie mit Lithium über die folgenden Symptome berichtet: Enzephalopathie, neuroleptisches malignes Syndrom, Hirnstammsymptome, akutes Hirnstammsyndrom und Koma. Haloperidol vermag die Wirkung von Adrenalin und anderer Sympathomimetika zu antagonisieren und die blutdrucksenkende Wirkung von Antiadrenergika wie Guanethidin aufzuheben.
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Halsrippe Definition Assimilationsstörung am Übergang der Hals-
Hämangiom
Grundlagen Eine Halsrippe kann durch ein Kompressionssyndrom des (unteren) Plexus brachialis mit haltungsabhängigen Armschmerzen, evtl. auch neurologischen Ausfällen ( „thoracic outlet“Syndrom) symptomatisch werden.
Definition Das kapilläre Hämangioblastom ist oft assoziiert mit der von-Hippel-Lindau-Erkrankung bzw. dem Hippel-Lindau Syndrom. 3
zur Brustwirbelsäule in Form rippentragender Halswirbelkörper (meist HWK7).
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Hämangioblastom (Lindau-Tumor), intramedulläre 3
Haltetremor
Spinale Tumoren, intramedulläre
Synonyme Definition Tremor, der bei Einnehmen einer Haltung (engl. postural) auftritt. Präziser wäre es deshalb von einem Haltungstremor zu sprechen, Tremor, essentiell. 3
Einleitung Der Haltetremor tritt auf während willkürlichem Annehmen einer Haltung, durch die der Schwerkraft entgegengewirkt wird. Tests sind beispielsweise Armvorhalteversuche. Bei gestrecktem Handgelenk und gespreizten Finger werden sie provoziert. Die Aufforderung ein gefülltes Glas Wasser zu halten und an den Mund zu führen (gesichtsnahe Tremorverstärkung!) ist ein ergiebiger Test, um Tremor zu provozieren. Der Haltetremor gehört zu den Aktionstremores, wie der kinetische oder Bewegungs spinotremor. Zum kinetischen Tremor gehört wiederum der Intentionstremor ( Tremor, zerebellarer), der bei gleichzeitiger Dysmetrie, Ataxie und okulomotorischen Störungen wie Nystagmus typisch für Kleinhirnaffektionen ist.
H
Hämangiom Synonyme Kavernöses Hämangiom,
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Haltungstremor, engl. postural tremor
Kavernom
Definition Hämangiome sind gutartige Tumoren der Blutgefäße, die nach ihrem histologischen Bild als kapilläre oder kavernöse Hämangiome (Kavernome) bezeichnet werden.
Einleitung Das kavernöse Hämangiom kann als gutartige Neubildung der Gefäße jeden Abschnitt des ZNS betreffen. Hämangiome knöcherner Strukturen können mikroskopisch klein oder sehr ausgedehnt sein. Hämangiome der Wirbelkörper sind ein häufiger Zufallsbefund, Hämangiome der knöchernen Schädelbasis sind eine Rarität. Neurologische Symptome sind dann Ausdruck des raumfordernden Nachbarschaftsprozesses.
Diagnostik
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Differenzialdiagnose
Hämangiome werden mit der Kernspintomographie immer dargestellt.
Tremor, essentieller. Ein Haltetremor tritt auch auf bei dem Holmes-Tremor.
Therapie
3
Zur chirurgischen Resektion symptomatischer Kavernome des ZNS, Kavernome. Große raumfordernde Prozesse mit neurologischen Störungen als Folge des Nachbarschaftsprozesses werden, wenn möglich, operativ entfernt, in der Regel ist jedoch keine Therapie erforderlich.
3
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Hämangioblastom (Lindau-Tumor) Synonyme Kapilläres Hämangioblastom
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Hämangioperizytom
Hämangioperizytom Definition Das Hämangioperizytom ist ein zellreicher und stark vaskularisierter Tumor der Meningen, der von den „Zimmermann-Perizyten“ ausgeht und im gesamten Organismus auftreten kann [1, 2]. Er wird dem WHO-Grad II oder III zugeordnet; seine exakte Klassifikation ist jedoch nicht klar [2].
Einleitung Das meningeale Hämangioperizytom macht ca. 0,4% aller intrakraniellen Tumoren aus; die Ratio von Meningeomen zu Hämangioperizytomen ist ca. 50:1. Die Tumoren haben eine ausgesprochene Rezidivneigung und können Metastasen ausbilden [1, 2].
Diagnostik Bildmorphologisch findet sich ein stark vaskularisierter, scharf berandeter Tumor mit Duraanheftung oft mit ausgeprägtem perifokalen Ödem. Eine Hyperostose der angrenzenden knöchernen Strukturen findet sich im Gegensatz zum Meningeom nicht, allerdings häufig eine scharf demarkierte knöchernen Destruktion [2]. Die Blutversorgung wird oft von intrakraniellen Gefäßen gespeist, was angiographisch nachgewiesen wird [1]. Charakteristischerweise fehlen im Gegensatz zu den Meningeomen immer Verkalkungen [2]. 3
Therapie Es gibt einen breitens Konsens, dass diese Tumoren makroskopisch komplett reseziert und nachbestrahlt werden sollen. empirisch Die chirurgische Exstirpation ist aufgrund der ausgepägten Vaskularisierung oft schwieriger als bei Meningeomen. Es wird dann lokal mit 40–60 Gy bestrahlt [1], da Rezidive ohne Radiatio häufiger und schneller auftreten als nach lokaler Strahlentherapie [2]. Kleine Läsionen, lokale Rezidive oder zerebrale Metastasen können ggf. radioneurochirurgisch kontrolliert werden [2].
Prognose Trotz Einsatzes der o. g. Therapiemodalitäten treten in der Regel innerhalb der ersten 15 Jahre nach Erstdiagnose Rezidive in 85%
bis 91% auf; Metastasen betreffen innerhalb dieses Zeitraumes mehr als die Hälfte der Patienten [2].
Literatur 1. Westphal M (1998). Tumoren der Meningen. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 217–231. 2. Jääkseläinen J, Louis DN, Paulus W, Haltia MJ (2000). Haemangiopericytoma. In: Kleihues P, Cavenee WK. Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 190–192.
Hämatom, epidurales Definition Intrakranielle, extrazerebrale Blutung zwischen Dura mater und Schädelknochen infolge Ruptur der A. meningea media nach SHT.
Einleitung Das epidurale Hämatom ist eine arterielle, extradurale Blutung im Frühstadium nach einem Kopftrauma. Ursache ist eine Zerreißung der A. meningea media oder einer ihrer Äste. Diese entsteht oft durch eine Fraktur der temporoparietalen Schädelkalotte. Das Hämatom tritt meistens gleichseitig zur Fraktur auf, das Fehlen einer Kalottenfraktur schließt jedoch ein epidurales Hämatom nicht aus. Klinik: Die Symptome des epiduralen Hämatoms können unmittelbar nach einem Schädeltrauma oder aber, v. a. bei leichtem Trauma nach einem sogenannten freien Intervall von einigen Minuten bis Stunden in Erscheinung treten. Diese äußern sich zunächst als Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und psychomotorische Unruhe. Danach verschlechtert sich der Zustand des Patienten progredient: Das Bewusstsein trübt sich ein und es kommt durch Kompression einer Hirnhälfte zu kontralateralen zerebralen Herdsymptomen, wie z. B. einer Hemiparese. Auf der Seite des Hämatoms wird die Pupille durch Okulomotoriuslähmung mydriatisch. Diese Anisokorie kann aber auch fehlen oder auf die falsche Seite hinweisen, wenn durch einen nach medial gerichteten Hirndruck der kontralaterale N. oculomotorius an den Klivus gepresst wird. Basale Hämatome können zu Abduzensparesen führen. Innerhalb
Hämatom, subdurales
von ein bis zwei Stunden kann es dann zu einklemmungssyndromen und Koma kommen.
Diagnostik 1. Typische Klinik. 2. Kraniale CT: Schneller und sicherer Nachweis des epiduralen Hämatoms, meist als scharf begrenzte, bikonvexe oder plankonvexe, hyperdense raumfordernde Läsion vorwiegend unter der temporoparietalen Schädelkalotte. Die Dichte ist oft inhomogen (frisches, neben bereits geronnenem Blut unterschiedlicher Dichte).
Therapie Die einzig sinnvolle Therapie ist die notfallmäßige neurochirurgische Intervention. gesichert Schädeltrepanation mit Ablassen des Hämatoms und Blutungstillung.
Prognose Wird die Diagnose nicht oder zu spät gestellt, dehnt sich das Hämatom weiter aus und und es kommt durch Seitwärtsverlagerung des Gehirns und Druck nach kaudal zur Einklemmung des Hirnstamms im Tentoriumschlitz. Die Folge ist ein Versagen der medullären Kreislauf- und Atemregulation. Abhängig vom Alter des Patienten, der Entwicklungsgeschwindigkeit der Symptome und zusätzlichen zerebralen Komplikationen liegt die Letalität zwischen 20 und 40%, ca. 20% bleiben behindert und in ca. 50% der Fälle kommt es zur Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit.
Hämatom, intrazerebrales Schlaganfall
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Hämatom, subdurales Definition Intrakranielle, extrazerebrale Blutung zwischen Dura mater und Arachnoidea nach Schädeltrauma.
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Einleitung Das Subduralhämatom, das meist supratentoriell, temporal oder frontal zwischen Dura mater und Arachnoidea lokalisiert ist, ist durch eine posttraumatische, in der Regel venöse Blutung (Zerreißen von Brückenvenen) bedingt. Dabei kann es schon bei geringen Kopftraumen zu einer Verletzung von Brückenvenen kommen. Klinik: Das subdurale Hämatom kann akut, subakut oder chronisch verlaufen. Risikofaktoren des chronischen subduralen Hämatoms sind höheres Alter, chronische Alkoholkrankheit und Stoffwechsel- und Gefäßerkrankungen. Typisch für den selteneren akuten Verlauf ist eine innerhalb weniger Stunden progrediente Vigilanzstörung nach Schädeltrauma, eine (meist) homolaterale Mydriasis und kontralaterale Hemiparese. Klinisch ist das akute subdurale Hämatom kaum von einem epiduralen Hämatom zu unterscheiden. Es entwickelt sich, da es sich um eine venöse Blutung handelt, etwas langsamer. Beim chronischen subduralen Hämatom setzen die Symptome erst Tage, oft auch Wochen und Monate nach einem Trauma ein. Die Symptome wie Kopfdruck, psychomotorische Verlangsamung, Antriebs- und mnestische Störungen sind eher unspezifisch, wodurch die Diagnose oft verkannt wird. Langsam progrediente kontralaterale zerebrale Herdsymptome, homolaterale Mydriasis und Stauungspapillen gehören ebenfalls zum Symptomenkomplex des chronischen Subduralhämatoms.
Diagnostik Bei jedem Fall von langsam zunehmender Bewusstseins- und Antriebsstörung mit oder ohne Halbseitenzeichen sollte man nach einem vorangegangenen Trauma fragen und an die Möglichkeit eines subduralen Hämatoms denken. 1. Klinik. 2. Kraniales CT: Das Erscheinungsbild des chronischen subduralen Hämatoms hängt wesentlich von seinem Alter ab. Gewöhnlich zeigt sich eine sichelförmige oder längsovale Zone, die sich entlang der Kalotte über größere Abschnitte einer oder beider Hemisphären erstrecken kann. Die primär erhöhte Dichte des geronnenen Blutes nimmt im Laufe von Wochen ab. Das Hämatom kann dann hirnisodens und schließlich hypodens werden. Ebenso sind oft un-
H
Hämodilution, hypervolämische
3
Therapie Akute subdurale Hämatome müssen immer neurochirurgisch entfernt werden, die Therapie des chronischen subduralen Hämatoms hängt vorwiegend von der Ausdehnung und der zeitlichen Entwicklung der Symptome ab. gesichert * Akutes subdurales Hämatom: Immer neurochirurgische Therapie mit Schädeltrepanation und Entleerung des Hämatoms. * Chronisches subdurales Hämatom: Generell sollten auch chronische subdurale Hämatome operativ entfernt werden. Weniger ausgedehnte Hämatome können auch unter häufigen CCT-Kontrollen konservativ behandelt werden. unwirksam/obsolet Konservativer Therapieversuch bei akutem oder gößerem chronischen Subduralhämatom.
Zubereitungen Kristalloide Lösungen: Isotonische Kochsalzlösung etc. (Volumeneffekt 25%, Wirkdauer kurz). Kolloidale Lösungen: Hydroxyäthylstärke (HAES), Dextrane etc.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Kristalloide isotonische Lösungen: Ringer Lactat®, Sterofundin®, Jonosteril®, Tutofusin®. Kolloidale Lösungen: HAES-steril® 3%, 6%, 10%; Plasmasteril®, Rheomacrodex®.
Wirkungen Steigerung des arteriellen Blutdrucks und des Herzzeitvolumens, Haemodilution mit verbesserter Rheologie.
Pharmakologische Daten Siehe jeweilige Produktinformationen.
Anwendungsgebiete * *
Volumensubstitution bei Volumenmangel. Hypervolämische Behandlung im Rahmen der Triple-H-Therapie zur Vorbeugung und Behandlung eines Vasospasmus bei Subarachnoidalblutung. Therapie des akuten Hirninfarktes mit dem Ziel der Verbesserung der rheologischen Eigenschaften, Verbesserung der Kollateraldurchblutung durch Steigerung des arteriellen Blutdruckes und des Herzzeitvolumens.
*
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terschiedliche Dichten zu erkennen, die bei langsamen Wachstum durch kleine frische Blutungen entstehen. Es ist möglich, dass ein älteres isodenses subdurales Hämatom erst nach KM-Gabe sichtbar wird. 3. MRT: Mehrzeitige Subduralhämatome sind mittels MRT sicher zu differenzieren. 4. Eine Differenzierung gegenüber der sog. Pachymeningeosis haemorrhagica interna ist weder klinisch noch morphologisch möglich.
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Nachsorge Regelmäßige CCT-Kontrollen bei konservativer Therapie des chronischen Subduralhämatoms.
Dosierung/Anwendung
Prognose
Mit Ausnahme der Volumensubstitution sollte eine Anwendung nur unter Kontrolle des zentralen Venendruckes erfolgen (ggf. auch invasive arterielle Blutdruckmessung). Dabei wird im Allgemeinen ein ZVD von 10–15 cmH2O (maximal 20 cmH2O) angestrebt. Starre Regimes zur hypervolämischen Hämodilution sind obsolet.
Abhängig von Größe, Lokalisation und Dauer der Blutung.
Unerwünschte Wirkungen
Bewertung Abhängig von Größe, Lokalisation und Dauer der Blutung.
Wichtigste Nebenwirkung ist eine kardiale Dekompensation (Rechts- und Linksherzinsuffizienz) mit Lungenödem.
Hämodilution, hypervolämische Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Synonyme Hypervolämische Volumentherapie
Wichtigste Kontraindikation: Kompensierte oder dekompensierte Herzinsuffizienz.
Hämophilie A/B
Eine hypervolämische Volumentherapie sollte nach strenger Indikationsstellung nur unter invasivem Monitoring durchgeführt werden. In der Therapie des akuten Hirninfarktes wurde ein Nutzen in kontrollierten Studien bisher nicht nachgewiesen.
brauchskoagulopathie, der Präeklampsie und dem HELLP-Syndrom beobachtet. Beim HUS steht im Gegensatz zur TTP das akute Nierenversagen im Vordergrund, ebenso zeigt das HUS im Gegensatz zur TTP eine deutliche Erniedrigung der hochmolekularen vWF-Multimere. 3
Bewertung
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Therapie Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt.
Hämolytisch-urämisches-Syndrom (HUS) Synonyme Gasser-Syndrom
Definition Das HUS ist eine Mikroangiopathie, die durch die Trias Thrombozytopenie, akutes Nierenversagen und intravasale hämolytische Anämie charakterisiert ist.
Einleitung Das HUS ist mit Infektionen mit E. coli der Serogruppe 0157 : H7 (verotoxinbildende, enterohämorrhagische E. coli) assoziiert. Zudem können neuramidasebildende Pneumokokken eine Rolle spielen. Das von E. coli produzierte Verozytoxin-1 bindet an Monozyten und induziert die Synthese von verschiedenen Zytokinen. Der Entzündungsprozess scheint sich vorwiegend in der Niere abzuspielen, wo es zur Ausbildung thrombozytenreicher Mikrogerinnsel kommt (Folge: Thrombozytopenie). Die Verlegung der Glomeruluskapillaren mit Mikrogerinnseln hat ein akutes Nierenversagen zur Folge. Die Mikroangiopathie führt zu einer hämolytischen Anämie. Klinik: Meist erkranken Kinder vor dem 5. Lebensjahr, seltener ältere Kinder oder Erwachsene. Leitsymptom ist das akute Nierenversagen bei Kindern, die an einem gastrointestinalen Infekt erkrankt sind. Im Labor sieht man eine Thrombozytopenie, eine intravasale hämolytische Anämie mit Schistozyten und Fragmentozyten und eine Kreatininerhöhung. Meist besteht ein ausgeprägter Hypertonus.
Differenzialdiagnose Thrombozytopenie, Hämolyse mit Schistozyten und Nierenbeteiligung werden auch bei der Purpura, thrombotisch-thrombozytopenische (TTP), der disseminierten intravasalen Ver-
gesichert Das akute Nierenversagen wird standardmäßig behandelt (siehe Lehrbücher der Inneren Medizin). empirisch Ein Versuch mit der Gabe von Fresh frozen plasma (FFP, 15–20 ml/kgKG/Tag) ist möglich bei gleichzeitiger Kontrolle des Volumens mit Hämodialyse. Die Wirksamkeit der Plasmapherese ist noch nicht gesichert, obwohl es sich pathophysiologisch um ein sinnvolles Behandlungskonzept handelt. unwirksam/obsolet Die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern oder Heparin hat keinen therapeutischen Effekt.
Hämophilie A/B Synonyme Bluterkrankheit
Definition X-chromosomal-rezessiv vererbte Gerinnungsstörungen mit Mangel an Faktor VIII (Hämophilie A) oder Faktor IX (Hämophilie B) mit Neigung zu schwer stillbaren inneren und äußeren Blutungen. Häufigkeit insgesamt 1:10.000. Die Hämophilie A ist ca. 5mal häufiger als die Hämophilie B. Auftreten von intrazerebralen Blutungen bei ca. 10% der Patienten. Häufiger sind Haut- und Gelenksblutungen.
Einleitung Einteilung nach der Restaktivität des Gerin-
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Harnverhalt
nungsfaktors in schwere und leichtere (Manifestation erst im Erwachsenenalter) Form.
Diagnostik * * *
Isolierte Erhöhung der Thromboplastinzeit (PTT). Nachweis des Faktor-VIII- bzw. Faktor-IXMangels. Genetische Diagnostik.
Therapie * *
* * *
Notversorgung von akuten Blutungen. Substitution der entsprechenden Gerinnungsfaktoren, im Notfall auch „fresh frozen plasma“. Vermeidung von entsprechenden inneren und äußeren Verletzungen. Behandlung von Sekundärkomplikationen wie arthrotischen Gelenkveränderungen. Genetische Beratung.
Differenzialdiagnose Die gefüllte, hochstehende Blase ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Anurie (leere Blase aufgrund fehlender Urinproduktion oder beidseitiger Abflussstörung des oberen Harntrakts). Ursachen des Harnverhaltes: * Prostataerkrankungen, z. B. Adenom, Entzündung, Malignom. * Extravesikale Tumoren, z. B. Uterus-Tu, Colon-Tu. * Blasentumor, v. a. im Bereich des Blasenhalses. * Sphinktersklerose. * Urethraverschluss. * Neurologische Ursachen, z. B. akutes Querschnittssyndrom, Bandscheibenvorfall. * Trauma. * Operationen, z. B. im kleinen Becken. * Medikamente, z. B. Anticholinergica.
Therapie
Harnverhalt Synonyme
Immer kausaler Therapieversuch, passager ist ein Blasenverweilkatheter indiziert (bei einer über längere Zeit benötigten Harnableitung ist ein suprapubischer Katheter vorzuziehen).
Ischurie
gesichert Kausale Therapie, passagerer Blasenkatheter.
Definition
Nachsorge
Unvermögen, die gefüllte Harnblase willkürlich zu entleeren.
Entsprechend der Grunderkrankung.
Prognose Einleitung Der akute Harnverhalt, der nur noch selten als Ischurie bezeichnet wird, tritt bei funktionell oder morphologisch bedingter mangelnder Öffnung der infravesikalen Harnwege auf. Der akute Harnverhalt ist mit einem heftigen, schmerzhaften Miktionsdrang verbunden. Er kann aber auch bei gestörter Sensibilität oder bei chronischer Überdehnung der Blase durch vorangehende, allmählich zunehmende Restharnbildung vom Patienten unbemerkt bleiben und in einen chronischen Harnverhalt übergehen. Es kommt dann bei gleichzeitiger Unfähigkeit die Blase willkürlich zu entleeren, zur Überlaufinkontinenz (Ischuria paradoxa). Die körperliche Untersuchung und die Sonographie zeigt unabhängig der Genese des Harnverhaltes eine hochstehende, u. U. bis über den Bauchnabel reichende, gefüllte Blase.
Bei erfolgreicher Ursachenbeseitigung ohne Folgen ausheilend.
Harnwegsinfekt Synonyme Häufig synonym gebraucht: Infektion des Urogenitaltraktes
Definition Infektion der ableitenden Harnwege.
Einleitung Neben pulmonalen Infektionen häufigste nosokomiale Komplikation, insbesondere auch bei neurovaskulären Erkrankungen. Disposition durch Anlage von Blasenkathetern,
Heerfordt-Syndrom
Infiziertes Organsystem: * Urethritis. * Zystitis. * Pyelonephritis. * Adnexe (Prostata, Samenbläschen usw.). * Urosepsis.
Diagnostik Laboruntersuchung des Urins (Urinstatus, Sediment, Bakteriologie). Sonographie, ggf. Zystoskopie und Ausscheidungsurogramm.
Definition Autosomal-rezessiv vererbte Störung der enteralen und renaltubulären Resorption neutraler Aminosäuren.
Einleitung Die Störung führt insbesondere zu einem Mangel an Tryptophan und seinem Metaboliten Nikotinamid (Niacin). Klinisch imponiert eine im Kindesalter auftretende pellagraähnliche Symptomatik mit Dermatitis und zerebellarer Ataxie. 3
insbesondere eines transurethralen Blasenverweilkatheters. Eine gefürchtete Komplikation ist die Urosepsis. Prädisponierende Faktoren sind begleitende Abwehrschwäche, vesikoureteraler Reflux, akuter Harnverhalt, Verletzungen der Urethra bzw. der Prostata. Art des Erregers: * Am häufigsten: Bakterielle Infektionen v. a. durch Enterobakterien. * Seltener: Pilzinfektionen oder Protozoen.
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Diagnostik Bestimmung von Nikotinamid in Plasma und Urin.
Therapie empirisch Gabe von Nikotinamid 40–200 mg/die, proteinreiche Ernährung.
Heerfordt-Syndrom Therapie *
*
*
Bei asymptomatischen Harnwegsinfekten ist eine Förderung der Diurese und eine Entfernung bzw. ein Wechsel des Blasenkatheters häufig ausreichend. Bei symptomatischen Harnwegsinfekten wird meist eine antibiotische Therapie durchgeführt. Die Empfehlungen zur Dosis und Therapiedauer richten sich nach den klinischen Symptomen, Begleiterkrankungen, Erregerspektrum und eventuellen Gefährdungen (siehe urologische Fachliteratur). Wenn möglich sollte die Antibiose testgerecht durchgeführt werden. Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten kann nach Ausschluss vermeidbarer prädisponierender Faktoren eine Prophylaxe durch Ansäuerung des Urins oder durch eine niedrigdosierte Antibiotikatherapie erfolgen.
Synonyme Heerfordt’s disease, Heerfordt-Mylins-Syndrom, Febris uveoparotidea subchronica, Neurouveoparotitis Syndrom
Definition Erstbeschreibung des Syndroms durch den dänischen Ophthalmologen C.F. Heerfordt 1909. Das Syndrom umfasst eine Uveitis, eine Parotitis, noduläre Iridozyklitis sowie eine periphere Fazialisparese, die in einem Drittel der Fälle beidseitig ist und von subfebrilen Temperaturen oder Fieber begleitet sein kann.
Einleitung Die Ätiologie ist bisher ungeklärt. In der überwiegenden Anzahl der Fälle findet man aber als Grunderkrankung eine Sarkoidose. Lediglich bei 1−6% der Patienten mit Sarkoidose liegt aber ein Heerfordt-Symptomkomplex vor.
Diagnostik
Hartnup-Erkrankung Synonyme Hartnup-Syndrom
Das klinische Bild ist durch eine ein- oder beidseitige Parotisschwellung, Uveitis mit Iridozyklitis und ein- oder beidseitiger Fazialisparese gekennzeichnet. In 50% der Fälle sind andere Hirnnerven beteiligt. Neben dieser fokalen
H
HELLP-Syndrom
Therapie Immunsuppression: Prednisolon initial 100 mg/ d, dann langsame Reduktion auf Erhaltungsdosis von etwa 20 mg/d über mindestens 1 Jahr. Bei ungenügendem Therapieerfolg oder zur Reduktion der Prednisolon-Dosis Azathioprin 2 −3 mg/kg Körpergewicht/d oder Ciclosporin A 2−6 mg/kg Körpergewicht/d oder Cyclophosphamid 200 mg/d p. o. Symptomatische Therapie, Parese, Fazialisparese. 3
Prognose Meist Besserung unter Therapie, in 30% der Fälle Rezidive möglich.
der Erkrankung korreliert mit den Veränderungen der Gerrinnungsparameter. Pathophysiologisch kommt es durch Vasospasmen in parenchymatösen Organen (besonders der Leber) und nachfolgender metabolischer Vasodilation zu Einrissen im Gefäßendothel mit konsekutiver Gerinnungsaktivierung und Hämolyse der Erythrozyten. Zu den weiteren Komplikationen zählen Leberschwellung, Leberhämatome sowie spontane Leberrupturen. Neurologische Komplikationen beim HELLPSyndrom sind eher selten.
Diagnostik 1. Diagnose der Präeklampsie (Hypertonie >140/90; Proteinurie mit >0,3 g Protein/l im 24 h-Sammelurin; generalisierte Ödeme) und Eklampsie (zusätzlich epileptische Anfälle). 2. Labor: Hämolyse, Thrombozytopenie, erhöhte Leberenzyme, AT-III-Aktivität erniedrigt, Hyperfibrinogenämie, D-Dimere erhöht. 3. DD: TTP (Moschkowitz-Syndrom; Purpura, thrombotisch-thrombozytopenische), HUS (Gasser-Syndrom, Hämolytischurämisches-Syndrom). 3
Literatur 1. James DG, Sharma OP (2000). Parotid gland sarcoidosis. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 17: 27−32. 2. Sagowski C, Ussmuller J (2000). Clinical diagnosis of salivary gland sarcoidosis (Heerfordt syndrome). HNO 48: 613−615.
HELLP-Syndrom
Therapie *
*
Definition Schwerwiegende Komplikation der Eklampsie, das durch Hämolyse, erhöhte Leberwerte (elevated liver function test) und erniedrigte Thrombozytenzahl („low platelets“) charakterisiert ist.
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Symptomatik können länger anhaltende subfebrile Temperaturen oder Fieber vorhanden sein. Diagnostisch sollte immer nach einer Neurosarkoidose (Morbus Boeck) als Ursache gefahndet werden (Serumdiagnostik: BSG, IgG, ACE, Kalzium; Bildgebung: Röntgen-Thorax; zerebrales MRT mit KM; Liquordiagnostik; Bronchoskopie zur histologischen Diagnosesicherung).
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* *
Neben der Therapie der Präeklampsie/Eklampsie steht die Kontrolle und Substitution von Gerinnungsparameter im Vordergrund. Generell müssen Patientinnen mit V. a. HELLP-Syndrom intensivmedizinisch überwacht werden. Eine spezifische Therapie der Leberfunktionsstörung ist nicht bekannt. Entscheidend ist auch hier eine ausreichende kardiozirkultorische Therapie. Die Therapie der Hämolyse erfolgt symptomatisch. Thrombozytensubstitution.
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gesichert
Einleitung Neben dem typischen Symptomkomplex aus Hämolyse, erhöhten Leberenzymen und erniedrigter Thrombozytenzahl werden beim HELLPSyndrom häufig eine ausgeprägte Verminderung der AT-III-Aktivität, eine Hyperfibrinogenämie sowie eine deutlich erhöhte Konzentration der D-Dimere gefunden. Der Schweregrad
* *
*
Adäquate Therapie der Präeklampsie/Eklampsie. Bei Blutungskomplikationen: Substitution von Gerinnungsfaktoren mittels FFP und AT-III. Bei extremer Thrombozytopenie oder chirurgisch nicht stillbaren Blutungen: Thrombozytensubstitution, da transfundierte
Hemiballismus
Thrombozyten ebenfalls rasch verbraucht werden. empirisch Vor der 30. SSW ist eine kontrollierte Therapie zur Verlängerung der Schwangerschaft anzustreben, nach der 30. SSW ist die Indikation zur Entbindung großzügig zustellen. Bei einer spontanen Leberruptur ist die sofortige Entbindung abhängig vom Reifezustand des Feten zu empfehlen [1].
Prognose Die Prognose des HELLP-Syndroms ist abhängig von den Blutungskomplikationen (erhöhte Mortalität). Bei intensiver Überwachung und optimaler Therapie für Mutter und Kind kann das HELLP-Syndrom jedoch folgenlos überstanden werden.
Literatur 1. Frey l (1997). Gestose und HELLP-Syndrom. Anästhesist 46:732–747.
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Hemiatrophie, faziale Synonyme Romberg Erkrankung
Definition Langsam progrediente, halbseitige Gesichtsatrophie mit Beteiligung von Haut und subkutanem Fett, später auch von angrenzendem Knochen und Knorpel. In schweren Fällen kann die Erkrankung zur völligen Entstellung führen („Januskopf“).
Einleitung Die Erkrankung tritt vorwiegend beim weiblichen Geschlecht im Kindes- und Jugendalter sporadisch auf. Die Ätiologie ist unklar. Häufig finden sich auch ophthalmologische Symptome wie Horner-Syndrome [1]. Eine zerebrale Beteiligung mit epileptischen Anfällen kommt ebenfalls vor.
Therapie Eine kausale Therapie der Erkrankung existiert nicht.
Hemianopsie Synonyme Halbseitenblindheit
Definition Ausfall einer Gesichtsfeldhälfte.
Einleitung Formen: * Homonyme Hemianopsie bei retrochiasmatischen Läsionen (Infarkte der A. cerebri posterior, der A. cerebri media oder der A. choroidea anterior, Blutungen z. B. im Bereich des Thalamus oder Okzipitallappens, Tumore, Schädel-Hirn-Verletzungen). * Bitemporale Hemianopsie bei medialer Läsion des Chiasma opticums z. B. durch Hypophysentumore, Kraniopharyngeome oder intrakranielle Aneurysmen. * Binasale Hemianopsie (extrem selten).
gesichert Bei schweren Fällen stehen plastische Operationen im Vordergrund (z. B. Lappentransplantationen, alloplastische Implantate, Mikro-FettInjektionen) [2].
Prognose Die Prognose der Erkrankung ist schlecht. Der Spontanverlauf dauert über etwa 2–10 Jahre an, danach kommt es häufig zum Stillstand.
Literatur 1. Miller MT, Spencer MA (1995) Progressive hemifacial atrophy. Trans Am Ophthalmol Soc 93: 203–215. 2. Roddi R, Riggio E, Gilbert PM, Hovius SE, Vaandrager JM, van der Meulen JC (1994) Clinical evaluation of techniques used in the surgical treatment of progressive hemifacial atrophy. J Craniomaxillofac Surg 22: 23–32.
Differenzialdiagnose Gesichtsfeldstörung
3
Therapie Gesichtsfeldstörung
Hemiballismus Definition Abrupte, proximal betonte, weit ausholende,
H
3
Hemicrania continua
schleudernde oder wurfartige Bewegung einer Extremität.
Einleitung *
Charakteristisches lakunäres Syndrom ( Lakune), das durch eine Ischämie in der Corona radiata oder im Bereich des Brückenfußes verursacht wird. „Lakunäres Syndrom“ (prädiktiver Wert der klinischen Diagnosestellung bzgl. eines lakunären Infarktes je nach Genauigkeit der Untersuchung und Strenge der Definition zwischen 60 und 95%). Lokalisation: – Thalamus. – Stammganglien. – Pons. Klinisch: Distal und beinbetonte Hemiparese und ipsilaterale Extremitätenataxie. Ätiologie: Hirninfarkt, Lakune. 3
Einleitung
* *
3
Der Ballismus kommt im engeren Sinne praktisch nur als Hemiballismus vor. Typischerweise tritt er dann als Hemiballismus bei ausgestanzten Ischämien im kontralateralen Ncl. subthalamicus auf und hält meist nicht lange an. Er kann bei extremen schleudernden Bewegungen zu Selbstverletzungen führen. Man kann den Ballismus auch als eine hochamplitudige Form der Chorea beschreiben. Levodopa-Dykinesien können Ballismus aufweisen, insbesondere die biphasischen Dyskinesien. Hierbei besteht gelegentlich auch eine Selbstverletzungstendenz.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnose
Andere Hyperkinesen.
*
Parese bzw. Ataxie durch Ischämien anderer Lokalisation (Kleinhirn/Hirnstamm). Nichtischämisch bedingte intrazerebrale Läsionen (z. B. Enzephalitis disseminata).
*
Hemicrania continua
3
530
Therapie 3
Definition
Hirninfarkt
Sonderform der Hemikranie. Idiopathischer Kopfschmerz ohne strukturelle Läsion.
Therapie ®
Therapie mit Indometacin (z. B. Amuno ).
Hemiplegie, alternierende, Kindheit Definition Vorläufer- oder Begleitsyndrom der Migräne in der Kindheit mit wechselseitig auftretenden Attacken von Hemiplegie, mentaler Beeinträchtigung, tonischen Spasmen, dystonischen oder choreoathetotischen Bewegungen, Nystagmus oder vegetativen Symptomen. 3
Hemikranie Definition Halbseitiger Kopfschmerz; Im engeren Sinne wird der Begriff für die Migräne verwandt. 3
Diagnostik 3
Differenzialdiagnose
Migräne
Kopfschmerz, akuter, Differenzialdiagnose
3
Therapie Migräne
3
Hemiparese, ataktische Definition Lakunäres Syndrom, das durch die Kombination von Extremitätenataxie und distal, häufig beinbetonter Hemiparese gekennzeichnet ist.
Hemispasmus facialis Synonyme Spasmus hemifacialis
Hemispasmus facialis
531
sierenden Medikamenten, die lokale Injektion von Botulinum-Toxin oder operativ die mikrovaskuläre Dekompression. gesichert
Unwillkürliche, spontane Zuckungen der vom N. facialis versorgten Muskulatur, die meist durch Druck einer Gefäßschlinge der A. inferior anterior cerebelli auf den N. VII im Kleinhirnbrückenwinkel verursacht wird. Hierdurch kommt es zu ephaptischen Entladungen mit den entsprechenden motorischen Reizsymptomen. Seltener sind symptomatische Ursachen, wie z. B. Hirnstammtumoren.
Einleitung Die Zuckungen der Fazialismuskulatur treten initial kurz, später auch in Serien auf bzw. konfluieren zu tonischen Verkrampfungen der Gesichtsmuskeln. Die Symptomatik beginnt fast immer am Auge und bezieht später auch den Mund mit ein.
Diagnostik Mittels mehrkanäliger EMG-Ableitung kann gezeigt werden, dass die Kontraktionen streng synchron in allen beteiligten Muskeln auftreten. Willkürliche Kontraktion von Fazialismuskeln führt zur Ko-Kontraktion der anderen Muskeln, insofern kann die Abgrenzung von Fazialissynkinesien nach peripherer Fazialisparese schwierig sein. Zum Ausschluss einer Raumforderung sollte ein kraniales MRT durchgeführt werden.
Therapie Grundsätzlich kommen 3 unterschiedliche Therapieverfahren in Betracht: Die orale Gabe von Antikonvulsiva oder anderen membranstabili-
3
Definition
3
Hemispasmus facialis. Abb. 1: Unwillkürliche spontane Zuckungen der vom N. facilialis versorgten Muskulatur.
Therapie der 1. Wahl ist die lokale, intramuskuläre Injektion von Botulinum-Toxin, die zur chemischen Denervierung der betroffenen Muskeln führt [3]. Die Injektion erfolgt in der Regel an 4–6 Stellen periorbital, ähnlich wie beim Blepharospasmus, und zusätzlich an 2–4 Stellen in der mittleren und unteren Gesichtsregion. Die Behandlung sollte nur von einem in dieser Methode erfahrenen Arzt durchgeführt werden. Entsprechende Kontraindikationen sind zu beachten ( Botulinum-Toxin-Therapie (BTX)). Die Besserung tritt durchschnittlich nach 5 Tagen ein und hält 3–4 Monate an. Wiederholte Injektionen sind für den dauerhaften Therapieerfolg notwendig. Als Nebenwirkung lässt sich eine vorübergehende Parese der Oberlippe oft nicht vermeiden. Sind Botulinum-Toxin-Gabe und die medikamentöse Therapie unwirksam, so kann als wirksame operative Maßnahme die mikrovaskuläre Dekompression ( Jannetta-Operation) durchgeführt werden. Die Spasmen verschwinden postoperativ nach 3 Tagen bis zu mehreren Wochen. Bei 84% der Patienten sind die Ergebnisse sehr gut, bei 7% gut. Von ihnen erleiden 10% ein Rezidiv [2]. empirisch Das am häufigsten beim Spasmus hemifacialis benutzte Medikament ist das Carbamazepin, dessen positiver Effekt nur in Fallserien beschrieben wurde [1]. Fraglich in Einzelfällen erfolgreich scheinen Phenytoin, Valproat, Baclofen, Clonazepam oder Pizotifen zu sein. Bei einigen Patienten soll die Gabe von Gabapentin erfolgreich gewesen sein. unwirksam/obsolet Bei einer größeren Anzahl älterer operativer Techniken zeigte sich eine sehr schlechte Relation von Nutzen zu Nebenwirkungen, sodass diese Techniken in der Regel verlassen wurden (z. B. Alkoholinjektion oder Nadelinsertion in den N. facialis, Transsektion des Nerven mit Reanastomose, Neurotomie). Erste Therapieversuche mit lokaler Injektion von Doxorubicin, einem Zytostatikum, zur per-
H
Heparin, niedermolekular
Beim Spasmus hemifacialis handelt es sich grundsätzlich um eine gutartige Erkrankung. Daher muss insbesondere vor eingreifenden Therapien wie der mikrovaskulären Dekompression das Verhältnis von Risiko zum möglichen Nutzen abgewogen werden.
Literatur 1. Alexander GE, Moses III H (1982) Carbamazepine for hemifacial spasm. Neurology 32: 286– 287. 2. Barker FG, Jannetta PJ, Bissonette PA-C (1995) Microvascular decompression for hemifacial spasm. J Neurosurg 82: 201–210. 3. Flanders M, Chin D, Boghen D (1993) Botulinum toxin: preferred treatment for hemifacial spasm. Eur Neurol 33: 316–319. 4. Wirtschafter JD, McLoon LK (1998) Long-term efficacy of local doxorubicin chemomyectomy in patients with blepharospasm and hemifacial spasm. Ophthalmology 105: 342–346.
Heparin, niedermolekular Vorkommen/Gewinnung Niedermolekulare Heparine (NMH) werden durch Fraktionierung oder Depolymerisation von Calcium- oder Natriumsalzen natürlich vorkommender Heparine gewonnen. Durch Fraktionierung von natürlichem Heparin, z. B. mittels EtOH-Extraktion, erhält man NMH in niedriger Ausbeute. In höheren Ausbeuten wird NMH durch kontrollierte partielle chemische oder enzymatische Spaltung von natürlichem Heparin gewonnen. Die Spaltung wird durch Desaminierung an N-sulfatierten Glucosaminresten mit anschließender Reduktion des an Anhydromannose reduzierenden Endzuckers mit salpetriger Säure, die oxidative Spaltung an freien vicinalen Diolfunktionen, wie sie in nicht-sulfatierter Glucuron- oder Iduronsäure vorliegen oder eine eliminative Spaltung der glycosidischen Bindung zwischen einem 2-sulfatierten Glucosaminrest und einer 2-sulfatierten Iduronsäure erreicht. Dazu wird der Benzylester der Iduronsäure vorher gebildet und anschließend einer basenkatalysierten β-Eliminierung sowie einer Hydrolyse unterworfen. Für Heparinfragment 4–6 wird eine Gewinnung
Wirkungen Die Substanz entspricht in ihren pharmakologischen Eigenschaften und ihrer therapeutischen Anwendung Enoxaparin, Nadroparin. Zur Zeit erfolgt die Angabe der Wirksamkeit der zugelassenen Handelspräparate nach Gewichtseinheiten auf der Basis des Standards für Heparin niedriger Molekülmasse (WHOStandard), obwohl der tatsächliche Stellenwert der Anti-Xa-Hemmung für die antithrombotische Wirksamkeit eines niedermolekularen Heparinpräparats nicht abgeschätzt werden kann. Wirkwertbestimmung: Heparin, Calciumsalz, antikoagulative Aktivität und Anti-Faktor XaAktivität. Heparinmoleküle verschiedener Kettenlänge zeigen unterschiedliche Aktivitäten gegen die einzelnen Gerinnungsfaktoren und Cofaktoren. Während die anti-Xa-Aktivität besonders bei den niedermolekularen Fraktionen ausgeprägt ist, steigt mit wachsender Kettenlänge die anti-Faktor IIa-Aktivität stark an.
Dosierung Zur Dosierung vergleiche Tab. 1.
Heparin/Heparinoide Zubereitungen * * *
Präparate zur intravenösen Applikation. Subkutane Applikationsformen. Applikation in Salbenform.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel *
*
Unfraktioniertes Heparin, z. B. Liquemin® i. v. oder subkutan, Calciparin® subkutan oder i. v. Niedermolekulares Heparin, z. B. Dalteparin (Fragmin®), Tinzaparin (Innohep®), Nad3
Prognose
aus Heparin aus Schweinemukosa nach Natriumnitritspaltung angegeben, für Heparinfragment 4,5–8 eine Isopentylnitritspaltung. In Abhängigkeit vom Herstellverfahren haben NMH unterschiedliche chemische Strukturen an den reduzierenden oder nicht-reduzierenden Enden der Polysaccharidketten, die zu chemischen, biochemischen und pharmakologischen Unterschieden führen. So konnten 2 Oligosaccharide mit unüblichen Strukturen isoliert werden, die als Artefakte als Folge der Nitritspaltung auftreten.
3
manenten Muskelzerstörung sind mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet [4].
3
532
Heparin/Heparinoide
533
Heparin, niedermolekular. Tab. 1: Dosierempfehlungen für niedermolekulare Heparine INR
Quick
UFH-Analogon
Häufige Indikationen
3,0– 4,5
meist 15–25%
PTT 1,5- bis 2fach der oberen Norm (ca. 60–80 s)
*
* *
*
2,0– 3,0
meist 25–35%
PTT gering über der oberen Norm (ca. 40– 50 s)
*
* *
*
z. B. Nadroparin (9.500 IE)
"volle TherapieAkutbehandlung dosis" etwa 2× Thrombose/Embolie 100 aXa/kg/d (Tag 1–10) Mitralklappenersatz Aortenklappenersatz ± Vorhofflimmern, ± schlechte LV-Funktion (EF <30%) Doppelklappenersatz
jeweils 1×täglich s. c. <50 kg: 0,4 ml 50–70 kg: 0,6 ml >70 kg: 0,8 ml
"halbe TherapieSekundärprophylaxe dosis" etwa Thrombose/Embolie 1×100 aXa/kg/d (ab Tag 11) Vorhofflimmern schlechte LV-Funktion (EF <30%) Aortenklappenersatz ohne Komplikationen
jeweils 1×täglich s. c. <50 kg: 0,4 ml 50–70 kg: 0,6 ml >70 kg: 0,8 ml
roparin (Fraxiparin®), Enoxaparin (Clexane®) zur subkutanen Anwendung. Heparinoide, z. B. Danaparoid (Orgaran®) zur intravenösen oder subkutanen Anwendung. 3
*
NMH-Dosierregime
Wirkungen Heparin ist ein körpereigenes gerinnungshemmendes Polymer mit Vorkommen in der Lunge, Leber, Milz und basophilen Mastzellen. * Hemmung der Wirkung von Thrombin auf Fibrinogen durch Bindung an Antithrombin III. (AT III ist für die Wirkung von Heparinen und Heparinoid essentiell notwendig). * Hemmung der Thrombokinase (dadurch Hemmung der Umwandlung von Prothrombin in Thrombin). * Inhibierende Wirkung auf die Gerinnungsfaktoren VII, IX und Xa. * Aktivierung der Lipoproteinlipase. * Antagonisierung durch Protamin.
Anwendungsgebiete Gesicherte Indikationen: * „low dose“-Heparintherapie zur Thromboseprophylaxe – „high risk“-Thromboseprophylaxe bei venösen Abflusshindernissen im Beckenbereich, z. B. nach Hüftoperationen. – „low risk“-Thromboseprophylaxe bei immobilisierten Patienten, insbesondere auch bei Schlaganfällen. * Therapeutische Heparintherapie – Bei tiefen Bein- und Beckenvenenthrombosen. – Nach Lungenembolien. – Nach akutem Myokardinfarkt bzw. instabiler Angina pectoris, insbesondere durch gewichtsadaptierte niedermolekulare Heparine. – Bei gesichertem intrakardialem Thrombus. Unumstrittene Indikationen: * Zur überbrückenden Antikoagulation bei kardialen Emboliequellen, insbesondere bei Vorhofflimmern (nicht nach akutem Hirninfarkt) bis zum Erreichen einer ausreichenden oralen Antikoagulation. * Therapie der Sinusvenenthrombose.
H
534
Herdenzephalitis, bakterielle
Umstrittene Indikationen: * Therapie bei akuten ischämischen Hirninfarkten bei – Dissektionen extrakranieller hirnversorgender Arterien (nicht Aortendissektion). – Hochgradigen Stenosen oder Verschlüssen der A. carotis interna. – Ischämie im Basilarisstromgebiet. Keine Indikation für eine Heparintherapie (im Gegensatz zur Thrombosepropylaxe) besteht nach der aktuellen Datenlage beim akuten Hirninfarkt: * Makroangiopathischer Genese ohne hochgradige Stenosen oder Verschlüsse. * Kardiogen embolischer Genese bei Vorhofflimmern ohne Nachweis eines intrakardialen Thrombus. * Mikroangiopathischer Genese.
durch hämatogene Aussaat entstehende (multifokale) Enzephalitis.
Einleitung Häufigster Ausgangspunkt ist eine bakterielle Endokarditis, eine Risikogruppe stellen i. v. Drogenabhängige dar. Die häufigsten Erreger sind Streptococcus viridans und Staphylococcus aureus. Klinisch deutlich reduzierter Allgemeinzustand, wechselnde, multifokale zerebrale Herdzeichen, Entzündungszeichen, Fieber, Splenomegalie, Osler-Splits, Herzgeräusch.
Diagnostik *
MRT und/oder CCT: Nachweis multifokaler Mikroabszesse und Infarktzonen (in den ersten 24 h sind falsch negative Befunde möglich). Transösophageale Echokardiographie: Im typischen Fall Nachweis von Herzklappenauflagerungen und nekrotischen Klappendefekten. Erregernachweis in der Blutkultur, Liquoruntersuchung und - kultur sind meist wenig ergiebig.
*
Unerwünschte Wirkungen Wichtigste unerwünschte Wirkungen sind das Auftreten von Blutungen bzw. sekundären Einblutungen und die heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung *
Akute Blutungen. Aortendissektion. Bakterielle Endokarditis. Heparininduzierte Thrombozytopenie in der Vorgeschichte.
* * *
Antikoagulation, siehe jeweilige Produktinformationen. 3
Bewertung Da bei zerebrovaskulären Erkrankungen nach der aktuellen Datenlage keine gesicherten Indikationen bestehen, sollte der Einsatz von Heparin insgesamt zurückhaltend angewandt werden.
*
Therapie empirisch Bei noch unbekanntem Erreger initiale Behadlung mit einer antibiotischen Dreifachkombination (siehe Tab. 1), nach Kulturergebnissen resistenzgerechte Umstellung. Senkung von Temperaturen ≤38°C. Zur Prophylaxe von Thrombosen/Verbrauchskoagulopathie Gabe von 2× 7500 IE Heparin s. c. Ggf. Hirndruckbehandlung (Oberkörperhochlagerung, Osmotherapie). Bei größerer Abszessentwicklung ggf. neurochirurgische Intervention. Sanierung der kardialen Emboliequelle (Klappenersatz).
Prognose Ohne Behandlung meist tödlicher Verlauf, auch bei frühzeitiger Behandlung noch Letalität um 50%. Auch bei Ausheilung häufig bleibende Residuen, persistierende Anfallleiden.
Herdenzephalitis, bakterielle Synonyme Metastatische Herdenzephalitis
Heredopathia atactica polyneuritiformis
Definition 3
Im Rahmen bakteriell-septischer Erkrankungen
Refsum-Erkrankung
Herpes simplex, Enzephalitis Herdenzephalitis, bakterielle. Tab. 1: Vorschlag einer initialen Dreifachkombination bei bakterieller Herdenzephalitis mit noch unbekanntem Erreger Antibiotikum
Dosierung
Penicillin G Gentamicin Oxacillin
4mal 10 Mega-IE/Tag i.V. 3mal 80 mg/Tag i.v.a 4mal 1 g/Tag i.v.
a
Cave N. VIII und Nierenfunktion, ggf. Dosisanpassung!
Therapie empirisch Phytansäurearme Diät plus Vitamine A, C und E soll wirksam sein. Um katabole Zustände zu verhindern, sollte dabei auf eine ausreichende Kalorienzufuhr geachtet werden. Parallel zum Abfall der Phytansäurespiegel tritt eine deutliche Besserung der Ataxie und Neuropathie bis hin zur Normalisierung ein. Die Retinitis und Taubheit wird nicht beeinflusst. Bei lebensgefährlichen Krisen kann eine Plasmapherese versucht werden.
Synonyme
Heroinabhängigkeit, Myelopathie
HMSN Typ 4 nach Dyck
Myelopathie, toxische
Herpes simplex, Enzephalitis Definition Durch das Herpes-simplex-Virus (HSV) hervorgerufene, akut hämorrhagisch-nekrotisierende Enzephalitis. 3
Vorwiegend in Skandinavien und Westeuropa vorkommende, sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, der eine Abbaustörung von Phytansäure in Nervengewebe zugrunde liegt. Diese ist auf eine Mutation des Phytanoyl-CoA-Hydroxylase kodierenden Gens zurückzuführen. Die Phytanoyl-CoA-Hydroxylase wird bei der α-Oxidation der Phytansäure gebraucht.
3
Definition
535
Einleitung
3
Phytansäure im Serum über 0,3 mg/dl bzw. 100 μmol/l. Weitere Differenzialdiagnosen Friedreich-Ataxie.
3
Diagnostik
3
Die Krankheit beginnt in der Kindheit, Jugend oder im frühen Erwachsenealter. Die klinische Diagnose ergibt sich bei Vorliegen der charakteristischen Kombination einer Ataxie, einer sensomotorischen demyelinisierenden Polyneuropathie und einer pigmentäre Retinadegeneration. Ferner können Taubheit, kardiale Arrhythmien und ichthyosisähnliche Hautveränderungen (typischerweise über den Schienbeinen) hinzukommen. Augensymptome und Taubheit sind nur langsam progredient und vom Phytansäurespiegel unabhängig. Bei kataboler Stoffwechsellage kann es zur akuten Verschlechterungen der Neuropathie und Ataxie, der kardialen Symptome und der Hautveränderungen infolge einer Fettmobilisierung mit folgender Freisetzung von Phytansäure kommen.
Inzidenz der HSV-Enzephalitis, die meist durch das HSV Typ 1 hervorgerufen wird, beträgt 0,2–0,4/100.000/Jahr. Bevorzugte Lokalisation der hämorrhagisch-nekrotisierenden Virusenzephalitis (meist linkshemisphärisch früher als rechts) im temporobasalen und frontobasalen Hirngewebe. Pathogenetisch wird neben einer hämatogenen Aussat bei Virämie eine Reaktivierung persistiernder HSV mit neuraler Ausbreitung angenommen. Klinisch hinweisend sind nach einem über wenige Tage andauernden grippalen Prodromalstadium mit Fieber, Kopfschmerzen und Unruhe die Kardinalsymptome der Enzephalitis (psychische Störungen, epileptische Anfälle, neurologische Fokalzeichen, initial überwiegend Wernicke-Aphasie mit leichter sensomotorischer Hemiparese rechts!). 3
Einleitung
Diagnostik * *
Klinik. EEG: Häufig temporaler Herdbefund, Allgemeinveränderung, fokale generalisierte Zeichen der zerebralen Krampfbereitschaft. In
H
3
*
*
*
Herpes simplex, Enzephalitis
prognostisch ungünstigen Stadien multifokale periodische Komplexe. Zerebrale Bildgebung: CCT in den ersten Tagen unauffällig! Ab Tag 4–5 typisch lokalisierte temporo- und frontobasale paramediane Dichteminderungen, die diffus Hämorrhagien aufweisen können (zunächst links- dann rechtshemisphärisch). Nach KM-Gabe Zeichen der Schrankenstörung. Im Verlauf Anschwellung der basalen Zisternen. Im kranialen MRT sind die beschriebene Veränderungen 1–2 Tage eher nachweisbar. Liquor: Üblicherweise lymphozytäre Pleozytose unter 300 Zellen/mm3, leichte Eiweißerhöhung, Zeichen der Blut-LiquorSchrankenstörung, normale Liquor-Glukose. Heute gilt als beweisend der spezifische Nachweis der Virus-DNA im Liquor mittels PCR (Sensitivität von 98%, Spezifität von annähernd 100%) oder Nachweis einer monospezifischen intrathekalen IgG-Synthese gegen HSV-Antigen. Die PCR ist bereits am ersten Krankheitstage positiv, die Antikörperproduktion setzt erst in der zweiten Krankheitswoche ein. Nur in seltenen Fällen mit atypischer Manifestation wird aufgrund der Treffsicherheit der beschriebenen Diagnostik eine Hirnbiopsie erwogen.
Therapie Schon bei Verdacht auf Vorliegen einer HSVEnzephalitis muss eine parenterale Behandlung mit Aciclovir erfolgen! empirisch 1. Therapie der ersten Wahl: Aciclovir (Zovirax®): 3×10 mg/kgKG/die i. v. über 14–21 Tage als Kurzinfusion in 100 ml NaCl (Infusionsdauer 1 Stunde). Cave: Bei Patienten mit Niereninsuffizienz:
siehe Tab. 1 2. Als Therapie der zweiten Wahl (bei Aciclovir-Resistenz oder –Allergie): Arabinosidmonophasphat, Vorläufersubstanz des Aciclovir (Vidarabin®): Einmalige Initialgabe von 10–20 mg/kgKG in 100 ml 5%-Glukoselösung, anschließend 2×6– 8 mg/kgKG für 10–14 Tage. Bei frustranem Therapieverlauf kann ein Versuch mit Foscarnet erforderlich sein: Foscarnet (Foscavir®) 1 ml (enthält 15,4 mg) i. v. 3×60 mg/kgKG/die für 14 Tage. 3. Als adjuvante Therapie, Enzephalitis: Antikonvulsive Behandlung mit Phenytoin (Phenhydan®): 2 Tage Aufdosierung mit 3×250 mg i. v., 3. Tag 3×125 mg i. v., Weiterbehandlung mit 3×100 mg oral mit Serumspiegelkontrollen. Thrombose-Prophylaxe: 3×5000 I.E. Heparin s. c. 3
536
unwirksam/obsolet Kortikosteroide in der Akutbehandlung!
Nachsorge In seltenen Fälle kann sich ein Rezidiv entwickeln und in ein chronisches Entzündungsstadium übergehen. Therapeutisch ist die Wiederholung der genannten Behandlungen sinnvoll, eine Behandlung mit Kortikosteroiden kann erwogen werden.
Bewertung Die PCR kann 3–5 Tage nach Behandlungsbeginn negativ sein, in der dritten Behandlungswoche ist sie dann bei massivem Anstieg der Antikörper negativ. Ein prolongierter Verlauf kann sich schon bei der ersten Liquorpunktion durch eine negative PCR mit Nachweis intrathekaler Antikörper äußern.
3
Herpes simplex, Enzephalitis. Tab. 1: Aciclovirdosierungsintervalle bei Patienten mit HSVEnzephalitis und Niereninsuffizienz Dosierungsintervall
Kreatininclearance
Alle 8 h
>50 ml/min
Alle 12 h
25–50 ml/min
Alle 24 h
10–25 ml/min
Halbierte Dosis alle 24 h
<10 ml/min
Herzschrittmacher
Prognose Unbehandelt Letalität (durch zunehmenden Hirndruck am 10.–14. Tag) bis 80%, durch Einsatz von Aciclovir 20–30%! Residuen, z. B. Restaphasien, epileptische Anfälle in bis zu 50%. 3
Herpes simplex, Myelitis Myelitis, virale
537
Herzrhythmusstörung Synonyme Kardiale Arrhythmie
Definition Störung der Erregungsbildung oder Erregungsleitung des Herzens mit bradykarden bzw. tachykarden Frequenzstörungen oder Abweichung von der Regelmäßigkeit, physiologischen Varianz oder zeitlichen Abfolge der Herzaktionen.
3
Einleitung
Definition Typische Hautmanifestation der Lyme-Borreliose im Stadium III der Infektion. Die Symptomdauer besteht hier meist länger als 6 Monate.
Für die Neurologie sind Herzrhythmusstörungen relevant * als Emboliequelle (stabiles oder intermittierendes Vorhofflimmern), * als Ursache von kardialen und neurokardiogenen Synkopen, * als Ursache von zerebralen Hypoxien im Rahmen von Herz-Kreislaufstillständen, * als Folge von Subarachnoidalblutungen, Hirnstamminfarkten (z. B. bei Wallenberg-Syndrom) oder malignen Hirninfarkten. 3
Herxheimer, Acrodermatitis chronica atrophicans
3
Klinisch finden sich in der Frühphase der Hautmanifestation asymmetrische, meist bläulich-livide Ödeme vor allem an den Streckseiten der Extremitäten, später blasse und atrophische Hautveränderungen mit z. T. papierdünner Haut.
Diagnostik Diagnostik mittels ELISA-Suchtest im Serum, anschließendem Immunoblot als Bestätigungstest ( Borreliose, Neuroborreliose). Der Erreger kann auch mittels PCR aus Hautbiopsien betroffener Hautareale nachgewiesen werden [1]. Eine Liquordiagnostik ist vor allem bei V. a. Neuroborreliose unumgänglich.
3
Einleitung
Diagnostik EKG, Langzeit-EKG, UKG, Kipptischuntersuchung, Herzvarianzanalyse etc.
Therapie Siehe kardiologische Fachliteratur.
Herzschrittmacher Synonyme Pacemaker
3
Therapie
Definition
Therapie der Wahl bei Acrodermatitis chronica atrophicans ist das Amoxicillin 2×1000 mg/die p. o. über 21 Tage. Alternativ oder bei zusätzlicher Neuroborreliose werden eher Cephalosporine der dritten Generation i. v. eingesetzt ( Borreliose, Neuroborreliose).
Künstlicher elektronischer Impulsgenerator zur antibradykarden und antitachykarden Elektrostimulation des Herzens.
3
Literatur 1. Aberer E (1995) The dermatologic spectrum of Lyme borreliosis. Wien Med Wochenschr 145: 165–170.
Grundlagen Man unterscheidet drei verschiedene Schrittmacher-Typen: 1. Antibradykarde Schrittmacher. Indikationen: * Intermittierende oder permanente bradykarde Rhythmusstörungen (Sinusknoten-
H
Herzvitien
Diese Schrittmacher können bei tachykarden
ventrikulären Rhythmusstörungen und bradykarden Rhythmusstörungen mit erhöhtem Risiko für plötzlichen Herztod eingesetzt werden.
Herzvitien Synonyme Herzklappenfehler, Herzfehler, Vitium cordis
Definition Überbegriff über angeborene oder erworbene Herzklappenfehler. Für die zerebrovaskulären Erkrankungen insbesondere relevant als Emboliequellen bei Vorhof- und Ventrikelseptumdefekten (paradoxe Embolien), persistierendem Foramen ovale, Mitralstenose und Klappenveränderungen als Grundlage einer bakteriellen Endokarditis. 3
syndrom, Karotissinussyndrom, Bradyarrythmia absoluta bei VF). * Höhergradige SA- oder AV-Blockierungen: AV-Block II. Grades, Typ Mobitz; SA- oder AV-Block III. Grades, trifaszikulärer Block. * Bradykardiebedingte Herzinsuffizienz. * Hinsichtlich Stimulations- und Detektionsort kann man die Schrittmacher in Ein- und Zweikammer-Schrittmacher unterteilen: Beim Einkammer-Schrittmacher ist der Wahrnehmungs- und Stimulationsort entweder der Ventrikel (VVI, häufigster Typ, Einsatz z. B. bei VF mit Bradyarrythmia) oder der Vorhof (AAI). Der Nachteil beim VVI ist der Verlust der Vorhofsystole und somit eine Verringerung des HZV um ca. 20%. Beim AAI bleibt die Vorhof-Kammer-Kontraktionsfolge erhalten. Der Zweikammer-Schrittmacher (DDD) substituiert bedarfsweise die Reizbildung im Sinusknoten und die AV-Leitung, wodurch es zu einer physiologischen Vorhof-Kammer-Stimulation und - Kontraktion kommt. Generell existieren sowohl für Ein- als auch Zweikammerschrittmacher frequenzadaptive Varianten, die die Stimulationsfrequenz den unterschiedlichen Belastungsanforderungen anpassen (durch biologische Messparameter wie QT-Zeit, Atemfrequenz). 2. Antitachykarde Schrittmacher. * Bei kritischen ventrikulären Tachykardien und Z.n. Kammerflimmern kommen implantierbare Cardioverter Defibrillatoren (ICD) zum Einsatz. Bei Detektion einer Kammertachykardie oder Kammerflattern/-flimmern wird mit niedriger Energie defibrilliert. * Bei supraventrikulären Tachykardien kann der Reentry-Mechanismus durch folgende Stimulation unterbrochen werden: Overdrive Pacing (Stimulationsfrequenz oberhalb der Tachykardiefrequenz), atriale Hochfrequenzstimulation (Konversion von Vorhofflattern), implantierbarer atrialer Defibrillator. 3. Schrittmacher mit antitachykarden und antibradykarden Eigenschaften.
3
538
Einleitung Einteilung in 1. Angeborene Herzvitien: * Azyanotische Herzfehler ohne Shunt (Aortenstenose, Aortenisthmusstenose, Pulmonalstenose). * Primär azyanotische Herzfehler mit überwiegendem Links-Rechts-Shunt (Ventrikel- und Vorhofseptumdefekt, Ductus arteriosus apertus, aortopulmonaler Defekt, Lungenvenenfehlmündung). * Zyanotische Herzfehler mit überwiegendem Rechts-Links-Shunt (Fallot-Tetralogie, Transposition der großen Arterien, Trikuspidalatresie, Linksherzhypoplasie). 2. Erworbene Herzvitien infolge eines rheumatischen Fiebers oder bakterieller Endokarditis: * Mitralklappeninsuffizienz oder - stenose isoliert oder kombiniert mit * Aortenklappeninsuffizienz oder - stenose.
Diagnostik Auskultation, Echokardiographie, Herzkatheter, MRT.
Therapie Siehe kardiologische Fachliteratur.
Hippel-Lindau-Syndrom
Definition Wandbewegungsstörung mit paradoxer systolischer Vorwölbung eines Herzwandanteils, meist postischämisch durch nekrotisches bzw. vernarbtes Infarktareal.
Diagnostik * * *
EKG: indirekter Hinweis durch bleibende ST-Erhöhung (je nach Lokalisation). Echokardiographie, transthorakal und transösophageal. Ventrikulographie: Dyskinesie der Herzwand.
Differenzialdiagnose Der Hexenschuss muss abgegrenzt werden von einer echten radikulären Reiz- oder Ausfallssymptomatik.
Therapie gesichert Die Therapie der akuten Schmerzsymptomatik besteht in der Gabe von Analgetika und Muskelrelaxantien oder/und in lokaler Wärmeanwendung ( Bandscheibenvorfall). Langfristig sollte eine krankengymnastische Haltungsund Bewegungsschulung zur Vermeidung eines Rezidivs oder einer Chronifizierung erfolgen. 3
Herzwandaneurysma
539
H
Therapie
* *
Bei großen Herzwandaneurysmen mit erhöhtem Embolierisiko: orale Antikoagulation. Bei Herzinsuffizienz: Therapie mit ACEHemmern, ggf. Digitalis. Bei Rhythmusstörungen: evtl. Antiarrhythmika.
Bewertung Da Herzwandaneurysmen aus Narbengewebe bestehen, sind Rupturen extrem selten.
Prognose Von der koronaren Grunderkrankung und der Größe (Wahrscheinlichkeit von sekundären Komplikationen) abhängig.
Hippel-Lindau-Syndrom Synonyme Von-Hippel-Lindau-Syndrom (-Erkrankung)
Definition Das Hippel-Lindau-Syndrom ist eine Phakomatose mit autosomal-dominantem Erbgang, die durch kapilläre Hämangioblastome im ZNS und an der Retina, durch klarzellige Nierenzellkarzinome, Phäochromozytome, Pankreastumoren und Neubildungen des Innenohres gekennzeichnet ist [1]. Ursächlich ist eine Keimzellmutation im VHL-Tumorsuppressorgen, das auf Chromosom 3p26 lokalisiert ist [1]. 3
*
Einleitung
Hexenschuss Synonyme Lumbago, Lumbalgie
Definition Meist akut einsetzender, zunächst segmentaler, meist stechender Kreuzschmerz ohne Irritation der Nervenwurzeln.
Die Häufigkeit beträgt ca. 1:40.000. Das kapilläre Hämangioblastom ist ein gutartiger Tumor des ZNS, der dem WHO-Grad I zugeordnet wird [1]. Er tritt überwiegend im Zerebellum, fakultativ auch in allen anderen Lokalisationen des ZNS auf. Er ist in ca. 25% der Fälle mit dem Hippel-Lindau Syndrom assoziiert [1]. Bei Nachweis eines Hämangioblastoms im ZNS wird die Diagnostik auf andere Organmanifestationen empfohlen [2].
Diagnostik Einleitung Die Symptomatik ist oft verbunden mit einer Zwangshaltung, einer Bewegungssperre, einem Muskelhartspann, einem Lähmungsgefühl ohne manifeste Paresen und einem Dornfortsatzdruckschmerz.
Das Hämagioblastom stellt sich im MRT als zystischer Tumor mit soliden, intensiv kontrastmittel-aufnehmenden Anteilen dar. Das HippelLindau-Syndrom wird definiert durch den Nachweis von Hämangioblastomen im ZNS oder in der Retina und durch das Auftreten
Hirayama, spinale Muskelatrophie
Nachsorge Bei Patienten mit gesichertem Hippel-LindauSyndrom, z. B. Mutationsnachweis im VHLGen, werden ab dem 10. Lebensjahr regelmäßige kernspintomographische Untersuchungen des ZNS empfohlen [1].
Prognose Die Prognose hängt von der chirurgischen Kontrolle der Hämangioblastome und in zweiter Linie vom Auftreten von Nierenzellkarzinomen ab [1].
Literatur 1. Böhling T, Plate KH, Haltia MJ, Alitalo K, Neumann HP (2000). von Hippel-Lindau disease and capillary haemgioblastoma. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 223–226. 2. Schlegel U (1998). Gehirntumoren im Rahmen dysgenetischer Syndrome. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 285–290.
Hirayama, spinale Muskelatrophie Muskeldystrophie, Typ Becker
3
Hirnbasisaneurysma Definition Aneurysmen im Bereich der Teilungsstellen der großen Arterien des Circulus areriosus Willisii. 3
Einleitung Hirnbasisaneurysmen finden sich häufig an folgenden Prädilektionsstellen: A. cerebri anterior – A. communicans anterior,
3
empirisch Hämangioblastome werden, wenn möglich, chirurgisch komplett reseziert [2].
3
Therapie
A. carotis interna – A. communicans posterior, Mediabifurkation und Basilarisspitze. In 20% muss mit multiplen Aneurysmen gerechnet werden. Insbesondere die typischen sackförmigen Aneurysmen ( Aneurysma, Typen) neigen zur Ruptur mit konsekutiver Subarachnoidalblutung oder intrazerebralem Hämatom. Klinisch können Aneurysmen auch durch Kompressionssyndrome in Erscheinung treten ( Aneurysma, paralytisches) oder asymptomatisch als Zufallsbefund diagnostiziert werden. 3
einer der anderen o. g. Organmanifestation. Der direkte Nachweis der Genmutation im VHLGen ist möglich [1].
3
540
Hirnbiopsie Synonyme Diagnostische Gewebeentnahme
Definition Man unterscheidet die offene (mit Kraniotomie) und stereotaktische (ohne Trepanation, Gewebeentnahme durch ein kleines Bohrloch im Schädeldach ohne wesentliche Schädigung von Hirnparenchym) Hirnbiopsie. Beides sind obligat diagnostische Verfahren.
Grundlagen Die Indikation zur Hirnbiopsie wird bei Verdacht auf Neoplasien, sowie klinisch unklaren progressiven entzündlichen oder degenerativen Erkrankungen des ZNS gestellt. Je nach Verteilung (diffus, mono- oder multilokulär), Lage (oberflächlich, tief) und Erreichbarkeit des entsprechenden Prozesses wendet man die offene oder stereotaktische Methode an. Die stereotaktische Hirnbiopsie ist hauptsächlich bei der diagnostische Abklärung von neoplastischen Erkrankungen indiziert. Sie kann dabei dem Arzt wichtige Informationen über a) die Natur der Läsion (DD: neoplastisch, granulomatös, infektiös oder vaskulär), b) den Grad der Malignität, c) das Ausmaß der Tumorinfiltration und d) die Frage nach einem Rezidiv geben. Bei Patienten mit erworbenen Immundefizienzsyndrom (AIDS) erlaubt die stereotaktische Hirnbiopsie fokale HIV-assoziierte zerebrale Läsionen zu identifizieren. Mögliche Komplikationen sind Hämorrhagien, Ödembildung
Hirndruck
541
Hirnbasisaneurysma. Tab. 1: Intrazerebrales Hämatom bei Aneurysmablutung – typische Konstellation der Lokalisation von Hämatom und Aneurysma Aneurysmalokalisation
Hämatomlokalisation
Paraophthalmisch
Frontal, frontobasal
Karotisbifurkation
Stammganglien, intraventrikulär
A. cerebri anterior
Interhemisphärisch
Hintere Zirkulation
Intraventrikulär
oder manifeste Parenchymschädigung mit transienter oder permanenter Verschlechterung des klinischen Bildes. Indikationen zur offenen Hirnbiopsie sind selten. Erforderlich wird sie z. B. bei der Diagnosesicherung der isolierten Angiitis des ZNS (IAN) mit leptomeningealer und parenchymatösen Gewebeentnahme. Jede im Rahmen einer Biopsie entnommene Gewebeprobe muss nummeriert, einzeln asserviert und der zerebralen Bildgebung zugeordnet werden. Jede Hirnbiopsie sollte immer eine therapeutische Konsequenz haben! 3
Hirnbiopsie, stereotaktische Definition Nach computerisierter Berechnung von Bilddaten (CT, MRT, ggf. PET) auf einer 3-D-Workstation kann über eine triplanare Zugangsplanung prinzipiell jeder beliebige Eintrittspunkt am Schädel und jeder Zielpunkt im Schädelinneren berechnet werden, der dann mit Hilfe eines fest am knöchernen Schädel angebrachten Sterotaxieringes über eine Stereotaxienadel millimetergenau angesteuert werden kann [1].
Grundlagen Die stereotaktische Hirnbiopsie dient der schonenden Gewebegewinnnung aus diagnostisch unklaren Läsionen und fakultativ der Implantation von lokalen Strahlenquellen, z. B von sogenannten I-125 seeds in neoplastische Läsionen. Sie erlaubt u. U. die Diagnostik (durch neuropathologische Begutachtung am Schnellschnitt) und Einleitung der geeigneten Therapie in einer Sitzung. Sie kann bei kooperativen Patienten in Lokalanäesthesie über ein kleines Bohrloch im Schädel durchgeführt wer-
den, wobei immer eine sogenannte serielle Biopsie durchgeführt wird. Das heißt, mehrere Gewebeproben einer zu biopsierenden Läsion werden „entlang“ eines Biopsietraktes mit einer kleinen Fasszange gewonnen [1]. Die permanente Morbidität liegt in erfahrenen Zentren bei ca. 1%, die Mortalität praktisch bei Null [1].
Literatur 1. Muacevic A, Kreth FW (2001). Bildgeführte stereotaktische Biopsie zerebraler Prozesse. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarkes. Zuckschwerdt, München Bern Wien New York 43–45.
Hirndruck Synonyme Intrakranieller Druck, intracranial pressure (ICP)
Definition Intrakranieller Druck, gemessen mit Hilfe von spezifischen Kathetern oder Druckabnehmern im Hirnventrikel, Epiduralraum, Subarachnoidalraum oder intraparenchymatös.
Grundlagen Das Gehirn ist anatomisch in 4 separaten, aber miteinander kommunizierenden Räumen untergebracht (spinaler Duralsack, hintere Schädelgrube und die beiden durch die Falx cerebri getrennten supratentoriellen Hemisphären). Vom intrakraniellen Volumen entfallen rund 85% auf das viskoelastische Nervengewebe, der Rest auf die physikalisch inkompressiblen Flüssigkeiten Liquor und Blut. Unter normalen Umständen lassen die beiden Engstellen Foramen magnum und Incisura tentorii den Liquor frei passieren und gestatten dadurch einen prompten Druckausgleich inner-
H
Hirninfarkt
10±5 mmHg
Non-REM-Schlaf
12±5 mmHg
REM-Schlaf
15–25 mmHg
Schreien
>20 mmHg
Husten
30–110 mmHg
3
10±5 mmHg
Im Sitzen/Stehen bei Ruhe
Lokalthrombotisch: Ca. 15%. Mikroangiopathie der kleinen subkortikalen Gefäße: Ca. 10–20%. 3. Kardiogene Embolien: Ca. 20–30%: * Durch sog. „major risk“-Emboliequellen ( Hirninfarkt, embolischer). * Durch paradoxe Embolien bei RechtsLinks-Shunt (meist persistierendes Foramen ovale). 4. Seltene Ursachen: Insgesamt unter 5%: * Arterielle Dissektion. * Vaskulitiden. * Gerinnungsstörungen ( Koagulopathien). * Vasospasmus. * Migränöser Hirninfarkt. * Septischer Hirninfarkt. * Stauungsinfarkt bei Thrombose der Hirnvenen oder mechanischem Abflusshindernis. 3
Im Liegen bei Ruhe
*
2.
3
Hirndruck. Tab. 1: Normalwerte von ICP für Erwachsene [1]
3
542
3
3
Diagnostik Bezüglich der ätiologischen Diagnostik: Akuter Hirninfarkt. Für die prognostische Einschätzung und die Rehabilitationsplanung ist eine genaue klinisch-neurologische und neuropsychologische Diagnostik erforderlich. Dabei müssen folgende Kriterien beurteilt werden: * Qualitative und quantitative Beurteilung: Welche Ausfälle? Wie stark ausgeprägt? (Verwendung des NIHSS). * Alltagskompetenz: Beeinträchtigung der körperlichen Selbstversorgung (Verwendung des Barthel-Index), Beeinträchtigung weiterer notwendiger Alltagsfunktionen. * Ggf. berufliche Kompetenz. * Therapeutische Zugänglichkeit (Einschränkung durch Vigilanzminderung, Aggressivität, amnestisches Syndrom etc.). * Möglichkeiten der neuronalen Plastizität (abhängig von Alter, Therapiemotivation, Größe und Lokalisation der Läsionen, z. B. uni- oder bilaterale Läsionen, interindividuelle Unterschiede). * Prognose- und therapieeinschränkende Begleiterkrankungen. * Möglichkeiten der Kompensation (psychosoziales Umfeld, Umschulungsmöglichkeit etc.). 3
1. Aschoff A, Steiner T (1999). Messung von Hirndruck und Perfusionsdruck. In: Schwab, Krieger, Müllges, Hamann, Hacke. Neurologische Intensivmedizin. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York Tokio.
3
Literatur
3
halb des ZNS. Unter pathologischen Bedingungen (Ödem, Herniation) kann die Liquorpassage jederzeit behindert/blockiert werden, was zu Druckgradienten innerhalb des ZNS führen kann. Deshalb müssen gemessene ICP-Daten immer daraufhin überprüft werden, ob die Werte auf ein frei kommunizierendes, hydraulisch einheitliches ZNS verallgemeinert werden können oder nur regional gültig sind. Da der herrschende hydrostatische Druck in Flüssigkeiten von der Höhe der Flüssigkeitssäule abhängt, muss für den ICP stets ein Bezugsniveau definiert werden. Die meisten Autoren messen im Bezug auf die Foramina Monroi.
3
Hirninfarkt
3
Synonyme Ischämische Schlaganfall
Hirnerweichung,
ischämischer
Definition Ischämische Nekrose des Gehirns.
Einleitung Subtypen des ischämischen Schlaganfalls: 1. Makroangiopathie mit Arteriosklerose der großen extra- und intrakraniellen Gefäße: * Hämodynamisch: Ca. 5% der Hirninfarkte. * Arterio-arteriell-embolisch: Ca. 35%. 3
3
Hirninfarkt, akuter (Schlaganfall)
Mortalität des Hirninfarktes: 5–10%. Schlaganfälle insgesamt (davon 80–85% Hirninfarkte) sind die häufigste Ursache für eine Behinderung. Auch Patienten mit vollkommen reversiblen neurologischen Ausfällen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse mit erhöhter Letalität im Vergleich zur altersentsprechenden Normalbevölkerung.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Protektive Wirkung durch * Regelmäßige sportliche Betätigung. * Cholesterinarme Ernährung. * Insgesamt erniedrigtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen durch sog. mediterranen Ernährungsstil mit großem Anteil vege-
Unterteilung des Hirninfarktes nach Schwere und Verlauf: * Transitorisch ischämische Attacke (TIA). * Minor stroke (leichter Schlaganfall). * Major stroke (schwerer Schlaganfall). * Progredienter Hirninfarkt (progressive stroke): Zunahme der neurologischen Symptome im Verlauf. 3
Prognose
3
Die Gesamttherapie des Hirninfarktes erfordert eine funktionierende Versorgungskette von der anzustrebenden Primärprävention über die Akutbehandlung, ätiologische Einordnung mit Einleitung der Sekundärprävention, der stationären und ambulanten Rehablitation bis zur medizinischen, pflegerischen und sozialtherapeutischen Nachsorge.
3
Bewertung
Subtypen des ischämischen Schlaganfalls: * Makroangiopathie mit Arteriosklerose der großen extra- und intrakraniellen Gefäße: – Hämodynamisch: Ca. 5% der Hirninfarkte. – Arterio-arteriell-embolisch: Ca. 35%. – Lokalthrombotisch: Ca. 15%. * Mikroangiopathie der kleinen subkortikalen Gefäße: Ca. 10–20%. – Kardiogene Embolien: Ca. 20–30%. – Durch sog. „major risk“-Emboliequellen ( Hirninfarkt embolischer). – Durch paradoxe Embolien bei RechtsLinks-Shunt (meist persistierendes Foramen ovale). * Seltene Ursachen: Insgesamt unter 5%. – Arterielle Dissektion. – Vaskulitiden. – Gerinnungsstörungen ( Koagulopathien). – Vasospasmus. – Migränöser Hirninfarkt. – Septischer Hirninfarkt. – Venöser Stauungsinfarkt bei Thrombose der Hirnvenen oder mechanischem Abflusshindernis. 3
*
H Einleitung
3
*
Akute ischämische Nekrose des Gehirns.
3
*
Definition
3
*
Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der Sekundärprävention durch spezielle Nachsorgeuntersuchungen z. B.: Duplexsonographische Kontrolluntersuchungen der hirnversorgenden Gefäße. Langzeitblutdruckmessung. Überprüfung der Gerinnungsparameter unter Antikoagulation. Überprüfung der Entzündungsparameter bei Vaskulitis.
Schlaganfall
3
*
Akuter ischämischer
3
Nachsorge
Synonyme
3
*
Hirninfarkt, akuter (Schlaganfall)
3
*
tarischer Nahrungsbestandteile und Meeresfrüchten.
3
*
Bezüglich der Akuttherapie: Akuter Hirninfarkt. Bezüglich Sekundärprävention siehe jeweilige Infarktätiologie Rehabilitationsbehandlung an den funktionellen Defiziten orientiert, meist multidisziplinär (Pflegetherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Neuropsychologie, Logopädie, Sozialpädagogik). Behandlung von Spätkomplikationen wie Spastik, Gelenkkontrakturen. 3
*
3
Therapie
543
Bildgebung: Im Notfall kraniale Computertomographie bzw. Magnetresonanztomographie (T2-, FLAIR-, Diffusions- und Perfusionswichtung). Ätiologische Einordnung durch: * Anamnese: Risikofaktoren, Herzerkrankungen, zerebrovaskuläre Vorereignisse. * Doppler/Duplexsonographie. * Labor: Speziell Gerinnungs- und Entzündungsparameter, ggf. Vaskulitisdiagnostik. * Kardiologische Diagnostik: EKG, LangzeitEKG, transthorakale und transösophageale Echokardiographie. * Ergänzende Untersuchungen: Messung der Reservekapazität, Angiographie, LangzeitBlutdruckmessung.
Therapie Prähospitale Notfallversorgung: * Atemwege freimachen, evtl. Güdel-/Wendeltubus, Sauerstoff 3 l/min, zurückhaltende Indikation für Intubation (cave: Blutdruckabfall). * Blutdruck nicht senken bei Werten bis 220/ 120 mmHg, bei Blutdruckwerten >20 mmHg darüber: Nitro 1–2 Hübe s. l., Urapidil (Ebrantil®) 1:10 verdünnt, fraktioniert i. v. * i. v.-Zugang: Langsame NaCl-Infusion bei normotonen und hypertonen Patienten. * Bei Übelkeit und/oder Brechreiz Antiemese, z. B. Metoclopramid (Paspertin®) i. v. * Lagerung in Kopfmittelposition und mit 30° erhöhtem Oberkörper. * Schneller Transport ins nächstgelegene Krankenhaus, dort rasche Triage in der Nothilfe. gesichert * Konzept der akuten Stroke-Unit-Versorgung: Früher Therapiebeginn mit allen Maßnahmen der Basistherapie (s. u.), intensives Monitoring, rasche Therapie von Komplikationen und frühe Mobilisation.
* *
Systemische Thrombolyse mit rtPA bei hemisphärischen Hirninfarkten innerhalb der ersten 3 Stunden nach onset. Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure 100 mg. Thromboseprophylaxe mit „low dose“-Heparin (z. B. 2×5.000 IE/d).
empirisch Basistherapie im Krankenhaus: * Erhaltung eines hochnormalen Blutdrucks: Keine Blutdrucksenkung, wenn Blutdruck bis 220 mmHg syst. oder 120 mmHg diastol., außer wenn hypertensive Organkomplikationen vorliegen. Behandlung einer Hypotonie <120 mmHg syst. mit Volumengabe, ggf. Katecholamine unter intensivmedizinischer Überwachung. * Sauerstoffzufuhr, Normokapnie anstreben. * Einstellung normoglykämischer Blutzuckerwerte: Zielwert bei Nicht-Diabetikern: <120 mg/dl. Zielwert bei Diabetikern: ≤170 mg/dl (Ausnahme lakunäre Hirnnfarkte). * Kontrollierte Volumentherapie (Herzgröße, Lungenstauung, Dyspnoe, ZVD). * Physikalische Kühlung bzw. Antipyrese bei Temperatur >37,5° C. * Vermeidung von Sekundärkomplikationen: Bei Schluckstörungen ggf. parenterale Ernährung oder Magensonde. Bei Bedarf antiemetische Therapie. Sturzprophylaxe. Behandlung spezieller Schlaganfallsformen: * Lokale Katheterlyse bei Basilaristhrombose. * Kortikosteroide und andere Immunsuppressiva bei Vaskulitis. * Triple-H-Therapie und Nimodipin beim Vasospasmus. 3
Diagnostik
*
3
Veraltet: – Reversibles ischämisches neurologisches Defizit (RIND): Remission innerhalb von 3 Tagen. – Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND): Remission innerhalb von 3 Wochen.
3
*
Hirninfarkt, akuter (Schlaganfall) 3
544
Behandlung akuter Komplikationen: Hirnödem: Oberkörperhochlagerung 30°. Bei sekundärer Verschlechterung CCT ! Falls Ödem Osmotherapie (Mannitol 20% 2–4×125 ml i. v. unter engmaschiger Kontrolle von Serum- und Urinosmolarität, Kreatinin, Harnstoff sowie Elektrolyten). Operative Dekompression mit Duraplastik bei raumfordernden Kleinhirninfarkten und evtl. bei malignen Mediainfarkten (Überwachung auf einer Stroke-Unit oder Intensiv-
*
Hirninfarkt, embolischer
Bewertung Die Wirksamkeit der einzelnen Basistherapiemaßnahmen ist nicht durch kontrollierte Studien belegt, sondern wird aufgrund pathophysiologischer Überlegungen und empirischer Erfahrungen angenommen. Die Gesamtheit der Maßnahmen (Konzept der akuten Stroke-Unit-Versorgung) zeigt eine signifikante Überlegenheit bezüglich Mortalität und funktionellem Outcome.
Prognose Mortalität des Hirninfarktes: 5–10%. Schlaganfälle insgesamt (davon 80–85% Hirninfarkte) sind die häufigste Ursache für eine Behinderung. Auch Patienten mit vollkommen reversiblen neurologischen Ausfällen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse
Einleitung Einteilung nach der Emboliequelle: * Kardiale Emboliequellen. * Arterielle Emboliequellen bei Makroangiopathie: Aortenbogen. A. carotis communis, A. carotis interna, A. vertebralis. * Arterielle Emboliequellen bei Dissektionen oder anderen Verletzungen der hirnversorgenden Arterien. * Arterielle Emboliequellen bei arteriellen Aneurysmen (selten). * Paradoxe Embolien bei (kardialem) RechtsLinks-Shunt (meist persistierendes offenes Foramen ovale).
Diagnostik 1. Bildgebung durch CCT oder MRT: Embolien verursachen typischerweise Territorialinfarkte ( Hirninfarkt, Grenzzoneninfarkt) größerer oder kleinerer Hirnarterien, seltener auch Endstrominfarkte. Eine Bestimmung der Emboliequelle ist durch die 3
*
Hirninfarkt durch einen oder mehrere embolisch bedingte Verschlüsse der hirnversorgenden Arterien.
3
*
Sekundärprävention (Siehe jeweilige Hirninfarktunterformen). Rehabilitation. Spezielle Nachsorgeuntersuchungen, z. B. duplexsonographische Kontrolluntersuchungen der hirnversorgenden Gefäße.
Definition
3
*
Hirnembolie
3
Nachsorge
Synonyme
3
*
Hirninfarkt, embolischer
3
*
H
3
*
Protektive Wirkung durch: * Regelmäßige sportliche Betätigung. * Cholesterinarme Ernährung. * Insgesamt erniedrigtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen durch sog. mediterranen Ernährungsstil mit großem Anteil vegetarischer Nahrungsbestandteile und Meeresfrüchten. * Regelmäßiger Konsum kleiner Alkoholmengen (widersprüchliche Studienergebnisse).
3
*
Antihypertensive Therapie in der Akutphase bei Blutdruckwerten systolisch unter 220 mmHg und diastolisch unter 120 mmHg (außer bei kardialer Dekompensation). Antiödematöse Therapie mit Kortikosteroiden. „Rheologische“ Therapie mit Pentoxyphylin. Neuroprotektive Therapie mit Nimodipin oder Clomethiazol. Therapeutische Antikoagulation bei makroangiopathischen (ohne hochgradige Stenose oder Verschluss der A. carotis) oder mikroangiopathischen Hirninfarkten. 3
*
Diätetik/Lebensgewohnheiten
3
3
unwirksam/obsolet
mit erhöhter Letalität im Vergleich zur altersentsprechenden Normalbevölkerung.
3
*
station). Operative Dekompression ist vor klinischen Zeichen einer Hirnstammkompression bzw. transtentoriellen Einklemmung anzustreben. Antikonvulsiva nach epileptischen Anfällen (Carbamazepin, Epilepsie nach Hirninfarkt).
545
Hirninfarkt, Endstrominfarkt
men ovale, persistierendes; Makroangiopathie
Dissektion oder
3
zerebrale Bildgebung nicht möglich. Spezielle embolische Infarktmuster sind: * Embolischer Verschluss der A. carotis interna: Variable, von der Kollateralversorgung abhängige Infarzierungen im „vorderen“ Stromgebiet. * „Karotis-T-Verschluss“: Embolischer Verschluss der Karotistrifurkation mit Infarkten im Versorgungsgebiet der A. cerebri anterior und A. cerebri media. * Embolischer Verschluss der A. basilaris ( Basilaristhrombose) bei hoher Lokalisation im Sinne einer Basilariskopfthrombose ( „Top of the basilar“-Syndrom). * Bei Ruptur des Embolus an einer Gefäßaufzweigung multiple, meist kleinere Territorialinfarkte. 2. Identifizierung der Emboliequelle: * Duplexsonographie der hirnversorgenden Gefäße (Plaques, hochgradige Stenosen, Dissektionen, Aneurysmen). * Kardiologische Diagnostik: Transthorakale Echokardiographie (intrakardiale Thromben, Mitralstenose, dilatative Kardiomyopathie, Herzwandaneurysmen, akuter Myokardinfarkt). Transösophageale Echokardiographie (Klappenvegetationen, Vorhofmyxom, persistierendes offenes Foramen ovale, Vorhofseptumdefekt, Aortendissektion, Atheromatose der Aorta). EKG und Langzeit-EKG: Vorhofflimmern, intermittierendes Vorhofflimmern. * Detektion paradoxer Embolien durch transkranielle Dopplersonographie nach Injektion eines nicht lungengängigen Ultraschallkontrastmittels (sog. PFO-Diagnostik). 3. Abschätzung der Hirninfarktrisikos: * Durch klinische Wertung des Embolierisikos. * Durch Emboliemonitoring (Detektion kleiner Embolien durch transkranielle Langzeit-Dopplersonographie).
3
546
3
Grundlagen Unterschiedlich große, im Kortex des Großbzw. Kleinhirns und in den Endstromgebieten subkortikaler Arterien wie der A. choroidea anterior, A. choroidea posterior, Aa. lenticulostriatae gelegene Infarkte. Die Ätiologie dieser Hirnfarkte ist meist hämodynamisch (im Sinne der „letzten Wiese“) oder embolisch (kardiogen-embolisch oder arterio-arteriell-embolisch), selten auch lokalthrombotisch. Pathophysiologisch zeichnen sich Endstrominfarkte durch eine fehlende Kollateralversorgung aus. Unter funktionellen Gesichtspunkten müssen auch die lakunären, meist mikroangiopathisch verursachten, Hirninfarkte der langen Marklagerarterien als Endstrominfarkte ohne Kollateralversorgung eingestuft werden. Kortikale Endstrominfarkte des Groß- oder Kleinhirns imponieren meist als keilförmig oder rautenförmig konfigurierte Infarktareale und sind kaum von kleinen embolischen Territorialinfarkten zu unterscheiden. 3
3
3
3
3
3
Hirninfarkt, Grenzzoneninfarkt Synonyme Oft synonym verwendet: Hämodynamischer Hirninfarkt, hämodynamisch bedingter Hirninfarkt 3
3
3
3
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3
3
Definition Ischämie im Grenzareal zweier arterieller Versorgungsgebiete.
Grundlagen Wichtigste Lokalisationen: * „Vordere Grenzzone“ zwischen A. cerebri anterior und A. cerebri media als relativ schmale keilförmige Ischämie frontotempo3
Nachsorge
3
3
Hirninfarkt, kardiogen-embolischer;
Zerebrale Ischämie im distalsten Versorgungsgebiet einer Hirnarterie.
3
3
3
Hirninfarkt, kardiogen-embolischer; Foramen ovale, persistierendes; Dissektion oder Makroangiopathie
Definition
3
3
Therapie
Hirninfarkt, Endstrominfarkt
Fora-
3
Hirninfarkt, hämodynamisch bedingter
3
Ätiologie: Hämodynamische Genese meist bei vorgeschaltetem Strömungshindernis, z. B. hochgradiger Karotisstenose, selten bei systemischer Hypotension, z. B. im Rahmen eines Schocks.
Hirninfarkt, hämodynamisch bedingter Synonyme 3
Hämodynamischer
Hirninfarkt
Definition
* *
Therapie Bezüglich der Akuttherapie der hämodynamisch bedingten Infarkte: Hirninfarkt akuter. Die entscheidende Therapiemaßnahme besteht in der Beseitigung der hämodynamischen Störung: gesichert Thrombendarteriektomie (TEA) bei symptomatischen Carotis-interna-Stenosen >70%. nach Stabilisierung in der Akutphase (s. u.). empirisch *
Zerebrale Ischämie durch Unterschreiten des kritischen zerebralen Perfusionsdruckes, bevorzugt in den distalsten Versorgungsgebieten der Hirnarterien (Endstrombahninfarkte) und in den Grenzzonenarealen, sog. „letzte Wiese“).
Einleitung *
*
Diffuse Grenzzonenischämien bei schwerer systemischer Hypotension mit Zusammenbruch der zerebrovaskulären Autoregulation, z. B. im Rahmen eines Schocks. Umschriebene Grenzzonenischämien bei vorgelagertem hochgradigem Strömungshindernis, meist >90%-Stenose oder Verschluss der hirnversorgenden Arterien (am häufigsten A. carotis interna). Umschriebene Grenzzonenischämien bei vorgelagertem hochgradigem Strömungshindernis und zusätzlicher systemischer Hypotension, z. B. bei ausgeprägter Exsikkose oder inadäquater antihypertensiver Therapie. 3
*
Diagnostik *
*
Bildgebung durch CCT oder MRT: Bzgl. Lokalisation und Konfiguration typische Grenzzoneninfarkte. Untersuchung der hirnversorgenden Arterien durch Doppler-Duplexsonographie,
MR-Angiographie oder digitale Subtraktionsangiographie (DAS). Ggf. Messung der zerebralen Reservekapazität (Dopplersonographie, PET). Kardiovaskuläre Untersuchung bzgl. möglicher Kreislaufdekompensationen, z. B. Herzinsuffizienz. Aortenstenose, Herzrhythmusstörungen.
3
*
ral und sogenannte „hämodynamische Sichel“ kortikal und insbesondere subkortikal hochparietal in der Hirnkonvexität. „Hintere Grenzzone“ zwischen der A. cerebri media und A. cerebri posterior als keilförmiges Infarktareal vom Hinterhorn der Seitenventrikel bis zum Kortex temporookzipital bzw. temporoparietal.
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*
*
*
Stabilisierung der zerebralen Perfusion durch Aufrechterhaltung eines ausreichendes Blutdruckes, inbesondere in der Akutphase durch – Absetzen von blutdrucksenkenden Medikamenten, – Erhöhung des Herzzeitvolumens durch hypervolämische Therapie und ggf. Katecholamine unter Intensivüberwachung, – kardiologische Therapie bzw. Prophylaxe von hämodynamischen Dekompensationen. Bei kleinen (<1–2 cm Durchmesser) Ischämien oder progredienten Infarkten trotz hämodynamischer Therapie ist eine frühe Revaskularisation in der Akutphase zu erwägen. Bei chirurgisch nicht zugänglichen Stenosen oder anderen Kontraindikationen gegen eine Gefäßoperation ggf. endoluminale Angioplastie mit Stenting (derzeit laufende Vergleichsstudien). Externa-Interna-Bypass bei Verschluss der A. carotis interna und reduzierter Reservekapazität.
unwirksam/obsolet Rheologische Therapieformen, z. B. Pentoxifyllin.
H
Hirninfarkt, kardiogen-embolischer
Nachsorge *
*
Nach Revaskularisation Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren und doppler-/duplexsonographische Kontrollen der hirnversorgenden Arterien. Falls keine Revaskularisierung Vermeidung von Blutdruckschwankungen und Akzeptieren von hochnormalen bis erhöhten „Erfordernis“-Blutdruckwerten. 3
Einteilung nach dem Risiko für embolische Ereignisse: * Hohes Risiko („high risk“-Emboliequellen): – Vorhofflimmern (permanent oder intermittierend). – Intrakavitäre Thromben. – Mitralklappenstenose. – Endokarditis. – Vorhofmyxom. – Akuter Myokardinfarkt. – Mechanischer Herzklappenersatz. – Dilatative Kardiomyopathie. – (Thrombosiertes) Herzwandaneurysma. * Niedriges Risiko („low risk“-Emboliequellen): – Aortenstenose. – Mitralklappenprolaps. – Offenes Foramen ovale. – Sick-Sinus-Syndrom. – Koronare Herzerkrankung. – Mitralringverkalkung. 3
Hämodynamische Infarzierungen entstehen häufig zunächst subklinisch bei zunehmenden Stenosen der hirnversorgenden Arterien und imponieren schließlich als dementielles Syndrom ohne wesentliche fokalneurolgische Ausfälle. Entscheidende diagnostische Hinweise sind einseitige oder stark seitenbetonte diffuse, meist subkortikale Ischämieareale und der Nachweis einer hämodynamisch relevanten, ipsilateralen Stenose.
Prognose Bei Stabilisierung der hämodynamischen Situation bei ACI-Stenosen zeigt sich häufig eine funktionelle Verbesserung durch verbesserte Kollateralisation über den Circulus arteriosus Willisii. Die Fähigkeit zur Ausbildung einer entsprechenden Kollateralisierung ist interindividuell sehr unterschiedlich und wird bei Progredienz des vorgeschalteten Strömungshindernisses häufig überfordert.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Einstellung der ( Arteriosklerose).
Risikofaktoren
etc.
3
Hirninfarkt, kardiogenembolischer Synonyme Hirninfarkt
3
Definition Hirninfarkt durch Verschluss einer hirnversorgenden Arterie durch einen Embolus aus dem Herzen. 3
Einleitung Einteilung der kardialen Emboliequellen: * Herzrhythmusstörungen.
3
Bewertung
Kardioembolischer
3
*
*
Pathologische morphologische Veränderungen (Vitien, Herzwandbewegungsstörungen, intrakardiale Raumforderungen). Paradoxe Embolien bei (kardialem) RechtsLinks-Shunt ( Foramen ovale, persistierendes)
Diagnostik 1. Bildgebung (Hirninfarkt, embolischer) 2. Identifizierung der Emboliequelle * Kardiologische Diagnostik: – Transthorakale Echokardiographie (intrakardiale Thromben, Mitralstenose, dilatative Kardiomyopathie, Herzwandaneurysmen, akuter Myokardinfarkt). – Transösophageale Echokardiographie (Klappenvegetationen, Vorhofmyxom, persistierendes offenes Foramen ovale, Vorhofseptumdefekt, Aortendissektion, Atheromatose der Aorta), vor allem innerhalb der ersten 24 Stunden. – EKG und Langzeit-EKG: Vorhofflimmern, intermittierendes Vorhofflimmern. * Detektion paradoxer Embolien durch transkranielle Dopplersonographie nach Injektion eines nicht lungengängigen Ultraschallkontrastmittels (sog. PFO-Diagnostik, Bubbles-Test). 3
548
3
Hirninfarkt, Kleinhirninfarkt
Therapie 1. Therapie des akuten kardiogen embolischen Hirninfarktes: Bezüglich Basistherapie, Thrombolyse und Behandlung von Komplikationen: Akuter Hirninfarkt. Frühe Rezidivprophylaxe kardiogener Embolien: Grundsätzlich gelten - im Gegensatz zur Sekundärprophylaxe nach dem Akutstadium des Hirninfarktes - folgende Überlegungen: * Der verursachende Thrombus ist bereits aus dem Herzen embolisiert. Meist ist daher in der Akutphase nach dem Schlaganfall kein intrakavitärer Thrombus nachweisbar. * In der Akutphase nach dem Schlaganfall ist die Gefahr einer intrazerebralen Blutung durch die zerebrale Nekrose stark erhöht, insbesondere bei großen Hirninfarkten. * Die Gefahr einer kardialen Rezidivembolie liegt zumindest bei Vorhofflimmern in der Akutphase innerhalb der ersten 14 Tage zwischen 5–10%. * In den bisherigen Studien konnte kein Benefit durch eine Behandlung mit niedermolekularen Heparinen in therapeutischer Dosierung bei Vorhofflimmern nachgewiesen werden. * Größere randomisierte Studien mit PTTwirksamer unfraktionierter Heparintherapie existieren nicht. Für eine Antikoagulation beim akuten kardiogen-embolischen Hirninfarkt gelten daher folgende Empfehlungen: 3
*
*
Bei Vorhofflimmern ohne kardiale Begleiterkrankung in den ersten 5–7 Tagen eher keine Antikoagulation (nur „low dose“-Heparinthromboseprophylaxe und 100 mg ASS/d). Bei den anderen „high risk“-Emboliequellen und bei der Kombination mehre-
rer Embolierisiken ist eine Antikoagulation nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung zu vertreten. 2. Sekundärprophylaxe des kardiogen embolischen Hirninfarktes: * Nach der akuten Behandlungsphase des Hirninfarktes sollte bei allen „high risk“Emboliequellen möglichst frühzeitig und konsequent eine (meist) orale Antikoagulation erfolgen. * Falls eine kausale Therapie der Emboliequelle möglich ist, sollte dies unter Antikoagulationsschutz in Zusammenarbeit mit der Kardiologie angestrebt werden, z. B. Kardioversion bei Vorhofflimmern, Rhythmusstabilisierung bei intermittierendem Vorhofflimmern). * Bei Vorhofflimmern ist eine „low dose“Antikoagulation mit einer Ziel-INR von 2–3 durch Studienergebnisse gut abgesichert. * Bei den anderen „high risk“-Emboliequellen besteht bezüglich der Schärfe der Antikoagulation kein Konsens, meist wird jedoch ebenfalls eine Einstellung auf INR 2–3 angestrebt. In Einzelfällen ist eine stärkere Antikoagulation gerechtfertigt. * Für die „low risk“-Emboliequellen ist bei fehlenden größeren kontrollierten Studien zur Sekundärprävention eine generelle Empfehlung nicht möglich. * Bei offenem Foramen ovale ist die Indikationsstellung für eine Antikoagulation von der Größe des Foramen ovales, einem assoziierten Septumaneurysma, von Rezidivereignissen, begleitenden Koagulopathien und erhöhtem Druck im rechten Vorhof, z. B. bei COPD oder Asthma bronchiale, abhängig. 3
3. Abschätzung der Hirninfarktrisikos * Durch klinische Wertung des Embolierisikos. * Durch Emboliemonitoring (Detektion kleiner Embolien durch transkranielle Langzeit-Dopplersonographie). * Ergänzende Diagnostik bzgl. Gerinnungsstörungen und Beinvenenthrombose.
549
Hirninfarkt, Kleinhirninfarkt Synonyme Zerebellärer Hirninfarkt
Definition Ischämie im Kleinhirn.
H
550
Hirninfarkt, lakunärer
Einleitung Einteilung nach dem Versorgungsgebiet: * A. cerebelli inferior (PICA). * A. cerebelli anterior inferior (AICA). * A. cerebelli superior (SCA).
den Kleinhirninfarkten die invasive Therapie unbestritten und möglichst frühzeitig vor sekundärer Hirnstammschädigung oder transtentorieller Einklemmung anzustreben.
Prognose Bei rechtzeitiger Druckentlastung bezüglich des funktionellen Outcomes gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Einteilung nach Ätiologie und klinischem Verlauf: * Nicht raumfordernde Endstrominfarkte, klassische embolische Infarkte. * Raumfordernde Infarkte. Direkte Kompression des Hirnstammes oder Verursachung eines Verschlusshydrozephalus durch Kompression des Aquäduktes bzw. IV. Ventrikels: – Embolisch. – Lokalthrombotisch. – Im Rahmen einer Basilaristhrombose.
Hirninfarkt, akuter
Hirninfarkt, lakunärer Synonyme
3
3
Lakune, small deep infarct, lacunar stroke
Bildgebung durch CCT und MRT (weniger Artefakte durch knöcherne Strukturen, insbesondere im kaudalen Kleinhirnbereich). Ätiologische Einordnung: Hirninfarkt, akuter. 3
Therapie Therapie des nicht raumfordernden Kleinhirninfarktes: Hirninfarkt, akuter. Therapie des raumfordernden Kleinhirninfarktes: 3
gesichert Bei direkter Kompression des Hirnstamms möglichst frühzeitige okzipitale Entlastungskraniektomie und ggf. zusätzliche externe Ventrikeldrainage. Bei Kompression des IV. Ventrikels bzw. des Aquädukts ohne Hirnstammkompression evt. alleinige Ventrikelableitung ausreichend. empirisch Zur Überbrückung bei maligner Druckerhöhung in der hinteren Schädelgrube osmotische Therapie, z. B. Mannitol 20% 100–150 ml über 15 min.
Nachsorge Hirninfarkt, akuter
3
Bewertung Da das klinische Outcome bei isolierten Kleinhirninfarkten häufig gut ist, ist bei raumfordern-
Definition Lakunäre Hirninfarkte sind kleine (Durchmesser maximal 1,5–2 cm) subkortikale Ischämien, die häufig an typischer Stelle (Basalganglien, Thalamus, Marklager, Hirnstamm) auftreten und auf einen mikroangiopathischen Verschluss kleiner sogenannter penetrierender Marklagerarterien oder der Rr. paramedianae und circumferentes im Hirnstamm zurückzuführen sind. 3
Diagnostik
Einleitung Symptomatik: Nach Lokalisation und Größe unterschiedliche klinische Funktionsausfälle * Isolierte Infarkte häufig klinisch stumm. * Bei symptomatischen Infarkten häufig mit „lakunären“ Syndromen vergesellschaftet (prädiktiver Wert der klinischen Diagnosestellung je nach Genauigkeit der Untersuchung und Strenge der Definition zwischen 60 und 95%). Häufige lakunäre Syndrome: * Isolierte motorische Hemiparese (pure motor stroke) bis zur Hemiplegie. * Isolierte Hemihypästhesie (pure sensory stroke). * Isolierte Hemiataxie. * Hemiballismus. * Gemischt sensomotorische Hemiparese (sensory motor stroke). * Motorische Hemiparese mit Hemiataxie.
Hirninfarkt, lakunärer
Die Schwere der neurologischen Defizite reicht von diskreten Sensibilitätsstörungen bis zu kompletten Halbseitenlähmungen, insbesondere bei Lokalisation im Tractus corticospinalis. * Fehlen von kortikalen Symptomen wie Aphasie, Apraxie, Neglekt, Akalkulie usw. * Hemianopsie, Vigilanzminderung, Monoparese oder epileptische Anfälle sind untypisch. * Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) bei multiplem Auftreten mit fließendem Übergang zur vaskulären Demenz. * Bei beidseitigem Auftreten im Thalamus thalamische Demenz oder thalamische Hypersomnie möglich. * Pseudobulbärparalyse bei symmetrischen Läsionen des Tractus corticonuclearis.
* *
*
3
*
3
3 3
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Diagnostik * *
Anamnese und Klinik (spez. lakunäre Syndrome). Bildgebung durch CCT und MRT (T2/ Flair): – Kleine (Durchmesser maximal 1,5–2 cm) subkortikale ischämische Läsionen. – Auch bei persistierenden neurologischen Defiziten (completed stroke) relaliv häufig (ca. 20%) kein erkennbares Korrelat. – Bei Hirnstammläsionen Bildgebung durch MRT. – Frühe diffusionsgewichtete Sequenzen zur Detektion bei passageren mikroangiopathischen Läsionen (im Sinne einer TIA) und Abgrenzung von frischen versus älteren Läsionen. – Bei multiplem Auftreten konfluierender
*
Therapie Akuttherapie: Bei der Therapie der lakunären Infarkte gelten im Wesentlichen die Grundsätze der Schlaganfallsversorgung ( Hirninfarkt). Als spezifische Therapie wird empfohlen: * Vorsichtige Blutzuckereinstellung: Tolerieren von Werten bis ca. 200 mg/dl [1]. * Striktes Vermeiden von hypoglykämischen Stoffwechselentgleisungen. Moderate Hyperglykämie bei Infarkten ohne Kollateralversorgung eher protektiv [2]. 3
Verlauf: * Große Variabilität ohne sichere Verlaufsprädiktoren. * Häufig Onset mit Crescendo-Charakter und klinische Progredienz in den ersten Tagen (ca. 25 %). * Häufig fluktuierender Verlauf. * Auch rasche Remissionen möglich.
ischämischer Läsionen ( Leukoaraiose) oder fleckige subkortikale ischämische Demarkierungen ( Status lacunaris). Vaskuläre Diagnostik, wegen häufiger konkurrierender Mechanismen unerlässlich: Echokardiographie transthorakal (Emboliequellen, hypertensive Linksherz-Hypertrophie), ggf. transösophageal. Doppler-/Duplexsonographische Untersuchungen der extrakraniellen und intrakraniellen Arterien zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer makroangiopathischen Genese (arterio-arterielle Embolien oder lokalthrombotische Abgangsverschlüsse). Transkranielle Doppler-/Duplexsonographie mit indirektem Hinweis auf diffuse Mikroangiopathie bei generalisiert erhöhter Pulsatilität. – Blutdruck: 24-Stunden- Blutdruckmessung (nächtliche Hypertonie) im Intervall nach Akutereignis, ophthalmologische Funduskopie (Fundus hypertonicus). – Diabetes: Blutzuckertagesprofil, HbA1c, orale Glukosetoleranz. – Serumlipide, einschließlich Cholesterindifferenzierung. Untersuchung der Risikofaktoren Labor (bei fehlenden klassischen Risikofaktoren): Homozystein, Lipoprotein (a), Gerinnungsdiagnostik, Vaskulitisparameter (ANA, C3, C4, Cardiolipin-AK etc.). 3
*
Dysarthrie und Ungeschicklichkeit der Hand (dysarthria clumsy hand syndrome). Umschriebene Hirnnervenausfälle, z. B. zentrale Fazialisparese, umschriebene Okulomotorikstörungen, zentral vestibuläre Syndrome.
3
*
551
unwirksam/obsolet Antikoagulation aufgrund des nicht gerinnungsbedingten Gefäßverschlusses (allenfalls als Therapieversuch bei Infarktprogredienz).
Nachsorge 1. Sekundärprävention:
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Hirninfarkt, Linsenkerninfarkt
* *
*
Als Einzelereignis vergleichsweise gute Prognose mit über 70% Restitutio ad integrum oder diskreter Restsymptomatik. Jährliches Schlaganfallsrisiko nach lakunärem Hirninfarkt ca. 6–10%. Bei progredienten Infarkten und speziell bei beidseitig symmetrischem Auftreten in wichtigen Funktionsbereichen (z. B. Thalamus oder Capsula interna) erhebliche Prognoseverschlechterung. Bei multiplen und insbesondere konfluierenden mikroangiopathischen Läsionen häufige Entwicklung einer vaskulären Demenz.
Hirninfarkt, Linsenkerninfarkt Synonyme Infarkt des Nucleus lentiformis
Definition Ischämie im Linsenkern (Putamen und Globus pallidus).
Grundlagen Aufteilung nach Ätiologie: Embolische Hirninfarkte: Durch embolischen Verschluss der versorgenden Äste oder durch passageren Verschluss des Mediahauptstammes. Embolische Infarkte beziehen meist einen Teil der Capsula interna (als sog. striatokapsuläre Infarkte) mit ein. Lakunäre Hirninfarkte (Durchmesser maximal 1,5–2 cm): Mikroangiopathische Genese. Grenzzoneninfarkte ( Hirninfarkt, Grenzzoneninfarkt) (selten) im Grenzzonenbereich der Aa. lenticulostriatae (Versorgung aus dem Mediahauptstamm) und der A. recurrens („Heubner“, aus der A. cerebri anterior). Linsenkerninfarkte (auch bei embolischer Genese) verursachen meist eine motorische Hemiparese, teilweise mit ataktischen Bewegungsstörungen und imponieren somit als lakunäre Syndrome ( lakunäre Hirninfarkte). 3
*
1. Nagi M, Pfefferkorn T, Haberl RL. Blutzucker und Schlaganfall. Nervenarzt 1999; 70:944–949. 2. Bruno A. et al. Acute bood glucose level and outcome from ischemic stroke. Neurology 1999; 52:280–284.
3
Prognose
Literatur
3
Für die Akuttherapie sind weder für die benignen, noch für die progredienten Verlaufsformen gesicherte spezifische Therapiestrategien bekannt.
Regelmäßige sportliche Betätigung mit mindestens 2×/Woche körperlicher Anstrengung über mindestens 30 min ( Hirninfarkt).
3
Bewertung
Diätetik/Lebensgewohnheiten
3
Höchste Priorität: konsequente Reduktion der Risikofaktoren. * Ziel der antihypertensiven Therapie: Erreichen normotoner Blutdruckwerte (<135/90 mmHg bei Nicht-Diabetikern, <130/85 mmHg bei Diabetikern) sowie eines physiologischen Tag-Nacht-Profils mit Vermeiden einer nächtlichen paradoxen Hypertension. * Vermeidung eines Nikotinabusus. * Einstellung des Diabetes mellitus. * Thrombozytenaggregationshemmung (Für Sekundärprävention von lakunären Infarkten keine gesicherte Wirksamkeit; derzeit laufende Studie SPS3.): Konsensusempfehlung: primäre Einstellung auf ASS (100–300 mg/d). Alternativ Ticlopidin (nachgewiesene Wirksamkeit für sog. „kleine Infarkte“ ohne eindeutige Definition lakunärer Infarkte), Kombination aus ASS und retardiertem Dipyridamol oder Clopidogrel. 2. Nachsorge: In halb- bis einjährigen Abständen Überprüfung der Risikofaktoreinstellung, vor allem des Blutdrucks. Bei multiplen lakunären Infarzierungen neuropsychologische Kontrolluntersuchungen (orientierend, z. B. durch Mini Mental State), ggf. CCT-/MRT-Kontrollen zur Detektion einer subklinischen Progredienz.
3
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Hirninfarkt, maligner Synonyme Raumfordernder Hirninfarkt
Definition Hirninfarkt, der durch die Raumforderung zu erhöhtem Hirndruck mit Kompression benach-
Hirninfarkt, maligner
*
Einleitung
Diagnostik Bei gefährdeten Patienten ist ein intensives Monitoring erforderlich. * Die klinisch-neurologische Untersuchung (Vigilanz, Bewegungsschablonen, Pupillomotorik) ist die sensitivste Untersuchung bezüglich früher Zeichen der akuten Hirndrucksteigerung. * Zerebrale Bildgebung, ggf. mit geringen zeitlichen Abständen. * Bei gutem temporalen Knochenfenster und entsprechend qualifizierter Untersuchung ist die Mittellinienverschiebung auch duplexsonographisch detektierbar. * Invasives Monitoring durch intraventrikuläre oder intraparenchymatöse Hirndruckmessung (ICP).
Therapie Die Therapie des malignen Hirninfarktes muss frühzeitig und konsequent erfolgen. Basismaßnahmen: * Sicherstellung eines ungestörten venösen Abflusses durch Vermeiden einer Kompression der Vv. jugulares und durch leichte Oberkörperhochlagerung. * Strikte Vermeidung hirndrucksteigernder „Noxen“ (metabolische Entgleisungen wie
*
*
3
Die Entstehung maligner Hirndrucksteigerungen wird durch große Infarktausdehnung, fehlende Kompensationmöglichkeiten durch hirnatrophisch erweiterte Liquorräume und verstärkte Ödemneigung bei jungen Patienten begünstigt. Das Hirnödem entwickelt sich in den ersten Stunden nach dem Infarktereignis und hat ein Maximum 24–72 Stunden danach, selten auch später. Wesentliche Infarktlokalisationen: * Ausgedehnte Kleinhirninfarkte mit direkter Kompression des Hirnstamms oder Kompression des IV. Ventrikels bzw. des Aquädukts. * Ausgedehnte Infarkte der A. cerebri media oder Kombination von Media- und Anteriorinfarkten gefolgt von cingulärer Herniation unter die Falx cerebri und transtentorieller Herniation mit unkaler Einklemmung.
Hyperglykämie oder Hyponatriämie, Hyperthermie im Rahmen von Infekten etc.). Sicherstellung eines ausreichenden zerebralen Perfusionsdruckes: CPP = Arterieller Mitteldruck – intrakranieller Druck (ICP) >70 mmHg. Bei malignen Kleinhirninfarkten: – Bei direkter Kompression des Hirnstamms möglichst frühzeitige okzipitale Entlastungskraniotomie und ggf. zusätzliche externe Ventrikeldrainage. – Bei Kompression der ableitenden Liquorwege ohne Hirnstammkompression evt. alleinige Ventrikelableitung ausreichend. Bei malignen Hemisphäreninfarkten: – Hemikraniektomie ( Entlastungskraniotomie). – Moderate Hypothermie [1]. – Externe Ventrikelableitung, damit auch interventrikuläre Druckmessung möglich. 3
barter Hirnstrukturen und zur Herniation von Hirngewebe führt. Hohe Mortalität von 50– 80%.
553
Ergänzende Hirndrucktherapie: * Hyperosmolare Therapie durch Mannitol 20% (4–6×100–150 ml über je 15 min, Wirkdauer 4–6 Stunden) oder Glycerol 10% unter Kontrolle der Serumosmolarität bis maximal 325 mosm/l. * Analgosedierung. * Tris-Puffer. * Barbituratnarkose, ggf. mit Relaxierung. Akutintervention: * Hyperosmolare Therapie durch Mannitol 20%. * Hyperventilation.
Bewertung Da die Ödementwicklung bei malignen Hirninfarkte durch konservative Therapie meist nicht zu beherrschen ist, stellen die Entlastungskraniektomien lebensrettende Eingriffe dar (Reduktion der Mortalität in unkontrollierten Serien auf ca. 30% im Vergleich zu retrospektiven Serien). Die Entlastungsoperation sollte bei erkennbarer entsprechender Ödementwicklung frühzeitig, möglichst innerhalb der ersten 24 Stunden, vor (!) klinischen Einklemmungssymptomen erfolgen. Als obere Altersgrenze wird in dem meisten Kliniken ein Alter von ca. 70 Jahren akzeptiert.
Prognose Die Prognose bezüglich des funktionellen Outcomes ist nach Entlastung-Operation sowohl
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3
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Hirninfarkt, migränöser
nach Kleinhirninfarkten als auch nach Hemisphäreninfarkten unabhängig von der Seitenlokalisation relativ gut, verschlechtert sich jedoch mit einer präoperativen Einklemmungssymptomatik erheblich.
Literatur 1. Schwab S, Schwarz S, Bertram M, Spranger M, Hacke W. Moderate hypothermia for the treatment of malignant middle cerebral artery infarct. Nervenarzt Jun 1999; 70 (6):539–46.
in young adults. The Italian National Research Council Study Group on Stroke in the Young. Lancet 347 (9014):1503–6. 2. Chang CL, Donaghy M, Poulter N (1999). Migraine and stroke in young women: casecontrol study. The World Health Organisation Collaborative Study of Cardiovascular Disease and Steroid Hormone Contraception. BMJ 318 (7175):13–8.
Hirninfarkt, progredienter Hirninfarkt, migränöser
progressive stroke, stroke in progression 3
Einleitung Seltene Komplikation einer Migräne, v. a. bei Rauchen und Pillen-Einnahme. Die Migräne ist ein unabhängiger Risikofaktor für Hirninfarkte [1, 2].
Differenzialdiagnose Protrahierte Aura.
Prophylaxe Im Rahmen der allgemeinen Migräneprophylaxe.
Therapie Hirninfarkt, akuter
3
Nachsorge Nach einem migränösen Hirninfarkt ist eine Migräneprohylaxe (z .B. β-Blocker, Flunarinizin) indiziert. Es existieren keine Daten bezüglich einer Risikoreduktion für migränöse Infarkte.
Prognose Von der Infarktlokalisation und - ausdehnung abhängig.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Soweit möglich individuelle Migräneanfallsfrequenz beeinflussen. Kein Nikotin, keine Ovulationshemmer!
Literatur 1. Carolei A, Marini C, De Matteis G (1996). History of migraine and risk of cerebral ischaemia
Definition Hirninfarkt mit Zunahme der neurologischen Symptomatik im Verlauf.
Einleitung Progrediente Schlaganfälle sind bei allen Hirninfarktätiologien möglich mit einer in der Literatur beschriebenen Häufigkeit von 15–35%. Mögliche Ursachen der klinischen Verschlechterung: * Ödembildung mit Kompression der benachbarten Strukturen und evt. Herniation von Hirngewebe. * Zytotoxische Effekte im Rahmen der Gewebsnekose (freie Radikale, exzitatorische Neurotransmitter, postnekrotische Entzündung). * Verschluss weiterer Gefäßabgänge durch Bildung eines Appositionsthrombus. * Massiv ablaufende Apoptosekaskade.
Differenzialdiagnose Nonkonvulsiver fokaler Anfall bei symptomatischer Epilepsie, metabolische Entgleisungen.
Prophylaxe Durchführung der Basistherapie des Hirninfarktes.
akuten
Therapie Es gibt keine gesicherten Therapiestrategien bei progredienten Hirninfarkten. Bei raumfordernden „malignen“ Hirninfarkten Entlastungskraniektomie ( Hirninfarkte, maligne). 3
Migräne
3
Definition Hirninfarkt im Rahmen einer
Synonyme
Hirnmetastase
Therapieversuche bei nicht malignen Hirninfarkten: * Antikoagulation mit intravenösem Heparin oder subkutanem niedermolekularem Heparin/Heparinoid. * Verstärkte Thrombozytenaggregationhemmung (z. B. Clopidogrel + ASS). * Moderate Hypothermie (Körpertemperatur zwischen 32 °C und 34 °C bei analgosedierten Patienten), Normohypothermie bei wachen Patienten (Körpertemperatur zwischen 35 °C und 37 °C). 3
Bei hämodynamisch bedingten Infarkten: * Erhöhung des Herzzeitvolumens und des arteriellen Mitteldruckes durch hypervolämische Therapie bzw. Katecholamine unter Intensivüberwachung. * Beseitigung eines hochgradigen Strömungshindernisses durch TEA oder Angioplastie. unwirksam/obsolet Blutdrucksenkung.
Bewertung Für die dargestellten Therapien existiert kein Wirksamkeitsnachweis oder eine entsprechende Zulassung.
Prognose Progrediente Hirninfarkte haben im Vergleich zu nicht progredienten Hirninfarkten eine deutlich schlechtere Kurzzeit- und Langzeitprognose.
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bar, andere extrazerebrale (z. B. pulmonale Metastasen) sind möglich. Bei einer solitären zerebralen Metastase ist nur die Metastase im Gehirn nachweisbar.
Einleitung Die Erfolge onkologischer Therapie haben durch eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeiten zu einer Zunahme der Inzidenz von Hirnmetastasen geführt. Gegenwärtig „erleben“ etwa 20–40% der Malignompatienten das Auftreten von Hirnmetastasen. Bei etwa 20% der Patienten ist eine symptomatische Hirnmetastase die erste Manifestation einer Tumorerkrankung. Die häufigsten Hirnmetastasen setzen das Bronchialkarzinom (40%), Mammakarzinom (15%), das maligne Melanom (10%), gastrointestinale und urogenitale Tumoren. Die bevorzugte Lokalisation ist subkortikal in den Großhirnhemisphären, aber auch das Kleinhirn und der Hirnstamm können betroffen sein [1].
Diagnostik Die wichtigste und in der Regel einzige erforderliche Untersuchungsmethode zum Nachweis von Zahl, Lokalisation und Ausdehnung der Metastasen ist das Kernspintomogramm [1]. Wenn nicht rasch verfügbare präoperative diagnostische Maßnahmen wie körperliche Untersuchung, CT-Thorax und Abdomen, Mammographie, U-Schall Hoden und Lymphknoten den Primärtumor nachweisen, soll die weitere Diagnostik eine mögliche chirurgische Resektion der zerebralen Metastase nicht verzögern.
Therapie
Hirninfarkt, „small deep infarct“ Hirninfarkt, lakunärer
3
Hirnmetastase Synonyme Zerebrale Metastase
Definition Zerebrale Metastasen sind überwiegend hämatogene Tumorabsiedlungen primär extrazerebraler Tumoren. Bei einer singulären Metastase ist lediglich eine Metastase zerebral nachweis-
In der Behandlung von Hirnmetastasen haben die operative Resektion, die Radiochirurgie, die Ganzhirnbestrahlung und Kortikosteroide einen festen Platz, während die Chemotherapie nur bei bestimmten Tumoren (z. B. Mammkarzinomen, kleinzelligen Bronchialkarzinomen, maligne Melanome) angewendet wird. Steroide führen innerhalb weniger Tage zu einer deutlichen Besserung der neurologischen Symptomatik, da die raumfordernde Wirkung des peritumoralen Ödems häufig größer ist als die der Metastase selbst. Eine Initialtherapie mit z. B. 4×4 mg Dexamethason pro die kann nach Therapieerfolg reduziert und angepasst werden. Die grundsätzliche Therapieentscheidung hängt von klinischen Faktoren ab: Ein Patientenalter unter 70, ein guter klinischer Zustand, eine the-
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556
Hirnmetastase
rapeutisch beherrschte Grunderkrankung, das Vorliegen einer singulären oder einer solitären Metastase und eine prognostizierte Lebenserwartung von mehr als einem halben Jahr sind günstige Praediktoren und sprechen für ein offensives Vorgehen [1]. Zerebrale Anfälle müssen behandelt werden, eine „antiepileptische Prophylaxe“, also eine Medikation ohne bisherige Anfälle ist nicht sinnvoll [2]. gesichert Bei gutem Allgemeinzustand und kontrollierbarem Primärtumor ist die operative Resektion einer singulären Metastase (ggf. bis zu 3 Metastasen) ein etabliertes Therapieverfahren, das mit einer deutlich verlängerten Überlebenszeit und einer verbesserten Lebensqualität im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie einhergeht [3, 4, 5]. Die Ergebnisse vor allem unter dem Einsatz moderner Navigationsverfahren und wenig invasiver Operationstechniken sind gut. Bei Patienten mit unbekanntem Primärtumor dient die Operation nicht nur der Behandlung der lokalen Raumforderung, sondern unterstützt durch Sicherung der Histologie oft auch die Steuerung weiterer gezielter Untersuchungen. Als Alternative zur Operation steht bei Metastasen mit weniger als 3 cm Durchmesser die radiochirurgische Behandlung mit dem Gamma-Knife oder mit dem Linac zur Verfügung. Sie bewirkt eine Zerstörung des Tumorgewebes im Zielgebiet und schont das übrige Hirngewebe, ist aber kein Ersatz für die Ganzhirnbestrahlung. Der Stellenwert der postoperativen Radiotherapie wurde in einer randomisierten Studie von Patchell untersucht: In den beiden Therapiegruppen hatten Patienten nach Operation und Bestrahlung signifikant weniger zerebrale Rezidive als Patienten mit alleiniger Operation, der Unterschied in Bezug auf das Gesamtüberleben war jedoch nicht signifikant [6]. empirisch Die Methode der Wahl ist nach überwiegendem Konsens für die meisten Patienten eine Kombination von lokaler Tumorbehandlung durch Radiochirurgie oder Operation mit einer Ganzhirnbestrahlung von 10×3 Gy oder 20×2 Gy. Damit kann zur Zeit eine mediane Überlebenszeit von 9 bis 12 Monaten erreicht werden [7]. Die interstitielle Brachytherapie wird gegenwärtig weitgehend durch die nicht invasive ste-
reotaktische Radiotherapie ersetzt. Die Wirkung der Chemotherapie bei Hirnmetastasen ist für viele Tumorentitäten bisher nicht überzeugend. Eine Ausnahme machen kleinzellige Bronchialkarzinome, die ebenfalls sehr strahlensensibel sind, und ggf. Mammkarzinome [8]. Bei fehlender Raumforderung ohne drohende Progredienz neurologischer Symptome kann die Chemotherapie vor Einleitung der Strahlentherapie vertreten werden, weil dann die Ansprechraten offensichtlich besser sind [8]. Eine interessante Substanz in der Rezidivsituation ist der Topoisomerasehemmer Topotecan, mit dem passagere Remissionen bei bis zu 50% kleinzelliger Bronchialkarzinome oder Mammakarzinome erzielt werden [8].
Nachsorge Unter Umständen sind die o. g. Therapieverfahren in der fast ausnahmslos eintretenden Rezidivsituation erneut einsetzbar [9, 10]. Sprechen gutes Allgemeinbefinden, Kontrolle der Grunderkrankung und Kontrolle möglicher extrazerebraler Metastasen für solch eine Option, sind engmaschige klinische und ggf. kernspintomographische Kontrollen indiziert, sonst beschränkt sich die neurologische Nachsorge auf die symptomatische Therapie.
Prognose Die mediane Gesamtüberlebenszeit beträgt bei ausschließlich symptomatischer Therapie ca. 1 Monat, bei Einsatz von Steroiden allein ca. 2–3 Monate, nach Ganzhirnbestrahlung ca. 4–5 Monate und nach Operation oder Radioneurochirurgie gefolgt von einer Ganzhirnbestrahlung ca. 8–15 Monate.
Literatur 1. Schlegel, U, Westphal M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 2. Glantz MJ, Cole BF, Forsyth PA et al. (2000) Practice parameter: Anticonvulsant prophylaxis in patients with newly diagnosed brain tumors: Report of the Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 54:1886–1893. 3. Patchell RA, Tibbs PA, Walsh JW et al. (1990). A randomized trial of surgery in the treatment of single metastases to the brain. N Engl J Med 322:494–500. 4. Noordijk EM, Vecht CJ, Haaxma-Reiche H et al. (1990). The choice of treatment of single brain metastasis should be based on extracranial tumor
Hirnödem
Kaudale Hirnnerven werden häufig im Rahmen einer Bulbärparalyse geschädigt. Weitere Läsionsmöglichkeiten sind das Foramen-jugulare-Syndrom mit Läsion der Nerven IX, X, XI, z. B. durch eine Schädelbasisfraktur, eine Thrombose der V. jugularis oder einen Glomus-jugulare-Tumor, das Syndrom des Retropharynx mit Beteiligung der Nerven IX und X und inkomplettem Horner-Syndrom durch retromandibuläre Raumforderungen, das ColletSiccard-Syndrom (Nn. IX, X, XI, XII) durch extrakranielle Tumoren, Knochenprozesse oder Gefäßaffektionen oder schließlich das Garcin-Syndrom (meist alle Hirnnerven einer Seite betroffen) durch infiltrative Tumoren der Schädelbasis, meist aus dem HNO-Bereich. 3
Hirnnerven
Diagnostik 3
activity and age. Int J Radiat Oncol Biol Phys 29:711–717. 5. Bindal RK, Sawaya R, Leavens ME et al. (1993) Surgical treatment of multiple brain metastases. J Neurosurg 79:210–6. 6. Patchell RA, Tibbs PA, Regine WF et al. (1998). Postoperative radiotherapy in the treatment of single metastases to the brain: a randomized trial. JAMA 280:1485–1489. 7. Schoggl A, Kitz K, Reddy M et al. (2000). Defining the role of stereotactic radiosurgery versus microsurgery in the treatment of single brain metastases. Acta Neurochir (Wien) 142:621–626. 8. Korfel A, Thiel E (2000). Chemotherapie zerebraler Metastasen solider Tumoren. Onkologie 6:959–965. 9. Bindal RK, Sawaya R, Leavens ME et al. (1995) Reoperation for recurrent metastatic brain tumors. J Neurosurg 83:600–604. 10. Posner JB (1995). Neurologic complications of cancer. FA Davis, Philadelphia.
557
Therapie Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei den hier meistens vorliegenden tumorösen Prozessen mit infiltrativem Charakter erfolgt häufig eine Strahlen- und Schmerztherapie. Weiteres unter Nervus glossopharyngeus, Läsion; Nervus vagus, Läsion; Nervus accessorius, Läsion; Nervus hypoglossuns, Läsion, Bulbärparalyse. 3
3
3
3
Die 12 Hirnnerven sind für die Weiterleitung der Wahrnehmung der verschiedenen Sinnesmodalitäten zum Hirnstamm sowie für die motorische Innervation von Augen-, Gesichts-, Zungen-, Schlund- und Halsmuskulatur zuständig.
3
Definition
Hirnödem
Grundlagen
Definition
Der Aufbau der Hirnnerven-Neurone entspricht dem der peripheren Nerven. Lediglich die Hirnnerven I und II sind im eigentlichen Sinne keine Hirnnerven, sondern vorgestülpte Hirnanteile. Die Kerngebiete der Hirnnerven III–XII sind im Hirnstamm lokalisiert.
Zunahme des Hirnwassergehaltes mit konsekutiver Expansion des Hirnvolumens.
Hirnnervenparese, kaudale Definition Parese einzelner oder aller kaudaler Hirnnerven (Nn. IX, X, XI, XII).
Einleitung Zur klinischen Symptomatik Nervus glossopharyngeus, Läsion; Nervus vagus, Läsion; Nervus accessorius, Läsion; Nervus hypoglossuns, Läsion.
Grundlagen Beim Hirnödem kommt es je nach Ätiologie zu einer extra- und/oder intrazellulären Flüssigkeitsansammlung des Hirnparenchym, die einen intrakraniellen Druckanstieg verursachen kann. Pathophysiologisch unterscheidet man ein vasogenes von einem zytotoxischen Ödem. Sie können sich in ihrer Wirkung addieren. Dem vasogenen Hirnödem liegt eine Störung der Blut-Hirn-Schranke zugrunde, in erster Linie durch Auflockerung der „tight junctions“. Es kommt zur Einlagerung von eiweißhaltiger Flüssigkeit und Natrium in den Extrazellularraum. Die häufigsten Ursachen sind Hirntraumen und - tumore, Abszesse und Enzephalitiden. Auch vermehrtes intravasales Blutvolu-
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Hirnstamm
men infolge Störung der Autoregulation oder osmotische Störungen, z. B. Hyponatriämie, SIADH, können ein vasogenes Ödem verursachen. Das zytotoxische Hirnödem entsteht durch Störung des zellulären Energiestoffwechsels, der Na/K-ATPase und durch Erhöhung der Permeabilität der Zellmembran (durch exitatorische Transmitter wie Glutamat) für Natrium mit der Folge einer intrazellulären Wassereinlagerung. Ursachen hierfür sind u. a. zerebrale Hypoxie, Intoxikationen, ischämische Insulte und metabolische Störungen.
Hirnstamm
figsten werden sie bei Multipler Sklerose, seltener auch bei raumfordernden bzw. vaskulären Hirnstammprozessen beobachtet, wobei pathologisch-anatomisch Läsionen im Hirnstamm bildgebend nicht immer nachweisbar sind. Während der Anfälle finden sich elektroenzephalographisch keine Auffälligkeiten, das EEG im Intervall ist normal bzw. reflektiert die Grunderkrankung.
Differenzialdiagnose Fokale Dystonien und andere paroxysmale extrapyramidale Bewegungsstörungen, fokale tonische epileptische Anfälle, Strecksynergismen.
Therapie gesichert
Truncus cerebri
Tonische Hirnstammanfälle sprechen gut auf Carbamazepin und Phenytoin an.
Definition
empirisch
Der Hirnstamm ist ein Teil des ZNS, der sich in die drei Abschnitte Medulla oblongata, Pons und das Mesenzephalon gliedert.
Ähnlich wie bei den Antiepileptika Carbamazepin und Phenytoin beruht offensichtlich auch der Effekt von Lidocain (z. B. Xylocain®) und dessen Derivat Mexiletin (Mexitil®, Dosierung: 300–400 mg/d) auf der natriumkanalblockierenden Wirkung [1]. In einer offenen Studie erwies sich auch Gabapentin (Neurontin®, Dosierung: 600–1200 mg/d) als wirksam zur Behandlung schmerzhafter tonischer Hirnstammanfälle bei Multipler Sklerose [2].
Synonyme
Grundlagen Es handelt sich um einen Teil des Gehirns, der während der Embryonalentwicklung von der Chorda dorsalis unterlagert wird und von dem echte periphere Nerven (Hirnnerven) abgehen.
Literatur
Synonyme Paroxysmale tonische Dyskinesien, tonisch-algetische Dyskinesie
Definition Anfall mit unwillkürlicher tonischer Muskelkontraktion meist einer Extremität oder Körperhälfte bei erhaltenem Bewusstsein. Die Sekunden bis Minuten anhaltenden Verkrampfungen treten meist mehrfach pro Tag auf und sind von heftigen Schmerzen begleitet. Sie sind im Einzelfall konstant lokalisiert und können durch äußere Reize (z. B. Bewegung, Berührung) auslösbar sein. Gelegentlich werden auch choreatische, ataktische und sensible Anfallsformen beobachtet. Ätiologisch können verschiedene ZNS-Erkrankungen zugrunde liegen. Am häu-
1. Sakurai M, Kanazawa I (1999). Positive symptoms in multiple sclerosis: Their treatment with sodium channel blockers, lidocaine and mexiletine. J Neurol Sci 162:162–168. 2. Solaro C, Lunardi GL, Capello E, Inglese M, Messmer-Uccelli M, Uccelli A, Mancardi GL (1998). An open-label trial of gabapentin treatment of paroxysmal symptoms in multiple sclerosis patients. Neurology 51:609–611.
Hirnstammenzephalitis (Bickerstaff-Enzephalitis) Definition Ätiologisch ungeklärte Sonderform einer parainfektiösen Enzephalitis mit primärem Befall des Hirnstamms. 3
Hirnstammanfall
Hirntod
Einleitung Im Vordergrund dieser Verlaufsform einer parainfektiösen Enzephalitis, deren Ätiologie ungeklärt ist, steht der Befall des Hirnstammes. Betroffen sind bevorzugt junge Patienten, klinisch entwickeln sich Paresen der motorischen Hirnnerven vom N. oculomotorius bis zum N. hypoglossus abwärts. Atemlähmungen, Störungen der nervalen Herzregulation oder Extremitätenlähmungen sind bislang nicht bekannt. Die Symptomatik entwickelt sich über eine oder mehrere Wochen schleichend progredient, in der Regel kommt es nach wenigen Wochen, selten nach Monaten zu einer vollständigen Restitution. Todesfälle wurden bisher nicht berichtet. In der Rückbildungsphase kann es passager zu einem sich spontan wieder zurückbildenden Parkinson-Syndrom kommen. 3
Diagnostik Enzephalitis. Vereinzelt findet sich im Serum der Nachweis von Anti-GQ1b-IgG-Antikörpern. Im MRT kann in T2-gewichteten Aufnahmen der Nachweis von Läsionen im Hirnstamm gelingen. 3
Therapie Therapieempfehlungen können sich nur auf Fallberichte berufen, sodass bislang nur wenig Daten bekannt sind, Kortikosteroide und Plasmapherese sollen einen günstigen Effekt haben. Gegebenenfalls werden Sekundärinfektionen der Atemwege nach Erstellen eines Resistogramms antibiotisch behandelt.
empirisch *
*
Methylprednisolon (Urbason solubile forte® 1000): 1×1000 mg/die i. v. für drei Tage, anschließend orales Ausschleichen mit 1× 80 mg/die oral und Reduktion um 20 mg/ die alle drei Tage. Zusätzlich Magenschutz, z. B. Trigastril® 3×1/die oral oder Pepdul® 1×20 mg/die i. v. sinnvoll. Plasmapherese.
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Hirnstammschaden, primär traumatischer Definition Hirnstammschädigung, die primär traumatisch (zum Unfallszeitpunkt) verursacht wurde.
Grundlagen Für die posttraumatische Symptomatik mit Bewusstseinsveränderungen bis hin zum Koma und fakultativer fokal-neurologischer Reizund Ausfallserscheinung werden pathogenetisch primäre und sekundäre Hirnschädigungen verantwortlich gemacht. Primäre Hirnschädigungen sind meist Folge einer punktuellen Energieeinwirkung am Kopf (Kontaktverletzungen) sowie einer Be- und Entschleunigung des Kopfes inklusive des massenträgen Gehirns. Hierdurch entstehen Scher-, Zug-, und Druckeinwirkungen auf das Gehirn sowie intrakranielle und intrazerebrale Druckgradienten. Die primäre Schädigung tritt direkt zum Unfallzeitpunkt auf und besteht in Verletzungen der Kopfschwarte, Kalottenfrakturen, Hirnquetschungen oder Kontusionen, intrakraniellen Blutungen oder einer diffusen axonalen Hirnschädigung. Diagnostisch stehen das CCT (v. a. Blutungen) und das MRT (bessere Beurteilung der Hirnstammmorphologie) im Vordergrund.
Hirntod Definition Vollständiger und irreversibler Verlust der Gesamtfunktion des Gehirns unter intensivmedizinischen Bedingungen einschließlich maschineller Beatmung mit dadurch künstlich aufrechterhaltener Herz- und Kreislauffunktion.
Grundlagen Das vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer 1998 in den „Richtlinien zur Feststellung des Hirntods“ festgelegte diagnostische Vorgehen erfolgt gemäß der Ätiopathogenese des Hirntodes in drei Schritten (wird ein äußeres sicheres Todeszeichen festgestellt, so ist damit auch der Hirntod nachgewiesen): 1. Überprüfen der Voraussetzungen: Nachweis einer akuten schweren (primären oder sekundären) Hirnschädigung, Aus-
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Hirudin
schluss von reversiblen Ursachen des Befundes (Intoxikationen oder therapeutische Medikamenteneffekte, primäre Hypothermie, Kreislaufschock, endokrine,metabolische oder entzündliche Erkrankungen als mögliche Ursache). 2. Feststellung der klinische Ausfallsymptome des Gehirns (Feststellung durch 2 Untersucher, die mehrjährige Erfahrung in der Intensivtherapie von Patienten mit Hirnschädigungen haben, und die nicht dem Transplantationsteam angehören): Fehlende Reaktion auf Schmerzreize einschließlich des Trigeminusgebietes, lichtstarre mittel bis maximal weite Pupillen, fehlender okulozephaler Reflex oder fehlender vestibulo-okulärer Reflex, fehlender Kornealreflex, fehlender Pharyngeal- und Trachealreflex, fehlende Spontanatmung. 3. Nachweis der Irreversibilität der klinischen Ausfallsymptome: * Bei primärer supratentorieller Hirnschädigung ab dem 3. Lebensjahr: Klinische Verlaufsbeobachtung von mindestens 12 Stunden oder apparative Zusatzdiagnostik (EEG über 30 min, FAEP, Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes). * Bei sekundärer Hirnschädigung: Klinische Verlaufsbeobachtung für mindestens 72 Stunden oder apparative Zusatzdiagnostik. * Bei primärer infratentorieller Hirnschädigung: Verlaufsbeobachtung von mindestens 12 Stunden und (zwingend) eine apparative Zusatzdiagnostik.
Hirudin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Refludan®.
Wirkungen Hirudin ist der bisher stärkste selektive Hemmstoff des Thrombins, mit dem es im molekularen Verhältnis 1:1 einen inaktiven Enzym-Inhibitor-Komplex bildet. Im Gegensatz zum Heparin ist die Wirkung von Hirudin unabhängig vom Antithrombin III. Die gerinnungshemmende Wirkung des Hirudins kann in vitro und in vivo durch Bestimmung mit herkömmlichen
Gerinnungstests erfasst werden, wobei die Thrombinzeit am empfindlichsten reagiert. Zur Verhinderung von venösen Thromben oder DIC werden vergleichsweise niedrige Hirudin-Dosen benötigt, die Plasmaspiegel liegen bei 0,4–0,6 μg/ml. Dem Heparin überlegen zeigte sich Hirudin auch bei der Verhinderung der Reokklusion nach Thrombolyse oder Angioplastie. Hämorrhagische Effekte, die sich in einer Verlängerung der Blutungszeit ausdrücken, wurden bei Dosen, die zum Erreichen eines antithrombotischen Effekts erforderlich sind, nicht beobachtet. Ebenso wurden in diesem Dosisbereich keine hämodynamischen Veränderungen festgestellt. Hirudin hemmt nicht nur die durch Thrombin katalysierte Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin und die Aktivierung anderer Gerinnungsfaktoren, sondern auch die durch Thrombin induzierten zellulären Effekte, z. B. Aktivierung von Blutplättchen oder Proliferation von Fibroblasten.
Resorption Die enterale Resorption von Hirudin ist vernachlässigbar, da keine therapeutisch effektiven Plasmaspiegel erreicht wurden. Bei s. c. Gabe wird Hirudin nahezu vollständig resorbiert, maximale Plasmaspiegel wurden nach 60–120 min gemessen. Die Pharmakokinetik von Hirudin lässt sich am besten mit einem Zwei-Kompartment-Modell beschreiben. Nach i. v. Applikation erfolgt eine schnelle initiale Verteilung, die Verteilungshalbwertzeit liegt bei 2–14 min. Nach i. v. Applikation setzt die gerinnungshemmende Wirkung, gemessen anhand der Thrombinzeit oder der aPTT, sofort ein und klingt innerhalb von 2–4 h wieder ab. Dauer und Ausmaß der Gerinnungshemmung sind vom Hirudinplasmaspiegel abhängig. Nach s. c. Applikation wird ein langanhaltender gerinnungshemmender Effekt, parallel laufend mit dem Hirudinplasmaspiegel, erreicht. Nach 12 h liegen die Plasmaspiegel im Bereich der Nachweisgrenze, die Gerinnungstests zeigen wieder die Ausgangswerte.
Elimination Hirudin wird durch die Niere ausgeschieden. Innerhalb von 48 h werden 50% der applizierten Hirudin-Dosis in unveränderter Form im Urin ausgeschieden. Die renale Clearance beträgt ca. 90 ml/min. Die Eliminationshalbwertzeit des Hirudins beträgt 0,8–1,3 h. Bei Patien-
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ten mit chronischer Niereninsuffizienz lag sie zwischen 15 und 41 h.
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HIPA-Test (heparininduzierte Plättchenaktivierung). Nachweis der Antikörper im ELISA.
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Anwendungsgebiete Zur kurzfristigen Prophylaxe venöser Thrombosen; Verhinderung der Reokklusion nach Thrombolyse, Angioplastie oder Bypass-Operation; Gerinnungshemmung bei extrakorporaler Zirkulation, Hämodialyse und Hämoperfusion; Unterbrechung einer DIC; Hirudin kann auch bei Patienten mit erworbenem oder angeborenem AT-III-Mangel, mit Heparin-induzierter (HIT) oder sonstiger Thrombozytopenie angewandt werden.
Therapie *
Abbruch der Heparintherapie. Ggf. Umstellung auf eine andere Antikoagulationssubstanz, z. B. Hirudin Lepirudin (Refludan®) oder Danaparoid (Orgaran®) oder orale Antikoagulation. Nur im Notfall bei Blutungen: Thrombozytensubstitution.
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Dosierung und Art der Anwendung 0,01–0,3 mg/kg i. v. oder bis 0,5 mg/kg s. c. applizieren. Bei wiederholter s. c. Gabe von 0,3 mg/kg im Intervall von 12 h über 5 Tage trat keine Kumulation ein.
Unerwünschte Wirkungen Hirudin wurde von Probanden gut toleriert. Antikörper gegen Hirudin wurden auch nach wiederholter Gabe von Hirudin nicht nachgewiesen. Bei Überdosis könnte eine Verlängerung der Blutungszeit auftreten.
HIT
H Hitzschlag Definition Störung der Temperaturregulation nach längerer Exposition bei hohen Temperaturen unter unzureichender Wärmeabgabe.
Einleitung Symptome: * Allgemein: Übelkeit, Tachykardie, evtl. Blutdruckabfall, trockene rote Haut. * Neurologisch: Kopfschmerzen, Vigilanzminderung, Verwirrtheit, fokalneurologische Störungen wie Ataxie oder Paresen.
Definition Heparininduzierte Thrombozytopenie
Diagnostik
Einleitung
Anamnese, Messung der Körpertemperatur (>40 °C).
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Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ I (Inzidenz 2–20%): Milde Thrombozytopenie (>100.000/µl), ausgelöst durch direkte Plättchenaggregation innerhalb der ersten Tage nach Therapiebeginn. Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II (Inzidenz 1–3%): Meist ausgeprägte Thrombozytopenie (<50.000/µl oder >40%iger Abfall vom Ausgangswert) durch Antikörperbildung gegen Plättchenfaktor-4-Komplex. Gefahr von arteriellen und venösen Thrombosen oder Embolien.
Diagnostik *
Regelmäßige Blutbildkontrollen unter Heparintherapie zur frühzeitigen Erkennung.
Therapie *
Sofortige Entfernung aus der Wärmeexposition. Kühlen der Haut durch kalte Umschläge. Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Sauerstoffinhalation. Ggf. Beatmung.
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AIDS („acquired immunodeficiency virus“)
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HMG-Coenzym-A-Reduktasehemmer
HMG-Coenzym-A-Reduktasehemmer Synonyme
Die bei KHK-Patienten ebenfalls beobachtete Senkung der zerebrovaskulären Morbidität wird derzeit bezüglich einer Sekundärprävention nach Schlaganfall überprüft (SPARCL-Studie).
Statine, Cholesterin-Synthetasehemmer, Cholesterin-Synthese-(„Enzym“)-Hemmer, CSEHemmer 3
Orale Applikation als Tabletten und Kompretten.
HMSN (hereditäre motorische und sensible Neuropathie) 3
Zubereitungen
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Wirkungen Senkung des Cholesterins und insbesondere der LDL-Fraktion durch Hemmung der HMG-Coenzym-A-Reduktase. Begleiteffekte: Milde antihypertensive Wirkung, in neueren Studien antiinflammatorische Wirkung.
HNPP (hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckparesen, tomakulöse Neuropathie) 3
Atorvastatin (Sortis®), Fluvastatin (Cranoc®, Locol®), Lovastatin (Mevinacor®), Pravastatin (Pravasin®, Liprevil®), Simvastation (Zocor®).
Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN)
Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Druckparesen (HNPP, tomakulöse Neuropathie)
Pharmakologische Daten Siehe Produktinformationen. Darreichung je nach Präparat, Metabolisierung z. T. über P450.
Anwendungsgebiete *
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Hypercholesterinämie (LDL >190 mg/dl), insbesondere bei weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren. Sekundärprävention der KHK auch bei normalen Cholesterin- und LDL-Werten (Empfehlung: LDL <100 mg/dl).
Hoffmann-Syndrom Synonyme Hypothyreote Myopathie
Definition Hoffmann-Syndrom: Hypothyreote Myopathie des Erwachsenenalters. Kocher-Debré-Semelaigne-Syndrom: Hypothyreote Myopathie des Kindesalters.
Unerwünschte Wirkungen
Einleitung
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Klinisch bestehen Paresen der Becken- und Oberschenkelmuskulatur, seltener des Schultergürtels oder auch distaler Muskelgruppen. Nicht selten finden sich belastungsabhängige Myalgien, eine Verlangsamung von Kontraktion und Relaxation, Muskelsteifigkeit und Krampi. Teilweise kann auf Beklopfen der Muskulatur eine Wulstbildung ausgelöst werden. Atrophien sind nicht typisch. Zusätzlich zu den Muskelsymptomen dürfen Symptome der Hypothyreose erwartet werden, also allgemeine Verlangsamung, Müdigkeit, Bradykardie, Ödemneigung, Kälteempfindlichkeit,
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Am häufigsten Muskelschmerzen, teilweise CK-Erhöhung bis zur Rhabdomyolyse, insbesondere bei Kombination mit anderen Medikamenten (Siehe Produktinformationen). Leberfunktionsstörungen.
Bewertung Durch die Primär- (bei Hypercholesterinämie) und Sekundärprävention mit Statinen konnte in mehreren Studien eine Senkung der Mortalität und Verringerung des kardivaskulären Risikos nachgewiesen werden.
Höhenschwindel
Kopfschmerzen sowie trockene, blasse, verdickte Haut.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie (myopathische Muskelaktionspotentiale). T3, T4, TSH.
Therapie Behandlung der Hypothyreose.
Prognose Gut.
Hoffmann-Tinel-Zeichen Synonyme Hoffmann-Tinel-Klopfzeichen
Definition Bei positivem Hoffmann-Tinel-Zeichen kommt es beim Beklopfen eines peripheren Nervenstammes mit dem Finger zu Paraesthesien distal im sensiblen Versorgungsgebiet dieses Nerven.
Einleitung Das Hoffmann-Tinel-Zeichen ist im Bereich von Nervenläsionen positiv, so z. B. an der Verletzungsstelle nach traumatischer Kontinuitätsunterbrechung von Axonen oder in Regionen einer chronischen Druckschädigung wie beim Karpaltunnelsyndrom (CTS) oder beim Sulcus-ulnaris-Syndrom. Das HoffmannTinel-Zeichen wird aber auch als Hinweis auf eine Nervenregeneration verwendet. Es ist im Verlauf an der Stelle der am weitesten nach distal bereits ausgewachsenen Axone positiv, evtl. auch weiter proximal bei noch ungenügend myelinisierten Axonen.
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Höhenkopfschmerz Definition Innerhalb von 24 h nach Aufstieg in Höhen über 3000 m auftretender Kopfschmerz, verbunden mit mindestens einem der folgenden Begleitsymptome: Cheyne-Stokes-Atmung während der Nacht, Bedürfnis nach Mehratmung, Belastungsdyspnoe.
Einleitung Lokalisation meist bifrontal, gelegentlich auch einseitig, begleitend können Übelkeit, Erbrechen, Schwindel oder Sehstörungen auftreten. Auftreten typischerweise beim Bergsteigen oder im Flugzeug. Ursächlich ist wahrscheinlich nicht alleine die Hypoxie, sondern auch Muskelanspannung, Flüssigkeits- und Elektrolytverlust sowie möglicherweise ein Hirnödem.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch müssen insbesondere Kopfschmerzen bei Nasen-/ Nasennebenhöhlenerkrankungen, Kopfschmerzen durch körperliche Anstrengung, Spannungskopfschmerz und Migräne abgegrenzt werden.
Therapie empirisch Ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr. Pharmakologisch konnte eine Wirksamkeit von Acetazolamid (500 mg/die, Diamox®) oder von Kortikosteroiden (als Kurzzeitgabe) gezeigt werden.
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Höhenschwindel Definition Der Höhenschwindel stellt eine physiologische Form des Schwindels dar, wobei es durch den Wegfall von visuellen Fixationspunkten zur Schwindelwahrnehmung kommt.
3
Prognose
Einleitung
Das positive Hoffmann-Tinel-Zeichen distal der Verletzungsstelle wird als prognostisch günstiges Zeichen für eine beginnende Reinnervation gewertet. Da es sich nur auf die sensiblen Fasern bezieht, ist es nicht immer zuverlässig und kann auch bei vollständig ausbleibender Restitution der motorischen Fasern positiv sein.
Die Verarbeitung der Bewegungswahrnehmung und - kontrolle erfolgt durch drei sensorische Systeme: Informationen über Körperposition und Bewegungsgeschwindigkeiten werden über das Gleichgewichtsorgan übermittelt. Die resultierenden elektrischen Impulse führen über den N. vestibularis zur Stabilisierung der
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Holmes-Tremor
Augen (vestibulookulärer Reflex) und der Kopf- und Körperposition (vestibulospinaler Reflex) Visuelle Impulse werden mit den Informationen aus dem Vestibularorgan sowie dem sensiblen Input von Nacken und Extremitäten abgeglichen, verarbeitet und bei der Bewegungskontrolle berücksichtigt. Die sensiblen Informationen stammen von den Propriozeptoren der Muskulatur und der Gelenke, welche für die Wahrnehmung von Körperposition, Stellung und Bewegung zuständig sind. Die zentrale Integration der Informationen erfolgt im Hirnstamm, im Kleinhirn und über dessen Verschaltung im Großhirn. Es kommt zur Schwindelwahrnehmung, sobald auch nur eine Teilkomponente dieses komplexen Systems gestört ist.
Differenzialdiagnose Durch die Anamnese kann bereits die Diagnose eines physiologische Höhenschwindels gestellt werden. Wichtig ist die Abgrenzung zum Pseudovertigo und/oder phobischen Schwindel, etwa bei Höhenangst. Leitsymptom des echten Schwindels ist die Wahrnehmung einer nicht vorhandenen Bewegung entweder der Umwelt oder der eigenen Person!
Therapie Sofern eine Therapie durch den Patienten gewünscht wird, z. B. bei zu ausgeprägter Einschränkung des täglichen Lebens, kann auf verhaltenstherapeutische Konzepte (operantes Konditionieren, Stimuluskontrolle, Entspannungsverfahren) zurückgegriffen werden.
Holmes-Tremor Synonyme Rubraler Tremor, Mittelhirntremor, Bindegliedtremor und thalamischer Tremor; Myorhythmie, Benedikt-Syndrom
Definition Das gut charakterisierte Syndrom eines niederfrequenteren (>4 Hz) grobschlägigen Ruhetremors in Kombination mit einem Intentions- und Haltetremor, das häufig mit einer Latenz von Wochen bis Jahren nach einer Hirnschädigung auftritt, wird neuerdings als Holmes-Tremor
( Tremor, zerebellarer) bezeichnet, um topographische Implikationen zu vermeiden. 3
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Holoprosenzephalie Synonyme HPE
Definition Die Holoprosenzephalie ist die häufigste sich klinisch darstellende Form einer gestörten ventralen Induktion (Mittellinienfehlbildung). Sie wird in die alobare Holoprosenzephalopathie oder Prosenzephalopathie, in die semilobare und lobare Holoprosenzephalopathie unterteilt.
Einleitung Die Mittellinienfehlbildungen sind auf eine fehlende Induktion der drei Keimblätter am 23. Tag nach der Konzeption zurückzuführen. Bei der alobaren Holoprosenzephalie wird das zu kleine Vorderhirn nicht geteilt und die Thalami sind über der Mittellinie fusioniert, während Kleinhirn und Hirnstamm aber ausreichend entwickelt sind. Bei der semilobaren Form sind zwei Hemisphären und ein posteriorer Anteil vorhanden, allerdings werden die Hemisphären des Vorderhirns durch abnorme Strukturen verbunden. Ein normal ausgebildetes Corpus callosum gibt es nicht. Am häufigsten ist die lobare Form, bei der nur der Frontallappen betroffen ist. Bei allen Formen der Holoprosenzephalie bestehen meist Mikrozephalie und assoziierte Missbildungen, wie z. B. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder Augenfehlbildungen, z. B. in Form einer Zyklopie. Es kommen aber auch Kalottenfehlbildungen, angeborene Herzfehler, Malrotationssyndrome des Darmes und Polydaktylien vor. Verschiedene chromosomale Aberrationen können mit einer Holoprosenzephalie assoziiert sein. Bislang sind 5 Genloci für die Holoprosenzephalie bekannt: HPE1 (Chrom. 21q22.3, OMIM: *236100), HPE2 (Chrom. 2p21, OMIM: *142946), HPE3 (Chrom. 7q36, OMIM: *142945), HPE4 (Chrom. 18p11.3, OMIM: *157170), HPE5 (Chrom. 13q32, OMIM: *603073).
Horner-Syndrom
Synonyme Homozystein, Hyperzysteinämie
Definition Homozystein ist Metabolit der essentiellen Aminosäure Methionin. Bei erhöhten Homozysteinwerten im peripheren Blut spricht man von einer Hyperhomozysteinämie. 3
Homozystinurie Definition Autosomal-rezessiv vererbte Störung des Aminosäurestoffwechsels durch Defekt der Zystathioninsynthetase mit Anhäufung von Homozystin und Methionin.
Einleitung Klinisch imponieren bei der homozygoten Form eine geistige Entwicklungsstörung, Okulo-, Vaskulo- und Osteopathie (Häufigkeit 1:80.000).
Diagnostik Nachweis erhöhter Methionin und Homozystinspiegel in Blut und Urin.
Grundlagen Auditorische Stimuli werden durch den äußeren Gehörgang über das Trommelfell und die Gehörknöchelchenkette zum Innenohr geleitet. Je nach Lokalisation einer vorliegenden Schädigung unterscheidet man eine Leitungs- und Innenohrschwerhörigkeit. Vom Innenohr aus erfolgt die Hörleitung zum Nucleus cochlearis der Pons und dann bilateral zur Hirnrinde mit Kerngebieten im Bereich des Colliculus inferior, Corpus geniculatum mediale des Thalamus und der Hörrinde des Temporallappens. Die Anzahl der Neuronen der zentralen Hörbahn ist deutlich höher als jene im Bereich des Innenohres; deswegen und wegen der bilateralen Projektionen sind bilaterale sensineurale Hörstörungen meist durch Erkrankungen des Innenohres bestimmt (Innenohrschwerhörigkeit), Schädigungen der zentralen Hörbahn bedingen meist selektive Defizite (z. B. Probleme bei der Lokalisation von Lauten bei der MS). Innerhalb des Corti-Organs sind die Neuronenzellen frequenzspezifisch angeordnet. So werden beispielsweise hohe Frequenzen am basalen Ende der Cochlea und niedrige Frequenzen apikal übermittelt. Dies erklärt, warum bei bestimmten Innenohrerkrankungen einzelne Frequenzbereiche überwiegend oder ausschließlich betroffen sein können.
Hören/Hörorgan, Tinnitus Tinnitus,
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Homozystein, Hyperhomozysteinämie
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Schwerhörigkeit
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Therapie Diät mit geringem Methioninanteil, zusätzlich Gabe von Zystein und Folsäure.
Horner-Syndrom Definition
Hören/Hörorgan Synonyme Corti-Spiralorgan, Corti-Organ
Definition Das Hörorgan auf der Basilarmembran der zweieinhalb Windungen der Cochlea besteht aus neuroepithelialen Haarzellen und wandelt mechanisch übermittelte akustische Reize in Nervenimpulse um.
Das Horner-Syndrom kommt durch eine Störung der sympathischen Innervation des Auges durch Läsionen von Hirnstamm, Rückenmark, Ganglion stellatum, Läsionen im Supraklavikularraum und des Karotisplexus entlang der A. carotis externa bis zum Eintritt in den Sinus cavernosus zustande.
Einleitung Klinisch äußert sich das Syndrom in der Kombination von Miose und Ptosis. Beide Symptome sind mäßiggradig ausgeprägt; so überdeckt
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Hörsturz
das hängende Lid niemals die Sehachse. Beim Horner-Syndrom besteht kein Enophthalmus: Dieser wird durch die Parese des M. tarsalis inferior vorgetäuscht, da infolgedessen das Unterlid der betroffenen Seite etwas höher steht und die Lidspalte verengt („upside-down-ptosis“). Bei der kongenitalen Form fehlt die emotionale und thermoregulatorische Gesichtsrötung der Babys und Kleinkinder auf der betroffenen Seite (Harlekin-Zeichen). Ursächlich ist häufig eine inkomplette Armplexusparese (KlumpkeLähmung) nach der Geburt, seltener ist eine Karotisthrombose oder ein Neuroblastom. Mit Hilfe der pharmakologischen Augenprüfung durch 4%ige Kokaintropfen lässt sich die Diagnose bestätigen. Kokain verhindert die Wiederaufnahme von Noradrenalin (Norepinephrin) und führt somit zu einer erhöhten Konzentration an den adrenergen Rezeptoren des M. dilatotor pupillae. Sind die sympathischen Leitungsbahnen unterbrochen, kommt es nicht zur Akkumulierung von Norepinephrin und die Pupille bleibt bei einem Horner-Syndrom eng. Beim gesunden Auge hält die Kokainwirkung 24 h an. Es sollten nicht mehr als 2 Tropfen pro Auge verabreicht werden. Die Lokalisation der Läsion kann mit Hilfe von Pholedrin-Augentropfen überprüft werden. Pholedrin, das chemisch dem Hydroxyamphetamin ähnlich ist, wirkt über die Freisetzung von Katecholaminen an intakten Nervenendigungen. So ist bei zentralen und präganglionären Läsionen des Sympathikus die Dilatation erhalten, nicht aber beim postganglionären Horner-Syndrom. Eine Hyperaktivität der postganglionären Denervierung läßt sich durch Applikation von Phenylephrin-Augentropfen (z. B. VisadronAugentropfen) nachweisen. Insgesamt ist bei der pharmakologischen Prüfung zu beachten: * Große interindividuelle Variabilität * Beeinflussung durch psychische Verfassung * Langsamer Wirkungseintritt und längerer Effekt bei stark pigmentierter Iris * Immer bilateral prüfen * Keine Prüfung nach Tonometrie, Kornealreflexprüfung, Anwendung eines Lokalanästhetikums oder bei Kontaktlinsenträgern * Mindestens ein Tag Pause zwischen zwei Prüfungen
Differenzialdiagnose Beim Vorliegen einer vollständige Ptose ist eher an eine Läsion des N. oculomotorius zu denken, der den M. levator palpebrae versorgt. Die Fehldiagnose Konjunktivitis sollte bei einer Hyperämie der Konjunktiven und Lider aufgrund der überschießenden parasympathischen Innervation der ipsilateralen Blutgefäße vermieden werden.
Therapie Die Behandlung des Horner-Syndroms richtet sich nach der zugrundeliegenden Erkrankung.
Hörsturz Definition Der Hörsturz bezeichnet eine ohne erkennbare Ursache plötzliche auftretende Schallempfindungsschwerhörigkeit oder Ertaubung, meist einseitig. Assoziiert sein können Ohrgeräusche (90%), Druckgefühl im Ohr (50%), Schwindel (30%) oder Diplakusis (15%).
Diagnostik Notwendige Untersuchungen sind: 1. Erhebung des HNO-Status 2. Otologische Spiegelung 3. Hörprüfung (Stimmgabel, Audiogramm, Sprachaudiogramm, recruitment-Messung, Tympanometrie) 4. BERA, Stapediusreflex (cave: Lärmbelastung bei akutem Ereignis erst nach einer Woche) 5. Gleichgewichtspüfung Im Einzelfall nützliche Untersuchungen sind: 1. Evozierte otoakustische Emissionen 2. Serologie (HIV, Neurotrope Viren) 3. Blutdruck, Blutbild, Diff-BB, BSG 4. Bildgebung (konventionell, CT, MRT) 5. Elektronystagmographie 6. Neurosonologie Interdisziplinäre Begutachtung (HNO, Neurologie, Innere Medizin).
Therapie Konservativ 1. Stressabbau, Kreislaufstabilisierung 2. Infusionstherapie z. B. mit Rheologika
Huntington-Chorea, Huntington-Krankheit
3. Glukokortikoide in absteigender Dosierung. Orale Therapie mit z. B. durchblutungsfördernden Substanzen 4. Weitere adjuvante Therapiemöglichkeiten: hyperbare Sauerstofftherapie (Wirksamkeit wird unterschiedlich beurteilt), physikalische Behandlung der Halswirbelsäule, Psychotherapie Operationsindikationen Sofortige komplette Ertaubung oder Verdacht auf Ruptur der runden Fenstermembran, z. B. bei Hörsturz mit Schwindel nach schwerer körperlicher Belastung, nach Baro-Trauma, evtl. bei fluktuierendem Gehör (Tympanoskopie und z. B. Abdichten der runden Fenstermembran). Grundsätzlich sollte eine konservative Therapie ambulant in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung und von der subjektiven Beeinträchtigung der Patienten erfolgen [1].
Literatur 1. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für HNOHeilkunde, HNO-Mitteilungen 5/96, 46. Jg. September 1996; Beilage Leitlinien S. 7f, Überarbeitung Juni 2001.
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zur Neuralgie können Adduktorenspasmen vorkommen.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch muss an ähnliche Schmerzsyndrome wie aseptische Nekrosen von Symphyse oder unterem Schambeinast (Musculus-gracilis-Syndrom) oder an Plexusläsionen gedacht werden [1].
Therapie Zunächst sollte eine spezifische Therapie behandelbarer Ursachen der Erkrankung erfolgen. Als symptomatische Therapie kann eine lokale Injektionsserie mit 5%igem Carbostesin, evtl. in Kombination mit Methylprednisolon, erfolgen [2].
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York. 2. Scheglmann K, Gierer S, Gierer S, Stöhr M (1999) Läsionen peripherer Nerven. In: Berlit P (Hrsg) Klinische Neurologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, S 313–351.
HSAN (hereditäre sensible und autonome Neuropathie)
„Hotdog“-Syndrom
3
Kopfschmerz, Nitrat-/Nitritkopfschmerz
3
Howship-Romberg-Phänomen
Neuropathie, hereditäre sensible und autonome
HTLV 1 („human T-lymphotropicvirus type 1“)
Synonyme Obturatoriusneuralgie
Definition
Definition
Erreger der tropischen spastischen Paraparese ( Paraparese, tropische spastische). 3
Neuralgie des N. obturatorius mit Schmerzen im sensiblen Versorgungsgebiet an der distalen, medialen Oberschenkelseite und häufig auch im Kniegelenk.
Huntington-Chorea, HuntingtonKrankheit
Einleitung Synonyme Chorea. Der präzisere Begriff ist die Huntington-Krankheit (HK), da die Chorea im Langzeitverlauf nicht das bestimmende Symptom darstellt. 3
Schmerzsyndrom, das durch ständige Reizung des N. obturatorius zustande kommt, z. B. verursacht durch Narbengewebe, eine Ostitis pubis oder auch eine Obturatoriushernie ( Hernie/ Herniation, Obturatoriushernie) [1]. Begleitend
H
3
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Huntington-Chorea, Huntington-Krankheit
Definition Die Huntington-Krankheit (HK) ist eine nach dem amerikanischen Arzt George Huntington benannte degenerative autosomal-dominante Hirnerkrankung, genetisch eine sogenannte Trinukleotiderkrankung mit vollständiger Penetranz, aber unterschiedlicher Expressivität, die durch ein verändertes Gen verursacht wird. Es handelt sich um ein ungefähr 210 kb großes Gen (IT15), das ein als Huntingtin bezeichnetes Protein mit einer Länge von 3144 Aminosäuren kodiert. Das Huntington-Krankheit-Gen weist eine polymorphe (CAG)n-Trinukleotid-Sequenz (Cytosin-Adenin-Guanidin) auf. Während in der Normalbevölkerung zwischen 11 und 24 (durchschnittlich 17) dieser CAGTrinukleotid-Wiederholungen auftreten, ist auf dem HK-Chromosom die Zahl der Wiederholungen pathologisch erhöht (42–86 CAG-Wiederholungen).
Einleitung Die HK ist gekennzeichnet, zum einen durch Bewegungsstörungen (Chorea, Dystonie, Rigor, Akinese), zum anderen durch neuropsychiatrische Auffälligkeiten, in erster Linie durch die Entwicklung einer subkortikalen Demenz. Die Krankheitssymptome manifestieren sich häufig um das 35.–50. Lebenjahr, mit Symptomen einer oder beider der genannten Symptomgruppen. Der Krankheitsbeginn kann aber weit streuen mit Frühmanifestation (bis zum 5. Lebensjahr) und Spätmanifestation (bis zum 80. Lebensjahr). Öfter bestehen die ersten Symptome in psychischen Auffälligkeiten, d. h. subtile psychische bzw. kognitive Veränderungen gehen der Chorea mehrheitlich voraus. Der spezifische Verdacht auf Huntington-Krankheit entsteht aber zumeist erst, wenn choreatische Hyperkinesen hinzukommen. In der Frühphase findet man neben den distal betonten raschen choreatischen Hyperkinesen eine klinisch schwer zu prüfende Muskelhypotonie, evtl. auch eine Beeinträchtigung von Stand und Gang, ferner okulomotorische Störungen (vermehrte Sakkadierung). Die Huntington-Krankheit kann sich einerseits vorwiegend durch psychische und demenzielle Symptome mit nur gering ausgeprägter Chorea, andererseits aber auch durch exzessive Hyperkinesen mit nur gering ausgeprägten psychischen und demenziellen Symptomen manifestieren. Die organischen Wesensveränderungen
in Form von Persönlichkeitsveränderungen und kognitiven Leistungseinbußen werden in den Anfangsstadien oft länger verkannt. Erstmals werden die Patienten häufig durch eine gewisse Ungeschicklichkeit, durch Zappeligkeit, durch gehäuftes Fallenlassen von Gegenständen, durch vermehrte Reizbarkeit, durch eine beginnende Schlampig- oder Schludrigkeit und durch Pflichtvernachlässigungen auffällig. Weitere psychische Störungen sind Depression, Schizophrenie, Alkoholismus, erhöhte Suizidalität und Suizide. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer progressiven Demenz, beginnend mit Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen. Da Störungen exekutiver Funktionen, sequenzielle Fähigkeiten, Integration von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Organisation im Vordergrund stehen, handelt es sich um den Typus einer subkortikalen Demenz. Neurologisch ist die typische Chorea durch unwillkürliche, sinnlos erscheinende, abrupte Bewegungen, die zufällig über verschiedene Körperregionen verteilt sind, gekennzeichnet. Dabei sind sowohl proximale als auch distale und axiale Muskeln betroffen. In Frühstadien und bei schwach ausgeprägten Formen stehen häufig leichtes Grimassieren, intermittierende Bewegungen der Augenbrauen und des Kopfes, Achsel- bzw. Schulterzucken und ruckartige Bewegungen an Armen und Beinen im Vordergrund. Typisch sind in diesem Stadium „pseudozweckgerichtete“ Bewegungen der Patienten (Parakinesie), um die unwillkürlichen Bewegungen zu verschleiern. Hyperkinesen der Gesichtsmuskulatur führen später zu ausgedehntem unkontrollierten Grimassieren, zu Schmatz- und Kaubewegungen und Beeinträchtigungen der Artikulation. Mit Fortschreiten der Erkrankung verstärken sich beim Gehen unwillkürliche Arm- und Beinbewegungen, die auf Grund ihres hierdurch bewirkten tänzelnden, hüpfenden oder stotternden Gangbildes charakteristisch für die HuntingtonKrankheit sind. Durch Verlangsamung der Sprechgeschwindigkeit und Verschlechterung der Sprachverständlichkeit vermindert sich die Gesprächsinitiative. Oft verstummen die Patienten. Die Komplexität der syntaktischen Struktur nimmt ab bei unveränderter Grammatisierung. Ca. 1/3 der Patienten zeigen frühzeitig eine ideomotorische Apraxie, häufig einhergehend mit einer Aphasie. Stereotype symbolhafte Handlungsmuster sind weniger betroffen als Nachahmung und Durch-
Huntington-Chorea, Huntington-Krankheit
führung komplexer neu erlernter Aktionen. Emotionale Stimuli verstärken die unwillkürlichen Bewegungen. Im Schlaf verschwinden die Hyperkinesen. Der Muskeltonus ist bei der Huntington-Krankheit bis auf die akinetisch-rigide Sonderform anfänglich herabgesetzt (Hypotonie). Die klinische Objektivierung dieser Hypotonie ist schwierig und zumeist unergiebig. Bei fortgeschrittenen Fällen ist eine muskuläre Rigidität keine Seltenheit. Es können auch Athetose, Dystonie, Myoklonus und Parkinsonismus (Bradykinese, posturale Instabilität) auftreten. Okulomotorische Störungen treten auf in Form verlangsamter und inakkurater Sakkaden, gestörter Vergenzbewegungen und von abnormem optikinetischem Nystagmus. Die Krankheitsdauer vom Beginn der Symptomatik bis zum Tod meist infolge von Schluckstörung, Aspirationspneumonie und körperlicher Auszehrung beträgt durchschnittlich 15– 20 Jahre. Die akinetisch-rigide Form mit Beginn in der Kindheit (Westphal-Variante, etwa 10%) zeigt statt der Chorea einen akinetisch-rigiden Zustand, Dystonie und okulomotorische Störungen verbunden mit dementivem Abbau und zerebralen Anfällen. Sie zeigt einen raschen progredienten Verlauf mit einer Überlebenszeit von zumeist unter 10 Jahren. Bei Vererbung durch den Vater ist das Manifestationsalter meist früher (Paternalität) als bei Vererbung durch die Mutter (Maternalität). Bei Übertragung durch den Vater sterben die Nachkommen durchschnittlich 10 Jahre früher als bei mütterlicher Übertragung. Die Tatsache, dass 90% dieser juvenilen Patientengruppe die Krankheit vom Vater vererbt bekommen hat, wird mit der größeren Wahrscheinlichkeit einer stärkeren Zunahme der CAG-repeats in Spermazellen in Zusammenhang gebracht.
Diagnostik Als frühester Indikator struktureller Veränderungen bei Huntington-Krankheit wurde eine Verminderung des Bicaudatumindex gefunden, der im Cranialen Computertomogramm (CCT) oder NMR als Verringerung des Quotienten des maximalen Abstands der Vorderhörner der Seitenventrikel zum Abstand beider Kaudatumtaillen (FI 1,8) definiert ist. Im weiteren Verlauf nimmt die Atrophie der Kaudatumköpfe sowie die Atrophie anderer subkortikaler und kortika-
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ler Areale zu. Allerdings sind alle bildgebenden und neurophysiologischen Untersuchungen durch den Gentest überholt worden. Eine nahezu 100%-Genauigkeit ist durch den seit 1993 möglichen direkten Gentest gegeben. Es genügt eine Blutprobe der ratsuchenden Person (20 ml EDTA Blut). Als eindeutig pathologisch und damit die Anlage des HK-Gens beweisend gilt eine Erhöhung der CAG-Wiederholungen auf über 40. Eine pränatale Diagnostik ist möglich aus einer Chorionzottenbiopsie. Der Test wird nur durchgeführt, wenn die Mutter bei Nachweis der Anlage beim Fetus zur Schwangerschaftsunterbrechung bereit ist. Auch wenn aus methodischer Sicht der Gentest zum Nachweis des Huntington-Gens den Charakter eines Routinelabortests hat, bestehen aus ethischen und psychologischen Gründen erhebliche Einschränkungen für die Durchführung der Untersuchung als präsymptomatischer oder symptomatischer Test. Ratsuchende sollten den Test nur dann durchführen lassen, wenn sie volljährig sind, sich einer Beratung durch ein humangenetisches Institut unterzogen haben, von einem in der Betreuung von Huntington-Krankheit-Patienten erfahrenen Arzt oder Psychologen daraufhin untersucht wurden, ob sie psychisch stabil genug für die Bewältigung der mit der Diagnosestellung und - mitteilung verbundenen Konsequenzen sind. Ferner sollte gewährleistet sein, dass in der Zeit vor und nach der Ergebnismitteilung eine psychische Betreuung und Krisenintervention durch einen erfahrenen Arzt, Psychologen oder eine andere geeignete Person zur Verfügung steht. Differenzialdiagnostisch ist bei den Leitsymptomen Chorea plus neuropsychiatrische Auffälligkeiten in erster Linie an die tardive Dyskinesie-Syndrome und andere medikamenteninduzierte Choreas zu denken, die sehr häufig auftreten. Bei der tardiven Dyskinesie dominieren die Bewegungen im oro-linguo-bukkalen Bereich, während im Gegensatz zur HK der Gang und die Okulomotorik nicht beeinträchtigt ist. Ferner ist an die Chorea minor Sydenham-Chorea zu denken, die deutlich früher beginnt und zeitlich begrenzt verläuft und nicht mit einer Demenz assoziiert ist. Bei den präsenilen Demenzen (Alzheimer-Krankheit, frontotemporale Demenzen, Creutzfeldt-Jacob) können die dementiven Aspekte der HK sehr ähneln. Die kindliche akinetisch-rigide Form des HK (Westphal-Variante) mit mentaler Retardie-
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Huntington-Chorea, Huntington-Krankheit
rung und zerebralen Anfällen verlangt insbesondere die Abgrenzung von anderen hereditären neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Leukodystrophien, Gangliosidosen). Die hereditäre Neuroakanthozytose (Synonym: Chorea-Akanthozytose) ist durch die Symptome einer blanden Chorea, durch Tics, Zungenbeißen, Polyneuropathie, eine sogenannte „Feeding dystonia“, erhöhte CK im Serum sowie eine Akanthozytose der Erythrozyten charakterisiert. 3
Therapie Noch ist keine Behandlung bekannt, durch welche die Krankheit gestoppt oder geheilt werden könnte, ebenso gibt es keine Möglichkeit der Vorbeugung. Die Medikamente, die zur Verfügung stehen, können nur die Symptome der Krankheit beeinflussen. Es sollte stets geprüft werden, ob eine symptomatische Therapie der Hyperkinesen, der Depression oder anderer psychiatrischer Grundprobleme sinnvoll ist. Viele Huntington-Patienten können relativ lange ohne Medikation ihren täglichen Verpflichtungen ohne wesentliche Beeinträchtigung durch die Bewegungsunruhe nachkommen. Es laufen Studien zum protektiven Wert von Memantine, Riluzol. empirisch Die Chorea ist für viele Patienten zu keinem Zeitpunkt das im Vordergrund stehende Problem. Neuroleptika wie z. B. Tiaprid (Tiapridex), Haloperidol, Perphenazin reduzieren häufig die Chorea. Die Anfangsdosis von Tiaprid liegt in der Regel bei 3×100 mg/d, gelegentlich 3×200 mg/d. Als Nebenwirkungen sind Schwindel, Müdigkeit, Antriebsmangel und wiederum selbst medikamentös induzierte Bewegungsstörungen zu nennen. Tetrabenazin (in Deutschland nicht zugelassen) sollte in einer Dosis von 3×25–75 mg/d nur bei schwer beeinträchtigender Chorea versucht werden, da dieser zentrale Katecholaminspeicherentleerer schwere Depressionen und eine akute Akathisie auslösen kann. Bei tremorartigen Hyperkinesen, die bei intendierten Bewegungen verstärkt auftreten können, ist Clonazepam (Rivotril) 1– 6 mg/d zu erwägen. Bei depressiver Störung sollten wegen Verstärkung der Chorea und Auftreten von Halluzinationen möglichst keine tri- und tetrazyklischen Antidepressiva gegeben werden. Bewährt hat
sich Sulpirid 400–600 mg/d. Falls sich die Depression unter Sulpirid nicht innerhalb von vier Wochen bessert, kann Thioridazin (Melleretten, Melleril) 3×25 mg/d eingesetzt werden. Zur Verminderung der erheblichen Stimmungsschwankungen mit Neigung zu aggressiven Ausbrüchen oder Wahnvorstellungen und - wahrnehmungen, aber auch zur Verbesserung der Chorea wurde Clozapin empfohlen in Dosen von 25, 50 bis 150 mg/d. Regelmäßige Blutbildkontrollen sind wegen Agranulozytosegefahr erforderlich. Bei der juvenilen Form mit Rigor und Akinese (Westphal-Variante) können L-Dopa-Präparate und Amantadin versucht werden. Sexualhormonpräparate sollten nur bei zwingender Indikation verordnet werden, da sie die Chorea verstärken. Krankengymnastik sollte sich den besonderen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten anpassen, z. B. Ziel einer Ergotherapie ist eine möglichst sinnvolle und befriedigende Beschäftigung. Zunächst sollte angestrebt werden, Patienten im bisherigen Arbeitsumfeld zu belassen. Später sollte, soweit möglich, eine angemessene Beschäftigung in einer beschützenden Werkstätte erfolgen. Die Bewältigung der Erkrankung für den Patienten und die Angehörigen gelingt um so besser, je früher die Diagnose gestellt und die Probleme des Erkrankten angesprochen werden. Es hat sich erwiesen, dass verstärkte physische und psychische Belastung am Arbeitsplatz und in der Familie die Krankheitssymptomatik verstärken und den Verlauf ungünstig beeinflussen. Es hat sich bewährt, Patienten und Angehörige auf die Selbsthilfeorganisationen aufmerksam zu machen wie die Deutsche Huntington-Hilfe e.V., Geschäfts- und Beratungsstelle, Börsenstr. 10, 47051 Duisburg, Tel.: +49(0) 203-22915, Fax:+49(0)203-2292, www.dhhev.de. Das Huntington-Zentrum Bochum bietet einen 24-Stunden-Notrufdienst: Tel.: +49(0) 234-5091. Eine weitere wichtige Kontaktstelle ist das Huntington Zentrum Süd im Bezirkskrankenhaus Taufkirchen (Vils), Bräuhausstraße 5, 84416 Taufkirchen (Vils).
Diätetik/Lebensgewohnheiten HK-Patienten haben infolge der Hyperkinesen einen erhöhten Energiestoffwechsel, der oft zu einem Gewichtsverlust führt. Bei untergewichtigen Patienten sind häufige (6–8) kalorienrei-
Hydrocortison
che Mahlzeiten (3000–4000 kcal/d) erforderlich. Dem häufigen Verlangen nach Süßigkeiten sollte nachgegeben werden. Bei der Nahrungsauswahl und - darreichung soll berücksichtigt werden, dass die Patienten sich häufig verschlucken (breiige Konsistenz).
Literatur 1. Weindl A, Conrad B (1996). Chorea und choreatische Bewegungsstörungen. In: Conrad B, Ceballos-Baumann AO (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 155– 180.
Hustenkopfschmerz Synonyme Benigner Hustenkopfschmerz
Einleitung Durch Husten induzierter, frontal oder okzipital lokalisierter Kopfschmerz. Prozesse der hinteren Schädelgrube (Tumor, subdurales Hämatom, Arnold-Chiari-Malformation, Platybasie) müssen ausgeschlossen werden. 3
3
Diagnostik Bildgebender Ausschluss o. g. Differenzialdiagnosen.
Therapie Evtl. Therapieversuch mit Indometacin.
Hustensynkope Synkope, pressorische
3
Hydrocortison Wirkungen Hydrocortison gehört zu den endogen in den Nebennierenrinden synthetisierten Glukokortikoiden. Außer Hydrocortison wird noch Corticosteron in physiologisch signifikanten Mengen sezerniert (Verhältnis Hydrocortison zu Corticosteron etwa 8:1). Hydrocortison bindet an intrazelluläre lösliche Rezeptoren, die in fast allen Körperzellen beschrieben sind. Im Ver-
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gleich zu vielen synthetischen Glukokortikoiden haben Hydrocortison und seine Ester nur eine vergleichsweise geringe Affinität zum Glukokortikoidrezeptor. Der Glukokortikoidrezeptorr wirkt als Transkriptionsfaktor, d. h. er bindet im Kern an bestimmte DNS-Bereiche und induziert oder inhibiert die Transkription von bestimmter mRNS. Dadurch kommt es zu einer Modulation der Proteinbiosynthese, die in verschiedenen Zellen zu sehr unterschiedlichen Effekten führt. Die metabolischen Effekte sind vor allem durch Proteinkatabolismus, Gluconeogenese, Fettumverteilung und Veränderungen im Calciumstoffwechsel gekennzeichnet. Therapeutisch werden die antientzündlichen, antiallergischen, antiexsudativen und antiödematösen Wirkungen von Hydrocortison ausgenutzt. Die antientzündliche Wirkung beruht auf einer funktionellen Beeinflussung nahezu aller am Entzündungsgeschehen beteiligten Zellen (Leukozyten, Makrophagen, Monozyten, Mastzellen oder Eosinophile). Glukokortikoide hemmen z. B. die Phagozytosekapazität und vermindern Chemotaxis und Adhärenz. Sie hemmen die Freisetzung einer Vielzahl von Entzündungsmediatoren, Cytokinen wie Interleukin 1, Interleukin 6 oder Tumor-Nekrose-Faktor, Arachidonsäuremetaboliten, lysosomalen Enzymen, Proteasen u. a. Bei der immunsuppressiven Wirkung stehen die Effekte auf T-Lymphozyten, vor allem die Hemmung der Interleukin2-Synthese, im Vordergrund. Unter Glukokortikoidtherapie kommt es zu einer Umverteilung der Zellen im Organismus. Darauf beruht auch die Abnahme der peripheren Lymphozyten. Hydrocortison bindet an den Mineralokortikoidrezeptor mit vergleichbarer Affinität wie der natürliche Ligand Aldosteron. Daraus erklären sich die Wirkungen auf den Elektrolythaushalt (Natriumretention, Kaliumsekretion). Die endogene Hydrocortisonsynthese ist durch eine zirkadiane Rhythmik gekennzeichnet (maximale Plasmaspiegel zwischen 6 und 8 Uhr morgens, minimale Plasmaspiegel etwa 4 Uhr nachmittags). Hydrocortison hemmt, wie auch alle synthetischen Glukokortikoide, die endogene Hydrocortisonsynthese im Sinne einer negativen Rückkopplung auf der Ebene von Hypothalamus und Hypophyse.
Resorption Die topisch applizierten Hydrocortisonester werden schnell in die Haut aufgenommen, sys-
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Hydrocortison
temisch wird nur das schwach wirksame Hydrocortison gefunden.
Verteilung Nach i. m. Injekation wird der maximale Plasmaspiegel während der ersten Stunde erreicht und fällt dann innerhalb von 4 h auf 25% ab, gefolgt von einer langsameren Abnahme während der nächsten 8 h. Nach rektaler Applikation wird der maximale Plasmaspiegel nach 1 h erreicht und bleibt konstant auf dem i. m. 4-hVergleichswert für 8 oder mehr h.
Elimination Die Angaben über die Plasmahalbwertzeit von Hydrocortison schwanken zwischen 60 und 120 min. Hydrocortison wird überwiegend in der Leber metabolisiert. Hauptmetabolit ist Dihydrocortisol. Die Metaboliten werden als Sulfatester oder Glucuronide überwiegend über die Nieren ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Da Hydrocortison das am meisten gebildete endogene Glukokortikoid ist, wird es für die Substitutionstherapie bei Hydrocortisonmangelzuständen eingesetzt (z. B. Addison).
Dosierung und Art der Anwendung Hydrocortison, Hydrocortisonbutyrat, Hydrocortisonacetat und Hydrocortisonacetatpropionat (Aceponat) werden in Salben und Cremes mit 0,1–1,0% Wirkstoff angeboten. Sie werden 1–3-mal täglich dünn auf die betroffenen Hautareale aufgetragen. Für die interne Anwendung steht Hydrocortisonacetat in Tablettenform und als Rektalschaum oder als Kristallsuspension für die intraartikuläre Injektion zur Verfügung. Für die Infusion wird Hydrocortison als Infusionskonzentrat, das nicht unverdünnt angewendet werden soll, als 50%ige EtOH-Lösung angeboten. Die Dosis der Tabletten liegt je nach Indikation bei 30–200 mg täglich und wird dann je nach Erfolg reduziert. Hydrocortison in Polypropylenglykol/Wasser gelöst wird in Ohrentropfen zur 2–3-mal täglicher Anwendung angeboten.
Kapillarfragilität, Osteoporose, Beinödeme, Büffelnacken, Akne, psychische Veränderungen, Kopfschmerzen, pathologische Frakturen, schlechte Wundheilung, Polydipsie und Polyurie, Polycythämie, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Myopathie, männliche Impotenz, Wachstumsstörungen. Speziell Symptome des iatrogenen Cushing-Syndroms sind: Glaukom, Katarakt, Pseudotumor cerebri, Pankreatitis, aseptische Knochennekrose, Magengeschwüre. Die meisten der Symptome treten erst nach längerfristiger Behandlung (über 2 Wochen) auf, die Wirkungen auf Blutdruck, Natriumretention und Ödembildung, erhöhte Blutzuckerspiegel und die Erhöhung des Infektrisikos können auch nach kurzfristiger Gabe auftreten. Die Hemmung des adrenalen Regelkreises tritt sofort nach Beginn der Therapie auf und kann zu einer Atrophie der Nebennierenrinde führen. Klinisch kann sich dies auswirken, wenn der Patient während der Therapie einem starken Stress ausgesetzt ist oder wenn die Behandlung plötzlich abgesetzt wird. Nach langfristiger Therapie muss die Dosis langsam über Monate hinweg reduziert werden, um ein Cortisonentzugssyndrom zu vermeiden (Kennzeichen: Patienten fühlen sich allgemein schlapp, sind antriebslos und depressiv, klagen über Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Muskelschwäche).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Für die kurzfristige Anwendung bei akut bedrohlichen Zuständen keine. Für die Substitutionstherapie stellt nur eine Überempfindlichkeit gegen Hydrocortison eine Gegenanzeige dar. Längerfristig sollten Glukokortikoide nicht angewendet werden bei akuten Virusinfektionen, HBsAG-positiver chronischer aktiver Hepatitis, Parasitosen und ca. 8 Wochen vor bis 2 Wochen nach Schutzimpfungen. Bei einer Reihe von gleichzeitig bestehenden Krankheiten muss die Anwendung unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen und die Therapie entsprechend angepasst werden (z. B. Diabetes mellitus, Osteoporose, Glaukom, Bluthochdruck).
Unerwünschte Wirkungen
Wechselwirkungen
Die systemischen unerwünschten Wirkungen entsprechen denen des Cushing-Syndroms: Vollmondgesicht, Fettsucht, Bluthochdruck, Amenorrhoe, Hirsutismus, Adynamie, Striae,
Phenytoin, Rifampicin und beschleunigen die Metabolisierung von Glukokortikoiden (Verkürzung der Halbwertzeit und erhöhte metabolische Clearance). Gleichzeitige Gabe von
Hydrozephalus
Aufweitung des Ventrikelsystems.
Einleitung Die tägliche, hauptsächlich im Plexus chorioideus der Seitenventrikel gebildete Liquormenge beträgt ca. 500 ml, die Gesamtliquormenge beträgt 90–150 ml. Die Liquorzirkulation erfolgt in kraniokaudaler Richtung von den Seitenventrikeln, dem III. Ventrikel, dem Aquaeductus cerebri, dem IV. Ventrikel und den Foramina Luschkae und Magendii in den Subarachnoidalraum. Der Liquor wird über die Pacchioni-Granulationen (Ausstülpungen des Subarachnoidalraumes) in den Sinus sagittalis superior und in die Diploevenen des Schädels resorbiert. Formen: * Hydrocephalus internus: Erweiterung des Ventrikelsystems. * Hydrocephalus externus: Erweiterung des Subarachnoidalraumes. * Hydrocephalus communicans. * Hydrozephalus e vacuo: Kompensatorische Erweiterung des Ventrikelsystems aufgrund eines Hirnparenchymverlusts, z. B. Alzheimer- und Pick-Erkrankung. 3
3
Zu einem Hydrozephalus kommt es meist in
Diagnostik Mittel der Wahl ist die zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT) mit Nachweis einer Ventrikelaufweitung (immer nur der hinter dem Zirkulationshindernis liegenden Ventrikel) und periventrikulärer Dichteminderung (durch transependymale Liquordiapedese in das Marklager), je nach Kompensation des Hirnparenchyms verstrichene kortikale Sulci. Im MRT exakte Lokaldiagnose der Abflussbehinderung möglich, in T2-gewichteten Aufnahmen häufig Signalauslöschung im Bereich des Aquädukt und Ventrikelsystems. In koronaren und sagittalen Ebenen Abflachung und Verjüngung, besonders des hinteren Anteils des Corpus callosum. Röntgennativaufnahmen des Schädels zeigen Nahtsprengung, einen sog. Wolkenschädel (durch Impression der Gyri gegen die Tabula interna des Schädelknochens) und eine Drucksella (Aufweitung und Demineralisierung der Sella turcica infolge chronisch intrakranieller Druckerhöhung).
Therapie Operationsindikation zur neurochirurgischen Shuntanlage ist so früh wie möglich bei akutem Hydrocephalus occlusus zu stellen, unterschieden werden ventrikuloatrialer (Ableitung in den rechten Herzvorhof) und ventrikuloperitonealer (Ableitung in die Bauchhöhle) Shunt. 3
Definition
3
Ventrikulomegalie
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Synonyme
3
Hydrozephalus
Folge eines erhöhten Liquordruckes, dem ein gestörter Abstrom (nichtkommunizierender Hydrozephalus oder Hydrocephalus occlusus), eine Resorptionsstörung ( kommunizierender Hydrozephalus oder Hydrocephalus malresorptivus) oder eine vermehrte Liquorproduktion ( hypersekretorischer Hydrozephalus) zugrunde liegen kann. Komplikation: Einklemmung (Herniation) von Hirngewebe in den Tentoriumschlitz, unter die Falx cerebri und das Foramen magnum, klinisch Bewusstseinstrübung, Koma, Tod. 3
nichtsteroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika führt zu einer erhöhten Blutungsgefahr im Magen-Darm-Trakt. Estrogenhaltige Kontrazeptiva verdrängen Glukokortikoide aus ihrer Proteinbindung und vermindern die Clearance, wodurch sie die Wirkung verstärken können. Die gerinnungshemmende Wirkung von Cumarin-Derivaten wird durch Glukokortikoide abgeschwächt. Glukokortikoide können einen Diabetes mellitus induzieren oder verschlechtern. Dementsprechen muss eine Insulintherapie angepasst werden. Bei Hypoalbuminämie wird die Bindung von Hydrocortison an Plasmaproteine reduziert und entsprechend die freie Konzentration von Hydrocortison erhöht. Bei Hyperthyreodismus ist die Plasmaclearance erhöht, bei Hypothyreodismus erniedrigt.
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Nachsorge Ursache einer Shuntdysfunktion können eine Okklusion des Verweilkatheters, eine Ventilinsuffizienz oder eine fibröse Umwachsung der Katheterspitze bei ventrikuloperitonealer Ableitung sein.
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Hydrozephalus, aktiver
Bewertung Vorteil der ventrikuloperitonealen Ableitung ist das Fehlen thrombembolischer Ereignisse. Komplikationen nach Shuntanlage bis 40%, in 10% durch Kathetersepsis.
Hydrozephalus, Hydrocephalus e vacuo 3
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Hydrocephalus
Prognose
Hydrozephalus, Hydrocephalus internus 3
Maximales Wachstum des kindlichen Gehirns im ersten Lebensjahr, nur eine Normalisierung des erhöhten Hirndrucks bei kindlichem Hydrozephalus ermöglicht eine ungestörte Hirnentwicklung.
Hydrocephalus
Hydrozephalus, Hydrocephalus malresorptivus
Hydrozephalus, aktiver Definition Akute Verlaufsform des Hydrocephalus occlusus oder malresorptivus, bei der sich kein Gleichgewicht zwischen Liquorproduktion und –resorption einstellt.
Synonyme Kommunizierender Hydrozephalus
Definition
3
3
Ventrikulomegalie durch mangelnde Liquorresorption.
Einleitung Häufigste Ursache ist eine Verklebung der Liquorräume und der Pacchioni-Granulationen nach Subarachnoidalblutung oder Meningitis. Ein Hydrocephalus malresorptivus wird auch als ein pathogenetischer Faktor des Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender Hydrozephalus) diskutiert. 3
Akute Zunahme des Liquorvolumens und des intrakraniellen Drucks durch fehlende Einstellung eines Gleichgewichts zwischen Liquorproduktion und –resorption. Klinisch rasch progrediente Symptome erhöhten Hirndrucks, Hydrozephalus, arretierter.
3
Einleitung
3
3
Hydrozephalus, arretierter Synonyme Kompensierter Hydrozephalus
Definition Chronische Verlaufsform des Hydrocephalus occlusus oder malresorptivus, bei der sich ein Gleichgewicht zwischen Liquorproduktion und –resorption einstellt.
Hydrozephalus, Hydrocephalus occlusus (Verschlusshydrozephalus)
3
Definition Ventrikulomegalie durch Blockade des Liquorabflusses im Bereich anatomischer Engen des Ventrikelsystems und seiner Foramina.
3
Einleitung Im Unterschied zum aktiven Hydrocephalus, stellt sich beim arretierten Hydrozephalus infolge des chronisch erhöhten intrakraniellen Drucks ein Gleichgewicht zwischen Liquorproduktion und –resorption einerseits durch erhöhte Resorption und andererseits durch eine geringere Produktion ein.
Einleitung Infolge eines gestörten Liquorabflusses kommt es zu einer Zunahme des Liquorvolumens mit Erhöhung des intraventrikulären und sekundär auch des intrakraniellen Drucks. Häufigste Ursachen sind intraventrikuläre Blutungen, Tumoren, Entzündungen (z. B. Komplikation nach
3
Hydrozephalus, Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender) 3
3
Hydrozephalus, hypersekretorischer
quorproduzierendes Plexuspapillom zugrunde liegen.
Hydrozephalus, kompensierter 3
Meningitis, Aquäduktstenose bei Toxoplasmose-Enzephalitis) und angeborene Anlagestörungen im Bereich des Aquaeductus cerebri oder des kraniozervikalen Überganges. Klinisch imponieren abhängig von der zeitlichen Dynamik und dem Alter des Patienten fakultativ Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Sehstörungen, Doppelbilder, epileptische Anfälle, psychische Auffälligkeiten, Bewusstseinstörungen. Bei Kleinkindern und Säuglingen besonders morgendliches Erbrechen, Wachstums- und Gedeihstörungen, Vergrößerung des Kopfumfanges, gespannte oder vorgewölbte Fontanelle, sog. Sonnenuntergangsphänomen (kompressionsbedingte vertikale Blicklähmung). Im neurologischen Untersuchungsbefund ggf. Augenmuskelparesen, Optikusatrophie, Pyramidenbahnzeichen.
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Hydrozephalus, arretierter
Hydrozephalus, Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender) Synonyme
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NPH
Definition Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume bei normalem bis hochnormalem Liquordruck mit klinischer Symptomtrias Gangstörung, Blasenstörung und dementieller Entwicklung.
Einleitung Ventrikulomegalie infolge einer erhöhten Liquorproduktion.
Einleitung
Klinisch ist der Normaldruckhydrozephalus (NPH) durch die Symptomtrias (apraktische) Gangstörung, Blasenstörung (Dranginkontinenz) und Demenz gekennzeichnet, fakultativ zusätzlich Feinmotorikstörung, Handtremor, Dysarthrie, epileptische Anfälle, Pyramidenbahnzeichen, Primitivreflexe. In 50% liegt eine symptomatische Genese des NPH vor, davon in 20% nach Schädel-HirnTrauma, 15% nach traumatischer oder spontaner Subarachnoidalblutung, 10% nach Me3
Definition
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Ursache des hypersekretorischen Hydrozephalus ist ein Missverhältnis zwischen gesteigerter Liquorproduktion und unzureichender Resorption. Pathogenetisch kann ein entzündlicher Reizzustand des Plexus choroideus oder ein li-
Hydrozephalus, Hydrocephalus occlusus (Verschlusshydrozephalus). Tab. 1: Ursachen eines Hydrocephalus occlusus Lokalisation
Mögliche Ursachen
Seitenventrikel
Kolloidzyste, Ependymom, Blutung
III. Ventrikel
Ependymom, Blutung, Meningitis
Aquädukt
Pinealistumoren, Esntzündungen (Toxoplasmose, Tuberkulose), Aquäduktatresie oder –stenose (angeborene Missbildung mit Fehlen des Aquädukts), ArnoldChiari-Mißbildung
IV. Ventrikel
Tumoren des Kleinhirns und des 4. Ventrikels bzw. des Hirnstamms: Medulloblastome, Ependymome, Astrozytome des Kleinhirns, Hämangioblastome, Plexustumoren, Blutung, MeningitisZervikokraniale Übergangsstörungen: Arnold-Chiari-Syndrom, Dandy-Walker-Syndrom, basiläre Impression, Atlassimilation
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Hydrozephalus, posttraumatischer
ningitis, 5% bei zerebralen Tumoren. Bei den übrigen 50% findet sich keine Ursache (idiopathischer NPH), Erkrankungsalter des idiopathischen NPH in 6.–7. Lebensdekade, Männer doppelt so häufig betroffen. Pathophysiologie und Ätiologie des NPH ist bislang ungeklärt, hypothetisch werden eine gestörte Liquorresorption, eine klinisch blande Arachnoiditis und eine verminderte Elastizität des Hirnparenchyms (Koinzidenz des NPH mit der subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie (SAE) angenommen. Der Liquordruck ist im normalen bis hochnormalen Bereich (Norm: 7–12 cm Wassersäule), insbesondere im Schlaf wurden intermittierend Steigerungen des Liquordruckes gemessen (spontane Oszillationen, sog. „B-Wellen“ gelten als charakteristisch). Der Begriff NPH entwickelte sich aus der Beobachtung, dass die Betroffenen klinisch von einer Shuntoperation profitierten.
insbesondere bei erhöhtem OP-Risiko gute Alternative. Anlage eines ventrikuloperitonealen oder ventrikuloperitonealen Shunts mit dem Ziel Liquordruckspitzen abzufangen und damit die Perfusion des periventrikulären Marklagers zu verbessern. Keine medikamentöse Behandlung möglich.
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Diagnostik Klinik: 1. Motorische Symptome (insbesondere Gangstörung). 2. Harninkontinenz. 3. Demenz. Im CCT und kranialem MRT Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume, periventrikuläre Dichtemninderung, verstrichene kortikale Sulci. Verstrichene Hirnfurchen und fehlende Hirnatrophie gelten als wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber der SAE! Liquorpunktion ist bei Verdacht obligat zur Feststellung eines normalen Drucks und zum Ausschluss z. B. einer Meningitis oder spinalen Raumforderung (erhöhte Proteinwerte). Besserung der klinischen Symptomatik (insbesondere der Gangstörung) nach probatorischer Entnahme von 30–50 ml Liquor (bis 2–3×in zweitägigem Abstand), ein Ausbleiben der Befundbesserung schließt einen NPH nicht aus! Zweite Probepunktion nach einigen Tagen sinnvoll. Invasive Diagnostik (intraventrikuläre Druckmessung, Liquorausflusswiderstandsbestimmung nach Infusion einer Ringer-Lactat-Lösung, CT-Zisternographie/Isotopenzisternographie) haben nur eine begrenzte Aussagekraft.
Bewertung Perkutan programmierbare, druckgesteuerte Magnetventile erlauben die Anpassung des Liquorauslassdrucks, verhindern eine übermäßige Liquordrainage und dadurch Reduktion subduraler Hämatome.
Prognose Liquorableitung führt in 50–60% der Patienten zu einer Befundbesserung, insbesondere der Gangstörung. Erfolg der OP hängt hinsichtlich der Komplikationsrate von 38% (intrazerebrale Blutung, ischämische Hirninfarkte, epileptische Anfälle, Ventrikulitis) von strenger OP-Indikation ab. Permanente neurologische Defizite bei 6%. Günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Shuntanlage beim NPH: * Symptombesserung nach ein- oder mehrmaliger Lumbalpunktion. * Kurze Syndromdauer und ein Symptombeginn mit typischen Gangstörungen * Nachweis periventrikulärer Dichteminderungen in der CT im Sinne von „Druckläppchen“. * Fehlen einer generalisierten Hirnatrophie.
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Hydrozephalus, posttraumatischer Definition Entwicklung eines Hydrozephalus infolge eines Schädel-Hirn-Traumas. 3
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Einleitung Als Komplikation eines Schädel-Hirn-Traumas kann sich ein Hydrozephalus entwickeln. Unterschieden wird eine akute Form im Sinne eines Hydrocephalus occlusus oder Hydrocephalus malresorptivus, meist begleitet von einer traumatischen Subarrachnoidalblutung, mit akuter intrakranieller Druckerhöhung und Gefahr der Herniation oder eine chronische 3
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Therapie Wiederholte therapeutische Liquorpunktionen,
Hypereosinophiles Syndrom
Form ( Hydrozephalus, Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender Hydrozephalus)), die sich Wochen bis Monate nach dem Trauma entwickelt. 3
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Hyperaggregabilität Definition Erhöhte „Verklumpungstendenz“ korpuskulärer Blutbestandteile, insbesondere der Blutplättchen. Sticky-Platelet-Syndrom
Einleitung *
Durch eine Thrombozytose (erhöhte Thrombozytenzahl). Abnorm erhöhte Anhaftungs- und Verklumpungstendenz bei normaler Thrombozytenzahl. – Paraneoplastisch, z. B. bei Lymphomen, Plasmozytom. – Parainfektiös.
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Differenzialdiagnose Koagulopathien
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Therapie *
Reduktion der Thrombozytenzahl bei Thombozytose. – Durch Behandlung der Grunderkrankung. – Ggf. Thrombozytapherese Hemmung der Thromobozytenfunktion durch Thrombozytenfunktionhemmer. Antikoagulation.
* *
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Hypereosinophiles Syndrom Definition Das hypereosinophile Syndrom ist durch Bluteosinophilie, Anämie, Hypergammaglobulinämie, subunguale Petechien, Raynaud-Phänomen, Erythem und subkutane Ödeme, pulmonale Infiltrate und Pleuritis, kardiale Beteiligung, Fieber und Gewichtsverlust gekennzeichnet.
Einleitung Im Rahmen der Erkrankung kann es zu einer subaktuten Polyneuropathie sowie einer Muskelbeteiligung mit Myalgie und proximaler Muskelschwäche kommen. Eine Sonderform stellt die eosinophile Fasziitis mit dem Leitsymptom einer hart indurierten Haut dar. Begleitend kann eine proximale oder distale Muskelschwäche auftreten. Im weiteren Verlauf können Beugekontrakturen an den Gelenken entstehen.
Diagnostik Die BSG ist in 50% aller Patienten erhöht, wobei die Bluteosinophilie und die Hypergammaglobulinämie vorübergehend auftreten. In der Biopsie, die von Haut, Faszie und Muskel entnommen wird, findet sich eine Infiltration von Plasmazellen, Lymphozyten und Eosinophilen und Bindegewebsvermehrung in der verdickten Faszie. Bei Muskelbefall können in der Muskelbiopsie Einzelfasernekrosen, perivaskuläre, interstitielle und intramurale esosinophile Infiltrate nachgewiesen werden. Die CK ist im Serum erhöht, das EMG myopathisch verändert.
Therapie gesichert
Hyperaldosteronismus, primärer (Conn-Syndrom) Conn-Syndrom
Therapeutisch setzt man Kortikosteroide ein. Bei einer Multiorganbeteiligung, die eher eine schlechtere Prognose hat, sollten zytotoxische Substanzen, wie Cyclophosphamid eingesetzt werden.
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empirisch
Hyperekplexie Startle-Syndrom
Über den erfolgreichen Einsatz der nicht myeloablativen allogenen Knochenmarkstransplantation wurde kürzlich in Einzelfallbeschreibungen berichtet [1].
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Hyperfibrinolyse
Literatur
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1. Ueno NT, et al. Successful non-myeloablative allogenic transplantation for treatment of idiopathic hypereosinophilic syndrome. Br J Haematol 2002; 119:131–134.
* *
Tumorassozierte Hyperfibrinolyse. Verbrauchskoagulopathie. Medikamentös, v. a. Thrombolytika, auch Katecholamine, Vasopressinderivate u. a.
Therapie
Hyperfibrinolyse Synonyme Hyperfibrinogenolyse
Definition Hyperfibrinolysen sind Störungen, die durch eine erhöhte fibrinolytische Aktivität im Plasma charakterisiert sind und die zu fibrinolytischen Blutungen führen können.
Einleitung Eine Hyperfibrinolyse ist immer mit einer Grunderkrankung vergesellschaftet. Am häufigsten tritt sie bei schweren Lebererkrankungen, disseminierten Neoplasien und nach großen Operationen auf. Pathophysiologisch führt eine Dysbalance zwischen Aktivatoren und Inhibitoren des Fibrinolysesystems zu einem gesteigerten Abbau von Fibrinogen und Fibrin. Die vermehrte Bildung von freiem Plasmin verursacht nicht nur eine Degradation von Fibrin und Fibrinogen und damit die Entstehung von fibrinolytischen Spaltprodukten (FDP), sondern auch den Abbau verschiedener Gerinnungsfaktoren und Komplementkomponenten. Die FDP sind Fibrinpolymerisationsinhibitoren und beeinträchtigen die Thrombozytenaggregation. Symptomatik: Nur bei exzessiver Hyperfibrinolyse kommt es zu spontanen Blutungen, wie dies bei thrombolytischer Therapie bekannt ist. In der Regel tritt jedoch eine Blutung erst dann auf, wenn gleichzeitig eine Thrombozytopenie bzw. ein Verbrauch von Gerinnungskomponenten vorliegt (z. B. große OP, schwere Lebererkrankung). Die Blutungen reichen von petechialen Blutungen an Haut/Schleimhaut bis zu großflächigen Blutungen.
Differenzialdiagnose * * *
Hereditär, z. B. a2-Antiplasmin-Mangel, PAI-1-Mangel. Lebererkrankungen. Operationen an Uterus, Prostata, Lunge, Leber (Organe mit hoher profibrinolytische Aktivität).
Abhängig davon, ob das Gerinnungssystem aktiviert war bzw. noch ist. Generell Behandlung der Grunderkrankung. gesichert Bei systemischer Hyperfibrinolyse ist Aprotinin das Mittel der Wahl: initial 500.000 KIE langsam infundieren (max. 10 ml/min), danach 200.000 KIE im Abstand von 4 Stunden. Bei angeborenem a2-Antiplasmin-Mangel und lokaler Hyperfibrinolyse (z. B. Blutung nach Prostatektomie, Zahnextraktion bei Hämophilie A oder B, große Hämatome intramuskular oder retroperitoneal): Synthetische Fibrinolyseinhibitoren (e-Aminocapronsäure =EACA, Tranexamsäure). EACA: 24 g/24 h in 4-stündigem Abstand, 1 g/h per infusionem; Tranexamsäure: 3 g/24 h. Bei Fibrinogen <20 mg/dl sollte Fibrinogen substituiert werden (bis 100 mg/dl), nachdem das Fibrinolysesystem gehemmt worden ist. unwirksam/obsolet Bei aktiviertem Gerinnugssystem ist die Gabe von Antifibrinolytika kontraindiziert. Bei einer noch bestehenden Gerinnungsaktivierung im Rahmen einer DIC und ausgeprägter Hyperfibrinolyse ist eine Hemmung der Hyperfibrinolyse nur dann indiziert, wenn zuvor die Aktivierung der plasmatischen Gerinnung durch eine Heparininfusion unterbunden wird.
Prognose Abhängig von der Grunderkrankung.
Hyperhidrosis Definition Generalisierte oder lokalisierte Steigerung der Schweißsekretion.
Einleitung Eine Hyperhidrosis tritt physiologisch zur Wärmeregulation, symptomatisch z. B. bei autonomen oder endokrinen Störungen auf.
Hyperhomozysteinämie
Differenzialdiagnose Erkrankungen des autonomen Nervensystems: Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung (Hyperhidrosis inbesondere palmar und plantar), familiäre Dysautonomie ( HSAN Typ III), essentielle Hyperhidrosis (insbesondere palmar und plantar, meist junge Männer), Syringomyelie, gustatorisches Schwitzen (fazial, nach Läsion sympathischer Fasern, z. B. OP der A. carotis interna, Bestrahlung). Sekundär bei endokrinen Erkrankungen beispielsweise Hyperthyreose, Phäochromozytom (eher generalisierte Hyperhidrosis).
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Ursachen einer Hyperhomozysteinämie: Genetisch bedingte enzymatische Variationen. * Vitamin B -, Vitamin B - oder Folsäure6 12 mangel. * Tumoren: v. a. Mamma-, Ovarial- und Pankreaskarzinome. * Stoffwechselstörungen: Hypothyreose, chronische Niereninsuffizienz. * Medikamente: Theophyllin, Phenytoin, Methotrexat. * Nikotinabusus. *
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Definition
Pathophysiologie der Gefäßschädigung: * Arterioskleroseentstehung (Einfluss der Hyperhomozysteinämie noch nicht vollständig geklärt): – Vermehrte Produktion reaktiver Sauerstoffmetabolite im Bereich arteriosklerotischer Läsionen bedingt eine zusätzliche Endothelschädigung. – Verstärkte Proliferation glatter Muskelzellen. – Oxidation von Lipoproteinen, insbesondere LDL mit Ausbildung freier Radikale. * Thrombosebildung: – Beeinträchtigung der endogenen Fibrinolyse. * Verantwortlich zum einen für die Entstehung makroangiopathischer Läsionen, insbesondere aber auch bedeutend für die zerebrale Mikroangiopathie.
Erhöhter Homozysteinspiegel im Blut.
Diagnostik
Bei sekundärer Hyperhidrosis Behandlung der Grunderkrankung. Lokal z. B. mit 20% Aluminiumchlorid-Lösung. Positive Berichte über lokale Injektion von Botulinumtoxin-A. Leitungswasser-Iontophorese bei palmarer und plantarer Hyperhidrose; ggf. Sympathektomie.
Hyperhomozysteinämie Synonyme Hyperhomozysteinämie
Einleitung Erhöhte Homozysteinspiegel im Blut können sowohl mit Veränderungen an den Koronarien als auch der peripher-arteriellen Verschlusskrankheit einhergehen [1]. In den letzten Jahren wurde deutlich, dass die Hyperhomozysteinämie auch bei der Entstehung zerebrovaskulärer Gefäßveränderungen und folglich auch als Schlaganfallursache eine wesentliche Rolle spielt [2]. Physiologie: Homozystein ist Metabolit der essentiellen Aminosäure Methionin. Der Abbau erfolgt über drei unterschiedliche enzymatische Wege, die * Vitamin B - (Cystathionin-β-Synthase) 6 * Vitamin B - (Methionin-Synthase) oder 12 * Folsäure-abhängig (Methionin-Synthase) sind.
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Therapie
Bestimmung der Nüchtern-Konzentration im periphervenösen Blut: * Normal zwischen 5–10 μmol/l. * Hyperhomozysteinämie: – Gering: 15–30 μmol/l. – Mäßig: 30–100 μmol/l. – Schwer: ab 100 μmol/l.
Therapie Durch tägliche Einnahme von 5 mg Folsäure in Kombination mit Vitamin B12 (0,5 mg täglich) kann ein erhöhter Homozysteinspiegel gesenkt werden. Es fehlen bislang jedoch aussagekräftige Daten, ob eine erfolgreiche Behandlung der Hyperhomozysteinämie - sei es durch Folsäuresubstitution oder beispielsweise auch diätetisch - mit einer Reduktion des Schlaganfallrisikos verbunden ist [3]. Auch bleibt die Frage offen, ob es sich bei der
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Hyperkaliämische episodische Paralyse
Hyperhomozysteinämie als Risikofaktor, insbesondere für mikroangiopathische zerebrale Veränderungen um einen kausalen Zusammenhang handelt [2].
Hyperkaliämische episodische Paralyse Synonyme Hyperkaliämische periodische Paralyse, HyperPP
Nachsorge Regelmäßige Kontrollen der gefäßsklerotischen Veränderungen (Doppler-/Duplexsonographie) sowie des Blut-Homozysteinspiegels sind sinnvoll.
Definition
Bewertung
Einleitung
Die Signifikanz einer Reduktion des Blut-Homozysteinspiegels im Bezug auf zerebrovaskuläre Erkrankungen muss noch weiter eingeordnet werden.
Bei der hyperkaliämischen periodischen Paralyse ist durch längere Depolarisation (z. B. durch Kalium) die Inaktivierung defekter spannungsabhängiger Natriumkanäle gestört. Manifestation meist im Kleinkindes- bis Jugendalter. Minuten bis Stunden anhaltende Lähmungsattacken werden vor allem durch Anstrengung, Fasten, Sport oder Kaliumzufuhr getriggert und treten nach anschließender Ruhephase ein. Ricker gibt als Beispiel den Mann, der morgens ohne zu frühstücken zum Bus rennt und nach der Fahrt nicht ohne Hilfe vom Sitz aufstehen kann. Beginnende Attacken sind durch Muskelarbeit abzuwenden. Seltener schwere Lähmungsattacken in der zweiten Nachthälfte mit erhaltenen Vitalfunktionen, Mimik und Halsmuskelkraft. Todesfälle in der Attacke sind nicht bekannt. Selten progrediente Paresen. Selten leichte myotone Symptome. Symptomatische Form bei endokrinen Erkrankungen selten (z. B. M. Addison).
Prognose Langfristig erhöhte Hyperhomozysteinspiegel stellen einen wichtigen vaskulären Risikofaktor sowohl für die zerebrale Makroangiopathie als auch die Mikroangiopathie dar ( subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie, vaskuläre Demenz). Die Prognose ist abhängig vom weiteren Risikofaktorenprofil und dessen konsequenter Behandlung. 3
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Folsäure- und Vitamin B-angereicherte MüsliMahlzeiten sind sinnvoll.
Autosomal-dominante Erkrankung, bei der Lähmungsattacken in Verbindung mit Hyperkaliämie auf eine gestörte Funktion von Natriumkanälen zurückgehen.
Diagnostik Literatur 1. Clarke R, Daly L, Robinson K, Naughten E, Cahalane S, Fowler B, Graham I (1991). Hyperhomocysteinemia: an independent risk factor for vascular disease. N Engl J Med 324 (17):1149–55. 2. Fassbender K, Mielke O, Bertsch T, Nafe B, Froschen S. Hennerici M (1999). Homocysteine in cerebral macroangiography and microangiopathy. Lancet 353 (9164):1586–7. 3. Clarke R, Collins R (1998). Can dietary supplements with folic acid or vitamin B6 reduce cardiovascular risk? Design of clinical trials to test the homocysteine hypothesis of vascular disease. J Cardiovasc Risk 5 (4):249–55. 4. Fassbender K, Mielke O, Hennerici M, Bertsch T (1999). Plasma homocyst(e)ine concentrations in cerebrovascular disease. Stroke 30 (10):2244–5.
Serumelektrolyte, insbesondere Kalium in der Attacke und im Intervall, ggf. Mehrfachbestimmung. CK, Kreatinin, TSH, ggf. Kortisol basal und im Tagesverlauf. EKG. Ggf. Provokationstest: Körperliche Belastung am Vorabend. Morgens nüchtern 1 Tbl. Kalinor-Brause®. Nochmals körperliche Belastung. Dann Ruhe (z. B. Sitzen). Für 2 h halbstündlich aufstehen lassen, Kniebeuge, Einbeinhüpfen. Monitoring von Kalium, Glukose, EKG. Danach Frühstück und 2–3 h Nachbeobachtung. Bei Ausbleiben einer Lähmung ggf. Wdh. mit 1½ oder 2 Tbl. Kalinor-Brause®. EMG im Intervall unauffällig. Evtl. myotone Serien. In der Attacke ggf. nur wenige motor-
Hyperkalzämiesyndrom
ische Einheiten mit niedriger Frequenz rekrutierbar. Muskelbiopsie meist nicht wegweisend (vereinzelt Vakuolen oder tubuläre Aggregate).
Therapie Zielt auf Vermeidung der Hyperkaliämie ab durch Glukose-Kotransport mit Kalium von extra- nach intrazellulär, durch Vermeiden vermehrter Kaliumzufuhr und durch medikamentöse Kaliumsenkung. empirisch Meist keine Therapie nötig. Im übrigen Hydrochlorothiazid 25–75 mg/d vorbeugend. Auch in der Attacke in der Regel keine Therapie nötig. Es käme Glukose oral in Betracht.
Bewertung Die Erkrankung ist generell gutartiger als die hypokaliämische episodische Paralyse. 3
Prognose In der Regel keine Behinderung im Laufe des Lebens.
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Kalziumausscheidung hemmen und Parathormon sind die klinisch relevanten Ursachen einer Hyperkalzämie. Zu den Symptomen gehören Anorexie, Nausea, Erbrechen, Durst, Polyurie und Polydipsie. Peripher steht eine Muskelschwäche im Vordergrund. Manche Patienten entwickeln diffuse Kopfschmerzen als Zeichen einer milden globalen Enzephalopathie. Wahnwahrnehmungen und Affektveränderungen können ebenfalls auftreten. Im fortgeschrittenem Stadium kommt es zu Sopor und Koma. Krampfanfälle sind eher selten.
Differenzialdiagnose Vermehrte Parathormonproduktion, z. B. MEN I/II, PHPT. Tumorassoziert (lokale Osteolysen, Produktion von „parathormon related peptide“). Vitamin D-Intoxikation. Andere Endokrinopathien (Thyreotoxikose, Hypoadrenalismus). Morbus Paget. Nierenerkrankungen, akutes Nierenversagen.
Therapie Diätetik/Lebensgewohnheiten Häufige kleinere kohlenhydratreiche Mahlzeiten, insbesondere auch Frühstück. Vermeiden von Obst und Gemüse bzw. Fruchtsäften vor und während Immobilisierung (abends oder bei Reisen). Attacken können durch Muskelarbeit kupiert werden.
Die therapeutischen Maßnahmen zielen auf eine Steigerung der renalen Kalziumausscheidung und eine Verminderung der Knochenresorption. Die notfallmäßige Therapie kann ohne Vorliegen der Diagnose der zugrunde liegenden Ursache begonnen werden. Generell immer kausale Therapie. gesichert
Hyperkalzämiesyndrom Definition Symptomkomplex bei pathologisch erhöhter Serumkonzentration des ionisierten Kalziumanteils.
Einleitung Hyperkalzämie (normal: 1,16–1,32 mmol/l) entsteht aufgrund von exzessivem Kalziumtransport aus dem Knochen in den Extrazellularraum und durch verminderte renale Kalziumexkretion. Systemische (Parathormon, 1,25(OH)2D) und lokal wirksame Faktoren (Lymphokine und andere) regulieren die Kalziummobilisation aus dem Knochen. Niereninsuffizienz, Exsikkose, Medikamente, die die renale
1. Kausale Therapie. 2. Symptomatische Therapie: Mobilisierung des Patienten und Volumensubstitution mit isotoner Kochsalzlösung, dann Gabe von Diuretika zur Steigerung der Natrium- und Kalziumausscheidung. 3. Hemmung der Osteoklastenfunktion durch Kalzitonin, Diphosphonate, Mithramycin und Galliumnitrat. 4. Bei Vitamin D- und durch spezifische Malignome induzierte Hyperkalzämie: Prednisolon 40–100 mg/Tag.
Nachsorge Abhängig von der Grunderkrankung, regelmäßige Kontrolle der Kalziumkonzentration im Plasma.
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Hyperkinese
Prognose
Einleitung
Abhängig von der Grunderkrankung.
Einteilung der primären Hyperlipoproteinämien nach dem Enzymdefekt. Sekundäre Hyperlipoproteinämien bei Hypothyresoe, Diabetes mellitus, Adipositas, billiärer Zirrhose, Pankreatitis, nephrotischem Syndrom, hormonalen Kontrazeptiva, alimentär usw. Für die Ätiologie zerebrovaskulärer Erkrankungen sind relevant ( Arteriosklerose): * Gesamtcholesterinerhöhung. * Erhöhung der LDL-Fraktion >150 mg/dl. * Lipoprotein-(a)-Erhöhung (Lp(a)-Erhöhung) >30 mg/dl
Dykinesien, Überschussbewegungen
Definition Vereinfacht lassen sich Bewegungsstörungen in einem Zuviel (Hyperkinesen) und einem Zuwenig (Hypokinesen, Akinese) an Motorik unterteilen. Die Hyperkinesen umfassen eine Reihe von Bewegungsstörungen wie Tremor, Dystonie, Athetose, Tics, Myoklonus, Dyskinesien und Ballismus. Komplexere Hyperkinesen wie das Restless-Legs-Syndrom oder die Hypereklepsie lassen sich wiederum meist auf diese Grundsyndrome reduzieren. 3
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Hyperkoagulabilität
Diagnostik Bestimmung der Serumtriglyceride, des Gesamtcholesterins und der Lipoproteinfraktionen (durch Lipoproteinelektrophorese).
Therapie Cholesterinarme Diät. Gewichtsabnahme. Regelmäßige sportliche Betätigung. Medikamentöse Lipidsenkung, v. a. durch HMG-Coenzym-A-Reduktase-Hemmer. 3
Synonyme
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Hyperkinese
Definition Erhöhte Gerinnungsneigung
Einleitung Koagulopathien
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Differenzialdiagnose Koagulopathien
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Hyperlipidämie Synonyme Hyperlipämie; meist synonym verwendet: Hyperlipoproteinämie, Hypercholesterinämie
Definition Erhöhung der Lipide im Blutserum. Überbegriff über verschiedene Unterformen von erhöhten Blutfettbestandteilen. Die Hyperlipidämie, insbesondere die Hypercholesterinämie ist ein wichtiger vaskulärer Risikofaktor (speziell für die koronare Herzerkrankung).
Hyperosmolare Therapie Synonyme Osmodiuretische Therapie
Definition Senkung des intrakraniellen Drucks durch osmotische Diuretika.
Grundlagen Osmotische Diuretika wie Mannitol und Sorbitol (beides sechswertige Alkohole) sind, vergleichbar mit der moderaten Hypoventilation, Mittel der ersten Wahl zur Senkung des intrakraniellen Drucks. Beim Hirnödem können sie den intrakraniellen Druck rasch und wirksam senken. Ebenso können sie zur forcierten Diurese verwendet werden, bei bereits eingetretener Anurie sind sie jedoch kontraindiziert. Mannitol wird praktisch nicht verstoffwechselt und verteilt sich nur im Extrazellularraum. Die Ausscheidung erfolgt in den Nieren durch glomeruläre Filtration. Die sofortige Gabe eines Osmodiuretikums ist bei Zeichen einer akuten
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Hyperparathyreoidismus
transtentoriellen Einklemmung oder einer fortschreitenden neurologischen Befundverschlechterung gegeben. Das am häufigsten verwendete Osmodiuretikum ist Mannitol (15– 20%ige Lösung, effektive Dosis: 0,25–1 g/ kgKG). Mannitol ist ein ausgezeichneter Plasmaexpander, der den CPP, die Hirndurchblutung und das O2-Angebot verbessern kann. Da es überwiegend intravasal bleibt, eine rasche Passage der intakten Blut-Hirn-Schranke ist nicht gegeben, kann aufgrund des osmotischen Gradienten Flüssigkeit v. a. dem gesunden, aber auch in geringem Maße dem pathologischen Gewebe entzogen werden. Die kurze Wirkungzeit (30–90 min) legt nahe, dass neben dem osmotischen Gradienten noch andere Faktoren (Erniedrigung des HK und der Viskosität) eine Rolle spielen. Mögliche Risiken sind ein Volumenmangel und Hypotension durch die induzierte Diurese, eine Erhöhung der Serumosmolalität über 320 mosmol/l kann zu einem akuten Nierenversagen führen. Die Gabe großer Volumina, v. a. nach kontinuierlicher Gabe, kann die Akkumulation im Gewebe zur Folge haben, wodurch es zu einem sog. Reboundeffekt (Umkehr des osmotischen Gradienten mit konsekutiver Zunahme des Ödems) kommen kann. Dies ist aber in der Klinik bei intermittierender Bolusgabe, Normovolämie und einer Serumosmolalität <320 mosmol/l äußerst selten zu beobachten.
Hyperparathyreoidismus Definition Überfunktion der Nebenschilddrüse mit vermehrter Ausschüttung von Parathormon.
Einleitung Der primäre Hyperparathyreoidismus (5–15/ 100000 pro Jahr) geht auf Adenome (85%), Hyperplasie (15%) oder Karzinome (<1%) der Nebenschilddrüse zurück. Kalzium und Parathormon sind im Serum erhöht. Frauen/Männer 3/1. 1/3 „asymptomatische“ Hyperkalziurie. 1/3 Nephrolithiasis. 1/3 mit anderen Symptomen, überwiegend des Skelettsystems oder gastrointestinal oder rasche Ermüdbarkeit bzw. Konzentrationsstörung. Die Lebenserwartung sinkt mit steigendem Serum-Kalzium. Kardio- und zerebrovaskuläre Krankheiten sowie Knochen-
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brüche treten gehäuft auf. Mit höherem Kalziumspiegel und mit dem Alter treten in 15– 25% proximale Paresen auf. Die CK ist z. T. erhöht, das EMG zeigt in den ausgeprägteren Fällen myopathisch veränderte motorische Einheiten, gelegentlich eine Demenz. Paresen und Demenz sind mit der Operation meist reversibel. Therapie der Wahl ist die Operation, evtentuell auch für asymptomatische Fälle. Auch Schwangere sollten operiert werden. Häufiger ist der sekundäre Hyperparathyreoidismus, in erster Linie bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und Hämodialyse. Hier führt die Phosphatretention über eine Erniedrigung des freien Kalziums zur vermehrten Parathormonfreisetzung. Zusätzlich besteht aufgrund des Mangels der renalen 1-Hydroxylase ein Mangel an aktivem Vitamin D, ebenfalls mit der Folge einer Hypokalzämie. Die Hauptauswirkung ist die Osteopenie. Die Niereninsuffizienz geht nicht selten auf einen langjährigen Diabetes zurück. Auswirkungen auf Muskel und Nervensystem lassen sich daher häufig nicht allein auf den sekundären Hyperparathyreoidismus beziehen. Aufgrund des Diabetes, teils auch aufgrund knöcherner Wirbelsäulenveränderungen mit Wurzelbeteiligung sind Neuropathien nicht selten. Aber es sind eine ganze Reihe ausgeprägter Myopathien mitgeteilt worden. Der Anteil an Patienten mit einer Myopathie im Rahmen eines sekundären Hyperparathyreoidismus dürfte ähnlich hoch sein wie beim primären Hyperparathyreoidismus. Bei einem Teil der sekundären Fälle wird eine Nebenschilddrüsenresektion – häufig kombiniert mit einer Autotransplantation an einer leicht zugängliche Stelle – in Erwägung gezogen. Andere Ursachen für einen sekundären Hyperparathyreoidismus sind längere Glukokortikoidtherapie sowie Kalzium-Mangel bei Vitamin D-Mangel im Rahmen eines Malassimilationssyndroms.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Kalzium und Phosphat sowie Parathormon im Serum, CK, EMG, Sono und ggf. MRT der Halsweichteile. Muskelbiopsie meist nicht erforderlich.
Therapie Je nach Ursache des Hyperparathyreoidismus Resektion der Nebenschilddrüse oder symptomatische Therapie. Bei klinischen Symptomen
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Hyperprolaktinämie
unter suffizienter konservativer Therapie eines sekundären Hyperparathyreoidsmus ist auch hier die Resektion in Erwägung zu ziehen.
Nachsorge 3
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Adenom, Hypophyse
Prognose Eine regelmäßige Verlaufsbeobachtung aller Patienten, auch nach Nebenschilddrüsenresektion ist nötig. Die Intervalle richten sich nach der jeweiligen Erkrankung.
Prognose
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Nachsorge
Adenom, Hypophyse
Literatur 1. Schramm J, Kristof R (1998). Selläre und periselläre Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 265–285.
Beim primären Hyperparathyreoidismus in der Regel gute Prognose. Beim sekundären Hyperparathyreoidismus hängt die Prognose von der Grundkrankheit und der Ausprägung der Komplikationen ab.
Hyperreflexie, Detrusorhyperreflexie 3
Hyperprolaktinämie
Detrusorhyperreflexie
Hyperreflexie, Hyperthyreose
Definition
Einleitung Eine Prolaktinerhöhung kann viele Ursachen haben. Nur ca. 20–40% der Patienten mit Hyperprolaktinämie haben ein prolaktinproduzierendes Hypophysenadenom [1].
Differenzialdiagnose Leicht erhöhte Prolaktinwerte können durch Stress, durch Aufregung bei der Blutabnahme oder durch vorausgehende Untersuchung der Mammae verursacht sein. Alle Ursachen, die Dopamintransport oder Dopaminsekretion hemmen können, führen potentiell zu erhöhten Prolaktinspiegeln („Begleitprolaktinämie“). Hierzu gehören u. a. alle sellären Tumoren, Medikamente, z. B. Trizyklika, Niereninsuffizienz und Leberzirrhose [1]. Prolaktinwerte von 100–200 mg/l können durch ein Mikroprolaktinom verursacht sein. Werte über 250 mg/l sind praktisch immer durch ein Makroprolaktinom verursacht [1].
Therapie Adenom, Hypophyse
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Eine Hyperprolaktinämie liegt vor, wenn die Prolaktin-Basalwerte im Serum wiederholt deutlich über die obere Normwertgrenze von 20 mg/l erhöht sind.
Hyperthyreose
Hypersomnie Synonyme Schlafsucht
Definition Schlafstörung mit vermehrter Schlafneigung unterschiedlicher Genese.
Einleitung Man unterscheidet die primären von den im Rahmen anderer Erkrankungen sekundär verursachten Hypersomnien. Sekundäre Hypersomnien treten u. a. bei metabolischen und endokrinen Erkrankungen, bei Enzephalitis oder nach SHT auf. Primäre Schlafstörungen, die in der Neurologie wichtig sind, sind die Narkolepsie und das Schlafapnoe-Syndrom.
Differenzialdiagnose *
Narkolepsie mit den Kardinalsymptomen imperativer Schlafdrang, affektiver Tonusverlust (Kataplexie), hypnagoge Halluzinationen und automatisches Verhalten (polysymptomatische Form = Narkolepsie-Kataplexie-Syndrom). Beim Auftreten lediglich
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Hyperthermie
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eines Schlafdranges spicht man von monosymptomatischer Narkolepsie. Schlafapnoe-Syndrom (Pickwick-Syndrom): Tagesmüdigkeit bei obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom. Idiopathische ZNS-Hypersomnie: Erhöhte Tagesschläfrigkeit bei normalem oder verlängertem Nachtschlaf (genetische Disposition). Periodische Hypersomnie (Kleine-LevineSyndrom): Episodische Phasen von exzessiver Schläfrigkeit, Hypersexualität und Hyperphagie. Chronic-fatigue-Syndrom.
Therapie Therapie entsprechend der Grunderkrankung, Kombination aus medikamentöser und Verhaltenstherapie. gesichert 1. Narkolepsie: * In leichten Fällen: Beratung und Aufklärung oft ausreichend. * Bei seltenen narkoleptischen Attacken: Zuerst L-Dopa (3–6×Madopar® 125 mg/Tag, alternativ Selegilin®), bei Versagen: Analeptika (z. B. Amphetamin 2–3×10 mg/Tag, Modafinil). * Kataplexie: Imipramin oder Clomipramin (3–4× 25 mg), jedoch keine Wirkung auf Schlafanfälle. 2. Schlafapnoe-Syndrom: Gewichtsabnahme, Schlafhygiene, Alkoholverzicht, Absetzen von β-Blockern, Behandlung der oft vorhandenen Hypertonie, ggf Theophyllin (bis 750 mg/die), in schweren Fällen: lebenslange CPAP-Beatmung während der Nacht. 3. Idiopathische ZNS-Hypersomnie: Schlafhygiene, verhaltensmodifizierende Maßnahmen, Stimulantien (Methylphenidat 10–60 mg/die). 4. Periodische Hypersomnie: * Phasenprophylaxe: Carbamezepin. * Hypersomnie: Stimulantien. empirisch Narkolepsie: Sowohl Koffein als auch Propranolol (20–80 mg/die) werden empfohlen. Chronic-fatigue-Syndrom: Antidepressiva.
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Prognose Abhängig von der Grunderkrankung.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Schlafhygiene, Planung und Einhaltung von regelmäßigem Schlaf-Wach-Rhythmus, kein Alkohol, Einplanung von Schlafpausen am Tag.
Hyperthermie Einleitung Erhöhung der Körpertemperatur in Form von * Zentralem Fieber: Vorkommen bei Hypothalamusläsion (Tumor, Entzündung, Blutung, Ischämie), seltener auch bei pontinen oder mesenzephalen Läsionen. * Maligner Hyperthermie: Hereditär bedingte pathologische Reaktion der Muskulatur auf Inhalationsnarkotika mit Hyperthermie, Tachyarrhythmie, Muskelkrämpfen und Myoglobinurie. * Malignem Dopaminmangelsyndrom: Ausgelöst durch Absetzen von L-Dopa, Dopaminergika oder Amantadin bei ParkinsonSyndrom, malignem neuroleptischem Syndrom, Serotonin-Syndrom, Katatonie, akinetischer Krise.
Diagnostik Zentrales Fieber: Typisch sind ein langsamer Temperaturanstieg und das Fehlen von Schüttelfrost. Stets Ausschluss von Infektionen bzw. Sepsis (!). Maligne Hyperthermie: Diagnostik durch Molekulargenetik (Ryanodinrezeptor); in vitroMuskelkontrakturtest mit Koffein und Halothan zur Erkennung von Merkmalsträgern (in 50% CK-Erhöhung).
Therapie Zentrales Fieber: Extremitätenkühlung (Wadenwickel), Kühlinfusionen. Medikamentös Metamizol 0,5–1 g als Kurzinfusion, Metoprolol 1– 3 mg/h i. v. oder Pethidin 50–75 mg i. v. in Kombination mit Promethazin 50 mg i. v. Maligne Hyperthermie: Narkose abbrechen oder Verfahren wechseln. Elektrolytausgleich, Dontrolen i. v., Diurese.
H
Hyperthyreose
Definition Erhöhte Serumspiegel des aktiven Schilddrüsenhormons Trijodthyronin (T3) mit nachweisbararer Suppression des hypophysären Thyreoidea-stimulierenden-Hormons (TSH), sowie klinischen Symptomen einer Hyperthyreose.
Einleitung Die führenden Symptome der Hyperthyreose sind Tachykardie (>80/min Ruhepuls), feinschlägiger Tremor, Unruhe, Wärmegefühl, Hyperhidrose, Zunahme der Defäkationsfrequenz, Gewichtsverlust, Struma und Exophthalmus mit entsprechenden Augenzeichen (Dalrymple etc.). Die Muskeleigenreflexe können lebhaft sein bis hin zur Hyperreflexie. Die Diagnose wird selten über lange Zeit verpasst, weil die Bestimmung des TSH als Screening-Test in der Regel zur Routinelabordiagnostik gehört. Die Bestimmung von freiem T3 und T4 kann als Bestätigungstest aufgefasst werden. Neuromuskuläre Symptome sind bei Hyperthyreose relativ häufig. Proximal betonte Paresen finden sich in etwa 60%. Die CK ist normal. Das EMG ist normal oder zeigt ein leicht myopathisches Muster. Histologisch finden sich eher unspezifische Veränderungen. Die Gesichtsmuskulatur ist in der Regel ausgespart. Selten kann sich eine okulofaziobulbäre Myopathie entwickeln, die mit einer Myasthenie verwechselt werden kann. Bis zu 1% der Patienten mit Hyperthyreose entwickelt eine Myasthenie, myasthenische Syndrome, Myasthenia gravis. Eine endokrine Orbitopathie (Morbus Basedow bzw. Graves’ Ophthalmopathy) findet sich in etwa 20–40%. Klinisch findet sich meist beidseits ein Exophthalmus und Diplopie, teils auch Chemosis. Es handelt sich um ein pathogenetisch nicht völlig verstandenes Autoimmungeschehen, das mit orbitaler T-Zellinfiltration und TSH-Rezeptor-Antikörpern (TRAK) einhergeht. Rauchen ist ein Risikofaktor. Schließlich ist noch die hyperthyreote episodische Paralyse zu erwähnen. Klinisch sind die Lähmungsattacken sehr ähnlich der hypokaliämischen periodischen Paralyse. Die Attacken treten nach starker motorischer Belastung mit nachfolgender Ruhephase auf und können durch kohlenhydrat- und salzreiche Kost provoziert werden. Derartige Lähmungsattacken wer-
den bei 5–10% der Patienten mit Hyperthyreose beobachtet. Der Kaliumspiegel ist während der Attacke niedrig normal oder reduziert. Im paretischen Muskel herrscht in der Attacke elektrische Stille.
Diagnostik Klinische Untersuchung, TSH basal. SerumCK. Schilddrüsendiagnostik. Elektromyographie, gegebenenfalls Muskelbiopsie.
Therapie Je nach Art und Ausprägung der Hyperthyreose erfolgt die Therapie konservativ-medikamentös (Thyreostatika), operativ oder nuklearmedizinisch (Radiojodtherapie). Myopathie und episodische Paralyse bessern sich im Verlauf der Behandlung. Myasthenie, myasthenische Syndrome, Mysthenia gravis. Die endokrine Orbitopathie ist eine auf Therapie z. T. schlecht ansprechende Krankheit. Die Therapie hat sich an der Ausprägung der Symptome zu orientieren. Es ist wichtig, das Rauchen aufzugeben. Thyreostatische Therapie per se hat keinen wesentlichen Effekt auf die Orbitopathie. Bei mäßig schweren Formen sind Glukokortikosteroide erste Wahl. Bei oraler Therapie sprechen etwa 63% der Patienten an. Bei der schweren Formen vorbehaltenen Hochdosis-i. v.-Therapie sprechen 77% an. Gegebenenfalls kann mit Ciclosporin oder Methotrexat kombiniert werden. Orbitabestrahlung hatte in einer Vergleichsstudie mit Prednison den gleichen Effekt. I. v.-Immunglobuline hatten in einer kleinen Studie an 10 Patienten keinen wesentlichen Effekt. Bei sehr schweren Fällen kann eine dekomprimierende Operation der Orbita vorgenommen werden. 3
Hyperthyreose
3
586
Prognose In der Regel gut. Die endokrine Orbitopathie ist in einem Teil der Fälle therapierefraktär.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Bei der endokrinen Orbitopathie ist Rauchen ein wichtiger Risikofaktor, der dringend eliminiert werden sollte.
3
Hypertonie, arterielle
Hypertonie, arterielle
*
Synonyme
*
Arterieller Hypertonus, Bluthochdruck, Hochdruckerkrankung
*
Definition
*
Siehe Tab. 1. Sonderformen: * Isolierte systolische Hypertonie: systolisch >140 mmHg, diastolisch <90 mmHg.
587
Labile oder belastungsabhängige Hypertonie: zeitweise bzw. unter Belastung erhöhter Blutdruck. Stabile Hypertonie: konstant erhöhter Blutdruck. Nächtliche Hypertonie: Ausbleiben des nächtlichen Blutdruckabfalls (Non-Dipper) oder paradoxe nächtliche Blutdruckerhöhung. Hypertensive Entgleisung/Hypertensive Krise: kritische Blutdrucksteigerung (>230/ 130 mmHg) ohne strukturellen Organschaden, vorübergehende funktionelle Störun-
Hypertonie, arterielle. Tab. 1: Erhöhung des arteriellen Blutdrucks über die Normgrenze nach INC/ NIH-Kriterien (1997) Blutdruck
Systolisch (mmHg)
Diastolisch (mmHg)
Optimal
<120
<80
Normal
<130
<85
Hochnormal
130–139
85–89
Hypertonie Stufe 1
140–159
90–99
Hypertonie Stufe 2
160–179
100–109
Hypertonie, arterielle. Abb. 1: Exponentieller Anstieg des Schlaganfallrisikos mit steigendem Blutdruck. Beachte die logarithmische Skalierung der Ordinate. Eine Senkung des Blutdrucks unter 136/84 mmHg bewirkt eine weitere Risikoreduktion
H
588
Hypertonie, arterielle
gen, z.B. flüchtige neurologische Symptome sind jedoch möglich.
Einleitung Man unterscheidet die essentielle Hypertonie (>90%) von der sekundären arteriellen Hypertonie (<10%): * Essentielle Hypertonie: – Ätiologie multifaktoriell/polygen. – In 60% der Fälle vererbt. – Häufig vergesellschaftet mit anderen vaskulären Risikofaktoren, z.B. Übergewicht oder Diabetes mellitus, häufig auch im Rahmen des metabolischen Syndroms. * Sekundäre Formen: – Renale Hypertonie, z.B. Nierenarterienstenose. – Endokrine Hypertonie, z.B. Phäochromozytom. – Aortenisthmusstenose. Komplikationen (nur in Bezug auf neurovaskuläre Erkrankungen): * Zerebrale Mikro- und Makroangiopathie und dadurch bedingte zerebrale Ischämien. * Hypertensiv bedingte intrazerebrale Blutung. * Hypertensive Enzephalopathie.
Diagnostik * *
Ausschluss sekundärer Formen. Wiederholte Blutdruckmessung, Langzeitblutdruckmessung, nächtliche Blutdruckmessung.
Therapie * *
*
Kausal: z.B. Beseitigung einer Nierenarterienstenose. Symptomatisch: Stufenschema. – Stufe 1: Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, salzarme Kost, Behandlung anderer kardiovakulärer Risikofaktoren, Verzicht auf Alkohol. – Stufe 2: Medikamentöse Therapie: Monooder Zweifach-Kombination. – Stufe 3: Drei- und Mehrfach-Kombinationen. Substanzklassen (kurzer Abriss): – β-Blocker (1): Bevorzugter Einsatz β-1Rezeptor-selektiver Substanzen ohne sympathomimetische Eigenaktivität. – Diuretkum (2): Meist nur niedrig dosiert und als Kombinationstherapie verwendet.
*
*
*
*
– Kalzium-Antagonisten (3): Nur langwirksame Substanzen sollten angewendet werden. – ACE-Hemmer (4): Mittel der ersten Wahl, z. B. Wirkstoff Ramipril mit günstiger Wirkung bei gleichzeitig vorhandenem Diabetes [1]. – ATII-Rezeptorantagonisten (5): Mittel der ersten Wahl. – α-1-Rezeptorblocker (6): Sympathikolyse. – Zentrale Sympatholytika (7): Z.B. α-2Antagonisten oder Methyl-Dopa, nicht Mittel der ersten Wahl. Auswahl der Substanzklasse nach individueller Verträglichkeit und Begleiterkrankungen Für β-Blocker, Thiazide, ACE-Hemmer und AT II-Antagonisten konnte eine Senkung der Mortalität von Hypertonikern nachgewiesen werden. Monotherapie, z.B. Lisinopril (4) oder Irbesartan bzw. Lorsartan (5), für die neben der Blutdrucksenkung auch ein positiver Effekt auf das Gefäßendothel gezeigt werden konnte. Zweifachkombinationen, z.B. (2) plus (1), (3), (4) oder (6) bzw. (3) plus (1) oder (4).
Bewertung * *
*
*
Arterieller Hypertonus ist einer der wichtigsten zerebrovaskulären Risikofaktoren. Eine suffiziente Blutdruckeinstellung beim Schlaganfall ist sowohl primär- als auch sekundärprophylaktisch von entscheidender Bedeutung. Es gilt: In der Schlaganfallprävention ist weniger die Art des verwendeten Antihypertensivums als die Blutdrucksenkung an sich von Bedeutung [2]. Risikoreduktion: Eine Senkung des diastolischen Blutdrucks um 5–6 mmHg über mehrere Jahre führt zu einer Risikoreduktion von ca. 35–40% für ischämische Schlaganfälle und ca. 20–25% für die koronare Herzerkrankung. Generell gilt: Eine ausgeprägtere Blutdrucksenkung hat einen besseren Effekt als eine leichte Blutdrucksenkung.
Literatur 1. HOPE-Studie (2000). Effects of ramipril on cardiovascular and microvascular outcomes in people with diabetes mellitus: results of the HOPE study and MICRO-HOPE substudy. Heart Out-
Hypoglykämie
Verapamil oder Lithium (vgl. schmerz).
3
comes Prevention Evaluation Study Investigators. Lancet 355 (9200):253–9. 2. Blood Pressure Lowering Treatment Trialists' Collaboration (2000). Effects of ACE inhibitors, calcium antagonists, and other blood-pressurelowering drugs: results of prospectively designed overviews of randomised trials. Lancet 356 (9246):1955–64.
589
Clusterkopf-
Hypogeusie Definition Verminderung der Geschmacksempfindung ( Geschmackssinnstörung). 3
Hyperventilation
Differenzialdiagnose Überventilation
Definition Über den physiologischen Bedarf gesteigerte Atmung bzw. Belüftung der Lungen mit der Folge einer Senkung des arteriellen CO2-Partialdrucks unter 36 mmHg, respiratorischer Alkalose und Abnahme des ionisierten Serumkalziums.
Eine zentral bedingte Hypogeusie kann bei Läsionen im Thalamus, frontoparietalen Kortex oder Unkus auftreten. Hypogeusien können idiopathisch bedingt sein, werden außerdem oft bei psychiatrischen Erkrankungen gefunden. Zu den übrigen Ursachen, Geschmackssinnstörung. 3
Synonyme
Hypoglossus (Nervus hypoglossus)
Grundlagen
3
3
3
3
3
„Hypnic headache“ Definition Schlafgebunden auftretende Hemikranie – Sonderform des Kopfschmerzes ohne strukturelle Läsion.
Therapie Mit Coffeingabe (Kaffee). Intervalltherapie mit
3
Ursachen: * Willkürlich, durch Atmung in größeren Höhen, kompensatorisch bei metabolischer Azidose, neurogen (zentrale Atemregulationsstörung) oder psychogen. Bei entsprechender Intensität und Dauer Auftreten von Parästhesien an Lippen, Zunge und Fingern, Muskelkrämpfen ( Tetanie, Hyperventilationstetanie), Schwindel, Synkopen und evtl. auch epileptischen Anfällen. * Im EEG genutzte Methode zur Provokation epilepsietypischer Aktivität, vor allem bei generalisierten aber auch bei fokalen Epilepsien. * Therapeutischer Einsatz bei beatmeten Patienten zur Senkung eines erhöhten intrakraniellen Drucks.
Nervus hypoglossus, Läsion
Hypoglykämie Definition Laborchemische Definition: Blutzuckerspiegel ≤45 mg/dl. Bei raschem Abfall des Glukosespiegels von überhöhten Werten können klinische Zeichen aber bereits unterhalb Blutzuckerwerten von etwa 80 mg/dl auftreten.
Grundlagen Ursachen vielfältig, z. B. Hyperinsulinismus (Dumping-Syndrom, Insulinom), Hepatosen, Hypophysenvorderlappen- oder Nebenniererindeninsuffizienz, Glukagondefizienz (bei Diabetes mellitus), Sepsis, Unterernährung, medikamentös (z. B. Antidiabetika, Salicylate, β-Blocker), Alkohol. Klinische Symptomatik ist Ausdruck der gegenregulatorischen Adrenalinausschüttung bzw. der Glukopenie des ZNS. Typische Anzeichen einer beginnenden Hypoglykämie sind Heißhunger bzw. Übelkeit, Tachykardie, Tremor, vermehrte Schweißsekretion, innere Unruhe, Konzentrationsschwäche und Benommenheit. Der Übergang zum hypoglykämischen
H
590
Hypokaliämie
Koma ist neben einer progredienten Bewusstseinsstörung durch Parästhesien, Paresen, Sprechstörungen, muskulärer Hypotonie und Hyperreflexie gekennzeichnet. Bei älteren Patienten oder bei schleichendem Beginn können auch initial neurologische Symptome ohne Warnsymptome der adrenergen Gegenregulation auftreten. Dabei können (fokal-)neurologische Defizite (z. B. Hemiparese, Dysarthrie, Aphasie, Bewusstseinsstörung, epileptische (auch fokale) Anfälle, psychiatrische Auffälligkeiten) als Symptome einer zerebralen Ischämie fehlgedeutet werden. Bei starker Ausprägung (Blutzucker ≤20 mg/dl) bzw. langer Dauer Schädigung der grauen Substanz, insbesondere der Hippocampi, Basalganglien, kortikalen Anteile und der Substantia nigra.
Apathie bis Koma, Obstipation bis paralytischem Ileus, kompensatorischer Hypoventilation, Herzrhythmusstörungen, Polyurie und Isosthenurie, Hypotonie. 2. Therapie: Neben symptomatischer Therapie immer kausale Therapie. Symptomatisch: * Leichte Form (Kalium >2,5 mmol/l): Orale Kaliumsubstitution (2–3×40 mval/ Tag), kaliumreiche Ernährung. * Schwere Form:(Kalium <2.5 mmol/l): Kalium i. v. 1 mval/h über ZVK (maximale Tagesdosis 2 mmol/kgKG und maximal 20 mval/Stunde).
3
Hypokaliämische episodische Paralyse Hypokaliämie
Synonyme
Definition
Hypokaliämische periodische Paralyse, HypoPP
Unterschreiten des Kalium-Normbereich von 3.5–5.5 mmol/l im Plasma
Definition
Grundlagen 1. Ursachen: * Störung der Kaliumverteilung: Parenterale Ernährung ohne Kaliumzufuhr, Reparationsphase des Koma diabeticums, Alkalose. * Störungen der Kaliumbilanz: Renale Kaliumverluste bei Hypertonie, z. B. Morbus Conn, Morbus Cushing. * Renaler Kaliumverlust ohne Hypertonie, z B. sekundärer Hyperaldosteronismus bei Leberzirrhose oder nephrotischem Syndrom, Diuretikatherapie. * Extrarenaler Kaliumverlust kombiniert mit metabolischer Alkalose, z. B. Darmfistel oder Enterostomie, Kolonpapillom, Diarrhöe, Laxantienabusus, rezidivierendes Erbrechen. Der Abfall der Kaliumkonzentration in der Extrazellulärflüssigkeit erhöht den Quotienten „intrazelluläres/extrazelluläres Kalium“ und führt zur Abnahme der neuromuskulären Erregbarkeit mit Hyperpolarisationsblock. Das klinische Bild besteht deshalb aus Parästhesien, schlaffen Paresen, Verwirrtheit, Unruhe,
Autosomal-dominante Erkrankungen, bei denen Lähmungsattacken in Verbindung mit Hypokaliämie auf eine gestörte Funktion von Kalzium- bzw. Natriumkanälen zurückgehen.
Einleitung Bei der hypokaliämischen periodischen Paralyse (Typ 1) liegt ein Defekt des muskulären Kalziumkanals vor. Bei der hypokaliämischen periodischen Paralyse (Typ 2) ist die Dichte spannungsabhängiger Natriumkanäle reduziert und deren Inaktivierung vermehrt. Die exakte Pathogenese, die zur Paralyse führt, ist allenfalls teilweise klar. Attacken treten meist nachts nach vorheriger üppiger, kohlenhydratreicher Mahlzeit auf. Es besteht eine Tetraparese bei erhaltener mimischer sowie Schluckfunktion. Die Atmung kann beeinträchtigt sein. Dauer meist Stunden bis einige Tage. Attackenprovokation durch Lokalanästhetika ist beschrieben. Familienanamnestisch sind nicht selten nächtliche Todesfälle nach üppigen Mahlzeiten (z. B. Festen) fassbar. Die Ausprägung ist sehr unterschiedlich. Männer sind meist stärker betroffen. Bei schweren Fällen können langsam progrediente Paresen auftreten, deren Genese unklar ist. Hypokaliä-
Hyponatriämie
Hypokinese 3
mische Lähmungen kommen auch bei Endokrinopathien, z. B. Thyreotoxikose und ConnSyndrom vor.
591
Akinese
Diagnostik
Hypomimie Definition Hypo bzw. bradykinetische Störungen im Bereich der spontanen fazialen Ausdrucksmotorik.
Einleitung Die Hypomimie ( Parkinson-Syndrom) zeigt sich zunächst als einseitig ausgeprägte Verminderung von Mundwinkelexkursionen bei Ausdrucksbewegungen und ein- oder beidseitiger Verminderung der Lidschlusshäufigkeit. 3
Serumelektrolyte, insbesondere Kalium in der Attacke und im Intervall, ggf. Mehrfachbestimmung. CK, Kreatinin, TSH, ggf. Aldosteron im 24 h Sammelurin. EKG. Ggf. Provokationstest, jedoch nicht bei manifester Hypokaliämie! Beispielsweise 500 ml Glukose 20% und 20–25 IE Altinsulin i. v. unter Monitoring von EKG, Kalium, Serum-Glukose, Befinden, Kraft, Reflexen. EMG im Intervall und in der Attacke. HypoPP: In der vollständigen Lähmung elektrische Stille. Bei Nervenstimulation: Fehlendes (oder deutlich reduzieretes) Summenaktionspotential. Ggf. Muskelbiopsie (vakuoläre Myopathie).
Therapie
Differenzialdiagnose
Kohlenhydratreiche Mahlzeiten und körperliche Anstrengung meiden. Kalium i. v. möglichst vermeiden (kardioplege NW!). In der Attacke Kalium oral (z. B. 2–3 Tbl. Kalinor-Brause® aufgelöst), Besserung nach ½ bis 1 h. Aktive Bewegung bei Rückkehr der Kraft beschleunigt die Rückbildung. Leichte Attacken bedürfen keiner Therapie.
Psychomotorische Verlangsamung bei depressiven Störungen.
empirisch Mittel der Wahl ist Azetazolamid. Je nach Häufigkeit und Schwere der Attacken 250 mg jeden 2. Tag bis alle 8 h täglich (Cave: Nierensteine). Alternativ: 3×250 mg Diclofenac. Bei schweren Fällen: Natriumarme Diät und 100–200 mg Spironolacton. Gegen die progrediente vakuoläre Myopathie gibt es keine gesicherte Therapie. Symptomatisch Krankengymnastik.
Bewertung Seltene Erkrankungen, die nicht selten als psychogen verkannt werden. Bei schweren Fällen kann es trotz aller Maßnahmen zu rezidivierenden Lähmungsattacken kommen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Wichtig ist das Vermeiden üppiger sowie kohlenhydratreicher und salzreicher Speisen (Pasta und Pizza am Abend). Statt dessen ist eine regelmäßig sportliche Betätigung am Abend sinnvoll.
Hyponatriämie Definition Natriumkonzentration unter Normbereich 135– 144 mmol/l im Plasma.
Grundlagen Da Natrium physiologischerweise der wichtigste Osmolyt in der Extrazellulärflüssigkeit ist, ist Hyponatriämie in der Regel gleichbedeutend mit Hypoosmolalität. 1. Ursachen: * Bei Hyposmolalität: – Exzessive Wasserzufuhr, z. B. psychogene Polydipsie, inadäquate Infusionstherapie. – Gestörte renale Wasserausscheidung, z. B. SIADH, chronische Niereninsuffizienz, Morbus Addison, Herzinsuffizienz. * Bei Normoosmolalität: Pseudohyponatriämie durch hohe Blutfette und (Para-) Proteine. * Bei Hyperosmolalität: Osmotisch bedingter Wasseraustritt aus dem Intrazellulärraum bei Hyperglykämie: Gabe von Osmodiuretika.
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592
Hypoparathyreoidismus
Die Ausprägung der Symptome ist abhängig von der Geschwindigkeit des Auftretens der Hyponatriämie, da die Zellen sich langsam an die erniedrigte Osmolalität adaptieren können. In der Regel treten die ersten Symptome erst unterhalb einer Natriumkonzentration im Plasma von 120 mmol/l auf. Im Vordergrund stehen die Hirndruckzeichen: Kopfschmerzen, Erbrechen, Papillenödem, Bewusstseinstrübung, Delir, fokale oder generalisierte Anfälle. Bei Flüssigkeitsverlust kann es zu Exsikkose, Hypotonie und Tachykardie, bei Flüssigkeitsretention zu generalisierten Ödemen und Herzinsuffizienz kommen. 2. Therapie: * Kausale Therapie. * Symptomatisch bei Volumenmangel: Langsame Zufuhr von isotoner NAClLösung, bei Überwässerung Gabe von Diuretika. Cave: Eine Natriumzufuhr bei ödematösen, hyponatriämischen Patienten mit Herzinsufizienz, Leberzirrhose und Aszites, nephrotischem Syndrom oder Niereninsuffizienz ist nicht sinnvoll.
Hypoparathyreoidismus
zu: Verkalkung von Stammganglien etc., Haarund Nagelbildungsstörungen, Osteosklerose und eher selten zu einer Myopathie mit Hyperkalzämie. Ein Hypoparathyreoidismus kann vorgetäuscht werden (Pseudohypoparathyreoidismus) bei Bildung eines unwirksamen Parathormons oder bei Endorganresistenz.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Kalzium, Phosphat, Magnesium sowie Parathormon im Serum, CK, EMG, Sono und ggf. MRT der Halsweichteile. Muskelbiopsie bei Verdacht auf Mitochondriopathie.
Therapie Vitamin D und Kalzium oral unter Beobachtung des Serumkalziumspiegels. Bei hypokalzämischer Tetanie evtl. 10–20 ml 10% Kalziumlösung. i. v. Cave: nicht bei digitalisierten Patienten!
Nachsorge Eine regelmäßige Verlaufsbeobachtung ist nötig.
Hypophonie Definition
Definition
Korrelat der Hypokinese ( Akinese) bei der Phonation. 3
Unterfunktion der Nebenschilddrüse mit verminderter Ausschüttung von Parathormon.
Einleitung Der primäre Hypoparathyreoidismus ist selten. Neben einer Autoimmungenese gibt es kongenitale Fälle mit Aplasie der Nebenschilddrüse (z. B. im Rahmen eines Di-George-Syndroms). Ferner gibt es eine ganze Reihe von Fallbeschreibungen eines Hypoparathyreoidismus im Rahmen einer Mitochondriopathie. Häufiger ist der sekundäre Hypoparathyreoidismus nach Operation im Bereich der Schilddrüse. Klinisch ist das Kardinalsymptom die hypokalzämische Tetanie, ggf. mit akralen Parästhesien, positivem Chvostek-Zeichen und Trousseau-Phänomen und ggf. Q-T-Verlängerung im EKG. Nicht selten sind psychische Symptome: vermehrte Reizbarkeit, depressive Verstimmung, seltener eine Psychose. Ferner kann es kommen
Die Stimme verliert an Volumen und wird im Verlauf heiser und monoton (Hypophonie). Die Prosodie nimmt ab.
Differenzialdiagnose Larynxaffektionen, eine früh im Verlauf eines Parkinson-Syndroms auftretende prominente hypophone Symptomatik, sollte an atypische Parkinson-Syndrome, insbesondere an die multiple Systematrophie denken lassen. 3
Einleitung
Therapie gesichert Im Gegensatz zu anderen neurologischen Störungen, ist Logopädie von erfahrenen Therapeuten vermittelt, bei Parkinson-Kranken sehr effektiv. Dies bestätigen entsprechende Studien.
3
Hypophysäre Hypersekretion
Hypophysäre Hypersekretion
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die physiologischerweise auf die Prolaktinsekretion hemmend wirkt.
Definition Grundlagen Die Auswirkungen sind abhängig von der Hormonproduktion. Möglich sind Amenorrhoe-Galaktorrhoe-Syndrom (PRL-Exzess), Akromegalie (GH-Exzess), Morbus Cushing (ACTH-Exzess), Nelson-Syndrom (ACTH-Exzess bei fehlender Nebennierenfunktion) und Hyperthyreose (TSH-Exzess). Zur Behandlung der hypophysären Hypersekretion, Adenom, Hypophyse; Akromegalie, Nelson-Tumor. 3
3
Hypophysäre Hypersekretion. Abb. 1: Synopsis des endokrinen Systems
3
Die Hypersekretion hypophysärer Hormone ist in der Regel Folge eines hormonaktiven Hypophysenadenoms und kann einzelne Hormone (Prolaktin, PRL; Wachstumshormon, GH; Adrenocorticotropes Hormon, ACTH; thyroideastimulierendes Hormon, TSH) oder bei plurihormonalen Hypophysenadenomen mehrere Hormone betreffen. Eine „Begleithyperprolaktinämie“ ist bei Hypophysenadenomen, die andere Hormone sezernieren, oder bei hormoninaktiven Hypophysenadenomen häufig. Die Ursache hierfür ist die defekte hypothalamische Dopamin (=Prolaktin Inhibiting Factor)-Sekretion,
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Hypophysenadenom
Hypophysenadenom Adenom, Hypophyse
3
Hypophysenapoplex Definition „Schlaganfall der Hypophyse“, meist auf dem Boden einer Tumoreinblutung mit typischen Symptomen eines vernichtenden Kopfschmerzes und einer akuten Visusminderung.
Diagnostik Kraniales Computertomogramm, MRT, ggf. Angiographie.
Therapie Wenn möglich chirurgische Therapie der Grunderkrankung.
Hyporeflexie, Detrusorhyporeflexie Detrusorareflexie
3
Hyposomnie
gehäuft auf. Körperliche Inaktivität und Stress sind begünstigende Faktoren. Für sekundäre Hypotonien gibt es mehrere Ursachen: * Endokrine Störungen (Hypothyreose, NNRund HVL-Insuffizienz, Hypoaldosteronismus). * Kardiovaskuläre Ursachen (Herzinsuffizienz, Aortenstenose, pulmonale Hypertonie u. a.). * Hypovolämie und Hyponatriämie unterschiedlicher Genese. * Medikamentös induziert, z. B. Diuretika, Psychopharmaka, Antihypertonika. * Immobilisation, lange Bettlägrigkeit mit orthostatischer Fehlregulation. Symptome der arteriellen Hypotonie sind verminderte Leistungsfähigkeit, rasche Ermüdbarkeit, lange morgendliche „Anlaufzeit“ und Störung der Konzentration. Zudem klagen die Patienten über kalte Hände und Füße, über Schlafstörungen, depressive Verstimmung und innere Unruhe. Zusätzlich kann man noch die orthostatische Hypotonie abgrenzen. Diese kann entweder idiopathisch sein oder bei Störungen des autonomen Nervensystems, z. B. bei diabetogener autonomer Neuropathie oder bei postthrombotischem Syndrom in Erscheinung treten. Schwindel, „Schwarzwerden“ oder Flimmern vor den Augen oder sogar Kollaps nach dem Aufrichten/Austehen sind die typischen Symptome.
Diagnostik Insomnie
3
Hypotension Synonyme Arterielle Hypotonie
Definition Systolische Blutdruckwerte <100 mmHg.
Einleitung Man kann aufgrund der Ätiologie zwei Arten der Hypotonie unterscheiden: die primäre und die sekundäre Hypotonie. Die primäre (essentielle) Hypotonie ist die häufigste Form und betrifft bevorzugt junge Frauen vom leptosomalen Habitus und tritt familiär
1. Genaue Anamnese und Klinik. 2. Langzeit-RR-Messung. 3. Schellong-Test.: * Bei sympathikotoner orthostatischer Hypotonie Abnahme des systolischen Wertes um >20 mmHg und Anstieg der Pulsfrequenz >16/min. * Bei asympathikotoner orthostatischer Hypotonie Absinken des systolischen (>20 mmHg) und diastolischen (>10 mmHg) Wertes, Pulsfrequenz gleichbleibend oder absinkend. 4. Bei Synkopen: Weitere Diagnostik nötig, u. a. kardiale Abklärung, zerebrovaskuläre Diagnostik (hinterer Kreislauf).
Therapie Im Allgemeinen ist die arterielle Hypotonie mit allgemeinen Verhaltensmaßnahmen gut zu be-
Hypothyreose
handeln, die medikamentöse Therapie sollte nur in Ausnahmefällen herangezogen werden. Bei sekundärer Hypotonie kausale Therapie. gesichert Allgemeinmaßnahmen wie vermehrte Kochsalz- und Flüssigkeitszufuhr, häufigere und kleine Mahlzeiten, aerobes Ausdauertraining, allgemeine körperliche Betätigung, Hydrotherapie (Kneipp). Eventuell medikamentöser Versuch mit Sympathomimetika (Etilefrin, Midodrin), aber strenge Indikationsstellung.
Nachsorge Regelmäßige RR-Kontrolle, Nachsorge entsprechend der Grunderkrankung bei sekundärer Hypotonie.
Bewertung Die arterielle Hypotonie per se ist keine Behandlungsindikation, sondern nur Beschwerden infolge der Hypotonie.
Prognose Abhängig von der Grunderkrankung bei sekundärer Hypotonie, bei essentieller Hypotonie sehr gut.
Hypothalamus Grundlagen Der unterhalb des Thalamus bzw. des Sulcus hypothalamicus gelegene Teil des Zwischenhirns, bestehend aus der Seitenwand des III. Hirnventrikels und dessen Boden. Er ist durch seine Kerne das zentrale Regulationsorgan der vegetativen Funktionen. Afferenzen kommen aus dem Hippocampus, dem Corpus amygdaloideum, dem medialen Lemniscus, dem Thalamus. Efferenzen führen zur Formatio reticularis des Mittelhirns, dem Thalamus und zur Neurohypophyse. Die markarmen hypophysären Kerne (Nucleus supraopticus, Nucleus paraventricularis) bilden Neurosekrete, die das ADH bzw. Oxytozin enthalten und über den Tractus supraopticohypophysealis in den Hypophysenhinterlappen gelangen. Im Nucleus infundibularis werden die Releasing- und Inhibiting-Hormone gebildet, die über den tuberohypophysären Traktus bzw. das Pfortadersystem
595
der Hypophyse in den Hypophysenvorderlappen gelangen und dessen Hormonproduktion steuern.
Hypothermie Definition Spontane oder induzierte Senkung der Körpertemperatur.
Grundlagen Normalerweise liegt die Körpertemperatur bei 37°C, auch wenn es Tagesschwankungen von bis zu 1°C gibt. Hypothermie wird heute eingeteilt in: Milde Hypothermie (bis 34°C), moderate Hyopthermie (bis 29°C) und tiefe Hypothermie (<28°C). Die künstliche Hypothermie führt über die Herabsetzung der Stoffwechselvorgänge und des Sauerstoffverbrauchs zu einer Verlängerung der Ischämietoleranz in allen Organen. Unter Hypothermie wird nicht nur der zerebrale Metabolismus herabgesetzt, sondern auch die Ausschüttung exzitatorischer Aminosäuren gesenkt, die Blut-Hirn-Schranke stabilisiert und der ICP gesenkt. Die Hypothermiebehandlung wird deshalb in den letzten Jahren verstärkt bei Patienten mit SHT und konsekutiv erhöhtem Hirndruck und malignem Mediainfarkt eingesetzt. Komplikationen tiefer Hypothermie sind v. a. Reizleitungsstörungen, Gerinnungsstörungen und Infektionen. Die Induktion der Hypothermie kann durch verschiedene Verfahren (momentan einige noch in der Testphase) durchgeführt werden, so z. B. mit Hilfe eines intravasal plazierten Wärmeaustauschers oder einer Oberflächenkühlung.
Hypothyreose Definition Erniedrigte Serumspiegel des aktiven Schilddrüsenhormons Trijodthyronin (T3), sowie klinische Symptomen einer Hypothyreose.
Einleitung Im Erwachsenenalter sind typische Symptome der Hypothyreose Kälteempfindlichkeit, Mü-
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Hypoxie
digkeit, Adynamie, Hypakusis, kalte und trockene, teigig verdickte Haut, brüchiges Haar und brüchige Nägel, tiefe Stimme, Wasserretention, ggf. Myxödembildung (Schwellung der Subkutis, ohne das sich auf Druck Dellen bilden), gegebenenfalls Herzinsuffizienz. Ferner können Obstipation und Karpaltunnelsyndrom auftreten. Der Puls liegt meist zwischen 60 und 80 pro Minute. Bei der primären Hypothyreose, etwa bei Thyreoiditis, nach Schilddrüsenoperation, Radiojodtherapie etc. ist TSH erhöht. Beim primären Hypopituitarismus ist auch das TSH erniedrigt. Eine Muskelbeteiligung tritt in etwa 30–40% auf mit Paresen im Becken- bzw. Oberschenkelbereich. Oft besteht ein Steifigkeitsgefühl, Myalgien und Krampi. Die verzögerte Kontraktion und Relaxation der Muskulatur führt zu einer veränderten Reflexkinetik. Beklopfen der Muskulatur kann zur Wulstbildung führen. Die Kombination aus Paresen, Muskelsteifigkeit (und evtl. myxödematöser Pseudohypertrophie) wird auch als Hoffmann-Syndrom bezeichnet, analog zum Kocher-Debré-Semelaigne-Syndrom des Kindesalters. Es kann auch eine okuläre Beteiligung auftreten. Kontraktion und Relaxation der Muskulatur sind verzögert. Die CK ist häufig erhöht, während im EMG und auch in der Muskelbiopsie eher unspezifische Veränderungen zu finden sind. Die Nervenleitgeschwindigkeiten sind z. T. zu langsam. 3
Diagnostik Klinische Untersuchung, TSH basal. SerumCK. Schilddrüsendiagnostik. Elektromyographie, gegebenenfalls Muskelbiopsie.
Therapie Substitution mit L-Thyroxin.
Definition Herabsetzung des Sauerstoffgehaltes in Körpergeweben.
Grundlagen Hypoxie kann den Gesamtorganismus oder nur bestimmte Körperregionen betreffen. Abhängig vom betroffenen Organ, der Dauer und Intensität des Sauerstoffmangels kommt es in den einzelnen Zellen zuerst zu einer Störung des Funktionsstoffwechsels, bei anhaltender Hypoxie schließlich zu einer Störung des Strukturstoffwechsels mit konsekutiven irreversiblen Zellschäden. Das Gehirn kann den anaeroben Stoffwechselweg (stark verminderte Energieausbeute der anaerobe Glykolyse) nur kurzfristig eingehen, unter normalen Bedingungen wird Glukose zu 95% oxidativ zu CO2 und H2O metabolisiert. Hinsichtlich der Ätiologie kann man die Hypoxie in 4 Kategorien einteilen: 1. Hypoxämische Hypoxie: Mangelnde O2Versorgung durch Erniedrigung des arteriellen pO2. Ursachen hierfür ist v. a. die respiratorische Insuffizienz, seltener der Aufenthalt in großer Höhe. 2. Anämische Hypoxie: Herabsetzung der O2Transportkapazität des Blutes durch Verminderung des Hb-Gehaltes (Anämie) oder durch Beeinträchtigung des O2-Bindungsvermögen, z. B. CO-Intoxikation. 3. Ischämische oder zirkulatorische Hypoxie: Herabsetzung des O2-Angebots durch verminderte Gewebeperfusion, z. B. Herzinsuffizienz, Gefäßstenose oder - verschluss. 4. Zytotoxische Hypoxie: O2-Mangel des Gewebes durch Gifte, die die Zellatmung (oxidative Phosphorylierung) blockieren, z. B. Zyanide.
Prognose In der Regel gut. Die Symptome bilden sich bald nach Beginn der Substitutionstherapie zurück.
Hypoxie Synonyme Hypoxidose
Hypsarrhythmie Definition Epilepsietypische EEG-Veränderung mit spannungshoher, irregulärer langsamer Aktivität, mit Spikes, steilen und langsamen Wellen, die generalisiert, häufig auch fokal betont und multifokal auftreten. Hypsarrhythmie ist bei diffusen und multifokalen, zu Epilepsie führenden Hirnerkrankungen im frühen Kindesalter (meist innerhalb des ers-
Hypsarrhythmie
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ten Lebensjahres) zu beobachten und ist typischerweise assoziiert mit dem West-Syndrom. 3
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IAN Isolierte Arteriitis des zentralen Nervensystems
noide sind Gewebshormone, die in allen Körperzellen bei Bedarf synthetisiert und freigesetzt werden können und zahlreiche biologische Mediatorfunktionen erfüllen. Sie spielen als Vermittler der Entzündungsreaktion eine wesentliche Rolle.
3
Resorption
Ibuprofen Gebräuchliche Fertigarzneimittel Aktren®, Contraneural®, Dismenol® N, Dolgit®, Dolodoc®, DOLO-PUREN®, Dolormin®, dolo sanol®, Esprenit®, Eudorlin®, Gynofug®, Gyno-Neuralgin®, Ibu AbZ, Ibu-1 A Pharma, Ibu-acis®, ibu-Attritin, Ibubeta®, ibudolor®, Ibu Eu Rho®, Ibuflam Lichtenstein, Ibu-Hemopharm, Ibuhexal®, Ibu KD®, Ibumerck, Ibuphlogont®, ibuprof von ct, Ibuprofen Heumann, ibuprofen von ct, Ibuprofen medphano, Ibuprofen AL, Ibuprofen Atid, Ibuprofen Klinge, Ibuprofen-mp, Ibuprofen PB, Ibuprofen STADA®, IBU-ratiopharm®, ibuTAD®, ibutop®, ilvico® grippal, Imbun®, Jenaprofen®, Kontagripp® Mono, Mensoton®, Migränin Ibuprofen Dragees, Novogent®, Nurofen, Optalidon®, Opturem®, Parsal®, Pfeil ZahnschmerzTabletten®, Phamoprofen, ratioDolor®, Schmerz-Dolgit®, Spalt® Liqua, Tabalon®, Tempil®, Tispol IBU-DD, Togal® Ibuprofen, Urem®.
Wirkungen Ibuprofen ist ein nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR) aus der Gruppe der Phenylpropionsäuren. Es besitzt entzündungshemmende, analgetische und antipyretische Eigenschaften. Die Wirkungen werden im Wesentlichen durch die Hemmung der mikrosomalen, membrangebundenen Cyclooxigenase erklärt. Dieses Enzym katalysiert die Biosynthese von Prostaglandinen und anderen Eicosanoiden aus ihrer gemeinsamen Vorstufe Arachidonsäure. Eicosa-
Ibuprofen wird nach peroraler Gabe rasch und vollständig resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden in der Regel 1–2 h nach der peroralen Applikation erreicht. Die Bioverfügbarkeit im Vergleich zu einer peroral verabreichten Lösung ist für eine Tablette mit 400 mg Wirksubstanz nahezu 100%. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme verändert die Bioverfügbarkeit nur unwesentlich. Die Resorptionsquote scheint dosisunabhängig zu sein. Ibuprofen wird beim Menschen zu 99% an Plasmaeiweiße gebunden.
Elimination Ibuprofen wird vom Menschen nach hepatischer Metablisierung vorwiegend renal ausgeschieden, die Eliminationshalbwertzeit beträgt etwa 2 h. Nach peroraler Applikation von 400–1200 mg werden im 24-Stunden-Sammelurin 76–85% der Dosis wiedergefunden. Eine Abhängigkeit der pharmakologischen Daten vom Lebensalter besteht nicht, auch bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion sind die kinetischen Parameter von Ibuprofen nur unwesentlich verändert.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung von leichten bis mittelstarken Schmerzzuständen (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen) ist Ibuprofen ohne ärztliche Verordnung zugelassen. Die antiphlogistische und analgetische Wirksamkeit von Ibuprofen in der Behandlung degenerativer und entzündlicher Gelenkerkrankungen (Arthrosen und Spondylarthrosen,
IDCA (idiopathische zerebellare Ataxie)
Unerwünschte Wirkungen Selten Überempfindlichkeitsreaktion der Haut bzw. Bronchospasmen. Bei antirheumatisch wirksamen Dosen treten gelegentlich zentralnervöse Nebenwirkungen wie Einschränkungen des Reaktionsvermögens (besonders im Zusammenwirken mit Alkohol) auf. In Einzelfällen wurde über Störungen der Blutbildung wie z. B. Leukopenie, Thrombozytopenie oder Agranulozytose berichtet. Häufig treten bei antirheumatisch wirksamen Dosen gastrointestinale Nebenwirkungen auf, allerdings selten gastrointestinale Ulzerationen mit Hämorrhagien. In Einzelfällen Leber- oder Nierenfunktionsstörungen oder Auftreten einer lymphozytären Meningitis (Mollaret-Meningitis).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung In der Rheumatherapie sollte die Anwendung bei Risikopatienten (stark eingeschränkte Leber-, Nieren- oder Herzfunktion) nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Ibuprofen in der Selbstmedikation ist kontraindiziert bei Patienten mit Neigung zu allergischen Reaktionen sowie bei bestehenden bzw. anamnestisch bekannten Magen-Darm-Ulzera und Blutbildungsstörungen. Während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte Ibuprofen nicht angewendet werden, eine Anwendung im letzten Trimenon ist kontraindiziert.
Wechselwirkungen Ibuprofen führt zur Retention und damit Wirkungssteigerung von Lithium und Methotrexat. Die Wirkung von Diuretika wird verringert. Interaktion mit oralen Antikoagulantien, oralen Antidiabetika, Herzglykosiden, Phenytoin und Probenecid werden aufgrund der Analogie zu anderen Antiphlogistika vermutet. Die klinische Relevanz der Interaktion von Ibuprofen mit Ranitidin oder Cimetidin ist nicht erwiesen. Überdosierungen von Ibuprofen äußern sich durch zentralnervöse Störungen wie Somnolenz und Schweißausbruch, Kopfschmerzen und
Tinnitus. Erbrechen und abdominale Schmerzen sowie passagere Nierenschädigungen.
IDCA (idiopathische zerebellare Ataxie) Ataxie, idiopathische zerebellare (IDCA)
Ilioinguinalsyndrom 3
Weichteilrheumatismus, akute Arthritiden, Gichtanfall, chronische Arthritiden, insbesondere rheumatoide Arthritis, chronische Polyarthritis), Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) und anderer entzündlicher rheumatischer Wirbelsäulenerkankungen ist erwiesen.
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Nervus ilioinguinalis, Läsion
Illusion, illusionäre Verkennung Definition Wahrnehmungstäuschung in Form einer Umund Fehldeutung von Sinneseindrücken bzw. realen Begebenheiten, meist durch Eingehen unbewusster affektiver Einstellungsfaktoren in den Wahrnehmungsprozess, insbesondere bei leichter Bewusstseinstrübung oder bei psychiatrischen Erkrankungen.
Immunadsorption Synonyme Immunoadsorption; Immunapherese
Definition Unter Immunadsorption ist die Entfernung von Immunglobulinen aus dem Plasma zu verstehen, wobei die anderen Plasmakomponenten (wie Gerinnungsfaktoren, Albumin) möglichst unverändert in ihrer Konzentration nach Passage der Immunadsorptionssäule bleiben. Man unterscheidet das Single-column-Verfahren vom Double-column-Verfahren sowie das Single-use-Verfahren vom Reuse-Verfahren. Eingesetzt wird die Immunadsorption bei der Behandlung verschiedener Autoimmunerkrankungen, welche auf eine herkömmliche Therapie, z. B. Pharmakotherapie, nicht oder nur unzureichend ansprechen.
Immunadsorption
Grundlagen Bei der Immunadsorption erfolgt genau wie bei der Plasmapherese (Apherese) im ersten Schritt die Separation von Plasma mittels Hohlfasermodul, Zentrifuge oder Kombination von beidem wie beim Spiner. Im zweiten Schritt wird das Plasma dann über die Immunadsorptionssäule geleitet. Dabei erfolgt die eigentliche „Immunadsorption“. Im Gegensatz zum Plasmaaustausch liegen hier die Vorteile in der: * Relativen Selektivität der Elimination von Antikörpern. * Nicht notwendigen Substitution von Plasmaprodukten und damit deutliche Reduktion des Risikos für anaphylaktische Reaktionen auf Fremdeiweiße und Infektionen. * Es können deutlich größere Plasmamengen von Antikörpern gereinigt werden. Dies variiert jedoch von Verfahren zu Verfahren. Bei initialer Behandlung mit der Immunadsorption sind bis zu 3fache Plasmavolumina keine Seltenheit [1, 2]. 3
Der Wunsch des behandelnden Mediziners nach immer besserer und selektiverer Entfer-
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nung von Antikörpern bei Autoimmunerkrankungen hat zur Entwicklung immer neuer aber auch teuerer Adsorbentien geführt [3]. So wurde beispielsweise in Japan ein selektives Adsorbent für die Entfernung von Anti-Acetylcholin-Rezeptor-Antikörpern bei Myasthenia gravis entwickelt [4]. Derzeit am häufigsten verwendet werden semiselektive Adsorbentien, welche bei mehreren, von der Pathogenese ähnlichen Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden. Dabei wird unterschieden zwischen den Verfahren, welche mit einmal verwendbaren Säulen (z. B. Phenylalanin- oder Tryptophansäulen) und denen mit wiederverwendbaren Säulen (z. B. Anti-IgGund Protein A-Säulen). Die Vorteile der Verwendung wiederverwendbarer Säulen (wie Kostensenkung und geringerer Anfall von Medizinabfällen) liegen auf der Hand. Wiederverwendbare Säulen sind allesamt Doppelsäulenverfahren. Dabei erfolgt die Regeneration einer Säule online, während sich die andere im Adsorptionszyklus mit Patientenplasma befindet. Bestrebungen, vollblutverträgliche Immunoadsorber zu entwickeln, führten bisher nicht in
Immunadsorption. Abb. 1: Immunadsorption mit single-column-Verfahren
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Immunadsorption
Immunadsorption. Abb. 2: Immunadsorption mit double-column-Verfahren
dem Maße zum Erfolg, dass ein klinischer Einsatz in Sicht ist. Die zum Teil gewünschte Bioinkompatibilität der Immunoadsorber steht hier insbesondere der bei der Arbeit im Vollblut verbundenen hohen Plättchenaggregation entgegen. Neben der klassischen Elimination von Autoantikörpern, so bei der Myasthenia gravis pseudoparalytica Anti-Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper oder beim Goodpasture-Syndrom AntiBasalmembran-Antikörper, werden bei der Immunadsorption immunmodulatorische Effekte durch die Bioinkompatibilität der Adsorbentien initiiert. Nicht alle Adsorber scheinen dafür gleich gut geeignet. Insbesondere die zusätzliche immunmodulatorische Wirkung des Staphylokokken-Protein A scheint für oben genanntes Ziel klinisch nutzbar und steuerbar zu sein [5, 6]. Mit der Entfernung von Autoantikörpern werden aber auch physiologische Antikörpern in hohem Maße entfernt. Daraus ergibt sich, dass der Patient während der Immunadsorptionsserie ein noch höheres Infektionsrisiko erleidet, als er es ohnehin schon in Folge der meist synchron durchgeführten Immunsuppression hat. Deshalb sind Sicherheitsmaßnahmen wie der
Schutz vor Infekten besonders wichtig. Eine Hospitalisation in Zusammenhang mit der Durchführung der Immunadsorption ist nicht notwendig, kann aber insbesondere in der Induktionsphase der Immunadsorption sinnvoll sein.
Literatur 1. Ullrich H, Mansouri-Taleghani B, Lackner KJ, Schalke B, Bogdahn U, Schmitz G (1998). Chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy: superiority of protein A immunoadsorption over plasma exchange treatment. Transfus Sci 19 Suppl.: 33–38. 2. Yamawaki T, Suzuki N (1997). Can immunoadsorption plasmapheresis be used as the first choice therapy for neuroimmunological disorders? Therapeutic Apheresis 1(4):348–352. 3. Falkenhagen D, Brown GS, Winkler RE, Holtz M, Möhrke T, Schneidewind J, Mietzner S, Behm E, Palm M, Loth F, Klinkmann H (1990). Possibilities of selective and unselective adsorbent development. Blood Purification 78:142–156. 4. Miyahara T, Oka K, Nakaji S (1998). Specific immunoadsorbent for myasthenia gravis treatment: development of synthetic peptide designed to remove antiacetylcholine receptor antibody. Therapeutic Aperesis 2(3):246–248.
Immunglobulin vom Menschen 5. Samuelsson G (1993). Extracorporeal immunoadsorption with immunosorba protein A. In: Agishi T et al.(eds.) Therapeutic Plasmapheresis (XII), pp. 843–845. 6. Schneidewind JM, Winkler R, Ramlow W, Tiess M, Hertel U, Sehland D (1998). Immunoadsorption – a new therapeutic possibility for multiple sclerosis? Transfus.Sci.19,Suppl: 59–63.
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austauscher werden Immunglobuline von Aggregaten und unerwünschten Begleitproteinen (z. B. Präkallikrein-Aktivator, Isoagglutinine, Rhesus-Faktor) getrennt. Die anfänglich zur i. v. Behandlung eingesetzten F(ab')2-Anteile (sog. 5S-Komponente) sind heute weitgehend durch 7S-Präparate (Produkte mit hohem Anteil an monomerem IgG) ersetzt. Herstellung
Immunglobulin vom Menschen Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Gamma-Venin® Inf-lösg.; Intraglobin® Inflösg.; Sandoglobulin® Trockensubstanz, Venimmun® N Trockensubstanz.
Vorkommen/Gewinnung Immunglobulinzubereitungen werden aus dem Plasma von Spendern gewonnen, die keiner der bekannten Risikogruppen (z. B. Drogenabhängige) angehören. Zum Ausschluss hämatogen übertragbarer Virusinfektionen wird jede einzelne Plasmaspende folgenden Tests unterzogen: * HBsAG * Anti-HIV 1/2-Antikörper * Anti-HCV-Antikörper * Transaminasen Isolierung Durch Plasmafraktionierung nach dem CohnVerfahren. Die Immunglobuline befinden sich dabei in den Fraktionen II und III, IgM auch in Fraktion IV–1. Mindestens 95% der angereicherten Immunglobuline gehören der IgG-Fraktion an. Da in der IgG-Fraktion leicht Aggregate entstehen, die das Komplementsystem aktivieren und so bei Injektion zu anaphylaktischen Reaktionen führen können, müssen die zur i. v. Applikation bestimmten Präparate weiteren Reinigungsschritten unterzogen werden. Zur Herstellung intravasal gut verträglicher Präparate werden die Immunglobuline mit Pepsin, Plasmin, pH 4 in Gegenwart geringer Mengen Pepsin, (β-Propiolacton, Reduktion/Alkylierung oder Sulfitolyse behandelt; dabei werden die IgG-Moleküle allerdings enzymatisch bzw. chemisch modifiziert. Polyethylenglykol, Hydroxylstärke, pH 4 ohne Pepsinzusatz und andere Substanzen verhindern die Bildung von IgGAggregaten bzw. trennen sie ab. Durch Ionen-
Die Herstellung von Immunglobulin vom Menschen zur intravenösen Anwendung erfolgt aus dem gesammelten Material von mindestens 1000 Spendern durch ein Verfahren, von dem bekannt ist, dass es zu einer Zubereitung führt, die keine Infektion überträgt, bei einer Proteinkonzentration von 5% (m/V) Antikörper enthält, bei denen für mindestens zwei (einen viralen und einen bakteriellen) ein Internationaler Standard oder eine Standardzubereitung verfügbar ist. Die Konzentration dieser Antikörper in der Zubereitung beträgt mindestens das 3fache derjenigen im gesammelten Ausgangsmaterial. Die Zubereitung weist außerdem eine definierte Verteilung von Immunglobulin-G-Subtypen auf und entspricht der Fc-Funktion von Immunglobulin. Viele Hersteller haben in das Produktionsverfahren einen Inaktivierungsschritt integriert (z. B. Hitzebehandlung, Behandlung mit in tri-N-Butylphosphat gelöstem Tween, Triton oder Na-Cholat nach dem Solvent-Detergent-Verfahren). Alternativ reduziert die zur chemischen Modifizierung der Proteine verwendete Methode (β-Propiolacton in Kombination mit UV-Bestrahlung, S-Sulfonierung) die Infektiosität bestimmter Viren deutlich. Wenn während der Herstellung Substanzen zur Virusinaktivierung verwendet werden, ist nachzuweisen, dass jegliche in der fertigen Zubereitung enthaltenen Rückstände keine unerwünschten Wirkungen bei Patienten hervorrufen, die mit dem Immunglobulin vom Menschen zur intravenösen Anwendung behandelt wurden.
Zubereitungen Die flüssige Zubereitung ist klar und schwach gelb bis hellbraun. Die gefriergetrocknete Zubereitung ist ein weißliches bis gelbliches Pulver oder eine feste, leicht brüchige Masse. Die Zubereitung wird als stabilisierte Lösung hergestellt, z. B. in einer 0,9%igen Lösung (m/V) von Natriumchlorid, einer 2,25%igen
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Immunglobulin vom Menschen
Lösung (m/V) von Aminoessigsäure oder, falls die Zubereitung gefriergetrocknet werden soll, einer 6%igen-Lösung (m/V) von Aminoessigsäure. Als Hilfsstoffe werden (in unterschiedlichen Kombinationen) eingesetzt: Humanalbumin, Glukose, Sorbitol, Glycin, Macrogol, NaAcetat, Na-Citrat, Na-Octanoat, Na-Monohydrogenphosphat, N-Acetyl-DL-Tryptophan, NaCl, HCl (zur Einstellung des pH-Werts). Das bei der Rekonstitution von mit Sulfitolyse behandelten Immunglobulinen freiwerdende SO32 wird im Körper zu Sulfat umgewandelt und mit dem Urin ausgeschieden. Gehalt 1 ml der gebrauchsfertigen Lösung enthält je nach Produkt zwischen 45 und 160 mg funktionell intaktes IgG vom Menschen. Der Anteil an monomerem IgG beträgt in der Regel ≥80%; die IgG-Subklassen sind mit den im Serum gesunder Erwachsener ermittelten Anteilen vertreten (Referenzplasma WHO 67/97: IgG1 60,0% - IgG2 29,4% - IgG3 6,5% - IgG4 4,1%). Wirkwertbestimmung Polyvalente IgG-Präparate verfügen über ein weites Antikörperspektrum. Quantitative Angaben liegen (z. T. in Auswahl) über den Gehalt an Antikörpern gegen Viren (Adeno, CMV, Coxsackie A und B, EBV, Echo, FSME, Hepatitis A, Hepatitis B, Herpes simplex, Influenza A, Masern, Mumps, Parainfluenza, Parvo, Picorna, Polio I–II, Rota, Röteln, RSV, Varicella zoster), Bakterien bzw. bakterielle Endo-/Exotoxine (Bordetella pertussis, Diphtherie-Toxin, E. coli, Haemophilus influenzae, Klebsiella pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae, Neisseria meningitidis A,B,C, Pneumokokken, Pseudomonas aeruginosa, Salmonella enteritidis, Shigella flexneri, Staphylolysin, DNAse B-Streptokokken, Streptolysin O, Tetanus-Toxoid, Yersinia) sowie Antigene von Protozoen (Pneumocystis carinii, Toxoplasma gondii) und Pilzen (Candida albicans) vor. Die angegebene Anti-Hepatitis-A-Aktivität von i. m. applizierbarem Ig muss mindestens 100 IE/ml betragen. HBsAg-Antikörper: Mindestens 0,5 IE je Gramm Ig.
einem farblosen Glasbehältnis unter Vakuum oder Inertgas, vor Licht geschützt, gelagert. Im Kühlschrank bei 2–8°C.
Wirkprinzip Nach i. v. Applikation von Immunglobulinpräparaten steigen die IgG-Spiegel im Plasma sofort an. Die antiinfektiöse Wirkung beruht auf der Neutralisation von Viren und Bakterientoxinen, Bakteriolyse mit Hilfe von Komplement und der Opsonierung von Bakterien und Endotoxinen. Für den therapeutischen Effekt von Immunglobulinen bei der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura und anderen Autoimmunerkrankungen werden folgende Wirkungsmechanismen diskutiert: Blockade des RES durch Besetzung von Fc-Rezeptoren auf Phagozyten, Blockade der Fc-Rezeptoren auf Thrombozyten, Abbinden eines kreuzreagierenden Antigens, Bildung von Immunkomplexen mit pathogenen Antikörpern, Verminderung der Antikörperproduktion durch negative Rückkoppelung und Aktivierung von T-Suppressor-Zellen sowie Suppression von T-Helfer-Zellen. Immunglobulinpräparate enthalten Antikörper gegen natürliche oder krankheitsassoziierte Autoantikörper, Oberflächen-Immunglobuline der B-Zellen und die Beta-Ketten des T-Zell-Rezeptors, sie supprimieren spezifische Autoantikörper-Klone und modulieren die Synthese und Freisetzung von Zytokinen.
Verteilung Das Maximum der intravasalen Immunglobulinkonzentration wird rund 48 h nach der i. m. Injektion erreicht; dabei zirkuliert etwas die Hälfte der applizierten Menge. 30 min nach i. v. Infusion sind durchschnittlich 80–95% des applizierten Immunglobulinpräparats intravasal nachweisbar. 4–5 Tage später befinden sich ca. 50% des Präparats im Gewebe. Immunglobuline sind plazentagängig.
Elimination Die Halbwertzeit der Immunglobuline ist von der aktuellen Immunitäts- und der Stoffwechsellage des Kranken abhängig.
Anwendungsgebiete Lagerung Die flüssige Zubereitung wird in einem farblosen Glasbehältnis, vor Licht geschützt, gelagert. Die gefriergetrocknete Zubereitung wird in
Idiopathische thrombozytopenische Purpura, Kawasaki-Syndrom, Guillain-Barré-Syndrom und Varianten: CIDP, MMN, Miller Fisher. Außerdem wurden Immunglobuline bei einer
Immunkomplexe
Reihe weiterer Autoimmunerkrankungen wie Myasthenia gravis, myasthenes LambertEaton-Syndrom, Lupus erythematodes, Einschlusskörperchenmyositis, endokrine Ophthalmopathie, und multiple Sklerose erfolgreich eingesetzt.
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Nachweis von IgA-Antikörpern besonders sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich.
Wechselwirkungen
Das lyophilisierte Immunglobulinpräparat wird in dem beigefügten, auf Körpertemperatur erwärmten Lösungsmittel unter vorsichtigem Schwenken gelöst. Dabei soll kein Schaum entstehen. Die Infusion wird stets sehr langsam (5 Tropfen/min während der ersten 10 min) appliziert. Maximale Infusionsgeschwindigkeit: 2 ml/min. Guillain-Barré-Syndrom: 400 mg/kg KG für 5 Tage. Die Behandlung kann wiederholt werden, sooft es die Situation erfordert.
Immunglobulinlösungen dürfen nicht mit anderen Arzneimitteln gemischt werden. Verdünnung mit Glukose 5% möglich. Parenterale Schutzimpfungen mit Virus-Lebendimpfstoffen gegen Masern, Mumps und Röteln können in einem Zeitraum von bis zu 3 Monaten nach der Applikation von Immunglobulinpräparaten in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt sein. Abstände zu anderen Imfpungen mit oral anzuwendenden Lebend-Impfstoffen (z. B. gegen Poliomyelitis), inaktivierten Erregern (z. B. Influenza) oder Toxoiden (z. B. Tetanus) sind nicht erforderlich.
Unerwünschte Wirkungen
Hinweis
Frösteln, Temperaturanstieg, Hautrötung, gastrointestinale Beschwerden, Kopf- und Rückenschmerz, Hitze- und Oppressionsgefühl, Tachykardie, Tachypnoe (v. a. bei Infusion großer Volumina). Diese Reaktionen können im Allgemeinen durch Unterbrechung der Applikation und Fortsetzung der Therapie mit langsamerer Infusionsgeschwindigkeit gut beherrscht werden. Nach Gabe hoher i. v. Dosen können Blut- und Plasmaviskosität so stark ansteigen, dass bei Risikopatienten mit thromboembolischen Komplikationen gerechnet werden muss. In Einzelfällen vorübergehende Erhöhung des Serumkreatinins bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, akutes Nierenversagen sowie Zeichen einer aseptischen Meningitis (vor allem bei Patienten mit idiopathischer thrombozytopenischer Purpura und nach Applikation hoher Dosen). Durch mehrfache Applikation von Immunglobulinpräparaten kann es ebenso wie durch wiederholte Gabe von Vollblut oder Plasma zur Sensibilisierung kommen. Diese Gefahr droht besonders bei Patienten mit selektivem IgA-Defekt, die gegen IgA gerichtete IgG- und IgE-Antikörper entwickeln können, sowie bei Hypogammaglobulinämie oder Antikörpermangelsyndrom. Bei neuerlicher Verabreichung können sensibilisierte Personen anaphylaktische Reaktionen erleiden.
Mit den Immunglobulinzubereitungen werden Antikörper in so hoher Dosis und mit einem so weiten Spektrum zugeführt, dass bei anschließend (bis mehrere Wochen danach) durchgeführten serologischen Untersuchungen eine aktive Immunisierung vorgetäuscht werden kann (Medikamenten-Anamnese!). Bei Blutzuckerbestimmungen ist der Glukosegehalt der Zubereitungen zu berücksichtigen.
Dosierung und Art der Anwendung
Gegenanzeigen Bei Patienten mit selektivem IgA-Mangel oder
Literatur 1. Berlit P (Ed) Immunglobuline in der klinischen Neurologie. Steinkopff Darmstadt 2001
Immunkomplexe Synonyme Antigen-Antikörper-Komplexe
Definition Produkt der netzwerkartigen Verbindung von Antikörpern mit löslichen Antigenen (Antigen-Antikörper-Reaktion).
Grundlagen Durch die Bindung der Antigendeterminanten (Epitope) an die Antiderminanten (combining sites, Paratope) polyvalenter Antikörper (vorwiegend über Coulomb-Kräfte) kommt es in einer elektrolythaltigen Lösung zur Ausbildung von Molekülnetzwerken. Ihre Löslichkeit ist im
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Immunologie
molaren Äquivalenzbereich am geringsten, im Antigen- und Antikörperüberschuss höher (Präzipitationskurve nach Heidelberger). Antigenüberschuss resultiert allerdings eher in löslichen Immunkomplexen als Antikörperüberschuss. Die Antigenbindung führte über allosterische Effekte und das Verdecken oder Annähern bestimmter Molekülbereiche zu Strukturänderungen der Antikörper, besonders im Fc-Teil. Das hat funktionelle Konsequenzen, wie Komplementaktivierung und Bindung an zelluläre FcRezeptoren. Antikörperbindung an partikuläre Antigene, z. B. Erythrozyten, löst eine Agglutination aus. Die Immunkomplexbildung ist die Grundlage zahlreicher Antigen- und Antikörpernachweisverfahren, wie Immundiffusion, Immunelektrophorese, Hämagglutination und KomplementBindungsreaktion. In vivo werden unlösliche Immunkomplexe zumeist durch das mononukleäre Phagensystem (MPS) eliminiert. Dagegen führen lösliche Immunkomplexe durch Gewebsbindung (z. B. in der Mikrovaskulatur), Komplementaktivierung, Kontraktion der glatten Muskulatur und Permeabilitätssteigerung der Kapillaren häufig Gewebsschädigungen herbei. Dieser Vorgang wird nach Gell und Coombs als Überempfindlichkeitsreaktion Typ III bezeichnet. Er manifestiert sich klinisch je nach Antigenart, - dosis und - applikationsart z. B. als Serumkrankheit (Antikörper-Reaktion bei passiver Immunisierung mit Fremdserum), systemischer Lupus erythematodes (DNA und andere nukleäre Antigene) oder postinfektiöse Vaskultitis, Arthritis, Nephritis, Iridozyklitis, Neuritis oder Enzephalitis (bei persistierender Antigenfreisetzung durch die Erreger und herabgesetzte Antikörperbildung durch den Wirtsorganismus).
Immunologie Definition Lehre von Struktur und Funktion des Immunsystems und den In-vitro-Immunreaktionen.
Grundlagen Die Immunologie ist eine biomedizinische Querschnittswissenschaft, die sich mit der Phylogenese und Ontogenese des Immunsystems ebenso beschäftigt wie mit der Antwort des
Immunsystems auf antigene (immunogene) Reize, einschließlich der Unterscheidung von „selbst“ und „nicht selbst“. Hinzu kommt die Untersuchung der physikalischen und chemischen Aspekte von Immunphänomen in vitro. Entsprechend den Schwerpunkten der Untersuchungsgegenstände haben sich zahlreiche Teildisziplinen bzw. „überlappende“ Disziplinen der Immunologie herausgebildet. Dazu zählen: Immunbiologie (einschließlich komparative Immunologie), Immunphysiologie, Immunpharmakologie, Immunchemie, Immungenetik, Transplantationsimmunologie, Tumorimmunologie, Immunpathologie, klinische Immunologie, Immunhämatologie und Neuroimmunologie.
Immunprophylaxe, Meningitis Einleitung Derzeit stehen überaus wirksame Impfstoffe zur aktiven Immunisierung gegen Haemophilus influenzae Typ B (HIB), Meningokokken und Pneumokokken zur Verfügung. Bislang keine Immunprophylaxe gegenüber anderen Erregern wie Streptococcus agalctiae, E. coli, Listeria monocytogenes [1].
Zubereitungen I. m.- und/oder s. c.-Lösungen als Einzel- oder Kombinationsimpfstoffe (HIB).
Gebräuchliche Fertigarzneimittel 1. Haemophilus influenzae Typ B: HIB Merieux® 0,5 ml i. m. (0,25 μg Kapselpolysaccharid von HIB konjugiert an 18 μg Diphterietoxoid). HibTITER® 0,5 ml i. m. (10 μg Kapseloligosaccharid von HIB konjugiert an 25 μg Diphterieprotein). HIB-Vaccinol® 0,5 ml i. m. (0,25 μg gereinigtes Kapselpolysaccharid von HIB konjugiert an 18 μg Diphterietoxoid). HIB-DPT Merieux® i. m., HibDPT-Vaccinol® i. m. (Kombinationspräparate zur aktiven Immunisierung gegen HIB, Diphterie, Tetanus, Keuchhusten). 2. Meningokokken: Mencevax ACWY® 0,5 ml s. c. (Neisseriameningitidis-Polysaccharid der Gruppe A, C, W, Y je 0,005 mg)Meninokokken-Impf-
Immunreaktion
stoff A+C Merieux® 0,5 ml s. c. (Polysaccharide von Neisseria meningitidis Gruppe A+C je 50 μg). 3. Pneumokokken: Pneumovax®23 0,5 ml s. c. oder i. m. (Polysaccharide von Streptococcus pneumoniae der 23 häufigsten Kapseltypen mit je 25 μg).
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Krämpfe (kein Nachweis eines Kausalzusammenhanges).
Bewertung
HIB-Impfstoffe sollten allen Säuglingen und Kleinkindern verabreicht werden. Pneumokokken-Impfungen werden Hochrisikopatienten (Alter>65 Jahre, ältere Patienten mit chronischen Erkrankungen, immunkompromittierte Patienten >10 Jahren, bei Asplenie, Sichelzellanämie, nephrotischem Syndrom) empfohlen. Die Impfung mit einer tetravalenten Meningokokken-Vakzine ist für Militärs, Reisende in Länder mit epidemischem Auftreten von Meningokokken-Meningitiden, sog. Meningokokkengürtel (z. B. Saudi Arabien, Nepal, Nordindien, Sahelzone) oder bei engen Kontaktpersonen bei ausgebrochener Meningitis ( Meningitis, Chemoprophylaxe) empfehlenswert.
1. Impfschutz bei HIB-Impfung: Verhindert werden weniger als 10% der HIB-Meningitiden weltweit, die Inzidenz der HIB-Erkrankungen bei Kindern <5 Jahren konnte seit Einführung der Impfung um >95% gesenkt werden. 2. Impfschutz bei Meningokokken-Impfung: Eine effektive Vakzine gegenüber der Meningokokken Serumgruppe B (verantwortlich für ca. 70% der in Mitteleuropa beobachteten Meningokokken-Meningitiden) existiert nicht! Angaben über einen Schutz vor einer Meningitis der Serumgruppen A +C schwanken je nach Anzahl der Impfungen und Alter der geimpften Personen zwischen 16 und 89%. 3. Impfschutz bei Pneumokokken-Impfung. 4. Limitiert durch geringe Antikörperbildung bei Kindern und Abwehrgechwächten, bei Immunkompetenten 63%iger Schutz, bei Immuninkompetenten 22%iger Schutz, bei Kindern 50%iger Schutz.
Dosierung/Anwendung
Literatur
Anwendungsgebiete
3
1. Haemophilus influenzae Typ B: Ab 3. Lebensmonat 2 Impfungen im Abstand von mindesten 6 Monaten, zweckmäßig simultan mit 1. und 3. DPT-Impfung (kontralaterale Injektion) oder 3 Impfungen mit DPT-HIB-Impfstoff in Abstand von 4 Wochen. Im 2. Lebensjahr erfolgt 3. HIBImpfung (mit 4. DPT-Impfung simultan zweckmäßig oder 4. DPT-HIB-Impfung). 2. Meningokokken:1 Dosis ab 18. Lebensmonat. 3. Pneumokokken: Einmalige Impfdosis bei Kindern >2 Jahren und Erwachsenen, eine Wiederholungsimpfung (nur bei fortdauernder Gefahr einer Pneumokkken-Infektion angeraten!) nicht vor Ablauf von 5 Jahren bei Erwachsenen bzw. 3 Jahren bei Kindern.
Unerwünschte Wirkungen Haemophilus-influenzae-Typ-B-, Meningokokken-, Pneumokokken-Impfung: Anaphylaktische Reaktion meist lokal, auch systemisch möglich (Fieber, Krankheitsgefühl), Erythema multiforme, Guillain-Barrè-Syndrom,
1. Pelota H (1999) Prophylaxis of bacterial meningitis. Infectious Disease Clinics of North America, 3:658–710.
Immunreaktion Synonyme Immunantwort
Definition Alle Vorgänge im Immunsystem eines Organismus, die durch einen antigenen Reiz ausgelöst werden sowie die In-vitro-Wechselwirkung zwischen Antigenen und Antikörpern bzw. Immunzellen.
Grundlagen Die Immunreaktion ist in vivo eine Folge des Eindringens von Mikroorganismen oder Fremdmolekülen, - zellen oder - geweben in einen immunkompetenten Organismus, der mit einer spezifischen humoralen (B-Zell-, Antikörper-) und zellulären (T-Zell-) Antwort auf den antigenen Reiz reagiert. Im weiteren Sinne
I
Impotenz
Impression, basiliäre Definition Meist angeborene, familiäre Anomalie des kraniozervikalen Überganges mit Verlagerung des Randes des Foramen magnum in die hintere Schädelgrube und Denshochstand.
Einleitung Die Patienten fallen häufig durch okzipitozervikale Schmerzen, basale Hirnnervenausfälle oder Ataxie auf. Beginn der Symptomatik oft erst im höheren Lebensalter.
Diagnostik Nativröntgen des Schädels: Nachweis eines Denshochstandes. Elektrophysiologie: Hirnstammreflexe, AEP, Elektronystagmographie. 3
wird auch die sogenannte natürliche, angeborene, unspezifische Immunität mit ihren humoralen (Lysozym, Properdin) und zellulären (natürliche Killerzellen, γδ-T-Zellen, Phagozyten) Komponenten zur Immunantwort gezählt. Voraussetzung für die spezifische Immunreaktion ist die Herausbildung eines immunologischen Gedächtnisses (memory cells, erworbene Immunität) durch aktive Immunisierung bzw. die Bereitstellung spezifischer Antikörper und/ oder Lymphozyten durch passive (Antikörpergabe) oder adoptive (Lymphozytenübertragung) Immunisierung. In vitro kann formal zwischen einer „physiologischen“ Immunreaktion von T- und B-Lymphozyten gegen ein Antigen und der „reinen“ Antigen-AntikörperReaktion ( Immunkomplexe) bzw. AntigenImmunzell-Reaktion mit Mediatorfreisetzung (z. B. Histaminliberation, Mastzelldegranulation) unterschieden werden. Die physiologische Immunreaktion erfordert die Antigenverarbeitung (antigen processing) und - präsentation gegenüber reaktiven T-Zellen durch antigenpräsentierende Zellen (Professionell: verschiedene dendritische Zellen in lymphatischen Organen. Fakultativ: mononukleäre Phagozyten einschließlich Mikroglia, B-Zellen, u. a. aktivierte Zellarten, wie Astrozyten und Endothelzellen). Pathologisch überschießende Immunreaktionen (Allergien) werden nach Gell und Coombs in folgende 5 Typen eingeteilt:
3
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Therapie Bei scherwiegender Behinderung durch Hirnstamm-/Kleinhirnsymptome: Dekompression durch Resektion des Os occipitale. Ansonsten konservativ (Krankengymnastik, Halsmanschette).
3
Impulsiv-Petit-Mal-Epilepsie 3
1. Anaphylaktische bzw. atopische Reaktion (IgE-vermittelt). 2. Zytotoxische Reaktion (IgM- oder IgG-vermittelt). 3. Immunkomplex-Reaktion (meist IgG-vermittelt). 4. Zelluläre Reaktion (T-Zell-vermittelt). 5. Immunreaktion gegen biologisch aktive Determinanten (z. B. long acting thyroid stimulator; LATS).
Epilepsie, juvenile, myoklonische
Inkontinenz Definition Unvermögen, Harn oder Stuhlgang willkürlich zurückzuhalten (Incontinentia urinae bzw. alvi). Blasenfunktionsstörung. Bei Stuhlinkontinenz Versuch mit Loperamid. 3
Impotenz Erektionsstörung
Innenohrschwerhörigkeit Synonyme Sensorineurale Schwerhörigkeit, Schallempfindungsschwerhörigkeit
3
Insensitive Krise
Definition
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Innsbrucker-Komaskala
Vom Innenohr ausgehende Schwerhörigkeit, die kochleären oder retrokochleären Ursprungs sein kann. Die Innenohrschwerhörigkeit muss von der Leitungsschwerhörigkeit abgegrenzt werden (Rinne- und Weber-Versuch).
Synonyme Innsbruck Coma Scale
Definition Komaskala zur Vorhersage des Überlebens von Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma.
Einleitung Die kochleäre kann von der retrokochleären Läsion insbesondere über das Recruitment-Phänomen (Lautheitsausgleich) differenziert werden.
Differenzialdiagnose Ätiologisch kommen für eine Innenohrschwerhörigkeit perinatale (Röteln, Varizella-Zoster, Lues, Zytomegalie) und kindliche (Mumps, Masern, Scharlach) Infektionen in Betracht. Sehr häufig wird sie auch im Kindesalter nach bakteriellen Meningitiden beobachtet (bei bis zu 1/3 aller erkrankten Kinder). Genetisch determinierte Hörstörungen im Kindesalter sind ebenfalls meist sensorineural und meist autosomal-rezessiv vererbt. Weitere Ursachen sind medikamentös-toxische Schäden (Aminoglykoside, Schleifendiuretika, Zytostatika), bakterielle Infektionen im Erwachsenenalter, immunologisch vermittelte Entzündungen (Vaskulitis, Cogan-Syndrom), Tumoren (besonders das Akustikusneurinom), Innenohrmissbildungen, Felsenbeinfrakturen, die Menière-Erkrankung, neurologische Systemdegenerationen (z. B. Heredoataxien), mitochondriale Zytopathien, Lärmtrauma oder Hörsturz. Häufigste Ursache ist aber der Verlust neuroepithelialer Zellen mit fortschreitendem Alter (Presbyakusis), der z. T. anlagebedingt ist. Mehr als 1/3 aller über 75-Jährigen ist betroffen.
Grundlagen In einem 1991 in der Zeitschrift „Lancet“ erstmals veröffentlichtem Artikel wird die Innsbrucker-Komaskala eingeführt. Sie erlaubt eine Vorhersage über das Überleben von Patienten mit schwerem SHT. Die Skala erlaubt zuverlässig die Vorhersage des Nicht-Überlebens bei einem Skalenwert von 0 bis 1. Die Skala im Detail: siehe Tab. 1.
INR („international normalized ratio“) Synonyme Noch häufig synonym verwendet: Quick-Wert – sollte wegen der Chargen-Abhängigkeit verlassen werden!
Definition Standardisierte Messung der Prothrombinzeit
Grundlagen INR-Berechnung:
3
3
3
Therapie ISI = international sensitivity index des verwendeten Thromboplastinreagenz Der therapeutische Bereich bei Cumarintherapie liegt für die meisten Indikationen bei INR 2–3 ( Antikoagulation, Cumarine, Embolieprophylaxe). 3
Myasthenische Krise
3
Insensitive Krise
3
3
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei der kindlichen bakteriellen Meningitis ist der frühzeitige Einsatz von Kortikoiden neben der antibiotischen Therapie hilfreich zur Vermeidung der Hörstörung. Zur Therapie der Presbyakusis ist der Einsatz eines Hörgerätes indiziert. Die Möglichkeit des Einsatzes moderner Hörhilfen sollte bei irreversibler Schädigung auch bei den anderen sensorineuralen Schwerhörigkeiten mit einem HNO-Arzt abgeklärt werden.
I
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Insomnie
Innsbrucker-Komaskala. Tab. 1: Vorhersage des Überlebens bei schwerem Schädel-HirnTrauma Neurological assessment
Score
Reaction to acoustic stimuli Turning towards stimuli
3
Better-than-extension movements
2
Extension movements
1
None
0
Reaction to pain Defense movements
3
Better-than-extension movements
2
Extension movements
1
None
0
Body posture Normal
3
Better-than-extension movements
2
Extension movements
1
Flaccid
0
Eye opening Spontaneous
3
To acoustic stimuli
2
To pain stimuli
1
None
0
Insomnie Synonyme Schlaflosigkeit, Schlafstörung
Definition Subjektiv empfundenes Missverhältnis zwischen Schlafbedürfnis und Schlafvermögen.
Einleitung Die Insomnie stellt mit einer Prävalenz von etwa 15–30% die bei weitem häufigste Schlafstörung dar, Frauen und ältere Menschen überwiegen. Über 1 Mio Bundesbürger nehmen regelmäßig Schlafmittel ein. Grundsätzlich sind Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen sowie morgendliches Früherwachen zu unterscheiden. Die chronische Insomnie ist (im Gegensatz zur transienten) durch eine Dauer über 3 Wochen definiert. Ursächlich sind die primäre (nicht organische) und sekundäre Insomnie (z. B. bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schmerzzuständen, Restless-Legs-Syndrom, Inkontinenz, Pruritus, Morbus Parkinson, Demenz, Psychosen, affektiven Störungen, Schlafapnoe-Syndrom) abzugrenzen.
Diagnostik
Pupil size Normal
3
Narrow
2
Dilated
1
Completely dilated
0
Pupil response to light
Wesentlich ist die ausführliche Anamnese. Ggf. Führung eines Schlaftagebuches. Ausschluss bzw. Suche nach einer körperlichen oder psychiatrischen Grunderkrankung. Bei therapieresistenten, chronischen oder schweren Schlafstörungen empfiehlt sich eine polysomnografische Untersuchung im Schlaflabor.
Sufficient
3
Reduced
2
Therapie
Minimum
1
No response
0
Grundlage der Behandlung sollte ein ursachenorientierter Gesamtbehandlungsplan sein. Oft ist gar keine medikamentöse Behandlung notwendig, sondern nur die Korrektur falscher Vorstellungen bezüglich des Schlafbedarfes (beim Erwachsenen ca. 6–7 Stunden). Der Schlafhygiene kommt große Bedeutung zu: * Beseitigung schlafstörender Faktoren (z. B. Lärm, unbequemes Bett, überheizter Schlafraum). Ein zu frühes Zubettgehen sollte vermieden werden, regelmäßige Schlafzeiten eingehalten werden. * Verzicht auf Koffein, Alkohol und Nikotin. * Körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung.
Position and movements of eyeballs Fixing with eyes
3
Sway of eyeballs
2
Divergent
1
Divergent fixed
0
Oral automatisms Spontaneous
2
To external stimuli
1
None
0
Insomnie
Zu den psychotherapeutischen Maßnahmen zählen Entspannungsverfahren sowie verhaltentherapeutische Ansätze. Medikamentöse Therapie: Die Verordnung von Schlamitteln sollte zurückhaltend erfolgen, da es zu rascher Toleranzentwicklung und Abhängigkeit sowie Sedierung am Tage kommen kann. Prinzipiell ist die transiente Insomnie eher einer medikamentösen Therapie zugänglich. Falls eine Dauertherapie notwendig erscheint, hat sich eine Intervallbehandlung (Einnahme des Schlamittels nur an 2– 3 Tagen pro Woche) bewährt.
empirisch Bei leichten Einschlafstörungen kann zunächst ein Versuch mit Baldrianextrakt gemacht werden (Dosierung mindestens 600 mg Trockenextrakt). Benzodiazepine (Tab. 1) sind gut wirksame Schlafmittel bei geringer Toxizität. Nachteilig ist eine rasche Toleranzentwicklung mit Tendenz zur Dosissteigerung und Abhängigkeitsentwicklung. Patienten mit Suchtanamnese sollten keine Benzodiazepine verordnet werden. Es sollte stets die niedrigste wirksame Dosis verordnet werden. Nach der Eliminationshalbwertszeit werden kurz (3–6 h), mittellang (<24 h) und lang wirksame (>24 h) Wirkstoffe unterschieden. Kurz wirksame Substanzen sind geeignet zur Behandlung von Einschlafstörungen (allerdings Gefahr der „Rebound-Insomnie“ mit frühem Erwachen), längerwirksame bei Durchschlafstörungen. Insbesondere bei längerwirksamen Präparaten kann es zu Akkumulation und Tagesschläfrigkeit kommen. Als chemisch neuartige Nicht-BenzodiazepinHypnotika (Tab. 2) wurden das Pyrazolopyrymidin Zaleplon, das Cyclopyrrolonderivat Zopiclon sowie das Imidazopyridinderivat Zolpidem zugelassen. Sie greifen an einem Subtyp des Benzodiazepinrezeptors an, ähneln in der Wirksamkeit den kurz wirksamen Benzodiazepinen, sollen jedoch eine geringere Alkoholinteraktion, fehlende muskelrelaxierende Wirkung sowie fehlende Rebound- und Residualeffekte aufweisen. Antidepressiva (Tab. 3) mit sedierender Wirkung sind vor allem zur Behandlung von Schlafstörungen im Rahmen von Depressionen oder chronischen Schmerzen sinnvoll. Die
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Insomnie. Tab. 1: Ausgewählte Benzodiazepine und Handelspräparate Dosis in mg Kurz wirksam Brotizolam (Lendormin®)
0,125–0,25
Midazolam (Dormicum®)
7,5–15
Triazolam (Halcion®)
0,125–0,25
Mittellang wirksam Alprazolam (Tafil®)
0,5–1
Bromazepam (Lexotanil®)
3–6
Flunitrazepam (Rohypnol®)
0,5–1
Lormetazepam (Noctamid®, Ergocalm®)
0,5–2
Nitrazepam (Mogadan®)
5–10
Oxazepam (Adumbran®)
10–30
®
Temazepam (Planum )
10–40
Lang wirksam Diazepam (Valium®)
5–20
Flurazepam (Dalmadorm®)
15–30
Insomnie. Tab. 2: Nicht-BenzodiazepinHypnotika Dosis in mg Zaleplon (Sonata®)
10
Zopiclon (Ximovan®)
7,5
Zolpidem (Stilnox®, Bikalm®) 10
Gabe erfolgt als abendliche Einzelgabe bzw. mit abendlichem Dosisschwerpunkt. Schwach potente Neuroleptika (Tab. 4) haben ebenfalls einen stark sedierenden Effekt. Sie sind insbesondere geeignet bei Schlafstörungen im Rahmen von Psychosen, psychomotorischen Erregungszuständen sowie bei verwirrten geriatrischen Patienten. Aufgrund ihrer zahlrei-
Insomnie. Tab. 3: Antidepressiva Dosis in mg Amitriptylin (Saroten®)
25–50
Doxepin (Aponal®)
25–50
Trimipramin (Stangyl®)
25–50
I
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Instabilität, atlantoaxiale
Insomnie. Tab. 4: Neuroleptika Dosis in mg ®
Chlorprothixen (Truxal )
15–50
Levomepromazin (Neurocil®) 10–30 Melperon (Eunerpan®)
25–50
Promethazin (Atosil®)
10–50
der niederfrequent (<4 Hz) unter Haltebedingungen auftritt und als Titubation bezeichnet wird. Das gut charakterisierte Syndrom eines niederfrequenteren (>4 Hz) grobschlägigen Ruhetremors in Kombination mit einem Intentions- und Haltetremor, das häufig mit einer Latenz von Wochen bis Jahren nach einer Hirnschädigung auftritt, wird neuerdings als Holmes-Tremor bezeichnet, um topographische Implikationen zu vermeiden. Dafür früher gebräuchliche Begriffe waren rubraler, Mittelhirn-, Bindegliedund thalamischer Tremor, Myorhythmie und Benedikt-Syndrom. Ein neuropathischer Tremor tritt gelegentlich bei und nach peripheren Neuropathien auf. Phänomenologisch ist das Bild durch einen Intentionstremor gekennzeichnet. Er wird bei Patienten nach demyelinisierenderen Polyneuropathien, hereditären sensorischen sowie IgM paraproteinämischen Neuropathien, und äußerst selten bei Polyneuropathie im Rahmen von Diabetes, Urämie und Porphyrie beobachtet. 3
chen Nebenwirkungen sollten sie bei sonst Gesunden nicht eingesetzt werden. unwirksam/obsolet Barbiturate, Meprobamat, Bromide und Methaqualon sollten in der Behandlung der Insomnie nicht mehr eingesetzt werden.
Instabilität, atlantoaxiale Einleitung Komplikation, insbesondere der rheumatoiden Arthritis, die zur Rückenmarkkompression führen kann.
Intentionstremor Synonyme
Differenzialdiagnose Alle Prozesse, die mit mesenzephalen und dienzephalen Läsionen der großen Kleinhirnefferenzen einhergehen, insbesondere bei multipler Sklerose, nach Hirntrauma und Schlaganfall, Kleinhirndegenerationen unterschiedlicher Ätiologie, neuropathischer Tremor, insbesondere bei demyelinisierenderen Polyneuropathien.
Zerebellarer Tremor
Prophylaxe
Definition
Prophylaxe der jeweiligen Grundkrankheit.
Kinetischer Tremor ( Tremor, Bewegungstremor), der schon bei Bewegungsintention gebahnt wird. 3
Einleitung Zum kinetischen Tremor gehört der Intentionstremor, der bei gleichzeitiger Dysmetrie, Ataxie und okulomotorischen Störungen wie Nystagmus typisch für Kleinhirnaffektionen ist (zerebellarer Tremor). Schon bei Bewegungsintention kommt es zum Tremor und in der Zielzone der Bewegung ereicht der Tremor seine größte Intensität. Dieser Intentionstremor tritt häufig bei multipler Sklerose auf sowie nach Infarkten oder Raumforderungen im Kleinhirn oder seiner Austrittsbahnen. Hiermit häufig vergesellschaftet ist ein besonderer Kopf- und Rumpftremor
Therapie empirisch Die Tremor-Formen mit vorherrschender Intentionskomponente sind medikamentös schwer zu beeinflussen. Propranolol, Primidon, Clonazepam wie beim essentiellen Tremor in ausreichender Dosierung sollten versucht werden. Kürzlich ist eine klinische Besserung mit Ondansetron, einem 5-HT3 Serotonin-Antagonist beschrieben worden. In dieser Studie wurde Ondansetron 8 mg/24 Stunden i. v. verabreicht [1]. Nach anektodischen Erfahrungen lässt sich der Effekt auch mit entsprechenden oralen Dosen erreichen. Allerdings stehen längerfristige prospektive Studien aus, die eine breitere Anwendung bei dem hohen Preis der Substanz rechtfertigen.
Interferon beta-1a
Eine Zulassung der tiefen Hirnstimulation (THS) für den zerebellaren Tremor liegt noch nicht vor. Bisher sind die publizierten Fallzahlen sehr klein oder beschränken sich auf einzelne Patienten. In der Studie, die läsionelle Thalamotomie gegen THS verglichen, litten jeweils 5 der 34 Thalamotomierten und 5 der mit THSversorgten Patienten an einer multiplen Sklerose mit schwerem zerebellarem Tremor. Die gewünschte Wirkung war in der THS-Gruppe besser, ein Patient wird unter THS als Tremor-frei beschrieben. Insgesamt kann bei Zusammenschau der publizierten Berichte eine Besserung von mehr als 25% bei fast allen bei MS-Tremor-Patienten unter THS erwartet werden [21]. Der funktionelle Gewinn muss allerdings noch genauer untersucht werden. Noch unklar ist im Sinne von Evidence-basedMedicine die Rolle der THS bei Tremor nach Mittelhirninfarkten und Hirntraumata, der häufig dem sogenannten Holmes-Tremor entspricht. Ähnliches gilt für den neuropathischen Tremor. Im Allgemeinen sollte aber bei diesen seltenen und extrem beeinträchtigenden Tremor-Formen in entsprechenden Spezialambulanzen für Bewegungsstörungen ein stereotaktisches Vorgehen zumindest diskutiert werden, da in Einzelfällen Linderungen zu erwarten sind. unwirksam/obsolet Isoniacid.
Literatur 1. Rice GP, Lesaux J, Vandervoort P, Macewan L, Ebers GC (1997). Ondansetron, a 5-HT3 antagonist, improves cerebellar tremor. J Neurol Neurosurg Psychiatry 62 (3): 282–4. 2. Schuurman PR, Bosch DA, Bossuyt PM, Bonsel GJ, van Someren EJ, de Bie RM, Merkus MP, Speelman JD (2000). A comparison of continuous thalamic stimulation and thalamotomy for suppression of severe tremor [see comments]. N Engl J Med 342 (7): 461–8.
Interferon beta-1a Zubereitungen AVONEX® Trockensubstanz und Lösungsmittel; 1 Durchstechflasche Trockensubstanz enthält: Interferon beta-1a 30 μg (6 Mio I.E., WHO-Standard f. natürliches Interferon beta).
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Rebif® 22 oder 44 Mikrogramm Injektionslösung. 1 Fertigspritze (0,5 ml) enthält.: Interferon beta-1a 22 μg/44 μg.
Wirkungen Interferon beta-1a reduziert die Schubfrequenz bei schubförmiger multipler Sklerose.
Anwendung und Dosiserung AVONEX®: 1 ml entspricht 30 μg (6 Mio I.E.) der Injektionslösung einmal pro Woche i. m. Rebif®: 44 μg, 3×wöchentlich s. c.; Rebif 22 μg ebenfalls 3×wöchentlich s. c. bei Patienten, welche die höhere Dosis nicht vertragen können. Während der ersten 4 Wochen reduzierte Dosen mit allmählicher Dosissteigerung
Unerwünschte Wirkungen Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen zählen grippeähnliche Symptome, vorwiegend zu Beginn der Behandlung. Weniger häufige unerwünschten Wirkungen: Überempfindlichkeitsreaktionen; Synkopen nach der i. m. Injektion (zu Beginn der Therapie); Hautausschlag, Juckreiz, Reaktionen an der Injektionsstelle, zur Vermeidung von Nekrosen bei s. c. Injektion sind die Patienten anzuweisen die Injektion streng aseptisch und unter laufendem Wechsel der Injektionsstellen vorzunehmen. Urtikaria, abnorme Leberfunktionsparameter, Hepatitis, Brustschmerz, Gefäßerweiterung, Herzklopfen, Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz; Metrorrhagie und/oder Menorrhagie, Angstzustände, Missempfindungen, Schlaflosigkeit, Schwindel, Fälle von Suizid wurden berichtet; Atemnot, Schmerzen, transiente Episoden von erhöhtem Muskeltonus und/oder starker Muskelschwäche, welche im zeitlichen Zusammenhang mit der Injektion stehen, können auftreten und sind in einigen Fällen mit den grippeähnlichen Symptomen assoziiert. Es kann zur in der Regel nicht behandlungsbedürftigen Reduktion der Lymphozyten, Leukozyten, Thrombozyten und Neutrophilen im peripheren Blut sowie zur Verringerung des Hämatokrits kommen. Transiente Erhöhung der Werte von Kreatinin, Kalium, Harnstoffstickstoff und Calcium im Harn möglich. Bei Fertilitäts- und Entwicklungsstudien mit Interferon beta-1a in Rhesusaffen wurden mit hohen Dosen anovulatorische und abortive Wirkungen beobachtet. Teratogene Effekte oder Wirkungen auf die fetale Entwicklung wurden nicht gesehen.
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Interferon beta-1b
Anwendungsbeschränkungen Kontraindikationen sind schwere Depression und/oder Suizidgefährdung; Epilepsie mit therapeutisch nicht ausreichend kontrollierten Anfällen, Herzkrankheiten. Kontrollen bei schweren Nieren- und Leberfunktionsstörungen sowie bei Myelosuppression. Patienten, die zu Depressionen oder Selbstmordgedanken neigen, sollten genau beobachtet werden; ggf. ist ein Abbruch der Therapie zu erwägen. Vorsicht ist bei Patienten mit vorbestehenden Krampfleiden bzw. Krampfanfällen geboten. Ggf. vor Aufnahme der Behandlung geeignete antikonvulsive Therapie einleiten. Eine regelmäßige Kontrolle des Blutbilds und der chemischen Blutwerte (einschließlich Leberfunktionstests) wird empfohlen. Empfängnisfähige Frauen sollten geeignete kontrazeptive Maßnahmen treffen.
Wechselwirkungen Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite und einer weitgehend vom Cytochrom-P-450System der Leber abhängigen Clearance, z. B. Antiepileptika oder Antidepressiva. Vorsicht bei gleichzeitiger Anwendung anderer Immunmodulatoren (außer Kortikoiden).
Interferon beta-1b Gebräuchliche Fertigarzneimittel Betaferon® (Ampulle Trockensubstanz enthält: Interferon beta-1b 0,3 mg (9,6 Mio. I. E.).
Wirkungen Interferon beta-1b wird bei schubweise verlaufender und sekundär progredienter Multipler Sklerose eingesetzt. Es reduziert die Schubfrequenz und verlangsamt die Progression der Erkrankung.
Dosierung und Art der Anwendung Zubereitung der fertigen Lösung mit 1,2 ml NaCl-Lösung. 1,0 ml der Injektionslösung jeden 2. Tag s. c. (entspr. 0,25 mg-8 Mio. I.E.)
Unerwünschte Wirkungen Unerwünschte Wirkungen mit einer Inzidenz bis zu >10% (häufig bis sehr häufig): Leukopenie (Lymphopenie, Neutropenie), Lymphadenopathie, Erhöhung der AST- und ALT-Werte,
Hypoglykämie, Hyperglykämie, Proteinurie, peripheres Ödem, Schwindel, Schlaflosigkeit, Depression, Hypertonus, Angst, Konjunktivitis, Ohrenschmerzen, Herzklopfen, Hypertonie, Vasodilatation, Migräne, Dyspnoe, Sinusitis, vermehrtes Husten, Diarrhöe, Obstipation, Erbrechen, Übelkeit, Hautausschlag, Hauterkrankungen, Muskelschmerzen, Myasthenie, Harninkontinenz, Harnverhaltung, häufige Blasenentleerung, starker Harndrang, Impotenz, Dysmenorrhöe, Menstruationsstörungen, grippeähnlicher Symptomenkomplex (Fieber, Schweißausbrüche, Schüttelfrost). Reaktion an der Injektionsstelle (einschließlich Rötungen, Verfärbung, Schwellung, Entzündungen, Schmerzen, Überempfindlichkeit), Abszess, Nekrose an der Injektionsstelle, Infektion, Kopfschmerz, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Thoraxschmerzen, Schmerzen, Schmerzen an den Extremitäten, Müdigkeit, Unwohlsein. Gelegentlich (<1%–0,1%): Anämie, Thrombozytopenie, Alopezie, Urtikaria, Pruritus. Selten (<0,1%–0,01%): Hyperthyreose, Hypothyreose, Schilddrüsenfehlfunktion, γ-GT-Erhöhung, Triglyzerid-Erhöhung, Krämpfe, Verwirrung, emotionale Labilität, Kardiomyopathie, Tachykardie, Herzklopfen, Bronchospasmus, Pankreatitis, Hepatitis, Selbstmordversuche, anaphylaktische Reaktion. Sehr selten (<0,01%): Hypokalzämie, Hyperurikämie, Depersonalisation. Bei seltenen aber starken Überempfindlichkeitsreaktionen (wie Bronchospasmus, Anaphylaxie und Urtikaria) Behandlung mit Betaferon® abbrechen. Überwachung des Patienten auf Fieber und Infektion hin bei Entwicklung einer Neutropenie. Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit bei Männern u. Frauen kann nicht ausgeschlossen werden. In verschiedenen Studien kam es bei 45% der Patienten zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern. Vor Beginn der Behandlung sowie in regelmäßigen Abständen während der Behandlung Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, depressiven Störungen und Suizidneigung sorgfältig überwachen. Erstellung eines Differenzialblutbildes und Bestimmung der Laborwerte (SGOT, SGPT, γ-GT). Sorgfältige Überwachung der Leberfunktion. Bei Verdacht auf Hepatitis Therapie abbrechen. Vorsicht bei Patienten mit Myelosuppression, Anämie, Thrombozytopenie. Im Hinblick auf Fieber oder Infekt engmaschige Überwachung der Patienten, die Neutropenie entwickelt haben. Bei Auftreten
Internukleäre Ophthalmoplegie (INO)
Keine Anwendung zusammen mit anderen Immunmodulatoren außer Kortikoiden. Vorsicht bei gleichzeitiger Verabreichung von Interferon beta-1b und Substanzen, die eine geringe therapeutische Breite besitzen und deren Clearance stark abhängt vom Zytochrom-P450-System (z. B. Antiepileptika).
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Wechselwirkungen
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Kontraindikationen sind schwere Depressionen und/oder Suizidneigung in der Anamnese, Myelosuppression, sowie schwere Herzleiden. Vorsicht bei Therapie mit Antiepileptika, Krampfanfällen und depressiven Störungen in der Anamnese. Jede Komedikation mit Effekt auf Hämatopoese.
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Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
kostalneuralgie). Sind mindestens 2 benachbarte untere Interkostalnerven geschädigt, so kann eine Parese der Bauchdeckenmuskulatur resultieren. Abgegrenzt werden muss eine echte Schädigung der Interkostalnerven von einer Wurzelläsion im Thoraxbereich. Letztere ist häufig durch Entzündungen ( Herpes zoster, Borreliose) bedingt oder wird im Rahmen einer diabetischen Polyneuropathie gesehen ( Radikulopathie, diabetische thorakoabdominale). Regionale Neubildungen, degenerative Prozesse der Wirbelsäule oder Traumata können ebenfalls Ursache einer Wurzelschädigung sein. Schädigungen der Interkostalnerven selber können durch Traumata im Brust- und Bauchraum, durch Rippenfrakturen, bei Operationen durch Spreizinstrumente, durch Narbenbildung oder durch lokale entzündliche oder infiltrierende Prozesse (Pleuritiden, Abszesse, Tumoren) bedingt sein. Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. 3
mehrerer Nekrosen Behandlung bis zur Abheilung unterbrechen. Bei Verdacht auf Kardiomyopathie Behandlung unterbrechen. Vorsicht bei monoklonaler Gammopathie, da CapillaryLeak-Syndrom mit schockähnlichen Symptomen und tödlichem Ausgang berichtet wurde.
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Internukleäre Ophthalmoplegie (INO)
Interkostalnerven Definition Die 12 paarigen Thorakalnerven teilen sich nach dem Austritt aus dem Neuroforamen in einen R. ventralis und einen R. dorsalis. Die Rr. ventrales ziehen segmental getrennt als Nn. intercostales am Unterrand der jeweiligen Rippe nach vorne bis zur Mittellinie. Sie versorgen die Interkostalmuskulatur und die großen ventralen Bauchmuskeln. Außerdem versorgen die Interkostalnerven sensibel die Haut der lateralen und vorderen Rumpfwand.
Grundlagen Klinisch führt eine Schädigung der Interkostalnerven zu sensiblen Reizerscheinungen und Schmerzen im entsprechenden Dermatom. Wegen der ausgeprägten Überlappung der Versorgungsgebiete sind die sensiblen Defizite meist auf einen kleinen Streifen mit Hypalgesie (geringere Überlappung) und Dysästhesien beschränkt oder fehlen ganz. Als Interkostalneuralgie darf streng genommen nur eine echte Irritation eines Ramus ventralis eines Interkostalnerven bezeichnet werden ( Neuralgie, Inter-
Definition Zentrale Augenmotilitätsstörung mit Adduktionsparese und dissoziiertem (blickparetisch verstärkten) Blickrichtungsnystagmus kontralateral.
Einleitung Die INO ist ein topisch wertvolles Hirnstammsymptom. Die Adduktionsparese geht auf eine ipsilaterale Läsion des medialen Längsbündels (Fasciculus longitudinalis medialis) zurück. Wegen der mittelliniennahen Lage des medialen Längsbündels tritt die INO häufig beidseits auf. Die Adduktion bei Konvergenz ist in der Regel erhalten. Eine latente INO mit lediglich etwas verlangsamter Adduktion lässt sich besser darstellen, indem man den Patienten bittet, rasch zwischen den rechts und links vorgehaltenen Zeigefingern des Untersuchers hin- und herzusehen. Bei mehr rostraler Läsion mit Beteiligung des Okulomotoriuskerngebiets kann auch die Ad-
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3
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„Intimal flap“
duktion paretisch sein. Bei mehr kaudaler Läsion mit Beteiligung des Abduzenskerngebiets kann das sogenannte Eineinhalbsyndrom auftreten, also eine Adduktionsparese ipsilateral und eine horizontale Blickparese nach ipsilateral. Der Patient kann also nur mit dem kontralateralen Auge abduzieren. Die INO ist selten das einzige Symptom, sodass sorgfältig nach anderen Hinweisen für eine Hirnstammläsion gefahndet werden muss.
„Intrinsic Factor“ Definition Von den Parietalzellen der Magenschleimhaut gebildetes, für die Resorption von Vitamin B12 notwendiges Glykoprotein.
Grundlagen Mangel an Intrinsic Factor (nach Magenresektion, bei Typ A (Autoimmun-) Gastritis) führt zu Vitamin B12-Mangel mit den möglichen klinischen Bildern einer funikulären Myelose und/oder einer makrozytären hyperchromen Anämie.
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„Intimal flap“ Synonyme Intima-Segel, Intima-Dissekat, Intima-Tasche
Definition Bei Dissektionen in der Duplexsonographie oder in der Angiographie erkennbare Dissektionsmembran im Gefäßlumen.
Intubation Definition Einführung eines Spezialtubus in die Trachea zur Beatmung.
Grundlagen
Intoxikation Synonyme Vergiftung
Definition Organschädigung oder Allgemeinerkrankung nach Aufnahme von Giften oder pathologischer Entstehung toxischer körpereigener Substanzen.
Grundlagen Intoxikationen können akut durch Einwirkung einer zumeist hohen Dosis eines Fremdstoffes ausgelöst werden. Am häufigsten wird dies durch Arzneimittel, Haushaltschemikalien oder Substanzen mit hoher Toxizität an Arbeitsplätzen verursacht. Durch Langzeiteinwirkung eines potentiell toxischen Stoffes (Kontakt, Dauerimmission oder langfristige Aufnahme kontaminierter Lebensmittel) können ebenfalls Gesundheitsschädigungen auftreten. Akute Vergiftungen kommen jedoch häufiger vor als chronische. Als Autointoxikation bezeichnet man die Selbstvergiftung durch Stoffwechselprodukte des eigenen Körpers, z. B. bei schwerer Leber-, Nieren- und NNR-Insuffizienz.
Das Einführen eines Endotrachealtubus in die Trachea kann entweder durch den Mund (orotracheale Intubation, Regelfall) oder durch die Nase (nasotracheale Intubation) erfolgen. 1. Indikationen zur Intubation sind u. a.: Beatmung während Narkose, bei insuffizienter Spontanatmung, respiratorischer Insuffizienz, Verhinderung einer Aspiration bei Bewusstlosen, Überbrückung akuter Kehlkopfstenosen (infolge Larynx- oder Glottisödem). 2. Technik: Die orotracheale Intubation erfolgt in der Regel in Jackson-Lagerung unter laryngoskopischer Sicht in Narkose (und Muskelrelaxation) und unter Sedierung, wobei das Ende des Endobronchealtubus oberhalb der Carina zu liegen kommt. Kontrolle der Tubuslage durch Auskultation (beidseitiges Atemgeräusch). 3. Komplikation der Intubation:(Während der Intubation) Laryngospasmus, reflektorischer Atemstillstand, Veränderung der Herzfrequenz und des Blutdrucks, Erbrechen mit folgender Aspirationsgefahr, mechanische Verletzungen des Hypopharynx, Larynx, Trachea, endoösophagale Lage, endobronchiale Lage, (bei langdauernder Lage) Druckulzerationen der Trachealschleimhaut.
Isaacs-Syndrom
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Definition
Ionenkanalerkrankungen
Melanozytische Irishamartome sind ein typisches Merkmal der Neurofibromatose Typ 1 ( Recklinghausen-Erkrankung), wobei 95– 100% der Patienten im Erwachsenenalter zwei oder mehr Lisch-Knötchen aufweisen. Weiterhin werden Irishamartome bei der Phakomatosis pigmentovascularis Iib beobachtet. 3
Synonyme
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Definition Heterogene Krankheitsgruppe, bei denen Ionenkanäle ( Kanal) in der Pathogenese die Hauptrolle spielen. 3
Grundlagen Es kann sich um Funktionsbeeinträchtigung durch Autoantikörper handeln: Myasthenia gravis, myasthenes Syndrom Lambert-Eaton, Isaacs Syndrom. Ferner um Expressions- oder Funktionsänderung auf genetischer Grundlage: Kongenitale Myasthenie (Slow Channel Syndrom, Fast Channel Syndrom), Myotonien, dyskaliämische Lähmungen, familiäre hemiplegische Migräne, episodische Ataxie Typ 1 und 2, paroxysmale kinesiogene Choreoathetose, spinozerebelläre Ataxie Typ 6, benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe, generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen, verschiedene Long QT-Syndrome, Central-Core-Myopathie, maligne Hyperthermie, zystische Fibrose, Bartter-Syndrom, Dent-Krankheit, Gitelman-Syndrom. Diese Liste dürfte rasch länger werden. Es würde dabei nicht überraschen, wenn auch häufige Krankheiten wie die Migräne oder einige primär generalisierte Epilepsieformen hinzukommen.
Iridozyklitis, Iritis Definition Die Iridozyklitis tritt beim Heerfordt-Syndrom in Kombination mit einer Neurosarkoidose, Parotitis und Arthritis auf. Die Iritis ist zusammen mit der Konjunktivitis, Keratitis, stomatöser Aphtose und genitaler aphtöser Entzündung Leitsymptom des Behçet-Syndroms.
Isaacs-Syndrom Synonyme 3
Kanalkrankheiten
Neuromyotonie
Definition Seltene neuromuskuläre Autoimmunkrankheit, die durch Antikörper gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle charakterisiert ist.
Einleitung Idiopathische oder paraneoplastische Erkrankung, bei der Autoantikörper gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle (Labor: z. B. Prof. Newsom-Davis, Oxford, UK) eine Übererregbarkeit insbesondere motorischer Axone des peripheren Nerven vermitteln. Es kommt zu einer zufällig verteilten vermehrten Transmitterfreisetzung, die sich klinisch als schmerzhafte Muskelsteifigkeit, Muskelwogen oder Krampi manifestiert. Im EMG finden sich ubiquitäre Faszikulationen, Myokymien und charakteristische hochfrequente Entladungen. Die Symptome persistieren im Schlaf und in Narkose, lassen sich aber durch Kurare blockieren. In einigen Fällen sind auch nichtmotorische Axone signifikant betroffen, sodass es zu profusem Schwitzen, Parästhesien und recht unangenehmen Schmerzen kommt. Es wurde auch über Herzrhythmusstörungen und Symptome einer limbischen Enzephalitis mit Halluzinationen im Rahmen der Krankheit berichtet. Bei zentraler Beteiligung spricht man von Morvans-Syndrom.
3
3
Diagnostik
Irishamartom Synonyme Lisch-Knötchen
EMG. Bei generalisierten Faszikulationen und Myokymien sollte auch bei Fehlen hochfrequenter Entladungen die Neuromyotonie in Erwägung gezogen werden. Antikörperbestimmung (Ak gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle)
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Ischämie
Tumorsuche (z. B. Thymom, Branchialkarzinom).
Grundlagen *
Ätiologie: Heterogen. Durch Einengung, Verschluss oder Vasospasmus kann es zu einem reduzierten Blutfluss im nachgeschalteten Gewebe kommen. Pathophysiologie: Aufgrund der dadurch bedingten Sauerstoffminderversorgung kommt es je nach Ausprägung zu mehr oder weniger starken Funktionsstörungen. Eine längerdauernde oder hochgradige Ischämie führt zum Zelluntergang (Nekrose). Zerebrale Ischämie: Verminderung der zerebralen Durchblutung, sodass aufgrund der eingeschränkten Sauerstoffversorgung ein ausreichender Hirnstoffwechsel nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Globale zerebrale Ischämie: Vollständiges Sistieren des zerebralen Blutflusses. Fokale zerebrale Ischämie: Lokal begrenzte zerebrale Ischämie, Hirninfarkt. Kompensationsmechanismen des Gehirns bei zerebraler Ischämie: – Normale Hirndurchblutung: Regulation über zerebrale Autoregulation. – Leichte Ischämie (Oligämie): Erhöhte Sauerstoffextraktion aus dem Blut, normaler neuronaler Stoffwechsel. – Moderate Ischämie: Zunahme der anaeroben Glykolyse mit Störung des Funktionsstoffwechsels, jedoch ausreichendem Zellstoffwechsel. – Schwere Ischämie: Störung des Funktions- und Zellstoffwechsels mit irreversiblem Zelluntergang.
Therapie Immunsuppressiv, Antikonvulsiva. *
gesichert Die Erkrankung ist so selten, dass die Therapie auf der Beschreibung einzelner Fälle beruht. *
* *
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empirisch In den meisten mitgeteilten Fällen waren i. v.Immunglobuline bzw. Plasmapherese gut wirksam. Dies sollte daher die erste Wahl sein. Prinzipiell sollten auch Immunsuppressiva (z. B. Azathioprin, Methotrexat) wirksam sein. Symptomatische Therapie mit Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Phenytoin). Es wurde auch über Spontanremissionen berichtet. Wir haben demgegenüber einen Fall gesehen, der weder auf symptomatische Therapie mit verschiedenen Antikonvulsiva, noch auf i. v.Immunglobuline und Plasmapherese ansprach und schließlich verstorben ist.
*
Nachsorge Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum empfehlenswert. Ggf. Tumorsuche im Verlauf wiederholen.
Bewertung Die Diagnose kann anfangs schwierig sein, wenn die EMG-Veränderungen noch nicht sehr ausgeprägt sind. Im Zweifelsfall die Antikörperbestimmung veranlassen.
Prognose Bei Ansprechen auf die Therapie gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Kein bekannter Einfluss.
Ischämie, retinale Synonyme Meist gleichbedeutend: schluss
Zentralarterienver-
Definition
Synonyme Minderdurchblutung, Durchblutungsstörung
Definition Minderdurchblutung von Organsystemen und Gewebe mit konsekutiver Funktionsstörung.
Ischämische Läsion der Retina, meist als Amaurosis fugax mit plötzlichem Schwarzsehen auf einem Auge. 3
Ischämie
Grundlagen Die retinalen Ischämien haben meist eine arterioarteriell-embolische Genese bei Gefäßprozessen der A. carotis interna über die A. ophthalmica und die A. centralis retinae. Auch kardiale
Ischämie, spinale
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Diagnostik Die Diagnose einer spinalen Ischämie ist häufig eine Ausschlussdiagnose. Abgegrenzt werden müssen eine akute Myelitis und ein Bandscheibenvorfall, bei weniger akutem Verlauf auch spinale Formen der MS (Multiple Sklerose), maligne Neoplasien und Metastasen. Spinale MRT zur Darstellung des Infarktes. Thorakale und abdominale MRT/MRA und/ oder CT zum Nachweis von Gefäßprozessen, insbesondere an der Aorta. Echokardiographie (auch transösophageal) zum Nachweis einer kardialen Emboliequelle. Liquoruntersuchung zur Abgrenzung einer entzündlichen/infektiösen Genese bzw. einer Blutung. Eine Indikation zur selektiven Angiographie besteht nur, wenn der Verdacht auf eine arteriovenöse Malformation besteht, die evtl. interventionell-radiologisch therapiert werden könnte. Elektrodiagnostische Methoden (SEP = somatosensibel evozierte Potentiale, Magnetstimulation) haben ihren Stellenwert zur Verlaufskontrolle. 3
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Bei der ophthalmologischen Untersuchung finden sich beim Zentralarterienverschluss ein kirschroter Fleck und ggf. pathologisch veränderte Arterien, z.B. pathologische Schlängelung. Bei der AION bestehen ein Papillenödem und ggf. peripapilläre Blutungen bzw. Exsudate, während bei der PION der Fundusbefund meist vollkommen unauffällig ist.
biet der betroffenen Arterie, typische Syndrome ( Arteria-radicularis-magna-Syndrom, Arteria spinalis anterior, Arteria spinalis posterior, Arteria-sulcocommissuralis-Syndrom, oft inkomplett). 3
Embolien und lokalthrombotische Prozesse können ursächlich verantwortlich sein. Differenzialdiagnose: * Anteriore ischämische Optikusneuropathie ( AION) bei mikroangiopathischem Prozess der Choroidal- bzw. Ziliararterien. * Anteriore ischämische Optikusneuropathie bei Arteriitis temporalis (Riesenzellarteriitis). * Posteriore ischämische Optikusneuropathie (PION), meist durch Kompression bedingt. * Zentralvenenverschluss. * Benigne Amaurosis fugax des jungen Erwachsenenalters ( Vasospasmus, Migräne). * Retrobulbärneuritis, meist als Manifestation einer Enzephalomyelitis disseminata. * Obskurationen bei chronisch gesteigertem Hirndruck. * Erkrankungen der Retina, z.B. Ablatio retinae, diabetische oder hypertensive Retinaveränderungen. * Glaukom.
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Therapie gesichert
Ischämie, spinale Synonyme Myelomalazie
Einleitung Manifestation mit akut auftretendem, initial häufig kompletten Querschnittlähmung/-syndrom ( Querschnittssyndrome), begleitet von ziehenden oder reissenden Schmerzen. Ursächlich können umschriebene Unterbrechungen der spinalen Blutversorgung (meist pathologische Prozesse an der Aorta und ihren Ästen, z. B. Arteriosklerose, Aneurysma dissecans; nach operativen Eingriffen) oder eine generalisierte Hypoxie (z. B. bei kardiogenem Schock, bevorzugt im Bereich des oberen Thorakalmarkes) sein. Bei umschriebenen Läsionen imponieren klinisch, abhängig vom Versorgungsge-
Eine gesicherte kausale Therapie ist nicht bekannt. empirisch Wesentlich ist die Behandlung eines ursächlichen Leidens (z. B. Aortenaneurysma). Frühzeitige krankengymnastische Behandlung. Prävention von Infekten, Dekubitalulzera. Therapie von Blasenstörungen. unwirksam/obsolet Weder für eine hochdosierte Kortikosteroidgabe, Hämodilution, rheologische Behandlungskonzepte, Antikoagulation, Thrombozytenaggregationshemmung, Hypothermie oder Sympathektomie konnten nach erfolgter Infarzierung ein Therapieeffekt nachgewiesen werden.
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Ischämisches neurologisches Defizit, transitorische ischämische Attacke (TIA)
Ischämisches neurologisches Defizit, transitorische ischämische Attacke (TIA)
Ischiadikusläsion/-Lähmung (Nervus ischiadicus) Nervus ischiadicus, Läsion
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Definition Neurolgische Ausfälle, die sich innerhalb von 24 Stunden vollständig zurückbilden und die auf einer regionalen Durchblutungsstörung des Gehirns und des Rückmarks zurückzuführen sind.
Isoniazid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Isozid® 50/100/200 mg Tbl., Tebesium® - s 100/250 mg Lösg.
Grundlagen Die Dauer der Symptome kann zwischen Sekunden und 24 Stunden variieren, wobei insbesondere bei längerdauernden Defiziten (>1 h) zunehmend morphologische Läsionen nachweisbar sind. Die neurologischen Ausfälle können das gesamte Spektrum der Schlaganfallssymptome einschließlich der Amaurosis fugax und einer spinalen Symptomatik umfassen. Nach TIA besteht ein jährliches Schlaganfallsrisiko von 5–6%. Die kardiovaskuläre Mortalität steigt im Vergleich zur Normalbevölkerung um 20% an. Angesichts der schwerwiegenden Folgen von kompletten Schlaganfällen und kardialen Erkrankungen muss die TIA als Warnsymptom für eine vaskuläre Diagnostik genutzt werden.
Ischämisches neurologisches Defizit, zerebrales Synonyme Hirninfarkt, zerebrale Durchblutungsstörungen, ischämische Attacke 3
Definition Überbegriff über die auf einer Durchblutungsstörung beruhenden zerbralen Ausfälle einschließlich der Amaurosis fugax.
Grundlagen Bzgl. Epidemiologie, ätiologischer Differenzierung und Therapien: Hirninfarkt.
Wirkungen Isoniazid (INH) wirkt als antituberkulöses Erstrangmittel gegen Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium bovis und Mycobacterium leprae. Atypische Mycobakterien sind nur ausnahmsweise sensibel. Primärresistenzrate <3%, sie ist in Wildstämmen niedrig und beruht auf genetisch fixierter Unempfindlichkeit. In Regionen mit hoher Tuberkulose-Durchseuchung und gehäufter Sekundärresistenz sowie bei AIDS-Patienten Primärresistenz häufiger. Entwicklung einer Sekundärresistenz bei INHMonotherapie wahrscheinlich durch Einschrittmutation innerhalb von 3 Monaten bei 60% der Fälle, Auftreten bereits nach 4 Wochen antituberkulöser Therapie möglich. INH wirkt bei proliferierenden Keimen bakterizid, bei ruhenden Erregern erfolgt nur sehr langsame Abtötung. Gute Wirksamkeit gegen Mycobakterien, die in Makrophagen phagozytiert sind. Intrabakterielle Oxidierung des INH zu Isonikotinsäure, die akkumuliert und anstelle von Nikotinsäure in das Nikotin-Adenin-Dinukleotid (NAD) eingebaut wird, das seine wasserstoffübertragende Funktion einbüßt. Folge ist Anreicherung von Wasserstoffperoxid, das die Bakterienzelle irreversibel schädigt. DNS- und RNS-Synthese werden reduziert, wobei das Ausmaß der DNS-Synthesehemmung der Absterberate der Mycobacterien proportional ist.
Resorption Nach oraler oder i. m. Gabe erfolgt rasche Resorption von >50%. Resorption wird verzögert durch gleichzeitige Gabe von Antazida oder kohlenhydratreiche Kost. In 20–30% Bindung an Plasmaproteine. Verteilung im Gewebe gut mit 30–80% der Plasmakonzentration. Bei nor-
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Isoniazid
malen Meningen finden sich 1 h nach p.o. Gabe 15–30% der Plasmakonzentration im Liquor, bei Meningitis 40–100%. INH ist plazentagängig, 40–65% der Plasmakonzentration werden in der Muttermilch erreicht.
Elimination Plasmahalbwertzeit nach oraler Gabe bei Langsaminaktivierern 2,5 h, bei Schnellinaktivierern 1 h. Nach i. v. Bolus-Injektion schnellerer Konzentrationsabfall, deshalb Dauertropfinfusion bevorzugen. Langsaminaktivierung prädisponiert für unerwünschte Wirkungen wie Pseudo-Lupus Erythematodes, periphere Neuropathie und Interaktion mit Phenytoin. 80% wird über die Niere ausgeschieden. Freies INH wird glomerulär filtriert, die Metaboliten auch tubulär sezerniert. Ausscheidung mit den Faeces <10%. Leberinsuffizienz verlängert Halbwertzeit von freiem INH mit höheren Plasmakonzentrationen, aber nicht die Konzentration der Metaboliten. Höhe der Plasmakonzentration des freien INH korreliert mit dem Serum-Bilirubin, deshalb in diesem Fall auf INH verzichten oder Plasmakonzentration bestimmen. Bei Niereninsuffizienz keine Dosisreduktion, nur bei sehr schwerer Schädigung ist Kumulation von INH und Metaboliten zu erwarten. Empfehlung: 1–2 Tage Therapiepause/Woche. Durch Dialyse sind 70% einer i. v.-verabreichten INH-Dosis in 5 h entfernbar. Daher auch bei term. Niereninsuffizienz unter Dialyse volle Dosierung.
Anwendungsgebiete Neben Rifampicin (RMP) ist INH das wichtigste Tuberkulosemedikament. Durch die kontinuierliche Gabe beider Medikamente während der gesamten Behandlungszeit ist bei Sensibilität der Bakterien und Verträglichkeit der Medikamente die Kurzzeitbehandlung der Tuberkulose möglich geworden. Präventive Chemotherapie bei infizierten, aber Nicht-Erkrankten und INH-Prophylaxe bei gesunden Befundträgern ist wirksam, aber wegen potenzieller Hepatotoxizität von INH umstritten. Ein Effekt ist auch bei der zerebellären Ataxie beschrieben.
Dosierung und Art der Anwendung Standard Dosis bei täglicher Gabe von 5 mg/ kgKG p. o., i. m., i. v., Höchstdosis 400 mg/d; bei intermittierend zweimal wöchentlicher Gabe 15 mg/kg KG. Kinder erhalten wegen
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schnellerem INH-Metabolismus mit 200 mg/ m2 bzw. 10 mg/kgKG höhere Tagesdosen. Eine Aufteilung auf mehrere Einzeldosis/d ist gewöhnlich nicht vertretbar, weil die Wirkung abgeschwächt wird. Orale Therapie ist Standard, i. v. Gabe bei Schwerkranken möglich, intrathekale Gabe nur ausnahmsweise notwendig.
Unerwünschte Wirkungen Pyridoxinmangel durch erhöhte Pyridoxinausscheidung im Urin. Polyneuropathie der Hände und Füße häufig, wenn keine Pyridoxinprophylaxe vorgenommen wird, ebenso bei täglicher Gabe und höheren Dosen, jedoch bei einer Dosis von 5 mg/kgKG selten; bevorzugt bei Langsaminaktivierern, häufiger bei Diabetikern. Leichtgradige unerwünschte Wirkungen in Form von Aufmerksamkeits- und Merkfähigkeitsstörungen oder psychovegetative Störungen mit Schwindel und Hitzewallungen sind häufiger. Psychosen und epileptische Anfälle sind selten, häufiger aber bei zerebralen Anfallsleiden und höheren Dosen. γ-Aminobuttersäuresynthese (GABA) wird durch INH gehemmt. Selten Pseudo-LE; Nachweis antinukleärer AK ohne LE-Symptomatik, aber häufig (bis 20%). Selten Leukopenien, Thrombopenie, Agranulozytose, immunhämolytische Anämie. Sehr selten Obstruktion oder Syndrom mit Thoraxschmerzen, Husten, Fieber, Eosinophilie und mikronodulären Herden im Lungenröntgenbild. Meist toxische, selten allergische Hepatitis mit Transaminasenanstieg in 10–30%, meist vorübergehend; Ikterus <1%. Todesfälle mit akutem Leberversagen wurden beschrieben. Risikofaktoren für unerwünschte Wirkungen an der Leber: Vorschädigung durch Alkohol, Hepatitis, Zirrhose, Fettleber, gleichzeitige Gabe lebertoxischer Medikamente: hepatotoxisch wirkt der Metabolit Hydrazin, wobei INH direkt zu Isonikotinsäure und Hydrazin metabolisiert wird. Die Hydrolase ist durch RMP induzierbar, was die erhöhte Hepatotoxizität der Kombinationsbehandlung mit RMP erklärt. Gelegentlich geringe Eiweißausscheidung und Mikrohämaturie, kein Anlass zum Absetzen. In Einzelfällen akutes Nierenversagen. Allergische Reaktionen in <1% Häufigkeit. Exantheme und Medikamentenfieber kommen vor. Reaktionsvermögen und Verkehrstüchtigkeit eingeschränkt. Alkoholverträglichkeit häufig eingeschränkt.
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Isoniazid
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Absolut: Akute Hepatitis, Makrohämaturie, INH-Allergie, periphere Neuropathie. Relativ: Zerebrales Anfallsleiden, Psychosen.
Wechselwirkungen Zahlreich: INH kann den Abbau verschiedener Medikamente verzögern bzw. deren Blutspiegel erhöhen: Phenytoin, Carbamazepin, Primidon, Theophyllin, Haloperidol, Vitamin D, Cortison, Protionamid, Theophyllin. Der INH-Abbau wird vermindert durch Propranolol, Chlorpromazin, Fenyramidol, PAS, Procainamid. ZNS: unerwünschte Wirkungen verstärkt durch Kom-
bination mit Cycloserin/Terizidon und Disulfiram. INH-Hepatotoxizität durch RMP, Phenytoin, Carbamazepin und Phenobarbital erhöht. Insulin verstärkt INH-Resorption. Zusammen mit Warfarin erhöhte Blutungsneigung möglich. Bei Vergiftung: Zentralnervöse Erscheinungen mit Koma und Krämpfen stehen im Vordergrund. Erste Maßnahmen. Tierexperimentell senkt Halothan die Krampfbereitschaft. Hochdosiertes Pyridoxin zusammen mit symptomatischer Intensivbehandlung ist Therapie der Wahl.
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Medulla oblongata, (Benennung nach Erstbeschreiber)
Synonyme Einfach-fokale Anfälle mit Jackson-March, einfach-fokale Anfälle mit Propagation
Definition Einfach-fokale Anfälle ( Anfall, fokaler (einfach-fokaler)) mit motorischer oder sensibler Symptomatik, die in einer begrenzten Körperregion beginnt und sich in Form eines JacksonMarch ausbreitet. Die zumeist motorischen (tonisch oder klonisch) Anfälle ( Anfall, tonischer, Anfall, klonischer) beginnen häufig an distalen Extremitätenabschnitten, propagieren nach proximal und erfassen z. T. die ipsilaterale Gesichtsregion oder sogar die gesamte Körperhälfte. Möglich ist auch eine sekundäre Generalisierung. Nicht selten treten postiktuale Lähmungen auf ( Todd-Parese). 3
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Einleitung
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss kleiner, den Hirnstamm penetrierender Gefäße zu einer Läsion im Bereich der unteren Medulla oblongata mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: kontralateral Hemiparese, ipsilateral Hypoglossusparese.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie 3
Jackson-Anfälle
Nachsorge 3
Jackson-Anfälle treten im Rahmen fokaler Epilepsien zumeist mit Lokalisation in der Zentralregion, auf.
Hirninfarkt
Hirninfarkt
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Abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen, Hirninfarkt. 3
Therapie
Prognose
Epilepsie, fokale
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
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Prognose
Hirninfarkt.
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Epilepsie, fokale
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Jacobson, progressive Muskelrelaxation Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion der unteren
Definition Muskelrelaxation, progressive, nach Jacobson. 3
Jackson-Syndrom
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Jamais vu
Einfach-fokaler Anfall bzw. Aura mit Jamaisvu-Symptomatik
sen. Ephaptische Erregungen führen dann zu den entsprechenden sensiblen oder motorischen Reizsymptomen. Das Verfahren wurde zuerst von Gardner beschrieben, wird mittlerweile aber nach der von Jannetta beschriebenen Methode durchgeführt [2].
Definition
Grundlagen
Jamais vu Synonyme
Epileptische Jamais-vu-Erlebnisse werden der Gruppe einfach-fokaler Anfälle mit dysmnestischer Symptomatik, also mit Gedächtnistäuschung zugerechnet ( Déjà-vu). Der Patient erlebt vertraute Situationen oder Personen als fremd (jamais vu: franz.=noch nie gesehen).
Abzugrenzen sind Jamais-vu-Erlebnisse bei Übermüdung, im Traum, Psychosen oder nicht epileptischen Läsionen des Temporalhirns.
Nach Kraniotomie und gründlicher Inspektion des Situs wird üblicherweise das pathologische Gefäß vom Nerven entfernt und Material wie Teflon- oder Ivalon-Schwämmchen zwischen Gefäß und Nerven positioniert, um den direkten Druck des Gefäßes auszuschalten. Die Operationsergebnisse sind sehr von der Erfahrung des Operateurs abhängig. Jannetta gibt postoperative Remissionen beim Spasmus hemifacialis bei 89% der Patienten, bei nicht-voroperierter Trigeminusneuralgie bei 80% an [3]. Andere Autoren erreichten beim Spasmus hemifacialis nur Erfolgsraten von 73% [1]. Die häufigste Komplikation ist die ipsilaterale Taubheit (3%). Weitere Komplikationen sind Kleinhirnschwellungen, Infarkte, Blutungen. Die Mortalitätsrate wird mit 1,2–0,22% angegeben.
Therapie
Literatur
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Einleitung Einfach-fokale Anfälle mit Jamais-vu-Symptomatik treten isoliert oder als Aura bei fokalen Epilepsien auf, in der Regel bei Temporallappenepilepsie. 3
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Differenzialdiagnose
Fokale Epilepsie
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Prognose Fokale Epilepsie
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Fokale Epilepsie
1. Digre K, Corbett JJ (1988) Hemifacial spasm: Differenzial diagnosis, mechanism, and treatment. Adv Neurol 49: 151–176. 2. Jannetta PJ (1982) Treatment of trigeminal neuralgia by microoperative decompression. In: Youmans J (ed) Neurological Surgery. Saunders, Philadelphia, pp 3589–3603. 3. Jannetta PJ (1985) Microsurgical management of trigeminal neuralgia. Arch Neurol 42: 800–801.
3
Jannetta-Operation Jargon
Synonyme Mikrovaskuläre Dekompression
Definition
Definition
Sinnlose Aneinanderreihung von Wörtern und Redefloskeln (semantischer Jargon) bzw. phonematisch veränderter Wörter und phonematischer Neologismen (phonematischer Jargon). 3
Einleitung Bei flüssiger Sprachproduktion sind semantisch und phonematisch unverständliche Sätze kennzeichnend. Häufig als Teilsymptom der Wernicke-Aphasie. 3
Mikrovaskuläre Dekompressionsoperation, bei der eine Kompression von Hirnnerven durch Gefäßschlingen nahe ihres Austritts aus dem Hirnstamm beseitigt wird. Indikationsgebiete dieser Operation sind die typische (sogenannte idiopathische) Trigeminusneuralgie und der Spasmus hemifacialis, bei denen pulsierende, aberrierende, oft arteriosklerotisch veränderte Gefäße eine mechanische Nervenreizung auslö3
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Joubert-Syndrom
Jaw-Winking-Phänomen
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Jo1-Antikörper Definition
Definition Zeichen der Fehlinnervation nach Fazialisparese ( Parese, Fazialisparese), bei dem es bei willkürlichen Kieferbewegungen zu einem begleitenden unwillkürlichen Augenschluss kommt. 3
Therapie Eine spezifische Therapie existiert nicht.
JC-Virus Definition Zu den Papovaviren gehörender Erreger der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML), der nach den Initialen des erstbeschriebenen PML-Patienten benannt wurde (Jakob-Creutzfeldt).
Gegen Histidyl-tRNA-Synthetase Autoantikörper.
gerichtete
Grundlagen Das Antigen kommt sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma vor. Autoantikörpernachweis, z. B. mittels indirekter Immunfluoreszenz, ist charakteristisch für die Polymyositis, selten Dermatomyositis. Hinzu kommen häufig intestitiielle Lungenveränderungen (Fibrose), Arthritiden und ein Raynaud-Syndrom. Beim Nachweis von Anti-Jo1-Antikörpern ist eine regelmäßige Lungenfunktionskontrolle indiziert.
Joubert-Syndrom Definition Autosomal-rezessives Fehlbildungssyndrom mit Kleinhirnwurmagenesie, Ataxie, Okulomotorikstörung, globaler Retardierung und intermittierender Hyperventilation.
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Kakosmie Definition Wahrnehmung unangenehmer, oft stinkender Gerüche auch ohne Substrat.
Einleitung Kakosmien treten oft anfallsartig auf.
Differenzialdiagnose Sie können durch Reizung des Bulbus olfactorius, des Corpus amygdaloideum oder des Unkus, nach Virusgrippen als Restsymptom, bei eitrigen Entzündungen im Bereich von Nase oder Nasennebenhöhlen, bei Depressionen oder auch als Aura bei epileptischen Anfällen vorkommen.
Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp: Adalat® (Nifedipin), * Bayotensin® (Nitrendipin), * Munobal® (Felodipin), * Norvasc® (Amlodipin). *
Kalziumantagonisten vom Verapamiltyp: * Isoptin® (Verapamil), * Dilzem® (Diltiazem), * Nimotop® (Nimodipin), * Sibelium® (Flunarizin).
Wirkungen Auf der Tonussenkung der glatten Gefäßmuskulatur beruht die antihypertensive und gefäßspasmolytische Wirkung der Kalziumantagonisten.
Pharmakologische Daten
Therapie
Siehe Produktinformationen.
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkankung.
Anwendungsgebiete
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Kalziumantagonisten
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Ernährung, Hirninfarkt
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Kalorienbedarf, Hirninfarkt
Behandlung der arteriellen Hypertonie: Insbesondere Kalziumantagonisten vom Nifedipinoder Verapamiltyp. Behandlung oder Vorbeugung einer Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern (Kalziumantagonisten vom Verapamiltyp). Vorbeugung Vasospasmus bei Subarachnoidalblutung (Nimodipin). Nootropische Demenzbehandlung (Nimodipin). Prophylaxe bei Migräne (Flunarizin) und Clusterkopfschmerz (Verapamil).
Synonyme
Dosierung/Anwendung
Kalziumkanalblocker
Siehe Produktinformationen.
Zubereitungen
Unerwünschte Wirkungen
Oral: Tabletten, Retardtabletten, Kapseln. Intravenös.
Siehe Produktinformationen. Nach Gabe von kurz wirksamen, nicht retardierten Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp besteht die Gefahr einer tachykarden Gegenregulation mit raschem Blutdruckabfall und der
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Unter anderem:
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Kalziumkanäle, Erkrankungen
Auslösung einer Koronarinsuffizienz. Bei Patienten mit vaskulären Vorerkrankungen sollte daher nur eine vorsichtige Verwendung stattfinden. Aufgrund der o.g. Problematik sind die Kalziumantagonisten nicht geeignet für die Blutdrucksenkung in der Akutphase des Schlaganfalls.
Definition
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Meist aus verschiedenen Proteinuntereinheiten bestehende Membranpore mit charakteristischem Öffnungs- und Schließverhalten. Bei Öffnung mehr oder weniger selektive Permeabilität für bestimmte Anionen oder Kationen. Die zur Kanalöffnung führende Konformationsänderung wird über Transmitter-RezeptorWechselwirkung vermittelt oder über physikalische Reize, z. B. Änderung von Spannung, Temperatur oder Druck. Wichtige Ionenkanäle sind spannungsaktivierte Kalium-, Natrium-, Kalzium- und Chloridkanäle. Die Signalübertragung soll am Beispiel der neuromuskulären Endplatte verdeutlicht werden: Ein Aktionspotential am Axon des Motoneurons führt zu einer Öffnung spannungsabhängiger Kalziumkanäle der Präsynapse. Das durch den Konzentrationsgradienten in die Präsynapse einströmende Kalzium vermittelt die Anbindung der präsynaptischen Transmittervesikel an die Zellmembran und somit die Exozytose des Transmitters (Azetylcholin). Der Transmitter führt über Bindung an den postsynaptischen Rezeptor zu einer Öffnung eines Natrium/Kalium-Kanals, der postsynaptisch bei Überschreiten der Reizschwelle ein Muskelaktionspotential auslösen kann (Natriumeinwärts-, Kaliumauswärtsfluss, dem Konzentrationsgradienten folgend). Das Potential wird in die transversalen Tubuli fortgeleitet (spannungsabhängige Natriumkanäle) und von dort in die longitudinalen Tubuli. Das Aktionspotential führt dort über Aktivierung spannungsabhängiger Kalziumkanäle zu einer Freisetzung von Kalziumionen in die Muskelzelle. Kalzium löst dort über eine Konformationsänderung am Tropomyosin die Muskelkontraktion aus. An der Beendigung des Aktionspotentials sind die Desensitisierung des Azetylcholinrezeptors, die Aktivierung spannungsabhängiger Chloridkanäle und die Natrium-Kalium-Pumpe beteiligt.
Siehe Produktinformationen.
Wechselwirkungen Siehe Produktinformationen.
Bewertung Die Kalziumantagonisten, insbesondere vom Nifedipintyp, gehören zu den weit verbreitesten Antihypertensiva. Im Vergleich zu β-Blockern, ACE-Hemmern und AT2-Blockern ist eine mortalitätssenkende Wirkung weniger gut belegt. Kurzwirksame Kalziumantagonisten sind wegen ihrer unerwünschten Wirkungen nur wenig gebräuchlich.
Kalziumkanäle, Erkrankungen Definition Erkrankungen, die durch eine gestörte Funktion von Kalziumkanälen ( Kanal) bedingt sind. 3
Grundlagen Die gestörte Kanalfunktion kann erworben sein, z. B. in Form von Autoantikörpern gegen spannungsabhängige Kalziumkanäle beim myasthenen Syndrom Lambert-Eaton, oder angeboren. Beispiele für hereditäre Kalziumkanaldefekte sind die familiäre hemiplegische Migräne, die episodische Ataxie Typ 2 und die spinozerebelläre Ataxie Typ 6 (SCA6). Kalziumkanaldefekte wurden ferner als Ursache einer Epilepsieform bei Nagetieren identifiziert und werden auch als Ursache der Migräne ohne und mit Aura diskutiert.
Kanal Synonyme Ionenkanal
Membranpore, die abhängig von spezifischen Reizen eine elektrische Leitfähigkeitsänderung der Zellmembran vermittelt.
Grundlagen
Karnitinmangel-Syndrom
Kanalolithiasis
629
Kardioversion Definition
Die Kanalolithiasis ist Ursache des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels. Es kommt zur Ablösung von Otholithenmaterial im Utriculus, das typischerweise in den hinteren Bogengang gelangt und dort bei Lagerungswechsel Schwindel und Nystagmus erzeugen.
Regularisierung des Herzrhythmus mit Überführung eines Vorhofflimmerns in einen Sinusrhythmus durch Medikamente oder Elektrotherapie.
Grundlagen
3
Indikationsstellung und Durchführung: hofflimmern.
3
Definition
Vor-
Kardiale Erkrankungen Synonyme Herzerkrankungen, Herzkrankheiten
Karnitin-Palmityltransferase I/II
Definition
Synonyme
Überbegriff über Erkrankungen des Herzens. Dazu gehören Krankheiten des/der * Herzmuskels (Kardiomyopathien). * Herzrhythmus (Rhythmusstörungen). * Herzklappen (Vitien). * Herzkranzgefäße (koronare Herzerkankung). * Herzwände ( Aneurysmen, Septumdefekte, Perikard).
Karnitin-Palmityltransferase
3
Grundlagen Herzkrankheiten haben für zerebrovaskuläre Erkrankungen insbesondere eine wichtige Bedeutung als Emboliequellen. Daneben besteht häufig eine Komorbidität von koronarer Herzerkrankung und Makroangiopathie der hirnversorgenden Gefäße. 3
Kardiomyopathie
Grundlagen Die Karnitin-Palmityltransferasen (CPT) sind wesentlich an der Passage von Fettsäuren durch die innere Mitochondrienmembran beteiligt. Man geht aufgrund biochemischer und genetischer Daten von einer an der Außenseite der Membran aktiven CPT I aus sowie von einer an der Innenseite aktiven CPT II. Die CPT I verestert Karnitin und Acyl-CoA zu Acyl-Karnitin unter Freisetzung von Coenzym A. Vermutlich eine Translokase schleust Palmityl-CoA ins Innere des Mitochondriums. Auf der Innenseite läuft die umgekehrte Reaktion ab. Acyl-CoA steht für die β-Oxidation zur Verfügung. Defekte eines der Enzyme führen zum Mangel an Substrat für die β-Oxidation. Bei andauernder körperlicher Belastung oder Fasten kann es zum Mangel an Energie und zur Rhabdomyolyse kommen.
Synonyme Myokardiopathie
Karnitinmangel-Syndrom
Definition Akute, subakute oder chronische Dysfunktion des Herzmuskels.
Einleitung Einteilung, Diagnostik, Therapie und Prognose siehe kardiologische Fachliteratur. Bedeutung der Kardiomyopathie als kardiale Emboliequelle: kardiogenembolische Hirninfarkte.
Synonyme Systemischer Karnitinmangel (SCM), muskulärer Karnitinmmangel (MCM)
Definition Heterogene Gruppe von Lipidspeicherkrankheiten mit primärem oder sekundärem Karnitinmangel als Ursache.
K
3
630
Karnitinmangel-Syndrom
Karnitin-Palmityltransferase I/II. Abb. 1: Schematische Darstellung des Transportes langkettiger Fettsäuren durch die innere Mitochondrienmembran
Karnitin ist der Carrier für den transmembranösen Transport langkettiger Fettsäuren durch die innere Mitochondrienmembran. Daneben ist Karnitin ein wichtiger Kofaktor der β-Oxidation langkettiger Fettsäuren. Karnitin spielt ferner eine Rolle bei der Fettsäure- und Cholesterinsynthese und bei der Exkretion organischer Säuren. Karnitinmangel in Serum und Geweben ist zunächst ein abnormer Laborbefund, der einer weiteren Diagnostik bedarf. Der seltene, hereditäre primär systemische Karnitinmangel ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, die auf Mutationen des organischen Kationentransporters N2 (OCTN2) beruht. Die Erkrankung ist mit dem plötzlichen Kindstod in Verbindung gebracht worden. In den ersten beiden Lebensjahren manifestiert sich die Krankheit meist akut mit Symptomen ähnlich dem Reye-Syndroms, also mit Erbrechen und Somnolenz. Nach dem 2. Lebensjahr manifestiert sich die Krankheit eher mit Kardiomyopathie, Paresen, Hypoglykämie und Hyperammoniämie. Obwohl der Karnitintransport defekt ist, kann Karnitinzufuhr die Symptome massiv bessern. „Muskulärer Karnitinmangel“ ist eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die mit normalem Serumkarnitin und reduziertem Karnitin im Muskel einhergehen. Es wird meist ein autosomal-rezessiver Erbgang vermutet. Die Erkran-
kungen können sich vom Säuglingsalter bis ins Senium manifestieren. Entsprechend variabel sind klinischer Befund und Verlauf. Meist bestehen Paresen im Gliedergürtel. In etwa einem Viertel der Fälle ist eine Kardiomyopathie vorhanden. Im EMG können normale oder myopathische Befunde erhoben werden, teils auch pathologische Spontanaktivität. Muskelbioptisch findet sich in der Regel eine Lipidspeicherung mit Betonung von Typ I-Fasern. Ursache dürften muskuläre Stoffwechseldefekte sein, die indirekt zum Karnitinmangel führen. In der Mehrzahl handelt es sich um sekundären Karnitinmangel auf der Grundlage mitochondrialer und anderer Stoffwechseldefekte, metabolisch-toxisch (Endokrinopathien, dekompensierte Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz), pharmakologisch-toxisch (z. B. bei Zidovudin-Myopathie, Valproinsäure) sowie arterieller Verschlusskrankheit. 3
Einleitung
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Serumkarnitin, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Muskelkarnitin. Ggf. Untersuchung des OCTN2-Gens bei V. a. SCM. EKG, Herzecho.
Therapie Versuch einer Karnitin-Substitution ist beim
Karotischirurgie
SCM und MCM sinnvoll. Nicht alle Patienten mit MCM sprechen auf diese Therapie an.
Nachsorge Jährliche Herzecho-Untersuchungen zur Erfassung und Beobachtung einer Kardiomyopathie sind wichtig.
Bewertung Gerade im Säuglingsalter und im frühen Kindesalter sollte bei Reye-Syndrom-artiger Konstellation, u. a. mit Erbrechen und Somnolenz, oder bei diagnostisch unklarer Kardiomyopathie die Untersuchung des Serumkarnitins veranlasst werden und ggf. ohne Kenntnis des Ergebnisses therapiert werden.
Prognose Bei Ansprechen auf die Substitution mit Karnitin ist die Prognose z. T. gut. Es sind aber auch fatale Verläufe bekannt.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Da es sich um Fettspeichermyopathien handelt, sollten Fette in der Nahrung gering gehalten und Kohlenhydrate übergewichtet werden. Häufige, kleine Mahlzeiten sind zu bevorzugen.
Karotischirurgie
631
arterielle Hypertonie, Vorhandensein einer pAVK sowie zerebraler versus okulärer Symptome erstellte Rothwell [3] ein Risikomodell mit dem Ziel diejenigen Patienten mit symptomatischer 70%-iger Stenose zu identifizieren, die langfristig gesehen tatsächlich von einer operativen Therapie profitieren. Die Wertigkeit dieser Studie bleibt abzuwarten. 3. Asymptomatische Karotisstenosen werden nur im Ausnahmefall operativ saniert: * Größer 70%-ige Stenose und geplanter größerer operativer Eingriff in anderen Körperregionen. * Stenosen mit hoher Wahrscheinlichkeit symptomatisch zu werden: – Durch Embolisationsneigung, z.B. frei flottierender Thrombus. – Bei rascher Progredienz. Operationszeitpunkt: 1. Nach TIA bzw. Amaurosis fugax sofortige operative Sanierung. 2. Nach kompletter zerebraler Ischämie: Operation nach 5–14 Tagen (abhängig vom operierenden Zentrum und der Größe des Infarkts). 3. Einzelfallentscheidung: bei instabilen neurologischen Ausfallserscheinungen und höchstgradiger Stenose, ggf. sofortige Intervention.
Synonyme
Präoperative Diagnostik:
Gefäßchirurgie im Bereich der Karotiden (A. carotis communis, A. carotis interna und A. carotis externa)
1. Konventionelle Angiographie (Aortenbogenangiographie) als Goldstandard. * Vorteile: – Sensitivität und Genauigkeit am höchsten. – Kompletter Gefäßstatus mit Risikoevaluation erfassbar. – Unterscheidung filiforme Stenose versus Verschluss möglich. * Nachteile: – Hoher Aufwand. – Risiko durch Untersuchung selbst (Vasospasmus, Gefäßverletzungen, Thrombenablösung). 2. Doppler/Duplexsonographie: * Vorteile: – Noninvasiv. – Bei erfahrenem Untersucher hohe Genauigkeit bei der Stenosegraduierung möglich.
Definition Unter dem Begriff „Karotischirurgie“ werden verschiedene operative Verfahren zusammengefasst, die zur Beseitigung von Engstellen im Karotis-Stromgebiet angewandt werden.
Grundlagen Operationsindikation: 1. In den beiden großen Studien zur NutzenRisiko-Abwägung der operativen Therapie einer symptomatischen Karotisstenose ECST und NASCET 1991 zeigte sich, dass Patienten mit Stenosen größer 70% von einer operativen Sanierung profitieren [1, 2]. 2. Unter Berücksichtigung der Faktoren Geschlecht, Plaqueoberfläche, unkontrollierte
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632
Karotischirurgie
– Beurteilung der Morphologie der Stenose (Plaquecharakterisierung, Sensitivität allerdings gering). * Nachteile: – Bei schlechten Schallbedingungen (Schallschatten, schlechtes Schallfenster/-winkel) Beurteilung und Graduierung oft nicht ausreichend möglich. – Siphonbereich und Durchtritt des Gefäßes durch die Schädelbasis häufig schlecht beurteilbar. – Keine Unterscheidung zwischen filiformer Stenose und Verschluss möglich. 3. MR-Angiographie: * Vorteile: – Noninvasiv. – Spezifität und Sensitivität: 80–90%. – Darstellung des extra- und intrakraniellen Gefäßstatus ohne Überlagerungen/ Schallschatten möglich. * Nachteile: – Unterscheidung zwischen filiformer Stenose und Verschluss nicht möglich. 4. CT-Angiographie und Darstellung der KMmarkierten Gefäße: Sensitivität und Spezifität vergleichbar der Doppler/Duplexsonographie. * Vorteil: – Abbildung der Gefäßveränderung selbst möglich. * Nachteil: – Nur räumlich begrenzter Gefäßabschnitt darstellbar (extra- oder intrakraniell). Operationsverfahren: 1. Invasiv operative Therapie der Karotisstenose. * Thrombendarteriektomie (TEA): – Entfernung der pathologisch veränderten Intima. – Offene TEA (momentan am häufigsten angewandtes Verfahren) oder – Eversionsthrombendarteriektomie. * Extrathorakaler Bypass: – Bei Stenosen im Bereich der A. carotis communis. – A. carotis communis – A. carotis communis; A. subclavia – A. carotis communis. – Heute nur noch selten durchgeführt (bei multilokulärer Stenosierung der supraaortalen Gefäße).
*
Autologes Veneninterponat: – In Deutschland selten angewandt. 2. Endoluminale Therapie der Karotisstenose: Perkutane transluminale Angioplastie (PTA), ggf. in Kombination mit Stentangioplastie. * Vorteil: – Auch distal gelegene Stenosen können saniert werden (vom Abgang bis zum Siphon). – Geringeres Narkoserisiko. – Kombination mit invasiv operativer Methode möglich und häufig sinnvoll. * Kontraindikationen: – Frischere größere thrombotische Auflagerungen. – Mehr als semizirkuläre Kalzifikationen. – Dilatation und Elongation bzw. Kinking der ACI. Bewertungen/Perspektiven: * Bei entsprechender Indikation wird in Deutschland meistens die Thrombendarteriektomie mittels offenem Verfahren oder mittels Eversionstechnik durchgeführt. * Wichtig für die Indikationsstellung ist die Berücksichtigung der Stenosemorphologie, - lokalisation und –ausprägung. * Zunehmende Bedeutung der angioplastischen und/oder Stenting-Verfahren, die auch simultan während der operativen Sanierung durchgeführt werden können, z.B. bei Tandemstenosen, jedoch bisher ohne Ergebnisse aus größeren randomisierten Studien. * Vorteil der Operation nur gesichert bei perioperativen Komplikationsraten (Schlaganfall und Tod innerhalb eines Monats): – kleiner 6% bei symptomatischen Stenosen. – kleiner 3% bei asymptomatischen Stenosen.
Literatur 1. European Carotid Surgery Trialists' Collaborative Group (1991). ECST: MRC European Carotid Surgery Trial: interim results for symptomatic patients with severe (70–99%) or with mild (0– 29%) carotid stenosis. Lancet; 337 (8752):1235– 43. 2. North American Symptomatic Carotid Endarterectomy Trial Collaborators (1991). NASCET: Beneficial effect of carotid endarterectomy in
Karotissiphon symptomatic patients with high-grade carotid stenosis. N Engl J Med 325 (7):445–53. 3. Rothwell PM, Warlow CP (1999). Prediction of benefit from carotid endarterectomy in individual patients: a risk-modelling study. European Carotid Surgery Trialists' Collaborative Group. Lancet 353 (9170):2105–10.
633
Eine chirurgische Denervierung des Karotissinus wurde als wirksam sowohl bei der kardioinhibitorischen als auch der vasodepressorischen Form beschrieben (allerdings Risiko der hypertensiven Blutdruckentgleisung), größere Studien fehlen. Medikamentös wurde u. a. die Wirksamkeit von selektiven Serotonin-WiederaufnahmeHemmern ( SSRI) beschrieben. 3
Karotissinussyndrom Synonyme Syndrom des hypersensitiven Karotissinus
Definition
Prognose Eine Schrittmachertherapie bei Patienten mit strenger Indikationsstellung kann in über 80% der Patienten zu einem Sistieren der Synkopen führen.
Rezidivierende Synkopen infolge einer Überempfindlichkeit des Karotissinusreflexes. 3
Karotissiphon
Einleitung Es werden ein kardioinhibitorischer (Herzfrequenzabfälle bis zur Asystolie, 70–80%), ein vasodepressorischer (Blutdruckabfall ohne wesentliche Frequenzverlangsamung, 5–10%) und ein gemischter Typ (10–25%) unterschieden. Ein hypersensitiver Karotissinus ist bei älteren Menschen häufig (bis zu 25%), nur bei etwa 10% dieser Patienten kommt es jedoch zu klinischen Symptomen. Die Bedeutung eines hypersensitiven Karotissinus bei Patienten mit Synkopen ohne typische Anamnese (Kopfdrehung etc.) ist bei der Indikationsstellung zur Schrittmacheranlage umstritten.
Diagnostik Karotisdruckversuch: Bei Kompression der A. carotis im Glomusbereich unter EKG-Kontrolle Nachweis einer Asystolie von ≥3 s Dauer und/ oder Blutdruckabfall von ≥50 mmHg (ausgeprägte arteriosklerotische Veränderungen stellen wahrscheinlich eine Kontraindikation dar). Eine primär kardiale Ursache muss ausgeschlossen werden.
Therapie gesichert Kontrollierte Studien fehlen. empirisch Bei rezidivierenden oder mit Verletzungen einhergehenden Synkopen, typischer Anamnese und Nachweis eines (überwiegend) kardioinhibitorischen Typs ist eine Schrittmachertherapie indiziert (vorzugsweise 2-Kammer-Systeme).
Definition S-förmiger, nach vorne konvexbogiger Abschnitt der A. carotis interna nach dem Eintritt in die Schädelbasis (Verlauf im Canalis caroticus des Felsenbeins).
Grundlagen *
*
*
Am Knie des Siphons erster größerer intrakranieller Gefäßast ist der Abgang der A. ophtalmica, die die Augenhöhle sowie Anteile der Keilbeinhöhle und der Siebbahnzellen mit Blut versorgt. Über die A. ophthalmica (Endast A.supratrochlearis) anastomosiert die A. carotis interna über Äste der A. facialis und A. maxillaris mit der A. carotis externa. Nach dem Karotissiphon teilt sich die intrakranielle A. carotis interna am „Karotis-T“ in die A. cerebri media und A. cerebri anterior auf.
Klinische Bedeutung: * Bei Verschlussprozessen im Bereich des Karotissiphons können im Einzelfall proximal der A. ophtalmica aus dem Gefäß abgehende Äste bedeutsam werden, die den intrakraniellen Anfangsabschnitt der A. carotis interna perfundieren. Darstellung: * Dopplersonographisch: durch transorbitale Beschallung kann in einer Tiefe etwa zwischen 60–70 mm das Flusssignal der A. ca-
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634
Karpaltunnelsyndrom (CTS)
rotis interna im Karotissiphon abgeleitet werden. MR-Angiographie. Konventionelle Angiographie. CT-Angiographie: Aufgrund der umgebenden knöchernen Strukturen ist die Darstellung nur unzureichend möglich.
* * *
Karpaltunnelsyndrom (CTS) Synonyme Brachialgia paraesthetica nocturna, CTS
3
Definition Unter dem Karpaltunnelsyndrom versteht man eine Kompression des Nervus medianus unter dem Retinaculum flexorum (Karpaltunnel) an der Beugeseite des Handgelenkes. Durch den Karpaltunnel verlaufen der N. medianus und die Beugesehnen. Es ist das häufigste Engpasssyndrom. Die Inzidenz nimmt mit zunehmendem Alter zu. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Risikofaktoren können lokale Veränderungen beinhalten (anlagebe-
dingte Enge des Karpalkanals, Hämatome, Synovitis, Traumata wie Frakturen, entzündliche Schwellungen, Ödeme, Raumforderungen wie Neurome, Lipome, Ganglien) oder systemischer Natur sein (Diabetes mellitus, hormonelle Veränderungen wie Schwangerschaft oder Klimakterium, Hypothyreose, Akromegalie, Gichttophi, Amyloidose, rheumatoide Arthritis, Mukopolysaccharidose, Myelom, Nephropathie). Häufig ist auch eine Schädigung infolge ungewöhnlich starker monotoner Beanspruchung des Handgelenkes (z. B. bei Fließbandarbeitern oder Gebrauch bestimmter Maschinen). Besonders bei starker Volarflexion oder Dorsalextension des Handgelenkes kommt es nämlich zu erheblichen Druckanstiegen im Karpaltunnel.
Einleitung Leitsymptom eines CTS ist die Brachialgia paraesthetica nocturna mit besonders nächtlichen Kribbelmissempfindungen, „eingeschlafenen“ Händen und bis in den Oberarm ausstrahlenden Schmerzen. Typischerweise lässt sich die Symptomatik durch Schütteln der Hände lindern. Im Verlauf kommt es dann auch zu Sensibilitätsstörungen an den Fingern I–III volar und IV halb, später auch zur Daumenballenatrophie. Die Parese der Daumenballenmuskulatur bleibt meist unbemerkt. Die Feinmotorik ist aufgrund der sensiblen Defizite insbesondere im Langzeitverlauf oft hochgradig gestört. Der Phalen-Test (Schmerzen und Paraesthesien bei 30–60 Sekunden dauernder Dorsalextension des Handgelenkes) und das HoffmannTinel-Zeichen bei Beklopfen des Karpaltunnels sind häufig positiv.
3
3
Diagnostik
Karpaltunnelsyndrom (CTS). Abb. 1: Anatomie des Karpaltunnels und der distalen Äste des N. medianus
Die Diagnosesicherung eines CTS erfolgt elektrophysiologisch über den Nachweis einer verzögerten distal-motorischen Latenz zur medianusinnervierten Daumenballenmuskulatur und einer verlangsamten sensiblen Medianus-NLG über dem Handgelenk. Amplituden besonders des sensiblen aber auch des motorischen Potentials sind ebenfalls oft erniedrigt. Die NLGMessungen sollten im Seitenvergleich erfolgen, außerdem sollte der benachbarte N. ulnaris zur Kontrolle mitgemessen werden. Eine zugrunde liegende Polyneuropathie muss elektrophysiologisch ausgeschlossen werden. Das EMG ist zur Diagnosesicherung nicht zwingend erfor-
Karzinomatose, leptomeningeale
Therapie Bei beginnendem CTS ist die nächtliche Ruhigstellung des Handgelenkes in Mittelstellung mittels volarer Lagerungsschiene, unterstützt durch die Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika (z. B. Diclofenac), die Therapie der 1. Wahl. Dieses gilt insbesondere für symptomatisch ausgelöste Formen, deren Ursache reversibel ist (Schwangerschaft !). Die Angaben über die Effektivität dieser Therapie differieren in der Literatur zwischen 10 und 90%, je nach Patientenkollektiv [2]. Negative Vorhersagekriterien einer konservativen Therapie sind wohl Alter über 50 Jahre, Beschwerden seit mehr als 10 Monaten, anhaltende Parästhesien oder eine stenosierende Tendovaginitis [2]. Bei Beschwerdepersistenz trotz konsequenter, über 6 Wochen durchgeführter Therapie, bei rasch progredienter Symptomatik oder bei manifesten Paresen ist die operative Spaltung des Retinaculum flexorum indiziert. Hierbei kommt die klassische offene Durchtrennung oder die endoskopische Spaltung in Betracht. Dabei soll die funktionelle Erholung bei endoskopischer OP besser, die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit schneller sein [1]. Ausreichende Ergebnisse zu Langzeiterfolgen im Vergleich fehlen. In seltenen Fällen ist bei ausgeprägtem CTS die zusätzliche Neurolyse indiziert. Auslösende Erkrankungen (Diabetes, Hypothyreose, etc.) sollten zusätzlich suffizient behandelt werden. unwirksam/obsolet Die Injektion von Kortikosteroiden in den Karpaltunnel (z. B. 25 mg Prednisolon) kann zur lokalen Abschwellung und Schmerzlinderung führen. Insgesamt ist aber das Risiko einer Sehnenschädigung insbesondere bei wiederholten Injektionen zu groß, sodass die Methode sehr umstritten ist und nur in Ausnahmefällen zur
Anwendung kommt. Immerhin werden bei einmaliger Injektion noch bessere Erfolge erreicht als bei oraler Kortikoidgabe [3].
Prognose Die Prognose ist bei raschem Therapiebeginn gut. Meist kommt es unter suffizienter Therapie schnell zur Schmerzfreiheit und oft auch zur Rückbildung der Ausfälle.
Literatur 1. Feuerstein M, Burrell LM, Miller VI, Lincoln A, Huang GD, Berger R (1999) Clinical management of carpal tunnel syndrome: a 12-year review of outcomes. Am J Ind Med 35: 232–245. 2. Neundörfer B, Jaspert A, Grehl H (1993) Nerve Entrapment Syndromes: Non-Surgical Treatment and Postoperative Care. PMR 3: 60 – 68 3. Wong SM, Hui AC, Tang A, Ho PC, Hung LK, Wong KS, Kay R, Li E (2001) Local vs systemic corticosteroids in the treatment of carpal tunnel syndrome. Neurology 56: 1565 – 1567
K Karpopedalspasmus 3
derlich, zeigt aber bei schwereren Verläufen Denervierungen in der Daumenballenmuskulatur. Das CTS muss von weiter proximal gelegenen Medianusläsionen abgegrenzt werden. Differenzialdiagnostisch müssen besonders häufige oder gut behandelbare Ursachen (Diabetes mellitus, Hypothyreose, rheumatoide Arthritis) möglichst laborchemisch ausgeschlossen werden. Die erweiterte Diagnostik richtet sich nach begründeten Verdachtsdiagnosen.
635
Muskelkrampf (Tetanie)
Karzinomatose, leptomeningeale Synonyme Meningeosis carcinomatosa, Meningeosis neoplastica, karzinomatöse Meningitis
Definition Der Begriff meningeale Karzinomatose bezeichnet die leptomeningeale Tumorabsiedelung echter Karzinome oder Sarkome. Synonym werden die Begriffe Meningeosis neoplastica oder karzinomatöse bzw. neoplastische Meningitis benutzt, was der Tatsache Rechnung trägt, dass eine Tumoraussaat in das Liquorkompartiment häufig eine echte Entzündungsreaktion der Meningen auslöst.
Einleitung Die Häufigkeit einer leptomeningealen Tumoraussaat wird mit 3,5–8% [1, 2, 3] angegeben. Die zugrunde liegenden Primärtumoren bei meningealer Karzinomatose sind Mammakarzinome mit 20–50%, Bronchialkarzinome mit 5–
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Karzinomatose, leptomeningeale
25%, maligne Melanome mit ca. 5–10%, Karzinome des Gastrointestinal- und Urogenitaltraktes in etwa 5% und sehr viel seltener andere Primärtumoren [4].
Diagnostik Vor einer Liquoruntersuchung mittels Lumbalpunktion muss bildgebend ein erhöhter Hirndruck ausgeschlossen werden. Der wichtigste diagnostische Nachweis einer meningealen Karzinomatose ist der Nachweis von neoplastischen Zellen im Liquor cerebrospinalis. In der ersten Lumbalpunktion gelingt der zytologische Tumorzellnachweis nur bei etwa 50–70% der betroffenen Patienten. Es wird empfohlen, bei negativem Tumorzellnachweis die Lumbalpunktion insgesamt noch bis zu zweimal zu wiederholen, da hierdurch die diagnostische Ausbeute auf 80–90% erhöht wird [4]. Ein Liquorzellfang muss beim klinischen Verdacht auf eine meningeale Karzinomatose in jedem Falle durchgeführt werden, da ein Drittel der Patienten mit positivem Tumorzellnachweis in der Zytologie eine normale Zellzahl aufweisen. Nur bei 3% der betroffenen Patienten sind alle Liquorparameter bei Erstpunktion im Normbereich [5]. Erbringen dreimal durchgeführte lumbale Liquorpunktionen und das Kernspintomogramm mit Gadolinium keine diagnostische Klärung, darf der Verlauf auch über wenige Wochen beobachtet werden. Bei Progredienz der klinischen Symptomatik sichert in der Regel eine Wiederholung der technischen Zusatzdiagnostik dann die Diagnose [6]. Kontrastmittelanreichernde Tumorabsiedelungen können kernspintomographisch im Bereich der basalen Zisternen, der Cauda equina oder im Bereich des Ependyms gesehen werden [7]. Das Kernspintomogramm in Verbindung mit einer typischen klinischen Befundkonstellation und bei einem unspezifisch pathologischen Liquorbefund wird von einigen Autoren als ausreichend für die Diagnosesicherung und Einleitung der Therapie gesehen [8].
Therapie Der Stellenwert einer konventionellen externen Strahlentherapie, z. B. der einer Ganzhirnbestrahlung ist bei der meningealen Karzinomatose von soliden Primärtumoren ungewiss. Die Tumorzellen sind zwar ebenso strahlensensibel wie solide zerebrale Metastasen der gleichen Primärtumorhistologie, bei der meningealen
Tumoraussaat bestehen jedoch Limitationen, weil sie fakultativ eine Erkrankung der gesamten Neuroachse ist. Eine wirksame Strahlentherapie der gesamten Neuroachse würde den Patienten einer Strahlendosis aussetzen, die seine Knochenmarksreserve erschöpft oder überfordert. Bei ca. 50% der Patienten mit einer meningealen Karzinomatose kann durch eine intraventrikuläre Chemotherapie zwar ein vorübergehender palliativer Therapieerfolg erzielt werden [5, 9]; die Kombination einer intraventrikulären Chemotherapie mit einer Ganzhirnbestrahlung ist jedoch potentiell hoch neurotoxisch. Die Substanzen, für welche die umfangreichsten Erfahrungen mit einer Administration in das Liquorkompartiment vorliegen, sind Methotrexat (MTX), Cytosin-Arabinosid (Ara-C) und Thiotepa, welche in Deutschland zur intraventrikulären Chemotherapie zugelassen sind [8]. Das Einbringen des Zytostatikums in einen der beiden Seitenventrikel ist der Instillation über eine Lumbalpunktion vorzuziehen, weil durch die intraventrikuläre Instillation eine zuverlässigere Verteilung im gesamten Liquorkompartiment zu erreichen ist [4]. Man wird bestrebt sein, die Patienten sobald wie möglich auf einer ambulanten Basis weiter zu behandeln [10]. empirisch Aus den o. g. Gründen wird pragmatisch empfohlen, nur fokale raumfordernde Läsionen mit einer Dosis zwischen 20–30 Gy zu bestrahlen, auf eine Ganzhirnbestrahlung, wenn möglich zu verzichten und bei einer basalen meningealen Tumoraussaat mit Hirnnervenausfällen eine Zielbestrahlung der Schädelbasis durchzuführen [5, 6, 10]. Nach dieser Bestrahlung (oder primär, wenn eine Radiatio nicht erforderlich ist) wird eine MTX-Therapie intraventrikulär über ein subgaleales Reservoir durchgeführt mit Einzelgaben von 12 mg, zunächst für 4–6 Wochen zweimal pro Woche, dann einmal pro Woche, und schließlich einmal alle zwei Wochen bis zu einmal alle vier Wochen. Dabei wird man sich vom klinischen Verlauf und vom Ergebnis der Liquorzytologie leiten lassen, bei der unter der Therapie keine Tumorzellen mehr nachweisbar sein sollten [6, 10]. Bei dieser ambulant durchführbaren Therapie sollte einen Tag lang nach der MTX-Gabe eine orale Medikation mit Folinsäure in einer Dosis von z. B. 3×15 mg oder 4×10 mg pro
Kataplexie
die durchgeführt werden. Bei ca. 10% der Patienten tritt eine aseptische Meningitis mit Kopfschmerzen, Fieber und Nackensteifigkeit auf, welche keiner spezifischen Behandlung bedarf [5]. Eine Infektion muss in dieser Situation liquordiagnostisch ausgeschlossen werden. Weitere Komplikationen sind Zephalgien, in weniger als 5% der Fälle zerebrale Krampfanfälle und bei einer sehr kleinen Minderheit der Patienten eine akut oder subakut auftretende Leukenzephalopathie oder Myelopathie [6, 10]. Auf die gleichzeitige Hirnbestrahlung und intraventrikuläre Chemotherapie muss verzichtet werden; die Strahlentherapie nach Chemotherapie ist wahrscheinlich mit einem kleineren Leukenzephalopathierisiko behaftet als die umgekehrte Reihenfolge [8].
Nachsorge Die Behandlung über ein intraventrikuläres Reservoir wird in der Regel bei Erfolg alle 4 Wochen ambulant kontinuierlich fortgeführt.
Prognose Unbehandelt führt die meningeale Karzinomatose bei soliden Primärtumoren innerhalb von 6 bis 7 Wochen zum Tode [4]. Durch den Einsatz einer multimodalen Therapie kann die Prognose verbessert werden, wobei lediglich palliative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Literatur 1. Takakura K, Sano K, Hojo S et al. (1982). Metastatic tumors of the central nervous system. Igaku-Shoin Ltd., Tokyo. 2. Posner JB, Chernik NL (1978). Intracranial metastases from systemic cancer. Adv Neurol 19:575–587. 3. Chamberlain MC, Friedman HS (1996). Leptomeningeal metastases. In: Levin VA (Hrsg.) Cancer in the nervous system. Churchill Livingstone, New York 281–290. 4. Schlegel U, Westphal M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 5. Wasserstrom WR, Glass JP, Posner JB (1982). Diagnosis and treatment of leptomeningeal metastases from solid tumors: Experience with 90 patients. Cancer 49:759–772. 6. Posner JB (1995). Leptomeningeal metastases. In: Posner JB. Neurologic complications of cancer. FA Davis, Philadelphia PA 143–171. 7. Sze G, Soletsky S, Bronen R, Krol G (1989). MR imaging of the cranial meninges with emphasis on contrast enhancement and meningeal carcinomatosis. AJNR 10:965–975.
637
8. Weller M, Thömke F (2001). Meningeosis neoplastica. Akt Neurol 28:265–272. 9. Siegal T, Lossus A, Pfeffer MR (1994). Leptomeningeal metastases: Analysis of 31 patients with sustained off-therapy response following combined-modality therapy. Neurology 44:1462– 1468. 10. Schabet M, Bamberg M, Dichgans J (1992). Diagnose und Therapie der Meningeosis neoplastica. Nervenarzt 63:317–327.
Katalepsie Synonyme Starrsucht
Definition Anhaltendes Verharren in bestimmten, evtl. sogar unbequemen Körperhaltungen unter Erhöhung des Muskeltonus. Passiven Bewegungsversuchen wird ein „wächserner“ Widerstand (Flexibilitas cerea) entgegengesetzt, eine Ermüdung tritt nicht ein.
Differenzialdiagnose Kataleptische Zustände kommen vor bei (katatoner) Schizophrenie, bestimmten hirnorganischen Erkrankungen (z. B. Enzephalitiden), bei Neurolpetikaüberdosierung, seltener auch bei konversionsneurotischen Störungen. Eine Sonderform ist die durch Hypnose hervorgerufenene kataleptische Starre.
Therapie Wesentlich ist die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung.
Kataplexie Synonyme Tonusverlustsyndrom
Definition Anfallsartiger kurzer Tonusverlust eines Teils oder der gesamten Körpermuskulatur. Phänomenologisches Spektrum reicht von kaum bemerkbarem Erschlaffen der mimischen Muskulatur bis zu Stürzen mit Sprech- und Bewegungsunfähigkeit. Keine Bewusstseinsstörung, aber hypnagoge Halluzinationen
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Katarakt
( Narkolepsie) während der Attacke möglich. Dauer von Sekunden bis zu wenigen Minuten. Auslösung durch verschiedene, individuell aber konstante Affekt- oder Schreckerlebnisse („Lachschlag“, „Schrecklähmung“). 3
Einleitung 3
Teilsymptom der
Narkolepsie.
Differenzialdiagnose Anfall, atonischer; Anfall, myoklonisch-astatischer; Anfall, tonischer; Anfall, Sturzanfall, Synkopen, „drop attacks“ 3
3
3
3
3
3
Therapie Narkolepsie
3
Prognose Narkolepsie
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Narkolepsie
nierte Ursachen finden sich in 10% der kongenitalen Katarakte. Die anderen Fälle bleiben ungeklärt. Unter anderem wird oxidativer Stress als pathogenetischer Faktor angesehen. Daher wird spekuliert, ob Radikalfänger wie Vitamin C oder E eine protektive Wirkung entfalten. Dafür gibt es aber keinen sicheren Beleg. Die wichtigste Maßnahme ist das Vermeiden potenzieller Noxen. Bei kongenitaler Katarakt ist ggf. eine frühzeitige Kataraktoperation anzustreben, damit sich die Sehfunktion entwickeln kann. Die Kataraktchirurgie mit Linsenersatz durch eine künstliche Linse ist ein Routineeingriff, der gut etabliert ist.
Differenzialdiagnose Klinische ophthalmologische und eventuell neurologische Untersuchung. Ggf. metabolische und rheumatologische Diagnostik. Bei konnataler Katarakt auch Untersuchung auf konnatale Infektionen.
3
Therapie
Katarakt Definition Linsentrübung jedweder Ursache.
Einleitung Katarakt ist ein Symptom, dem vielfältige physikalische, toxische, metabolische, infektiöse, inflammatorische (rheumatologische) und hereditäre Ursachen zugrunde liegen können. Katarakt ist eine häufige Alterserscheinung. Begünstigende Faktoren sind u. a. Diabetes mellitus, Hochdosis-Alkoholkonsum, Nikotinabusus, systolische Hypertonie. Katarakt kann Folge physikalischer Einwirkungen sein: Röntgenstrahlen, Ultraschall, Wärme, Blitzschlag und mechanisches Trauma. Eine häufige iatrogene Ursache ist z. B. die Steroidkatarakt. Der kongenitalen Katarakt (ca 2/10000 Geburten) können intrauterine Infektionen (etwa 30%, z. B. Rubella) oder genetische Ursachen (ca. 25%) zugrunde liegen. Letztere sind vielfältig und betreffen die Linse isoliert (z. B. Mutation im Gen für β-Crystallin) oder in Kombination mit anderen Missbildungen. Katarakt wird u. a. beobachtet bei mitochondrialen Krankheiten, myotoner Dystrophie und zerebrotendinöser Xanthomatose. Metabolische und andere defi-
Symptomatische Therapie. Ggf. Kataraktoperation.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Präventiv Vermeidung potenzieller physikalischer sowie nutritiver Noxen. Normotone Blutdruckwerte sind anzustreben.
Katatonie/katatone Störung Einleitung Psychisches Krankheitsbild mit ausgeprägter Störung der Willkürmotorik; entweder im Sinne einer Bewegungsstarre als katatoner Stupor mit Unterbrechung der Beziehung des Kranken zur Umwelt. Daneben gib es ebenso einen katatonen Erregungszustand („Raptus“), in den die Bewegungsstarre schlagartig übergehen kann. Vorkommen: v. a. bei katatoner Schizophrenie, seltener bei hirnorganischen Psychosyndromen im Rahmen von Infektionskrankheiten, bei Hirntumoren. Die perniziöse Katatonie stellt einen lebensbedrohlichen Notfall mit extremer psychomotorischer Unruhe dar, der sich bis zur Selbstvernichtung steigern kann. Dabei besteht hohes Fieber, später kommt es oft zur Bewegungsstar-
Kawasaki-Syndrom
re mit dem Ausdruck innerer Gespanntheit. Sie stellt eine der wenigen verbliebenen Indikationen für die Elektro-Krampfbehandlung dar.
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vorkommen. Selten ist eine familiäre Häufung mit autosomal-dominanter Vererbung nachweisbar.
Diagnostik
Kaudasyndrom Definition Querschnittlähmung ( Querschnittsyndrome) mit Läsion der Cauda equina unterhalb von LWK2 und Ausfall kaudaler Wurzeln (unterhalb von L4). 3
Einleitung Klinisch finden sich schlaffe Paresen unterhalb von L4 (oder tiefer) und eine Sensibilitätsstörung unterhalb von L4 (oder tiefer) einschließlich des Reithosengebietes. Analreflex und Bulbokavernosusreflex sind nicht auslösbar, der Analsphinktertonus ist schlaff, es besteht eine Überlaufblase. Häufigste Ursachen sind Tumoren (insbesondere Ependymome, Lipome), seltener Bandscheibenvorfälle und Traumen.
Diagnostik Bildgebung (CT, MRT, Myelographie und Myelo-CT).
1. Zerebrale Bildgebung: Im Nativ-CCT kann ein umschriebenes hyperdenses Areal, aber auch grobschollige Verkalkungen nachweisbar sein. Im kranialen MRT inhomogene Signalintensität (entspricht Methämoglobinansammlung), signalarmer Saum (entspricht Hämosiderin, Ferritin), fehlendes Ödem und fehlende Raumforderung, fehlende zuführende und drainierende Gefäße. 2. Angiographie: Meist nicht darstellbar, selten in der späten venösen Phase flaue Kontrastierung.
Therapie Mikrochirurgische Exstirpation bei solitären, der Größe und Lokalisation nach gut zugänglichen Kavernomen. Bei multiplen Kavernomen ist die Operationsindikation von etwaig stattgehabten Blutungen zu stellen. Stereotaktische Bestrahlungen sind kein geeignetes Behandlungsverfahren.
Prognose Das jährliche Blutungsrisiko pro Kavernom wird auf 0,25–0,5% geschätzt.
Kavernom Definition Umschriebene, gegenüber dem Hirngewebe scharf abgegrenzte, erweiterte sinusoidale Räume mit Ansammlungen pathologischer Gefäßlumina ohne arteriovenöse Shuntverbindungen.
Einleitung Die Prävalenz von Kavernomen wird auf 0,5– 0,7% geschätzt, die klinische Manifestation (in 50–70% symptomatisch durch zerebrale Anfälle, in 10 % durch intrazerebrale Blutungen, seltener rezidivierende Kopfschmerzen, fokal-neurologische Ausfälle, Hirnnervenstörungen, Hydrozephalus, hypothalamische Störungen) erfolgt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Durch den breiten Einsatz von CCT und kranialem MRT sind Kavernome häufig ein Zufallsbefund. Bei etwa 30% sollen Kavernome multipel (auch außerhalb des ZNS)
Kawasaki-Syndrom Definition Das Kawasaki-Syndrom ist eine direkt antikörpervermittelte Vaskulitis des Kindesalters.
Einleitung Histologisch liegt eine Panvaskulitis mit Endothelnekrosen, Infiltration von mononukleären Zellen in kleinen und mittelgroßen Gefäßen sowie Immunglobulinablagerungen vor. Im Serum lassen sich IgM- und IgG-Antikörper nachweisen, die zytotoxisch auf aktivierte Endothelzellen in Kultur wirken. Hierbei spielen Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor-α eine wichtige Rolle.
K
3
3
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Kayser-Fleischer-Ring
Kayser-Fleischer-Ring
Kearns-Sayre-Syndrom 3
Definition der
Descemet`schen
Grundlagen Als Screening-Untersuchungen für den Morbus Wilson ( Wilson-Erkrankung) gelten die Spaltlampen-Untersuchung mit der Frage nach dem Kayser-Fleischer`schen Kornealring (KFR) und die Coeruloplasminbestimmung. Als pathognomonisch für den Morbus Wilson gilt der Kayser-Fleischer`sche Kornealring (KFR), der sich bei mehr als 90% der Patientien mit neurologischen Symptomen manifestiert. Es handelt sich dabei um eine manchmal nur schwach erkennbare, ringförmige grün-gelbbräunliche Verfärbung an der Grenze von Sklera zu Hornhaut als Ausdruck einer Kupferablagerung in der Descemet`schen Membran der Kornea. Deswegen sollte die Spaltlampen-Untersuchung zum Nachweis des KFR, von einem erfahrenen Ophtalmologen durchgeführt werden. Obwohl nicht absolut spezifisch ist der KFR bei Erkrankten mit neurologisch-psychiatrischen Symptomen in aller Regel diagnosebeweisend. Der KFR ist in der präsymptomatischen Phase der Erkrankung mehrheitlich, ebenso bei 15% der Kinder mit manifester Erkrankung, aber rein hepatischen Symptomen nicht nachweisbar [1]. Der KFR sollte nicht mit der grauen Verfärbung des Hornhautrandes, dem sog. Gerontotoxon verwechselt werden, das durch Lipoidablagerungen zustande kommt und auch bei Patienten unter 45 Jahren beobachtet wird. Der KFR ist letztlich nicht absolut spezifisch für die Wilson`scher Krankheit, sondern wurde auch bei anderen hepatischen Störungen wie der biliären Zirrhose, chronischer aktiver Hepatitis u. a. beschrieben und war in äußerst seltenen Fällen bei anderweitig gesicherter Wilsonkrankheit fehlend. 3
Literatur 1. Scott J, Gollan JL, Samourian S, Sherlock S (1988). Wilson`s disease presenting as chronic active hepatitis. Gastroenterology 74:645–651.
Keimzelltumoren Definition Keimzelltumoren sind seltene Tumoren des ZNS, die überwiegend in den ersten beiden Lebensdekaden auftreten und histologisch den Keimzelltumoren der Gonaden oder denen extragonadaler Lokalisation entsprechen.
Einleitung Keimzelltumoren werden in Germinome und in nicht germinomatöse Keimzelltumoren getrennt. Zur zweiten Gruppe gehören reifes Teratom, embryonales Karzinom, Dottersacktumor (synonym: endodermaler Sinustumor), Chorionkarzinom, malignes Teratom, embryonales Karzinom und gemischter Keimzelltumor [1]. Keimzelltumoren des ZNS sind in über 50% in der Pinealisloge lokalisiert, eine häufige Lokalisation ist außerdem die supraselläre Zisterne [2]. Die Tumoren machen 0,3–0,5% aller primären intrakraniellen Tumoren aus, bei Kindern 3% [1]; in Asien sind sie wesentlich häufiger [3]. 3
Kupferablagerung in Membran der Kornea.
CPEO (chronisch progressive externe Ophthalmoplegie)
3
640
Diagnostik Abhängig von der Histologie ist die Präsentation der Tumoren im Kernspintomogramm vielgestaltig. Homogenes Kontrastmittelenhancement findet sich z. B. bei Germinomen, zystische Läsionen bei Teratomen. Wenn ohne Gefahr der Einklemmung eine Liquordiagnostik durchgeführt werden kann, ist die Bestimmung von Tumormarkern im Liquor diagnostisch hilfreich: * α-Fetoprotein (AFP) positiv bei Dottersacktumor, embryonalem Karzinom und fakultativ beim malignen Teratom. * β-Human-Chorionic-Gonadotropine (βHCG) positiv bei Chorionkarzinom, embryonalem Karzinom und fakultativ beim Germinom und malignen Teratom. * Plazentale alkalische Phosphatase (PLAP) positiv beim Germinom, fakultativ positiv bei allen anderen Keimzelltumoren.
Kennedy-Syndrom
Damit differenzieren diese Marker gegen andere Tumorentitäten in der Pinealisloge, z. B. gegen Pineozytome [2].
Therapie gesichert Germinome. Zu den anderen Keimzelltumoren gibt es umfassende Erfahrungen vor allem in Japan. Die Therapieentwicklungen sind im Fluss [3]. 3
empirisch Bei Lokalisation in der Pinealisloge wird der Aquädukt frühzeitig komprimiert und es tritt in 90% ein Verschlusshydrozephalus auf. Die Therapie besteht dann in der Behandlung des Hydrozephalus mittels Ventrikulostomie oder durch externe Liquorabflussdrainage in der Notfallsituation sowie in der anschließenden chirurgischen Tumortherapie. In jedem Fall ist eine histologische Diagnose erforderlich, wobei wegen der bekannten Heterogenität von den Autoren die offene mikrochirurgische Biopsie wegen der Möglichkeit größerer Gewebeproben und des besseren Samplings bevorzugt wird. In Abhängigkeit von der Invasivität des Tumors und seinen Bezug zu umliegenden tiefen Strukturen ist in vielen Fällen auch eine mikrochirurgische Resektion möglich. Alterantiv ist eine sterotaktische Biopsie möglich. Die Notwendigkeit zur anschließenden Strahlentherapie, Chemotherapie oder kombinierten Therapie richtet sich nach der Histologie. Bei den Keimzelltumoren ist eine Unterteilung in drei prognostisch unterschiedlich zu bewertende Gruppen sinnvoll [3]: * Tumoren mit günstiger Prognose (unifokale Germinome und reife Teratome). * Tumoren mit intermediärer Prognose (multifokale oder disseminierte z. B. in den Spinalkanal metastasierende Germinome, βHCG-produzierende Germinome und unreife Teratome) und * Tumoren mit schlechter Prognose (embryonale Karzinome, Dottersacktumoren, Chorionkarzinome, Teratome mit maligner Transformation und andere hoch maligne Tumoren). Bei den gutartigen Teratomen ist die chirurgische Resektion allein mit einer guten Prognose und 5-Jahres-Überlebenszeiten nahe an 100% behaftet. Bei den anderen nicht germinomatösen Keimzelltumoren besteht die Therapie in
641
sofortiger Bestrahlung und in Chemotherapie. Maligne Keimzelltumoren wie das Chorionkarzinom und Embryonalzellkarzinom haben trotz Strahlentherapie und zusätzlicher Chemotherapie eine schlechte Prognose, wobei ein in einer kleinen Serie angewandtes Protokoll mit initialer Verkleinerung des Tumors durch Chemotherapie mit Bleomycin, Etoposid und Cisplatin (BEP), anschließende Tumoroperation, konsekutive Chemotherapie mit Vincristin, Ifosfamid und Cisplatin (VIP) und Radiatio (Gesamthirn 30 Gy, Tumor 20 Gy, spinale Neuroachse 30 Gy) zu hervorragenden Ergebnissen führte [5]. Die Therapieentwicklung mit Deeskalation der Strahlendosis und adjuvanten Chemotherapieprotokollen ist v. a. in Japan in vollem Fluss [3].
Nachsorge Regelmäßige kernspintomographische und klinische Kontrollen sind erforderlich, ggf. mit Bestimmung der o. g. Tumormarker in Serum und Liquor.
Prognose Die Prognose quod vitam ist bei den malignen, nicht germinomatösen Keimzelltumoren trotz Strahlentherapie und Chemotherapie ungünstig.
Literatur 1. Rosenblum MK, Matsutani M, Van Meir EG (2000). Germ cell tumours. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 207–214. 2. Winkler D (1998). Tumoren der Pinealis. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 239–249. 3. Sawamura Y, Shirato H, de Tribolet (1998). Intracranial Germ Cell tumors. Springer-Verlag, Heidelberg New York. 4. Herrmann HD, Westphal M, Winkler K et al. (1994) Treatment of nongerminomatous germ-cell tumors of the pineal region. Neurosurgery 34:524–9.
Kennedy-Syndrom Definition X-chromosomal-rezessiv vererbte spinobulbäre Form der spinalen Muskelatrophie.
K
642
Keratokonjunktivitis sicca
Einleitung Krankheitsbeginn meist um das 20.–40. Lebensjahr mit belastungsabhängigen Muskelkrämpfen und Faszikulationen, ein bis zwei Dekaden später Auftreten von Paresen (proximale Extremitäten, bulbäre Muskeln). Häufig sind Diabetes mellitus, Gynäkomastie und eine Hodenatrophie assoziiert. Ursache ist ein verlängertes Trinukleotidrepeat im Androgenrezeptorgen.
Diagnostik EMG: Nachweis neurogener oder myogener Veränderungen. NLG: Verlust sensibler Aktionspotentiale. Molekulargenetische Diagnostik.
Therapie Eine kausale Therapie ist nicht bekannt.
„Kindling“ Definition Kindling (engl.=anzündeln) stellt ein Modell zum Verständnis der Epileptogenese von neuronalen Netzwerken dar. Induktion von epileptogenem Verhalten ursprünglich gesunder Nervenzellen durch wiederholte, unterschwellige („subkonvulsive“), in der Regel elektrische Reizung von Hirnstrukturen. Durch die repetitive Stimulation wird die Nachentladungsschwelle immer weiter erniedrigt, bis vormals unterschwellige Einzelreize eine Nachentladung bzw. Anfälle bewirken. Als zugrunde liegend werden komplexe Veränderungen auf biochemischer (z. B. Zu- und Abnahme bestimmter Transmitter), molekulargenetischer (z. B. Expression sog. „früher“ Gene) und struktureller (z. B. synaptische Reorganisation) Ebene diskutiert.
Prognose Die Lebenserwartung ist in der Regel nicht herabgesetzt.
„Kinking“ Definition
Die Keratokonjunktivitis sicca ist zusammen mit der symptomatischen Xerostomie (zusammen auch Sicca-Syndrom) charakteristisches Merkmal des Sjörgen-Syndroms.
Knickbildung im Gefäßverlauf: * Man spricht von einem Kinking, wenn der Winkel zwischen den beiden Gefäßschenkeln kleiner 90° ist (spitzer Winkel). * Ist der Winkel größer als 90° (stumpfer Winkel) so spricht man von einer Elongation des Gefäßes. * Coiling: Schlingenbildung.
Einleitung
Einleitung
Klinisch findet man einen pathologischen Schirmer-Test (<9 mm/5 min) und fokale Läsionen in der Spaltlampenuntersuchung nach Anfärbung mit Fluoreszin.
Prädilektionsstellen: * Gefäßbereiche, die eine besondere Flexibilität erfordern um Drehbewegungen des Kopfes zuzulassen. * Extrakranieller Bereich der A. carotis interna unterhalb der Schädelbasis. * Atlasschlinge der A. vertebralis. * Sehr selten: Intrakranielle Knickbildungen.
Keratokonjunktivitis sicca Definition
3
Therapie Die isolierte Sicca-Symptomatik wird mit künstlichen Tränen und/oder Speichel behandelt.
Nachsorge Wichtig sind regelmäßige ophthalmologische und zahnärztliche Kontrollen, letztere v. a. wegen des erhöhten Kariesrisiko bei Xerostomie.
Vorkommen: * Wahrscheinlichkeit für Kinking und Elongation steigt mit zunehmendem Alter durch – Abnahme der Körpergröße. – Erschlaffung des Bindegewebes. * Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer (Ursache unbekannt).
Kjer-Syndrom
Einleitung Beschreibung der als Begleitsymptomatik einer Zerebellitis auftretenden klinischen Syndrome eines Opsoklonus (rasche konjugierte, vorwiegend horizontale Sakkaden unterschiedlicher Amplitude ohne intersakkadiertes Intervall) und Extremitätenmyoklonien, die beide durch psychosensorische Reize provoziert werden können. Differenzialdiagnostisch muss ein paraneoplastisches Auftreten, im Kindesalter ein thorakales Neuroblastom, im Erwachsenenalter Bronchial-, Mamma- und Ovarialkarzinome, ausgeschlossen werden. 3
Klinische Bedeutung: * Umstrittene Bedeutung bei der Genese zerebraler Ischämien: * Gehäuftes Auftreten von Dissektionen im Bereich von Kinkings beschrieben. * Man vermutet, dass nach Läsion der Intima im Bereich des Kinkings die Entstehung wandadhärenter Thromben begünstigt wird, die dann zerebral embolisieren können. * Eine hämodynamische Genese zerebraler Ischämien druch Abknickung des Gefäßes werden eher als unwahrscheinlich eingestuft.
643
Diagnostik
* *
Duplexsonographie: Mittel der Wahl zur Darstellung der Gefäßveränderung und Beurteilung der Gefäßinnenwand (Intima) sowie Messung der maximalen Flussgeschwindigkeiten. MR-Angiographie. Konventionelle Angiographie.
Therapie Kürzungsoperation: * Bei symptomatischem Kinking (Knickstenose, Embolisation) u.U. zu diskutieren, größere Studien fehlen,
Nachsorge
Kipptischtest Grundlagen Kardiovaskulärer Funktionstest (passiver Orthostasetest), bei dem der Patient auf einer Liege von der Horizontalen in die Vertikale gekippt wird, wobei kontinuierlich Blutdruck, Puls (und evtl. der zerebrale Blutfluss) erfasst werden. Die Methode wird insbesondere eingesetzt in der Diagnostik fraglicher neurokardiogener Synkopen sowie des posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms ( POTS). 3
*
3
Duplexsonographische Verlaufskontrollen.
Bewertung
Kjer-Syndrom
Klinische Bedeutung umstritten.
Prognose
Synonyme
Eher günstig. Insbesondere Elongationen und Schleifenbildungen (Coiling) werden als ungefährlich eingestuft.
Dominante Optikusatrophie
Kinsbourne-Enzephalitis
Definition Autosomal-dominante Optikusatrophie, überwiegend durch Mutation des Gens der GTPase (3q28), z. T. auch Mutationen im Bereich 18q12.2-12.3.
Einleitung Synonyme Akute zerebellare Enzephalitis, Opsoklonus, Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom 3
Definition Auftreten von Opsoklonus und Extremitätenmyoklonien als Begleitsymptom einer Zerebellitis.
Das Kjer-Syndrom ist die häufigste Form einer erblichen Optikusatrophie. Das häufiger betroffene GTPase-Gen kodiert eine mitochondriale GTPase. Gegenwärtig sind 62 Mutationen dieses Gens bei über 200 Patienten identifiziert worden. Die pathologischen Veränderungen ähneln denen der Leber´schen Optikusatrophie. Es
K
3
Kleine-Levin-Syndrom
Klinische Untersuchung einschließlich Untersuchung des Augenhintergrunds, genetische Untersuchung.
Therapie Keine Therapie bekannt.
Kleine-Levin-Syndrom Synonyme Kleine-Levin-Critchley-Syndrom, Hypersomnia periodica, periodische Schlafsucht
Definition Vornehmlich Männer im 2. Lebensjahrzehnt betreffende, autosomal-dominant vererbte oder z. B. nach dienzephaler Enzephalitis auftretende Erkrankung mit periodischen Schlaf- und Heißhungerzuständen. Während Perioden von 8–14 Tagen kommt es zu tagelangem Schlaf, erhöhten oder stark schwankenden Blutzuckerwerten mit Polyphagie, vegetativen Störungen (z. B. Bradykardie) sowie psychischen Anomalien wie Verstimmung, Störungen des Sexualtriebs oder Erregungszuständen. Dazwischen jeweils mehrmonatige Intervalle, in denen die Patienten unauffällig sind. Als pathophysiologische Ursache werden dienzephale Störungen angenommen.
Diagnostik Der neurologische Befund und das kranielle MRT sind normal, im EEG kann während der Krankheitsphasen eine Grundrhythmusverlangsamung auftreten.
Prognose In den meisten Fällen kommt es zu einer Remission nach einigen Jahren, aber auch längere Verläufe von über 20 Jahren kommen vor.
Kleinhirn, Entzündung (Zerebellitis) Definition Enzephalitis, die betont das Kleinhirn betrifft.
Einleitung Eine Zerebellitis ist eine seltene Erkrankung, die vorwiegend bei Kindern auftritt. Die Neurologie ist initial durch zerebelläre Symptome gekennzeichnet. Dabei kann es sehr rasch zu einer kritischen raumfordernden Wirkung aufgrund des begleitenden Ödems und zu einem akuten Hydrozephalus kommen. Epstein-Barr, Coxiella, Mumps, infektiöse Mononukleose sind unter anderem als Erreger mit einer Zerebellitis in Verbindung gebracht worden. Subakute Zerebellitiden sind als Rarität bei Neuroborreliose beschrieben worden. Begleitzerebellitiden im Rahmen von Infektionen des ZNS treten vor allem bei Mykoplasmen und Legionella auf.
Diagnostik MRT bzw. CCT. Liquor nach MRT bzw. CCT, sofern keine akute Raumforderung vorliegt. Serologische Diagnostik. Herdsuche (HNO-Konsil u. a.).
Therapie Meningitis, Enzephalitis. Naturgemäß liegen bei dem seltenen Krankheitsbild keine Studien zum Einsatz von Steroiden vor. Allerdings wird man bei einer kritischen raumfordernden Wirkung in der hinteren Schädelgrube hochdosiert Steroide einsetzen. 3
Diagnostik
Lithium oder Carbamazepin kann erfolgreich sein. Amphetamine zur Linderung der Hypersomnie.
3
handelt sich um eine primäre Degeneration der Ganglienzellschicht der Retina mit aszendierender Optikusatrophie. Die Erkrankung betrifft beide Geschlechter, beginnt in der Kindheit und verläuft sehr schleichend progredient. In der Regel tritt Blindheit nicht ein. Bei 25 Patienten zwischen 5 und 40 Jahren betrug der Visus initial 33% und nach einer Beobachtungszeit von durchschnittlich 16 Jahren 25%. Eine berufliche Beeinträchtigung ist nicht die Regel.
3
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Kleinhirn, Fehlbildung Therapie empirisch Eine phasenprophylaktische Behandlung mit
Einleitung Zu den zerebellaren Fehlbildungen werden in
Kleinhirnbrückenwinkel, Tumoren
Therapie Arnold-Chiari-Typ I: Bei Auftreten von zerebellarer oder mesenzephalen Kompressionszeichen ist eine operative subokzipitale Dekompression angezeigt. Bei Arnold-Chiari-Typ II–III muss zusätzlich die Meningo- bzw. Enzephalozele sowie der Hydrozephalus behandelt werden. Bei Dandy-Walker-Malformation sind spezielle Shunt-Verfahren angezeigt.
Kleinhirnbrückenwinkel, Tumoren Definition Kleinhirnbrückenwinkeltumoren werden durch ihre anatomische Lage definiert. Sie entsprechen unterschiedlichen Histologien.
Einleitung Ca. 80% der Kleinhirnbrückenwinkeltumoren sind Akustikusneurinome. Differenzialdiagnostisch sind bei dieser Tumorlokalisation Epidermoide, Meningeome und Neurinome des N. trigeminus oder (selten) des N. facialis sowie Riesenaneurysmata des A. basilaris zu bedenken. 3
3
Diagnostik Epidermoide unterscheiden sich von Akustikusneurinomen kernspintomographisch durch ihre Hypointensität ohne Kontrastmittelaufnahme im T1-gewichteten Bild. Bei Neurinomen fehlt im Gegensatz zu den Meningeomen das „meningeal sign“ mit Kontrastmittelaufnahme und Verdickung der anhaftenden Dura. Neurinome sind in ihrer Beziehung zum Nerven kernspintomographisch oft darstellbar. Meningeom. 3
Therapie 3
Akustikusneurinom, ningeom, Neurinom
Epidermoid,
3
3
3
3
a) Typ I: Uni- oder bilaterale Herniation der Kleinhirntonsillen durch das Foramen magnum mit oder ohne Kaudalverlagerung der Medulla oblongata. Ein Hydrozephalus, eine Syringobulbie und andere Malformationen der Schädelbasis sind häufig vergesellschaftet. Symptomatisch wird diese Missbildung meist erst im mittleren Erwachsenenalter zunächst mit okzipital betonten Kopfschmerzen, dann mit Ausfällen der kaudalen Hirnnerven, sensomotorische Störungen und einem horizontalen Blickrichtungsnystagmus. Ein Down-beat-Nystagmus wird als charakteristisch erachtet. Der Verlauf kann durch ein sekundäres Schlaf-Apnoe-Syndrom kompliziert werden. b) Typ II: Kaudale Dislokation der Medulla, des IV. Ventrikels und Teilen des Zerebellums durch das Foramen magnum mit Verschmächtigung von Medulla und der unteren Anteile der Pons. Meist besteht zusätzlich eine Myelomeningozele und ein Hydrozephalus. Die klinische Symptomatik äußert sich mit Zeichen der Hirnstammdysfunktion in der Regel schon bei der Geburt. c) Typ III: Kombination eines Typ I plus einer okzipital oder hoch zervikal gelegenen Enzephalozele, die meist Teile des Kleinhirns und des Okzipitallappens enthält. d) Typ IV: Zerebelläre Hypoplasie. Gehört eigentlich nicht zu den unter Typ I–III beschriebenen Fehlbildungen. 2. Die Dandy-Walker-Malformation ist gekennzeichnet durch eine Hypo- bzw. Aplasie des Kleinhirnwurms, eine Dilatation des IV. Ventrikels, eine erweiterte hintere Schädelgrube mit Tentoriumhochstand. Daneben besteht in der Regel ein Hydrozephalus. Ferner liegen häufig multiple andere Missbildungen vor. Die Prognose ist ungünstig. Die überlebenden Kinder sind meist behindert.
MRT.
3
1. Die Arnold-Chiari-Malformation wird folgendermaßen unterteilt:
Diagnostik
3
erster Linie die Arnold-Chiari- und die DandyWalker-Malformation gerechnet.
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Me-
K
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Kleinhirninfarkte
Kleinhirninfarkte Hirninfarkt, Kleinhirninfarkt
graphisch und computertomographisch ist die periselläre Raumforderung mit Arrosion der angrenzenden knöchernen Strukturen nachweisbar.
3
Therapie
Klippel-Feil-Syndrom Definition Familiär gehäuftes Dysrhaphiesyndrom mit Bildung von Blockwirbeln im HWS-Bereich, häufig mit zervikaler Spina bifida.
Einleitung Bei den Patienten fallen u. a. ein kurzer Hals, Schulterhochstand, Schiefhals und eine Bewegungseinschränkung der HWS auf. Häufig bestehen Schmerzen und Parästhesien der oberen Extremität sowie eine Spastik bei Myelonkompression. Oft Minderbegabung. Assoziiert können eine Syringomyelie, Spina bifida und andere Fehlbildungen auftreten. 3
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Diagnostik Nachweis der Blockwirbel im Nativröntgen der HWS. Bei Symptomen der Myelonkompression MRT.
Therapie empirisch Krankengymnastische Behandlung, physikalische Therapie. Bei Myelonkompression ggf. operative Dekompression.
Klivus-Chordom Definition Chordome sind Tumoren, die sich von Resten der Chorda dorsalis (dem Notochord) herleiten. Sie werden zwar dem WHO-Grad I zugeordnet, wachsen jedoch lokal infiltrativ und destruieren den Knochen.
empirisch Eine operative Resektion gelingt praktisch nie vollständig. Deshalb werden diese Tumoren grundsätzlich postoperativ nachbestrahlt. Dabei ist möglicherweise die Protonenbestrahlung mit einer Dosis von 66–72 CGE (cobalt gray equivalent) effektiver als die konventionelle fraktionierte Strahlentherapie mit Photonen. Nach Protonenbestrahlung lag die lokale Kontrollrate in einer Serie mit 322 Patienten nach 3 Jahren bei 80% [1], in einer anderen Serie nach Photonenbestrahlung bei 55% [2].
Nachsorge Die Tumoren haben eine notorische Rezidivneigung. Rezidivoperationen sind unter Umständen möglich. Deshalb sind regelmäßige kernspintomographische und klinische Kontrollen erforderlich.
Prognose Ob die Protonenbestrahlung bei einem Teil der Patienten Rezidive verhütet und ob die gewählten Dosen geeignet sind, ist offen.
Literatur 1. Munzenrieder JE, Crowell C (1994). Charged particles. In: Mauch PM, Loeffler JS (Hrsg.) Radiation Oncology Technology and Biology. WB Saunders, Philadelphia 34–55. 2. Catton C, O’Sullivan B, Bell R et al. (1996) Chrordoma: Long-term follow-up after radical photon irradiation. Radiother Oncol 41:67–70.
Klonus
Einleitung
Definition
Chordome sitzen vorzugsweise im Bereich des Sacrums oder perisellär im Bereich des Klivus.
Repetitive Muskelkontraktionen bei passiver Dehnung (Patellarklonus, Fußklonus, Fingerklonus). Unerschöpfliche Kloni sind ein Hinweis auf eine Pyramidenbahnläsion, erschöpfliche häufig physiologisch bei lebhaftem Reflexniveau.
Diagnostik Klinisch imponieren Klivus-Chordome durch Störungen der Okulomotorik. Kernspintomo-
Klüver-Bucy-Syndrom
Klumpke-Lähmung Synonyme Déjerine-Klumpke-Lähmung
Definition Läsion des unteren Armplexus (C8–Th1), die häufig von einem Horner-Syndrom als Folge einer Schädigung des unteren Halsgrenzstranges begleitet ist. Als Klumpke-Lähmung werden aber auch die geburtstraumatischen Plexusläsionen bezeichnet.
Einleitung Klinisch besteht bei einer unteren Plexusläsion eine Parese der kleinen Handmuskeln, der langen Fingerbeuger (die aber zum Teil erhalten bleiben können) und seltener auch der Handbeuger. Der M. triceps brachii und die Handund Fingerstrecker sind meist ausgespart, was zu einer charakteristischen Krallenstellung der Finger mit Hyperextension im Grundgelenk und Flexion in den Interphalangealgelenken führt. Sensibilitätsstörungen bestehen praktisch immer im ulnaren Handabschnitt und an der ulnaren Unterarmkante, oft auch am Mittelfinger und an der Handfläche.
Diagnostik Durch Traumata werden nur selten isolierte untere Armplexusparesen ausgelöst (in ca. 1,5% der Fälle). Geburtstraumatische Plexusparesen betreffen ebenfalls vorwiegend obere Armplexusanteile (Erb-Duchenne-Lähmungen) und nur in etwa 10% den unteren Armplexus. Selten finden sich atypische Läsionen verschiedener Plexusanteile oder des gesamten Plexus. Kombinierte Wurzelausrisse kommen ebenfalls vor. Sie treten besonders bei komplizierten Entbindungen (Steißlage, Zangengeburt) auf, können aber auch bei einer normalen Geburt entstehen.
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tisch günstige Fälle meist eine erste spontane Erholung zeigen und außerdem bei Neugeborenen die Operation besonders kompliziert ist. Insgesamt führt aber auch der mikronervenchirurgische Eingriff nicht zu einer vollständigen funktionellen Erholung. Komplizierend werden intraoperativ häufig ausgeprägte Vernarbungen vorgefunden. Bei ausbleibendem Therapieerfolg werden in der Regel orthopädische Ersatzoperationen erforderlich. Bis dahin sollte die Extremität sowohl physiotherapeutisch als auch mittels Hilfsmitteln gut versorgt sein, um Kontrakturen zu vermeiden und einen möglichst guten funktionellen Zustand zu erhalten.
Prognose Komplizierend können bei monatelang bestehenden Paresen Wachstumsstörungen von Knochen und Weichteilen der betroffenen Seite hinzukommen. Sensibilitätsstörungen können monate-, häufig aber auch lebenslang bestehen bleiben. Die schwere Schädigung zu einem so frühen Zeitpunkt mit noch nicht fertiger Hirnreifung kann auf Dauer zu einer schwer geschädigten Extremität führen. Ca. 80% der Kinder erholen sich aber unter konservativer Therapie sehr gut oder zufriedenstellend. Eine gute Besserung innerhalb der ersten 3 Monate lässt praktisch immer auf eine vollständige Restitution schließen.
Klüver-Bucy-Syndrom Definition Nach Klüver und Bucy bezeichneter Symptomkomplex bei bilateraler Schädigung der Temporallappen.
Einleitung Therapie Zur Therapie der unteren Armplexusläsionen Armplexusläsion, Plexus brachialis. Die geburtstraumatische Plexusläsion wird zunächst konservativ mit Anlage einer gut gepolsterten Schiene, erst nach Wochen durch einen Gips in Abduktions- und Außenrotationsstellung behandelt. Die Schiene muss langfristig (bis zu 1 Jahr) getragen werden. Von einem operativen Vorgehen innerhalb der ersten 3 Monate wird abgeraten, da in dieser Zeit prognos-
Das führende Symptom ist die exzessive orale Tendenz, die sich darin äußert, dass die Patienten wahllos und wiederholt alle beweglichen Objekte oral explorieren. Neben diesen reflektorischen Essbewegungen besteht eine affektive Indifferenz und Antriebsminderung. Manche Patienten sind in ihrem sexuellen Verhalten stark enthemmt. Zudem besteht die Unfähigkeit, neue Gedächnisinhalte in das Arbeitsund Langzeitgedächnis zu überführen. Ursächlich ist eine Schädigung beider Temporallappen
K
3
3
Knalltrauma
infolge SHT, Enzephalitis, zerebraler Ischämie oder Atrophie.
Diagnostik 1. Typische Klinik. 2. Kraniale Bildgebung (CT, MRT). 3. Ursachenabklärung.
Therapie Wenn noch möglich, kausale Therapie.
Prognose Schlecht, da meist irreversible Schädigung.
Einleitung Einteilung der Koagulopathien in * Störungen der Thrombozytenfunktion. * Störungen der plasmatischen Gerinnung. * Störungen der physiologischen Gerinnungsinhibition. * Störungen der Fibrinolyse. 3
648
Ursachen einer vermehrte Blutungsneigung: 1. Vasopathien * M. Osler (hämorrhagische Teleangiektasien). * Purpura simplex. * Kortikoidangiopathie (Störung der kleinen Gefäße). * Bindegewebserkrankungen ( EhlersDanlos-Syndrom, Marfan-Syndrom). 2. Thrombozytopenie durch * Immunprozesse. – M. Werlhof. – Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (Moschkowitz-Syndrom). – Posttransfusionsthrombozytopenie. – Heparininduziert ( HIT II). * Verbrauchskoagulopathie. * Urämie. * Infektionen. – Sepsis. – Malaria. – Toxoplamose. – Tuberkulose. – Brucellose. – HIV. – Hepatitis. – Herpes simplex. – Mononukleose. – Zytomegalie. * Störungen der Thrombozytopoese: – Radiogen. – Zytostatika. – Folsäure- und Vitamin B12-Mangel. – Leukämien, Lymphome und andere knochenmarksinfiltrierende Tumoren. – Medikamenteninduziert (z.B. Barbiturate, NSAR, Antibiotika, Tuberkulostatika, Sulfonamide). 3. Störung der Thrombozytenfunktion: * Medikamentös. – ASS. – Clopidogrel. – Ticlopidin. – Dipyridamol. – Piracetam. – GPIIbIIIa-Rezeptorantagonisten. 3
3
Knalltrauma Synonyme Akutes Lärmtrauma
3
Definition Ein Knalltrauma wird durch eine 1–2 msec andauernde Schalldruckwelle erzeugt und führt zu akuten Ohrenschmerzen, Tinnitus oder dem Gefühl verstopfter Ohren. Nach einigen Tagen erfährt der Patient eine deutliche Besserung. Im Gegensatz zum Explosionstrauma (Dauer der Lärmexposition über 2 msec, häufig mit Trommelfellzerreißung) oder chronischer Lärmexposition ist keine Progredienz oder Persistenz der Hörstörung anzunehmen. Eine bleibende Innenohrschwerhörigkeit hängt vermutlich von der individuellen Veranlagung oder zusätzlichen toxischen Einflüssen (z. B. Einnahme von Salizylaten) ab.
Koagulopathien Synonyme Gerinnungsstörungen
Definition
3 3
Erkrankungen des Gerinnungssystems, d. h. der physiologischen Blutgerinnung, die entweder zu vermehrten Thrombosen und Embolien oder zu vermehrten bzw. verlängerten Blutungen führen. 3
3
Koagulopathien
– Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom. Defekte der Fibrinolyse (selten).
Diagnostik 1. Blutbild mit Thrombozytenzählung. 2. Thrombozytenfunktionstests: * Blutungszeit (nach ca. 3 mm tiefem Einstich ins Ohrläppchen). * Rumpel-Leede-Test. 3. Diagnostik der plasmatischen Gerinnung: * Thromboplastinzeit (Prothrombinzeit, Quick, INR). Pathologisch bei – Cumarintherapie, – Leberfunktionsstörung, – Vitamin K-Mangel, – Verbrauchskoagulopathie. – Faktorenmangel des exogenen Systems, z.B. Faktor-X-Mangel (wie bei Amyloidose). * Partielle Thromboplastinzeit (PTT). Pathologisch bei – Heparintherapie, – v. Willebrand-Syndrom, – stark erhöhtem Hämatokritwert, – Fibrinogenmangel, – Lupusantikoagulans, – Faktorenmangel des endogen Systems ( Hämophilien A und B). * Reptilasezeit. Da keine Beeinflussung durch Heparin auch Gerinnungsdiagnostik unter Heparin, z.B. bei Verbrauchskoagulopathie möglich. * Thrombinzeit. Pathologisch bei – Heparintherapie, – Dysfibrinogenämie, – Penicillintherapie (Störung der Fibrinpolymerisation), – Fibrinolyse. * Bestimmung von speziellen Gerinnungsfaktoren ( Protein C/S, Antithrombin III etc.). * Lupusantikoagulans-Bestimmung (erworbene Inhibitoren der Gerinnung). * Kollertest (Zur Differenzierung einer Vitamin K-Resorptions- oder Verwertungsstörung). 3
3
3
3
3
3 3 3
3
Ursachen einer erhöhten Thromboseneigung ( Hyperkoagulabilität): * Verlangsamung des Blutflusses bei Immobilisation und venösen Abflusshindernissen. * Gefäßverletzungen, einschließlich der Atherothrombose und Dissektionen. * Hyperviskosität, z.B. bei Polycythaemia vera, Polyglobulie oder Exsikkose. * Aktivierung des Gerinnungssystem: – Hormonell (Schwangerschaft, Ovulationshemmer). – Nikotin. – Unspezifische Entzündungsprozesse. * Thrombozytose: – Nach Milzextirpation. – Myeloproliferative Erkrankungen, z.B. Polycythaemia vera. – Reaktiv nach Entzündungen. – Paraneoplastisch. * Hyperaggregabilität (erhöhte Verklumpungsneigung der Thrombozyten): – Paraneoplastisch. – Parainfektiös. * Störung der plasmatischen Gerinnung: – AT III-Mangel. – Protein-C-Mangel ( Protein C/S, Mangel). – Protein-S-Mangel ( Protein C/S, Mangel). – Prothrombin-Mutation (Faktor II). – Resistenz gegen aktiviertes Protein-C (APC-Resistenz, Faktor-V-Leiden).
*
3
Ristocetinfaktor-Mangel (v. WillebrandSyndrom). * Immunprozesse. – Paraneoplastisch. – Parainfektiös. 4. Störungen der plasmatischen Gerinnung: * Vitamin K-Mangel (Malabsorption durch Störung der Darmflora, Pankreatitis, Cholestase, Z.n. Dünndarmresektion etc.). – Cumarine. – Heparine, Heparinoide. – Hirudin. – Thrombolyse. * Medikamentös: * Genetischer Mangel an Gerinnungsfaktoren: – Hämophilie A. – Hämophilie B. * Lebererkankungen. * Verbrauchskoagulopathie.
3
*
649
Therapie Bei Hyperkoagulabilität neben der Behandlung einer Grunderkrankung (soweit möglich) und Vermeidung von gerinnungsfördernden Fakto-
K
3
3
3
3
3
Kocher-Delbré-Semelaigne-Syndrom
ren (Immobilisation, Exsikkose etc.) Hemmung der Blutgerinnung durch * Thrombozytenaggregationshemmer, * Antikoagulantien. * Bei vermehrter Blutungsneigung: * Bei Mangel an Gerinnungsfaktoren Substitution von Gerinnungsfaktoren. * Behandlung einer zugrundeliegenden Erkrankung, z.B. Lebererkankung. * Bei Thrombozytopenien neben der Behandlung der Grunderkrankung ggf. Thrombozytensubstitution. Arteriosklerose,
3
3
( Emboliequellen, infarkt).
Hirn-
3
Bewertung Eine erhöhte Gerinnungsneigung führt aufgrund des langsameren Blutstroms meist eher im venösen System zu Thrombosen, unter anderem Sinus- und Hirnvenenthrombosen. Als seltene Ursache sind Koagulopathien auch für arterielle Verschlussprozesse und Embolien relevant und sollten daher bei jüngeren Patienten mit Schlaganfall und bei Schlaganfallspatienten ohne die bekannten Gefäßrisikofaktoren erwogen werden (v.a. APC-Resistenz, Phospholipidantikörper). Bei paradoxen Embolien (PFO) sind Koagulopathien auszuschließen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Eine unzureichende Vitamin K-Zufuhr durch die Nahrung ist in Europa sehr selten.
Kocher-Delbré-SemelaigneSyndrom Hoffmann-Syndrom
Kohlenmonoxid Synonyme Kohlenoxid, CO
Definition Geruchloses, farbloses Gas aus einem Kohlenstoff- und einem Sauerstoff-Atom.
Grundlagen In reinem Zustand ist Kohlenmonoxid ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, das brennbar und eventuell explosiv ist. Kohlenstoff kommt u. a. in Erd- und Grubengasen, industriell als Generatorgas, Stadt- bzw. Kokergas (Leuchtgas), in Auspuffgasen von Ottomotoren und bei unvollkommener Verbrennug von Kohle, Holz usw. vor. Nach Inhalation von CO kommt es durch Bildung von Carboxy-Hb (CO-Hb) zur Sauerstoffverarmung im Körper, da CO das Hb 250×fester bindet als O2. Der Vergiftungsgrad ist abhängig von der CO-Konzentration und der Einwirkungszeit. Der Normalwert von CarboxyHb liegt bei 3%.
Kojewnikow-Status 3
650
Epilepsie, Epilepsia partialis continua
Kokain Synonyme
3
Cocainum
Koerber-Salus-Elschnig-Syndrom
Zubereitungen Cocainum hydrochloricum, salzsaures Kokain.
Definition Parinaud-Syndrom in Kombination mit Konvergenznystagmus und ggf. auch Nystagmus retractorius (rhythmische Retraktion des Augenbulbus). 3
Einleitung Parinaud-Syndrom
Wirkungen Stark sympathomimetischer Agonist durch Hemmung der Dopamin- und Noradrenalinwiederaufnahme in präsynaptische Nervenendigungen. Durch diesen Mechanismus kommt es zu einem psychomotorisch stimulierenden und euphorisierenden Effekt.
3
Kollateralwege
Anwendungsgebiete Oberflächenanästhesie der Schleimhaut im Auge.
Unerwünschte Wirkungen Starkes physisches und psychisches Abhängigkeitspotential.
Bewertung Kokain findet keine therapeutische Anwendung außer seiner oberflächenanästhetischen Eigenschaft am Auge.
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Kollateralwege Synonyme Umgehungskreisläufe, Kollateralen, Kollateralgefäße
Definition Blutgefäße, die neben dem Hauptgefäß das gleiche Versorgungsgebiet erreichen, sodass bei Unterbrechung des Hauptgefäßes die Blutversorgung ganz oder zumindest teilweise gewährleistet bleibt.
Grundlagen
3
3
Kollagenosen sind die häufigsten rheumatologischen Erkrankungen überhaupt. Man unterscheidet die rheumatoide Arthritis (Inzidenz: Sjögren-Syn15/100.000 Einwohner), das drom (10/100.000) und den systemischen Lupus erythematodes (SLE, 7/100.000). Weiterhin zählen die Sklerodermie und die Mischkollagenose (mixed connective tissue disease [MCTD], Sharp-Syndrom) zu den Kollagenkrankheiten. Serologisch sind fast immer Autoantikörper gegen Zellkernstrukturen nachweisbar. Manifestationsorte sind typischerweise Haut, Schleimhäute, Muskulatur und Gelenke, jedoch können auch Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems resultieren. Derartige neurologische Beteiligungen entstehen dabei weniger auf dem Boden einer immunkomplexvermittelten „small vessel“-Vaskulitis, sondern resultieren aus der Bildung von Autoantikörpern gegen Nervengewebe oder stellen neurologischen Symptome im Rahmen von Beteiligungen anderer Organe. Wie bei den Vaskulitiden stützt sich die Diagnose auf die Beurteilung von Organbeteiligungen, serologischen Befunden und die histologische Dokumentation der Autoimmunopathie.
3
Grundlagen
3
Kollagenosen sind Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und zeichnen sich durch autoantikörpervermittelte Schädigungen aus.
3
Definition
3
Kollagenkrankheiten
3
Synonyme
Für die Versorgung des Gehirns und des Rückemarkes haben Kollateralgefäße eine große Bedeutung. Im klinischen Alltag sind besonders relevant: * Intra-extrakranieller Blutstrom über die A. supratrochlearis (Strömungsumkehr bei Verschluss oder hochgradiger Stenose der A. carotis interna). * A. occipitalis (ACE-Abgang)–A. vertebralis auf Höhe der Atlasschlinge bei proximalen Strömungshindernissen der A. vertebralis oder der A. subclavia (von vorne nach hinten) oder bei Stömungshindernissen der ACC bzw. Truncus brachiocephalicus (von hinten nach vorne). * Kollateralen über den Circulus arteriosus Willisii: – Wichtigster Kollateralfluss über die A. communicans anterior (bei hochgradigem Strömungshindernis in der A. carotis interna). – Kollateralwege über die Aa. communicantes posteriores: z.B. häufig Versorgung der Aa. cerebri posteriores durch das vordere Strömungsgebiet bei beidseitiger Hypoplasie der Aa. vertebrales. * Leptomeningeale Anastomosen bei Verschlussprozessen der hirnversorgenden Arterien. * Umgehungskreislauf über die Aa. vertebrales bei proximalem A. subclavia-Verschluss bzw. - stenose („Subclavian steal“-Phänomen). * Anastomosen zwischen der A. choroidea anterior und der A. choroidea posterior. * Multiple Anastomosen im Bereich der intraspinalen rückenmarksversorgenden Arterien. 3
Kollagenosen
K
3
3 3
3
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Kolloidzyste
Bei chronischen Verschlussprozessen ist häufig eine Zunahme der Kollateralkreisläufe zu beobachten.
Koma Synonyme Bewusstlosigkeit
Definition
Kolloidzyste Definition Kolloidzysten sind nicht neoplastische kongenitale Zysten, die im vorderen Anteil des dritten Ventrikels in der Nachbarschaft des Foramen Monroi sitzen.
Einleitung Die Kolloidzysten werden wenige Zentimeter groß. Sie sind mit gelatinösem Material gefüllt und werden im (frühen) Erwachsenenalter symptomatisch durch intermittierende Verlegung des Foramen Monroi. Klinisch imponieren Hirndruckkrisen, die lageabhängig sein können. Auch Patienten mit vergleichsweise blander Symptomatik können während des Nachtschlafes an einer Einklemmung versterben.
Diagnostik Das Kernspintomogramm zeigt die Kolloidzyste in typischer Lokalisation. Prinzipiell sind differenzialdiagnostisch zystische intraventrikuläre Tumoren zu bedenken.
Therapie Es muss eine Therapie durchgeführt werden. Patienten mit Kolloidzysten müssen stationär aufgenommen und bis zur Operation überwacht werden. empirisch Therapeutisch kommen die offene transventrikuläre operative Resektion, die ventrikuloskopische Resektion oder die endoskopische Punktion und Entleerung des Zysteninhaltes in Frage. Da sich bei der letztgenannten Methode der Zysteninhalt wieder füllen kannn [1], wird diese Methode nicht empfohlen.
Literatur 1. Westphal M (1998). Ventrikeltumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 205–211.
Schwerster Grad der quantitativen Bewusstseinsstörungen, bei der der Patient durch äußere Reize nicht mehr erweckbar ist.
Grundlagen Es können drei Grade der quantitativen Bewusstseinsstörung unterschieden werden: * Somnolenz: Abnorme Schlafneigung, der Patient kann jedoch durch Ansprechen oder Beklopfen jederzeit erweckt und zu bestimmten Reaktionen veranlasst werden. * Sopor: Schlafähnlicher Zustand, nur durch starke Stimuli wie Schmerzreize erweckbar. * Koma: Unerweckbare Bewusstlosigkeit. Die Tiefe des Komas kann in 4 weitere Stufen unterteilt werden: 1. Leichtes Koma. a) Koma I: * Gezielte Abwehrbewegungen auf Schmerzreize in nicht paretischen Extremitäten. * Keine Pupillenstörungen. * Bulbi konjugiert. * Okulozephaler Reflex deutlich positiv. b) Koma II: * Auf Schmerzreize konstant ungezielte Abwehrbewegungen. * Anisokurie möglich, Lichtreaktion erhalten: 2. Tiefes Koma. c) Koma III: * Auf Schmerzreize inkonstante, ungezielte Bewegungen, evtl. Streck- ind Beugesynergismen. * Erhöhter Muskeltonus. * Zephale Reflexe ± erhalten. * Okulozephaler Reflex pathologisch. * Vestibulookulärer Reflex pathologisch. * Pupillen variabel, eher eng, Anisokurie möglich, Lichtreaktion teilweise noch erhalten. d) Koma IV: * Keine Schmerzreaktion, evtl.seltenes spontanes Strecken, Pupillen weit und reaktionslos.
Koma
653
K
Koma. Abb. 1: Schematische Darstellung der wichtigsten Parameter, die die mediale (zentrale) Verlaufsform des Mittelhirnsyndroms charakterisieren. Der okulozephale und der vestibulookuläre Reflex werden in der Akutphase nicht berücksichtigt, da ihre Auslösung den Ausschluss einer Halsmarkverletzung bzw. intakte Trommelfellstrukturen erfordert
654
Koma, α-Koma *
Zephale Reflexe fallen kraniokaudal aus.
Anhand des Untersuchungsbefundes kann man das Koma zumindest einer der 5 Kategorien zuordnen, sodass hierdurch ein Arbeitshypothese gebildet werden kann: 1. Einfaches Koma ohne fokale oder Lateralisationszeichen, z B. metabolische Ursachen wie Hypoxie, Intoxikation oder Elektrolytentgleisungen. 2. Koma mit das Gesicht einschließender Hemiparese, z B. ischämischer Insult, ICB, SAB, SHT, Enzephalitis. 3. Koma mit Hirnstammbeteiligung, z. B. Basilaristhrombose, SHT, Blutung. 4. Koma mit multiplen fokalen Zeichen, z. B. Endokarditis, multiple Insulte. 5. Koma mit meningealen Reizsyndromen, z B SAB, Meningitis.
Koma, α-Koma
" Koma, akutes, mit Lateralisationszeichen. Abb. 1: Algorithmus: Koma mit Lateralisationszeichen
Koma, akutes, mit Lateralisationszeichen Definition Akut aufgetretenes Koma mit fokalen oder halbseitigen neurologischen Symptomen.
Grundlagen Das akute Koma mit Lateralisationszeichen ist durch das rasche Auftreten von fokalen oder halbseitigen neurologischen Ausfällen/Symptomen charakterisiert, i.n der Regel liegen dieser Komaform supratentorielle Läsionen/Prozesse zugrunde. Die wesentlichen Differenzialdiagnosen sind: * Ischämischer Insult. * Intrazerebrale Blutung. * Traumatische Blutung (epi- bzw. subdurales Hämatom, Kontusionsblutung). * Enzephalitis. * Hirnvenensinusthrombose.
Definition Koma mit α-Rhythmus im EEG mit diffuser Ausbreitung oder frontalem Amplitudenmaximum ohne Desynchronisation oder Frequenzzunahme nach Stimulation.
Koma, hyperglykämisches Synonyme Coma diabeticum, diabetisches Koma
Definition Das sogenannte α-Koma bezeichnet einen Grundrhythmus ähnlich der normalen α-Aktivität. Es tritt nach globaler Hirnschädigung auf, z. B. hypoxische Enzephalopathie, Medikamenten-Intoxikation und deutet in der Regel auf eine schlechte Prognose hin. Beim αKoma besteht im Gegensatz zur physiologischen α-Aktivität eine fehlende Frequenzvariabilität im 8- bis 13-Hz-Band, eine Verteilung der α-Aktivität über die okzipitalen EEG-Ableitpunkte hinaus sowie ein progressiver Abfall der Amplitude über mehrere Tage. Bei Schmerzstimulation kommt es im α-Koma kaum zu Veränderungen des EEG.
Koma bei Hyperglykämie infolge Insulinmangel, Insulinresistenz, Hunger, Infektionen oder anderen Begleiterkrankungen.
Einleitung Man unterscheidet 2 Formen des hyperglykämischen Komas: Das ketoazidotische Koma, welches vorwiegend beim Typ-I Diabetes mellitus vorkommt und das hyperosmolare Koma, das v. a. bei Typ-II-Diabetikern in Erscheinung tritt ( Koma, hyperosmolares). Der diabetischen Ketoazidose bzw. dem ketoazidotischen Koma liegen vielfältige Mechanismen zugrunde, meist aber eine ausgeprägte Insulinsekretionsstörung bzw. Insulinmangel. Auslöser eines solchen Zustandes können Infektionen, Behandlungsfehler (z. B. nicht ausreichende Insulinsubstitutionstherapie unter 3
Grundlagen
Koma, hyperglykämisches
655
K
Koma, hyperkalzämisches
Diagnostik 1. Anamnese (bekannter Diabetes mellitus, Prodromi). 2. Klinik. 3. Labor: Blutglukose >250 mg/dl (meist höher), Plasmaketonkörper >300 mg/dl und Ketonurie, pH <7,35, erniedrigtes Bikarbonat, Serumkalium unterschiedlich (trotz Kaliumverlust können die Serumkalium-Werte infolge Azidose vor Insulintherapie normal bis erhöht sein).
Therapie
5 mmol/l und pH<7,2: Substitution von 20– 30 mmol Kalium/l). 4. Phosphatsubstitution: Ab Serumphosphatwerten <1.5 mg/dl ist die Phosphatgabe induziert, initial 5–10 mmol/l, bei Werten >3.5 mol/l muss Infusion gestoppt werden. 5. Supportive Therapie (kardiopulmonale Überwachung und Stabilisierung usw.). empirisch Die Bikarbonatgabe in der Therapie des ketoazidotischen Koma ist umstritten. Sie sollte möglichst erst ab pH-Werten <7,0 durchgeführt werden.
Nachsorge Diabetes mellitus
Prognose Es liegen nur wenige epidemiologische Daten vor. Die Gesamtletalität liegt bei adäquater Therape bei 5–8%. Wesentlich für die Prognose ist rechtzeitige Diagnosestellung und Therapiebeginn.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Stresssituationen wie Operationen oder unzureichende/nicht mehr sinnvolle Einnahme von oralen Antidiabetika), Medikamenteninteraktionen, Alkohol, Myokardinfarkt oder gastrointestinale Erkrankungen sein. Es handelt sich um die klassische Komaform des Typ-I-Diabetes. Per definitionem gehören folgende Kriterien zu dieser Erkrankung: Hyperglykämie von >250 mg/dl, eine metabolische Azidose, erniedrigtes Serumbikarbonat und vermehrte Bildung von Ketonkörpern. Zu den klinischen Symptomen gehören Prodromi wie Polyurie, Polydipsie, Erbrechen und Inappetenz sowie Exsikkose, die dem Koma einige Tage vorausgehen können. Das klinische Vollbild manifestiert sich durch die ausgeprägte Dehydrierung mit ihren Folgen (trockene Schleimhaut, fehlender Hautturgor, herabgesetzter Muskeltonus). Aufgrund des Volumenmangels sind die systolischen RR-Werte niedrig, die HF hoch, die Extremitäten blass. Es entwickelt sich eine azidotische Kussmaul-Atmung zur Kompensation der metabolischen Azidose.
3
656
Diabetes mellitus
Koma, hyperkalzämisches Synonyme Hyperkalzämische Krise
Definition
Immer auf einer Intensivstation.
Koma bei sehr hohen Kalziumkonzentrationen im Serum.
gesichert
Einleitung
1. Volumensubstitution: Initial 1 l isotone NaCl-Lösung über 1 h, dann Substitution nach ZVD. 2. Insulingabe: Altinsulin i. V.: Bolus 8–10 IE (ca. 0,1 IE/ kgKG), gefolgt von 4–10 IE über Infusionspumpe,weitere Anpassung erfolgt dann je nach Wert, Ziel-BZ ist 250 mg/dl in den ersten 24 h. 3. Kaliumgabe: Unmittelbar mit Beginn der Insulintherapie muss Kaliumgabe erfolgen (in Abhängigkeit vom Ausgangskalium und pH-Wert, z. B. bei Kalium zwischen 4 und
Die Ursachen eine Hyperkalzämie sind vielfältig. Hierzu gehören v. a. paraneoplastische Ursachen (meist durch Knochenresorption bei ossären Metastasen, seltener durch paraneoplastische Produktion eines parathormonähnlichen Peptids) und ein primärer HPT, zu den selteneren Ursachen zählen u. a. die Sarkoidose, Immobilisation, Vitamin D-Überdosierung, Hyperthyreose, Morbus Paget. Bei sehr hohen Kalziumkonzentrationen im Serum besteht die Gefahr der hyperkalzämischen Krise, die sich bis zum schweren Koma entwickeln kann. Initial bestehen meist unspe-
Koma, hypernatriämisches
zifische Beschwerden wie Übelkeit, Brechreiz und Polyurie, diffuse Oberbauchschmerzen, generalisierte Dehydratation, Gewichtsverlust, Inappetenz und Schwäche. Gelegentlich fehlen diese Prodromi. Bei schwerem Verlauf entwickeln sich hypovolämischer Schock, Nierenversagen, Fieber sowie psychotische Symptome und Vigilanzstörung bis hin zum Koma. Durch das Nierenversagen steigt das Serumphosphat, wodurch das Kalzium-Phosphat-Produkt einen kritische Wert überschreitet und als Komplex in fast allen Geweben ausfällt. Hiervon sind besonders die Niere, die Lunge, Leber, Herz- und Skelettmuskel, Pankreas und Schilddrüse betroffen.
Prognose
Diagnostik
Einleitung
Therapie Patient sollte auf Intensivstation behandelt werden. gesichert 1. Wenn möglich frühzeitige Beseitigung der Ursache der Hyperkalzämie. 2. Forcierte Diurese: Initial 40–120 mg i. v. Lasix, Volumenersatz durch isotone NaClLösung. 3. Kalzitonin 5–10 IE/kgKG als Infusion über 24 h. 4. Biphosphonate, z. B. Pamindronate 60– 90 mg i. v. über 3 h). 5. Prednisolon 125–250 mg i. v. 6. Ultima Ratio und bei Niereninsuffizienz: Hämodialyse gegen kalziumfreies Dialysat. 7. Supportive Therapie (Stabilisierung der Herz- und Kreislauffunktion usw.). unwirksam/obsolet Gabe von kalziumhaltiger Flüssigkeit als Volumengabe. Phosphatgabe führt zur Komplexbildung mit freiem Kalzium mit dem Risiko der Ausfällung.
Nachsorge Hyperkalzämiesyndrom
Abhängig von rechtzeitiger Diagnosestellung und somit frühzeitiger Therapie, jedoch auch heute noch sehr hohe Mortalität.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
1. Anamnese (bekannte Kalziumstörung, Symptome der Hyperkalzämie). 2. Klinik. 3. Labor: Elektrolyte, Kreatinin, Phosphat, Parathormon, Knochenisoenzym der AP. 4. Ursachenabklärung (v. a. Malignomsuche, Nebenschilddrüse).
657
Hyperkalzämiesyndrom
Koma, hypernatriämisches Definition Koma bei Serumnatrium-Werten >150 mmol/l.
Man unterscheidet die Hypernatriämie mit Zeichen des Volumenmangels von der seltenen mit Zeichen der Hypervolämie. Als Ursachen der hypovolämischen Hypernatriämie kommen ein extrarenaler Wasserverlust, z. B durch Wasserverlust über die Haut und die Lunge (profuses Schwitzen, Fieber) und/oder ungenügende Wasserzufuhr (Urinosmolalität >800 mosmol/kg) oder ein renaler Wasserverlust (Urinosmolalität <800 mosmol/kg) sein. Einer hypervolämischen Hypernatriämie (sehr selten) liegt meist eine unkontrollierte Infusion von Na-Lösungen, z. B. konzentrierte Na-Bikarbonat-Lösungen bei Azidoseausgleich, zugrunde. Das Auftreten klinischer Symptome ist abhängig von der Geschwindigkeit der Hypernatriämieentwicklung (vor allem durch die langsame Adaption der Osmolalität des Gehirns). Bei rascher Entwicklung bewirkt der osmotische Wasserentzug aus dem Gehirn zentralnervöse Ausfälle von Bewusstseinseintrübung bis hin zum Koma. Durch die Volumenminderung des Gehirns (zelluläre Dehydratation) kann es zu Venenrupturen und konsekutiven Einblutungen (subdurales und intrazerebrales Hämatom) kommen. Da in den meisten Fällen eine Hypernatriämie mit Volumenmangel assoziiert ist, sind die Patienten exsikkiert, tachykard und hypoton.
Diagnostik 1. Anamnese. 2. Klinik. 3. Laborkonstellation: * Natrium und Osmolalität im Serum erhöht.
K
3
658 *
*
Koma, hyperosmolares
Hypovolämische Hypernatriämie: Urinosmolalität <800 mosmol/kg: Renaler Wasserverlust.a) Anstieg der Urinosmolalität durch ADH-Gabe: Zentraler Diabetes insipidus.b) Fehlender Anstieg der Urinosmolalität durch ADH-Gabe: Nephrogener (peripherer) Diabetes insipidus oder osmotische Diurese, v. a. bei entgleistem Diabetes mellitus)Urinosmolalität >800 mosmol/kg: Extrarenaler Wasserverlust und/oder ungenügende Wasserzufuhr. Hypervolämische Hypernatriämie: Hoher ZVD.
Therapie gesichert 1. Supportive Therapie (v. a. kardiopulmonale Überwachung und Stabilisierung). 2. Volumensubstitution: Bei reinem Wasserverlust langsame Infusion von osmotisch freiem Wasser, z. B. Glukose-Lösung unter ZVD-Kontrolle (etwa 50% des Volumendefizts in den ersten 24 h), bei zusätzlichem Natriumdefizit (z. B. Coma diabeticum) isotone NaCl-Lösung (etwa 50% des Volumendefitits in den ersten 24 h). 3. Ursachenabklärung und - behandlung. 4. Bei hypervolämischer Hypernatriämie: Infusionsstopp. unwirksam/obsolet Zu rascher Ausgleich der Hypernatriämie wegen der Gefahr des Hirnödems, deshalb bevorzugt isotone Lösungen verwenden.
Koma, hyperosmolares Synonyme
Insulinsekretion, sodass die antilipolytische Wirkung von Insulin noch vorhanden ist und somit keine Ketoazidose entsteht.
Einleitung Das hyperosmolare Koma betrifft häufiger ältere Personen, oft auch mit bis dahin unbekanntem Diabetes mellitus. Somit ist diese Komaform als typisch für Typ-II-Diabetiker anzusehen, Typ-I-Diabetiker sind nur sehr selten davon betroffen. Auslöser des hyperosmolaren Komas sind deshalb oft Erkrankungen des höheren Alters wie Infektionen, Exsikkose und kardiovaskuläre Ereignisse, daneben aber auch prodiabetische Medikamente wie Glukokortikoide, Thiaziddiuretika und β-Blocker. Zusammenfassend gilt für die Pathogenese, dass insulinantagonistische Hormone ansteigen, die Lipolyse jedoch bereits bei deutlich niedrigeren Insulinkonzentrationen gehemmt wird, als für die Glukoseutilisation in der Peripherie notwendig ist. Daher dominieren in dieser Situation Hyperglykämie und Hyperosmolarität, nicht die Ketoazidose. Klinik: Bevorzugt ältere Personen, meist TypII-Diabetiker, Exsikkose und Schockentwicklung (Anstieg der HF, Abfall des RR und des ZVD), Hyperglyämie >600 mg/dl, Hyperosmolarität und - natriämie, kaum Ketoazidose, Oligo-Anurie.
Diagnostik 1. Anamnese (Diabetes mellitus). 2. Klinik. 3. Labor: Blutzucker >600 mh/dl, Osmolarität >310 mosmol/l, Hypernatriämie, erhöhter Hkt, evt. Leukozytose, keine oder kaum Azidose.
Therapie Immer auf Intensivstation.
Hyperosmolares, nichtketoazidotisches Koma.
Definition Das diabetische Koma im engeren Sinne wird in 2 Formen unterteilt: Diabetische Ketoazidose und hyperosmolares, nichtketoazidotisches Koma. Das hyperosmolare Koma ist durch eine Hyperglykämie mit Werten >600 mg/dl und einen parallel verlaufenden Anstieg der Serumosmolarität, jedoch ohne Ketoazidose gekennzeichnet. Es besteht noch eine erhaltene
gesichert 1. Volumensubstitution mit isotoner NaCl-Lösung, initial 1000 ml über 1 h, dann nach ZVD. 2. Insulinsubstitution mit Altinsulin i. v.: Bolus: 0.1 IE/kgKG, dann 4–10 IE über Perfusor, dann Insulingabe nach BZ-Werten (Ziel-BZ in den ersten 24 h bei ca. 250 mg/dl). 3. Kontrolle von Kalium und entsprechende Kaliumsubstitution.
Koma, hyperthyreotes
659
Nachsorge
lierenden Schilddrüsenhormonen ist bei Patienten mit thyreotoxischer Krise nicht höher als bei solchen mit unkompliziert verlaufender Hyperthyreose. Auslöser einer thyreotoxischen Krise/Koma sind vielmehr zusätzliche Stressfaktoren wie Unfall, Operation, Infektion, kardiovaskuläres Ereignis oder psychische Belastung. Oft ist auch die Aufnahme größerer Jodmengen (KM-Gabe) oder das abrupte Absetzen thyreostatischer Medikamente mitverantwortlich.
Diagnostik und adäquate Einstellung des Diabetes mellitus.
Diagnostik
4. Bei metabolischer Azidose ggf. Bikarbonatgabe. 5. Supportive Maßnahmen (Thromboseüberwachung, kardiopulmonale Überwachung, ggf. Antibiose usw.). unwirksam/obsolet Senkung des BZ unter 250 mg/dl in ersten 24 h, da Gefahr eines Hirnödems.
3
Prognose Gesamtletalität ist im Wesentlichen von den Begleiterkrankungen, aber auch von der Ausgangssituation (Exsikkose, Bewusstseinszustand) abhängig.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Diabetes mellitus
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Koma, hyperthyreotes Synonyme Thyreotoxische Krise mit Bewusstlosigkeit
1. Anamnese (bekannte Hyperthyreose, KMApplikation, länger bestehende Symptome einer Hyperthyreose wie Wärmeintoleranz, Gewichtsabnahme, Diarrhöe usw.). 2. Die Diagnose sollte ausschließlich nach klinischen Kriterien gestellt werden. Bei einem klinischen Bild wie o. g. sollte differenzialdiagnostisch immer an eine thyreotoxische Krise/Koma gedacht werden. Aus der Anamnese lassen sich möglicherweise Anhaltspunkte auf eine länger bestehende Hyperthyreose erfragen. 3. Labor: Es gibt keine typische Laborkonstellation. Die Konzentration der freien Schilddrüsenhormone entsprechen meist denen einer unkomplizierten Hyperthyreose. Die Leukozyten sind oft niedrig normal
Definition Koma bei thyreotoxischer Krise.
Therapie
Einleitung
Jeder Patient mit dem Verdacht einer thyreotoxischen Krise/Koma muss intensivmedizinisch betreut werden.
Die Grenze zwischen einer schwer verlaufenden Hyperthyreose und und der Entwicklung einer Krisensituation bis hin zum Koma ist sehr schmal. Klinische Symptome einer thyreotoxischen Krise sind Fieber >38.5 C mit inadäquater Tachykardie, Zeichen eines hyperdynamisches Herzversagens, unklare gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe, subakutes Abdomen) und zentralnervöse Symptome wie psychomotorische Unruhe, Agitiertheit, Tremor und Apathie. Entwickelt sich eine Bewusstlosigkeit, sprechen wir von einem thyreotoxischen Koma. Voraussetzung für ein solches Krankheitsbild ist immer eine länger bestehende, nicht erkannte oder schlecht behandelte Hyperthyreose. Auslöser einer Krise ist nicht die Hormonwirkung bzw. die Menge an zirkulierenden SDHormonen alleine. Die Konzentration an zirku-
gesichert 1. Supportive Maßnahmen (hochkalorische Ernährung, kardiopulmonale Überwachung, ggf. frühzeitige Intubation). 2. Blockade der Schilddrüsenhormonwirkung: Propranolol 1 mg i. v./min bis max. 10 mg/ die (alternativ Esmolol oder Atenolol). 3. Hemmung der Hormonfreisetzung: Thiamazol 3×40 mg i. v. empirisch Die häufig diskutierte sogenannte relative NNR-Insuffizienz bzw. Glukokortikoidmangel sind zwar nicht belegt, die Gabe von Glukokortikoiden ist jedoch möglicherweise sinnvoll (z. B. Prednisolon 100–250 mg/die).
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660
Koma, hypoglykämisches
Nachsorge Umfangreiche Diagnostik und Therapie der Hyperthyreose. 3
Prognose Die Mortalität der thyreotoxischen Krise/Koma sollte heute bei entsprechender Behandlung unter 10% liegen. Wesentlich für die Prognose ist die rechtzeitige Diagnosestellung und damit der frühzeitige Behandlungsbeginn. Erhöhte Leberwerte sind prognostisch ungünstig (direkte Schilddrüsenhormonwirkung auf Leber).
Nüchternhypoglykämien (z. B. Insulinome, NNR-Insuffizienz, HVL-Insuffizienz, Glykogenosen) und exogen induzierte Hypoglykämien (z. B. Überdosierung von Insulin oder Sulfonylharnstoffen, Alkoholabusus und Nahrungskarenz).
Diagnostik 1. Bestimmung der Blutglukosekonzentration. 2. Differenzialdiagnostisch müssen zahlreiche andere Ursachen eines Komas, v. a. andere metabolische Formen wie das hyperglykämische Koma erwogen werden, Koma. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hyperthyreose
Therapie
Koma, hypoglykämisches
Die einzige Therapie ist die rasche Substitution von Glukose. Wenn dies nicht möglich ist, alternativ Gabe von Glukagon. Daneben natürlich Ursachenabklärung und kausale Therapie.
3
Definition Durch eine Hypoglykämie (<30 mg%) induziertes Koma.
Einleitung Klinische Hypoglykämiesyndrome sind Folge des zentralnervösen Glukosemangels (Neuroglukopenie) und der sympathikoadrenergen Gegenregulation. Im Extremfall (Blutglukosespiegel <30 mg%) manifestiert sich ein Bewusstseinsverlust (Koma), das auch als hypoglykämischer Schock bezeichnet wird. Der klinische Verlauf ist eher rasch protrahierend mit Unruhe, Schwitzen, Tachykardie, Tremor, Hypertonie, Heißhunger (symphathoadrenerge Gegenregulation), zudem neuroglykokämische Symptome wie Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Verwirrtheit, fokale neurologische Symptome, fokale oder generalisierte Krampfanfälle und relativ rasche Entwicklung von Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Im Gegensatz zum hyperglykämischen Koma entwickelt sich das hypoglykämische Koma rasch, die Muskulatur ist eher hyperton und die Haut ist feucht. Ursache von Hypoglykämien ist immer ein absolut oder relativ zu hoher Insulispiegel mit daraus resultierendem Abfall der Blutglukose. Diese Hyperinsulinämie kann endogenen oder exogenen Ursprungs sein. Unterschieden werden reaktive (postalimentäre) Hypoglykämien (z. B. Anfangsstadium eines Diabetes mellitus, Dumping-Syndrom nach Magenresektion),
gesichert 1. Symptomatisch: 40–100 ml 40% Glukose i. v., evtl. nach 20 min wiederholen oder anschließend 5%ige Glukose per infusionem (bis BZ ca. 200 mg%). Wenn kein venöser Zugang möglich ist, 1 mg Glukagon i. m. 2. Ursachenabklärung und kausale Therapie. unwirksam/obsolet Abwartende Haltung.
Nachsorge Abhängig von der Ursache der Hypoglykämie, regelmäßige BZ-Kontrollen und Schulung des Patienten.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Abhängig von der Ursache der Hypoglykämie.
Koma, mesenzephales Synonyme Mesenzephales Syndrom
Definition Hirnstammsydrom, bei dem die dem Mesencephalon zugeordneten Hirngebiete funktionell oder organisch ausgefallen sind. Das mesenzephale Koma kann sich bei Hirndruck, Basilaristhrombose, Schädel-Hirn-Trauma etc. entwickeln.
Koma, Myxödem
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Koma, metabolisches Definition Koma mit ursächlichen metabolischen Störungen.
Einleitung
Koma, mesenzephales. Abb. 1: Darstellung des retikulären Systems und seiner Afferenzen
Einleitung Lediglich das Mesencephalon und der darunter liegende Hirnabschnitt bestimmen die zentralneurologische Situation. Klinisch ist das Bild gekennzeichnet von einem pathologischen Atemmuster mit Maschinen- oder CheyneStokes-Atmung, auf Schmerzreiz Streckung der Beine und Arme, positiven Babinski-Zeichen, mittelweiten anisokoren Pupillen, fehlenden Lichtreflex, erschöpflichen oder fehlenden Kornealreflex, diskonjugierten OCR, auslösbaren Hustenreflex sowie vegetativen Symptomen wie Hyperthermie, Tachykardie und Hypertonie.
Schwerwiegende metabolische Störungen können zum Koma führen. Am Anfang steht meist Verwirrtheit und Apathie, langsame Komaentwicklung, keine fokal neurologischen Störungen, aber Reizerscheinungen wie Krampfanfälle, Asterixis, Myoklonien oder flapping tremor. Oft liegt die Ursache in Störung von Glukoseoder Säure-Base-Stoffwechsel, Leber- oder Nierenerkrankungen, O2-Mangel.
Diagnostik Diagnostisch sollte die Eingrenzung der auslösenden Faktoren, Vorerkrankungen und verschiedene differenzialdignostisches Tests am Anfang stehen, um die Grunderkrankung behandeln zu können. Labor: Blutglukose, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, BGA, Ammoniak, Leberenzyme, T3, T4, TSH.
Therapie Je nach Grunderkrankung.
Koma, Myxödem Synonyme
3
Hypothyreotes Koma
Herniation als Folge eines erhöhten Hirndruckes. Vasogen, z. B. Tumor, Metastasen, Meningitis, Enzephalitis, Trauma, Hirnabszess, hypertensive Krise. Zytotoxisch (Hirninfarkt, Hyperkapnie, Urämie, Medikamente). Venöse Abflussbehinderung (Sinusvenenthrombose). Hydrozephalus. Intrakranielle Raumforderungen.
Definition Koma, das im Rahmen einer Hypothyreose durch mangelhafte Schilddrüsenhormonsekretion ausgelöst wird. Dabei kommt es zur Einlagerung von Mukopolysacchariden in der Haut (Myxödem). Das Myxödemkoma ist die schwerste Verlaufsform der hypothyreoten Krise. 3
Differenzialdiagnose
Einleitung Das Myxödemkoma wird durch eine schwerwiegende Hypothyreose im Rahmen einer mangelhaften Schilddrüdenhormonsekretion ausgelöst. Ursächlich sind z. B. Hashimoto-Thyreoiditis, Bestrahlung der Schilddrüse, bei Schilddrüsenunterfunktion abruptes Absetzen der
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662
Koma, postanoxisches
Schilddrüdenhormone. Pathophysiologisch imponieren eine Verlangsamung aller Stoffwechselvorgänge und die Einlagerung von Mukopolysacchariden in die Haut. Beim Myxödemkoma handelt es sich um eine schwere und häufig letale Verlaufsform der Hypothyreose. Klinisch kommt es zur Entwicklung einer depressiven Symptomatik am Beginn der Enzephalopathie, über die Verlangsamung der Stoffwechselvorgänge zur Hypothermie, Bradykardie, Hypoventilation mit Hyperkapnie. Es imponieren oftmals pseudomyotone Muskeleigenreflexe.
Diagnostik *
* *
Klinisches Bild des hypothyreoten Komas mit Hypothermie, Hypoventilation, Bradyarrhythmie, pseudomytonen Muskeleigenreflexen und Ataxie. EEG: Diffus verlangsamt mit Hyper- oder Hypovoltage. Labor: T3, T4 erniedrigt, TSH erhöht.
mens (kardiogen, hypovolämisch, septisch, hämorrhagisch) und Erkrankungen mit Lähmungen der Atemmuskulatur (GBS, Poliomyelitis, MS). Die Ausprägung und Dauer der zerebralen Sauerstoffminderversorgung bestimmen Verlauf und Prognose. Bei schwerer Hypoxie oder Anoxie muss bei einer Dauer von 5 min mit einer permanenten Hirnschädigung gerechnet werden. Wird das Akutstadium überlebt, kann der Patient beim postanoxischen Koma den Wachheitszustand wiedererlangen, kommt jedoch nicht wieder zu Bewusstsein. Dieser Zustand entspricht einem apallischen Syndrom, bei dem zerebraler und zerebellärer Kortex geschädigt sind. Ein Überleben garantieren die im Hirnstamm erhaltenen vegetativen Funktionen.
Diagnostik CT/MRT: Läsionen vor allem der Basalganglien, ggf. Aufhebung der Mark-Rindengrenze, globale Hirnschwellung. EEG: Allgemeinveränderungen bis isoelektrische Aktivität und epileptiforme Potentiale.
Therapie
Therapie
Bei Verdacht auf Myxödemkoma unmittelbare intensivmedizinische Behandlung. Initial sollten 300–500 μg T4 i. v. im Bolus verabreicht werden. Danach tägliche Erhaltungsdosis von 100 µg T4 i. v. Bei Verdacht auf eine ursächliche Hypophyseninsuffizienz sollte zusätzlich 100 mg Hydrokortison i. v. gegeben werden. Vermeidung weiterer Wärmeverluste, ggf. maschinelle Beatmung.
Behandlung der Grunderkrankung und Wiederherstellung einer suffizienten Atemsituation.
Nachsorge Ursächliche Therapie, ggf. lebenslange Schilddrüsenhormonsubstitution.
Prognose Hohe Letalität.
Koma, postanoxisches Einleitung Koma nach zerebraler Sauerstoffminderversorgung, dem vielfältige Ursachen zugrunde liegen können: Ertrinken, Strangulation, Kohlenmonoxid-Vergiftung, Erkrankungen des ZNS (Trauma, Schlaganfall, Enzephalopathie, Epilepsie), plötzlicher Abfall des Herzzeitvolu-
Koma, Wachkoma (Coma vigile) Synonyme Apallisches Syndrom, Coma vigile, Wachkoma, persistent vegetative state
Definition Funktionelle Unterbrechung der zerebralen Afferenzen und Efferenzen, die die Hirnfunktionen auf eine mesodienzephale Aktivität reduziert. Verlust kognitiver Funktionen und Wahrnehmung bei erhaltenem verkürztem SchlafWach-Rhythmus. Ursachen sind z. B. zerebrale Hypoxie durch Herz-Kreislaufstillstand, schweres SchädelHirn-Trauma, ausgedehnte Schädigung von Marklager oder Hirnstamm.
Einleitung Nach Abklingen der Akutphase der zentralnervösen Schädigung wird das apallische Syndrom dadurch erkennbar, dass der Patient die Augen öffnet, sich allerdings keinerlei psychischer
Koma, Wachkoma (Coma vigile)
663
Koma, Wachkoma (Coma vigile). Abb. 1: Schematische Zuordnung von klinischen Syndromen mit Bewusstseinsstörung und Hirnregion
Kontakt herstellen lässt. Desgleichen ist er selbst nicht zu reaktiven wie emotionalen Äußerungen fähig. Man beobachtet zum Teil diskonjugiertes Bulbuswandern, die Pupillenreaktion ist nicht ausgiebig, der ziliospinale Reflex positiv, der Drohreflex nicht auslösbar. Typischerweise gehören eine schwere spastische Tetraparese und pathologische Bewegungsmuster wie Streck- und Beugespasmen und vegetative Störungen zum Krankheitsbild. Der Zustand führt entweder zum Tod oder heilt in seltenen Fällen mit psychischen und neurologischen Defekten aus.
Diagnostik Klinik: * Ätiologie (Hypoxie, globale Ischämie, Hypoglykämie, Enzephalitis, Einklemmung, toxische/metabolische Enzephalopathien). * Besondere Merkmale: Kein optokinetischer Nystagmus, Primitivreflexe, Kauen, Schmatzen, schwere spastische Tetraparese, pathologische Bewegungsmuster wie Streck- und Beugespasmen, vegetative Störungen. * Augen geöffnet, Schlaf-Wachphasen. * Kognitive Leistung erloschen. EEG: Häufig schwere Allgemeinveränderung, typisch ist das Fehlen einer α-Blockade nach akustischen, visuellen oder Schmerzreizen. SEP, VEP: Deafferenzierung.
Therapie Therapie der Grunderkrankung, frühzeitiges Gespräch mit den Angehörigen und Klärung der Weiterbehandlung.
Nachsorge Verlegung in Spezialklinik zur Langzeitbetreuung. Selbsthilfegruppe: Bundesverband für SchädelHirn-Verletzte, Patienten im Wachkoma, Apallisches Durchgangssyndrom und ihre Angehörigen, Bayreuther Str. 33, 92224 Amberg. Tel: 09621/64800.
Prognose Zeichen hoher Wahrscheinlichkeit eines apallischen Syndroms: * <12 Stunden: neg. VOR, keine Pupillenreaktion auf Licht, Glukose über 300 mg%. * 1 Tag: Keine konjugierten spontanen Augenbewegungen, Fehlen von spontanen Bulbusbewegungen. * 3 Tage: Keine motorische Antwort außer Beugesynergismen. In ca. 20% Defektheilung. Restitutio ad Integrum äußerst fraglich. Bei Dauer von über 3 Monaten erlangen 10% das Bewusstsein wieder, Letalität innerhalb des ersten Jahres 60%.
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664
Komapolyneuropathie („critical illness neuropathy“)
Komapolyneuropathie („critical illness neuropathy“) Synonyme Critical-illness-Polyneuropathie (CIP)
Definition Die CIP ist eine potentiell reversible Erkrankung der peripheren Nerven, die sich während oder im Gefolge intensivtherapiepflichtiger Erkrankungen wie Sepsis und Multiorganversagen entwickelt.
Prognose Eine CIP lässt sich bei etwa 70% aller Patienten mit Sepsis und Multiorganversagen nachweisen. Die Prognose wird im Wesentlichen von der Grunderkrankung bestimmt. Eine verlängerte Immobilisation und Entwöhnung vom Respirator begünstigt das Risiko, Sekundärkomplikationen wie tiefe Beinvenenthrombosen und Pneumonien zu entwickeln. Grundsätzlich kann sich die Polyneuropathie nach Erholung von der Grunderkrankung innerhalb von Monaten weitgehenst zurückbilden. Es sind jedoch auch deutlich behinderte Residualzustände beschrieben.
Einleitung
Diagnostik 1. Klinik (schlaffe Paresen und Muskelatrophien, MER meist abgeschwächt oder erloschen). 2. Neurographie und EMG (oft entscheidend, da klinische Untersuchung durch eingeschränkte/unmögliche Mitarbeit des Patienten erschwert): Neurographie: Amplitudenreduktion der Summenmuskel-/Nervenaktionspotentiale, normale oder fast normale DML und NLG (primär axonale Schädigung). Überwiegend sind die motorischen Fasern betroffen. EMG: Pathologische Spontanaktivität nach etwa 2–3 Wochen.
Therapie Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt. Pathogenetisch wird vermutet, dass Mediatoren, die im Rahmen des sogenannten „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) entstehen, über Mikrozirkulationsstörungen in den Vasa nervorum eine Schädigung der Axone herbeiführen.
Kompartmentsyndrom Synonyme 3
Das Krankheitsbild ist durch deutlich schlaffe Paresen und ausgeprägte Muskelatrophien gekennzeichnet. Gewöhnlich sind die MER abgeschwächt oder nicht auslösbar, jedoch können sie auch aufgrund einer (nicht selten) vorhandenen septischen Enzephalopathie vorhanden und sogar gesteigert sein. Die CIP ist vermutlich eine der häufigsten Ursachen für eine verzögerte bzw. nicht erfolgreiche Entwöhnung vom Respirator bei intensivtherapiebedürftigen Patienten.
Tibialis-anterior-/Tibialis-posterior-Syndrom
Definition Durch Druckanstieg innerhalb eines Muskelkompartimentes (durch Faszien und Septen zusammengefasste Funktionseinheit von Muskeln) kommt es über eine Kompression von Kapillaren und kleinen Venen zu einer Minderdurchblutung der Region, die ein hypoxisches Ödem und damit einen weiteren Druckanstieg nach sich zieht (Circulus vitiosus). Als kritischer Druck gilt eine Differenz zwischen diastolischem Druck und Gewebedruck von 30 mmHg mit Sistieren der Mikrozirkulation. Bei einer Ischämietoleranz von 8–12 h kommt es anschließend zu einer irreversiblen Schädigung der in der entsprechenden Muskelloge befindlichen Nerven und Muskeln.
Einleitung Zunächst bestehen heftige Schmerzen, die bei Druck und Bewegung zunehmen. Im Verlauf folgen Schwellung und Verhärtung und bei einer zusätzlichen Nervenischämie Paraesthesien und sensible Defizite im entsprechenden Vesorgungsgebiet. Paresen werden schließlich durch Schädigung von Muskeln und Nerven bedingt. Eine Pulslosigkeit ist nur in Extremfällen zu finden.
Diagnostik Wichtigste Ursachen eines Kompartmentsyndroms sind posttraumatisches bzw. postoperati-
Kompressionssyndrome *
Kompression der A. brachialis zur Differenzierung eines „Subclavian steal“-Phänomens. Kompression der A. carotis communis zur Zuordnung intrakranieller Arterien bei der transkraniellen Dopplersonographie. Kompression der A. carotis communis zur Beurteilung der hämodynamischen Wirksamkeit einer A. carotis interna-Stenose bei Beschallung der A. cerebri media. Kompression der A. carotis communis zur präoperativen Beurteilung des sog. Clamping-Risikos bei Gefäßoperationen. Kompression der Okzipitalschuppe oberhalb des Mastoids zum Nachweis einer Beschallung der A. occipitalis. Kompression der A. vertebralis auf Höhe der Atlasschlinge (Rückschlageffekt) bei dopplersonographischer Ableitung der proximalen A. vertebralis. 3
*
3
*
3
3
*
3
ves Ödem, Blutungen, seltener Entzündungen, Paravasate nach Infusionen oder operative Verkleinerungen des Faszienraumes, aber auch außergewöhnliche muskuläre Belastungen wie lange Märsche. Druck auf die Extremitäten von außen durch zu stramme Verbände oder Gipse oder durch lagerungsbedingte Kompression bei Komatösen kann ebenfalls zu einem Kompartmentsyndrom führen. Diagnostische Sicherheit liefert die subfasziale Druckmessung. Charakteristischerweise zeigt das EMG bei der ischämischen Muskelnekrose keinerlei Einstichaktivität („stummes EMG“).
*
Therapie
Prognose Das Kompartmentsyndrom wird häufig zu spät erkannt, sodass die Muskeln bindegewebig umgebaut werden. Die neurogenen Ausfälle können sich besser erholen, was funktionell in diesem Fall aber unbedeutsam ist.
*
3
Unumgängliche und ausgesprochen dringliche Therapie ist die operative Druckentlastung durch großzügige Faszienspaltung (Cave: Ischämietoleranz lediglich ca. 8–12h). Nur so kann eine irreversible neuromuskuläre Schädigung vermieden werden. Zusätzliche externe Druckeinwirkungen sollten vermieden werden (Lagerung, Entfernen von Verbänden o. ä.).
665
Vor der Durchführung einer digitalen Kompression von hirnversorgenden Gefäßen (insbesondere der A. carotis communis) muss immer eine Beurteilung der Kompressionsstelle durch den Duplexscan zum Ausschluss von umschriebenen Plaques erfolgen. Kompressionstests der A. carotis sollten nur dann erfolgen, wenn sich daraus mögliche therapeutische Konsequenzen ergeben.
Kompressionssyndrome Kompression, digitale
Definition
Einsatzgebiete: * Zuordnung des versorgenden Gefäßgebietes bei pulssynchronem Tinnitus. * Kompression der A. temporalis superficialis und A. facialis bzw. der Stirnregion zur Beurteilung einer möglichen Strömungsumkehr in der beschallten A. supratrochlearis. * Undulierende Kompression der A. temporalis zur Differenzierung zwischen A. carotis interna und externa in der extrakraniellen Dopplersonographie.
Grundlagen Beispiele für Kompressionssyndrome sind das „Thoracic outlet“-Syndrom, das Karpaltunnelsyndrom, das Tarsaltunnelsyndrom und viele andere. Wichtigstes Therapieziel der Kompressionssyndrome ist die sofortige Druckentlastung (siehe im Einzelnen bei den speziellen Kompressionssyndromen bzw. den entsprechenden peripheren Nerven). 3
Grundlagen
3
Untersuchungsverfahren zur Differenzierung der Gefäßversorgung.
Bei Kompressionssyndromen kommt es zu einer Druckschädigung von peripheren Nerven, Nervenplexus oder –wurzeln. Die Druckschädigung kann von außen einwirken (exogenes Kompressionssyndrom) oder von innen aufgrund anatomischer Engpässe (endogenes Kompressionssyndrom) entstehen bzw. eine Kombination von beidem darstellen.
3
Definition
K
3
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Konditionierung
Konditionierung Grundlagen 1. Operante Konditionierung („Lernen am Erfolg“): Formung spontan auftretender Verhaltensweisen durch positive bzw. negative Verstärker. Belohnung führt zu Wiederholung oder Verstärkung eines Verhaltens, Strafe zum Unterlassen. 2. Klassische Konditionierung: Verknüpfung eines unbedingten mit dem unspezifischen bedingten Reiz bei Erzeugung eines bedingten Reflexes (Pawlow-Experiment am Hund).
Konfabulation Definition Konfabulationen sind Gedächtnisstörungen, bei denen Erinnerungslücken mit Inhalten ausgefüllt werden, die vom Patienten selbst für Erinnerungen gehalten werden.
Kongenitale Muskeldystrophien Definition Kongenitale Myopathie mit bioptisch nachweisbarer Muskeldystrophie
Einleitung Heterogene Gruppe von hereditären Myopathien mit defekten Muskelstrukturproteinen: Merosin (Laminin 2), Integrin alpha 7, Fukutin, Tropomyosin, Troponin T1, Aktin, Nebulin (Nemaline-Amyopathie) und vermutlich anderen. In europäischen Arbeiten weist etwa die Hälfte der Patienten mit kongenitaler Muskeldystrophie einen Mangel an Merosin auf mit nachweisbaren Mutationen des LAMA2-Gens (6q22-23). Die kongenitalen Muskeldystrophien werden daher auch in Merosin-negative und Merosin-positive Fälle unterteilt. Laminin alpha 2 ist ein direkter Ligand des DystrophinGlykoprotein-Komplexes. Klinisch stehen bei Merosinmangel bei Geburt eine Muskelhypotonie und Schwäche im Vordergrund. Daneben können asymptomatische Signalveränderungen der weißen Substanz im
MRT vorhanden sein, seltener kortikale Gyrierungsstörungen, Hypoplasie von Kleinhirn und Pons und erweiterte Ventrikel. Meist treten keine kognitiven Einbußen auf, selten Epilepsie. Bei den Merosin-positiven Fällen gibt es neben einer Reihe verschiedener Erkrankungen mit offenem Pathomechanismus einige gut charakterisierte Krankheiten: * Das Bethlem-Syndrom ist eine autosomaldominante Erkrankung mit Mutationen des Kollagen-Typ-VI-Gens. Die Erkrankung verläuft relativ gutartig. Allerdings benutzen 2/3 der über 50 Jahre alten Patienten einen Rollstuhl. * Das Ullrich-Syndrom ist eine genetisch heterogene, rezessiv vererbte Krankheit, bei der in 40% immunhistochemisch eine Verminderung des Kollagen Typ VI gefunden wurde. Klinisch bestehen proximale Kontrakturen, distal herabgestzter Muskeltonus, axiale Rigidität und Atemstörungen. * Das Fukuyama-Syndrom ist eine der häufigsten autosomal-rezessiven Krankheiten in Japan (etwa 1 auf 10.000 Geburten). Ursache sind Mutationen (überwiegend eine 3 kb-Insertion) des FCMD-Gens auf Chromosom 9q31. Klinisch stehen neben der Muskeldystrophie zerebrale Entwicklungsstörungen (Polymikrogyrie), häufig mit Epilepsie im Vordergrund. In 30% besteht eine Trichterbrust. Es können Kontrakturen der Knie- und Ellenbogengelenke auftreten. * Ähnliche Krankheiten mit kongenitaler Muskeldystrophie, zerebralen Entwicklungsstörungen und zusätzlichen Augensymptomen sind das Muscle-Eye-BrainSyndrom (Gendefekt auf Chromosom 1p32-34) und das Walker-Warburg-Syndrom. Phänotypisch herrscht Uneinigkeit; ob die beiden Erkrankungen verschiedenen Entitäten entsprechen. Genetisch bestehen aber offensichtlich Unterschiede. * Das Rigid-Spine-Syndrom ist durch proximale Muskelhypotonie und Rumpf-Rigidität, meist mit der Entwicklung einer Skoliose verbunden. Genetische Linkage-Analysen lassen Mutationen auf Chromosom 1p35-36 vermuten. Es sind eine Reihe weiterer kongenitaler Muskeldystrophien in Einzelfällen oder wenigen Familien beschrieben worden, unter anderem mit zusätzlichen zerebellaren Symptomen oder
Kontrazeptiva
mit Kardiomyopathie. Es ist zu erwarten, dass auf dem Gebiet dieser Strukturprotein-Myopathien rasch weitere Fortschritte zur Pathogenese erzielt werden.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie und Muskelbiopsie. Ggf. genetische Untersuchung je nach Erkrankung.
667
Diagnostik EMG während der Kontraktur.
Therapie Symptomatische Therapie der jeweiligen Erkrankung.
Kontraphobisches Verhalten
Therapie Symptomatische Therapie, insbesondere bei Skelettdeformitäten, zerebralen Anfällen oder Kardiomyopathie. Regelmäßige Krankengymnastik.
Nachsorge
Definition Forciertes Aufsuchen angstauslösender Situationen (als Abwehrmechanismus).
Kontrazeptiva
Vorstellung in längeren Abständen, etwa einmal im Jahr an einem Muskelzentrum erscheint sinnvoll.
Synonyme
Bewertung
Bewertung
Eine diagnostische Einordnung ist vor allem auch zur Abschätzung der Prognose sinnvoll.
Diese Medikamentengruppe soll im Folgenden lediglich in Zusammenhang mit ihrer Bedeutung als zerebrovaskulärer Risikofaktor abgehandelt werden: Erstgenerationskontrazeptiva mit einem Östrogengehalt von mehr als 50 µg sind nachweislich mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Die heutzutage verwendeten Zweit- und Drittgenerationspräparate (neuere Gestagene, geringere Östrogendosierung) sollen nach Ergebnissen mehrerer Studien kein erhöhtes zerebrovaskuläres Risiko mehr haben [1]. Eine multizentrische WHO-Studie von 1999 ergab ein ähnliches Schlaganfallrisiko für die auf dem Markt befindlichen Drittgenerationsgestagenpräparate Desogestrel, Gestoden und Levonorgestrel [2]. Fazit: Frauen über 30 Jahre, die rauchen oder zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes, Übergewicht oder Migräne haben, sollten auf eine Pilleneinnahme verzichten. Nach einer zerebralen Ischämie sollten Kontrazeptiva eher abgesetzt werden.
Prognose Sehr abhängig von der jeweiligen Krankheit.
Kontraktur Definition Unwillkürliche, schmerzhafte SkelettmuskelKontraktion, die ohne Depolarisation, d. h. ohne EMG-Aktivität abläuft.
Einleitung Anders als fibröse Kontrakturen von Gelenken bzw. Sehnen bei Spastik, Kapselverletzungen, Wundheilung oder einigen hereditären neuromuskulären Krankheiten sind muskuläre Kontrakturen selten. Im Unterschied zu den ebenfalls schmerzhaften Muskelverkürzungen bei Krampi gehen die Kontrakturen aber nicht mit EMG-Aktivität einher. Kontrakturen treten z. B. auf bei einigen metabolischen Myopathien, insbesondere bei der Glykogenose Typ V ( Muskelphosphorylase-Mangel, Glykogenose Typ V). Die Pathogenese der muskulären Kontraktur ist ungeklärt.
Pille, hormonale Empfängnisverhütung
Literatur 1. Lidegaard O, Bygdeman M, Milsom I, Nesheim BI, Skjeldestad FE, Toivonen J (1999). Oral contraceptives and thrombosis. From risk estimates to health impact. Acta Obstet Gynecol Scand 78 (2):142–9.
K
3
Konus-Kauda-Bereich, Tumoren
2. Poulter NR, Chang CL, Farley TM, Marmot MG, Meirik O (1999). Effect on stroke of different progestagens in low oestrogen dose oral contraceptives. WHO Collaborative Study of Cardiovascular Disease and Steroid Hormone Contraception. Lancet 354 (9175):301–2.
Konzo (Neurocassavaismus) 3
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Neurocassavaismus (Konzo)
Kopfschmerz Konus-Kauda-Bereich, Tumoren
Siehe Tab. 1.
Definition Tumoren des Konus-Kauda-Bereiches stellen eine Gruppe histologisch heterogener Tumoren dar, deren Diagnostik und Therapie unter den entsprechenden Entitäten besprochen wird. Grundsätzlich können im Bereich des Konus Gliome, Meningeome und andere Tumoren vorkommen, im Bereich der Kauda Neurinome und andere. Charakteristische Konus-Kauda Tumoren sind jedoch das myxopapilläre Ependymom des Filum terminale und das Paragangliom (siehe Ependymome, intradurale extraParagangliome, intradurale medulläre und extramedulläre).
Kopfschmerz, Alkoholkopfschmerz Einleitung Häufigste symptomatische Kopfschmerzform. Beim direkten Alkoholkopfschmerz treten ca. 30 min nach Alkoholkonsum dumpfe, bohrende, drückende oder pulsierende Kopfschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Mundtrockenheit oder Gesichtsblässe auf. Ein Alkoholentzugskopfschmerz entsteht 5–10 h nach Alkoholkonsum durch eine verzögerte Ausscheidung von Alkoholmetaboliten.
3
3
Differenzialdiagnose 3
Konussyndrom
Kopfschmerzen.
Prophylaxe
Definition Querschnittsyndrom ( Querschnittssyndrome) mit Läsion des Conus medullaris in Höhe des LWK1 und Funktionsausfall des Rückenmarkes kaudal von S2.
Alkoholkarenz.
Therapie Analgetikagabe, z. B. 1000 mg ASS.
3
Einleitung
Bildgebung (CT, MRT, Myelographie und Myelo-CT).
Definition Der Kopfschmerz bei der isolierten Angiitis der ZNS (IAN) ist ein Dauerkopfschmerz und typischerweise mit einer Enzephalopathie (kognitive Defizite, Wesensänderung) und multifokalen neurologischen Defiziten kombiniert.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch ist der Dauerkopfschmerz bei der Arteriitis temporalis (AT) auszuschließen. Wichtige Unterscheidungshilfe ist der laborchemische Nachweis von Entzündungszeichen bei der AT, während die Serum3
Diagnostik
Kopfschmerz, Angiitis 3
Klinisch findet sich eine Sensibilitätsstörung im Reithosenbereich, Analreflex und Bulbokavernosusreflex sind nicht auslösbar, der Analsphinktertonus ist schlaff, es besteht eine Überlaufblase. Die Motorik von Beinen und Füßen ist beim isolierten Konussyndrom erhalten. Begleitend finden sich oft Ausfälle der Wurzeln L3–S1, man spricht dann vom Konus-KaudaSyndrom. Häufigste Ursachen sind Traumen und raumfordernde Prozesse (Tumor, Massenprolaps).
Kopfschmerz, Angiitis
669
Kopfschmerz. Tab. 1: Differenzialdiagnose des Kopfschmerzes Diagnose *
Charakteristika, typische Begleitsymptome
Episodischer Kopfschmerz ohne strukturelle Läsion
Migräne
Episodisches Auftreten, einseitige Lokalisation, Photo- und Phonophobie
Clusterkopfschmerz
Streng einseitig, stärkste Schmerzen, Horner-Syndrom
Kopfschmerz vom Spannungstyp
Episodisch oder chronisch, drückender Charakter, bilateral, häufigster Kopfschmerztyp!
Hemikranie, chronische paroxysmale
Streng einseitig, Ansprechen auf Indometacin
*
Kopfschmerz bei Gefäßerkrankungen
Sinusvenenthrombose
Dumpf-drückend, fluktuierende neurologische Defizite
Subarachnoidalblutung
Akuter Beginn, extreme Schmerzen, Meningismus, neurologische Zeichen, Bewusstseinsstörung
Arteriitis temporalis
Alter ≥60, hohe BSG, druckschmerzhafte Temporalarterien
Dissektionen (A. carotis/vertebralis) Halbseitig, Hirnnervensymptome, neurologisches Defizit Hirninfarkt *
Neurologisches Defizit
Kopfschmerz bei intrakranieller Raumforderung oder Hirndruck
Hirntumor
Subakuter Beginn, Lebensalter ≥40
Intrakranielles Hämatom
Vorangegangenes Trauma, neurologisches Defizit
Kopfschmerz bei Pseudotumor cerebri
Pulsierender, frontal oder okzipital betonter Kopfschmerz, Stauungspapille, Visusstörung
Kopfschmerz bei Hydrozephalus
Übelkeit
*
Kopfschmerz bei Infektionen
Meningitis
Fieber, Meningismus, Bewusstseinsstörung
Kopfschmerz, infektionsbedingter
Fieberhafter Allgemeininfekt, holozephal
*
Kopfschmerz bei Erkrankungen des Schädels oder benachbarter Strukturen
Kopfschmerz, zervikogener
Einseitig, radiologisch gesicherte Veränderungen der oberen HWS, Triggerpunkte
Kopfschmerz, Augenerkrankungen
Glaukom, Brechungsfehler
Kopfschmerz, bei Schädelknochenerkrankung
Plasmozytom, Osteomyelitis, M. Paget
Kopfschmerz, Nasen-/Nasenneben- Frontal betont, lageabhängig höhlenerkrankung Kopfschmerz, Ohrenerkrankungen
z. B. Otitis media
Tolosa-Hunt-Syndrom
Orbitaler Schmerz, Augenmuskelparesen
Kopfschmerz bei Zahn- oder Kiefergelenkserkrankungen
Schmerzen während des Kauens, Kiefergelenksgeräusche
*
Neuralgiformer Kopfschmerz
Trigeminusneuralgie
Blitzartig einschießend, kurze Dauer, Triggerpunkte
Glossopharyngeusneuralgie *
Pressorischer Kopfschmerz
Kopfschmerz, Hustenkopfschmerz
Okzipital oder frontal, durch Husten provoziert
K
670
Kopfschmerz, Arteriitis temporalis (cranialis)
Kopfschmerz. Tab. 1: Differenzialdiagnose des Kopfschmerzes (Fortsetzung) Diagnose
Charakteristika, typische Begleitsymptome
Kopfschmerz durch körperliche An- Bilateral, pochend strengung *
Kopfschmerz durch Substanzeinwirkung
Kopfschmerz, medikamenteninduzierter
Bei Analgetikaabusus
Kopfschmerz, Natriumglutamatkopf- Glutamathaltige Lebensmittel (Chinarestaurant) schmerz Kopfschmerz, Nitrat/Nitritkopfschmerz
Auslösung durch nitrathaltige Medikamente, Pökelfleisch
Kopfschmerz, Kohlenmonoxidkopfschmerz Kopfschmerz, Alkoholkopfschmerz *
Alkoholkonsum
Kopfschmerz bei Stoffwechselstörungen
Hämodialyse
Beginn während Dialyse, Dauer ≤24 Stunden
Hypoglykämie
Holozephal, Schwitzen, Tremor
Exsikkose Hyperkapnie Kopfschmerz, hypoxischer *
Höhe, Lungenerkrankung, Schlafapnoesyndrom
Weitere Kopfschmerzformen
Kopfschmerz bei arterieller Hypertonie
Holozephal, Gesichtsrötung
Liquorunterdrucksyndrom
Nach Lumbalpunktion, Spinalanästhesie, auch spontan
Kopfschmerz, posttraumatischer
Nach Schädel- oder HWS-Trauma
Kopfschmerz, bei sexueller Aktivität Dumpf, bilateral, Verstärkung beim Orgasmus Kopfschmerz durch äußeren Druck Kopfschmerz, idiopathisch stechen- Stechender Schmerz, 1. Trigeminusast der
untersuchung bei der IAN charakteristischerweise normal ist. Hier wird die Diagnose neben den klinischen Kriterien durch neuroradiologische Verfahren (MRT, Angiographie) und den histologischen Nachweis gesichert.
Kopfschmerz, Arteriitis temporalis (cranialis)
schmerz. Er besitzt unangenehm drückenden oder bohrenden Schmerzcharakter.
Einleitung Er tritt häufig diffus auf, kann aber auch temporal betont sein. Begleitende Symptome sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Inappetenz, Gewichtsabnahme und depressive Stimmungslage. Nicht selten werden subfebrile Temperaturen beobachtet. Diese Allgemeinsymptome können dem Kopfschmerz vorausgehen. Pathognomonisches Symptom ist die Claudicatio masticatoria, die bei 20% aller Patienten auftritt. 3
Definition Der Kopfschmerz bei der Arteriitis temporalis ist oftmals das führende Symptom der Erkrankung und typischerweise ein Dauerkopf-
Differenzialdiagnose Etwa bei 25% aller Patienten mit laborchemi-
3
Kopfschmerz, Hemikranie, chronische paroxysmale
schen Hinweisen auf eine Entzündung und den unspezifischen Allgemeinsymptomen wird die Diagnose Arteriitis temporalis gestellt, ohne dass Kopfschmerzen aufgetreten sind.
Kopfschmerz, Augenerkrankungen
671
Kopfschmerz, durch körperliche Anstrengung Einleitung Meist bilateraler, pochender, durch körperliche Anstrengung (insbesondere bei schnellen Veränderungen der Aktivität, z. B. Gewichtheben) induzierter Kopfschmerz.
Einleitung
Diagnostik
Kopfschmerzen sind ein häufiges Begleitsymptom von Augenerkrankungen. Beim akuten Glaukom sind die Schmerzen im Auge sowie dahinter oder darüber lokalisiert, typisch sind uveale Hyperämie, Lidschwellung, Visusminderung und Mydriasis. Bei Brechungsfehlern sowie Heterophorie oder Heterotropie sind die Kopfschmerzen meist frontal betont, fehlen beim Aufwachen und nehmen im Tagesverlauf entsprechend der Augenbeanspruchung zu, begleitend bestehen oft Sehstörungen.
Ausschluss intrakranieller oder systemischer Ursachen.
Differenzialdiagnose Kopfschmerzen
Therapie Meiden exzessiver Anstrengungen, inbesondere bei hohen Temperaturen oder in großen Höhen. Evtl. prophylaktische Gabe von Indometacin bis 3×50 mg/die (Amuno®).
Synonyme
3
Therapie
CPH, früher Sjastaad-Syndrom
Behandlung der Augenerkrankung.
Definition
Kopfschmerz, Clusterkopfschmerz Synonyme Clusterkopfschmerz
3
Kopfschmerz, durch äußeren Druck
K
Kopfschmerz, Hemikranie, chronische paroxysmale
Seltenes idiopathisches Kopfschmerzleiden, das durch Attacken eines extremen, streng einseitig lokalisierten Schmerzes von periorbitaler oder temporaler Lokalisation mit einer Dauer von 2–45 min (meist 5–20 min) und einer Häufigkeit von mehr als 5 Attacken pro Tag über mehr als die Hälfte der Zeit mit mindestens einem der folgenden Symptome auf der Seite der Schmerzen (Ptosis, konjunktivale Injektion, Lakrimation, Rhinorrhoe, Kongestion der Nase, Lidödem) sowie ein Ansprechen auf Indometacin charakterisiert ist.
Einleitung Die Symptomatik ähnelt stark der des Clusterkopfschmerzes mit jedoch kürzeren, häufigeren Attacken und Häufung bei Frauen. Oft beschreiben die Patienten einen Dauerkopfschmerz. Im Gegensatz zum Clusterkopfschmerz sind die Attacken über den Tag verteilt, und die Patienten verhalten sich eher ruhig. Die Pathogenese ist unklar. Das früher geforderte absolute Ansprechen auf Indometacin ist unter Diskussion. Neben der chronischen 3
Einleitung Die Kopfschmerzen entstehen durch mechanische Irritation des Nervus trigeminus oder der Nervi occipitales, z. B. beim Tragen eines Helmes.
Therapie Vermeidung der Kompression.
Kopfschmerz, Hirntumor
Diagnostik Diagnostisch wegweisend ist das Ansprechen auf Indometacin. Klinischer Befund im Intervall sowie Zusatzdiagnostik (MRT) sind unauffällig. Differenzialdiagnostisch müssen in erster Linie eine Trigeminusneuralgie, ein Clusterkopfschmerz, ein SUNCT-Syndrom sowie sekundäre Formen (Pancoast-Tumor, intrakranielle Raumforderung, insbesondere im Sellabereich, Vaskulitiden, Hirndruck) abgegrenzt werden. 3
3
3
Therapie empirisch Langsam aufsteigende Gabe von Indometacin bis zunächst 150–mg/die für 4 Tage. Bei Vorliegen einer CPH tritt meist nach 2 (maximal 5) Tagen eine Besserung ein. Die Erhaltungsdosis muss individuell bestimmt werden, meist reichen 3×25 mg/die aus, manche Patienten benötigen nur Tagesdosen von 12,5 mg, bei schweren Verläufen sind jedoch auch Dosen von 300 mg/die oder mehr erforderlich. Ein Absetzversuch sollte mindestens einmal jährlich vorgenommen werden, häufig ist jedoch eine Dauertherapie erforderlich. Parallel sollte ein Magenschutz (z. B. Ranitidin) eingenommen werden. Bei Langzeittherapie kann ein medikamentös induzierter Dauerkopfschmerz ( Kopfschmerz, medikamentös induziert) auftreten. Alternativ zu Indometacin wurde eine Wirkung anderer nichtsteroidaler Antiphlogistika sowie von Verapamil und Acetazolamid beschrieben. 3
unwirksam/obsolet Sumatriptan ist wahrscheinlich wirkungslos, ebenso Carbamazepin, β-Blocker, Lithium, Amitriptylin und Methysergid.
Kopfschmerz, Hirntumor Einleitung Kopfschmerzen bei Gehirntumoren sind ein häufiges Symptom und betreffen mehr als die Hälfte aller Patienten bei Diagnosestellung [1].
Differenzialdiagnose Die Differenzialdiagnose umfasst alle Kopfschmerzformen. Für Zephalgien als Folge einer intrakraniellen Raumforderung sind allerdings eine Reihe von anamnestischen Angaben und Symptome typisch: 1. Die Zephalgien treten initial nachts bzw. in den frühen Morgenstunden auf, weil dann der intrakranielle Druck am höchsten ist. Sie lassen zunächst nachmittags und abends nach oder verschwinden ganz. 2. Die Kopfschmerzen sind neu oder sie treten bei Patienten mit vorbestehenden Kopfschmerzen mit einem anderen, neuen Charakter auf. 3. Insgesamt sind die Zephalgien progredient, sie sprechen immer schlechter auf banale Analgetika an und sind schließlich nur noch in sitzender oder stehender Position erträglich. Dann kommen weitere Zeichen einer intrakraniellen Druckerhöhung hinzu. Treten bei einem Patienten die unter 1. und 2. aufgeführten Symptome auf, muss immer bildgebend ein intrakranieller Tumor ausgeschlossen werden, wobei hierzu beim Leitsymptom Kopfschmerz ein hochauflösendes CT mit Kontrastmittel ausreichend ist.
Therapie gesichert Die Therapie besteht in der Senkung des intrakranielle Druckes durch Beseitigung der Raumforderung und durch antiödematöse Maßnahmen. Patienten mit peritumoralem Ödem sind in der Regel innerhalb weniger Stunden nach Einleitung einer Steroidtherapie kopfschmerzfrei. Diese sollte lediglich bei primären zerebralen Lymphomen aus diagnostischen Gründen vermieden werden. 3
tritt auch eine episodische Verlaufsform auf, manchmal als Vorläufer der chronischen Form.
3
672
Nachsorge Im Verlauf einer Gehirntumorerkrankung sind Kopfschmerzen in der Regel kein unbeherrschbares Problem. Wenn hirndrucksenkende Maßnahmen allein nicht ausreichen, werden die üblichen eskalierenden analgetischen Behandlungsprinzipien umgesetzt.
Literatur 1. Forsyth PA, Posner JB (1993). Headaches in patients with brain tumors: a study in 111 patients. Neurology 43:1678–1683.
Kopfschmerz, Kohlenmonoxid-Kopfschmerz
Kopfschmerz, Höhenkopfschmerz
673
Kopfschmerz, in aufrechter Position
Höhenkopfschmerz
3
3
Kopfschmerz, Hustenkopfschmerz Hustenkopfschmerz
Liquorunterdrucksyndrom
Kopfschmerz, infektionsbedingt Einleitung Kopfschmerzen können als Leitsymptom bei Meningitis oder als Begleitsymptom bei nicht primär den Kopf betreffenden Infektionen (durch Pyrogene und Freisetzung von Prostaglandinen etc.) auftreten.
3
3
Kopfschmerz, hypoxischer Einleitung Durch Hypoxie oder Hyperkapnie (z. B. in schlecht gelüfteten Räumen, bei Atemstörungen ( Schlafapnoesyndrom), Lungenerkrankungen oder als Höhenkopfschmerz) bedingter meist bilateral frontal betonter Kopfschmerz. 3
3
Therapie Sauerstoffzufuhr, Behandlung der Grunderkrankung.
Kopfschmerz, idiopathisch stechender
Therapie Erregerspezifische Behandlung der Infektion. Symptomatische Therapie mit Analgetika, z. B. 1000 mg ASS oder Paracetamol.
K Kopfschmerz, kältebedingt Einleitung Durch Exposition des Kopfes gegen niedrige Temperaturen ausgelöster (meist bilateraler) oder durch Aufnahme kalter Speisen/Getränke (Eiscremekopfschmerz) ausgelöster (meist frontal empfundener, weniger als 5 min anhaltender) Kopfschmerz.
Synonyme
Therapie
Eispickelschmerz
Vermeidung von Kälteexposition bzw. langsames Schlucken kalter Speisen und Getränke.
Einleitung Auf den Kopf und hier vorrangig auf den ersten Trigeminusast beschränkte, stechende, nur Sekundenbruchteile anhaltende Schmerzattacken, die einzeln oder in Serien in unregelmäßigen Abständen (Stunden bis Tage) auftreten. Häufig bei Patienten mit Migräne.
Diagnostik Ausschluss einer strukturellen Veränderung im Bereich des Schmerzes bzw. des Nerves.
Therapie Orale Gabe von Indometacin, z. B. 3×25 mg/ die (Amuno®).
Kopfschmerz, KohlenmonoxidKopfschmerz Einleitung Oft in schlecht belüfteten Räumen auftretender, meist holozephaler, pulsierend-pochender Kopfschmerz, bei weiterer Zunahme der COKonzentration können psychische Reizbarkeit, Übelkeit, Erbrechen und Somnolenz auftreten (bis hin zu Koma und Tod).
Therapie Sauerstoff-/Frischluftzufuhr.
674
Kopfschmerz, medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz
Kopfschmerz, medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz Definition Dauerkopfschmerz, der nach täglicher Einnahme einer Mindestdosis einer Substanz über mindestens 3 Monate an mindestens 15 Tagen pro Monat auftritt und sich innerhalb von 4 Wochen nach Absetzen der Medikamente bessert.
Einleitung Schmerzcharakter meist dumpf-drückend, manchmal pulsierend, oft begleitet von Übelkeit oder Erbrechen. Anamnestisch meist primärer Kopfschmerz (60% Migräne, 35% Kopfschmerz vom Spannungstyp) in der Vorgeschichte. Häufige Kopfschmerzursache (5– 10% aller Kopfschmerzpatienten), Frauen sind häufiger betroffen (w:m = 5:1). Kriterien für die Diagnose eines medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes sind eine Monatsdosis von ASS oder Paracetamol ≥50 g (bzw. äquivalenter Mengen anderer Analgetika), Ergotamin (oral) 20 mg, 100 Tabletten eines Kombinationspräparates mit Barbituraten oder anderen Nichtopioidanalgetika oder die Einnahme eines oder mehrerer Opioidanalgetika. Die kritische Monatsdosis für Sumatriptan (oral) liegt bei 800 mg (Anhaltswerte). Insbesondere Kombinationspräparate (z. B. Analgetikum + Koffein) bergen ein hohes Potential für die Auslösung eines Dauerkopfschmerzes.
ungünstigem sozialen Umfeld (ein Kriterium genügt). Analgetika sollten abrupt abgesetzt werden, Tranquilizer etc. werden ausgeschlichen. Häufig ist eine antiemetische Therapie (z. B. Metoclopramid 10–20 mg/die, Paspertin®) notwendig, gelegentlich eine parenterale Flüssigkeitssubstitution. Analgetika sollten prinzipiell ganz vermieden werden, nur ausnahmsweise z. B. i. v. Gabe von ASS (500–1000 mg, Aspisol®). Insbesondere beim primären Kopfschmerz von Spannungstyp ist die orale oder i. v. Gabe von Amytriptylin (25–100 mg/die, Saroten®) oder Doxepin (25–100m g/die, Aponal®) sinnvoll.
3
Die Diagnose erfolgt anhand der Anamnese.
Therapie Entzugsbehandlung. Voraussetzung ist eine hohe Motivation sowie eine gründliche Aufklärung des Patienten über die Entstehung des Kopfschmerzes und den Verlauf der Behandlung sowie der zu erwartenden Entzugssymptome (Auftreten von Entzugskopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Unruhe, Schlafstörungen, Angstzustände, Halluzinationen etc.). Eine ambulante Therapie ist sinnvoll bei sehr hoher Therapiemotivation des Patienten, Abusus einfacher Analgetika und Unterstützung durch das familiäre Umfeld. Die Indikation zum stationären Entzug besteht bei langjährigem Abusus, Einnahme von Mischpräparaten oder psychotropen Substanzen, früheren erfolglosen Entzugsversuchen, begleitender Depression oder
Nach erfolgreichem Entzug ist eine Behandlung der primären Kopfschmerzerkrankung essentiell (Akutbehandlung und Prophylaxe), anderenfalls sind Rückfälle vorprogrammiert.
Prognose Etwa 70–90% der Patienten werden frei von Dauerkopfschmerzen.
Kopfschmerz, Nasen-/Nasennebenhöhlenerkrankung Einleitung Kopfschmerzen stellen ein Hauptsymptom bei Sinusitiden dar, die Kopfschmerzlokalisation hängt ab von der Lokalisation der Entzündung: * Sinusitis frontalis: Frontal, hinter den Augen. * Sinusitis maxillaris: Über der Kieferhöhle, Zähne, Stirn. * Sinusitis ethmoidalis: Zwischen und hinter den Augen, Schläfen. * Sinusitis sphenoidalis: Okzipital, Stirn, Schläfen, Scheitel. Häufig Schmerzzunahme beim Vornüberbeugen des Kopfes.
Differenzialdiagnose Klinik: Nachweis von Eiter im Nasen-RachenRaum. Bildgebung: Nativröntgen, CT, MRT, Ultraschall. Kopfschmerzen. 3
3
Diagnostik
Nachsorge
Kopfschmerz, vom Spannungstyp
Abschwellende Maßnahmen: Nasentropfen (Xylometazolin 0,1%, z. B. Otriven®) alle 2– 3 h. Sekretverflüssigung mittels Wasserdampfinhalation, ggf. zusätzlich Sekretolytika (Ambroxol 3×30 mg/die, z. B. Ambrohexal® oder Acetylcystein (ACC) 3×200 mg/die, z. B. Bromuc®). Bei ausgeprägter Symptomatik antibiotische Therapie (Doxycyclin 100–200 mg/die, z. B. Supracyclin®, alternativ Aminopenicilline). Bei mangelnder konservativer Therapie sollte immer ein HNO-Arzt konsultiert werden.
*
ne (Attackenhäufung) oder positiver Familienanamnese. Posttraumatischer zervikogener Kopfschmerz: okzipitonuchale Betonung, Ausstrahlung nach frontal, ziehend, einseitig, Bewegungsabhängigkeit. 3
Therapie
675
Differenzialdiagnose Abgrenzung eines Kopfschmerzes durch Skalpoder Kalottenverletzung, bei fokalen Symptomen Ausschluss einer Subarachnoidalblutung, einer intrazerebralen Blutung oder einer Gefäßdissektion.
Therapie
Kopfschmerz, NatriumglutamatKopfschmerz
Das therapeutische Vorgehen entspricht dem bei der jeweiligen Kopfschmerzform ohne vorangegangenes SHT.
Prognose Natriumglutamatkopfschmerz
In einer Untersuchung an über 100 Patienten litten 90% innerhalb des ersten Monats an Kopfschmerzen, nach 1 Jahr noch 35%, nach 2 Jahren 22% und nach 3 Jahren noch 20%.
3
Kopfschmerz, posttraumatischer Definition Kopfschmerz, der in zeitlichem Zusammenhang (spätestens 2 Wochen nach Trauma bzw. nach Wiedererlangen des Bewusstseins) mit einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) auftritt. Der akute posttraumatische Kopfschmerz klingt innerhalb von 8 Wochen ab, anderenfalls liegt ein chronischer posttraumatischer Kopfschmerz vor.
Einleitung Die Inzidenz des posttraumatischen Kopfschmerzes nach SHT schwankt zwischen 36 und 90%. Häufigeres und schwereres Auftreten nach leichtem SHT. Man unterscheidet: * Posttraumatischer Kopfschmerz vom Spannungstyp (am häufigsten, ca. 85%): dumpf-drückend, ziehend, holozephal, bandförmig, helmartig oder auch okzipitonuchal betont. Episodisch oder kontinuierlich. * Posttraumatischer Kopfschmerz vom Migräne-Typ: pulsierend, Verschlimmerung bei körperlicher Aktivität, Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmemfindlichkeit, Aurasymptome (meist visuelle Aura). Häufig bei Patienten mit vorbestehender Migrä-
Kopfschmerz, Schädelknochenerkrankung Einleitung Die meisten Erkrankungen des Schädels (Fehlbildungen, Frakturen, Tumoren, Metastasen) verursachen keine Kopfschmerzen. Ausnahmen bilden der Kopfschmerz bei Plasmozytom, Osteomyelitis und Osteodystrophia deformans (Morbus Paget).
Therapie Symptomatische (analgetische) Therapie, Behandlung der Grunderkrankung.
3
Kopfschmerz, vom Spannungstyp Synonyme Spannungskopfschmerz
3
Definition Der Kopfschmerz vom Spannungstyp ist gekennzeichnet durch leichte bis mäßige bilaterale, drückende bis ziehende (nicht pulsierende)
K
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Kopfschmerz, vom Spannungstyp
Kopfschmerz, vom Spannungstyp. Abb. 1: Klinisches Bild
Einleitung Der Kopfschmerz vom Spannungstyp ist der häufigste Kopfschmerztyp überhaupt (Prävalenz des episodischen Typs 40–90%, des chronischen ca. 3%). Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Nicht selten tritt komplizierend ein medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz hinzu. Fehlende Therapieerfolge sind am häufigsten durch falsche Diagnose, zu niedrige oder initial zu hohe Dosen, eine zu kurze Behandlungsdauer oder durch einen nicht erkannten medikamenteninduzierten Kopfschmerz bedingt.
Diagnostik Die Diagnosestellung erfolgt in erster Linie anhand der Anamnese. Der klinisch-neurologische Befund ist unauffällig. Zusatzuntersuchungen (CCT bzw. MRT, EEG) sind nur bei Verdacht auf eine symptomatische Genese indiziert.
Therapie gesichert 1. Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: Keine gesicherte Therapie bekannt. 2. Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: Mittel der 1. Wahl ist Amitriptylin (z. B. Saroten®). Die Dosierung erfolgt einschleichend, z. B. beginnend mit 10–25 mg zur Nacht, wöchentliche Steigerung (je nach Verträglichkeit) um 25 mg bis zu einer Dosis von zunächst 75 mg (in Ausnahmefällen bis 150 mg). Alternativ kann Amitriptylinoxid (initial 15–30 mg, Steigerung zunächst über 3–4 Wochen auf 90 mg, z. B. Equilibrin®) gegeben werden. Ein therapeutischer Effekt ist erst nach 2–3 Wochen zu erwarten, initial treten häufig Nebenwirkungen (Müdigkeit, Schwindel, Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, Schlafprobleme, kardiale Nebenwirkungen, Gewichtszunahme) auf. Sofern nach 8 Wochen kein Therapieeffekt eingetreten ist, sollte ein Medikament der zweiten Wahl ausprobiert werden. 3
Kopfschmerzen ohne begleitende Übelkeit oder Erbrechen (Phonophobie oder Photophobie können auftreten), fehlende Verstärkung durch körperliche Aktivitäten und fehlenden Anhalt für eine strukturelle oder substanzvermittelte Ursache. Man unterscheidet einen episodischen (Attackendauer zwischen 30 min und 7 Tagen, Auftreten an weniger als 15 Tagen pro Monat bzw. weniger als 180 Tagen pro Jahr) von einem chronischen Typ (Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen pro Monat über wenigstens 6 Monate bzw. mehr als 180 Tage pro Jahr).
empirisch 1. Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: Gabe von ASS (500–1000 mg), Paracetamol (500–1000 mg, z. B. Ben-u-ron®), Ibuprofen (400–600 mg, z. B. Aktren®). Analgetika sollten keinesfalls an mehr als 10 Tagen pro Monat eingenommen werden (Gefahr der Auslösung eines medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes). Kombinations-
Kopfschmerz, zervikogener
präparate mit Koffein, Kodein, Muskelrelaxantien etc. sind zu vermeiden.10% Pfefferminzöl (Oleum menthae piperitae) großflächig auf Stirn und Schläfen aufgetragen, ist ebenso wirksam wie 1000 mg Paracetamol. Bei hoher Anfallsfrequenz ist auch die Anwendung verhaltenstherapeutischer Verfahren sinnvoll, insbesondere die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson ( Entspannungsverfahren). 2. Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: Alternativ können Doxepin (25–150 mg, z. B. Aponal®), Clomipramin (17–150 mg, z. B. Anafranil®) oder Maprotilin (25– 75 mg, z. B. Ludiomil®) verwendet werden. Nebenwirkungen und Kontraindikationen wie bei Amitriptylin. Verhaltenstherapeutische Verfahren, insbesondere die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson ( Entspannungsverfahren), sind sinnvoller Bestandteil der Therapie des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp. Beim chronic daily headache kann Gabapentin in einer Dosierung von 2400 mg tlg. erfolgreich eingesetzt werden [1]. 3
3
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unwirksam/obsolet 1. Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: Sumatriptan (Imigran®) ist unwirksam. 2. Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: Muskelrelaxantien, Benzodiazepine, Neuroleptika, Barbiturate, Ergotaminderivate, allein oder in Kombination mit Analgetika, sollten keine Anwendung finden.
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Kopfschmerz, zervikogener Definition IHS-Kriterien: A. Schmerzlokalisation nuchal und okzipital, Projektion evtl. nach frontal, orbital, temporal oder in die Ohren. B. Schmerzauslösung durch besondere Halsbewegungen oder - positionen. C. Zumindest eine der folgenden Bedingungen: 1. Widerstand oder Bewegungseinschränkung der passiven Beweglichkeit. 2. Veränderungen von Struktur, Kontur, Tonus der Halsmuskulatur oder ihrer Reaktion auf aktive und passive Dehnung und Kontraktion. 3. Erhöhte Schmerzempfindlichkeit der Halsmuskulatur. D. Mindestens eines der radiologischen Kriterien: 1. Störung der Beweglichkeit bei Flexion/ Extension. 2. Abnorme Haltung der HWS. 3. Frakturen, angeborene Fehlbildungen, Knochentumoren, rheumatoide Arthritis oder eine andere eindeutige Veränderung (jedoch nicht Spondylose oder Osteochondrose).
Einleitung
Die Behandlung des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp gestaltet sich oft schwierig, häufig kann nur eine Linderung, jedoch keine Befreiung vom Kopfschmerz erzielt werden.
Leitsymptom ist der einseitige, meist seitenkonstante, vom Nacken nach okzipital strahlende Schmerz. Meist anfallsartig, täglich oder mehrmals wöchentlich auftretend, häufig auch dumpfer Dauerschmerz. Unspezifische Begleitsymptome (Übelkeit, Photo- und Phonophobie, Sehstörungen, Schluckstörungen) können vorhanden sein. Ein zervikogener Kopfschmerz wird wahrscheinlich zu häufig diagnostiziert. Der Nachweis zervikaler Spondylosen oder Osteochondrosen ist nicht ausreichend für die Diagnosestellung.
Literatur
Diagnostik
Prognose
1. Spira PJ, Beran RG (2003). Gabapentin in the prophylaxis of chronic daily headache: A randomized, placebo-controlled study. Neurol 61:1753–1759.
Sorgfältige klinische Untersuchung. Bei begründetem klinischen Verdacht sollte eine bildgebende Diagnostik von HWS und Schädel erfolgen.
K
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Koprolalie
Therapie empirisch Physikalische Maßnahmen wie Massagen und Krankengymnastik sind Grundlage der Behandlung. Analgetika und Antirheumatika (ASS 500–1000 mg, Paracetamol 500–1000 mg, z. B. Ben-u-ron®, Ibuprofen 400–600 mg, z. B. Aktren®) können zeitlich begrenzt eingesetzt werden, dabei ist ein festes Zeitschema sinnvoll (Gabe 3–4 x täglich in festen Abständen). In schwierigen Fällen kann auch die Gabe niedrigpotenter Opioidanalgetika (retardiertes Tramadol 2×100 mg, z. B. Tramal long®) erforderlich werden. Bei länger anhaltenden Beschwerden ist die Gabe von Trizyklika wie beim chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp sinnvoll. Durch therapeutische Nervenblockaden ist nur eine passagere Besserung zu erzielen. 3
unwirksam/obsolet Chiropraktische Manöver sollten wegen der Gefahr einer Vertebralisdissektion unterlassen werden.
Koprolalie
aus dem öffentlichen Leben zurückziehen und starb vereinsamt im Alter von 86 Jahren. Das klinische Spektrum kann sehr breit gefächert sein.
Kornealreflex Definition Durch Berührung der Kornea mit einem Wattetupfer löst man den Kornealreflex aus, eine reflektorische Kontraktion des M. orbicularis oculi.
Grundlagen Der Reflexbogen besteht aus Fasern von den sensiblen Schleimhäuten der Kornea, die über den N. ophthalmicus zum Nucleus sensorius principalis n. trigemini verlaufen und auf die Fazialiskerne als efferentes Glied umschalten. Die efferenten Fasern verlaufen im N. facialis. Bei Schädigung eines der Elemente der Reflexbahn kann der Kornealreflex aufgehoben sein. Ursachen können z. B. Tumoren, Sinus-Cavernosus-Thrombose, intrakranielle Blutungen, Trigeminusläsion und Fazialisparesen sein. Im tiefen Koma erlöscht der Reflex ebenfalls.
Definition Vokalisieren von obszönen Ausdrücken, meistens kurzsilbige.
Korsakow-Amnesie
Einleitung
Definition
Koprolalie oder Kopropraxie (entsprechende sinntragende motorische Entäußerungen wie Masturbationsbewegungen) wird meist mit der Tourette-Störung, obwohl sie nach DSM-IV kein zwingendes Kriterium für die Diagnose einer Tourette-Störung ist, in Verbindung gebracht. Der Name Tourette-Störung oder - Syndrom geht auf den Erstbeschreiber Gilles de la Tourette, einen französischen Neurologen, zurück, der im Jahr 1885 über neun Patienten berichtete, die an ähnlichen Tic-Störungen litten. Die Koprolalie war lediglich eines der auffallensten Symptome. Unter den Patienten befand sich auch eine Adlige, die Marquise de Dampierre, die seit ihrem 7. Lebensjahr komplexe vokale Tics hatte. Wegen des oftmals obszönen Inhalts der komplexen Vokalisationen musste sie sich
Im Rahmen einer Korsakow-Psychose ( Korsakow-Syndrom) auftretende Amnesie. 3
Einleitung Die Korsakow-Psychose tritt häufig im Anschluss an Alkoholdelir, an Wernicke-Enzephalopathie oder chronisch-progredient auf. Sie kommt bei 3–5% der Alkoholiker vor. Eine Besserung ist auch noch nach Monaten möglich, allerdings sind auch ungünstige, irreversible Verläufe möglich. Symptome sind vor allem Merkfähigkeitsstörungen, Desorientiertheit und Konfabulationen. Oft sind die Patienten in einer flach euphorischen Stimmung. Die Merkstörungen im Sinne einer Amnesie beziehen sich vor allem auf jünger zurückliegende und in der Gegenwart neu erfolgte Ereignisse und Lerninhalte. 3
3
Kostoklavikuläres Syndrom
gesichert Therapieversuch mit Vitamin B1.
Prognose Prognose bei der Korsakow-Psychose weniger günstig als bei Wernicke-Enzephalopathie und Delirium tremens.
3
Therapie
Schulterbereich (Oberbegriff: „thoracic outlet“-Syndrom). Es wird verursacht durch eine Kompression des Plexus brachialis zwischen der 1. Rippe und der Klavikula. In aller Regel ist hier ausreichend Platz. Lediglich bei gewissenen Prädispositionen (hängende Schultern, Deformierung der 1 Rippe oder posttraumatisch der Klavikula) kann es hier zu Einengungen kommen. Im Einzelfall fällt die Differenzierung von anderen Kompressionssyndromen des Armplexus (Halsrippensyndrom, Skalenussyndrom) schwer, Armplexusläsion. 3
Weiter zurückliegende Ereignisse können besser reproduziert werden.
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Einleitung
Korsakow-Syndrom
Augrund meist chronischen Alkoholabusus auftretende Psychose, bei der die Symptomentrias einer Merkfähigkeitsstörung, Desorientiertheit und Konfabulation im Vordergrund steht.
Die Patienten klagen über Schmerzen und Missempfindungen beim Belasten des hängenden Armes (ähnlich wie beim Skalenussyndrom). Eine venöse Stauung kann vorliegen. Objektive Befunde sind Zeichen einer unteren Armplexusparese. Sensibilitätsstörungen können an der ulnaren Seite des Unterarmes und der Hand bestehen. Besonders nach Klavikulafrakturen können aber auch Läsionen des oberen Plexus vorliegen.
Einleitung
Diagnostik
Die Korsakow-Psychose tritt häufig im Anschluss an Alkoholdelir, an Wernicke-Enzephalopathie oder chronisch-progredient auf. Sie kommt bei 3–5% der Alkoholiker vor. Eine Besserung ist auch noch nach Monaten möglich, allerdings sind auch ungünstige, irreversible Verläufe möglich. Symptome sind vor allem Merkfähigkeitsstörungen, Desorientiertheit und Konfabulationen. Oft sind die Patienten in einer flach euphorischen Stimmung oder passiv. Auffassungsstörungen und eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses sind häufig.
Die Diagnostik umfasst vorwiegend elektrophysiologische Methoden (F-Welle N. ulnaris, Ulnaris-SEP, EMG der Muskeln des unteren Armplexus). Verschiedene Provokationsmethoden (z. B. aktives Pressen der Schultern nach hinten und unten) können durch Kompression der A. subclavia zu einem Pulsverlust der A. radialis führen. Dieses kann aber auch bei gesunden Individuen der Fall sein. Eine Röntgendiagnostik sollte zum Nachweis einer Halsrippe oder einer knöchernen Deformität erfolgen. Mittels MRT der oberen Thoraxapertur können gegebenenfalls Weichteilveränderungen (z. B. fibröse Bänder) dargestellt werden. Grundsätzlich ist der sichere Nachweis eines kostoklavikulären Syndroms schwierig.
Synonyme
3
Korsakow-Psychose
Definition
Differenzialdiagnose Exogene Psychosen, endogene Psychosen, etc. Therapie; gesichert Therapie mit Vitamin B-Komplex, insbesondere Vitamin B1, Wernicke-Enzephalopathie. 3
Kostoklavikuläres Syndrom Definition Das kostoklavikuläre Syndrom gehört zu den Kompressionssyndrom des Armplexus im
Therapie Die Therapie sollte in aller Regel konservativ sein. Hier stehen Maßnahmen zur Entlastung des Armes und zur Haltungsverbesserung mittels Physiotherapie im Vordergrund. Nur bei Versagen konservativer Maßnahmen und deutlich progredienter Symptomatik und in der Bildgebung nachgewiesener komprimierender Struktur kommt ein operatives Vorgehen in Betracht. Meist wird eine Resektion der 1. Rippe
K
680
Krabbe-Erkrankung
durchgeführt. Dem supraklavikulären Zugang ist wegen der geringeren Komplikationsrate gegenüber dem transaxillären Zugang (hierbei häufig Plexusschädigungen oder Rezidive) der Vorzug zu geben. Zur weiteren Therapie, „thoracic outlet“-Syndrom. 3
Krabbe-Erkrankung Synonyme Globoidzellen-Leukodystrophie
Definition Durch einen Defekt der lysosomalen Beta-Galaktocerebrosidase (GALC) bedingte Leukodystrophie.
Einleitung Die Krabbe-Erkrankung wird autosomal rezessiv vererbt. Das Gen für GALC liegt auf Chromosom 14q24.3-32.1. Die fehlende Aktivität von GALC bewirkt, dass verschiedene Galaktolipide nicht abgebaut werden und daher akkumulieren, darunter auch Galaktosylsphingosin (Psychosin). Die Akkumulation von Psychosin scheint verschiedene Effekte zu haben, die für sich oder in Kombination zur Toxizität von Oligodendrozyten bzw. Schwann-Zellen beitragen können. Dazu zählen Hemmung der Cytochrom-C-Oxidase, Hemmung der mitochondrialen ATPase, Hemmung des Einbaus von Galaktose in Cerebroside und Sulfatide innerhalb von Oligodendrozyten, Interaktion mit dem TZell-Tod-assoziierten Gen 8 und anderen. Es resultiert Apoptose der Oligodendrozyten sowie progrediente Demyelinisierung. Histologisch imponieren neben Apoptose von Oligodendrozyten und Demyelinisierung vielkernige „Globoid“-Zellen, die sich aus Mikrogliazellen bilden. Nach dem Manifestationsalter werden früh-infantile (Manifestation bis 6. Lebensmonat), spät-infantile (6. Monat bis 3 Jahre), juvenile (bis 10 Jahre) und adulte Fälle (>10 Jahre) unterschieden. Etwa 90% sind früh-infantile Fälle. Spätere Manifestation scheint mit unterschiedlicher Restaktivität und entsprechend geringerer Akkumulation von Sphingosin assoziiert zu sein. Dies lässt sich nicht allein auf unterschiedliche Mutationen im GALC-Gen zurückführen,
weil auch innerhalb der Familie variable Manifestationen vorkommen. Symptome der früh-infantilen Fälle umfassen psychomotorische muskuläre Hypotonie, Hyperreflexie, spastische Tetraparese, vermehrte Irritabilität und epileptische Anfälle, Opisthotonus, Fieber, Opticusatrophie, Retardierung, Erbrechen, verzögerte Nervenleitung und erhöhtes Liquoreiweiß. Bei den adulten Fällen kann eine spastische Paraparese das einzige Symptom sein. Bei spät-infantilen und juvenilen Fällen treten meist Polyneuropathie mit Hohlfüßen, geistige Retardierung, z. T. auch Anfälle und Visusminderung hinzu. Die Demyelinisierungen lassen sich in der Regel im MRT sowie mit Untersuchung evozierter Potenziale sowie Elektroneurographie fassen. Bei spätmanifesten Fällen kann das MRT des Schädels normal sein. Die GALCAktivität lässt sich in Leukozyten bestimmen. MR-spektroskopisch finden sich Cholin und Inositolen in der betroffenen weißen Substanz erhöht. Kreatin kann erhöht sein, N-Azetylaspartat erniedrigt.
Diagnostik Klinische Untersuchung, EEG, NLG, evozierte Potenziale, MRT des Schädels, MR-Spektroskopie des Gehirns, Bestimmung der GALCAktivität in Leukozyten. Genetische Untersuchung.
Therapie Die Irritabilität soll sich auf Benzodiazepine schlecht, wohl aber auf Morphin in niedriger Dosis bessern. Im Tiermodell hatten Schwangerschaft bzw. Östrogene einen günstigen Effekt auf die Erkrankung. Berichte über hormonelle Wirkungen am Menschen liegen bislang nicht vor. Allogene Knochenmarktransplantation wurde bei einigen Individuen mit Krabbe-Erkrankung durchgeführt und war mit einer hohen Mortalität verbunden. Es handelt sich um eine experimentelle Therapie.
Prognose Sehr abhängig vom Manifestationsalter bzw. von der Restaktivität der GALC.
Literatur 1. Stewart WA, Gordon KE, Camfield PR, Wood EP, Dooley JM. Irritability in Krabbe`s disease:
Krampus dramatic response to low-dose morphine. Pediatr Neurol 2001; 25:344–345 2. Matsuda J, Vanier MT, Saito Y, Suzuki K, Suzuki K. Dramatic improvement during pregnancy in a genetic leukodystrophy: estrogen appears to be a critical factor. Hum Mol Genet 2001; 10:2709– 2715 3. Caniglia M, Rana I, Pinto RM, et al. Allogeneic bone marrow transplantation for infantile globoidcell leukodystrophy (Krabbe`s disease). Pediatr Transplant 2002; 6:427–431
Krallenhand
681
Therapie Therapie und Prognose hängen von der zugrunde liegenden Ätiologie der Ulnarisläsion ab. Symptomatisch sollten bei deutlicheren Paresen krankengymnastische Übungsbehandlungen und/oder Ergotherapie erfolgen.
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Krampfanfall
Definition
Einleitung Bei einer Schädigung der ulnarisversorgten Handmuskeln kommt es zu einem Ausfall der Beugefunktion der Mm. interossei im Grundgelenk. Dadurch überwiegen die langen Fingerstrecker (N. radialis), sodass die Finger im Grundgelenk hyperextendiert werden. Die Mittel- und Endgelenke sind wegen des Ausfalls der Streckfunktion der Mm. interossei gebeugt, wodurch das typische Bild der Krallenhand entsteht. Die Finger II und III sind dabei weniger betroffen, weil ihre medianusversorgten Mm. lumbricales die Fehlstellung z. T. kompensieren [1].
Differenzialdiagnose Grundsätzlich können alle Ulnarisläsionen gleich welcher Ätiologie (Druck, Tumor, Entzündung, Engpass, Trauma) zu einer Krallenhand führen, wenn die Schädigung ausgeprägt ist. Dabei kann die Läsion am Handgelenk (Loge-de-Guyon-Syndrom, Guyon-Loge), am Unterarm, im Bereich des Ellenbogens ( Sulcus-ulnaris-Syndrom, Kubitaltunnelsyndrom, Kubitaltunnel) oder noch weiter proximal liegen. Bei Läsionen proximal des Handgelenkes kommen zur Krallenhand noch Paresen des M. flexor carpi ulnaris und des M. flexor digitorum IV und V hinzu [1]. Abgegrenzt werden muss die reine Ulnarisschädigung von einer Plexusläsion. Stehen die motorischen Defizite ganz im Vordergrund, so muss differenzialdiagnostisch auch an eine Vorderhornschädigung gedacht werden.
3
Typische, paresebedingte Fehlstellung der Hand bei Läsionen des N. ulnaris im Bereich des Handgelenkes oder weiter proximal davon.
Anfall, generalisiert tonisch-klonischer
Krampus Synonyme Muskelkrampf
Definition Unwillkürliche, schmerzhafte Skelettmuskelkontraktion, die mit einer erhöhten Entladungsrate von motorischen Einheiten im EMG einhergeht.
Einleitung Die Pathogenese von Krampi ist bis heute nicht sicher geklärt. Eine viel diskutierte Hypothese geht von zwei Erregbarkeitszuständen von Motoneuronen aus. Der Zustand erhöhter Erregbarkeit soll durch verschiedene Arten von Stimuli, z. B. via Muskelspindeln oder durch repetitive Magnetstimulation induzierbar sein. Phänomenologisch sind idiopathische Krampi nicht von solchen bei einer Reihe von Neuropathien, Neuronopathien oder bei Cholinesterasehemmer-Überdosierung zu unterscheiden. Bei Patienten, die im Rahmen einer Neuropathie vermehrt Krämpfe hatten, ließen sich bei F-Wellenunterschungen bei Stimulation über 5 Hz mehr als darunter Nachentladungen der F-Wellen darstellen. Dieser Befund könnte die Hypothese einer vermehrten Motoneuron-Erregbarkeit stützen. Von Krampi sind Kontrakturen abzugrenzen. Kontrakturen sind unwillkürliche Skelettmuskelkontraktionen ohne EMG-Aktivität. Sie fin-
K
3
3
3
682
Kraniopharyngeome
den sich z. B. bei metabolischen Myopathien (insbesondere bei McArdle-Myopathie).
Therapie Dehnung der verkrampften Muskulatur und/ oder die Anspannung der Antagonisten. Behandlungsversuch mit Magnesium (Mg(Hydrogen)Aspartat, Mg-Orotat, Mg-Oxid) 1– 3 x 5 mmol oral. Bei Muskelkrämpfen in der Schwangerschaft ist Magnesium wirksam. Bei nächtlichen Wadenkrämpfen Chininsulfat oder Hydrochinin 200–400 mg zur Nacht. (Aufgrund der seltenen schwerwiegenden Nebenwirkungen des Chinins sollte zuvor ein Behandlungsversuch mit Magnesium durchgeführt werden). Für die Behandlung dialyseassozierter Krampi Volumensubstitution, ggf. unter Zusatz von Vitamin E und Vitamin C.
Kraniopharyngeome Definition Kraniopharyngeome entwickeln sich aus kleinen Zellnestern der Reste eines ektodermalen Ganges der embryonalen Mundhöhle (RathkeTasche). Es sind extraneurale Tumoren, die sich bevorzugt im Bereich der Mittellinie der Sellaregion und des III. Ventrikels zu einer erheblichen Größe entwickeln können.
Einleitung Kraniopharyngeome sind gutartige Tumoren, die dem WHO-Grad I zugeordnet werden. Sie wachsen jedoch verdrängend nach suprasellär und infiltrativ in benachbarte neurale Strukturen, v. a. in den Hypothalamus. 60% der Tumoren treten vor dem 16. Lebensjahr auf.
Diagnostik Kernspintomographisch sind die Tumoren z. T. zystisch mit soliden, intensiv Kontrastmittel aufnehmenden Anteilen. Computertomographisch können fakultativ Verkalkungen nachgewiesen werden. Bei vielen Patienten liegen Visusstörungen und Gesichtsfelddefekte, variable endokrine Dysfunktionen, die klinisch zu Minderwuchs, Pubertas praecox, Hypothyreoidismus und Diabetes insipidus führen können, und Symptome erhöhten Hirndrucks vor. Die präoperative Abklärung erfordert deswegen eine sorgfältige endokrine Evaluierung, eine
komplette opthalmologische Untersuchung und möglichst auch eine neuropsychologische Testung. Da bei der chirurgischen Resektion oft der Hypophysenstiel durchtrennt werden muss, ist perioperativ die sorgfältige Überwachung des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushaltes notwendig.
Therapie In der Behandlung der Kraniopharyngeome spielt die mikrochirurgische operative Resezierbarkeit für die weitere Prognose eine entscheidende Rolle. Eine komplette chirurgische Resektion ist wegen der innigen Beziehung dieser Tumoren zum optischen System, zu den basalen Hirngefäßen sowie zur Hypophyse und zum Hypophysenstiel außerordentlich schwierig und häufig nicht möglich. Postoperative MRT-Kontrollen sind Grundlage weiterer Therapieentscheidungen. empirisch Wenn Tumorreste nachgewiesen sind, ist wegen der hohen Rezidivneigung eine nachfolgende Radiatio angezeigt. Bei Kindern unter sechs Jahren besteht wegen der Gefahr von Bestrahlungsspätfolgen wie mentaler Defekte, neuroendokriner Dysfunktionen, der Optikusneuropathie und vaskulärer Läsionen eher die Strategie zuzuwarten und erst beim Auftreten eines Rezidives mit einer Bestrahlung zu beginnen. Die Fortschritte durch fraktionierte stereotaktische Radiotherapie oder stereotaktische Radiochirurgie haben die Effizienz der Strahlentherapie verbessert [1]. Bei größeren rezidivierenden oder nicht resezierbaren Tumorzysten wurde eine Schrumpfung, Volumenverkleinerung und Verdickung der Zystenwand durch Instillation von Bleomycin über stereotaktisch implantierte Katheter berichtet [2]; dies kann bei rezidivierenden Tumorzysten erwogen werden, hat sich jedoch nicht als etablierte Behandlungsmethode breit durchgesetzt.
Nachsorge Aufgrund der hohen Rezidivneigung sind regelmäßige klinische, kernspintomographische und neuroendokrinologische Verlaufskontrollen erforderlich.
Prognose Bei chirurgisch vollständiger Resektion beträgt die rezidivfreie 10-Jahresrate um 80%. Neuro-
Kreatinkinase
logische, mentale und endokrine Störungen durch den Tumor selbst oder die notwendige Therapie sind häufig. Bis zu 50% der Patienten sind durch Visusdefekte beeinträchtigt und bei 90% der Patienten bestehen substitutionspflichtige endokrine Funktionsstörungen.
Literatur 1. Tarbell NJ, Barnes P, Scott RM et al. (1994) Advances in radiation therapy for craniopharyngioma. Pediatr Neurosurg 21:101–107. 2. Takahashi H, Nakzawa S, Shimura T (1985). Evaluation of postoperative intratumoral injection of bleomycin for craniopharyngioma in children. J Neurosurg 62:120–127.
Kraniotomie Synonyme
683
* der Atmungsorgane. 2. Bezeichnung einer Therapieform, häufig als Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt.
Grundlagen Das Ziel der modernen Physiotherapie ist die Anbahnung von physiologischen Bewegungsfunktionen, Stärkung der Muskelkraft bzw. Ausdauer, Vermeidung von Sekundärschäden durch Fehlhaltungen/Fehlbewegungen und Immobilisation. Nachdem früher die krankengymnastische Therapie vornehmlich nach bestimmten Schulen (Bobath, Woyta, PNF FOT etc.) durchgeführt wurde, werden zunehmend verschiedene Elemente dieser Verfahren in integrale physiotherapeutische Therapiekonzepte miteinbezogen. In der Neurologie ist die Physiotherapie integraler Bestandteil in der Behandlung nahezu aller motorischer Störungen.
Trepanation
K
Definition Überbegriff über die verschiedenen operativen Schädeleröffnungen.
Krankengymnastik, ParkinsonSyndrom
Grundlagen
Grundlagen
Indikationen und Verfahren: * Entlastungskraniotomien bei raumfordernden intrakraniellen Prozessen. * Bohrlochtrepanationen nur Entlastung suboder epiduraler Hämatome, zur Anlage von Drucksonden oder Ventrikelableitungen oder bei stereotaktischen Eingriffen. * Kraniotomien zur Durchführung von diagnostischen Gewebeexzisionen und offenen Schädeloperationen.
Im Zentrum der Behandlung der Parkinson'schen Krankheit steht die Pharmakotherapie, die durch funktionelle Übungsverfahren (Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie) ergänzt wird. Dies gilt insbesondere für fortgeschrittene Krankheitsstadien, in denen medikamenten-refraktäre Symptome wie Freezing, Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Sprechund Schluckstörungen prominenter werden. Krankengymnastische Übungen können das Gangbild der Patienten verbessern und Strategien zur Vermeidung von Bewegungsblockaden oder Stürzen vermitteln. Ebenso können Übungen zum verbesserten Umdrehen im Bett oder Aufstehen aus dem Sitzen beitragen. Aktive wie passive Bewegungstherapien werden von Patienten mit rigorbedingten Muskelschmerzen als wohltuend empfunden und dienen der Kontrakturprophylaxe und Haltungsverbesserung.
3
Synonyme Physiotherapie, Heilgymnastik
Definition 1. Berufsgruppe mit Tätigkeitsschwerpunkt in der aktiven und passiven Bewegungtherapie bei Erkrankungen * des zentralen oder peripheren Nervensystems, * der Muskeln bzw. des Halte- und Stützapparates,
Kreatinkinase 3
3
Krankengymnastik
CK-Erhöhung
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Kreatintransportdefizienz
Kreatintransportdefizienz Synonyme
Krise Definition
Kreatin-Mangel-Syndrome, X-linked mental retardation with seizures
Plötzliche Störung aus scheinbar völliger Gesundheit oder plötzliche einschneidende Verschlechterung einer vorbestehenden Krankheit, die lebensbedrohlich sein kann.
Definition
Grundlagen
Krise, Addison-Krise Synonyme Krise bei Nebenniereninsuffizienz, Krise
3
Überschüssiges ATP aus der mitochondrialen Atmung kann durch Phosphorylierung von Kreatin in Kreatinphosphat gespeichert werden. Die Synthese von Kreatin erfolgt in Leber und Pankreas. Fehlt Kreatin, so verfügt die Zelle nicht über genügende Energiereserven. Dieser Mangel ist vor allem für das Gehirn kritisch. Zellulärer Mangel an Kreatin entsteht z. B. durch Defekte des Kreatin-Transporters. Der ungenügende Transport führt zu erhöht nachweisbaren Konzentrationen von Kreatin in Blut und Urin. Die Erkrankung wird X-chromosomal vererbt (Xq28). Bei den betroffenen männlichen Individuen tritt eine schwere geistige Retardierung mit Verhaltensstörung und epileptischen Anfällen auf. Die Diagnose kann durch erhöhte Urinwerte an Kreatin gesichert werden. Die weiblichen Carrier können leichtgradig symptomatisch sein. Ein Mangel an Kreatin kann auch durch einen Defekt des für die Synthese entscheidenden Proteins, der Guanidinoacetatmethyltransferase (GAMT), bedingt sein. Die Symptome sind ähnlich wie bei der Kreatintransportdefizienz. Allerdings ist die Konzentration von Kreatin in Blut und Urin erniedrigt und eine Substitution mit Kreatin oral führt zu einer Besserung.
3
Einleitung
Krisen können sich gemäß Definition auf dem Boden einer Vielzahl von Krankheiten entwickeln, z. B.: * Aplastische Krise. * Cholinerge Krise. * Granulozytopenische Krise. * Hämolytische Krise. * Hypopituitäre Krise. * Myasthenische Krise. * Psychische Krise. * Tabische Krise. 3
Durch einen defekten Kreatintransport bedingter zellulärer Kreatinmangel.
Addison-
Krise, akinetische Synonyme Parkinson-Krise
Definition Intensivpflichtige Manifestation der langsam fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankung im Rahmen der Grunderkrankung oder medikamentösen Therapie.
Einleitung Diagnostik Klinische Untersuchung, Urin-Kreatin, EEG, MRT des Schädels, MR-Spektroskopie des Gehirns. Ggf. Kreatin-Aufnahme in Fibroblasten.
Therapie Bei Kreatin-Synthese-Störung Kreatin-Substitution.
Eine akinetische Krise kann sich im Rahmen der Parkinson-Krankheit durch Unterdosierung dopaminerger Medikamente, Medikamentenentzug oder Absorptionsstörungen manifestieren. Häufig vergehen bis zur Entwicklung des Vollbildes einige Tage oder Wochen, gelegentlich kann sich die akinetische Krise jedoch auch innerhalb weniger Stunden ausbilden. Klinisch sind die Patienten häufig völlig immobilisiert, können nicht mehr gehen oder stehen,
Krise, hyperkalzämische
die Extremitäten sind in rigider, gebeugter Haltung fixiert, die Sprache ist monoton bis unverständlich. Häufig tritt noch ein ausgeprägter Extremitätentremor hinzu. Aufgrund der erschwerten Nahrungsaufnahme sind die Patienten häufig dehydriert, außerdem kommt es zum Auftreten von Harnwegsinfekten, Beinvenenthrombosen, Pneumonien, etc. Die akinetische Krise kann außerdem mit einer Hyperthermie einhergehen, die vegetativen Symptome mit tachyarrhythmischen Herzrhythmusstörungen, Schweißneigung und Tachypnoe einhergehen.
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Therapie Intensivmedizinische Betreuung mit Monitorüberwachung. Als kompetitiver Hemmer muskarinerger Rezeptoren kann Atropin eingesetzt werden. Absetzen der Cholinesterasehemmer und intravenöse Applikation von 1–2 mg Atropin bis max. 2–6 mg alle 2 Stunden. Nebenwirkungen können durch ein Überwiegen der nikotinergen Rezeptoren bedingt sein und bestehen in Muskelfaszikulationen bzw. Myoklonien und Muskelschwäche durch hohe Acetylcholinkonzentrationen.
Diagnostik Ausschluss anderer Erkrankungen wie Sepsis, Pneumonie, Ileus. Im Allgemeinen ist aber die Anamese wegweisend und therapiebestimmend.
Nachsorge Exakte medikamentöse Einstellung der Myasthenia gravis.
Therapie gesichert Allgemeinmaßnahmen mit Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich, Behandlung internistischer Grunderkrankungen, Gabe von L-Dopa gegebenenfalls über Magensonden, alternativ Apomorphin und intravenöse Gabe von Amantadin (2×200 mg/die).
Krise, hyperkalzämische
K
Einleitung Hyperkalzämie ist definiert als pathologisch erhöhte Serumkalziumkonzentration des ionisierten Kalziumanteils (normal: 4,65–5,28 mg/dl, 1,16–1,32 mmol/l). Ursächlich kann dabei eine vermehrte Parathormonproduktion im Rahmen eines primären Hyperparathyreodismus (familiär bei MEN Typ 1 und 2, sporadisch, hypokalzurische Hyperkalzämie, ektopische Parathormonproduktion durch Tumoren) sein. Bei normaler Parathormonproduktion kann die Hyperkalzämie tumorassoziiert und Vitamin D-assoziiert sein oder durch andere Endokrinopathien verursacht werden. Symptome können bestehen in Anorexie, Nausea, Erbrechen, Durst, Polyurie und Polydipsie. Kopfschmerzen und Muskelschwäche können ebenso auftreten wie Wahnwahrnehmungen oder Veränderungen des Affekts. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Sopor und Koma. 3
Krise, cholinerge Definition Autonome Krise, die bedingt ist durch eine übermäßige Erregung von muskarinergen Rezeptoren.
Einleitung Die cholinerge Krise tritt bei neurologischen Patienten vor allem im Rahmen einer Myasthenia gravis als Nebenwirkung überdosierter Cholinesteraseinhibitoren auf. Die cholinergen vegetativen Symptome bestehen z. B. in Hypersalivation, Hypotonie, Schwitzen, verstärkter Bronchialsekretion, Miosis und Bradykardie. Außerdem tritt sie bei Vergiftungen mit irreversiblen Cholinesteraseinhibitoren, z. B. E 605 oder chemischen Kampfstoffen auf.
Diagnostik * * *
Anamnese. Klinik. Laborparameter: Kalzium, Phosphat, PTH.
3
Therapie Diagnostik Klinisches Bild und Anamnese (Myasthenia gravis, Medikamente).
Die Notfalltherapie der Hyperkalzämie kann ohne Abklärung der Ursache begonnen werden. Zur Steigerung der renalen Kalziumausschei-
Krise, hypokalzämische
dung sollte ausreichend Volumen kombiniert mit Diuretika verabreicht werden. Außerdem sollte eine Verminderung der Kalziumfreisetzung aus dem Knochenspeicher erreicht werden, was zum einen durch Mobilisierung zum anderen medikamentös durch Kalzitonin, Diphosphonate, Mithramycin und Galliumnitrat geschieht. Bei der Behandlung von Vitamin D- und durch spezifische Malignome (Myelom) induzierter Hyperkalzämie ist der Einsatz von Glukokortikoiden (40–100 mg/Tag) erfolgreich.
Ursachensuche.
Krise, hypothyreote Synonyme 3
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Koma; Myxödem
Definition Durch mangelhafte Schilddrüsenhormonsekretion ausgelöst.
Einleitung
Bei Hypokalzämie kommt es zu Erniedrigung der ionisierten biologisch verfügbaren Serumkalziumkonzentration (Normalwerte: 4,65 mg/ dl, 1,16–1,32 mmol/l). Pathogenetisch werden primäre hypokalzämische Störungen wie primärer Hypoparathyreoidismus von sekundären unterschieden. Letzteren können Malfunktionen der Organe zugrunde liegen, an denen Parathormon seine Wirkung entfaltet (Niereninsuffizienz, intestinale Malabsorption, Vitamin D-Mangel- oder Resistenz). Selten ist die Hypokalzämie so ausgeprägt, dass es zur Krise kommt. Hier stehen Erregungszustände, Delir, Halluzinationen und Sopor im Vordergrund. Ansonsten wird das Bild der Hypokalzämie geprägt von gesteigerter neuromuskulärer Erregbarkeit und Tetanie. Kataraktentstehung ist ebenso möglich wie Verkalkungen der Basalganglien.
Diagnostik *
Anamnese. Klinik. Labor: TSH basal, FT3, FT4, Nachweis von Thyreoglobulinantikörpern (TAK) und Antikörpern gegen thyreoidale Peroxidase (antiTPO-Ak).
* *
Therapie Intensivmedizinische Koma, Myxödem.
Behandlung,
siehe
3
Einleitung
Oft im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis oder fehlender Substitution von Schilddrüsenhormonen, z. B. nach Strumektomie oder Hypophysenvorderlappeninsuffizienz. Dabei auch die Entstehung von Myxödemen möglich (Akkumulation von Mukopolysacchariden in die Haut. Das Myxödemkoma oder hypothyreote Koma ist die schwerste Verlaufsform, Koma, Myxödem. 3
Krise, hypokalzämische
Diagnostik * * * *
Anamnese. Klinik. Serumkalzium, PTH, Kreatinin, Phosphat. EKG.
Therapie
Krise, myasthenische Definition Kombination aus Symptomen der Myasthenia gravis mit respiratorischer Insuffizienz.
Notfall!
Einleitung
gesichert I. v.-Kalziuminfusion (10–20 ml 10%iger Kalziumglukonatlösung über 10–20 min. Cave: Gleichzeitige Digitalismedikation.). Asymptomatische Hypokalzämie durch Kalzium- bzw. Vitamin D-Supplementierung.
Charakteristischerweise tritt sie als Exazerbation der Grunderkrankung, z. B nach fieberhaften Infekten oder Operationen auf. Warnzeichen sind dabei progrediente Dysarthrie, Schluckstörungen, zunehmende muskuläre Schwäche und Auftreten einer Bronchopneumonie.
Kryptokokkose
Diagnostik
*
Labor: TSH basal erniedrigt, FT3 fast immer erhöht, FT4 in 90% erhöht.
Myasthenie, myasthenische Syndrome
3
Therapie
Therapie
Intensivmedizinische Behandlung mit frühzeitiger Intubation, Gabe von Cholinesteraseinhibitoren, z. B. Neostigmin i. v. Zusätzlich kann eine kausale Immuntherapie mit Plasmapherese oder Gabe von Immunglobulinen erfolgen. Gleichzeitig wird mit einer hochdosierten Glukokortikoidgabe begonnen (Cave: Initiale Verschlechterung).
gesichert
Krise, thyreotoxische Definition Bei einer Hyperthyreose kann es durch zusätzliche Stressfaktoren wie z. B. Unfall, Infektionen, Operationen zu einer thyreotoxischen Krise kommen. Sie ist nicht mit höheren Schilddrüsenhormonwerten als die unkomplizierte Hyperthyreose assoziiert.
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Ziel ist in erster Linie die Blockade der Thyroxinsynthese und - ausschüttung: Propylthiouracil 400 mg p. o. im Abstand von 8 Stunden oder Thiamazol (169–240 mg i. v./ 24 h), symptomatische Inhibition durch Applikation von β-Blockern (Propanolol i. v.), ggf. Gabe von Hydrokortison 50–100 mg i. v. aufgrund des vermehrten Glukokortikoidstoffwechsels. Supportive Maßnahmen: I. v.-Volumensubstitution, Kalorienzufuhr, Sedierung, Antipyrese, O2-Administration und Infektionsprophylaxe, entsprechend dem klinischen Verlauf. Klärung der Indikation einer Operation.
Prognose Lebensbedrohliches Krankheitsbild. Intensivpflichtig!
Einleitung
Wichtigstes Reservoir des ubiquitär vorkommenden Hefepilzes ist Vogelkot, insbesondere Taubenkot. Infektion mit diesem Pilz ist die häufigste Mykose mit selektivem ZNS-Befall und die häufigste Pilzinfektion des ZNS bei AIDS-Patienten, die etwa 3% aller AIDS-Patienten im Vollbildstadium betrifft. Der Erreger wird über die Lunge aufgenommen und gelangt hämatogen-metastatisch ins ZNS, wo es zu einer Meningitis, einer Meningoenzephalitis und zur Ausbildung von Granulomen kommen kann. Klinisch imponieren holozephale, häufig okzipital betonte Kopfschmerzen, unbehandelt kommt es zu einer progredienten Bewusstseinstrübung, Hirnnervenausfällen und selten zu epileptischen Anfällen. Bei medikamentöser Behandlung sind Überlebenszeiten von 2 Jahren möglich. 3
3
Anamnese. Klinik.
Einleitung
3
*
Systemische Infektion durch den Hefepilz Cryptococcus neoformans.
3
*
Definition
3
Diagnostik
Kryptokokkose
3
Eine Hyperthyreose besteht im Allgemeinen bei Patienten aufgrund von Schilddrüsenhormonüberproduktion im Rahmen eines Morbus Basedow, eines autonomen Schilddrüsenadenoms, einer Knotenstruma oder Thyreoiditis. Die thyreotoxische Krise ist ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild, das dabei im Zusammenhang mit Jodexposition, inadäquater Hyperthyreosebehandlung, chirurgischen Eingriffen, physischen und psychischen Stresssituationen ausgelöst wird. Im Stadium 1 nach Herman kommt es zu Tachykardie oder Tachyarrhythmie mit Vorhofflimmern, Fieber, Schwitzen, Exsikkose, psychomotorischer Unruhe, Tremor, Angst, Erbrechen, Durchfällen, Muskelschwäche und Adynamie. Im Stadium 2 kommen Bewusstseinsstörungen, Somnolenz, psychotische Zustände und Desorientiertheit hinzu. Das dritte Stadium beschreibt das thyreotoxische Koma ( Koma, hyperthyreotes) u. U. mit Kreislaufversagen.
K
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Kubitaltunnel
Kubitaltunnel
Kupferausscheidung
Definition
Grundlagen
Der Kubitaltunnel entspricht der anatomischen Engstelle zwischen den 2 Köpfen des M. flexor carpi ulnaris und seiner Aponeurose (mediale Begrenzung) und dem Ligamentum collaterale ulnare (laterale Begrenzung) ca. 3 cm distal des Sulcus ulnaris. Letzteres zieht vom medialen Epicondylus humeri zum Olecranon und Processus coronoideus der Ulna [1].
Die Kupferausscheidung gilt als Parameter bei der Diagnostik und Therapie der Wilson-Erkrankung und bezieht sich auf den Kupfergehalt im 24-Stunden-Urin. Dieser Test kann als ein hervorragender Screening-Test angesehen werden. Bei der Wilson`schen Erkrankung nimmt die renale Kupferausscheidung deutlich zu und ein Kupfergehalt im 24 h-Urin von >100 μg/Tag ist stets verdächtig auf Morbus Wilson. Allerdings ist auch dieser Test nicht absolut pathognomonisch für die Wilson'sche Krankheit, da andere obstruktive Lebererkrankung, z. B. cholestatische Syndrome, primäre biliäre Zirrhose, chronisch aktive Hepatitis mit ähnlich erhöhten Kupferwerten einhergehen können [1]. Zugleich kann die Bestimmung des Kupfers dazu beitragen, im Urin den Verlauf der chelatbildenden Therapie und die Compliance zu kontrollieren. Zu Beginn einer „Entkupferungs-Therapie“ erreichen die Urin-Kupfer-Werte 1000–2000 μg/die, um allmählich auf unter 100 μg/die zu fallen.
Wird der N. ulnaris im Sinne eines Engpasssyndroms im Kubitaltunnel geschädigt, so spricht man vom Kubitaltunnelsyndrom. In diesem Fall bleibt der bereits im Sulcus ulnaris abgehende Ast zum M. flexor carpi ulnaris verschont. Das Kubitaltunnelsyndrom ist dem Sulcus-ulnaris-Syndrom daher zwar sehr ähnlich, entspricht ihm aber nicht genau. Läsionen im Kubitaltunnel treten häufig auch durch wiederholte Beugebewegungen im Ellenbogengelenk auf. Ein Unterbrechen der pathogenen Tätigkeit führt meist zur sofortigen Besserung.
3
Grundlagen
Literatur Literatur 1. Kimura J (1989) Electrodiagnosis in diseases of nerve and muscle: principles and practice. F.A. Davis Company, Philadelphia.
Kugelberg-Welander-Erkrankung Proximale Spinale Muskelatrophie
1. LaRusso NF, Summerskill WH, McCall JT (1976). Abnormalities of chemical tests for copper metabolism in chronic active liver disease: Differentiation from Wilson's disease. Gastroenterology 70:653–655.
Kurare Synonyme
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Teilweise wird d-Tubocurarin, einer der aktiven Bestandteile, synonym verwendet. Andere aktive Bestandteile sind z. B. Curarin, Toxiferin.
Kulissenphänomen Definition Bei einer einseitigen Läsion des N. vagus kommt es beim Auslösen des Würgereflexes zu einem Abweichen des gesamten weichen Gaumens zur gesunden Seite.
Therapie Nervus vagus, Läsion
Zubereitungen Ursprünglich indianisches Pfeilgift (Mischung von Alkaloiden und Begleitstoffen) aus der Rinde verschiedener Strychnosarten und Mondsamengewächse. D-Tubocurarin-Chlorid wird aus der Rinde von Chondrodendron tomentosum gewonnen und wird üblicherweise als 1% Lösung in Wasser für Injektionszwecke verwendet. Üblicher sind synthetische Substanzen: z. B. Gallamine Triethiodid, Pancuronium Bromid, Suxamethonium Chlorid.
3
Kveim-Test
Wirkungen Muskelrelaxation, Blutdruckabfall, Tachykardie, Verstärkung einer Myasthenia gravis.
Pharmakologische Daten d-Tubocurarin blockiert kompetitiv die Bindung an Azetylcholinrezeptoen am Muskel, teils auch in sympthischen Ganglien, nicht zentral. Vergleichbare Wirkungen haben Gallamine und Pancuronium. Suxamethonium hat zusätzlich muskeldepolarisierende Eigenschaften. Alle Substanzen haben gewisse Azetylcholinrezeptor-blockierende Wirkung in autonomen Ganglien (Blutdruck-Abfall) sowie histaminfreisetzende Wirkung (Blutdruck-Abfall, selten anaphylaktoide Reaktionen). Pharmakokinetik: Einsatz überwiegend i. v. zur Muskelrelaxation bei Narkose oder z. B. Tetanus. d-Tubocurarin: Wirkungsbeginn nach etwa 1 min., maximal nach 3–5 min., Dauer etwa 30–40 min. (ggf. wiederholte Verabreichung).
Myasthenia gravis. Depolarisierende Muskelrelaxantien (Suxamethonium) sollten nicht eingesetzt werden bei Myotonien und myotoner Dystrophie sowie Muskeldystrophie, Typ Duchenne. Auch bei anderen Myopathien sollten sie zurückhaltend eingesetzt werden. Bei hereditärem oder erworbenem Mangel an Cholinesterase kann eine verstärkte bzw. verlängerte Wirkung bestehen.
Wechselwirkungen Vorwiegend mit anderen Muskelrelaxantien sowie Anästhetika, z. T. mit Aminoglykosiden.
Bewertung In der Neurologie kann auf Kurare in aller Regel verzichtet werden.
Kurzzeitgedächtnis Definition 3
Verschiedene, z. B. Pancuronium-ratiopharm (1 Amp. = 2 ml = 4 mg).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung ®
3
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
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Gedächtnis.
Kveim-Test Anwendungsgebiete
Synonyme
Narkose, Status asthmaticus, Glaukom, Tetanus, tetanusähnliche Symptome bei Schlangenvergiftung, Kurare-Test bei der Myasthenia gravis (ist wegen der Gefahr der Ateminsuffizienz praktisch obsolet).
Kveim-Hauttest
Für Dosierungen im Rahmen der Narkose, beim Status asthmaticus und in der Augenheilkunde wird auf die entsprechenden Fachgebiete verwiesen. Der Kurare-Test im Rahmen der Myasthenie ist unter Notfallraum-Bedingungen mit der Möglichkeit zur Intubation durchzuführen. Er gilt allerdings als obsolet.
Unerwünschte Wirkungen Blutdruckabfall, verminderte Magen-DarmMotilität, Flush, Bronchospasmus, anaphylaktoide Reaktionen, prolongierte Ateminsuffizienz.
Nicht zugelassener spezifischer Intrakutantest bei Sarkoidose. 3
Dosierung/Anwendung
Definition
Grundlagen Nicht zugelassener Intrakutantest (Spezifität 98%) bei Sarkoidose zur Bestätigung der Diagnose durch Injektion einer sterilen Aufschwemmung von zermahlenem menschlichem Sarkoidosegewebe. Im positiven Fall nach 4–6 Wochen rötlich bräunliche Impfpapel, Treffsicherheit 50–70%.
K
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Labbé-Vene Synonyme V. anastomotica inferior
Definition Venöse Anastomose zwischen den Venen der Fissura lateralis zum Sinus sigmoideus bzw. Sinus transversus unter Duchdringung des Tentoriums.
Labyrinthitis
nehmende Herde im Labyrinth, die durch die gestörte Gefäßpermeabilität entstehen.
Therapie gesichert Die Therapie erfolgt antibiotisch. Kommt es im Verlauf einer chronischen Otitis media, dem Cholesteatom zur Labyrinthitis, so ist eine operative Sanierung indiziert.
Lachen, pathologisches
Definition
Synonyme
Eine Labyrinthitis äußert sich klinisch durch Schwindel, Innenohrschwerhörigkeit und häufig einen Tinnitus.
Zwangslachen
Diagnostik In der hochauflösenden MRT finden sich multifokale, unscharf begrenzte kontrastmittelauf-
Lachgasabusus, Myelopathie Einleitung Lachgasabusus (insbesondere in medizinischen Berufsgruppen) kann über eine Störung des Vitamin B12-Stoffwechsels klinisch zum Bild des Vitamin B12-Mangels ( funikuläre Myelose) mit Myelopathie, sensomotorischer Polyneuropathie und hirnorganischer Leistungseinschränkung führen. 3
Bei der tympanogenen Labyrinthitis dringen die Erreger durch das runde oder ovale Fenster ein, wobei eine angeborene Dehiszenz (Mondini-Alexander-Dysplasie), eine Labyrinthfistel oder traumatische Fissuren eine Infektion begünstigen können. Bei der akuten Form sind Staphylokokken, Streptokokken, Hämophilus influenzae und Pneumokokken typische Erreger, während bei der chronischen Form Pseudomonas aeruginosa, Proteus mirabilis und Staphylokokken ursächlich sind. Eine Begleitlabyrinthitis kann bei bakteriellen Meningitiden durch Haemophilus influenzae und Meningokokken verursacht sein. Hämatogen kann eine Labyrinthitis vor allem bei den Treponemeninfektionen Syphilis und der Borreliose entstehen.
Scheinbar affektives Lachen ohne entsprechende Gefühlsgrundlage, z. B. bei der Bulbärparalyse. 3
Einleitung
Einleitung
Therapie Beendigung der Exposition. Möglicherweise sind Zufuhr von Vitamin B12 und Methionin sinnvoll.
Lagerung
methode beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel.
Definition Bewusste Lagerung von Patienten in bestimmte Körperpositionen.
Grundlagen Die Lagerung dient beispielsweise: * Zur Vermeidung von umschriebenen Druckläsionen, z.B. bei Operationen. * Zur Vermeidung einer Aspiration bei vigilanzgeminderten Patienten (Seitlagerung). * Zur Vermeidung von Dekubitalulzera bei immobilisierten Patienten. Die spezielle Lagerungstherapie (z.B. nach Bobath) dient der * Stärkung der Oberflächen- und Tiefensensibilität. * Verminderung von mukeltonuserhöhenden Körperhaltungen bei Gefahr einer Spastik. * Neglectbehandlung durch Ausrichtung der Aufmerksamkeit. * Allgemeinen Aktivierung durch sitzende Lagerung (Pflegerollstuhl) bei vigilanz- und aufmerksamkeitsreduzierten Patienten.
Grundlagen Durch wiederholte bewusste Positionierung in die Schwindel auslösende Lage wird eine Habituierung des auslösenden Schwindelreizes erzielt. Therapeutische Überlegung ist die Fragmentierung und Auflösung des Otolithenmaterials durch diese Manöver.
Lähmung, Klumpke-Lähmung Klumpke-Lähmung
Lähmung, progressive supranukleäre 3
Lagerung
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Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom
Lähmung, Querschnittslähmung Lagerungsproben
Querschnittslähmung, komplette
3
Definition Lagerungsproben, wie z. B. das Dix-Hallpike-Manöver werden in der Differenzialdiagnostik des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels eingesetzt, um diesen Schwindel und den begleitenden Nystagmus auszulösen. 3
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
3
3
Lagerungsschwindel, benigner
Lähmung, Schlaflähmung Narkolepsie
Lähmung, thyreotoxische episodische Hyperthyreose
3
3
Lagerungstraining Lähmungsattacken
Synonyme Semont-Manöver
3
3 3
Das Lagerungstraining ist eine Behandlungs-
Myasthenie, myasthenische Syndrome, Hypokaliämische episodische Paralyse, Periodische Paralyse, Myasthenia gravis 3
3
3
Definition
3
Epley-Manöver,
Lambert-Eaton-Syndrom
Laktat-Pyruvat-Quotient Biochemie, Muskelerkrankungen
3
Lakune Synonyme Lakunärer Hirninfarkt
3
Definition Ursprünglich histopathologische Beschreibung von kleinen flüssigkeitsgefüllten subkortikalen Höhlen, die auf einen mikroangiopathischen Gefäßverschluss mit lakunärem Hirninfakt ( Hirninfarkt, lakunärer) zurückzuführen sind. 3
Grundlagen Bezüglich Morphologie, Pathogenese, Diagnostik, Differenzialdiagnose und Therapie: lakunärer Hirninfarkt.
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Obstipation und Impotenz hinzutreten. In etwa der Hälfte der Fälle passagere Ptose, Augenmotilitätsstörungen sowie bulbäre Symptome. Aufgrund der gestörten Transmitterfreisetzung sind die motorischen Summenaktionspotentiale auffallend niedrig (meist 3–5 mV). In der 3/sStimulation findet sich ein signifikantes Dekrement ähnlich wie bei der Myasthenie. Nach 30 s maximaler Anspannung kommt es zu einem signifikanten Inkrement um mehr als 50%, meist auf mehr als die doppelte Ausgangsamplitude. Tetanische 50 Hz-Stimulation ist sehr schmerzhaft und daher praktisch obsolet.
Diagnostik Supramaximale 3/s-Stimulation vor und nach 30 s Maximalinnervation. Bei signifikantem Inkrement >100% ist der Test beweisend. Antikörper gegen spannungsabhängige Kalziumkanäle. Tumorsuche, insbesondere Thorax-CT/MRT.
3
Therapie
Lambert-Eaton-Syndrom Synonyme
Symptomatische Verbesserung der Transmitterfreisetzung (3,4 Diaminopyridin, GuanidinHCl). Ggf. Tumorsanierung. Sonst immunsuppressive Therapie.
Lambert-Eaton-myasthenes-Syndrom (LEMS)
gesichert
Definition
Symptomatisch: 3,4 Diaminopyridin einschleichend bis 3×20 mg/d. NW: Parästhesien, Husten, Diarrhöe, Herzrhythmusstörungen. Alternativ: Guanidin-HCl einschleichend bis 40 mg/kgKG/d. NW: Knochenmarkdepression, akutes Nierenversagen, intestinale Ulzera. Die Substanzen müssen über die chemische Industrie beschafft und vom Apotheker zu Tbl. oder Kps. verarbeitet werden. Die Zeit bis zur Fertigstellung sollte über eine Apotheke überbrückt werden, die bereits Patienten versorgt und die Substanzen vorrätig hat. Das individuelle Ansprechen auf die Substanzen ist nach unserer Erfahrung sehr variabel von hervorragend bis mangelhaft.
Paraneoplastische oder idiopathische Autoimmunkrankheit bei der Antikörper gegen präsynaptische spannungsabhängige Kalziumkanäle die Signalübertragung an der neuromuskulären Endplatte beeinträchtigen.
Einleitung Relativ seltene, in etwa 60% paraneoplastische (häufig kleinzelliges Bronchialkarzinom) Erkrankung. Männer: Frauen derzeit etwa 5:1. Die Manifestation des myasthenen Syndroms kann der Aufdeckung des Tumorleidens um Jahre vorausgehen. Daher regelmäßiges Tumorscreening nötig. Idiopathische Autoimmunkrankheit häufiger bei Frauen und Kindern. Klinisch stehen proximal betonte Paresen und eine Hyporeflexie im Vordergrund. Nach kurzer Maximalinnervation Zunahme der Kraft. Bei längerer Belastung (Fußmarsch) eher Zunahme der Paresen. Es können Myalgien, Parästhesien, Hypohidrose, Mundtrockenheit, Harnverhalt,
empirisch Immunsuppression: Initial Prednison oder Prednisolon, z. B. 1 mg/kgKG/d in absteigender Dosierung. Falls kein Tumor nachgewiesen werden kann: Azathioprin oder Methotrexat. Bei ungenügendem Ansprechen auf die symp-
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Laminektomie
Lambert-Eaton-Syndrom. Abb. 1: Pathogenese des Lambert-Eaton-Syndroms
tomatische Therapie und Glukokortikosteroide: i. v.-Immunglobuline, ggf. Plasmapherese.
(einschließlich der Dornfortsätze) zur Freilegung bzw. Entlastung des Rückenmarks, z. B. bei spinalen Tumoren, Bandscheibenprolaps.
Nachsorge Anfangs engmaschige Verlaufsbeobachtung. Elektrophysiologische Untersuchung des Inkrements sinnvoll. Ggf. Tumorsuche in regelmäßigen Abständen wiederholen unter Einbeziehung eines onkologisch versierten Pulmonologen.
Lamotrigin Zubereitungen Tabletten.
Prognose
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Die Mehrzahl der Patienten erlangt eine befriedigende Lebensqualität. Völlige Remission unter Therapie ist eher seltener als bei der Myasthenia gravis. Die Überlebensprognose hängt vom Vorliegen und von der Entwicklung einer Neoplasie ab.
Lamictal® Tabletten à 5, 25, 50, 100, 200 mg.
Laminektomie Definition Resektion eines oder mehrerer Wirbelbögen
Pharmakologische Daten Orale Bioverfügbarkeit fast 100%, Plasmaeiweißbindung ca. 55%. Lineare Pharmakokinetik. Eliminationshalbwertszeit abhängig von Komedikation, in Monotherapie ca. 20–40 h. Ausscheidung nach hepatischer Metabolisierung renal. Keine hepatische Enzyminduktion.
Anwendungsgebiete Mono- und Zusatztherapie bei fokalen und generalisierten Epilepsien. In klinischen Studien als Mono- und Kombinationstherapeutikum Anfallsreduktion ≥50% bei fokalen Epi3
Regelmäßige Lebensführung wichtig. Körperliche Belastung sollte den individuellen Möglichkeiten angepasst sein. Extreme körperliche Belastungen sind zu vermeiden.
Membranstabilisierung durch Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle.
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Wirkungen
Lance-Adams-Syndrom
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lepsien in ca. 20–40%, bei idiopathischen generalisierten Epilepsien in ca. 30–60% der Fälle. Relativ gute Wirksamkeit auch beim LennoxGastaut-Syndrom. Als positiver Nebeneffekt wird insbesondere bei geistig behinderten Patienten nicht selten eine verbesserte Vigilanz und emotionale Stabilisierung beobachtet.
Primidon auf ca. 15 h vermindert, bei Komedikation von Valproinsäure auf ca. 50–60 h verlängert. Bei Zugabe zu Carbamazepin erhöhte Inzidenz von zentralnervösen Nebenwirkungen durch pharmakodynamische Interaktion. Lamotrigin bedingt keine Veränderung der Serumkonzentration anderer Antiepileptika.
Dosierung/Anwendung
Bewertung
1. Monotherapie bzw. Kombination mit enzyminduzierenden Antiepileptika: Behandlungswoche 1 und 2: 25 mg/d, Woche 3 und 4: 50 mg/d, Erhaltungsdosis in Monotherapie 200 mg/d, in Kombination mit Enzyminduktoren 400 mg/d, in 2 Einzeldosen. 2. Kombination mit Valproinsäure: Woche 1 und 2: 12,5 mg/d, Woche 3 und 4: 25 mg/d, Erhaltungsdosis 100–200 mg/d, in 1–2 Einzeldosen. (Empfehlung für Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren).
Lamotrigin besitzt ein breites Spektrum mit Wirkung bei fokalen und generalisierten Epilepsien. Hervorzuheben sind bei Einhaltung der Aufdosierungsrichtlinien, gute Verträglichkeit und ein günstiges Nebenwirkungsprofil.
Unerwünschte Wirkungen
Synonyme
Insbesondere bei Überschreiten der empfohlenen Anfangsdosis, bei zu rascher Dosissteigerung sowie bei Komedikation von Valproinsäure erhöhte Inzidenz von Hautausschlägen, die Therapieabbruch erforderlich machen (bei Beachtung der Dosierungsrichtlinien Allergierate ≤1%). Selten schwerwiegende, lebensbedrohliche Haut- und Schleimhautreaktionen wie Quincke-Ödem, Stevens-Johnson- bzw. LyellSyndrom oder systemische Symptome (Fieber, Lymphadenopathie, sehr selten bis hin zu disseminierter, intravaskulärer Koagulopathie und Multiorganversagen). Zentralnervöse Nebenwirkungen (in mittleren Dosierungsbereich gering): Doppeltsehen, Nystagmus, Schwindel, Ataxie, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Agitiertheit. Gastrointestinale Beschwerden. Selten Leuko- oder Thrombozytopenie und Anstieg der Transaminasen.
Chronisch-posthypoxischer Myoklonus
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Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bislang keine ausreichenden Erfahrungen über die Anwendung während der Schwangerschaft, im Tierversuch keine Hinweise auf embryotoxische/teratogene Wirkungen.
Wechselwirkungen Die Halbwertszeit von Lamotrigin wird durch enzyminduzierende Antiepileptika wie Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und
Lance-Adams-Syndrom
Definition Nach wenigen Tagen bis Wochen (1–120 Tagen) beim postkomatösen Patienten beobachteter Myoklonus.
Grundlagen Bei günstiger Prognose treten die Myokloni v. a. bei Willkürinnervation als multifokale, positive und/oder negative kortikale Aktionsmyokloni auf. Außerdem können sie fakultativ als kortikale oder retikuläre Reflexmyokloni oder in übersteigerten Schreckreaktionen vorkommen. Zur Therapie existieren nur wenige kontrollierte Studien. Beste Behandlungsaussichten haben kortikale Myoklonien. Sie werden in erster Linie mit Valproinsäure oder Clonazepam behandelt. Möglich ist auch der Einsatz von Piracetam. Häufig sind Kombinationtherapien erforderlich. Subkortikale oder spinale Myoklonien sollten mit L-5-Hydroxytryptophan in Kombination mit Decarboxylasehemmer Carbidopa zur Vermeidung von Nebenwirkungen behandelt werden. Sonst entspricht die Therapie der Therapie der kortikale Myoklonien.
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Landau-Kleffner-Syndrom
Landau-Kleffner-Syndrom Definition
Lateralsklerose Amyotrophe Lateralsklerose; se, spastische 3
Erworbene epileptische Aphasie.
Langzeitbeatmung
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Spinalparaly-
Laterokollis
Definition
Synonyme
Maschinelle Beatmung länger als 3 Wochen.
Zervikale Dystonie mit überwiegender Laterokollis-Komponente
Die Langzeitbeatmung wird üblicherweise über ein Tracheostoma durchgeführt. Gründe für eine Langzeitbeatmung sind vielfältig. In der Regel besteht eine Atemantriebsstörung oder eine neuromuskuläre Störung.
3
Grundlagen
Definition Zervikale Dystonie, bei der die Neigung zu einer Seite, im Gegensatz zu der Drehung (rotatorischer Tortikollis), Neigung nach hinten (Retrokollis) oder nach vorne des Kopfes überwiegt.
Langzeitgedächtnis Leber hereditäre Optikusneuropathie (LHON)
Gedächtnis
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Definition Maternal erbliche mitochondriale Systemerkrankung mit bilateraler Visusminderung. Optikusneuropathie
Lärmtrauma
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Knalltrauma
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Einleitung
Laryngospasmus Dysphonie, spasmodische
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Larynxneuralgie Definition Schmerzattacken in Höhe des Schildknorpels, die durch Husten, Niesen, Gähnen und Sprechen ausgelöst werden können.
Therapie Bei fehlender spontaner Besserung kann die Behandlung der Larynxneuralgie mit Carbamazepin in langsam einschleichender Dosierung ( Neuralgie, Glossopharyngeusneuralgie), alternativ auch mit Gabapentin erfolgen.
Punktmutationen der mt-DNS: 11778, 3460, 4160, 14484, die sämtlich zu einer Mutation im Komplex I der Atmungskette führen. Retinale Ganglienzellen und schwach myelinisierte Axone des Sehnerven sind von der Erkrankung bevorzugt betroffen. Manifestation der männlichen Betroffenen häufig zwischen 18. und 30. Lebensjahr mit akutem oder subakutem, meist bilateralen Visusverlust. Das andere Auge kann auch mit einer Latenz von Wochen bis Monaten symptomatisch werden. In der Regel schmerzloses Zentralskotom, vermindertes Farbensehen, evtl. Papillenschwellung. Amplitude des visuell evozierten Potentials reduziert. Das Elektroretinogramm kann normal sein. Da nicht alle Individuen mit entsprechenden mt-DNS-Mutationen erkranken, werden zusätzliche Einflüsse für die Manifestation der Krankheit verantwortlich gemacht. Es konnte z. B. gezeigt werden, dass Rauchen signifikant die
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3
Leigh-Erkrankung
Manifestation der Symptome fördert. Vitamin E ist bei einem Teil der Patienten vermindert, möglicherweise als Folge vermehrten Verbrauchs als Folge der Funktionsstörung des Komplex I der Atmungskette. Weibliche Träger des Gens erkranken zu einem geringen Teil an einem Sehverlust, der einseitig sein kann und evtl. einer Optikusneuritis ähnelt. In einzelnen Fällen wurden zusätzliche Symptome beschrieben, z. B. ein Wolff-ParkinsonWhite-Syndrom. Bei einigen Patienten bessert sich die Visusminderung partiell spontan. Unter Therapie mit Idebenon (CV-2619; 6-[10-hydroxydecyl]2,3-dimethoxy-5-methyl-1,4-Benzochinon. Wirkung als Antioxidans und als ElektronenÜberträger im Komplex I) in Kombination mit Vitamin B2 und Vitamin C zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Sehkraft bei Patienten mit akuter Verschlechterung im Rahmen einer LHON.
Diagnostik Klinische Untersuchung einschließlich ophthalmologischer Untersuchung, VEP, ERG, genetische Untersuchung.
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rotat-Dehydrogenase wird der Pyrimidin-Vorrat beschränkt. Hinzu kommt eine Verringerung der Purin-Wiederverwendung, wodurch der Vorrat an ATP und GTP abfällt. Obwohl Leflunomid die Bildung verschiedener Interleukine zu hemmen vermag, wirkt sich dies nicht aus, weil es deren Wirkung hemmen kann. Darüber hinaus ist Leflunomid ein Hemmstoff der Tyrosin-Kinase, wodurch es die Antigen-spezifische Antikörper-Bildung und damit allergische Empfindlichkeitssteigerungen sowie die Aktivierung von Granulozyten hemmt.
Resorption Leflunomid selber besitzt eine Bioverfügbarkeit von 100%, eine Halbwertzeit von 3,8 h. In der Leber entsteht ein aktiver Metabolit assoziiert an Lipoproteine. Er hat eine Halbwertzeit von 11 Tagen und wird renal ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Leflunomid ist vorgesehen zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten und Transplantationen: rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Myasthenia gravis. Gegenüber Ciclosporin ist Leflunomid weniger nephrotoxisch und weniger myelotoxisch.
Therapie Bei akuter oder subakuter Visusminderung Versuch mit Idebenon, Koenzym-Q10, Vitamin E, Vitamin C und ggf. B-Vitaminen.
Dosierung und Art der Anwendung 10–25 mg/d, in der Regel 20 mg/d.
Unerwünschte Wirkungen Prognose Hinsichtlich des Visus schlecht.
Gastrointestinale Symptome, Gewichtsverlust, allergische Hauterscheinungen und reversible Alopezie.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Den Patienten und ihren betroffenen Angehörigen sollte der Einfluss des Rauchens auf die Erkrankung verdeutlicht werden.
Leigh-Erkrankung Definition
Leflunomid Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Maternal oder autosomal-rezessiv und evtl. Xchromosomal erbliche mitochondriale Systemerkrankung mit subakuter Enzephalomyelopathie.
Arava® 10/20/100 mg Filmtbl.
Einleitung Wirkungen Leflunomid ist ein Prodrug, dessen Metabolit antientzündliche und immunsuppressive Eigenschaften aufweist. Es hemmt B-Zell- und TZell-Reaktionen sowie die Empfindlichkeit auf Interleukin-2. Durch Hemmung der Dihydroo-
Punktmutationen der mt-DNS: 5537 (tRNSTrp-Gen), 8344 (auch bei MERRF), 8993 (häufigste Mutation), 9176 (mitochondriale ATPase6-Gen). Neben Defekten im ATPase6-Gen sind solche in tRNS(Lys)-Genen und in nukleären Genen für oxidative Enzyme, etwa die Py-
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Leitungsaphasie
Keine gesicherte Therapie. Versuch mit Vitamin B1 (Betabion®) 0,5 g/d, Aspartat (Eubiol) 0,5 g/d. Bei akuter oder subakuter Visusminderung Versuch mit Idebenon, Koenzym-Q10, Vitamin E, Vitamin C und ggf. B-Vitaminen.
Leitungsaphasie Synonyme Nachsprechaphasie, afferent-motorische Aphasie
Definition Kardinalsymptom ist eine im Verhältnis zu anderen sprachlichen Leistungen unverhältnismäßig schwere Störung beim Nachsprechen.
Einleitung Patienten sprechen meist flüssig mit allerdings phonematischer Entstellung. Die nachgesprochenen Äußerungen werden häufig inhaltlich, jedoch nicht formal richtig wiedergegeben, in schweren Fällen ist das Nachsprechen unmög-
Prognose Hinsichtlich des Nachsprechens schlecht.
Leitungsschwerhörigkeit Synonyme Schwerhörigkeit
Definition Eine Leitungsschwerhörigkeit liegt dann vor, wenn eine Hörstörung durch Erkrankungen des äußeren Gehörgangs oder Mittelohrs hervorgerufen wird.
Lennox-Gastaut-Syndrom Definition Epilepsiesyndrom mit altersgebundenem Beginn (1.–8., Gipfel 3.–5. Lebensjahr), charakterisiert durch das häufig serienhafte Auftreten von (myoklonisch-)astatischen, tonischen (obligat für Syndromdiagnose!), tonisch-klonischen, myoklonischen, z. T. auch fokalen Anfällen und atypischen Absencen sowie eine mäßige bis schwere Störung der psychomotorischen Entwicklung auf dem Boden einer prä- bzw. perinatalen, degenerativen oder metabolischen Hirnschädigung. In ca. 20% Entwicklung aus einem WestSyndrom. Neigung zu Status epileptici, häufig als Stunden bis Tage anhaltende Dämmerzustände ( Status epilepticus, nichtkonvulsiver generalisierter).
Einleitung Die Klassifikation als kryptogene oder symptomatische generalisierte Epilepsie nach der In3
Therapie
Patienten mit Wernicke-Aphasie sind sich ihrer phonematischen Paraphrasien nicht bewusst, versuchen diese nicht wie Patienten mit Leitungsaphasie zu korrigieren.
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Klinische Untersuchung einschließlich ophthalmologischer Untersuchung, Laktat im Serum, MRT Schädel, VEP, evtl., Muskelbiopsie (meist keine Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung), genetische Untersuchung.
Differenzialdiagnose
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Diagnostik
lich. Lesen und Schreiben ist ähnlich wie das Nachsprechen gestört. Kaum Störung des Sprachverständnisses. Läsionsort soll im Fasciculus arcuatus liegen (Verbindung zwischen Broca- und Wernickeregion).
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ruvatdehydrogenase beschrieben. Funktionsstörungen wurden in verschiedenem Ausmaß in allen Atmungskettenkomplexen gefunden. Betroffene erkranken als Säuglinge oder Kleinkinder, selten im Jugend- oder Erwachsenenalter. Im Vordergrund stehen bei Säuglingen Gedeihstörung, Muskelhypotonie, Visusminderung, Epilepsie, Ataxie, okulomotorische Störungen, Pyramidenzeichen und Dystonie. Gelegentlich Kardiomyopathie. Histopathologisch entsprechen diesen Symptomen bilateral-symmetrische spongiforme Nekrosen, Demyelinisierung, Rarefizierung des Neuropils, astrogliale Reaktion und endotheliale Gefäßproliferation in Basalganglien, Thalamus, Zerebellum, zentralem Höhlengrau und Medulla oblongata. Die Diagnose ergibt sich aus typischem klinischen Befund in Kombination mit dem pathologischen Befund.
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Lepra, Polyneuropathie
ternational League against Epilepsy [1]) ist nicht unumstritten, vielfach wird die Multifokalität des Epilepsiesyndroms betont.
Diagnostik Im allgemeinveränderten EEG mit verlangsamter Hintergrundaktivität interiktual charakteristische generalisierte, frontal betonte SlowSpike-Wave-Komplexe (Frequenz 2–2,5/s) sowie multifokale Spike- und Sharp-Wave-Aktivität. Im Schlaf rhythmische generalisierte Spike-Serien (klinisch zumeist mit tonischen Anfällen korreliert). Iktuales EEG: s. u. einzelne Anfallsformen.
Therapie Häufig therapierefraktäre Verläufe. Hohe Antiepileptikadosierungen und Kombinationstherapien meist nicht zu umgehen, wobei eine Beeinträchigung durch Nebenwirkungen zugunsten einer oft nur gering verbesserten Anfallssituation vermieden werden sollte.
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Prognose Pharmakotherapieresistenz häufig, dauerhafte Anfallskontrolle bei ≤10% der Fälle. Im Erwachsenenalter häufig Wechsel der Anfallssemiologie mit Überwiegen von fokalen und tonisch-klonischen Anfällen. In der Regel mäßige bis schwere geistige Behinderung, häufig hirnorganisch bedingte Persönlichkeits- und Verhaltensauffälligkeiten. Mortalität bis zu 5%.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399. 2. Sachdeo RC, Glauser TA, Ritter F, Reife R, Lim P, Pledger G (1999). A double-blind, randomized trial of topiramate in Lennox-Gastaut syndrome. Topiramate YL Study Group. Neurology 52:1882–1887.
Lepra, Polyneuropathie
gesichert Mittel der 1. Wahl ist Valproinsäure, in Dosierungen von 20–60 mg/kg/d. Weiterhin können Ethosuximid, Mesuximid und Benzodiazepine eingesetzt werden. Lamotrigin hat neben einer relativ guten Wirksamkeit häufig günstige Effekte hinsichtlich Vigilanz und Stimmung. Häufige tonisch-klonische Anfälle können den zusätzlichen Einsatz von Phenobarbital, Primidon, Phenytoin oder evtl. auch Brom erforderlich machen. Bei sonst nicht behandelbaren Fällen kann, unter sorgfältiger Nutzen-Risikoabwägung, ein Versuch mit Felbamat notwendig werden. Pharmakoresistente Sturzanfälle können erfolgreich mit Kallosotomie oder Vagusstimulation behandelt werden.
Definition Durch Infektion mit Mycobacerium leprae verursachte Polyneuropathie, weltweit eine der häufigsten Polyneuropathieursachen. Der Erreger befällt Schwann-Zellen im peripheren Myelin und breitet sich entlang der Nervenäste von distal (meist sensible Äste) nach proximal aus. Die jeweilige Form der Neuropathie ergibt sich aus der Abwehrlage in Analogie zum allgemeinen Krankheitsverlauf.
Einleitung *
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empirisch Unter Topiramat (6 mg/kg/d) wurde in einer doppelblinden, randomisierten Studie bei 33% der Patienten eine ≥50%ige Frequenzreduktion von generalisierten tonisch-klonischen und Sturzanfällen beobachtet [2]. 3
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unwirksam/obsolet Benzodiazepine, insbesondere Clonazepam und Diazepam können u. U. zur Aktivierung von tonischen Anfällen führen.
Bei einer guten Abwehrlage (tuberkuloide Lepra) werden die infizierten Nerven durch die Immunantwort zusätzlich mitgeschädigt. Hier liegen hypopigmentierte Hautveränderungen vor, in deren Bereich vor allem die Schmerzempfindung gestört ist. Im Verlauf treten hier Hypästhesien und trophische Störungen (Haarverlust, Hypohidrosis) auf. Der Prozess kann spontan zum Stillstand kommen. Nur selten kommt es zu atrophischen Paresen. Bei fehlender Immunantwort (lepromatöse Lepra) vermehren sich die Erreger in den Schwann`schen Zellen. Es resultiert eine progrediente demyelinisierende Polyneuropathie. Bei der ungebremsten hämatogenen
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Lesch-Nyhan-Krankheit
Ausbreitung treten die Hautveränderungen besonders in kühlen Akren auf und führen zu ausgeprägten dissoziierten Sensibilitätsstörungen. Hier sind häufig auch Hirnnerven betroffen. Schließlich kann sich die dimorphe Lepra als Zwischenform manifestieren, bei der ein rein neuropathischer Verlauf vorliegt („hypertrophische Neuritis“). Diese Form geht im Verlauf in eine der beiden anderen Formen über.
athetose und Selbstverstümmelungen (Abkauen der Finger und der Lippen). Weibliche Merkmalsträger sind asymptomatisch. Der vermehrte Anfall von Guanin und Hypoxanthin führt zur vermehrten Harnsäureausscheidung im Urin und zur Uratbildung. Die Pathogenese der zentralen Symptome ist bis heute nicht verstanden. Es wird vermutet, dass katecholaminerge Transmission besonders betroffen ist und leitet daraus eine mögliche Behandlung mit Serotoninagonisten bzw. - antagonisten ab.
Therapie Eine ausreichend langfristige antibiotische Therapie ist entscheidend. Mittel der 1. Wahl ist das Diaminodiphenylsulfon (Dapson 100 mg/die über mindestens 3–4 Jahre). Initial wird meist zusätzlich Rifampicin 600 mg/die über 6 Monate verabreicht. Alternativ zum Dapson kommen Aminoglykoside oder Ofloxacin in Betracht.
Prognose Die Rückbildung bestehender Defekte bei der tuberkuloiden Lepra ist gering. Grundsätzlich ist die Polyneuropathie bei Lepra durch Antibiotika behandelbar. Leider ist eine fehlende oder unzureichende antibiotische Therapie häufig, sodass es durch die Erkrankung zu ausgeprägten Mutilationen kommen kann.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Harnsäure im Serum, Oberbauchsonographie, evtl. genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatische Prävention der Mutilationen mit Beißschiene und Handschuhen. Evtl. günstige Wirkungen von Carbamazepin, SerotoninWiederaufnahmehemmer, Trizyklika. Über eine Gentherapie wird nachgedacht. gesichert Allopurinol senkt wirksam die Harnsäurekonzentration im Blut.
Nachsorge Oberbauchsonographie, Harnsäure im Serum im Verlauf.
Lesch-Nyhan-Krankheit Prognose Synonyme Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase-Mangel
Abhängig von Ausprägung und Fortschreiten der zentralen Symptome.
Definition X-chromosomal-rezessive Krankheit von Nieren und Nervensystem durch Mangel an Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase.
Einleitung Genlokus Xq26-27. Viele verschiedene Mutationen. Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase katalysiert die Umwandlung von Guanin und Hypoxanthin in die jeweiligen Mononukleotide. Partieller Mangel führt zu einer schweren Form der Gicht. Absoluter Mangel ist die Ursache des Lesch-Nyhan-Syndroms mit Hyperurikämie, mentaler Retardierung, Spastik, Choreo-
Leukämie, meningealer Befall Definition Beim meningealen Befall kommt es entweder durch hämatogene Streuung zirkulierender Tumorzellen oder durch eine direkte Invasion von befallenem Knochenmark ausgehend zur meningealen Tumoraussaat.
Grundlagen Die meningeale Leukose ist eine typische Manifestation der akuten lymphatischen Leukämie (ALL). Etwa 50% der an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder an einer chroni-
Leukoaraiose
schen lymphatischen Leukämie (CLL) Verstorbenen weisen autoptisch ebenfalls eine meningeale Tumoraussaat auf. Dagegen ist der meningeale Befall bei einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) eine absolute Rarität [1]. Kinder sind insgesamt häufiger betroffen. Klinisch führen Zephalgien als Ausdruck der Liquorzirkulationsstörung sowie Hirnnervensymptome. Diagnostisch ist der Nachweis von Tumorzellen im Liquor führend. Therapeutisch wird heute die „ZNS Prophylaxe“ bei akuten Leukämien im Kindes- und zunehmend auch im Erwachsenenalter nicht mehr mit einer Strahlentherapie, sondern mit einer intrathekalen bzw. intraventrikulären „Triple-Therapie“ unter Einschluss von Methotrexat, Cytarabin und Dexamethason durchgeführt [1]. Bei nachgewiesenem meningealem Befall wird diese Therapie mit einer systemischen hochdosierten Chemotherapie kombiniert; einige Autoren empfehlen zusätzlich eine kraniospinale Bestrahlung [2].
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Pathoanatomisch liegen multiple, konfluierende demyelinisierende Plaques, mehrkernige Astrozyten und abnorme Oligodendrogliazellen mit intranukleären Einschlusskörperchen, in denen elektonenmikroskopisch Papovavirus-Strukturen erkennbar sind, zugrunde. Die leukenzephalopathischen Läsionen sind im HemisphärenMarklager, in den Basalganglien, im Kleinhirn und im Hirnstamm nachweisbar, in seltenen Fällen ist auch die graue Substanz befallen.
Diagnostik *
Anamnese mit Grunderkrankung. Klinik. Zerebrale Bildgebung mit Nachweis der leukenzephalopathischen Veränderungen, die typischerweise kein Kontrastmittel aufnehmen und nicht raumfordernd sind. Im Liquor positive PCR auf Papovaviren. CVirus PCR in ca. 80% positiv. Eine Hirnbiopsie ist bei dieser Kombination meist nicht notwendig.
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Literatur
Therapie
1. Schlegel U, Westphal M (1998). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart. 2. Blaney SM, Poplack DG (1996). Central nervous system leukemia. Curr Opin Oncol 8:13–19.
Keine spezifische Therapie bekannt. Bei AIDS-Patienten wird eine Optimierung der antiretroviralen Behandlung angestrebt. Zusätzlich Breitbandvirostatika: Cidovir (Vistide®): 5 mg/kgKG/die i. v. für eine Woche. Unter HAART z. T. Teilremission.
Definition Subakut demyelinisierende Erkrankung der weißen Substanz, die vor allem bei Patienten mit gestörter Immunabwehr auftritt.
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Leukenzephalopathie, progressive multifokale
Prognose Die Erkrankung verläuft je nach Entwicklung der Immunitätslage über Monate bis Jahre und führt zum Tod des Patienten.
Leukoaraiose Synonyme Häufig synonym verwendet: Konfluierende „white matter lesions“ (MRT), subkortikale (periventrikuläre) Dichteminderung (CCT)
Definition Konfluierende subkortikale mikroangiopathische Läsionen. Die Leukoaraiose bzw. „white matter lesions“ sind nur inkonstant mit der subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie (SAE) im Sinne einer vaskulären Demenz vergesellschaftet. 3
Verursachender Erreger der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) ist das JC-Virus, evtl. auch das SV-40-Virus, die zu den Papovaviren gehören. Betroffen sind insbesondere immuninkompetente Patienten (Chemotherapie bei Malignomen/Leukosen, Immunsuppression bei Transplantation und häufig als Komplikation bei AIDS-Patienten, in etwa bei 3%). Klinisch führend sind ein progredientes hirnorganisches Psychosyndrom mit multifokalen Herdsymptomen (Paresen, extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen, zerebellare und Hirnstammsyndrome) und Krampfanfälle.
3
Einleitung
L
3
3
3
3
702
Leukodystrophie, metachromatische
Diagnostik 3
Mikroangiopathie,
lakunärer Hirninfarkt
3
*
Therapie lakunärer Hirninfarkt
*
Leukodystrophie, metachromatische
*
3
Mikroangiopathie,
*
ten Aufnahmen im periventrikulären Marklager ohne KM-Anreicherung. Neurographie und evozierte Potentiale: Fakultative Latenzverzögerung. Liquor: Ggf. unspezifische Eiweißerhöhung. Biochemischer Nachweis des ArylsulfataseA-Mangels in den Blutleukozyten, Fibroblasten und Fruchtwasserzellkulturen Unzuverlässig ist die Untersuchung des Serums und des Urins.
Therapie
Familiäre juvenile diffuse Sklerose, ScholzBielschowsky-Hennenberg-Sklerose, SulfatidLipidose, Greenfield-Syndrom
Definition Autosomal-rezessiv vererbte Leukodystrophie mit Arylsulfatase A-Mangel im ZNS und Sulfatideinlagerungen in ZNS, peripheren Nerven und Nieren.
Keine kausale Therapie bekannt, symptomatisch Behandlung der Spastik. 3
3
Synonyme
Prognose Das Endstadium der juvenilen Form führt in 4– 5 Jahren zum Tod.
3
Einleitung Die metachromatische Leukodystrophie ist neben der Adrenoleukodystrophie eine der häufigsten Leukodystrophien. Es handelt sich um eine Sphingolipidose mit vermehrtem Auftreten eines sulfathaltigen Sphingolipids, das zu einer typischen metachromatischen (farbumschlagenden) Färbereaktion in der Markregion des ZNS führt. Die Speicherung der Sulfatiden ist auf bislang noch ungeklärte Weise verantwortlich für die Myelinschädigung. Unterschieden werden * die häufigere juvenile Form (Beginn in den ersten zwei Lebensjahren), die sich klinisch durch eine sich langsam entwickelnde spastische Tetraparese mit Spitzfußstellung, bulbären und pseudobulbären Zeichen, allgemein psychomotorischer Rückentwicklung, Optikusatrophie mit vollständiger Amaurose und Kontaktunfähigkeit äußert und * die sehr viel seltenere adulte Form (Beginnt im Alter von 20–50 Jahren), die durch spastische Paresen, Ataxie, Aphasie sowie einem hirnorganischen Psychosyndrom gekennzeichnet ist. 3
3
3
Diagnostik * *
Klinik. Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT): symmetrische Dichteminderungen, bzw. Hyperintensitäten in den T2-gewichte-
Levomepromazin Zubereitungen Levomepromazin als 25 mg, 50 mg und 100 mg Tabletten; als Tropfen; und in Ampullen zur i. m.-Verabreichung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Levium® 25/-100. Levomepromazin-neuraxpharm® 10/-25/-50/100 Tabletten, Lösung, Injektionslösung i. m. Neurocil® 25 mg/-100 mg Tabletten, Tropfen (1 Tropfen = 1 mg), Ampullen (25 mg in 1 ml) zur i. m.-Verabreichung.
Wirkungen Levomepromazin ist ein Phenothiazin-Neuroleptikum, das zentral hauptsächlich am Thalamus, Hypothalamus und dem limbischen System seine Wirkung entfaltet. Peripher besitzt Levomepromazin adrenolytische und antihistaminische Eigenschaften.
Pharmakologische Daten Levomepromazin wird nach oraler Gabe zu etwa 50–60% resorbiert. 1–4 Stunden nach einer Dosis von 50 mg betragen die maximalen Plasmaspiegel etwa 16–40 ng/ml. Nach intramuskulärer Verabreichung von 25 mg Levomepromazin werden maximale Plasmaspiegel von 20–30 ng/ml nach etwa 30–90 Minuten erreicht. Das Verteilungsvolumen von Levome-
Levomepromazin
promazin beträgt 30 l/kg. Levomepromazin durchquert die Liquorschranke und die Plazenta, und scheint auch in die Muttermilch überzugehen. Die Konzentration im Liquor ist in der Regel höher als diejenige im Blut. Levomepromazin wird in der Leber zu einer Sulfoxid-, einer Glucuronid- und einer Demethylverbindung abgebaut. Der Anteil an First-Pass-Metabolismus ist beträchtlich. Die Ausscheidung erfolgt relativ langsam über Urin und Faeces, hauptsächlich in Form der Metabolite und nur zu etwa 1% unverändert. Die Halbwertszeit schwankt zwischen 15 und 30 Stunden.
Anwendungsgebiete Wegen seiner stark sedierenden Wirkung ist Levomepromazin geeignet zur Dämpfung von Hyperaktivitäts- oder Agitationszuständen bei psychomotorischen Erregungszuständen, Psychosen des schizophrenen Formenkreises, chronischen Psychosen mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen sowie manischer Erregung. Levomepromazin wird eingesetzt zur Behandlung von akut oder chronisch psychotischen Patienten mit Agitation, psychomotorischen Erregungszuständen, Angstzuständen und Neurosen oder psychosomatischen Beschwerden, die mit Angst verbunden sind. Levomepromazin wirkt antiemetisch und verstärkt die Wirkung von Anästhetika. Levomepromazin wird auch eingesetzt zur Behandlung von schweren Schmerzen.
Dosierung/Anwendung Die Dosierung ist individuell und schrittweise zu ermitteln. Die Tagesdosis von Levomepromazin wird in der Regel auf 2–4 Gaben verteilt, wobei die Hälfte oder ein größerer Teil am Abend verabreicht werden sollte. 1. Peroral: Erwachsene beginnen mit einer Tagesdosis von 25–50 mg und steigern langsam bis zur individuell erforderlichen Menge, in der Regel 150–250 mg täglich, bei Bedarf auch höher. 2. Intramuskulär: Zu Beginn täglich 75–100 mg (3–4 Injektionen zu 25 mg), dann langsam steigern bis zur individuell erforderlichen Dosis, in der Regel 150–250 mg. Wegen der blutdrucksenkenden Wirkung wird bei intramuskulärer Verabreichung zu Beginn der Behandlung Bettruhe empfohlen, bei pero-
703
raler Gabe soll der Patient jeweils während einer Stunde nach Einnahme ruhen. Levomepromazin kann, vor allem zu Beginn der Behandlung schläfrig machen. Dies ist beim Lenken von Fahrzeugen oder beim Bedienen von Maschinen zu beachten. Während einer Therapie mit Levomepromazin soll grundsätzlich kein Alkohol konsumiert werden. Epileptiker müssen während der Behandlung streng überwacht werden (klinisch und evtl. EEG), da Levomepromazin die Anfallsschwelle herabsetzen kann. Vorsicht ist geboten bei Alterspatienten wegen der erhöhten Empfindlichkeit (Sedierung und Hypotonie); bei schweren Herz- und Kreislauferkrankungen wegen den hämodynamischen Veränderungen (Hypotonie); bei Nieren- und/ oder Leberinsuffizienz wegen des Risikos einer Überdosierung. Bei längerer Behandlungsdauer wird eine Überwachung der Leber- und Blutwerte empfohlen. Es sind weder kontrollierte Studien beim Tier noch bei schwangeren Frauen verfügbar. Unter diesen Umständen soll Levomepromazin nur verabreicht werden, wenn der potentielle Nutzen das fötale Risiko übersteigt.
Unerwünschte Wirkungen Im Fall einer Hyperthermie muss Levomepromazin abgesetzt werden, da es sich um ein Symptom des malignen neuroleptischen Syndroms handeln kann (Blässe, Hyperthermie, vegetative Störungen, Arrhythmien, Katatonie, Koma). Es wurde über seltene Fälle von Verlängerung des QT-Intervalls nach Verabreichung von Levomepromazin berichtet. Die QT-Verlängerung wird durch niedrige Kalium- und MagnesiumBlutspiegel begünstigt. Wegen der blutdrucksenkenden Wirkung wird bei intramuskulärer Verabreichung zu Beginn der Behandlung Bettruhe empfohlen, bei peroraler Gabe soll der Patient jeweils während einer Stunde nach Einnahme ruhen. Levomepromazin kann, vor allem zu Beginn der Behandlung schläfrig machen. Dies ist beim Lenken von Fahrzeugen oder beim Bedienen von Maschinen zu beachten. Während einer Therapie mit Levomepromazin soll grundsätzlich kein Alkohol konsumiert werden. Epileptiker müssen während der Behandlung
L
Lewy-Body-Demenz (DLB)
LGMD („limb-girdle muscular dystrophy“) Gliedergürteltyp der Muskeldystrophie
LHON (Leber hereditäre Optikusneuropathie) 3
Leber'sche (LHON)
hereditäre
Optikusneuropathie
Libmann-Sacks-Endokarditis 3
streng überwacht werden (klinisch und evtl. EEG), da Levomepromazin die Anfallsschwelle herabsetzen kann. Vorsicht ist geboten bei Alterspatienten wegen der erhöhten Empfindlichkeit (Sedierung und Hypotonie); bei schweren Herz- und Kreislauferkrankungen wegen den hämodynamischen Veränderungen (Hypotonie); bei Nieren- und/ oder Leberinsuffizienz wegen des Risikos einer Überdosierung. Bei längerer Behandlungsdauer wird eine Überwachung der Leber- und Blutwerte empfohlen. Es sind weder kontrollierte Studien beim Tier, noch bei schwangeren Frauen verfügbar. Unter diesen Umständen soll Levomepromazin nur verabreicht werden, wenn der potentielle Nutzen das fötale Risiko übersteigt. Am häufigsten treten Somnolenz und Sedierung sowie zu Beginn der Behandlung atropinartige Wirkungen wie Mundtrockenheit, Akkommodationsstörungen, Harnretention, Obstipation und paralytischer Ileus sowie orthostatische Hypotonie bei prädisponierten Patienten auf. Selten sind endokrine Störungen wie Impotenz, Amenorrhöe, Galaktorrhöe, Gynäkomastie, Hyperprolaktinämie und Gewichtszunahme sowie extrapyramidale Störungen und frühe und späte Dyskinesien bei Langzeittherapie. Ebenfalls selten beobachtet werden cholestatischer Ikterus, Hautreaktionen, Photosensibilisierung und Agranulozytose. Selten Verlängerung des QTIntervalls.
3
704
Endokarditis, Libmann-Sacks
Lidöffnungsapraxie Synonyme Lidöffnungsinhibition, Blepharokolysis, atypischer Blepharospasmus, prätarsaler Blepharospasmus, „Akinese der Lidöffner“, supranukleäre Lidöffnungsparese
Definition Spezielle Form der Lidöffnungsstörungen.
Einleitung Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Levomepromazin ist kontraindiziert bei Überempfindlichkeit auf Levomepromazin, auf einen Hilfsstoff von Levomepromazin, oder auf andere Phenothazine, Parkinson-Syndromen, Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung, einer Agranulozytose in der Anamnese, Porphyrie, Leukopenie, multipler Sklerose, Myasthenie, Hemiplegie sowie akuten Intoxikationen mit ZNSdämpfenden Pharmaka oder Alkohol.
Lewy-Body-Demenz (DLB) Demenz, Lewy-Body-Demenz
Der Begriff ist unstimmig, weil Apraxie sich auf gelernte motorische Abläufe bezieht. Es ist günstiger von Lidöffnungsinhibition zu sprechen oder die anderen Synonyme zu verwenden. Letztlich wird damit ein Ende des Blepharospasmus-Spektrums gemeint. Dieses reicht von einem klassischen Blepharospasmus mit kräftigen Spasmen des Orbicularis oculi bis zu einer Lidöffnungsapraxie, bzw. Lidöffnungsinhibition (Blepharokolysis, Kolysis = Hemmung), bei der ein Spasmus gar nicht sichtbar ist. Diese beiden Extreme des Spektrums findet man auch als Randformen einer Einteilung des Blepharospasmus in 5 Typen, die auf EMG-Ableitungen des M. levator palpebrae und des M. orbicularis oculi basieren [1]. In dieser Klassifikation wird ein „klassischer“
3
Lidöffnungsapraxie
Der letztgenannte Blepharospasmustyp („atypischer Blepharospasmus“) bereitet die größten diagnostischen und therapeutischen Schwierigkeiten [3]. Die Patienten haben bei geschlossenen Lidern Schwierigkeiten, auf Aufforderung die Augen zu öffnen und kontrahieren dafür den M. frontalis. Bei tatsächlich vorliegender ausschließlicher Levatorinhibition tritt diese Form der Lidöffnungsstörung vorwiegend bei PSP und MSA auf. Ein prätarsaler Blepharospasmus, bei dem die Kontraktionen primär oder sekundär (nach Denervierung der präseptalen und periorbitalen Anteile des M. orbicularis oculi) entsteht, imponiert aber ebenfalls wie ein Lidöffnungsinhibitionstyp. Es ist bemerkenswert, dass die wenigsten Patienten über einen Lidkrampf klagen. Bei einigen wird außerdem während der Untersuchungssituation kein Befund zu erheben sein, da wie bei den anderen Dystonien der Blepharospasmus durch einen fluktuierenden Charakter gekennzeichnet ist. Ein Teil der Betroffenen beschreibt die Beschwerden als ein „Zucken“, „Zwinkern“ oder „Zwicken“, andere Patienten sprechen davon, dass sie die „Augen nicht mehr aufbekommen“ oder von einem „Zufallen der Augendeckel“. Differenzialdiagnose Blepharospasmus:
Beim Blepharospasmus im höheren Erwachsenenalter findet man meist keine Ursache. Die häufigste Ursache für eine Blepharospasmus als sekundäre Dystonie ist vermutlich eine tardive Genese. Differenzialdiagnostisch muss man beim Blepharospasmus Ursachen abnormaler Blinkbewegungen, abnormalem Lidschluss oder Lidöffnung (Ptosis) erwägen. Akute ophtalmologische Ursachen wie Iritis, Konjunktivitis u. a. bereiten wegen der vorhandenen Begleitsymptomatik (rotes Auge, Schmerzen) keine Schwierigkeiten. Bei chronischen ophthalmologischen Störungen wie Achromatopsie oder Albinismus tritt die abnorme Blinkfrequenz nur bei Helligkeit auf (verstärkter optikopalpebraler Reflex). Die häufigste Fehldiagnose stellt die okuläre Myasthenie bei atypischem oder prätarsalem Blepharospasmus ohne kräftigen Lidschluss dar. Blepharospasmus ist jedoch in seltenen Fällen bei Myasthenie beschrieben [5]. Assoziationen und Übergänge zu chronischen Tic-Störungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden [4]. Eine entsprechende Tic-Anamnese mit willkürlicher Unterdrückbarkeit der Tics, wachsender innerer Anspannung bis zur Tic-Auslösung, sensorischen Missempfindungen im Gesichtsbereich, die nach Tic-Auslösung nachlassen, sollte den Blepharospasmus vom chronischen Zwinkertic (Blinzeltic) differenzieren helfen. Schwierig ist es, eine Augenschluss-Stereotypie bei jungen psychotischen Patienten von einem tardiven Blepharospasmus zu unterscheiden. 3
Blepharospasmus bei dystoner EMG-Aktivität im M. orbicularis oculi mit intakter reziproker Hemmung im M. levator palpebrae beschrieben. Am anderen Ende des Spektrums zeigt der M. levator palpebrae elektromyographisch eine vollkommene Inhibition ohne dystone Aktivität im M. orbicularis oculi. Zwischen den beiden Randformen liegen Mischbilder mit eingeschränkter reziproker Hemmung vor. Im Hinblick auf die Therapie wäre diese Klassifikation sinnvoll, jedoch sind EMG-Ableitungen des M. levator palpebrae schwierig und im klinischen Alltag kaum durchzuführen. Der Autor hat daher folgende klinische Klassifikation [2]: 1. Klassischer Blepharospasmus (klonischer Spasmus als intermittierender bis anhaltend kräftiger Lidschluss imponierend). 2. Tonischer Blepharospasmus (tonische Dauerkontraktion zu anhaltender Lidspaltenverengung führend). 3. Lidöffnungsinhibitionstyp (Kein offensichtlicher Krampf des M. orbicularis oculi, aber Kontraktion des M. frontalis mit entsprechender Stirnfalte).
705
Diagnostik Klinisch, evtl. Ausschluss einer okulären Myasthenie.
Therapie Spezielle lidrandnahe Injektionen von Botulinumtoxin. Das Risiko einer Ptosis ist bei unpräziser Applikation erheblich erhöht.
Literatur 1. Aramideh M, Ongerboer DVB, Devriese PP et al. (1994) Electromyographic features of levator palpebrae superioris and orbicularis oculi muscles in blepharospasm. Brain 117: 27–38. 2. Ceballos-Baumann AO (1996). Dystonien. In: Conrad B, Ceballos-Baumann AO (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme Stuttgart 89–140. 3. Elston JS (1992). A new variant of blepharospasm. J Neurol Neurosurg Psychiatry 55: 369– 71.
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Liepmann-Apraxie
4. Elston JS, Granje FC, Lees AJ (1989). The relationship between eye-winking tics, frequent eye-blinking and blepharospasm [see comments]. J Neurol Neurosurg Psychiatry 52: 477–80. 5. Kurlan R, Jankovic J, Rubin A et al. (1987) Coexistent Meige's syndrome and myasthenia gravis. A relationship between blinking and extraocular muscle fatique? Arch Neurol 44: 1057–60.
Linearbeschleuniger 3
706
Radiochirurgie
Linsenkerninfarkt Hirninfarkt, Linsenkerninfarkt
3
Liepmann-Apraxie Synonyme
Lipidstoffwechselerkrankungen
Apraktische Störung der linken Körperhälfte, vorderes Diskonnektionssyndrom
Neuropathie bei Lipidstoffwechselerkrankungen
3
Definition
*
Ätiologie: Durch Läsion der vorderen Kommissurenfasern des Corpus callosum kommt es zur Entkoppelung der rechten Hemisphäre von den dominanten motorischen Assoziationsfeldern der linken Hemisphäre. Vorkommen: Bei Anteriorinfarkten, (Schmetterlings-)Glioblastomen, Trauma mit Balkenverletzung. Klinik: Isolierte ideomotorische Apraxie der linken Körperhälfte mit Störungen des Bewegungsablaufs.
*
*
Therapie *
Neuropsychologische Diagnostik und Therapie. Physiotherapie.
*
Lindau-Tumor (Hämangioblastom) 3
Hämangioblastom, drom
Hippel-Lindau-Syn-
Definition Lokale Zerstörung der Gefäßwandarchitektur mit Einlagerung von Makrophagen, fibrinoidem Material und Blutextravasaten mit mikroangiopathischen Verschlüssen der kleinen Arterien (40–900 µm) prädominierend bei Arterien bis 200 µm Durchmesser. Pathologisches Korrelat der zerebralen Mikroangiopathie und der lakunären Hirninfarkte. 3
Einleitung
Lipohyalinose
3
Unter einer Apraxie versteht man eine Störung der Planung und Durchführung von automatisierten oder willkürlichen Bewegungen ohne eigentliche Störung der motorischen Funktion. Die Liepmann-Apraxie bezeichnet speziell eine Apraxie oder Dyspraxie der linken Körperhälfte.
Lipom Definition Lipome sind gutartige Tumoren, die sich makroskopisch nicht wesentlich von normalem Fettgewebe unterscheiden. Eine kapilläre Gefäßversorgung und fleckige Hyalinisierungen sind häufig.
Einleitung Intrakranielle Lipome sind eine Rarität. Spinale Lipome können ausschließlich intramedullär lokalisiert sein und sind dann häufig mit spinalen Dysraphien verbunden [1]. Wenn sie intradural auftreten, haften sie oft der Leptomeninx und dem Parenchym fest an, als extradurale Raumforderung sind sie oft abgekapselt und umschrieben [2].
3
Liquorunterdrucksyndrom
707
Diagnostik
Einleitung
Lipome sind in der CT hypodens, in der MRT in der T1-Wichtung ohne Fettunterdrückung intensiv signalhyperintens, in der fettunterdrückten Sequenz hypointens.
Auftreten v. a. traumatisch (Schädelbasisfraktur, meist im Bereich der Nase, seltener der Ohren), gelegentlich auch spontan, oder als Operationsfolge. Gefahr der Meningitis. Symptomatisch durch Liquorrhoe, gelegentlich Liquorunterdrucksyndrom.
Literatur 1. Fehlings MG, Rao SC (2000). Spinal Cord and Spinal Column Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. Thieme, New York 445–464. 2. Paulus W, Scheithauer BW (2000). Mesenchymal, non-meningothelial tumours. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 185–189.
3
Intrakranielle Lipome bedürfen in der Regel keiner Therapie. Spinale symptomatische Lipome werden, wenn möglich, operativ entfernt [1].
3
Therapie
Diagnostik Nachweis von Glukose und Liquortransferrin im Nasen- oder Ohrsekret. Neuroradiologische oder nuklearmedizinische (Liquorszintigraphie) Abklärung. Therapie Operative Revision und neurochirurgische Deckung.
Liquorrhöe-Rhinorhöe/-Otorrhöe Definition Ausfluss von Liquor cerebrospinalis aus der Nase bzw. aus den Ohren durch eine Liquorfistel bei Schädelbasisfraktur ( SchädelHirn-Trauma). 3
3
Einleitung Bei Fehlbildungen der enterodermalen Anlagen für die Strukturen des Gesichts können Augenfehlbildungen, z. B. eine Zyklopie, ein Hypotelorismus oder auch Kalottenfehlbildungen assoziiert sein. Störungen der ventralen Induktion, die das ZNS betreffen, führen zu einer Holoprosenzephalopathie.
Einleitung Die Entstehung einer traumatischen Liquorfistel ist an einen Einriss der Dura mater bei Schädelbasisfrakturen gebunden. Komplizierend droht eine aszendierende eitrige Meningitis oder ein Hirnabszess. 3
Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte gehört zu den Mittellinienfehlbildungen, die durch fehlende Induktion der drei Keimblätter am 23. Tag post conceptione verursacht sind.
3
Definition
3
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
Differenzialdiagnose Nachweis von Glukose und Liquortransferrin im Nasen- oder Ohrsekret. Zusätzlich kann eine neuroradiologische und nuklearmedizinische Abklärung (Liquorszintigraphie) hilfreich sein.
Therapie Eine operative Therapie kann bei Fehlbildung im Kiefer-, Gaumen oder Gesichtsbereich ohne ausgedehnte ZNS-Fehlbildungen zu einem guten kosmetischem Ergebnis führen.
Liquorfistel
Therapie Der operative Verschluss bei Rhinoliquorrhöe ist immer erforderlich, bei Otoliquorrhöe kommt es meist zum Spontanverschluss.
Liquorunterdrucksyndrom
Definition
Einleitung
Äußere Fistel der Subarachnoidalräume.
Das Liquorunterdrucksyndrom ist gekennzeich-
L
708
Lissenzephalie
net durch in aufrechter Position auftretende Nacken- und Hinterkopfschmerzen, manchmal begleitet von Übelkeit, Schwindel oder Tinnitus, die sich im Liegen rasch bessern. Es kann nach Lumbalpunktion, Spinalanästhesie, operativen Eingriffen am Spinalkanal, iatrogen nach Injektionen im Bereich der LWS, als traumatische Durafistel oder selten spontan (in Assoziation mit einer Arachnoidalzyste oder einem anlagebedingten Duradefekt, oft nach einem Bagatelltrauma) auftreten. Gemeinsamer pathogenetischer Mechanismus ist ein Liquorunterdruck (≤ 6 cm H20). Nach Punktion treten die Beschwerden meist mit einer Latenz von Stunden auf, junge Erwachsene, Frauen sind häufiger betroffen.
Differenzialdiagnose Die Diagnosestellung des postpunktionellen oder traumatischen Liquorunterdrucksyndromes ist im Allgemeinen aufgrund der typischen Anamnese einfach, nur ausnahmsweise müssen andere Kopfschmerzursachen (Meningitis, Subarachnoidalblutung, Migräne) oder Komplikationen (Auslösung eines subduralen oder intazerebralen Hämatoms) abgegrenzt werden, insbesondere bei atypischer Symptomatik oder länger als 14 Tagen anhaltenden Beschwerden. Die Diagnose des spontanen Liquorunterdrucksyndromes bereitet oft Schwierigkeiten, hinweisend ist der Nachweis eines erniedrigten Liquordruckes. In der MRT sind häufig eine diffuse meningeale Verdickung mit Enhancement nach Kontrastmittelgabe (DD entzündliches/neoplastisches Infiltrat) nachweisbar. Sensitivste Methode zum Nachweis eines Duralecks ist die Isotopenzisternographie.
Prophylaxe Die Häufigkeit des Auftretens eines postpunktionellen Liquorunterdrucksyndromes hängt vor allem von der verwendeten Punktionsnadel ab: Bei Verwendung einer atraumatischen (Sprotte) Nadel (21–22G) tritt nur in ca. 2% der Fälle ein Liquorunterdrucksyndrom auf, bei herkömmlichen Nadeln (20–22G) jedoch in 20–40%. Bei der Punktion sollte die Schliffführung der Nadel senkrecht sein, um ein Zerschneiden der longitudinal verlaufenden Durafasern zu vermeiden. Ebenso soll ein Entfernen der Nadel mit eingeführtem Mandrin die Inzidenz des Liquorunterdrucksyndromes senken.
Unwirksam zur Prophylaxe sind Bettruhe sowie eine erhöhte Trinkmenge nach der Punktion.
Therapie Patienten mit leichter Symptomatik sollten mobilisiert werden. Bei Patienten mit ausgeprägten Beschwerden führt Flachlagerung (ggf. mit Kopftieflagerung) meist zur Besserung der Symptomatik (Thromboseprophylaxe!). gesichert Die Wirksamkeit einer oralen Gabe von Coffein (300 mg) ist belegt (Besserung bei 90% in der Verum- gegenüber 60% in der Placebogruppe). Ebenso führt die intravenöse Gabe von Coffein (250 mg Coffein + 250 mg Natriumbenzoat) bei 75% der Patienten zur Besserung, bei Persistenz der Beschwerden kann durch eine Wiederholung der Injektion nach 2 h die Besserungsquote auf 85% erhöht werden. Auch die Wirksamkeit einer oralen Gabe von Theophyllin (3×350 mg, z. B. Bronchoretard®) konnte in einer (allerdings kleinen) Studie demonstriert werden. Bei chronischen, schweren, sicher postpunktionellen Beschwerden ist eine epidurale Eigenblutinjektion sinnvoll (epidurale Installation von 5–20 ml Eigenblut, meist in Höhe der vorangegangenen Lumbalpunktion, Erfolgsquote 80–96%). empirisch Die Infusion halbisotoner (0,45%) NaCl Lösung ist üblich, der Effekt jedoch nicht bewiesen. unwirksam/obsolet Eine vermehrte orale Flüssigkeitszufuhr oder Antidiuretika haben keinen Einfluss auf den Spontanverlauf.
Prognose Die spontane Remission ist die Regel und erfolgt bei der Hälfte der Patienten innerhalb von 4 Tagen, bei insgesamt ca. 75% nach 1 Woche.
Lissenzephalie Definition Unter Lissenzephalie versteht man Fehlbildungen des ZNS durch Störung der Migration.
Lisurid
Der Typ I, die klassische Lissenzephalie, ist durch eine Mikrozephalie mit fehlender Gyrierung bis auf ein oder zwei Gyri gekennzeichnet. Die im Bereich der fehlenden Gyri verlaufenden Gefäße sind tortuiert. Die weiße Substanz stellt sich nur als schmales Band entlang der Ventrikel dar. Die verbleibenden Neurone sind abnorm positioniert. Die klassische Lissenzephalie wird in Kombination mit einer Mikrodeletion auf Chromosom 17p1.3 als Miller-Dieker-Syndrom beschrieben. Der Typ II, das Walker-Warburg-Syndrom, umfasst eine totale Disorganisation des Cortex mit Inseln von Neuronen, die durch gliomatöse Stränge mit darin enthaltenen Gefäßen begrenzt werden. Zusätzlich findet man ein hypoplastisches Kleinhirn, einen hypothrophen Hirnstamm, eine Retinadysplasie mit Mikrophthalmie oder einen Hydrozephalus. Assoziiert sein können Muskelfasernekrosen. Die Prognose des Typ II ist mit einer Mortalität in den ersten Wochen oder Monaten schlecht.
Lisurid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Lisurid (Dopergin®), Tbl. zu 0,2 mg und 0.5 mg.
Wirkungen 3
Einleitung
709
Dopaminagonisten
Pharmakologische Daten Dopaminagonist mit der kürzesten HWZ von etwa 2 h. Agonist an D2-, D1-, NA- und 5HAT-Rezeptoren.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung des Morbus Parkinson als Monotherapie in der Frühphase der Erkrankung, um den Einsatz von Levodopa hinauszuzögern. Als Kombinationstherapie mit Levodopa-/ Dopa-Decarboxylasehemmern in späteren Stadien der Erkrankung. OFF-LABEL-Indikation: Restless Legs.
Dosierung/Anwendung Beginn der Behandlung mit 0,1 mg/die. Dosiserhöhung: 0,1 mg pro Woche bis klinischer Effekt sichtbar. Einnahme stets während Mahlzeiten oder Imbiss.
Listeriose des ZNS Definition Bakteriell-entzündliche Erkrankungen des ZNS durch Listeria monocytogenes.
Unerwünschte Wirkungen
3
Sehr selten: Pleura- oder Retroperitonealfibrose, Pleuraergüsse, Raynaud-Phänomen, Erythromelalgie. Ansonsten ähnlich wie L-Dopa. Wahrscheinlich potenter als L-Dopa bezüglich Auslösen von psychiatrischen, gastrointestinalen oder kardialen Nebenwirkungen.
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Grundlagen Infektionen mit dem grampositiven Stäbchen können insbesondere bei Kleinkindern, immunsupprimierten Erwachsenen (z. B. bei AIDS), aber selten auch bei primär gesunden Menschen zu einer bakteriellen Meningitis, Meningoenzephalitis, Zerebellitis und selten auch zu Abszessen führen. Listeria monocytogenes ist der vierthäufigste Erreger einer bakteriellen „community acquiered“ Meningitis. Eine ZNS-Listeriose kann selten endemisch nach Genuss von roher Milch oder Milchprodukten (z. B. Käse) auftreten. Eine Listeriose sollte bei akuten Entzündungen des ZNS differenzialdiagnostisch immer in Betracht gezogen werden und aufgrund der hohen Empfindlichkeit gegenüber Ampicillin eine Behandlung erfolgen (4×4 g/die i. v.). Die Mortalität einer ZNS-Listeriose beim Immunsupprimierten beträgt 33%, beim Immunkompetenten <10%.
Überempfindlichkeit gegenüber Ergotalkaloiden, koronare Herzerkrankung und arterielle Verschlusskrankheiten, schwere psychische Störungen, unkontrollierte Hypertonie, Nierenund Lebererkrankungen (mangels Therapieerfahrung), Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sowie Blutungen im Magen-DarmTrakt, Schwangerschaft, Stillzeit.
Wechselwirkungen Alkohol (verminderte Alkoholverträglichkeit), Reserpin, Neuroleptika, Opioide (verminderte Wirkung der Agonisten), Antihypertensiva (Blutdrucksenkung verstärkt), Guanethidin (häufigere Arrhythmien).
L
3
3
3
710
Lithium
Bewertung Nach Bromocriptim der zweite Dopaminagonist, der in die Parkinson-Therapie eingeführt wurde. Es liegen damit umfangreiche Erfahrungen vor. Im Vergleich zu den neuen Dopaminagonisten (Cabergolin, Ropinirol und Pramipexol) wahrscheinlich in der Aufdosierungsphase mit mehr unerwünschten Wirkungen wie Überlkeit, Erbrechen, orthostatischer Dysregulation u. a. vergesellschaftet. Ob dies signifikant ist, kann nicht beantwortet werden. Direkte Vergleichsstudien zwischen den einzelenen Dopaminagonisten gibt es bisher nicht.
Lithium Zubereitungen Lithium wird als Karbonat und Sulfat (Retardpräparate), Aspartat, und Azetat eingesetzt.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Quilonum® (Lithiumacetat 536 mg, entsprechen 8,1 mmol Li+). Quilonum retard®, Li 450 „Ziehten“ Tabletten (Lithiumcarbonat 450 mg, entsprechen 12,2 mmol Li+). Hypnorex® retard Retardtabletten (Lithiumcarbonat 400 mg, entsprechen 10,8 mmol Li+). Leukominerase® magensaftresistente Tabletten (Lithiumcarbonat 150 mg, entsprechen 4 mmol Li+). Lithium Apogepha® Tabletten (Lithiumcarbonat 295 mg, entsprechen 8 mmol Li+). Lithium-Aspartat magensaftresistente Tabletten (Lithium-DL-Hydrogenaspartat 500 mg, entsprechen 3,2 mmol Li+). Lithium-Duriles® Retardtabletten (Lithiumsulfat H2O-frei 330 mg, entsprechen 42 mg Li+, entsprechend 6 mval).
Wirkungen Lithium ist angezeigt zur Prophylaxe und Therapie affektiver Störungen. Die volle Wirkung der Behandlung tritt mitunter erst nach Monaten ein. In vielen Fällen ist eine jahrelange, ununterbrochene Lithiumbehandlung notwendig. Der Wirkmechanismus von Lithium ist noch nicht geklärt. Experimente zeigen jedoch, dass Lithium mehrere neurochemische Systeme modulieren kann. Diese sind: Ionen Kanäle, Neurotransmitter (Serotonin, Dopamin und Norepi-
nephrin) und sekundäre Botenstoffe wie Phosphoinositide und zyklisches AMP (cAMP).
Pharmakologische Daten Lithiumsalze werden gastrointestinal fast vollständig absorbiert. Maximale Konzentrationen im Serum werden mit dem Azetat nach 0,5–3 Stunden und mit dem Karbonat nach 4–4,5 Stunden erreicht. Die Serumkonzentrationen streuen stark von Patient zu Patient. Lithium wird im ganzen Körper verteilt und die Verteilung ist nach ca. 6–10 Stunden abgeschlossen. Höhere Konzentrationen als im Serum werden in den Knochen, den Schilddrüsen und Teilbereichen des Gehirns gemessen. Lithium hat ein hohes relatives Verteilungsvolumen von ca. 120% des Körpergewichtes, d. h. Lithium wird intrazellulär und extravasal gespeichert. Lithium bindet nicht an Plasmaproteine. Die optimale Wirkstoffkonzentration im Serum liegt im Bereich 0,6–1,0 mmol(mval)/l und sollte nur im Ausnahmefall bis auf 1,2 mmol (mval)/l gesteigert werden. Nierenausscheidung und Körpergewicht, also individuell stark differierende Faktoren, bestimmen die notwendige Lithiumdosis. Lithium wird unverändert über die Nieren ausgeschieden. Nach 5–7 Tagen regelmäßiger Einnahme beträgt die Halbwertszeit ca. 24 Stunden, bei älteren Patienten 30–36 Stunden und bei jugendlichen Patienten ca. 18 Stunden.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung akuter Episoden der Manie und Hypomanie. Zur Prophylaxe manisch-depressiver Episoden. Intervallbehandlung beim Cluster-Kopfschmerz.
Dosierung/Anwendung Die Dosis hängt von der Zubereitungsform ab und muss, basierend auf den Serumkonzentrationen und dem klinischen Verlauf, individuell eingestellt werden. Es ist wichtig, die LithiumSerumkonzentrationen in Blutproben, die so genau wie möglich 12 Stunden nach der letzten Einnahme entnommen wurden zu messen. Normalerweise ist dies die letzte Dosis am Abend. Der optimale Bereich der Lithium-Serumkonzentrationen liegt zwischen 0,6 und 1,0 mmol(mval)/l. Erhebliche Unterschiede in der Lithiumausscheidung und eine beträchtliche Schwankungsbreite der Ansprechbarkeit
Lithium
der Erkrankung erfordern eine individuelle Dosierung. Die meisten Patienten unter Erhaltungstherapie werden mit 24,4 mmol Lithium (entsprechend z. B. 3 Tabletten Quilonum® bzw. 2 Tabletten Quilonum® retard) pro Tag stabilisiert. Einer gründlichen körperlichen Untersuchung zu Beginn der Behandlung soll sich eine sorgfältige Überwachung der Patienten im Hinblick auf die Wirkung von Lithium anschließen. Zu Beginn der Therapie ist eine wöchentliche Lithium-Serumbestimmung notwendig. Bei fortgesetzter Behandlung sollte der Lithiumspiegel alle 2 Monate ermittelt werden. Bei einer kurzfristigen Unterbrechung (nicht ohne Risiko für den Patienten), sollte die Tagesdosis so weit reduziert werden, dass der Lithiumserumspiegel die untere therapeutische Grenze von 0,6 mmol(mval)/l nicht überschreitet. Außerdem ist es ratsam, die Tagesdosis in diesem Fall auf etwa 4 Einnahmen zu verteilen, um Konzentrationsspitzen im Serum zu vermeiden. Vor der Einleitung einer Behandlung mit Lithium sollte unbedingt eine vollständige Blutuntersuchung mit Schilddrüsenfunktionstests (T4 und TSH), eine Kreatininmessung im Serum (oder Bestimmung der Kreatinin-Clearence) und ein Urinsediment durchgeführt werden. Es sollte eine Gewichtskontrolle vorgenommen werden. Lithium kann die T-Wellen im Elektrokardiogramm beeinflussen. Bei bestimmten Personen ist vor der Einleitung der Lithiumbehandlung ein Elektrokardiogramm vorzusehen. Eine regelmäßige klinische und blutchemische Überwachung der Schilddrüsenfunktion unter fortgesetzter Lithiumbehandlung ist zur Aufdeckung eventueller iatrogener Schilddrüsenstörungen unerlässlich. Chronische Lithiumtherapie kann mit eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit der Nieren assoziiert sein, welche sich gelegentlich als nephrogener Diabetes insipidus mit Polyurie und Polydipsie äussert. Es empfiehlt sich deshalb eine vermutete Störung der Nierenfunktion (Wasserrückresorption) durch die Messung des Serum-Natrium-Spiegels zu überprüfen. Bei Patienten mit diesen Symptomen soll eine Dehydrierung mit besonderer Vorsicht vermieden werden, um eine toxische Lithiumretention zu vermeiden. Patienten, die gleichzeitig mit Neuroleptika behandelt werden, sollten eng überwacht und auf Frühsymptome einer Neurotoxizität untersucht werden. Falls diese Symptome auftreten, ist die
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Behandlung sofort abzubrechen. In extrem seltenen Fällen kann die gleichzeitige Verabreichung von Lithium und Neuroleptika zu einem enzephalopathischen Syndrom führen (charakterisiert durch Delirium, Anfälle oder erhöhte Inzidenz extrapyramidaler Symptome), welches ähnlich oder identisch zu einem malignen neuroleptischen Syndrom sein kann. Diuretika sollten nur mit Vorsicht während der Lithiumtherapie verschrieben werden. Die Lithiumkonzentration sollte in kürzeren Intervallen bestimmt und die Dosis entsprechend angepasst werden. Lithium sollte 2 Tage vor Beginn der Elektroschockbehandlung abgesetzt werden, um das Risiko von Delirien, welches bei Kombination dieser beiden Therapien auftreten kann, zu vermindern. Vor einer Allgemeinnarkose empfiehlt es sich, Lithium 2–3 Tage vor dem Eingriff abzusetzen. Die Lithiumtoxizität steht in enger Beziehung zur Lithium-Serumkonzentration und muss ab Konzentrationen von 1,5 mmol/l erwartet werden, obwohl in besonders empfindlichen Individuen toxische Symptome auch bei therapeutischen Blutspiegeln auftreten können. Die Behandlung sollte bei den ersten Anzeichen einer Toxizität sofort abgebrochen werden. Die toxischen Symptome umfassen: * Gastrointestinale Beschwerden, z. B. Diarrhöe, Erbrechen und Dehydration. * Neurologische Beschwerden, z. B. Ataxie, Tremor, Hypertonie, unfreiwillige muskuläre Kontraktionen, Hyperreflexie, Sprachstörungen, Verwirrtheit, Schläfrigkeit und Nystagmus. * Akutes Nierenversagen wurde in seltenen Fällen bei Lithiumintoxikation berichtet, in schweren Fällen Krämpfe, Koma oder der Tod. Lithium reduziert am Anfang der Therapie die renale Natrium- und Kaliumrückresorption, welches zur Ausschwemmung von Natrium führen kann. Normalerweise sollte jedoch die Natrium- und Kaliumausscheidung innerhalb einer Woche wieder die Basalwerte vor der Behandlung erreichen. Ambulante Patienten oder deren Familienangehörigen sollten angewiesen werden, dass der Patient die Lithiumtherapie unverzüglich abbricht und den Arzt kontaktiert, falls folgende Symptome auftreten: Polydipsie, Polyurie oder klinische Anzeichen einer Lithiumtoxizität.
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Lithium
Ebenfalls müssen der Patient oder dessen Angehörige über die Notwendigkeit ausreichender Salz- und Wasseraufnahme und der Medikamenteinnahme zur festgesetzten Zeit unterrichtet werden. Falls eine Dosis vergessen wurde, soll der Patient diese auslassen und die Einnahme zum nächsten vorgeschriebenen Zeitpunkt abwarten. Es dürfen keine doppelten Dosen zur Kompensation vergessener Dosierungen eingenommen werden. Folgende Faktoren können die renale Ausscheidung von Lithium reduzieren und dadurch Toxizität auslösen: Erbrechen, Diarrhöe, gleichzeitig auftretende Infektionen, Flüssigkeitsverlust, andere Medikamente. Lithium sollte nur mit Vorsicht bei älteren Patienten angewendet werden, da bei eingeschränkter Nierenfunktion eine erhöhte Empfindlichkeit besteht. Lithium kann ZNS-Störungen wie Schläfrigkeit, Schwindel oder Halluzinationen verursachen. Die Patienten sollten auf die möglichen Gefahren beim Führen von Fahrzeugen oder Maschinen hingewiesen werden. Es gibt klare Hinweise für Risiken des menschlichen Fötus, aber der therapeutische Nutzen für die Mutter kann überwiegen. Epidemiologische Daten deuten darauf hin, dass Lithium das fötale Risiko für kardiale Anomalien, insbesondere das Ebstein Syndrom und andere Anomalien, erhöht. Lithium sollte deshalb nicht während der Schwangerschaft (insbesondere im 1. Trimester) verabreicht werden, außer der potentielle Nutzen für die Mutter übersteigt das Risiko für das Kind. Muss eine Lithiumtherapie trotzdem durchgeführt werden, sollte die minimal wirksame Dosis gewählt und die Serumspiegel häufig bestimmt werden, wegen der mit der Schwangerschaft und Geburt verbundenen Veränderungen der Nierenfunktion. Lithium sollte 7–10 Tage vor dem Geburtstermin abgesetzt werden, da die renale Ausscheidungskapazität während der Geburt dramatisch sinkt. Dies kann zu Intoxikationen der Mutter und des Neugeborenen führen. Lithiumintoxikationen der Neugeborenen sind in der Regel innerhalb von 1–2 Wochen reversibel. Lithium wird in die Muttermilch ausgeschieden. Während einer Lithiumtherapie soll nicht gestillt werden, außer in den seltenen und ungewöhnlichen Situationen bei denen aus Sicht des Arztes der potentielle Nutzen für die Mutter das Risiko für den Säugling übersteigt.
Unerwünschte Wirkungen Auftreten und Ausmaß der Nebenwirkungen korrelieren im Allgemeinen mit dem Lithiumspiegel, sind aber auch von der individuellen Empfindlichkeit abhängig. Die therapeutische Breite zwischen therapeutischen und toxischen Dosen ist sehr eng. Am Anfang der Therapie können auftreten: Tremor der Hände, Polyurie, Durst und Nausea. Diese Wirkungen verschwinden gewöhnlich im Verlauf der Therapie oder nach einer Dosisreduktion. Der Tremor wirkt phänomenologisch wie ein essentieller Tremor. Er lässt sich meist gut mit β-Blockern behandeln. Folgende Reaktionen können in Abhängigkeit vom Lithiumspiegel bei üblichen Dosierungen auftreten: * Ganzer Körper: Ödem. * Kardiovaskulär: Arrhythmie, vor allem Bradykardie aufgrund von Sinusknoten-Dysfunktion, peripherer Kreislaufkollaps, niedriger Blutdruck, Ödem und Raynaud Krankheit. EKG-Veränderungen im Sinne reversibler Abflachung und Inversion der T-Wellen. * Zentrales Nervensystem: Tremor, faszikuläre Zuckungen, Zuckungen und Klonus der Extremitäten, Ataxie, Choreoathetose, extrapyramidale Symptome inkl. Parkinsonismus und Restless-Legs-Syndrom, Anfälle, verwaschene Sprache, Schwindel, Nystagmus, Stupor, Koma, Pseudotumor cerebri, Kopfschmerzen. * Peripheres Nervensystem: Paresen, Myasthenia gravis wurde in seltenen Fällen beobachtet. * Dermatologisch: Alopezie, Akne, Follikulitis, Pruritus, Auslösen oder Verstärkung der Psoriasis, Angioödem, Ausschläge und andere Anzeichen einer Überempfindlichkeit wurden bekannt. * Endokrinologisch: Kropf (euthyreot), Hypothyreose, in seltenen Fällen Hyperthyreose, Hyperparathyreose. * Gastrointestinal: Anorexie, Nausea, Erbrechen, Diarrhöe, Gastritis, übermäßiger Speichelfluss, Mundtrockenheit. * Hämatologisch: Leukozytose, vereinzelt Thrombozytose. In Einzelfällen wurde auch ein Anstieg der Erythrozytenzahl beobachtet. * Metabolisch und diätetisch: Hyperglykämie, Hyperkalzämie, Gewichtszunahme.
Locked-in-Syndrom
* *
* *
Skelettmuskulatur: Arthralgie, Myalgie. Psychiatrisch: Halluzinationen, Somnolenz, Gedächtnisverlust. Renal: Symptome eines nephrogenen Diabetes insipidus (Polydipsie, Polyurie), Harninkontinenz, nephrotisches Syndrom. Geschlechtsorgane: Impotenz, sexuelle Dysfunktion. Sinnesorgane: Skotom, Dysgeusie, getrübtes Blickfeld.
Bei Intoxikationen ist eine Indikation zur Hämodialyse bei Serumspiegeln von über 4 mval/l bzw. bei 2,5–4 mval/l plus kardiale und/oder ZNS-Symptome gegeben.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Lithium sollte im Allgemeinen nicht verabreicht werden an Patienten mit: * Nierenerkrankungen. * Herzkreislauferkrankungen (insbesondere Herzinsuffizienz). * Unbehandeltem Hypothyreodismus. * Gestörtem Natrium-Haushalt aufgrund einer Dehydrierung. * Reduzierter Kochsalzaufnahme. * Addison Krankheit.
Livedo racemosa Definition Netzförmige livide Verfärbung der Haut mit Lokalisation insbesondere an Oberschenkeln, Rumpf und Armen unter Aussparung des Gesichts.
Einleitung * *
*
Pathologisch: Granulomatöse Wandveränderung kleiner Gefäße (Arterien und Venen). Vorkommen: Im Rahmen des SneddonSyndroms, bei dem es sich um eine nichtentzündliche Arteriopathie mit Hautveränderungen (Livedo racemosa) und zerebralen Durchblutungsstörungen handelt. Die Livedo racemosa ist nicht spezifisch für das Sneddon-Syndrom, sondern kann auch bei anderen Erkrankungen, z. B. aus dem rheumatologischen Formenkreis (Vaskulitiden oder Dermatomyositis) auftreten, aber auch bei Hypertonikern oder ausgeprägter Arteriosklerose. 3
*
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L Locked-in-Syndrom Definition
Folgenden Wirkstoffe können die Steady State Lithium-Serumkonzentrationen erhöhen, welches mit einer möglichen Lithiumintoxikation verbunden sein kann: * Metronidazol. * Nichtsteroidale Entzündungshemmer. * ACE-Hemmer. * Diuretika: Kaliumsparende Mittel, Schleifendiuretika. Thiazide können paradoxerweise Wasserretention und Lithiumintoxikation bewirken. Eine Senkung der Lithium- Serumkonzentration kann bei gleichzeitiger Verabreichung mit folgenden Stoffen beobachtet werden: * Harnstoff (Carbamid). * Xanthine. * Alkalinisierende Stoffe, wie z. B. Natriumbicarbonat. * Diuretika: Osmotisch wirkende Diuretika und Carbonanhydrasehemmer inklusive Acetazolamid.
Syndrom, bei dem die kortikobulbären und kortikospinalen Bahnen geschädigt sind oder zerstört sind. Der Patient ist wach und bei vollem Bewusstsein, eine Kommunikation mit der Umwelt ist jedoch fast unmöglich.
Einleitung Im Gegensatz zum Koma oder Status vegetativus sind die Patienten beim Locked-in-Syndrom wach und bei vollem Bewusstsein. Durch Schädigung kortikospinaler und kortikobulbärer Bahnen sind die Patienten jedoch nur eingeschränkt in der Lage, auf die Außenwelt zu reagieren. Ursache sind meist bilaterale pontine Infarkte als Folge einer Basilaristhrombose. Vertikale Augenbewegungen oder Oberlidbewegungen sind beim klassischen Bild des Locked-in-Syndroms noch möglich, da das Mittelhirn nicht betroffen ist. 3
Wechselwirkungen
Diagnostik Klärung der Ursache, z. B. Basilaristhrombose, Hirnstammkontusion, Ponsblutung mit bildgebenden Verfahren (CT, MRT).
Logorrhöe
SEP-Untersuchungen ergeben meist eine Deafferenzierung, EEG meist normal.
Therapie Die meisten Patienten benötigen ein Tracheostoma zum Schutz vor Aspiration oder zur Beatmung, obwohl eine suffiziente Atmung möglich ist. Ernährung über eine Magensonde, PEG bzw. zentralvenösen Zugang. Psychologische Betreuung.
Bewertung Nicht reversibles Krankheitsbild mit deutlicher psychischer und physischer Belastung für den Patienten.
Prognose Deutlich schlechter als beim Status vegetativus.
Pharmakologische Daten Nach oraler Gabe rasche und fast vollständige Resorption. Plasmaeiweißbindung 95–98%. Halbwertszeit 10–20 h, Steady State nach 4– 8 d. Keine wirksamen Metaboliten. Keine klinisch bedeutsamen pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Pharmaka.
Anwendungsgebiete Wegen Toleranzentwicklung, Abhängigkeitspotentials und sedierenden Effekts kein Mittel der 1. Wahl zur Langzeitbehandlung von Epilepsien. Anwendung in der Akuttherapie von Anfallsserien (oral, i. m., i. v.) und Status epilepticus (i. v.) bei Kindern und Erwachsenen. Weitere Anwendungsgebiete sind Intervention bei akuter schwerer Angstsymptomatik, Erregungszuständen bei Psychosen und Depressionen (oral, i. v.) und Prämedikation vor chirurgischen Eingriffen. 3
Dosierung/Anwendung
Logorrhöe
Bei oraler Gabe Tagesdosis 0,5–5(–7,5) mg, in 2–3 Einzeldosen, Status epilepticus. 3
Definition Unangemessene Sprachproduktion.
Unerwünschte Wirkungen 3
Einleitung Vorherrschend ist ein übermäßiger Rededrang, z. T. mit Verlust des gedanklichen Zusammenhanges. Eine Logorrhöe ist auslösbar durch Fragen, die nur kurze Antworten erfordern. Tritt z. B. als Teilsymptom der WernickeAphasie auf. 3
Lorazepam
Benzodiazepine
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung 3
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Benzodiazepine
Wechselwirkungen Keine bedeutsamen pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Pharmaka. Klinisch relevant sind aber additive Effekte hinsichtlich Sedierung und Atemdepression bei Verabreichung mit anderen sedierenden Substanzen.
Zubereitungen Tabletten zur oralen Verabreichung, Injektionslösung zur i. m.- und i. v.-Injektion.
Lorenzos Öl Zubereitungen
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Duralozam®Tabletten à 1, 2, 5 mg. Tavor® pro injectione Ampullen à 2 mg. Tavor® Tabletten à 0,5, 1, 2, 2,5 mg. Tavor® 1,0/2,5 Expidet lyophilisierte Plättchen à 1 mg/2,5 mg. Tolid® Tabletten à 1, 2, 5 mg.
Gemisch aus Glyzerol-Trioleat- und GlyzerolTrierucat-Öl. Es werden Reinsubstanzen in einer Dosis von 1,7 g/kgKG Glycerol-Trioleat-Öl und 0,3 g/ kgKG Glyzerol-Trierucat-Öl pro Tag verwendet.
Wirkungen Wirkungen Benzodiazepine
Bei der X-chromosomalen Adrenoleukodystrophie (X-ALD; Adrenomyeloneuropathie)
3
Losartan
kommt es durch einen Defekt der peroxisomalen β-Oxidation zu einer Akkumulation überlangkettiger Fettsäuren (ÜLKF). Eine Diät mit Lorenzos Öl normalisiert die Konzentration der ÜLKF in Blutplasma, Fettgewebe und Leber, nicht aber im Gehirn. Die fehlende Änderung im Gehirn wird auf die geringe Blut-Hirn-Schrankengängigkeit von Glyzerol-Trierucat zurückgeführt. Bei symptomatischen X-ALD-Patienten hatten mehrere Studien über mindestens 2 Jahre keinen Effekt auf den Verlauf der Krankheit. Allerdings wurden bei einigen Patienten Besserungen der Demyelinisierung im Kernspintomogramm des Schädels beobachtet. Es wird spekuliert, dass asymptomatische Merkmalsträger profitieren könnten. Dafür gibt es bislang aber keine sicheren Belege. Eine ähnliche, die ÜLKF im Plasma senkende Wirkung wurde für Lovastatin, jedoch nicht für Simvastatin, berichtet. Die Daten sind nicht ausreichend, um zur klinischen Wirksamkeit von Lovastatin eine Aussage zu treffen.
Pharmakologische Daten Die Bestandteile von Lorenzos Öl werden gut über den Darm resorbiert.
Anwendungsgebiete Adrenomyeloneuropathie.
Dosierung/Anwendung 1,7 g/kgKG Glyzerol-Trioleat-Öl und 0,3 g/ kgKG Glyzerol-Trierucat-Öl pro Tag, verteilt auf drei Gaben.
Unerwünschte Wirkungen Gastrointestinale Nebenwirkungen. Die Therapie kann Einfluss auf die Funktion von Lymphozyten und Thrombozyten haben. Es empfiehlt sich daher, das große Blutbild im Verlauf zu beobachten.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei vermehrter Blutungsneigung ist Vorsicht geboten.
Bewertung Lorenzos Öl wird vermutlich nicht die Therapie der Zukunft sein. Das Mittel hat aber der Suche nach einer Therapie der Adrenomyeloneuropathie Auftrieb gegeben.
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Losartan Gebräuchliche Fertigarzneimittel Lorzaar® 12,5/50 mg Filmtbl.
Wirkungen Losartan ist ein kompetitiver Antagonist des Angiotensin II am AT1-Subtyp der Angiotensinrezeptoren und wirkt antihypertensiv. Angiotensin II ist das Effektorpeptid des Renin-Angiotensin-Systems (RAS). Durch seine kardiovaskulären und neuroendokrinen Wirkungen wie Vasokonstriktion, Aldosteronsekretion, renale Natrium- und Flüssigkeitsretention und Aktivierung des Sympathikus hat das RAS eine wichtige Funktion in der Regulation des Blutdruckes, der Flüssigkeitsbilanz, der Herzarbeit und der Nierenfunktion. Angiotensin II hat darüber hinaus eine proliferative Wirkung an Herz und Gefäßen. Losartan ist der erste klinisch genutzte Vertreter der Angiotensin II-Rezeptorantagonisten. Losartan hat eine hohe Selektivität für den AT1-Rezeptor. Losartan wird im Organismus z. T. zu einem aktiven Metaboliten (E 3174) carboxyliert, der mit einer 10fach höheren Affinität als Losartan den AT1-Rezeptor nicht kompetitiv blockiert. Als Folge der Blockade von AT1-Rezeptoren steigen unter Losartan die Plasmakonzentrationen von Renin und Angiotensin II an, die Veränderungen in der Aldosteronsekretion sind gering. In mehreren randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studien, sowie in kontrollierten Vergleichsstudien mit anderen Antihypertensiva hatte Losartan (50 mg/d als Einzeldosis) eine gesicherte antihypertensive Wirkung mit einer Senkung des diastolischen Blutdruckes um 8–13 mmHg. Die Blutdrucksenkung wird messbar nach 1 Woche und hat nach 6 Wochen ihr Maximum erreicht. Die Kombination von Losartan 50 mg mit Hydrochlorothiazid 25 mg war wirksamer als die jeweilige Monotherapie.
Resorption Losartan wird bei oraler Gabe schnell und mit einer Bioverfügbarkeit von ca. 30% resorbiert. Losartan hat einen hohen First-Pass-Effekt, in dem durch Oxidation im Cytochrom P450-System das pharmakologisch aktive Carboxylat (E 3174) entsteht, das für einen großen Teil der pharmakologischen Wirkungen des Losartans verantwortlich ist und maximale Plasma-
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Lösungsmittel, Polyneuropathie
konzentrationen nach 3–4 h erreicht. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist die Bioverfügbarkeit und die Plasmakonzentration von Losartan erhöht. Die Plasmaeiweißbindung (hauptsächlich an Albumin) von Losartan und seinem Hauptmetaboliten liegt bei 98%. Niereninsuffiziente Patienten mit einer Creatininclearance von <30 ml/min haben erhöhte Plasmakonzentrationen von Losartan und des aktiven Metaboliten.
Elimination Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 2 bzw. 6– 9 h, die renale Clearance 75 bzw. 25 ml/min. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist die Elimination signifikant vermindert.
Anwendungsgebiete Losartan wird zur Behandlung der Hypertonie als Monotherapie oder in Kombination eingesetzt. Die Wirksamkeit ist in der schwarzen Bevölkerung erniedrigt.
Dosierung und Art der Anwendung Die empfohlene Dosierung bei Therapiebeginn ist 50 mg/d als einmalige Dosis.
Unerwünschte Wirkungen Losartan wird allgemein gut vertragen. Kopfschmerz (14%), Infektionen der oberen Atemwege (6,5%), Husten (3%), Benommenheit (4%), Müdigkeit (4%), Schwindelzustände, Diarrhoen, Myalgien, Muskelkrämpfe (selten).
Wechselwirkungen Die Administration von Losartan über 12 Tage beeinflusste die Pharmakokinetik von Warfarin nicht. Koadministration von Cimetidin erhöhte die Plasmakonzentration von Losartan um 18%. Eine Interaktion zwischen Losartan und Hydrochlorothiazid existiert nicht. Als Manifestierung einer Überdosierung sind Hypotonie und Tachykardie zu erwarten, evtl. auch Bradykardie durch parasympathische (vagale) Stimulation. Weder Losartan noch der aktive Metabolit können durch Hämodialyse entfernt werden.
Louis-Bar-Syndrom Synonyme Ataxia teleangiectasia
Definition Ataxia teleangiectasia ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die gekennzeichnet ist durch progressive Ataxie, Choreoathetose, Okkulomotoriksstörungen mit Beginn in der Kindheit, Teleangiektasien an lichtexponierten Körperpartien und immunologische Anomalien, die zu rezidivierenden Infekten und malignen Neubildungen prädestinieren.
Einleitung Eine Ataxia teleangiectasia gilt als gesichert, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: 1. Progressive Ataxie mit einem Beginn vor dem 10. Lebensjahr. 2. Vorhandensein okulokutaner Teleangiektasien. 3. Erhöhter Spiegel von α-Fetoprotein im Serum.
Diagnostik Wenn das α-Fetoprotein nicht erhöht ist oder bei Kindern unter einem Jahr, bei denen α-Fetoprotein nicht verwertbar ist, wird die DNASyntheserate in Lymphozyten gemessen, die im Gegensatz zu Gesunden durch Bestrahlung nicht vermindert wird.
Therapie Nicht bekannt.
Prognose Rollstuhlpflicht besteht meist um das 10. Lebensjahr. Aufgrund der rezidivierenden Infekte und der Neigung zu bösartigen Neubildungen ist die Lebenserwartung massiv reduziert. Das mediane Todesalter beträgt etwa 20 Jahre.
Lovastatin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Mevinacor® 10/40 Tbl.
Lösungsmittel, Polyneuropathie
Wirkungen
Schnüffeln, Polyneuropathie
Lovastatin ist die bisher am besten untersuchte Substanz der Statine, die über kompetitive In-
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Lovastatin
hibition der 3-Hydroxy-3-methylglutarylCoenzym A-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) die endogene Cholesterinsynthese hemmen. Durch Hemmung des Enzyms wird der Gehalt an Cholesterin in der Leber gesenkt, was zu einer Aktivierung des LDL-Rezeptors führt. So wurde unter der Therapie von Lovastatin eine Zunahme der mRNA des LDL-Rezeptors beobachtet. Die Aktivierung des Rezeptors bedingt eine erhöhte Aufnahme und einen erhöhten Abbau der LDL durch die Leber und einen verminderten Serumspiegel an LDL. Die Wirkung der HMG-CoA-Reduktasehemmer ist dadurch limitiert, dass durch die Senkung des intrazellulären Cholesterins die Synthese des Enzyms kompensatorisch gesteigert wird. Unter der Therapie mit Lovastatin wird keine vollständige Hemmung der endogenen Cholesterinsynthese erreicht. Daneben wird die Synthese der Apolipoprotein B-haltigen Lipoproteine gehemmt. Lovastatin erniedrigt das Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin, das Verhältnis LDL/HDL und die Triglyceride bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie. Das HDL wird leicht erhöht. Der hypolipidämische Effekt ist unabhängig vom vorliegenden Apolipoprotein E-Phänotyp. Bisher wurde kein Effekt von Lovastatin auf das Lipoprotein (a) festgestellt.
Resorption Lovastatin wird zu ca. 30% resorbiert. Die systemische Bioverfügbarkeit liegt jedoch unter 5%, was auf den hohen First-Pass-Effekt zurückzuführen ist. Bei einmaliger Gabe werden maximale Plasmakonzentrationen von Lovastatin und seinen aktiven Metaboliten nach 3–4 h erreicht. Bei Einnahme mit der Mahlzeit sind die maximale Plasmakonzentrationen höher als bei Nüchterneinnahme (ca. doppelt) und werden früher (nach 2,5 h) erreicht. Lovastatin und sein aktiver Metabolit werden zu mehr als 95% an Plasmaeiweiß gebunden. Die höchsten Organkonzentrationen werden in der Leber gemessen.
Elimination Lovastatin ist ein Prodrug. Der aktive Metabolit (das β-Hydroxysäurederivat durch Spaltung des Laktonrings) wird überwiegend über die Galle ausgeschieden (>80%) und mit den Faeces eliminiert. Etwa 10% der Dosis erscheinen
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im Urin. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt ca. 1,5 h.
Anwendungsgebiete Lovastatin sollte ebenso wie andere Lipidsenker erst eingesetzt werden, wenn sekundäre Ursachen der Hyperlipoproteinämie ausgeschlossen wurden und eine Behandlung mit Diät und mit Lipidsenkern erster Wahl (Ionenaustauscher, Nicotinsäure oder Gemfibrozil) erfolglos bleiben. Hauptindikationist die heterozygote familiäre Hypercholesterinämie, während die homozygote Form weniger beeinflusst wird. Bei schweren Formen kann die Wirksamkeit durch Kombination mit Cholestyramin oder Colestipol erhöht werden. Es werden Cholesterinwerte (<180 mg/dL) erzielt. Die Kombination mit Bezafibrat senkt speziell die Triglyceride.
Dosierung und Art der Anwendung Als Anfangsdos. werden 20 mg Lovastatin mit dem Abendessen empfohlen, maximale Steigerung auf 80 mg/d in 2 Dosen.
Unerwünschte Wirkungen Selten treten Müdigkeit oder Schlaflosigkeit auf. Gastrointestinale Beschwerden (Durchfall, Blähungen, Verstopfung, Bauchschmerzen) werden häufiger beobachtet, seltener Sodbrennen, Mundtrockenheit und Geschmacksstörungen. Gelegentlich steigen die Leberenzyme an. Muskelkrämpfe und Muskelschmerzen kommen vor, selten treten Myopathien auf, die sich in wenigen Fällen zur echten Rhabdomyolyse steigern können. Häufiger Polyneuropathien.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkunge Schwangerschaft und Stillperiode, gestörte Leberfunktion, Cholestase oder persistierende Erhöhung der Transaminasen unklarer Genese, schwere Nierenfunktionsstörung, Überempfindlichkeit gegenüber Lovastatin, Myopathie.
Wechselwirkungen Bei Kombination mit Erythromycin, Nicotinsäure oder Gemfibrozil wurden Myopathien, Schwäche, Adynamie, Krämpfe, Verspannungen und erhöhte Kreatininspiegel beschrieben. Bei Patienten unter immunsuppressiver Therapie und Herztransplantation wurden schwere Rhabdomyolysen mit Niereninsuffizienz beo-
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Lues cerebrospinalis
bachtet. Diese können auch bei Kombination mit Gemfibrozil auftreten. Eine Hyperkaliämie trat bei gleichzeitiger Gabe mit Angiotensinconverting-Enzym-Hemmern auf. Bei Kombination mit Antikoagulantien trat durch Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung bei einigen Patienten eine verlängerte Prothrombinzeit auf.
Lumbalstenose 3
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Claudicatio intermittens, neurogene
Lumboischialgie Definition
Lues cerebrospinalis
Schmerzen im Lendenbereich mit radikulärer Ausstrahlung. Häufigste Ursache ist ein Bandscheibenvorfall. 3
Syphilis, Neurosyphilis
Lungenembolie
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Lumbago
Synonyme
Synonyme Hexenschuss, Lumbalsyndrom
Pulmonale Embolie
Definition
Einleitung Meist plötzlich auftretender, umschriebener, heftiger, drückend-ziehender Schmerz im Lendenbereich. Klinisch imponieren eine Schonhaltung mit schmerzbedingter Bewegungseinschränkung und ein muskulärer Hartspann der Rückenmuskulatur. Akutes Auftreten häufig beim Bücken, Körperdrehungen, Heben, meist jedoch ohne eruierbaren Anlass. Neurologische Ausfälle bestehen nicht.
Therapie empirisch In der Akutphase medikamentöse Analgesie und Muskelrelaxation, Wärmeanwendung. Der Nutzen von Bettruhe ist nicht nachgewiesen. Nach eingetretener Besserung vorsichtige Remobilisation durch krankengymnastische Übungsbehandlung, Bewegungsbad, Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur. Wesentlich ist die Fortsetzung dieser aktiven Behandlung über die Symptomfreiheit hinaus.
Verschluss von Pulmonalarterien duch mit dem Blut verschleppteThromben (selten Luft, Fett, Fremdkörper).
Einleitung Die tatsächliche Häufigkeit von Lungenembolien ist schwer feststellbar, da kleinere Embolien oft der Diagnostik entgehen. Bei 1–2% der stationären Patienten kommt eine Lungenembolie vor. Bei Sektionen werden in ca. 15% Lungenembolien gefunden. Ursprung der Lungenembolien ist zu 90% das Einzugsgebiet der Vena cava inferior, der Rest kommt aus der Vena cava superior und vom rechten Herz. Atiologisch hat die tiefe Beinvenenthrombose die größte Bedeutung. Auslösende Faktoren sind morgendliches Aufstehen, Erhöhung des intraabdominellen Drucks, Diuretikabehandlung, kurz zurückliegende Operationen etc. Klinisch können kleinere und submassive Lungenembolien von perakuten, fulminanten unterschieden werden:
Lumbago. Tab. 1: Vorschläge zur analgetischen und muskelrelaxierenden medikamentösen Therapie bei Lumbago Diclofenac
Voltaren®
50–100 mg alle 8–12 h
Tramadol
Tramal long®
50–100 mg alle 6–8 h
Flupirtin
Katadolon®
100 mg alle 8 h
Tetrazepam
Musaril®
50–300 mg/d
Lungenembolie
Bei kleineren Lungenembolien sind subjektive Symptome Dyspnoe, Brustschmerz, Tachykardie, Husten, Hämatopnoe, Herzrhythmusstörungen, Rasselgeräusche Schweißausbrüche. Eine massive, fulmiante Lungenembolie kann über Obstruktion des Pulmonalarterienstammes zu einem plötzlichen Anstieg des Lungengefäßwiderstandes (Afterload) und Abfall des HZV und Hypotonie führen. Über die rechtsventrikuläre Druckbelastung kann es durch forward failure zum Kreislaufschock und Rechtsherzversagen kommen.
Diagnostik 1. Nichtinvasive Diagnostik: * EKG (Sinustachykardie, S Q -Typ (Mc I III Ginn-White-Syndrom), SISIISIII-Typ, inkompletter Rechtsschenkelblock, ST-Hebung mit terminal negativem T in Ableitung III (DD:Hinterwandinfarkt), P-pulmonale, Rhythmusstörungen. * Röntgen-Thorax in 2 Ebenen: Zwerchfellhochstand auf Embolieseite, gestaute A. pulmonalis, Gefäßlücken, Westermark-Zeichen (passagere lokale Aufhellung), kleiner einseitiger Pleuraerguss, dreieckige Verschattung entsprechend einem Lungeninfarkt. * Blutgasanalyse: pO und pCO ernied2 2 rigt, normales pO2 schließt Lungenembolie nicht aus. Blutgase entsprechend Schweregrad verändert. * Echo-Farbdoppler: Hinweise auf Thrombus in Pulmonalarterie, z.B.transösophageal, indirekte Zeichen als Hinweis auf akute Druckbelastung des rechten Ventrikels (Dilatation der A. pulmonalis). * Nachweis der tiefen Beinvenenthrombose mittels Doppler oder Phlebographie. 2. Invasive Diagnostik: * Perfusionsszintigraphie der Lunge. * Spiral-CT mit Kontrastmittel. * Rechtsherzkatheteruntersuchung. * Digitale Subtraktionsangiographie. * Pulmonalisangiographie.
Therapie gesichert 1. Basistherapie: * Ruhiglagerung, Sedierung (z. B. 5 mg Diazepam langsam i. v.). * Schmerzbekämpfung, O -Zufuhr (6 l/ 2 min).
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*
Gegebenenfalls zentraler Venenkatheter (Messung ZVD und Pulmonalisdruck). * Heparinbehandlung mit 5000 –1 0000 IE Heparin i. v. 2. Spezifische Therapie: a) Konservativ: * Gabe von Heparin bei Lungenembolie Stadium 1 und 2 bei initial 5000 –1 0000 IE Heparin i. v., 400–500 IE/ kgKG über 24 Stunden unter Kontrolle von PTT und Thrombinzeit (PTTZielzeit 2-facher Normalwert). Dauer 7–10 Tage, überlappender Beginn mit Cumarinen (Dauermarcumarisierung). * Fibrinolyse (Thrombolyse): Bei massiver Lungenembolie und Fehlen von Kontraindikationen Absetzen von Heparin. Lysemedikamente: Streptokinase 250.000–500.000 Einheiten akut, anschließend Dauerinfusion von etwa 100.000 Einheiten pro Stunde. Urokinase: Initial 300.000 – 350.000 Einheiten, danach Dauerinfusion von 300.000 Einheiten pro Stunde. Rt-PA (recombinant tissue type plasminogen activator) 100 mg i. v. über 2 Stunden, Anschlussbehandlung mit Heparin, überlappend Cumarine. b) Operative Therapie: Bei Versagen der konservativen Behandlung pulmonale Operation nach Trendelenburg innerhalb 1 Stunde (Letalität 30– 50%).
Nachsorge Heparinisierung, überlappend Marcumarisierung, AT-III-Substitution bei AT-III-Mangel, bei rezidiviernden Lungenembolien evtl. Vena-cava-Schirm (Greenfield).
Prognose Abhängig von Schweregrad der Lungenembolie, Alter, Vorerkrankungen, Zeitpunkt der Diagnose und Therapie, Rezidiven und Komplikationen.
L
720
Lupus erythematodes, systemischer
Lupus erythematodes, systemischer
* * * *
Definition Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine Kollagenkrankheit mit schubförmigem Verlauf im Sinne einer chronisch entzündlichen Autoimmunerkrankung mit multipler Organmanifestation.
Einleitung Die Erkrankung zeigt eine jährliche Inzidenz von 7 auf 100.000 Einwohner mit einem Haupterkrankungsalter zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Frauen sind 10-mal häufiger betroffen als Männer. Manifestationen des SLE sind: Dermatologisch * Schmetterlingserythem des Gesichts * Makulopapulöse Effloreszenzen der Extremitäten * Diskoide Erytheme * Umschriebene Alopezien * Schleimhautulzera * Purpura * Rezidivierende Dermatiden * Exazerbation nach Sonnenexposition (Photosensibilität) Nephrologisch * Glomerulonephritis (in 50%) * Erythrozyturie, Proteinurie, Zylinder im Urin * Nephrotisches Syndrom Serositis * Pleuritis * Perikarditis (führt zu Myokarditis und Kardiomyopathie) * Libmann-Sacks-Endokarditis (kardiogene Hirnembolien) 3
Hämatologisch * Hämolytische Anämie * Leuko-, Lympho oder Thromobzytopenie Neuro-Psychiatrisch * Psychosen, Depression, Demenz * Epileptische Anfälle * Hirnnervenausfälle * Zentrale Paresen
Extrapyramidale Symptome Polyneuropathie Myasthene Symptome, Myopathie Selten: aseptische Meningitis, Blutungen, Ataxie, Myelitis
Opthalmologisch * Konjunktivitis * Episkleritis * Retrobulbärneuritis Gastrointestinal * Hepato- und Splenomegalie * Pankreatitis * Raynaud-Phänomen * Arthralgien und Myositiden
Diagnostik Die Diagnose eines SLE kann anhand folgender diagnostische Kriterien (American College of Rheumatology) gestellt werden: Vier oder mehr Kriterien sprechen für die Diagnose eines systemischen Lupus erythematodes: 1.
Makulöses Exanthem (Schmetterlingserythem des Gesichtes) 2. Diskoides Exanthem 3. Photosensitivität 4. Ulzerationen (oral oder nasopharyngeal, schmerzlos) 5. Arthritis (nicht erosiv; ≥ 2 Gelenke) 6. Serositis (Pleuritis oder Perikarditis) 7. Nierenerkrankung (Proteinurie > 0,5 g, Zylinder oder Erythrozyturie) 8. Neurologische Erkrankung (epileptische Anfälle, Psychose) 9. Hämatologische Erkrankung (hämolytische Anämie, Leukopenie, Lymphopenie oder Thrombozytopenie) 10. Immunologische Erkrankung (LE-Zelltest, anti-DNA, anti-Sm, anti-Phospholipid, falsch-positive Serologie für Syphilis) 11. Antinukleäre Antikörper Etwa in einem Drittel aller Patienten findet sich ein entzündliches Liquorsyndrom mit positiven oligoklonalen Banden und leichter lymphomonozytärer Pleozytose. Laborchemisch sollte untersucht werden: ANA (positiv in 96% der Fälle, alleinig jedoch unspezifischer Laborwert) Antikörper gegen Einzel- und DoppelstrangDNS (mit aktivem SLE, ZNS- und Nierenmanifestation assoziiert), Cardiolipin-Antikörper,
„Lyme disease“
Lupus-Antikoagulans (sekundäres Antiphospholipidsyndrom) zusätzlich: BB, C3-, C4-Komplement, zirkulierende Immunkomplexe, CRP zum Ausschluss von Begleitkollagenosen: SSA- und SSB-AK, Anti-SM- sowie Anti-U1RNP-AK MR-tomographisch sind beim Neuro-SLE multilokuläre T2-Läsionen nachzuweisen, die je nach Aktivität Kontrastmittelaufnahme zeigen können.
721
einer Infektionserkrankung leiden, sollte auf 7S-Immunglobuline ausgewichen werden (0,4 mg/kgKG/d über 5 Tage). Bei einem sekundären Antiphospholipidsyndrom sollte zur Ischämieprophylaxe Acetylsalicylsäure 100 mg/die verabreicht werden. Im Falle von arteriellen oder venösen Thrombosen/Embolien ist eine orale Antikoagulation inidziert. Bei epileptischen Anfällen wird in der Regel Carbamazepin eingesetzt. Psychosen sollten mit Neuroleptika eingestellt werden.
Therapie
gesichert Bei milden Verlaufsformen mit ausschließlicher Haut-, Muskel- oder Gelenkbeteiligung beschränkt sich die Therapie auf nichtsteroidale Antiphlogistika und Hydrochloroquin. Bei neuropsychiatrischer Manifestation wird das Therapieregime auf Kortikoide und Immunsuppressiva in Kombination ausgedehnt. Die Prednisondosis beträgt initial 1 mg/kgKG/ d, bei akuten Verläufen bis zu 1000 mg Kortikosteroide i. v. über 3 Tage. Als Immunsuppressivum wird zunächst Azathioprin (1–2 mg/ kgKG in Abhängigkeit von der absoluten Lymphozytenzahl – Ziel: <1000) eingesetzt. Alternativen sind Cyclophosphamid (1–2 mg/kgKG/ d oral) oder als i. v.-Bolus (500–1000 mg/m2 pro Monat über 6 Monate, danach alle 3 Monate). Bei immunsupprimierten Patienten, die an
unwirksam/obsolet Nach einer Cochrane-Meta-Analyse wurde kein Beweis für die Überlegenheit von Cyclophosphamid versus Methylprednisolon in der Behandlung des SLE mit neuropsychiatrischen Symptomen nachgewiesen [1].
Literatur 1. Trevisani VFM, et al. Cyclophosphamide versus methylprednisolone for treating neuropsychiatric involvment in SLE (Cochrane Review). In: The Cochrane Library, Issue 4 2002. Oxford: Update Software.
„Lyme disease“ 3
Das Therapieregime richtet sich nach Ausmaß der Organmanifestation, dem Auftreten neuropsychiatrischer Symptome sowie Therapie- oder Krankheitskomplikationen.
Borreliose, Neuroborreliose
Lupus erythematodes, systemischer. Tab. 1: Neuropsychiatrische Manifestationen des systemischen Lupus erythematodes Symptomatik
Häufigkeit (%)
Psychosen, Depression, Demenz
bis 60
Epileptische Anfälle
bis 40
Hirnnervensymptome
bis 30
Zentrale Paresen
bis 20
Extrapyramidale Symptome
bis 20
Koordinationsstörungen
bis 20
Rückenmarkssymptome
bis 10
Polyneuropathie
bis 10
Myasthenia gravis, Myopathie
bis 10
L
722
Lymphomatose, maligne intravaskuläre
Lymphomatose, maligne intravaskuläre Lymphomatoide Granulomatose
3
Lymphome, primäre, ZNS Definition Primäre ZNS-Lymphome sind auf das ZNS und die Augen beschränkt. Mögliche Manifestationen sind Gehirn, Meningen, Rückenmark, Uvea oder Glaskörper [1].
Einleitung Primäre Lymphome des ZNS sind ganz überwiegend intermediär maligne oder hoch maligne Non-Hodgkin-Lymphome der B-Zellreihe, die bei immundefizienten Patienten, vor allem bei AIDS-Kranken, aber auch bei immunkompetenten Patienten in den vergangenen 20 Jahren an Häufigkeit zugenommen haben [2]. Bei Patienten mit AIDS treten sie im Verlauf bei bis zu 5% auf, bei immunkompetenten Personen machen sie 2–5% der primären Gehirntumoren aus [1]. Klinisch führen ein progredientes organisches Psychosyndrom, fokale Symptome, seltener Anfälle und Visusstörungen aufgrund einer Augenbeteiligung.
Diagnostik Kernspintomographisch finden sich unilokuläre, häufiger jedoch multilokuläre, typischerweise periventrikuläre Läsionen, die in der Regel intensiv Kontrastmittel aufnehmen. Eine meningeale Tumoraussaat lässt sich liquordiagnostisch nur in der Minderheit der Fälle nachweisen. Die diagnostische Methode der Wahl ist die stereotaktische Biopsie [1]. Da die Tumoren unter Steroiden schrumpfen oder vorübergehend vollständig verschwinden können, ist die Gabe von Steroiden, wenn möglich, vor einer stereotaktischen Biopsie zu vermeiden, da hierdurch eine histologische Diagnose unmöglich gemacht werden kann.
Therapie Die früher am häufigsten eingesetzte Behandlungsform der pimär zerebralen Lyphome, die heute jedoch als Primärtherapie nicht mehr indiziert ist, war die Radiatio mit einer Gesamt-
dosis von 40–55 Gy, wobei beispielsweise zum Teil eine Ganzhirnbestrahlung mit 40 Gy in Kombination mit 10–15 Gy auf das Tumorbett kombiniert wurde. Die Strahlentherapie ist bei immunkompetenten Patienten mit einer mittleren Überlebenszeit von 12–18 Monaten nach Diagnosestellung [3], bei AIDS-Patienten mit einer Überlebenszeit von allenfalls vier Monaten verbunden [1]. Grundsätzlich sind die weiterführenden Therapiemöglichkeiten für AIDSPatienten und immunkompetente Personen unterschiedlich einzuschätzen. Effiziente Hochdosischemotherapie-Protokolle sind AIDS-Patienten oft nicht zuzumuten und sollten nur im Rahmen kontrollierter Therapiestudien durchgeführt werden. gesichert Die Therapieentwicklung ist im Fluss. Es gibt keine Therapieform, die als gesichert gelten kann. empirisch Bei immunkompetenten Patienten führte der Einschluss unterschiedlicher Chemotherapieprotokolle in die Standardbehandlung in Kombination mit der Strahlentherapie zu einer deutlich besseren Langzeitprognose. Ein multimodales Therapieschema kombinierte eine systemische Methotrexat-Therapie mit einer regionalen Methotrexat-Therapie des Liquorraumes, gefolgt von einer Radiatio mit 54 Gy, die von einer Dexamethason-Therapie begleitet wurde, mit einer abschließenden Hochdosis-CytarabinChemotherapie [4]. Diese Kombinationstherapie führte zwar zu einer mittleren Überlebenszeit von mehr als vier Jahren und ist von einigen onkologischen Zentren als Standardtherapie akquiriert worden, die Therapie ist jedoch langfristig mit einer hohen Rate neurotoxischer Nebenwirkungen vergesellschaftet und aus Sicht der Autoren deshalb bei Patienten über 60 Jahre nicht mehr vertretbar, da praktisch alle der so behandelten Patienten über 60 von erheblichen intellektuellen Leistungseinbußen bis zur Demenz betroffen werden [5]. Alleinige Chemotherapieprotokolle unter Einschluss von Hochdosis-Methotrexat weisen nach ersten Berichten vergleichbar gute Ergebnisse, aber deutlich weniger neurotoxische Spätfolgen auf [1]. Aus diesen Gründen sind Bemühungen im Gange, eine ausschließliche Chemotherapie ohne Radiatio als primäre Be-
Lyssa
handlungsform bei diesen Tumoren zu etablieren. Der Autor behandelt Patienten mit primär zerebralen Lymphomen im Rahmen einer Phase-II-Studie ausschließlich chemotherapeutisch, basierend auf einer systemischen Hochdosis-Methotrexat-Therapie, einer systemischen Hochdosis-Cytarabin-Chemotherapie und einer regionalen Chemotherapie des Liquorraumes über ein Ommaya-Reservoir [6].
2.
3.
4.
5.
unwirksam/obsolet
Nach Abschluss der Behandlung sind regelmäßige Verlaufskontrollen indiziert, da eine Rezidivtherapie in Form einer Chemotherapie oder einer Radiatio mit erneuten Remissionen und velängerten Überlebenszeiten vebunden sein kann.
Literatur 1. Schlegel U, Schmidt-Wolf I, Deckert M (2000). Primary CNS Lymphoma: Clinical Presentation,
Pathological Classification, Molecular Pathogenesis and Treatment. J Neurol Sci 18:1–12. Eby, N., S.Gruffermann, M.Flannelly et al. (1988) Increasing incidence of primary brain lymphoma in the US. Cancer 62:2461–2465. Nelson DF (1999). Radiotherapy in the treatment of primary central nervous system lymphoma (PCNSL). J Neurooncol 43:241–47. DeAngelis LM, Yahalom J, Thaler HAT et al. (1992) Combined modality therapy for primary CNS lymphoma. J Clin Oncol 10:635–43. Abrey LE, DeAngelis LM, Yahalom J (1998). Long-term survival in primary CNS lymphoma. J Clin Oncol 16:859–63. Schlegel U, Pels H, Glasmacher A et al. (2001) Combined Systemic and Intraventricular Chemotherapy in Primary CNS Lymphoma: A Pilot Study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 71:118–22.
Lyse Thrombolyse
Lyssa 3
Nachsorge
6.
3
Der Versuch einer operativen Resektion dieser Tumoren ist nicht indiziert. In praktisch keinem Fall ist die alleinige Strahlentherapie kurativ. Sie sollte deshalb ausschließlich Patienten vorbehalten bleiben, bei denen eine Chemotherapie (allein oder in Verbindung mit einer Strahlentherapie) nicht durchgeführt werden kann.
723
Tollwut
L
M
Machado-Joseph-Syndrom Synonyme 3
SCA-3 spinozerebellare Ataxie Typ 3; xie, spinozerebellare, ADCA
Ata-
3
MAG (myelinassoziiertes Glykoprotein), Antikörper Definition Autoantikörper vorwiegend vom IgM-Typ, die gegen 3'-sulfatierte Glukuronylgruppen von MAG gerichtet sind.
Schwannzellmembran lokalisiert und fehlt in der Randzone von Multiple-Sklerose (MS)-Plaques. Auto-MAG-Antikörper werden außer bei MS insbesondere bei sensomotorischer Neuropathie gefunden. Ca. 50% der Patienten mit monoklonaler IgM-Gammopathie und assoziierter peripherer Neuropathie weisen AutoMAG-Antikörper auf. Die Titerhöhe korreliert mit der Schwere der Erkrankung und der Antwort auf eine immunsuppressive Therapie. Die gebräuchlichsten Nachweisverfahren sind der Westernblot und der indirekte Immunfluoreszenz-Test.
Magen-Darm-Mittel, Dyskinesien
Grundlagen Synonyme Antiemetika
Grundlagen Das Magen-Darm-Mittel Metoclopramid, z. B. Gastrosil®, Ceolat, Gastro-Timelets® retard, Gastrosil®, Metogastron retard, Paspertin®, Pertin, Paspertase (Österreich); Gastrosil®, Gastro-Timelets®, Paspertin®, Primaperan (Schweiz); Cerucal, duraclamid, Gastronerton®, Gastrosil®, Gastro-Tablinen, Gastrotem, Gastro-Timelets®, Gastrotranquil®, Hyrin®, Paspertin® (Deutschland) kann zu unerwünschten Dyskinesien führen. Akute Dyskinesien treten häufig bei Kindern auf oder wenn Metoclopramid (heute nur noch selten) als Antiemetikum hochdosiert bei der Chemotherapie eingesetzt wird. Nach einer Studie beträgt das relative Risiko, unter Metoclopramid-Therapie eine tardive Dyskinesie zu entwickeln, 1,7% und für ein medikamentöses Parkinson-Syndrom 4% [1]. Bei Diabetikern ist dieser Untersuchung zufolge das Risiko sogar höher. Für die Magen-Darm-Mittel Cisaprid und 3
Die von Richard Quarles entdeckten MAG-Moleküle gehören zur Immunglobulinsuperfamilie (extrazelluläre Domäne) und besitzen hohe Homologie zum neuronalen Zelladhäsionsmolekül N-CAM. Sie sind Bestandteile des zentralen (ca. 1% der Proteinmasse) und peripheren (ca. 0,1% der Proteinmasse) Nervensystems, die in zwei durch alternatives Spleißen der zinkfingerbindenden zytoplasmatischen Domäne entstandenen Isoformen (large-MAG, L-MAG, nicht glykosyliert 72 kDa, glykosyliert 100 kDa, dominant im ZNS; small-MAG, S-MAG, nicht glykosyliert 67 kDa, dominant im PNS) vorkommen. MAG-Moleküle spielen eine bedeutende Rolle für die Axon-Glia- bzw. Axon-Schwannzell-Interaktion während der Myelinisierung und für die Stabilisierung des kompakten Myelins im adulten Nervensystem. Sie binden unspezifisch an Sialinsäure-Glykane und spezifisch an den axonalen Nogo-Rezeptor NgR. MAG und Nogo inhibieren das Neuritenwachstum und damit die Regeneration verletzter Nerven. Im adulten Nervensystem ist MAG ausschließlich in der periaxonalen Oligodendrozyten- bzw.
726
Magnetgang
Domperidon (Motilium®) ist mit keinem vermehrten Dyskinesie-Risiko zu rechnen. Cisaprid ist nicht mehr zugelassen. Domperidon hemmt vermutlich nur extrazerebrale Dopaminrezeptoren mit Ausnahme der Rezeptoren in der Area postrema. Wegen seines so gut wie nicht vorhandenen EPMS-Profils wird es auch gerne bei Parkinson-Patienten eingesetzt, insbesondere als Antiemetikum bei der Aufdosierung von Dopaminagonisten. Es gibt auch ParkinsonSpezialisten, die Motilium® zur Resoprtionsbeschleunigung von Levodopa und gegen hartnäckige Obstipation einsetzen.
Literatur 1. Ganzini L, Casey DE, Hoffman WF, McCall AL (1993). The prevalence of metoclopramide-induced tardive dyskinesia and acute extrapyramidal movement disorders. Arch Intern Med 153: 1469– 75.
Magnetgang Synonyme Frontale Gangataxie, frontale Gangstörung, Gang-Apraxie, hydrozephale Abasie-Astasie, isolierte Starthemmung, engl. gait ignition failure, lower-body-Parkinson
Definition Unpräzise, aber phänomenologisch treffendes Zeichen bei Gangstörungen, dass teilweise überlappend mit oben angeführten eher ätiologisch ausgerichteten Begriffen gebraucht wird. Das Phänomen: Es scheint als würden Magnete die Füße am Boden haften lassen und eine Schrittinitierung verhindern.
zelt“, gehen breitbeinig mit einem hohen Angstpotential vor dem Fallen (fear of falling). Nicht selten kann die Gangstörung an die des Parkinson-Patienten erinnern mit Start-Verzögerung, Festkleben am Boden, sehr langsamen breitbeinigem Gang, Schwierigkeiten beim Umdrehen. Sensorische Hilfen (z. B. Halten einer Hand) können eine gewisse Verbesserung der Gangfunktion erbringen, aber nicht annähernd in dem Maße wie bei sensorischen Ataxien. Die isolierte Starthemmung als einziges Symptom (engl. gait ignition failure) wird von manchen Autoren als eine eigenständige klinische Entität betrachtet. Diese Gangstörung erinnert zugleich an die des Parkinson-Kranken mit seinen Start- und Umdreh-Schwierigkeiten. Bei diesen Patienten ist aber das Gehen, sobald es einmal in Gang gekommen ist, weitgehend normal, die Haltung aufrecht, das Mitschwingen der Arme erhalten und die Schrittlänge normal weit. Es besteht keine Hypomimie und es treten keine initialen Trippelschritte auf.
Differenzialdiagnose Zerebellare und sensorischen Ataxie, unspezifische protektive Gangstrategien, spezifische Gangstörungen, spastischer Gang, ataktische Gangstörungen, spastisch-ataktische Gangstörung, hypokinetische-rigide Gangstörung (Parkinson), funktionelle Gangstörung, senile (idiopathische) Gangstörung.
Therapie empirisch Krankengymnastik mit Gangtraining, Ausnützen sensorischer Tricks wie Streifen auf dem Boden, äußere Taktgeber, z. B. Marschmusik, sogenannter „Antifreezing“-Stock.
Einleitung Als Ursache dieser Gangstörung werden bilaterale Affektionen frontaler Bahnverbindungen angesehen. Neben der häufigsten Ursache des Normaldruck-Hydrozephalus wird diese Gangstörung besonders bei diffusen zerebrovaskulären Erkrankungen, wie z. B. bei multiplen lakunären Infarkten, vaskulärer Demenz vom Binswanger Typ und bei frontalen Tumoren beobachtet. Die Patienten erwecken klinisch teilweise den Eindruck, als ob sie nicht mehr wüssten, wie „das Gehen funktioniert“. Sie haben Schwierigkeiten beim Aufstehen, stehen „wie angewur-
Magnetstimulation, transkranielle (TMS) Synonyme Magnetisch evozierte Potentiale (MEP)
Grundlagen Neurophysiologisches Verfahren, das insbesondere zur Untersuchung des motorischen Systems eingesetzt wird. Durch Auslösung kurzer, starker (bis 2 Tesla) Magnetimpulse auf der
Mannitol
Makropsie 3
Wahrnehmung, Anomalie
Makula, kirschroter Fleck Definition Bei der GM2- Gangliosidose (Tay-Sachs-Syndrom) und der Niemann-Pick-Erkrankung funduskopisch zu sehender Fleck der Makula. 3
3
Malformation, arteriovenöse 3
Schädeldecke erfolgt mittels Induktion eine Stimulation (bei der TMS kortikaler) Nervenfasern mit konsekutiv an Zielmuskeln ableitbaren Reizantworten. Die Zeit von der Auslösung des Magnetimpulses bis zum Beginn des Muskelantwortpotentials entspricht der kortikalmotorischen Latenz (KML). Durch Bestimmung der Differenz von KML und periphermotorischer Leitungszeit (PML, ermittelt z. B. durch Reizung von Nervenwurzeln mittels Magnetstimulation) lässt sich die zentrale motorische Leitungszeit (ZML) berechnen. * Praktische Anwendung: Hohe Aussagekraft bei demyelinisierenden ZNS-Erkrankungen (häufig subklinische Auffälligkeiten). Bei Motoneuronerkrankungen evtl. Nachweis einer subklinischen Beteiligung des 1. Motoneurons. Bei der zervikalen Myelopathie gelegentlich hilfreich zur Höhenlokalisation. Experimentelle Verwendung auch in der Psychiatrie (z. B. Therapie von Depressionen). * Kontraindikationen: Absolut: Herzschrittmacher und andere implantierbare Biostimulatoren, Kochleaimplantate, Wirbelsäuleninstabilität, Schwangerschaft. Relativ: Kalottendefekte, schwere Herzrhythmusstörungen, Anfallsleiden (umstritten).Die repetitive Stimulation wird zur Therapie von Depressionen eingesetzt.
727
AVM
Mannitol Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Mannit® Lösung 10%/15%/20%, Osmofundin 15% Inf.lösg., Osmosteril 10%/20% Inf.lösg.
Synonyme Mannit
Wirkungen
Makroadenome Definition Makroadenome sind Hypophysenadenome, die größer als 10 mm sind. Sie führen häufiger als Mikroadenome zu hormonellen Funktionsstörungen.
Diagnostik Adenom, Hypophyse
3
Therapie Adenom, Hypophyse
Mannitol, ein 6-wertiger Alkohol, ist ein osmotisch wirkendes Diuretikum, das glomerulär filtriert, aber in den Nierentubuli nicht resorbiert wird. Hierdurch kommt es zu einer Erhöhung des Harnflusses, da Mannitol aus osmotischen Gründen Wasser im Tubulus festhält. Gleichzeitig kommt es zur Erhöhung der Osmolalität im Plasma, die zu einer Flüssigkeitsverschiebung vom Intra- in den Extrazellularraum führt.
Verteilung Mannitol wird praktisch nicht metabolisiert und verteilt sich (bei intakter Blut-Hirn-Schranke) nur im Extrazellularraum. Die Halbwertszeit im Organismus beträgt ca. 6 Stunden.
3
Makroangiopathie
Anwendungsgebiete
Arteriosklerose
Mannitol wird in der Neurologie v. a. zur Behandlung eines erhöhten intrazerebralen Dru-
M
3
728
MAO-B-Hemmer
ckes ( Hirndruck) aufgrund eines Hirnödems infolge von ischämischen Insulten, nach Schädel-Hirn-Trauma, Tumoren etc. verwendet. 3
3
Dosierung Zur Senkung des ICPs wird Mannitol gewöhnlich als Kurzinfusion in folgender Dosierung gegeben: 4×100 ml 20%iges Mannitol.
Gegenanzeigen Mannitol darf nicht bei bestehender Anurie gegeben werden.
Marburg-Krankheit Synonyme Akute maligne multiple Sklerose (Typ Marburg)
Definition Die seltene Marburg-Variante der multiplen Sklerose nimmt nach Erstmanifestation der Symptome über Wochen einen protrahierten Verlauf mit zunehmenden neurologischen Ausfällen und oft letalem Ausgang.
Einleitung
MAO-B-Hemmer Zubereitung Parkinson-Syndrom, (Selegilin).
idiopathisches
(IPS)
3
Marasmus Definition Ein über Monate bis Jahre dauernder Verzehrungs- und Entkräftungsprozess unterschiedlicher Genese.
Einleitung Durch negative Energiebilanz unterschiedlicher Genese entkräftet der Patient und verliert an Gewicht.
Differenzialdiagnose Organische Ursachen wie Tumorleiden, Erkrankungen des Verdauungssystems, hormonelle Veränderungen (z. B. Hyperthyreose), zentralnervöse Störungen, psychiatrische Störungen wie Schizophrenie, Depression, etc.
Prophylaxe Wie Therapie.
Therapie Ursachenbeseitigung, symptomatische Therapie wie hyperkalorische Ernährung, PEG und intravenöse Ernährung.
Diese maligne verlaufende Variante der multiplen Sklerose wurde erstmals von Otto Marburg charakterisiert. Dieser beschrieb 1906 eine vormals gesunde Patientin, die perakut eine Somnolenz, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Hemiparese links entwickelte, an der sie 4 Wochen später verstarb. Die Autopsie zeige disseminierte Demyelinisierungsherde im ZNS in unterschiedlichen akuten bzw. subakuten Entwicklungsstadien, weshalb Marburg diesen Fall als schwere akute Verlaufsform der MS klassifizierte. Eine Ursache dieser maligne verlaufenden Variante der multiplen Sklerose ist nicht bekannt. Sie tritt meist im jüngeren oder mittleren Lebensalter auf. Mikroskopisch finden sich großflächige, teils raumfordernde Demyelinisierungsherde in unterschiedlichen Entwicklungsstadien (mehrzeitige Dynamik) mit dominierenden Makrophagen, Myelinabbauprodukten und relativ gut erhaltenen Axonen ohne signifikante Gliose. Perivaskuläre Lymphozyten und Plasmazellen machen keinen Unterschied zu akuten Plaques einer schubförmig verlaufenden MS. Es fehlen bei der Marburg-Variante aber perivenöse Demyelinisierungsherde.
Diagnostik Nach einem unspezifischen Initialstadium mit Kopfschmerzen, Bewusstseinsveränderungen und selten Fieber kommt es zu multifokal neurologischen Ausfallssymptomen, die einer Virusenzephalitis ähneln können. Konsekutiv nimmt die Erkrankung meist einen fulminanten Verlauf mit spinalen, zerebralen und Hirnstammsymptomen. In der Liquoranalytik ergeben sich Befunde eines floriden Prozesses mit dem Vorliegen eines lymphomonozytär stimulierten Zellbildes,
„March of convulsion“
einer Blut-Hirn-Schranken-Störung und in den meisten Fällen dem Nachweis von oligoklonalen Banden. Die Liquorpleozytose kann deutlich höhere Werte als bei der klassischen MS erreichen (>50 Mpt/l). In der kranialen Kernspintomographie zeigen sich ausgedehnte supra- und infratentorielle, z. T. konfluierende demyelinisierende Läsionen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung der Marburg-Variante der MS von einer akuten demyelinisierenden Enzephalomyelitis ( ADEM) kann aus klinischer Sicht in der Initialphase der Erkrankung sehr schwierig sein. 3
Therapie Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung gibt es bisher kein Behandlungsregime auf der Grundlage systematischer Therapiestudien. empirisch Meist lässt sich der natürliche Verlauf der Erkrankung mit den in der Behandlung der MS heute üblichen Therapieoptionen ( Multiple Sklerose) nicht günstig beeinflussen. Sowohl hochdosierte intravenöse Kortikosteroide, Immunglobuline, Mitoxantron oder Cyclophosphamid, ggf. auch in Kombination, zeigen meist nur einen geringen therapeutischen Effekt. Bei der Marburg-Variante der MS steht die humorale Immunantwort wahrscheinlich stärker im Vordergrund als bei der ADEM, wo die zelluläre Immunantwort pathophysiologisch dominiert. Aufgrund dieser theoretischen immunologischen Überlegungen erscheint bei der Marburg-Variante deshalb bei unzureichendem Therapieeffekt der Kortikosteroid- und Zytostatikatherapie früh eine ergänzende Plasmapherese-Behandlung sinnvoll, was durch Einzelfallbeschreibungen gestützt wird.
729
Prognose Die Prognose der subakut beginnenden seltenen Marburg-Variante der multiplen Sklerose ist trotz maximaler Therapie ungünstig und oft mit einem letalen Verlauf vergesellschaftet. Allerdings sind auch Einzelfälle mit mehrjähriger Überlebenszeit bei jedoch meist hochgradiger Behinderung bekannt.
Literatur 1. Johnson MD, Lavin P, Whetsell WO Jr (1990). Fulminant monophasic multiple sclerosis, Marburg's type. J Neurol Neurosurg Psychiatry 53 (10):918–921. 2. Keegan M, Pineda A, McClelland R (2002) Plasma exchange for severe attacks of CNS demyelination: predictors of response. Neurology 58: 143–146. 3. Mendez MF, Pogacar S (1988). Malignant monophasic multiple sclerosis or „Marburg's disease“. Neurology 38(7):1153–1155. 4. Poser S, Luer W, Bruhn H, Frahm J, Bruck Y, Felgenhauer K (1992). Acute demyelinating disease. Classification and non-invasive diagnosis. Acta Neurol Scand 86(6):579–585. 5. Rodriguez M, Karnes WE, Bartleson JD et al. (1993) Plasmapheresis in acute episodes of fulminant CNS inflammatory demyelination. Neurology 43:1100–1104. 6. Stoll G, Brück W (2001). Sonderformen der Multiplen Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. (Hrsg.) Multiple Sklerose – Kausalorientierte, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin-New York 81–90. 7. Weinchenker BG (1999). Therapeutic plasma exchange for acute inflammatory demyelinating syndromes of the central nervous system. J Clin Apheresis 14: 144–148. 8. Zettl UK, Lehmitz R, Mix E (2003). Klinische Liquordiagnostik. De Gruyter, Berlin-New York 2003.
3
Nachsorge
„March of convulsion“
Bei den wenigen Überlebenden der Akutphase der Marburg-Variante der MS resultiert meist eine schwere Residualsymptomatik, die eine intensive rehabilitative und pflegerische Betreuung notwendig macht.
Synonyme
Bewertung
Definition
Die Marburg-Variante der multiplen Sklerose ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die schnellstmöglich in einer neurologisch-intensivmedizinischen Einrichtung behandelt werden sollte.
Bei Jackson-Anfällen ( Anfall, Jackson-Anfall) mit motorischer oder sensibler Symptomatik zu beobachtende Anfallsausbreitung von einer auf benachbarte Körperregionen, entsprechend der zerebralen Anfallspropagation.
Jackson-March
M
3
730
Marchiafava-Bignami-Erkrankung
Marchiafava-Bignami-Erkrankung
Marfan-Syndrom
Synonyme
Synonyme
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, Marchiafava-Anämie
Arachnodaktylie-Syndrom
Definition
Definition Einzig erworbene korpuskuläre hämolytische Anämie, die mit einer Panzytopenie einhergeht.
Einleitung Sehr seltene Erkrankung, die durch eine erworbene Mutation auf dem X-Chromosom der hämatopoetischen Stammzelle (pig-A) entsteht. Betroffen sind Erythrozyten, Granulozyten und Thrombozyten. Klinisch imponieren eine hämolytische Anämie und verstärkte nächtliche Hämolysen mit dunklem Morgenurin. Als Komplikationen sind Thrombosen im Bereich von Pfortader, Lebervenen und im Gehirn beschrieben, Außerdem ein erhöhtes Risiko für eine AML.
Erbkrankheit, die unter anderem durch Gefäßanomalien mit Ausbildung von Aneurysmen oder Dissektionen gekennzeichnet ist, wodurch es zu neurologischen Ausfallserscheinungen kommen kann.
Einleitung *
*
Diagnostik Labor: Hämolysezeichen, Hämoglobinurie, Hämosiderinurie, evtl. Panzytopenie, Säurehämolysetest (Häm-Test) oder Zuckerwassertest, Nachweis des Membrandefektes der betroffenen Zellen.
*
Therapie
Ätiologie: Autosomal-dominant vererbte mesoektodermale Dysplasie mit Funktionsstörung des Bindegewebes (elastinassoziierte Mikrofibrillen). Klinik: Leitsymptom: Spinnengliedrigkeit, ansonsten: Hochwuchs, abnorme Überdehnbarkeit der Gelenke, Zahnstellungsanomalien sowie Fehlbildung von Gefäßen (Aneurysmen, Dissektionen), Herz (Mitralklappeninsuffizienz), Lunge und Augen (z.B. abnorme Linsenbeweglichkeit). Neurologische Symptome: – Prädisposition zu Gefäßdissektionen mit Beteiligung auch von Hals- und Hirngefäßen. – Prädisposition für Aneurysmen, die sich bei Lokalisation im Circulus Willisii durch eine Subarachnoidalblutung manifestieren können. 3
Thromboseprophylaxe mit Antikoagulantien (Phenprocoumon). Bei hämolytischen Krisen: Kortikosteroide und Transfusion plasmafreier Erythrozytenkonzentrate.
Diagnostik *
*
Marchiafava-Bignami-Syndrom
Klinisch: Erscheinungsbild, Auftreten von kardialen, okulären aber auch neurologischen Symptomen. Molekulargenetisch: Mutation im FBN1Gen.
Definition
Therapie
Corpus callosum-Degeneration bei chronischem Alkoholismus, vor allem bei Rotweintrinkern.
* *
Keine gesicherte kausale Therapie bekannt. Bei neurologischen Komplikationen: – Ruptur eines Aneurysmas: Subarachnoidalblutung. – Dissektionen von Hals- und Hirngefäßen: Dissektion. 3
3
Marcumar-Therapie
Prognose
Warfarin, Phenprocoumon, Cumarine, Antikoagulation, Embolieprophylaxe
Aufgrund von vaskulären und kardialen Komplikationen eingeschränkte Lebenserwartung.
3
3
3
3 3
Martin-Gruber-Anastomose
Marie-Foix-Alajouanine-Ataxie Synonyme Ataxie, idiopathische zerebellare (IDCA); sporadische, im Erwachsenenalter beginnende Ataxie 3
Definition Nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für eine idiopathische zerebellare Ataxie mit rein zerebellarer Symptomatik, heute wird damit die sporadische, im Erwachsenenalter beginnende Ataxie gemeint.
Einleitung Es handelt sich hier um die heute sogenannte sporadische, im Erwachsenenalter beginnende Ataxie [1]. Diese Ataxie erfüllt nicht die Kriterien einer multiplen Systmematrophie (MSAc), und eine Abklärung im Hinblick auf genetische und erworbenen Ursachen erbringt keine wegweisenden Befunde. Nach Harding 1981 [2] wurde diese Ataxie als auch als „idiopathische zerebellare Ataxie“ bezeichnet.
Diagnostik Molekulargenetische Untersuchung im Hinblick auf zerebellare Ataxien, zur Zeit bei SCA 1–3, 6, 7 und 12 möglich. MRT (DD multiple Systematrophie), EMG/ NLG, MEP zur Verlaufskontrolle der Sensibilitätsstörungen (DD symptomatische rein sensible Ataxie) und der Pyramidenbahnbeteiligung, ggf. Vitamin E im Serum, B12, Folat, paraneoplastische Parameter wie Anti-YO, TR, KV2, HU, RI, Immunelpho u. a.
Literatur 1. Abele M, Burk K, Schols L et al. (2002) The aetiology of sporadic adult-onset ataxia. Brain 125: 961–968. 2. Harding AE (1981). „Idiopathic“ late onset cerebellar ataxia. A clinical and genetic study of 36 cases. J Neurol Sci 51: 259–271.
Marinesco-Sjögren-Syndrom
731
ler Retardierung der körperlichen und geistigen Entwicklung sowie häufigen neuromuskulären Symptomen mit resultierenden Skelettanomalien.
Diagnostik Sorgfältiger Ausschluss symptomatischer Ataxien. Augenuntersuchung, EMG, NLG, SEP. Wegen des frühen Beginns sind Stoffwechselstörungen auszuschließen. Bisher ist ein Gentest nicht bekannt.
Therapie Bisher ist keine spezifische Therapie bekannt.
Martin-Gruber-Anastomose Definition Anastomose zwischen dem N. medianus und dem N. ulnaris im Bereich des Unterarmes. Der kommunizierende Ast des N. medianus (oft vom N. interosseus anterior ausgehend) versorgt intrinsische kleine Handmuskeln, die normalerweise vom N. ulnaris versorgt werden.
Grundlagen Die Anomalie kommt bei 15–31% der Bevölkerung vor, in der Regel bilateral. Die elektrische Stimulation des N. medianus am Ellenbogen führt zu einer Muskelsummenantwort nicht nur in der medianusversorgten Daumenballenmuskulatur, sondern auch in den ulnarisversorgten Thenar- und Hypothenarmuskeln. Bei Ulnarisstimulation kann die Anomalie einen Leitungsblock im Unterarmsegment vortäuschen. Bei gleichzeitigem Auftreten von einem Karpaltunnelsyndrom und einer MartinGruber-Anastomose tritt das fehlgeleitete Potential über die Ulnarisfasern früher auf als das verspätete Medianuspotential und kann damit einen Normalbefund vortäuschen.
Einleitung
Literatur
Sogenanntes „Ataxie-plus“-Syndrom. Autosomal-rezessive Erkrankung mit früh manifester Kleinhirnataxie, angeborenem Katarakt, variab-
1. Kimura J (1989) Electrodiagnosis in diseases of nerve and muscle: principles and practice. F.A. Davis Company, Philadelphia.
M
732
Maschinenatmung
Zentralneurogene Hyperventilation
roleptika als Frühdyskinesie, oder als tardive Dystonie sein. Selten findet sich ein Masseterspasmus bei einem dem Spasmus hemifacialis analogen Krankheitsbild, das anstatt den Nervus facialis den V. Hirnnerven betrifft.
Grundlagen
Differenzialdiagnose
Bei der Maschinenatmung handelt es sich um eine zentralneurogene Hyperventilation, die vertieft, rasch und recht regulär ist. Ursache ist eine Dysfunktion des rostralen Hirnstammtegmentums. Bei Zunahme der Regelmäßigkeit kann auf eine Vertiefung des Komas geschlossen werden. Die Maschinenatmung ist von der vertieften Atmung bei Hypoxie und der Kussmaulatmung im Rahmen einer metabolischen Azidose zu unterscheiden.
Meist Symptom einer oromandibulären Dystonie vom Kieferschlusstyp. Kiefergelenks- und Zahnaffektionen, insbesondere der hinteren Molaren. Der Masseterspasmus kann selten Ausdruck von Hirnstammaffektionen (z. B. Bei Zustand nach Reanimation) und Raritäten wie Tetanus, Strychninvergiftung, Katatonie oder Tollwut („Risus sardonicus“) sein. Bruxismus bezeichnet mahlende, geräuschbildende Kieferbewegungen während der Nacht.
Maschinenatmung Definition
Therapie
Massenblutung
Therapie der Grundkrankheit, lokale Injektionen von Botulinumtoxin in die Masseteren.
Synonyme Häufig synonym verwendet: intrazerebrale Blutung, intrazerebrale Hämorrhagie
Definition Intrazerebrale Blutung mit raumforderndem Effekt (Masseneffekt, Massenverschiebung). Meist im Rahmen einer hypertensiven Rhexisblutung.
Diagnostik Blutung, intrazerebrale
3
Therapie Blutung, intrazerebrale
3
Prognose Blutung, intrazerebrale
3
Masseterspasmus Definition Kontraktion des wichtigsten Kieferschließers.
Einleitung Der Masseterspasmus tritt am häufigsten im Rahmen einer oromandibuläre Dystonie vom Kieferschlusstyp auf. Dies kann im Rahmen einer akuten dystonen Reaktion nach Neu-
MCA (Arteria cerebri media) Grundlagen Anatomische Grundlagen: * Die intrakranielle A. carotis interna teilt sich in ihrer Endaufzweigung in die kleinere A. cerebri anterior und die größere A. cerebri media. * Die A. cererbi media zweigt sich bald nach dem Abgang der A. cerebri anterior in weitere Äste auf (M2-Segmente). Der Gefäßabschnitt vor der Aufzweigung wird M1-Segment genannt. * Die A. cerebri media versorgt große Teile der seitlichen Hirnoberfläche durch fünf frontale, parietale und temporale Äste. * Zum Versorgungsgebiet gehört die gesamte sensomotorische Rinde mit Ausnahme des dorsalen Anteils der Mantelkante, der von der A. cerebri anterior versorgt wird. * Zentrale Äste versorgen Putamen, Caput und Corpus nuclei caudati, Globus pallidum sowie die innere und äußere Kapsel (Capsula interna und externa). Klinische Bedeutung: * Verschlüsse führen zu klinischen Syndromen (kompletter Mediainfarkt, maligner Mediainfarkt), die je nach betroffener Hemi-
3
Medianusläsion
sphäre durch charakteristische neuropsychologische Defizite gekennzeichnet sind.
McArdle-Erkrankung Muskelphosphorylase-Mangel, Glykogenose Typ V
*
733
Durch Thrombosierung des Lumens können hämodynamisch oder thrombembolisch bedingte zerebrale Ischämien entstehen.
Diagnostik: * MR-Angiographie. * Konventionelle Angiographie. * CT-Angiographie mit eingeschränkter Aussagekraft. * Doppler/Duplexsonographie nur hinweisend.
Differenzialdiagnose
3
McLeod-Syndrom
Subarachnoidalblutungen oder zerebrale Ischämien im Mediaversorgungsgebiet anderer Genese.
Neuroakanthozytose
3
Prophylaxe *
MCTD („mixed connective tissue disease“) Sharp-Syndrom
Primärprophylaxe nicht erforderlich. Rezidivprophylaxe zerebraler Ischämien durch Thrombozytenaggregationshermmer, in Einzelfällen auch Antikoagulation.
*
Therapie
3
*
Keine Therapie bei asymptomatischen Patienten. Rezidivprophylaxe zerebraler Ischämien: Thrombozytenaggregationshemmer (ggf. auch orale Antikoagulation. Cave: Blutungsrisiko bei gleichzeitig vorhandenen Aneurysmen). Aneurysmen: Endovaskuläre Okklusion ( Aneurysma).
*
MD (myotone Dystrophie) Myotonie/myotone Syndrome, myotone Dystrophie Curschmann-Steinert
3
*
3
Mediahyperplasie
Nachsorge
Definition
Regelmäßige (MR)-angiographische Verlaufskontrollen.
Angiopathie mit Aussackungen im Verlauf der A. cerebri media, die im Rahmen der fibromuskulären Dysplasie auftritt.
Bewertung
3
Einleitung Pathophysiologie: * Ausbildung aneurysmatischer Aussackungen im Verlauf der A. cerebri media (Perlschnurmuster) durch gestörte Funktion der Gefäßwand (Intima, Media oder Adventitia können betroffen sein). * Dissektionen.
Prognose Vom Befall weiterer Gefäße (Nierenarterien, A. carotis interna) abhängig.
Medianusläsion Ruptur 3
Klinik: * Subarachnoidalblutungen durch aneurysmatischer Aussackungen.
Seltene, idiopathische Angiopathie, häufig mit Erstmanifestation im Bereich der A. cerebri media.
Nervus medianus, Läsion
M
734
Mediaverschluss
nach kaudal aus Mesenzephalon, Pons und Medulla oblongata zusammensetzt.
Mediaverschluss Synonyme
Grundlagen
Verschluss der A. cerebri media
Anatomische Begrenzungen: * Kranial dorsal: Kleinhirnschenkel. * Kranial ventral: Pons. * Kaudal: Wurzeln des 1. Zervikalnerven in Höhe des Foramen magnum.
Definition Verschluss der A. cerebri media mit, je nach Lokalisation, charakteristischen klinischen Symptomen.
Einleitung 4 Lokalisationen: * Karotis-T-Verschluss. * Verschluss des proximalen Hauptstammes der A. cerebri media (M1-Segment). * Verschluss nach Abgang der Aa. lenticulostriatae (M2-Segement). * Verschluss kleinerer, distaler Mediaäste. Pathophysiologie des Verschlusses: * Lokalthrombotisch. * Arterioarteriell-embolisch. * Kardiogenembolisch. Diagnostik: * Transkranielle Dopplersonographie. * Farbkodierte, transkranielle Duplexsonographie mit Bedeutung vor allem in der Akutphase zur Therapieentscheidung (systemische intravenöse Thrombolyse). * MR-Angiographie. * CT-Angiographie. * Konventionelle Angiographie. Klinik: Symptomatik abhängig von der Lokalisation des Verschlusses: * Maligner Mediainfarkt (M1-Verschluss). * Striatokapsulärer Infarkt ( Linsenkerninfarkt) Grenzzoneninfarkte, Hirninfarkt, Territorialinfarkte. 3
3
3
Therapie Hirninfarkt, maligner
3
Medulla oblongata Definition Bestandteil des Hirnstamm, der sich von kranial
Wichigste Strukturen: * Kerngebiete, Wurzeln und Austritt der Hirnnerven: N. hypoglossus, N. accesorius, N. glossopharyngeus, N. vagus. * Decussatio pyramidalis: Pyramidenbahnkreuzung an der ventralen Seite. * Formatio reticularis. * Afferente und efferente Bahnen zwischen Großhirn, Kleinhirn und Rückenmark.
Medulloblastom Definition Medulloblastome sind primitive neuroektodermale Tumoren (PNETs) des Kleinhirns. Die Tumorzellen leiten sich von pluripotenten neuroektodermalen Vorläuferzellen ab, die grundsätzlich noch die Potenz haben, sich in neurale oder gliale Zellen zu differenzieren.
Einleitung Die Medulloblastome sind nach den astrozytären Gliomen die häufigsten ZNS-Tumoren des Kindesalters, sie machen 20% der kindlichen und jugendlichen Tumoren des ZNS aus. Das mittlere Manifestationsalter liegt bei fünf Jahren, Erkrankungsfälle jenseits des 60. Lebensjahres sind jedoch beschrieben worden. In den vergangenen dreißig Jahren haben sich die Behandlungserfolge bei diesem Tumor durch eine multimodale Therapie unter Einsatz von chirurgischer Resektion, Strahlentherapie und Chemotherapie dramatisch verbessert, sodass die 5-Jahres-Überlebensziffern heute deutlich über 50 % liegen [1]. Die Mehrzahl der Medulloblastome tritt in der Mittellinie auf, bei erwachsenen Patienten auch gelegentlich in den zerebellären Hemisphären. Das Wachstum erfolgt dann kontinuierlich über den Boden des IV. Ventrikels in den Hirnstamm oder seitlich in die zerebellären Hemisphären,
Medulloblastom
die Pedunculi cerebelli oder über eine Liquoraussaat in entfernte (oft spinale) Lokalisationen. Eine spinale und zerebrale Tumorzellaussaat wird zum Zeitpunkt der Diagnose bei 10– 40% der betroffenen Patienten gesehen, findet sich autoptisch jedoch bei über 90% [2]. Extraneurale Metastasen sind bei Erstdiagnose selten, komplizieren den Verlauf jedoch bei 10– 30% der Patienten. Klinisch imponieren bei der Mehrzahl der Patienten Kopfschmerz, Erbrechen und Abgeschlagenheit als Ausdruck der Liquorabflussbehinderung mit Hydrozephalus.
Diagnostik Die bildgebende diagnostische Methode der Wahl ist das Kernspintomogramm, welches in der T1-Wichtung mit Kontrastmittel einen häufig soliden, homogen Kontrastmittel aufnehmenden Mittellinientumor zeigt. Verkalkungen und Zysten sind selten und dienen als differenzialdiagnostisches Kriterium zur Abgrenzung von Ependymomen und Astrozytomen des Hirnstammes. Das Kernspintomogramm des gesamten Spinalkanales ist integraler Bestandteil der Diagnostik und hochsensitiv im Nachweis von liquorgenen Tumorzellabsiedlungen. Es hat heute die Myelographie überflüssig gemacht. Ebenso muss eine Liquordiagnostik mit Liquorzytologie durchgeführt werden, wobei eine liquorgene Tumorabsiedlung nur bei positivem bildgebenden Nachweis angenommen werden darf, da als Folge der infratentoriellen Tumorlokalisation mit Anschluss an den Liquorraum häufig Tumorzellen nachgewiesen werden kön-
735
nen auch ohne eine echte spinale Tumorabsiedlung. Dies gilt insbesondere für die postoperative Phase. Ein liquorzytologischer Nachweis von Tumorzellen muss allerdings zu wiederholten bildgebenden Kontrolluntersuchungen des Spinalkanales veranlassen. Zur Einschätzung der Prognose und zur Beurteilung von standardisierten Therapieverfahren hat sich eine Stadieneinteilung der Medulloblastom-Ausdehnung durchgesetzt, wie sie von Chang 1969 vorgeschlagen wurde [3]. Diese Stadieneinteilung berücksichtigt die Invasion in angrenzende Strukturen und das Vorhandensein von liquorgenen und/oder hämatogenen Metastasen. Zur Beurteilung einer postoperativen adjuvanten Therapie ist eine kernspintomographische Kontrolluntersuchung mit Kontrastmittel innerhalb von 48 Stunden postoperativ erforderlich, die erfasst, ob es sich nach bildgebenden Kriterien um eine makroskopisch komplette oder inkomplette Tumorresektion handelt. Krankheitsmanifestationen außerhalb der hinteren Schädelgrube sind von schlechter prognostischer Bedeutung.
Therapie Medulloblastome können allein chirurgisch nicht kurativ behandelt werden. Dennoch stellt der Grad der Resektion einen wichtigen prognostischen Parameter dar. Dies bedeutet, dass bei Infiltration des Hirnstammes im Interesse des Funktionserhaltes Tumorreste belassen werden. Der Einsatz postoperativer adjuvanter Therapiemodalitäten vermochte die Prognose dieser malignen Gehirntumorerkrankungen in den vergangenen drei Jahrzehnten erheblich zu ver-
Medulloblastom. Tab. 1: Stadieneinteilung der Medulloblastome (Chang 1969) [3] Stadium
Definition Tumor
T1
Tumor <3 cm und begrenzt auf Wurm, Ventrikeldach oder seltener Hemisphäre.
T2
Tumor >3 cm, Invasion in eine benachbarte Struktur oder in den IV. Ventrikel ragend.
T3
Invasion in zwei Nachbarstrukturen oder mit kompletter Ausfüllung des IV. Ventrikels, mit Ausdehnung in Aquädukt oder Foramen Magendi/Luschkae. Interner Hydrozephalus.
T4
Tumor durch Aquädukt in III. Ventrikel oder Mittelhirn invadierend oder in oberes Halsmark eindringend. Metastasen
M0
Kein Nachweis subarachnoidaler oder hämatogener Metastasen.
M1
Tumorzellen im Liquor.
M
736
Megadolichobasilaris
bessern. Die zwei Grundpfeiler der adjuvanten Therapie sind Strahlentherapie und Chemotherapie.
Tumormanifestationen. Die systematische Evaluierung von pädiatrisch-onkologischen Chemotherapie-Protokollen in Deutschland ist in vollem Fluss.
gesichert
Nachsorge 1. Radiatio: Die Bestrahlung der hinteren Schädelgrube mit 52–55 Gy und der Neuroachse mit insgesamt mindestens 30 Gy bleibt vorerst grundsätzlich die wichtigste kurative Komponente im Behandlungskonzept des Tumors [1]. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die subfrontale Region im Gebiet der Lamina cribiformis und die Wurzeltaschen im lumbosakralen Übergang mitbestrahlt werden. Diese adjuvante Strahlentherapie führte zu einer erheblichen Verbesserung der Langzeitprognose mit 5-Jahresund 10-Jahres-Überlebensfraktionen von fast 50%. Erkauft wurde diese therapeutische Effizienz jedoch mit erheblichen Langzeitfolgen, insbesondere mit einer Reduktion der intellektuellen Leistungsfähigkeit und mit einer Reduktion des Längenwachstums. Diese Komplikationen waren für kleine Kinder (unter vier Jahren) besonders dramatisch [2]; deshalb erfolgten bereits vor zwanzig Jahren chemotherapeutische Behandlungsversuche mit dem Ziel, den Zeitpunkt der Bestrahlung hinauszuzögern und mit dem Ziel, durch eine kombinierte Radio-/Chemotherapie die Gesamtprognose weiter zu bessern. 2. Chemotherapie: Kinder unter 4 Jahren werden postoperativ zunächst ausschließlich chemotherapeutisch behandelt mit Vincristin, Cyclophosphamid, Hochdosis-Methotrexat, VP 16 und Carboplatin. Diese Therapie führte in Deutschland bei über der Hälfte der so behandelten Patienten zu eine rezidivfreien Zeit von mehr als vier Jahren [2]. In Abhängigkeit von der Ausdehnung des Tumors führt die Chemotherapie als zusätzliche Behandlungsmodalität zu Operation und Bestrahlung auch bei älteren Kindern zu besseren Ergebnissen. Dies dann, wenn nach der sogenannten Chang-Klassifikation das Tumorstadium III oder IV vorliegt, wenn der Tumor also mindestens zwei Nachbarschaftsstrukturen der initialen Tumormanifestation invadiert oder den IV. Ventrikel komplett ausfüllt sowie bei allen anderen darüber hinaus ausgedehnten
Regelmäßige klinische und kernspintomographische Kontrolluntersuchungen sind integraler Bestandteil der Behandlung. Für die Rezidivsituation stehen pädiatrisch-onkologische Protokolle im Rahmen deutschlandweiter Studien zur Verfügung.
Prognose Mehr als 50% der behandelten Kinder können als kurativ behandelt gelten.
Literatur 1. Kortmann RD, Kuhl J, Timmermann B et al. (2000) Postoperative neoadjuvant chemotherapy before radiotherapy as compared to immediate radiotherapy followed by maintenance chemotherapy in the treatment of medulloblastoma in childhood: results of the German prospective randomized trial HIT '91. Int J Radiat Oncol Biol Phys 15:269–79. 2. Bode U, Fleischhack G (1998). Tumoren des Nervensystems im Kindesalter. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 342–375. 3. Chang CH, Housepian EM, Herbert C Jr. (1969). An operative staging system and a megavoltage radiotherapeutic technic for cerebellar medulloblastomas. Radiology 93:1351–9.
Megadolichobasilaris Definition Dilatative Arteriopathie der A. basilaris mit Aufweitung und Aussackung dieses Gefäßes.
Einleitung Klinische Bedeutung: * Durch die Aufweitung des Gefäßes kann es zu einer verlangsamten Flussgeschwindigkeit des Blutes mit Gefahr der Thrombenbildung kommen. * Durch das elongierte Gefäß können Pulsationen auf den Hirnstamm übertragen werden und zu Irritationen an Hirnnerven führen: Hirnnervenkompressionssyndrome wie z.B. Trigeminusneuralgie, Hemispasmus facialis.
Meige-Syndrom
Vorkommen: * Im Rahmen einer generalisierten dilatativen Arteriopathie. * Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu.
737
Muster und eine pathologische α-Aktivierung. Neuroradiologisch können neben der Megalenzephalie meist Marklagerveränderungen nachgewiesen werden.
3
Therapie Diagnostik Nachweis der Gefäßveränderung durch: * MR-Angiographie. * CT-Angiographie oder * Konventionelle Angiographie.
Eine kausale Therapie ist nicht bekannt.
Meige-Syndrom
Therapie
Synonyme
*
Brueghel-Syndrom
*
Klinische Signifikanz nicht vollständig geklärt. Meist Zufallsbefund.
Megalenzephalie Synonyme Makroenzephalie
Definition Eine Megalenzephalie ist Ausdruck einer gestörten Zellproliferation im Rahmen von Fehlbildungen des ZNS.
Über 60% der Patienten mit einem Blepharospasmus weisen zusätzlich eine oromandibuläre Dystonie auf. Diese Kombination wird als Meige-Syndrom bezeichnet, benannt nach Henry Meige, der das Krankheitsbild sehr ausführlich 1910 beschrieb. Man spricht auch vom Brueghel-Syndrom, da Peter Brueghel d.Ä. das Krankheitsbild schon im 16. Jahrhundert auf einem Bild mit dem Titel „Der Gähner“ festhielt. Leichtere oromandibuläre Dystonien, vorwiegend in der vom N. facialis versorgten Muskulatur, werden von vielen Patienten gar nicht wahrgenommen oder als Manöver erlebt, um die Augen zu öffnen. Oft sind über das Gesicht hinaus angrenzende Körperregionen ( zervikale Dystonie, spasmodische Dysphonie, pharyngeale Dystonie) mitbetroffen, sodass in diesen Fällen der Begriff kraniozervikale Dystonie exakter erscheint. 3
*
Einleitung
3
Bewertung
Kombination von Blepharospasmus und oromandibulärer Dystonie. 3
*
Definition 3
*
Asymptomatische Patienten werden nicht therapiert. Bei Hirnnervenkompressionssyndromen: Mikrovaskuläre Dekompressionsoperation. Ischämien durch lokale Thrombenbildung sowie arterioarterielle Embolien: Ungesicherte Indikation für orale Antikoagulation.
3
Eine primäre Megalenzephalie imponiert meist als Hemimegalenzephalie, wobei entweder nur eine Großhirn- oder Kleinhirnhemisphäre betroffen ist. Meist haben die erkrankten Kinder epileptische Anfälle und sind geistig retardiert. Gelegentlich sind Hemihypertrophien des Gesichts oder einer Körperseite assoziiert. Sekundäre Formen sind durch Stoffwechselerkrankungen, wie z. B. Leukodystrophien, GM2-Gangliosidosen und Mucopolysaccharidosen bedingt.
Diagnostik Im EEG zeigt sich oft ein burst-suppression-
Diagnostik Klinisch.
Therapie Botulinumtoxin, Anticholinergika, Dosierung: Dystonie. Beim Meige-Syndrom wird nur bei subjektiver Beeinträchtigung durch die oromandibuläre Dystonie und erst wenn der Behandlungserfolg der Injektionen im Bereich des M. orbicularis oculi im oromandibulären Bereich beurteilt worden ist, injiziert. Letzteres Vorgehen ist da3
Einleitung
M
738
MELAS-Syndrom (mitochondriale Myopathie, Enzephalopathie, Laktatazidose und schl ...
durch begründet, dass es bei der Mehrzahl der Patienten zu einer objektiven Besserung der oromandibulären Dystonien schon nach alleiniger Behandlung des Blepharospasmus kommt. gesichert Bei Betrachtung der beiden Komponenten des Meige-Syndroms gilt die Therpie mit Botulinumtoxin für den Blepharospasmus als gesichert. Die Fallzahlen zur Therapie der oromandibulären Dystonie sind klein.
mentosa, Optikusatrophie oder Neuropathie fehlen in der Regel. Es ist in Einzelfällen berichtet worden, dass Valproat bei MELAS-Patienten epileptische Anfälle triggern kann.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Laktat im Serum, Muskelbiopsie (Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung), MRT des Schädels und genetische Untersuchung.
Therapie
MELAS-Syndrom (mitochondriale Myopathie, Enzephalopathie, Laktatazidose und schlaganfallähnliche Ereignisse) Definition Maternal erbliche, mitochondriale Erkrankung, die klinisch durch die im Akronym gegebenen Symptome charakterisiert ist.
Einleitung In etwa 80% mt-DNS-Mutation in Position 3243. Die Mutation führt zu einer veränderten Leu-tRNS, die wiederum eine verminderte Bindung von mRNS an Ribosomen vermittelt und so zu einer Störung der Proteinbiosynthese beiträgt. Allerdings werden nur 50% der betroffenen Individuen symptomatisch. Die Erkrankung manifestiert sich in Kindheit, Jugend oder frühem bis mittleren Erwachsenenalter. Die Patienten sind in der Regel relativ kleinwüchsig. Die Laktatazidose kann zu episodischem Erbrechen, evtl. auch zu migräneartigen Kopfschmerzen führen. schlaganfallähnliche Ereignisse treten in der Regel vor dem 40. Lebensjahr auf. Sie können fokale Anfälle auslösen und bei Wiederholung eine vaskuläre Demenz nach sich ziehen. Häufig kommt es zu Hörminderung, Belastungsintoleranz und gelegentlich zu proximal betonten Paresen, Diabetes mellitus oder Makuladegeneration. Auch wenn Kardiomyopathie nicht zu den typischen Manifestationen bei MELAS zählt, sind doch eine Reihe von Patienten mit im Vordergrund stehender Kardiomyopathie beschrieben worden, insbesondere wenn auch ein Diabetes bestand. Andere „mitochondriale Stigmata“ wie externe Ophthalmoplegie, Retinopathia pig-
Symptomatische Therapie, z. B. des Diabetes mellitus oder der Hörstörung (bis hin zum Kochlea-Implantat). empirisch In einzelnen Fällen oder kleinen Patientengruppen wurden folgende Substanzen als wirksam oder vorübergehend wirksam angesehen: Eicosapentaensäure-Äthylester (EPA-E). Idebenon (CV-2619; 6-[10-hydroxydecyl]-2,3-dimethoxy-5-methyl-1,4-Benzochinon; Derivat von Koenzym-Q10) in Kombination mit Riboflavin. Koenzym-Q10. 2,7 g/d. Dichloro-Azetat (50 mg/kg KG pro d) allein oder in Kombination mit Thiamin (100 mg/d).
Nachsorge Anbindung an ein Muskelzentrum sinnvoll, um Studien zur Therapie der Erkrankung voranzubringen.
Prognose Die Prognose hängt wesentlich von der Manifestation schlaganfallähnlicher Episoden mit Entwicklung von Anfällen und vaskulärer Demenz ab.
Melkersson-Rosenthal-Syndrom Definition Granulomatöse, vermutlich immunvermittelte Erkrankung mit rezidivierenden Gesichtsschwellungen und Fazialisparesen, assoziiert mit familiärer Lingua plicata.
Einleitung Das Syndrom wird vermutlich autosomal-dominant vererbt. Gesichtsödem und Fazialispare-
Melperon
se treten meist abrupt auf und verschwinden anfangs innerhalb weniger Tage, unabhängig davon kommt auch eine Cheilitis granulomatosa vor. Im Verlauf kann es zu persistierenden Gesichtsschwellungen, Makroglossie und motorischen Defiziten kommen.
739
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Harmosin, Melneurin®, Melperomerck®, melperon von ct, Melperon beta®, Melperon-neuraxpharm®, Melperon-ratiopharm®, Melperon STADA®, Melperon-TEVA®, MEL-PUREN®.
Wirkungen
empirisch Erste positive Erfahrunen wurden auch von einer hochdosierten, intravenösen Methylprednisolon-Gabe, von einer parallelen Kortikoidund Minocyclin-Gabe, von Methotrexat oder von Thalidomid beschrieben [1, 3]. Clofazimin, ein Lepra-Präparat, (100 mg 4×pro Woche über mehrere Monate) brachte in mehreren Pilotstudien eine Remission oder klinische Besserung [2].
Literatur 1. Safa G, Joly P, Boullie MC, Thomine E, Lauret P (1995) Melkersson-Rosenthal syndrome treated by thalidomide. Two cases. Ann Dermatol Venereol 122: 609–611. 2. Stein SL, Mancini AJ (1999) Melkersson-Rosenthal syndrome in childhood: successful management with combination steroid and minocycline therapy. J Am Acad Dermatol 41:746–748. 3. Sussman GL, Yang WH, Steinberg S (1992) Melkersson-Rosenthal syndrome; clinical, pathologic, and therapeutic considerations. Ann Allergy 69: 187–194.
Melperon Zubereitungen Melperon-HCl als Tabletten zu 10/-25/-50 und 100 mg, als Lösung, Tropfen und in Ampullen.
Pharmakologische Daten Nicht veröffentlicht.
Anwendungsgebiete Melperon ist zugelassen für Schlafstörungen, Verwirrtheitszustände, psychomotorische Unruhe, Erregungszustände bei Psychosen, Oligophrenie, organisch bedingter Demenz und Alkoholkrankheit, besonders im Alter. Die Datenlage erklärt jedenfalls nicht die vielen Indikationen und den weitverbreiteten Einsatz gerade in der Geriatrie.
Dosierung/Anwendung Für eine milde angstlösendeWirkung 20–75 mg Melperon-HCl. Bei unruhigen und verwirrten Patienten zu Beginn 50–100 mg bzw. 10– 20 ml, gegebenenfalls Steigerung auf 200 mg bzw. 40 ml Liquidum. Bei schwerer Unruhe und Verwirrtheitszuständen mit Aggressivität sowie wahnhaften und halluzinatorischen Zuständen Steigerung auf 300–375 mg bzw. 60– 75 ml Liquidum. Bei akuter Unruhe, Verwirrtheit und Erregungszuständen initial 1–2 Amp. i. m. injizieren. Bei Bedarf kann die Tagesdosis auf 4 Ampullen erhöht werden. Vor Behandlungsbeginn Kontrolle des Blutbildes.
Unerwünschte Wirkungen Haloperidol
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Überempfindlichkeit gegen Butyrophenone, hochgradige Leberinsuffizienz mit schweren Blutgerinnungsstörungen oder unter der Therapie mit oralen Antikoagulanzien, Veränderungen des Blutbildes, ansonsten wie bei Haloperidol.
Wechselwirkungen 3
3
gesichert Aufgrund des entzündlichen Charakters sollte eine Kortikosteroidbehandlung durchgeführt werden, z. B. mit Prednisolon 1 mg/kgKG/ Tag über 5 Tage per os, danach in langsam absteigender Dosierung. Kontraindikationen einer Kortikoid-Therapie müssen beachtet werden. Bei unvollständigem Lidschluss muss ein Hornhautschutz mit Augensalbe und Uhrglasverband erfolgen. Bei inkompletter Rückbildung Physiotherapie der Fazialismuskulatur.
Melperon ist ein Neuroleptikum aus der Substanzgruppe der Butyrophenone ( Haloperidol).
3
Die Therapie entspricht der der idiopathischen Fazialisparese ( Parese, Fazialisparese).
3
Therapie
Haloperidol
M
740
MEN I (multiple endokrine Neoplasie)
Bewertung
Diagnostik
In Deutschland weit verbreitetes Neuroleptikum zu dem es auffällig wenig Literatur gibt.
Neben der Erhebung einer genauen Anamnese imponiert klinisch in einer Attacke anfangs ein Reiznystagmus zur kranken, anschließend ein Ausfallnystagmus zur gesunden Seite, im Audiogramm ist eine wannenförmige Hörschwellenkurve (Hydropskurve) und ein positives Recruitment nachzuweisen. Im Intervall kann sich in der kalorischen Prüfung eine Untererregbarkeit des betroffenen Vestibularorgans zeigen. Durch den Glyzerol-Test bessert sich die Hörschwelle (osmotische Dehydrierung). Gelegentlich tritt ein monosymptomatischer M. Menière mit nur einem der drei Hauptsymptome auf und entwickelt sich im weiteren Verlauf zum Vollbild.
MEN I (multiple endokrine Neoplasie) Definition
3
Die multiple endokrine Neoplasie I (MEN I) ist ein familiäres Neoplasie-Syndrom, welches durch eine heterozygote Mutation im Tumorsuppressorgen MEN1 ausgelöst wird [1].
Einleitung 3
3
Literatur 1. Tsukada T, Yamaguchi K, Kameya T (2001). The MEN1 Gene and Associated Diseases: An Update. Endocr Pathol 12:259–273. 2. Kato H, Uchimura I, Morohoshi M et al. (1996) Multiple endocrine neoplasia type 1 associated with spinal ependymoma. Intern Med 35:285–9.
Menière-Erkrankung Synonyme Morbus Menière
Definition Es handelt sich um eine Erkrankung des Innenohres, die durch einen endolymphatischen Hydrops bedingt ist.
Therapie Im Anfall werden Antihistaminika, Antiemetika (z. B. Dimenhydrinat) oder Sedativa eingesetzt. Bei therapierefraktären Fällen kann in Ausnahmefällen eine operative Therapie, wie z. B. die Anlage eines Endolymphsubarachnoidalshunts [2] oder Neurotomie des N. vestibularis [1]. Die intratympanale Injektion von Gentamycin als ototoxische Substanz wird allerdings kontrovers diskutiert und sollte am Ende der Therapieplanung [3] stehen. Intervalltherapie mit Betahistin. 3
Im Rahmen der MEN I treten multiple Neoplasien auf, darunter Adenome der Hypophyse, der Parathyroidea, des Pankreas [1] und bislang in einem einzigen Fall ein spinales Ependymom [2]. Die Diagnostik und Therapie der Tumoren des Nervensystems wird dort besprochen.
Prognose Der Patient sollte über die günstige Langzeitprognose aufgeklärt werden.
Literatur 1. Pareschi R et al. Posterior fossa vestibular neurotomy as primary surgical treatment of Meniere’s disease: a re-evaluation. J Laryngol Otol 2002; 116:593–596. 2. Welling DH et al. Endolymphatic mastoid shunt: a reevalutation of efficacy. Otolaryngol Head Surg 2000; 122:340–345. 3. Yetiser S et al. Intratympanic gentamicin in Meniere’s disease: the impact on tinnitus. Int J Audiol 2002; 41:363–70).
Einleitung Trotz interindividuell verschiedener Ausprägung wird ein Menière Symptomkomplex aus Drehschwindelattacken, einseitigem Ohrgeräusch und Hypakusis beschrieben. Eine einzelne Attacke dauert wenige Minuten bis zu 2 h und wiederholt sich innerhalb von Tagen bis Wochen.
Meningeom Definition Meningeome sind von der Arachnoidea ausgehende mesenchymale Neoplasien, die das Gehirn bzw. das Rückenmark verdrängend wachsen
Meningeom, zerebrales
und bis zu ihrer Diagnostik oft eine erhebliche Größe erreichen können.
Einleitung Meningeome machen ca. 10–20% der primären intrakraniellen Tumoren aus. Die doppelt so hohe Inzidenz bei Frauen und die Neigung zu rascherem Wachstum während der Schwangerschaft kann durch Steroidhormonrezeptoren erklärt werden, auch die Expression von Dopamin-, Prolactin- und Somatostatinrezeptoren ist nachgewiesen. Differenziert wird zwischen spinalen ( Meningeom, intradurales extramedulläres) und zerebralen ( Meningeom, zerebrales) Meningeomen. Spinale Meningeome sind bei Frauen vier mal häufiger als bei Männern. 3
3
Diagnostik Meningeom, intradurales extramedulläres; Meningeom, zerebrales
3 3
Therapie Meningeom, intradurales extramedulläres; Meningeom, zerebrales
741
Therapie gesichert Meningeome werden mit der anhaftenden Dura chirurgisch reseziert. empirisch Anaplastische spinale Meningeome sind eine Rarität. Diese werden postoperativ nachbestrahlt.
Literatur 1. Preston-Martin S (1990). Descriptive epidemiology of primary tumors of the spinal cord and spinal meninges in Los Angeles county, 1972–1985. Neuroepidemiol 9:106–111.
Meningeom, zerebrales Definition Meningeome sind von der Arachnoidea ausgehende mesenchymale Neoplasien, die verdrängend wachsen.
3 3
Einleitung
Meningeom, intradurales extramedulläres Definition Spinale Meningeome sind intradurale, extramedullär langsam wachsende Tumoren.
Einleitung Spinale Meningeome zeigen ein Überwiegen des weiblichen Geschlechtes im Verhältnis von 4:1 [1], es findet sich eine Häufigkeitsgipfel im höheren Lebensalter. Sie gehen vom inneren Blatt der Dura mater aus, sind überwiegend solitär, können im gesamten Wirbelkanal auftreten und haben oft eine posterolaterale Lokalisation mit Ausnahme des zerivikalen Wirbelsäulenabschnittes. Ausdehnungen in das Neuroforamen sind selten.
Diagnostik Als Folge der guten Blutversorgung ohne Blut-/ Tumorschranke der tumorversorgenden Gefäße findet sich ein intensives, in der Regel homogenes Kontrastmittelenhancement in der Bildgebung.
Zytogenetisch sind Meningeome mit einem DNA-Verlust am Chromosom 22 assoziert und werden auch bei der Neurofibromatose Typ 2 beobachtet. In der Altersverteilung liegt der Gipfel zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Entscheidend für die Prognose sind die histopathologische Klassifizierung nach WHO in Grad I (benigne), Grad II (atypisch) oder Grad III (anaplastisch) und die lokale Wachstumscharakteristik. Das infiltrative Wachstum gegenüber dem Knochen kann zu typischen Hyperostosen an der Kalotte führen oder auch die Kalotte ausgedehnt infiltrieren, sodass nach Tumorresektionen eine plastische Rekonstruktion des Schädeldaches erforderlich ist.
Diagnostik Meningeome sind computertomographisch nativ hyperdens und fakultativ verkalkt mit intensivem, homogenem Enhancement, das auch MR-tomographisch nachweisbar ist. Eine kernspintomographisch weit über den „Tumoransatz“ hinausgehende Signalanhebung in den angrenzenden Meningen („menigeal sign“) ist pathognomonisch. Oft ist ein ausgeprägtes peritumorales Ödem nachweisbar. Die intensiv vaskularisierten Tumoren werden präoperativ angiographisch untersucht, wobei fakultativ in
M
Meningeosis carcinomatosa
gesichert Bei Konvexitätsmeningeomen, frontrobasalen Meningeomen und parasagittalen Menigeomen des vorderen Sinusdrittels ist eine Heilung durch mikrochirurgische Totalresektion des Tumors mitsamt seiner duralen Matrix und gegebenenfalls auch des angrenzenden Knochens möglich. Menigeome der Schädelbasis neigen frühzeitig dazu, die Orbita, das Keilbein und den Clivus zu infiltrieren, die Hirnnerven und großen Gefäße zu umwachsen und dadurch die chirurgische Resektion zu limitieren. Bei Lokalisationen an der Schädelbasis muss wegen der guten Ergebnisse der Radiochirurgie eine Radikalität auf Kosten der Funktion nicht mehr angestrebt werden. Wenn Hirnnerven, basale Hirnarterien oder die Wand des Sinus sagittalis superior im mittleren oder dorsalen Drittel betroffen sind, ist das chirurgische Ziel die Verkleinerung des Tumors unter Schonung dieser Strukturen. empirisch Mit einer nachfolgenden radiochirurgischen Präzisionsbestrahlung konnte in dieser auf konventionelle Bestrahlung kaum empfindlichen Tumorgruppe eine lokale Tumorkontrolle in über 95% [1, 2] und eine Volumenreduktion in über 50% erreicht werden [1]. Bei den seltenen anaplastischen Meningeomen wird nach chirurgischer Resektion eine lokale Feldbestrahlung des meningealen Bereiches mit 60– 66 Gy durchgeführt. In einer kleinen Serie konnte bei chirurgisch nicht angehbaren, symptomatischen Meningeomen eine Größenreduktion mit Hydroxyharnstoff erreicht werden, welches dann allerdings kontinuierlich gegeben werden muss [3]. Andere adjuvante medikamentöse Therapien auf der Basis von Progesteronrezeptoren, Dopaminrezeptoren und Somatostatinrezeptoren sind nach Ansicht der Autoren derzeit nur im Rahmen klinischer Studien gerechtfertigt.
Literatur 1. Kondziolka D, Levy EI, Niranjan A et al. (1999) Long-term outcomes after meningioma radiosurgery: physician and patient perspectives. J Neurosurg 91:44–50. 2. Debus J, Wuendrich M, Pirzkall A (2001). High efficacy of fractionated stereotactic radiotherapy of large base-of-skull meningiomas: long-term results. J Clin Oncol 19:3547–53. 3. Schrell U, Rittig MH, Anders M et al. (1997) Hydroxyurea for treatment of unresectable and recurrent meningingiomas. J Neurosurg 86:840– 44.
Meningeosis carcinomatosa Karzinomatose, leptomeningeale
Meningismus Synonyme Nackensteifigkeit
Definition Schmerzhafte Nackensteifigkeit bei passiver Kopfbeugung.
Einleitung Die Prüfung des Meningismus gilt als wichtigstes Zeichen des Nervendehnungsschmerzes. Gehört neben dem Brudzinski-, Lhermitte-, Lasegue- und Kernig-Zeichen zu den Nervendehnungszeichen, die Ausdruck eines meningealen Reizsyndroms sind.
Differenzialdiagnose Meningismus bei meningealer Reizung, Meningitis, Enzephalitis und Subarachnoidalblutung positiv. Möglicherweise auch bei paravertebralem Muskelhartspann, HWS-Degeneration (jeweils auch Seitwärtsbewegungen schmerzhaft). 3
Im Vordergrund der Therapie steht die chirurgische Resektion. Allerdings ist nicht immer eine komplette Resektion möglich. Bei anaplastischen Meningeomen ist in jedem Falle eine adjuvante Radiatio erforderlich.
Auch „komplett“ resezierte WHO-Grad I oder II Meningeome können rezidivieren. Eine regelmäßige kernspintomographische und klinische Verlaufskontrolle ist bei diesen Tumoren deshalb unabdingbar, bei den anaplastischen Varianten ohnehin.
3
Therapie
Nachsorge
3
der gleichen Sitzung eine Embolisation zuführender Äste vorgenommen werden kann.
3
742
Meningitis, bakterielle (eitrige)
743
Bei allerdings ca. 30% der eitrigen Meningitiden ist kein Erregernachweis möglich.
Meningitis Synonyme
Diagnostik
Hirnhautentzündung
*
Definition Hochakutes meningeales Krankheitsbild durch Entzündung von Pia mater und Arachnoidea.
Einleitung
*
Das Erregerspektrum der Meningitis ist weit, je nach Erreger werden bakterielle Meningitiden und abakterielle Meningitiden (Viren, Pilze, Parasiten) unterschieden. Pathoanatomisch liegt eine Invasion und Vermehrung der Erreger im Subarachnoidalraum mit Freisetzung von Zellwandbestandteilen (z. B. Lipoteichoinsäure) sowie konsekutiver Synthese und Freisetzung inflammatorischer Mediatoren vor. Einige potentiell toxische Mediatoren (z. B. freie Sauerstoffradikale) sind an der Schädigung der Blut-Hirn-Schranke und an der neuronalen Schädigung beteiligt. Klinisch führend ist die Symptomtrias allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerz/Nackenschmerz/Nackensteifigkeit ( Meningismus) und Fieber. Fakultativ Übelkeit, Erbrechen, Photophobie, Irritabilität, Bewusstseinsstörungen. Häufig vorausgehende Allgemeinsymptome, in früher Phase Einschränkung der höheren Hirnleistung. 3
* *
Klinische Leitsymptome einer Meningitis, (bei >2/3 der Patienten mit Meningokokkenmenigitis zumindest diskrete petechiale Haut-/Schleimhautveränderungen als Ausdruck der begleitenden gramnegativen Sepsis). Typischer Liquorbefund (meist im Verlauf der Erkrankung): Trübes Aussehen mit granulozytärer Pleozytose über 3000 Zellen/ mm3, Eiweißerhöhung, niedriger Zuckergehalt, erhöhter Laktatwert. Liquorkultur, Gramfärbung, Antigennachweis mit der Latexagglutinationsmethode. Allgemeine Laborparameter (Entzündungsparameter, Gerinnungswerte), Blutkultur. Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT): Meningeales Enhancement nach KM-Gabe, in 15% vaskuläre Läsionen und Hirnödem. Hydrozephalus, ggf. Pyozephalus in 10–12%, selten in 1–2% intrakranielle Blutungen (Stauungsblutung nach möglicher septischer Sinusvenenthrombose), parameningealer Herd im Knochenfenster (z. B. Sinusitis, Mastoiditis). Transkranielle Dopplersonographie: Typischerweise bei Pneumokokkenmeningitis Flussbeschleunigung des zerebralen Blutflusses um das Doppelte (ähnlich der Subarachnoidalblutung) nach 4–5 Tagen bis 10.–15. Tag als Ausdruck einer Vaskulitis bzw. eines Vasospasmus. 3
3
3
3
*
3
Meningitis, bakterielle (eitrige) Therapie Durch Einbruch und Vermehrung von Bakterien in den Subarachnoidalraum ausgelöstes, hochakutes meningeales Krankheitsbild.
Einleitung Unterteilung in primäre (kein Nachweis eines Fokus) und in sekundäre (als Komplikation einer benachbarten oder in der Ferne liegenden Infektion) bakterielle Meningitis. Die häufigsten Erreger sind Pneumokokken, Meningokokken (in 90% durch Serumgruppe A, B, C), Listerien, Staphylokokken und Haemophilus-influenzae, sog. „gramnegative Meningitiden“ in <10%, anaerobe Bakterien sind Ursache von <1% der eitrigen Meninigitiden.
Antimikrobielle Chemotherapie abhängig vom Erreger, Patientenalter, Begleiterkrankungen, Resistenzsituation. Das vermutete Agens bestimmt den Einsatz des empirisch wirksamen Antibiotikums, Adjustierung der Therapie nach Eintreffen der Erregerdiagnostik. Sofortiger Beginn der Behandlung nach Abnahme der ersten Blutkultur, noch vor CCT und Liquorpunktion sinnvoll. Dauer der antibiotischen Therapie beruht nur auf empirischen Daten: HIB- und Pneumokokkenmenigitis 10–14 Tage, Meningokokkenmeningitis (5)7–10 Tage, gramnegative Meningitis 3 Wochen. Wirksamkeit einer adjuvanten Therapie lediglich bezüglich der Gabe von Kortikosteroiden 3
Definition
M
3
744
Meningitis, bakterielle (eitrige)
Meningitis, bakterielle (eitrige). Tab. 1: Prädisponierende (erregerspezifische) Faktoren für die Entwicklung einer bakteriellen Meningitis Prädisponierende Faktoren
Wahrscheinliche Erreger
„Community acquired“ Meningitis Paranasale Infektion (Otitis media, Sinusitis)
Pneumokokken Staphylokokken
Pneumonie
Pneumokokken Andere Streptokokken
Endokarditis
Staphylococcus aureus
Schädel-Hirn-Trauma (mit oder ohne Liquorleck)
Pneumokokken Haemophilus influenzae Gramnegative Enterobakterien
Immunsuppression
Listeria monocytogenes Gramnegative Enterobakterien
Splenektomie, Alkoholkrankheit, i.v.-Drogenabhängigkeit
PneumokokkenStaphylokokken
Nosokomiale Meningitis Neurochirurgische Intervention
Gramnegative Enterobakterien Pseudomonas Staphylokokken
Implantation eines ventrikuloatrialen Shunts, einer externen Liquordrainage
Staphylococcus epidermidisStaphylococcus aureus
bewiesen, bislang tierexperimentell günstige Effekte bei: nichtsteroidalen Antiphlogistika, Superoxid-Dismutase, spezifischen monoklonalen Antikörper.
3. 4.
gesichert Adjuvante Behandlung mit Dexamethason, insbesondere bei Pneumokokken-Meningitis: Dexamethason (z. B. Fortecortin®) 4×10 mg/die über 4 Tage. Signifikante Reduktion der Mortalität und eines ungünstigen Verlaufes, keine Erhöhung des Risikos einer gastrointestinalen Blutung (1). empirisch
5.
6.
Bei unbekanntem Erreger (Initialtherapie, pragmatische Therapie): siehe Tab. 3. Bei bekanntem Erreger: siehe Tab. 4. Präparate (mit Tagesdosierungen): 7. 1.
2.
Penicilline: Penicillin G, Penicillin G® 4×10 Mio E i. v., Liquorgängigkeit 5%. Ampicillin, Binotal® 4×2 g (bei Listerienmeningitis 4×4 g) i. v., Liquorgängigkeit 5–10%. Breitspektrum-Penicilline:
8.
Piperacillin, Pipril® 3×4 g i. v., Liquorgängigkeit 15% Mezlocillin, Baypen® 3×3–5 g, i. v. Penicillinasefeste Oxacilline: Flucloxacillin, Staphylex® 3×4 g i. v., Liquorgängigkeit 5–10%. Cephalosporine der 3. Generation (wegen schlechter Liquorgängigkeit keine Cephalosporine der 1. und 2. Generation!): Cefotaxim, Claforan® 3×2 g i. v., Liquorgängigkeit 6–16%. Ceftazidim, Fortum® 3×2 g i. v., Liquorgängigkeit 20%. Ceftriaxon, Rocephin® 1×2 g i. v., Liquorgängigkeit 4–9%. Aminoglykoside: Gentamycin, Refobacin® 4×40–80 mg i. v., Liquorgängigkeit <10%. Tobramycin, Gernebcin® 4×40–80 mg i. v., Liquorgängigkeit <10%. Chloramphenicol: Paraxin® 3×1 g (Gesamtdosis max. 25 g) i. v., Liquorgängigkeit 40–90%. Cotrimoxazol (Trimetoprim (TMP) plus Sulfamethoxazol (SMZ)): Eusarim®/Bactrim® 4×80 mg TMP/ 400 mg SMZ i. v. (nur als Infusion), Liquorgängigkeit 30–50 bzw. 25–30%.
Meningitis, bakterielle (eitrige) Meningitis, bakterielle (eitrige). Tab. 2: Altersspezifisches Erregerspektrum der bakteriellen Meningitis
11. Fosfomycin: Fosfocin® 3×5 g i. v., Liquorgängigkeit 20–30%.
Häufigste Erreger
Bewertung
„Community acquired“ Meningitis Neugeborene – Gramnegative Enterobakte1 Monat rien, v. a. E. coli Gruppe –B-Streptokokken Listeria monocytogenes 2 Monate – 6 Jahre
Haemophilus influenzae-TypB Neisseria meningitidis Streptococcus pneumoniae (v.a. in Gebieten mit hoher Haemophilus influenzae-TypB-Durchimpfungsrate)
6 – 18 Jahre
Neisseria meningitidis Streptococcus pneumoniae
18 – 50 Jahre
Streptococcus pneumoniae Neisseria meningitidis
> 50 Jahre
Streptococcus pneumoniae Listeria monocytogenes Gramnegative Erreger Neisseria meningitidis
Inzidenz der bakteriellen Meningitis 1–3, regional (z. B. Meningitisgürtel) 5–10/100.000/Jahr, besonders in Regionen mit niedrigen sozioökonomischen Umständen. Klinische Symptomatik entwickelt sich meist in wenigen Stunden oder Tagen. Bei frühzeitiger Antibiotikatherapie bilden sich die Symptome meist rasch zurück, sonst Fahndung nach Infektionsherd, ggf. Umstellung der Therapie. Komplikationen entwickeln sich meist innerhalb der ersten Woche (Patienten sollten daher im Initialstadium auf einer Intensivstation betreut werden): * Hirnödem (bei etwa einem Drittel der verstorbenen Patienten autoptisch gesichert) mit Gefahr der Einklemmung. * Zerebrale arterielle Gefäßkomplikationen (z. B. Vaskulitis, Vasospasmus, Autoregulationsstörung) mit Hirninfarkt, septischer Sinusvenenthrombose, Hydrozephalus (in 20%), Hirnabszess, Subduralempyem, epileptischen Anfällen (in ca. 40%), selten Syndrom der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH), Sepsissyndrom. 3
3
3
3
3
3
3
Alle Altersgrup- Staphylococcus aureus pen Staphylococcus epidermidis Gramnegative Erreger
3
Nosokomiale Meningitis (besonders nach neuchirurgischen Eingriffen bzw. längerdauernder Intensivtherapie)
3
Alter
745
Prognose 9.
Metronidazol: Clont® 3×500 mg i. v., Liquorgängigkeit 90–100%. 10. Vancomycin: Vancomycin® 4×500 mg i. v., Liquorgängigkeit 10–30%.
Die Prognose der bakteriellen Meningitis wird im Wesentlichen vom etwaigen Auftreten von Komplikationen bestimmt. Ungünstiger Verlauf bei: sog. Status bacillosus (hohe Bakteriendichte im Liquor bei niedriger Zellzahl), Alter >50 Jahre, langes Intervall bis Initiierung der Therapie, zugrunde liegende Be-
Meningitis, bakterielle (eitrige). Tab. 3: Therapieempfehlung bei Meningitis mit unbekanntem Erreger Altersgruppe, epidemiologische Besonderheiten
Empfohlene Therapie
0–6 Jahre
Cephalosporin der 3. Generation plus Ampicillin
Kinder >6 Jahre und Erwachsene bis 50 Jahre
Penicillin G oder Ampicillin
Erwachsene >50 Jahre
Cephalosporin der 3. Generation plus Ampicillin
Nosokomiale Meningitis
Cephalosporin der 3. Generation plus Oxacillin plus Aminiglykosid
M
746
Meningitis, Choriomeningitis, lymphozytäre
Meningitis, bakterielle (eitrige). Tab. 4: Therapieempfehlung bei Meningitis mit bekanntem Erreger Erreger
Mittel der 1. Wahl
Alternativtherapie
N. meningitidis
Penicillin G
Cephalosporin der 3. Generation, Ampicillin, Chloramphenicol
S. pneumoniae (penicillinempfindlich)
Penicillin G
Cephalosporin der 3. Generation, Vancomycin, Chloramphenicol
S. pneuminiae (penicillinresistent)
Cephalosporin der 3. Generation plus Vancomycin/Rifampicin
Hochdosis-Therapie mit Cefotaxim
H. influenzae
Cephalosporin der 3. Generation
Ampicillin plus Chloramphenicol
Streptokokken (Gruppe B)
Ampicillin plus Gentamycin
Cephalosporin der 3. Generation, Vancomycin
Gramnegative Entero- Cephalosporin der 3. Generation bakterien plus Aminoglykosid
Breitspektrum-Penicillin plus Aminoglykosid
Pseudomonas aerugi- Cephalosporin der 3. Generation nosa plus Aminoglykosid
Breitspektrum-Antibiotikum plus Aminoglykosid
Staphylokokken (methicillinempfindlich) Staphylokokken (methicillinresistent)
OxacillinVancomycin
Fosfomycin oder VancomycinCotrimoxazol
Listeria monocytogenes
Ampicillin
Cotrimoxazol
Bacteroides fragilis
Metronidazol
Chloramphenicol
Meningitis, Choriomeningitis, lymphozytäre 3
gleiterkrankung (z. B. Splenektomie, Endokarditis), pathogenes Agens (z. B. gramnegative Bakterien, Staphylokokken, Pneumokokken), Sepsissyndrom. Neurologische Residuen (Hörstörungen, neuropsychologische Störungen, epileptische Anfälle (auch nach 20 Jahren bei 2%), fokaleneurologische Defizite) in 10–30%. Vor Antibiotika-Ära lag die Letalität der eitrigen Meningitis bei 70–100%! Nach Entwicklung der Antibiotika Letalität der Pneumokokkenmeningitis bei 20–40%, der Haemophilusinfluenzae-Meningitis 5–15%, der Meningokokkenmeningitis bei 5–30%. Durch den Einsatz der Cephalosporine der dritten Generation konnte die Letalität der gramnegativen Meningitis von >50% auf 10–20% gesenkt werden.
Enzephalitis
3
3
Dauer der klinischen Symptomatik und der pathologischen Liquorveränderungen einer Meningitis für mindestens vier Wochen.
Einleitung Ätiologisch uneinheitliches, durch infektiöse und nichtinfektiöse Erkrankungen hervorgerufenes Krankheitsbild. Von einer chronischen Meningitis wird gesprochen, wenn die klinischen Symptome und Liquorveränderungen einer Meningitis für mindestens vier Wochen bestehen. Häufige Erreger sind Viren, Parasiten, Pilze, Treponemen, Mycobacterien, Borrelien und Toxoplasmen. 3
Dexamethasone in Adults with Bacterial Meningitis. J. de Gans, D. van de Beek. NEJM 347:1549– 1556, Nov 2002
Definition 3
Literatur
Meningitis, chronische
Meningitis, virale
Meningitis, Kryptokokkenmeningitis 3
Pilzinfektionen des ZNS
Meningitis, Pneumokokkenmeningitis Definition Meningitis, bakterielle durch Pneumokokken. 3
Nichtinfektiöse Ursachen einer chronischen Meningitis: * Meningeosis carcinomatosa * Meningeosis lymphomatosa/Leucaemica * Sarkoidose * Behçet-Erkrankung * Isolierte Angiitis der ZNS * Systemischer Lupus erythematodes * Multiple kardiale Embolien (z.B. septische Embolien) * Vogt-Koyasnagia-Harada-Syndrom * Epidermoidzyste * Kraniopharyngeom * Sjögren-Syndrom * Medikamenteneffekt (nichststeroidale Antiphlogistika, z. B. Ibuprofen)
747
Meningitis, tuberkulöse
Meningitis, frühluische
Definition Syphilis, Neurosyphilis
Basale Meningitis als häufigste Manifestation der Neurotuberkulose. 3
3
3
Meningitis, granulomatöse Meningitis, virale 3
3
Einleitung Eine sich überwiegend an den basalen Hirnhäuten manifestierende chronisch rezidivierende, lymphozytäre Meningitis bei Neurosarkoidose. Klinisch im Vordergrund Kopfschmerz, Meningismus sowie hypothalamisch-hypophysäre Störungen (Polyurie, Polydipsie, Wachstumsstörungen, addisonähnliche Krankheitsbilder und Störungen der Sexualfunktionen). Selten Papillenödem mit Optikusatrophie und anderen Hirnnervenausfällen. Pathoanatomisch Nachweis multilokulärer granulomatös-parenchymatöser Entzündungen am Boden des III. Ventrikels, dienzephal und hypophysär, Sarkoidose. 3
3
Diagnostik Sarkoidose
3
Therapie Sarkoidose
Definition Ätiologisch heterogenes meningeales Krankheitsbild durch virale Infektion des kranialen und spinalen Subarachnoidalraumes.
Einleitung Inzidenz einer Virus- Meningitis beträgt 10– 12/100.000/Jahr mit altersspezifischen (Kleinkinder>Erwachsene) und regionalen (Enteroviren und Arboviren in wärmen Gegenden häufiger) Unterschieden. Die wichtigsten Erreger sind Enteroviren: Erregersicherung in bis zu 45%. Je nach Erreger unterschiedliche Infektionswege: Fäkooral (Enteroviren), durch Vektoren (Arboviren), Tröpfcheninfektion (Mumps-, Herpesviren), Sexualkontakt (Herpesviren, HIV), Kontakt mit Nagetierextrakten (lymphozytäres choriomeningitisches Virus) und Blutkontakt (HIV). Häufig unscharfe Abgrenzung gegenüber einer Enzephalitis bzw. Meningoenzephalitis (hier eher fokale Funktionsstörungen als Ausdruck einer Hirnparenchymbeteiligung). Diagnostisch kann hier das EEG hilfreich sein! 3
Rezidivierende lymphozytäre Meningitis bei neurologischer Manifestation der Sarkoidose.
3
Definition
M
3
748
Meningitis, virale
Meningitis, virale. Tab. 1: Wichtige virale Meningitiserreger Virales Pathogen
Geschätzter Anteil an viralen Meningitiden
Bevorzugtes Alter
Enteroviren
60 – 80%
Säuglings- und Kleinkindalter
Arboviren
5 – 10%
Eher im jüngeren Lebensalter als Meningitis, im höheren Lebensalter Enzephalitis
Mumpsviren
10 – 20%
Kindergarten- und Schulalter
Lymphozytäres choriomengitisches Virus
Sehr selten
(Laborarbeiter)
Herpesviren
0,5 – 3%
–
(Herpes-simplex-Virus Typ 2 Varicella-zoster-Virus Zytomegalievirus Epstein-Barr-Virus Humanes Herpesvirus 6 Humanes Herpesvirus 7) Humanes Immundefizienz-Virus
<1%
Diagnostik
empirisch
Klinische Leitsymptome einer Meningitis. Liquorbefund: Klares Aussehen mit lymphozytärer Pleozytose bis max. 1000/3 Zellen/mm3, mäßige Eiweißerhöhung, normaler Zucker- und Laktatgehalt. Zerebrale Bildgebung und elektrophysiologische Zusatzuntersuchungen nicht richtungsweisend. Fahnden nach weiteren nicht-neurologischen Krankheitszeichen, z. B. Parotisschwellung bei Mumpsinfektion, genitale Effloreszenz bei HSV-2-Infektion, entsprechende Effloreszenzen bei Masern, Enteroviren (Diarrhöen)oder Varizellen. Cave: Ein Fehlen dieser Symptome darf nicht als Ausschlusskriterium gewertet werden! 3
Therapie Aufgrund des oft günstigen Verlaufs ist meist eine symptomatische Therapie mit Antipyretika, Analgetika und kurzfristiger Bettruhe ausreichend. Bei immundefizienten Patienten oder gesicherter Virusätiologie (Herpes zoster, Zytomegalie, HIV) werden Virustatika eingesetzt. gesichert Keine gesicherten Studien.
1. Symptomatisch: * Paracetamol-ratiopharm® (Paracetamol 500 mg Tbl., 500 mg Brausetabletten, 125–1000 mg Suppositorien): – Säuglinge bis 1/2 Jahr Einzeldosis 125 mg Supp. bis max 3 Supp./die. Säuglinge >1/2 Jahr max. 4 Supp./die. – Kleinkinder 1–3 Jahre Einzeldosis 250 mg Supp. bis max. 3 Supp./die. Kinder 4–6 Jahre max. 4 Supp./die. – Kinder 6–9 Jahre 1 Tbl./die. – Kinder 9–12 Jahre 1–4 Tbl./die. – Kinder >12 Jahre und Erwachsene Einzeldosis 1–2 Tbl. bis max. 8 Tbl./die. * Novalgin® (Metamizol 500 mg Tbl., Injektionslösung, Tropfen, Zäpfchen (1 g/ 0,3 g): – Sgl. sollten Novalgin® in den ersten 3 Mon. nicht erhalten! Falls erforderlich nicht >3×1 Tr./die. – Sgl. ab 3 Mon. und Kleinkdr. bis 3 Jahre 1–4 mal/die 2–10 Tr. (parenteral i. m., i. v. 1–4 mal/die 0,1– 0,5 ml). – Kinder 4–14 Jahre 1–4 mal 5–25 Tr./ die oder 1 Kdr.-Supp., parenteral 1–4 mal 0,3–1,8 ml/die.
Meningokokken
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Meningitis, virale. Tab. 2: Differenzialdiagnosen der akuten viralen Meningitis Bezeichnung
Diagnostik
Nichtinfektiöse Ätiologien Infektiöse Ätiologien * Meningale Reizung bei systemischem Virusinfekt * Intrakranielle Tumoren und Zysten * Frühstadium einer bakteriellen Meningitis * Kraniopharyngeom * Anbehandelte bakterielle Meningitis * Dermoid-/Epidermoidzysten * Atypische bakterielle Meningitis (Salmonellen, * Teratom Nokardien, Mykobakterien) * Medikamente * Spirochäten – Nichsteroidale Antirheumatika/Antiphlo* Rickettsien gistika * Parasiten – Azathioprin – Neuzystierkose – Cytosine, Arabinoside – Angiostrongylus – Phenazopyridine – Strongyloides-stercoralis-Hyperinfektionssyn– Immunglobuline (hohe Dosen) drom * Systemische Erkrankungen – Gnathostoma spinigerum – Systemischer Lupus erythematodes – Toxocara canis – Sjörgren-Syndrom – Toxoplasma gondii – Behçet-Syndrom – Freilebende Amöben – Vogt-Koyanagia-Harada-Syndrom * Parameningeale septische Infektionsherde * Interventionsbezogene Ursachen * Para- /postinfektiöse Syndrome – Nach neurochirurgischer Intervention – Spinalanästhesie – Intrathekale Injektion (v.a. Kontrastmittel, Antiobiotika, Isotopen) – Chymapapain * Andere – Anfälle – Migräne mit Pleozytose – Mollaret-Meningitis
Meningoenzephalitis, Amöbenmeningoenzephalitis 3
– Erwachsene 1–4 mal 1–2 Tbl./die oder 20–40 Tr. oder 1–4 mal 1 Erw.-Supp., parenteral 2×5 ml/die. 2. Antivirale Therapie, nur bei immundefizienten Patienten mit vermuteter oder gesicherter spezifischer Virusätiologie: * Bei HSV-1, HSV-2, VZV, EBV: Aciclovir. * Bei Zytomegalievirus: Ganciclovir 250 mg Kps. (Cymeven®): 3×4 Kps./die. * Bei HIV: Zidovudine AZT 100/250 Kps. (Retrovir®): oral: 2×250 mg/die.
Amöbiasis
3
3
Meist benigner Verlauf über 10–14 Tage in 90%. Etwa 10% protrahiert, auch hier sind Residualsymptome oder gar Todesfälle sehr ungewöhnlich.
Meningitis, bakterielle, Meningitis
3
Prognose
Meningokokken Chemoprophylaxe,
M
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Meningokokken-Polysaccharid-Impfstoff
Meningokokken-PolysaccharidImpfstoff Gebräuchliche Fertigarzneimittel Mencevax® ACWY, Meningitec®, Meningokokken Impfstoff A+C Merieux®, NeisVacC™, Pedvax HIB® Liquid, Procomvax®.
geimpfter Kleinkinder vor, wie z. B. vorübergehende Rötung an der Impfstelle, bei Erwachsenen sind diese Lokalreaktionen in bis zu 25% der Fälle zu erwarten. Schmerzen und Schwellung an der Injektionsstelle sind aber selten und bedürfen keiner Therapie. Sehr selten treten auch Schwellungen der Lymphknoten im Einzugsgebiet der Injektionsstelle auf, die ebenfalls spontan abklingen.
Wirkungen Wirkstoff Gruppenspezifische Kapselpolysaccharide von Neisseria meningitidis Gruppe A, Neisseria meningitidis Gruppe C oder zusätzlich Neisseria meningitidis Gruppe Y und Neisseria meningitidis Gruppe W-135. Wirkprinzip Induktion der humoralen Immunität. Schutzrate >90%.
Elimination Eine Ausscheidung des Impferregers ist nicht möglich, da es sich um einen Totimpfstoff handelt.
Anwendungsgebiete Impfung bei Personen nach dem 17. Lebensmonat vor Reisen oder bei Aufenthalt in Epidemie- oder Endemiegebieten. Impfung mit dem Ziel möglichst hoher Durchimpfungsraten bei Epidemien oder epidemischem Auftreten in Gemeinschaftseinrichtungen, wenn die Erreger zur Gruppe A oder C, bzw. auch Y oder W-135 Meningokokken gehören.
Impfkomplikationen Anaphylaktische Reaktionen nach Meningokokken-Impfung wurden in einer Rate von etwa 1 auf mehrere 100.000 Impflinge beschrieben, die Seltenheit des Ereignisses lässt eine versehentliche intravasale Applikation vermuten. In einer großen Impfkampagne wurden vorübergehende periphere neurologische Symptome bei Kindern beobachtet, wie etwa 48 h nach der Impfung vorübergehende Schwäche im Versorgungsgebiet eines Nerven, Parästhesien und Dysästhesien, sowie Gangunsicherheit. Die Häufigkeit betrug etwa 1:1300 Impflinge. Bleibende Folgen sind bisher nicht bekannt.
Gegenanzeigen Personen mit akuten behandlungsbedürftigen Erkrankungen sollen nicht geimpft werden; eine mit Komplikationen verlaufende Impfung stellt bis zur Klärung der Ursache eine Kontraindikation gegen eine nochmalige Impfung mit dem gleichen Impfstoff dar.
Vorsichtsmaßnahmen
Dosierung und Art der Anwendung
Es sollte grundsätzlich die Möglichkeit zu einer Schockbehandlung gegeben sein, da eine versehentliche intravasale Gabe zum Schock führen kann.
Die Applikation erfolgt intramuskulär oder subkutan; Herstellerangaben beachten.
Wechselwirkungen
Unerwünschte Wirkungen Impfreaktion/Impfkrankheit Wie nach allen Impfungen kann es innerhalb der ersten zwei Tage zu Kopfschmerzen, leichtem Fieber, Abgeschlagenheit und Müdigkeit kommen. Fieber über 38,5°C tritt bei Impfungen von Kleinkindern – bei denen dies häufiger als bei Erwachsenen berichtet wird – bei höchstens 2% der Impflinge auf. Gelegentlich wird auch ein kurz anhaltendes Exanthem beobachtet. Lokalreaktionen kommen bei etwa 2,5%
Während einer immunsuppressiven Therapie kann der Impferfolg eingeschränkt sein. Zeitabstände zu anderen Impfungen/Immunisierungen nicht erforderlich.
Hinweis Bei Kindern unter einem halben Jahr erfolgt noch keine ausreichende Antikörperbildung gegen Polysaccharide der Kapselantigene der Meningokokken, weshalb eine Impfung in diesem Alter weitgehend erfolglos ist. Alle Impfungen und Immunglobulingaben müssen vom
Meralgia paraesthetica
Impfarzt mit Chargen-Nr. und Bezeichnung des Präparates (Handelsnamen) in den Internationalen Impfausweis eingetragen werden.
Meningomyelozele
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Schwangerschaft, Adipositas, Aszites oder eine Koxarthrose. Auslöser können zu enge Hosen oder Gürtel, Korsetts, Sicherheitsgurte, ein Thoraxgips, Kompressionsverbände nach transfemoraler Angiographie, längere Bauchlage oder ein lokales Hämatom sein. Die Meralgia paraesthetica kann außerdem im Rahmen einer Polyneuropathie bei Lepra auftreten. Diagnostisch hilfreich kann eine Nervenblockade mit Lokalanästhetika sein. 3
Spina bifida
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Therapie
Meningozele Spina bifida
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Menzel-Erkrankung Ataxie, autosomal-rezessive
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Meralgia paraesthetica Definition Kompressionssyndrom des Nervus cutaneus femoris lateralis unter dem Leistenband. Durch das Abknicken des Nerven aus horizontalem Verlauf unter dem Leistenband in fast rechtwinkligen Verlauf liegt ein anatomischer Engpass vor. Der Nerv ist hier besonders anfällig für eine Dehnung durch Streckung im Hüftgelenk. Es kommt durch Mikrotraumatisierung zu einer mechanischen Schädigung des Nerven.
Einleitung Die Meralgia paraesthetica ist das häufigste Kompressionssyndrom der unteren Extremität und tritt häufiger auch bilateral auf, Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion. Die Beschwerden können häufig durch längeres Stehen mit gestrecktem Hüftgelenk provoziert werden, lassen nach Hüftgelenksbeugung meist nach (vgl. Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion, Abb. 1). 3
3
Diagnostik Manifest werden kann die Meralgia paraesthetica nach längerem Liegen auf harter Unterlage mit Überstreckung des Hüftgelenkes oder nach einer Operation. Prädisponierend sind auch
Eine spezielle Therapie ist häufig nicht erforderlich, da die Beschwerden in vielen Fällen spontan rückläufig sind. Häufig genügt das Vermeiden von Streckhaltungen in der Hüfte. Auslöser müssen so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Bei stärkeren Beschwerden oder Beschwerdepersistenz kommt eine Infiltrationsserie mit Lokalanästhetika in Frage (z. B. Carbostesin 0,5%), die medial und kaudal der Spina iliaca anterior superior erfolgen muss und unter die Faszia lata reichen muss. Eine konservative Therapie ist in ca. 90% der Fälle erfolgreich. Nur in hartnäckigen Ausnahmefällen kann eine operative Neurolyse erforderlich werden, die an der Durchtrittsstelle des Nerven unter dem Leistenband erfolgen muss. Der Nerv muss hierbei genau identifiziert werden; das Dach des Kanals muss gespalten und durch Zurücknähen der Ecken breit offen gelassen werden [1].
Prognose Etwa ein Viertel aller Patienten wird im Verlauf von Monaten oder Jahren spontan wieder beschwerdefrei. Patienten mit deutlicher Besserung innerhalb der ersten 2 Jahre oder mit außergewöhnlichem Ereignis als Auslöser haben die besten Chancen auf vollständige Heilung. Bei langjährigen Beschwerden treten die Schmerzen meist ganz in den Hintergrund; oft persistieren lediglich weniger störende Hypästhesien. Sensible Störungen können auch nach der operativen Therapie zurückbleiben.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Druck auf die Leistenregion durch Tragen enger Kleidung sollte insbesondere bei adipösen Patienten vermieden werden.
Literatur 1. Kilburn P (1957) Meralgia paraesthetica. Lancet II: 952.
M
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Merkfähigkeit
rophie, milde proximale Paresen, Diabetes, Polyneuropathie, Lipomatose.
Merkfähigkeit Definition Vermögen, aktuelle Sachverhalte über kurze Zeiträume von einigen Minuten zu speichern.
Grundlagen Wegen affektiver Beeinflussbarkeit des Erinnerungsvermögens sollten neutrale Stichworte verwendet werden, die sich der Patient merken und zunächst nachsprechen soll (dadurch Ausschluss einer Auffassungsstörung). Nach wenigen Minuten soll der Patient im Verlauf des Gesprächs die Begriffe wiederholen, Gedächtnis.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Laktat im Serum, EEG, Muskelbiopsie (Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung), MRT des Schädels und genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatische Therapie, z. B. der Krampfanfälle (übliche Antikonvulsiva) einschließlich Rivotril, oder der Hörstörung (bis hin zum Kochlea-Implantat).
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Einleitung Mt-DNS-Mutation in Position 8344 oder 8356 in der überwiegenden Zahl der Fälle. In einem Fall wurden multiple DNS-Deletionen beschrieben. Die Erkrankung kann sich in jedem Alter manifestieren, bevorzugt aber zwischen Kindheit und jungem Erwachsenenalter. Die typische Mutation führt zu einer veränderten LystRNS, die vermindert an einen Komplex aus mRNS und Ribosomen bindet und so zu einer Störung der Proteinbiosynthese beiträgt. Die Myoklonien sind nicht selten sensorisch getriggert durch taktile, akustische oder visuelle Stimuli, teils auch durch Aktion. Krampfanfälle können verschiedenen Typen entsprechen (fokal, Sturzanfälle, photosensible Epilepsie). Extremitätenataxie, teils auch Rumpfataxie. Nicht alle Individuen mit der 8344-Mutation haben eine Epilepsie. Es wurde z. B. eine große Familie mit Ataxie, Myopathie, Hörminderung, Neuropathie, Diabetes und Lipomen beschrieben. Fakultative Symptome umfassen Innenohrschwerhörigkeit, Demenz, Optikusat-
Nachsorge Anbindung an ein Epilepsie- bzw. Muskelzentrum sinnvoll, um Studien zur Therapie der Erkrankung voranzubringen.
Prognose Individuell verschieden.
Mesuximid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Petinutin® 150/300 Kps.
Wirkungen 3
Maternal erbliche, mitochondriale Erkrankung, die klinisch durch Myoklonien, Krampfanfälle und Ataxie gekennzeichnet ist in Kombination mit dem Nachweis von Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung.
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Definition
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MERRF-Syndrom (MyoklonusEpilepsie mit Ragged-red-Fasern)
empirisch Es gibt nur wenige Therapiebeobachtungen bei MERRF-Patienten. Es lassen sich keine sicheren Schlüsse aus diesen Beobachtungen ziehen. Ein zeitlich begrenzter Versuch mit rekombinantem humanen Wachstumshormon hat zu einer vermehrten Proteinbiosynthese geführt, jedoch sonst keinen Effekt gehabt. In einer Studie mit Koenzym-Q10 bei 8 Patienten, davon 4 MERRF, 3 MELAS und 1 CPEO wurden geringe günstige klinische Effekte beobachtet und das erhöhte Laktat nach Belastung ging zurück.
Ethosuximid
Resorption Komplette Absorption aus dem GI-Trakt. Die maximale Plasmakonznmtration wird rasch erreicht. Mesuximid (MSX) ist kaum an Plasmaeiweiß gebunden und verteilt sich im Gesamtkörperwasser.
Metamizol
Elimination
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Petit-mal-Epilepsie, auch wirksam bei generalisierten klonisch-tonischen Krämpfen.
Wirkstoff. Bei therapeutischer Dosierung von Metamizol zeigen sich deutliche analgetische und antipyretische sowie schwache antiphlogistische und spasmolytische (glattmuskulär relaxierende) Effekte. Es gibt Hinweise darauf, dass Metamizol über eine schmerzrelevante neuronale Hemmwirkung in Rückenmark und ZNS verfügt. Über welchen Mechanismus die spasmolytische Wirkung von Metamizol vermittelt werden könnte, ist ungeklärt.
Dosierung und Art der Anwendung
Resorption
Erwachsenendosis: 300 bis 1.200 mg/Tag, bei Kindern Austitrieren der Dosis in 150 mgSchritten.
Die Muttersubstanz Metamizol ist im Plasma nicht nachweisbar; vielmehr treten mindestens sieben Metaboliten auf. Beim nüchternen Probanden werden nach peroraler Gabe von Metamizol (Filmtabletten) Spitzenkonzentrationen des aktiven Hauptmetaboliten 4-Methylaminophenazon nach 1–2 h erreicht. Die mittlere tmax nach Einnahme einer Mahlzeit liegt bei ca. 2 h. Die Plasmaproteinbindung wird für die beiden aktiven Metaboliten 4-Methylaminophenazon und 4-Aminophenazon mit 58% bzw. 48% angegeben.
Ausgiebiger Metabolismus, renale Ausscheidung <1%. Der Hauptmetabolit ist Nor-MSX. Die Halbwertszeit ist ca. 1 bis 2 h, die des Metaboliten 30 bis 40 h, was zu Kumulation führt.
Anwendungsgebiete
Unerwünschte Wirkungen Ethosuximid.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Überempfindlichkeit gegenüber Suxinimiden. Bei Monotherapie mit Suxinimiden Möglichkeit der Exazerbation von Grand-Mal-Anfällen, Dosisänderungen ein- bzw. ausschleichend vornehmen, bei abruptem Absetzen Krampfgefahr.
Elimination Wechselwirkungen Erhöhung der Plasmaspiegel von Phenytoin und Phenobarbital.
Metalues Syphilis, Neurosyphilis
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Metamizol Gebräuchliche Fertigarzneimittel Analgin® Tbl., Amp; Berlosin® Supp, Tbl., Inj. lösg.; Metalgin® Tbl., Supp, Inj.lösg.; Metamizol-PUREN® 500 mg Tbl.; Nopain® Tbl.; Novalgin® Filmtbl., Tropf., Supp, Inj.lösg.; Novaminsulfon Lichtenstein, - ratiopharm.
Wirkungen Metamizol ist ein Derivat des Phenazons bzw. Aminophenazons. Im Vergleich mit anderen Pyrazolderivaten (Phenazon, Propyphenazon, Aminophenazon) ist Metamizol der am häufigsten gebrauchte und am besten untersuchte
Metamizol zerfällt in wässriger Lösung (Konz. <20%) innerhalb von Minuten (t1/2 bei 37°C ca. 10 min) zu 4-Methylaminophenazon. Dieser Wirkstoff wird entweder zu 4-Aminophenazon demethyliert (<20%, t1/2 ca. 2 h) oder oxidativ zu 4-Formylaminophenazon metabolisiert 4Aminophenazon wird zu 4-Acetylaminophenazon acetyliert. Die Eliminations-Halbwertszeit der beiden aktiven Metaboliten ist dosisabhängig. Sie beträgt beim gesunden Menschen für 4Methylaminophenazon etwa 2,5 h (750 mg Metamizol) bis 3,5 h (3.000 mg Metamizol), die entsprechenden Werte für 4-Aminophenazon betragen etwa 4 h–5,5 h. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist die Elimination von 4-Methylaminophenazon sehr verlangsamt. Nach einer Einzeldosis wird Metamizol in Form seiner Metaboliten innerhalb von 48 h zu ca. 90% renal ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Metamizol ist indiziert bei akuten starken Schmerzen (z. B. posttraumatisch oder postoperativ), aber auch bei chronischen starken Schmerzzuständen, falls andere Arzneistoffe kontraindiziert sind (z. B. NSAID bei Magenund Darmulzera, Blutgerinnungsstörungen oder
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Metastase
Asthma bronchiale). Insbesondere spastische Schmerzen, z. B. bei Gallen- und Harnwegskoliken oder Darmkrämpfen, können erfolgreich mit Metamizol behandelt werden. Auch zur Bekämpfung von Tumorschmerzen ist Metamizol geeignet. Ebenso können schwere Fieberzustände mit Metamizol therapiert werden, soweit andere Maßnahmen versagen.
Dosierung und Art der Anwendung Metamizolpräparate für verschiedene Applikationswege (p. o., i. v., rektal) stehen zur Verfügung. Die p. o. Einzeldosis beträgt 500– 1.000 mg (max. Tagesgesamtdosis 4.000 mg). Säuglinge ab 3 Lebensmonaten und Kinder können mit Metamizol behandelt werden; die Dosierungen müssen in Abhängigkeit von Altersklasse und KG erfolgen. Bei starken akuten Schmerzen (z. B. bei Koliken) kann bis zu 2mal täglich eine i. v. Gabe von 2.500 mg angezeigt sein. Die Injektion muss langsam erfolgen, die Voraussetzungen zur Behandlung eines möglicherweise auftretenden Schocks müssen gegeben sein. Wegen der seltenen Risiken des Schocks und der Agranulocytose wird die Indikationsstellung für Metamizol heute streng beurteilt.
Gabe von Metamizol bei akuter hepatischer Porphyrie und genetisch bedingtem Mangel an Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase wird vermutet, ist aber nicht gesichert. Eine Anwendung von Metamizol im ersten Schwangerschaftstrimenon wird nur bei zwingender Notwendigkeit empfohlen. Ein Risiko bei Gabe während der letzten 6 Schwangerschaftswochen wird angenommen, da die Möglichkeit eines Verschlusses des Ductus arteriosus Botalli zumindest theoretisch nicht auszuschließen ist.
Wechselwirkungen Von Metamizol und seinen Metaboliten sind keine gefährlichen Arzneimittelinteraktionen bekannt. Bei gleichzeitiger Gabe von Ciclosporin kann der Ciclosporinspiegel gesenkt werden. Als Symptom einer Intoxikation sind Blutdruckabfall und zentralnervöse Störungen zu erwarten.
Metastase 3
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Hirnmetastase
Unerwünschte Wirkungen Quantitativ stehen passagere allergische Hautreaktionen im Vordergrund. Einzelfälle vom Lyell-Syndrom im Zusammenhang mit der Einnahme von Metamizol und anderen Pyrazolen sind beschrieben worden. Der kausale Zusammenhang ist allerdings nicht belegt. Ohne Zweifel gibt es Schockreaktionen und Fälle von Agranulocytose nach Applikation aller Analgetika, also auch nach Gabe von Metamizol. Schockreaktionen treten ganz überwiegend nach parenteraler Applikation auf. Die Inzidenz von Agranulocytose wird auf etwa 1 pro 1 Mio. Behandlungsperioden von 1–4 Tagen geschätzt. Bei zu rascher i. v. Injektion kann es dosisabhängig zu einem kritischen Blutdruckabfall ohne Anzeichen einer ÜberempfindlichkeitsReaktion kommen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei anamnestisch bekannten Überempfindlichkeits-Reaktionen auf Pyrazolderivate, NSAID oder Acetylsalicylsäure muss mit einem erhöhten Risiko auch für den Gebrauch von Metamizol gerechnet werden. Eine Gefährdung bei
Methotrexat Gebräuchliche Fertigarzneimittel Farmitrexat® 5/-20/-50/-500/-1000/-5000; Lantarel® 2,5/-7,5/-10, Lantarel® Lösung 7,5/-10/15/-20, Lantarel® FS 10 mg/-15 mg/-20 mg/25 mg; Metex® 7,5 mg/-10 mg, Metex® Injektionslösung 7,5 mg/ml; Methotrexat 2,5/-10 mg Tabletten medac, Methotrexat 5/-7,5 mg/ml/15/-50 Injektionslösung medac, Methotrexat 250/-500/-1000/-5000 Infusionslösung medac; Methotrexat-biosyn 2,5 mg, Methotrexat-biosyn liquid 25 mg/-50 mg/-500 mg, Methotrexat-GRY® 5/-50/-500/-1000; Methotrexat HC 1000/-5000 Lösung medac; Methotrexat „Lederle“ Lösung 5/-25/-50, Methotrexat „Lederle“ Lösung 500/-1000/-5000/-10%; Methotrexat „Lederle“ Tabletten 2,5 mg/-10 mg; MTX 2,5/-10 Hexal®, MTX 5/-10/-25/-50 Hexal® injekt, MTX 500/-1000/-5000 Hexal® PI; O-trexat® Infusionslösung.
Wirkungen Methotrexat (MTX) wirkt als Folsäureantago-
Methotrexat
nist. Es entfaltet seine zytostatische Wirkung über eine Hemmung der Dihydrofolatreduktase. Dabei kommt es zu einer Akkumulation von Dihydrofolat und zu einer Verarmung der proliferierenden Zellen an reduzierten Folaten, wie Formyltetrahydrofolat und Methylentetrahydrofolat. Zusätzlich führt die Vermehrung von Dihydrofolat und die Bildung von PolyglutamatDerivaten des MTX zur Hemmung der Thymidylat- und Purinsynthese.
Wirkungsverlauf Bei peroraler Gabe kleiner Dosen (<12 mg/m2) wird MTX fast vollständig resorbiert. Bei höheren Dosen wird die Resorption inkomplett. Während der Passage durch die Leber kommt es zur Bildung von Polyglutamat und zur Speicherung. Im Darm kann MTX durch die Darmflora in einen inaktiven Metaboliten abgebaut werden. MTX wird deshalb meist i. v. verabreicht. Die Substanz verteilt sich im gesamten Körperwasser. Im Serum findet zum Teil eine Bindung an Serumalbumin statt. Nach i. v.-Injektion von 25–100 mg/m2 MTX werden Blutkonzentrationen von 1–10 μM erreicht. Hochdosisinfusionen erreichen Plasmakonzentrationen von 0,1–1 mM. Die initiale Halbwertzeit liegt bei 2–3 h, die terminale Halbwertzeit bei 8–10 h. Bei Störung der Nierenfunktion kommt es zur Verlängerung beider Halbwertzeiten.
Elimination Die Elimination erfolgt zum größten Teil durch die Niere innerhalb von etwa 12 h. Dabei wird die intakte Substanz ausgeschieden. MTX wird zum Teil in der Leber in Polyglutamat verändert und für mehrere Monate gespeichert. Ein Teil wird über die Galle ausgeschieden. MTX wird in der Leber außerdem teilweise zu 7Hydroxymethotrexat hydroxyliert.
Anwendungsgebiete MTX wird zusammen mit anderen Zytostatika zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms, bei HNO-Karzinomen und Non-Hodgkin-Lymphomen gegeben. Daneben Einsatz bei Autoimmunerkrankungen. Intrathekal wird MTX zur Prophylaxe und Therapie der Meningeosis leucaemica oder carcinomatosa eingesetzt. Dabei werden jeweils 15 mg intrathekal gegeben. Bei chronisch-progredienter MS werden 7,5 mg
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p. o. einmal wöchentlich gegeben, gegebenenfalls auch in Kombination mit Interferon beta.
Unerwünschte Wirkungen MTX entfaltet je nach Dosierungsschema unterschiedliche Toxizitäten. Bei i. v.-Injektion von 50–100 mg/m2 alle 2–3 Wochen steht die Myelotoxizität im Vordergrund. Bei peroraler Gabe von MTX ist die Myelotoxizität gering. Ebenfalls selten wurde eine Pneumonitis mit Fieber, Husten und interstitiellen Lungeninfiltraten bei i. v.-Applikation beschrieben. Außerdem kommt es bei i. v.-Gabe häufig zu gastrointestinaler Mukositis. Bei peroraler Gabe ist die gastrointestinale Toxizität gering. Seltener wird bei i. v.-Gabe ein vorübergehender Anstieg der Serumtransaminasen und Nephrotoxizität mit Anstieg des Serumkreatinins registriert. Bei täglicher Verordnung besteht eine erhebliche Gefahr, dass Lebertoxizität auftritt. Bis zu 25% der Patienten können eine Leberzirrhose entwickeln. Wird MTX nur einmal pro Woche p. o. gegeben, so kommt es ebenfalls häufig zu Lebertoxizität mit Anstieg der Serumtransaminasen. Eine Leberzirrhose entwickelt sich jedoch nur selten. Auch Nephrotoxizität wird bei i. v.-Gabe kaum beobachtet. Bei intrathekaler Gabe von MTX kann es zu akuter oder chronischer Neurotoxizität kommen. Meist handelt es sich um eine passagere akute Arachnoiditis mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber und entzündlicher Pleozytose des Liquors. Zu subakuter Toxizität kann es 2–3 Wochen nach Beginn der intrathekalen Injektion kommen. Meist handelt es sich um erwachsene Personen mit Meningiosis leucaemica. Lähmungen, Hirnnervenausfälle, Krämpfe und Koma können auftreten. Bei Kindern kann sich Monate bis Jahre nach intrathekaler MTX-Gabe eine chronisch demyelisierende Enzephalopathie entwickeln mit Demenz und Spastik. Im CT findet man Ventrikelvergrößerungen und intrazerebrale Verkalkungen. Meist haben diese Kinder gleichzeitig eine Schädelbestrahlung erhalten.
Wechselwirkungen Wird Asparaginase im Rahmen einer Polychemotherapie nach MTX gegeben, so wird die zytostatische Wirkung von MTX aufgehoben. Nichtsteroidale Analgetika können die renale
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Methylmalonurie
Elimination von MTX herabsetzen und dadurch die Toxizität erhöhen.
Methylmalonurie Synonyme Methylmalonazidurie
Definition Seltene erbliche Stoffwechselstörung durch Defekt der 1-Methylmalonyl-CoA-Carbonyl-Mutase mit Anhäufung von Methylmalonsäure in Blut und Urin.
Einleitung Aminosäuren, Stoffwechselstörungen
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Methylphenidat Gebräuchliche Fertigarzneimittel ®
Ritalin Tabletten (Btm-Pflicht).
Anwendungsgebiete Sympathomimetikum. Hyperkinetische Verhaltensstörungen bei Kindern, Narkolepsie im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie.
Dosierung und Art der Anwendung Erwachsene 2–3mal täglich 1 Tablette (Tageshöchstdosis 60 mg). Einnahme vor den Mahlzeiten, bei Einschlafstörungen letzte Dosis vor 16.00 Uhr. Kinder initial 1–2mal 0,5 Tabletten; wöchentlich Steigerung um 5–10 mg der Tagesdosis (Tageshöchstdosis 60 mg).
Unerwünschte Wirkungen Erhöhung der Krampfbereitschaft, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsmangel; Angst, Verfolgungsideen, Geräuschempfindlichkeit. Psychomotorische Erregungszustände (Unruhe, Übererregbarkeit, Aggressivität), Herzklopfen, Herzjagen, ventrikuläre Rhythmusstörungen, pektanginöse Beschwerden (Erwachsene häufig). Hypertonie. Thrombozytopenie. Unangenehmer Geschmack, Stomatitis, Mundtrockenheit, Appetitlosigkeit, Diarrhöe und Obstipation. Schwit-
zen, Urtikaria, Arthralgien (Kinder), Konjunktivitis. Impotenz, Libidostörungen. In Einzelfällen: Zerebrale Vaskulitis, intrazerebrale Blutung. Cave: psychische Abhängigkeit, Beeinflussung des Reaktionsvermögens! Entzugssyndrom (Überwachung beim Absetzen).
Gegenanzeigen Hypertonie, Hyperthyreose, Engwinkelglaukom, Magersucht, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises, Zustand nach Schlaganfall, Tachykardie, Arrhythmien, arterielle Verschlusskrankheit, agitierte Psychose, Angsterkrankung, Drogen-, Arzneimittel- oder Alkoholabusus, motorisch-verbale Tics (familiär), Kinder unter 6 Jahren.
Methylprednisolon Gebräuchliche Fertigarzneimittel Medrate® 2/4/16/100 Tbl., - Solubile 40; Metypred; Metysolon; Urbason® 4/8/16/40 Tbl., solubile 16/32, - forte 250/1000 mg.
Wirkungen Durch die Einführung der zusätzlichen Methylgruppe in das Prednisolonmolekül wird die Bindung an den intrazellulären Glucocorticoidrezeptor verstärkt. In seinem WKM unterscheidet sich Methylprednisolon nicht von anderen Glucocorticoiden, z. B. Prednisolon. Zur Therapie wird Methylprednisolon vor allem wegen seiner antiinflammatorischen, antiallergischen und immunsuppressiven Wirkung eingesetzt.
Resorption Aus dem Magen-Darm-Trakt wird Methylprednisolon nahezu vollständig resorbiert.
Wirkungsverlauf Zur i. v. Injektion verwendetes Methylprednisolonhemisuccinat wird nach hoher Dosis (1.200 mg) in etwa 20 min, nach niedriger Dosis (100 mg) in etwa 15 min zu 50% in das biologisch aktive Methylprednisolon gespalten. Die biologische Halbwertszeit liegt bei 12–36 h und entspricht der des Prednisolons.
Methysergid
Elimination Methylprednisolonhemisuccinat wird in der Leber zu Methylprednisolon hydrolysiert, etwa 10% werden unverändert im Urin ausgeschieden. Methylprednisolon wird innerhalb von 24 h nahezu vollständig aus dem Serum eliminiert. Die Halbwertszeit liegt bei 2,5–3 h. Nach intraartikulärer Applikation beträgt die terminale Halbwertszeit 2 Tage.
Anwendungsgebiete Methylprednisolon wird zur kurzzeitigen, intermittierenden i. v. Stoßtherapie in hoher Dosis (1 g täglich über 3–5 Tage) bei akuten Schüben der MS eingesetzt, ggf. mit nachfolgendem oralen Ausschleichen. Intraartikulär kann Methylprednisolonacetat bei verschiedenen, nicht infektiös bedingten Gelenkerkrankungen angewendet werden. In Tablettenform kann Methylprednisolon bei Erkrankungen eingesetzt werden, die eine systemische Corticoidbehandlung erfordern, z. B. Arteriitis temporalis.
Dosierung und Art der Anwendung Methylprednisolon wird in Tablettenform und als Methylprednisolonhydrogensuccinat zur i. v. oder i. m. Injektion angeboten. Als Kristallsuspension steht Methylprednisolonacetat zur Verfügung. Bei der Dosis werden 4 mg Methylprednisolon 5 mg Prednisolon gleichgesetzt. Die sog. Cushingschwellendosis liegt für Frauen bei 4–5 mg, für Männer bei 5–7 mg, für Jugendliche, Kinder und Frauen nach der Menopause deutlich niedriger.
Unerwünschte Wirkungen Prednisolon
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Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Prednisolon. Da Methylprednisolon jedoch so gut wie keine mineralocorticoide Wirkung mehr hat, bleiben die Serumelektrolyte auch bei hochdosierter Therapie im Normbereich. Während der Langzeittherapie ist jedoch auf ausreichende Kaliumzufuhr und Natriumrestriktion zu achten, da Methylprednisolon wie alle Glucocorticoide einen diuretischen Effekt zeigt.
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Methysergid Gebräuchliche Fertigarzneimittel Deseril® retard Tbl.
Wirkungen Methysergid wurde 1961 als Serotoninantagonist, insbesondere zur Therapie der Migräne und des Karzinoids, eingeführt. Methysergid hat keine halluzinogenen Eigenschaften. Es hemmt die über S2-Rezeptoren vermittelten konstriktorischen Serotonineffekte an der glatten Muskulatur. Nach neueren Untersuchungen hat Methysergid auch eine hohe Affinität zu S1-Rezeptoren im ZNS und an cerebralen wie auch peripheren Gefäßen. Methysergid verhält sich insbesondere gegenüber den S1-Rezeptoren als partieller Agonist, d. h. es kann sowohl agonistische (vasokonstriktorische) Effekte hervorrufen als auch eine antagonistische Wirkung gegenüber Serotonin entfalten. Für die Intervallbehandlung der Migräne ist von Bedeutung, dass Methysergid im Mittelhirn in den Raphekernen als Agonist an Serotoninrezeptoren wirkt, wodurch eine Hemmung der serotoninergen Neurotransmission erreicht wird.
Resorption Methysergid wird beim Menschen gut resorbiert, die systemische Bioverfügbarkeit beträgt nur 13%, was auf einen hohen First-pass-Metabolismus schließen lässt. Methysergid durchdringt die Blut-Hirn-Schranke. Nach p. o. Gabe werden innerhalb der ersten Stunde maximale Plasmakonzentrationen von 1,4 ng/ml Methysergid ermittelt. Nach i. v. oder p. o. Gabe von Methysergid liegt die Plasma-Halbwertszeit bei 45–60 min.
Elimination Methysergid wird in der Leber sehr schnell demethyliert, so dass als wichtigster Metabolit Methylergometrin nachgewiesen wurde. Etwa 3 h nach p. o. Gabe von 2 mg Methysergid betrug die maximale Plasmakonzentration für den Metaboliten 4,2 ng/ml. Die Plasma-Halbwertszeit des Metaboliten betrug 175–225 min und war somit signifikant länger als die der Ausgangssubstanz. Der Hauptanteil des Methysergids und seines Metaboliten wird über die Niere ausgeschieden.
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Metoclopramid
Dosierung und Art der Anwendung Methysergid wird zur Intervallbehandlung der Migräne bei therapieresistenten Formen und beim Cluster-Kopfschmerz in einer Dosierung von 2–6 mg/d p. o. verabfolgt. Dabei wird die Therapie mit niedrigeren Dosierungen einschleichend über 6 Tage begonnen. Aufgrund der unerwünschte Wirkungen von Methysergid sollte die Therapie nach 3 Monaten für mindestens 3–4 Wochen unterbrochen werden.
wirkt antiemetisch. Die antiemetische Wirkung von Metoclopramid beruht auf der Blockade von Dopaminrezeptoren in der Area postrema, die motilitätssteigernde Wirkung wird durch die Freisetzung von Acetylcholin aus dem intramuralen Darmnervensystem vermittelt. Weiterhin stimuliert Metoclopramid die Prolaktin- und Aldosteronfreisetzung.
Resorption
Unerwünschte Wirkungen treten etwa bei einem Drittel aller Patienten auf, bei 10% erfordern sie einen Therapieabbruch. Schwindelgefühl, Unruhe, Schlaflosigkeit sowie Übelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Störungen sind häufig. Gelenk- und Muskelschmerzen, Wadenkrämpfe kommen vor. Bei einer Therapie, die über 3 Monate hinausgeht, sind retroperitoneale Fibrosen, aber auch pleuropulmonale und endokardiale Fibrosen nachgewiesen worden.
Nach p. o. Gabe wird Metoclopramid rasch resorbiert, maximale Plasmakonzentrationen werden nach 1 h erreicht. Die maximalen Plasmakonzentrationen schwanken nach p. o. Gabe erheblich (10 mg: 14–140 μg/L; 20 mg: 40– 138 μg/L), was auf interindividuelle Schwankungen im First-Pass-Metabolismus zurückgeführt wird. Für die Bioverfügbarkeit wurden Werte zwischen 32 und 97% ermittelt. Die Plasmaeiweißbindung ist gering. Metoclopramid passiert die Blut-Hirn-Schranke und geht in die Muttermilch über.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Elimination
Unerwünschte Wirkungen
Obliterierende Gefäßveränderungen, Angina pectoris, Thrombophlebitis, schwere Hypertonie, Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Bei Kindern und Schwangeren sollte Methysergid nicht angewendet werden.
Wechselwirkungen Bei Diabetikern kann Methysergid die Insulinsekretion durch Tolbutamid verstärken. Schwere periphere Durchblutungsstörungen wurden unter der Behandlung mit Methysergid bei gleichzeitiger Gabe von Propranolol beschrieben.
Metoclopramid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Gastrosil® Tbl., Tropfen, Supp, Amp; MCPct®, acis®, AL®, beta®, Hexal®, ISIS®, ratiopharm®, STADA®.
Wirkungen Metoclopramid erhöht den Ruhetonus des unteren Oesophagussphinkters, stimuliert die Oesophagusperistaltik, beschleunigt die Magenentleerung, steigert die Dünndarmmotilität und
Metoclopramid wird überwiegend (80%) renal als unverändertes (maximal 25% der Dosis), metabolisiertes oder konjugiertes Metoclopramid ausgeschieden. Der Hauptmetabolit ist das Metoclopramid-N-4-sulfat. Die Halbwertszeit beträgt 2,6–4,6 h. Sie ist bei eingeschränkter Nierenfunktion deutlich verlängert.
Anwendungsgebiete Metoclopramid wird zur symptomatischen Therapie von Übelkeit und Erbrechen verschiedenster Genese und bei Motilitätsstörungen im oberen Magen-Darm-Trakt (Refluxoesophagitis, diabetische und idiopathische Gastroparese, postoperative Magenatonie) eingesetzt. In der Neurologie Einsatz in Kombination mit ASS zur Akuttherapie der Migräne.
Dosierung und Art der Anwendung Die Tagesdosis beim Erwachsenen beträgt 3×10 mg bei p. o. und 3×20 mg bei rektaler Anwendung. Beim akuten Migräneanfall kann Metoclopramid (10–20 mg) i. v. gegeben werden oder beim Erwachsenen in einer Dosis von 1–3 mg/kg KG als Kurzinfusion. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion soll die Dosis um 50% reduziert werden. Bei Kindern unter 14 Jahren soll die Einzeldosis 0,1 mg/kg
Mezlocillin
KG und die Tagesdosis 0,5 mg/kg KG nicht überschreiten.
Unerwünschte Wirkungen Unter Metoclopramidtherapie kann es zu zentralnervösen Störungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Ruhelosigkeit kommen. Dyskinesien (Dystonie der Kopf-, Hals- und Schulterregion mit Nackensteifigkeit, Kieferklemme und Schiefhals) können auftreten. Bei älteren Patienten kann es nach Langzeittherapie zu Spätdyskinesien und parkinsonähnlichen Erscheinungen kommen. Bei i. v. Gabe kann es zu Blutdruckabfall kommen. Bei Patienten mit Phäochromozytom kann dagegen eine hypertensive Krise ausgelöst werden. In seltenen Fällen bei Langzeittherapie durch Prolaktinerhöhung Galactorrhoe und Gynäkomastie.
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xysmale Dyskinesien der Kopf-, Hals- und Schulterregion, Blickkrämpfe, Schiefhals). Bei Vorliegen eines Vergiftungsfalls sind resorptionsmindernde Maßnahmen (Magenspülung) angezeigt. Dyskinesien können durch i. v. Gabe von Biperidin behoben werden.
Mezlocillin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Baypen 0,5/1/2/3/4 g Trockensubstanz, Mezlocillin 2/4 g Curasan, Optocillin 0,45/1,5/3/6 g.
Wirkungen
Atropin und andere Anticholinergika können die motilitätssteigernde Wirkung von Metoclopramid aufheben. Durch die beschleunigte Magenentleerung wird die Resorption von Acetylsalicylsäure, Diazepam, Levodopa und Paracetamol gesteigert. Dagegen wird die Resorption von Digoxin vermindert. Bei der gleichzeitigen Gabe von Phenothiazinen, Butyrophenonen, trizyklischen Antidepressiva und MAOHemmern ist die Gefahr extrapyramidaler Störungen erhöht.
Mezlocillin ist ein bakterizid wirkendes Antibiotikum aus der Gruppe der Acylureidopenicilline für die parenterale Anwendung. Mezlocillin hemmt wie die anderen Penicilline die Biosynthese der Bakterienzellwand. Sein Wirkspektrum ist sehr breit und umfasst grampositive und gramnegative Keime sowie Anaerobier. Insbesondere werden Escherichia coli, Klebsiella-, Enterobacter-, Serratia-Spezies, indolnegative und indolpositive Proteusarten, Providencia, Salmonellen, Listerien, Shigellen, Pseudomonas aeruginosa, Haemophilus influenza, Gonokokken, Meningokokken, Pneumokokken, Enterokokken sowie nicht Penicillinase-bildende Staphylokokken erfasst. Klinisch wichtige gramnegative Anaerobier wie Bacteroides-Spezies und grampositive Anaerobier wie Peptokokken, Peptostreptokokken, anaerobe Corynebakterien und Clostridien liegen im Wirkungsbereich des Mezlocillins. Insbesondere bei Bacteroides, Escherichia coli, Enterobacter, Haemophilus influenzae, Klebsiella, Proteus und Serratia müssen im Einzelfall die Resistenzverhältnisse beachtet werden. Mezlocillin ist nicht laktamasefest und wirkt daher nicht gegen laktamasebildende Keime (z. B. bei Staphylokokken, Gonokokken, Haemophilus influenzae, Escherichia coli). Im Einzelfall kann Mezlocillin mit einem Laktamasehemmstoff (Sulbactam) kombiniert verabreicht werden. Legionellen, Chlamydien und Mykoplasmen sind resistent gegen Mezlocillin.
Toxikologie
Verteilung
Akute Toxizität: Mensch. Symptome einer Metoclopramidüberdosierung sind: Benommenheit, Durchfälle, dyskinetisches Syndrom (paro-
Mezlocillin ist gut gewebegängig und in vielen Organen (z. B. in Knochengewebe) und Körperflüssigkeiten (z. B. Galle, Pleuraflüssigkeit,
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Metoclopramid ist kontraindiziert bei Phäochromozytom, Epilepsie, Morbus Parkinson, Darmverschluss, Perforationen und Blutungen im Gastrointestinaltrakt und prolaktinabhängigen Tumoren (Mammakarzinom). Während des ersten Trimenons der Schwangerschaft und während der Stillzeit sollte Metoclopramid nicht angewendet werden. Bei Kindern unter 14 Jahren sollte Metoclopramid nur bei strengster Indkationsstellung verabreicht werden. Wegen der möglichen Verstärkung extrapyramidaler Wirkungen ist die Kombination mit Phenothiazinen, Butyrophenonen, trizyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern zu vermeiden.
Wechselwirkungen
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Mezlocillin
Peritonealflüssigkeit) werden therapeutisch wirksame Konzentrationen erreicht. Bei nicht entzündeten Meningen penetriert Mezlocillin nur in geringem Umfang in den Liquorraum. Nach i. v. Infusion von 5 g (über 30 min) wurden Liquorkonz.entrationen im Bereich 1– 14 mg/L gemessen. Wie in klinischen Studien gezeigt wurde, ist Mezlocillin – trotz der niedrigen Liquorkonzentrationen – geeignet zur Behandlung von Meningitiden, die durch Meningokokken oder Pneumokokken verursacht sind. Im therapeutischen Konzentrationsbereich liegt die Serumproteinbindung bei 30–40%. Mezlocillin wird nach oraler Gabe nicht resorbiert und ist daher nur parenteral anwendbar. Die höchsten Serumkonzentrationen nach i. m. Injektion werden nach 45–90 min erreicht und betragen etwa ein Sechstel bis ein Drittel der nach i. v. Applikation der gleichen Dosis erzielten Serumkonzentration. Die Bioverfügbarkeit beträgt nach i. m. Applikation etwa 60–70%.
Elimination Mezlocillin wird in beträchtlichem Umfang durch extrarenale Mechanismen eliminiert. Der Anteil an Mezlocillin, der metabolisiert wird, ist deutlich dosisabhängig und außerdem starken interindividuellen Schwankungen unterworfen. Mezlocillin wird sowohl renal als auch hepatisch eliminiert.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung von akuten und chronischen bakteriellen Infektionen verschiedenster Lokalisation und Intensität, wie z. B. Infektionen der tiefen Atemwege, des Magen-Darm-Trakts, der Gallenwege, der Nieren und der ableitenden Harnwege, der Geschlechtsorgane (einschl. Gonorrhoe), in Gynäkologie und Geburtshilfe, der Knochen und/oder der Weichteile, infizierte Verbrennungen und Verletzungen, Infektionen oder drohende Infektionsgefahr bei Patienten mit reduzierter Abwehrlage, Septikämien, Endocarditis, Meningitis, Peritonitis, perioperative Kurzzeitprophylaxe bei erhöhter Gefährdung der Patienten durch Infektionen. Bei drohender bakterieller Allgemeininfektion und/oder unbekannten oder weniger empfindlichem Erreger sowie bei Super- oder ggf. Mischinfektionen ist eine Kombinationstherapie mit anderen bakterizid wirksamen Substanzen bzw. einem Laktamase-Hemmstoff möglich.
Dosierung und Art der Anwendung Empfohlene Richtdosen: Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahre: Tagesdosis: 80– 150 mg/kg KG (d. h. 3-mal täglich 2,0–3,0 g) oder Tagesdosis: 200–300 mg/kg (d. h. 3-mal täglich 4,0–5,0 g oder 2-mal täglich 10,0 g). Dosierung im Kindesalter: 3-mal täglich 75 mg/kg KG; Neugeborene unter 3 kg KG und Frühgeborene: 2-mal täglich 75 mg/kg KG. Eine Erhöhung der Tagesdosis bei Erwachsenen über 20 g Mezlocillin ist möglich, kommt jedoch nur im Einzelfall in Frage, da bei Infektionen mit weniger empfindlichen Erregern die Kombinationstherapie mit geeigneten anderen Antibiotika (z. B. mit einem Aminoglykosid oder mit einem Staphylokokken-Penicillin) angezeigt ist. Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muss erst bei einer Kreatinin-Clearance <10 ml/min die Dosis dem Grad der Einschränkung angepasst werden. Die folgenden Empfehlungen sind obere Dosisbegrenzungen und gelten für ein durchschnittliches Erwachsenengewicht von 70 kg: Kreatinin-Clearance: ≥10 ml/min=Normdosen, Dosisintervall 8 h; ml/min=Dosisintervall 12 h, max. 2-mal 5 g.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Wirkungen. Da bisher keinerlei schädigende Wirkungen von Mezlocillin bekanntgeworden sind, ist eine Anwendung während der gesamten Schwangerschaft bei entsprechender Indikation möglich. Mezlocillin geht in geringem Umfang in die Muttermilch über.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wegen der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks darf Mezlocillin bei Patienten mit erwiesener Penicillin-Überempfindlichkeit nicht angewendet werden. Eine mögliche Kreuzallergie mit anderen Beta-Laktam-Antibiotika kann bestehen. Bei Patienten mit allergischer Reaktionsbereitschaft (z. B. Heuschnupfen, Asthma bronchiale) ist das Risiko für schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen bei Injektionbzw. Infusionsbehandlung erhöht, weshalb Mezlocillin in solchen Fällen mit besonderer Vorsicht angewandt werden sollte.
MGUS (monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz)
Wechselwirkungen Die gleichzeitige Gabe von Probenecid führt als Folge einer Hemmung der renalen Ausscheidung zu höheren und länger anhaltenden Mezlocillin-Konzentrationen im Serum und in der Galle. Auch Indometacin, Phenylbutazon, Salicylate und Sulfinpyrazon führen zu erhöhten und verlängerten Serumkonzentrationen. Wird Mezlocillin unter oder unmittelbar nach Operationen verabreicht, kann bei gleichzeitiger Anwendung von Muskelrelaxantien vom nicht depolarisierenden Typ die neuromuskuläre Blockade vertieft und verlängert sein. Diese Wechselwirkungen können Ursache unerwarteter, unter Umständen lebensbedrohlicher Zwischenfälle sein. Bei gleichzeitiger Gabe von hochdosiertem Heparin, von oralen Antikoagulantien und von anderen Mitteln, die das Blutgerinnungssystem oder die Thrombozytenfunktion beeinflussen, sollten Gerinnungsparameter häufiger und regelmäßig überwacht werden. Es muss damit gerechnet werden, dass es bei gleichzeitiger Gabe von Mezlocillin und höherdosierten anderen Penicillinen (z. B. Staphylokokken-Penicillinen) zu einer Verlängerung der Halbwertszeit im Vergleich zur Einzelsubstanz kommen kann. Wichtigste Inkompatibilitäten Mezlocillin-Lösung ist – sofern nicht die Kompatibilität mit anderne Infusionslösungen und Arzneistoffen erwiesen ist – grundsätzlich getrennt zu applizieren. Als inkompatibel haben sich über einen getesteten Zeitraum von 6 h erwiesen: Injizierbare Tetracyclin-Derivate wie Oxytetracyclin, Rolitetracyclin und Doxycyclin; ferner Thiopental (Natriumsalz), Prednisolamat, Procain 2%, Suxamethoniumchlorid, Metronidazol, Noradrenalin sowie Aminoglykoside. Intoxikationen im strengen Sinn sind unbekannt. Auch unter Langzeittherapie kommt es zu keinen spezifischen toxischen unerwünschten Wirkungen. Mezlocillin hat eine sehr große therapeutische Breite. Bei bestimmten Risikokonstellationen und bei Gabe sehr hoher Dosen kann es zu zentral nervösen Erregungszuständen, Myoklonien und Krämpfen kommen, wie sie auch für andere Penicilline beschrieben worden sind. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion, Epilepsie und Meningitis ist das Risiko des Auftretens dieser unerwünschten Wirkungen erhöht. Erste Maßnahmen. Beim
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Auftreten von Krämpfen empfiehlt sich die Gabe von Lorazepam oder Diazepam. Bei anaphylaktischen Reaktionen sind die üblichen Sofortmaßnahmen, möglichst mit den ersten Anzeichen des Schocks, einzuleiten. Die gesteigerte Elimination von Mezlocillin kann mittels Hämodialyse erzielt werden. Eine 5–6stündige Hämodialyse führt zu einem Substanzerlust von ca. 24%.
MGUS (monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz) Synonyme „Benigne“ Gammopathie
Definition Nachweis eines monoklonalen Proteins in der Immunelektrophorese. Dabei liegt in einem Teil der Fälle, die Zahlen schwanken in den Studien zwischen ca. 30 und 70%, gleichzeitig eine Polyneuropathie vor.
Einleitung Sie kommt bei ca. 10% aller ungeklärten Polyneuropathien vor. Manchmal tritt sie auch im Vorfeld myeloproliferativer Erkrankungen wie Plasmozytom und M. Waldenström oder bei Amyloidose auf. Klinisch findet sich eine chronische symmetrische sensomotorische Polyneuropathie, die der CIDP ähnelt. Die klinische Progression der MGUS vom IgM-Typ soll rascher sein als die vom IgG-Typ. Unterformen sind das osteosklerotische Myelom bzw. sogenannte POEMS-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, Dysglobulinämie vom M-Gradienten, Skin changes).
Diagnostik Neurographisch findet sich in der Regel eine erhebliche Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeiten. Serologisch gibt es MGUS vom IgM- und IgG-Typ, sowie MAG- (Myelin-associated glycoprotein) positive (ca. 50%) und MAG-negative Patienten. Die Nervenbiopsie zeigt segmentale Demyelinisierungen. Eine primäre systemische Amyloidose wird durch eine Rektumbiopsie ausgeschlossen.
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Mianserin
Therapie Nur wenige Studien geben aussagekräftige Therapieempfehlungen zu den Polyneuropathien mit monoklonaler Gammopathie, mit zum Teil seltenen Syndromen. Die Therapieoptionen bei der Polyneuropathie mit MGUS sind ähnlich wie bei der CIDP, d. h. es kommen Kortikosteroide, Cyclophosphamid, Plasmapherese und hochdosierte intravenöse Immunglobuline (IVIG) in Betracht, weiterhin wurde Chlorambucil (0,1 mg/kg Körpergewicht/d) erfolgreich eingesetzt. Der monotherapeutische Einsatz einer Plasmapheresebehandlung scheint bei IgG- und IgA-MGUS Neuropathien günstigere Therapieeffekte zu erbringen als bei der IgM- Gruppe. Offene Studien zur Wirksamkeit von hochdosierten IVIG zeigen einen positiven Effekt auch bei IgM-MGUS Patienten. Bei osteosklerotischem Myelom/POEMS-Syndrom werden solitäre Läsionen bestrahlt (40– 50 Gy), bei disseminierten Läsionen erfolgen Chemotherapiezyklen über 7 Tage alle 6 Wochen mit Melphalan in Kombination mit Prednisolon. Hämatologische Grundkrankheiten wie M. Waldenström und multiples Myelom werden entsprechend onkologisch behandelt. unwirksam/obsolet Interferon-alpha 2 war unwirksam.
Literatur 1. Gorson KC, Ropper AH, Weinberg DH, Weinstein R (2002). Efficacy of intravenous immunoglobulin in patients with IgG monoclonal gammopathy and polyneuropathy. Arch Neurol 59(5):766–772. 2. Kelly JJ Jr, Adelman LS, Berkhman E, Bhan I (1988). Polyneuropathy associated with IgM monoclonal gammopathies. Arch Neurol 45:1355–1359. 3. Kyle RA, Dyck PJ (1993). Neuropathy associated with the monoclonal gammopathies. In: Dyck PJ, Thomas PK (Hrsg.) Peripheral Neuropathy. Saunders Philadelphia, Pennsylvania, 1275–1287. 4. Kyle RA, Dyck PJ (1993). Osteosclerotic myeloma (POEMS syndrome). In: Dyck PJ, Thomas PK (Hrsg.) Peripheral Neuropathy. Saunders Philadelphia, Pennsylvania, 1288–1293. 5. Leger JM, Younes-Chennoufi AB, Chassande B, et al. (1994). Human immunoglobulin treatment in multifocal motor neuropathy and polyneuropathy associated with monoclonal gammopathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 57:46–49. 6. Nobile-Orazio E, Carpo M (2001). Neuropathy and monoclonal gammopathy. Curr Opin Neurol 14(5):615–620.
Mianserin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Mianeurin® 10/30 Filmtbl.; Mianserin-ratiopharm® 10/30 Filmtbl.; Prisma® Filmtbl.; Tolvin® 10/30/60 mg Filmtbl.
Wirkungen Mianserin, ein tetrazyklisches Antidepressivum mit sedativ/anxiolytischem Profil, erhöht die Noradrenalinfreisetzung durch Antagonismus an präsynaptischen alpha2-Rezeptoren; die Aufnahme von Noradrenalin und auch Serotonin wird aber im Gegensatz zu klassischen trizyklischen Antidepressiva nur schwach gehemmt und der Noradrenalin-turnover ist erhöht statt reduziert. An 5-HT-Rezeptoren wirkt Mianserin antagonistisch und führt zur down-Regulation von 5-HT2 und 5-HT1c-Rezeptoren. Postsynaptische alpha1-Rezeptoren werden ebenfalls antagonistisch beeinflusst, Effekte am dopaminergen System treten nicht auf. In der Peripherie zeigt Mianserin neben dem Serotoninantagonismus starke Hemmwirkung an Histaminrezeptoren, während der Effekt an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren nur minimal ist. Mianserin wirkt sedativ-anxiolytisch, stimmungsaufhellend und hemmungslösend. Die angstdämpfende Wirkung setzt relativ schnell ein, die Stimmungsaufhellung wird innerhalb von 10–14 Tagen erkennbar. Die Substanz hat eine mit trizyklischen Antidepressiva (Imipramin, Amitriptylin, Maprotilin) und SSRI (Fluvoxamin) vergleichbare antidepressive Wirksamkeit, wobei der Wirkungseintritt nach Mianserin schneller erfolgt als nach Amitriptylin und das Nebenwirkungsprofil günstiger ist als nach Amitriptylin und Imipramin, hier besonders bei älteren Patienten. Negativsymptome bei chronischer Schizophrenie werden durch adjuvante Mianseringabe günstig beeinflusst, ebenso durch Antiparkinsonmittel ausgelöste Psychosen.
Resorption Die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt erfolgt schnell und vollständig. Mianserin unterliegt einem first-pass-Effekt. Die Bioverfügbarkeit beträgt etwa 30%. Maximale Plasmaspiegel werden innerhalb von 3 h erreicht, ein steady state nach 2–3 Wochen. Die mittlere therapeutische Plasmakonzentration liegt bei 50 μg/
Midazolam
L. Mianserin verteilt sich rasch im gesamten Körper bei sehr guter ZNS-Gängigkeit. Die Plasmaeiweißbindung beträgt etwa 90%.
Elimination Mianserin wird nahezu vollständig metabolisiert, nur 4–7% werden unverändert renal eliminiert. Die Halbwertszeit liegt im Mittel bei 17 h.
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wird empfohlen wegen wechselseitiger Wirkungsverstärkung. Bei Überdosierung zeigt Mianserin allgemein eine geringere Toxizität als trizyklische Antidepressiva, im Vordergrund steht die geringere Kardiotoxizität.
Midazolam
Anwendungsgebiete
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Depressive Erkrankungen.
Dormicum Tbl., Inj.lösg.; Midaselect Inj.lösg.; Midazolam Inj.lösg. Curamed®, - Hameln®, ratiopharm.
Dosierung und Art der Anwendung Einschleichende Dosierung mit initial 30 mg pro Tag wird empfohlen, eine Steigerung bis auf 90 mg täglich ist möglich. Eine Erhaltungsdosis von 60 mg ist anzustreben. Die Verabreichung ist sowohl dreimal täglich als auch als Einzeldosis am Abend möglich bei gleichem Therapieerfolg und Nebenwirkungsprofil.
Unerwünschte Wirkungen Mianserin unterscheidet sich von den klassischen trizyklischen Antidepressiva durch fehlende bzw. schwache anticholinerge Nebenwirkungen, wie Mundtrockenheit, Akkomodations- oder Miktionsstörungen. Das krampfauslösende Potential ist mit dem trizyklischer Verbindungen vergleichbar. Weitere zentrale Wirkungen sind Sedierung und Abnahme der Vigilanz, die besonders in den ersten Tagen der Behandlung auftreten und nach zwei Wochen verschwinden. Nach 4–6wöchiger Behandlung können vereinzelt Blutbildveränderungen, wie Leukopenie, Agranulozytose oder Thrombozytopenie, auftreten. Außerdem werden gelegentlich Hypomanie, Hautausschlag, Ödeme, Gelenkschmerzen und - schwellungen sowie Störungen der Leberfunktion beobachtet.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwere Lebererkrankungen, Blutbildungsstörungen (bei Leukozytenzahlen unter 3000/ mm3 absetzen), Manie. Nicht bei Kindern anwenden. Vorsicht bei Patienten mit Suizidgefahr sowie bei Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie, Diabetes mellitus, bei vorgeschädigtem Herzen und bei gleichzeitiger Anwendung von Antihypertonika.
Wechselwirkungen Verzicht auf Alkohol während der Behandlung
Wirkungen Midazolam ist ein Benzodiazepin mit antikonvulsiver, sedativ-hypnotischer und muskelrelaxierender Wirkung.
Resorption Nach p. o. Applikation wird Midazolam schnell resorbiert. Die Bioverfügbarkeit beträgt wegen eines ausgeprägten First-pass-Metabolismus nur 50%. Maximale Plasmakonzentrationen werden ca. 30 min–1 h nach p. o. Applikation erreicht. Die Plasmaproteinbindung des Midazolams liegt im therapeutischen Bereich bei 95–98%.
Elimination Midazolam wird durch Hydroxylierung mit anschl. Glucuronidierung hepatisch elim. Der Hauptmetabolit α-Hydroxy-Midazolam ist noch teilweise biol. aktiv. Die Plasma-Halbwertszeit des Midazolams beträgt 1,5–2,5 h.
Dosierung und Art der Anwendung Zur Behandlung des Status epilepticus werden i. m. Dosen von 10–15 mg (0,15–0,2 mg/kg) verwendet.
Unerwünschte Wirkungen Aufgrund der sehr kurzen Plasma-Halbwertszeit ist mit dem Auftreten von Rebound-Insomnien und Toleranz häufiger zu rechnen als bei Benzodiazepin-Hypnotika mit langer PlasmaHalbwertszeit. Bei schneller parenteraler Anwendung von Midazolam muss mit einer Blutdrucksenkung gerechnet und vor allen Dingen mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Atmung gerechnet werden, die wahrscheinlich bei Midazolam stärker ausgeprägt ist als bei
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Midodrin
anderen Benzodiazepinen in der gleichen Indikation. Die bei einer Überdosis notwendigen Maßnahmen entsprechen denen anderer Benzodiazepine ( Diazepam).
Anwendungsgebiete Orthostatische Dysregulation (asympathotone und sympathotone Hypotonie), durch Neuroleptika und Antidepressiva induzierte Hypotonie. Neurokardiogene Synkopen.
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Dosierung und Art der Anwendung
Midodrin Gutron® Tbl., Tropfen, Inj.lösg.
2-mal täglich 2,5–5 mg jeweils abends vor dem Schlafengehen und morgens nach dem Aufstehen. Bei Langzeittherapie ist die Dosierung auf die gerade noch wirksame Dosis einzustellen.
Wirkungen
Unerwünschte Wirkungen
Midodrin ist ein Prodrug und wird nach i. v. oder p. o. Applikation durch enzymatische Hydrolyse in den aktiven Metaboliten Deglymidodrin umgewandelt. Der Metabolit ist ein α-adrenerger Vasokonstriktor ohne Präferenz für einen Subtypen der α-adrenergen Rezeptoren. Sein vasokonstriktorischer Effekt ist vergleichbar mit dem von Etilefrin. Bei hypotonen Patienten wird der Blutdruck um bis zu 30% erhöht und die Herzfrequenz um ca. 20% gesenkt. Die Frequenzsenkung ist auf die parasympathische Gegenregulation zurückzuführen. Die Blutdrucksteigerung wird durch ein Ansteigen des peripheren Widerstands hervorgerufen. Die Substanz überwindet die BlutHirn-Schranke nicht und hat somit auch keine ZNS-Effekte.
Kopfschmerzen, Ruhelosigkeit, Erregbarkeit, Reizbarkeit, leichter Schwindel. Tachykardie oder Bradykardie, Palpitationen. Gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Stomatitis, Sodbrennen). Pilomotorische Reaktionen („Gänsehaut“, „Ameisenlaufen“, Frösteln).
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
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Resorption Nahezu 100%ige Resorption nach p. o. Gabe. Die Peak-Plasma-Konzentration von Midodrin wird nach 20–40 min nach einer Einzeldosis erreicht. Der aktive Metabolit Deglymidodrin erreicht den höchsten Plasmawert nach ca. 60 min. Die absolute Bioverfügbarkeit von Midodrin als Deglymidodrin beträgt 90–93%.
Elimination Midodrin unterliegt einer schnellen Clearance. Die Plasma-Halbwertszeit liegt bei 30 min, und nach 2 h ist der Plasmaspiegel von Midodrin unter der Nachweisgrenze. Der aktive Metabolit Deglymidodrin hat eine Plasma-Halbwertszeit von 3 h und kann nach 10 h noch nachgewiesen werden. Midodrin und sein Hauptmetabolit Deglymidodrin werden in erster Linie mit dem Urin ausgeschieden, wobei Midodrin nur zu einem geringen Teil unverändert erscheint. Nach 24 h sind 30–40% im Urin wiederzufinden.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Hypertonie, Phäochromozytom, obliterierende und spastische Gefäßerkrankungen, Engwinkelglaukom, Prostataadenom mit Restharnbildung, mechanische Harnabflussbehinderungen, Thyreotoxikose. Vorsichtig dosieren bei schweren organischen Herz- und Gefäßveränderungen, Rhythmusstörungen. Bei Überdosierung kommt es zu pilomotorischen Reaktionen („Gänsehaut“), besonders im Bereich der Nacken- und Kopfhaut, zu Kältegefühl und Harndrang. Eine reflektorisch auftretende Bradykardie mit einer Ruhefrequenz unter 60/min ist durch Atropin in den üblichen therapeutischen Dosis zu beheben.
Migräne Definition Idiopathisches Kopfschmerzleiden mit wiederkehrenden Attacken von 4–72 h Dauer. Typische Kopfschmerzcharakteristika sind einseitige Lokalisation, pulsierender Schmerzcharakter, mäßige bis starke Schmerzintensität, Verstärkung durch übliche körperliche Aktivität und Begleiterscheinungen wie Nausea, Photound Phonophobie.
Einleitung 15% der Frauen und 7% der Männer in
Migräne
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Migräne. Abb. 1: Klinisches Bild
Mögliche Triggerfaktoren einer Migräneattacke sind z. B. Hormone ( Migräne, menstruelle, Pille), Medikamente (Nitrate, Kalziumantagonisten), Lärm, Kälte, Hunger, Stress und Entlastung nach Stress, Zeitverschiebung, Rotwein, selten Nahrungsmittel (Käse, Schokolade). 3
Diagnostik Die Diagnose wird klinisch aufgrund der typischen Anamnese gestellt. In erster Linie müssen der Clusterkopfschmerz und der episodische Kopfschmerz vom Spannungstyp, ferner die chronische paroxysmale Hemikranie abgegrenzt werden. Eine bildgebende Diagnostik (CCT, ggf. MRT) zur Abgrenzung symptomatischer Kopfschmerzformen (Blutung, Tumor, Liquorzirkulationsstörung, Gefäßmalformation) ist bei einem erstmaligem heftigsten Kopfschmerzereignis, über Tage oder Wochen bestehendem Kopfschmerz, vorangegangenem Trauma, erstmaligem Auftreten nach dem 40. Lebensjahr, Vorliegen neurologischer Herdzeichen außerhalb der Migräneaura, Meningismus und/oder Fieber, Änderung des Kopfschmerzcharakters bei Patienten mit bekanntem primären Kopfschmerz oder Auftreten der Kopfschmerzen zusammen mit einem epileptischen Anfall oder psychiatrischen Symptomen indiziert ( Kopfschmerz). 3
Deutschland leiden an einer Migräne. Man unterscheidet: * Am häufigsten (85–90%) ist die einfache Migräne (Migräne ohne Aura, common migraine) mit o. g. Charakteristika. Die Diagnosestellung erfordert mindestens 5 vorangegangene Attacken. * Migräne mit Aura (klassische Migräne, Migraine accompagnée): Entwicklung einer Aurasymptomatik (ein oder mehrere zentral bedingte Symptome, z. B. Flimmerskotom, sensible oder motorische Hemisymptomatik, Aphasie) meist über 5–20 min, Dauer bei typischer Aura ≤60 min. Während oder nach der Aura treten Kopfschmerzen wie bei der einfachen Migräne auf. Bei der Migräne mit prolongierter Aura dauert die Aura länger als 60 min, jedoch weniger als 7 Tage, bei der Migräne mit akutem Aurabeginn entwickeln sich die Aurasymptome innerhalb von 5 min. * Migränöser Infarkt: Innerhalb von 7 Tagen nicht vollständig reversible Aurasymptomatik, bildgebend Infarktnachweis (meist Posteriorgebiet). * Status migraenosus: Kopfschmerzphase trotz Behandlung ≥72 h, schmerzfreie Intervalle ≤4 h. * Weitere Formen sind Migräne, familiäre hemiplegische; Basilarismigräne; Migräne, ohne Kopfschmerz, Migräne, ophthalmoplegische; Migräne, retinale. * Migräne im Kindesalter: Meist holozephaler Kopfschmerz kürzerer Dauer, vegetative Symptome dominieren häufig. Sonderformen sind der gutartige paroxysmale Schwindel in der Kindheit, die Hemiplegie, alternierende sowie zyklisches Erbrechen.
Therapie gesichert Akuttherapie der Migräneattacke: Allgemeinmaßnahmen wie Ruhe, körperliche Entspannung, Schlaf, lokale Eisbehandlung (Eisbeutel).
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Migräne
1. Bei leichten bis mäßigen Migränekopfschmerzen: Orale Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS, 1000 mg, bevorzugt als Kau- oder Brausetablette) in Kombination mit einem Antiemetikum (Metoclopramid 10–20 mg p. o., 20 mg rektal oder 10 mg i. m. oder i. v., z. B. Paspertin® oder Domperidon 20–30 mg p. o., z. B. Motilium®) [2]. Statt ASS können auch Naproxen (500– 1000 mg p. o.), Ibuprofen (200–600 mg p. o.), Paracetamol (1000 mg p. o.oder rektal, z. B. ben-u-ron®) oder Diclofenac (50– 100 mg p. o., z. B. Voltaren®) [3] eingesetzt werden. 2. Triptane Triptane (Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten) sind spezifische Migränemittel. Sie sollten erst in der Kopfschmerzphase gegeben werden, bei Gabe in der Auraphase wird das anschließende Auftreten von Kopfschmerzen nicht verhindert. Triptane wirken (im Gegensatz z. B. zu Ergotamin) zu jedem Zeitpunkt der Kopfschmerzphase (am besten innerhalb der ersten 12 Stunden) und auch gegen die typischen vegetativen Begleitsymptome. Bleibt die erste Gabe eines Triptanes ohne Wirkung, ist eine erneute Gabe sinnlos. Bei Wiederauftreten von Kopfschmerzen nach initialer Besserung ist eine erneute Gabe wirksam. Nebenwirkungen sind pektanginöse Beschwerden sowie Parästhesien der Extremitäten. Kontraindikationen sind Hypertonie, KHK, pAVK, M. Raynaud, TIA oder Schlaganfall, Schwangerschaft und Stillzeit, Kindesalter, Alter über 65 Jahre, multiple vaskuläre Risokofaktoren, schwere Leber- oder Niereninsuffizienz. * Sumatriptan (Imigran®) Dosierung: 25–100 mg p. o., 25 mg Supp., 10–20 mg intranasal oder 6 mg s. c. (Autoinjektor) verfügbar. Die initiale orale Dosis beträgt 50 mg, je nach Verträglichkeit und Wirkung können auch 25 oder 100 mg verabreicht werden. Bei starker Übelkeit empfehlen sich die anderen Darreichungsformen. Den schnellsten Wirkungseintritt (ca. 10 min) sowie die beste Wirkung über zwei Stunden weist die subkutane Gabe auf. * Rizatriptan (Maxalt®) Dosierung: 10 mg p. o. (oder Schmelz-
tablette). Wirkungseintritt rascher als bei oral gegebenem Sumatriptan. Die Maximaldosis von Rizatriptan bei Einnahme von Propanolol beträgt 5 mg. * Naratriptan (Naramig®) Dosierung: 2,5 mg p. o., langsamer und weniger wirksam als Sumatriptan bei geringeren Nebenwirkungen, es soll seltener zum Wiederauftreten von Kopfschmerzen kommen. * Zolmitriptan (AscoTop®) Dosierung: 2,5 mg p. o., ähnlich effektiv wie Sumatriptan, es scheint jedoch bei manchen Patienten wirksam zu sein, die auf Sumatriptan nicht ansprechen. * Almotriptan (Almogram®) Dosierung: 12,5 mg p. o., ähnlich effektiv wie Sumatriptan, jedoch etwas geringere Nebenwirkungsrate. * Eletriptan (Relpax®) Dosierung: 20–80 mg p. o., Wirkungseintritt rascher als bei oral verabreichtem Sumatriptan. Eletriptan scheint effektiver zu sein als andere Triptane, weist allerdings auch (bei 80 mg) die stärksten Nebenwirkungen auf. * Frovatriptan Dosierung: 2,5 mg p. o., die Wirkung entspricht der von Naratriptan. 3. Ergotamintartrat Ergotamintartrat (1–2 mg p. o. oder 2 mg rektal) kommt bei längeranhaltenden, mit Acetylsalicylsäure (oder anderen nichtsteroidalen Antiphlogistika) nicht beherrschbaren Migräneattacken zum Einsatz (Cave: Kontraindiziert bei KHK, pAVK, Hypertonie, M. Raynaud, in Schwangerschaft und Stillzeit, Kinder unter 12 Jahren, multiple vaskuläre Risokofaktoren). Es sollte nur noch Patienten verabreicht werden, die innerhalb von zwei Stunden gut ansprechen und keine Nebenwirkungen bzw. Dosissteigerung aufweisen. Maximale Dosis pro Attacke 4 mg, pro Monat 16 mg. Sollte nicht mehr bei NeuPatienten verabreicht werden. Triptane und Ergotaminderivate sind kontraindiziert bei der Basilarismigräne, Migräne mit prolongierter Aura und dem migränösen Infarkt. Triptane und Ergotaminderivate sollten innerhalb von 24 Stunden nicht gemeinsam eingenommen werden. 4. Behandlung durch den Arzt Ist eine orale Behandlung erfolglos, sollte die parenterale Gabe von10 mg Metoclopr-
Migräne
In der Regel ist die Durchführung einer Langzeitprophylaxe über 6–9 Monate sinnvoll, spätestens nach 1 Jahr sollte durch Absetzen des Medikamentes die Indikation überprüft werden. Ziel ist eine Reduktion von Anfallshäufigkeit, Intensität und Dauer von mindestens 50%. 1. Prophylaxe der 1. Wahl sind die β-Blocker Propanolol (40–240 mg, Dociton®) und Metoprolol (50–200 mg, Beloc®). Die Aufdosierung muss einschleichend erfolgen, Retardpräparate sind vorzuziehen. Die Patienten müssen über die Nebenwirkungen (Hypotonie, Schlaf- und Potenzstörungen) sowie die Tatsache, dass eine ausreichende Prophylaxe erst nach Wochen zu erwarten ist, aufgeklärt werden; häufig treten hier Compliance-Probleme auf. Eine β-BlockerTherapie ist insbesondere für nervöse Patienten oder Hypertoniker geeignet. Kontraindikationen sind zu beachten. 2. Alternativ ist der Calciumantagonist Flunarizin (5 mg bei Frauen, 10 mg bei Männern, Sibelium®) nachgewiesen wirksam. Mögliche Nebenwirkungen sind Appetitsteigerung mit Gewichtzunahme, Depression und Müdigkeit. 3. Valproinsäure (500–600 mg unabhängig vom Serumspiegel, Ergenyl chrono®) ist ebenfalls wirksam (Cave: Anwendung bei Frauen im gebärfähigen Alter nur unter sicherer Kontrazeption. Selten Leberschäden). 4. Topiramat.
1. Metamizol (Novalgin®) Dosierung: 500– 1000 mg (Cave: Blutdruckabfall bei i. v. Gabe). 2. Dihydroergotamin Dosierung: 1–2 mg i. m., i. v., s. c. oder intranasal (schlechte Resoption nach oraler Gabe). Die s. c. Gabe von DHE ist etwas weniger wirksam als Sumatriptan, der Effekt hält allerdings länger an (Cave: Kontraindiziert bei KHK, pAVK, Hypertonie, M. Raynaud, in Schwangerschaft und Stillzeit, Kinder unter 12 Jahren, multiple vaskuläre Risokofaktoren). Ein Problem aller Migränemittel besteht im erneuten Auftreten von Kopfschmerzen nach initialer Besserung, wenn die Kopfschmerzdauer die pharmakologische Wirkdauer überschreitet („headache recurrence“). Dieses Problem tritt aufgrund ihrer kürzeren Halbwertzeit bei Triptanen häufiger (30– 40%) auf als bei Ergotamin oder ASS. Bei Patienten mit regelmäßigem Wiederauftreten von Kopfschmerzen nach Triptangabe sollte ein Versuch mit Ergotamin oder DHE unternommen werden. Alle Migränemittel können bei Dauergebrauch wiederum Kopfschmerzen provozieren ( Kopfschmerz, medikamenteninduzierter). Migräneprophylaxe: 1. Acetylsalicylsäure (Aspirin®) Dosierung: 300 mg p. o., insbesondere bei Patienten, die aus anderen Gründen ohnehin ASS einnehmen (Kontraindikation: Ulkus, Blutungsneigung). 2. Pizotifen (Sandomigran®) Dosierung: 1– 3 mg p. o. (Kontraindikation: Glaukom, Prostatahyperrophie, KHK). 3. Lisurid (Cuvalit®)Dosierung: 0,025– 0,075 mg p. o. (Kontraindikation: Schwangerschaft, KHK, pAVK, M. Raynaud). 4. Dihydroergotamin Dosierung: 1,5–6 mg p. o. (Kontraindikationen s. o., Cave: medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz). 5. Amitriptylin (Saroten®) Dosierung: 25– 75 mg p. o., ist bei Patienten mit zusätzlichem Kopfschmerz vom Spannungstyp sinnvoll. 3
Migräneprophylaxe: Eine Indikation zur medikamentösen Migräneprophylaxe besteht * Bei mehr als 3 Attacken pro Monat, die auf eine Attackentherapie nicht ausreichend ansprechen oder die Nebenwirkungen intolerabel sind. * Wenn Attacken auftraten, die vom Patienten als unerträglich empfunden wurden. * An mehr als 10 Tagen pro Monat Medikamente zur Kupierung von Migräneattacken eingesetzt wurden. * Ein Status migraenosus oder eine Migräne mit prolongierter Aura mehrmals auftraten. * Es zu einem migränösen Infarkt kam.
empirisch Akuttherapie der Migräneattacke:
3
amid (Paspertin®) und 500–1000 mg lsysinierter Acetylsalicylsäure (Aspisol®) erfolgen. Alternativ können Sumatriptan 6 mg s. c., oder 1–2 mg Dihydroergotamin (s. c. oder i. m.) gegeben werden.
767
unwirksam/obsolet Therapie der Migräneattacke: Opioide sind wenig wirksam bei ausgeprägten
M
3 3
768
Migräne, arteriovenöse Malformation
Nebenwirkungen und sollten daher nicht eingesetzt werden. Migräneprophylaxe: Ein Nutzen homöopathischer Therapien konnte nicht belegt werden. Medikamentös sind Carbamazepin, Phenytoin, Primidon, Clonidin, Lithium und Neuroleptika ohne nachgewiesene Wirkung. Chiropraktische Behandlungen sollten nicht zuletzt aufgrund der Gefahr von Gefäßdissektionen vermieden werden.
sich von der idiopathischen meist durch fehlenden Seitenwechse, über die Migräneattacke hinaus bestehende neurologische Herdzeichen, Anfälle, leere Familienanamnese bezüglich einer Migräne, häufig kurze Dauer oder ungewöhnlich lange Intervalle zwischen den Attacken sowie eine unvollständige oder invertierte Abfolge von Aura, Kopfschmerz und vegetativen Symptomen.
Prognose
Individuelle Triggerfaktoren (z. B. Lebensmittel, Medikamente) sollten vermieden werden, ein regelmäßiger Lebensstil (Schlaf-/WachRhythmus, Essenszeiten) sollte eingehalten werden. Der Nutzen von Entspannungsverfahren ist nachgewiesen. Unbewiesen, aber nach der Erfahrung sinnvoll, ist eine regelmäßige sportliche Betätigung (Ausdauersportarten). 3
Literatur 1. Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. 2. Tfelt-Hansen P, Henry P, Mulder LJ, Schaeldewaert RG, Schoenen J, Chazot G (1995) The effectiveness of combined oral lysine acetylsalicylate and metoclopramide compared with oral sumatriptan for migraine. Lancet 346: 923–926. 3. The Diclofenac-K/Sumatriptan Migraine Study Group (1999) Acute treatment of migraine attacks: efficacy and safety of a nonsteroidal anti-inflammatory drug, diclofenac-potassium, in comparison to oral sumatriptan and placebo. Cephalalgia19 (4): 232–40.
Definition Migräne mit Auftreten einer Hemiparese im Rahmen der Aura. Wenigstens ein Verwandter ersten Grades hat identische Attacken. Denken an CADASIL.
Einleitung Bei den meisten Patienten treten hemiplegische Attacken vermischt mit wesentlich häufigeren Attacken einer Migräne ohne Hemiparese auf. Therapie 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Migräne, familiäre hemiplegische
3
Bei Frauen beginnt die Krankheit häufig nach der Pubertät, bei Männern zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr. Das Maximum von Attackenfrequenz und - schwere wird meist zwischen dem 35.–45. Lebensjahr erreicht, danach kommt es häufig zu einer Besserung.
Migräne
Migräne, menstruelle Einleitung Zyklusgebunden auftretende Migräneattacken werden häufig als menstruelle Migräne bezeichnet. Exakte Kriterien existieren bislang nicht. Ausschließlich während der Menstruation auftretende Attacken sind selten.
Prophylaxe
Insbesondere bei Patienten mit okzipitalen, temporalen oder parietalen Angiomen treten häufig migräneartige Kopfschmerzen auf. Diese symptomatische Migräne unterscheidet
Eine Kurzzeitprophylaxe mit Naproxen (2× 500 mg) 2 Tage vor Beginn und bis zum Ende der Periode kann versucht werden. Hormonpräparate sind nicht wirksam.
Therapie 3
Migräne, arteriovenöse Malformation
Migräne
Mikroaneurysma
Migräne, „migraine accompagnée“ Synonyme
769
ein Aneurysma der A. communicans posterior sowie ein Tolosa-Hunt-Syndrom müssen mittels MRT ausgeschlossen werden, weiterhin evtl. eine diabetische Mononeuropathie und eine Myasthenie.
Migräne mit Aura
3
Therapie Migräne
3
Migräne, ohne Kopfschmerz Synonyme
Migräne, retinale
Migräneäquivalente, azephalgische Migräne
Definition Definition Migräneaura ohne Kopfschmerz.
Einleitung Bei der Migräne mit Aura kann es vorkommen, dass der Kopfschmerz gelegentlich fehlt (häufiger bei älteren Patienten). Eine Migräne ausschließlich mit Anfällen von Aura ohne Kopfschmerz ist selten und erfordert den sorgfältigen Ausschluss symptomatischer Ursachen.
Wiederholte Anfälle von monokularem Skotom oder monokularer Erblindung von weniger als 1 h Dauer in Verbindung mit Kopfschmerz. Eine ophthalmologische Erkrankung oder Gefäßprozesse müssen ausgeschlossen sein (sehr selten).
Mikroadenom
Differenzialdiagnose
Definition
Symptomatische Ursachen, insbesondere transitorische ischämische Attacken und fokale Anfälle.
Mikroadenome sind Adenome der Hypophyse bis zu einer größten Ausdehnung von 10 mm.
Diagnostik 3
Therapie
Adenom, Hypophyse
Migräne
3
Therapie Adenom, Hypophyse
3
Migräne, ophthalmoplegische Wiederholte Kopfschmerzattacken in Verbindung mit der Parese eines oder mehrerer die Augenmuskulatur innervierender Hirnnerven bei Ausschluss einer intrakraniellen Läsion.
Mikroaneurysma Synonyme 3
Definition
Charcot-Bouchard-Aneurysmen
Definition Einleitung Die ophthalmoplegische Migräne ist extrem selten, ein Zusammenhang mit der Migräne ist umstritten. Der Verlauf erstreckt sich in der Regel über wenige Tage bis 4 Wochen, die Attacken treten meist in größeren Intervallen (1– 2×jährlich) auf.
Differenzialdiagnose Eine Kompression des N. oculomotorius durch
Aneurysmen mit einem Durchmesser von 0,2– 1 mm.
Einleitung Es wird kontrovers diskutiert, ob Mikroaneurysmen infolge eines längerbestehenden arteriellen Hypertonus durch Schädigung der Arterienwände entstehen und ob ein kausalpathogenetischer Zusammenhang besteht, nachdem eine kurzfristige Blutdruckerhöhung zu einer
M
Mikroangiom 3
Ruptur mit kann.
intrazerebraler Blutung führen
vers diskutierter kausaler Bedeutung für hypertensive Massenblutungen. 3
770
Einleitung
Mikroangiom Definition Zerebrale arteriovenöse Malformation (AVM) mit einem Durchmesser bis 10 mm.
Lokalisation: Der Verschluss kleiner sogenannter penetrierender Marklagerarterien oder der Aa. perforantes im Hirnstamm ist Ursache der typischen Lokalisation mikroangiopathischer Ischämien (Basalganglien, Thalamus, Marklager, Hirnstamm). Risikofaktoren: * Arterielle Hypertonie: Mit weitem Abstand wichtigster Risikofaktor dabei paradoxe Hypertonie mit nächtlich erhöhten Blutdruckwerten bzw. fehlendem nächtlichem „dip“ pathogenetisch besonders wichtig. * Diabetes mellitus (analog zur renalen oder peripheren Mikroangiopathie). * Nikotinabusus.
3
3
Einleitung Mikroangiome sind aufgrund ihrer Größe definiert. Daher spricht man bei negativem Angiogramm von angiographisch okkulten Gefäßmalfomationen, wenn bei histologischer oder autoptischer Untersuchung der Nachweis einer Gewebeansammlung einer AVM erbracht wird. Ob für Mikroangiome ein erhöhtes Risiko einer intrakraniellen Angiomblutung besteht, bleibt ungeklärt.
Diagnostik Zerebrale Angiographie.
Positiv assoziiert (im Vgl. zur Makroangioapthie geringere Relevanz): * Hypercholesterinämie. * Hyperhomozysteinämie. * Lipoprotein (a). * Hyperinsulinismus.
Therapie 3
Definition
3
3
Mikroangiopathie, zerebrale
Symptomatik: Lokalisation, Anzahl und Größe mikroangiopathischer Läsionen bedingen unterschiedliche klinische Funktionsausfälle: * Isolierte Infarkte bleiben häufig klinisch stumm. * Lakunäre Hirninfarkte sind häufig mit „lakunären Syndromen“ vergesellschaftet. * Bei multiplem Auftreten häufig Entstehung einer subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie (SAE) mit fließendem Übergang zur vaskulären Demenz. 3
Neuroradiologische Intervention, Radiochirurgie oder operative Exstirpation oder Kombination dieser Verfahren je nach Lokalisation. Keine gesicherten Daten zur Therapieempfehlung bei asymptomatischen Mikroangiomen.
Obstruierende Erkrankung kleiner und kleinster zerebraler Arterien (40–900 µm) mit resultierenden subkortikalen Ischämien * Bei Arterien bis 200 µm Durchmesser prädominierend lokale Zerstörung der Gefäßwandarchitektur mit Einlagerung von Makrophagen, fibrinoidem Material und Blutextravasaten ( Lipohyalinose). * Bei Arterien zwischen 400 und 900 µm häufig atheromatöse Plaquebildung, teils am Abgang von größeren Gefäßen.
Diagnostik
oder Ausbildung von Mikroaneurysmen ( Charcot-Bouchard-Aneurysmen) mit kontro-
Synonyme
Hirninfarkt, lakunärer
3
Therapie Hirninfarkt, lakunärer
3
3
Mikrographie Kleinschriftigkeit
3
Miller Fisher-Syndrom
Definition Verminderung der Amplitude bei Schreibbewegungen.
Einleitung Typisches Beispiel für die Bradykinese, Akinese. Häufig erstes Symptom beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. 3
Differenzialdiagnose Parkinson- Syndrom, insbesondere das idiopathische und medikamentös induzierte, aber auch bei einem Parkinson-Syndrom im Rahmen einer kortikobasalen Degeneration, selten beim Schreibkrampf. 3 3
Therapie 3
Therapie der Hypokinese, kinson-Syndrom.
idiopathisches Par-
771
Millard-Gubler-Syndrom Synonyme Syndrom der kaudalen Brückenhaube, kaudaler Brückenfuß, Millard-Gubler-Foville Syndrom, Foville-Syndrom
Definition Hirnstammsyndrom der kaudalen Brückenhaube * Gleichseitig: Periphere Abducens- und (nukleäre) Fazialisparese. * Gegenseitig: Spastische Hemiparese, Schmerz- und Temperaturempfindung aufgehoben, Berührungs- und Tiefensensibilität vermindert. Die Definition ist in der Literatur uneinheitlich.
Miller Fisher-Syndrom Mikrogyrie Synonyme MFS
Definition Diese Form der gyralen Missbildung kann beim Jadasshon-Syndrom beobachtet werden, das ein Untertyp des epidermalen Naevussyndroms darstellt.
Die akute Symptommanifestation der Trias: Areflexie, Ophthalmoplegie und zerebellare Ataxie wird als Miller Fisher-Syndrom bezeichnet.
Einleitung
Mikropsie
Das Miller Fisher-Syndrom gilt als eine Sonderform des Guillain-Barré-Strohl-Syndroms und betrifft etwa 3–5% dieser Patienten. 3
Wahrnehmung, Anoma-
3
Mikrozephalus Definition Ein Mikrozephalus in Kombination mit einem Hydrozephalus internus tritt typischerweise bei der Alkoholembryopathie auf.
Diagnostik Anamnese und klinische Befunde sind wegweisend. Die Mehrzahl der Patienten zeigt eine Eiweißerhöhung im Liqour cerebrospinalis. Häufig finden sich Anti-GQ1b-Antikörper im Serum und zum Teil im Liquor cerebrospinalis (GQ1b wird besonders an Augenmuskelnerven exponiert). Im Initialstadium ist differenzialdiagnostisch insbesondere eine BickerstaffHirnstamm-Enzephalitis abzugrenzen. 3
Definition Verkleinertes Sehen. lie.
M
Definition
3
Therapie
Miktionssynkope Synkope, Miktionssynkope
Aufgrund der guten Spontanprognose ist eine Plasmapherese oder Immunglobulinbehandlung häufig nicht erforderlich. In den seltenen Fällen, in denen sich im Krankheitsverlauf eine
3
772
MIMYCA (mitochondriale Myopathie und Kardiomyopathie)
empirisch Aufgrund der guten Spontanremission des Miller Fisher-Syndroms ist ein positiver Fallbericht zur Behandlung des Miller Fisher-Syndroms durch Liquorfiltration mittels Pall-Filter nicht sicher zu bewerten. Aus diesem Grunde kann eine allgemeine Therapieempfehlung zu dieser Therapiemethode gegenwärtig nicht gegeben werden.
tochondriale Störungen untersucht und auch gefunden. Bei nahezu allen Mitochondriopathien kann es zur Kardiomyopathie kommen. Allerdings ist Kardiomyopathie als Leitsymptom eher selten. Beim Kearns-Sayre-Syndrom gehört die Kardiomyopathie neben dem Hauptsymptom der externen Ophthalmoplegie zum typischen klinischen Bild. Man nimmt an, dass bis zur Hälfte der Fälle kindlicher bzw. frühkindlicher Kardiomyopathien auf mitochondriale Mutationen zurückgehen. Neben der o. g. Mutation wurden bei MIMYCA, z. B. Mutationen in 3303 (tRNS-Leu), cytb, tRNS-Arg und ND5 beschrieben.
Prognose
Diagnostik
Die Prognose des Miller Fisher-Syndroms ist in der Regel günstig. Eine Generalisierung der Symptomatik mit konsekutiver Atemlähmung tritt selten auf.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Eine diätetische Behandlung des Miller FisherSyndroms ist nicht bekannt.
Literatur 1. Berlit P, Rakicky J (1992). The Miller Fisher syndrome. Review of the literature. J Clin Neuroophthalmol 12:57–63. 2. Gareth J, Parry MB (1993). Guillain-Barré syndrome. Thieme Medical Publishers, New York. 3. Fisher M (1956). An unusual variant of acute idiopathic polyneuritis (syndrome of ophthalmoplegia, ataxia and areflexia). N Engl J Med 255:57–65. 4. Vedeler CA (2000). Inflammatory neuropathies: update. Curr Opin Neurol 13:305–309. 5. Willison HJ, Veitch J (1994). Immunoglobin subclass distribution and binding characteristics of anti-GQ1b antibodies in Miller Fisher syndrome. J Neuroimmunol 50:159–165.
Klinische Untersuchung, Laktat im Serum, EKG, Herzecho, Herzmuskelbiopsie, ggf. Muskelbiopsie (Ragged-red-Fasern in der TrichromFärbung), genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatische Therapie. In einem Fall mitochondrialer Kardiomyopathie wurde über eine dramatische Besserung mit Rückbildung der Herzinsuffizienz unter Therapie mit dem Koenzym-Q10-Derivat Idebenon berichtet (6-[10hydroxydecyl]-2,3-dimethoxy-5-methyl-1,4Benzochinon).
Minimal-Mental-State-Test Definition International gebräuchliches ningmaß.
3
generalisierte Muskelschwäche mit Ateminsuffizienz manifestiert, kommen die Therapierichtlinien des Guillain-Barré-Strohl-Syndroms zur Anwendung.
Demenz-Scree-
Grundlagen
Maternal erbliche mitochondriale Erkrankung, u. a. durch Mutation an Position 3260 im tRNS-Leu Gen.
3
Einleitung Bei Kardiomyopathien werden zunehmend mi-
3
Definition
Testverfahren dienen vorwiegend der funktionalen Messung von Fähigkeiten und Defiziten von Patienten. Der Minimal-Mental-State-Test bietet quantifizierend die Erfassung schwerer kognitiver Defizite sowie die Einschätzung des Schweregrades einer Demenz. Innerhalb von 5–10 Minuten werden Fragen und Aufgaben in den Bereichen Orientierung, Aufmerksamkeit, Rechnen, Gedächtnis, Sprache, und Ausführung einer einfachen Handlung vorgegeben und zu einem Globalscore verrechnet. 3
MIMYCA (mitochondriale Myopathie und Kardiomyopathie)
Mirtazapin
Minor-Schweißtest
773
Mirtazapin
Synonyme
Synonyme
Thermoregulatorischer Schweißtest
Chemischer Name: 1,2,3,4,10,14b-Hexahydro2-methylpyrazino[2,1-a]pyrido [2,3-c][2]benzazepin
Grundlagen Sudomotorischer Funktionstest: Die interessierende Region wird mit Jodlösung eingepinselt, mit Stärkepuder bestreut und erwärmt. Eine intakte Schweißsekretion ist anhand der Farbreaktion nachweisbar.
Zubereitungen Mirtazapin kann oral als Filmtablette oder intravenös als Injektionslösung verabreicht werden.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
„Mirror movements“ Synonyme Spiegelbewegungen
Definition Unwillkürliche Mitbewegungen einer Hand bei Willkürbewegung der anderen Hand.
Einleitung Im Kindesalter gelten Spiegelbewegungen bis zu einem Lebensalter von 10 Jahren als normal. Gelegentlich können diese Mirror Movements jedoch im Erwachsenenalter persistieren. Dies kann ohne weitere neurologische Symptome im Rahmen einer autosomal-dominanten Vererbung beobachtet werden. In Zusammenhang mit komplexen neurologischen Syndromen finden sich Mirror Movements beim sogenannten Kallmann-Syndrom, einer x-chromosomal vererbten Erkrankung mit Störungen des Geruchsinns und der hormonellen Steuerung der Genitalentwicklung. Beim Wildervanck-Syndrom, das mit Störungen des Innenohrs, der Augenbewegungen und mit Wirbelkörperfehlbildungen einhergeht, können ebenfalls Mirror Movements beobachtet werden. Außerdem treten zu einem gewissen Grad Mirror Movements, eher unspezifische Bewegungen, im Rahmen von Reorganisationsprozessen nach Schlaganfall und bei Patienten mit Hemidystonien auf.
Therapie Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt.
Mirtazapin® 30 mg/–45 mg Filmtabletten, Mirtazapin® 6 mg/2 ml/–15mg/5 ml Konzentrat. Remergil® Filmtbl., Schmelztbl., Lösg., Konzentrat.
Wirkungen Es handelt sich um ein noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum, das für alle Formen der Depression geeignet ist. Es wirkt depressionslösend, stimmmungsaufhellend und antriebsstabilisierend durch Steigerung der noradrenergen und serotonergen Neurotransmission. Die antidepressive Wirksamkeit wird über die gesamte Behandlungsperiode aufrechterhalten [1,2]. Auch bei mittelschweren bis schweren Depressionen zeigte sich Mirtazapin als sehr wirksam und war genauso wirksam wie Clomipramin [2]. Mirtazapin reduziert bei depressiven Patienten Angstsymptome, Schlafstörungen wie morgendliches Früherwachen. Auch Symptome wie kognitive Störungen, Retardierung und Melancholie werden durch Mirtazapin signifikant und ebenso gut wie durch Amitriptylin gemindert [2]. Klinische Wirksamkeit In zwei 6-wöchigen Studien zur Wirksamkeit bei älteren Patienten erwies sich Mirtazapin als wirksames Antidepressivum. Sowohl Mirtazapin als auch Amitriptylin zeigten eine günstige therapeutische Wirkung auf begleitende Angst und Schlafstörungen. Die mit Mirtazapin behandelten Patienten zeigten zu einigen Untersuchungszeitpunkten und am Endpunkt eine signifikant stärkere Abnahme der depressiven Symptomatik sowohl gegenüber der Trazodon-Gruppe als auch gegenüber den mit Plazebo behandelten Patienten [3].
M
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Mirtazapin
Pharmakologische Daten Pharmakodynamik Mirtazapin ist ein zentral wirksamer, präsynaptisch angreifender α2-Antagonist, der die zentrale noradrenerge und serotonerge Übertragung verstärkt, wobei die Verstärkung der serotonergen Übertragung spezifisch durch 5-HT1-Rezeptoren vermittelt wird, da 5-HT2- und 5HT3-Rezeptoren durch Mirtazapin blockiert werden. Die Histamin-H1-antagonistische Wirkung von Mirtazapin ist verantwortlich für seine sedierenden Eigenschaften. Mirtazapin wird im Allgemeinen gut vertragen. Es besitzt praktisch keine anticholinerge Wirkung und hat, in therapeutischen Dosen, nahezu keinen Einfluss auf das kardiovaskuläre System. Pharmakokinetik Bei oraler Gabe beträgt die Bioverfügbarkeit ca. 50%, wobei maximale Plasmaspiegel nach etwa 2 h erreicht werden. Die Plasmaproteinbindung von Mirtazapin beträgt ca. 85%. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 20–40 h, wobei gelegentlich auch längere Halbwertzeiten bis zu 65 h gemessen wurden. Kürzere Halbwertzeiten wurden bei jüngeren Männern gefunden. Die Eliminationshalbwertzeit rechtfertigt die Empfehlung zur Einmalgabe. Der Steady-State wird nach 3–4 Tagen erreicht, danach erfolgt keine weitere Akkumulation. Innerhalb des empfohlenen Dosisbereiches zeigt Mirtazapin eine lineare Kinetik. Die gleichzeitige Aufnahme von Nahrungsmitteln hat keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Mirtazapin. Biotransformation Mirtazapin wird überwiegend in der Leber metabolisiert und innerhalb von 3–4 Tagen über Urin (bis zu 85%) und Faeces (bis zu 15%) ausgeschieden. Die Biotransformation erfolgt hauptsächlich über Demethylierung und Oxidation, gefolgt von einer Konjugation. Da mehrere Enzyme (lsoenzyme P450-2D6, P450-1A2 und P450-3A4) an der Metabolisierung von Mirtazapin beteiligt sind, werden bei Patienten, denen das Enzym P450-2D6 fehlt, keine Probleme erwartet. Bei Leber- oder Niereninsuffizienz kann die Clearance von Mirtazapin um ca. 30–50% verringert sein [5].
Anwendungsgebiete Es zeigte sich, dass Mirtazapin bei verschiede-
nen Formen der Depression, so auch bei ängstlichen, verlangsamten und agitierten depressiven Patienten, wirksam ist. Nach Abklingen der akuten Symptomatik muss zur Rückfallprophylaxe das Antidepressivum für mindestens 6 weitere Monate und zum Teil sogar über Jahre hinweg eingenommen werden.
Dosierung/Anwendung Dosierung Es wird empfohlen, in den ersten Tagen der Mirtazapin-Behandlung 15 mg/d zu verabreichen, und dann auf 30 mg/d zu erhöhen. Bei zufriedenstellendem therapeutischen Ansprechen kann eine Dosis von 30 mg/d beibehalten werden. Bei Patienten ohne ausreichende Besserung kann nach 10 Tagen auf 45 mg/d erhöht werden. Mirtazapin-Tabletten sollten vorzugsweise abends als Einmaldosis oral eingenommen werden. Die wirksame Tagesdosis liegt zwischen 15 und 45 mg. Behandlungsdauer Die Behandlungsdauer für die akute Episode beträgt 6–12 Wochen. Danach sollte für mindestens 4–6 Monate Mirtazapin in der gleichen Dosierung oder auch zweimal täglich verabreicht werden, um in dieser vulnerablen Phase einen Rückfall zu verhindern (in Studien 50% Rückfälle nach der ersten depressiven Episode) und eine vollständige Remission zu erzielen. Danach kann die Dosis ausschleichend reduziert werden. Bei ausreichender Dosierung sollte sich innerhalb von 2–4 Wochen ein Therapieerfolg eingestellt haben. Anderenfalls sollte die Therapie abgebrochen werden. Überdosierung Die bisherigen begrenzten Erfahrungen mit der alleinigen Überdosierung von Mirtazapin Filmtabletten haben gezeigt, dass gewöhnlich nur milde Symptome auftreten. Berichtet wurde über eine Dämpfung des zentralen Nervensystems mit Desorientierung und verlängerter Sedierung, vernbunden mit Tachykardie und leichter Erhöhung oder Erniedrigung des Blutdrucks [4]. Bei Patienten, die eine Überdosis von Mirtazapin genommen haben, sollte der Magen entleert werden. Anschließend steht die symptomatische Behandlung eventuell gestörter Vitalfunktionen im Vordergrund.
Mitochondriale Enzephalomyopathie
Unerwünschte Wirkungen Die häufigsten als unter Plazebo aufgetretenen unerwünschten Wirkungen von Mirtazapin waren: Schläfrigkeit, Sedierung, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Mundtrockenheit, Ödembildung, gesteigerter Appetit und Gewichtszunahme [4]. Seltenere Nebenwirkungen sind: othostatische Hypotonie, Manie, epileptische Anfälle, Tremor, Myoklonien, Erhöhung der Transaminasen, Exantheme und Parästhesien. In klinischen Studien mit Mirtazapin Filmtabletten wurde ebenfalls vereinzelt über das Auftreten einer reversiblen Agranulozytose berichtet. Deshalb sollte bei Auftreten von Symptomen wie Fieber, Halsentzündung, Stomatitis oder andere Anzeichen einer Infektion die Behandlung sofort abgebrochen werden und ein Differenzialblutbild angefertigt werden.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Eine sorgfältige Dosierung und engmaschige Kontrollen sind notwendig bei Patienten mit Epilepsie und hirnorganischem Psychosyndrom. Die vorliegenden klinischen Erfahrungen mit Mirtazapin weisen darauf hin, dass unter Behandlung mit Mirtazapin selten Anfälle auftreten können. Weitere Beschränkungen bestehen bei Leber- oder Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen wie Erregungsleitungsstörungen, Angina pectoris und vorausgegangenem Herzinfarkt, Hypotonie. Achtung ist geboten bei Patienten mit Miktionsstörungen, wie z. B. bei Prostatahypertrophie, akutem Engwinkelglaukom und erhöhtem Augeninnendruck und Diabetes mellitus. Bei Auftreten von Gelbsucht sollte die Behandlung abgebrochen werden! Da noch keine Erfahrungen in der Behandlung von Kindern bestehten, sollte Mirtazapin in dieser Altersgruppe nicht verordnet werden.
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Erniedrigung der Plasmaspiegel um 45–60%. Wenn Carbamazepin oder ein anderer Stoff, der den Wirkstoffmetabolismus beschleunigt (wie z. B. Rifampicin oder Phenytoin), während der Behandlung mit Mirtazapin zusätzlich angewendet oder abgesetzt wird, muss die Mirtazapin-Dosis gegebenenfalls angepasst werden. Die Bioverfügbarkeit von Mirtazapin wird um mehr als 50% erhöht, wenn gleichzeitig Cimetidin angewendet wird. Die Mirtazapin-Dosis muss gegebenenfalls erniedrigt werden, wenn eine gleichzeitige Cimetidin-Behandlung begonnen wird, und erhöht werden, wenn diese beendet wird.
Bewertung Insgesamt besteht eine gute Langzeitverträglichkeit, auch bei älteren Patienten. Es finden sich kaum serotonerge, anticholinerge und adrenerge Nebenwirkungen, eine gute kardiale Verträglichkeit und ein gutes Verträglichkeitsprofil im Vergleich zu anderen Antidepressiva.
Literatur 1. Bremner JD. A double-blind comparison of Org 3770, amitryptilin and placebo in major depression. J Clin Psych 1995; 56:519–525 2. Kasper S. Clinical efficacy of mirtazapine: a review of meta-analyses of pooled date. Int Clin Psychopharmacol 1995; 10 Suppl.4:25–35 3. Moffaert von et al. Mirtazapine is more effective than trazodone: a double-blind controlled study in hospitalized patients with major depression. Int Clin Psychopharmacol 1995; 10:3–9 4. Montgomery SA. Safety of mirtazapine: a review. Int Clin Psychopharmacol. 1995; 10 Suppl 4:37– 45. 5. Timmer CJ et al. Clinical pharmacokinetics of mirtazepine. Clin Pharmacokinet 2000; 38:461– 74.
Mischkollagenosen
Wechselwirkungen 3
Es besteht eine mögliche Verstärkung der zentral dämpfenden Wirkung von Diazepam und Äthanol. Vorsicht ist angebracht, wenn starke CYP3A4 Hemmstoffe, wie HIV Proteasehemmer, AzolAntimykotika, Erythromycin oder Nefazodon gleichzeitig mit Mirtazapin angewendet werden. Carbamazepin erhöht die Mirtazapin-Ausscheidung um ca. das Zweifache mit der Folge einer
Sharp-Syndrom
Mitochondriale Enzephalomyopathie Definition Gruppe mitochondrialer Multisystemerkrankungen, die sich klinisch bevorzugt an Nerven-
M
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Mitochondriale Enzephalomyopathie
system, Auge, Skelett- und Herzmuskel manifestieren. Die aufgrund unterschiedlicher metabolischer Defekte kompensatorisch vermehrt gebildeten Mitochondrien führen zur charakteristischen Darstellung von Ragged-red-Fasern in trichromgefärbten Muskelgewebsschnitten.
Einleitung Mitochondrien sind endosymbiontische Zellorganellen, die die Metabolisierung von AcetylCoA (aus der oxidativen Decarboxylierung von Pyruvat aus der zytoplasmatischen Glykolyse bzw. aus der mitochondrialen β-Oxidation der Fettsäuren) mit 3 H2O im Zitratzyklus in Kombination mit der verzögerten Knallgasreaktion der Atmungskette oxidativ in 2 CO2 und 4 H2O katalysieren. Dabei wird Energie freigesetzt, die zur Bildung von 12 ATP-Molekülen genutzt wird. Defekte der Metabolisierung von Pyruvat bzw. Acetyl-CoA (Pyruvatdekarboxylasemangel, Atmungskettenenzymdefekte) gehen häufig mit einem „Anstau“ von Laktat einher. Daneben gibt es metabolische Erkrankungen der β-Oxidation oder des Fettsäuretransportes durch die innere Mitochondrienmembran (Karnitinmangel, Karnitin-Palmityltransferasemangel, AcylCoA-Dehydrogenasemangel). Seltener betref-
fen die Störungen Kofaktoren der Atmungskettenenzyme wie etwa Coenzym Q. Die Zelle versucht den Mangel durch Vermehrung der Zahl an Mitochondrien auszugleichen. Es muss daher ein erheblicher Anteil an metabolisch insuffizienten Mitochondrien vorliegen, bevor die Störung klinisch in Erscheinung tritt. Bei Defekten im Bereich der Atmungskette können Elektronenlecks entstehen, die zu vermehrter Bildung freier Sauerstoffradikale sowie Redox-Imbalance beitragen. Beide Mechanismen können zur Aktivierung der mitochondrialen Transitions-Permeabilitäts-Pore (MTPP) führen, an der unter anderem Caspasen beteiligt sind. Unkontrollierte Öffnung der MTPP führt zur Freisetzung von proapoptotischen Proteinen, die zum Zelltod führen können. Dies wirkt sich vor allem in Geweben mit eingeschränkter Regenerationsfähigkeit aus. Die Ursache für die unterschiedlichen Manifestationsformen verschiedener Mitochondriopathien sind unklar. Allerdings muss betont werden, dass es durchaus Überlappungen im Phänotyp der verschiedenen Erkrankungen gibt sowie verschiedene Phänotypen beim selben Genotyp. Mitochondrien werden mit dem Zytoplasma der Eizelle vererbt, also maternal. Allerdings sind einige mitochondriale Funktionen auch nukleär
Mitochondriale Enzephalomyopathie. Abb. 1: Mitochondriale DNA mit Genverteilung und Mutationen
Mitochondriale Erkrankungen
kodiert. Neben der Mehrzahl maternal vererbter Mitochondriopathien gibt es daher auch einige autosomale Mitochondriopathien.
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EKG- und Herzecho-Untersuchungen (z. B. Kearns-Sayre-Syndrom).
Prognose Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-Laktat in Ruhe und nach Belastung, Serum-CK, Elektromyographie und Muskelbiopsie. Ggf. respirometrische Untersuchungen und Erfassung verschiedener Enzymaktivitäten im Gewebe. Konzentration von Karnitin und Coenzym Q10. Genetische Untersuchungen.
Therapie Symptomatisch. In den seltenen Fällen eines definierten Mangels einer bestimmten Substanz ggf. Substitution (Karnitin, Coenzym-Q10). empirisch Bei Entwicklung von Herzrhythmusstörungen kommt ein Herzschrittmacher in Betracht (z. B. Kearns-Sayre-Syndrom).
Sehr abhängig von der jeweiligen Krankheit.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Spielt bei den Erkrankungen mit Rhabdomyolyse bei Ausdauerbelastung eine Rolle.
Mitochondriale Erkrankungen Synonyme Mitochondriale Sytemkrankheiten
Definition Heterogene Gruppe von Erkrankungen, bei denen ein Gendefekt über eine Funktionsstörung der Mitochondrien klinisch symptomatisch wird.
Nachsorge
Grundlagen
Je nach Art der Erkrankung ggf. jährliche
Mitochondrien sind Zellorganellen, die für den
M
Mitochondriale Erkrankungen. Abb. 1: Multiorganbeteiligung bei mitochondrialen Enzephalomyopathien
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Mitoxantron
Stoffwechsel und insbesondere die Bereitstellung von Energie für die Zelle in Form von ATP eine besondere Bedeutung haben. Es sind daher Gewebe und Organe betroffen, die einen erhöhten Energiebedarf haben. Dies sind zentrales und peripheres Nervensystem, Netzhaut, Muskel, Herzmuskel und Darm. Klinisch manifestieren sich mitochondriale Erkrankungen mit Symptomen dieser Organe. Genetische Mutationen können direkt zu Störungen des mitochondrialen Stoffwechsels führen. Dies ist z. B. der Fall bei Störungen des Fettsäurestoffwechsels, Fettsäuretransportstörungen ( Karnitinmangel, Karnitin-Palmityltransferase-Mangel), sowie bei Fehlfunktion von Atmungskettenenzymen direkt ( Leber hereditäre Optikusneuropathie (LHON)) oder indirekt als Folge des Mangels eines Kofaktors, etwa Koenzym-Q10. Globalere mitochondriale Funktionseinbußen resultieren aus Mutationen nukleärer Gene, die das Ablesen oder die Reparatur mitochondrialer DNS betreffen, wie etwa beim CockayneSyndrom mit der Fehlfunktion einer Helicase. Beim MNGIE-Syndrom mit fehlender Aktivität einer nukleär kodierten Thymidinphosphorylase finden sich multiple mt-DNS-Deletionen. Multiple Deletionen sind auch die Grundlage vieler Fälle von CPEO und Kearns-Sayre-Syndrom. Eine singuläre mtDNS-Deletion wird beim Pearson-Syndrom gefunden. Die Mehrzahl der mt-DNS-Mutationen beeinträchtigt die Translation, also die Proteinbiosynthese, und zwar über veränderte tRNS ( MELAS, MERRF, MIMYCA). Eine weitere Quelle für mitochondriale Fehlfunktion geht auf einen verminderten Gehalt von ATP (NARP, z. B. Leigh-Erkrankung) oder GTP ( Kjer-Syndrom) zurück aufgrund einer verminderten oder fehlenden Aktivität der ATPase oder GTPase. In der Regel unterscheiden sich die Phänotypen bei den verschiedenen Genotypen deutlich. Es kommt aber durchaus zu Überschneidungen und teilweise auch zu Phänotypen, die eher einem anderen Genotyp zuzuordnen wären. Die Ursache für die phänotypische Verschiedenheit der Mitochondriopathien ist ebenso offen wie die Ursache für phänotypische Überschneidungen bei unterschiedlichen Genotypen. Durch den punktuell oder global beeinträchtigten Mitochondrienstoffwechsel kommt es meist zu einer diagnostisch wegweisenden Akkumulation von Laktat, die im Blut teilweise erst
nach Belastung evident wird. (Fahrradbelastungstest). Die Zahl der Mitochondrien ist vermehrt, um den Mangel an Energie partiell zu kompensieren. Diese Vielzahl an Mitochondrien, die in der Gomori-Trichrom-Färbung das Bild von Ragged-red-Fasern ergibt, ist ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer Mitochondriopathie. Je nach genetischer Ursache sind alle Mitochondrien in ihrer Funktion gestört oder es liegen veränderte und normale Mitochondrien in Heteroplasmie vor. In diesem Fall bestimmt in der Regel der Anteil an nicht oder nur partiell funktionsfähigen Mitochondrien über die Ausprägung von Symptomen.
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Mitoxantron Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ralenova® (zur MS-Therapie); Novantron® 10 mg/5 ml/-20 mg/10 ml/-25 mg/12,5 ml/30 mg/15 ml; Onkotrone® (zur Tumortherapie).
Wirkungen Mitoxantron gehört zur Gruppe der Anthracendione. Für die Wirkung werden 3 Mechanismen postuliert: Interkalation von Mitoxantron mit der DNA, insbesondere bei hohen Konzentrationen und damit zu Doppelstrangbrüchen; bei niedrigen Konzentrationen Stabilisierung des DNA-Topoisomerase-I-Komplex und damit Schluss des geöffneten DNA-Stranges bei der Replikation und Einzelstrangbruch, schließlich vermehrte Produktion von freien Radikalen. Die Wirkung von Mitoxantron ist nicht zellzyklusspezifisch. Durch Hyperthermie kommt es zu einer Verstärkung der Zytotoxizität. Die Effekte auf das Immunsystem sind vielfältig: Induktion von Makrophagen, T-SuppressorAktivität; Inhibierung von B-,T-Helfer-Zellen und T-zytotoxischen Zellen. Eine Hemmung der Plättchenaggregation wird beschrieben.
Resorption Mitoxantron wird nicht oral resorbiert. Die maximale Plasmakonzentration wird nach wenigen Minuten erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt 78%. Hohe Konzentrationen werden in Leber, Pankreas, Schilddrüse, Milz und im Herz gefunden. In Leukozyten kann mehr als 14 Tage nach Applikation noch eine signifikante Menge von Mitoxantron nachgewiesen
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Mitoxantron
werden. Im Gehirn kommt nur eine kleine Menge von Mitoxantron an.
Elimination Mitoxantron hat eine Drei-Phasen-Elimination die α-Plasmahalbwertzeit beträgt 3–10 min, die β-Halbwertzeit 0–3,1 h und die γ-Halbwertzeit 3,9 h–12 Tage [1]. Mitoxantron kann zu 10%, davon 45% unverändert, im Urin 10–24 h nach Applikation gefunden werden. 25% werden im Gallensaft nach 4–6 h, 18% in dem Faeces nach 5 Tagen gefunden. Repetitive Gaben von Mitoxantron führen nicht zu einer veränderten Pharmakokinetik.
Anwendungsgebiete *
In der Onkologie Anwendung bei Mammakarzinom: Als Einzelsubstanz oder Kombination mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, oder Mitomycin C, Mitoxantron und Methotrexat (MMM-Protokoll). CMF (Cyclophosphamid, Mitoxantron, 5-Fluorouracil) gehört zu den Standardprotokollen bei der adjuvanten Chemotherapie oder der Behandlung des metastasierten Mammakarzi-
*
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noms. Non-Hodgkin-Lymphome: Als Einzelsubstanz oder als Kombination NOSTE (Prednimustin, Mitoxantron, Prednisolon). Akute myeloische Leukämie (AML): Vor allem in der Kombination mit Cytosinarabinosid (HAM). In der Neurologie Einsatz in der Eskalationstherapie der Multiplen Sklerose.
Dosierung und Art der Anwendung Siehe Tab. 1. Zur Therapie der MS Gabe von 12 mg/m2 Mitoxantron alle 3 Monate. Mitoxantron wird mit NaCl 0,9% oder Glukose 5% verdünnt und langsam über 3–30 min i. v. gegeben. Zur Dosierungsanpassung nach Leukozytenzahl siehe Tab. 2.
Unerwünschte Wirkungen Die Myelosuppression (Leukopenie, Thrombozytopenie) mit einem Nadir nach 10–14 Tagen ist die dosislimitierende Toxizität. Übelkeit und Erbrechen treten häufig auf. Es kann zu einer Stomatitis kommen. Akute Nebenwirkungen
M Mitoxantron. Tab. 1: Praktische Empfehlungen zum Vorgehen bei MS-Therapie (nach [2]) Einschlusskriterien
1. Hochaktiver, schubförmiger Verlauf mit 2 Schüben/Jahr und/oder Progression der EDSS 1 mit oder ohne vorangegangene Immuntherapie (Azathioprin, Interferon-beta). 2. Fehlende Kontraindikationen: Vorbestehende Myelinsuppression, kardiale Vorerkrankungen, stattgefundene Anthracyclintherapie oder mediastinale Radiatio, LVEF <50%, potentiell kardiotoxische Komedikation (z. B. Lithium), Schwangerschaft oder Stillzeit, relative Kontraindikation bei eingeschränkter Leberfunktion.
Therapieschema
1. Mitoxantron 10 mg/m2, gelöst in 250 ml NaCl-Lösung i. v. 2. Prophylaktische Antiemese vor Mitoxantrongabe. 3. Vor Therapiebeginn: Blutbild, Leberwerte, Kreatinin, Urinstatus, Röntgenthorax, EKG, Echokardiographie, Schwangerschaftstest. 4. Nach Infusion: Regelmäßige Blutbildkontrollen (alle 3–4 Tage) bis zum Erreichen des Leukozytennadir 10–14 Tage nach Infusion und Dokumentation des Wiederanstiegs der Leukozyten vor erneuter Mitoxantrongabe. 5. Dosismodifikation: Bei Leukozytennadir <2000/μl Dosisreduktion um 25%, wenn Leukozyten <500/μl am Tag der Gabe Aufschub bis zur Leukozytennormalisierung. 6. Zur Induktion Infusionen zunächst 3mal in 4-wöchentlichen Abständen, dann 3-monatliche Erhaltungstherapie. 7. Maximaldosis: 160 mg/m2 KOF.
Begleitende Maßnahmen
1. Symptomatische Antiemese. 2. Gegebenenfalls Behandlung einer sekundären Amenorrhoe. 3. Kontrollechokardiographie in halbjährlichen Abständen bzw. nach Erreichen einer kumulativen Gesamtdosis von 80 mg.
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Mitralklappenprolaps
Mitoxantron. Tab. 2: Dosisanpassung von Mitoxantron (Ralenova®) nach [2] Ereignis
Dosisreduktion auf
Leukozytenzahl von 1,0–1,99×109/l und/oder Thrombozytenzahl von 25– 49×109/l in den 3 Wochen nach der letzten Infusion.
10 mg/m2
Leukozytenzahl <1,0×109/l und/oder Thrombozytenzahl <25×109/l in den 3 Wochen nach der letzten Infusion.
8 mg/m2
Leukozytenzahl von 3,0–3,99×109/l und/oder Thrombozytenzahl von 75– 99×109/l in der Woche vor geplanter Infusion.
9 mg/m2
Leukozytenzahl von 2,0–2,99×109/l und/oder Thrombozytenzahl von 50– 74×109/l in der Woche vor geplanter Infusion.
6 mg/m2
Leukozytenzahl von <2,0×109/l und/oder Thrombozytenzahl <50×109/l in der Woche vor geplanter Infusion.
Keine Infusion
Nichthämatologische Toxizität entsprechend WHO-Grad 2 oder 3
10 mg/m2
Nichthämatologische Toxizität entsprechend WHO-Grad 4
Keine Infusion
können selten Rhythmusstörungen und transiente EKG-Veränderungen sein. Bei einer kumulativen Gesamtdosis von mehr als 160 mg/m2 kommt es häufig zum Auftreten einer kongestiven Kardiomyopathie. 30% der Patienten haben eine reversible komplette Alopezie. Es kommt zu einer Verfärbung von Urin, selten auch der Skleren. Bei Paravasaten kommt es zu ausgedehnten Hautnekrosen. Leukämien als Spätfolge einer Behandlung mit Mitoxantron sind beschrieben.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Mitoxantron darf bei Patienten mit Herzinsuffizienz nur nach strenger Indikationsstellung und unter kardiologischer Überwachung eingesetzt werden. Während der Behandlung mit Mitoxantron und für eine weitere Zeit darüber hinaus muss eine wirksame Kontrazeption durchgeführt werden. Mitoxantron darf nicht in der Schwangerschaft und der Stillzeit verwendet werden.
Wechselwirkungen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind nicht bekannt.
Literatur 1. Faulds D, Balfour JA, Chrisp P, Langtry HD (1991). Mitoxantrone. A review of its pharmacodynamic and pharmacokinetic properties and therapeutical potential in the chemotherapy of cancer. Drugs 41:400–449. 2. Hartung HP, Gonsette R, König N et al. (2002) The Mitoxantrone in Multiple Sclerosis Study Group
(MIMS). Mitoxantrone in progressive multiple sclerosis: a placebo-controlled, double-blind, randomised, multicentre trial. The Lancet 360:2018–25.
Mitralklappenprolaps Synonyme Barlow- oder Klicksyndrom, MKP
Definition Vorwölbung des hinteren oder beider Mitralsegel in den linken Vorhof während der systolischen Kontraktion des Ventrikels.
Einleitung Vorkommen: * Prävalenz 4–10%. * Familiäre Häufung. * Mehr Frauen als Männer betroffen. Klinische Bedeutung: * Häufig Zufallsbefund, bei klinisch aymptomatischen Patienten. * Oft hämodynamisch unbedeutend, sehr selten Mitralinsuffizienz. * Bei klinischer Symptomatik: Schwindel, Palpitationen durch ventrikuläre Extrasystolen oder paroxsysmale supraventrikuläre Tachykardien, selten: Angina pectoris-Anfälle.
MNGIE-Syndrom (myoneurogastrointestinale Enzephalopathie) *
Selten: Bei Mitralinsuffizienz: Arterielle (sehr selten zerebrale) Ischämien. Endokarditiden, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko für kardiogene Embolien darstellen.
Diagnostik Klinisch körperliche und apparative Untersuchungen: * Anamnese * Auskultationsbefund mit mesosystolischem Klick. * Bei Mitralinsuffizienz: Systolikum. * EKG: Häufig Erregungsrückbildungsstörungen. * Echokardiographie: Nachweis des Prolapses.
Therapie * *
*
Asymptomatische Patienten werden nicht behandelt. Symptomatische Therapie bei: Rhythmusstörungen (β-Blocker), AP-Beschwerden und Endokarditiden. Rezidivprophylaxe bei zerebralen Ischämien: In Einzelfallabwägung Thrombozytenaggregationshemmer oder Antikoagulation, Primärprophylaxe nicht sinnvoll.
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Definition Schädigung des Mittellhirnes unterschiedlicher Genese.
Grundlagen Bei der Untersuchung ist der Patient komatös. Durch Schmerzreize, aber auch spontan kommt es zu Strecksynergismen (=krämpfe). Dabei plötzliche Streckung des Rumpfes (Opistothonus) und der Extremitäten mit gleichzeitiger Adduktions- und Innenrotationsbewegung der Arme bei Pronation der Hände und Beugung der Finger. Pupillen ein- oder beidseits mittelweit, gelegentlich entrundet. Die spontanen Pendelbewegungen werden diskonjugiert; okulozephaler und vestibulookulärer Reflex nur schwach oder diskonjugiert auslösbar. Der Kornealreflex ist erhalten, der Würgereflex positiv. Der Muskeltonus ist erhalten, das Babinski-Zeichen beidseits positiv. Die Cheyne-Stokes-Atmung geht in eine Maschinenatmung über. Außerdem kommt es zu Blutdruckanstieg, Tachykardie und Hyperthermie. Hyperperistaltik der glatten Muskulatur hat unwillkürlichen Stuhlund Urinabgang zur Folge.
M Mittelohrclick-Syndrom
Bewertung 3
Prognose
3
Gilon et al. konnten 1999 zeigen, dass im Gegensatz zu früheren Auffassungen das Vorhandensein eines Mitralklappenprolapses nicht mit einem erhöhten Risiko für kardiogenembolische zerebrale Ischämien verbunden ist [1].
Myoklonus, Gaumensegelmyoklous/-tremor; Tremor, Gaumensegeltremor
MNGIE-Syndrom (myoneurogastrointestinale Enzephalopathie)
Meist gute Prognose.
Literatur 1. Gilon D, Buonanno FS, Joffe MM, Leavitt M, Marshall JE, Kistler JP, Levine RA (1999). Lack of evidence of an association between mitralvalve prolapse and stroke in young patients. N Engl J Med 341 (1):8–13.
Mittelhirnsyndrom Synonyme Mesenzephales Syndrom
Definition Autosomal-rezessive mitochondriale Erkrankung durch Mutationen im Gen der Thymidin-Phosphorylase (22q13.32qter).
Einleitung Seltene Krankheit, bei der eine schwere gastrointestinale Motilitätsstörung mit episodischer Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen auftritt mit nachfolgender Malabsorption. Ferner gehören eine externe Ophthalmoplegie, periphere Neuropathie, Myopathie mit Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung und Leukenzephalopathie zur Erkrankung. Patienten sterben in der
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Möbius-Syndrom
Regel im frühen bis mittleren Erwachsenenalter (25.–60. Lebensjahr). Multiple mt-DNS-Deletionen wurden in etwa der Hälfte der Fälle beobachtet. Die Ursache liegt bei der Mehrzahl der Patienten in der fehlenden Thymidin-Phosphorylase-Aktivität. Thymidin-Phosphorylase katalysiert die Phosphorolyse von Thymidin in Thymin und Desoxyribose-1-Phosphat. Die Veränderung des mitochondrialen Nukleosid- bzw. NukleotidPools ist wahrscheinlich Ursache einer gestörten DNS-Replikation oder Reparatur. In einzelnen Fällen wurden gastrointestinale Symptome auch bei anderen mt-DNS-Mutationen beobachtet, z. B. in der Position 3243.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Laktat im Serum, Muskelbiopsie (Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung), MRT des Schädels und genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatische gastroenterologische Therapie. Bislang keine Therapiestudien bei den relativ wenigen weltweit mitgeteilten Fällen.
Prognose Aufgrund der gastrointestinalen Symptome und Malabsorption längerfristig schlecht.
vergentem Strabismus und fazialer Diplegie vor.
Therapie Eine kausale Therapie besteht nicht.
Moclobemid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Aurorix® 150/300 Filmtbl., Moclix® 150/300 Filmtbl., Moclobemid AL 150/300 Filmtbl.
Wirkungen Moclobemid ist ein selektiver, reversibler Hemmstoff der Monaminoxidase A. Es ist 167-mal stärker gegen diesen Isoenzym-Typ wirksam als gegen den Typ B. Moclobemid wird daher zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Als Folge der Wirkung auf das Enzym steigen die Konzentrationen von 5-Hydroxytryptamin (5-HT, Serotonin), Noradrenalin und Dopamin im Gehirn an und fallen die Konzentrationen ihrer Metabolite. Mitbeteiligt an der Moclobemidwirkung ist eine stärkere cAMP-Bindung am cAMP-Rezeptor bzw. Proteinkinase A. Die Wirkung setzt gegenüber den trizyklischen Antidepressiva früher ein, ist weniger stark und der Wirkstoff ist verträglicher.
Resorption
Möbius-Syndrom Definition Ein- oder doppelseitige Lähmung der Hirnnerven Fazialis, Abduzens, Okulomotorius, Trochlearis und Hypoglossus, eventuell auch des Trigeminus, Vestibularis und Glossopharyngeus. Daneben können weitere Fehlbildungen, insbesondere des Gehörorgans, auftreten. Ätiologisch kommen Hypo- oder Aplasien im Kernbereich der befallenen Hirnnerven, neuronale Degenerationen oder fokale Nekrosen im Tegmentum der unteren Brücke in Frage. Gelegentlich wird ein familiäres Vorkommen beobachtet.
Diagnostik Klinisch liegt meist eine doppelseitige Abduzenslähmung mit intakter Vertikalmotorik, kon-
Die Aufnahme ist nach oraler Gabe schnell und vollständig, jedoch von einem erheblichen (hepatischen) first-pass-Effekt begleitet. Dadurch beträgt die Bioverfügbarkeit nur 54%. Die Proteinbindung liegt bei 50%. Die Halbwertszeit ist 1,6 h.
Elimination Nur 1% des zugeführten Moclobemids erreicht unverändert den Harn. Sonst wird Moclobemid vollständig in der Leber metabolisiert, was bei eingeschränkter Leberfunktion zur Dosisreduktion zwingt.
Anwendungsgebiete Zur Behandlung von Depressionen, insbesondere bei Therapieversagen klassischer Antidepressiva, bei agitiert-ängstlichen Depressionen, bei älteren Depressiven und bei depressiven Epileptikern. Zur Behandlung von Panikerkran-
Modafinil
kungen und Sozialphobien. Auch zur Behandlung von Parkinsonpatienten mit fluktuierender Symptomatik und zur Prophylaxe der Migräne und des Spannungskopfschmerzes.
783
dafinil steigert bei Narkolepsie und dem Fatiguesyndrom der MS die Vigilanz und Leistungsfähigkeit.
Anwendungsgebiete Dosierung und Art der Anwendung In der Regel sind Dosen von 450 mg/d üblich, seltener bis 600 mg/d. Als Alternative gilt die zweimalige Gabe von 150 mg/d.
Unerwünschte Wirkungen Moclobemid ist verträglicher als trizyklische Antidepressiva. Anticholinerge unerwünschte Wirkungen herrschen vor: Schlaflosigkeit (11,2%), Verwirrtheit (4,5%), trockener Mund (3,7%). Nausea kommt weniger häufig als bei SSRI vor. Eine Hypertension kommt vor, ist aber relativ unabhängig vom Verzehr von Tyramin. Eine Hypersexualität, exzessives Essen und Stimmungsänderungen sind selten. Gefährlich ist das Serotonin-Syndrom (siehe Wechselwirkungen), gegen das als spezifischer 5-HTAntagonist Cyproheptadin eingesetzt wird.
Wechselwirkungen Zusammen mit Clomipramin, mit SSRI und mit Venlafaxin kann ein Serotonin-Syndrom ausgelöst werden, das durch Stimulation zentraler 5HT1α- und 5-HT2-Rezeptoren zustandekommt und durch kognitive Veränderungen, autonome Instabilität und neuromuskuläre Abnormität (Tremor, Hyperreflexie, Myoklonus) ausgezeichnet ist. Weitere Interaktionen bestehen mit Warfarin und Tyramin. Als Hemmstoff des Cytochroms P450 2 D 6 vermag Moclobemid die O-Demethylierung von Dextromethorphan herabzusetzen. Zusammen mit Moclobemid steigen die Plasmakonzentrationen von Trimipramin oder Maprotilin an. Moclobemid kann die Wirkung des Alkohols und die topische Corticoidwirkung (bei Psoriatikern) verstärken.
Modafinil Zubereitungen Vigil® Tabletten; 1 Tbl. enthält: Modafinil 100 mg.
Wirkungen Modafinil ist ein α1-Adrenozeptoragonist. Mo-
Narkolepsie mit und ohne Kataplexie, Hypersomnie und Fatigue-Symptomatik der MS (Off label).
Dosierung und Art der Anwendung 2–4 Tbl. pro Tag als Einzeldosis morgens oder aufgeteilt (morgens und mittags) unzerkaut mit Flüssigkeit. Bei schwerer Leber-/Niereninsuffizienz Dosis halbieren. Btm-Pflicht!
Unerwünschte Wirkungen Häufig: Kopfschmerz. Gelegentlich: Nervosität, innere Unruhe, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Hautausschläge, Schwitzen, Muskelsteifigkeit (Hypertonus, selten Rigor), Muskeltremor, Zuckungen insbesondere der Gesichtsmuskeln (buccofasciale Dyskinesien), Hyperkinesien, erhöhte Krampfbereitschaft, Angst, Niedergeschlagenheit, Euphorie, Denkstörungen, Amnesie, Schläfrigkeit, Benommenheit, Sehstörungen, Kribbelgefühl, Mundtrockenheit, Bauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Obstipation, Erhöhung von Leberenzymen (alkalische Phosphatase, selten: SGOT, SGPT, im Einzelfall: γ-GT), Herzklopfen, Herzjagen, Hypertonie, Brustschmerz, Gefäßdilatation, Kraftlosigkeit. Selten: Gesichtsrötung, Juckreiz, unwillkürliche Muskelkontraktion, Störungen der Bewegungsabläufe, Persönlichkeitsveränderungen, Verwirrtheit, Antriebsund Teilnahmslosigkeit, aggressive Reaktionen, verändertes Träumen (u. a. Alpträume), Konjunktivitis, Tinnitus, unangenehmer Geschmack, Durst, Blähungen, Extrasystolen, Schwindel, Ohnmachtsanfälle, Atembeschwerden, Veränderungen in der Häufigkeit des Wasserlassens (insbesondere Harnverhalten), Urinveränderungen, Libidoabnahme, Menstruationsstörungen (in Einzelfällen: Amenorrhoe), Gewichtsveränderungen, Appetitzunahme. In Einzelfällen: Haarausfall, erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut, Urtikaria, wahnhafte Reaktionen, Geräuschempfindlichkeit, vermehrter Speichelfluss, Hyperbilirubinämie, Arrhythmien, Blutbildveränderungen (Eosinophilie, Leukopenie), Alkoholunverträglichkeit. Bei Intoxikation Erregung, motorische u. affektive Unruhe, Schlaflosigkeit. Erstversorgung
M
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Mogigraphie
mit stationärer Überwachung, Monitoring und Überwachung der kardiovaskulären Parameter für 48 h., ggf. provoziertes Erbrechen oder Magenspülung. Dialyse oder Änderung des UrinpH verstärkt Ausscheidung von Modafinil nicht. Positives Ergebnis bei Doping-Test möglich!
thia) multiplex vor. Diese ist einer der 3 klassischen Manifestationstypen einer Polyneuropathie. Wie bei der Mononeuritis ist die Genese meist entzündlich (häufig im Rahmen einer Vaskulits und/oder einer erregerbedingten Entzündung). Andere Ursachen (z. B. Bleivergiftung, Diabetes, Sarkomatose) kommen ebenfalls vor.
Gegenanzeigen
Trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, hormonale Kontrazeptiva (Wirkungsabschwächung).
Mogigraphie Schreibkrampf (mogi = erschwert, schmerzhaft)
Das klinische Bild einer Mononeuritis/Mononeuropathia entspricht dem Ausfallsmuster des entsprechenden geschädigten Nerven. Ist nur ein Nerv betroffen, so muss ätiologisch unbedingt eine isolierte Nervenschädigung (z. B. durch Druck im Rahmen eines Engpasssyndroms, durch ein Trauma oder eine Raumforderung) von einer beginnenden systemischen Erkrankung (häufig Vaskulitis) abgegrenzt werden, die sich zunächst nur in einem einzigen Nerven manifestiert. Bei einer Mononeuritis (Mononeuropathia) multiplex sind mehrere Nerven geschädigt, die meist einzeln abgrenzbar und weit voneinander entfernt sind. Liegt neben der Multiplexsymptomatik noch eine distal-symmetrische Schädigung vor, so spricht man von einer Schwerpunktpolyneuropathie. 3
Wechselwirkungen
Grundlagen
3
Behandlung mit Prazosin, Abhängigkeitserkrankungen in der Vorgeschichte (Alkohol, Medikamente, Drogen). Schwere Angstzustände (Ausnahme: Behandlung in Facheinrichtungen), schwere Leber-/Nierenerkrankungen, Hypertonie, Herz-/Kreislauferkrankungen
3
Literatur 1. Neundörfer B (1987) Polyneuritiden und Polyneuropathien. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim.
Mondor-Syndrom Oberflächliche Thrombophlebitis (insbesondere im Bereich der vorderen Thoraxwand, Extremitäten), die eine radikuläre Affektion vortäuschen kann.
Monoaminooxidase-Inhibitor
3
Parkinson-Syndrom, idiopathisches (Selegilin). Moclobemid
Mononukleose (PfeifferDrüsenfieber), Myelitis Enzephalitis, Epstein-Barr-Virus-Enzephalitis
(IPS)
3
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Morphin Mononeuritis/Mononeuropathia Definition Schädigung eines einzelnen Nerven im Rahmen einer Neuropathie als Grunderkrankung. Sind gleichzeitig mehrere verschiedene Nerven betroffen, liegt eine Mononeuritis (Mononeuropa-
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Kapanol® 20/5/100 mg Ret.kps.; M-dolor® 10/ 30/60/100 mg Ret.kps., Ret.tbl.; Morphin Merck 10/20/100 mg Ret.tbl., Tropfen; MST 10/20/30/60/100/200 mg Ret.tbl., Supp., Inj. lösg., Ret.granulat.
Morphin
Wirkungen Morphin wirkt analgetisch durch Interaktion mit Opioidrezeptoren im ZNS. Morphin bindet hauptsächlich an μ-Opioidrezeptoren. Die höchste Dichte der Bindungsstellen findet sich im limbischen System, Thalamus, Striatum, Hypothalamus, Mittelhirn und im Rückenmark. Die zellulären Wirkungen bestehen in der Beeinflussung der Freisetzung von Neurotransmittern wie Acetylcholin, Noradrenalin, Substanz P und Dopamin. Morphin hemmt spezifisch die Nozizeption. Es findet sich eine generelle, unspezifische Reduktion zentralnervöser Aktionen, die sich in einer Verminderung des Wachheitszustandes – Arousal und Vigilanz niederschlägt. Morphin und seine Analoga haben eine antitussive Wirkung, wahrscheinlich durch direkten Angriff am Hustenzentrum in der Medulla oblongata. Die antitussive Wirkung ist nicht an die atemdepressorische Wirkung gekoppelt. Morphin hat weitere zentrale Effekte wie Euphorie, Müdigkeit, Benommenheit und Miosis. Übelkeit und Erbrechen werden durch eine direkte Stimulation der Area postrema ausgelöst. Weiterhin ist das Auftreten einer Atemdepression typisch, die sich zunächst in einem Anstieg des arteriellen CO2 und der Reduktion des Atemzugvolumens, dann in einer Verminderung der Atemfrequenz zeigt, wahrscheinlich aufgrund einer verminderten Empfindlichkeit des Atemzentrums auf CO2. Kardiovaskuläre Reaktionen im Sinne einer orthostatischen Dysregulation werden beobachtet, deren Ursache in einem verminderten Ansprechen α-adrenerger Rezeptoren und daraus resultierender Bradykardie und peripherer Vasodilatation zu suchen ist. Im Gastrointestinaltrakt sind eine verminderte Peristaltik, die vor allem bei langanhaltender Behandlung mit Opioiden zur Obstipation führt und Spasmen des M. sphincter Oddi zu beobachten. Eine Zunahme des Tonus der Harnblasenmuskulatur kann zur Harnretention führen.
Resorption Morphin wird nach peroraler Gabe zwar schnell aber relativ schlecht resorbiert. Die stark variierende Bioverfügbarkeit beträgt 20–33%, da Morphin einem hohen First-pass-Metabolismus unterliegt. Morphin wird zu 35% an Plasmaproteine gebunden. Nach i. v. und i. m. Gabe werden ähnliche Plasmaspiegel erreicht. Nach s. c. Gabe liegen die Plasmakonzentrationen um
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die Hälfte niedriger. Nach epiduraler Applikation werden im Liquor 40–100-fach höhere Konzentrationen gemessen als im Plasma.
Wirkungsverlauf Nach s. c. Inj. von 10 mg setzt die Wirkung innerhalb von 15–30 min ein, etwas später nach p. o. Gabe. Der maximale Plasmaspiegel sowohl nach s. c. als auch nach i. m. Injektion wird nach 30 min erreicht. Ähnliche Zeiten sind auch nach epiduraler Injektion gefunden worden. Die Wirkdauer einer Einzeldosis von 10 mg s. c. wird mit 4–5 h angegeben.
Elimination Morphin wird hauptsächlich in der Leber durch Glucuronidierung inaktiviert und über die Galle und die Niere ausgeschieden. Einer der Hauptmetaboliten ist das inaktive Morphin-3-monoglucuronid. Der andere Hauptmetabolit, Morphin-6-Glucuronid, hat eine möglicherweise stärkere analgetische Wirkung als Morphin. Die Glucuronidspiegel sollen nach peroraler Gabe höher als nach parenteraler Gabe ausfallen. Morphin wird zu 8,5–12% unverändert über die Niere ausgeschieden. Während der ersten 24 h werden 90% des unveränderten Morphins und seiner Metaboliten eliminiert. Ein geringer Teil scheint einer enterohepatischen Zirkulation zu unterliegen. Etwa 7–10% einer Morphindosis verlassen den Organismus glucuronidiert über die Faeces. Die EliminationsHalbwertszeit beträgt altersunabhängig 2 (1,9– 2,6) h.
Anwendungsgebiete Morphin wird zur Behandlung akuter und chronischer schwerer Schmerzzustände eingesetzt, sofern sie auf Morphin reagieren. Zu den morphinbehandelten akuten Schmerzen gehört z. B. der Schmerz bei Herzinfarkt, wo neben der Analgesie die Reduktion der linksventrikulären Herzarbeit, die Verminderung des Gefühls der Atemnot und der Angst von Vorteil ist, weiterhin bei unfallbedingten und postoperativen Schmerzen. Zu den chronischen Schmerzzuständen, die mit Morphin behandelt werden, gehören in erster Linie Krebsschmerzen, aber auch Schmerzen nicht malignen Ursprungs wie schwere Wirbelsäulenschmerzsyndrome, der Phantomschmerz oder Schmerzen bei Querschnittslähmungen.
M
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Morphin
Dosierung und Art der Anwendung Bei akuten Schmerzen wird Morphin nach Bedarf gegeben, z. B. 10 mg s. c. Die Selbstapplikation durch einen Injektions-Automaten ist möglich. Bei chronischen Schmerzen muss Morphin nach einem festen Zeitschema so gegeben werden, dass der Patient nicht in eine erneute Schmerzphase kommt. Dies gebietet nicht nur die ethische Verpflichtung, sondern auch die Erfahrung, dass nur bei Einhalten eines festen Zeitschemas das Risiko der Abhängigkeit gering ist. Bei chronischer Anwendung müssen sich die Einzeldosen und das Dosis-Intervall nach der Schmerzintensität richten. Die perorale Gabe von Morphin als Retard-Präparat mit einem üblichen Dosis-Intervall von 6 h ist vorzuziehen. Bei alten Menschen und bei Leberinsuffizienz ist die Dosis zu reduzieren. Kinder erhalten 0,1–0,3 mg/kg KG alle 4 h. Viele Patienten profitieren von einer gleichzeitigen Gabe von Antiemetika und/oder Laxantien. Bei schwersten Schmerzen ist die epidurale oder intrathekale Infusion in Dosen von 0,5– 2,0 mg möglich. Abhängigkeitspotential Die kurzfristige Anwendung von Morphin ist ohne Risiko für die Entwicklung einer Abhängigkeit. Bei theraputischer Anwendung von Morphin bei chronischen Schmerzpatienten treten Toleranz und physische Abhängigkeit sehr selten auf. Psychische Abhängigkeit kommt nicht vor. Voraussetzung ist allerdings eine regelmäßige Gabe von Morphin mit möglichst gleichmäßiger Plasmakonzentration im analgetischen Bereich. Bei missbräuchlicher Anwendung, die meist mit starken Schwankungen der Plasmakonzentration erfolgt, sind dagegen Toleranz, physische und psychische Abhängigkeit häufig. Morphin unterliegt den Bestimmungen der BtmVV.
Unerwünschte Wirkungen Benommenheit und Beeinträchtigung des Sensoriums sind häufig. Bei 4–7% nach intrathekaler und 0,4% nach epiduraler Anwednung wird eine Atemdepression beobachtet. Morphin kann den intrakraniellen Druck erhöhen, was besonders bei Patienten mit Schädel-Hirntraumen gefährlich ist. Morphin führt häufig zu Übelkeit. Auch bei epiduraler oder intrathekaler Applikation trat in 15–17% Übelkeit auf. Leichte Bradykardien sind nicht ungewöhnlich.
Obstipation aufgrund von Störungen in der Peristaltik, Spasmen von Sphinkteren, Abnahme der gastralen, hepatischen und pankreatischen Sekretion sowie Zunahme der Wasserresorption ist ein Problem besonders bei der Langzeittherapie chronischer Schmerzen. Mundtrockenheit kann hinzutreten. Morphin verlangsamt die Entleerung der Gallenblase und führt zu Spasmen des Sphinkter Oddi. Diese Wirkungen können 4–6 h anhalten und sind durch Naloxon antagonisierbar. Durch eine gesteigerte Freisetzung von ADH kommt es zur Oligurie. Eine 12 h nach Therapiebeginn auftretende Harnretention findet sich bei 15–70% der Patienten. Die sexuellen Funktionen können bei Langzeitbehandlung gestört sein. Allergische Reaktionen sind eher selten. Gelegentlich beobachtet man exzessives Schwitzen. Ein Pruritus ist nicht ungewöhnlich und kann selbst bei epiduraler Gabe von Morphin aufteten. Obwohl Morphin als Narkotikum schwere Vigilanzstörungen verursachen kann, zeigt es bei gut eingestellten chronischen Schmerzpatienten meist keine Beeinträchtigung des Reaktionsverhaltens und der Fahrtüchtigkeit.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Morphin ist bei Patienten mit bekannter Unverträglichkeitsreaktion oder einer akuten Atemdepression kontraindiziert. Vorsicht ist bei Patienten geboten, die andere, auf das ZNS sedierend wirkende Substanzen erhalten. Weitere (rel.) Kontraindikationen sind: Das Vorliegen eines Schädeltraumas, intracerebraler Läsionen oder ein erhöhter Schädelinnendruck; ein akuter Asthmaanfall; chronische obstruktive Lungenerkrankungen, Cor pulmonale, verringerte Vitalkapazität, Hypoxie oder Hyperkapnie; Hypotonie; Schwangerschaft; Vorhofflattern oder andere supraventrikuläre Tachycardien; Krampfleiden, schwere Leber- oder Niereninsuffizienz, Hypothyreose, M. Addison, Prostatahyperplasie; akute abdominelle Schmerzen, weil durch ihre Abschwächung möglicherweise die Diagnose erschwert würde. Auch bei epiduraler Gabe ist Vorsicht bei Patienten mit verminderter Atemfunktion geboten. Morphin erhöht den Gallengangsdruck, so dass mit einer Verschlechterung der Symptomatik bei Patienten mit Gallengangsleiden gerechnet werden muss.
Wechselwirkungen Morphin, i. m., reduziert wahrscheinlich über
Morvan-Erkrankung
eine Verminderung der Magenentleerung die Absorption peroral gegebenen Paracetamols. Die Nebenwirkungen von anderen Opioiden, Barbituraten, Neuroleptika, Inhalationsnarkotika können in Dauer und Schwere verstärkt werden. Die depressorischen ZNS-Effekte von Morphin werden durch Benzodiazepine wie Alprazolam verstärkt, ebenso durch Biperiden. Cimetidin verlangsamt die hepatische Metabolisierung und erhöht damit die Wirkung von Morphin. Kombinierte Gabe von Metoclopramid und einer Retardformulierung von Morphinsulfat führte zu einer schnelleren Sedierung. Symptome einer akuten Überdosis sind Atemdepression, Kollaps, Miosis, Hypothermie, Zyanose und möglicherweise Krämpfe. Die Atemdepression kann mit Beatmung und Gabe eines Antidots wie z. B. Naloxon, behandelt werden.
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Therapie gesichert In leichten Fällen kann eine Besserung durch Tragen von Schuheinlagen mit retrokapitaler Abstützung und durch vorübergehende Entlastung erreicht werden. In Frühfällen ist häufig eine wiederholte Infiltration von Anästhetikum und Steroiden von dorsal her in das Spatium interosseum wirksam. In einer Studie konnte hier bei 30% von 65 Fällen eine vollständige Beschwerdefreiheit, bei 50% eine deutliche Besserung erreicht werden [1]. Nach 2 Jahren waren noch 80% der Fälle nahezu vollständig geheilt. Beim Fortbestehen der Beschwerden muss das Neurom exzidiert werden. Dabei verlangt der dorsale Zugang etwas mehr Präparation, hat aber den Vorteil, dass die Fußsohle sofort wieder belastet werden kann. Beim plantaren Zugang besteht ein größeres Risiko einer Sekundärheilung.
Literatur
Morton-Metatarsalgie Definition Beschwerdebild, welches durch ein Neurom der Digitalnerven am Fuß zustande kommt. Pathogenetisch liegt ihm eine spindelige Auftreibung eines N. digitalis plantaris communis kurz vor seiner Aufzweigung in die Nn. digitales plantares proprii im 3. oder 4. Zwischenknochenraum zugrunde.
1. Greenfield J, Rea J, Ilfeld F (1984) Morton's interdigital neuroma. Indications for treatment by local injections versus surgery. Clin Orthop 185: 142–144.
Morvan-Erkrankung Synonyme HSAN II, hereditäre sensible und autonome Neuropathie Typ II, infantile Syringomyelie
Einleitung
Definition
Klinisch bestehen neuralgiforme, oft brennende Schmerzen an der Fußsohle, die meist am Köpfchen des III. und IV. Metatarsale und den entsprechenden Zehen zunächst beim Gehen auftreten, später aber auch als Dauerschmerz imponieren können und nach proximal ausstrahlen.
Hereditäre Neuropathie mit kongenitaler Entwicklungsstörung sensibler und autonomer Nerven. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv [1].
Diagnostik Auslösen eines intensiven Schmerzes durch Druck von der Sohle und Verschieben der Metatarsale-Köpfchen gegeneinander. Bestätigung der Diagnose durch diagnostische Blockade des plantaren Nerven mit Lokalanästhetikum an seiner Gabelungsstelle im 3. Interdigitalspalt von dorsal her.
Einleitung Die Symptomatik beginnt kongenital oder in der frühen Kindheit. Es bestehen Sensibilitätsstörungen für alle Qualitäten an oberen und unteren Extremitäten, außerdem Schweißsekretionsstörungen. Die Muskeleigenreflexe sind vermindert oder fehlen. Es kommt zu häufigen schmerzlosen Ulzerationen an den Akren und zu unbemerkten Frakturen.
Diagnostik Klinische und elektrophysiologische Diagnos-
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Moschkowitz-Syndrom
tik (sensible NLG mit fehlendem sensiblen Nervenaktionspotential, Thermotest), Schweißtest, Nervenbiopsie (fehlende myelinisierte Fasern und verminderte Zahl unmyelinisierter Fasern).
Therapie Eine kausale Therapie der Erkrankung besteht nicht. Es kann lediglich prophylaktisch versucht werden, Verletzungen und Verbrennungen zu vermeiden. Die Patienten müssen hierzu genau über Natur und Schwere der Erkrankung aufgeklärt werden. Im Gegensatz zur HSAN I ist auch auf einen Schutz der Hände zu achten [1].
Klinische Symptomatik: Thrombozytopenie und dadurch bedingte vermehrte Blutungsneigung, Petechien. * Hämolytische Anämie mit Fragmentozyten und Ikterus. * Nierenschädigung bis hin zum akuten Nierenversagen. * Neurologische Symptome: Ausbildung intrazerebraler Blutungen aufgrund vermehrter Blutungsneigung. *
Diagnostik * *
Prognose Die Vermeidung von Stressfrakturen, akralen Mutilationen und Infektionen an Händen und Füssen ist schwierig, insbesondere, weil aufgrund des kongenitalen Beginnes prophylaktische Maßnahmen meist zu spät greifen [1]. Die Erkrankung ist langsam progredient.
*
Anamnese: Infektassoziiert, Medikamente. Blut- und Knochenmarksuntersuchung: Nachweis von Fragmentozyten, Ausschluss anderer hämatologischer Erkrankungen. Bei neurologischen Symptomen zerebrale Bildgebung: Intrakranielle/intrazerebrale Blutung.
Therapie Literatur 1. Dyck PJ (1993) Neuronal atrophy and degeneration predominantly affecting peripheral sensory and autonomic neurons. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral Neuropathy. W. B. Saunders Company, Philadelphia, London, pp 1065–1093.
Moschkowitz-Syndrom
*
*
*
Kausal: Weglassen auslösender Medikamente, Therapie zugrundeliegender Erkrankungen. Symptomatisch: Thrombozytensubstitution prophylaktisch (bei Thrombozyten <10.000–20.000/μl) oder bei klinisch manifester Blutung (Thrombozytenzahlen <50.000/μl). Ggf. Immunsuppression, Steroide oder Plasmapherese.
Synonyme Thrombotisch-thrombozytopenische (TTP)
Purpura
Definition Mikroangiopathisch bedingte hämolytische Anämie mit Fragmentozyten und Thrombozytopenie.
Nachsorge Regelmäßige Blutbildkontrollen.
Prognose Unbehandelt hohe Letalität (bis zu 90%).
Einleitung Ätiologie: Unklar, evtl. medikamentös-toxisch-bedingt, z. B. Ticlopidin oder Clopidogrel (4 pro 1 Mio. Behandelte) oder postinfektiös. Vorkommen: Sehr selten. Pathologie: * Ausbildung von Mikrothromben, die Arteriolen und Kapillaren verstopfen. * Alle Organe können befallen sein, einschließlich zerebrale Gefäße.
Motoneuron Grundlagen 1. Motoneuron (zentrale motorische Bahn, Pyramidenbahn) und 2. Motoneuron (α-Motoneuron, peripher) bilden die motorische Bahn.
Mucopolysaccharidosen
und insbesondere des basalen Kollateralnetzes (Rete mirabilis). Kernspinangiographie: Nachweis größerer Gefäßverschlüsse und Kollateralen. Computer- und Kernspintomographie: Nachweis von Ischämien oder Blutungen, evtl. kortikale Atrophie. Doppler-/Duplexsonographie: Nachweis von Stenosen und Verschlüssen, jedoch kein spezifischer Befund, häufig eingeschränkte Reservekapazität.
Motorik/motorisch Definition Kortikal kontrollierte, willkürliche Bewegungsvorgänge.
* *
*
Moya-Moya-Erkrankung Überwiegend in Japan und Süd-Ost-Asien vorkommende Gefäßerkrankung, die das zerebrale Gefäßsystem betrifft und durch das Auftreten von Schlaganfällen schon im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter charakterisiert ist.
Einleitung Ätiologie: Unklar, familiäre Häufung beschrieben. Vorkommen: Die meisten Fälle sind in Japan und Korea beschrieben. Inzidenz: 1:1.000.000, Frauen häufiger betroffen. Altersgipfel: In der ersten sowie dritten und vierten Lebensdekade. Pathologie: * Intimaverdickung, Proliferation glatter Muskelzellen. * Betroffenene Gefäße: vor allem vorderer Anteil des Circulus Willisii, selten A. basilaris oder A. carotis externa. * Ausbildung eines intrakraniellen Kollateralgefäßnetzes im Bereich der Schädelbasis (Rete mirabilis). Klinik: * Zerebrale Ischämien (80%), vor allem Grenzzoneninfarkte sowie multiple subkortikale Endstrominfarkte. * Intrazerebrale Blutungen (bei Erwachsenen in 50% der Fälle). * Selten: Subarachnoidalblutung oder subdurales Hämatom. * Epileptische Anfälle. * Kognitive Störungen.
Diagnostik *
Konventionelle Angiographie (Goldstandard): Nachweis von Stenosen, Kollateralen
Therapie Operativ: Methode der Wahl, direkte und indirekte Bypassoperationen: z. B. extra-/intrakranieller Bypass.
Prognose *
Nach Bypassoperationen relativ gute Prognose. Günstigere Verlaufsform bei Manifestation im Erwachsenenalter.
*
MSL (multiple symmetrische Lipomatose) 3
Definition
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Multiple symmetrische Lipomatose, (MSL)
Mucopolysaccharidosen Synonyme Mukopolysaccharid-Speicherkrankheiten, MPS
Definition Gruppe (lysosomaler) Speichererkrankungen mit Mangel lysosomaler Glukosidasen oder Sulfatasen mit intrazellulärer Anhäufung von Mukopolysacchariden oder Glykosaminoglykanen.
Einleitung Den MPS gemeinsam sind Skelettveränderungen (Dysostosis multiplex), insbsondere des Schädels, häufig sind geistige Retardierung, Hepatosplenomegalie, Entwicklungsverzögerung, Anfälle, Herzinsuffizienz.
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Mucormykose
Diagnostik
Diagnostik
Nachweis der Metaboliten im Urin sowie des entsprechenden Enzymdefektes in Leukozyten.
Ursache der Paresen sind elektroneurographisch nachweisbare motorische Leitungsblöcke oder eine fokale temporale Dispersion. Die Leitungsblöcke bleiben bei dem chronischen Verlauf der Erkrankung über Monate oder Jahre, oft in gleicher Lokalisation und Ausprägung bestehen. Distal des Blocks sind die motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten unauffällig. Es sollte serologisch nach GM1- und GM2-Antikörpern gesucht werden.
Therapie Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Behandlung der Komplikationen.
Prognose Ungünstig, die Patienten sterben im Kindesoder Jugendalter an den Komplikationen seitens des Skelettes, an Herzversagen oder Aspirationspneumonien. Genetische Beratung ist erforderlich.
Mucormykose Pilzinfektionen des ZNS
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Multifokale motorische Neuropathie (MMN) Definition Immunvermittelte multifokal demyelinisierende motorische Polyneuropathie mit in 60–80% der Fälle nachweisbaren hohen IgM-Antikörpertitern gegen das Gangliosid GM1 und persistierendem Leitungsblock. Einige Patienten weisen zusätzlich leichte sensible Störungen auf (früher: Lewis-Sumner-Syndrom). Das Lewis-Sumner-Syndrom wird heute als MADSAM-(multifokale erworbene demyelinisierende sensible und motorische) Neuropathie bezeichnet.
Einleitung Im Gegensatz zur CIDP finden sich meist asymmetrisch verteilte progrediente und vorwiegend distal lokalisierte atrophische Paresen. Typischerweise sind oft die Arme und hier besonders der N. medianus und ulnaris betroffen. Häufig finden sich Faszikulationen und Myokymien, während Sensibilitätstörungen selten und dann nur diskret ausgeprägt sind. Der Spontanverlauf ist meist langsam progredient über Monate und Jahre, mit spontanen Besserungen und plötzlichen Verschlechterungen.
Therapie gesichert Hochdosierte intravenöse Immunglobulin(IVIG) Gaben als Basistherapie: 1. Zyklus mit insgesamt 2 mg/kg Körpergewicht auf 2–5 d verteilt, dann Dosistitration und Applikation von 400 mg/kg Körpergewicht in 4–6-wöchigen Abständen. Dabei hält die Wirkung der Immunglobuline meist für ca. 2 Monate an, sodass konsekutiv mehrere Zyklen erforderlich sind. Da bei einigen Patienten unter alleiniger IVIG-Gabe eine Progredienz der Symptome auftritt, wird die Kombination mit Cyclophosphamid (oral über Monate oder intravenös als Pulstherapie) empfohlen. Eine AzathioprinStudie ist geplant. unwirksam/obsolet Kortikosteroide und Plasmapherese sind meist unwirksam. Die MMN gehört zu einer der wenigen neuroimmunologischen Erkrankungen, bei der nach einer Kortikosteroid-Pulstherapie häufig eine transiente Verschlechterung der Beschwerden mit Zunahme der Paresen auftreten kann.
Nachsorge Länger als ein Jahr bestehende atrophische Paresen bilden sich in der Regel nicht mehr zurück. Der Anti-GM1-Titer korreliert oft mit dem klinischen Verlauf.
Literatur 1. Chaudry V, Corse AM, Cornblath DR, et al. (1993). Multifocal motor neuropathy: response to human immune globulin. Ann Neurol 33:237– 242. 2. Gold R, Toyka KV (2001). Immuntherapie neurologischer Erkrankungen. Uni-Med, Bremen.
Multiple Sklerose 3. Elliott Jl, Pestronk A (1994). Progression of multifocal motor neuropathy during apparently successful treatment with immunglobulin. Neurology 44, 967–968. 4. Feldman EL, Bromberg MB, Albers JW, Pestronk A (1991). Immunosuppressive treatment in multifocal motor neuropathy. Ann Neurol 30:397–410. 5. Meucci N, Cappellari A, Barbieri S, et al. (1997) Long term effect of intravenous immunoglobulins and oral cyclophosphamide in multifocal motor neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 63:765–769. 6. Nobile-Orazio E (1996). Multifocal motor neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 60:599– 603. 7. Nobile-Orazio E (2001). Multifocal motor neuropathy. J Neuroimmunol 115(1–2):4–18. 8. Pestronk A (1991). Motor neuropathies, motor neuron disorders, and antiglycolipid antibodies. Muscle & Nerve 14:927–936. 8. Pestronk A (1998). Multifocal motor neuropathy: diagnosis and treatment. Neurology 51, 22–24.
Multiple Sklerose Synonyme Enzephalomyelitis disseminata, MS
Definition Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronischentzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems mit Demyelinisierung und axonalem
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Schaden, und die häufigste Ursache bleibender Behinderung und vorzeitiger Berentung im jungen Erwachsenenalter. Weltweit sind etwa 1 Million, in Deutschland ca. 120.000 Menschen betroffen. In über 80% besteht initial ein schubförmigen Verlauf. Unbehandelt kommt es bei 40% der Patienten nach 10 Jahren zu einer sekundären Progredienz. Ein primär progredienter Verlauf ist selten. Die Diagnose einer Multiplen Sklerose kann gestellt werden, wenn beim ersten Krankheitsschub der Liquor MS-typische Veränderungen (intrathekale IgG-Synthese) zeigt und in der MRT zeitlich und räumlich disseminierte entzündliche Herde vorhanden sind, wovon mindestens einer Gadolinium anreichert (McDonald-Kriterien).
Diagnostik Multimodal evozierte Potentiale (VEP, SSEP, MEP, AEP) und kranielle Magnetresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittel (Gadolinium); bei Verdacht auf spinale Beteiligung auch zervikothorakale MRT. Liquoruntersuchung mit Zytologie, Nachweis oligoklonaler IgG-Banden im Liquor und Antikörper-Synthese-Index (ASI) für neurotrope Viren (Masern, Röteln, Zoster). Differenzialdiagnostisch müssen chronisch-infektiöse Erkrankungen (Neurolues, Borreliose), Kollagenosen, Vaskulitiden und Sonderformen
Multiple Sklerose. Abb. 1: Schematische Darstellung eines MRT-Verlaufs
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Mitoxantron
RRMS
Geringe Reduktion von T2-Läsionen und Gd+
verzögertes Auftreten von Aktivität im MRT (ca. 6 Monate), Verringerung neuer Gd+ und hypointenser T1-Läsionen, geringer Effekt auf T2-Läsionslast
reduzierte MRT-Aktivität und Progression von Läsionsvolumen in T2, geringfügiger bzw. kein Effekt auf zerebrale Atrophie
SPMS
12 mg/m2 KOF i. v. progressive alle 3 Monate für 2–3 RRMS oder SPMS Jahre (bis zu 140 mg/m2 KOF maximale Kumulationsdosis)
Glatirameracetat GA (Copaxone®): 20 mg s. c. täglich
verringerte Aktivität und Zunahme von Läsionen in T2
Verringerung der Läsionslast und - aktivität
Effekte im MRT
RRMS
KIS IFN-ß1b (Betaferon®): 8 MIU s. c.alle 2d IFN-ß1a (Avonex®): 30 μg i. m. 1mal wöchentlich IFN-ß1a (Rebif®): 22 oder 44 μg s. c. 3mal wöchentlich
ß-lnterferone
MS-Verlaufsform
Präparate und Dosierung
Substanz
Effekt auf Zielparameter als Zusammensetzung mehrerer klinischer Parameter (EDSS, Zeitpunkt des ersten Schubes, Einsatz von Steroiden)
einzelne Zielparameter nicht validiert, geringe Patientenzahl, kumulative Kardiotoxizität, optimale Dosis noch unklar
MRT-Effekte geringer als bei den IFNs; Verzögerung im Auftreten der biologischen Wirkung, wahrscheinlich aufgrund des Wirkmechanismus
bisher noch unklarer Effekt auf Langzeitbehinderung, nur begrenzter Effekt auf Progression zerebraler Atrophie
geringe Reduktion der Schubrate, kein durchgehender Behandlungsvorteil auf Verlangsamung von Behinderung (abhängig von gemessenen Zielparametern) etwa 30% Reduktion der Schubrate, Wirkung auf Verlangsamung fortschreitender Behinderung noch unklar
unklarer Effekt auf den Grad der Langzeitbehinderung und die Korrelation mit MRTParametern
kurze Follow-up-Phase, Patienten nicht geblindet
Bemerkungen, Probleme
etwa 30% Reduktion von Schubrate, möglicherweise geringfügige Verlangsamung von Behinderung
verzögerter Übergang zu klinisch definierter MS
klinische Wirkung
Multiple Sklerose. Tab. 1: Zusammenfassung etablierter Therapien bei Multipler Sklerose nach [11]
792 Multiple Sklerose
Multiple Sklerose
entzündlich-demyelinisierender Erkrankungen (z. B. ADEM, Devic-Syndrom) ausgeschlossen werden. Beginn der Therapie, wenn bei Nachweis intrathekaler IgG Synthese und subklinischer Dissemination im MRT nach Ausschluss anderer Ursachen * sich eine funktionell deutlich beeinträchtigende Schubsymptomatik unter adäquater Schubtherapie innerhalb von 2 Monaten nicht ausreichend zurückbildet, * oder eine hohe Läsionslast (≥ 6 Herde) im kraniellen MRT vorhanden ist, * oder progrediente aktive Entzündungsherde im kraniellen MRT in einer Folgeuntersuchung innerhalb von 6 Monaten nachweisbar sind.
Therapie gesichert Beginn einer immunmodulatorischen Therapie mit einem rekombinanten Interferon beta-Präparat (Interferon beta-1b: Betaferon®, s. c. Applikationsform; Interferon beta-1a: Avonex®, i. m. Applikationsform, Rebif®, s. c. Applikationsform) oder Glatirameracetat (Copaxone®, s. c. Applikationsform) möglichst frühzeitig nach Diagnosestellung unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien. Vor Beginn der Therapie muss der Patient über die Wirkansätze und möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt und der Verlauf unter der Therapie dokumentiert werden. Bei begleitenden Autoimmunerkrankungen oder ablehnender Haltung gegenüber regelmässigen i. m./s. c. Injektionen Gabe von Azathioprin (z. B. Imurek®). Bei schweren lokalen Hautreaktionen unter s. c. applizierten Präparaten Umstellung auf Avonex® (i. m. Applikationsform) oder Azathioprin (z. B. Imurek®). Bei anhaltender oder zunehmender Krankheitsaktivität unter der begonnenen Basistherapie Umstellung auf ein höher dosiertes Betainterferon-Präparat oder eine andere verlaufsmodifizierende Therapie. Bei einer sekundär progredienten MS ist der Behandlungserfolg mit einem IFN-Präparat oder Glatirameracetat wahrscheinlicher, wenn noch eine klinisch, liquorchemisch oder kernspintomographisch fassbare entzündliche Krankheitsaktivität vorhanden ist. Bei rasch progredienter MS und drohendem Verlust der
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Gehfähigkeit bzw. sonstiger höhergradiger Behinderung Eskalationsbehandlung mit Mitoxantron. In speziellen Situationen (Wochenbett, interkurrente Infekte) kommt die Gabe von Immunglobulinen (IVIG) in Frage.
Nachsorge Fortführung der immunmodulatorischen Therapie unter neurologischer Kontrolle über mindestens 2 Jahre. Danach in Abhängigkeit von der individuellen Situation des Patienten (Kinderwunsch, Berufsplanung), wenn im Verlauf weiterhin ein Therapieeffekt nachweisbar ist und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen die Lebensqualität des Patienten einschränken. Symptomatische Therapie von Spastik, Blasenstörungen, Fatiguesymptomatik.
Prognose Der Verlauf der Erkrankung wird wesentlich von der initialen Entzündungsaktivität (Frequenz der Schübe, Zahl der MRT-Läsionen Läsionslast), der Rückbildungsfähigkeit der Symptome und dem frühen Auftreten motorischer oder zerebellärer Ausfälle (ungünstige Prognose) bestimmt. Eine primäre oder sekundäre Progredienz sind ebenfalls prognostisch ungünstig.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Verzicht auf Nikotin, Alkohol, Koffein. Reduktion von tierischem Eiweiß, mediterrane Küche. Stressreduktion, ggf. Entspannungstechniken.
Literatur 1. IFNB Multiple Sclerosis Study Group (1993). Interferon beta-1b is effective in relapsing-remitting multiple sclerosis. Neurology 43:655–61. 2. Jacobs LD, Cookfair DL, Rudick RA et al. (1996) Intramuscular interferon beta-1a for disease progression in relapsing multiple sclerosis. Ann Neurol 39:285–94. 3. PRISMS Study Group (1998). Randomised double-blind placebo-controlled study of interferon-1a in relapsing/remitting multiple sclerosis. Lancet 352:1498–1504. 4. IFNB Multiple Sclerosis Study Group, University of British Columbia MS/MRI Analysis Group (1995). Interferon beta-1b in the treatment of multiple sclerosis: final outcome of the randomised controlled trial. Neurology 45:1277–85. 5. European Study Group on interferon beta-1b in secondary progressive MS (1998). Placebo controlled multicentre randomised trial of interferon
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Multiple Sklerose, Ergotherapie
beta 1-b in the treatment of secondary progressive multiple sclerosis. Lancet 352:1491–7. 6. PRISMS-4 (2001). Long-term efficacy of interferon beta-1a in relapsing MS. Neurology 56:1628–36. 7. Jacobs LD, Beck RW, Simon JH et al and the CHAMPS Study Group (2000). Intramuscular interferon beta-1a therapy initiated during the first demyelinating event in multiple sclerosis. N Engl J Med 343:898–904. 8. Johnson KP, Brooks BR, Cohen JA et al. (1995) Copolymer-1 reduces relapse rate and improves disability in relapsing-remitting multiple sclerosis: results of a phase III multicenter, double-blind, placebo-controlled trial. Neurology 45:1268–76. 9. SPECTRIMS Study Group, Secondary Progressive Efficacy Trial of Recombinant Interferon beta-1a in MS (2001). Randomised controlled trial of Interferon beta-1a in secondary progressive MS: clinical results. Neurology 56:1496–504. 10. Hartung HP, Gonsette R, König N et al. The Mitoxantrone in Multiple Sclerosis Study Group (MIMS) (2002). Mitoxantrone in progressive multiple sclerosis: a placebo-controlled, doubleblind, randomised, multicentre trial. Lancet 360:2018–25. 11. Wiendl H, Lehmann HC, Hohlfeld R, Hartung HP, Kieseier BC (2003) Immunmodulierende Therapiestrategien bei der multiplen Sklerose. Akt Neurol 30:433–441.
Multiple Sklerose, Ergotherapie Synonyme Arbeits- und Beschäftigungstherapie
Definition Oberbegriff für arbeits- und beschäftigungstherapeutische Behandlung im Rahmen verschiedener medizinischer Disziplinen.
Grundlagen Das Therapieziel ist die Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung der Selbständigkeit des Patienten. Die vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen dienen damit als Anknüpfungspunkte und Ausgangsbasis der Ergotherapie. Die Ergotherapie hat die Aufgabe, in Ergänzung und enger Zusammenarbeit mit der Physiotherapie die Extremitäten, Feinmotorik, Sitzkontrolle, Wahrnehmung und Sensibilität funktional zu trainieren. Hinzu kommt die interdisziplinäre Behandlung von Kommunikationsstörungen, neuropsychologischen Störungen (z. B.
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen) sowie der große Bereich des Selbsthilfetrainings. Hierzu erfolgen funktionelle Übungsbehandlungen zur Erhaltung bzw. Wiedererlangung von Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL). Dazu zählen beispielsweise Wasch-, Anzieh-, Ess-, Trink-, Schreib- und Haushaltstraining. Die Erprobung und Anwendung von geeigneten Hilfsmitteln sowie die Übung im Umgang damit gehören ebenfalls zur Ergotherapie. Dies umfasst Anzieh-, Ess- und Küchenhilfen ebenso wie das Rollstuhltraining und die Beratung zur behindertengerechten Gestaltung der individuellen Wohn- und Arbeitssituation. Aufgrund des individuell sehr unterschiedlichen Krankheitsverlaufes der multiplen Sklerose ist im Rahmen der Ergotherapie eine rationale, patienten- und zielorientierte Therapieplanung von ganz besonderer Bedeutung. Durch die Förderung der Selbständigkeit ist die ergotherapeutische Intervention selbstwertunterstützend und stärkt damit immer auch die affektive Stabilität des Patienten.
Literatur 1. Hoffmann F (2002). Symptomatische Therapie. In: Schmidt RM, Hoffmann F (Hrsg.) Multiple Sklerose. Urban & Fischer München-Jena. S. 182–236. 2. Netz J, Hömberg V (2001). Ergotherapie bei Multipler Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. Multiple Sklerose. Kausalorientiert, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin New York, S. 317–323. 3. Petajan HJ, Grappmair E, White AT et al. (1996) Impact of aerobic training for fitness und quality life in multiple sclerosis. Ann Neurol 39:432–441.
Multiple Sklerose, Eskalationstherapie des schweren Schubes Synonyme Eskalationstherapie des schweren MS-Schubes, Eskalationstherapie des schweren Schubes bei Encephalomyelitis disseminata
Grundlagen In den letzten Jahren haben sich einige Studien mit der Frage beschäftigt, welche Therapiemöglichkeiten gewählt werden können, wenn ein schwerer Schub auf Kortikosteroid-Pulstherapie nicht ausreichend anspricht. In Auswertung dieser Studien schlägt die Mul-
Multiple Sklerose, Hirnstamm-Anfall
Eine klare zeitliche Vorgabe der einzelnen Schritte dieses Eskalationsdesigns ist wichtig, da ein wesentlicher prädiktiver Faktor für das Ansprechen auf die Plasmapherese deren früher Einsatz ist, möglichst innerhalb von 6 Wochen nach Beginn der Symptomatik. Inwieweit dieser Effekt auch durch die intravenöse Gabe von Immunglobulinen erreicht werden kann, ist Ge-
genstand derzeit geplanter Untersuchungen, die zur weiteren Standardisierung des Stufenkonzeptes der Schubbehandlung beitragen sollen. Bei schweren, protrahiert verlaufenden Schüben und anhaltender subklinischer Krankheitsaktivität kann von der o. g. Sequenz der einzelnen Therapieschritte abgewichen und gegebenenfalls schon frühzeitig mit einer immunsuppressiven Behandlung (z. B. Mitoxantron) begonnen werden. In jedem Fall sollte bei kompliziert verlaufenden Schüben das Behandlungsprozedere mit einem MS-Zentrum abgesprochen werden.
Literatur 1. Keegan M, Pineda A, McClelland R (2002). Plasma exchange for severe attacks of CNS demyelination: predictors of response. Neurology 58:143–146. 2. MS-Therapie Konsensus Gruppe (2002). Immunmodulatorische Stufentherapie der Multiplen Sklerose: Neue Aspekte und praktische Umsetzung, März 2002. Nervenarzt 73:556–563. 3. Oliveri R, Valentino P, Russo C et al. (1998) Randomized trial comparing two different high doses of methylprednisolone in MS. Neurology 50:1833–1836. 4. Weinshenker B, O’Brien P, Petterson T et al. (1999) A randomized trial of plasma exchange in acute central nervous system inflammatory demyelinating disease. Ann Neurol 46:878–886.
Multiple Sklerose, HirnstammAnfall Definition Durch Läsionen im Hirnstamm ausgelöste schmerzhafte einseitige Muskelverkrampfungen ohne Bewusstseinsverlust. 3
tiple-Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG) folgendes Vorgehen zur eskalierenden Schubbehandlung bei funktionell beeinträchtigenden Schüben (motorische, zerebellare oder Hirnstammsymptomatik sowie schwere Optikusneuritis) vor: 1. Nach standardisierter, quantitativer neurologischer Untersuchung (z. B. EDSS und MSFC), Ausschluss eines akuten Infektes und Beachtung der möglichen Kontraindikationen für eine Kortikosteroid-Pulstherapie wird die intravenöse MethylprednisolonPulstherapie möglichst innerhalb von 3–5 Tagen nach Beginn der klinischen Symptomatik mit einer Dosierung von je 1000 mg an 3 aufeinanderfolgenden Tagen begonnen. 2. Ausdehnung der Behandlungsdauer auf 5 Tage, falls keine eindeutige Rückbildungstendenz der Schubsymptomatik klinisch erkennbar ist. Eine orale Ausschleichphase ist individuell nach Verträglichkeit festzulegen und besonders bei Patienten mit noch nicht ausreichender Besserung der Symptome nach i. v.-Therapie anzustreben. 3. Erneute quantitative neurologische Untersuchung, etwa 2 Wochen nach Beendigung der Kortikosteroid-Pulstherapie. Bei ungenügender Besserung erfolgt eine erneute intravenöse Kortikosteroid-Pulstherapie ggf. auch mit erhöhter Dosis von bis zu 5×2 g Methylprednisolon. 4. Erneute quantitative neurologische Untersuchung, etwa 2 Wochen nach Beendigung der zweiten Kortikosteroid-Pulstherapie. Falls auch hierunter keine eindeutige Rückbildung der Schubsymptomatik eingetreten ist, sollte die Option einer Plasmapherese nach Rücksprache mit einem MS-Zentrum in Betracht gezogen werden. Bei kontinuierlicher Verschlechterung der Symptomatik trotz 5tägiger Kortison-Pulstherapie kann eine Plasmapheresebehandlung auch an Stelle einer Wiederholung der Kortikosteroid-Pulstherapie (Pkt. 3) in Erwägung gezogen werden.
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Einleitung Das typische klinische Bild eines sogenannten tonischen Hirnstammanfalls besteht aus schmerzhaft tonischen, stets halbseitigen und stets auf der gleichen Seite auftretenden Verkrampfungen der Muskulatur, gelegentlich auch einer Hemiataxie mit gekreuzten Sensibilitätsstörungen. Die Symptome dauern Sekunden bis wenige Minuten an und können mehrfach am Tag auftreten. Auslöser sind oft Lagewechsel und Hyperventilation. Das EEG zeigt keine Veränderungen. Seltener ist der partielle
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Multiple Sklerose, Logopädie
atonische Hirnstammanfall mit plötzlichem, aber lediglich lokalisierten Tonusverlust.
Differenzialdiagnose Ursächlich kommen neben der Enzephalomyelitis disseminata andere entzündliche Läsionen im Hirnstamms (v. a. bei jüngeren Patienten) und vaskuläre Läsionen im Hirnstamm (v. a. bei älteren Patienten) in Betracht. Selten sind Tumore die Ursache. Hiervon müssen psychogene Anfälle abgegrenzt werden (kraniales MRT, Liquordiagnostik).
Prophylaxe Therapie der Grunderkrankung, ggf. antikonvulsive Therapie.
Therapie Kausale Therapie (wenn möglich), prophylaktisch Carbamazepin 300 mg/die p. o.
ischen Fertigkeiten zu stärken, die der sprachlichen Kommunikation zugrunde liegen. Wenn die sprech- bzw. sprachliche Kommunikation auf mehr als 50% der Verstehbarkeit vermindert ist, sollten Kommunikationshilfen wie Buchstabentafeln bis hin zu Computern mit Sprachsynthese eingesetzt werden, die eine sprachliche Kommunikation unterstützen oder ganz ersetzen können. Im Falle einer ausgeprägten Immobilität können auch moderne Kommunikationsmittel wie das Internet verwendet werden. Die Behandlung von Dysphasien im Rahmen der MS (ca. 30%) erfolgt in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit insbesondere mit dem Neurologen, Physio- und Ergotherapeuten. Bei stärkeren Defiziten des Schluckvorganges (Cave: Stille Aspirationen!) kann nach apparativer Diagnostik (z. B. Videofluoroskopie) die Anlage einer temporären oder definitiven perkutanen Gastrostomie (PEG) zur Nahrungsaufnahme notwendig sein.
Literatur
Multiple Sklerose, Logopädie Synonyme Sprach- und Sprechtherapie
Definition Logopädie beschäftigt sich mit der Prävention sowie Diagnostik und Therapie von Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.
Grundlagen Im Vordergrund der Logopädie bei multipler Sklerose stehen sprach- und sprechtherapeutische Behandlungsstrategien, die sich nach der individuellen Ausprägung der Aphasie oder Dysarthrie sowie der Bereitschaft und Motivation des Patienten zur aktiven logopädischen Therapie richten. Dysarthrien kommen bei der MS im Vergleich zu Aphasien (meist Wortfindungsstörungen) wesentlich häufiger vor. Die Häufigkeit variiert zwischen 20% (klinischneurologische Untersuchung) und 62% (logopädische Testverfahren). Eine wesentliche Aufgabe des Logopäden besteht darin, die Folgen der pathophysiologischen Veränderungen auf die einzelnen sprechmotorischen Systeme zu identifizieren einschließlich der Phoniation, Atmung, Artikulation, Resonanz und Prosodie sowie die motor-
1. Achiron A, Ziv I, Djadetti R et al. (1992) Aphasia in multiple sclerosis: clinical and radiologic correlations. Neurology 42:2195–2197. 2. Hartelius I, Runmarker B Andersen O (2000). Prevalence and characteristics of dysarthria in a multiple sclerosis incidence cohort: relation to neurological data. Folia Phoniatr Logop 52:160– 177. 3. Schönle PW (2001). Logopädie bei Multipler Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. Multiple Sklerose. Kausalorientiert, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin New York. S. 317–323.
Multiple Sklerose, Physiotherapie und Krankengymnastik Synonym Physikalische Therapie
Definition Allgemeine Anregung oder gezielte Behandlungen gestörter physiologischer Funktionen mit verschiedenen physikalischen (wie Hydro-, Thermo-, Licht-, Elektro-, Klimatherapie), statisch-mechanischen (z. B. Massage) und dynamischen Kräften (wie Krankengymnastik, Hippotherapie).
Multiple Sklerose, Schub
Grundlagen Physiotherapie und Krankengymnastik sind ein entscheidender Eckpfeiler der ambulanten wie stationären Basisbehandlung von MS-Betroffenen. Sie haben in jedem Krankheitsstadium ihren Platz und sind an Bedeutung kaum zu überschätzen. Insbesondere in der symptomatischen Behandlung von Ataxien, Paresen, Spastik, Atem-, Blasen- und Gangstörungen sowie Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen nehmen sie eine zentrale Rolle im interdisziplinären Gesamtherapiekonzept ein. Die Therapieerfolge der Physiotherapie bei MS einschließlich der Langzeiteffekte konnten zwischenzeitlich durch eine Reihe von klinischen Studien gut dokumentiert werden. Therapieziele sind die Erhaltung der größtmöglichen Selbständigkeit der Betroffenen, das Entwickeln von kompensatorischen Funktionen und die Prophylaxe bzw. Beseitigung von sekundären Komplikationen wie Haltungsschäden, Kontrakturen, Dekubitus, Osteoporose etc. Im Vordergrund stehen aktive Therapiekonzepte, die in Form von neurophysiologisch fundierten Behandlungsmethoden (z. B. propriorzeptiver neuromuskulärer Fazilitation, Methoden nach Bobath, Vojta oder Brunkow) zur Anwendung kommen. Diese Methoden müssen an die Besonderheiten einer neurologischen Multisystemerkrankung wie der MS adaptiert werden. Die ausschließliche Beschränkung der Physiotherapie auf lediglich eine bestimmte Technik darf inzwischen als überholt angesehen werden, da oft nur die sinnvolle Kombination verschiedener Verfahren individuell zum Erfolg führt. Hilfreich kann die aktive Physiotherapie im Bewegungsbad (28–32°C) sein. Durch den natürlichen Auftrieb des Wassers ist eine aktive Beübung mit Stehen und Gehen auch bei Paresen der Beine möglich (Uhthoff-Phänomen). Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet der Physiotherapie stellt die optimale Auswahl und Anpassung von Hilfsmitteln dar. Eine Hilfsmittelversorgung nach dem Motto „soviel wie nötig und so wenig wie möglich“ ist bei der MS nicht als ausreichend zu betrachten, da bei vielen Entscheidungen die krankheitsspezifischen Schwankungen der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden müssen. Im Vordergrund sollte stets die Erhaltung und Förderung einer größstmöglichen Selbständigkeit stehen. Therapeutische Ziele können letztendlich nur erreicht werden, wenn auch die Hilfsmittelversorgung
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(wie Peroneusschienen, Unterarmgehstützen, Rollator, mechanischer Rollstuhl, Elektro- und Multifunktionsrollstuhl, elektrisch verstellbares Bett) optimal gelingt und eine möglichst gute Körpersymmetrie physiologische Bewegungsmuster erlaubt. Für Patienten, die nicht mehr aktiv stehen können, ist das Stehbett geeignet. Es kann stufenlos bis zur Senkrechte aufgerichtet werden und ermöglicht auch diesen Patienten, regelmäßig Rumpf-, Extremitäten-, Atemmuskulatur sowie den Kreislauf zu trainieren und beugt Kontrakturen, Dekubitus und Osteoporose vor.
Literatur 1. Alusi SH, Worthington J, Glickmann S et al. (2001). A study of tremor in multiple sclerosis. Brain 124:720–730. 2. Dettmers C (2001). Wohnortnahe Rehabilitation bei Multipler Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. Multiple Sklerose. Springer-Verlag, Berlin New York. S. 293–305. 3. Pöllmann W, Albrecht H, Wötzel C et al. (2001) Physiotherapie bei der Multiplen Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. Multiple Sklerose. SpringerVerlag, Berlin New York. S. 293–305. 4. Solari A, Filippini G, Gasco P et al. (1999) Physical rehabilitation has a positive effect on disability in multiple sclerosis patients. Neurology 52:57–62. 5. Thompson AJ (2000). The effectiveness of neurological rehabilitation in multiple sclerosis. J Rehabil Res Devel 37:455–461. 6. Thompson AJ (2002). Progress in neurorehabilitation in multiple sclerosis. Curr Opin Neurol 15:267–270. 7. Wiles CM, Newcombe RG, Fuller KJ et al. (2001) Controlled randomised crossover trial of the effects of physiotherapy on mobility in chronic multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 70:174–179. 8. Wötzel C, Wehner C, Pöllmann W et al. (2000) Therapie der Multiplen Sklerose. Ein interdisziplinäres Behandlungskonzept. 2. Aufl. Pflaum, München.
Multiple Sklerose, Schub Synonyme MS-Schub, Schub bei Encephalomyelitis disseminata
Definition Im Rahmen der neuen Diagnosekritierien nach McDonald [1, 2] wurde eine revidierte Defini-
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Multiple Sklerose, Schubtherapie
tion des Schubes erarbeitet. Demnach müssen neue oder bereits zuvor aufgetretene klinische Ausfälle und Symptome, die subjektiv berichtet oder durch die Untersuchung objektiviert werden können: * Mindestens 24 h manifest sein, * mit einem Zeitintervall von >30 Tagen zum Beginn des vorausgegangenen Schubes auftreten und * nicht durch Änderungen der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) oder im Rahmen von Infektionen erklärbar sein. Einzelne paroxysmale Episoden wie tonische Spasmen werden definitionsgemäß nicht als Schub eingeordnet. Multiple Episoden dieser Art mit einer Dauer von mehr als 24 h werden jedoch als Schub angesehen.
Literatur 1. McDonald W, Compston A, Edan G, Goodkin D, Hartung H, Lublin F (2001). Recommended diagnostic criteria for multiple sclerosis: Guidelines from the international panel on the diagnosis of multiple sclerosis. Ann Neurol 50:121–127. 2. MS-Therapie Konsensus Gruppe (2002). Immunmodulatorische Stufentherapie der Multiplen Sklerose: Neue Aspekte und praktische Umsetzung, März 2002. Nervenarzt 73:556–563.
lichkeit und Effektivität der intravenösen Therapie entschieden werden sollte. Die orale Hochdosistherapie mit 500 mg Methylprednisolon ist nach der bisher vorliegenden Studienevidenz eine mögliche Option in Situationen, in denen eine intravenöse Therapie nicht möglich ist.
Literatur 1. Kaufman DI, Trobe JD, Eggenberger ER et al. (2000) Practice parameter: The role of corticosteroids in the management of acute monosymptomatic optic neuritis. Neurology 54:2039–2044. 2. MS-Therapie Konsensus Gruppe (2002). Immunmodulatorische Stufentherapie der Multiplen Sklerose: Neue Aspekte und praktische Umsetzung, März 2002. Nervenarzt 73:556–563, 3. Sellebjerg F, Nielsen H, Frederiksen J et al. (1999) A randomized, controlled trial of oral high-dose methylprednisolone in acute optic neuritis. Neurology 52:1479–1484.
Multiple-Sklerose-Kriterien nach McDonald Synonyme Neue Multiple-Sklerose-Diagnosekriterien, Diagnosekriterien der Encephalomyelitis disseminata, McDonald-Kriterien.
Multiple Sklerose, Schubtherapie Definition Synonyme Therapie des MS-Schubes, Schubtherapie bei Encephalomyelitis disseminata
Grundlagen Angesichts der neuen Daten zu strukturellen Veränderungen, die darauf hindeuten, dass bereits beim ersten klinischen Schub axonale Schädigung (Magnet-Resonanz-Spektroskopie) und Atrophie („brain parenchymal fraction“) vorliegen können, kommt der konsequenten Schubbehandlung besonderes Gewicht zu. Als Standardtherapie des akuten MS-Schubes gilt die intravenöse Applikation von hochdosiertem Methylprednisolon. Vorzugsweise sollten je 1000 mg an 3–5 aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht werden. Zum oralen Ausschleichen liegen keine neuen evidenzbasierten Daten vor, sodass hier individuell nach Verträg-
Mit der Veröffentlichung der neuen Diagnosekriterien für die multiple Sklerose wird einerseits versucht, die Lücke in der unklaren Terminologie für die Diagnosefindung im Rahmen des ersten Schubes zu schließen [2, 3]. Begriffe wie „frühe MS“, „Prä-MS“ oder „klinisch isoliertes Syndrom“ brauchen daher in der diagnostischen Terminologie nicht mehr verwendet werden. Anhand der neuen Diagnosekriterien wird jetzt zwischen „MS“, „mögliche MS“ und „keine MS“ unterschieden. Andererseits werden die neuen diagnostischen Anforderungen für die Diagnosefindung einer primär chronisch-progredienten multiplen Sklerose in die allgemeingültigen Diagnosekriterien integriert [2, 4].
Grundlagen Siehe Tab. 1.
Multiple-Sklerose-Kriterien nach McDonald
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Multiple-Sklerose-Kriterien nach McDonald. Tab. 1: McDonald-Kriterien der Multiplen Sklerose Weitere erforderliche Kriterien
(Zahl der Schübe)
Klinisch objektivierbare Läsion
2 oder mehr
2 oder mehr
Keine; klinische Evidenz ausreichend. Cave: Zusätzliche Evidenz wünschenswert, die differenzialdiagnostisch mit MS vereinbar sein muss.
2 oder mehr
1
Räumliche Dissemination im MRTa oder positiver Liquorbefundc und 2 oder mehr MS-typische Läsionen im MRI oder weiterer klinischer Schub.
1
2 oder mehr
Zeitliche Dissemination im MRTb oder 2. klinischer Schub.
1 (monosymptomatische Präsentation)
1
Räumliche Dissemination im MRTa oder 2 und mehr MS-typische Läsionen im MRT mit positivem Liquorbefundc und zeitlicher Dissemination im MRTb oder 2. klinischer Schub.
0 (primär progredienter Verlauf)
1
Positiver Liquorbefundc und räumliche Dissemination im MRT >9 T2 Läsionen im Gehirn oder > 2 Läsionen im RM oder 4–8 Gehirn + 1RM-Läsionen oder positive VEPsd + 4–8 MRT-Läsionen oder positive VEPsd +> 4 MRT-Läsionen + 1 RM und zeitliche Dissemination im MRTb oder kontinuierliche Progression für 1 Jahr.
Klinische Präsentation
a Demonstration einer räumlichen Dissemination im MRT [1, 5]. Drei der folgenden 4 Bedingungen müssen erfüllt sein: 1 Gd-anreichernde Läsion oder 9 T2-hyperintense Läsionen, falls keine GD-anreichernde Läsion vorhanden ist; 1 oder mehrere infratentorielle Läsionen; 1 oder mehrere juxtakortikale Läsionen; 3 oder mehrere periventrikuläre Läsionen. Cave: 1 spinale Läsion kann 1 Hirnläsion ersetzen. b Zeitliche Dissemination im MRT [2]. Kontrastmittel aufnehmende Läsion >3 Monate nach klinischem Schub an anderer Lokalisation als vorangegangener Schub oder neue Kontrastmittel aufnehmende oder T2w-hyperintense Läsion in einem 2. MRI im Abstand von >3 Monaten. c Positiver Liquorbefund [2] liegt vor beim Nachweis oligoklonaler IgG-Banden im Liquor cerebrospinalis (nicht im Serum) oder eines erhöhten Liquor-IgG-Index. (Cave: Ausschluss anderer entzündlicher Erkrankungen.) d Pathologisch visuell evozierte Potentiale [2] liegen bei Multipler Sklerose vor, wenn bei gut erhaltener Wellenform sich eine Latenzverzögerung zeigt.
Literatur 1. Barkhof F, Filippi M, Miller D et al. (1997) Comparision of MRI criteria at first presentation to predict conversion to clinically definite multiple sclerosis. Brain 120:2059–2069. 2. McDonald W, Compston A, Edan G, Goodkin D, Hartung H, Lublin F (2001). Recommended diagnostic criteria for multiple sclerosis: Guidelines from the international panel on the diagnosis of multiple sclerosis. Ann Neurol 50:121–127. 3. Poser CM, Paty DW, Scheinberg L et al. (1983) New diagostic criteria for multiple sclerosis:
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Multiple symmetrische Lipomatose (MSL)
Multiple symmetrische Lipomatose (MSL) Synonyme Benigne symmetrische Lipomatose, Madelung´ scher Fettnacken, Adenolipomatose LaunoisBensaude, Madelung-Launois-Krankheit
Therapie von Alkoholabusus und metabolischem Syndrom.
Prognose Abhängig von Alkoholabusus und metabolischem Syndrom. Es wurde über eine erhöhte Rate plötzlicher Todesfälle berichtet, die mit der autonomen Neuropathie in Verbindung gebracht wurde.
Definition Klinische Entität, die durch symmetrische, diffuse Lipome im Bereich von Nacken, Schulter, teils auch in ventralen Halspartien, seitlichen und dorsalen Thoraxabschnitten, den Oberarmen und den Hüften charakterisiert ist.
Einleitung Eine relativ seltene Erkrankung des mittleren Lebensalters, die mehr Männer als Frauen betrifft, sehr selten Jugendliche. Sie tritt gehäuft nach längerem Alkoholabusus auf, bei Patienten mit metabolischem Syndrom und bei Tumoren von Lunge und Atemwegen. Bei einer Minderzahl an Patienten mit dieser Krankheit wurden mitochondriale Mutationen gefunden: die MERRF-Mutation 8344 oder multiple Deletionen. Ragged-red-Fasern fanden sich in einer Arbeit in 8 von 12 Patienten in Muskelbiopsien von Patienten mit MSL. Es ist gut bekannt, dass Alkohol zu vermehrtem oxidativen Stress in Mitochondrien führt und Apoptose begünstigt. Die Hauptdifferenzialdiagnosen sind Liposarkom und Morbus Cushing. Patienten mit multipler symmetrischer Lipomatose haben gehäuft eine Polyneuropathie. Es ist offen, ob diese nutritiv-toxischer, hyperglykämischer oder anderer Genese ist. Die Fettsäurefreisetzung aus dem betroffenen Fettgewebe ist eher vermehrt als vermindert und die Fettsäureoxidation ist normal. Die Fettzellen sind eher von kleinem Durchmesser.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Laborparameter des metabolischen Syndroms, Laktat im Serum, Oberbauchsonographie, Röntgen-Thorax, ggf. Muskelbiopsie und genetische Untersuchung auf die MERRF-Mutation und auf multiple mitochondriale Deletionen.
Therapie Symptomatische Therapie. Ggf. Fettabsaugung durch erfahrenen Operateur. Wichtig ist die
Diätetik/Lebensgewohnheiten Alkoholabstinenz.
Multisystematrophie (MSA) Synonyme Früher olivopontozerebellare Atrophie, jetzt MSA-C; striatonigrale Degeneration, jetzt MSA-P
Definition Der Begriff Multisystematrophie (MSA, englisch: multiple system atrophy) wurde von Graham und Oppenheimer [2] eingeführt. Nach Quinn [3] bezeichnet die MSA eine sporadisch auftretende Erkrankung, die sich klinisch durch jede Kombination von Symptomen und Zeichen auszeichnet, wie sie bei der ParkinsonKrankheit (Akinese, Rigor, Ruhetremor, gestörte Stellreflexe), bei Störungen des Kleinhirns, bei Störungen des autonomen Nervensystems oder der Pyramidenbahn zu finden sind. Die vorgeschlagenen klinischen diagnostischen Kriterien enthalten nicht mehr den Untertyp Shy-Drager-Syndrom (Pure autonomic failure, PAF). Nach den modernen Kriterien ist die Multisystematrophie (MSA) gegenwärtig folgendermaßen definiert [1]: 1. Diagnostische Kategorien * Mögliche MSA: Ein Kriterium plus zwei Charakteristiken aus zwei unterschiedlichen Domänen. Beim Parkinson-Syndrom qualifiziert ein schlechtes Ansprechen auf Dopa alleine als eine Charakteristik, sodass nur noch eine zweite Charakteristik notwendig ist. * Wahrscheinliche MSA: Kriterium vegetativer Störung plus wenig doparesponsives Parkinson-Syndrom oder zerebellare Störung.
Multisystematrophie (MSA) *
Sichere MSA: Nur bei pathologischer Bestätigung einer hohen Dichte von glialen zythoplasmatischen Einschlusskörpern zusammen mit einer Kombination degenerativer Veränderungen in den nigrostriären und olivopontozerebellaren Verbindungen.
a) Domäne 1: Vegetative Störungen * Orthostatische Hypotension (Fall >30 mmHg systolisch oder 15 mmHg diastolisch nach 3 min). * Incontinentia urinae oder unvollständige Blasenentleerung, alleine oder in Kombination mit einer erektilen Dysfunktion bei Männern. Das Kriterium für das Vorhandensein vegetativer Störungen gilt als erfüllt, wenn mindestens eines der beiden Items vorliegt. b) Domäne 2: Parkinson-Syndrom (Parkinsonismus) * Bradykinese. * Rigor. * Posturale Instabilität (nicht verursacht durch eine Störung der visuellen, vestibulären, zerebellaren, oder propriozeptiven Funktion). * Tremor (Ruhetremor, Haltetremor oder beides). Das Kriterium für das Vorhandensein eines Parkinson-Syndroms ist erfüllt, wenn Bradykinese und mindestens eines der weiteren Items vorhanden ist. c) Domäne 3: Zerebellare Störungen * Gangataxie. * Dysarthrie (ataktische). * Ataxie der Extremitäten. * Anhaltender Blickrichtungsnystagmus. Das Kriterium für das Vorhandensein einer zerebellaren Dysfunktion ist erfüllt, wenn eine Gangataxie und mindestens eines der weiteren Items vorhanden ist. d) Domäne 4: Störung des kortikospinalen Traktes * Positives Zeichen nach Babinski kombiniert mit pathologisch gesteigerten Muskeleigenreflexen. Pyramidenbahnzeichen zählen nicht als Kriterium für die Diagnose einer MSA.
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2. Ausschlusskriterien MSA * Beginn der Symptomatik vor dem 30. Lebensjahr. * Positive Familienanamnese. * Systemische Erkrankung oder andere identifizierbare Ursache der Symptome entsprechend der Domänen 1–4. * Halluzinationen, die nicht in Bezug zur Medikation stehen. * DSM-Kriterien für Demenz. * Sichtbare Verlangsamung der vertikalen Sakkaden oder vertikale supranukleäre Blickparese. * Zeichen einer fokalen kortikalen Dysfunktion, wie Aphasie, „alien limb“-Zeichen, parietale Dysfunktion. * Metabolische, molekulargenetische oder bildgebungstechnische Beweise für eine alternative Ursache der Symptome entsprechend der Domänen 1–4.
Einleitung Die Diagnose einer MSA wird klinisch wahrscheinlich, wenn zusätzlich zu den klinischen Zeichen eines Parkinson-Syndroms oder einer Kleinhirnfunktionsstörung autonome Störungen auftreten. Entsprechend sorgfältig sind in der Anamnese autonome Funktionsstörungen zu erheben. Nach Wenning und Quinn [4] zeigen im Initialstadium bis zu 41% der Patienten bereits autonome Störungen. Besonders wichtig ist die Frage beim Mann nach Erektionsstörungen bzw. bei der Frau nach Harninkontinenz. Weitere wichtige anamnestische Fragen betreffen die orthostatische Hypotension. Nicht nur zu Beginn, sondern auch im Spätstadium der Erkrankung kann die klinische Differenzialdiagnose der Multisystematrophie außerordentlich schwierig sein. Aufgrund der klinischen und pathologischen Daten zeigen 1/5 der Patienten mit neuropathologisch nachgewiesener Multisystematrophie alleine die Zeichen der Parkinson-Krankheit mit oder ohne autonomen Störungen. Im fortgeschrittenen Stadium präsentieren 1/4 bis 1/3 der Patienten sowohl Symptome eines Parkinson-Syndroms, einer Kleinhirnstörung als auch autonome Störungen. 1/5 zeigen die Kombination eines Parkinson-Syndroms mit Pyramidenbahnzeichen und autonomen Störungen.
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Multisystematrophie (MSA)
Differenzialdiagnose Aufgrund der operationalisierten Diagnosekriterien ist differenzialdiagnostisch an folgende Erkrankungen zu denken: Andere ParkinsonPlus-Syndrome, erbliche Ataxien, Störungen des autonomen Nervensystems. Die Abgrenzung zu dem idiopathischen Parkinson-Syndrom kann in den ersten Jahren der Krankheit besonders schwierig sein, weil in dieser Phase viele Patienten von dopaminerger Therapie noch profitieren. Bisher gibt es keine Untersuchungsmethoden, die hochspezifisch und/oder sensitiv für die Diagnose Multisystematrophie sind. Allerdings machen das Vorliegen einer Kombination von hypointenser Region im dorsolateralen Putamen und eines hyperintensen Saumes des lateralen Putamen im MRT und ein pathologisches Sphinkter-EMG die Diagnose der Multisystematrophie sehr wahrscheinlich, vorausgesetzt, die Diagnose „wahrscheinliche MSA“ (siehe oben) ist aufgrund einer sorgfältigen Anamnese und klinischen Untersuchung gestellt worden.
Therapie empirisch Im Gegensatz zu Patienten mit ParkinsonKrankheit reagieren über 60% der Patienten mit MSA nicht oder nur sehr gering auf eine Behandlung mit L-Dopa. Nach den operationalisierten Diagnosekriterien (siehe oben) wird das Nichtansprechen auf eine hochdosierte Dopa-Therapie (1000 mg/die) über einige Wochen untersucht. Etwa 30% der Patienten zeigen eine mittlere bis gute Antwort auf L-Dopa. 10% aller Patienten mit MSA berichten über eine exzellente Besserung der Symptome, wie sie nur bei der Parkinson-Krankheit beobachtet wird. Jede Art von Reaktion auf L-Dopa nimmt in der Regel jedoch über 1–2 Jahre ab. Im fortgeschrittenen Stadium der MSA zeigen nur noch 10% eine Antwort auf L-Dopa. Im Gegensatz zu Patienten mit Parkinson-Krankheit werden L-Dopa-induzierte unwillkürliche Bewegungen wie On-Phasen, Dyskinesien oder Off-Phasen, Dystonien nicht beobachtet. Andererseits gibt es MSA-P-Typ-Patienten, die auf niedrigste Dosen (z. B. 50 mg L-Dopa) mit ausgeprägten und atypischen (z. B im Gesicht) Dyskinesien/Dystonien reagieren. In sehr seltenen Fällen können MSA-Patienten, die nicht auf eine adäquate Dosis von L-Dopa und ohne Nebenwirkungen reagieren, eine ein-
deutige Antwort auf die Gabe von Bromocriptin oder andere postsynaptische Dopaminagonisten erfahren. Reagiert der Patient weder auf L-Dopa noch auf Dopaminagonisten, wird folgendes therapeutisches medikamentöses Vorgehen empfohlen: Gabe von Anticholinergika, Amantadinen, Budipin oder Antidepressiva. Die Dosierungen entsprechen denjenigen bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit üblichen Angaben. Bei all diesen Stoffgruppen ist der Effekt auf die autonomen Funktionen, die subklinisch bereits betroffen sein können, zu berücksichtigen. In der Regel zeigen Patienten nur eine geringe Verbesserung unter einer Mono- oder Kombinationstherapie mit den aufgeführten Präparaten. MSA-Patienten berichten nach Initiierung einer dopaminergen Medikation oft über das Auftreten bzw. eine Verschlechterung der posturalen Hypotension. In Einzelfällen kann dies die Medikamentendosis begrenzen. Elastische Stützstrümpfe, eine erhöhte Salzzuführung und wenn notwendig, auch die Gabe von Midodrin, Yohimbin oder Fludrocortison zur Nacht können diesen Nebeneffekt bzw. die Demaskierung einer bereits vorhandenen autonomen Störung mildern. Männliche Impotenz muss symptomatisch behandelt werden. Störungen der Harnentleerung beruhen auf komplexen zentralen und peripheren nervösen Störungen. Beim männlichen Geschlecht addiert sich noch eine Harnentleerungsstörung infolge eine Prostatahypertrophie. Bei weiblichen Patienten mit MSA können zusätzlich eine perineale Überdehnung sowie ein Uterus descensus vorliegen. Die Gabe von peripher wirksamen Anticholinergika kann das Ausmaß der Harninkontinenz verringern, führt jedoch andererseits zu einer Verstärkung einer Harnretention. Im fortgeschrittenen Stadium kann dann auf einen suprapubische oder transuretralen Dauerkatheter kaum verzichtet werden. Das Auftreten eines ausgeprägten Antekollis sowie eines respiratorischen Stridors sind Zeichen für dystone Phänomene. Hier hat sich im Einzelfall die symptomatische Behandlung mit Botulinumtoxin A bewährt. Die überwiegende Mehrzahl, 80% der MSA-Patienten verstirbt an einer Pneumonie. Angesichts der begrenzten, überwiegend enttäuschenden Möglichkeiten der Behandlung von Multisystematrophie-Patienten ist die Notwendigkeit von Begleitmaßnahmen zu betonen.
Muskelbiopsie
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Eine optimale Versorgung und Betreuung der Patienten in Form von Physiotherapie, Ergotherapeuten und Logopädie sowie die Hilfe von Sozialarbeitern sollte angestrebt werden. Auf Beratungsstellen für Harninkontinenz sollte hingewiesen werden. Die Verschreibung eines Rollstuhls ist nach 5 Jahren bei etwa 40% der Patienten erforderlich.
rung (durch eine vorangegangene Poliomyelitis bedingter) vorbestehender Paresen Jahrzehnte nach der Erstsymptomatik ( Postpoliosyndrom).
Literatur
Synonyme
1. Gilman S, Low PA, Quinn N, Albanese A, BenShlomo Y, Fowler CJ, et al. (1999) Consensus statement on the diagnosis of multiple system atrophy [see comments]. J Neurol Sci 163: 94–8. 2. Graham JG, Oppenheimer DR (1969). Orthostatic hypotension and nicot sensitivity in a case of multiple system atrophy. J Neurol Neurosurg Psychiat 32: 28–34. 3. Quinn N (1989). Multiple system atrophy - the nature of the beast. J Neurol Psychiat Suppl 52: 78–89. 4. Wenning GK, Quinn NP (1994). Multisystematrophy. Ann Neurol 21: 120–126. 5. Wenning und Quinn 1994
SMA
3
Muskelatrophie, spinale (SMA)
Einleitung Klinisch heterogene Gruppe von Erkrankungen, die als Folge eines selektiven Unterganges motorischer Vorderhornzellen und motorischer Kerngebiete des Hirnstamms auftreten. Von den häufigeren, meist autosomal-rezessiv vererbten proximalen SMA Typ I–IV (Inzidenz ca. 1:10.000) lassen sich die distale SMA sowie Formen mit speziellem Verteilungsmuster abgrenzen.
Diagnostik
Enzephalitis, Mumps-Enzephalitis
Muskelbiopsie,
Therapie Eine kausale Therapie existiert nicht. Symptomatisch: Krankengymnastische Therapie, orthopädische Hilfsmittel, ggf. Sondenernährung, Unterstützung der respiratorischen Funktion (analog zur unterstützenden Therapie bei der ALS).
Kongenitale Muskeldystrophie
3
Muskelatrophie Definition Rückbildung eines Muskels oder einer Muskelgruppe (meist neurogen, myogen oder durch Inaktivität).
Muskelatrophie, progressive, nach Polioinfektion Einleitung Seltene langsame, schmerzlose Verschlechte-
Muskelatrophie, spinobulbäre (SBMA) 3
3
Muskel-Augen-Gehirn-Erkrankung (MEBD)
EMG, Elektroneurographie, Molekulargenetik.
3
Mumps-Enzephalitis
Kennedy-Syndrom
Muskelbiopsie Die Muskelbiopsie ist ein operativer Eingriff, der zwar selten aber prinzipiell mit Komplikationen einhergehen kann. Bevor die Muskelbiopsie erwogen wird, sollte daher die übrige Diagnostik ausgeschöpft sein. Dazu zählen neben gründlicher Anamnese und klinischer Untersuchung vor allem die elektrophysiologi-
M
Muskeldystrophie
Bevor die Untersuchung durchgeführt wird, sollte gründlich abgewogen werden, ob man die Biopsie selbst durchführt oder ob man den Patienten in eine spezialisierte Klinik schickt. Wenn man die Biopsie selbst durchführt, sollte erwogen werden, wo die Biopsie am besten aufgearbeitet werden kann. Es kommt nicht so selten vor, dass Biopsien an einem Muskelzentrum erneut durchgeführt werden müssen, weil Muskelgewebe so fixiert wurde, dass es für immunhistologische, biochemische und genetische Untersuchungen ungeeignet ist. Auch kommt es nicht so selten vor, dass kein Muskelgewebe asserviert wurde für den Fall, dass eine neue Frage eine weitere Spezialuntersuchung an dem Gewebe erfordert. Beim Verschicken gefrorener Proben sollte der Transport schnell erfolgen und genügend Kühlmittel vorhanden sein, damit die Kühlkette intakt bleibt. Wie vor jedem anderen Eingriff am Patienten wird am Tag vorher ein Aufklärungsgespräch geführt, protokolliert und vom Patienten und vom Arzt unterschrieben. Die Muskelbiopsie erfolgt möglichst an einer kosmetisch wenig störenden Stelle aus einem klinisch leicht bis mäßig betroffenen Muskel, der in den letzten 6 Wochen nicht elektromyographisch untersucht wurde. Nach Hautdesinfektion wird ein Lokalanästhetikum subkutan injiziert, nicht in den Muskel. Die Haut wird längs zur Muskelfaserrichtung über 4–6 cm eröffnet. Nach Inzision der Faszie wird ein Muskelfaserbündel mit einer Stärke von etwa 0,3– 0,5 cm Stärke und 1,5–3 cm Länge stumpf längs gelöst und exzidiert. Bei entsprechender Länge kann das Exzidat mit einer Rasierklinge in zwei Teile zerlegt werden, z. B. um eine unterschiedliche Aufarbeitung vorzunehmen. Das oder die Teile, die für die Histologie tiefgefroren werden sollen, können auf Korkplättchen (2 mm x 1 cm) mit TissueTek so aufgelegt werden, dass die Fasern quer zum Korkplättchen liegen (damit später Faserquerschnitte gewonnen werden können). Das
Muskelgewebe wird auf der Unterlage in ein mit Isopentan gefülltes, in flüssigem Stickstoff stehendes Becherglas getaucht und für etwa 90 s in der Nähe der Eisschicht in Bewegung gehalten. Das Isopentan ist dann für das Einfrieren geeignet, wenn sich am Boden des Becherglases gefrorenes Isopentan mit einer Stärke von etwa 1 cm abgesetzt hat. Danach kann das Gewebe bis zur endgültigen Bearbeitung, z. B. in flüssigem Stickstoff aufbewahrt werden. Soll eine Formalin- bzw. Glutaraldehyd-Fixierung angestrebt werden, z. B. für die Elektronenmikroskopie, so kann man den Muskel schon bei der Entnahme mit Fäden anschlingen und an einem sterilen Holzstäbchen fixieren, Das Exzidat wird umgehend in die Fixierlösung getaucht. Die Befestigung mit einem Holzstäbchen beugt der Kontraktion vor und sorgt dafür, dass die Faserlängsstruktur erhalten bleibt.
Muskeldystrophie Definition Primär degenerative (nicht den Stoff- und Energiewechsel betreffende) hereditäre Myopathien. Der Begriff „Muskeldystrophie“ wird zunehmend durch genauere Termini ersetzt, etwa Dystrophinopathie, Nervosinopathie etc.
Einleitung Es sind eine Vielzahl an Defekten von Muskelstrukturproteinen bekannt, die eine Muskeldystrophie zur Folge haben. Die Mutationen betreffen die Gene für Dystrophin, Sarkoglykane, Dysferlin, Merosin, Fukutin, Integrin, Myotilin,Telethonin, Calpain und andere. Die verschiedenen Defekte sind mit ganz unterschiedlich ausgeprägten und einem breiten Spektrum an Verläufen versehenen Myopathien vergesellschaftet. Die Erkrankungen werden entsprechend dem defekten Protein benannt als Dystrophinopathie etc. Es gibt aber auch andere Mechanismen, die zur Muskeldystrophie führen. So sind die myotone Dystrophie und die okulopharyngeale Muskeldystrophie Trinukleotidexpansions-Erkrankungen. Klinisch kommt es zu progredienter Parese und Atrophie der betroffenen Muskulatur. Z. T. ist auch der Herzmuskel beteiligt. Bei einigen Muskeldystrophien kommt es zu diag3
schen Untersuchungen, klinisch-chemische und serologische Untersuchungen, evtl. die metabolischen Belastungstests sowie gegebenenfalls genetische Blutuntersuchungen.
3
804
Muskeldystrophie, okuläre
Therapie
Gliedergürteltyp der Muskeldystrophie
Muskeldystrophie, kongenitale („congenital muscular dystrophy“, CMD) 3
Klinische Untersuchung, CK, EMG, EKG, Herzecho, Muskelbiopsie, evtl. genetische Untersuchung.
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie, Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie
Muskeldystrophie, Gliedergürteltyp („limb-girdle muscular dystrophy“, LGMD) 3
Diagnostik
Muskeldystrophie, Emery-Dreifuss 3
nostisch wegweisenden Gelenkkontrakturen, z. B. bei der Emery-Dreifuss-Erkrankung. Weitere diagnostisch wertvolle Symptome sind Katarakt (myotone Dystrophie Typ 1 und 2) und Diabetes mellitus (myotone Dystrophie Typ 2). Elektromyographisch zeigt sich in der Regel ein myopathisches Muster. Histologisch besteht ein stochastisches Nebeneinander an hypertrophischen, normalen und untergehenden Muskelfasern sowie Fett- bzw. Bindegewebsvermehrung zwischen den Muskelfasern. Bei einer Reihe von Muskeldystrophien kann immunhistochemisch eine Verminderung bis hin zum Fehlen eines oder mehrerer Proteine, wie oben beschrieben, dargestellt werden.
805
Kongenitale Muskeldystrophie
Symptomatisch. Krankengymnastik. Gegebenenfalls kardiologische Therapie.
Gegebenenfalls kardiologische Verlaufsbeobachtung.
Prognose Abhängig von der jeweiligen Erkrankung.
Muskeldystrophie, LandouzyDéjérine (fazioskapulohumerale Muskeldystrophie) 3
Nachsorge
Fazioskapulohumerale (FSHD)
Muskeldystrophie
Diätetik/Lebensgewohnheiten Regelmäßige Übungen sind hilfreich. Die Muskulatur sollte aber auch nicht zu stark beansprucht werden.
Muskeldystrophie, CurschmannSteinert, myotone Dystrophie
Muskeldystrophie, okuläre Definition Primär degenerative (nicht den Stoff- und Energiewechsel betreffende) hereditäre Myopathien, die klinisch auf die äußeren Augenmuskeln beschränkt sind.
Einleitung Myotonie/myotone Syndrome, myotone Dystrophie Curschmann-Steinert
3
Muskeldystrophie, Duchenne (DMD) Muskeldystrophie, Typ Duchenne
Es handelt sich um eine umstrittene Entität. Die äußeren Augenmuskeln weisen eine Reihe von Besonderheiten auf, sodass es vorstellbar ist, dass ein weitgehend auf diese Muskeln beschränkter Proteindefekt auftritt. Eine solche Pathogenese ist für die wenigen mitgeteilten Fälle aber nicht nachgewiesen. In aller Regel handelt es sich um andere definierte Erkrankungen, bei denen die Augenmuskelbeteiligung evtl. ganz im Vordergrund steht. Dafür spricht,
M
3
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Muskeldystrophie, okulopharyngeale (OPMD)
dass mit den zunehmend besseren diagnostischen Möglichkeiten praktisch keine Fälle von okulärer Muskeldystrophie mehr mitgeteilt werden. Die Differenzialdiagnose ist breit und umfasst metabolische Myopathien (insbesondere Lipidstoffwechselstörungen), Mitochondriopathien (vor allem die chronische progressive externe Ophthalmoplegie), okulopharyngeale Muskeldystrophie, Myasthenia gravis, okuläre Myositis und andere.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, 3/s-Stimulation (N. fazialis, M. nasalis), Orbita-MRT, AchR-Ak, Ruhelaktat, Fahrradbelastungstest, Muskelbiopsie, evtl. genetische Untersuchung (Mitochondriopathien, okulopharyngeale Muskelbiopsie).
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, genetische UntersuchungIn Zweifelsfällen Muskelbiopsie, z. B. M. bizeps brachii; dystrophische Veränderungen, dark angulated fibres, rimmed vacuoles, tubuläre Filamente.
Therapie Symptomatisch. Lidraffung vorübergehend hilfreich. Bei Schluckstörungen kann eine Myotomie des oberen Oesophagussphinkters vorübergehend Besserung bringen. Evtl. PEG.
Prognose Abhängig von der Dysphagie.
Therapie Symptomatisch.
Prognose Abhängig von der jeweiligen Erkrankung.
Muskeldystrophie, Typ Becker Synonyme Muskeldystrophie, Typ Becker-Kiener
Definition
Definition Durch kurze GCG-Repeatverlängerung im Gen für das Poly-A-bindende Protein 2 (14q11.2q13) bedingte Erkrankung.
Einleitung Die Erkrankung ist zwar selten, wird aber häufiger diagnostiziert, seit ein Gentest verfügbar ist. Die Erkrankung beginnt mit einer allmählich zunehmenden bilateralen Ptose im mittleren bis höheren Lebensalter, meist zwischen 40. und 60. Lebensjahr. Im Verlauf entwickelt sich eine externe Ophthalmoplegie mit okulärem Retrokollis und Aktivierung des M.frontalis (Hutchinson-Trias) sowie eine Dysphagie. In der Regel treten im Verlauf proximal betonte Paresen und Atrophien hinzu. Die CK ist normal oder leicht erhöht. Das EMG zeigt meist myopathische Veränderungen, teils auch in Kombination mit neurogenen Veränderungen. Eine Muskelbiopsie ist in der Regel nicht nötig, da es einen aussagekräftigen Gentest gibt.
X-chromosomal-rezessive Dystrophinopathie. Der Unterschied zur bösartiger verlaufenden Duchenne-Muskeldystrophie ( Muskeldystrophie, Typ Duchenne) ist graduell. Der mildere Verlauf und die größere klinische Variabilität der Becker-Muskeldystrophie resultieren aus einer partiell erhaltenen Funktion des Dystrophins. 3
Muskeldystrophie, okulopharyngeale (OPMD)
Einleitung Die Erkrankung wurde von Becker und Kiener 1955 beschrieben. Wegen des Kontinuums mit der Duchenne-Muskeldystrophie ist es eigentlich sinnvoller von Duchenne/Becker Muskeldystrophie zu sprechen. Bei der Mehrzahl der Patienten sind Deletionen des Dystrophin-Gens nachweisbar. Die meisten Fälle manifestieren sich zwischen dem 4. und 19. Lebensjahr. Es sind aber Manifestationen bis hin zum 60. Lebensjahr beschrieben. Nicht selten ist die Herzbeteiligung mit Kardiomyopathie für die Prognose wesentlich. Aufgrund des Erbgangs tritt die Erkrankung nahezu ausschließlich bei Jungen bzw. Männern auf. Ganz selten ist eine Konduktorin klinisch wesentlich betroffen.
Muskeldystrophie, Typ Duchenne
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Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Evtl. genetische Untersuchung des Dystrophin-Gens.
Therapie Symptomatisch. empirisch Bei einigen Patienten haben Kortikosteroide einen deutlichen Nutzen. Bei Entwicklung einer Kardiomyopathie kommt eine Herztransplantation in Betracht.
Nachsorge Jährliche Herzecho-Untersuchungen zur Erfassung und Beobachtung einer Kardiomyopathie sind wichtig.
Prognose Aufgrund der großen Variabilität sehr unterschiedlich. Je später die Manifestation, desto besser die Prognose.
Muskeldystrophie, Typ Duchenne Synonyme
Muskeldystrophie, Typ Duchenne. Abb. 1: Klinisches Bild mit Hyperlordose, Scapulae alatae, vorgestrecktem Bauch, breitbeinigem Stand, atrophischer Oberschenkelmuskulatur und Pseudohypertrophie der Waden („Gnomenwaden“)
Duchenne Muskeldystrophie (DMD)
Definition X-chromosomal-rezessive Dystrophinopathie. Der Unterschied zur gutartiger verlaufenden Becker-Muskeldystrophie ( Muskeldystrophie, Typ Becker) ist graduell. Der bösartigere Verlauf der Duchenne-Muskeldystrophie resultiert aus dem völligen Fehlen des Dystrophins. 3
Einleitung Wegen des Kontinuums mit der Becker-Muskeldystrophie ist es eigentlich sinnvoller von Duchenne/Becker Muskeldystrophie zu sprechen. Bei der Mehrzahl der Patienten sind Deletionen des Dystrophin-Gens nachweisbar. Die meisten Fälle manifestieren sich beim Erlernen von Stand und Gang, also vor dem 3. Lj. Typisch sind Wadenhypertrophie, Hyperlordose im Lendenwirbelsäulenbereich, Gowers-Manöver beim Aufrichten, Scapula alata. Während die Reflexe im Bereich von Knie und Ellenbogen
früh erlöschen, sind die ASR meist lange erhalten. Etwa 70% entwickeln zwischen dem 6. und 10. Lj. Kontrakturen im Bereich der Beine sowie des Ellenbogens. Die Intelligenz ist in knapp der Hälfte der Fälle erniedrigt. Gehunfähigkeit tritt zwischen 8. und 15. LLj ein. 10% sterben an kardialen Komplikationen (Kardiomyopathie, Rhythmusstörungen). Der Tod tritt meist zwischen dem 18. und 25. Lj ein. Die CK ist deutlich erhöht. Das EMG zeigt myopathisch veränderte Muskelaktionspotentiale. In der Muskelbiopsie findet sich ein dystrophisches Bild mit Fehlen des Dystrophins in der Immunhistochemie. Eine pränatale Diagnostik ist in über 90% der Fälle möglich. Aufgrund des Erbgangs tritt die Erkrankung nahezu ausschließlich bei Jungen bzw. Männern auf. Ganz selten ist eine Konduktorin klinisch wesentlich betroffen.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektro-
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Muskelerkrankungen, Biochemie
myographie und ggf. Muskelbiopsie. Genetische Untersuchung des Dystrophin-Gens.
Therapie Symptomatisch. Physiotherapie einschließlich Atemtherapie. Ggf. orthopädische Maßnahmen bei Gelenkkontrakturen.
Bewertung Da auch einige der Konduktorinnen kardiale Symptome entwickeln, sollte diesen eine kardiale Verlaufsbeobachtung nahegelegt werden.
Prognose Schlecht. Bei Narkosen kann eine maligne Hyperthermie auftreten. Ferner ist möglichen kardialen Komplikationen im Rahmen der Muskeldystrophie Rechnung zu tragen.
Muskelerkrankungen, Biochemie Grundlagen Es werden je nach Zustand des Organismus eine (postprandiale) Resorptionsphase, Postresorptionsphase, akute motorische Belastung und Ausdauerbelastung unterschieden. * In der Resorptionsphase werden unter der Wirkung von Insulin die Speicher aufgefüllt, Glykogen und Proteine im Muskel gespeichert und Fette im Fettgewebe. * In der Postresorptionsphase können je nach Bedarf Glukose und Aminosäuren aus den Speichern mobilisiert werden. * Bei akuter motorischer Belastung wird Energie über Glykogenolyse, Glykolyse (zytoplasmatisch), Zitratzyklus und Atmungskette (Mitochondrien; verzögerte Knallgasreaktion) gewonnen. An der inneren Mitochondrienmembran, an der auch die Atmungskette verankert ist, findet die Phosphorylierung von ADP zu ATP statt. ATP liefert die Energie für die Muskelkontraktion. Überschüssi-
*
3
empirisch Bei einigen Patienten haben Kortikosteroide einen deutlichen Nutzen. Es können z. B. 0,75 mg/kgKg/Tag Prednisolon eingesetzt werden. Über eine Dauer von 6 Monaten bis 2 Jahren wurden Stabilisierungen beobachtet. Günstig sind Intervalle von je 10 Tagen Prednisolon und 10 Tagen Pause.
ges ATP kann in Kreatinphosphat gespeichert werden. Bei akuter Belastung wird also dieser Stoffwechselweg über die Glykolyse eingeschlagen. Gibt es „oberhalb“ von Laktat an irgendeinem Punkt der Kette einen Stoffwechseldefekt, so gibt es einen fehlenden Anstieg von Laktat (Ischämietest), meist als Hinweis für eine Glykogenose. Es fehlt dann auch die Energie aus der anaeroben Glykolyse. In der Regel kommt es zur raschen initialen Belastungsintoleranz, sobald die ATP- bzw. Kreatinphosphatreserven aufgebraucht sind. Wird die Belastung reduziert und springen Fettsäureutilisation und β-Oxidation an, so können sich die Beschwerden bei fortdauernder Belastung (second wind) bessern. Gibt es einen Stoffwechseldefekt „unterhalb“ von Laktat, also z. B. in der mitochondrialen Atmungskette, so kommt es zu einer Akkumulation von Laktat. Immerhin steht die Energie aus der anaeroben Glykolyse zur Verfügung. Häufig ist Laktat schon in Ruhe erhöht nachweisbar und steigt nach Belastung überproportional, z. B. im Vergleich zu Ammoniak an (Fahrradbelastungstest). Das Ruhelaktat kann normal sein, vermutlich dann, wenn Teile der Atmungskette funktionieren. Belastungen werden in der Regel viel besser toleriert als bei den Glykogenosen. Evtl. ist sogar die Zahl der Mitochondrien vermehrt, um den Mangel an Energie zu kompensieren. Das Problem resultiert vielmehr daraus, dass Defekte der Atmungskette zu einem Elektronenleck prädisponieren, was unter fortgesetzter Belastung zu vermehrter Bildung von Sauerstoffradikalen führt. Diese können Apoptose induzieren. Wenn dies an vielen Orten gleichzeitig geschieht, kommt es zur Rhabdomyolyse. Diese geht mit Myoglobinurie und somit „Coca-Cola“-farbenem Urin einher.
Neben Defekten der Atmungskette kann die Störung den Substrattransport betreffen, die Substratutilisation und die oxidative Phosphorylierung. Relativ häufig sind Störungen des Fettsäuretransportes durch die innere Mitochondrienmembran (es sind u. a. beteiligt Karnitin, Carnitinpalmityltransferase (CPT) I und II) sowie Defekte der verschiedenen AcylCoA-Dehydrogenasen, Schlüsselenzymen der
Muskelkrampf (Tetanie)
β-Oxidation der Fettsäuren. Es resultieren Fettspeichermyopathien, teils verbunden mit zerebralen Symptomen. Da die Energiegewinnung über Glykolyse und Atmungskette funktioniert, können akute Belastungen mühelos bewältigt werden. Es sind auch keine Veränderungen der Laktatwerte in Ruhe und nach Belastung zu erwarten. Erst wenn Ausdauerleistungen, z. B. bei mehrstündigen Fahrradtouren bewältigt werden, also wenn vermehrt Fettsäuren zur Energiegewinnung herangezogen werden (auch beim Fasten), treten Probleme auf. Nicht selten kommt es dann zu Myalgien und ggf. zur Rhabdomyolyse. Über das hier Geschilderte hinaus sind mittlerweile eine Vielzahl an Myopathien mit definierten Strukturanomalien und Ionenkanaldefekten genetisch oder auf Proteinebene charakterisiert.
809
Dazu zählen das generalisierte Fibrose Syndrom, kongenitale Fibrose des M. rectus inferior mit Blepharoptose, das vertikale Retraktionssyndrom und kongenitale unilaterale Fibrose, Enophthalmus und Blepharoptose.
Diagnostik Klinischer Befund, EMG, Muskelsonographie, Muskelkernspintomographie. Ggf. Muskelbiopsie.
Therapie Ggf. Schieloperation oder spezielle orthopädische Maßnahmen.
Muskelkrampf (Tetanie) Synonyme
Muskelfibrose Definition Fibrose ist eine Reaktion des Gewebes auf Verletzung und Zelluntergang, die mit vermehrter Bildung von Kollagen durch Fibroblasten und Fibromyozyten einhergeht.
Spasmophilie
Definition Abnorm erhöhte neuromuskuläre Erregbarkeit mit Auftreten charakteristischer Mehrfachentladungen (Dupletten, Tripletten, Multipletten) im Elektromyogramm.
Einleitung Einleitung Fibrose ist keine organspezifische Reaktion. Sie tritt bei physikalischen Verletzungen ebenso auf, wie bei Entzündungen und Dystrophie. Im Myokard stellen Fibroblasten den häufigsten Zelltyp, verantwortlich für die Bildung der extrazellulären Matrix, z. B. aus Kollagen und Fibronektin. Mechanische, entzündliche und hormonelle Vorgänge können die Proliferation von Fibroblasten induzieren. Fibroblasten bilden Rezeptoren aus (Integrine u. a.), mit denen sie mechanische und andere Stimuli erfassen. Definierte Reize werden mit der Bildung von Wachstumsfaktoren, extrazellulärer Matrix und z. B. Kollagenase beantwortet. Damit sich Fibrose entwickeln kann, muss die Produktion der extrazellulären Matrix die Aktivität der Kollagenase deutlich überwiegen. Muskelfibrose tritt vorrangig bei mechanischen Wunden, Myositis und Muskeldystrophie auf. Fibrose kann aber auch die Folge von Denervation sein. Muskelfibrose kann ein führender Befund bei kongenitalen Augenmotilitätsstörungen sein.
Klinisch ist die Tetanie durch periorale bzw. akrale Parästhesien, Pfötchenstellung der Hände oder Verkrampfung der Fußmuskulatur (Karpopedalspasmus) charakterisiert. Evtl. Laryngospasmus. Attacken werden durch eine Verminderung des freien Kalziums im Blut getriggert. Am häufigsten durch Hyperventilation (respiratorische Alkalose; Gesamtkalzium im Serum normal). Seltener durch metabolische Alkalose, oder Hypokalzämie durch Hypoparathyreoidismus nach Strumektomie, Vitamin DMangel, Pankreatitis etc. Vermutlich kann auch eine Hypomagnesiämie Tetanieattacken auslösen. Dies ist aber umstritten. Eine Neigung zur Tetanie kann durch das Vorhandensein eines Chvostek-Zeichens (Kontraktion der mimischen Muskulatur bei Beklopfen des Fazialis-Stamms), Ischämie mit RR-Manschette für 1 min (Trousseau-Test) untermauert werden. Bei Neigung zur Tetanie kommt es zur Pfötchenstellung der Finger. Die Sensitivität dieser Maßnahmen nimmt zu durch Hyperventilation (von-Bondorffs-Test), z. B. für 1 min. Im EMG kommt es zunächst zu den charakte-
M
810
Muskelnekrose
ristischen Mehrfachentladungen einer motorischen Einheit. Bei Zunahme werden mehr motorische Axone aktiviert, bis schließlich ein dichtes Interferenzmuster vorliegt. Die mit der Tetanie einhergehenden Missempfindungen und unwillkürlichen Muskelkontraktionen können seelische Reaktionen nach sich ziehen, die via zunehmender Hyperventilation einen Circulus vitiosus bilden.
Diagnostik Chvostek-Zeichen, Trousseau in Kombination mit von-Bondorffs-Test, evtl. unter EMG-Kontrolle. Serumelektrolyte, insbesondere Ca++ und Mg++. Evtl. Bestimmung des freien Ca++. Evtl. BGA, Phosphat, Parathormon.
Therapie Bei Hyperventilation gegebenenfalls Rückatmung über eine Plastiktüte. In Ausnahmefällen 1 mg Lorazepam oder 5 mg Diazepam. Siehe auch Krampus. 3
Muskelnekrose Definition Sensu strictu ist Muskelnekrose Untergang eines ganzen Muskels. In der Regel wird aber auch Muskelfaseruntergang darunter subsumiert.
Einleitung Der klassische Fall einer Muskelnekrose ist das Kompartmentsyndrom. Die Schwellung in einem Muskelkompartment durch Blutfülle, Trauma, Ischämie, Entzündung oder andere Ursachen führt zu einem Teufelskreis der Drosselung des arteriellen Zustroms. Die resultierende Hypoxie führt zu weiterer Zunahme des Ödems und damit des Drucks im Kompartment. Nerven, die durch das Kompartment ziehen, sind ebenfalls von dem Vorgang betroffen. Im Elektromyogramm läßt sich elektrische Stille auch beim Einstich nachweisen Der Vorgang erfordert in der Regel die rasche Faszienspaltung, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Muskelfasernekrose bedeutet Untergang einzelner Muskelfasern. Je nach Ausmaß können Muskelbestandteile (z. B. CK, Myoglobin, K+) vermehrt im Blut nachweisbar sein. Wenn der Vorgang akut und ubiquitär auftritt, so
spricht man von Rhabdomyolyse. Es kommt zu einem massiven CK-Anstieg (>10000 U/l). Myoglobinurie (Coca-Cola-farbener Urin) und Niereninsuffizienz können auftreten, ferner eine Hyperkaliämie und disseminierte intravasale Gerinnung. Eine Rhabdomyolyse bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung und häufig ist eine Hämodialyse nötig. Es gibt viele Mechanismen, die zur Muskelfasernekrose führen. Dazu gehören insbesondere physikalische, entzündliche, metabolische, toxische Faktoren sowie hereditäre Proteindefekte. Der molekulare Pathomechanismus ist im einzelnen nur unvollständig bekannt. Programmierter Zelltod (Apoptose) kann z. B. über TNFalpha, Fas-Ligand, NO sowie Öffnung der mitochondrialen Transitions-Pore induziert werden.
Diagnostik Klinischer Befund, CK im Serum, Myoglobin im Urin, EMG, evtl. Muskelsonographie bzw. Muskelkernspintomographie. Ggf. Muskelbiopsie.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung.
Muskelphosphorylase-Mangel, Glykogenose Typ V Synonyme McArdle-Syndrom
Definition Relativ häufige Glykogenspeicherkrankheit, die durch Mangel an Muskelphosphorylase charakterisiert ist.
Einleitung Autosomal-rezessiver Gendefekt auf Chromosom 11q13. Die Muskelphosphorylase spaltet Glukose von den Seitenketten des Glykogens ab. Neben Fehlen des Enzyms sind Fälle mit gestörter Funktion wahrscheinlich. Die Krankheit manifestiert sich in Kindheit oder Adoleszenz, selten im Erwachsenenalter mit belastungsabhängigen Myalgien, Muskelsteife, Muskelschwellungen und Kontrakturen. Es kann zu Rhabdomyolyse und Nierenschädi-
Myalgie
Diagnostik Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, Laktat-Ischämie-Test, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Untersuchung der Muskelphosphorylase im Muskel.
Therapie Vermeiden abrupter bzw. vermehrter körperlicher Belastung. Vermeiden von Alkoholexzessen.
Nachsorge Anbindung an Muskelzentrum sinnvoll.
Muskelrelaxation, progressive, nach Jacobson Grundlagen Entspannungsverfahren, bei dem die Patienten bestimmte Muskelgruppen für einige Sekunden anspannen, wobei andere Muskeln und Atmung ruhig bleiben und die Patienten sich auf die entstehenden Empfindungen konzentrieren; anschließend folgt eine 20–30 Sek. lange Entspannungsphase. Ziel ist, das gegen-
seitige Aufschaukeln von Angst und Spannung zu verhindern. Sinnvoll z. B. für die Behandlung des Kopfschmerzes vom Spannungstyp. 3
gung kommen. Z. T. Entwicklung proximal betonter Paresen. Alkoholexzesse können Rhabdomyolyse triggern. Es sind asymptomatische Fälle mit isolierter Hyperkreatinkinaseämie beschrieben. In einem Viertel der Fälle leichte EKG-Veränderungen. Männer:Frauen 2,4:1. Die Pathogenese der Muskelsteifigkeit und Muskelschwellungen im Rahmen der biochemischen Funktionsstörung ist nicht völlig klar. Die CK ist meist erhöht. Der Ischämietest zeigt einen unzureichenden Laktatanstieg bei überproportionalem Ammoniakanstieg. Das EMG zeigt einen normalen Befund (50%) oder myopathische Veränderungen. Während einer Kontraktur herrscht elektrische Stille. Die Muskelbiopsie zeigt häufig nur geringe Veränderungen in Routinefärbungen. Z. T. lassen sich subsarkolemmale Vakuolen mit Glykogenspeicherung nachweisen (PAS-positive Reaktion). Entscheidend ist das Fehlen (3/4) oder die verminderte Enzymaktivität (1/4) der Muskelphosphorylase. Elektronenoptisch lässt sich die Glykogenspeicherung nachweisen.
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Muskeltonus Definition Spannungszustand eines Muskels oder einer Muskelgruppe.
Mutismus Definition Beharrliches Schweigen („Stummheit“) bei intaktem Sprechorgan und erhaltenem Sprachvermögen, z. B. bei depressivem Syndrom, Stupor, Fehlen motorischer Impulse wie z. B. bei Demenz. Mutismus tritt auf infolge allgemeiner Hemmung der motorischen Funktionen einschließlich Mimik, Gestik, Sprache; Sprechen wie auch Bewegungen erfolgen nicht spontan, nach Aufforderung nur verzögert und langsam. Es besteht oft eine Störung des Schlaf-WachRhythmus. Schmerzreize erhöhen die Vigilanz und ermöglichen begrenzte Kontaktaufnahme. Das Bewusstsein ist voll erhalten, evtl. besteht eine Amnesie.
Myalgie Definition Schmerz, der im Bereich der Muskulatur entsteht und wahrgenommen wird.
Einleitung Im Skelett- und Herzmuskel befinden sich freie Nervenendigungen, die Nozizeptoren darstellen. Sie werden von unmyelinisierten (Typ IV) und schwach myelinisierten (Typ III) Fasern versorgt. Diese Nozizeptoren besitzen Rezeptoren für algogene Substanzen, z. B. Bradykinin, Serotonin und Prostaglandin E2. Weitere Stimuli sind Ischämie und starke mechanische und elektrische Stimuli. Wiederholte Stimuli können durch Nozizeptorsensitisierung im Muskel zu verstärkter Schmerzwahrnehmung
M
3
Myalgie, Polymyalgia rheumatica
führen. So kann z. B. durch Bradykinin und Serotonininjektion in den Muskel eine Hyperalgesie für Druck auf den Muskel induziert werden. Auf dieser Grundlage werden einige Schmerzzustände im Bereich des Muskels partiell verstanden. Der genaue Pathomechanismus etwa der belastungsabhängigen Myalgien bei metabolischen Myopathien bleibt aufzuklären. Jenseits der Pathogenese ist Myalgie ein diagnostisch wertvolles Symptom. In der Anamnese sollten daher die Bedingungen für das Auftreten der Myalgien charakterisiert werden.
Diagnostik Klinischer Befund, CK im Serum, Ruhelaktat, ggf. Laktatischämietest, gegebenenfalls Fahrradbelastungstest, EMG, evtl. Muskelsonographie bzw. Muskelkernspintomographie. Gegebenenfalls Muskelbiopsie.
Myalgie, Polymyalgia rheumatica Polymyalgia rheumatica
Myasthenia gravis pseudoparalytica Synonyme Myasthenie
Definition Erworbene Autoimmunerkrankung mit Störung der neuromuskulären Übertragung und daraus resultierender rascher belastungsabhängiger Erschöpfbarkeit und nachfolgend verzögerter Erholung der quergestreiften Muskulatur. 3
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Einleitung In der Mehrzahl der Fälle findet man IgG-Antikörper gegen postsynaptische Acetylcholin-Rezeptoren (AchR). Der Thymus ist in die Immunpathogenese involviert. Über 70% der Patienten weisen eine lymphofollikuläre Hyperplasie oder ein Thymom auf. Eine HLA-Assoziation wird diskutiert (HLA-DR 3, HLA-B 5, HLA-B 8). Bei AchR-AK-negativen Patienten muss nach Antikörpern gegen die Muskelrezeptor-Tyrosinkinase (MusK-AK) gesucht werden. Klinisch werden nach Ossermann und Genkins verschiedene Manifestationsformen unterschieden (siehe Tab. 1).
3
Diagnostik Leitsymptom: Unter Belastung zunehmend Schwäche der quergestreiften Muskulatur, die sich charaktisti-
Myasthenia gravis pseudoparalytica. Abb. 1: Schematische Darstellung der neuromuskulären Übertragung bei Gesunden und bei Patienten mit Myasthenia gravis. Bei der Myasthenia gravis kommt es zu morphologischen Veränderungen an der postsynaptischen Membran. Die Anzahl der Acetylcholin-(Ach-)Rezeptoren ist vermindert, die subsynaptischen Einfaltungen sind reduziert und flacher als bei Gesunden
Myasthenia gravis pseudoparalytica
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Myasthenia gravis pseudoparalytica. Tab. 1: Klinische Manifestations- und Verlaufsformen (nach Ossermann und Genkins) Form und Häufigkeit
Klinik
A: Ansprechen auf CHE-Hemmer
Okulär, 15–20%
Ptose und Augenmuskelparesen mit Doppelbildern. In 50% später Generalisierung, M:F = 3:1
A: schlecht P: gut
IIa, Leicht und schwer b generalisiert, ca. 55%
Okuläre und bulbäre Symptomatik (Doppelbilder, Schluckstörungen) mit Ermüdbarkeit der Extremitätenmuskulatur
A: gut P: gut bis mäßig
III
Akut, schwer und generalisiert, 10–15%
Akute schnell progrediente Schwäche der bulbären, der Extremitäten- sowie der Atemmuskulatur
A: mäßig bis schlecht P: schlecht
IV
Chronisch, schwer Entsteht aus Symptomen der Gruppen I und II und generalisiert, innerhalb der ersten zwei Krankheitsjahre 10–15%
V
Defektmyasthenie
P: Prognose I
A: oft schlecht P: schlecht
Muskelatrophie innerhalb von 6 Monaten. Nach A: schlecht Beginn, entsteht meist aus Symptomen der Gruppen P: schlecht II (und III)
M = männlich, F = weiblich
scherweise nach Ruhepausen bessert oder normalisiert. Häufige Erstsymptome: Doppelbilder und Ptosis (bis 60%), belastungsabhängig generalisierte Schwäche der Extremitäten (bis 30%), Schwierigkeiten beim Schlucken und Kauen (bis 20%), schwache näselnde Sprache. Okuläre Myasthenie: In 15% rein okuläre Form, bei bis zu 50% innerhalb von Monaten Ausbreitung auf faziale, orofaziale und Extremitätenmuskulatur: * Klinik: Befall der äußeren Augenmuskeln: Doppelbilder, ein- und doppelseitige Ptosis. * Klinische Prüfung (Simpson-Test): zunehmende Ptosis beim Blick nach oben für 1– 2 Minuten. * Differenzialdiagnosen: Euthyreote Ophthalmopathie, okulopharyngeale Muskeldystrophie, okuläre Muskeldystrophie, okuläre Myositis, mitochondriale Myopathien (Kearns-Sayre-Syndrom), senile Ptosis. Generalisierte Myasthenie: * Klinik: Anfänglich oft okuläre Symptome, stammnahe Schultergürtelmuskulatur und Halsmuskulatur typischerweise besonders
*
betroffen, Schluck- und Kauschwäche, verwaschene kloßige Sprache, aphone Stimme. Bei chronischem Verlauf auch Atrophien der betroffenen Muskulatur möglich. Differenzialdiagnosen: Metabolische Myopathien, Lambert-Eaton-Syndrom, kongenitale myasthene Syndrome, Polymyositis, toxisch induzierte myasthene Bilder (D-Penicillamin, Chloroquin).
Zusatzdiagnostik: * Tensilon-Test mit klinischer und ggf. EMGDokumentation (repetitiver Reizung). * EMG mit repetitiver Reizung (möglichst betroffene Muskelgruppen). * Einzelfaser-EMG (typischerweise erhöhter „Jitter“). * Acetylcholinrezeptor-Antikörper (AchRAK) im Serum (Cave: Seronegative Myasthenie in 15% der generalisierten und 50% der okulären Fälle). Dann Suche nach MusK-Antikörpern. * Titin-Antikörper (Titin-AK) häufig und relativ typisch bei Thymom. * Radiologische Diagnostik: Bei Patienten mit neu diagnostizierter Myasthenie immer nach Thymushyperplasie, Thymom oder Thy-
M
814
*
Myasthenia gravis pseudoparalytica
muskarzinom suchen (Thorax-CT/MRT, ggf. Octreotid-SPECT). Lungenfunktionsprüfung: Vitalkapazität.
Diagnostik assoziierter Autoimmunerkrankungen: Hyper- oder Hypothyreose, Polyarthritis, perniziöse Anämie, systemischer Lupus erythematodes, Sarkoidose.
Therapie Unter einer suffizienten Behandlung der Myasthenie ist es häufig möglich, dass die Patienten ein weitgehend normales Leben führen können. Die syptomatische Therapie mit Cholinesterasehemmern reicht aber nur in den wenigsten Fällen aus, sodass immer die Indikation zur zusätzlichen immunsuppressiven Therapie und Thymektomie überprüft werden muss. 1.
Allgemeine Therapiemaßnahmen: Aufklärung über Erkrankung, regelmäßiger Lebensrhythmus mit Einhaltung von Ruhepausen, keine Diät, keine besondere körperliche Belastung, leichte sportliche
2.
Aktivität erlaubt, Berufsberatung, Vorsicht Straßenverkehr (bei Doppelbildern Prismenbrille erforderlich), Myasthenie-Pass ausstellen. Aufklärung über Medikamente, die eine Myasthenie verstärken können. Symptomatische Therapie mit Cholinesterasehemmern: Prinzip: Durch Reduktion des enzymatischen Abbaus von Ach Vermehrung von Ach im synpatischen Spalt. Vorgehen: Pyridostigmin (Mestinon®) nach Wirkung individuell dosieren, mit 3–4×10 mg täglich p. o. beginnen (individuelle Anpassung). Auf feste Einnahmezeiten achten. Gesamtdosis bei leichter und mäßiger Myasthenie etwa 120– 360 mg/d (individuelle Dosierung). Bei nächtlicher oder morgendlicher Schwäche abends zusätzlich 1×180 mg Mestinon® retard. Bei isoliertem Morgentief erste Dosis unmittelbar nach dem Aufwachen. Bei gutem klinischen Erfolg im Verlauf eventuell Dosis reduzieren. Bei schwerem Verlauf Steigerung der Dosis bis Neben-
Myasthenia gravis pseudoparalytica. Tab. 2: Myasthenie-Score Punkte
0
1
2
3
Ausprägung
normal
gering
mäßig
schwer
Generalisierte Symptome Extremitäten- und Rumpfmuskulatur Arme 90° vorhalten, stehend (sek.)
>180
60–180
10–60
<10
Beine 45° vorhalten, liegend (sek.)
>45
30–45
5–30
<5
Kopf in Rückenlage um 45° heben (sek.)
>90
30–90
5–30
<5
M W
>3,5 >2,5
2,5–3,5 1,8–2,5
1,5–2,5 1,2–1,8
<1,5 <1,2
Mimik
normal
leichte Lidschlussschwäche
inkompletter Lidschluss
Amimie
>60 >60
10–60 10–60
0–10 0–10
spontan spontan
Vitalkapazität (Liter)
Okuläre Symptome (im Simpson- Test) Doppelbilder (sek.) Ptosis
Auswertung: 0 Punkte: keine myasthene Symptomatik, < 7 Punkte geringe, 8–11 mäßige und > 11 Punkte schwere Beeinträchtigung
Myasthenia gravis pseudoparalytica
b)
Cave: Nach Beginn der Glukokortikosteroidtherapie ist häufig innerhalb der ersten Woche eine dosisabhängige Verschlechterung der klinischen Symptomatik für 3–8 Tage möglich. Einsetzen des optimalen immunmodulatorischen Effektes nach 2–3 Wochen. Unter Glukokortikosteroidtherapie Besserung der klinischen Symptomatik bei 60–90% der Patienten. Durch die frühzeitige Kombination mit Azathioprin können Glukokortikosteroide nach 3–6 Monaten eingespart werden. Azathioprin (z. B. Imurek®) Langzeitimmuntherapie bei mäßiger bis schwerer generalisierter Myasthenia gravis im Erwachsenenalter. Initial 2,5 mg/kg Körpergewicht täglich auf drei Einzeldosen verteilt. Wirkungseintritt frühestens nach 3 Monaten, deshalb initial mit Glukokortikosteroiden kombinieren. Dosisanpassung nach Blutbild ( Azathioprin). Cave: Aufgrund potentiell möglicher teratogener und mutagener Wirkung von Azathioprin bei beiden Geschlechtern auf zuverlässige Antikonzeption während der Therapie und mindestens 6 Monate über Therapieende hinaus achten. Ciclosporin A Mittel der zweiten Wahl für Patienten, die nicht auf konventionelle immunsuppressive Therapie ansprechen. Kaum Knochenmarksdepression, aber Nephrotoxizität. Standarddosierung 4–5 mg/kg Körpergewicht/d p. o. Zielplasmaspiegel 12 h nach letzter Einnahme 100–200 ng/ml. Laborkontrollen wie bei Azathioprin. Mycophenolatmofetil Erste kontrollierte Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass Mycophenolat eine Alternative bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit von Azathioprin bei Myasthenia gravis darstellt. Kombination mit Ciclosporin möglich, mit Azathioprin obsolet. Standarddosierung: 2×1 g/d p. o. Bestimmung der Trough-Spiegel 12 h nach letzter Einnahme, Zielplasmaspiegel 1–2 mg/l. 7S-Immunglobulin (IVIG) Indikation bei rascher Verschlechterung 3
wirkung intolerabel (maximal 600–800 mg täglich). a) Individuelle Dosisanpassung: Bei körperlicher Belastung verkürzte Einnahmeintervalle oder Dosissteigerung eine Stunde vor körperlicher Anstrengung. Bei infektassoziierten Verschlechterungen (Cave: Suffiziente Antibiose) oder in der Initialphase einer Steroidtherapie meist Dosissteigerung der Cholinesterasehemmer notwendig. b) Alternative Cholinesterasehemmer: Neostigmin (z. B. Prostigmin®): Kürzere Halbwertszeit, dadurch häufigere Einnahme notwendig. Abenonium (z.B. Mytelase®): Längere Halbwertzeit, dadurch schlechter zu steuern. c) Äquivalenzdosen im Rahmen der oralen auf intravenöse Applikation: Pyridostigmin (Mestinon®): 60 mg p. o. = 2 mg i. v. oder i. m. Neostigmin (Prostigmin®): 30 mg p. o. = 1 mg i. v. d) Nebenwirkungen der Therapie mit Cholinesterasehemmern: * Muskarinerg: Magen-Darm-Spasmen, Durchfälle, Bradykardie, Hypersalivation, Miosis. * Nikotinerg: Gerötete Haut, Faszikulationen, zentralnervöse Intoxikationserscheinungen (ängstliche Unruhe, Verwirrtheit, Benommenheit). * Cave: Cholinerge Krise (Miosis, Bradykardie, Bronchialsekretion, Faszikulationen, gerötete warme Haut). 3. Immunmodulatorische/immunsuppressive Therapie: a) Glukokortikosteroide (z. B. Decortin H ®) Unter stationären Bedingungen 70– 100 mg/d p. o., nach Stabilisierung langsam auf Erhaltungsdosis (15– 30 mg jeden 2. Tag) reduzieren. Unter ambulanten Bedingungen Beginn mit niedriger Ausgangsdosis 10–25 mg/ d, wöchentlich um 10–25 mg/d steigern bis zur klinischen Besserung (maximal 100 mg/d), dann stufenweise auf Erhaltungsdosis reduzieren. Bei schwerer Symptomatik Glukokortikosteroide (Decortin H®) 500– 1000 mg/d i. v. über 5 Tage unter Intensivüberwachung möglich.
815
c)
d)
e)
M
816
Myasthenia gravis pseudoparalytica
der myasthenen Symptomatik, vor allem im Rahmen der Verschlechterung durch Infektionen unter Immunsuppression oder bei Krisenintervention. Standarddosierung 400 mg/kg Körpergewicht/d über jeweils 5 Tage i. v. (Infusionsgeschwindigkeit maximal 10 g IVIG/h). Klinische Besserung bei ca. 70% der Patienten innerhalb weniger Tage bis 3 Wochen. f) Plasmapherese oder Immunadsorption Bei schwerer generalisierter Myasthenie oder myasthener Krise zur Eliminierung der im Blut zirkulierenden Antikörper. Über 8–10 d 5 Plasmapheresen mit ca. 1,5–3,5 l Austauschvolumen vornehmen. Stets unter Immunsuppression durchführen, um eine überschießende Neubildung von Autoantikörpern zu verhindern. Meist rasche (2. Plasmaaustauschbehandlung) aber nur kurzzeitige Besserung der Symptomatik. g) Thymektomie Eine Thymektomie sollte bei allen Patienten mit generalisierter Myasthenie bis zum 60. Lebensjahr oder beim Nachweis eines Thymoms durchgeführt werden. Bisher keine allgemein akzeptierten Indikationskriterien insbesondere bei der okulären Form. Relative Kontraindikationen bei erhöhtem Operationsrisiko (z. B. höheres Alter, schlechter Allgemeinzustand, Phase der instabilen Myasthenie mit bulbärer Symptomatik und respiratorischer Insuffizienz). * Präoperativ: Langzeitimmunsuppression reduzieren oder absetzen, Glukokortikosteroide weitergeben. * Perioperativ: Cholinesterase auf i. v.Gabe umstellen. Bei der Narkoseeinleitung Medikamente (z. B. Ketamin) vermeiden, die eine Myasthenie verschlechtern können, Thiopental oder Inhalationsanästhetika wie Lachgas oder Halothan benutzen. Muskelrelaxatien sind kontraindiziert. * Intraoperativ: Gründliche Exploration zum Ausschluss aberrierenden Thymusgewebes, histologischer Ausschluss eines Karzinoms. * Postoperativ: Immer Intensivüberwachung bis Cholinesterasehemmer oral
*
appliziert werden können. 14 Tage postoperativ Immunsuppression optimieren (Wiederbeginn oder Dosissteigerung, z. B. Azathioprin). Strikte Pneumonieprophylaxe, frühzeitige antibiotische Behandlung. Cave: In 25% ektopes Thymusgewebe nachweisbar (szintigraphische Diagnostik).
Nachsorge Regelmäßige Verlaufskontrollen mindestens dreimonatig sind anzustreben. Eine Anbindung der Patienten an eine neuromuskuläre oder neuroimmunologische Spezialsprechstunde ist empfehlenswert. Selbsthilfegruppen: * Deutsche Myasthenie-Gesellschaft e.V. (DMG); Langemarckstr. 106, 28199 Bremen,Tel. 0421/592060, Fax 0421/508226, Internet: www.dmg-online.de. * Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM), Im Moos 4, 79112 Freiburg,Tel. 07665/94470, Fax 07665/944720,E-Mail:
[email protected], Internet: www.dmg. org.
Prognose Bei 85% Generalisierung der myasthenen Symptomatik innerhalb von 2 Jahren. Meist chronisch-progredienter Verlauf, Spontanremissionen möglich. Im Einzelfall kann der Verlauf nicht sicher vorausgesagt werden. Ungünstiger Verlauf im höheren Lebensalter, bei neoplastischen Thymusveränderungen oder schweren generalisierten Formen. Unter o. g. Kombinationstherapie sind die Patienten in bis zu 95% der Fälle berufsfähig. Verschlechterung oder Auslösung myasthener Reaktionen durch: Medikamenteneinnahmefehler, Infekte, psychische Belastungen, Myasthenie-verstärkende Medikamente, Narkosen, hormonelle Umstellung, Elektrolytentgleisung.
Diätetik und Lebensgewohnheiten *
Myasthenie und Kinderwunsch: Eine Myasthenie und Kinderwunsch schließen sich nicht aus. Während der Immunsuppresion muss eine sichere Kontrazeption gewährleistet sein. Nach Ausschleichen der Immunsuppression sollte eine mehrmonatige Latenz (6 Monate) bis zur Konzeption eingehalten werden.
Myasthenie, neonatale
817
Myasthenia gravis pseudoparalytica. Tab. 3: Erlaubte und verbotene Medikamente bei Myasthenie (Auswahl) mögliche Verstärkung/
Alternativen
Auslösung der Symptome Antibiotika und Chemotherapeutika Aminoglykoside, Ampicillin, Imipenem, Norfloxa- Cephalosporin, Cephalothin, Cephalozin, Cotricin, Sulfonamide, Tetrazykline, Polymyxine moxol, Erythromycin, Ethambutol, Isoniazid, Chloramphenicol, Nalidixinsäure, Nitrofurane, Penicillin in niedrigen Dosen, Rifampicin Antikonvulsiva Benzodiazepine in mittleren bis hohen Dosen, Trimethadione
Carbamazepin, Ethosuximid, Lamotrigin, Phenytoin, Primidon, Valproinsäure
kardiovaskulär wirksame Pharmaka Atiarrhythmika (Chinidin-, Lidocain-Derivate, Ajmalin), ß-Blocker, Verapamil, Timolol, Mexiletin
Digitalis, ACE-Hemmer, Ipratropiumbromid
Malaria-, Rheuma-, Schmerzmittel Chinin enthaltende Malaria- und Grippemittel, Codein, D-Penicillamin, Morphin
nichtsteroidale Antiphlogistika
nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien Curarederivate, Pancuronium, Gallamin
Atracurium
Narkotika Ketamin
Stickoxydul, Isofluran, Halothan, Fentanyl
M
Psychopharmaka Chlorpromazin, Haloperidol, Lithium, Barbiturate, mit sorgfältiger Überwachung: Benzodiazepine in Benzodiazepine in mittleren bis hohen Dosen, niedriger Dosierung, Megaphen und Atosil trizyklische Antidepressiva, Sedativa Andere Kontrastmittel (auch Gadolinium) Schilddrüsenhormone magnesiumhaltige Präparate Amantadin Benzothiadiazine orale Kontrazeptiva Tetanus-Antitoxin
*
*
*
Myasthenie und Schwangerschaft: Cholinesterasehemmer können weitergegeben werden. Myasthene Symptomatik in der Schwangerschaft nicht sicher vorhersagbar, oft Verschlechterung vor der Geburt. Geburtsverlauf meist komplikationslos, keine absolute Indikation zur Sectio caesarea. Stillzeit: Pyridostigmin-Tagesdosen bis 300 mg/d stellen kein erhöhtes Risiko für das Kind dar. Impfungen: Strenge Indikationsstellung. Möglichst keine Impfungen mit Lebend-
L-Dopa Spironolacton Steroide unter klinischer Kontrolle
impfstoffen unter Immunsuppression. Nach notwendiger Impfung unter Immunsuppression Titer-Kontrolle erforderlich, gegebenenfalls Nachimpfung erforderlich.
Myasthenie, neonatale Definition Transiente Myasthenie bei ca. 12% der Säug-
Myasthenische Krise
Einleitung Pränataler diaplazentarer Übertritt von maternalen Antikörpern von Acetylcholinrezeptor-Antikörpern (AchR-AK). Bei der neonatalen Myasthenie besteht beim Säugling im Gegensatz zur Mutter in der Regel keine Immunopathie.
Diagnostik Anamneseerhebung. Klinisch können die Neugeborenen eine Ateminsuffizienz, Saug- und Trinkschwäche, Hypotonie und allgemeine Muskelschwäche zeigen. In Abhängigkeit der klinischen Situation Bestimmung der AchR-AK-Titer.
Therapie In Abhängigkeit des klinischen Verlaufes Intensivüberwachung und Intensivpflege (insbesondere Ernährung und Infektprophylaxe). Eine kurzzeitige Behandlung mit Cholinesterasehemmern oder eine Plasmaaustauschbehandlung sind nur in besonders schweren Fällen indiziert. Cave: Entbindung von Müttern mit Myasthenia gravis pseudoparalytica immer in Kliniken mit neonataler Intensivstation anstreben.
Prognose Nach natürlicher Elemination (3–8 Wochen) der pränatal diaplazentar übertragenen AchRAK voll reversible myasthene Symptomatik.
oder Tage entwickelt, gibt es in der Regel ausreichend Zeit, um durchdacht zu reagieren. Die Therapie sollte initial stets auf einer Intensivstation erfolgen. Bei ausgeprägter Ateminsuffizienz oder Schluckstörung ggf. Intubation. Sonst zunächst Diagnostik, um Klarheit über die Art der Krise zu erhalten: Myasthenische Krise, cholinerge Krise oder insensitive Krise. Allen Patienten gemein ist die Muskelschwäche, haufig ängstliche Unruhe, teils Benommenheit und psychische Symptome. Die myasthenische Krise ist durch die Autoantikörper vermittelt. Die cholinerge Krise entsteht durch die Azetylcholinrezeptor-Desensitisierung als Folge vermehrter Stimulation durch den Transmitter, der vermindert inaktiviert wird (Hemmung der Cholinesterase). Patienten mit der recht seltenen cholinergen Krise fallen in der Regel sofort auf durch ausgeprägtes generalisiertes oder in der Gesichtsmuskulatur betontes Faszikulieren. Meist bestehen auch vermehrt Wadenkrämpfe. Neben diesen nikotinergen Symptomen können muskarinerge vorliegen: Bradykardie, Miosis, Diarrhöe, Magen-Darmkrämpfe, warme, gerötete Haut, Hypersalivation. Im Gegensatz dazu werden bei der myasthenischen Krise eher weite Pupillen, Tachykardie, Blässe beobachtet. Bei der insensitiven Krise bestehen Symptome der myasthenischen und der cholinergen Krise nebeneinander. In allen Fällen kann es zur Verschleimung kommen. Bei der myasthenischen Krise durch die Unfähigkeit, den Schleim abzuhusten, bei der cholinergen Krise zusätzlich durch Hypersalivation. 3
linge von Patientinnen mit Myasthenia gravis pseudoparalytica.
3
818
Diagnostik
Myasthenische Krise Definition Akut oder subakut auftretende, vital bedrohliche Atemstörung bzw. Schluckstörung im Rahmen einer Myasthenia gravis ( neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis). 3
3
Einleitung Ursache sind meist Infekte, Therapiefehler (meist Incompliance), Lokal- oder Allgemeinanästhesie. Da die myasthenische Krise sich seltener perakut, sondern meist über Stunden
Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen umgehend Durchführung des Tensilon-Tests: 1 Amp. Edrophonium-Cl ad 10 ml NaC). 1 Amp. Zu 0,5 mg Atropin aufgezogen als Antidot bereitlegen. 2 ml (= 2 mg) EdrophoniumCl i. v. unter Pulsmonitoring. Falls keine wesentlichen NW auftreten 8 ml Edrophonium-Cl langsam i. v. Bei deutlicher Besserung der Paresen: Myasthenische Krise. Kommt es nicht zur Besserung: Cholinerge oder insensitive Krise. Ggf. Untermauerung des Befundes durch 3/sStimulation (sofern zügig zu realisieren).
Myelinolyse, zentrale pontine (ZPM)
gesichert Bei myasthenischer Krise: Erhöhung der Cholinesterasehemmerdosis (30 mg oral entspricht etwa 1 mg i. v.). Initial 1–3 Amp. Mestinon langsam i. v. Danach Perfusor mit 12 mg (max. 24 mg) pro 24 h i. v. I. v.-Immunglobuline, z. B. 0,4 g/kgKG/d über 5 Tage. Bei Nichtansprechen ggf. Dosiserhöhung auf 1 oder 2 g/kgKG/d (Cave: Nierenfunktion). Alternativ Wechsel auf Plasmapherese oder Immunadsorption. empirisch Atemtherapie, Pneumonieprophylaxe. Bei mutmaßlicher Aspiration antibiotische Therapie auf Verdacht. Ggf. Sedierung (Cave: Verschleimung, Ateminsuffizienz), z. B. mit Atosil, 4× 25 mg. Glukokortikoide (Cave: Initiale Symptomverschlechterung möglich!). Bei intubierten Patienten Einsatz unproblematisch, z. B. 0,5–1 g Prednisolon in 500 ml NaCl pro Tag i. v. Die Infusion sollte nicht zu schnell laufen, mind. 30 min. Je nach Verlauf nach einigen Tagen Umstellung auf orale Medikation, anfangs etwa 1 mg/kgKG/d über 5–10 d. Dosisreduktion in Abhängigkeit vom Verlauf. Bei nicht intubierten Patienten Beginn mit 20– 30 mg Prednisolon oral für 3–5 Tage. Danach alle 3–5 Tage um 20–30 mg erhöhen bis auf 1,5 mg/kgKG/d. Bei starken muskarinergen NW der Cholinesterasehemmer: Ggf. Atropin s. c., z. B. 4–5×0,5– 1 mg. Nach Stabilisierung weitere Therapie wie bei Myasthenia gravis üblich (z. B. Azathioprin, Thymektomie). Bei cholinerger und insensitiver Krise: Absetzen der Cholinesterasehemmer, evtl. Atropin. Symptomatische Therapie und ggf. Forcierung der immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie wie bei der myasthenischen Krise.
Nachsorge Neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis
3
Bewertung Durch die Anbindung vieler Patienten an Spe-
zialambulanzen, sowie die Möglichkeit, dass Patienten bei Veränderungen auch telephonisch Kontakt aufnehmen können, sind myasthenische Krisen heute eher selten geworden. Cholinerge Krisen sind eine Rarität.
Prognose Aufgrund der verschiedenen Therapiearme ist die Prognose in aller Regel gut. Dies setzt voraus, dass die Entscheidung zur Krankenhauseinweisung nicht verschleppt wird.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Neuomuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis
Myasthenisches Syndrom, Lambert-Eaton 3
Initiale Therapie auf einer Intensivstation.
3
Therapie
819
Lambert-Eaton-Syndrom (LEMS)
Myelinolyse, zentrale pontine (ZPM) Definition Symmetrische Demyelinisierung im Zentrum des Brückenfußes, wobei Neuronen und Axone weitgehend ausgespart sind.
Einleitung Die sehr seltene ZPM ist charakterisiert durch eine symmetrische Demyelinisierung im Zentrum des Brückenfußes, bei der Neuronen und Axone weitgehend ausgespart sind. Bei etwa 10% der Patienten finden sich extrapontine Läsionen. Die ZPM kann in jedem Alter auftreten. Ihre Ätiologie ist ungeklärt, eine Assoziation mit chronischem Alkoholismus wird jedoch beschrieben. Klinische und tierexperimentelle Studien zeigen, dass einer schnellen Aufsättigung chronischer Hyponatriämie mit hypertoner Kochsalzlösung eine große pathogenetische Bedeutung zukommt. Dabei kommt es möglicherweise über osmotischen Stress zu einem Endothelschaden mit nachfolgendem vasogenem Ödem und zur Freisetzung myelinotoxischer Faktoren. Klinisch wird die Erkrankung meist bei Patienten mit chronischem Alkoholismus und Delir
M
Myelitis
Diagnostik * * *
Anamnese. Klinik. MRT: Meist symmetrische, oft fledermausartig konfigurierte Läsionen im Zentrum der Pons, nicht raumfordernd, keine KM-Aufnahme, oft erst nach 1–2 Wochen nachweisbar.
Literatur
symptomatik ( Querschnittssyndrome) mit motorischen, sensiblen und autonomen Ausfällen unterhalb und auf Höhe des betroffenen Rückenmarksegmentes. Einen Überblick über mögliche Ursachen bietet Tab. 1.
Diagnostik Liquor: Pleozytose, Eiweißerhöhung. Versuch des serologischen oder kulturellen Erregernachweises, Nachweis einer intrathekalen Immunglobulinsynthese. Labor: BSG, CRP, ANA, ACE. MRT: Nachweis eines Entzündungsherdes, Ausschluss einer Raumforderung. SEP, MEP zur Verlaufskontrolle.
Therapie 1. Kausale Therapie je nach auslösendem Agens. 2. Prohylaxe und Behandlung von Sekundärkomplikationen: * Bei immobilen Patienten Thromboseprophylaxe mit „low dose“-Heparin und Kompressionsstrümpfen. * Kontrolle von Urinausscheidung und Restharn. * Regelmäßige Stuhlentleerungen durch Laxantien oder Klysma. Dekubitusprophylaxe. * Thorakale oder zervikale Myelitiden können zu einer Atemlähmung führen mit der Gefahr von Pneumonien und respiratorischer Insuffizienz (Atemgymnastik, Blutgasüberwachung). * Läsionen oberhalb von Th9–10 können zentrale Temperaturregulationsstörungen hervorrufen. * Blasenoder Mastdarmfüllung kann plötzliche Blutdruckanstiege bewirken ( Dysreflexie, autonome). 3
beobachtet. Die Gründe für diesen Zusammenhang sind jedoch unklar. Außerdem befinden sich Patienten mit Nebenniereninsuffizienz, Lebererkrankungen, schweren Verbrennungen, Mangelernährung und dem SIADH-Sydrom in der Risikogruppe. Meist ist der Verlauf der ZPM biphasisch. Dabei besteht häufig initial eine Enzephalopathie (verursacht durch die Hyponatriämie), die sich auf Ausgleich der Hyponatriämie rasch bessert und 2–3 Tage nach Korrektur von weiteren neurologischen Symptomen begleitet ist. Manifestieren kann sich dabei z. B. eine Pseudobulbärparalyse und spastische Tetraparese (>90% der Patienten), Locked-in-Syndrom, Dysarthrie, Hirnnervenparesen oder diskrete neurologische Störungen, wie eine milde Okulomotoriusparese. Differenzialdiagnostisch sind v. a. die MS, Hirnstamminfarkte und eine Basilaristhrombose zu erwägen. Zur Vermeidung einer ZPM erfolgt bei schwerer symptomatischer Hyponatriämie (<100 mmol/l) die Behandlung mit hypertoner Kochsalzlösung (z. B.3% NaCl 1–2 ml/kgKG/h i. v.) allein oder kombiniert mit Furosemid [1]. Vermeidung eines Serumnatriumanstiegs um mehr als 0,5 mmol/h. Bei schwerer asymptomatischer Hyponatriämie (<100 mmol/l): Flüssigkeitsrestriktion.
3
820
1. Gross et al. (1998) The treatment of severe hyponatremia. Kidney Int Suppl. 64: 6–11.
Myelitis, bakterielle Myelitis Definition Nichtinfektiöse oder infektiöse entzündliche Rückenmarkserkrankung.
Einleitung Leitsymptom ist eine (sub-)akute Querschnitts-
Einleitung Zu den bakteriellen Erregern einer Myelitis zählen die neurotropen Spirochäten Borrelia burgdorferi und Treponema pallidum. Beide können in einem intermediären Infektionsstadium ein polyradikulomyelitisches Bild hervorrufen, im Spätstadium aber ebenso das Bild einer chronischen Myelitis mit langsam progre-
Myelitis, postinfektiöse/postvakzinale
821
Myelitis. Tab. 1: Ursachen einer Myelitis *
Nichtinfektiöse Myelitiden- MS- Postinfektiös/postvakzinal- AIDS-assoziiert- SLE- SarkoidoseParaneoplastisch
*
Infektiöse Myelitiden- Enteroviren (ECHO, Coxsackie, Poliomyelitis)- Herpesviren (Herpes 1, 2, 6, VZV, CMV, EBV)- HIV, HTLV1- Borrelia burgdorferi- Treponema pallidum Toxoplasmen, Pilze
dienter Gangunsicherheit. Weitere wichtige bakterielle Erreger sind das Mycobacterium tuberculosis und Staphylococcus aureus (meist durch septische Embolien).
Diagnostik Liquor: Pleozytose, Eiweißerhöhung, evtl. Nachweis spezifischer Antikörper. Labor: Entzündungszeichen (BSG, CRP), TPHA und Borrelienserologie, ggf. BorrelienPCR, Blutkulturen (bei V. a. septische Myelitis).
Therapie
Myelitis, paraneoplastische Einleitung Subakute nekrotisierende Myelitis mit typischerweise schmerzfreiem Verlauf bei oft ausgeprägten motorischen und sensiblen Defiziten.
Diagnostik Im Liquor geringe Eiweißerhöhung oder leichte lymphozytäre Pleozytose, oft Normalbefund, Tumorzellen lassen sich nicht nachweisen. Tumorsuche.
Therapie
Borreliose, Neuroborreliose; Lues cerebrospinalis. Bei V. a. eine sonstige bakterielle Infektion sollte eine empirische Behandlung nach dem Schema der Tab. 1 begonnen werden.
Behandlung der Grunderkrankung.
M Myelitis, postinfektiöse/ postvakzinale
3
Einleitung
3
Myelitis, nichtinfektiöse Einleitung Ursachen einer nichtinfektiösen Myelitis sind MS (Multiple Sklerose); Myelitis, postinfektiöse/postvakzinale; Myelitis, paraneoplastische; Sarkoidose; SLE (systemischer Lupus erythematodes).
Meist 1–3 Wochen nach einem viralen Allgemeininfekt oder einer Impfung auftretende, durch eine Autoimmunreaktion vermittelte, meist monophasische Myelitis.
3
Diagnostik Im Liquor Nachweis einer moderaten lymphozytären Pleozytose (10–200 Leukozyten/µl) mit
3
3
3
3
Myelitis, bakterielle. Tab. 1: Therapie der infektiösen Myelitis Indikation
Substanz
Dosierung
Bakteriell Empirisch
Flucloxacillin
6mal 2 g
und und
oder Vancomycin Cefotaxim Aminoglykosid oder Metronidazol
3mal 1 g 3mal 2 g Nach Körpergewicht 3mal 0,5 g
Nach bakterieller Erregerbestimmung
Entsprechend Antibiogramm
822
Myelitis, virale
geringer Eiweißerhöhung, fehlender Erregernachweis.
Myelomalazie
Therapie
Ischämie, spinale
3
empirisch Immunsuppressive Therapie mit Kortikosteroiden (z. B. 1 g/die Methylprednisolon über 3 Tage i. v. mit anschließendem oralen Ausschleichen) oder Immunglobulinen (0.4 g/ kgKg/die i. v. über 3–5 Tage).
Myelomalazie, chronische Definition Chonische spinale Minderperfusion, symptomatisch durch eine Claudicatio intermittens spinalis. 3
Myelitis, virale Definition Häufigste spinale Dysraphie ( Spina bifida) mit Protrusion des Rückenmarkes oder der Cauda equina samt Arachnoidea bei knöchernem und duralem Defekt. 3
Zu den Viren, die eine direkte Myelitis hervorrufen können, zählen die Entero- (ECHO, Coxsackie, Polio) und Herpesviren (HSV 1 und 2, VZV, EBV, CMV), HIV und HTLV-1 ( Paraparese, tropische spastische).
Myelomeningozele 3
Einleitung
3
Diagnostik
Myelooptikoneuropathie, subakute (SMON) 3
Im Liquor lymphozytäre Pleozytose (bis 500 Leukozyten/μl), im Frühstadium auch granulozytäres Bild, normal bis leicht erhöhtes Liquoreiweiß. Entscheidend ist der Nachweis spezifischer Antikörper bzw. eines Titeranstieges. Manche Viren (u. a. HSV, VZV) sind direkt mittels PCR nachweisbar.
SMON (subakute Myelooptikoneuropathie)
Therapie Synonyme Rückenmarkserkrankung, krankung
Knochenmarkser-
Myelopathie, akute transverse Einleitung Unscharf definierter Begriff für eine akute, nicht traumatisch induzierte Querschnittsymptomatik. In der Frühphase ist die Ursache (akute Myelitis, Ischämie, spinale) oft nicht zu differenzieren. MR-tomographisch ist oft eine Schwellung des Myelons nachweisbar. 3
Bei Verdacht auf eine Infektion mit Herpesviren sollte Aciclovir (3×10 mg/die/kg Körpergewicht i. v., z. B. Zovirax®) über 10 Tage gegeben werden (bei vermuteter viraler Genese auch vor Erregernachweis), alternativ Valaciclovir (3×1 g/die p. o., z. B. Valtrex®). Bei CMV-Infektion werden Ganciclovir (2× 5 mg/die/kg Körpergewicht i. v., z. B. Cymeven®) oder Foscarnet (3×60 mg/die/kg Körpergewicht i. v., z. B. Foscavir®) über 10–14 Tage gegeben. Bei immungeschwächten Patienten evtl. Kombination mit Immunglobulinen. Bei der HTLV-1 Infektion wurde eine Wirksamkeit von Interferon-α beschrieben (täglich 6×10 Einheiten über 2 Wochen, dann 3×/ Woche über 22 Wochen).
Myelopathie
3
empirisch
Myelopathie, zervikale
empirisch Kurzfristige Gabe hochdosierter Kortikosteroide, z. B. Dexamethason (3×8 mg/die i. v., z. B. Fortecortin®).
Myelopathie, angiodysgenetische nekrotisierende (Foix-AlajouanineSyndrom) Durafistel, arteriovenöse, spinale
Myelopathie, vakuoläre Einleitung Typischerweise im Rahmen einer fortgeschrittenen HIV-Infektion auftretende Myelopathie mit sensomotorischer spastischer Paraparese und Blasenstörung. 3
Therapie
823
Myelopathie, zervikale Definition
3
Myelopathie, Clioquinolmyelopathie SMON (subakute Myelooptikoneuropathie)
3
Myelopathie, Sarkoidose Sarkoidose (Besnier-Boeck-Schaumann-Erkrankung)
3
Myelopathie, Strahlenmyelopathie Strahlenmyelopathie
Einengung des Myelons im zervikalen Spinalkanal mit spinalen neurologischen Symptomen.
Einleitung Klinisch imponieren typischerweise eine chronisch progrediente Gangstörung (Querschnittsymptomatik mit Reflexsteigerung und pathologischen Reflexen der unteren Extremität), in Kombination mit radikulären Ausfällen an der oberen Extremität. Oft werden Schmerzen im Bereich von Nacken und Schultern angegeben. Manifestation meist jenseits des 40. Lebensjahres. Eine radiologisch nachweisbare spinale Enge ist insbesondere im höheren Lebensalter kein seltener Befund, wesentlich für die Diagnosestellung ist eine passende neurologische Symptomatik. Differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden müssen in erster Linie andere Ursachen einer Querschnittlähmung sowie eine ALS (amyotrophe Lateralsklerose), spinale Raumforderungen (Meningeom, Neurinom), funikuläre Myelose, spinale Durafisteln, Syringomyelie, chronische Myelitis. 3
3
3
3
3
Myelopathie, toxische
Diagnostik Einleitung Zu den Auslösern einer toxischen Myelopathie gehören Nahrungsmittel (durch in Reservenahrungsmitteln wie Kichererbse ( Neurolathyrismus) oder Cassava ( Neurocassavaismus) enthaltene Toxine), Industrietoxine (Organophosphate), Medikamente (u. a. Ciclosporin, Cytarabin, Methotrexat, Clioquinol), i. v. Drogenabusus sowie Lachgasabusus.
Nativröntgen der HWS: Ausmaß spondylotischer Veränderungen. Elektrophysiologie (SEP, MEP, EMG): Höhenlokalisation, Verlaufskontrolle. MRT der HWS: Nachweis der spinalen Enge sowie evtl. einer Myelonschädigung. Zervikale Myelographie: Nachweis der spinalen Enge bei nicht eindeutigem MRT.
Therapie
3 3
3
Therapie
empirisch
Beendigung der Exposition.
Siehe Tab. 1.
M
824
Myeloschisis
Myelopathie, zervikale. Tab. 1: Therapie der zervikalen Myelopathie Konservativ
Operativ
Indikationsstellung Tatbestände, die einen konservativen Therapieversuch rechtfertigen: Geringfügige Symptomatik, Langsame Progredienz, Erhöhtes Operationsrisiko (Alter, Begleiterkrankungen)
Maßnahmen
Weiche Halskrawatte für 6 – 8 Wochen Krankengymnastische Übungen zur Kräftigung der Hals- und Nackenmuskulatur Physikalische Kälte- und Wärmeanwendungen Antiphlogistika, Analgetika Antispastika
Voraussetzungen für operatives Vorgehen: Deutliche neurologische Ausfallerscheinungen; Nachweis einer Myelopathie in der MRT. Rasch progredienter Verlauf Alter und Allgemeinzustand erlauben einen operativen Eingriff Anteriorer Zugang (bevorzugt bei spinalen Stenosen, die sich nur über 1 – 2 Segmente erstrecken): Anteriore zervikale Diskektomie mit aynteriorer zervikaler Fusion Partielle oder totale Korpektomie Posteriorer Zugang (bevorzugt bei spinalen Stenosen, die über mehr als 2 Segmente ausgedehnt sind): Multisegmentale Laminektomie Multisegmentale Erweiterungslaminoplastie ggf. mit Foraminotomie bzw. Resektion von Osteophyten
Definition Spinale Dysraphie mit offen liegender Neuralplatte. Schwerste Form der Spina bifida cystica. 3
3
Myelose, funikuläre
rästhesien). Im Verlauf schlaffe Paraparese mit abgeschwächten Muskeleigenreflexen und positiven Pyramidenbahnzeichen. Ursächlich ist ein Vitamin B12-Mangel ( „Intrinsic-Factor“-Mangel bei Typ A Gastritis oder Z. n. Magenresektion; Malabsorptionssyndrom, mangelnde Zufuhr bei Vegetariern, Fischbandwurm, „blind loop“-Syndrom mit bakterieller Überwucherung der Darmflora, erhöhter Verbrauch in der Schwangerschaft). 3
Myeloschisis
Diagnostik Synonyme
Vitamin B12-Mangelerkrankung mit Hinterstrangschädigung des Rückenmarkes (evtl. Polyneuropathie, megaloblastäre Anämie, organische Psychose und Hunter-Glossitis).
Bestimmung von Vitamin B12 im Plasma. Schilling-Test zum Nachweis einer Vitamin B12-Resorptionsstörung. Gastroskopie (Typ A Gastritis), Nachweis von Autoantikörpern gegen Parietalzellen oder Intrisic Factor. Elektrophysiologie (NLG, MEP, SEP) zur Verlauskontrolle.
Einleitung
Therapie
Klinik: Manifestation meist im mittleren Lebensalter mit Symptomen der Hinterstrangschädigung (Gangunsicherheit, sensible Ataxie, Pa-
empirisch Kausale Behandlung: Intermittierende Antibiotikagabe bei „blind loop“-Syndrom, Umwand-
Dana-Lichtheim-Erkrankung
3 3
Definition 3
Myoadenylatdeaminase-Mangel
lung von Billroth II in Billroth I, Behandlung einer Fischbandwurmerkrankung etc. Substitutionstherapie bei Vitamin B12-Mangel: Zunächst zur Aufsättigung der Speicher Gabe von je 1 mg Vitamin B12 (Hydroxycobalamin oder Cyanocobalamin) täglich oder in Abständen von Tagen i. m. Erhaltungstherapie: Gabe von 1 mg Vitamin B12 i. m. in Abständen von 1–3 Monaten.
Nachsorge Bei Typ A Gastritis: Kontrollgastroskopien (erhöhtes Risiko für Magenkarzinom).
Diätetik/Lebensgewohnheiten Ausgewogene Ernährung, Substitution bei erhöhtem Bedarf.
Myloidkörperformation Eine Reihe von Medikamenten sind bekannt, die mit sauren oder anionischen Membranphospholipiden Komplexe bilden, die nicht mehr abgebaut werden können und lysosomal akkumulieren. Myopathien dieser Art mit proximal betonten Paresen und Herzbeteiligung treten gehäuft bei Therapie mit Chloroquin und Amiodaron auf. Es bildet sich eine vakuoläre Myopathie. Die Einschlüsse werden als Myloidkörper, „myelin-like-bodies“ oder „curvilinear bodies“ beschrieben. Die Symptome bilden sich in der Regel nach Absetzen des auslösenden Mittels zurück.
Myoadenylatdeaminase-Mangel
825
im AMPD1-Gen auf Chromosom 1) und mit 1–2% in der Bevölkerung häufig. Die meisten Individuen sind asymptomatisch und es ist umstritten, ob der Enzymmangel per se Symptome verursacht. Allerdings haben Individuen mit Myalgien in Ruhe oder unter Belastung häufiger einen MAD-Mangel als der Häufigkeit in der Population entsprechen würde. Es wird daher spekuliert, dass genetische Variabilität kompensatorischer Stoffwechselwege für die Entwicklung von Symptomen entscheidend sein könnte. Immerhin werden bei einem Teil der Individuen mit MAD-Mangel neben Myalgien, Muskelsteifigkeit und Krampi nach Belastung eine CK-Erhöhung und myopathische Veränderungen in EMG und Muskelbiopsie gefunden. In Einzelfällen wurde über Rhabdomyolyse berichtet. Myoadylatdeaminase ist ein Bestandteil des Purin-Nukleotid-Zyklus und katalysiert die hydrolytische Desaminierung von Adenosinmonophosphat (AMP) zu Inosinmonophosphat (IMP) und Ammoniak. Der fehlende Ammoniakanstieg relativ zum normalen Laktatanstieg im Laktat-IschämieTest ist diagnostisch wegweisend.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK im Serum, LaktatIschämie-Test, EMG, evtl. Muskelbiopsie.
Therapie Symptomatische Therapie der Myalgien. empirisch Es wurde berichtet, dass mit Ribose 3 g per os alle 10 min beginnend 1 h vor Fahrradbelastung bis zum Ende der Belastung bei 2 von 3 Patienten mit MAD-Mangel keine Muskelsteifigkeit und Krampi nach Ende der Belastung auftraten (1).
Synonyme
Prognose
MAD-Mangel
In der Regel gut.
Definition
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Hereditärer Mangel des Enzyms Myoadenylatdeaminase.
Vermeiden körperlicher Extrembelastungen.
Einleitung
Literatur
Myoadenylatdeaminase-Mangel ist autosomalrezessiv vererbt (Nonsense Mutation C34-T
1. Wagner et al. (1991) Ann. Nutr. Metab 35:297– 302.
M
826
Myoglobinurie
Myoglobinurie Muskelnekrose
3
Myoidzellen Definition Zellen mit strukturellen Ähnlichkeiten zu Muskelzellen, jedoch ohne eigentliche Muskelfunktion.
Grundlagen Myoide Zellen kommen in verschiedenen Organen vor, z. B. peritubuläre myoide Zellen im Hoden. Für die Neurologie sind die spärlichen myoiden Zellen in der Medulla des Thymus wichtig, weil ihnen eine wesentliche Bedeutung bei der Pathogenese der Myasthenia gravis unterstellt wird. Myoide Zellen des Thymus exprimieren den kompletten Azetylcholinrezeptor. Bei der nicht durch ein Thymom bedingten, früh beginnenden Myasthenia gravis finden sich medulläre lymphofollikuläre Infiltrate. Tatsächlich finden sich Keimzentren häufig in der Nachbarschaft solcher myoider Zellen. Dort finden sich B-Zellen, die Antikörper gegen Azetylcholinrezeptorantigen bilden. Es wird daher spekuliert, dass die myoiden Zellen den Autoimmunprozess wesentlich triggern. Bei spät beginnender Myasthenie und bei Myasthenie im Rahmen eines Thymoms scheinen andere Pathomechanismen maßgeblich zu sein.
Myoklonus Definition Bei dem Myoklonus handelt es sich um unwillkürliche, plötzlich auftretende, kurz anhaltende Muskelzuckungen mit klinisch sichtbarem Bewegungseffekt. Die Dauer der myoklonen Entladungen beträgt in der Regel 20–120 ms, kann in Einzelfällen jedoch bis zu 300 ms betragen. Eine Sonderform ist der negative Myoklonus, der als unwillkürliches plötzliches Sistieren einer tonischen oder phasischen Bewegung für eine Dauer von 35–200 ms imponiert. Der negative Myoklonus wird auch als Asterixis bezeichnet.
Einleitung Die unregelmäßige, jedoch oft auch rhythmische Muskelkontraktion bei Myoklonus-Syndromen ist eine kurze, schockartig Muskelzuckung und ähnelt der Reaktion eines Muskels auf einem kurzen elektrischen Stimulus. Einschlafmyoklonien und Singultus („Schluckauf“) stellen physiologische Formen des Myoklonus dar. Myoklonus tritt als Ausdruck einer Störung auf kortikaler, subkortikaler, retikulärer oder spinaler Ebene auf. Es handelt sich somit um ein Syndrom, das als Leit- oder Nebensymptom bei vielen neurologischen Krankheiten vorkommen kann. Myoklonus ist ein wichtiges Symptom vieler epileptischer Störungen, degenerativer (z. B. progressive Myoklonusepilepsien, Morbus Alzheimer, Creutzfeldt-Jacob-Krankheit) metabolischer und entzündlicher Prozesse. Sogenannte Aktionsmyoklonien sind besonders typisch für posthypoxische Schäden.
Diagnostik Mit Hilfe der Oberflächen- oder Nadelelektromyographie ist es möglich, die Dauer einer myoklonischen Aktivität in einem Muskel exakt zu bestimmen, die Synchronizität myoklonischer Aktivität in antagonistischen Muskeln und die zeitliche Reihenfolge der Rekrutierung proximaler und distaler Muskelgruppen im Rahmen einer myoklonischen Aktivität zu prüfen. Mit der Elektromyographie lässt sich illustrieren, ob bei der Ausführung willkürlicher komplexer Bewegungen durch myoklonische Aktivitäten die natürlichen Bewegungen überlagert sind („ballistischer overflow Myoklonus“). Die elektromyographische Registrierung von synchronen EMG-Aktivitäten ist für die Identifizierung eines kortikalen Myoklonus von Bedeutung. Das Einsetzen der elektromyographisch erfassten Myoklonusaktivität wird dabei als Trigger für eine Rückwärtsanalyse des gleichzeitig abgeleiteten EEGs benutzt. Elektromyographische Registrierungen dienen auch zur Erfassung von C-Reflexen. Diese langlatenzigen, meist transkortikalen Reflexe werden in der Regel durch elektrische Reizung des N. medianus am Handgelenk ausgelöst und zeigen in Muskeln des Unterarms und der Hand Latenzen von 40–60 ms. EEG-Ableitungen dienen bei der Charakterisierung von myoklonischen Syndromen der Erfassung von epileptischen Potentialen und der Ab-
Myoklonus
leitung von somatosensorisch evozierten Potentialen (SSEP) nach elektrischer Reizung peripherer Nerven. Weiterhin werden elektroenzephalographische Ableitungen zur Erfassung von Hirnstromaktivitäten, die im Vorfeld einer spontanen oder reizinduzierten myoklonischen Aktivität auftreten, eingesetzt. Voraussetzung ist die Möglichkeit einer Rückwärtsanalyse des EEG („Backaveraging“). Die Erfassung von C-Reflexen im EMG, die Analyse von SSEPs und die Rückwärtsanalyse bei Auftreten reizinduzierter oder spontaner Myoklonien dienen vor allem der Identifizierung eines kortikalen Myoklonus-Syndroms.
Therapie Kortikale Myoklonus-Syndrome, subkortikale (Aktionsmyoklonien bei hypoxischer Enzephalopathie), retikuläre und primär generalisierte epileptische Myoklonus-Syndrome können alle als Fragmente eines epileptischen Geschehens angesehen werden, da sie entweder direkt oder indirekt mit einer abnormen synchronen Erregung von kortikalen Neuronenpopulationen verbunden sind. Auch die negativen kortikalen Myoklonus-Syndrome lassen sich als Fragmente eines epileptischen Geschehens interpretieren. Eine andere Ausgangssituation ergibt sich beim essentiellen Myoklonus, bei der myoklonischen Dystonie und bei denjenigen symptomatischen Myoklonien, für die Generatoren im Bereich der Basalganglien wahrscheinlich sind. Im Falle der spinalen (segmentalen) Myoklonien müssen Antikonvulsiva nicht Medikamente erster Wahl sein. 1. Pharmakotherapie bei „epileptischen“ Myoklonus-Syndromen Therapie erster Wahl zur Behandlung „epileptischer“ Myoklonie-Syndrome ist Valproat als Monotherapie. Die effektiven Valproatdosen liegen bei 600–3000 mg (in Einzelfällen bis zu 5000 mg) verteilt über 2–3 Tagesdosen. Die optimale Valproatdosierung wird individuell austitriert, indem die Tagesdosis in 2–3tägigen Abständen um 300 mg erhöht wird. Bei Einsatz von Clonazepam kommen Dosen von 4–8 mg und bei Clobazam von 10–80 mg bei langsamer Aufdosierung zur Anwendung. Wenn sich unter der Monotherapie zunächst mit Valproat und dann mit Benzodiazepinen keine befriedigende Besserung der myoklo-
827
nischen Aktivität erreichen lässt, sind Kombinationstherapien anzuraten. Ferner die hochdosierte Therapie mit Piracetam (Nootrop®, Normabrain®). Empfohlen werden 3× 3 g bis 3×8 g täglich [1]. Da dies zu einer massiven Anzahl an Tabletten führen würde, die kaum jemand einnehmen möchte, sind die flüssigen Darreichungsformen aus Ampullen vorzuziehen, deren Inhalt einfach getrunken werden kann. Piracetam kann mit Valproat und Benzodiazepinen kombiniert werden. Antispastika wie Baclofen (Lioresal® R) haben nur in Einzelfällen einen positiven Effekt. Gleiches gilt für Dopaminergika (LDopa-Präparate, Dopaminagonisten). 2. Pharmakotherapie bei nicht „epileptischen“ Myoklonus-Syndromen Bei Myoklonus-Syndromen, die nicht als Fragment eines epileptischen Geschehens angesehen werden können, sind die therapeutischen Erfolge im Mittel wesentlich geringer als bei den epileptischen MyoklonusSyndromen. Bei dem wohl extrapyramidal generierten essentiellen Myoklonus sind Anticholinergika, wie z. B. Trihexyphenydil (Artane® R) Therapie erster Wahl. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen kommen Dosierungen bis zu 40–60 mg zur Anwendung. Geringe therapeutische Erfolge werden mit Tetrabenazin erzielt. Bei der essentiellen Myoklonie kommen weiterhin Benzodiazepine und b-Blocker, z. B. Propranolol mit meist nur geringem Effekt zur Anwendung. Auch wenn aufgrund theoretischer Überlegungen bei den nicht epileptischen Myoklonus-Syndromen Antikonvulsiva nicht wirksam sein sollten, so wird man dennoch bei schwer zu behandelnden Patienten auch eine Therapie mit Valproat probieren. Bei der myoklonischen Dystonie ist ein Diagnosekriterium die ausgesprochene Verbesserung der myoklonischen Aktivität durch Alkoholkonsum. Nach eigener klinischer Erfahrung gelingt jedoch der gezielte Einsatz von Alkohol zur Behandlung dieser Patienten nicht, vielmehr besteht die große Gefahr einer Alkoholabhängigkeit und einer Entwicklung von alkoholtoxischen Schäden. Insgesamt ist die Behandlung der myoklonischen Syndrome geprägt von einem Suchen, Kombinieren und Probieren, da die Patienten
M
828
Myoklonus, Gaumensegelmyoklonus/-tremor
meist individuelle Kombinationen verschiedener Myoklonus-Syndrome und eine individuelle Reagibilität auf die verschiedenen Medikamente zeigen. Erschwert wird das Verfolgen eines verbindlichen Therapieschemas auch dadurch, dass die veröffentlichten Mitteilungen über Therapien bei myoklonischen Syndromen meist anekdotischer Natur sind und breiter angelegte Therapiestudien nicht vorliegen.
Literatur 1. Benecke R (1996). Myoklonus, myoklonische Syndrome und ihre assozierten Erkrankungen. In: Conrad B, Ceballos-Baumann AO (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 199–221.
Myoklonus, Gaumensegelmyoklonus/-tremor Synonyme Gaumensegeltremor, palataler Tremor
Definition Rhythmische fokale myoklonische Aktivität im Bereich des Gaumensegels.
Diagnostik MRT zum Ausschluss eines symptomatische Gaumensegeltremor bei Schädigungen der dentatoolivären Bahn und der typischen Pseudohypertrophie der unteren Olive.
Therapie Die Beschwerden der Patienten ergeben sich meist aus den Folgen der Hirnstamm- und Kleinhirnschädigungen, während der Gaumensegelmyoklonus/-tremor oft nur zufällig bei der klinischen Untersuchung entdeckt wird. Nur wenn auch weitere Muskeln in die Hyperkinese einbezogen sind, ergeben sich tremorbedingte Beschwerden durch die Oszillopsie, wenn ein zum Tremor zeitsynchroner Pendelnystagmus auftritt, oder wenn die Extremitätenmuskeln in Form eines Ruhe-, Halte- oder Intentionstremors einbezogen sind. Davon abzugrenzen ist der essentielle Gaumensegeltremor, der offenbar nicht mit einer Olivenhypertrophie verbunden ist und der als einzige und höchst lästige Beschwerde ein zum Tremor zeitsynchrones objektiv hörbares klickendes Ohrgeräusch verursacht. Dieses entsteht durch rhythmische Aktivität des M. tensor veli palatini. Hier kann erwogen werden, eine Schwächung des M. tensor veli palatini durch Botulinumtoxin zu induzieren.
Einleitung
Myoklonus in Haltefunktion Versuch mit Clonazepam, Amantadin.
Myoklonus, negativer Synonyme Asterixis, negativer Myoklonus
Definition 3
Die Zuordnung dieses klinischen Syndroms zu den myoklonischen Syndromen ist umstritten, obwohl es als Faktum gilt, dass es sich dabei unter Beachtung aller Kriterien um einen Tremor handelt. Die rhythmische Myoklonusaktivität im Bereich des Gaumensegels wird von den Patienten bei isolierten (essentiellen) Gaumensegelmyklonus häufig nicht wahrgenommen. Erst wenn es zu synchronen Miterregungen des Tensor veli palatini kommt, treten klickende Ohrgeräusche auf, die den Patienten erheblich behindern können. Das palatale Myoklonus-Syndrom wird bei Schädigungen oder Funktionsstörungen im Bereich des Guillain-Mollaret'schen Dreieck (Olive/Nucleus dentatus/Nucleus ruber) beobachtet. Mit Hilfe der Kernspintomographie lässt sich bei manchen Patienten mit symptomatischem Gaumensegelmyoklonus eine Pseudohypertrophie der Olive nachweisen. Wenn der palatale Myoklonus einseitig auftritt, findet sich die Olivenhypertrophie kontralateral.
Myoklonus
Myokymie Synonyme Muskelwogen
Myopathie, alkoholische
829
Definition
Therapie
Myokymie bezeichnet aufeinanderfolgende Kontraktionswellen über einzelne Fasern von Muskeln oder Muskelgruppen.
Die Therapie hängt sehr von der Art der Myopathie ab.
Einleitung Myokymie ist ein seltenes Symptom im Rahmen verschiedener zentraler und peripherer Syndrome, dessen Abgrenzung von Myoklonien (zentral) und Faszikulationen (peripher) nicht immer eindeutig zu treffen ist. Myokymien treten im Rahmen einer Gold- und Penicillamintherapie, unter Phenytoin, und auch paraneoplastisch bei Bronchialkarzinomen auf. Myokymie ist charakteristisch für das sogenannte Isaacs-Syndrom, dem Syndrom andauernder Muskelfaseraktivität, bei dem eine periphere Störung angenommen wird.
Differenzialdiagnose Myoklonien, Faszikulationen, Tics. Im Gesichtsbereich ist an Hirnstammprozesse, insbesondere bei multipler Sklerose zu denken.
Therapie Therapie der zugrunde liegenden Krankheit.
Myopathie Definition Alle Erkrankungen, die die Muskulatur direkt oder indirekt betreffen.
Einleitung Man unterscheidet Myopathien mit Strukturanomalien, Myopathien bei Stoffwechseldefekten, Myopathien bei Endokrinopathien, inflammatorische Myopathien mit oder ohne Erreger, Myotonien, toxische Myopathien. Da auch Störungen der synaptischen Transmission (Myasthenia gravis, myasthenes Syndrom LambertEaton) und motorisch-axonale Prozesse mit Muskelsymptomen verbunden sind, bezieht man diese Erkrankungen häufig im weiteren Sinne in die Myopathien mit ein.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, Elektroneurographie, Elektromyographie, ggf. 3/s-Stimulation, spezielle genetische Untersuchungen und Muskelbiopsie.
Nachsorge Möglichst an einer Spezialambulanz.
Myopathie, alkoholische Definition Von Neuropathie, Malnutrition und Lebererkrankung unabhängige Muskelaffektion bei chronischem Alkoholabusus. Die Myopathie ist charakterisiert durch selektive Typ II-Faseratrophie. Daneben gibt es noch die Rhabdomyolyse als akute Manifestation der alkoholischen Myopathie.
Einleitung Es ist vermutlich die häufigste Myopathie in der westlichen Welt. Die gesamte Muskelmasse kann bis zu 30% reduziert sein. Meist besteht gleichzeitig eine alkoholische Kardiomyopathie. Das Ausmaß der Myopathie soll linear mit der Gesamtlebensdosis an konsumiertem Alkohol zunehmen. Häufigkeitsangaben schwanken zwischen 1 und 70% der hospitalisierten Alkoholabhängigen. Evtl. wird die Häufigkeit z. T. unterschätzt, weil die Muskelbeteiligung nicht im Vordergrund steht. Die Pathogenese ist nicht völlig klar und wohl komplex. Alkohol und sein Metabolit Acetaldehyd hemmen die muskuläre Proteinbiosynthese. Alkohol erhöht die Konzentration von Cholesterin-Hydroperoxiden. Eine Rolle freier Radikale in der Pathogenese wird vermutet, ist aber nicht gut belegt. Alkoholismus ist häufig von Mangelernährung begleitet. Der daraus resultierende Vitaminmangel führt eher zu Polyneuropathien. Vermutlich spielt Mangel an Spurenelementen, evtl. in Kombination mit Mangel an Vitamin E eine Rolle. Bei Meerschweinchen verursacht Alkohol in Kombination mit Proteinrestriktion einen Mangel an muskulärem Zink und Kalium. Dieser Mangel korreliert mit der in den Tieren gefundenen Typ II-Faseratrophie. Bei Meerschweinchen und Ratten verursacht Mangel an Vitamin E und Selen in Kombination eine Myopathie und Kardiomyopathie. Selen und Zink sind bei Patienten mit
M
Myopathie, Brody-Myopathie
alkoholischer Leberzirrhose signifikant im Blutplasma reduziert. Die alkoholische Rhabdomyolyse ist die häufigste Manifestation einer Rhabdomyolyse mit Myoglobinurie. Vergleichbare Erkrankungen werden auch nach Intoxikationen anderer Art (Opiate, Schlafmittel etc.) beobachtet. Es gibt eine weitere Form der akuten alkoholischen Myopathie, die von der Rhabdomyolyse abzugrenzen ist: Die hypokaliämische Alkoholmyopathie. Aufgrund des bei Alkoholismus vermehrten Erbrechens oder intestinaler Kaliumverluste kommt es innerhalb weniger Wochen zur Ausbildung proximal betonter schmerzloser Paresen. 3
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, SerumElektrolyte, Elektroneurographie, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie.
Therapie Abstinenz. Ggf. Entgiftung und Entwöhnung. Die Organschäden sollten zur Motivierung herangezogen werden. Die akuten Alkoholmyopathien werden symptomatisch behandelt. Eine nephrologische Behandlung, evtl. Dialyse zur Erhaltung der Nierenfunktion bei Rhabdomyolyse ist angezeigt.
Bewertung Die Alkoholmyopathie tritt meist gegenüber den anderen Organschäden an der Leber und vor allem am zentralen und peripheren Nervensystem in den Hintergrund.
Prognose Die Prognose hängt ganz von der Abstinenz ab. Eintritt in eine Selbsthilfegruppe ist anzustreben. Bei der Rhabdomyolyse existiert die Gefahr der Niereninsuffizienz.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Nach Entgiftung und Entwöhnung spielt die Aufgabe des alten Milieus und ggf. die Aufnahme einer Arbeit eine wesentliche Rolle.
Myopathie, Brody-Myopathie Brody-Myopathie
Myopathie, Central-coreMyopathie 3
830
Central-Core-Myopathie
Myopathie, distale Definition Myopathisches Syndrom mit vorwiegend distaler Manifestation.
Einleitung Die Mehrzahl aller myopathischen Syndrome weist eine proximale Betonung der Atrophien und Paresen auf. Insofern heben sich Myopathien mit distaler Betonung aus den myopathischen Syndromen besonders heraus. Distale Betonung kommt bei ganz unterschiedlichen Myopathien vor, so bei einigen kongenitalen, entzündlichen, metabolischen Formen. Nichtsdestoweniger weisen eine Reihe hereditärer Myopathien klinisch relativ uniform eine distale Betonung auf, sodass sie als eigene Gruppe zusammengefasst werden. Der Verlauf ist in der Regel schleichend progredient, sodass lange Gehfähigkeit und auch Berufstätigkeit möglich sind. Die CK ist normal oder leicht erhöht und das EMG zeigt in der klinisch betroffenen Muskulatur myopathische Veränderungen. Die distalen Myopathien werden klinisch, histologisch und genetisch folgendermaßen unterteilt: Beginn im höheren Erwachsenenalter Typ 1 (Welander-Myopathie; Chromosom 2p13, autosomal dominant), Beginn im höheren Erwachsenenalter Typ 2 (Markesberry-Griggs/ Udd; Chromosom 2q31, autosomal dominant; vakuoläre Myopathie), Beginn im frühen Erwachsenenalter Typ 1 (Nonaka-Myopathie; Chromosom 9p1-q1, autosomal rezessiv), Beginn im frühen Erwachsenenalter Typ 2 (Miyoshi-Myopathie; Chromosom 2p12-p14, autosomal rezessiv), Beginn im frühen Erwachsenenalter Typ 3 (Laing-Myopathie; Chromosom 14q11.2-q13, autosomal dominant). Sowohl bei der Miyoshi-Myopathie als auch bei der Gliedergürteldystrophie Typ 2B liegt die Ursache im Dysferlin-Gen, sodass beide Krankheiten als Dysferlinopathien aufgefasst werden können. Die Welander-Myopathie wird hauptsächlich in
3
Myopathien, metabolische
Schweden beobachtet. Initial sind überwiegend die kleinen Handmuskeln betroffen, während bei der Markesberry-Griggs/Udd-Myopathie initial eher die Fußheber betroffen sind. Die Nonaka-Myopathie wird durch eine Mutation im Gen für N-Azetylmannosamin-Kinase/ UDP-N-Azetylglukosamin-2-Epimerase verursacht. Klinisch sind initial die Fußheber betroffen. Mutationen im betroffenen Gen können auch Sialurie sowie autosomal rezessive Einschlusskörpermyositis verursachen. Bei der Miyoshi-Myopathie sind initial die Fußsenker betroffen. Die Laing-Myopathie kann bereits in der Kindheit mit einer charakteristischen Großzehenheberparese beginnen und schreitet langsam fort.
831
Kortisol basal (gegebenenfalls wiederholen), TSH basal, gegebenenfalls fT3 und fT4, Parathormon, CK, EMG, Oberbauchsono, Schilddrüsensono und gegebenenfalls MRT der Bauch- bzw. Halsweichteile. Muskelbiopsie meist nicht erforderlich.
Therapie Abhängig von der jeweiligen Erkrankung.
Nachsorge Eine regelmäßige Verlaufsbeobachtung ist häufig nötig.
Diagnostik
Myopathie, Enzephalomyopathie, mitochondriale
Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektroneurographie, Elektromyographie, ggf. Muskelbiopsie und genetische Untersuchung.
Mitochondriale Erkrankungen
3
Therapie Symptomatisch.
Myopathie, kongenitale
Prognose
Kongenitale Muskeldystrophie
Definition Durch eine endokrine Erkrankung ausgelöste Symptome der Muskulatur, in der Regel mit proximal betonten Paresen.
Myopathie, metabolisch-toxische 3
Myopathie, endokrine
3
In der Regel gut.
Myopathie, toxische
Myopathien, metabolische
Einleitung
Grundlagen
Hormone haben eine Vielzahl direkter und indirekter Wirkungen auf die Muskulatur über veränderten Protein- und Kohlenhydratmetabolismus oder auch durch Elektrolytstörungen. Typ-II-Muskelfasern sind stärker davon betroffen als Typ-I-Fasern. Endokrine Myopathien treten auf bei Nebennierenrindenüber- bzw. - unterfunktion (teils hyperkaliämische Paralyse), Glukokortikosteroidtherapie, Schilddrüsenbzw. Nebenschilddrüsenüber- bzw. - unterfunktion.
Glykogen, Glukose, Fett und Fettsäuren sind die Hauptenergielieferanten der Zelle. Störungen des Metabolismus dieser Energieträger führen in der Regel zu Erkrankungen. Muskel und Nervensystem sind wegen des hohen Energiebedarfs und der geringen Energiereserven besonders vulnerabel für Stoffwechseldefekte. Aufgrund organspezifischer Isoenzyme, die isoliert betroffen sein können, kann sich eine Stoffwechselkrankheit z. T. weitgehend auf den Skelett- oder Herzmuskel beschränken. Das klinische Spektrum der metabolischen Myopathien ist relativ breit. Es reicht von asymptomatischen Fällen über belastungsinduzierte Myalgien, vorzeitige Ermüdbarkeit (Be-
Diagnostik Klinische Untersuchung, Natrium, Kalium, Kalzium, Phosphat, Magnesium im Serum.
M
Myophosphorylase-Mangel (McArdle-Erkrankung)
kungen. Fokale Myositiden, z. B. bei Borreliose oder Sarkoidose sind selten. Es wird zwischen Myositiden ohne Erregernachweis, sogenannte Autoimmun-Myositiden und Myositiden mit Erreger unterschieden. Die Autoimmun-Myositiden stellen die größte Gruppe. Dazu gehören Polymyositis ( Myositis, Polymyositis), Dermatomyositis ( Myositis, Dermatomyositis), ( Myositis, Myositis, Einschlusskörperchenmyositis), granulomatöse Myositis (z. B. bei Sarkoidose), Myositis im Rahmen von Kollagenosen (Overlap-Syndrome, Myositis bei Kollaganeosen), Jo-1-Syndrom. Autoimmun-Myositiden können auch paraneoplastisch (vor allem Dermatomyositis) oder toxisch bedingt sein, z. B. bei DPenizillamin. 3 3
3
3
Diagnostik *
* *
*
*
Myophosphorylase-Mangel (McArdle-Erkrankung) Muskelphosphorylase-Mangel, Glykogenose Typ V
3
Myositis Synonyme Entzündliche Muskelkrankheit, inflammatorische Myopathie
Definition Durch entzündliche Infiltrate im Muskel charakterisierte Krankheitsgruppe.
Einleitung Myositiden sind fast immer sporadische, überwiegend generalisierte und den Skelettmuskel mit proximaler Betonung befallende Erkran-
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lastungsintoleranz), Rhabdomyolyse-Attacken bis hin zu progredienten Paresen. Die Diagnostik umfasst neben der klinischen Untersuchung die Bestimmung von Muskelenzymen im Blut (CK), metabolische Belastungstests (Laktat-Ischämie-Test, Fahrradbelastungstest), Elektromyographie, EKG, Herzecho, Muskelbiopsie und genetische Untersuchungen. Histologisch zeigt sich z. T. ein myopathisches Bild, abnorme Speicherung von Glykogen oder Fett, oder eine abnorme kompensatorische Vermehrung von Mitochondrien, die sich in der Trichrom-Färbung als Ragged-red-Fasern darstellen. Immunhistochemisch lassen sich eine Reihe von Enzymdefekten sicher erfassen. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich das in der Funktion gestörte Protein immunhistochemisch normal darstellt. Muskelgewebe kann zur biochemischen Untersuchung einzelner Enzymaktivitäten herangezogen werden. Ferner lassen sich vermehrte oder verminderte Metabolite messen. Zunehmend sind genetische Tests verfügbar, die mit Blut oder Muskelgewebe durchgeführt werden. In einigen Fällen sind deutliche therapeuthische Fortschritte erzielt worden. Viele metabolische Myopathien sind aber nur symptomatisch behandelbar.
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CK, BSG, CRP, Diff.-BB, ANA, RF, ggf. Jo-1-Antikörper. Bei erhöhten ANA ggf. weitere Differenzierung. EMG klinisch betroffener Muskulatur. Evtl. Bildgebung: Sonographie (B-Bild), MRT. Bei V. a. Trichinen oder Zystizerken Weichteil-Nativröntgen. Muskelbiopsie aus einem klinisch betroffenen, nicht mit EMG untersuchten Muskel ist unerlässlich. Evtl. Tumorsuche.
Therapie Die Therapie hängt von der Art der Myositis ab. Bei den Autoimmun-Myositiden erfolgt die Behandlung immunsuppressiv (Glukokortikosteroide, Azathioprin, Methotrexat) oder immunmodulatorisch mit i. v.-Immunglobulinen (z. B. bei der Einschlusskörperchenmyositis). Bei erregerbedingter Myositis (z. B. Borreliose) zum Teil gezielte Therapie möglich. Ebenso bei Parasitosen. gesichert Autoimmun-Myositis außer Einschlusskörperchenmyositis: Prednison, Prednisolon (1. Wahl), Azathioprin, Methotrexat (2. Wahl), i. v.-Immunglobuline (2. bis 3. Wahl). Einschlusskörperchenmyositis: i. v.-Immunglobuline (leichte bis mäßige Wirkung). empirisch Cyclosporin A, Cyclophosphamid, Mercapto-
Myositis bei Kollagenosen
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purin und andere Zytostatika. Evtl. Interferon β, Tacrolimus. Wirkungen von L-Karnitin, Koenzym-Q, Antioxidantien (z. B. Vitamin E), Clenbuterol sind nicht hinreichend untersucht, könnten aber in Einzelfällen sinnvoll sein.
Definition
unwirksam/obsolet Plasmapherese.
Insbesondere bei Patienten mit Sklerodermie, systemischem Lupus erythematodes, SjögrenSyndrom und rheumatoider Arthritis, seltener bei anderen Kollagenosen vorkommende, in der Regel schmerzhafte Polymyositis. Jeweils typisches Antikörperprofil. Die Einteilung von Patienten nach Antikörpern hat zur Aufdeckung einer neuen Entität geführt: Jo-1-Syndrom (Polymyositis bzw. Dermatomyositis mit fibrosierender Alveolitis). Das EMG zeigt meist nestförmig verteilte myopathische Veränderungen, teils auch pathologische Spontanaktivität neben teils großen Bereichen mit normalem Befund. In manchen Fällen sind die myopathischen Veränderungen elektromyographisch nicht fassbar. Histologisch finden sich entsprechende fokale lymphohistiozytäre Infiltrate neben unauffälligen Bereichen.
Nachsorge Zunächst engmaschige ambulante Nachbehandlung nötig. Klinisches Monitoring der Paresen. Kontrolle von CK, BB, Transaminasen und ggf. BSG bzw CRP. Vorsichtig dosierte Krankengymnastik ist bei deutlich gesunkener CK geboten, um die Muskelregeneration zu beschleunigen.
Bewertung Ein Problem stellen die Nebenwirkungen der Langzeit-Glukokortikoidtherapie dar. Wir würden daher bei autoimmuner Myositis evtl. frühzeitig mit Azathioprin oder Methotrexat beginnen. Bei Kontraindikation gegen Kortikoide würden wir die Zeit bis zum Wirkungseintritt der Zytostatika mit i. v.-Immunglobulinen überbrücken. Ein weiteres Problem bereitet Therapieresistenz bei einem Teil der Patienten bzw. bei einem Teil der Symptome (z. B. Hautbeteiligung bei Dermatomyositis, Lungenbeteiligung beim Jo-1-Syndrom).
Prognose Die Prognose ist bei den Autoimmun-Myositiden bei frühzeitiger Therapie meist gut. Die Einschlusskörperchenmyositis schreitet allerdings in der Regel auch unter Therapie fort.
Heterogene Gruppe rheumatischer Krankheiten mit Polymyositis und charakteristischen Autoantikörpern.
Einleitung
Diagnostik *
* * *
CK, BSG, CRP, großes BB, Transaminasen, Kreatinin, RF, ANA (mit entsprechender Differenzierung), Jo-1. Lungenfunktionstests. Je nach klinischem Befund weitere Diagnostik. EMG klinisch betroffener Muskulatur. Ggf. Muskel-MRT. Biopsie eines klinisch betroffenen Muskels, der nicht mit EMG untersucht wurde.
Therapie Immunsuppressiv.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Einflüsse der Diätetik und Lebensgewohnheiten sind nicht hinreichend bekannt. Wie bei anderen entzündlichen Krankheiten halten wir eine regelmäßige Lebensführung und ausgewogene Ernährung für sinnvoll.
gesichert Prednison, Prednisolon (1. Wahl), Azathioprin, Methotrexat (2. Wahl), Vorgehen: Prednison 1 mg/kg. Zügige Dosisreduktion bei rückläufiger bzw. normalisierter CK. Ggf. frühzeitiger Beginn mit Azathioprin (oder Methotrexat). empirisch
Myositis bei Kollagenosen Synonyme Myositis Overlap Syndrome
Bei Therapieversagen der Mittel der 1. und 2. Wahl ist aber ein Versuch mit i. v.-Immunglobulinen gerechtfertigt. Ferner: Ciclosporin, Cyclophosphamid.
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Myositis, Dermatomyositis
Nachsorge
Diagnostik
Zunächst engmaschige ambulante Nachbehandlung. Monitoring von CK, BSG (CRP), großem BB, Kalium, Transaminasen, Kreatinin, Blutglukose (z. B. 1 h postprandial).
CK, BSG (nur in 50% beschleunigt), CRP, großes BB, Transaminasen, ANA (bei erhöhtem Titer weitere Differenzierung, insbesondere Mi-2-Antikörper), Jo-1. EMG aus klinisch betroffener Muskulatur: Myopathisches Muster, meist pathologische Spontanaktivität. Ggf. Muskel-MRT. Biopsie eines klinisch betroffenen Muskels, der nicht mit EMG untersucht wurde. Bei gesicherter Diagnose (und insbesondere höherem Alter, erniedrigtem Serum-Albumin und erhöhtem CRP): Tumorsuche, insbesondere Mamma, Magen, Ovar, Lunge, Kolon. Ggf. erneute Tumorsuche in Intervallen!
Bewertung Meist gutes Ansprechen auf Immunsuppression. Die fibrosierende Alveolitis spricht z. T. schlecht auf die Immuntherapie an. Eine zunehmend aggressive Therapieeskalation in Abhängigkeit von der Krankheitsprogression erscheint dann gerechtfertigt. Ein auf Studien basierendes Vorgehen existiert allerdings nicht.
Prognose Bei Ansprechen auf die Therapie gut.
Therapie
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Immunsuppressiv. Bei paraneoplastischer Genese entsprechende onkologische Therapie.
Keine gesicherten Einflussfaktoren.
Myositis, Dermatomyositis Definition Polymyositis mit charakteristischer Hautbeteiligung (heliotropes Erythem).
Einleitung Die Dermatomyositis ist eine relativ häufige inflammatorische Myopathie mit Altersgipfeln in der Kindheit und dem höheren Erwachsenenalter, die in bis zu 30% paraneoplastisch auftritt (meist bei Erwachsenen). Selten toxisch-allergische Genese, z. B. D-Penizillamin. Frauen sind häufiger betroffen. Die Muskelbeteiligung entspricht klinisch der Polymyositis mit proximalem Befallsmuster. Bei der kindlichen Form nicht selten Muskelkalzinose. Charakteristisch ist das durch Sonnenlicht verstärkte rötlich-livide Erythem im Bereich von Wangen, Nasenrücken, Augenlider und im Bereich des Ausschnitts am Hals/Brustbereich. Z. T. erythematosquamöse Papeln über den Fingergelenken (Gottron-Zeichen) sowie schmerzende periunguale Erytheme sowie Teleangiektasien (Keinig-Zeichen). Z. T schuppende Alopezie. Die Erkrankung verläuft akut, subakut, chronisch, teils auch schubhaft. Bei akuter Erkrankung sind Myalgien häufig, sonst nicht.
gesichert Prednison, Prednisolon (1. Wahl), Azathioprin, Methotrexat (2. Wahl), i. v.-Immunglobline (2. bis 3. Wahl; waren in kontrollierten Studien sehr effektiv). Vorgehen: Prednison 1 mg/kg über 3–4 Wochen (unter H2-Blocker, ggf. Kaliumsubstitution). Danach allmähliche Dosisreduktion. Frühzeitiger Beginn mit Azathioprin (oder Methotrexat) vermindert die Rückfallrate sowie die langfristigen Kortikoid-Nebenwirkungen. Bei Therapieresistenz oder Kontraindikationen gegen Glukokortikosteroide i. v.-Immunglobuline, ggf. bis zum Wirkungseintritt von Azathioprin oder Methotrexat. empirisch Ciclosporin, Cyclophosphamid, Mycophenolat Mofetil, Interferon β, Tacrolimus. unwirksam/obsolet Plasmapherese.
Nachsorge Zunächst engmaschige ambulante Nachbehandlung. Monitoring von CK, BSG (CRP), großem BB, Kalium, Transaminasen, Kreatinin, Blutglukose (z. B. 1 h postprandial). Ggf. Tumorsuche im Intervall.
Bewertung Meist gutes Ansprechen auf Immunsuppres-
Myositis, Einschlusskörperchenmyositis
sion. Probleme bereiten Muskelkalzinose bei Kindern sowie partielle oder vollständige Therapieresistenz.
Prognose Bei Ansprechen auf die Therapie gut. Bei Malignomen abhängig vom Fortschreiten des Tumors.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Keine gesicherten Einflussfaktoren. Wir raten zu regelmäßiger Lebensführung und ausgewogener Ernährung.
Myositis, Einschlusskörperchenmyositis Synonyme
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Diagnostik * * *
CK, BSG, CRP, Diff.-BB, ANA, ACE. EMG klinisch betroffener Muskulatur. Muskelbiopsie aus einem klinisch betroffenen, nicht mit EMG untersuchten Muskel ist unerlässlich.
Therapie Der Effekt immunsuppressiver oder immunmodulierender Therapie auf den Krankheitsverlauf ist umstritten. Es sind jedenfalls keine dramatischen Besserungen zu erwarten, allenfalls eine Verlangsamung der Progression. gesichert Es wurden z. T. statistisch signifikante Effekte einer i. v.-Immunglobulintherapie beobachtet. Die Beobachtungszeit und die Zahl der Patienten erlauben aber keine abschließende Bewertung der Wirksamkeit der i. v.-Immunglobuline bei der IBM.
Inclusion Body Myositis, IBM
Definition Sporadische, chronisch progrediente inflammatorische Myopathie mit charakteristischen eosinophilen zytoplasmatischen Einschlüssen (rimmed vacuoles) in der Histologie und filamentären Einschlüssen in der Elektronenmikroskopie.
Einleitung Ätiologisch unklare, chronische Krankheit des höheren Erwachsenenalters. Klinisch Myatrophie und Paresen (nicht selten asymmetrisch) insbesondere der langen Fingerbeuger, Kniestrecker sowie Schluckstörung. Im EMG meist vermehrt myopathische Muskelaktionspotentiale und pathologische Spontanaktivität. Teils auch Nebeneinander myopathischer und neurogener Veränderungen. Breite Differenzialdiagnose: Polymyositis, Polyneuropathie, motorische Systemerkrankungen einschließlich ALS, Post-Polio-Syndrom und hereditäre Einschlusskörperchenmyopathie. Die vakuoläre Degeneration geht mit einer Akkumulation tubulofilamentärer Proteine mit Helixstruktur einher. Diese enthalten phosphoryliertes Tau-Protein sowie β-Amyloid-Vorläuferprotein (β-APP). Bei der Entzündungsreaktion spielen CD8+ T-Zellen und Makrophagen die Hauptrolle. Das oder die Antigene, die die Immunreaktion unterhalten, sind unbekannt.
empirisch Es wurde über kurzfristige Effekte unter Prednisolon berichtet. Die langfristigen Nebenwirkungen dieser Therapie wiegen aber schwerer als der zu erwartende Nutzen. Aufgrund der zunehmenden Behinderung und mangels Alternativen favorisieren wir trotz der hohen Kosten derzeit eine i. v.-Immunglobulintherapie zunächst für 6 Monate. Übliche Induktionstherapie über 5 Tage mit 0,4 g/kgKG/d. Nachfolgend einmal monatlich 0,4 g/kgKG. Azathioprin und Methotrexat hatten in 8 von 35 Studien einen moderaten Effekt bei einigen Patienten. In Einzelfällen, vor allem bei relativ rasch fortschreitenden Paresen halten wir einen Therapieversuch mit Zytostatika für gerechtfertigt. Dosierte Krankengynastik sowie Ergotherapie können sehr hilfreich sein. Der Nutzen ist aber nicht ausreichend durch Studien belegt.
Nachsorge Übliche Verlaufsbeobachtung. Wegen der zunehmenden Behinderung bei beschränkten Therapiemöglichkeiten ist vor allem ein feinfühliger Ansprechpartner nötig.
Bewertung Alle bisherigen therapeuthischen Bemühungen sind nicht zufriedenstellend.
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Myositis, immunogene
Prognose
Einleitung
Die Einschlusskörperchenmyositis schreitet allerdings in der Regel langsam fort, kann aber interindividuell sehr unterschiedlich schnell verlaufen.
Die okuläre Myositis ist eine seltene inflammatorische Myopathie mit Altersgipfel im Kindesalter und höheren Erwachsenenalter, meist idiopathisch, seltener im Rahmen von Kollagenosen oder Infektionskrankheiten (z. B. HIV). Teils einseitig, teils (sukzessive) beidseitig. Alle Patienten haben Doppelbildsehen. Bei akutem Beginn schmerzhafte Ophthalmoplegie, Exophthalmus, konjunktivale Injektion, Chemosis, Lidödeme, evtl. Visusminderung. Bei subakutem oder chronischem Verlauf kann die Augenmotilitätsstörung einziges Symptom sein und spricht weniger gut auf Immunsuppression an. Breite Differenzialdiagnose: Endokrine Orbitopathie, Orbita- bzw. Augenmuskeltumoren, AVFisteln, Okulomotoriusparese, Myasthenia gravis, Sehnenfibrose des M. obliquus superior (Brown-Syndrom), okulopharyngeale Muskeldystrophie, mitochondriale chronische externe Ophthalmoplegie ( CPEO).
Einflüsse der Diätetik und Lebensgewohnheiten sind nicht hinreichend bekannt. Wie bei anderen entzündlichen Krankheiten halten wir eine regelmäßige Lebensführung und ausgewogene Ernährung für sinnvoll.
Myositis, immunogene Synonyme Autoimmune Myositis, idiopathische Myositis
Definition Gruppe von Muskelerkrankungen ohne Erregernachweis, die durch entzündliche Infiltrate im Muskel gekennzeichnet sind.
Grundlagen Zu den immunogenen Myositiden zählen Polymyositis ( Myositis, Polymyositis), Dermatomyositis ( Myositis, Dermatomyositis), Einschlusskörperchenmyositis ( Myositis, Myositis, Einschlusskörperchenmyositis), Myositiden bei Kollagenosen ( Myositis bei Kollagenosen), granulomatöse Myositis, okuläre Myositis ( Myositis, okuläre) und paraneoplastische Myositiden. Die Ursache kann mehr humoral oder mehr zellulär vermittelt sein. Die Therapie ist in der Regel immunsuppressiv, bei der paraneoplastischen Myositis spielt allerdings die Therapie des Tumors die größere Rolle. Lediglich bei der Einschlusskörperchenmyositis, deren Pathogenese nicht klar ist, versagt die Immuntherapie in der Regel.
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Diätetik/Lebensgewohnheiten
Diagnostik CK, BSG, CRP, großes BB. TSH, T3, T4, Schilddrüsen-Antikörper, ggf. Erregerdiagnostik. Orbita-MRT. Evtl. Doppler. Biopsie bei atypischen Fällen, mehr zum Ausschluss von Neoplasien.
Therapie Immunsuppressiv.
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gesichert Es liegen keine Therapiestudien mit größeren Fallzahlen vor.
Orbitale Myositis
empirisch Prednison, Prednisolon (1. Wahl), Azathioprin, Methotrexat (2. Wahl). Vorgehen: Prednison 1 mg/kg über 3–4 Wochen (unter H2-Blocker, ggf. Kaliumsubstitution). Danach allmähliche Dosisreduktion. Frühzeitiger Beginn mit Azathioprin (oder Methotrexat) vermindert vermutlich die Rückfallrate sowie die langfristigen Kortikoidnebenwirkungen. Keine hinreichenden Erfahrungen mit i. v.-Immunglobulinen.
Definition
Nachsorge
Sporadische entzündliche Erkrankung der äußeren Augenmuskeln.
Zunächst engmaschige ambulante Nachbehandlung. Monitoring von CK, BSG (CRP), großem
Myositis, okuläre Synonyme
Myositis, Polymyositis
BB, Kalium, Transaminasen, Kreatinin, Blutglukose (z. B. 1 h postprandial). Ggf. Tumorsuche im Intervall.
Bewertung Bei akutem Beginn meist gutes Ansprechen auf Immunsuppression.
Prognose Bei Ansprechen auf die Therapie gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Keine gesicherten Einflussfaktoren.
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Diagnostik CK, BSG, CRP, großes BB, Transaminasen, ANA (bei erhöhtem Titer weitere Differenzierung), Jo-1. EKG, ggf. Herzecho. EMG aus klinisch betroffener Muskulatur: Myopathisches Muster, meist pathologische Spontanaktivität. Ggf. Muskel-MRT. Biopsie eines klinisch betroffenen Muskels, der nicht mit EMG untersucht wurde. Bei gesicherter Diagnose ggf. Tumorsuche: Mamma, Magen, Ovar, Lunge, Kolon.
Therapie
Myositis, paraneoplastische Definition Heterogene Gruppe von Myositiden, die klinisch und histologisch nicht vom idiopathischen Pendent zu trennen sind. Dies sind insbesondere die Dermatomyositis ( Myositis, Dermatomyositis), Polymyositis ( Myositis, Polymyositis), granulomatöse Myositis. 3 3
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Myositis, Polymyositis Definition Sporadische entzündliche Muskelerkrankung mit proximalem Befallsmuster ohne Erregernachweis und ohne Hautbeteiligung.
Einleitung Die Polymyositis ist eine relativ häufige inflammatorische Myopathie mit Altersgipfel im höheren Erwachsenenalter, meist idiopathisch, seltener paraneoplastisch oder toxisch-allergisch (z. B. D-Penizillamin). Beginn subakut oder chronisch mit proximalem Befallsmuster. Myalgien sind nicht obligat. Etwa jeder 3. Patient klagt über Arthralgien. Patienten über 65 Jahre haben häufiger chronische Verläufe mit geringerer CK-Erhöhung sowie häufiger eine paraneoplastische Genese. Herzbeteiligung vermutlich sehr selten. Histologisch stehen diffus verteilte, die Muskelfasern infiltrierende CD8+ Lymphozyten im Vordergrund. Das oder die relevanten Zielantigene, die diese Zellen auf den Muskelfasern erkennen, sind unbekannt.
Immunsuppressiv. Bei paraneoplastischer Genese entsprechende onkologische Therapie. gesichert Prednison, Prednisolon (1. Wahl), Azathioprin, Methotrexat (2. Wahl). Vorgehen: Prednison 1 mg/kg über 3–4 Wochen (unter H2-Blocker, ggf. Kaliumsubstitution). Danach allmähliche Dosisreduktion. Frühzeitiger Beginn mit Azathioprin (oder Methotrexat) vermindert vermutlich die Rückfallrate sowie die langfristigen Kortikoidnebenwirkungen. empirisch Im Gegensatz zur Dermatomyositis liegen keine hinreichenden Daten vor, um die Wirksamkeit der i. v.-Immunglobuline beurteilen zu können. Bei Therapieversagen der Mittel der 1. und 2. Wahl ist aber ein Versuch mit i. v.-Immunglobulinen gerechtfertigt. Ferner: Ciclosporin, Cyclophosphamid, Mycophenolat Mofetil, Interferon β, Tacrolimus. unwirksam/obsolet Plasmapherese.
Nachsorge Zunächst engmaschige ambulante Nachbehandlung. Monitoring von CK, BSG (CRP), großem BB, Kalium, Transaminasen, Kreatinin, Blutglukose (z. B. 1 h postprandial). Ggf. Tumorsuche im Intervall.
Bewertung Meist gutes Ansprechen auf Immunsuppression.
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Myotonie/myotone Syndrome
Prognose Bei Ansprechen auf die Therapie gut. Bei Malignomen abhängig vom Fortschreiten des Tumors.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Keine gesicherten Einflussfaktoren. Wir raten zu regelmäßiger Lebensführung und ausgewogener Ernährung.
Myotonie/myotone Syndrome Definition Gruppe von überwiegend hereditären Erkrankungen mit abnorm veränderten Kontraktionsbzw. Relaxationseigenschaften aufgrund veränderter muskulärer Ionenkanalproteine. Beweisend sind myotone Entladungsserien im EMG.
Einleitung Abgesehen von der autosomal-rezessiv vererbten Myotonia congenita vom Typ Becker sind alle bekannten hereditären Myotonien autosomal-dominant vererbt ( Myotonie/myotone Syndrome, kongenitale myotone Syndrome). Bei den kongenitalen Myotonien ist die Chloridleitfähigkeit vermindert. Die Depolarisation kann nicht rasch genug ausgeglichen werden ( Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Thomsen); Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Becker)). Es resultiert eine verzögerte Erschlaffung der Muskelkontraktion (myotone Reaktion) auf verschiedene physikalische Stimuli, vermehrte Steifigkeit und Anlaufschwierigkeiten nach Ruhe mit einem Warm-up unter Belastung (Myotonia congenita), Zurückbleiben der Oberlider bei Blick nach unten (lid-lag) sowie Perkussionsmyotonie ( Myotonie/myotone Syndrome, Perkussionsmyotonie). Bei der Paramyotonie ( Myotonie/myotone Syndrome, Paramyotonia congenita Eulenberg) ist die Natriumleitfähigkeit vermehrt. Bei der Paramyotonia Eulenburg kommt es durch Kälte oder durch Belastung zu einer Depolarisation, die nicht rasch kompensiert werden kann. Klinisch kommt es unter Kälte zu vermehrter Myotonie und schließlich Paresen, zu belastungsinduzierter Myotonie (z. B. repetitiver Faustschluss, Lidklimpern) und zum lidlag. Bei der Paramyotonia fluctuans bestehen
kaum Kältesymptome. Es kann im Anschluss an längere intensive Muskelarbeit unabhängig von der Temperatur zu Paresen kommen. Bei der seltenen Myotonia permanens bestehen ähnliche Symptome wie bei der Myotonia fluctuans, die nur wesentlich stärker ausgeprägt sind und nahezu ständig in wechselnder Ausprägung bestehen. Die Pathogenese der autosomal-dominant vererbten myotonen Dystrophie (DM I) und der proximalen myotonen Myopathie (DM II) ist unklar. Bei der DM I bestehen atrophische Paresen mit faziozerviko-distalem Schwerpunkt im Vordergrund, bei der DM II stehen neben leichten myotonen Symptomen meist Myalgien im Vordergrund. Proximale Paresen können im höheren Lebensalter zur Behinderung führen. Beide Erkrankungen sind Multisystemkrankheiten, bei denen es zu Katarakt, Diabetes mellitus und Herzrhythmusstörungen kommen kann (bei DM II seltener). Bei DM I finden sich auch gehäuft kognitive Einbußen und psychische Auffälligkeiten.
Diagnostik EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien, z. T. nur spärlich ausgeprägt (z. B. DM II). Akustisch sind die frequenzmodulierten Entladungsserien ähnlich wie mehrmals aufheulende Motorradmotoren („Kawasaki-Geräusch“). Genetische Charakterisierung (DM I und II). Muskelbiopsie nur in seltenen Fällen erforderlich.
Therapie Symptomatische Therapie.
Nachsorge Insbesondere bei DM I kardiologische Verlaufsbeobachtung sowie gelegentlich Monitoring der postprandialen Blutglukose (DM I und II). Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden. Ferner ist auf ausreichende Wärmung perioperativ zu achten (insbesondere Paramyotonia Eulenburg).
Bewertung Die Ausprägung der Myotonie ist auch bei derselben Krankheit z. T. sehr unterschiedlich. Gerade bei der DM II gibt es evtl. eine Reihe von Individuen, die nicht den Arzt konsultieren.
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Myotonie/myotone Syndrome, myotone Dystrophie Curschmann-Steinert
Prognose Bei den meisten Myotonien ist die Prognose gut. Bei der DM I stellen Herzrhythmusstörungen ein ernstzunehmendes Problem dar.
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Myotonia congenita, ggf. Mexiletil, max. morgens und abends 1 Kps. Beim Absetzen ausschleichen (Rebound!). Auch für Carbamazepin wurde in einzelnen Fällen über Besserung berichtet.
Nachsorge
Myotonie/myotone Syndrome, kongenitale myotone Syndrome Synonyme Myotonia congenita (MC)
Definition Autosomal-dominante (MC Typ Thomsen) oder autosomal-rezessive (MC Typ Becker), sich in der frühen Kindheit manifestierende Myotonien ( Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Thomsen); Myotonie/ myotone Syndrome, Myotonia congenita (Becker)).
Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden. Gegen Ende einer Schwangerschaft bei einer Myotoniepatientin sollten wehenhemmende Mittel vom Fenoterol-Typ vermieden werden, da die Myotonie deutlich verschlechtert werden kann. Schreckreaktion kann zu abrupter Myotonie mit Sturzfolge führen. Daher sollten Patienten mit MC nicht an potenziell gefährlichen Stellen beruflich eingesetzt werden.
Bewertung Die Ausprägung der Myotonie ist auch bei derselben Krankheit z. T. sehr unterschiedlich.
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Einleitung
Prognose
Seltene Krankheit mit einer Häufigkeit von etwa 4/100.000 (MC Typ Thomsen), 2/ 100.000 (MC Typ Becker). Eine verringerte Chloridleitfähigkeit bedingt die verzögerte Repolarisierung der Membran mit der Folge einer Übererregbarkeit. Kleinkinder sind im Greifen ungeschickt und stürzen häufiger. Charakteristisch sind Anlaufschwierigkeiten (Warm-up), Zurückbleiben des Oberlids bei Blick nach unten (lid-lag) sowie Perkussionsmyotonie ( Myotonie/myotone Syndrome, Perkussionsmyotonie).
Die Prognose ist gut.
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Diagnostik EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien in allen quergestreiften Muskeln. Labor: CK normal oder gering erhöht. Genetische Charakterisierung ist aufwendig (Vielzahl möglicher Mutationen auf dem Chloridkanal) und wird daher nicht für Routinezwecke durchgeführt. Muskelbiopsie nur in seltenen Fällen erforderlich.
Therapie Die meisten Patienten benötigen keine Therapie. empirisch Bei ausgeprägter Myotonie im Rahmen einer
Diätetik/Lebensgewohnheiten Die Patienten haben sich meist von Kindheit an auf die Besonderheiten der Muskeleigenschaften eingestellt.
Myotonie/myotone Syndrome, myotone Dystrophie CurschmannSteinert Synonyme Dystrophia myotonica Typ I
Definition Multisystemerkrankung mit im Vordergrund stehender faziozervikodistaler myotoner Muskeldystrophie.
Einleitung Mit 5/100.000 häufigste degenerative Myopathie im Erwachsenenalter. CTG-TrinukleotidRepeat-Erkrankung. Bei 30 bis 50 Repeats steigt die Wahrscheinlichkeit für die Nachkommen zu erkranken. Bei über 50 Repeats manifestiert sich die Krankheit klinisch. Die Repeats neigen zur Zunahme von Generation zu Gene-
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Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Becker)
ration. Die Krankheit manifestiert sich daher zunehmend früher und schwerer (Antizipation). Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung, bei der atrophische Paresen mit faziozervikodistalem Schwerpunkt im Vordergrund stehen. Ferner Katarakt, Diabetes mellitus, Herzrhythmusstörungen bis 90%!, Megacolon, Hypogonadismus, Nebennierenrindenadenome, Enzephalopathie mit kognitiven Einbußen und psychischen Auffälligkeiten bei einem Teil der Patienten.
Diagnostik CK normal oder bis max. auf das 10fache erhöht. EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien. Myopathische Veränderungen. Genetische Charakterisierung.
Einleitung Wegen des rezessiven Erbgangs meist sporadisches Auftreten. Häufigkeit etwa 2/100.000, Heterozygotenfrequenz 1:108. Heterozygote weisen in etwa 5% eine latente Myotonie auf. Wie beim Typ Thomsen ( Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Thomsen)) ist die Chloridleitfähigkeit vermindert. Die Depolarisation kann daher nicht rasch genug ausgeglichen werden. Es resultieren: Deutlich beinbetonte Muskelsteifigkeit und Anlaufschwierigkeiten nach Ruhe mit einem Warm-up unter Belastung. Wadenhypertrophie. Eher schmächtige Armmuskulatur. Z. T. vorübergehende belastungsabhängige Paresen der Hände und Arme. Die Symptome manifestieren sich meist mit 10–14 Jahren, teils aber auch früher, teils erst im frühen Erwachsenenalter. 3
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Therapie Symptomatisch. empirisch Krankengymnastik, physikalische Therapie. Medikamentöse Therapie der Myotonie meist nicht erforderlich.
Nachsorge Beobachtung (jährliches Langzeit-EKG, Herzecho) und ggf. Therapie von Herzrhythmusstörungen. Gelegentlich Monitoring der postprandialen Blutglukose. Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden.
Bewertung Compliance z. T. wegen der kognitiven und psychischen Konstitution bzw. Enzephalopathie erschwert.
Diagnostik EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien. CK meist auf das 2–3fache erhöht. Genetische Charakterisierung wegen der zahlreichen möglichen Mutationen im Chloridkanal nicht für Routinezwecke. Muskelbiopsie in der Regel nicht nötig.
Therapie Meist keine Therapie nötig. Ggf. Therapie wie bei MC Typ Thomsen.
Nachsorge Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden. Hypothyreose kann die Myotonie verstärken.
Prognose Gut.
Prognose Herzrhythmusstörungen stellen ein ernstzunehmendes Problem dar. Plötzlicher Herztod als Folge akuter Rhythmusstörung gehäuft.
Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Thomsen) Definition
Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Becker) Definition Autosomal-rezessive kongenitale Myotonie.
Autosomal-dominante kongenitale Myotonie
Einleitung Teils sehr unterschiedliche Penetranz. Die Chloridleitfähigkeit ist vermindert, in der Regel durch Mutation auf dem Gen des Chlo-
Myotonie/myotone Syndrome, Paramyotonia congenita Eulenburg
ridkanals auf Chromosom 7. Die Depolarisation kann daher nicht rasch genug ausgeglichen werden. Es resultieren: Vermehrte Steifigkeit und Anlaufschwierigkeiten nach Ruhe mit einem Warm-up unter Belastung, Zurückbleiben der Oberlider bei Blick nach unten (lid-lag) sowie Perkussionsmyotonie ( Myotonie/myotone Syndrome, Perkussionsmyotonie). Die Symptome fallen im Kleinkindalter auf (vermehrte Ungeschicklichkeit beim Greifen, vermehrtes Stürzen) und bestehen lebenslang. Keine Muskelatrophie. Keine oder nur unwesentliche Provokation durch Kälte.
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Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia levior Definition Kongenitale Myotonie mit geringer Symptomatik
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EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien. CK normal oder leicht erhöht. Genetische Charakterisierung wegen der zahlreichen möglichen Mutationen im Chloridkanal nicht für Routinezwecke. Muskelbiopsie in der Regel nicht nötig.
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand stellt die Myotonia levior keine eigene Krankheitsentität dar. Vielmehr handelt es sich um Patienten mit klinisch geringen Symptomen im Rahmen einer kongenitalen Myotonie. Teilweise handelt es sich um Individuen, die heterozygot sind für die autosomal-rezessive Myotonia congenita Becker ( Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Becker)). Von diesen sollen etwa 5% geringe myotone Symptome aufweisen. Teilweise handelt es sich vermutlich auch um Patienten mit congenitaler Myotonia Thomsen ( Myotonie/myotone Syndrome, Myotonia congenita (Thomsen)) oder Becker mit geringer Penetranz. 3
Diagnostik
Einleitung
Therapie
empirisch Bei ausgeprägter Myotonie im Rahmen einer Myotonia congenita ggf. Mexiletil 2–4× 200 mg/d. Mexiletil-Depot 1–2×360 mg/d. Mexiletil kann auch vorübergehend für eine geplante Belastung genommen werden. Beim Absetzen nach längerfristiger Einnahme ausschleichen (Rebound!). Bei Überdosierung Sehstörungen, Krampfanfälle, Atemlähmung möglich. Alternativ zu Mexiletil: Tocainid 2–4×400 mg/ d. Ist etwa gleich gut wirksam, jedoch Fälle von Knochenmarksuppression, Stevens-JohnsonSyndrom und Lungenfibrose beschrieben. Auch für Carbamazepin und Phenytoin wurde in einzelnen Fällen über Besserung berichtet. Ferner Azetazolamid, Chinin.
Diagnostik EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien.
Therapie Keine Therapie nötig.
Prognose Gut.
Myotonie/myotone Syndrome, Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom) 3
Symptomatische Therapie, falls nötig.
Isaacs-Syndrom
Nachsorge Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden. Schwangerschaft und Hypothyreose können die Myotonie verstärken.
Myotonie/myotone Syndrome, Paramyotonia congenita Eulenburg Definition
Prognose Gut.
Kongenitale Erkrankung mit durch Kälte provozierbarer Myotonie.
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Myotonie/myotone Syndrome, Perkussionsmyotonie
Einleitung Prävalenz: 2–3/1.000.000. Die Natriumleitfähigkeit ist vermehrt. Es wurden mehrere Punktmutationen auf dem Natriumkanalgen auf Chromosom 17 gefunden. Durch Kälte kommt es zu einer Depolarisation, die nicht rasch kompensiert werden kann. Diese ist elektromyographisch zunächst mit myotonen Serien verbunden und kann bei längerer Exposition elektrisch stumm sein, entsprechend einer normokaliämischen Paralyse. Klinisch kommt es unter Kälte zu vermehrter Myotonie und schließlich Paresen. Die Erkrankung wird meist im Säuglingsalter durch Kälteexposition manifest.
Diagnostik CK meist normal oder gering erhöht. EMG: Charakteristische myotone Entladungsserien, die durch Kälte provoziert werden können.
Therapie
Myotonie/myotone Syndrome, Perkussionsmyotonie Definition Lokale, Sekunden anhaltende Kontraktion eines Muskels durch Beklopfen (oder andere Stimuli, etwa elektrische Stimulation). Die Perkussionsmyotonie ist z. T. eindrucksvoll am Thenar oder an der Zunge auslösbar (beklopfen via aufgelegtem Spatel). Bei leichteren Myotonien, z. B. bei der proximalen myotonen Myopathie kann sie aber auch fehlen.
Myotonie/myotone Syndrome, proximale myotone Myopathie Synonyme PROMM, Dystrophia myotonica Typ II, DM II
Definition
Symptomatische Therapie, insbesondere Schutz vor Kälte.
Multisystemerkrankung mit im Vordergrund stehender proximaler myotoner Muskeldystrophie.
empirisch
Einleitung
Wenn wirklich einmal eine Kälteexposition eingegangen wird (Baden, Skifahren): passagere Medikation mit Mexiletin, 2–4×200 mg. Die Wirkung setzt nach etwa 3 h ein und ist nach 3–4 d maximal. Bei kurzfristiger Einnahme ist abruptes Absetzen möglich.
Prävalenz nicht bekannt. Evtl. etwas weniger häufig als DM I. CCTG-Tetranukleotid-Repeat-Erkrankung (aber nicht in allen Fällen nachweisbar). Gendefekt durch Duplikation der CCTG-Sequenz im Gen eines Zink-Finger-Proteins (ZNF9) auf Chromosom 3q21. Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung, bei der im jüngeren bis mittleren Erwachsenenalter leichte myotone Symptome an den Händen oder den Beinen auftreten. Neben Myalgien sind Katarakt, Diabetes, erhöhte Transaminasen und Tremor gehäuft. Rhythmusstörungen eher selten. Proximale Paresen entwickeln sich langsam von der 4.–6. Dekade an.
Nachsorge Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden. Ferner ist auf ausreichende Wärmung perioperativ zu achten.
Bewertung Die Patienten haben sich in der Regel seit der Kindheit auf ihre Symptome eingestellt.
Prognose Gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Vermeidung von Kälteexposition.
Diagnostik CK normal oder bis maximal auf das 10fache erhöht. EMG: Myotone Entladungsserien, nach denen z. T. in mehreren Muskeln gesucht werden muss. Nicht immer ausgeprägte myopathische Veränderungen oder Nebeneinander von myogenen und neurogenen Veränderungen. Genetische Charakterisierung.
Myxödem
Therapie
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Myxödem
Symptomatisch.
Definition
Krise, hypothyreote
Krise, hypothyreote
Therapie gesichert Koma, Myxödem; 3
Gelegentl. Monitoring der postprandialen Blutglukose. Bei Narkosen sollte auf depolarisierende Muskelrelaxantien verzichtet werden.
Koma, Myxödem;
3
Nachsorge
Diagnostik 3
Krankengymnastik, physikalische Therapie. Medikamentöse Therapie der Myotonie meist nicht erforderlich.
Anreicherung von Mukopolysacchariden in der Haut im Rahmen einer hypothyreoten Krise oder Komas.
3
empirisch
Prognose Meist relativ gutartige Erkrankung.
M
N
Wirkungen
Nabelwandern Definition Zeichen der bilateralen Parese der kaudalen Bauchdeckenmuskeln: Infolge einer paradoxen Bewegung der gelähmten Muskeln kommt es bei der Bauchpresse im Stehen zur Verziehung von Unterbauch und Nabel nach kranial. Bauchdeckenmuskulatur, Paresen; Hernie/ Herniation, Bauchwandhernie. 3
3
Nachtblindheit Definition 3
Die Nachtblindheit ist Leitsymptom beim tamin A-Mangel.
Vi-
Einleitung Treten neben diesem Symptom noch weitere Störungen des visuellen Systems wie asymmetrisches Verschwommensehen, Obskurationen, Flimmern oder Verzerrungen auf, so ist differenzialdiagnostisch an eine retinale Degeneration beim paraneoplastischen Syndrom zu denken.
Therapie gesichert Die Therapie des Vitamin A-Mangels besteht in der Vitaminsubstitution. 3
Nadroparin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Fraxiparin® 0,2/0,3/0,4/0,6/0,8/1,0/0,3 duo/ multi Inj.lösg.; Fraxodi® 19000 IE anti-Xa/ml Inj.lösg.
Nadroparin ist ein niedrigmolekulares Heparinderivat mit einem mittleren Molekulargewicht von ca. 4500 Da. Die antikoagulatorische/antithrombotische Wirkung von Nadroparin beruht in erster Linie auf der Beschleunigung der Antithrombin III (AT-III)-vermittelten Hemmung aktivierter Gerinnungsfaktoren, insbesondere Faktor Xa und Thrombin (Faktor IIa). Neben der direkten, AT-III-bedingten Inaktivierung von Gerinnungsenzymen führt Nadroparin durch seine Anti-Faktor Xa-Aktivität zu einer Verminderung der Bildung von Thrombin, während die noch vorhandene Anoti-IIa-Aktivität eine Verzögerung der Thrombinbildung hervorruft. Durch Freisetzung von t-PA aus dem Gefäßendothel kommt es zu einem thrombolytischen Effekt, der zur antithrombotischen Wirksamkeit des Heparinderivats beiträgt. Die antikoagulatorische Aktivität von Nadroparin kann durch i. v. Gabe von Protamin sofort und vollständig neutralisiert werden, es verbleibt jedoch eine Rest-Anti-Xa-Aktivität im Plasma, die sich verzögert normalisiert.
Resorption Das niedrigmolekulare Heparinderivat wird nach s. c. Gabe schnell resorbiert und verteilt, die Bioverfügbarkeit beträgt bis zu 99%. Eine Anti-Xa-Aktivität ist bereits kurz nach s. c. Applikation von Nadroparin nachweisbar und erreicht ein Maximum nach ca. 3,5 h. Nach i. v. Injektion wird die maximale Anti-Xa-Aktivität nach ca. 7 min gemessen. Die Halbwertszeit für die Anti-Xa-Aktivität von Nadroparin beim Menschen beträgt bei einmaliger i. v. Injektion 162±20 min, bei s. c. Applikation 201±37 min. Die Gewebsverteilung von Nadroparin erfolgt hauptsächlich in die Nieren und die Leber, außerdem in die Muskulatur und ins Fettgewebe, kleine Mengen sind im lymphatischen Gewebe nachweisbar.
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Naftidrofuryl
Elimination
Wirkungen
Nadroparin wird hauptsächlich über die Niere eliminiert und mit dem Urin ausgeschieden.
Naftidrofuryl ist ein S2-Serotonin-Antagonist und wirkt u. a. als Vasodilatator durchblutungssteigernd. Im Kapillarbereich verhindert Naftidrofuryl durch Blockade von S2-Rezeptoren einen Anstieg der Kapillarpermeabilität, die zur Ausbildung lokaler Ödeme führt und die nutritive Versorgung des nachgeschalteten Gewebes reduziert. Die Verbindung besitzt ferner antithrombotische Eigenschaften, die auf einer Interaktion mit dem S2-Rezeptor der Thrombozyten beruhen. Naftidrofuryl induziert einen deutlichen Konzentrationsanstieg intrazellulärer energiereicher Phosphate (ATP und Phosphokreatin) bei gleichzeitiger Absenkung des Laktatspiegels. Diese Wirkungen beruhen wahrscheinlich auf einer Aktivierung des Pentosephosphatzyklus. Naftidrofuryl induziert eine Steigerung der Erythrozytenflexibilität und eine Hemmung der Erythrozytenaggregation. Bei Diabetikern wurde eine Verbesserung der Glukosetoleranz beobachtet. Die therapeutische Relevanz dieser experimentellen Beobachtungen ist unklar.
Anwendungsgebiete Nadroparin wird zur Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Erkrankungen eingesetzt. Sowohl bei chirurgischen und orthopädischen Eingriffen als auch bei Patienten mit Schlaganfall führt die s. c. Injektion von Nadroparin zu einer signifikanten Reduktion im Auftreten tiefer Venenthrombosen und Lungenembolien.
Dosierung und Art der Anwendung Nadroparin wird s. c. in die Bauchhaut injiziert. Zur Thromboembolieprophylaxe wird Nadroparin 1× täglich in einer Dosis von 0,3 ml (entsprechend 36 mg oder 7500 Anti-Xa-Einheiten) appliziert. Die tägliche Dosis sollte auf das Körpergewicht bezogen werden. Zur Behandlung thromboembolischer Erkrankungen sollte Nadroparin 2× täglich s. c. für mindestens 10 Tage injiziert werden.
Unerwünschte Wirkungen Blutungskomplikationen gehören zu den wichtigsten Nebenwirkungen einer Antikoagulanzientherapie. Sowohl Blutungen als auch eine HIT sind unter Nadroparin seltener als bei nichtfraktioniertem Heparin.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Kontraindikationen sind eine Überempfindlichkeit gegenüber Nadroparin, eine anamnestisch bekannte Thrombozytopenie nach Gabe von Nadroparin, sowie Anzeichen hämorrhagischer Erkrankungen oder eines erhöhten Blutungsrisikos. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollte Nadroparin nicht appliziert werden. Nadroparin ist gut verträglich und verursacht keine lokalen oder allgemeinen pathologischen Reaktionen. In Fällen einer Überdosierung, die mit schweren Blutungskomplikationen einhergeht, kann Protaminsulfat als Antidot appliziert werden.
Naftidrofuryl Gebräuchliche Fertigarzneimittel Dusodril® forte retard Filmtbl., Drg., Kps.; Naftilong® Retkps.
Resorption Naftidrofuryl wird rasch resorbiert. Nach p. o. Appl. von 100 mg Naftidrofuryl-Hydrogenoxalat werden nach ca. 55 min maximale Plasmakonzentrationen von 0,28 μg/ml gemessen. Nach Gabe von 200 mg Naftidrofuryl-Hydrogenoxalat als Retard-Formulierung wurden 0,3 μg/ml nach ca. 3,75 h erreicht, wobei mittlere Plasmakonzentrationen von 0,2 μg/ml bis zu 6 h nach Applikation gefunden wurden. Beim Menschen liegt die freie Base Naftidrofuryl nach der Aufnahme ins Blut zu ungefähr 65% an Plasmaprotein gebunden vor. Nach i. m. Applikation von 8 mg/kg Naftidrofuryl beim Affen nach 24 h sind die Konzentrationen im Hirngewebe und im Muskel noch deutlich höher als im Plasma.
Elimination Die Elimination erfolgt überwiegend renal in Form saurer Metaboliten (zu 96–100% Glucuronsäure- und/oder Sulfatkonjugate). Lediglich 0,2% sind unverändert im Urin nachzuweisen. Die Plasmaelimimations-Halbwertszeit von unverändertem Naftidrofuryl liegt zwischen 50 und 75 min. Bei der Metabolisierung wird Naftidrofuryl zunächst durch unspezifische Esterasen zu 3-(1-Naphthyl)-2-tetrahydrofurfuryl-
Naratriptan
propionsäure und Diethylaminoethanol gespalten. Die weiteren Metaboliten sind Abkömmlinge der Carbonsäure und werden über ca. 72 h renal eliminiert. In Form dieser Metaboliten werden ca. 60% der applizierten Dosis ausgeschieden. Diethylaminoethanol ist im Urin nicht nachzuweisen, eine Verstoffwechselung zu physiologischen Substanzen liegt nahe.
Anwendungsgebiete Naftidrofuryl wird als Monopräparat mit einer Standarddosis von 100 mg, 3-mal täglich zur Behandlung peripherer und zerebraler Durchblutungsstörungen eingesetzt. Bei den peripheren Erkrankungen werden insbesondere die Indikation Claudicatio intermittens, Ruheschmerzen, trophische Hautveränderungen und Ulzerationen, Parästhesien und Akrozyanose bei Raynaud-Syndrom beansprucht. Sowohl für das Stadium der präklinischen Arteriosklerose sowie für Stadien II und III der arteriellen Verschlusskrankheit existieren verschiedene Placebo-kontrollierte, Doppelblindstudien, die für eine therapeutische Wirksamkeit von Naftidrofuryl sprechen. In den Stadien III/IV und IV, in denen die Durchführung von kontrollierten Doppelblindstudien aus ethischen Gründen kaum zu vertreten sind, existieren keine gesicherten Angaben über die therapeutische Wirksamkeit von Naftidrofuryl, allerdings sprechen offene Studien dafür, dass die Wirkung von Naftidrofuryl mit der von Prostacyclin vergleichbar ist. Bei Patienten mit Raynaud-Syndrom wurde mit Hilfe der Nagelfalzkapillarmikroskopie eine Steigerung des Basalflusses sowie der Durchblutung nach Kälteprovokationstest unter Naftidrofuryl gemessen. Für die Behandlung der Symptome von Durchblutungsstörungen des Innenohrs (Hörsturz, Altersschwerhörigkeit, Ohrgeräusche, Morbus Méniere) sowie der Netz- und Aderhaut des Auges (Verminderung des Sehvermögens, Nachlassen der Sehschärfe, Einschränkung des Gesichtsfeldes) liegen vorläufige Erfahrungen aus der Klinik vor.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Wirkungen. In seltenen Fällen werden nach i. v. Gabe allergische Reaktionen beobachtet. Zentralnervensystem. Unter der Behandlung mit Naftidrofuryl kommt es in seltenen Fällen zu Schlaflosigkeit, Unruhe, Erregung, Kopfschmerzen und Schwindel. Insbe-
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sondere nach zu schneller i. v. Applikation wird diese Symptomatik beobachtet, wobei auch Müdigkeit und Benommenheit auftreten können. Gefäße. Bei der i. v. Verabreichung höherer Dosen und/oder bei zu schneller Verabreichung kann es zu Blutdruckabfällen kommen. In seltenen Fällen wurden nach i. v. Appl. Venenwandreizungen beobachtet. Verdauungstrakt. Vereinzelt treten Unverträglichkeitsreaktionen auf.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Frischer Myokardinfarkt, hypotone Kollapsneigung und orthostatische Dysregulation, sowie frischer, blutiger Insult stellen Gegenanzeigen für Naftidrofuryl dar. Bei parenteraler Verabreichung ist das Präparat bei manifester Herzinsuffizienz und schweren Herzrhythmusstörungen (AV-Block, Bradycardie) kontraindiziert. Die zerebral aktivierende Wirkung des Naftidrofuryls kann in Einzelfällen primär die motorischen Zentren betreffen und zu einer Herabsetzung der Krampfschwelle führen. Bei Patienten mit bekannter Krampfneigung ist daher eine i. v. oder i. a. Appl. von Naftidrofuryl sehr vorsichtig durchzuführen.
Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Gabe kann die blutdrucksenkende Wirkung von Antihypertonika verstärkt werden. Bei parenteraler Verabreichung von Naftidrofuryl ist eine Verstärkung der Wirkung von Antiarrhythmika und β-Rezeptorenblockern möglich.
Naratriptan Gebräuchliche Fertigarzneimittel Naramig® Filmtbl.
Wirkungen Naratriptan wird zur Behandlung der Migräne verwendet. Es bindet wie Sumatriptan an 5HT1B, 5-HT1D und 5-HT1F Rezeptoren. Wie Sumatriptan führt Naratriptan zu einer Konstriktion isolierter zerebraler Arterien. Dieser vasokonstriktive Effekt, der als das Hauptwirkprinzip der Migränetherapie angesehen wird, ist deutlich stärker ausgeprägt als der an den Koronarien und anderen arteriellen Gefäßen. Naratriptan hemmt auch die neurogene Entzün-
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Narkolepsie
dung, die bei der Migräne eine Rolle spielt und hemmt novizeptive Signale im Nucleus caudalis des Trigeminus. Wie alle anderen Triptane hat Naratriptan keinen allgemeinen analgetischen Effekt. Die subkutane Gabe von 10 mg Naratriptan zeigte eine Erfolgsquote von 91% (1). Wegen potenzieller Nebenwirkungen wurde diese Applikationsart aber nicht weiter verfolgt. Die orale Applikation in Dosierungen zwischen 0,1–10 mg ergab eine eindeutige Dosiswirkungsbeziehung. Das beste Verhältnis aus Wirkung und Nebenwirkung bestand für die 2,5 mg Naratriptandosis. In einer Metaanalyse mit 3230 Patienten betrug die Besserung der Kopfschmerzen 2 h nach der Einnahme von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen 48%, bei einer Plazeborate von 27% (2). Der therapeutische Gewinn, d. h. Wirksamkeit minus Plazeboeffek betrug 21%. Im Vergleich dazu beträgt der therapeutische Gewinn für 100 mg Sumatriptan 33%. Bei 72% der behandelten Patienten sprachen zwei von drei behandelten Attacken auf 2,5 mg Naratriptan an. Der Wirkungseintritt liegt bei Naratriptan später als bei Sumatriptan. Die Wiederauftretensrate von Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit ist bei Naratriptan mit 17– 28% etwas geringer als bei Sumatriptan mit 38%.
Resorption Naratriptan hat eine orale Bioverfügbarkeit von 74% bei Frauen und 63% bei Männern. Die Plasmaproteinbindung ist gering. Die Serumspiegel sind bei Einnahme während und außerhalb einer Migräneattacke identisch. Die Absorptionsgeschwindigkeit ist allerdings während Migräneattacken reduziert.
Elimination Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 5–7 h. Naratriptan wird unverändert zu 50% im Urin und zu 20% im Stuhl ausgeschieden. Die restlichen 30% werden über das Cytochrom P450System zu einem inaktiven Metaboliten verstoffwechselt.
Dosierung und Art der Anwendung Die einzig verfügbare Applikationsform ist die orale Form mit 2,5 mg. Wenn die erste Gabe von Naratriptan nicht wirksam ist, hat es keinen Sinn, während derselben Migräneattacke eine zweite Dosis einzunehmen. Kommt es zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit, ist eine zweite Dosis wirksam.
Unerwünschte Wirkungen Wie
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Sumatriptan, aber geringer ausgeprägt.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Alle arteriellen vaskulären Erkrankungen wie Angina pectoris, Herzinfarkt, Schlaganfall, transiente ischämische Attacken, pAVK sind ebenso Kontraindikationen wie eine nichteingestellte Hypertonie. Naratriptan darf nicht während Schwangerschaft und Stillzeit gegeben werden. Nach der Gabe von Mutterkornalkaloiden muss 24 h mit der Einnahme von Naratriptan gewartet werden.
Wechselwirkungen In Interaktionsstudien mit 2,5 mg oralem Naratriptan und 2 mg oralem Ergotaminen, 1 mg intramuskulär appliziertem Dihydroergotamin und 6 mg subkutan appliziertem Sumatriptan ergaben sich keine klinisch relevanten Auswirkungen auf Blutdruck, EKG oder Pharmakokinetik. Dessen ungeachtet sollten diese Substanzen nicht kombiniert gegeben werden.
Literatur 1. Dahlöf C, Hogenhuis L, Olesen J et al. (1998) Early clinical experience with subcutaneous naratriptan in the acute treatment of migraine: a dose-ranging study. Europ J Neurol 5:469–477 2. Goadsby PJ (1997) Role of naratriptan in clinical practice. Cephalalgia 17:472–473
Narkolepsie Synonyme
Naratriptan 2,5 mg wird zur Behandlung akuter Mitgräneattacken eingesetzt. Da der Wirkungseintritt langsam ist, eignet sich die Substanz nicht zur Behandlung von Clusterkopfschmerzattacken.
Narkolepsie-Kataplexie, Hypnolepsie
Definition Androtrope, idiopathische oder symptomatische (z. B. bei/nach Enzephalitis, ZNSRaumforderung, ventrikelnaher Encephalomye3
Anwendungsgebiete
NARP-Syndrom (Neuropathie-Ataxie-Retinopathia-pigmentosa-Syndrom)
litis disseminata) Erkrankung mit zwei Erscheinungsformen: 1. Isolierte Hypersomnie: Imperativer Schlafdrang mit täglich mehrfachen, von Sekunden bis zu 15(–30) min andauernden Schlafanfällen (mit REM- oder Non-REM-Schlaf), aus denen der Patient jederzeit erweckbar ist. 2. Polysymptomatische Form mit kataplektischen Attacken ( Kataplexie), hypnagogenen Halluzinationen (bereits in der Einschlafphase einsetzende, sehr real empfundene, meist visuelle Traumaktivität mit vorwiegend ängstigenden Inhalten), Schlaflähmung (beim Erwachen oder Einschlafen Muskelatonie mit Sprech- und Bewegungsunfähigkeit; Ende durch Ansprache oder Berührung, seltener spontan, im EEG Wachoder REM-Muster), automatischem Verhalten (bei „Aufschiebung“ von Schlafattacken: trotz Vigilanzminderung Fortsetzen einfacher Handlungen, teilweise fehlerhaft bzw. unvollständig) und fragmentiertem Nachtschlaf. 3
Diagnostik Klinik, insbesondere bei Narkolepsie-Kataplexie. Schlaflabor: Multipler Schlaflatenztest: Verkürzte Einschlaflatenz (≤5 min) und frühe REM-Phasen (≤15 min = sleep-onset-REM; Differenzialdiagnose: REM-Rebound nach Schlafdeprivation). Die HLA-Typen DRB1-1501 und DQB1*0602 prädisponieren für die idiopathische Form (bei Narkolepsiepatienten in 70–90% positiv, aber auch bei bis zu 30% der Normalbevölkerung).
Therapie Neben der medikamentösen Therapie ausreichender Nachtschlaf und Möglichkeit zu Schlafpausen tagsüber.
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Narkose Synonyme Vollnarkose, Allgemeinnarkose, Anästhesie
Definition Ein durch Zufuhr von Narkotika induzierter reversibler Zustand, in dem Eingriffe bei erloschenem Bewusstsein ohne Schmerzempfindung und Abwehrreaktion durchgeführt werden können.
Grundlagen Jede Narkose ist generell ein schwerwiegender Eingriff in die Körperintegrität. Eine Narkose umfasst eine Bewusstlosigkeit, eine Schmerzlosigkeit (Analgesie), Verminderung/Ausschaltung der Reflexaktivität und Muskelerschlaffung (Relaxation). Die Wahl der Narkose richtet sich nach Art des Eingriffes und dem Zustand des Patienten (Narkoserisiko). Eine Intubationsnarkose mit Beatmung ist bei Muskelrelaxation obligatorisch und meist einer Maskenbeatmung vorzuziehen, da fast alle Narkotika eine zentrale Atemdepression verursachen. Die Steuerung der Narkosetiefe richtet sich nach dem Ausmaß des Eingriffes unter Berücksichtigung kardiovaskulärer Parameter.
NARP-Syndrom (NeuropathieAtaxie-Retinopathia-pigmentosaSyndrom) Definition Maternal erbliche mitochondriale Erkrankung durch Mutation an Position 8993 (ATPaseGen).
Einleitung Hypersomnie: Modafinil (Vigil®) 200–400 mg in 1–2 Dosen, alternativ Methyplphenidat (z. B. Ritalin®) 10–60 mg in 2–3 Dosen (letzte Tagesdosis jeweils mittags bzw. nachmittags!). Bei Kataplexie und Schlaflähmung ggf. zusätzlich Antidepressiva (z. B. Imipramin (Tofranil®) 25–100 mg, Clomipramin (z. B. Anafranil®) 10–150 mg oder Fluoxetin (z. B. Fluctin®) 20–40 mg).
Mitochondrien können in Heteroplasmie vorliegen, d. h. neben Mitochondrien mit mutierter DNS liegen solche mit nicht mutierter DNS vor. Der NARP-Phänotyp tritt in der Regel auf, wenn der Anteil der Mitochondrien mit Mutation weniger als 90% ausmachen. Liegt der Anteil darüber, manifestiert sich die Erkrankung eher als Leigh-Erkrankung. Innerhalb der Patientengruppe mit NARP-Syndrom hängt die Schwere der Erkrankung ebenfalls 3
gesichert
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Natriumglutamatkopfschmerz
überwiegend vom Verhältnis mutierter und nicht mutierter DNS ab. Die Erkrankung manifestiert sich in der Regel in der Jugend oder im Erwachsenenalter. Fakultative Symptome sind epileptische Anfälle, proximale Paresen und Demenz. Einige Fälle sind klinisch sehr ähnlich dem Kearns-Sayre-Syndrom mit externer Ophthalmoplegie, Retinopathia pigmentosa und Kardiomyopathie. Es wurde eine Familie mit 8993-Mutation und atypischem Phänotyp beschrieben: Verhaltensstörung, Minderbegabung, Taubheit, Ataxie, proximalen Paresen und Epilepsie.
Diagnostik Klinische Untersuchung, einschließlich Untersuchung des Augenhintergrunds, Laktat im Serum, Citrullin im Serum (Hypocitrullinämie in 4 von 5 Fällen), EKG, Herzecho, EEG, ggf. Muskelbiopsie (Ragged-red-Fasern in der Trichrom-Färbung), genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatische Therapie. Bei den relativ wenigen mitgeteilten Fällen und Familien wurden keine wesentlichen therapeuthischen Beobachtungen mitgeteilt.
Natriumglutamatkopfschmerz Einleitung Nach dem Verzehr mit Natriumglutamat (Geschmackverstärker) auftretender Kopfschmerz, manchmal begleitet von Druckgefühl und brennenden Parästhesien im Bereich des Oberkörpers, Schwindel und abdominellen Beschwerden (Chinarestaurant-Syndrom).
Natriumkanäle, Erkrankungen
( Myotonie/myotone Syndrome, Paramyotonia congenita Eulenberg). Eine beispielsweise durch längere Depolarisation, z. B. durch Kalium gestörte Inaktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle ist die Ursache für die hyperkaliämische periodische Paralyse. Bei der hypokaliämischen periodischen Paralyse (Typ 2) ist die Dichte spannungsabhängiger Natriumkanäle reduziert und die Inaktivierung vermehrt. Weitere Beispiele für Natriumkanalkrankheiten sind Brugada-Syndrom (Defekt im kardialen Natriumkanal führt zu Reizleitungsstörungen mit ST-Streckenveränderungen und plötzlichem Herztod; 10% pro Jahr), Long-QT-Syndrom (neben Kaliumkanaldefekten auch Natriumkanaldefekte verbunden mit gehäuften Herzrhythmusstörungen), Liddle-Syndrom (hereditärer Hypertonus) und Pseudohypoaldosteronismus Typ I (Defekt des epithelialen Natriumkanals für Natriumresorption in Niere, Bronchien und Dickdarm). Während dem Liddle-Syndrom eine Kanalüberfunktion zugrunde liegt, wird der Pseudohypoaldosteronismus Typ I durch eine Kanalunterfunktion verursacht. Ferner ist ein defekter Natriumkanal Ursache der benignen familiären Neugeborenenepilepsie. 3
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NCL (neuronale Zeroidlipofuszinosen) Definition Die NCL ist eine der häufigsten autosomal-rezessiv vererbten neurodegenerativen Erkrankungen des Kindesalters. Lysosomale Enzymdefekte führen dabei zur Akkumulation von Lipofuszin, das sich ansonsten nur im Rahmen des physiologischen Alterungsprozesses in neuronalem und extraneuronalem Gewebe anreichert.
Einleitung Definition Erkrankungen, die durch eine gestörte Funktion von Natriumkanälen bedingt sind.
Grundlagen Eine bei Kälte zunehmende, gestörte Inaktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle ist Ursache der Paramyotonia Eulenburg
Die Erkrankung tritt weltweit mit einer variablen Inzidenz auf (Italien 0,56/100.000, Finnland 7,7/100.000). Man unterscheidet je nach Erkrankungsalter vier verschiedene Entitäten, denen jeweils ein bestimmter genetischer Defekt zugrunde liegt: 1. Infantile NCL (CLN-1, Santavuori-HaltiaHagberg-Erkrankung): Das CLN-1 Gen ist
NCL (neuronale Zeroidlipofuszinosen)
auf Chromsom 1p32 lokalisiert. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim). Nach unauffälligen ersten Lebensmonaten kommt es zur Ausprägung einer Ataxie und zu einem Verlust mentaler Fähigkeiten. Die Kinder wirken ängstlich und im Verhalten autistisch. Oft führen sie mit den Händen stereotype Bewegungen aus, die an ein RettSyndrom denken lassen. Im 2. Lebensjahr fallen Myoklonien und eine zunehmende Mikrozephalie auf. Es bestehen eine makuloretinale Degeneration und eine Optikusatrophie. Die Kinder versterben früh, meist nach einer variablen Phase eines vegetativen Zustands. 2. Spätinfantile NCL (CLN-2, Janský-Bielschowsky-Erkrankung): Das CLN-2 Gen ist auf Chromsom 11p15 lokalisiert. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim). Diese Form manifestiert sich im 2. bis zum 4. Lebensjahr durch das Auftreten von epileptischen Anfällen. Im weiteren Verlauf treten mentale Behinderung und eine Ataxie hinzu. Ab dem 6. Lebensjahr kommt es zu einem progressiven Visusverlust bis hin zur Erblindung. Der Tod tritt vor dem 15. Lebensjahr ein. Eine mildere Variante dieses Typs (CLN-6, atypische Janský-BielschowskyErkrankung, Genlocus: 13q22 und 15q21) mit Krankheitsbeginn um das 5. Lebensjahr verläuft insgesamt schleichender und geht ebenfalls mit geistiger Retardierung, Sehverlust, Epilepsie und EEG-Veränderungen einher. 3. Juvenile NCL (CLN-3, Spielmeyer-VogtSjögren- oder Batten-Erkrankung): Das CLN-3 Gen ist auf Chromsom 16q12 lokalisiert. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ omim). Bei dieser Form treten die ersten Symptome zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr auf: zunächst eine Sehminderung, teilweise nur in Form von Nachtblindheit, Verhaltensauffälligkeiten und eine Dysarthrie ab dem 10. Lebensjahr. Im weiteren Verlauf kommen Tremor, Rigor und mäßig ausgeprägte zerebelläre Symptome hinzu. Eine Epilepsie äußert sich in myoklonischen oder generalisierten Anfällen. Auch diese Patienten entwickeln eine Makuladegeneration. Der Tod tritt zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr ein.
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4. Adulte NCL (CLN-4 und CLN-5, Kufs-Hallervorden-Erkrankung): Die ersten Symptome können bereits im 3. Lebensjahr auftreten. Im weiteren Verlauf treten geistige Retardierung und Verhaltensauffälligkeiten hinzu. Eine extrapyramidale Symptomatik manifestiert sich v. a. durch faziale Dyskinesien. Häufig kommt eine Myoklonusepilepsie hinzu.
Diagnostik 1. Infantile NCL (Santavuori-Haltia-Hagberg): Neurophysiologisch findet sich im EEG eine zunehmende Allgemeinveränderung und Abflachung der Grundaktivität bis hin zur Inaktivität im 3. Lebensjahr. Neuropathologisch zeigt sich eine ausgeprägte Hirnatrophie und eine massenhafte Zeroidspeicherung in den Neuronen. Elektronenmikroskopisch finden sich sogenannte Fingerprintprofile in den Leukozyten, peripheren Nerven, Konjunktiven und Axonen der Haut. 2. Spätinfantile NCL (Janský-Bielschowsky): Das EEG zeigt eine charakteristische Reaktion auf die niederfrequente Photostimulation, wobei jeder Einzelblitz synchron mit einem okzipital messbaren „spike“ einhergeht. Neuropathologisch findet sich eine deutlich geringere Atrophie als bei der infantilen Form. In der Haut- und Konjunktivalbiopsie zeigten sich Zytosome mit eingebuchtetem Linienprofil. 3. Juvenile NCL (Spielmeyer-Vogt-Sjögren): Neurophysiologisch sind evozierte Potentiale, v. a. VEP deformiert und später sogar fehlend. Neuroradiologisch fällt eine zerebrale und zerebelläre Atrophie auf. Im Blutausstrich finden sich vakuolisierte Lymphozyten und bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung Fingerprintprofile und granuläre Zytosomen. 4. Adulte NCL (Kufs-Hallervorden): Neurophysiologisch zeigt auch bei diesem Typ das EEG in der Photostimulation synchron zu den Blitzreizen okzipitale „spikes“.
Therapie Bei der NCL ist keine kausale Therapie bekannt.
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Nebenschilddrüsenfunktionsstörung, Myopathie
Nebenschilddrüsenfunktionsstörung, Myopathie Hypoparathyreoidismus
Neglekt in den posterior- oder inferioparietalen Arealen und dem darunterliegenden Marklager, bei emotionalem Neglekt im Thalamus und Gyrus cinguli, bei motorischem Neglekt im Frontallappen.
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Therapie
„Neck tongue“-Syndrom
Keine medikamentöse Behandlung, neuropsychologische Rehabilitationsmaßnahmen sinnvoll.
Einleitung Bezeichnung für bewegungsabhängige Nackenschmerzen in Verbindung mit Gefühlsstörungen der ipsilateralen Zungenhälfte (ursächlich sollen Wirbelsäulenveränderungen sein). Diagnostisch ist die Blockade des seitlichen atlantoaxialen Gelenkes durch ein Lokalanästhetikum wegweisend.
Prognose Neglekt-Syndrome sind häufig flüchtig, bei chronischen Verläufen liegen häufig ausgedehnte kortikale und subkortikale Läsionen vor.
Nekrose, Muskelnekrose 3
Neglekt
Muskelnekrose
Synonyme Halbseitige Vernachlässigung
Nelson-Tumor
Definition
Definition
Unilaterale Störung der räumlichen Aufmerksamkeit mit Vernachlässigung von Reizen aus der kontralateral zur Läsion liegenden Raumhälfte.
Als Nelson-Tumor wird ein ACTH-produzierendes Adenom der Hypophyse bezeichnet, das nach symptomatischer Therapie eines Morbus Cushing durch beidseitige Adrenalektomie im Sellabereich weiterwächst. 3
Einleitung Formen: Visueller, sensibler, akustischer, motorischer und emotionaler Neglekt. Oft lässt sich ein Neglekt nur in einzelnen Modalitäten nachweisen. Unterschiedliche Ausmaße sind möglich, bei extremer Ausprägung liegt eine komplette Vernachlässigung der kontralateralen Raum-/Körperhälfte vor (Patient kleidet nur halben Körper an, rasiert nur halbes Gesicht, isst nur halben Teller, lässt Hälfte einer Vorlage beim Zeichnen aus). Patienten können im Alltagsleben völlig unbeeinträchtigt erscheinen. Im neurologischen Untersuchungsbefund z. B. Extinktionsphänomene: Bei bilateralen Reizen reagiert Betroffener nur auf läsionsipsilateralen Reiz. Ursächlich für Neglekt-Syndrome überwiegend rechtshemisphärische Läsionen. Linkshemisphärische Läsionen können funktionell kompensiert werden. Läsionsorte bei sensorischem
Einleitung Nelson-Tumoren treten bei ca. 15% der Patienten mit Morbus Cushing nach Adrenalektomie auf und haben die Tendenz groß zu werden und infiltrativ zu wachsen [1]. Sie können die Hypophysenvorderlappenfunktion beeinträchtigen, zu Hirnnervenausfällen führen und durch die melanotrope Wirkung des stark erhöhten ACTHs zur ausgeprägten Hautpigmentierung führen.
Diagnostik Nelson-Tumoren treten im Verlauf eines Morbus Cushing hypophysärer Ursache auf. Diagnostisch wegweisend sind Kernspintomographie, klinisches Bild und, vor Durchführung der Adrenalektomie, Supprimierbarkeit der erhöhten Kortisolsekretion im 8 mg Dexamethason-Hemmtest bei Diagnose des Morbus Cushing [1].
Neostigmin
Therapie gesichert Nur 20% der Fälle können operativ saniert werden. Deshalb muss bei Verdacht auf ein nicht komplett reseziertes Adenom regional bestrahlt werden [1].
Nachsorge Regelmäßige klinische, endokrinologische und kernspintomographische Kontrollen sind lebenslang erforderlich. Eine Substitution mit Hydrocortison und Mineralokortikoiden ist nach Adrenalektomie dauerhaft erforderlich.
Literatur 1. Schramm J, Kristof RA (1998). Selläre und periselläre Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 265–285.
Neologismus Synonyme Wortneubildung
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verursachen eine komplexe und nicht genau vorhersehbare Änderung der Acetylcholinrezeptorfunktion. Im Vordergrund stehen die muscarinartigen Wirkungen mit stimulierenden Effekten auf die Darm- und Blasenmuskulatur. An den Sphinkteren des Magen-Darm-Trakts hat Neostigmin eine abgeschwächte oder sogar relaxierende Wirkung. So können, unterstützt durch eine Sekretionssteigerung, Entleerungen von Hohlorganen und Koliken ausgelöst werden. Am Herz-Kreislauf-System werden in der Regel eine geringe Bradykardie, Vasodilatation und Blutdruckabfall beobachtet, an der Skelettmuskulatur ist die Wirkung komplex und konzentrationsabhängig: Niedrige Konzentrationen hemmen die Hydrolyse von Acetylcholin und steigern das Miniaturendplattenpotential. Höhere Konzentrationen haben durch Bindung an nicotinerge Rezeptoren eine entgegengesetzte Wirkung. Hierauf beruht teilweise der Antagonismus gegenüber nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien und die Wirkung bei Myasthenia gravis. Die miotische Wirkung erreicht das Maximum innerhalb von 30 min und beträgt nur 1/30 der des Physostigmins.
Resorption
Definition Bildung eines Wortes, das in einem normalen Wortschatz einer Sprache nicht vorkommt.
Einleitung Physiologische Neologismen in der Sprachentwicklung, pathologisch z. B. bei (sensorischen) Aphasien und Schizophrenien, im Extremfall benutzt der Patient eine „Privatsprache“.
Bei konjunktiver und p. o. Applikation werden maximale Wirkungen bzw. maximale Blutspiegel nach 30 min bzw. 1–2 h erreicht. Die Spitzenkonzentrationen liegen nach Gabe von 30 mg (Myasthenia-gravis-Patienten) zwischen 4 und 9 ng/ml. Eine geringe enterale Resorption ist für die Bioverfügbarkeit von lediglich 1–2% mitverantwortlich. Die Verteilungshalbwertszeit beträgt 3,5 min. Die ZNS-Gängigkeit ist gering.
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Elimination
Neostigmin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Neostigmin 0,5 Inj.lösg.; Syncarpin® N - AT.
Wirkungen Neostigmin entfaltet wie Physostigmin und Prostigmin seine cholinergen Wirkungen vorwiegend über eine reversible Hemmung der Acetylcholinesterase. Zusätzliche Effekte am nicotinergen Acetylcholinrezeptor, wie Aktivierung, kompetitiver Antagonismus und verschiedene Typen einer nicht-kompetitiven Blockade
Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 80 min bei Nierengesunden. Die Dauer der maximalen Wirkung ist im Alter etwa dreifach länger als bei jungen Menschen. Die Leber ist in der Lage, Neostigmin 3–15fach anzureichern und mit der Galle auszuscheiden. Mehr als 60% des Neostigmins erscheinen unverändert im Urin, weniger als 1% in der Galle und weniger als 10% als Metabolit.
Anwendungsgebiete Neostigmin wird als Parasympathomimetikum eingesetzt zur Behandlung des Glaukoms (als 3%ige wässrige Lösung oder 1%ige Salbe); zur
N
Nerv, peripherer
Behandlung der Darm- und Blasenatonie, der Refluxösophagitis und zur Darmentleerung nach p. o. Giftaufnahme werden üblicherweise 10–40 mg/Tag p. o. oder 0,5–1 mg/Tag s. c. bzw. i. m. verabfolgt. Lähmungserscheinungen der Skelettmuskulatur, z. B. nach einer Diphtherie oder amyotrophen Lateralsklerose können symptomatisch gebessert werden. Eine Wirkungsumkehr nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien kann durch 0,4 mg/kg KG innerhalb von 7–11 min beim Menschen erreicht werden. Neostigmin dient als Antidot bei Vergiftungen mit Atropin und atropinähnlichen Substanzen sowie Organophosphaten, ist aber dem Physostigmin unterlegen.
Unerwünschte Wirkungen Neostigmin hat muscarinartige und nicotinartige Nebenwirkungen. Wegen der muscarinartigen unerwünschte Wirkungen sind bei i. v. Gabe von Neostigmin gleichzeitig 0,02 mg/kg KG Atropin zu applizieren: Bradykardie, Kreislaufkollaps, Bronchospasmus, vermehrter Speichelfluss und Schweißsekretion sind muscarinartige unerwünschte Wirkungen. Nicotinartige Nebenwirkungen sind Muskelfaszikulationen, Spasmen oder Lähmungen, eine Verstärkung depolarisierender und ein ungenügender Ant. bei nicht-depolarisierenden Myorelxantien.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Neostigmin ist kontraindiziert oder nur mit Vorsicht anwendbar bei Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Asthma bronchiale, Ulcus ventriculi, Thyreotoxikose, Parkinsonismus und Spasmen des Magen-Darm- und des Urogenitaltrakts.
Wechselwirkungen Die Wirkung von Neostigmin wird durch Lithiumsalze und Substanzen mit reserpinähnlicher Wirkung über eine Minderung der adrenergen Aktivität gesteigert. Durch Adrenalin erfährt die Neostigminwirkung an der Skelettmuskulatur und im Antagonismus gegenüber nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien eine Potenzierung, aber auch β-Rezeptorenblocker steigern die Wirkung. Neostigmin antagonisiert die myorelaxierende Wirkung von Calciumant. wie auch deren wirkungsverstärkenden Effekt von Muskelrelaxantien. Zum vollständigen Vergiftungsbild einer Überdosierung gehören Salivation, Schweiß- und
Bronchialdrüsensekretion, Asthmaanfälle, Darmkoliken, Diarrhöen, Blasenspasmen, Miosis, Akkomodationsstörungen, Schwindelgefühl, Muskelzuckungen und Krämpfe. Bei Myasthenikern kann eine Überdosierung eine inverse Wirkung mit Verstärkung der Muskelschwäche oder plötzlichen Herzstillstand verursachen. Erste Maßnahmen: Die Therapie besteht bei p. o. Aufnahme in einer Giftentfernung. Muscarinartige Wirkungen werden mit 1–2 mg Atropin i. m., in schweren Fällen mit bis zu 5–10 mg, gegebenenfalls langsam i. v. antagonisiert. Auch zentral wirksame Anticholinergika, wie trizyklische Antidepressiva und Antiparkinsonmittel sind indiziert. Die nicotinartigen Wirkungen können trotz dieser Therapie persistieren und erst durch Gallamin oder β-Rezeptorenblocker beseitigt werden. Die letale Dosis für den Menschen wird mit 60 mg p. o., 10 mg s. c. und i. m. und weniger als 10 mg i. v. angegeben.
Nerv, peripherer Definition Der periphere Nerv setzt sich zusammen aus den eigentlichen Bestandteilen der Nervenzelle (Zellkörper und Axon) und der Hülle (Schwann' sche Zellen und dem von ihnen gebildeten Myelin). Pathomechanismen können einzelne Bestandteile des Nerven (Axon oder Myelin) oder den gesamten Nerven (z. B. durch Trauma) treffen. Dabei kann die Schädigung diffus verteilt sein (Polyneuropathien) oder nur einzelne Nerven treffen (traumatische Läsionen, Engpasssyndrome). Zu den einzelnen Nervenfasern, die in einem Nerven enthalten sind Nervenfaser, Klassifikation. 3
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Nerv, peripherer, Läsion Definition Der periphere Nerv setzt sich zusammen aus den eigentlichen Bestandteilen der Nervenzelle (Zellkörper und Axon) und der Hülle (den Schwann Zellen und dem von ihnen gebildeten Myelin). Pathomechanismen können einzelne Bestandteile des Nerven (Axon oder Myelin) oder den gesamten Nerven (z. B. durch Trau-
Nervenbiopsie
ma) treffen. Dabei kann die Schädigung diffus verteilt sein (Polyneuropathien) oder nur einzelne Nerven treffen (traumatische Läsionen, Engpasssyndrome). Zu den einzelnen Nervenfasern, die in einem Nerven enthalten sind, Nervenfaser, Klassifikation. 3
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Einleitung Bei einer traumatischen Nervenläsion werden verschiedene Schweregrade unterschieden. Der Grad I entspricht einer Neurapraxie mit erhaltenen Nervenstrukturen und lediglich unterbrochener Nervenleitung (Leitungsblock). Die Restitution ist in der Regel nach Stunden bis Wochen wiederhergestellt. Bei einer Schädigung Grad II kommt es zu einer Kontinuitätsunterbrechung der Axone mit Waller`scher Degeneration bei erhaltener Hüllstruktur. Die Restitution kann Wochen bis Monate dauern und tritt nur in einem Teil der Fälle ein. Die Schädigungsgrade III bis V entsprechen einer Neurotmesis unterschiedlichen Ausmaßes. Die Kontinuität der Axone ist bei allen drei Schweregraden durchbrochen, beim Grad III ist zusätzlich das Endoneurium unterbrochen, beim Grad IV das Perineurium und beim Grad V schließlich auch das Epineurium. Während beim Grad III eine Restitution noch möglich ist, ist sie beim Grad IV unwahrscheinlich und beim Grad V gar nicht mehr möglich.
Differenzialdiagnose Zur Beurteilung des Grades einer Nervenläsion ist die Elektrophysiologie wichtig. Der Nachweis von Willküraktivität im EMG sowie der sichere (über Nadelelektroden abgeleitete) Nachweis eines Muskelsummenaktionspotentials im Zielmuskel bei Nervenstimulation proximal der Läsionsstelle in der Frühphase schließen eine komplette Kontinuitätsunterbrechung aus. Zur Frage einer Reinnervation ist das EMG mit Nachweis von Reinnervationspotentialen in der abhängigen Muskulatur im Verlauf entscheidend.
Therapie Die Therapie einer traumatischen Läsion peripherer Nerven umfasst konservative und operative Maßnahmen. Zu den konservativen Maßnahmen gehören die intensive tägliche Physiotherapie, die medikamentöse Schmerztherapie und langfristig bei
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persistierenden Defiziten eine Hilfsmittelversorgung mit orthopädischen Stützapparaten. Operative Vorgehensweisen umfassen die Neurolyse mit operativer Freilegung des geschädigten Nervensegmentes und dem Entfernen von Verwachsungen oder anderen mechanischen Beeinträchtigungen wie knöchernen Veränderungen, außerdem die Nerventransplantation. Gegebenenfalls muss die Neurolyse auch interfaszikulär erfolgen. Bei der Nerventransplantation werden meistens autologe Nerventransplantate als Leitschiene für die neu aussprossenden Axone verwendet. Schließlich können langfristig orthopädische Ersatzoperationen wie Transpositionen von Muskelansätzen oder Gelenkversteifungen erforderlich werden, wenn die Defekte über mindestens 1 1/2 Jahre persistieren. Das primäre therapeutische Vorgehen bei einer akuten traumatischen Nervenläsion richtet sich nach dem vermuteten Grad der Schädigung. Bei geschlossenen Verletzungen, die vermutlich dem Grad I–IV entsprechen erfolgt keine primäre Operation. Eine Ausnahme besteht bei Verdacht auf Fremdkörper im Nervenverlauf, z. B. bei dislozierter Fraktur oder bei sehr starker Ödembildung. Bei einer offenen Verletzung oder V. a. Grad-V-Schädigung (am ehesten bei Schnittverletzung oder Zerreißung des Nerven) erfolgt primär die operative Revision des Nervens mit Wiederherstellen der Kontinuität. Tritt bei Schäden vom Grad I–IV innerhalb der ersten 6 Monate keine Reinnervation ein, so sollte gegebenenfalls eine operative Revision noch in diesem Zeitraum durchgeführt werden. unwirksam/obsolet Die bei akuter Nervenschädigung primär einsetzende, unterstützende Elektrotherapie zur Verminderung der begleitenden Muskelatrophie ist umstritten. Sie sollte auf jeden Fall nur bis zum Beginn der Reinnervation eingesetzt werden.
Nervenbiopsie Definition Entnahme eines rein sensiblen Nerven zur diagnostischen Zuordnung einer nachgewiesenen Neuropathie. In aller Regel wird der N. suralis biopsiert, nur in Ausnahmefällen (bei isoliertem
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Nervenfaser, Klassifikation
Befall der oberen Extremitäten) auch der N. radialis superficialis oder ein motorischer Endast.
Grundlagen Die Hauptindikation zur Nervenbiopsie ist der Nachweis oder die Typisierung einer Vaskulitis. Weitere Indikationen sind strukturelle oder metabolische Neuropathien, bei diagnostischen Problemen auch chronisch-entzündliche Neuropathien. Grundsätzlich sollen besonders behandelbare Neuropathie-Formen nachgewiesen werden. Um die diagnostische Aussagekraft zu erhalten, sollte eine Biopsie nicht unter immunsuppressiver Therapie durchgeführt werden. Die Entnahme des N. suralis erfolgt in Lokalanästhesie an der Wade oder dorsal des Außenknöchels, zumeist in Kombination mit einer Muskelbiopsie. Nach der Biopsie bleibt ein sensibles Defizit im Versorgungsgebiet des entnommenen Nerven zurück. In bis zu 10% aller Fälle kommt es hier zu dauerhaften, schmerzhaften Dysästhesien, die eine schmerzdistanzierende Behandlung erforderlich machen kann (z. B. Amitriptylin 1–3×25–50 mg/Tag). Eine strenge Indikationsstellung und genaue Aufklärung sind daher wichtig.
Nervenfaser, Klassifikation Definition Nervenfasern können anhand unterschiedlicher Kriterien klassifiziert werden. So werden in den Klassifikationen die Bemarkung (markhaltig, marklos), die Funktion und der Durchmesser berücksichtigt.
Grundlagen Demnach unterscheidet man Fasern der Gruppen A, B und C: Die A-α-Fasern sind primäre Muskelspindelafferenzen oder Motoaxone, die A-β-Fasern sind Hautafferenzen für Berührung und Druck, die A-γ-Fasern sind motorische Fasern zu den Muskelspindeln (efferent). Die B-Fasern entsprechen sympathischen, präganglionärn Fasern, die marklosen C-Fasern sind Schmerzafferenzen oder sympathische, postganglionäre Fasern.
Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) Definition Geschwindigkeit, mit der sensible, motorische oder gemischte Nerven einen elektrischen Impuls weiterleiten. Die NLG eines motorischen Nerven wird bestimmt, indem der Nerv an 2 Punkten elektrisch stimuliert wird und vom Zielmuskel das Antwortpotential abgeleitet wird. (Motorische NLG (in m/sec) = Distanz zwischen proximalem und distalem Stimulationsort (in mm) / Latenzdifferenz der beiden Antwortpotentiale (in msec). Die sensible NLG kann durch Reizung eines sensiblen oder gemischten Nerven an einem Punkt und Ableitung über dem gleichen Nerven proximal des Stimulationsortes (orthodrom) oder distal des Stimulationsortes (antidrom) erfolgen. (Sensible NLG (in m/sec) = Distanz zwischen Reizort und Ableiteort (in mm) / Latenz des Antwortpotentials (in msec) [1].
Grundlagen Die Bestimmung der motorischen oder/und sensiblen NLG ist sinnvoll, um zunächst eine Nervenschädigung nachzuweisen und dann ihr Verteilungsmuster, ihren Schweregrad und ihre Art (demyelinisierender oder axonaler Prozess) zu bestimmen. Sie wird angewendet in der Polyneuropathie-Diagnostik, der Beurteilung traumatischer Nervenläsionen oder von Engpasssyndromen oder zur Verlaufskontrolle behandelbarer Neuropathien. Zusätzliche Indikation der sensiblen NLG ist die Differenzierung zwischen Läsionen der Nervenwurzel (postganglionär) und des peripheren Nerven selber (präganglionär). Bei der Untersuchung muss die Temperaturabhängigkeit der Leitgeschwindigkeiten bedacht werden. Die Stimulation erfolgt mit entsprechenden Reizparametern supramaximal, meist mit Oberflächenelektroden. Die erhaltenen Messwerte für Leitgeschwindigkeiten und Amplituden der Antwortpotentiale müssen mit altersabhängigen Normwerten verglichen werden. 3
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Literatur 1. Kimura J (1989) Electrodiagnosis in diseases of nerve and muscle: principles and practice. F.A. Davis Company, Philadelphia.
Nervus abducens, Läsion
Nervenscheidentumor, maligner peripherer (MPNST) Neurofibrosarkom
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2 Wirbelkörpern austretende Wurzel jeweils dem Segment des unteren Wirbelkörpers entspricht, also tritt zwischen HWK 5 und 6 die Wurzel C6 aus. In der LWS entspricht die austretende Wurzel dem oberen Wirbelkörper, also etwa zwischen LWK 4 und 5 der Wurzel L 4. Dennoch wird bei einem Bandscheibenvorfall im entsprechenden Segment in der Regel die nächstfolgende Wurzel, in diesem Fall L5, geschädigt, da die Wurzeln sehr weit lateral austreten und nur von einem ganz weit lateral gelegenen Prolaps (seltener als 10%) auf der gleichen Höhe tangiert werden können.
3
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Nervenwurzel, Läsionen/Syndrome Synonyme 3
Radikuläre Syndrome,
Wurzelsyndrome
Definition Schädigungen der Nervenwurzeln können durch unterschiedlichste Pathomechanismen hervorgerufen werden. Zahlenmäßig stehen aufgrund der engen topographischen Beziehung zur Wirbelsäule mechanische Ursachen durch degenerative Wirbelsäulen- bzw. Bandscheibenveränderungen oder durch Traumata im Vordergrund. Sind mehrere Wurzeln betroffen, so sind die Radikulopathien häufig metabolisch oder entzündlich bedingt.
Nervus abducens, Läsion Synonyme 6. Hirnnerv
Definition Der Nervus abducens innerviert ausschließlich den M. rectus lateralis.
Grundlagen
Einleitung
Bei Läsionen einzelner Nervenwurzeln resultieren sensible Reiz- und Ausfallserscheinungen im entsprechenden Dermatom. Die Zone der Hypalgesie ist dabei oft größer als die der Hypästhesie (geringere Überlappung der Dermatome für das Schmerzempfinden). Außerdem bestehen meist Reflexabschwächungen oder - verluste und schließlich bei schwereren Schäden auch Paresen in den entsprechenden Kennmuskeln. Elektrophysiologisch lassen sich die Läsionen durch neurogene Veränderungen (besonders pathologische Spontanaktivität) in den Kennmuskeln der jeweiligen Myotome verifizieren. Da die Wurzelläsion jenseits des Spinalganglions liegt, ist die sensible Neurographie im Gegensatz zur höhergradigen Plexusläsionen oder Schäden peripherer Nerven normal. Wichtig in der differenzialdiagnostischen Abklärung zwischen Wurzelläsionen und Schädigungen peripherer Nerven ist, dass kein Muskel ausschließlich monosegmental innerviert wird, sodass auch bei einer kompletten Wurzelläsion keine vollständige Parese eines Muskels resultiert. Zur Lokalisation des Schädigungsortes bei radikulären Syndromen ist von Bedeutung, dass im Bereich der Halswirbelsäule die zwischen
Klinisch weicht das betroffene Auge in Primärposition nach innen ab. Es bestehen horizontal parallel nebeneinanderstehende, ungekreuzte Doppelbilder. Sie nehmen beim Blick auf die paretische Seite zu (Abduktion). Kompensatorisch wird der Kopf auf die Seite des paretischen Muskels gewendet, sodass der M. rectus lateralis nicht in Funktion treten muss.
Differenzialdiagnose Die Abduzensparese ist die häufigste periphere neurogene Augenmotilitätsstörung und tritt in 4/5 aller Fälle isoliert auf, nur im restlichen Fünftel kombiniert mit Okulomotorius- und/ oder Trochlearisparesen. In ca. 30% aller Fälle (der größten Gruppe) bleibt die Diagnose auch nach Abklärung offen. Weitere häufige Ursachen sind Tumoren oder vaskuläre Läsionen (oft bei Diabetes!). Schädigungen des Abduzenskernes führen immer zu einer ipsiversiven konjugierten Blickparese. Faszikulär kann der Nerv durch Entmarkungsherde (MS) oder Ischämien geschädigt werden. In seinem Verlauf ist der N. abducens zwischen Pons und Pyramidenspitze beim Durchtritt durch die Dura fixiert, sodass es bei intrakraniellen Drucksteigerungen häufig zu
N
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Nervus accessorius, Läsion
einer Zerrung des Nerven mit monosymptomatischer Abduzensparese kommt. Hierzu gehören wohl auch die Abduzensparesen bei Pseudotumor cerebri. Schwankungen des supra-/infratentoriellen Druckgradienten können ebenfalls eine Abduzensparese auslösen (z. B. nach Myelographien, Lumbalpunktionen oder atrioventrikulären Shuntoperationen), die meist erst nach 5–10 Tagen auftritt. Iatrogen kann der Nervus abducens besonders bei Operationen im Bereich des Klivus, der Brücke oder der hinteren Schädelgrube lädiert werden. Eine Abduzensparese kommt auch im Rahmen komplexer Hirnnervensyndrome vor (z. B. Gradenigo-Syndrom, Sinus-cavernosus-Syndrom, Fissura-orbitalis-superior-Syndrom). Schließlich entsteht eine Schädigung selten durch intraorbitale Prozesse. Bei einer SAB wird der N. abducens viel seltener geschädigt als der N. oculomotorius; die Parese hat hier in der Regel keine lokalisatorische Bedeutung und ist vielmehr ein Fernsymptom. Einer direkten Schädigung durch ein Aneurysma liegt in der Regel ein infraklinoidales Carotis-internaAneurysma zugrunde. Kindliche Abduzensparesen sind viel häufiger entzündlich (auch post- oder parainfektiös) als diejenigen von Erwachsenen, treten aber ebenfalls oft bei Hirntumoren auf. Kongenitale Abduzensparesen werden im Rahmen des Duane-Syndroms beschrieben. Zur Abklärung einer Abduzensparese sollte eine kranielle Kernspintomographie durchgeführt werden, gegebenenfalls auch eine Lumbalpunktion. Außerdem sollte nach einem Diabetes gesucht werden. Differenzialdiagnostisch müssen okuläre Myasthenien, Myopathien oder mechanische Behinderungen des Bulbus in der Orbita ausgeschlossen werden. 3 3
3
3
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Abduzensparese. Zur symptomatischen Therapie von Augenmuskellähmungen, Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre. 3
Prognose Die Abduzensparesen nach Myelographien oder Lumbalpunktionen sind prognostisch günstig und bilden sich innerhalb von 6 Wochen spontan zurück.
Nervus accessorius, Läsion Synonyme XI. Hirnnerv
Definition Schädigung des N. accessorius im intra- oder extrakraniellen Verlauf.
Einleitung Rein motorischer Hirnnerv, Fasern zum M. sternocleidomastoideus und zum M. trapezius, letzterer in mittlerer und unterer Portion zusätzlich aus Spinalnerven innerviert. Ausfallsmuster: Kopfdrehung zur Gegenseite und ipsilaterale Schulterhebung gestört, Skapula weiter nach außen (DD: Serratusparese). Bei Läsionen im Halsbereich meist nur Trapeziusanteil betroffen.
Differenzialdiagnose Häufigste Ursache ist iatrogene Schädigung im seitlichen Halsdreieck, vorwiegend intraoperativ (z. B. bei Lymphknotenexstirpation oder anderen HNO-Operationen, Neck dissection), durch Radiatio oder als Druckschädigung (Trendelenburg-Lagerung, Wundhaken) [1, 2]. Seltener auch stumpfes Halstrauma. Intraspinale/intrakranielle Ursachen: Motoneuronerkrankung oder Syringomyelie (Kerngebiet), Tumoren, Traumata (Schädelbasisfrakturen), basale Meningitis, selten Aneurysma der A. vertebralis. Selten auch idiopathische Schädigung.
Prophylaxe Vermeidbar und daher von besonderer Bedeutung sind ausschließlich die iatrogenen Schädigungen. Cave: Intraoperative Beachtung des Nervenverlaufs, Patientenlagerung, Bestrahlungsplanung. Präoperativ genaue Patientenaufklärung (Nervus-accessorius-Läsion ist eine typische Komplikation bei entsprechenden Operationen).
Therapie Bei intraoperativer Schädigung des Nerven möglichst Mechanismus klären (Durchtrennung, Druckschädigung). Bei schweren Ausfällen und V. a. Kontinuitätsunterbrechung des Nerven (meist bei Biopsie) frühzeitige Revisionsoperation mit Nervennaht [1, 2]. Bei Druckschädigung abwartendes Verhalten, da meist rasche spontane Rückbildung. Auf jeden
Nervus axillaris, Läsion
Fall krankengymnastische Übungsbehandlung, auch zur Vermeidung sekundärer Fehlstellungen, da diese zu therapieresistenten Schmerzsyndromen führen können. Evtl. Armschlinge. In den übrigen Fällen Therapie entsprechend der Grunderkrankung. Evtl. Muskelersatzoperation bei irreversiblen Ausfällen.
Nachsorge Genaue Dokumentation der Läsion bei iatrogenen Schäden (evtl. forensische Bedeutung).
Prognose Erfolgsaussichten von Neurolyse, Nervennaht oder autologer Transplantation sind nicht so gut, aber einzelne komplette Remissionen [1] sind beschrieben. Bei Durchtrennung ist die konservative Therapie immer unbefriedigend [2]. Die Druckschädigung hat eine gute Prognose.
Literatur 1. Müller-Vahl H, Schliack H (1982) Akzessoriuslähmungen nach ärztlichen Eingriffen am Hals. Dtsch Ärztebl 79: 23–27. 2. Schmidt D, Malin JP (1986) Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme, Stuttgart New York.
Nervus auricularis, Läsion Synonyme N. auricularis posterior, N. retroauricularis
Definition Ast des N. facialis, Abgang unterhalb des Foramen stylomastoideum (also extrakraniell), kann bei Läsionen des N. facialis proximal des Abgangsortes mitgeschädigt sein.
Einleitung Innerviert mimische Muskulatur der Ohr- u. Hinterhauptsgegend und der Ohrmuschel, sowie kleines Gebiet am Ohr sensibel (sog. Hunt- Zone).
Differenzialdiagnose Parese, Fazialisparese
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Nervus axillaris, Läsion Definition Der N. axillaris (C5–6) verläßt die Axilla durch die hintere Achsellücke, zieht um das Collum chirurgicum des Humerus, versorgt das Schultergelenk, den M. teres minor, den M. deltoideus und ein sensibles Areal an der Außenfläche der Schulter.
Einleitung Die Funktion des N. axillaris besteht vorwiegend in der Schulter-Elevation, - Abduktion (vor allem in einem Winkel von >60°) und – Zirkumduktion. Bei isolierten Axillarisparesen ist die Atrophie des M. deltoideus oft imposant, die klinischen Defizite können aber gering sein. Die Sensibilität muss nicht mitbetroffen sein, da der sensible Endast des N. axillaris von der Endstrecke des motorischen Anteils unabhängig zwischen Deltoideus und langem Trizepskopf hindurchzieht.
Differenzialdiagnose Ursachen für eine nicht seltene isolierte Axillarisschädigung sind häufig vordere-untere Schultergelenksluxationen, manchmal begleitet von einer Fraktur des Collum chirurgicum humeri, seltener auch Skapulafrakturen. Stumpfe Traumen oder Lagerungsschäden betreffen nur selten isoliert den N. axillaris, eher den Plexus brachialis. Der N. axillaris ist häufig auch bei einer neuralgischen Schulteramyotrophie betroffen. Differenzialdiagnostisch muss eine arthrogene Muskelatrophie des M. deltoideus bei Schultergelenksaffektionen (EMG!), eine Periarthropathia humeroscapularis oder eine Rotatorenmanschettenruptur abgegrenzt werden. Letztere tritt aber häufig in Kombination mit einer Axillarisparese auf.
Therapie Vor der Reposition einer Schulterluxation sollte die Funktion des N. axillaris überprüft und dokumentiert werden, da es auch durch Repositionsmanöver Verletzungen des N. axillaris gibt. Während der konservativen Therapie einer Axillarisparese muss das Schultergelenk passiv und wenn möglich auch aktiv bewegt werden, um eine Schultersteife zu verhindern. Da der M. deltoideus ein Antischwerkraft-Muskel ist, muss bei seiner Parese eine Dehnung der
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3
Nervus calcaneus inferior, Läsion
Weichteilstrukturen durch entsprechende Lagerung verhindert werden. Eine primäre Operation ist nur bei sicheren Hinweisen auf eine Kontinuitätsunterbrechung indiziert. Bei ausbleibender Reinnervation nach 4–6 Monaten kann eine sekundäre operative Revision erforderlich werden, bei der der Nerv oft mit der Gelenkkapsel narbig verklebt ist. In diesem Fall ist eine Neurolyse meist erfolgreich. Eine komplette Zerreißung des Nerven lässt sich fast immer nur durch eine Nerventransplantation überbrücken. Auch hier ist der Erfolg oft gut. Am schlechtesten erholt sich der hintere Anteil des M. deltoideus. Bei persistierender irreversibler Schädigung sind zahlreiche Methoden der Muskelverpflanzungen meist wenig erfolgreich. Alternativ stellt eine Arthrodese der Schulter in günstiger Stellung die beste funktionelle Rekonstruktion dar.
Nervus cochlearis, Läsion Definition Der Nervus cochlearis bildet zusammen mit dem Nervus vestibularis den 8. Hirnnerven (Nervus vestibulocochlearis). Der Nervus cochlearis besteht aus Fasern bipolarer Ganglienzellen, die die Haarzellen im Corti-Organ versorgen.
Einleitung Schädigungen des Nervus cochlearis führen zu Hörstörungen und/oder Tinnitus. Häufig besteht bei gleichzeitiger Läsion des Nervus vestibularis auch Schwindel. Kortikale oder subkortikale Läsionen der Hörbahn bewirken wegen der bilateralen Projektion meist keine Hörstörung. 3
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Differenzialdiagnose 3
Nervus calcaneus inferior, Läsion
Zu den Ursachen der kochleären oder retrokochleären Hörstörung, Innenohrschwerhörigkeit.
Definition
Therapie
Schmerzhafte Neuropathie des N. calcaneus inferior (einer der Endäste des N. tibialis), die zu 50% durch einen Kalkaneussporn bedingt ist.
Zur Therapie von Läsionen des Nervus cochlearis, Innenohrschwerhörigkeit. 3
Einleitung N. calcaneus inferior versorgt M. abductor digiti V und das Periost des Fersenbeins.
Nervus cutaneus antebrachii, Läsion
Differenzialdiagnose
Synonyme
Fussschmerzen aus anderen orthopädischen Ursachen, M. Bechterew, Tarsaltunnelsyndrom, Morton-Neuralgie.
Nervus cutaneus antebrachii lateralis, medialis und posterior
Therapie
Der N. cutaneus antebrachii lateralis ist der Hauptast des N. musculocutaneus (C5–7) und versorgt die Haut über der radialen Seite des Unterarmes. Der N. cutaneus antebrachii medialis (C8–Th1) stammt aus dem Fasciculus medialis und versorgt die Haut der ulnaren Fläche des Unterarmes volar und dorsal. Der N. cutaneus antebrachii dorsalis stammt aus dem N. radialis (C5–Th1) und versorgt die Haut der radialen Unterarmrückseite.
empirisch Konservative Therapiemaßnahmen (Druckentlastung, Einlagen etc.) bessern die Beschwerden [1].
Literatur 1. Berlit P (1999) Klinische Neurologie. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg.
Definition
Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion
Nervus musculocutaneus, Läsion, brachialis, Nervus radialis.
Plexus
3
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Zu Schädigungen des N. cutaneus antebrachii lateralis, Nervus musculocutaneus. Läsion. Der N. cutaneus antebrachii medialis ist häufig bei unteren Armplexusläsionen ( Plexus brachialis) beteiligt. Eine Läsion dieses Nervens in der Ellenbeuge entsteht häufig iatrogen durch paravenöse Injektionen oder Infusionen in der Ellenbeuge. Druckläsionen dieses Nervens am Vorderarm oder in der Ellenbeuge z. B. durch Tragen schwerer Tabletts oder Taschen sind möglich. Zu Läsionen des N. cutaneus antebrachii dorsalis, Nervus radialis, Läsion.
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Differenzialdiagnose
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Prophylaxe Vermeidung einer Schädigung des N. cutaneus antebrachii medialis durch lege artis ausgeführte Injektionen in der Ellenbeuge bzw. durch Vermeiden einer Druckläsion.
Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion Definition Der rein sensible N. cutaneus femoris lateralis (L2–3) verlässt medial von der Spina iliaca anterior superior das Becken und tritt unterhalb des Leistenbandes durch die Lacuna musculorum an die Vorderseite des Oberschenkels. Einige Zentimeter unterhalb des Leistenbandes teilt er sich in 2 Endäste, durchbohrt die Faszia lata und versorgt die Haut an der Vorderaußenseite des Oberschenkels bis auf die Höhe des Kniegelenkes.
Einleitung Therapie Bei isolierten Läsionen der einzelnen Hautäste ist in der Regel keine spezifische Therapie möglich. Bei persistierenden Schmerzen oder Dysästhesien kann eine Behandlung mit schmerzdistanzierenden Medikamenten erforderlich sein (z. B. Amitriptylin, Carbamazepin).
Bei einer Läsion des N. cutaneus femoris lateralis bestehen lediglich kribbelnde oder nadelstichartige Paraesthesien, eine Hyperpathie, brennende Schmerzen und/oder Sensibilitätsausfälle an der anterolateralen Partie des Oberschenkels. Die Ausdehnung der Temperatursinnstörung ist in der Regel größer als die der
Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion. Abb. 1: Sensible Innervationsareale im Bereich der Leiste
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Nervus dorsalis scapulae, Läsion
Hypästhesie. Trophische Störungen mit Hypotrichose und verdünnter Haut kommen vor. Die Schmerzen können bei passiver Streckung im Hüftgelenk provoziert werden.
Differenzialdiagnose Der Verlauf des Nerven unterhalb des Nervenbandes stellt einen anatomischen Engpass dar. Hier knickt der Nerv nach zuvor horizontaler Verlaufsrichtung rechtwinklig um und unterliegt bei Hüftstreckung einer Dehnung. Häufigstes Erscheinungsbild einer Läsion des N. cutaneus femoris lateralis ist das Kompressionssyndrom in dieser Lokalisation, die sogenannte Meralgia paraesthetica. Iatrogene Läsionen des Nerven sind bei Beckenkammbiopsien oder Knochenspanentnahme, Hüftoperationen, bei laparoskopisch durchgeführten Cholezystektomien, Nierentransplantationen, bei Operation eines retrozökal gelegenen Appendix oder bei Injektionen in die Leiste möglich. Traumatisch kann der Nerv durch eine Fraktur der Spina iliaca anterior superior geschädigt werden. Intraabdominell kann eine Schädigung durch retroperitoneale Tumoren oder Prozesse des Iliozökalbereiches auftreten. Diagnostisch hilfreich ist die Blockade des Nerven unterhalb des Leistenbandes mit Lokalanaesthetica ( Meralgia paraesthetica). Pathologische SEP-Befunde nach Stimulation der Haut des anterolateralen Oberschenkels können nach Reizung der erkrankten Seite erhoben werden. Die Läsion muss von radikulären Syndromen der Wurzeln L3 oder L4 abgegrenzt werden. 3
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Therapie Bei einer Schädigung des N. cutaneus femoris lateralis durch Trauma oder Raumforderung steht zunächst die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Bei persistierenden stärkeren Paraesthesien oder Schmerzen kann eine Infiltration mit Lokalanaesthetica wie bei der Meralgia paraesthetica durchgeführt werden. 3
Nervus dorsalis scapulae, Läsion Definition Dorsaler Ast aus dem Plexus brachialis, der die Mm. rhomboidei und den M. levator scapulae innerviert.
Einleitung Bei Parese des N. dorsalis scapulae resultiert eine Fehlstellung des Schulterblattes, dessen Angulus inferior leicht nach außen rotiert ist und dessen Margo medialis etwas von der Mittellinie entfernt ist und absteht. Atrophien und Paresen werden deutlich, wenn Schulter und gestreckte Arme kräftig nach hinten gedrückt werden.
Differenzialdiagnose Isolierte Lähmung des N. dorsalis scapulae ist selten, da er von den tiefen Nackenmuskeln sehr geschützt wird. Sie kann selten einmal bei Schuss- oder Stichverletzungen vorkommen. Eine Beteiligung des N. dorsalis scapulae bei einer traumatischen Plexusläsion spricht für eine sehr proximale Schädigung.
Therapie In der Regel erfordert die Läsion des N. dorsalis scapulae keine spezifische Therapie. Eine Nervennaht ist nur in ganz seltenen Fällen von scharfer Durchtrennung denkbar. Eine Ersatzoperation der Mm. rhomboidei ist in der Regel nicht erforderlich. Sie ist aber durch Anschlingen des unteren Skapularandes durch einen Streifen des oberen Anteils des M. latissimus dorsi möglich. Der Ausfall des M. levator scapulae wird meist vom M. trapezius voll kompensiert.
Nervus facialis, Läsion Synonyme 7. Hirnnerv
Definition Der Nervus facialis ist der motorische Nerv der Gesichtsmuskulatur und versorgt die gesamte mimische Muskulatur, das Platysma und den M. stylohyoideus. Sensibel innerviert der Nerv lediglich ein kleines Areal am Ohr. Im Hirnstamm sind die Fazialiskerne jeweils in einen oberen und einen unteren Kern aufgeteilt. Der obere Kern (Stirnast) für Augen- und Stirnmuskeln erhält Zuflüsse von beiden Hemisphären, der untere (Mundast) für Wangen, Nasen, periorale Muskulatur und Platysma überwiegend von der kontralateralen Hemisphäre, sodass bei zentralen Fazialisparesen der Stirnast
Nervus facialis, Läsion
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Nervus facialis, Läsion. Abb. 1: N. facialis und mit ihm verlaufende Nerven: 1 Läsion der kortikobulbären Bahnen: kontralaterale VII-Parese vom zentralen Typ (kompletter Lidschluss, Aussparung der Stirninnervation). 2 Nukleäre Läsion im Hirnstamm: VII-Parese vom peripheren Typ ipsilateral ohne Begleitsymptome. 3 Periphere Läsion im Fallop-Kanal: VII-Parese vom peripheren Typ ipsilateral mit Bell-Phänomen und je nach Läsionshöhe: a Tränensekretionsstörung (pathologischer Schirmertest), b Hyperakusis (Ausfall des Stapediusreflexes), c Geschmacksstörung der vorderen zwei Zungendrittel, d Sensibilitätsstörung präaurikulär und Schmerzen. 4 Extrakranielle Läsion mit motorischen Paresen des Nervs oder seiner Äste
weitestgehend verschont bleibt. Nach dem inneren Fazialisknie um den Abduzenskern tritt der N. facialis zusammen mit dem N. intermedius und dem 8. Hirnnerven im Kleinhirnbrückenwinkel aus. Nach dem Eintritt in den inneren Gehörgang teilen sich die Nerven. Im knöchernen Fazialiskanal bildet der N. facialis das äußere Fazialisknie (Ganglion geniculi), wo der N. petrosus superficialis major (für die Tränensekretion) abzweigt. Weiter distal geht der N. stapedius zum M. stapedius ab (bei Läsion resultiert Hyperakusis), noch im Bereich des Mastoids vor Austritt aus dem Foramen stylomastoideum die Chorda tympani (für die Geschmackswahrnehmung der vorderen 2/3 der Zunge und die Speichelsekretion).
Einleitung Die klinische Symptomatik richtet sich nach dem Läsionsort. Bei zentralen Paresen ist in der Regel der Stirnast ausgespart oder nur wenig betroffen; bei peripheren oder nukleären Paresen besteht ein abgeschwächter oder aufgehobener Lidschluss („Lagophthalmus“). Prozesse im Kleinhirnbrückenwinkelbereich führen meist auch zu Läsionen des 8. Hirnnerven. Die zusätzliche Symptomatik (Tränensekretion, Hypakusis, Geschmacksstörungen) neben den motorischen Ausfällen ermöglicht eine genauere topische Diagnostik bei peripheren Fazialisparesen.
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Nervus facialis, Läsion
Nervus facialis, Läsion. Abb. 2: Periphere Fazialisparese mit Bell-Phänomen
im Kleinhirnbrückenwinkelbereich ( Akustikusneurinome, Cholesteatome, Metastasen etc.), bei der Meningeosis carcinomatosa, bei basalen Meningitiden (z. B. Tbc), bei entzündlichen Erkrankungen von Ohr oder Mastoid, beim Diabetes mellitus, kongenital (Möbius-Syndrom) oder beim MelkerssonRosenthal-Syndrom (granulomatöse Erkrankung mit Gesichtsschwellungen und rezidivierenden Fazialisparesen, vermutlich autosomaldominant). 3
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Ätiologie der Fazialisparese (z. B. antibiotische Therapie bei Borreliose, virostatische Therapie bei Zoster oticus). Wichtige Therapie der idiopathischen Fazialisparese ist die symptomatische Behandlung. Bei unvollständigem Lidschluss muss immer ein Hornhautschutz erfolgen (Cave: Keratitis e lagophthalmo). Hierzu gehören Augensalbe und ein Uhrglasverband (besonders nachts). Bei langfristig persistierenden Paresen muss evtl. eine Tarsorhaphie durchgeführt werden oder eine iatrogene Ptose durch Botulinumtoxin-Injektion ausgelöst werden. Weiterhin sollte eine kontrollierte Physiotherapie der mimischen Muskulatur durchgeführt werden, der evtl. eine Eistherapie zur Verhinderung von Fehleinsprossungen vorangestellt werden sollte. Der Patient sollte regelmäßig vor dem Spiegel Innervationsübungen der mimischen Muskulatur 3
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Zur Diagnostik einer Fazialisparese ( Parese, Fazialisparese) gehören neben der genauen Testung der klinischen Funktion (Stirnrunzeln, Augenschluss, Naserümpfen, Zähnezeigen) der Schirmer-Test zur Beurteilung der Tränensekretion, die Geschmacksprüfung und die elektrophysiologische Diagnostik mit Neurographie (zur Beurteilung der Prognose bei peripherer Fazialisparese: Amplitude >50% der gesunden Seite bedeutet eher günstige Prognose), ggf. auch das EMG der Fazialismuskulatur. Die ätiologische Abklärung sollte die Ohrinspektion (Zoster), die Borrelien-Serologie (ggf. mit Lumbalpunktion zur Frage Neuroborreliose oder anderer entzündlicher Prozesse), den Blutzuckerspiegel (Diabetes) und eventuell die zerebrale Bildgebung umfassen. Häufigste Ursache einer peripheren Fazialisparese ist die idiopathische Form (Bell`sche Lähmung). Die Läsion liegt hier im knöchernen Fazialiskanal proximal vom Ganglion geniculi. Initial bestehen oft Schmerzen im Ohr oder Mastoid. Die Symptome erreichen nach 1–2 Tagen, spätestens nach 1 Woche ihr Maximum. Symptomatische Fazialisparesen finden sich häufig bei einer Borreliose (häufigste Fazialisparese im Kindesalter, oft doppelseitig), beim Zoster oticus, bei der Sarkoidose ( Polyneuropathie, Sarkoidose), beim Guillain-Barré-Syndrom (auch oft doppelseitig, Neurographie zeigt im Verlauf Demyelinisierung), bei Felsenbeinfrakturen, bei Tumoren
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Differenzialdiagnose 3
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Nervus femoralis, Läsion
durchführen. Diese symptomatischen Therapiemaßnahmen sollten auch bei peripheren Fazialisparesen anderer Ätiologie durchgeführt werden. Aufgrund des begrenzten Raumes des entzündeten Nerven im Canalis facialis bei idiopathischer Fazialisparese kommt in den ersten Tagen eine abschwellende Therapie mit Kortison in Betracht (Prednisolon 1 mg/kgKG/die über 5 Tage, dann Reduktion nach Klinik). Nach einer aktuellen Übersicht muss die Datenlage hierzu als immer noch nicht ausreichend gesehen werden. In den wenigen gut verwerteten randomisierten, placebokontrollierten Studien zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Rückbildungsrate der Paresen zwischen Kortikoiden und Placebo. Auf jeden Fall muss eine Steroidgabe aus pathophysiologischen Gesichtspunkten möglichst früh begonnen werden [1]. empirisch Noch keine gesicherten Angaben liegen zur virostatischen Therapie der idiopathischen Fazialisparese vor (unter der postulierten Annahme einer zugrunde liegenden Infektion mit Herpes simplex Typ I) [2].
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stitution innerhalb von 4–10 Wochen. Bei klinisch kompletter Lähmung besteht eine schlechtere Prognose. Prognostisch ungünstig sind Spontanaktivität im EMG und eine Reduktion der Potentialamplitude in der Neurographie auf unter 50% der gesunden Seite.
Literatur 1. Salinas RA, Alvarez G, Alvarez MI, Ferreira J (2002) Corticosteroids for Bell`s palsy (idiopathic facial paralysis) (Cochrane Review). Cochrane Database Syst Rev 1: CD001942. 2. Sipe J, Dunn L (2001) Aciclovir for Bell`s palsy (idiopathic facial paralysis) (Cochrane Review). Cochrane Database Syst Rev 4: CD001869.
Nervus femoralis, Läsion Definition
unwirksam/obsolet Reizstrombehandlung gilt in der Therapie der peripheren Fazialisparese als obsolet, da hierdurch die Gefahr von Fehleinsprossungen vergrößert wird. Ebenfalls als obsolet wird die operative Dekompression des knöchernen Fazialiskanals angesehen, da sie in großen Studien keine besseren Erfolge zeigt als die konservative Therapie, aber wesentlich mehr Risiken hat.
Der N. femoralis (L1–4) verläuft zunächst innerhalb der Psoasfaszie zwischen dem M. psoas und dem M. iliacus und zieht mit dem M. psoas durch die Lacuna musculorum unterhalb des Leistenbandes und erreicht das Trigonum femorale, wo er sich in seine Endäste aufteilt. Bereits vor dem Leistenband gibt er Äste zum M. iliopsoas und M. pectineus ab. Die distal des Leistenbandes entstehenden Rr. cutanei anteriores innervieren die Haut an der Vorderinnenseite des Oberschenkels, die Rr. musculares die Mm. sartorius, rectus femoris und die Vastusgruppe (M. rectus femoris, M. vastus lateralis, intermedius und medialis). Der sensible Endast des Nerven, der N. saphenus (vorwiegend L4), versorgt die Haut an der Medialseite des Unterschenkels bis zum medialen Fußrand.
Nachsorge
Einleitung
Als Spätfolge finden sich nach peripheren Fazialisparesen nicht selten Fehleinsprossungen mit pathologischen Synkinesien (z. B. Mitinnervation der Mundwinkel beim Versuch des Augenschlusses oder „Krokodilstränen“ durch Mitinnervation der Tränendrüsen beim Essen).
Bei einer Schädigung des N. femoralis in Höhe des Leistenbandes, der häufigsten Lokalisation, ist die Parese des M. quadriceps mit Lähmung der Kniestreckung am bedeutsamsten. Beim Bergaufgehen oder Treppensteigen wird die Lähmung am deutlichsten. Der Quadricepsreflex ist typischerweise abgeschwächt oder ausgefallen. Sensible Ausfälle bestehen in den beschriebenen Arealen. Die Ausfälle des M. sartorius (Beuger und Außenrotator der Hüfte) und des M. pectineus (Adduktor) fallen kaum ins Gewicht. Eine proximale Femoralisläsion führt außerdem zu einer Parese der Hüftbeu-
Die Prognose einer Fazialisparese richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei der idiopathischen Fazialisparese ist sie eher günstig: bei primär inkompletter Lähmung zeigt sich in 90% der Fälle eine spontane Re-
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Prognose
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Nervus genitofemoralis, Läsion
gung (M. iliopsoas). Sie ist auch bei kompletter Femoralisläsion nicht vollständig ausgefallen.
Differenzialdiagnose Häufigste Ursache einer proximalen Läsion des N. femoralis ist die endogene Kompression durch ein retroperitoneales Hämatom. Es kann spontan, durch leichte Traumen bei Gerinnungsstörungen, bei Marcumarisierung, nach Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas oder durch Beckenfrakturen entstehen. Klinisch imponieren heftige Schmerzen in Unterbauch und Leiste mit Ausstrahlung in das sensible Femoralisversorgungsgebiet. Das Bein wird gebeugt und außenrotiert gehalten. Diagnostisch ist der Nachweis des Hämatoms mittels CT oder MRT entscheidend. Auch retroperitoneale Abszesse, Lymphome, Karzinome oder Bauchaortenaneurysmen können zu proximalen Femoralisläsionen führen. Läsionen im Bereich des Leistenbandes sind häufig iatrogen verursacht. Sie können durch Druck von außen, z. B. bei übermäßiger Flexion, Abduktion und Außenrotation der Hüfte in Steinschnittlage, durch Druck aortofemoraler Kunststoffprothesen, durch Traktion, z. B. bei Hüftoperationen oder durch direkte Schädigung des Nerven durch Elektrokoagulation, unsachgemäße Injektion z. B. bei transfemoraler Angiographie, Miterfassen des Nerven in eine Naht z. B. bei Herniotomien oder bei Totalendoprothesen des Hüftgelenkes entstehen. Traumatisch kann der Nerv durch eine plötzliche Überstreckung des Hüftgelenkes gezerrt werden oder direkt durch Schuss-, Stichverletzungen oder Beckenfrakturen geschädigt werden. Häufig treten Femoralisläsionen im Rahmen einer diabetischen Amyotrophie bei diabetischer Neuropathie auf. Infektiöse Ursachen z. B. bei Herpes-simplex- oder Herpes-zosterInfektion oder nerveneigene Tumoren sind sehr selten. Bei Intoxikation mit Rhabdomyolyse kann es ebenfalls zu Femoralisläsionen kommen. Zu Kompressionssyndromen und Läsionen, Nervus saphenus, Läsion. Differenzialdiagnostisch müssen Läsionen der Wurzeln L3/L4 und Plexusläsionen abgegrenzt werden.
der Regel konservativ durch Normalisierung der Gerinnungsverhältnisse, Ruhigstellung und Analgesie behandelt. Nur bei sehr großen Hämatomen mit kompletter Femoralisparese kommt eine operative Hämatomausräumung in Frage. Druck- und Lagerungsschäden haben in der Regel eine gute Prognose, sodass eine konservative Therapie mit krankengymnastischer Übungsbehandlung ausreichend ist. Traktionsschäden sind in der Prognose unterschiedlich zu bewerten. Bei Engpasssyndromen oder narbigen Verwachsungen können Injektionen mit Lokalanästhetika erfolgen, bei fehlendem Erfolg kommt auch eine Neurolyse in Frage. Wurde der Nerv intraoperativ in einer Naht miterfasst, so ist auf jeden Fall eine operative Revision erforderlich. Bei intraabdomineller Durchtrennung des Nerven besteht die Möglichkeit einer Nervennaht. Distal des Leistenbandes ist die Nervennaht nach Durchtrennung wegen der raschen Verzweigung des Nerven in seine Endäste schwieriger und kann darauf beschränkt bleiben, alle auffindbaren distalen Stümpfe wie ein Kabeltransplantat mit dem proximalen Nervenstamm zu verbinden. Durch Beugen der Hüfte und Aufheben der Lendenlordose kann ein Defekt von bis zu 8 cm überbrückt werden. Irreparable Funktionsausfälle können durch eine Ersatzoperation gemildert werden, bei der der M. semitendinosus und der M. bizeps nach ventral auf die Kniescheibe verlagert werden und dann als Kniestrecker dienen. Zur Therapie der diabetisch bedingten Femoralis- bzw. Plexusläsionen, Neuropathie, diabetische. 3
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Therapie Die Therapie richtet sich vollständig nach der Grunderkrankung. Psoashämatome werden in
Nervus genitofemoralis, Läsion Definition Der N. genitofemoralis (L1–2) verläuft auf der Ventralseite des M. psoas und teilt sich in den R. genitalis (N. spermaticus externus) und den R. femoralis (N. lumboinguinalis). Der R. femoralis versorgt nach seinem Durchtritt durch die Lacuna vasorum unter dem Ligamentum inguinale hindurch die Haut der Leistenbeuge etwa in der Mitte. Der R. genitalis gelangt medial davon mit dem Samenstrang bzw. dem Ligamentum teres uteri zum Skrotum bzw. den Labia majora und versorgt die Haut des Skrotums, Hüllen des Hodens, den M. cremaster
Nervus glossopharyngeus, Läsion
sowie ein kleines Hautareal am medialen Oberschenkel.
Einleitung Eine Läsion des Nervens bzw. seiner Äste führt zu Sensibilitätsstörungen in den betroffenen Versorgungsgebieten, oft aber auch zu hier lokalisierten Schmerzen („Spermatikusneuralgie“). Der Kremasterreflex fehlt häufig auf der betroffenen Seite.
Differenzialdiagnose Der N. genitofemoralis kann im Rahmen von Psoashämatomen oder –abszessen geschädigt werden. Eine Läsion des Nerven wird häufig nach Herniotomien oder anderen, auch endoskopischen Operationen im Bereich der Leiste beobachtet und kann ebenfalls nach Sympathikusblockaden auftreten. Da auch andere Nerven durch Operationen in dieser Lokalisation geschädigt werden können (N. ilioinguinalis, N. iliohypogastricus, N. femoralis) ist eine saubere Differenzierung vor der entsprechenden Therapie erforderlich. Diese muss gegebenenfalls durch diagnostische Blockaden mittels Lokalanästhetika erfolgen.
Prophylaxe Schonung des Nerven bei entsprechenden Operationen in der Leistenregion, insbesondere bei Herniotomien.
Therapie Neben der Applikation von schmerzdistanzierenden Medikamenten, der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) und der Infiltration mit Lokalanästhetika kann bei intensiver Schmerzsymptomatik („Spermatikusneuralgie“) eine Neurolyse erforderlich werden. Diese ist auch endoskopisch durchführbar [2]. Eine Resektion des Nerven proximal der Schädigungsstelle ist aufgrund der Möglichkeit einer maladaptiven neuronalen Plastizität mit entsprechenden Komplikationen umstritten. In einer Arbeit von Kennedy et al. wurde diese Methode aber als erfolgreich in 62% der operierten Patienten mit deutlicher Besserung der Schmerzen angesehen [1]. Ungenügende Schmerzfreiheit wurde vorwiegend bei den Patienten mit heftigen testikulären Schmerzsyndromen erreicht. Eine perkutane Rhizotomie der Hinterwurzeln L1 und L2 mittels Thermokoagulation kommt dann in Betracht.
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Literatur 1. Kennedy EM, Harms BA, Starling JR (1994) Absence of maladaptive neuronal plasticity after genitofemoral-ilioinguinal neurectomy. Surgery 116: 670–671. 2. Krahenbuhl L, Striffeler H, Baer HU, Buchler MW (1997) Retroperitoneal endoscopic neurectomy for nerve entrapment after hernia repair. Br J Surg 84: 216–219.
Nervus glossopharyngeus, Läsion Synonyme 9. Hirnnerv
Definition Der Nervus glossopharyngeus tritt mit 2 Stämmchen aus der Medulla oblongata aus, die sich im Foramen jugulare vereinigen (Ganglion superius und Ganglion inferius). Zusammen mit dem N. vagus und N. accessorius tritt er aus dem Foramen aus, verläuft entlang der A. carotis interna und der Gaumenmandel zur seitlichen Schlundwand und zur Zungenwurzel.
Einleitung Der N. glossopharyngeus ist in erster Linie ein sensibler und sensorischer Nerv. Er versorgt sensibel Paukenhöhle, Tuba Eustachii, ein kleines Hautstück vor dem Tragus, Gaumenbögen, Mandeln, Epi- und Mesopharynx und die Zungenwurzel. Sensorisch innerviert er die Geschmacksknospen des hinteren Zungendrittels, sekretorisch die Parotis, die Wangen- und Unterlippendrüsen und die Drüsen in den genannten Schleimhäuten. Autonome Fasern empfangen Afferenzen aus den Barorezeptoren des Karotissinus und Chemorezeptoren des Karotiskörpers. Motorisch innerviert der Nerv Tubenmuskel und Schlundmuskeln. Isolierte Läsionen des N. glossopharyngeus werden praktisch nie beobachtet; meist wird der 9. Hirnnerv zusammen mit dem N. vagus geschädigt. Klinisch wird die Funktion des N. glossopharyngeus über das Auslösen des Würgereflexes (afferenter Schenkel) und über eine Geschmacksprüfung des hinteren Zungendrittels getestet. Baro- und Chemorezeptorenfunktion können über autonome Testverfahren nachgewiesen werden.
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Nervus glutaeus inferior, Läsion
Nukleäre Läsionen des N. glossopharyngeus können bei Hirnstamminfarkten, - tumoren, MS-Herden, Syringobulbie, Poliomyelitis oder häufiger bei der Bulbärparalyse auftreten. Prozesse der hinteren Schädelgrube wie Kleinhirnbrückenwinkeltumoren, Meningeome, Metastasen, Glomus jugulare-Tumoren, Aneurysmen der A. vertebralis oder basilaris können ebenso zu Glossopharyngeusläsionen führen wie Traumata (Schädelbasisfrakturen), basale Meningitiden (Lues, Sarkoidose) oder Sinusthrombosen. Weiter peripher gelegene Ursachen sind intraoperative Schädigungen bei Karotisoperationen oder Neck dissections. Der Nerv kann u. a. im Rahmen einer kranialen Neuropathie mitbeteiligt sein beim Sjögren-Syndrom, beim akuten Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS), bei der Diphtherie, beim Botulismus oder auch bei der gutartigen, einseitigen, isolierten Gaumensegelparese vor allem bei Kindern nach Virusinfekt. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist die Glossopharyngeusneuralgie. 3
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Therapie Die spezifische Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung und erfordert bei zugrunde liegendem Tumor ein neurochirurgisches oder strahlentherapeutisches Vorgehen, bei entzündlichen Prozessen eine antibiotische oder immunmodulierende Therapie. Symptomatisch werden vor allem die Schluckstörungen mittels Schlucktherapie behandelt; etwaige autonome Funktionsstörungen müssen eventuell mitbehandelt werden.
Nervus glutaeus inferior, Läsion Definition Der rein motorische Nervus glutaeus inferior (L5–S2) stammt aus dem Plexus lumbosacralis, verlässt das Becken im Foramen infrapiriforme und verzweigt sich in mehrere Äste für den M. glutaeus maximus. Einzelne Äste versorgen auch die Kapsel des Hüftgelenkes.
Einleitung Eine Läsion des N. glutaeus inferior führt zu einer hochgradigen Parese der Hüftgelenkstreckung. Aufstehen aus dem Sitzen und Treppen-
steigen sind hochgradig behindert. Die Infraglutaealfalte steht auf der paretischen Seite tiefer.
Differenzialdiagnose Ursachen für eine Schädigung des N. glutaeus inferior decken sich weitestgehend mit den Schädigungsursachen einer Läsion des N. glutaeus superior (Nervus glutaeus superior, Läsion). Häufig sind beide Nerven gemeinsam betroffen. Läsionen der Nn. glutaei können im Rahmen einer Entbindungslähmung, einer Schussverletzung, selten nach Beckenfrakturen, bei einer Einklemmungsneuropathie im Foramen suprapiriforme, nach exogener Kompression der Glutaealnerven nach längerem Liegen auf einer harten Unterlage, bei einer diabetischen Schwerpunktsneuropathie, einer Antikoagulantienblutung oder als Frühsymptom eines Rezidivs bei kolorektalen Karzinomen vorkommen. Iatrogen können die Nerven, bevorzugt der N. glutaeus superior, durch eine zu weit medial gelegene intraglutäale Injektion verursacht werden. Ist der N. glutaeus inferior betroffen, so wird meistens der N. ischiadicus mitgeschädigt. Die Parese kann direkt nach der Injektion auftreten, in diesen Fällen handelt es sich praktisch immer um eine Fehlinjektion ( Spritzenlähmung). Es kann aber auch mit einer Latenz zu den entsprechenden Ausfällen kommen. In seltenen Fällen könnte hier einmal eine korrekte Injektion mit Ausbreitung der Injektionslösung zwischen den Faszienblättern bis hin zum Nervenstamm vorliegen. Eine korrekte Injektion in den oberen äußeren Quadranten kann zur isolierten Schädigung der Äste zum M. tensor fasciae latae führen. Differenzialdiagnostisch muss eine Schädigung der Nn. glutaei von einer progressiven Muskeldystrophie oder anderen Myopathien abgegrenzt werden, da auch diese zu einer rein motorischen Parese der Glutaealmuskeln mit positivem Trendelenburg-Zeichen führen können. Eine kongenitale Hüftgelenksluxation lässt sich meist leicht abgrenzen. 3
Differenzialdiagnose
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Prophylaxe Wichtigste Prophylaxe zur Vermeidung einer Schädigung der Nn. glutaei ist die korrekte intramuskuläre intraglutaeale Injektion, möglichst aber das Vermeiden intraglutaealer Injektionen überhaupt.
Nervus hypoglossus, Läsion
Therapie
Grundsätzlich sollte primär die zugrunde liegende Erkankung behandelt werden. Bei einer direkten traumatischen Läsion des Nerven sollte eine operative Darstellung mit Nervennaht erfolgen. Die Nerven können nach einem Schnitt parallel zu den Fasern des M. glutaeus maximus gut dargestellt werden und sind kaliberstark genug für eine Nervennaht, Spritzenlähmung. Ersatzoperationen kommen bei irreversibler Schädigung der kleinen Mm. glutaei in Frage. Ist der M. glutaeus maximus intakt, so kann ein Teil von ihm nach ventral verlagert und direkt am Trochanter major fixiert werden. Dadurch wird das Abkippen des Beckens und damit das Hüfthinken verringert. Ein Ersatz des M. glutaeus maximus ist deutlich schwieriger. Der M. tensor fasciae latae kann durch Verlagerung von Ursprung und Ansatz nach dorsal z. T. als Strecker fungieren. Die Erector-spinaePlastik bildet einen stärkeren Ersatz. Hierbei wird der freipräparierte M. erector spinae über ein Faszieninterponat am Trochanter minor inseriert. 3
Nervus glutaeus superior, Läsion Definition Der N. glutaeus superior (L4–S1) versorgt nach seinem Austritt aus dem Foramen suprapiriforme den M. glutaeus medius und minimus, mit seinem Endast dann den M. tensor fasciae latae.
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Therapie
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Nervus glutaeus inferior, Läsion
Nervus hypoglossus, Läsion Synonyme 12. Hirnnerv
Definition Der Nervus hypoglossus ist als rein motorischer Nerv zuständig für die Innervation der Zunge. Er tritt mit vielen Wurzelfäden aus der Medulla oblongata aus und zieht dann durch den Canalis n. hypoglossi nach extrakraniell.
Einleitung Bei einer einseitigen peripheren Hypoglossuslähmung (N. hypoglossus nukleär oder peripher) kommt es rasch zur ipsilateralen Zungenatrophie, erkennbar an der schmaleren Fältelung der Zunge. Faszikulationen und Fibrillationen werden an der Zungenmuskulatur sichtbar (häufig schwierig von Willkürbewegungen abzugrenzen). Beim Herausstrecken weicht die Zunge zur erkrankten Seite ab. Seitwärtsbewegungen auf der erkrankten Seite sind nicht oder kaum möglich. Bei einer einseitigen Parese ist die Sprache kaum gestört, das Kauen aber schlecht. Doppelseitige periphere Paresen führen zu einer Dysarthrie und starker Beeinträchtigung von Kauen und Schlucken. Auch doppelseitige supranukleäre Läsionen (Pseudobul-
Einleitung Bei einer Läsion des N. glutaeus superior kommt es zu einer Schwäche der Oberschenkel-Abduktion sowie der Innenrotation im Hüftgelenk. Beim Gehen wird die Abduktionsschwäche besonders deutlich: Wird das paretische Bein als Standbein benutzt, so sinkt beim Gehen das Becken auf die (gesunde) Schwungbeinseite ab. Dieses Seitwärtskippen des Beckens wird Trendelenburg-Zeichen genannt.
Differenzialdiagnose Zur Differenzialdiagnose der Nervus glutaeus superior-Läsion, Nervus glutaeus inferior, Läsion, da beide Nerven häufig gemeinsam geschädigt werden. 3
Nervus hypoglossus, Läsion. Abb. 1: Hypoglossusparese links
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Nervus iliohypogastricus, Läsion
bärparalyse) beeinträchtigen Sprechen und Schlucken deutlich.
gastricus und N. ilioinguinalis gemeinsam lädiert, so wird die Bauchwandparese sichtbar ( Nervus ilioinguinalis, Läsion). Sensible Ausfälle in den beschriebenen Arealen sowie neuralgiforme Schmerzen sind häufig. Die oft quälenden Schmerzen können durch Hüftstreckung mit Dehnung des Nerven provoziert werden. 3
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Therapie Die kausale Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Eine symptomatische Therapie ist bei einer einseitigen Hypoglossusparese meist nicht erforderlich. Bei doppelseitigen Paresen muss in der Regel aufgrund der Sprach- und Schluckstörungen eine intensive logopädische und Schlucktherapie durchgeführt werden. Die Gabe passierter Kost oder hochkalorischer Breikost kann erforderlich werden. Bei unzureichender Ernährung oder Gefahr einer Aspiration ist die Anlage einer PEG erforderlich.
Differenzialdiagnose Die Ursachen für eine Läsion des N. iliohypogastricus sind größtenteils identisch mit denen einer Läsion des N. ilioinguinalis ( Nervus ilioinguinalis, Läsion). Eine isolierte Läsion des R. cutaneus lateralis kann bei mechanischer Kompression dieses Astes am Darmbeinkamm (Gürtel, enge Hosen, haltungsbedingt) oder bei wiederholtem mechanischem Druck in der Leistengegend auftreten.
Prophylaxe Druck auf den R. cutaneus lateralis, z. B. durch Tragen enger Hosen oder einschnürender Gürtel, sollte vermieden werden.
Therapie 3
Ursachen einer einseitigen peripheren Hypoglossusparese können Hirnstamm-Läsionen (Infarkte, Gliome, Syringobulbie), Tumoren oder Missbildungen des kraniozervikalen Überganges, Neurinome, basale Meningitiden oder eine Meningeosis, eine Poliomyelitis, Traumen, Karotisdissektionen oder iatrogen Operationen an der A. carotis oder der Zunge sein. Doppelseitige periphere Schäden finden sich überwiegend bei der Bulbärparalyse im Rahmen einer amyotrophen Lateralsklerose.
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Differenzialdiagnose
Nervus ilioinguinalis, Läsion
Nervus ilioinguinalis, Läsion
Definition Der N. iliohypogastricus (Th12–L1) verläuft zusammen mit dem N. ilioinguinalis hinter der Niere und zieht nach kaudal bis zur Crista iliaca. Er versorgt teilweise den M. transversus und den M. obliquus internus abdominis, zieht zwischen beiden zum inneren Leistenring und gibt seinen Endast, den R. cutaneus anterior, durch die Aponeurose des M. obliquus externus in Höhe des inneren Leistenringes ab, der die Haut in der Leiste und über der Symphyse versorgt. Außerdem versorgt er mit dem R. cutaneus lateralis die Haut über der Außenseite des Beckens und der Hüfte (vgl. Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion, Abb. 1). 3
Einleitung Eine isolierte Parese des N. iliohypogastricus fällt meist nicht ins Gewicht. Sind N. iliohypo-
Definition Der N. ilioinguinalis (L1, seltener auch L2) verläuft parallel zum N. iliohypogastricus, hinterkreuzt die Nierenkapsel und versorgt motorisch die Mm. obliquus internus und transversus abdominis. Der R. cutaneus anterior, sein sensibler Endast, verläuft entlang des Leistenbandes innerhalb des Leistenkanals und versorgt die Haut über der Symphyse, der Peniswurzel, der proximalen Skrotumanteile sowie ein kleines Areal an der Oberschenkelinnenseite und mit einem R. recurrens die Haut oberhalb des Leistenbandes (vgl. Nervus cutaneus femoris lateralis, Läsion, Abb. 1). 3
Nervus iliohypogastricus, Läsion
Einleitung Eine Läsion des Nerven führt vorwiegend zu Sensibilitätsstörungen und neuralgischen Schmerzen in den beschriebenen Versorgungsgebieten. Der partielle Ausfall der Abdominalmuskulatur fällt klinisch kaum ins Gewicht, ist
Nervus interosseus posterior, Läsion
Differenzialdiagnose Traumatisch können N. ilioinguinalis und N. iliohypogastricus durch stumpfe Unterbauchtraumen mit großen Hämatomen geschädigt werden ( Nervus iliohypogastricus, Läsion). Eine Druckschädigung dieser Nerven kann durch raumfordernde Prozesse der Niere (Tumoren, Abszesse, Hämatome) bedingt sein. Iatrogene Schäden der beiden Nerven und des N. genitofemoralis sind häufig Nervus genitofemoralis, Läsion). Sie können durch den Flankenschnitt bei Nierenoperationen bzw. dessen narbige Verheilung, durch Eingriffe im Bereich der Leiste oder des Beckenkammes (Knochenmarksbiopsie) oder durch Punktionen der A. femoralis verursacht werden. Selten kann der N. ilioinguinalis und/oder der N. iliohypogastricus durch eine zu weit kranial und vorne gelegene, vermeintlich intraglutaeale Injektion geschädigt werden. Eine Schädigung des N. ilioinguinalis kann bei einer Herniotomie auftreten, wenn der Nerv in der Naht mitgefasst wird. Es kann aber auch Jahre nach der Operation als Spätfolge durch narbige Konstriktion zu einer Schädigung des Nerven kommen. Dieses Kompressionssyndrom wird als Ilioinguinalissyndrom bezeichnet. Es kann ebenfalls nichttraumatisch durch eine mechanische Reizung des Nerven an seiner Durchtrittsstelle durch den M. obliquus internus und transversus abdominis verursacht werden. Typischerweise bestehen Kreuz- und Leistenschmerzen, die bei Streckung im Hüftgelenk verstärkt werden, sodass eine vornübergebeugte Haltung resultiert. Differenzialdiagnostisch müssen die klinisch sehr ähnlichen und häufig auch durch gleiche Ursachen bedingten Läsionen des N. iliohyogastricus und des N. genitofemoralis abgegrenzt werden. 3
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Prophylaxe Besondere Sorgfalt sollte auf die Schonung der 3 Nerven (N. ilioinguinalis, N. iliohypogastricus, N. genitofemoralis) bei Operationen oder Eingriffen im Bereich der Leiste, des Beckenkammes oder der Niere verwandt (Herniotomien, Knochenmarksbiopsien, Flankenschnitte bei Nierenoperationen, Punktionen der A. femoralis) werden.
Therapie Eine Lokalinfiltration des Nerven durch die Bauchdecken führt bei richtiger Diagnose meist zu einer vorübergehenden Linderung der Schmerzen und kann damit die Diagnose sichern. Da symptomatische schmerzdistanzierende thymoleptische oder antikonvulsive Therapieverfahren oder die TENS-Behandlung bei typischem Ilioinguinalissyndrom in der Regel nicht zum Erfolg führt, ist in den meisten Fällen eine operative Neurolyse erforderlich ( Nervus genitofemoralis, Läsion). Da der Nerv im dichten Narbengewebe häufig nicht gefunden und wiederhergestellt werden kann, ist die lokale Revision möglicherweise nicht erfolgreich, sodass eine retroperitoneale Resektion des Nerven vorgezogen werden muss [1]. Eine perkutane Rhizotomie mit Thermokoagulation der Wurzeln L1 und L2 kann ebenfalls zur Schmerzlinderung führen. 3
aber besonders im Stehen oder bei der Bauchpresse zu beobachten.
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Prognose Nach operativer Neurolyse kann auch nach Jahren intensiver Beschwerden eine vollständige Symptomfreiheit erreicht werden [2].
Literatur 1. Benini A (1992) Die Ilioinguinalis- und Genitofemoralisneuralgie. Ursachen, Klinik, Therapie. Schweiz Rundsch Med Prax 81: 1114–1120. 2. Mumenthaler A, Mumenthaler M (1965) Das Ilioinguinalis-Syndrom. Beschreibung von 7 eigenen Beobachtungen. Dtsch Med Wschr 90: 1073– 1078.
Nervus interosseus posterior, Läsion Synonyme Supinatorlogensyndrom, Läsion des R. profundus n. radialis
Definition Eigentlich sensibler Endast des N. radialis (C5– Th1), der auf der Membrana interossea verläuft und das Periost von Radius und Ulna am Handgelenk sowie von einzelnen Hand- und Fingerknochen versorgt. Der Begriff wird aber häufiger auch synonym mit dem R. profundus n. radialis benutzt. Der R. profundus n. radialis versorgt den M. extensor carpi ulnaris, den M. extensor digiti minimi,
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Nervus ischiadicus, Läsion
den M. extensor digitorum, M. extensor indicis, M. extensor pollicis longus und brevis und den M. abductor pollicis longus.
Einleitung Bei einer Schädigung des R. profundus n. radialis ist häufig zuerst der M. extensor digiti minimi betroffen. Im Verlauf sind dann alle anderen vom R. profundus versorgten Muskeln beteiligt. Die radialen Handstrecker und der M. brachioradialis sowie die radialisversorgten Muskeln am Oberarm bleiben ausgespart. Sensibilitätsstörungen an der Haut bestehen nicht.
Differenzialdiagnose Beim Supinatorsyndrom liegt eine Schädigung des R. profundus n. radialis bei seinem Durchtritt durch den M. supinator vor. Hier liegt der N. radialis in einem muskulären Kanal, dessen Eingang und Ausgang sehnig umrandet sind. Ätiologisch können Schnitt- oder Stichverletzungen, Luxationen des Radiusköpfchens mit starker Dislokation, eine Monteggia-Fraktur, Lipome oder andere Tumoren vorliegen. Ein Supinatorsyndrom kann aber auch ohne fassbare äußere Ursache auftreten, häufig nach intensivem und ungewohntem Gebrauch des Armes. In diesen Fällen wird von einer mechanischen Beeinträchtigung des Nerven durch eine sehnige Verhärtung irgendwo im Verlauf des M. supinator ausgegangen. Bei etwa 5% der Fälle eines sogenannten Tennis-Ellenbogens (Epicondylitis radialis) soll ein Supinatorsyndrom vorliegen.
des M. supinator oder auch des M. extensor carpi radialis brevis vorliegen. In diesen Fällen muss eine Neurolyse durchgeführt werden. Liegt eine Dauerschädigung vor, so kann man palliativ durch eine Radialisschiene die Fallhand korrigieren. Alternativ kann durch Verpflanzung der Handgelenksbeuger auf die Strecksehnen ein weitgehender Ersatz geschaffen werden. Dabei bleibt aber die grobe Greifkraft um mindestens ein Viertel verringert.
Prognose Die Nervennaht des N. radialis bei Läsionen am Unterarm ist meistens schwieriger und hat eine schlechtere Prognose als die Nervennaht am Oberarm.
Nervus ischiadicus, Läsion Definition Der Nervus ischiadicus (L4–S3) ist der kräfigste periphere Nerv im menschlichen Körper. Er verläßt das Becken durch das Foramen infrapiriforme und verläuft im Spatium subglutaeale, einem lockeren, von Binde- und Fettgewebe durchzogenen und gefäßreichen Raum, unter dem M. glutaeus maximus zur Rückseite des Oberschenkels. Dieser Raum steht mit dem Becken und mit der Flexorenloge des Oberschenkels bis hin zur Kniekehle in Verbindung. Bevor sich der N. ischiadicus in seine beiden Hauptstämme, den Nervus peroneus communis und den Nervus tibialis aufteilt, gibt er Äste zum Hüftgelenk, zum M. quadratus femoris, zu den Mm. gemelli, zum M. semitendinosus, semimembranosus, adductor magnus und biceps femoris ab. Von diesen Muskeln wird nur der kurze Kopf des M. biceps femoris aus dem peronealen Anteil des Nerven versorgt. 3
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Therapie Bei den traumatischen Läsionen des R. profundus n. radialis ist die Lähmung sofort nachweisbar. In diesen Fällen ist eine operative Revision berechtigt. Es erfolgt eine Nervennaht oder Neurolyse. Spontane Erholungen werden allerdings auch beschrieben. Bei nach einem Trauma sekundär auftretenden Läsionen kann ein Hämatom oder eine Frakturdislokation zugrunde liegen. In diesen Fällen ist eine operative Revision indiziert. Bei den nichttraumatischen Fällen tritt die Lähmung allmählich auf und ist über Monate progredient. In diesen Fällen muss eine sorgfältige operative Revision des als Sitz der Schädigung erkannten Partie des Nerven erfolgen. Liegt kein Lipom oder eine andere abnorme Struktur vor, so wird in der Regel eine Striktur des Nerven durch sehnige Anteile
Einleitung Der Nervus ischiadicus innerviert die ischiokrurale Muskulatur und sämtliche Muskeln des Unterschenkels und des Fußes. Bei einem vollständigen Ausfall des Nerven können nur noch der M. sartorius und der M. gracilis im Kniegelenk beugen. Fuß und Zehen sind völlig gelähmt. Dennoch ist das Gehen bei intakter Funktion der restlichen Muskulatur oft noch einigermaßen möglich. Sensible Defizite bestehen am gesamten Fuß sowie der Haut des me-
Nervus medianus, Läsion
dialen und lateralen Unterschenkels. Zur Läsion der beiden Endäste, Nervus peroneus, Nervus tibialis.
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auf guten Sitz und das Vermeiden von Druckstellen geachtet werden.
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Prognose Differenzialdiagnose Häufige Ursachen einer Ischiadikusparese sind Frakturen im Becken- oder Hüftgelenksbereich, Hüftgelenksluxationen oder seltener Femurfrakturen (meist distal bzw. suprakondylär). Bei einer Luxationsfraktur mit Absprengung des Azetabulums wird der Nerv häufig von Knochenfragmenten eingeklemmt. Postoperativ wird der Nerv bei Hüft- oder Femuroperationen besonders durch Druck oder Zug von Halteinstrumenten geschädigt. Häufig werden hierbei noch zusätzliche Nerven geschädigt. Weitere Ursachen sind traumatische oder durch Gerinnungsstörungen ausgelöste Hämatome, Tumoren, Ischämien (Vaskulitis oder bei Gefäßoperationen, Druckschäden nach längerem Liegen bei Komatösen, geburtstraumatische Läsionen oder das Piriformissyndrom. Häufige Ursache sind auch die sogenannten Spritzenlähmungen. 3
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Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Grundsätzlich sollte bei traumatischen Läsionen nur bei offenen Verletzungen mit Verdacht auf eine akute Kontinuitätsunterbrechung des Nerven sofort operativ revidiert werden. Alternativ erfolgt zunächst eine konservative Therapie mit krankengymnastischen Übungsbehandlungen. Bei fehlender Reinnervation kann innerhalb der ersten 6 Monate eine sekundäre Revision erfolgen. Druckschäden bilden sich in der Regel je nach Ausmaß der Schädigung nach Stunden bis zu Monaten wieder zurück. Bei Schädigung des Nerven durch Tumoren oder bei sich posttraumatisch oder postoperativ entwickelnden progredienten Läsionen muss operativ revidiert werden. Bei einer Nervennaht kann eine Lücke von über 10 cm durch günstige Position des Beines überbrückt werden. Ist keine ausreichende Wiederherstellung der Funktion zu erreichen, so können Ersatzoperationen durchgeführt werden. Orthopädische Hilfsmittel sind besonders für die ausgefallene Peroneusfunktion geeignet. Die Tibialisfunktion lässt sich wesentlich schwerer ausgleichen. Bei eingeschränkter Sensibilität muss zur Vermeidung von Ulzera an der Fußsohle besonders
Die Prognose hängt nur zum Teil vom Wiedereintreten der Muskelfunktion ab. Prognostisch mitentscheidend sind die bei der Tibialisschädigung häufig hochgradigen trophischen Störungen, die auch aufgrund der mangelhaften Sensibilität zu erheblichen Ulzera an der Fußsohle führen können. Gelegentlich kann als Ultima Ratio sogar eine Unterschenkelamputation erforderlich werden.
Nervus medianus, Läsion Definition Der Nervus medianus (C5–Th1) entsteht aus dem Fasciculus medialis und lateralis des Plexus brachialis, verläuft mit den Armgefäßen im Sulcus bicipitalis medialis an der Beugeseite zum Ellenbogen und wird dort von einer Verstärkung der Faszie des M. biceps (Lacertus fibrosus) fixiert. Unter diesem Sehnenbogen gibt er Äste zu den Mm. pronator teres, flexor carpi radialis, palmaris longus und flexor digitorum superficialis ab. Danach zieht er zwischen den beiden Köpfen des M. pronator teres in die Tiefe. Anschließend zweigt der N. interosseus anterior ab, der den radialen Anteil des M. flexor digitorum profundus, den M. flexor pollicis longus und den M. pronator quadratus innerviert. Der Hauptast des N. medianus erreicht durch den Karpaltunnel die Hand, gibt aber kurz vorher noch den sensiblen R. palmaris für die proximale Hohlhand ab. Nach dem Verlassen des Karpaltunnels innerviert der N. medianus die Daumenballenmuskeln (außer M. adductor pollicis und tiefem Kopf des Flexors), die radialen Mm. lumbricales und sensibel die Finger I–III und IV halb.
Einleitung Bei proximalen Medianusläsionen kommt es neben der charakteristischen Schwurhand (mit annähernder Streckung von Daumen, Zeigeund Mittelfinger beim Versuch des Faustschlusses) zu einer Parese beider Pronatoren des Unterarmes und auch der radialen Handbeuger und langen Fingerbeuger. Bei Schädigungen im Bereich des Ellenbogens oder unter dem Lacertus
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Nervus medianus, Läsion
Nervus medianus, Läsion. Abb. 1: Anatomische Darstellung des Verlaufs
und Zeigefinger nicht, mit diesen Fingern ein rundes „O“ zu formen. Zur Symptomatik bei Schädigungen im Bereich des Karpaltunnels, Karpaltunnelsyndrom (CTS). 3
Differenzialdiagnose
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fibrosus können ebenfalls noch alle Medianusfunktionen betroffen sein. Beim Pronatorteres-Syndrom sind die proximalen medianusversorgten Muskeln bereits ausgespart. Wird nur der N. interosseus anterior geschädigt (Kiloh-Nevin-Syndrom), so gelingt aufgrund der Parese der Endgliedbeugung von Daumen
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Nervus medianus, Läsion. Abb. 2: Sensibles Innervationsareal
Traumatische Schädigungen des N. medianus betreffen vorwiegend das Handgelenks- oder Unterarmsegment. Am Handgelenk wird der Nerv häufig durch Schnittverletzungen (Unfall oder Suizidversuch) zusammen mit Gefäßen und Sehnen geschädigt; am Unterarm können der N. medianus oder der N. interosseus anterior isoliert (Fraktur/Luxation des proximalen Radius) durch stumpfe Traumen, Frakturen, Weichteilverletzungen und Kompartmentsyndrome ( Volkmann-Kontraktur) verletzt werden. Iatrogen kann der Nerv durch Fehlinjektionen in der Ellenbeuge oder bei Osteosynthesen am Unterarm oder Handgelenk geschädigt werden. Häufigstes Kompressionssyndrom des N. medianus ist das Karpaltunnelsyndrom. Proximale Kompressionssyndrome sind das Pro-
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Nervus musculocutaneus, Läsion
Definition Der Nervus musculocutaneus zieht aus der Achselhöhle durch den M. coracobrachialis, innerviert diesen, innerviert dann beide Köpfe des M. bizeps brachii und den M. brachialis. Sein Hauptast ist der sensible Nervus cutaneus antebrachii lateralis.
Einleitung Bei einer Läsion des Nerven kommt es vor allem zu einer Parese der Beugung im Ellenbogengelenk bei supiniertem Unterarm und auch zu einer Schwäche der Supination. Liegt die Schädigung proximal des M. coracobrachialis, so tritt auch eine gewisse Schwäche für die Elevation des Oberarmes nach vorne auf, Nervus cutaneus antebrachii, Läsion.
Differenzialdiagnose Eine isolierte Lähmung des N. musculocutaneus kann durch umschriebene Schnitt-, Stichoder Schussverletzungen auftreten. Bei einer oberen Armplexuslähmung, gerade bei der neuralgischen Schulteramyotrophie ist der Nerv häufig mitbetroffen. Iatrogen kann der Nerv durch eine außenrotierte und abduzierte Lagerung intraoperativ geschädigt werden, außerdem bei Schultergelenksoperationen von ventral. Im Verlauf des Nerven durch den M. coracobrachialis kommt es in seltenen Fällen zu einem Kompressionssyndrom. Nervus cutaneus antebrachii, Läsion. 3
Die Prognose der Druckschädigung des Nerven am Oberarm ist günstig. Der Spontanverlauf kann abgewartet werden. Pronator-teresSyndroms, Karpaltunnelsyndroms. Beim Interosseus-anterior-Syndrom kann bei starker fibröser Einengung des Nerven eine operative Revision erforderlich werden. Es kann aber auch hier zu spontanen Erholungen kommen, sodass nur bei rasch progredienter Symptomatik nach Ausschluss entzündlicher Ursachen operiert werden sollte. Bei Schnittverletzungen des N. medianus (besonders am Handgelenk) wird in der Regel eine sofortige mikrochirurgische Revision erforderlich werden. Bei anderen Verletzungen wird nach den üblichen Kriterien ( Nerv, peripherer) über primäre oder sekundäre Operation entschieden. Kommt es nach der primären Operation wegen der Begleitverletzungen nicht zu einer ausreichenden Reinnervation, so kann innerhalb der ersten 6 Monate eine erneute Operation, eventuell mit Durchführung einer autologen Nerventransplantation durchgeführt werden. Gerade bei Medianusläsionen sollte immer eine Wiederherstellung der Kontinuität des Nerven versucht werden, da bereits ein sensibler Ausfall an den Fingern I–IV zu einer nahezu gebrauchsunfähigen Hand führt. Größere Nervendefekte müssen unbedingt durch autologe Transplantate überbrückt werden. Zu Schädigungen durch Fehlinjektionen, Spritzenlähmung. Ersatzoperationen bei persistierenden Defekten sind bei distalen Läsionen wohl nur in Einzelfällen (z. B. bei Künstlern) sinnvoll. Bei proximalen Medianusläsionen können einzelne ra-
Nervus musculocutaneus, Läsion
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Therapie
dialisinnervierte Muskeln verwendet oder die tiefen Beuger des 2. und 3. Fingers mit denen des 4. und 5. Fingers vereinigt werden. Arthrodesen z. B. des Daumengrundgelenkes können hilfreich sein. Aufwändige Ersatzoperationen machen jedoch nur Sinn, wenn die Sensibilität in gewissem Umfang erhalten ist.
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nator-teres-Syndrom, ausgelöst durch Kompression des Nerven beim Durchtritt durch den M. pronator teres oder das Interosseus-anterior-Syndrom durch Beeinträchtigung dieses Nerven durch fibröse Bänder. Eine Druckläsion des Nerven am Oberarm stellt die „Paralysie des amants“ durch Druck des Kopfes des schlafenden Partners dar. Einzelne sensible oder motorische Äste können im Bereich der Hohlhand durch wiederholten Druck oder Hohlhandphlegmonen traumatisiert werden. Schließlich kann der Nervus medianus bei entzündlichen Nervenerkrankungen mitgeschädigt werden (neuralgische Schulteramyotrophie, Lepra).
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Prophylaxe Vermeidung von Lagerungsschäden intraoperativ.
Therapie Bei einem isolierten Trauma des Nerven kommt eine Nervennaht in Frage. Der N. musculocutaneus hat die beste Regenerationstendenz aller
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Nervus obturatorius, Läsion
Definition Der Nervus obturatorius (L2–4) ist der motorische Nerv der Adduktorengruppe des Oberschenkels. Er verläuft zunächst durch den M. psoas, zieht über das Iliosakralgelenk zum kleinen Becken, hat engen Kontakt zu den Vasa iliaca und zum Ureter und verläuft schließlich durch den Canalis obturatorius. Im Canalis obturatorius zweigt der Ast zum M. obturatorius externus ab, danach erfolgt die Teilung in den R. anterior (M. pectineus, Mm. adductor longus und brevis, M. gracilis) und R. posterior (M. adductor magnus zusammen mit N. ischiadicus und mit sensiblem Endast Hinterseite des Kniegelenkes). Der sensible Endast, der R. cutaneus versorgt ein handflächengroßes Areal am medialen distalen Oberschenkel in sehr variabler Ausprägung.
Prophylaxe Sachgemäße Lagerung bei Eingriffen in Steinschnittlage sowie Schonung des Nerven bei Eingriffen im kleinen Becken.
Therapie Bei Druckschäden des Nerven sollte eine konservative Therapie durchgeführt werden. Grundsätzlich steht bei den anderen Schädigungen die Behandlung der Grunderkrankung, z. B. nach onkologischen Gesichtspunkten, im Vordergrund. Eine Obturatoriushernie macht eine rasche operative Revision erforderlich. Zur Therapie der Obturatoriusneuralgie HowshipRomberg-Phänomen. 3
Nervus obturatorius, Läsion
Druck des kindlichen Kopfes, Raumforderungen im Bereich von Kolon oder Ovar. Iatrogen kann der Nerv durch gynäkologische Totaloperationen, Hüftgelenksoperationen, laparoskopische Lymphknotenentfernungen oder lagerungsbedingt durch längeres Liegen in Hüftbeugung geschädigt werden Selten ist die Schädigung durch eine Obturatoriushernie. Zur Behandlung eines Adduktorenspasmus im Rahmen eines Morbus Little wurde früher häufiger der N. obturatorius durchtrennt, woraus bleibende Paresen und evtl. Paraesthesien und Schmerzen resultierten.
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peripherer Nerven. Besteht der Verdacht auf eine Durchtrennung, so ist der Versuch einer primären oder sekundären Nervennaht sinnvoll, bei der der Nerv aber weit proximal und distal dargestellt werden sollte. Liegt eine irreversible Schädigung vor, können Ersatzoperationen mittels des M. latissimus dorsi, des M. pectoralis major, des M. trizeps oder der ulnaren Unterarmbeuger erfolgen.
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Nervus oculomotorius, Läsion
Einleitung Klinisch imponiert bei einem Ausfall des N. obturatorius die Adduktorenparese. Das paretische Bein kann im Sitzen nicht über das andere geschlagen werden. Beim Laufen wird das paretische Bein vermehrt zirkumduziert, das Becken nicht ausreichend fixiert, sodass ein unsicheres, breitbeiniges Gangbild resultiert. Die sensiblen Ausfälle sind sehr variabel. Bedeutsamer sind die als Obturatoriusneuralgie bezeichneten Schmerzen im sensiblen Areal ( Howship-Romberg-Phänomen). 3
Differenzialdiagnose Eine isolierte Obturatoriusläsion ist eher selten. Ursachen für eine Obturatoriusparese sind Beckenfrakturen, entzündliche Prozesse des Iliosakralgelenkes, Metastasen in der knöchernen Umrandung des Foramen obturatorium, aber auch Schwangerschaften oder Geburten durch
Synonyme 3. Hirnnerv
Definition Der Nervus oculomotorius versorgt motorisch den M. rectus superior, inferior und internus, den M. obliquus inferior, den M. levator palpebrae, den M. ciliaris (für die Akkomodation) und den M. sphincter pupillae. Die Kerngebiete für den 3. Hirnnerv liegen im Mittelhirn und sind bis auf den M. levator palpebrae paarig angelegt. Die Fasern treten ventral im Hirnstamm aus, verlaufen mit den Gefäßen des posterioren Stromgebietes, ziehen dann durch den Sinus cavernosus und schließlich durch die Fissura orbitalis superior zum Auge.
Einleitung Die Okulomotoriusparese ist die häufigste aller
Nervus olfactorius, Läsion
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Therapie Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Okulomotoriusparese. Zur symptomatischen Therapie von Augenmuskellähmungen, Augenbewegung/-Störung, nukleäre/infranukleäre. 3
Neben der genauen klinischen Diagnostik mit Doppelbildanalyse und Beurteilung der Pupillomotorik ist bei der Abklärung einer Okulomotoriusparese eine kraniale Bildgebung (Kernspintomographie) wichtig. Gegebenenfalls muss auch eine Liquordiagnostik und zum Ausschluss eines Aneurysmas eine Angiographie erfolgen. Die Ursachen einer Okulomotoriusparese können nukleär lokalisiert sein (Ischämie, Blutung, Tumor, Multiple Sklerose, Enzephalitis, Wernicke-Enzephalopathie). Hier liegt klassischerweise eine bilaterale Ptosis und kontralaterale Rectus-superior-Parese vor. Traumatisch kann der Nerv durch Schädelbasisfrakturen geschädigt werden. Häufige Ursache ist ein Aneurysma (meist Arteria-communicans-
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Differenzialdiagnose
posterior-, supraklinoidales Karotis- oder Basilarisaneurysma), welches sich auch als „paralytisches Aneurysma“ zunächst mit einer Okulomotoriusparese manifestieren kann. Weitere Ätiologien sind intrakranielle Drucksteigerungen, Subarachnoidalblutungen, ischämische Läsionen (vor allem beim Diabetes mellitus, bei dem die Okulomotoriusparese meist akut bis subakut mit heftigen Schmerzen beginnt), Fisteln oder Thrombosen des Sinus cavernosus (meist N. IV und VI mitbetroffen), das TolosaHunt-Syndrom, die ophthalmoplegische Migräne (Cave: wichtigste DD ist das Aneurysma!), entzündliche oder granulomatöse Prozesse der Schädelbasis (z. B. Lues cerebrospinalis), HNO-Tumoren oder Metastasen, Botulismus, Diphtherie, das GuillainBarré- oder Miller-Fisher-Syndrom, neurochirurgische Eingriffe, kongenitale oder postbzw. parainfektiöse Schäden. Differenzialdiagnostisch müssen myopathische Prozesse und die Maysthenie abgegrenzt werden. 3
isolierten Augenmuskellähmungen (ca. 1/3). Man unterscheidet klinisch zwischen innerer und äußerer Okulomotoriusparese. Bei der inneren Okulomotoriusparese (Ophthalmoplegia interna) sind nur die Fasern zur Pupille (parasympathische Fasern) betroffen. Es resultiert eine absolute Pupillenstarre bei freier Beweglichkeit des Auges. Die äußere Okulomotoriusparese (Ophthalmoplegia externa) weist eine eingeschränkte Bulbusmotilität bei intakter Pupillomotorik auf. Dabei sind meist nicht alle vom N. oculomotorius innervierten Augenmuskeln komplett gelähmt. Bei der kompletten (inneren und äußeren) Okulomotoriusparese steht der paretische Bulbus nach außen unten und kann nicht über die Horizontale angehoben werden. Es besteht eine Ptosis und eine weite, lichtstarre Pupille ohne Reaktion auf Konvergenz. Einige klinische Parameter sind wichtig für die Lokalisationsdiagnostik und für die ätiologische Zuordnung der Läsion: Bei nukleären Schädigungen tritt die Ptosis nach den Augenmotilitätsstörungen auf, bei langsam progredienten Läsionen nach Durchtritt durch die Dura dagegen davor. Eine Nervenkompression proximal des Sinus cavernosus führt meist zuerst zu Pupillenstörungen, weil die autonomen Fasern in diesem Bereich außen liegen und daher druckanfälliger sind (wichtig bei Hirndruck!). Ischämische Schädigungen (z. B. beim Diabetes) sparen die Pupillenfunktion in der Regel aus, weil die außen liegenden autonomen Fasern besser perfundiert werden.
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Prognose Die Prognose hängt von der zugrunde liegenden Ätiologie ab. Unter allen Hirnnervenparesen ist sie beim Okulomotorius am schlechtesten. Die günstigste Prognose haben diabetische und entzündliche Okulomotoriusparesen, die ungünstigste traumatische Schäden [1].
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
Nervus olfactorius, Läsion Synonyme I. Hirnnerv, Fila olfactoria
Definition Axone der Rezeptorzellen in der Riechschleimhaut ziehen als Fila olfactoria (bilden gemeinsam den N. olfactorius) durch die Lamina cri-
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Nervus opticus, Läsion
brosa zum Bulbus olfactorius, einem vorgelagerten Endhirnanteil.
Einleitung Im Bulbus olfactorius Umschaltung auf das 2. Neuron, Weiterleitung der Impulse z. T. zur Gegenseite, z. T. über die Striae olfactoriae zum Riechhirn (Corpus amygdaloideum, präpiriforme Rinde). Daneben werden über den N. trigeminus, der die Nase sensibel versorgt, die sogenannten Trigeminusreizstoffe (z. B. Salzsäure) wahrgenommen.
Differenzialdiagnose Zur Ätiologie einer Läsion des N. olfactorius, Geruchssinnstörung. Gleichzeitige Schäden von N. olfactorius und N. trigeminus entstehen durch lokale Veränderungen in der Nase (Septumdeviation, Polypen, Adenoiden, Rhinitis, Sinusitis, Influenza, Zahn- oder Gaumenentzündungen, granulomatöse Erkrankungen). Läsionen, die den Bulbus olfactorius oder weiter zentrale Anteile der Riechbahn betreffen, oder internistische oder toxische Ursachen einer Geruchssinnstörung betreffen nicht den N. trigeminus mit, sodass die Wahrnehmung von Reizstoffen erhalten bleibt. 3
Therapie Geruchssinnstörung
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Nervus opticus, Läsion
akuten oder chronisch-progredienten Visusstörungen sowie zur afferenten Pupillenstörung auf der Läsionsseite. Partielle Schädigungen führen abhängig von der Lokalisation zu umschriebenen Gesichtsfelddefekten.
Differenzialdiagnose Zur Diagnostik einer Optikusläsion erfolgt neben der klinischen Beurteilung und Visusprüfung die Perimetrie, Ableitung der VEP, ggf. Liquordiagnostik und/oder Bildgebung von Schädel und Orbita. Die Ätiologie einer Optikusschädigung ist mannigfaltig. Die Retina kann vaskulär im Rahmen eines Zentralarterienverschlusses oder einer Zentralvenenthrombose geschädigt werden. Die Amaurosis fugax mit ihrer flüchtigen monokulären Sehstörung ist als TIA im Versorgungsgebiet der A. ophthalmica häufig Vorbote eines Hirninfarktes und daher dringend abklärungsbedürftig. Zur Stauungspapille kommt es bei erhöhtem Hirndruck, der sich in die Sehnervenscheiden fortsetzt. Ätiologisch liegt meist ein Tumor oder eine andere intrazerebrale Raumforderung vor. Andere Ursachen sind Meningitiden, metabolisch-toxische Hirnödeme oder ein Pseudotumor cerebri. Als Sonderform zeigt das Foster-Kennedy-Syndrom bei einem Tumor der vorderen Schädelgrube eine ipsilaterale Optikusatrophie und eine kontralaterale Stauungspapille. Von der Stauungspapille differenziert werden muss die Drusenpapille. Läsionen des N. opticus sind oft entzündlicher Genese ( Retrobulbärneuritis und/oder Papillitis). Häufigste Ursache ist die Multiple Sklerose. Weitere Schädigungsmechanismen sind die Ischämie ( AION (anteriore ischämische Optikusneuropathie)), die auch im Rahmen einer Vaskulitis entstehen kann ( Arteriitis temporalis), hereditäre Neuropathien (ADON (autosomal-dominante Optikusneuropathie), ARON (autosomal-rezessive Optikusneuropathie), Leber`sche hereditäre Optikusneuropathie), medikamentös-toxische Schädigungen (z. B. durch Methylalkohol ( Alkohol/alkoholisch, Amblyopie), Chinin, Chloroquin, Ethambutol, Isoniazid, Streptomycin, Amiodaron, Penicillamin, Digitalis, Chloramphenicol und viele andere), Raumforderungen (Tumoren, Karotisaneurysmen), traumatische Läsionen durch Hämatome oder Knochenfragmente und schließlich der Pseudotumor 3
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2. Hirnnerv
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Synonyme
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Eine Schädigung des Nervus opticus führt zu
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Einleitung
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Der N. opticus wird aus den Axonen der 3. Neurone (Ganglienzellen) der Netzhaut gebildet und verläuft durch den Canalis opticus, umgeben von einer Ausstülpung der Hirnhäute zum Chiasma opticum, in dem die Fasern der nasalen Retina zur Gegenseite kreuzen, die temporalen Fasern ungekreuzt postchiasmatisch im Tractus opticus zum Corpus geniculatum laterale verlaufen (Umschaltung auf das 4. Neuron). Von hier aus ziehen die Fasern zur Sehrinde.
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Definition
Nervus peroneus, Läsion
Therapie Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Ursache der Optikusschädigung.
Nervus pelvicus, Läsion
Einleitung Bei einer Läsion des N. peroneus superficialis kommt es durch den Ausfall der Peroneusgruppe zu einer Parese der Eversion des Fußes und entsprechenden Sensibilitätsstörungen mit Aussparung des Spatium interosseus I. Eine Schädigung des N. peroneus profundus bewirkt eine Parese der Fuß- und Zehenheber (typischer Fallfuß mit Steppergang), eine Inversionsschwäche durch die Lähmung des M. tibialis anterior sowie eine Sensibilitätsstörung im Spatium interosseum I. Bei einer Schädigung des N. peroneus communis kommt außer den beschriebenen Defiziten noch eine Sensibilitätsstörung am Unterschenkel hinzu. 3
orbitae mit granulomatöser Entzündung im Bereich der Orbita. Läsionen des N. opticus müssen von Schädigungen im Bereich von Chiasma, Tractus opticus, Sehstrahlung und Sehrinde abgegrenzt werden.
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Definition Der Nervus pelvicus liefert Informationen über den Grad der Blasenfüllung an Neurone des sakralen Miktionszentrums und enthält parasympathische Efferenzen zur Blase.
Therapie Zur Behandlung von Läsionen des N. pelvicus, Blasenfunktionsstörung. 3
Nervus peroneus, Läsion
Differenzialdiagnose Scheinbar isolierte Peroneusparesen können bei einer Schädigung des N. ischiadicus auftreten, da das Peroneusbündel wohl anfälliger gegenüber Läsionen ist. Häufigste Ursache einer isolierten Peroneusläsion ist die Druckschädigung am Fibulaköpfchen, die durch längeres Übereinanderschlagen der Beine, ungeschickte Lagerung eines Bewusstlosen oder Lagerung auf dem Operationstisch, durch Schienen oder Gipse oder längeres Knien entstehen können. Besonders anfällig sind Patienten mit vorbestehenden Nervenschädigungen ( Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Druckparesen). Bei seinem Eintritt in die Muskelloge kann der N. peroneus communis auch ohne äußeres Trauma im Rahmen eines Kompressionssyndroms geschädigt werden. Hier kann auch eine Schädigung durch ein Hämatom oder durch längeres Arbeiten in hockender Stellung auftreten. Traumatisch kann der N. peroneus durch Fibulaköpfchenfrakturen, Luxationen oder Operationen des Kniegelenkes, Hämatome unter der Nervenhülle, Zerrungen des Nervenstammes durch rasche Abwehrbewegungen oder auch im distalen Abschnitt durch Distorsionen und Frakturen des Sprunggelenkes verletzt werden. Im Bereich des Tibiofibulargelenkes kann der Nerv durch Ganglien oder Zysten geschädigt werden. Der N. peroneus profundus kann distal am Sprunggelenk als spontanes Kompressionssyndrom geschädigt werden ( Tarsaltunnelsyndrom, vorderes). Hier können auch Schäden durch Tragen von zu engem Schuhwerk entstehen. Differenzialdiagnostisch muss die Peroneusparese von L5-Syndromen, Ischiadicusparesen, 3
Der Nervus peroneus communis (L4–S2) stellt zusammen mit dem Nervus tibialis die Endäste des Nervus ischiadicus dar. Die beiden Endäste sind bereits sehr weit proximal im Verlauf des N. ischiadicus gebündelt und häufig schon morphologisch getrennt. Der N. peroneus communis verläuft medial des M. biceps durch die Kniekehle zum Fibulaköpfchen, wo er dem Periost direkt aufsitzt. In einem osteomuskulären Kanal in der Peroneusloge trennt er sich in den N. peroneus profundus und superficialis. Vorher gibt er noch einen sensiblen Ast für die Haut des lateralen Unterschenkels bis zum Malleolus lateralis ab. Der N. peroneus superficialis versorgt den M. peroneus longus und brevis sowie die Haut am Unterschenkel, Fußrücken und den Zehen. Der N. peroneus profundus innerviert motorisch die Extensorengruppe am Unterschenkel (M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus und M. extensor digitorum longus, M. extensor digitorum und hallucis brevis) und ein kleines sensibles Gebiet über dem Spatium interosseum I.
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Definition
N
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Nervus petrosus major, Läsion
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Therapie Bei der Druckschädigung des N. peroneus ist das umgehende Vermeiden des Auslösemechanismus wichtig. Eine spezifische Therapie ist meist nicht erforderlich. Die echten Kompressionssyndrome des N. peroneus können durch Spaltung der Eintrittsstelle des Nerven zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf des M. peroneus longus behandelt werden. Nach direktem Trauma im Bereich des betroffenen Knies ist eine operative Revision mit möglichst frühzeitiger Nervennaht gerechtfertigt. Eine solche Naht kann sehr schwierig sein, da auch bei makroskopisch erhaltener Kontinuität innere Axonzerreißungen bis weit nach proximal gehen können. Eine erweiterte Resektion, falls überhaupt möglich, kann erforderlich werden. Schäden des N. peroneus durch Ganglien oder Zysten müssen operativ angegangen werden.
Prognose Die Prognose sowohl proximaler als auch distaler Druckläsionen des N. peroneus ist in aller Regel gut. Nach operativer Dekompression des N. peroneus zur Therapie von Kompressionssyndromen bei Eintritt in die Peroneusloge kommt es meist umgehend postoperativ zur Schmerzfreiheit und langfristig zur guten Rückbildung der Paresen. Die Erfolgschancen nach erforderlicher Resektion eines traumatisch geschädigten N. peroneus im Bereich des Fibulaköpfchens sind schlecht; nur in Einzelfällen wurden Heilungen beobachtet [1]. Vermutlich ist hier eine Mobilisierung der distalen Nervenabschnitte wegen der raschen Aufzweigung besonders schwierig. Die Prognose bei Operationen im Bereich der Kniekehle ist deutlich besser [1]. Operationen von Ganglien oder Zysten führen in der Regel zu einem guten Erfolg. Irreparable Peroneusparesen können zum einen durch Hilfsmittel (Peroneusschiene, Peroneusschuh) ausgeglichen werden. Zum anderen kommen operative Maßnahmen mit Arthrodese des oberen Sprunggelenkes mit verschiedenen Techniken in Betracht [1].
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart NewYork.
Nervus petrosus major, Läsion Synonyme N. petrosus superficialis major
Definition N. petrosus major zweigt vom Fazialisstamm am weitesten proximal im Fazialiskanal (Canalis Fallopii) ab, verläuft über das Ganglion pterygopalatinum und versorgt Tränen- und Speicheldrüsen (Glandulae sublinguales und submaxillares) mit sekretorischen Fasern [1]. Seine Schädigung bewirkt verminderte Tränensekretion (nachweisbar durch Schirmer-Test) und verminderte Speichelsekretion.
Einleitung Mitbeteiligung des N. petrosus major bei peripheren Fazialisparesen gibt Aufschluss über die Höhe des Läsionsortes (im Bereich des Abganges des Nerven am Ganglion geniculi oder proximal davon).
Differenzialdiagnose Zu den Ätiologien der Läsion des N. petrosus major, Parese, Fazialisparese.
Therapie 3
peroneal betonten Polyneuropathien und von Kompartmentsyndromen abgegrenzt werden.
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Parese, Fazialisparese
Literatur 1. Schmidt D, Malin JP (1986) Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme, Stuttgart New York.
Nervus pudendus, Läsion Definition Der Nervus pudendus (S1–4) zieht durch das Foramen infrapiriforme aus dem kleinen Becken heraus und durch das Foramen ischiadicum minus wieder herein. Er verläuft dann mit den entsprechenden Gefäßen im Alcock-Kanal, teilt sich in seine 3 Endäste und versorgt motorisch den M. sphincter ani externus, M. transversus perinei profundus, die Mm. ischiocavernosus, bulbocavernosus, transversus perinei superficialis und sphincter urethrae. Sensibel innerviert er u. a. den unteren Anteil des Analkanals, Perineum, Blase, Skrotum und Penis bzw. Klitoris. Außerdem führt er afferente Fasern für die Sexualfunktion.
Nervus radialis, Läsion
Differenzialdiagnose Eine Läsion dieses Nerven kann durch Tumoren, Abszesse oder durch operative Eingriffe (Hämorrhoidenverödung, Samenleiterunterbindung o. ä.) entstehen. Außerdem kann es zu Druckschäden durch Druck von außen auf die Dammregion, z. B. bei Radfahrern oder im Rahmen von Operationen kommen. Schließlich können stumpfe Gewalteinwirkungen im Bereich des Gesäßes den Nerven schädigen.
Therapie Therapeutische Maßnahmen zielen auf die Behandlung der Grunderkrankung.
xiert ist) wieder auf die Streckseite und versorgt den M. extensor digitorum, den M. extensor carpi ulnaris, die Mm. abductor und extensor pollicis longus, den M. extensor pollicis brevis und den M. extensor indicis. Der N. interosseus posterior geht schließlich zum Periost von Radius und Ulna ab.
Einleitung Bei Radialisläsionen in der Axilla sind alle Radialisfunktionen betroffen, insbesondere auch die Streckung im Ellenbogengelenk durch Parese des M. trizeps. Initial ist oft der N. cutaneus brachii posterior betroffen, sodass zunächst ausschließlich Sensibilitätsstörungen bestehen können. Bei einer Schädigung am Oberarm besteht auch die typische Parese der Handund Fingerstrecker ( Fallhand) mit Beteiligung des M. brachioradialis bei allerdings intakter Trizepsfunktion; die Sensibilität ist nur an der Hand beeinträchtigt. Bei einer Schädigung des N. radialis profundus in seinem Verlauf durch den M. supinator kommt es zum sogenannten Supinatorlogensyndrom mit aus3
Klinisch kommt es in der Regel nur bei beidseitigen Pudendusläsionen zu Störungen der willkürlichen Harn- und Stuhlkontinenz sowie zu Erektions- und Ejakulationsstörungen. Der Analsphinktertonus kann herabgesetzt sein. Bei einseitigen Schäden bestehen Sensibilitätsstörungen und Schmerzen im entsprechenden Versorgungsgebiet, der Analreflex ist oft ausgefallen.
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Einleitung
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N
Nervus radialis, Läsion Definition Der Nervus radialis (C5–Th1) kommt aus dem Fasciculus posterior des Plexus brachialis, zieht mit der Arteria axillaris aus der hinteren Achsel zum Oberarm und dann dem Humerus aufliegend in spiraligem Verlauf (Sulcus nervi radialis) zur lateralen vorderen Partie des distalen Oberarmes. Noch vor dem Sulcus n. radialis gibt er einen sensiblen Ast zur Rückseite des Oberarmes und Äste zum M. trizeps ab. Zwischen dem M. brachialis und dem M. brachioradialis gelangt er in die Fossa cubitalis. Er innerviert hier den M. brachioradialis, den M. extensor carpi radialis longus et brevis und manchmal den M. brachialis. Oberhalb des Radiusköpfchens teilt er sich in seine beiden Endäste, den sensiblen R. superficialis, der die Haut über dem Handrücken und der Dorsalseite der ersten 3 Finger versorgt (Autonomgebiet im Spatium interosseum I), und den R. profundus. Letzterer innerviert den M. supinator, zieht dann eingebettet in diesen Muskel (enger muskulärer Kanal, in dem der Nerv relativ fest fi-
Nervus radialis, Läsion. Abb. 1: Verlauf und sensibles Innervationsareal des N. radialis
Nervus saphenus, Läsion
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Differenzialdiagnose Mechanische Läsionen des N. radialis in der Axilla entstehen meistens traumatisch, können aber auch durch den Druck von Krücken als sogenannte „Krückenlähmungen“ auftreten. Häufigste primäre Nervenläsion bei einem Knochenbruch ist die Radialisschädigung am Oberarm bei Humerusschaftfrakturen aufgrund des langstreckigen, engen Kontaktes des Nerven zum Knochen. In dieser Region ist der Nerv häufig auch im Rahmen einer Druckschädigung bei besonders tiefem Schlaf oder bei Druck einer harten Unterlage ( Parkbanklähmung) betroffen. Im Bereich des Ellenbogens wird der Nerv häufig traumatisch geschädigt (z. B. Radiusköpfchenfraktur oder iatrogen durch Paravasate bei Injektionen). Am Unterarm liegt oft eine isolierte Schädigung des R. profundus n. radialis ( Supinatorlogensyndrom) durch Kompression des Nerven im Bereich der Durchtrittsstelle durch den M. supinator vor. Zu isolierten Läsionen des R. superficialis kann es durch Druck im Bereich des Handgelenkes (Uhrarmband, Handschellen), durch Verletzung des Nerven bei Shuntanlage für die Dialyse oder durch Schnitt- oder Schlagverletzungen kommen. Cheiralgie.
nung operativ revidiert werden. Bei primär chirurgischer Indikation zur Osteosynthese sollte der Nerv bei Frakturen am Oberarm dargestellt und auf seine Kontinuität hin überprüft werden. Meist wird der Nerv bei Oberarmfrakturen nur durch eine Kontusion geschädigt, sodass keine primäre Operation erforderlich ist. Finden sich innerhalb der ersten 6 Monate keine Zeichen einer Reinnervation, so sollte operativ revidiert werden. Der Nerv wird dann häufig in narbiges Bindegewebe, seltener auch in Kallus, eingebacken vorgefunden. Umgehend wird eine Revision der Frakturstelle erforderlich, wenn nach einem Trauma sekundär eine Radialisparese auftritt. Bei primärer und sekundärer operativ revidierter Radialisparese am Oberarm durch Nervennaht oder Neurolyse ist die Prognose gut, bei Schädigungen am Unterarm weniger gut. Supinatorlogensyndrom, Cheiralgie. Bei einer dauerhaften Radialisschädigung kann man palliativ durch eine Radialisschiene oder stramme Handmanschetten die Fallhandstellung ausgleichen. Operativ können als Ersatzoperation die Sehnen der Handgelenksbeuger (z. B. M. flexor carpi ulnaris) auf die Sehnen von Hand- und Fingerstreckern verpflanzt werden. 3
schließlich motorischen Defiziten der Fingerstrecker und des ulnaren Handstreckers. Schließlich können bei distalen Schädigungen nur der R. superficialis, nur der sensible Ast der radialen Daumenseite ( Cheiralgie) oder motorische Äste zu einzelnen Muskeln lädiert werden.
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Prophylaxe Druckläsionen des Nerven sollten vermieden werden. Dieses gilt insbesondere für Patienten mit einer hereditären Disposition für Druckparesen ( Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Druckparesen (HNPP)), aber auch für Patienten mit anderen Polyneuropathien. 3
Therapie Die Prognose der Druckschädigungen im Verlauf des N. radialis ist in der Regel gut, sodass hier der Spontanverlauf abgewartet werden kann. Begleitend können krankengymnastische Übungsbehandlungen durchgeführt werden. Bei traumatischen Schäden muss bei Verdacht auf eine Nervenzerreißung oder –durchtren-
Nervus saphenus, Läsion Definition Der rein sensible Nervus saphenus (vorwiegend aus L4) ist der längste Endast des N. femoralis und versorgt die Haut an der Medialseite des Unterschenkels bis zum Innenknöchel. Er begleitet die Oberschenkelarterie in den Canalis adductorius, verlässt diesen durch die Membrana vastoadductoria und folgt dem dorsalen Rand des M. sartorius. Distal vom Kniegelenk tritt er durch die Faszie nach außen und schließt sich am Unterschenkel der V. saphena magna an. Er entlässt proximal vom Condylus medialis femoris den R. infrapatellaris, der sich durch die Faszie bohrt und die Haut medial am Knie bis unterhalb der Tuberositas tibiae versorgt.
Einleitung Eine Schädigung des N. saphenus unter Einbeziehung des R. infrapatellaris führt zu Schmerzen, Reizerscheinungen und sensiblen Ausfällen an der Vorderinnenseite des Knies und an
Nervus supraclavicularis, Läsion
Die Saphenusneurographie kann eine infraganglionäre Lokalisation der Läsion nachweisen und so diagnostisch zur Abgrenzung von einem L4-Syndrom hilfreich sein. Anatomische Engpasssyndrome des N. saphenus kommen an verschiedenen Stellen vor. Die Saphenusneuropathie wird am häufigsten durch eine mechanische Kompression des N. saphenus im Adduktorenkanal (Hunter'schen Kanal) oder bei Reizung des Nerven durch eine Phlebitis ausgelöst. Als Neuropathia patellae oder Gonyalgia paraesthetica wird eine Läsion des R. infrapatellaris bezeichnet. Der R. infrapatellaris kann an der Stelle, wo er die Faszie durchbohrt mit oder ohne vorausgegangenes Trauma mechanisch chronisch gereizt werden. In 2/3 der Fälle nach medialer Meniskektomie werden Äste des R. infrapatellaris lädiert. Bei 44% der Operierten werden auch nach 6 Monaten noch Schmerzen und störende Missempfindungen angegeben. Häufig wird der Nerv auch durch Druck gegen die mediale Knieseite, Knieoperationen oder Osteosynthesen am Unterschenkel lädiert. Eine Bursitis des Pes anserinus bei Überlastung oder Einbeziehung des Nerven in Narbengewebe kann ebenfalls eine Schädigung des N. saphenus nach sich ziehen. Der N. saphenus wird häufig beim Varizen-Stripping (V. saphena magna), bei Operationen an der A. femoralis oder bei der Entnahme von Venentransplantaten verletzt. Selten entsteht hiernach ein schmerzhaftes Neurom. 3
Prophylaxe Versuch der Schonung des Nerven bei den entsprechenden, oben angeführten Operationen.
Bei der überwiegend schmerzhaften Saphenusneuropathie kann eine Infiltrationsserie mit Lokalanästhetika (z. B. Carbostesin) versucht werden. Wenn dieses Vorgehen, z. B. bei Kompressionssyndromen im Adduktorenkanal, nicht weiterhilft, so bringt in den allermeisten Fällen die Spaltung des Adduktorenkanals Beschwerdefreiheit. Die Neuropathia patellae kann durch eine Verlagerung des R. infrapatellaris ins subkutane Fettgewebe oder durch Neurektomie behandelt werden. Liegt eine schmerzhafte Neurombildung vor, so muss der Nerv operativ freigelegt und das Neurom reseziert werden.
Nervus stapedius, Läsion Definition Der Nervus stapedius verläuft mit dem N. facialis, zweigt distal des Ganglion geniculi von ihm ab und versorgt den M. stapedius.
Einleitung Bei einem Ausfall des N. stapedius kommt es zur Hyperakusis. Liegt bei einer Fazialisparese eine Hyperakusis vor, so muss die Schädigung proximal oder im Bereich des Abganges des N. stapedius liegen.
Differenzialdiagnose Nervus facialis, Läsion
Therapie 3
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Differenzialdiagnose
Therapie
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der Medialseite des Unterschenkels. Bei der Saphenusneuropathie finden sich oft zuerst Schmerzen und ein Schweregefühl des distalen Oberschenkels und des Unterschenkels, später auch sensible Defizite. Eine Druckdolenz des N. saphenus besteht hierbei meist im distalen Oberschenkeldrittel. Die Neuropathia patellae, eine Schädigung des R. infrapatellaris, führt zu einem Schmerzsyndrom dieses Nerven medial und distal vom Knie.
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Parese, Fazialisparese
Nervus supraclavicularis, Läsion Definition Die Nn. supraclaviculares (C3–4) aus dem Plexus cervicalis breiten sich fächerförmig im seitlichen Halsdreieck unter der Faszie aus, durchbohren diese und versorgen die Haut unterhalb der Klavikula bis zur dritten Rippe sowie Teile der Schulterregion.
Differenzialdiagnose Eine Kompression der Nn. supraclaviculares
N
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Nervus supraspinatus, Läsion
bei ihrem Durchtritt durch die Halsfaszie soll zu lokalen Schmerzen führen können.
Therapie Eine spezifische Therapie ist in der Regel nicht erforderlich. Gegebenenfalls kommt eine Infiltration der Schmerzpunkte mit Lokalanästhetika in Betracht.
Nervus supraspinatus, Läsion Synonyme Nervus suprascapularis, Läsion
Anteil (Incisura scapulae, beide Muskeln betroffen) oder im unteren Anteil (Incisura spinoglenoidalis, nur M. infraspinatus betroffen) auftreten und werden vorwiegend bei männlichen Sportlern beobachtet, die die Arme häufig über dem Kopf einsetzen (besonders Volleyball, aber auch Handball, Tennis, Speerwerfen, Gewichtheben). Eine Schädigung des Nerven in der Incisura scapulae lässt sich durch ein Manöver mit forcierter gekreuzter Adduktion des erhobenen Ellenbogens durch das Auftreten von Schmerzen wahrscheinlich machen. Differenzialdiagnostisch müssen Sehnenrupturen der Rotatorenmanschette in Erwägung gezogen werden.
Therapie
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Definition Der N. supraspinatus (C4–6) erreicht unter dem M. trapezius die Incisura scapulae und gibt nach Durchtritt unter dem Ligamentum transversum einen Ast zum M. supraspinatus ab. Nach Abgabe sensibler Äste zum Schultergelenk zieht er außen um die Spina scapulae durch die Incisura spinoglenoidalis und innerviert den M. infraspinatus. Die Funktion dieser Muskeln wird von den anderen weit kräftigeren Abduktoren und Außenrollern (M. deltoideus, M. teres minor) übertroffen.
Einleitung Die klinische Symptomatik bei einer Läsion des N. supraspinatus besteht in einer Abduktionsschwäche, besonders für die ersten 15 Grad (M. supraspinatus), und in einer Außenrotationsschwäche (M. infraspinatus) mit Pronationsstellung des Armes. Bei einer distalen Schädigung besteht nur eine Parese des M. infraspinatus. Der Ausfall dieser Muskeln kann blande sein und über Jahre unbemerkt bleiben. Zum Nachweis einer Schädigung wird ein EMG der beiden Muskeln und eine Überleitungszeit des N. supraspinatus im Seitenvergleich durchgeführt.
Eine Nervennaht bei traumatischer Durchtrennung des Nerven, die meistens in der Nähe der Incisura scapulae auftritt, ist nur in den seltensten Fällen möglich. Durch Einsetzen eines Nerventransplantates lassen sich aber häufig recht gute Resultate erzielen. Meist ist die Regeneration des M. infraspinatus schlechter als die des M. supraspinatus. Bei einem Abriss des N. supraspinatus vom M. supraspinatus kann durch Einsetzen der Nervenfaszikel in die Muskulatur eine recht gute Restitutio erzielt werden. Liegt ein Kompressionssyndrom des N. suprascapularis vor, so sollte eine Neurolyse im Bereich der Incisura scapulae mit Durchtrennung des Ligamentum transversum scapulae superius oder bei reiner Schädigung des Astes zum M. infraspinatus im Bereich der Incisura spinoglenoidalis durchgeführt werden. Bei geburtstraumatischen Läsionen des Nerven mit ausgeprägter Innenrotationsstellung kann eine Transposition des Ansatzes des M. teres major um die dorsale Seite des Humerus herum notwendig werden, wenn bei bestimmten Berufsgruppen eine hochgradige Außenrotation des Armes erforderlich ist.
Differenzialdiagnose Isolierte Schädigungen des Nerven sind selten, können aber nach Stich- oder Schussverletzungen oder nach Skapulafrakturen beobachtet werden. Bei der neuralgischen Schulteramyotrophie ist der Nerv oft mitbetroffen. Iatrogen kann der Nerv bei einer Neck dissection oder bei dorsalem Zugang bei Schultergelenksoperationen geschädigt werden. Kompressionssyndrome des Nerven können im oberen
Nervus thoracicus longus, Läsion Definition Der rein motorische Nervus thoracicus longus entspringt direkt aus den Wurzeln C5–7 noch vor der Plexusbildung und innerviert den M. serratus anterior, nachdem er unter dem Schlüs-
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Nervus tibialis, Läsion
selbein über die 1. Rippe zur lateralen Thoraxwand zieht.
Einleitung Bei einer Läsion des N. thoracicus longus liegt klassischerweise eine Scapula alata vor. Bei einer Elevation des Armes weicht die Skapula nach medial ab, der Angulus inferior steht höher als auf der gesunden Seite.
Differenzialdiagnose Der N. thoracicus longus ist wegen seines langen Verlaufes entlang der Thoraxwand prädisponiert für mechanische Schädigungen. Beim Tragen schwerer Lasten (z. B. Rucksacklähmung) kann es durch eine Kaudalverlagerung der Schulter zu einer Zerrung und Kompression des Nerven am Processus coracoideus kommen. Er kann auch bei schwer körperlich arbeitenden Menschen ohne fassbares Trauma geschädigt werden. Eine Druckschädigung des Nerven kann durch Krücken in der Axilla, durch eine Abduktionsschiene des Armes oder durch ein Gipskorsett verursacht werden. Iatrogen kann der Nerv durch eine falsche Trendelenburg-Lagerung mit Neigung des Kopfes zur Gegenseite gezerrt werden. Eine iatrogene Schädigung kann auch durch eine axilläre Lymphknotenausräumung, eine Mastektomie, eine transaxilläre Resektion der 1. Rippe oder bei Thorakotomien eintreten. Der Nerv kann außerdem entzündlich geschädigt werden, z. B. im Rahmen einer neuralgischen Schulteramyotrophie oder auch infektiös/postinfektiös z. B. bei Borreliose, Diphtherie, Typhus oder nach Seruminjektionen. Die Nervenschädigung kann durch ein pathologisches EMG des M. serratus anterior bewiesen werden. Differenzialdiagnostisch muss eine Scapula alata bei Muskeldystrophie oder anderen myopathischen Erkrankungen abgegrenzt werden.
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Therapie In den meisten Fällen ist eine konservative Therapie erfolgreich. Nur sehr selten sind Ersatzoperationen indiziert. Bei einer Dauerschädigung des Nerven ist das Vorgehen orthopädisch reparativ. Als kleinstmöglicher Eingriff kann der mediale Skapularand der betroffenen Seite über die Mittellinie hinaus mittels eines Faszienstreifens mit dem medialen Skapularand der Gegenseite verbunden werden. Reicht dieser Eingriff bei schwerarbeitenden Personen nicht aus, müssen aktive Kräfte verwandt werden. Hierbei wird der untere Skapulawinkel nicht nur passiv mittels eines Faszienstreifens an der 9. Rippe verankert, sondern auch aktiv an einem abgelösten kranialen Bündel des M. latissimus dorsi. Nachteile der passiven Verankerung sind eine Bewegungseinschränkung der Schulter um ungefähr ein Drittel sowie das Nachlassen oder Durchscheuern der Faszienschlinge nach 2–3 Jahren. Eine Alternative der aktiven Stabilisierung besteht in einer Anheftung des kaudalen Abschnittes des M. pectoralis major am unteren Skapulawinkel über ein Faszieninterponat.
Prognose Die Prognose ist bei isolierten Lähmungen des N. thoracicus longus außer bei traumatischen Durchtrennungen meist gut, kann aber bis zur vollständigen Restitution bis zu 2 Jahre benötigen.
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Zur Prophylaxe gehört das Vermeiden von Druckschäden des Nerven, insbesondere das Tragen schwerer Lasten mit Schultergurten, aber auch die saubere Trendelenburg-Lagerung, die entsprechende Überprüfung beim Anlegen von Korsetten oder Abduktionsschienen sowie die Schonung des Nerven bei den erwähnten operativen Eingriffen.
Definition Der Nervus tibialis (L4–S3), einer der beiden Endäste des Nervus ischiadicus, versorgt sämtliche Muskeln der oberflächlichen (M. gastrocnemius, M. soleus, M. plantaris) und danach der tiefen Flexorengruppe am Unterschenkel (M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, M. flexor hallucis longus). In der Kniekehle gibt er zuvor den N. cutaneus surae medialis ab, der sich mit einem Ast des N. peroneus zum N. suralis vereinigt und die Haut am Fersen- und Fußaußenrand und der kleinen Zehe lateral versorgt. Während des Durchtrittes unter dem Retinaculum flexorum am Sprunggelenk (Tarsaltunnel) teilt er sich in die beiden Endäste, den N. plantaris medialis, der die me3
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Prophylaxe
Nervus tibialis, Läsion
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Nervus trigeminus, Läsion
diale Seite der Fußsohle sensibel und den M. abductor hallucis, M. flexor hallucis brevis, M. flexor digitorum brevis und die Lumbricales I und II versorgt, und den M. plantaris lateralis für die Sensibilität der lateralen Fußsohle und die übrigen kleinen Muskeln der Fußsohle.
dung nervennaher Knochenabschnitte zu langsam progredienten Lähmungen kommen. Der N. suralis kann iatrogen durch Lagerung geschädigt werden. Eine persistierende Suralisläsion resultiert aus einer Nervenbiopsie. 3
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Prophylaxe Klinisch besteht bei einer Tibialisschädigung eine Sensibilitätsstörung der Fußsohle, die auch von trophischen Störungen begleitet sein kann. Als Folge der Lähmung der kleinen Fußmuskeln ist das Fußgewölbe geschwächt, häufig bestehen Krallenzehen. Bei einer Schädigung im proximalen Unterschenkelabschnitt ist die Supination des Fußes mitbetroffen (M. tibialis posterior), bei einer Schädigung in der Kniekehle auch die Fußsenkung. Der Zehenstand kann nicht mehr ausgeführt werden. Typisch für eine Tibialisschädigung sind häufig auftretende Kausalgien mit quälenden brennenden Nervenschmerzen, die durch Druck auf die Fußsohle ausgelöst werden können. Läsionen des N. suralis führen nur zu Sensibilitätsstörungen im beschriebenen Gebiet. Differenzialdiagnostisch muss eine Tibialisläsion von einer S1Schädigung abgegrenzt werden.
Bei Lagerung oder operativer Versorgung von Traumafolgen sollte der Nerv geschont werden.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Tibialisläsion. Bei einer frischen traumatischen Schädigung mit Verdacht auf Durchtrennung des Nerven oder Schädigung durch Knochenfragmente sollte sofort operativ revidiert werden. Anderenfalls sollte innerhalb der ersten 6 Monate bei fehlender Reinnervation über eine operative Revision entschieden werden. Bei zu großen Defekten muss ein Nerventransplantat verwendet werden. Langfristig muss besonders bei hochgradigen Tibialisläsionen auf trophische Störungen der Fußsohle geachtet werden ( Nervus ischiadicus, Läsion). Hier ist insbesondere an passendes Schuhwerk mit Vermeiden von Druckschäden zu achten. Beim Auftreten von Ulzera ist eine sofortige Entlastung des Beines entscheidend. Tarsaltunnelsyndrom, Morton-Metatarsalgie. 3
Einleitung
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Nervus trigeminus, Läsion Synonyme 5. Hirnnerv
Definition Zur Anatomie des Nervus trigeminus, Trigeminus (Nervus trigeminus), Innervation. 3
Schädigungen des N. tibialis können traumatisch bedingt sein, obwohl der Nerv geschützter verläuft als der N. peroneus. Proximal kann er durch knienahe Knochen- und Weichteilverletzungen (suprakondyläre Femurfrakturen, Kniegelenksluxationen oder Tibiafrakturen) geschädigt werden, distal durch Frakturen des Malleolus medialis und des Talus ( Tarsaltunnelsyndrom). Druckschäden können im Bereich des Kniegelenkes durch unsachgemäße Lagerung, aber auch durch eine Baker-Zyste, Tumoren oder ein Ganglion entstehen. Häufiger sind distale Druckschäden der Endäste im Rahmen eines Tarsaltunnelsyndroms am Knöchel oder einer Morton-Metatarsalgie an der Fußsohle. Hier kann der Nerv ebenfalls durch einen zu engen Gips geschädigt werden. Iatrogen kann der N. tibialis außerdem durch Varizenoperationen, Knieoperationen oder Reposition bzw. operative Versorgung der oben aufgeführten Frakturen verletzt werden. Als indirekte Traumafolge kann es als Konsolidierungsprozess von Verletzungen durch bindegewebige Narben- oder Kallusbil-
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Differenzialdiagnose
Einleitung Klinisch bestehen bei einer Läsion des N. trigeminus distal des Ganglion Gasseri Sensibilitätsstörungen nur im Versorgungsgebiet eines Astes, bei Schädigungen im Ganglion oder proximal davon in allen 3 Ästen. Ein abgeschwächter oder aufgehobener Kornealreflex findet sich bei Schädigung des N. ophthalmicus. Bei Hirnstammläsionen können sich zwiebelschalenförmige Sensibilitätsstörungen um den Mund herum finden. Bei Tumorinfiltra-
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Nervus trochlearis, Läsion
tion liegen sensible Defizite oft nur an der Kinnspitze vor ( „numb chin“-Syndrom). Motorisch weicht bei einseitiger Trigeminusläsion das Kinn zur gelähmten Seite ab. Bei beidseitiger Läsion hängt der Unterkiefer herab, der Mund bleibt offen. Sehr häufiges Symptom einer Trigeminusschädigung sind Schmerzen im entsprechenden Innervationsgebiet. Trophische Störungen (neurotrophische Ulzera oder Ulcus corneae) können ebenfalls beobachtet werden. Sie treten häufig Jahre nach einer operativen Destruktion des N. V auf.
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Sehne, die durch einen Sehnenring (Trochlea) verläuft.
Einleitung
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Läsionen können den gesamten N. trigeminus oder auch nur einzelne seiner Äste betreffen. Letzteres tritt häufig traumatisch bei Frakturen im Gesichtsschädelbereich oder auch für den N. mandibularis nach zahnärztlichen Eingriffen oder Injektionen auf. Sind bei einer Trigeminusschädigung motorische Anteile mitbetroffen, so wird sehr häufig ein Tumor zu finden sein. Liegen Sensibilitätsstörungen mit oder ohne Dauerschmerzen vor, so spricht man von einer Trigeminusneuropathie ( Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuropathie). Einschießende Schmerzattacken ohne zusätzliche neurologische Defizite im Trigeminusgebiet entsprechen dem Bild einer Trigeminusneuralgie ( Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuralgie).
Die Hauptfunktion des M. trochlearis ist die Bulbussenkung; diese Wirkung nimmt bei Adduktion zu und ist bei Abduktion nahezu ausgefallen. In geringerem Ausmaß bewirkt der Muskel auch die Abduktion und die Drehung des vertikalen Meridians einwärts. Die klinische Diagnose einer Trochlearisparese ist schwieriger als die der anderen Augenmuskelnerven, da die Funktion in den gängigen vertikalen und horizontalen Blickrichtungen kaum beeinträchtigt ist. Entscheidend ist die Beobachtung einer kompensatorischen Kopfhaltung mit Wendung und Neigung zur gesunden Schulter und Senkung des Kinns sowie pathologische Kopfneigetests („ BielschowskyPhänomen“). Die Doppelbilder sind bei der Trochlearisparese vertikal schräg versetzt und nehmen beim Blick zur gesunden Seite (Adduktion) oder nach unten zu. Die Bulbussenkung ist, außer bei Abduktion, meist eingeschränkt. Im Verlauf kann es zu einer Kontraktur des ipsilateralen Antagonisten (M. obliquus inferior) und einer Überfunktion des kontralateralen Synergisten (M. rectus inferior) kommen.
Therapie
Differenzialdiagnose
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Frakturen müssen in der Regel operativ versorgt werden. Die Tumorbehandlung erfolgt nach onkologischen Gesichtspunkten. Zur Therapie der Trigeminusneuralgie und Trigeminusneuropathie, Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuralgie; Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuropathie.
Isolierte Trochlearisparesen sind seltener als Störungen anderer Augenmuskelnerven. Häufigste Ursache ist das Schädel-Hirn-Trauma, bei isolierten beidseitigen Trochlearisparesen praktisch immer. Am zweithäufigsten ist die vaskuläre Genese, wobei hier Diabetes und allgemeine Arteriosklerose eine ätiologische Rolle spielen. Seltener treten Trochlearisparesen bei Tumoren, Metastasen, Aneurysmen (A. basilaris, Sinus cavernosus, A. cerebelli superior), Enzephalitiden, demyelinisierenden Erkrankungen oder im Rahmen einer Myasthenie auf. Hierbei werden sie oft von anderen neurologischen Defiziten überdeckt. Kongenitale Trochlearisparesen werden ebenfalls beobachtet. Die größte Gruppe stellen jedoch die ätiologisch ungeklärten Paresen dar. Zur Abklärung einer Trochlearisparese sollte ein kranielles und orbitales MRT, ein Glukosebelastungstest und ein Tensilontest durchgeführt werden.
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Nervus trochlearis, Läsion Synonyme 4. Hirnnerv
Definition Der Nervus trochlearis ist ausschließlich für die Innervation des M. obliquus superior zuständig. Dieser Muskel verdünnt sich zu einer dünnen
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Differenzialdiagnose
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Nervus ulnaris, Läsion
Therapie Die endgültige Wiederherstellung der Funktion oder die adäquate Adaptation können erst nach 1/2 bis 1 Jahr beurteilt werden. Erst dann sollte über eine mögliche operative Korrektur entschieden werden. Während dieser Zeit kann die Okklusion eines Auges zur Vermeidung störender Doppelbilder notwendig werden. Über einen längeren Zeitraum scheinen vertikale Prismen in der Therapie effizienter zu sein, Augenbewegung-/Störung, nukleäre, infranukleäre. 3
Prognose Mehr als die Hälfte aller Trochlearisparesen zeigen eine vollständige oder zumindest teilweise Rückbildung. Während die Prognose bei den nichttraumatischen Paresen gut ist, ist sie allerdings bei den traumatischen Trochlearisparesen meist schlecht. Nervus ulnaris, Läsion. Abb. 1: N. ulnaris im Verlauf mit Lokalisation möglicher Kompressionssyndrome
Definition Der Nervus ulnaris (C8–Th1) folgt der A. axillaris zum Oberarm, tritt hier bereits in der Mitte zur Streckseite und erreicht dann den auf der Dorsalseite des Epicondylus medialis humeri gelegenen Sulcus nervi ulnaris. In seinem exponierten Verlauf ist der Nerv mit einer Reihe von Hilfs- und Führungseinrichtungen versehen. Er versorgt distal des Ellenbogengelenkes den M. flexor carpi ulnaris und die ulnare Portion des M. flexor digitorum profundus. In der Mitte des Unterarmes gibt er den R. dorsalis n. ulnaris zur Haut des 4. und 5. Fingers ab, dann den R. palmaris n. ulnaris zur Haut des ulnaren palmaren Handgelenkes und des Hypothenars. Der Nerv überquert in einem fibrösen Kanal ( Guyon-Loge) das Handgelenk und innerviert dann mit dem R. superficialis den M. palmaris brevis und sensibel die Finger IV (palmare ulnare Hälfte) und V (palmar). Der R. profundus innerviert die Muskeln des Hypothenars, die Interossei, die Mm. lumbricales III und IV sowie den M. adductor pollicis und den tiefen Kopf des Flexor pollicis.
ris-Syndrom) oder weiter proximal davon sind alle ulnarisinnervierten Muskeln beteiligt, alle sensiblen Äste sind ebenfalls mitbetroffen. Hierbei sind aber die proximalen Muskeln oft viel weniger geschädigt als die Handmuskeln, sodass proximale Ulnarisläsionen oft viel schwerer zu erkennen sind. Es kommt zum Bild der typischen „Krallenhand“ mit Hyperextension der Langfinger im Grundgelenk und leichter Flexion in den Interphalangealgelenken, besonders in den Fingern IV und V. Die Muskelatrophie wird bei Ulnarisläsion im Spatium interosseum I am deutlichsten. Bei Läsionen am mittleren oder distalen Unterarm bleiben M. flexor carpi ulnaris und M. flexor digitorum profundus verschont, bei distalen Unterarmläsionen auch der sensible R. dorsalis. Proximale Handgelenksläsionen beziehen R. profundus und superficialis mit ein, bei distalen Läsionen sind nur der R. profundus oder sogar nur seine Äste zu Interossei, Lumbricales und Daumen mit Aussparung des Hypothenar betroffen ( Guyon-Loge). 3
Nervus ulnaris, Läsion
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Einleitung
Differenzialdiagnose
Bei einer Ulnarisschädigung im Bereich des Ellenbogens ( Sulcus ulnaris, Sulcus-ulna-
Läsionen des N. ulnaris in der Axilla oder am Oberarm sind zumeist traumatischer Genese.
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Nervus vagus, Läsion
10. Hirnnerv
Differenzialdiagnose Isolierte Vagusläsionen sind sehr selten. Meist wird der N. vagus zusammen mit anderen Hirnnerven ( Nervus glossopharyngeus, Nervus accessorius und/oder Nervus hypoglossus) oder bei einer Hirnstammläsion mitgeschädigt. Intramedulläre Schädigungen können ischämisch (Wallenberg-Syndrom), durch Tumoren, Blutungen, Entzündungen oder eine Motoneuronerkrankung oder Polio bedingt sein. Extramedulläre intrakranielle oder im Bereich der Schädelbasis gelegene Prozesse sind häufig durch Tumoren, Entzündungen oder auch eine 3
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Synonyme
Motorisch versorgt der N. vagus die mittleren und unteren Schlundschnürer und die Kehlkopfmuskeln, sensibel die Dura in der hinteren Schädelgrube, das äußere Ohr, den Larynx, Teile des Pharynx und die Epiglottis und parasympathisch die gesamten inneren Organe bis hin zum Cannon-Böhm`schen-Punkt am Darm. Bei einer einseitigen Schädigung des N. vagus (meist extrakraniell) kommt es, abhängig von der Höhe des Schädigungsortes, zu Heiserkeit, schwacher Stimme und einer Gaumensegelparese mit positivem Kulissenphänomen. Bei Vagusläsionen ist die Stimmbandparese meist nur inkomplett, während eine operative Läsion des N. laryngeus recurrens oft zu einer einseitigen kompletten laryngealen Parese führt. Ist der Nervus glossopharyngeus ipsilateral mitbetroffen, so werden dennoch die Schluck- und Sprechstörungen meist rasch kompensiert. Sind der 9. und 10. Hirnnerv beidseitig geschädigt, so kommt es zu einer beidseitigen Gaumensegelparese mit erheblichen Schluckstörungen und nasaler Sprache. Der Pharynx ist dann anaesthetisch. Autonome Funktionsstörungen bei einer einseitigen Vagusläsion fallen meist nicht ins Gewicht. Eine Mitbeteiligung des N. vagus bei Neuropathien führt aber zu kardialen und gastrointestinalen Regulationsstörungen.
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Nervus vagus, Läsion
Einleitung
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Zur Therapie des Sulcus-ulnaris-Syndromes und des Guyon-Logen-Syndroms, Sulcus ulnaris, Sulcus-ulnaris-Syndrom, Guyon-Loge. Bei traumatischen Ulnarisläsionen sollte eine umgehende operative Revision erfolgen, wenn sich Hinweise auf eine Durchtrennung des Nerven ergeben. Eine sekundäre Operation sollte innerhalb der ersten 6 Monate erwogen werden, wenn sich keinerlei Hinweise auf eine Reinnervation ergeben. Operiert werden muss, wenn sich sekundär nach einem Trauma progrediente Paresen einstellen, sodass von einer Schädigung durch bindegewebiges Narbengewebe oder Kallus ausgegangen werden muss. Bei Druckschäden sollte eine sofortige Druckentlastung erfolgen. Bei irreversiblen Ulnarisläsionen kommen gegebenenfalls, aber nicht zwingend, Ersatzoperationen in Frage, bei denen Superfizialis-Sehnen (II und III) durch den Lumbrikalkanal auf die Interossei transplantiert werden können, um die Krallenstellung zu beheben. Zahlreiche weitere Ersatzoperationen kommen in Frage.
Der paarige N. vagus ist der längste Hirnnerv. Er enthält motorische, sensible und parasympathische Fasern. Mit dem N. glossopharyngeus und dem N. hypoglossus tritt er aus dem Foramen jugulare aus. Zu seinen Endästen gehört der N. laryngeus recurrens ( Rekurrensparese), der die Stimmbänder versorgt.
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3
Therapie
Definition
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Am häufigsten wird der N. ulnaris im Bereich des Ellenbogens geschädigt, was durch akuten (Gips, Lagerung intraoperativ) oder chronischen Druck ( Sulcus ulnaris, Sulcus-ulnarisSyndrom) aber auch durch direkte Traumata (meist distale Humerusfrakturen oder Frakturen des Condylus medialis oder der Trochlea) bzw. iatrogen bei operativer Versorgung der Frakturen verursacht werden kann. Paresen können auch sekundär nach einem Trauma durch narbige Verwachsungen auftreten. Am Unterarm wird der Nerv nur selten traumatisch geschädigt; gelegentlich kann dieses durch ein traumatisches Aneurysma geschehen. Häufiger sind wiederum distale Ulnarisläsionen am Handgelenk ( Guyon-Loge). Die Höhenlokalisation einer Ulnarisschädigung geschieht zum einen klinisch, zum anderen durch ein EMG proximaler und distaler Ulnarismuskeln. Differenzialdiagnostisch muss ein C8-Syndrom oder eine untere Armplexusläsion abgegrenzt werden.
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N
Nervus vestibularis, Läsion
Dissektion der A. carotis bedingt ( Nervus glossopharyngeus). Extrakranielle Ursachen sind Tumoren aus dem HNO-Bereich, Granulome oder andere Entzündungen. Hier sind oft die Hirnnerven IX–XII betroffen, begleitet von einem Horner-Syndrom. Zur isolierten Schädigung des N. laryngeus recurrens, Rekurrensparese. Bilaterale Vagusläsionen werden bei der Diphtherie beschrieben, kommen aber im Rahmen einer autonomen Neuropathie ( Neuropathie, autonomen) auch bei vielen anderen Polyneuropathien vor. 3
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Therapie Die Therapie richtet sich primär nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Symptomatisch ist bei höhergradigen Stimm- und Sprechstörungen eine logopädische Behandlung erforderlich; dasselbe gilt auch für Schluckstörungen. Eine beidseitige Vagusläsion kann bei Atemstörungen eine Tracheotomie erforderlich machen. In diesen Fällen liegt oft ein deutlicher inspiratorischer Stridor vor. Zur Therapie der autonomen Funktionsstörungen Neuropathie, autonome.
Symptomen des N. cochlearis oder N. facialis begleitet.
Differenzialdiagnose Neben der klinischen Prüfung ist häufig die Vestibularistestung mit Spülen des äußeren Gehörganges mit 100–200 ml Wasser mit Zimmertemperatur oder 5–10 ml Eiswasser und die Nystagmographie hilfreich. Zur Beurteilung der knöchernen Schädelbasis kann ein CCT erforderlich sein, unter der Frage eines Prozesses im Kleinhirnbrückenwinkel oder Hirnstamm ein Kernspintomogramm. Die ätiologische Differenzierung der Vestibularisschädigung lässt sich am ehesten aufgrund des zeitlichen Verlaufes vereinfachen. Erkrankungen des N. vestibularis mit lage- oder lagerungsabhängigem Schwindel können der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel ( Lagerungsschwindel, benigner), die Vestibularis-Paroxysmie, die Perilymphfistel oder zentrale Störungen sein. Sekunden bis Stunden anhaltende Drehschwindelattacken können neben den oben beschriebenen Erkrankungen des N. vestibularis die Menière-Erkrankung, die Kinetose oder Durchblutungsstörungen des Hirnstammes sein. Tage bis Wochen dauernde Schwindelbeschwerden können seitens des N. vestibularis durch die Neuropathia vestibularis ( Neuropathie, Neuropathia vestibularis), den Morbus Menière, Tumoren (besonders des Kleinhirnbrückenwinkels wie das Akustikusneurinom), Entzündungen (z. B. Labyrinthitis), durch toxische oder durch traumatische Schädigungen verursacht werden. Schwindel durch Oszillopsien kann durch beidseitige Läsionen des N. vestibularis entstehen (toxisch, sequentielle Entzündungen, bilaterale Tumoren, ischämisch). Schädigungen des Labryrinthes können traumatisch (Contusio labyrinthii, Perilymphfistel mit traumatischer oder spontaner Ruptur des runden oder ovalen Fensters), entzündlich (Lues, Herpes zoster oticus, Borreliose, TBC), vaskulär, toxisch (Aminoglykoside, Zytostatika, Diuretika, Chinin, Digitalis, Barbiturate, Kontrazeptiva, Salicylate, Antidepressiva, Sedativa) oder durch eine Fistel des vorderen Bogenganges bedingt sein. 3
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Der Nervus vestibularis bildet zusammen mit dem Nervus cochlearis den 8. Hirnnerven. Er erhält Impulse vom Gleichgewichtsorgan (Bogengänge, Utriculus, Sacculus) und verläuft mit dem N. facialis und N. intermedius durch den Meatus acusticus internus in das Schädelinnere, durch den Kleinhirnbrückenwinkel zur Eintrittsstelle am Hirnstamm zwischen Medulla und Pons und schließlich zu den Vestibulariskernen. 3
Einleitung Eine Schädigung des N. vestibularis in seinem nukleären oder peripheren Anteil oder eine Labyrinthschädigung führen zu Schwindel, Nystagmus und Fallneigung, meist begleitet von vegetativen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen. Die Akuität und Dauer der Beschwerden hängen von der Art der Läsion ab. Schädigungen im Verlauf des N. vestibularis sind wegen der anatomischen Nähe häufig von
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Definition
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Nervus vestibularis, Läsion
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkran-
Neuralgie, postzosterische
kung, z. B. Neuropathie, Neuropathia vestibularis, Menière-Erkrankung, Lagerungsschwindel, benigner mit Befreiungsmanöver nach Sémont. Bei der Vestibularis-Paroxysmie, bei der von einer mikrovaskulären Kompression des Nerven im Hirnstamm ausgegangen wird, erfolgt die Therapie in Analogie zur Trigeminusneuralgie ( Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuralgie) primär antikonvulsiv mit Carbamazepin, Phenytoin, Valproinsäure oder Gabapentin, sekundär mit einer JannettaOperation. Eine Perilymph- oder Bogengangsfistel kann operativ gedeckt werden. Bei toxischen Schäden muss umgehend die Noxe vermieden werden. Entzündungen werden erregerspezifisch behandelt. Symptomatisch kann in der Frühphase bei starker Übelkeit eine Ruhigstellung mit Bettruhe und Gabe von Antivertiginosa, z. B. Dimenhydrinat oder Sulpirid für 2–3 Tage erfolgen. Diese Behandlung sollte aber möglichst rasch abgesetzt werden, um zentrale Adaptationsmechanismen nicht zu behindern. Dann sollte mit Übungsbehandlungen und Förderung der zentralen Kompensationsmechanismen begonnen werden. Hierzu gehören Kopfdreh- und Kippbewegungen, eine Auslösung des optokinetischen Nystagmus, langsame Blickfolgebewegungen und Sakkaden sowie Gang- und Standübungen auf unterschiedlich beschaffenem Untergrund.
Neuralgie, postzosterische Definition Nach dem Abklingen einer durch das VarizellaZoster-Virus hervorgerufenen Gürtelrose kommt es häufig zu persistierenden, monooder polysegmentalen Schmerzen in dem oder den entsprechenden Hautsegmenten. Pathophysiologisch liegt eine virale, hämorrhagische Entzündung der Hinterwurzelganglien zugrunde. In der Regel liegt eine Demyelinisierung bemarkter Fasern vor. Da die C-Fasern meist erhalten sind, resultiert eine Hypästhesie begleitet von einer Allodynie.
Einleitung Die postzosterische Neuralgie tritt gehäuft bei Patienten über 60 Jahren auf. Die klinische Symptomatik besteht in attackenartigen Schmerzen von brennendem oder bohrendem Charakter. Um die postzosterische Neuralgie von den auch bei frischem Zoster bestehenden Schmerzen abzugrenzen, wird ein Anhalten der Schmerzsymptomatik über mehr als 4 Wochen nach Abheilung der Zoster-Effloreszenzen (Bläschen) gefordert. Die Schmerzen können auch von einer anhaltenden Hypästhesie und Hypalgesie begleitet sein (Anaesthesia dolorosa).
Diagnostik
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Die Diagnose ist nach vorausgegangenem Zoster unkompliziert. Sie kann lediglich schwierig sein, wenn ein Zoster ohne Effloreszenzen (Zoster sine herpete) vorgelegen hat.
Neuralgie
Therapie
Definition Schmerzerkrankung mit plötzlich einschießenden Schmerzattacken im Versorgungsgebiet der betroffenen Nerven.
Therapie Genikulatumneuralgie, Glossopharyngeusneuralgie, Interkostalneuralgie, Larynxneuralgie, Neuralgie, postzosterische Trigeminusneuralgie 3
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Neuralgie, Interkostalneuralgie Interkostalnerven
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gesichert Die Prophylaxe einer Zosterneuralgie besteht in einer suffizienten virostatischen Therapie in der Frühphase einer Gürtelrose auch bei unkompliziertem Verlauf. Dazu sollte Aciclovir (Zovirax®) in einer Dosis von 5 mg/kgKG alle 8 h i. v. oder 5×800 mg p. o. über 7 Tage verabreicht werden. Alternativ kommen Famciclovir (Famvir® Zoster) 3×250 mg/die p. o., Valaciclovir (Valtrex®) 3×1000 mg/die p. o. oder Brivudin (Helpin®) 4×125 mg/die p. o. über 7 Tage in Frage. Es gibt Hinweise, dass die Häufigkeit des Auftretens einer postzosterischen Neuralgie nach parenteraler Gabe eines Virostatikums geringer ist als nach oraler Therapie.
N
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Neuralgie, Trigeminusneuralgie
1. Kotani N, Kushikata T, Hashimoto H et al. (2000) Intrathecal methylprednisolone for intractable postherpetic neuralgia. N Engl J Med 343: 1514–1519. 2. Rice AS, Maton S (2001) Gabapentin in postherpetic neuralgia: a randomised, double blind, placebo controlled study. Pain 94: 215–224.
Neuralgie, Trigeminusneuralgie
Definition Neurinome sind gutartige Tumoren, die aus den Schwann-Zellen von peripheren oder von Hirnnerven hervorgehen und dem WHO-Grad I zugerechnet werden. Maligne Schwannome sind selten.
Einleitung Zu den im Bereich der Hirnnerven lokalisierten Neurinomen, zählen insbesondere das Akustikusneurinom und das Trigeminusneurinom ( Trigeminusneurinom). Daneben werden andere zerebrale Neurinome ( Neurinom, zerebrales) und das spinale Neurinom ( Neurinom, intradurales extramedulläres) unterschieden. Neurinome der peripheren Nerven können prinzipiell in jedem Abschnitt auftreten, am häufigsten finden sie sich in den proximalen Abschnitten, bevorzugt im Plexus brachialis [1]. Das Prädilektionsalter ist das mittlere Lebensalter. Bei Auftreten im jungen Lebensalter und vor allem bei Nachweis multipler Neurinome muss an das Vorliegen einer Neurofibromatose, Typ 1 (Recklinghausen-Erkrankung) gedacht werden. 3
Literatur
Schwannom
3
Positive Effekte wurden auch bei mehr als einem Jahr therapierefraktärer postherpetischer Neuralgie von einer intrathekalen Therapie mit Methylprednisolon berichtet [1]. Dabei handelte es sich um eine randomisierte, kontrollierte Studie.
Synonyme
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empirisch
Neurinom
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Bei immunsupprimierten Patienten, Patienten älter als 50 Jahre, Patienten mit begleitender Enzephalitis oder Myelitis oder anderen komplizierten Fällen sollte auf jeden Fall parenteral mit einer Dosis von 10 mg Aciclovir/kgKG i. v. alle 8 h über 10–14 Tage behandelt werden. Die Schmerztherapie bei eingetretener Zosterneuralgie sollte möglichst früh beginnen. Mittel der 1. Wahl sind Antidepressiva (Amitriptylin 10–25 mg/die langsam steigern bis 150 mg/ die). Alternativ kommen Carbamazepin oder retardierte Opioide (z. B. Tramadol ret. 1–3× 100 mg/die) in Frage. Gute Erfolge lassen sich auch mit Gabapentin erreichen, wobei eine Wirksamkeit erst in Dosierungen ab 1600 mg/die gesehen wird. Nebenwirkungen sind Schwindel und Müdigkeit, die aber geringer sind als beim Carbamazepin [2]. Lokal können Capsaicin-Creme (0,025–0,75% ige Lösung) oder lokalanästhetische Creme für 1–3 Wochen angewandt werden. Schließlich kommen als weitere Maßnahmen Sympathikusblockaden, TENS-Therapie, eine Koagulation der „dorsal root entry zone“ oder Akupunktur in Betracht.
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Diagnostik Neben der klinischen Symptomatik mit sensomotorischen Ausfällen im Versorgungsgebiet eines Nerven oder eines Plexusfaszikels und der entsprechenden elektrophysiologischen Diagnostik ist das Kernspintomogramm diagnostisch wegweisend.
Therapie gesichert Die mikroneurochirurgische Präparation aus dem Gesunden des peripheren Nerven heraus bis zum jeweils oberen und unteren Pol des Tumors mit Resektion und Opferung des Faszikels, von dem der Tumor seinen Ausgang nimmt, erreicht funktionell gute Ergebnisse, da die segmentalen Demylinisierungen in benachbarten Faszikeln rückbildungsfähig sind [1].
Trigeminusneuralgie empirisch Bei malignen Schwannomen wird eine En-
3
Neurinom, zerebrales
Nachsorge Regelmäßige klinische und ggf. neurophysiologische Verlaufskontrollen sind erforderlich, da Rezidive auftreten können.
Literatur 1. Penkert G, Samii M (1998). Tumoren des peripheren/autonomen Nervensystems. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 306–313.
Neurinom, intradurales extramedulläres Synonyme Schwannom
Definition Neurinome im Bereich des Spinalkanals sind gutartige Tumoren, die aus den Schwann-Zellen der Nervenwurzeln hervorgehen und dem WHO-Grad I zugerechnet werden. Multiple spinale Neurinome sind pathognomonisch für die Neurofibromatose Typ1 (Recklinghausen-Erkrankung). 3
Einleitung Neurinome machen ca. 20–30% der primären spinalen Tumoren aus. Sie wachsen intradural extramedullär (selten intramedullär) und können sich durch das Foramen intervertebrale nach extraspinal als typische Sanduhrgeschwulst ausdehnen [1].
Diagnostik Kernspintomographisch sind Neurinome in der T2-Wichtung iso- bis hyperintens, sie nehmen intensiv homogen Kontrastmittel auf [1]. Bei Nachweis eines spinalen Neurinoms ist eine bildgebende Diagnostik des gesamten Spinalkanals und des kraniozervikalen Überganges
sowie des Gehirns zum Nachweis oder Ausschluss weiterer Neurinome und anderer fakultativ assoziierter ZNS-Tumoren erforderlich.
Therapie gesichert Neurinome, WHO-Grad I, können in der Regel mikroneurochirurgisch komplett reseziert werden. Solitäre Neurinome führen nach kompletter Resektion in der Regel nicht zu einem Rezidiv. empirisch Bei sehr ausgedehnten Neurinomen kann es sinnvoll sein, den Tumor unter Erhalt motorischer Fasern subtotal zu resezieren und klinisch sowie MR-tomographisch engmaschig im Verlauf zu kontrollieren [2]. Die Indikation zur chirurgischen Intervention bei Neurinomen im Rahmen einer Neurofibromatose wird nur in Abhängigkeit von der Gesamtsituation gestellt und bleibt in der Regel auf Fälle mit erheblichen neuropathischen Schmerzen beschränkt.
Nachsorge Die Tumoren können rezidivieren, insbesondere wenn eine komplette Resektion nicht gelungen ist; deshalb sind regelmäßige klinische und ggf. kernspintomographische Kontrollen erforderlich.
Literatur 1. Trappe AE, Frank AM, Grosu AL et al. (2001) Primäre Tumoren des Rückenmarks. In: Tumorzentrum München (Hrsg.) Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. Zuckschwerdt, München Bern Wien New York 147– 154. 2. Fehlings MG, Rao SC (2000). Spinal Cord and Spinal Column Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. Thieme, New York 445–464.
Neurinom, zerebrales Synonyme Schwannom der Hirnnerven
Definition 3
bloc-Resektion mit Durchtrennung und Opferung der in den Tumor einbezogenen Nerven im Gesunden oder sogar eine hohe Amputation der betroffenen Gliedmaße selbst empfohlen [1]. Ob nicht eine okkulte Metastasierung diese Maßnahme ohnehin sinnlos macht und ob zusätzliche chemotherapeutische oder strahlentherapeutische Maßnahmen aussichtsreich sind, ist völlig unklar [1].
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Neurinom
N
Neuroakanthozytose, Choreoakanthozytose
Einleitung Neurinome können grundsätzlich im Verlauf jedes Hirnnerven auftreten. Mit Ausnahme des Akustikusneurinoms und des Trigemiunusneurinoms sind Neurinome anderer Hirnnerven ohne Vorliegen einer Neurofibromatose, Typ 1 (Recklinghausen-Erkrankung) jedoch eine absolute Rarität. 3
Diagnostik Nach Zeichen einer Neurofibromatose muss beim Nachweis eines Hirnnervenneurinoms immer sorgfältig gesucht werden. 3
Therapie Die Therapie ist, wenn möglich immer die komplette mikroneurochirurgische Resektion.
Neuroakanthozytose, Choreoakanthozytose
Eine Epilepsie tritt bei einem Drittel im Verlauf auf. Im MRT zeigt sich wie bei der HuntingtonChorea eine Atrophie des Ncl. caudatus. Neuromuskuläre Störungen sind häufig vorwiegend als PNP, weniger als Amyotrophie.
Diagnostik EMG, NLG zeigt eine meist eine axonale PNP, frischer Blutausstrich (>15% Akanthozythen), CK-Erhöhung ohne Myopathie in 50% der Patienten, Kell-Antigene auf Erythrozyten Voraussetzung für die Diagnose eines McLeodSyndroms.
Therapie Eine ursächliche Therapie ist nicht bekannt. Die Therapie ist notgedrungen symptomatisch.
Neuroblastom Definition
Choreoakanthozytose
Definition Gruppe von Syndromen mit Bewegungsstörungen und anderen zentralen und peripheren Zeichen, bei denen Erythrozyten vermehrt die Stechapfelform (Akanthozyten) annehmen. Der Begriff Choreoakanthozytose wird von einigen Autoren für eine spezielle autosomal-rezessive Form vorbehalten.
Einleitung Zu der Gruppe der Neuroakanthozytose gehören die autosomal-rezessive Form (CHAC mit einem Lokus auf Chromosom 9, das X-chromosomal vererbte McLeod-Syndrom, die A-β-Lipoproteinämie ( Bassen-Kornzweig-Erkrankung) und die neuroaxonale Dystrophie (Hallervorden-Spatz). Allen gemeinsam ist das vermehrte Auftreten von Akanthozyten im Blut neben den neurologischen Zeichen. Bei der klassischen Neuro- oder Choreoakanthozytose kommt es zu psychiatrischen Auffälligkeiten, Chorea, Tics und Akinese bei einem mittleren Krankheitsbeginn um die 30. Typisch ist eine aktionsinduzierte orobukkolinguale Dystonie mit Zungen- und Lippenbissverletzung, gelegentlich mit oraler Selbstmutilation.
Neuroblastome sind embryonale Tumoren neuroektodermaler Herkunft, die eine große Variablität neuronaler Differenzierung zeigen.
Einleitung Zum olfaktorischen Neuroblastom, Esthesioneuroblastom. Das Neuroblastom der Nebenniere oder des sympathischen Grenzstrangs ist einer der häufigsten pädiatrischen Tumoren. Zerebrale Neuroblastome sind primitive neuroektodermale Tumoren (PNETs), die eine ausgeprägte neuronale Differenzierung aufweisen und stellen lediglich eine histologische Sonderform dar, neuroektodermale Tumoren, primitive (PNET). 3
Synonyme
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Diagnostik Diagnostik und Therapie sind pädiatrisch-onkologisch und nicht neurologisch. Aus neurologischer Sicht ist erwähnenswert, dass das Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom ein charakteristisches paraneoplastisches Syndrom darstellt, welches im Kindesalter in 50% mit einem Neuroblastom assoziiert ist. Deshalb muss bei Auftreten salvenartiger, regelloser sakkadischer Augenbewegungen in Verbindung mit oder ohne Myoklonien im Kindes- oder Jugendalter immer sorgfältig ein zugrunde lie-
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Neuroektodermale Tumoren, primitive (PNET)
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Neuroblastom, Esthesioneuroblastom
lastomen haben die supratentoriellen PNETs eine ungünstige Prognose, die Behandlungsergebnisse sind wesentlich schlechter [2]. Die klinische Symptomatik ist von der Lokalisation abhängig und in der Regel rasch fortschreitend als Ausdruck des aggressiven Wachstumverhaltens dieser Tumoren.
Esthesioneuroblastom
Diagnostik
gendes Neuroblastom nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.
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Neurocassavaismus (Konzo) Definition Durch Konsum der mangelhaft detoxifizierten Cassava (Maniok) ausgelöste toxische Myelopathie mit spastischer Paraparese, gelegentlich Optikusatrophie und Hörstörungen (epidemisch während Notzeiten in Ostafrika).
Kernspintomographisch lassen sich inhomogen Kontrastmittel aufnehmende große Tumoren mit Zystenbildung, Nekrosehöhlen und Kalzifizierung nachweisen. Eine kraniospinale Tumoraussaat ist häufig. Deshalb muss eine Kernspintomographie des gesamten Spinalkanales zum Nachweis oder Ausschluss liquorgener Tumorabsiedelungen durchgeführt werden [2].
Therapie gesichert
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Es gibt keine gesicherte Therapie.
Neuroektodermale Tumoren, primitive (PNET) Definition Neben den „Nicht-Kleinhirn Medulloblastomen“ werden von den meisten Neuropathologen zu dieser Tumorgruppe auch die sogenannten embryonalen Tumoren Pinealoblastome, Ependymoblastome und zerebrale Neuroblastome gerechnet. Die Tumorzellen von primitiven neuroektodermalen Tumoren (PNETs) leiten sich von pluripotenten neuroektodermalen Vorläuferzellen ab, die grundsätzlich noch die Potenz haben, sich in neurale oder gliale Zellen zu differenzieren [1]. 3
Einleitung Die PNETs sind ganz überwiegend Tumoren des Kindes- und Jugendalters; sie machen abzüglich der Medulloblastome etwa 5% aller kindlichen Gehirntumoren aus. Die zerebralen Neuroblastome sind eine Rarität und werden nach Prognose und Therapie nicht von den anderen PNETs unterschieden. Bezüglich der Pinealoblastome, Pinealistumoren. Ca. 50% der PNETs treten im Vorschulalter auf, Erkrankungsfälle im Erwachsenenalter sind extrem selten. Im Gegensatz zu den Medullob-
empirisch Eine komplette Resektion des Tumors ist selten möglich; auch gibt es in der Literatur keine abgesicherten Daten darüber, ob eine makroskopisch komplette Resektion im Vergleich zu einer inkompletten Resektion eine Verbesserung der Prognose bewirkt. In keinem Falle ist die alleinige Operation jedoch kurativ. Wegen der häufigen kraniospinalen Tumoraussaat wird neben dem Schädel mit lokalem Boost auch obligat die Neuroachse bestrahlt [2]. Auch mit dieser kombinierten Therapie ist ein längerfristiges Überleben nur bei 20% der Patienten zu verzeichnen [2]. Wie das Medulloblastom werden auch supratentorielle PNETs in Deutschland im Rahmen pädiatrischer onkologischer Therapieprotokolle postoperativ chemotherapeutisch behandelt; insgesamt ist diese Therapie jedoch ineffizienter als bei den Medulloblastomen. Patienten mit ossären Metastasen, mit Metastasen in Lymphknoten, Leber und Lunge wurden mit z. T. „heroischen“ Hochdosis-Chemotherapieschemata unter Einsatz von Knochenmark- und Stammzelltransplantation behandelt. Dabei seien 2-JahresÜberlebensfraktionen von 42% erzielt worden, die Mortalität bei dieser Behandlungsmethode lag jedoch über 10% [3] und es muss offenbleiben, ob sich solche Therapieverfahren bewähren werden.
N
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Neuroepithelialer Tumor, dysembryoblastischer
Nachsorge
Schädelkalotte kann ausgedünnt erscheinen, was für eine schon lange bestehende Läsion spricht.
Rezidive sind die Regel. In der Regel sind behandelte Kinder im Rahmen der Studienprotokolle in eine regelmäßige Nachsorge eingebunden.
Therapie
Literatur
empirisch
1. Rorke LB, Hart MN, McLendon RE (2000). Supratentorial primitive neuroectodermal tumour (PNET). In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 141–144. 2. Bode U, Fleischhack G (1998). Tumoren des Nervensystems im Kindesalter. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 342–375. 3. Finlay JL, Garvin JJ, Allen J et al. (1994) High dose chemotherapy with autologous marrow rescue in patients with recurrent medulloblastoma. Proc Am Soc Clin Oncol 13:176.
Die Therapie der Wahl ist, insbesondere bei pharmakoresistenten Epilepsien die Resektion, wobei der Eingriff dann ggf. unter epilepsiechirurgischen Bedingungen geplant und durchgeführt werden muss [2].
Einleitung DNTs sind selten. Sie betreffen ganz überwiegend das Kindes- und Jugendalter und finden sich kortikal, dort bevorzugt im Temporallappen. Sie werden deshalb durch epileptische Anfälle symptomatisch. Aufgrund ihres hohen Differenzierungsgrades, ihrer praktisch fehlenden Proliferationsneigung und der fehlenden Raumforderung ist nicht letztlich geklärt, ob es sich um eine echte glioneuronale Neubildung oder um ein Hamartom handelt [1].
Diagnostik Die Tumoren sind bildgebend heterogen, z. T. verkalkt, multizystisch, in Teilen hypodens bzw. hypointens in CT und MRT, jedoch auch Kontrastmittel aufnehmend. Die angrenzende
Neurofibromatose Definition Die Neurofibromatose Typ 1 (Recklinghausen-Erkrankung) und die Neurofibromatose Typ 2, Klinik gehören zu den Phakomatosen, d. h. zu neurokutanen Missbildungssyndromen, die familiär gehäuft vorkommen und mit Keimzellmutationen in bestimmten Genen assoziiert sind.
Einleitung Neurofibromatose Typ 1 (RecklinghausenErkrankung), Neurofibromatose Typ 2, Klinik 3
Der DNT gehört zu den glioneuronalen Tumoren und wurde 1993 in die revidierte WHOKlassifikation der Tumoren des Nervensystems aufgenommen. Er entspricht dem WHO-Grad I [1].
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Definition
1. Wiestler OD (1998). Pathologische Anatomie und WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme; Stuttgart New York 4– 47. 2. Schramm J, Kristof (1998). Neuronale und neurogliale Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 211–217.
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Dysembryoblastischer neuroepithelialer Tumor, DNT
Literatur
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Synonyme
Die Patienten werden in der Regel in spezialisierten epilepsiechirurgischen Zentren betreut. Die Tumoren zeigen selbst bei inkompletter Resektion fast nie eine Wachstumstendez. Wesentlich schwieriger ist u. U. die dauerhafte Behandlung der Epilepsie; deshalb sind regelmäßige Verlaufskontrollen erforderlich.
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Neuroepithelialer Tumor, dysembryoblastischer
Nachsorge
Neurofibromatose Typ 2, Klinik
Neurofibromatose Typ 1 (Recklinghausen-Erkrankung) Synonyme von Recklinghausen Neurofibromatose, periphere Neurofibromatose
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WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 216–218. 2. Schlegel U (1998). Gehirntumoren im Rahmen dysgenetischer Syndrome. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 285–290. 3. Stumpf DA, Alksne JF, Annegers JF (1988). Neurofibromatosis. NIH consensus development conference statement. Arch Neurol 45:575–578.
Definition
Einleitung Die Neurofibromatose Typ 1 ist mit einer Inzidenz von 1:3.000 Neugeborenen die häufigste genetische Erkrankung [2]. Klinische Manifestationen sind Cafè-au-lait-Flecken, hyperpigmentierte Hautareale unter den Achseln und in den Leisten (Freckling), Irishamartome, kutane Neurofibrome, plexiforme Neurofibrome, maligne Nervenscheidentumoren, Gliome, hier besonders Optikusgliome, selten Ependymome, Akustikusneurinome und Meningeome [2].
Neurofibromatose Typ 2, Klinik Synonyme Zentrale Neurofibromatose, bilaterale Akustikus-Neurofibromatose
Definition Die Neurofibromatose Typ 2 ist eine autosomal-dominante Erkrankung, die mit Mutationen im NF2-Gen, das auf dem Chromosom 22q lokalisiert ist, assoziiert ist [1].
Einleitung Die Inzidenz der NF Typ 2 liegt bei 1:40.000 Neugeborenen [1]. Diagnostisch ist ein bilaterales Akustikusneurinom wegweisend. Weitere Manifestationen sind Neurinome der kranialen Nerven und der spinalen Nervenwurzeln und multiple, vor allem spinale Ependymome sowie Meningeome [2]. 3
Die Neurofibromatose Typ1 ist eine autosomaldominate Erkrankung mit variabler Penetranz, die mit Keimzellmutationen im sogenannten NF1-Gen, welches für einen putativen Tumorsuppressor (Neurofibromin) kodiert, assoziiert ist [1].
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1. Mindestens 6 Cafè-au-lait-Flecken von mindestens 1,5 cm Durchmesser. 2. 2 oder mehr kutane Neurofibrome oder 1 plexiformes Neurofibrom. 3. Freckling. 4. Optikusgliom. 5. Eine für NF1 typische knöcherne Läsion. 6. Ein Verwandter 1. Grades mit NF1.
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Die Diagnose darf nach etablierten Kriterien [3] gestellt werden, wenn mindestens 2 der folgenden 6 Kriterien erfüllt sind:
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Diagnostik
Diagnostik Eine NF 2 wird diagnostiziert bei bilateralem Akustikusneurinom, bei einseitigem Akustikusneurinom und einem betroffenen Verwandten 1. Grades mit NF 2. Weitere detaillierte diagnostische Kriterien wurden etabliert [2].
Therapie Die Therapie richtet sich nach den klinischen Manifestationen.
Therapie Die Therapie richtet sich nach den Manifestationen und wird jeweils dort besprochen Neurofibrome, Neurinome, Optikusgliome, Akustikusneurinome, Meningome und Ependymome. 3
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Literatur 1. von Deimling A, Foster R, Krone W (2000). Neurofibromatosis type 1. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumors of the Nervous System.
Literatur 1. Louis DN, Stemmer-Rachamimov AO, Wiestler OD (2000). Neurofibromatosis type 2. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumors of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 219–222. 2. Schlegel U (1998). Gehirntumoren im Rahmen dysgenetischer Syndrome. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 285–290.
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Neurofibrome
und kernspintomographische Kontrollen sind erforderlich.
Neurofibrome Definition
Literatur
Neurofibrome sind benigne Tumoren der peripheren Nerven, die im Gegensatz zu Neurinomen kollagene Fasern und vermehrt Nervenfaserbündel enthalten. 3
Einleitung Solitäre Neurofibrome kommen sporadisch oder im Rahmen der Neurofibromatose Typ 1 vor. Neurofibrome bei der NF 1 sind allerdings häufig multipel, sie treten früher auf als die sporadischen Tumoren. Für die NF1 typisch sind plexiforme Neurofibrome, die zwar auf ein Nervensegment beschränkt sein können, aber „netzartig“ von zahlreichen Faszikeln ausgehen können [1] und nach Resektion des Tumors eine Tendenz zu intrafaszikulärem endoneuralem Wachstum haben [2]. Bei der NF 1 sind maligne Entartungen der Neurofibrome möglich [1]. Kutane Neurofibrome stellen keine außer einer kosmetischen Beeinträchtigung dar; sie malignisieren nie und müssen deshalb in aller Regel nicht reseziert werden.
1. Penkert G, Samii M (1998). Tumoren des peripheren/autonomen Nervensystems. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 306–315. 2. Angelov L, Guha A (2000). Peripheral Nerve Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York. 434–444.
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Therapie empirisch Die Indikation zur chirurgischen Resektion ist schwerer zu stellen als bei Neurinomen, da eine komplette Resektion mit mikroneurochirurgischen Techniken, insbesondere bei den plexiformen Neurofibromen nicht immer gelingt und außerdem zu einem größeren funktionellen Defizit führt als bei Neurinomen [1, 2]. Mitunter wird die Indikation zur OP aufgrund progredienter, unbeherrschbarer neuropathischer Schmerzen gestellt. Bei Patienten mit NF 1 besteht auf der einen Seite die Gefahr des Rezidivs nach Operation und auf der anderen Seite bei Belassung des Tumors ein Risiko von 15% der malignen Entartung [1]. Deshalb können Therapieentscheidungen nur individuell getroffen werden.
Nachsorge Regelmäßige klinische, neurophysiologische
Hilfreicher als der histologische Begriff des „Sarkoms“ ist die Beschreibung als maligner Tumor der peripheren Nervenscheide (MPNST) [1].
Definition Maligne Tumoren des peripheren Nerven mit Zeichen der Differenzierung der Nervenscheide. Die Tumoren sind in 50% mit einer Neurofibromatose Typ 1 assoziiert [1].
Einleitung Die Tumoren können sporadisch auftreten, im Rahmen einer NF 1, nach Malignisierung eines Neurofibroms oder mit einer Latenz von vielen Jahren nach Bestrahlung, z. B. der Plexusregion [1, 2].
Diagnostik 3
Klinisches Bild, Familienanamnese, neurophysiologisch topische Diagnostik und Kernspintomographie erlauben die Diagnose.
Synonyme
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Diagnostik
Neurofibrosarkom
Neurofibrom
Therapie gesichert Die Therapie ist ungesichert; die Überlebensraten sind ungünstig. empirisch Es wird von erfahrenen Zentren vorgeschlagen, bei Verdacht auf einen MPNST multiple offene Biopsien aus einem Teil des Nerventumors zu machen und die Diagnose von einem in der peripheren Neuropathologie erfahrenen Neuropathologen definitiv (nicht im Schnellschnitt) machen zu lassen. Nach Diagnosestellung soll zunächst ein Staging mit der Frage nach systemischen Metastasen durchgeführt werden. Nur
Neuroleptika
kung auf Psychosen und andere psychischen Symptome dar. Die Wirkung praktisch aller Neuroleptika ist mit einer Beeinflussung sukortikaler Zentren, besonders der Basalganlien verknüpft. Es können auftreten: Akute und tardive Dyskinesien ( Frühdyskinesien, Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive), Dopaminrezeptorblocker, Dyskinesien), pharmakogenes Parkinson-Syndrom, Gewichtszunahme, Prolaktinanstieg mit Menstruationsstörungen unter Umständen mit Galaktorrhöe, Libidoverlust, Potenzstörungen. Nicht nur bei der neuroleptischen Pharmakotherapie der Psychosen werden derartige Pharmaka eingesetzt, sondern auch bei zahlreichen anderen Indikationen. Neben ihrem Einsatz als Antipsychotika werden Neuroleptika/Dopaminrezeptorblocker beispielsweise als Tranquillantia/Anxiolytika, beispielweise Fluspirilen (z. B. als Imap®), Antiemetika/Antivertigonosa, beispielsweise Triflupromazin (z. B. Psyquil®) und Magen-Darm-Mittel (Metoclopramid). Im neurologischen Bereich erscheint daher der Begriff Dopaminrezeptorblocker präziser. Gemeinsamer Nenner dieser Pharmaka ist ein Antagonismus an zentralen postsynaptischen Dopaminrezeptoren. Clozapin: Dieses Medikament bildet die große Ausnahme unter den Neuroleptika/Dopaminrezeptorblockern, weil es praktisch kein medikamentöses Parkinson-Syndrom auslöst, und bisher nicht eindeutig mit der Induktion von tardiven Syndromen in Verbindung gebracht worden ist, trotz massiven weltweiten Einsatzes. Der große Nachteil ist das Agranulozytoserisiko von bis 2% und die damit verbundenen Blutbildkontrollen, das seine Anwendung erheblich einschränkt. Als sogenanntes „atypisches Neuroleptikum“ Clozapin wird es üblicherweise auch als frei von weiteren extrapyramidalen Wirkungen beschrieben. Es gibt aber Berichte über akute dystone Reaktionen. Auch die Inzidenz von akuter Akathisie unter Clozapin ist einer „blinden“ Studie zufolge mit konventionellen Neuroleptika vergleichbar. Unter den neueren Neuroleptika wird Quetiapin (Seroquel®) als Alternative zu dem Clozapin untersucht, was die Freiheit von EPMS-Effekten angeht. Allerdings müssen hier längere Verlaufsuntersuchungen abgewartet werden. 3
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nach Ausschluss systemischer Metastasen ist der Versuch einer operativen Resektion gerechtfertigt [3]. Diese umfasst die weite Resektion des Nerven mit angrenzenden Faszien und Muskelschichten, da die Sarkomzellen eine Tendenz haben, sich weit innerhalb der Faszien auszudehnen [4]. Eine adjuvante Strahlentherapie (und Chemotherapie) wird empfohlen [4].
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Die Tumoren rezidivieren praktisch ausnahmslos. Da in der Rezidivsituation in der Regel kein Therapieangebot mehr gemacht werden kann, ist die Notwendigkeit einer regelmäßigen Kontrolle fraglich.
Literatur 1. Woodruff JM, Kourea HP, Louis DN, Scheithauer BW (2000). Malignant peripheral nerve sheat tumour (MPNST). In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumours of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 172– 173. 2. Schlegel U (1998). Strahleninduzierte Tumoren der Nervenscheiden. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 313. 3. Angelov L, Davis A, O’Sullivan et al. (1998) Neurogenic sarcomas: experience at the University of Toronto. Neurosurgery 43:56–65. 4. Angelov L, Guha A (2000). Peripheral Nerve Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.). Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York. 434–444.
Neurolathyrismus Definition Durch chronischen Konsum der Gras- oder Kichererbse ausgelöste toxische Myelopathie mit spastischer Paraparese (verbreitet in Südasien, China, Äthiopien). 3
Neuroleptika Synonyme Dopaminrezeptorblocker, Antipsychotika
Wirkungen Neuroleptika stellen eine Gruppe von psychotropen Substanzen mit charakterstische Wir-
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Nachsorge
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Neuroleptisches Syndrom, malignes
Neuroleptisches Syndrom, malignes Definition Unter Neuroleptika auftretende schwere Komplikation, die zum einen durch Hyperthermie sowie kardiovaskuläre Zentralisation und zum anderen durch psychomotorische Zeichen wie Akinese, Stupor, muskulären Hypertonus und unterschiedlichste Dyskinesie-Formen gekennzeichnet ist.
Einleitung Leitsymptome für das maligne neuroleptische Syndrom (MNS) stellen die Hyperthermie, der Rigor und die Bewusstseinsveränderungen dar. Weitere internistische (autonome) Symptome neben der Hyperthermie sind vielfältig und können als sekundär zu den Leitsymptomen Hyperthermie und Rigor betrachtet werden. Eine durch Rigor- und/oder Hyperthermie bedingte Rhabdomyolyse kann zu einem Nierenversagen mit entsprechender Elektrolytentgleisung, Hyper- und Hypotonus und Herzrhythmusstörungen führen. Der Rigor der Brustkorbmuskulatur kann eine Hypoventilation bedingen. Lungenembolien stellen dann eine weitere Komplikationsmöglichkeit dar. Rigor der Schlundmuskulatur führt zu Dysarthrie, Dysphagie und Sialorrhöe als Folge des defekten Abschluckens von Speichel. Dies bedingt wiederum Aspirationspneumonien. Da häufig die Akinesie als Symptom beschrieben wird, wurde das maligne neuroleptische Syndrom als eine extreme Form des medikamenten induzierten Parkinson-Syndroms betrachtet. Allerdings treten aber auch hyperkinetische Formen auf mit Dystonie, Tremor, Myoklonus und Chorea auf.
Diagnostik Schwierigkeiten bereiten insbesondere jene Situationen, wo der Hintergrund einer Exposition mit Dopaminrezeptorblockern nicht bekannt ist. Dies ist der Fall bei Suizidversuchen mit Neuroleptika, bei Polytoxikomanen oder bei Kindern, die versehentlich Medikamente geschluckt haben. Ansonsten sind bei bekannter Exposition mit Dopaminrezeptorblockern klinische Situationen zu erwägen, bei denen eine Konstellation von Hyperthermie, erhöhter CK, Rigor und veränderter Bewusstseinslage denkbar erscheint.
Bei einem Patienten unter Dopaminrezeptorblockern oder einem Parkinson-Kranken mit Hyperthermie stehen differenzialdiagnostisch internistische Erkrankungen an erster Stelle. Eine metabolische Entgleisung im Rahmen eines Infekts kann auch mit Bewusstseinsveränderungen einhergehen. Ähnliches gilt auch für ein zerebrovaskuläres Geschehen, eine Medikamentenallergie, Verschlechterungen von Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder Niereninsuffizienz, sowie bei einem psychiatrischen Patienten ein Myokardinfarkt (CK-Erhöhung). Meningitiden und Enzephalitiden müssen natürlich besondere Berücksichtigung finden. Wenn der Rigor und eine Dystonie das klinische Bild bestimmen, muss an die letale Katatonie und ferner an die sehr seltene akut dystone Form eines Morbus Wilson, Polymyositis, Tetanus, Rabies und eine Strychninvergiftung gedacht werden. Bei schizophrenen Patienten bereitet die Differenzierung des Krankheitsbildes der letalen Katatonie vom MNS ein besonderes Problem. Hierzu gibt es eine Kontroverse in der psychiatrischen Fachliteratur. Von einigen Autoren wird die Meinung vertreten, dass eine Differenzierung letztendlich nicht möglich sei oder dass das MNS nur eine iatrogene Form der letalen Katatonie darstelle und damit dasselbe darstelle. Im Hinblick auf die Therapie ergeben sich jedoch wesentliche Unterschiede: Bei einer letalen Katatonie gilt das Absetzen von Dopaminrezeptorblockern als kontraindiziert, während beim MNS die Antipsychotika abgesetzt werden müssen. Für ein MNS im Gegensatz zu einer letalen Katatonie spricht nach Meinung einiger Autoren, ein kürzeres Prodromalstadium, der erkennbare Wille zu kommunizieren, im Vordergrund stehende Dyskinesien und Rigor sowie der mangelnde Erregungsszustand oder aggressiver Affekt [1]. Hitzschlag bei Patienten, die ohnehin schon aufgrund der anticholinergen Eigenschaften ihrer Medikation eine eingeschränkte Thermoregulation haben, kann die Symptome eines MNS stimulieren. Dies ist gerade an heißen, schwülen Tagen und nach körperlicher Belastung zu berücksichtigen. Neben den anticholinergen Eigenschaften vieler Neuroleptika kommt ein dopaminblockierender Effekt im tuberoinfundibulären System wahrscheinlich noch zum Tragen, der die Thermoregulation weiter aussetzt.
Neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung
empirisch Falls eine orale Medikation möglich ist, wird die Gabe von Bromocriptin als Dopaminagonist empfohlen (Tbl. 3×2,5 mg/die, um 3×2,5 mg/ die steigern bis ein positiver Effekt beobachtet wird). Bei intravenöser Therapie führen Dopaminagonisten schnell zu einer erheblichen Hypotension und da im Allgemeinen geringe Erfahrung mit ihrem intravenösen Gebrauch besteht, können Infusionen mit Amantadin-Salzen praktikabler (PK-Merz-Infusionslösung® 200 mg Amantadinsulfat in 500 ml Lösung) sein. Wesentlich ist die Gabe von Dantrolen (Dantamacrin®) 2,5 mg/kgKG als Schnellinfusion über 15 Minuten (525 ml Lösung bei 70 kg) und Fortführung der Infusion mit einer Erhaltungsdosis von 7,5 mg/kgKG über mindestens 24 Stunden und ggf. weiterhin. Da sich die maligne Hyperthermie und das MNS pathophysiologisch und in den Komplikationen sehr ähneln, wurde der Einsatz von Dantrolen beim MNS erwogen. Dantrolen hemmt die Ausschüttung von Kalzium aus
Die Mortalität ist seit der Einführung von Dopaminagonisten und Dantrolen deutlich zurückgegangen. Trotzdem wird nach der jüngsten Untersuchung hierzu noch eine Mortalität von 5% im Vergleich zu der früher beschriebenen von 20% angegeben, meist bei verschleppten Fällen.
Literatur 1. Kornhuber J, Weller M (1994). Neuroleptic malignant syndrome. Curr Op Neurol 7: 353–357.
Neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung Definition Heterogene Gruppe von Erkrankungen, bei denen die Informationsübertragung an der neuromuskulären Endplatte gestört ist.
Grundlagen Folgende Mechanismen sind bedeutsam: * Autoantikörper gegen den postsynaptischen Azetylcholinrezeptor ( Myasthenia gravis). * Antikörper gegen spannungsabhängige Kalziumkanäle ( neuromuskuläre Übertragung, Lambert-Eaton). * Antikörper gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle (Neuromyotonie, Isaacs-Syndrom) mit permanenter, stochastischer Transmitterfreisetzung, die sich klinisch in Form von schmerzhafter Muskelsteifigkeit, Muskelwogen und Krampi manifestiert und im EMG als ubiquitäre Faszikulationen, Myokymien und in Form charakteristischer hochfrequenter Entladungen fassbar ist. * Toxische Hemmung der Cholinesterase (Organophosphatintoxikation; z. B. E605) mit nachfolgender Desentisierung der Azetylcholinrezeptoren durch verlängerte Anwesenheit des Transmitters. * Ferner gibt es die Gruppe der seltenen erblichen kongenitalen myasthenischen Syndrome, bei der Funktion oder Dichte der postsynaptischen Rezeptoren oder Kanalproteine verändert ist, die Cholinesterase defekt oder 3
Die spezifische Therapie beeinhaltet die Beendigung der Zufuhr von Dopaminrezeptorblockern. Das frühzeitige Erkennen eines MNS ist wesentlich um wirkungsvolle Therapiemaßnahmen einzuleiten. Hierdurch konnte die Mortalität in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert werden. Heute tritt sie vorwiegend bei verschleppter Diagnose, hohem Alter, zusätzlichen internistischen Erkrankungen und bei eingetretenen Komplikationen im Sinne eines Nierenoder Leberversagens auf. Insbesondere ist eine kontinuierliche Überwachung der Elektrolyte und Blutgaswerte von Bedeutung. Die symptomatische Therapie richtet sich nach dem internistischen Bild mit Kühlung, Rehydrierung, Ausgleich des SäureBasen-Haushaltes mit Natriumbicarbonat-Infusionen und Stabilisierung des kardiovaskulären Systems.
Prognose
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Therapie
dem endoplasmatischen Retikulum und stellt das Standardtherapeutikum bei der malignen Hyperthermie dar.
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Im intensivmedizinischen Bereich müssen das sogenannte „zentrale anticholinerge Syndrom“ (ZAS), welches leicht mit intravenösem Physiostigmin behandelt werden kann und die maligne Hyperthermie, im Wesentlichen nach Einsatz von depolarisierenden Muskelrelaxantien und Inhalationsanästhetika erwogen werden.
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Neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis
fehlend oder die Transmitterfreisetzung beeinträchtigt ist. Nach dem jeweiligen Pathomechanismus richtet sich die Therapie. Bei den Autoimmunkrankheiten Immunsuppression, ggf. Immunmodulation sowie Tumorsuche,z. B. Thymom bei der Myasthenia gravis, Bronchialkarzinom beim Lambert-Eaton-Syndrom. Desweiteren symptomatische Therapie, um die Transmission zu verbessern: Mestinon bei der Myasthenie, dem Lambert Eaton-Syndrom und den postsynaptischen kongenitalen myasthenischen Syndromen. Zusätzlich oder als Monotherapie Guanidin-HCl oder 3,4 Diaminopyridin beim Lambert-Eaton-Syndrom und den präsynaptischen kongenitalen myasthenischen Syndromen.
Neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis
im Rahmen der Erkrankung verstorben. Auch heute können krisenhafte Verschlechterungen der Atemfunktion bzw. des Schluckens lebensbedrohend sein. Triggerfaktoren sind z. B. Infekte, Narkosen, Stress, bestimmte Medikamente, hormonelle Umstellung. Die Verlaufsbeobachtung sollte unter Anleitung eines Spezialisten erfolgen mit klinischem Monitoring von Vitalkapazität, Schluckfunktion, SimpsonTest sowie der Zeit, die Arm, Bein und Kopf gehalten werden können (z. B. Besinger-Score). Ossermann und Genkins teilen die Myasthenie in folgende Gruppen: * I Okuläre Myasthenie. * IIa Leichte generalisierte Myasthenie mit okulären Symptomen. * IIb Mittelschwere generalisierte Myasthenie mit bulbären Symptomen. * III Akute schwere Myasthenie mit bulbären Symptomen. * IV Chronische schwere Myasthenie, die sich aus den Gruppen I, IIa oder IIb entwickelt. * V Remission mit oder ohne Defekt.
Diagnostik
Synonyme Morbus Erb-Goldflam
Definition Idiopathische oder paraneoplastische Autoimmunkrankheit, bei der Antikörper gegen Azetylcholinrezeptoren (AchR) oder die Muskelrezeptor-Tyrosin-Kinase (MusK) die Signalübertragung an der neuromuskulären Endplatte beeinträchtigen.
Einleitung Klinisch stehen belastungsabhängige Paresen der betroffenen quergestreiften Muskulatur im Vordergrund. Bei der okulären Myasthenie (15%) sind die Symptome auf die äußeren Augenmuskeln und die Lidheber beschränkt, bei der generalisierten Myasthenie (85%) treten Paresen der übrigen Skelettmuskulatur hinzu. Diese können interindividuell verschiedene Betonung aufweisen (bulbär, proximal, seltener distal oder an einzelnen Extremitäten). Der Thymus spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese. Thymome sind häufig mit einer Myasthenie assoziiert. Ferner weist die Mehrzahl der Patienten bis etwa 40 Jahre eine lymphofollikuläre Thymushyperplasie auf. Vor Einführung der Immunsuppressiva sind viele Patienten mit generalisierter Myasthenie
Klinischer Nachweis belastungsabhängiger Paresen. Supramaximale 3/s-Stimulation. Pathologisches Dekrement wertvoll, jedoch weder sehr sensitiv noch spezifisch. Tensilon-Test (2 mg Edrophonium-Cl als Testdosis i. v., ggf. nach 1 min 8 mg Tensilon i. v.). Nur durchführbar, wenn Paresen klinisch beurteilt werden können. Pulsmonitoring. Bei stärkeren Nebenwirkungen umgehend 0,5 mg Atropin i. v. (muss aufgezogen bereitliegen). AchR-Ak, MusK-AK, CK, BSG, CRP, großes BB, TSH, Anti-TPO-Ak (MAK), Anti-TSHRezeptor-Ak (TRAK), ANA. In seltenen Fällen Einzelfaser-EMG. Thorax-MRT.
Therapie Immunsuppressiv, ggf. Thymektomie. gesichert Cholinesterasehemmer (Pyridostigmin). Prednison, Prednisolon. In höherer Dosierung (1 mg/ kgKG) ist initial mit einer Verschlechterung der Myasthenie zu rechnen. Ggf. Therapie auf einer Intensivstation. Azathioprin oder Methotrexat frühzeitig einsetzen. Bei Kontraindikationen gegen Glukokortikoide
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Neuromyelitis optica (Dévic-Syndrom)
oder Therapieresistenz i. v.-Immunglobuline, evtl. Plasmapherese. Bei Patienten mit generalisierter Myasthenie bis etwa 50 Jahren elektive Thymektomie nach Stabilisierung der Myasthenie. Bei Thymom stets Thymektomie.
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eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit anzustreben.
Prognose Abgesehen von schweren myasthenischen Krisen bei entsprechender Therapie und Compliance sehr gut.
empirisch Pyridostigmin initial 3×20 mg. Täglich erhöhen um 1–3×10 mg. Erhaltungsdosis von 3–4× 60 mg. Ggf. retardiertes Präparat zur Nacht. Prednisolon wenn möglich einschleichend dosieren, beginnend mit 20 mg/d. Allmählich erhöhen, bis Myasthenie gebessert oder bis 1 mg/ kgKG/d. Allmähliche Dosisreduktion. Azathioprin frühzeitig beginnen (Cave: WW mit Allopurinol). Schrittweise aufdosieren auf 2–4×50 mg/d. Einnahme mit den Mahlzeiten. Dosis so wählen, dass die Lymphozytenzahl bei 0,8–1 Gpt/l liegt. Wirkungseintritt nach 3 bis 6 Monaten. Bei Therapieresistenz oder Kontraindikationen für Glukokortikoide bzw. Immunsuppressiva ist eine Intervalltherapie mit i. v.-Immunglobulinen möglich. Thymektomie bei Patienten über 50 Jahren sowie bei Patienten mit rein okulärer Myasthenie. Nutzen der Thymektomie umstritten (ggf. aktuelle Studien heranziehen).
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Nachsorge
Einleitung
Anfangs engmaschige Verlaufsbeobachtung. Bei Stabilisierung oder Remission zunehmend längere Intervalle. Klinisches Monitoring (z. B. Besinger-Score), CK, BSG, großes BB, Kalium, Kreatinin, Transaminasen.
Die Neuromyelitis optica wurde von Dévic und seinen Mitarbeitern bereits 1894 beschrieben. Unklarheit herrscht darüber, ob die demyelinisierende Erkrankung des ZNS als Sonderform der multiplen Sklerose oder als eigenständiges Krankheitsbild aufzufassen ist. Im Gegensatz zu der MS kommen bei der Neuromyelitis optica zusätzliche Herde zu den Läsionen der Sehnerven und des Rückenmarkes in der Regel nicht vor. Als weiterer Unterschied zu der MS tritt die Neuromyelitis optica bei asiatischen und dunkelhäutigen Menschen (genetische Disposition) häufiger und mit schwereren Verläufen auf. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 30 Jahren, Frauen sind wie bei der MS häufiger betroffen.
Bewertung Die Myasthenia gravis kann heute in der Regel sehr gut behandelt werden. Krisenhafte Verschlechterungen ergeben sich vor allem bei 1. Incompliance bei Patienten in klinischer Remission unter Azathioprin. 2. Infekten. 3. Körperliche Überlastung oder 4. Lokal- oder Allgemeinanästhesie. Vor allem Patienten, deren Symptome nicht vollständig remittiert sind, erleiden Verschlechterungen bei (2), (3) und (4). Es ist daher bei zahnärztlichen und chirurgischen Eingriffen
Regelmäßige Lebensführung wichtig. Körperliche Belastung sollte den individuellen Möglichkeiten angepasst sein. Extreme körperliche Belastungen sind zu vermeiden.
Neuromyelitis optica (DévicSyndrom) Synonyme Dévic-Syndrom, NMO
Definition Die Neuromyelitis optica ist eine seltene entzündliche demyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der in engem zeitlichen Abstand eine ein- oder beidseitige Optikusneuritis sowie eine Querschnittsmyelitis auftreten.
Diagnostik Der klinische Befund ist gekennzeichnet durch eine akut bis subakut ein- oder beidseitige Optikusneuritis (u. U. Erblindung) und eine ihr vorausgehende oder nachfolgende, z. T. aufstei-
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Neuromyelitis optica (Dévic-Syndrom)
gende, meist hohe sensomotorische Querschnittssymptomatik. Optikusneuritis und Querschnittsmyelitis treten in der Regel in einem engen zeitlichen Zusammenhang auf (bis 8 Wochen). In Einzelfällen ist ein Intervall von bis zu 2,5 Jahren beschrieben worden. Die Zusatzdiagnostik umfasst als Methode der ersten Wahl die Kernspintomographie und die Liquoruntersuchung. Die Sehnerven und meistens das zervikale oder hohe thorakale Rückenmark zeigen entzündlich-ödematöse Veränderungen, die an spinale Raumforderungen denken lassen. Weitere MStypische Läsionen anderer Topographie sprechen eher gegen eine Neuromyelitis optica. In der Liquoruntersuchung findet sich je nach Schwere des Krankheitsbildes eine zum Teil deutlich ausgeprägte lymphomonozytäre Pleozytose mit wechselndem Granulozytenanteil und eine mäßige Eiweißerhöhung. Im Gegensatz zur MS lassen sich oligoklonale Banden im Liquor als Ausdruck einer autochthonen Immunglobulin-Synthese im ZNS bei der NMO nicht oder nur flüchtig nachweisen. Es gibt zahlreiche Einzelfallberichte über die Assoziation einer NMO mit Infektionen und Kollagenosen, ohne dass bisher ein Kausalzusammenhang hergestellt werden konnte.
Therapie gesichert Zur Therapie der NMO liegen keine Klasse-IStudien (prospektiv, doppelblind, placebokontrolliert) vor. empirisch Eine intravenöse Methylprednisolon-Hochdosistherapie mit 1000 m/d über 5 d hat besonders bei jüngeren Patienten Therapieeffekte gezeigt. Es liegen Berichte vor, wonach bei schweren Verläufen der Einsatz einer Plasmapherese oder von Cyclophosphamid als Monotherapie bzw. in Kombination mit Kortikosteroiden hilfreich war. Im Einzelfall sind als Schubprophylaxe Immunmodulatoren und Azathioprin mit Erfolg eingesetzt worden.
Nachsorge Da die NMO zu Rezidiven oder erneuten Verschlechterungen besonders in den ersten 6 Monaten nach Ausbruch des ersten Schubes neigt, sollten die Patienten und ihre Angehörigen entsprechend informiert werden, um gegebenen-
falls eine schnelle Therapieeinleitung sicherzustellen. Eine Rezidivprophylaxe muss im Einzelfall erwogen werden.
Bewertung Die NMO ist ein akutes und schweres Krankheitsbild mit einer großen Komplikations- und Letalitätsrate. Im Verlauf entsprechen die spinalen Veränderungen nekrotischen Herden mit konsekutiver Zystenbildung, die nicht nur die weiße sondern auch die graue Substanz betreffen.
Prognose Auch unter schneller Therapieeinleitung kommt es in 35–50% der Fälle zu letalen Verläufen. Nur ca. 30% der Patienten haben einen relativ gutartigen Verlauf mit nur geringen bleibenden Behinderungen. Nach den klassischen Kriterien ging man von einer monophasischen Erkrankung aus, zwischenzeitlich ist durch weitere Fallbereichte klar geworden, dass Rezidive auftreten können.
Literatur 1. Haase CG, Faustmann PM, Diener HC (1999). Idiopathic inflammatory demyeliniating diseases of the central nervous system: Differentiating between acute disseminated encephalomyelitis and malignant multiple sclerosis. J Clin Neurosci 6: 221–226. 2. O'Riordan JL, Gallagher HL, Thompson AJ, et al. (1996) Clinical, CSF and MRI findings in Devic's neuromyelitis optica. J Neurol Neurosurgery Psych 60:382–387. 3. Pambakain A, Akdal, G, Kennard C (1999). Neuromyelitis optica (Devic’s disease) and its relationship to MS. Inter MS J 6:91–95. 4. Stoll G, Brück W (2001). Sonderformen der Multiplen Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. (Hrsg.) Multiple Sklerose – Kausalorientierte, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin New York S. 81–90. 5. Wingerchuk DM, Hogencamp WF, O´Brien`PC, Weinshenker BG (1999). The clinical course of neuromyelitis optica (Devic`s syndrome). Neurology 53:1107–1114. 6. Zettl UK, Lehmitz R, Mix E (2003). Klinische Liquordiagnostik. De Gruyter, Berlin New York.
Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom)
Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom) Synonyme NMT, erworbene Neuromyotonie, Syndrom dauernder Muskelfaseraktivität
Definition Die Erstbeschreibung des Syndroms erfolgte durch Isaacs 1961. Die Bezeichnung Neuromyotonie führten Mertens und Zschocke ein. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, die durch spontane und kontinuierliche Hyperaktivität der Muskulatur, spontanes feines Muskelwogen (Myokymien) sowie eine dauernde spontane Aktivität der Muskelfasern und ein typisches Entladungsmuster im EMG charakterisiert ist. Die Erkrankung ist häufig mit Muskelkrämpfen und Muskelschwäche assoziiert.
Einleitung Es existieren genetisch determinierte und erworbene Formen der Neuromyotonie. Eine mit paroxysmaler Ataxie verbundene Form der Neuromyotonie ist mit dem Gen für einen spannungsabhängigen Kaliumkanal auf Chromosom 12 assoziiert. Die erworbene Form ist bei weitem die häufigere und gilt zur Zeit als ätiologisch ungeklärt. Pathogenetisch jedoch wird in erster Linie ein Autoimmunprozess mit einer Antikörperbildung gegen spannungsabhängige axonale Kaliumkanäle des peripheren Nervensystems diskutiert. Der Schädigungsort liegt vermutlich im Bereich der Nervenendigungen oder Ranvierscher Knoten, möglicherweise auch am zweiten Neuron selbst. Die Funktion der Kaliumkanäle liegt in der Kontrolle der neuronalen Erregbarkeit, sodass aus einer Schädigung eine pathologische Übererregbarkeit resultiert. Es existieren zusätzliche paraneoplastische Formen der Neuromyotonie. Eine Assoziation mit Thymomen ist häufig. Auch eine medikamenteninduzierte Form (z. B. D-Penicillamin) oder nach Herbizidexposition ist beschrieben. Eine Assoziation mit anderen immunologisch vermittelten Erkrankungen wie dem Lupus erythematodes und immunmediierten Neuropathien ist möglich.
Diagnostik Anamnese und klinische Befunde (distalbetonte oder generalisierte Muskelsteifigkeit und Muskelschwäche, zeitweise nur nach aktiver Mus-
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kelkontraktion, persistiert auch im Schlaf, verschwindet durch Curare-Applikation) sind wegweisend. Elektromyographisch zeigt sich ein charakteristisches Entladungsmuster. Es finden sich Douplets, Triplets oder multiple repetitive Entladungen mit hoher Frequenz von 40–200/s. Diese Bursts treten in unregelmäßigen Abständen auf und sind von Fibrillationen und Faszikulationen begleitet. Nach peripherer Nervenblockade ist die Beeinflussbarkeit sehr variabel. Laborchemisch findet sich meist eine leichtgradige CK-Erhöhung als Ausdruck der fortdauernden Muskelaktivität. Häufig werden ein leicht erhöhtes IgG und oligoklonale IgG-Banden im Liquor cerebrospinalis nachgewiesen. Differenzialdiagnostisch ist die Abgrenzung des Stiff-person-Syndroms und des SchwartzJampel-Syndroms (chondrodystrophische Myotonie) notwendig.
Therapie Ein symptomatischer Therapieversuch mit die Membranerregbarkeit stabilisierenden Medikamenten wie Phenytoin oder Carbamazepin ist möglich. Probatorisch kann in schweren Fällen eine Serie von Plasmaaustauschbehandlungen versucht werden, deren Erfolg nach 2–3 Wochen deutlich sichtbar sein müsste. Bei gutem Ansprechen wird im Anschluss Prednisolon (bis zu 80 mg jeden 2. Tag) sowie Azathioprin (2,5 mg/kg/d) empfohlen. gesichert Es existieren keine kontrollierten Studien zur Behandlung der Neuromyotonie. empirisch Es existieren bisher nur wenige Erfahrungen über den Nutzen einer Therapie mit intravenösen Immunglobulinen.
Nachsorge Eine Anbindung der Patienten an eine neuromuskuläre oder neuroimmunologische Spezialsprechstunde ist empfehlenswert.
Prognose Der Verlauf der Erkrankung ist sehr variabel. Eine Spontanremission ist möglich.
N
906
Neuronitis, subakute myoklonische spinale
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Grundlagen
Eine diätetische Beeinflussung der Erkrankung ist nicht bekannt.
Klinisch imponieren schlaffe, atrophische Paresen, häufig Faszikulationen und herabgesetzte oder fehlende Muskeleigenreflexe.
Literatur
Muskelatrophie, spinale (SMA)
Neuronopathie, sensible Synonyme Subakute, sensorische Neuronopathie, Ganglionitis, Denny-Brown-Syndrom
Definition Paraneoplastisches Syndrom mit Schädigung sensibler Ganglienzellen des 1. sensiblen Neurons. Die Erkrankung tritt häufig assoziiert mit anderen paraneoplastischen Syndromen im Rahmen einer paraneoplastischen Enzephalomyelitis auf. Die Symptomatik manifestiert sich subakut. Häufigster assoziierter Tumor ist das kleinzellige Bronchialkarzinom. Vorkommen auch beim Sjögren-Syndrom. 3
Neuronitis, subakute myoklonische spinale
Einleitung
Paraneoplastische Syndrome
3
Neuronitis, vestibularis Synonyme 3
Besser, da ätiologisch vielschichtig: pathie, Neuropathia vestibularis
Neuronopathie, hereditäre motorische 3
1. Isaacs H (1961). A syndrome of continuous muscle-fiber activity. J Neurol Neurosurg Psychiatry 24:319–325. 2. Kappos L, Steck AJ (1996). Immunologisch bedingte Störungen der neuromuskulären Übertragung (Myasthenia gravis, myasthenes Syndrom Lambert-Eaton). In: H. Peter, W. Pichler (Hrsg.): Klinische Immunologie, S.606–618. Urban & Schwarzenberg; München, Wien, Baltimore. 3. Mertens HG, Zschocke S (1965). Neuromyotonie. Klein. Wschr. 42:917–925. 4. Newson-Davis JM, Mills KR (1993). Immunological association of acquied neuromoytonia (Isaacs’ syndrome). Brain 116: 453–469. 5. Shillito P, Molenaar PC, Vincent A et al. (1995) Acquired neuromyotonia: Evidence for autoantibodies directed against K+ channels of peripheral nerves. Ann Neurol 38:714–722. 6. Vincent, A (1998). Antibody-mediated disorders of the neuromuscular junction: the Lambert-Eaton myasthenic syndrome, acquired Neuromyotonia, and conditions associated with antiglycolipid antibodies. In: Antel, J, Birnbaum, G, Hartung, H.-P. Clinical Neuroimmunology. Backwell Science Inc., London.
Neuro-
Klinisch bestehen asymmetrische, sensible Missempfindungen von Gesicht, Rumpf und proximalen Extremitäten. Typisch sind brennende Missempfindungen und lanzinierende Schmerzen. Im Neurostatus zeigen sich eine sensible Ataxie mit Pseudoathetose, herabgesetztem Lageempfinden und Pallhypästhesie und verminderte Muskeleigenreflexe. Auch autonome Störungen sind nicht selten.
3
Diagnostik
Neuronopathie Definition Erkrankung der Vorderhörner mit Funktionsausfall der α-Motoneurone in den befallenen spinalen Abschnitten (im Gegensatz zur Neuropathie, bei der die Nervenzellfortsätze = Axone oder ihre Myelinscheiden betroffen sind).
Diagnostisch entscheidend sind der Nachweis des assoziierten Tumors und die häufig positiven anti-Hu-Antikörper im Serum. Der Liquor zeigt oft entzündliche Veränderungen. Die Neuronopathie kann elektrophysiologisch durch den Ausfall der SEP und der sensiblen Nervenaktionspotentiale belegt werden.
Therapie Die Primärtherapie besteht in der Behandlung
Neuropathia vestibularis
des zugrunde liegenden Malignoms. Auch bei effektiver Therapie ist das paraneoplastische Syndrom jedoch häufig nicht zu beeinflussen. Therapieversuche mit Kortikoiden, Plasmaseparation, intravenösen hochdosierten Immunglobulinen, Cyclophosphamid, Ciclosporin oder anderen immunmodulatorischen Verfahren sind in der Regel nicht signifikant wirksam [1]. Lediglich bei einzelnen Patienten (<10%) mit sensibler Neuronopathie und positiven anti-HuAntikörpern wird mit Kortison oder Immunglobulinen eine signifikante neurologische Verbesserung erreicht [2]. Dieses beruht möglicherweise auf einer bei Diagnosestellung bereits irreversiblen Schädigung. In Einzelfällen können spontane Besserungen der neurologischen Symptomatik nach suffizienter Tumortherapie beobachtet werden.
Prognose Die Prognose ist ungünstig. Der typische klinische Verlauf besteht in einer Verschlechterung über Wochen bis Monate und dann zu einer Stabilisierung bei schweren neurologischen Defiziten. Die Rückbildung von erhöhten anti-HuAntikörperspiegeln korreliert nicht mit der klinischen Symptomatik.
Literatur 1. Dropcho EJ (1999) Paraneoplastic Diseases of the Nervous System. Curr Treat Options Neurol 1: 417–427. 2. Oh SJ, Dropcho EJ, Claussen GC (1997) AntiHu-associated paraneoplastic sensory neuronopathy responding to early aggressive immunotherapy: report of two cases and review of the literature. Muscle Nerve 20: 1576–1582.
907
Einleitung Klinisch tritt plötzlich ein Drehschwindel auf, der über Tage anhält und von Übelkeit, Erbrechen und einer Fallneigung zur betroffenen Seite begleitet ist. Es findet sich ein rotierender Spontannystagmus zur nicht betroffenen Seite sowie ein richtungsbestimmter Lage- und Lagerungsnystagmus.
Diagnostik Diagnostisch sollte eine kalorische Testung des Vestibularapparates erfolgen, bei der sich oft ein kompletter Ausfall des Labyrinthes zeigt. Differenzialdiagnostisch sollten zentrale vestibuläre Schädigungen, z. B. durch MS-Plaques im Hirnstamm, gegebenenfalls mittels MRT ausgeschlossen werden, falls die kalorische Testung nicht bereits eindeutige Ergebnisse liefert.
Therapie gesichert In der Akutphase bei starker Übelkeit sollte zunächst Bettruhe eingehalten werden. Antivertiginosa, z. B. Dimenhydrinat oder Sulpirid, oder Antiemetika können bei starken Beschwerden in den ersten 2–3 Tagen verabreicht werden, sollten aber dann abgesetzt werden, um die Adaptationsmechanismen nicht zu unterdrücken. Sobald vom Patienten toleriert sollten Übungsbehandlungen zur Förderung der zentralen Kompensationsmechanismen eingeleitet werden: Kopfdreh- und Kippbewegungen, Auslösen des optokinetischen Nystagmus, langsame Blickfolgebewegungen und Sakkaden, Gang- und Standübungen auf festem und weichem Untergrund.
Neuronitis vestibularis
unwirksam/obsolet Die Glukokortikoidgabe (initial 100 mg/die, über 1–2 Wochen) ist möglich, jedoch umstritten.
Definition
Prognose
Akute Schädigung des Vestibularapparates unklarer Ätiologie. Diskutiert wird eine immunvermittelte Ätiologie, z. B. eine Reaktivierung einer Herpes-simplex-Virus-Typ-I-Infektion. In einem Teil der Fälle geht ein Infekt der oberen Luftwege voraus. Letztlich ist die Ursache aber unklar. Meist ist der vordere horizontale Bogengang betroffen.
Die Prognose ist günstig. Die Mehrzahl der Patienten zeigt innerhalb weniger Tage bis zu 2 Wochen eine vollständige Rückbildung von Schwindel und Nystagmus, der schließlich nur noch bei schnellen Kopfbewegungen in Erscheinung tritt. Nach Wochen bis Monaten normalisiert sich auch die kalorische Erregbarkeit des Labyrinths. Rezidive kommen aber vor.
Neuropathia vestibularis Synonyme
N
Neuropathie
renoleukodystrophie mit Stammzell- oder Knochenmarkstransplantationen liegen vor [1, 2]. Einige Erfolge konnten hier auch mit diätetischen Therapien erzielt werden.
Neuropathie Synonyme Polyneuropathie
Prognose
3
Definition Bei der Neuropathie liegt eine Läsion der Nervenzellfortsätze peripherer Nerven (sensibel, motorisch und/oder autonom) vor. Dabei kann das Axon selber und/oder die Markscheide geschädigt sein. Im Gegensatz dazu kommt es bei der Neuronopathie zu einer Läsion der Nervenzellkörper selber (Vorderhorn, sensibles Ganglion). 3
Grundlagen Betrifft die Schädigung multiple Nerven, so spricht man von einer Polyneuropathie. 3
Neuropathie, Adrenomyeloneuropathie Synonyme
Die Lebenserwartung beträgt 5–20 Jahre nach Diagnosestellung und ist deutlich günstiger als bei der infantilen Form.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
908
Adrenoleukodystrophie
Literatur 1. Shapir E, Krivit W, Lockman L, Jambaque I, Peters C, Cowan M, Harris R, Blanche S, Bordigoni P, Loes D, Ziegler R, Crittenden M, Ris D, Berg B, Cox C, Moser H, Fischer A, Aubourg P (2000) Long-term effect of bonemarrow transplantation for childhood-onset cerebral X-linked adrenoleukodystrophy. Lancet 356: 713–718. 2. van Geel BM, Assies J, Wanders RJ, Barth PG (1997) X linked adrenoleukodystrophie: clinical presentation, diagnosis, and therapy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 63: 4–14.
Adrenoleukodystrophie (ALD)
3
Definition Bestimmter Phänotyp der X-chromosomal-rezessiv vererbten Adrenoleukodystrophie mit axonaler Neuropathie. Diese Manifestationsform macht etwa 1/4 aller Adrenoleukodystrophien aus. Der Gendefekt führt zu einer Störung der β-Oxidation von überlangkettigen Fettsäuren („very long chain fatty acids“) mit erhöhtem Serumspiegel.
Neuropathie, akute cholinerge Neuropathie Definition Akut auftretende, idiopathische Neuropathie, bei der ausschließlich cholinerge Fasern geschädigt werden. Die Erkrankung gehört zum Spektrum der akuten panautonomen Neuropathien ( Neuropathie, akute panautonome Neuropathie). Die Symptomatik tritt häufiger nach Infekten auf. Der akute Verlauf mit Nachweis entzündlicher Zellinfiltrate epineural spricht für ein entzündliches, am ehesten autoimmunes Geschehen. 3
Einleitung Klinisch imponiert neben der Neuropathie meist eine Nebenniereninsuffizienz mit Symptomen wie bei Morbus Addison. Zusätzliche Symptome des ZNS ( Adrenoleukodystrophie) können auftreten. Das Erkrankungsalter liegt wie bei der Erwachsenenform der Adrenoleukodystrophie etwa bei 28–30 Jahren. 3
Therapie Eine kausale Therapie der Adrenomyeloneuropathie existiert nicht. Symptomatisch wird die begleitende Nebenniereninsuffizienz behandelt. Vielversprechende Therapieversuche der Ad-
Einleitung Die klinische Symptomatik ähnelt der bei akuter panautonomer Neuropathie mit dem Unterschied, dass sympathische Fasern ausgespart bleiben. Hypotension und Anhidrose fehlen dementsprechend. Gastrointestinale Symptome bis hin zum Ileus können ganz im Vordergrund stehen.
3
Neuropathie, akute panautonome Neuropathie (Pandysautonomie)
Diagnostik
909
Einleitung
Die Symptomatik kann dem Botulismus ähneln. Organophosphatintoxikationen müssen ebenfalls differenzialdiagnostisch bedacht werden. 3
Therapie Die Therapie erfolgt zum einen symptomatisch. Da von einer autoimmunen Genese der Erkrankung ausgegangen wird, kann auch immunologisch, ähnlich wie beim Guillain-Barré-Syndrom, mit i. v.-Immunglobulinen oder Plasmapherese behandelt werden ( Neuropathie, akute panautonome) [2]. 3
empirisch Erste positive Fallberichte zur Immunglobulintherapie liegen vor [1].
Klinisch bestehen Xerophthalmie, Xerostomie, Pupillenstarre, aufgehobene Herzratenvariation, Blasen- und Darmfunktionsstörungen, eine schwere orthostatische Hypotension und Anhidrose.
Diagnostik Eine autonome Funktionsdiagnostik (Herzratenvariabilität, Kipptischuntersuchungen, Schweißtests) sollten zur Objektivierung und Quantifizierung der Defizite durchgeführt werden.
Therapie
Die Rückbildung der Symptome ist in der Regel protrahiert. Häufig bleiben autonome Defizite zurück.
Die Therapie der autonomen Defizite ist zum einen symptomatisch. Zum anderen kann die Behandlung in Analogie zum akuten GuillainBarré-Syndrom mittels intravenösen, hochdosierten Immunglobulinen oder Plasmapheresen durchgeführt werden.
Literatur
empirisch
Prognose
1. Heafield MT, Gammage MD, Nightingale S, Williams AC (1996) Idiopathic dysautonomia treated with intravenous immunoglobulin. Lancet 347: 28–29. 2. Low P.A. (1998) Autonomic neuropathies. Curr Opin Neurol 11: 531d–537.
Neuropathie, akute panautonome Neuropathie (Pandysautonomie)
Erste positive Fallberichte mit dramatischer Verbesserung nach einer Immunglobulinbehandlung der akuten Pandysautonomie liegen vor [1, 3]. Hinreichende Fallzahlen existieren aber, auch aufgrund der Seltenheit der Erkrankung, noch nicht. Eine klinische Verbesserung wurde ebenfalls in einem Fall mit Pandysautonomie und assoziiertem Lungenkarzinom beschrieben [2].
Definition
Prognose
Die akute panautonome Neuropathie ist eine Erkrankung mit akut oder subakut auftretender Schädigung autonomer (parasympathischer und sympathischer) Fasern. Somatische Fasern sind häufiger als vermutet zumindest subklinisch betroffen. Die Pandysautonomie ist eine vermutlich autoimmun bedingte Erkrankung, die häufig nach Infekten auftritt, und gilt als eine Seite eines Spektrums von Erkrankungen, auf deren anderer Seite das akute Guillain-BarréStrohl-Syndrom (GBS) steht. Für die autoimmune Genese sprechen auch histologisch nachweisbare perivaskuläre entzündlich Infiltrate in der Nervenbiopsie sowie die häufigen autoimmunen Symptome beim akuten Guillain-BarréSyndrom.
Der Verlauf ist in der Regel sehr protrahiert. Zu einer raschen und vollständigen Rückbildung kommt es nur selten. Häufig bleiben auch noch nach Jahren schwere Defizite zurück.
Literatur 1. Heafield MT, Gammage MD, Nightingale S, Williams AC (1996) Idiopathic dysautonomia treated with intravenous immunoglobulin. Lancet 347: 28–29. 2. Low P.A. (1998) Autonomic neuropathies. Curr Opin Neurol 11: 531d–537. 3. Smit AA, Vermeulen M, Koelman JH, Wieling W (1997) Unusual recovery from acute panautonomic neuropathy after immunoglobulin therapy. Mayo Clin Proc 72: 333–335.
N
3
910
Neuropathie, autonome
Neuropathie, autonome
Neuropathie, bei Lipidstoffwechselerkrankungen
Definition Schädigung des peripheren autonomen Nervensystems mit seinen sympathischen und parasympathischen Fasern, meist im Rahmen einer Mitbeteiligung bei sensomotorischer Polyneuropathie, seltener auch als isolierte Schädigung des peripheren autonomen Nervensystems.
Definition Bei verschiedenen hereditären Lipidstoffwechselerkrankungen treten unter anderem polyneuropathische Syndrome auf, die in der Regel durch eine Schädigung des peripheren Myelins zustande kommen. Zu diesen Erkrankungen gehören u. a. die Refsum-Erkrankung, die Fabry-Erkrankung, die metachromatische Leukodystrophie, die Bassen-KornzweigErkrankung, die An-α-Lipoproteinämie (Tangier-Erkrankung) und die Adrenomyeloneuropathie ( Neuropathie, Adrenomyeloneuropathie). Klinik und Therapie werden bei den einzelnen Erkrankungen beschrieben. 3
Grundlagen
3
3
3
3
3
Neuropathie, diabetische 3
Polyneuropathie, diabetische
Neuropathie, entzündliche/immunvermittelte 3
Die autonome Neuropathie kann Fasern betreffen, die die somatischen Nerven begleiten, oder Fasern, die zu den Viszeralorganen führen. Schädigungen der efferenten somatischen Fasern führen dabei zu Pupillenstörungen, zu trophischen Störungen mit Ödem, Ulkus und Osteoarthropathie, zur Hypo-/Anhidrosis und zu vasomotorischen Störungen mit orthostatischer Hypotonie. Sind die efferenten Fasern zu Viszeralorganen geschädigt, so resultieren kardiovaskuläre (Ruhetachykardie, Frequenzstarre), gastrointestinale (Ösophagusdystonie, Enteropathie, Gastroparese, Cholezystopathie), sekretorische (Pankreassekretionsstörungen) und urogenitale (Blasenentleerungsstörungen, erektile Impotenz, retrograde Ejakulation) Störungen. Läsionen der afferenten vegetativen Fasern führen zu fehlender Schmerzwahrnehmung bei Koronarischämie, fehlender Wahrnehmung und vegetativer Reaktion auf Hypoglykämie, Stuhlinkontinenz, fehlendem Gefühl für die Blasenfüllung und fehlendem Wehenschmerz. Zu den Polyneuropathien mit bedeutsamen Störungen des autonomen Nervensystems gehören die diabetische Polyneuropathie, das akute Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS), die akute Pandysautonomie ( Neuropathie, akute panautonome Neuropathie), die Polyneuropathie bei Amyloidose ( Polyneuropathie, familiäre Amyloidpolyneuropathie (FAP)), die Neuropathie bei akuter intermittierender Porphyrie ( Porphyrie, akute intermittierende) sowie die hereditären sensiblen und autonomen Neuropathien ( Neuropathie, hereditäre sensible und autonome (HSAN)).
Polyneuropathie, entzündliche
Neuropathie, „giant axon neuropathy“
3
3
„Giant axon neuropathy“
3
3
3
3
3
Literatur 1. Low PA, McLeod JG (1993) The autonomic neuropathies. In: Low PA (ed.): Clinical Autonomic Disorders. Evaluation and Management. Little, Brown & Comp., Boston, Toronto, London, 395–421.
Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Druckparesen (HNPP, tomakulöse Neuropathie) Definition Autosomal-dominante Neuropathie, bei der es durch eine Deletion auf dem Chromosom 17 im Bereich des Gens für das PMP 22 (peripheres Myelinprotein) zu fehlgebildetem Myelin mit einer erhöhten Empfindlichkeit der peripheren Nerven kommt [1]. Diese Deletion ist bei 90%
Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN)
aller Patienten nachweisbar. Mikroskopisch liegen „würstchenförmige“ (= tomakulöse) Myelinverdickungen vor.
911
Literatur 1. Martini R, Zielasek J, Toyka KV (1998) Inherited demyelinating neuropathies: from Gene to disease. Curr Opin Neurol 11: 545–556.
Einleitung
3
Eine spezifische kausale Therapie existiert nicht. Druckläsionen und zusätzliche Noxen für periphere Nerven müssen aber vermieden werden, sodass betroffene Patienten in dieser Hinsicht beraten werden müssen. Dieses gilt insbesondere vor Operationen, bei denen Lagerungsschäden vermieden werden müssen. Aus Gründen der Beratung ist eine genetische Diagnostik bei klinisch (noch) nicht betroffenen Familienangehörigen eines Index-Patienten sinnvoll. Bei ausgeprägteren oder persistierenden Schäden ist eine Physiotherapie sinnvoll. Fixierte Fehlstellungen müssen gegebenenfalls orthopädisch korrigiert oder mit Hilfsmitteln versorgt werden.
(CMT),
Definition Die hereditären motorischen und sensorischen Neuropathien (HMSN) werden nach Dyck klinisch in 7 Gruppen unterteilt. Dabei entspricht die HMSN 1 (genetisch CMT 1, früher hypertrophische Form) einer demyelinisierenden, meist autosomal-dominant vererbten Polyneuropathie mit unterschiedlichen Gendefekten [1]. Die HMSN 2 (genetisch CMT 2, früher neuronale Form) ist eine ebenfalls meist autosomal-dominant vererbte, aber axonale Neuropathie [1]. Die HMSN 3 entspricht der Déjerine-Sottas-Erkrankung, die HMSN 4 der Refsum-Erkrankung. Die HMSN-Gruppen 5–7 stellen hereditäre Neuropathien mit zusätzlichen Symptomen (Spastik, Optikusatrophie, Hörstörungen etc.) dar und sollten jeweils eher als HMSN 1 (oder 2) plus bezeichnet werden. 3
3
Therapie
Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Déjerine-Sottas-Erkrankung (DSS)
3
Bei einer akuten Druckschädigung finden sich elektrophysiologisch Zeichen der fokalen Entmarkung, meist Leitungsblockierungen. Die Nervenleitgeschwindigkeiten sind darüberhinaus meist leicht verzögert. Die HNPP muss von anderen hereditären Neuropathien ( Neuropathie, hereditäre motorische und sensible; Neuropathie, hereditäre sensible und autonome) und von der chronisch-inflammatorischen, demyelinisierenden Polyneuropathie abgegrenzt werden.
Synonyme 3
Diagnostik
Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN) 3
Klinisch besteht eine vermehrte Druckempfindlichkeit peripherer Nerven. Nach minimalem mechanischen Trauma kommt es zu vorübergehenden sensomotorischen Defiziten im entsprechenden Versorgungsgebiet. Prädilektionsstellen einer solchen Nervenschädigung sind die Engpassregionen (Sulcus ulnaris, N. peronaeus am Fibulaköpfchen, Plexus brachialis). Zusätzlich kann auch eine leichte persistierende sensomotorische Polyneuropathie bestehen.
Einleitung Die HMSN 1 manifestiert sich im 20.–30. Lebensjahr mit symmetrischen atrophischen Paresen der kleinen Fußmuskeln, später auch der Waden- und Handmuskeln. Die Muskeleigenreflexe fehlen früh. Typisch sind peronaeale Paresen mit Steppergang und Storchenbeinen (Wadenatrophie) sowie Hohlfüße mit Krallenzehen. Sensible Defizite sind meist nur geringer. Die HMSN 2 beginnt im 20.–40. Lebensjahr und verläuft klinisch ähnlich der HMSN 1.
Prognose Der Verlauf und die Prognose sind in der Regel günstig. Meist kommt es nach Druckschädigungen zu spontanen Rückbildungen. Gerade bei wiederholten Traumen können aber auch Nervenschäden persistieren. Nur selten kommt es zu progredienten Neuropathien.
Diagnostik Bei der HMSN 1 sind die Nervenleitgeschwindigkeiten deutlich vermindert (als Anhaltspunkt sollte die motorische Medianus-NLG <30 m/ sec sein). Genetisch findet sich bei 60–80% aller Fälle eine Duplikation des PMP22-Gens
N
Neuropathie, hereditäre sensible und autonome (HSAN)
Außer bei der Refsum-Erkrankung (HMSN 4) gibt es bei den hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien keine spezifische Therapie. Die Patienten sollten gründlich über das Krankheitsbild und den zumeist eher gutartigen Verlauf aufgeklärt werden und sollten darauf hingewiesen werden, zusätzlich Noxen peripherer Nerven zu vermeiden. Eine regelmäßige kontrollierte physiotherapeutische Übungsbehandlung sollte durchgeführt werden. Bei vorhandenen Fehlstellungen können orthopädische Korrekturen zur Verbesserung der Funktion erforderlich werden. Frühzeitig sollte auch eine adäquate Hilfsmittelversorgung erfolgen (z. B. Peronaeus-Schienen bei Fallfuß oder ergotherapeutische Hilfsmittel wie Spezialbestecke bei eingeschränkter Feinmotorik).
Prognose Die HMSN 1 ist nur langsam progredient. Der schleichende Beginn wird oft von den Patienten nicht wahrgenommen. Die Lebenserwartung ist normal. Nur wenige Patienten werden im Verlauf rollstuhlpflichtig. Der Verlauf der HMSN 2 ist eher noch günstiger als der der HMSN 1. Ein erhöhtes Risiko hinsichtlich maligner Hyperthermien besteht bei der HMSN nicht.
Synonyme HSAN Typ I (Maladie de Thévenard), Typ II ( Morvan-Erkrankung), Typ III ( Riley-DaySyndrom oder familiäre Dysautonomie) und Typ IV ( Swanson-Syndrom) 3
Therapie
Neuropathie, hereditäre sensible und autonome (HSAN)
3
auf dem Chromosom 17, aber auch Mutationen auf dem Chromosom 1 (PMP0-Gen) oder auf dem X-Chromosom (Gen für Connexin 32) kommen vor. Morphologisch (Biopsie ist seit genetischer Diagnostik oft verzichtbar!) finden sich ausgeprägte De- und Remyelinisierungen mit Zwiebelschalenformationen. Bei der HMSN 2 überwiegen morphologisch und elektrophysiologisch axonale Läsionen. Die genetische Diagnostik ist längst nicht so ergiebig wie bei der HMSN 1. Einzelne, sehr unterschiedliche Gendefekte konnten auf verschiedenen Chromosomen kartiert werden. Die diagnostische Abgrenzung zu anderen Neuropathien ist bei der HMSN 2 wesentlich schwieriger.
3
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Definition Erbliche Neuropathieformen, bei denen sensible und autonome Fasern vom Krankheitsprozess betroffen sind. Die Erkrankungen manifestieren sich entweder kongenital (Typ II–IV) oder in der 2. bis 4. Dekade (Typ I). Das fehlende Schmerzempfinden führt bei Patienten mit HSAN zu syringomyelieähnlichen Symptomen wie häufigen Verbrennungen und Verletzungen und Mutilationen [1, 2].
Einleitung Die HSAN I manifestiert sich in der 2. bis 4. Lebensdekade. Die Symptomatik betrifft vorwiegend die unteren Extremitäten und ist nur langsam progredient. Die Vererbung ist autosomal-dominant [1, 2].
Diagnostik Klinische und elektrophysiologische Diagnostik (sensible NLG, autonome Testverfahren wie Thermotest), Schweißtest.
Therapie Für die einzelnen Formen der HSAN existiert keine kausale Therapie. Die Behandlung ist symptomorientiert. Generell sollte besonderer Wert auf die Prophylaxe gelegt werden, indem Patienten zur Vermeidung von Verbrennungen und Verletzungen genau über Natur und Schwere der Erkrankung aufgeklärt werden. Bei der HSAN I ist die Prophylaxe einfacher, da die Symptomatik häufig erst im Erwachsenenalter beginnt und die oberen Extremitäten kaum mitbetroffen sind.
Prognose Die Lebenserwartung ist bei der HSAN I normal. (Weitere HSAN-Formen: siehe oben).
Literatur 1. Martini R, Zielasek J, Toyka KV (1998) Inherited demyelinating neuropathies: from Gene to disease. Curr Opin Neurol 11: 545–556.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Zur Prophylaxe von Verbrennungen und Verletzungen muss eine optische Kontrolle der Be-
Neuroprotektion
wegungen und Tätigkeiten erfolgen. Druckstellen sollten vermieden werden (auf passendes Schuhwerk achten).
Literatur 1. Berlit P (1999) Klinische Neurologie. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg. 2. Dyck PJ (1993) Neuronal atrophy and degeneration predominantly affecting peripheral sensory and autonomic neurons. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral Neuropathy. W. B. Saunders Company, Philadelphia, London, pp 1065–1093.
Neuropathie, NARP-Syndrom Definition Mitochondriale Enzephalomyopathie mit Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa (NARP) sowie mit Entwicklungsstörungen, epileptischen Anfällen, proximal betonter neurogener Muskelschwäche und dementiellem Abbau.
Einleitung Das NARP-Syndrom beruht auf einer mitochondrialen Punktmutation im ATPase-Gen. Diese Mutation wird auch bei anderen mitochondrialen Enzephalomyopathien beobachtet (z. B. Leigh-Erkrankung). Der Phänotyp richtet sich nach dem Anteil mutierter mitochondrialer DNA. 3
Therapie Enzephalomyopathien, mitochondriale.
913
Neuroplastizität, zentrale Synonyme Neuronale Reorganisation nach Läsionen des zentralen oder peripheren Nervensystems
Definition Nach neuronalen Läsionen ist auch das erwachsene Gehirn in der Lage, im Rahmen von Lernprozessen plastische Veränderungen auszubilden, die die beeinträchtigten motorischen und sensiblen Funktionen in unterschiedlichem Ausmaß kompensieren können.
Grundlagen Neuroplastizität nachgewiesen: * Nach Läsionen des peripheren Nervensystems. * Nach Läsionen des ZNS. * Durch wiederholtes Abrufen/Lernprozesse. * Im Rahmen verminderter Nutzung eines Körperteils. Mechanismen: * Stärkung oder Schwächung bestehender synaptischer Verbindungen (inhibitorische oder aktivierende Synapsen). * Ausbildung neuer synaptischer Verbindungen. * Aussprossungsvorgänge kortikokortikaler oder kortikospinaler Neurone. Bedeutung: * Schmerzwahrnehmung; nicht notwendigerweise vorteilhaft für den Patienten (z. B. Phantomschmerzen nach Amputationen). * Langfristige Verbesserung motorischer Funktionen, Kompensation motorischer Dysfunktion (z. B. nach Schlaganfall).
3
Neuropathie, periphere Polyneuropathie
Neuroprotektion
3
Synonyme Neuroprotektiva
Neuropathie, Trigeminusneuropathie Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuropathie
Definition Hierunter werden Substanzen zusammengefasst, die inhibitorisch in die Kaskade des Nervenzelluntergangs (siehe Abb. 1) nach ischämischem Schlaganfall eingreifen, die Entstehung
N
3
914
Neuroprotektion
Neuroprotektion. Abb. 1: Pathomechanismen des ischämischen Zelluntergangs – Angriffspunkt der Neuroprotektiva
Neuroradiologie, interventionelle
3
Neuroradiologie, interventionelle Definition
N
Transkutane endovaskulärere Eingriffe unter Bildwandlerkontrolle, unterschieden werden gefäßverschließende und die seltener durchgeführten gefäßerweiternden bzw. rekanalisierenden Maßnahmen.
Grundlagen Durch technische Weiterentwicklung von Katheter- und Embolisationsmaterial hat sich das Indikationsspektrum neuroradiologisch-interventioneller Maßnahmen in den letzten Jahren erheblich geändert. Hauptindikationen sind: Verschluss von AVM-(arteriovenöse Malformationen, Angion) mit Gewebeklebern, Partikeln und Platinspiralen, Verschluss intrakranieller Aneursymen mit Platinspiralen, präoperative Devaskularisation gefäßreicher Tumoren ( Meningeome, Glomus-jugulare-Tumoren), lokale Thrombolyse bei akuter IschäPTA mie, Dilatation von Gefäßstenosen, (perkutane transluminale Angioplastie). 3
Zunkunftsausblick: Kombination verschiedener Neuroprotektiva. Man hofft dadurch, das sog. „therapeutische Fenster“ für Verfahren wie die systemische intravenöse Thrombolyse zu vergrößern.
3
1. Kalziumantagonisten: * Hemmung der neurotoxischen Wirkung hoher extrazellulärer Kalziumkonzentrationen nach Gewebsuntergang. * Hemmung der Entstehung von „spreading depression“-Wellen. * Beispiel: Nimodipin. * Glutamat-Rezeptorantagonisten: Hemmung exzitatorischer Aminosäuren. 2. Glycin-Rezeptorantagonisten: * Hemmung exzitatorischer Aminosäuren. 3. Natrium-Kanalblocker: * Hemmung einer Membrandepolarisation. 4. Kalium-Kanalöffner: * Hemmung einer Membrandepolarisation. 5. Radikalfänger: * Neutralisierung toxischer Sauerstoffradikalverbindungen. 6. Inhibitoren der ischämieinduzierten Proteinsynthese (Hemmung der Apoptose-Kaskade): * Caspase-1 und Caspase-3-Inhibitoren.
3
Trotz zahlreicher vielversprechender tierexperimenteller Ergebnisse, hat sich keine der bislang getesteten Substanzklassen in der klinischen Prüfung bewährt. Zum einen aufgrund intolerabler kardiovaskulärer oder neurologisch-psychiatrischer Nebenwirkungen, zum anderen durch nicht aureichende Wirksamkeit. Substanzklassen mit unterschiedlichen Angriffpunkten:
Das Aufgabenfeld der klinischen Neuropsychologie liegt in der Diagnostik und Therapie neuropsychologischer Funktionsstörungen bei hirngeschädigten Patienten. Ursprünglich hat sich die klinische Neuropsychologie aus der klassischen Hirnpathologie mit ihrer Lehre der „Hirnwerkzeugstörungen“ entwickelt, hierzu gehörten die Aphasie (Störung der Sprache), die Apraxie (Störung bei der Ausführung von Handlungen, Gesten und Zweckbewegungen) und die Agnosie (Störung des Erkennens vertrauter Objekte). Hinzu kamen noch Störungen der Orientierung, Körperschematastörungen und Neglekt-Phänomene. Die Störungen sollen durch Läsionen bestimmter Großhirnareale hervorgerufen sein und die Kenntnis von Lokalisations- und Funktionszusammenhängen sollen aus der Art der Leistungsausfälle auf den Ort der Hirnerkrankung schließen lassen. 3
Grundlagen
Grundlagen
3
und Wirkung toxischer Radikale verhindern und dadurch neuroprotektiv wirken sollen. Pathomechanismen des ischämischen Zelluntergangs – Angriffspunkt der Neuroprotektiva
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3
3
3
3
Die Neuropsychologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den zentralen Grundlagen des menschlichen Verhaltens und Empfindens beschäftigt.
3
Definition
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Neuropsychologische Störungen
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Neurotmesis
Neurotmesis Definition Traumatische Nervenschädigung mit Unterbrechung von Axon und Hüllstrukturen mit nachfolgender Waller-Degeneration.
2. Schramm J, Kristof RA (1998). Neuronale und neurogliale Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 211–217.
Neutralfettleukodystrophie
3
Synonyme
Neurozytom Synonyme Zentrales Neurozytom
Orthochromatische (sudanophile) Leukodystrophie, OLD
Definition
Das zentrale Neurozytom ist gutartiger Tumor mit uniformen Zellen neuronaler Differenzierung, der intraventrikulär (oft benachbart zum Foramen Monroi) lokalisiert ist und dem WHO-Grad I zugerechnet wird [1].
Die Neutralfettleukodystrophie ist ein Untertyp der OLD. Die Gruppe der OLD umfasst degenerative ZNS-Erkrankungen. Sie stellt morphologisch eine nichtentzündliche diffuse Entmarkung mit orthochromatischem Abbau ohne Bildung von sudanophilen Abraumzellen ohne Globoidzellen oder abnormen Stoffspeicherungen dar.
Einleitung
Einleitung
Es handelt sich um einen seltenen Tumor des Jugend- und jungen Erwachsenenalters mit günstiger Prognose nach operativer Resektion.
Bei den Kindern setzen Frühsymptome mit psychomotorischer Entwicklungsverzögerung und Verlust bereits erworbener Fähigkeiten ein. Später entwickelt sich ein ähnlicher Verlauf wie bei den metachromatischen Leukodystrophien. Erwachsene zeigen ein hirnorganisches Psychosyndrom und bilden eine Demenz aus.
Definition
Diagnostik Der Tumor wird durch eine Liquorabflussbehinderung symptomatisch. Computertomographisch und kernspintomographisch zeigt sich ein oft großer, scharf berandeter, z. T. verkalkter, Kontrastmittel aufnehmender intraventikulärer Tumor [2].
Therapie gesichert Die Therapie der Wahl ist die komplette operative Resektion. Auch nach inkompletter Resektion sind langjährige stabile Verläufe beschrieben [2].
Nachsorge Nach inkompletter Resektion sind regelmäßige kernspintomographische und klinische Kontrollen erforderlich.
Literatur 1. Figarella-Branger D, Söylemezoglu F, Kleihues P, Hassoun J (2000). Central neurocytoma. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumours of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 107–109.
Diagnostik Zur Diagnosesicherung trägt nur die autoptische Untersuchung bei, während Blut, Liquor, EEG, ophthalmologische Untersuchung und die zerebrale Bildgebung unspezifische Befunde ergeben.
Therapie Es ist keine kausale Therapie bekannt.
Nicotinamid, Mangel Synonyme Niacin-Mangel
Einleitung Dieser Vitaminmangel kann bei maisbetonter Ernährung (Südamerika) oder bei Proteinmangelernährung auftreten. Klinisch stehen bei der Pellagra eine symmetrische Dermatitis, eine
Nifedipin
Substituiert wird mit 10 mg/d und eine Ernährungsumstellung vorgenommen.
Nidus, Angiom
3
Therapie
3
Nicotinamid kann in Plasma und Urin bestimmt werden.
3
Diagnostik
dität, zerebellärer Ataxie und mentaler Retardierung bis zur Demenz. Frühzeitig auch Zeichen der Polyneuropathie. Im Verlauf Verlust der Hör- und Sehfunktionen, Krampfanfälle. 3
übermäßige Lichtempfindlichkeit und eine häufige Diarrhoe im Vordergrund. Neurologische Symptome sind schmerzhafte Parästhesien, Polyneuropathien, zerebrale Anfälle, extrapyramidal-motorische Symptome, zerebelläre Ataxie, Verwirrtheit- und psychotische Zustände.
917
Diagnostik 1. Typ I: Röntgenthorax: Getüpfeltes Bild (der Miliartuberkulose ähnelnd) durch abgelagerte Speicherprodukte. Funduskopisch bei etwa 50% kirschroter Fleck der MakulaNachweis von Schaumzellen im Knochenmarkpunktat, Lymphozytenvakuolen im peripheren Blut und Nachweis der fehlenden Sphingomyelinase. 2. Typ II: Biochemischer Nachweis des defekten intrazellulären Cholesteroltransports in Fibroblasten und Chorionzotten bei Typ II.
Definition Unmittelbarer Bereich der arteriovenösen Fistelverbindung bei arteriovenösen Malformationen.
Therapie Keine kausale Therapie bekannt.
3
Prognose Grundlagen Die Kurzschlussverbindung kann aus einem schwammartigen Netz feiner Gefäße bestehen (plexiformer Nidus). Bei einem fistulösen Nidus besteht eine großkalibrige Verbindung zwischen Arterie und Vene.
Bei schweren Verlaufsformen sterben die Kinder häufig früh, bei später klinischer Manifestation im Kindesalter tritt der Tod meist vor dem 20. Lebensjahr ein.
Nifedipin Niemann-Pick-Erkrankung Synonyme Sphingomyelinose, Sphingomyelin-Lipidose
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Adalat® 5/10 Kps., Eins 30/60 Manteltbl., - pro infusione, - retard/-SC Retard Tbl., Rapid Retard Tbl.; Aprical® 10, retard, Lösg., - long.
Definition Autosomal-rezessiv vererbte Fettspeicherkrankheit mit Ablagerung von Sphingomyelinen in endothelialen, mesenchymalen und parenchymalen Zellen (Niemann-Pick-Zellen).
Einleitung Die vor allem bei Ashkenazi-Juden auftretende Erkrankung beruht auf einem Mangel an Sphingomyelinase (Typ I) bzw. einem gestörten intrazellulären Cholesteroltransport (Typ II). Die klinische Manifestation erfolgt meist im 1. Lebensjahr mit Hepatosplenomegalie, Verzögerung der psychomotorischen und geistigen Entwicklung mit progredienter Spastik, Rigi-
Wirkungen Nifedipin ist ein Calciumantagonist vom 1,4Dihydropyridin-Typ, der hochspezifisch mit Rezeptorbindungsstellen interagiert, die mit den Calciumkanälen assoziiert sind. Die therapeutische Wirksamkeit von Nifedipin bei koronarer Herzkrankheit und Hypertonie beruht darauf, dass der Einstrom von exogenem Calcium in die glatten Gefäßmuskelzellen verhindert wird. Nifedipin inhibiert nicht nur Kontraktionen, die durch Kaliumdepolarisation induziert werden, sondern in höheren Konzentrationen auch die tonische Phase von Kontraktionen, die durch Agonisten wie z. B. Noradrenalin,
N
3
918
Nifedipin
Histamin, Serotonin, Acetylcholin, Angiotensin II und PGF2α vermittelt sind. Akute systemische Gabe von Nifedipin führt zu einer ausgeprägten koronaren Vasodilatation, zu einer Senkung des peripheren Widerstands assoziiert mit einer geringfügigen Reflexaktivierung des Sympathikus, einer Herzfrequenzsteigerung und einer Steigerung des Herzzeitvolumens. Nach mehrwöchiger Therapie kehren jedoch die Konzentration von Noradrenalin im Plasma und die Herzfrequenz wieder auf die Ausgangswerte zurück, begleitet von einem weiteren Blutdruckabfall. Die blutdrucksenkende Wirkung ist dabei positiv mit dem Alter und der Noradrenalinkonzentration, aber negativ mit der Reninaktivität im Plasma korreliert. Bei Patienten mit einer schweren Hypertonie zeigt sich unter Nifedipin-Langzeittherapie eine Senkung des Blutdrucks, eine deutliche Reduktion der linksventrikulären Herzhypertrophie sowie eine Normalisierung der erhöhten ANP-Plasmaspiegel. Eine kardioprotektive Wirkung von Nifedipin und eine plättchenaggregationshemmende Wirkung werden bei der Therapie der koronaren Herzkrankheit genutzt.
Resorption Nifedipin wird nach peroraler Nüchterneinnahme rasch und nahezu vollständig über die Schleimhäute des gesamten Gastrointestinaltrakts resorbiert. Nifedipin unterliegt einem First-pass-Effekt in der Leber, so dass die systemische Verfügbarkeit bei 45–68% liegt. Nifedipin wird zu ca. 95% an Plasmaeiweiß (Albumin) gebunden. Die nicht an Serumproteine gebundenen Anteile diffundieren schnell in alle Organe und Gewebe. Die Passage der BlutHirn-Schranke ist kleiner als 5% und eine Plazentagängigkeit ist wahrscheinlich. Nifedipin geht in die Muttermilch über.
Elimination Nifedipin wird nahezu vollständig vor allem über oxidative Prozesse in der Leber metabolisiert und wird in Form seiner Metaboliten vorwiegend renal ausgeschieden, etwa 5–15% werden über die Galle mit den Faeces ausgeschieden. Die terminale Halbwertszeit beträgt 1,7– 3,4 h bei nicht-retardierten Zubereitungen, 5,9–10,8 h bei retardierten und 3,7–4,3 h bei Rapid-Retardzubereitungen.
Anwendungsgebiete Dauerbehandlung der koronaren Herzkrankheit. Therapie der Hypertonie, der hypertensiven Krise und des Raynaud-Syndroms.
Dosierung und Art der Anwendung Die durchschnittliche Dosis zur Dauerbehandlung der koronaren Herzkrankheit beträgt p. o. 15–30 mg/Tag und kann, falls erforderlich, auf 60 mg/d gesteigert werden. Zur Behandlung der Hypertonie beträgt die übliche Dosis 30– 60 mg/d.
Unerwünschte Wirkungen Insbesondere zu Beginn der Behandlung kann es zu vorübergehenden Kopfschmerzen, Wärmegefühl, Schwindel, Müdigkeit und gelegentlich zu Parästhesien kommen. Gelegentlich können Tachykardie, Palpitationen sowie aufgrund der Vasodilatation Unterschenkelödeme, Gesichtsrötung (Flush) und eine hypotone Kreislaufreaktion auftreten. In seltenen Fällen kommt es zu Übelkeit und Diarrhoe. In Einzelfällen kann es zu Leberfunktionsstörungen (Transaminaseanstiege, intrahepatische Cholestase) kommen, die sich nach Absetzen des Arzneistoffs zurückbilden. Selten werden Pruritus, Urticaria oder Exantheme beobachtet.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Alle Nifedipin-Formulierungen dürfen nicht bei kardiogenem Schock, während der Schwangerschaft und in der Stillzeit angewendet werden. Vorsicht ist geboten bei ausgeprägt niedrigem Blutdruck und dekompensierter Herzinsuffizienz.
Wechselwirkungen Der blutdrucksenkende Effekt von Nifedipin kann durch andere blutdrucksenkende Arzneistoffe verstärkt werden. Bei gleichzeitiger Anwendung von Nifedipin und β-Rezeptorenblockern ist eine sorgfältige Überwachung der Patienten angezeigt, da es zu einer stärkeren Blutdrucksenkung kommen kann; auch wurde in Einzelfällen die Verstärkung einer Herzinsuffizienz beobachtet. In Einzelfällen wurden bei gleichzeitiger Einnahme von Nifedipin und Chinidin niedrigere als der Dosis entsprechende Chinidinspiegel bzw. nach Absetzen von Nifedipin ein deutlicher Anstieg des Chinidinplasmaspiegels beobachtet. Die gleichzeitige Gabe von Nifedipin und Digoxin kann zu einer Er-
Nimodipin
höhung des Digoxinplasmaspiegels führen. Cimetidin und in geringem Ausmaß Ranitidin können zu einer Erhöhung des Nifedipinplasmaspiegels und somit zu einer verstärkten Blutdrucksenkung führen.
*
919
Durch Blockade des Kalziumeinstroms in glatte Muskelzellen kommt es zur: – Dilatation zerebraler und systemischer Gefäße. – Reduzierter Kontraktilität des Myokards.
Pharmakologische Daten *
NIHSS („National Institutes of Health Stroke Scale“)
* *
Definition
Grundlagen * * * * *
* *
Bewertung: sehr häufig angewandte Skala mit hoher Validität. Unterteilung: 11 Kategorien mit insgesamt 42 Punkten. Einschätzung sowohl des akuten Defizits als auch zur Verlaufskontrolle geeignet. Der initial erreichte Punktwert ist ein relativ zuverlässiger prognostischer Parameter. Zum suffizienten Gebrauch mit guter „interrater rediability“ ist ein Anwendungstraining notwendig. Ein neurologischer Normalbefund entspricht 0 Punkten. Die maximal erreichbare Punktzahl beträgt 40 (siehe Tab. 1).
Nimodipin Zubereitungen Tablettenform: Filmtabletten à 30 mg. Infusionslösung: 10 mg in 50 ml Lösung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Nimotop® S-Filmtabletten, Nimotop® S-Infusionslösung.
Wirkungen *
*
Nimodipin ist ein Kalziumantagonist aus der Gruppe der Dihydropyridine (NifedipinTyp) mit Wirkung auf das Myokard und den Gefäßtonus. Keine Wirkung auf das Erregungsbildungsund leitungssystem (Sinusknoten/AV-Knoten).
Anwendungsgebiete *
Prävention des symptomatischen Vasospasmus nach Subarachnoidalblutung (SAB): – Therapiebeginn: Mit dem Aufnahmetag. – Therapiedauer: 14–21 Tage. Verbesserung altersbedingter Hirnleistungsstörungen, sog. „zerebrovaskuläre Insuffizienz“: – Wirksamkeit umstritten. 3
Klinisch-neurologische Defizit-Skala zur Beurteilung und Verlaufskontrolle der Schwere von Funktionsstörungen nach einem Schlaganfall.
Eliminationshalbwertszeit: 5 Stunden. Bioverfügbarkeit bei oraler Applikation: 10– 15%. Lichtempfindliche Substanz: Lichtgeschützte Lagerung, Infusion über Perfusor mit lichtgeschützter Spritze und Infusionsschlauch.
*
Dosierung/Anwendung Orale Anwendung: * SAB, bei wachen, schluckfähigen Patienten: – Einschleichende Behandlung mit 60 mg alle 4–6 h. – Engmaschiges Monitoring von Blutdruck, Herzfrequenz und intrakraniellen Flussgeschwindigkeiten (transkranieller Doppler). Intravenöse Anwendung: * SAB mit Vigilanzminderung oder intubiertem, analgosedierten Patienten. * Gabe nur über zentralvenösen Katheter in lichtgeschütztem Infusionssystem. * Einschleichend 1 mg/h in den ersten 6 Stunden, danach Erhöhung auf 1,5 mg/h für weitere 6 Stunden, dann 2 mg/h Erhaltungsdosis. * Engmaschiges, invasives Monitoring von Blutdruck und zentralvenösem Druck (Cave: Blutdruckabfall) sowie der intrakraniellen Flussgeschwindigkeiten. * Bei Blutdruckabfall (<130 mmHg) Reduktion der Dosis bzw. Abbruch der Therapie. Sowohl bei oraler als auch intravenöser Gabe kein abruptes Absetzen, sondern jeweils ausschleichend.
N
920
Nimodipin
NIHSS („National Institutes of Health Stroke Scale“). Tab. 1: Klinisch-neurologische Beurteilung von Funktionsstörungen nach Schlaganfall Befunde
Punktezahl
1.a Bewusstsein Wach
0
Somnolent
1
Soporös
2
Komatös
3
1.b Orientierung Monat, Alter richtig beim ersten Versuch
0
Eins richtig bzw. intubiert, schwer dysarthrisch oder Sprachbarriere
1
Keins richtig, aphasisch oder komatös
2
1.c Kommandobefolgung (2 Kommandos geben: Augen auf/zu, Hand geben)
2
3.
Befolgt beide Aufforderungen
0
Befolgt eine Aufforderung
1
Befolgt keine Aufforderung oder komatös
2
Blick Normal
0
Isolierte periphere Parese (HN III, IV, VI) oder überwindbare Blickdeviation
1
Fixierte Blickdeviation
2
Gesichtsfeld Normal
4.
0
Quadrantenanopsie/Auslöschungsphänomen
1
Komplette Hemianopsie
2
Blindheit
3
Mimische Muskulatur Normal
0
Geringe zentrale Parese, verstrichene Nasolabialfalte
1
Deutliche zentrale Parese oder Paralyse
2
Beidseitige oder periphere Parese oder Koma
3
5.a Armvorhalteversuch betroffener Arm 10 Sek. normal gehalten
0
Langsames, unvollständiges Absinken
1
Schnelles, vollständiges Absinken
2
Herabfallen
3
Keine Bewegung oder Koma
4
Nicht beurteilbar
9*
5.b Armvorhalteversuch nicht betroffener Arm 10 Sek. normal gehalten
0
Langsames, unvollständiges Absinken
1
Schnelles, vollständiges Absinken
2
Herabfallen
3
Keine Bewegung oder Koma
4
Nimodipin
921
NIHSS („National Institutes of Health Stroke Scale“). Tab. 1: Klinisch-neurologische Beurteilung von Funktionsstörungen nach Schlaganfall (Fortsetzung) Befunde
Punktezahl
Nicht beurteilbar
9*
6.a Beinvorhalteversuch betroffenes Bein 5 Sek. möglich
0
Langsames, unvollständiges Absinken
1
Schnelles, vollständiges Absinken
2
Herabfallen
3
Keine Bewegung oder Koma
4
Nicht beurteilbar
9*
6.b Beinvorhalteversuch nicht betroffenes Bein
7
8.
9.
5 Sek. möglich
0
Langsames, unvollständiges Absinken
1
Schnelles, vollständiges Absinken
2
Herabfallen
3
Keine Bewegung oder Koma
4
Nicht beurteilbar
9*
Extremitätenataxie Keine Ataxie, Patient versteht Übung nicht
0
Eine Gliedmaße ataktisch
1
Zwei Gliedmaße ataktisch
2
Nicht beurteilbar
3
N
Sensibilität Normal
0
Hypästhesie
1
Anästhesie oder Koma
2
Sprache Normal
0
Wortfindungsstörungen, leichte Aphasie
1
Deutlich gestörte Konversation, deutlich reduzierte Sprachproduktion
2
Globale Aphasie, Patient stumm oder komatös
3
10. Dysarthrie Keine Dysarthrie
0
Dysarthrisch, gut verständlich
1
Dysarthrisch, kaum verständlich
2
Nicht beurteilbar
9*
11. Neglect Nicht vorhanden
0
Neglect einer Sinnesmodalität
1
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Ninhydrintest, nach Moberg
Unerwünschte Wirkungen
Einleitung
Unter anderem (s. auch Fachliteratur): * Überschießende Blutdruckabfälle. * Reflektorische Tachykardien. * Leberenzyminduktion (regelmäßige Kontrollen). * Kopfschmerzen. * Flush, Wärmegefühl.
Typischerweise bilateral mit frontaler Betonung; pulsierender, pochender Charakter. Zunahme bei körperlicher Betätigung. Auslösung durch nitrathaltige Medikamente (Nitrolingual®, Ismo® usw.) oder gepökelte Speisen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Unter anderem (s. auch Fachliteratur): * Vorsicht bei erhöhtem Hirndruck (aufgrund der Vasodilatation kommt es zur Zunahme des intrakraniellen Blutvolumens und dadurch zum Anstieg des Hirndrucks). * Hypotension. * Schwangerschaft. * Herzinsuffizienz.
Wechselwirkungen Unter anderem (s. auch Fachliteratur): Verstärkung der blutdrucksenkenden Wirkung anderer antihypertensiver Substanzen. Überschießende Blutdruckabfälle auch bei Kombination mit Nitraten.
Bewertung In prospektiven Studien konnte gezeigt werden, dass durch die Gabe von Nimodipin die Morbidität und Letalität der SAB gesenkt werden kann.
Ninhydrintest, nach Moberg Grundlagen Sudomotorischer Funktionstest: Nach Stimulation des sudomotorischen Systems erfolgt ein Abdruck der interessierenden Körperregion auf Papier, die Schweißsekretion wird durch Besprühen mit Ninhydrinlösung nachgewiesen.
Nitrat-/Nitritkopfschmerz
Therapie Bei Auslösung durch nitrathaltige Präparate ggf. Umsetzen der Therapie in Absprache mit dem Kardiologen. Vermeiden auslösender Nahrungsmittel.
Nitrofurantoin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Furadantin® retard, RP Kps.; Nifurantin® Drg.; Urospasmon® Filmtbl.; Uro-Tublinen®.
Wirkungen Nitrofurantoin ist bakteriostatisch wirksam. Es besitzt Wirkungslücken insbesondere gegen Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp., z. T. auch Proteus spp. Im Vergleich zu modernen Harnwegsantiseptika bzw. - chemotherapeutika geringe Aktivität.
Resorption Hauptresorption im Dünndarm, wenig aus Colon und Rektum; nach p. o. Gabe 95% Resorption, davon im Harn 36–47%, nach i. m. Injektion 49%, nach i. v. Infusion 60% der Dosis im Harn. Unterliegt enterohepatischem Kreislauf (ca. 1/3 der mit der Galle ausgeschiedenen Menge wird im Dünndarm resorbiert). Plasmaproteinbindung durchschnittlich 50%. Die Konzentration Im Liquor entspricht etwa 10% der Serumkonzentration. Nach p. o. Gabe von 100 mg wirksame Harnspiegel 4,7– 5,5 h lang, von 50 mg 0,49–3,9 h lang.
Elimination
Hotdog-Kopfschmerz
Die Plasmahalbwertszeit liegt bei etwa 20 min, bei Neugeborenen bei 270 min. Gesamtausscheidung zu 95% renal, 5% fäkal mit Ausscheidungsmaximum nach 3–4 h bzw. 5,5 h.
Definition
Anwendungsgebiete
Innerhalb 1 h nach Aufnahme von Nitrat/Nitrit einsetzender Kopfschmerz.
Durch die Einführung moderner Harnwegsantiseptika bzw. - chemotherapeutika einerseits,
Synonyme
Nootropika
Dosierung und Art der Anwendung Erwachsene p. o. 200–400 mg/d, bei Singledose Anwendung 200 mg; Kinder 5 mg/kg KG/d (3–5 Einzeldosen) für 10 Tage. Einnahme nach den Mahlzeiten, Alkohol vermeiden.
Unerwünschte Wirkungen Im Zeitraum von 1966–1976 in Schweden auf Rang 1 aller Arzneistoffe bei Meldung an unerwünschte Wirkungen (Anteil 10–12%), 71% davon erforderten stationäre Behandlung, 1% letaler Ausgang. Anaphylaktischer Schock, Arzneimittelfieber allergische Hautrekationen (Exanthem, Pruritus, Fieber, Eosinophilie). Am häufigsten sind gastrointestinale Störungen mit Übelkeit, Erbrechen, gelegentlich Diarrhoe. Gelegentlich Polyneuropathie mit Paresen (Demyelination, Degeneration). Die Symptomatik beginnt im Allgemeinen innerhalb der ersten 45 Behandlungstage; Ursache ist evtl. Akkumulation toxischer Metaboliten. Reversible hämolytische Anämie bei Glukose-6-phosphatDehydrogenasemangel, selten MegaloblastenAnämie, aplastische Anämie, Agranulozytose, Thrombopenie, Leukopenie. Toxische Hepatose, verringerte Spermienzahl und Spermatozoenbeweglichkeit, Lupus like-Syndrom mit rash, Arthralgien und Eosinophilie. Kleinhirnschädigung
stärkung durch Gallensäuren und Lysozym; Inkompatibilität mit Nalidixinsäure, Vitamin BKomplex, Vitamin C, Ringer-Lactat-Lösung; Einzelbeobachtung einer Interaktion mit Diphenylhydantoin mit erhöhter Anfallsaktivität; Verstärkung von Phenacetin-Nebenwirkungen; Resorptionsverminderung durch Mg-Salze.
Nitrofurantoin, Kleinhirnschädigung Definition Durch Nitrofurantoin ausgelöste Kleinhirnschädigung. Ähnlich wie Alkohol führen eine Vielzahl von Pharmaka (Benzodiazepine, Barbiturate, Antiepileptika, Zytostatika, Lithium und auch Nitrofurantoin) nicht nur bei Überdosierung zu einem reversiblen zerebellaren Syndrom mit Gang- und Standataxie, Dysarthrie und Störungen der Okulomotorik.
Therapie Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die sofortige Beendigung der Exposition.
N Nonne-Pierre-Marie-Erkrankung Definition Früher gebräuchliche Bezeichnung für die spinozerebellare Ataxie, die zwischenzeitlich auch autosomal-dominante Ataxie hieß und die die multiple Systematrophie vom zerebellaren Typ, die olivopontozerebellare Atrophie, mit einschloss. 3
seine möglichen schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen und toxischen Eigenschaften andererseits hat Nitrofurantoin an Bedeutung verloren und wird als Mittel zweiter Wahl eingestuft. Indikationsgebiet: Harnwegsantiseptikum. Therapie unkomplizierter unterer Harnwegsinfektionen wird wegen geeigneter Alternativen als Behandlungsfehler eingeschätzt!
923
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Niereninsuffizienz; Neuropathien, Kleinhirnerkrankungen, allergische Lungenerkrankungen, Lungenfibrose; Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase-mangel, hämolytische Anämie; akute und chronische Hepatitis; bekannte Nitrofurantoinhypersensitivität. Falsche Indikation: Harnwegsinfektion mit Parenchymbeteiligung und/ oder Bakteriämie (z. B. akute Pyelonephritis, Urethritis und Prostatitis); Erregerresistenz.
Wechselwirkungen Additivität mit Sulfanilamiden; Wirkungsver-
Nootropika Synonyme Antidementiva, „cerebral enhancers“
Zubereitungen Eine ganze Reihe von unterschiedlichen Substanzklassen, werden mit dem Begriff Nootropika in Verbindung gebracht: Cholinesterasehemmer, Statine, Hydergin, Nicergolin, Selegilin, Piracetam, Nimodipin, Dehydroepiandros-
924
Norephedrin
teron, Thiamin, Vitamin E, Nicotin, Lecithin, Ginkgo biloba, Memantin.
Bewertung Nootropika bezeichnen Arzneimittel, denen eine günstige, wie auch immer geartete Beeinflussung der Hirnfunktionen zugeschrieben wird. Vergleiche Tab. 1–3.
Nootropika. Tab. 2: Medikamente, für die kein wissenschaftlicher Wirkungsnachweis besteht (www.evidence.de, Report of the Quality Standards Subcommittee of the AAN. Neurology 2001) Gingko biloba (z.B. Tebonin®) Vitamin E Piracetam (z.B. Normabrain®) Nimodipin (z.B. Nimotop®)
Norephedrin 1–2 h erreicht. Norephedrin wird zu ca. 90% unverändert im Urin ausgeschieden.
Wirkungen Norephedrin ist ein indirekt wirkendes Sympathomimetikum, das Noradrenalin aus seinen Speichern verdrängt. Zusätzlich hat es einen (allerdings geringen) stimulierenden Effekt auf α- und β-Adrenozeptoren. Norephedrin steigert den Blutdruck durch Erhöhung des peripheren Widerstands. Die vasokonstriktorische Wirkung auch an den Schleimhäuten bei entzündlicher Hyperämie kann zur Abschwellung genutzt werden. Norephedrin hat eine bronchodilatierende Wirkung und relaxiert die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts. Norephedrin wirkt appetithemmend. Es hat eine zentralstimulierende Wirkung, die nicht selten zu Missbrauch führt.
Wirkungsverlauf Norephedrin wird p. o. schnell und nahezu vollständig resorbiert. Die Bioverfügbarkeit liegt bei >90%. Peak-Plasma-Konz. werden nach
Nootropika. Tab. 1: Antidementiva, Nootropika (Cochrane Library 2000–01) Bewertung Cholinesterasehemmer
+
Statine
„may retard the pathogenesis“
Hydergin
-/+
Nicergolin
-/+
Selegilin
„promising“
Piracetam
-
Nimodipin
-
Dehydroepiandrosteron
-
Thiamin, Vitamin E, Nicotin, Lecithin
-
Anwendungsgebiete Norephedrin wird als Appetitzügler angeboten. Diese Indikation ist umstritten, da die Anwendung immer mit unerwünschten Wirkungen einhergeht und mit Risiken verbunden ist. Wirkung bei Rhinitis insbesondere allergischer Ursache in Dosen von 3–4×25 mg täglich.
Unerwünschte Wirkungen Beobachtet werden Appetitminderung, Schlafstörungen, zentrale Erregung, Unruhe, Gereiztheit, starker Bewegungsdrang und gelegentlich Verwirrtheit. Norephedrin wird zur zentralen Stimulation und Leistungssteigerung missbräuchlich verwendet. Herzklopfen, Rhythmusstörungen, pektanginöse Beschwerden, Blutdruckanstieg, Miktionsbeschwerden kommen vor.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Absolute Kontraindikationen: Hypertonie, Thyreotoxikose, Phäochromozytom, Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung. Relative Kontraindikationen: Schwere organische Herz- und Gefäßveränderungen, Herzrhythmusstörungen.
Wechselwirkungen Kombination mit Halothan erhöht die Gefahr von Herzarrhythmien, Kombination mit Guanethidin verstärkt die α-sympathomimetische Wirkung und antagonisiert die GuanethidinWirkung. Bei gleichzeitiger Einnahme von MAO-Hemmstoffen und Furazolidon kann es zu starkem Blutdruckanstieg, Erregungszuständen und Hyperpyrexie kommen. Gleichzeitige Anwendung von Antidepressiva kann die sympathomimetische Wirkung verstärken.
Nortriptylin
925
Nootropika. Tab. 3: Cholinesterasehemmer. Evidenz-basierte Medizin (Cochrane Library 2000– 2001) Tacrin (Cognex® – wegen NW nicht mehr verwendet Donepezil (Aricept®) 10 mg/d Rivastigmin (Exelon®) 6–12 mg/d Galantamin (Reminyl®) 16 mg/d zeigen Verbesserung von Kognition und globalen Scores, Aktivitäten des täglichen Lebens und Verhalten; „The practical importance of these changes to patients and carers is unclear.“
Toxikologie Unruhe, Angstgefühl, Harndrang, zentrale Erregung, psychische Alteration, Tremor der Hände, Tachykardie, Blutdruckanstieg, Extrasystolien, Schlaflosigkeit, psychotische Reaktionen, Krämpfe, Hyperthermie, Herz- und Kreislaufkollaps, Atemlähmung.
Dieser Effekt wird von im Vergleich zu den tertiären Aminderivaten Imipramin, Doxepin, Clomipramin oder Amitriptylin deutlich geringeren antihistaminergen und antiadrenergen und etwas geringeren anticholinergen Wirkungen begleitet.
Resorption
Nortrilen® 10/25 mg Drg.
Die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt erfolgt schnell, die maximalen Plasmaspiegel werden nach 4–9 h erreicht. Die Bioverfügbarkeit beträgt jedoch wegen eines ausgeprägten hepatischen first-pass-Metabolismus nur 46– 70%. Die wiederholte Gabe konstanter, täglicher Dosen (75–250 mg/Tag) führt zur Kumulation. Ein Gleichgewicht des Plasmaspiegels wird in der Regel nach 1–2 Wochen erreicht, für Nortriptylin besteht ein therapeutisches Fenster im Bereich von 50–150 ng/ml. Als Antidepressivum mit hoher Lipidlöslichkeit gelangt Nortriptylin gut und schnell ins ZNS. Die Plasmaeiweißbindung beträgt etwa 90%.
Wirkungen
Elimination
Nortriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum mit engen strukturellen Bindungen zu Amitriptylin. Während beide Substanzen antidepressiv-stimmungsaufhellend wirken, ist Nortriptylin jedoch deutlich stärker aktivierend und antriebssteigernd. Nortriptylin ist der durch N-Demethylierung im Organismus gebildete Hauptmetabolit von Amitriptylin. Die Stärke seiner antidepressiven Wirkung, die in der Regel wie bei allen Antidepressiva nach 2–3 Wochen einsetzt, ist der anderer Trizyklika und verschiedener Antidepressiva der 2. und 3. Generation vergleichbar. Als sekundäres Amin-Derivat hemmt Nortriptylin ausgeprägt die Wiederaufnahme von Noradrenalin in das präsynaptische Neuron, dagegen wirkt es nur wenig auf die Wiederaufnahme von Serotonin.
Nortriptylin, das auch als aktiver Metabolit aus Amitriptylin entsteht, wird vorwiegend in der Leber, nahezu vollständig metabolisiert. Die Plasmahalbwertszeit von Nortriptylin liegt zwischen 17 und 56, in Einzelfällen bei 90 h. Die Hydroxymetabolite von Nortriptylin sind an Glucuronsäure gebunden und werden als Glucuronide renal ausgeschieden. Nortriptylin selbst wird nur zu einem äußerst geringen Prozentsatz unverändert im Urin ausgeschieden.
Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender Hydrozephalus) Hydrozephalus, Normaldruckhydrozephalus (kommunizierender)
3
Nortriptylin Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Anwendungsgebiete Depressive Syndrome, insbesondere auch bei älteren Patienten, sekundäre depressive Störungen bei neurologischen Erkrankungen, symptomsuppressive Erhaltungstherapie und rezidiv-
N
926
Notalgia paraesthetica
prophylaktische Langzeitbehandlung bei depressiven Störungen.
der Blutbildung und kardialen Vorschäden, insbesondere Erregungsleitungsstörungen.
Dosierung und Art der Anwendung
Wechselwirkungen
Die mittlere Dosis des Erwachsenen liegt bei 75–100 mg/d, bei schwereren depressiven Syndromen beträgt die adäquate Dosis 150 mg/d. Für Nortriptylin ist besser als für Amitriptylin (Amitriptylin- plus Nortriptylinspiegel) und andere Antidepressiva die Existenz eines therapeutischen Plasmaspiegelfensters hinsichtlich der antidepressiven Wirkung belegt. Dieses liegt im Bereich von 50– 150 ng/ml. Da steady-state-Plasmaspiegel erst nach einer ein- bis zweiwöchigen Medikationsphase erreicht werden, erfordert die individuelle Dosiseinstellung viel Zeit. Gerade für Nortriptylin ist gut belegt, dass sich die späteren steady-state-Plasmaspiegel durch initiale Plasmaspiegelbestimmungen und pharmakokinetische Modelle recht zuverlässig vorhersagen lassen.
Die Wirkungen verschiedener zentraldämpfender Pharmaka wie Alkohol, Sedativa, Hypnotika, Morphinartiger Analgetika und Neuroleptika kann verstärkt werden. Die Wirkung vaskonstriktorischer Zusätze (Katecholamine) in Lokalanästhetika kann verstärkt werden. Die antihypertensive Wirkung von Clonidin, Guanethidin und alpha-Methyldopa wird abgeschwächt. Bei Kombination von Nortriptylin mit anticholinergen Substanzen (z. B. niederpotenten Neuroleptika), kann es zu vermehrten anticholinergen Nebenwirkungen und insbesondere bei älteren Patienten zu deliranten Syndromen kommen. Irreversible MAO-Hemmer wie z. B. Tranylcypromin sollten 14 Tage vor Beginn der Nortriptylin-Medikation abgesetzt werden. Typische Wirkungen einer Intoxikation sind Sinustachykardie, anfangs enge, später weite und lichtstarre Pupillen, Bewusstseinsstörungen, Tremor, Hyperreflexie, Muskelzuckungen, tonische-klonische Krampfanfälle, QRS-Verbreiterungen, Arrhythmie, Überleitungsstörungen, Atemdepression und kardiopulmonales Versagen.
Unerwünschte Wirkungen Allgemein: Unerwünschte Wirkungen lassen sich im Wesentlichen als anticholinerg, antihistaminerg, und antiadrenerg beschreiben, wobei diese bei dem sekundären Amin Nortriptylin geringer als bei den tertiären Aminen Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin und Imipramin sind. Akkomodationsstörungen, Miktionsstörungen, Mundtrockenheit, Tachykardie, Obstipation, orthostatische Hypertonie, Schwindel und Sedierung, Tremor, Tachykardie und Unruhe, Hypotonie und Gewichtszunahme. Der chinidinartige Effekt der trizyklischen Antidepressiva bewirkt eine PR- und QRS-Verlängerung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakaintoxikationen, akutes Delir, Prostatahypertrophie mit Restharnbildung. Unbehandeltes Engwinkelglaukom, Pylorusstenose, paralytischer Ileus, höhergradiger AV-Block oder diffuse supraventrikuläre oder ventrikuläre Erregungsleitungsstörungen; wegen der Gefahr des Auftretens hyperpyretischer Krisen und schwerer Krämpfe sollten trizyklische Antidepressiva nicht gleichzeitg mit irreversiblen MAO-Hemmern angewendet werden. Vorsicht ist geboten bei: Prostatahyperplasie ohne Restharnbildung, Vorschädigung der Leber, erhöhter zerebraler Krampfbereitschaft, Störungen
Notalgia paraesthetica Definition Kompressionssyndrom der Rami dorsales der thorakalen Nervenwurzeln bei ihrem Durchtritt durch den Musculus multifidus spinae.
Einleitung Klinisch bestehen brennende Schmerzsensationen am Rücken, meist im Skapulabereich, mit zusätzlich nachweisbarer Sensibilitätsstörung paravertebral. Häufig liegt umschriebener Juckreiz vor. Bei Hautbiopsien können sich in den betroffenen Hautarealen sekundäre Amyloidablagerungen finden.
Diagnostik Die Notalgia paraesthetica lässt sich gehäuft in Assoziation mit dem Syndrom der multiplen endokrinen Neoplasien (MEN) finden [1].
Nystagmographie, Video-Nystagmographie
Die Beschwerdesymptomatik ist gutartig und häufig spontan rückläufig. Bei Beschwerdepersistenz kommt die Aplikation von lokalanäesthetikaenthaltenden Cremes oder von Capsaicin-Creme in Betracht, die aber nicht bei allen Patienten zur Linderung führen.
Literatur 1. de Argila D, Ortiz-Romero PL, Ortiz-Frutoz J (1996) Cutaneous macular amyloidosis associated with multiple endocrine neoplasia 2A. Clin Exp Dermatol 21: 313–314.
Nothnagel-Syndrom Definition
„Numb chin“-Syndrom Definition Umschriebene Taubheit im Kinnbereich, die durch eine inkomplette Schädigung des Nervus trigeminus im Bereich der Schädelbasis durch ein Malignom verursacht wird. 3
Therapie
927
Differenzialdiagnose Eine vorausgegangene zahnärztliche Behandlung oder ein Trauma müssen ausgeschlossen werden. Ursächlich liegen dem „numb chin“Syndrom häufig Schädelbasismetastasen, maligne Lymphome oder HNO-Tumoren zugrunde.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung nach onkologischen Gesichtspunkten.
Hirnstammsyndrom mit Läsion im Bereich der Vierhügelregion (Benennung nach Erstbeschreiber).
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschlus eines kleinen, den Hirnstamm penetrierenden Gefäßes zu einer Läsion im Bereich der Vierhügelregion mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral Hemiataxie. * Ipsilateral Okulomotoriusparese.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
3
Nachsorge Hirninfarkt
3
Prognose Hirninfarkt, abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
Nystagmographie, Video-Nystagmographie Synonyme Videonystagmographie
Definition Die Videonystagmographie ist ein apparatives Verfahren zur genaueren Analyse und Dokumentation von Augenbewegungsstörungen.
Grundlagen Mit Hilfe eines speziellen Videosystems, das dem Patienten wie eine Brille aufgesetzt werden kann, ist eine für beide Bulbi getrennte Aufzeichnung von Augenbewegungen unter verschiededenen Modalitäten möglich. So kann der Patienten entweder unter Vorgabe eines leuchtenden Fixationspunkts oder ohne Fixation, ähnlich wie bei der Frenzelbrille, geprüft werden. Lagerungsproben, Drehstuhluntersuchungen, kalorische Testungen oder Blicksakkaden können so systematisch und reliabel analysiert werden. Das Verfahren findet neben wissenschaftlichen Fragestellungen v. a. in der Schwindeldiagnostik Ihren Einsatz.
N
3
928
Nystagmus, Blickrichtungsnystagmus
Der Blickrichtungsnystagmus tritt bei Blickbewegungen des Bulbus jenseits der Mittelposition auf und zielt mit der schnellen Komponente zur entsprechenden Blickrichtung.
läre Degeneration (Multisystematrophie vom olivo-ponto-cerebellären Typ (OPCA), hereditär, paraneoplastisch oder sporadisch), Hirnstamm- oder Kleinhirninfarkte, Multiple Sklerose, Kleinhirntumor, Syringobulbie, Enzephalitis, Schädel-Hirn-Trauma, Hydrozephalus/erhöhter Hirndruck, Tetanus und toxisch-metabolische Faktoren (Antikonvulsiva, Lithium, Alkohol, Wernicke-Enzephalopathie, Magnesiummangel, Amiodaron, Vitamin B12-Mangel) und sehr selten kongenital oder als transienter Befund bei Kleinkindern.
Grundlagen
Therapie
Nystagmus, Blickrichtungsnystagmus Synonyme BRN
Definition
Solange der BRN symmetrisch und erschöpflich ist, besitzt er keine pathologische Relevanz. Diese Form tritt bei über der Hälfte aller Menschen auf. Ein unerschöpflicher, asymmetrischer BRN weist jedoch auf Läsionen im Hirnstamm oder Kleinhirn oder auf Intoxikationen hin. Begleitsymptome wie weitere Augenbewegungsstörungen, Hypakusis, Tinnitus, Kleinhirn- oder Hirnstammsymptome können differenzialdiagnostisch Hinweise auf den Ort der Läsion geben.
Nystagmus, „down-beat“ Definition Der „down-beat“-Nystagmus ist ein mit der schnellen Phase nach unten gerichteter vertikaler Fixationsnystagmus und kann als gestörter vertikaler vestibulo-okulärer Reflex (VOR) interpretiert werden.
Einleitung Er wird beim Blick nach lateral am deutlichsten sichtbar. Eine Supprimierung durch Fixation erfolgt nicht. Bei einigen Patienten kann er durch Kopftieflage, Konvergenzbewegung der Bulbi, starkes Kopfschütteln in vertikaler oder horizontaler Richtung, Hyperventilation und Vibrationsreiz auf das Mastoid verstärkt werden. Häufig finden sich neben dem Nystagmus weitere Störungen des vestibulo-zerebellären Systems (Ataxie, Schwindel, Fallneigung).
Diagnostik Häufigste Ursache (25%) sind kraniozervikale Anomalien (Arnold-Chiari-Malformation, M. Paget, basilärer Impression), weiterhin zerebel-
gesichert Der GABA-A Antagonist Clonazepam ist beim „down-beat“-Nystagmus verschiedener Ätiologie wirksam. Dabei kann ein Versuch mit 1– 2 mg Clonazepam unternommen werden, um ein mögliches Ansprechen zu testen [1]. empirisch Die Wirksamkeit von Baclofen wird weniger eindeutig beurteilt. In einer Studie mit allerdings nur 2 Patienten mit „down-beat“-Nystagmus wurde durch die orale Gabe von 3×5 mg Baclofen eine Reduktion der Nystagmusgeschwindigkeit und der assoziierten Oszillopsien erzielt [2], während in einem doppel-blinden Vergleich zwischen Baclofen (bis zu 30 mg/ Tag) und Gabapentin (bis zu 900 mg/Tag) bei 6 Patienten keine wesentliche Verbesserung, z. T. sogar eine Zunahme des Nystagmus zu beobachten war [3]. Leider nicht eindeutig sind die Ergebnisse von Therapiestudien mit Anticholinergica: Scopolamin, intravenös verabreicht, reduzierte den Nystagmus bei 2 Patienten [4], während orale Anticholinergika, wie Triheyphenidyl nur leichte Verbesserung erbrachten, jedoch aufgrund der Nebenwirkungen schlecht toleriert wurden [5]. Beim Arnold-Chiari-Syndrom kann durch eine subokzipitale Kraniektomie zur Druckentlastung eine deutliche Verbesserung der Symptomatik erzielt werden [6.7]. unwirksam/obsolet Physostigmin verursacht eine Verschlechterung des Nystagmus [2].
Nystagmus, „seesaw“-Nystagmus
Literatur 1. Currie JN, Matsuo V. (1986) The use of clonazepam in the treatment of nystagmusinduced oscillopsia. Ophthalmology 93:924–32. 2. Dieterich M, Straube A, Brandt T, Paulus W, Büttner U (1991) The effects of baclofen and cholinergic drugs on upbeat and downbeat nystagmus. J Neurol Neurosurg Psychiatry 54:627–32. 3. Averbuch-Heller L, Tusa RJ, Fuhry L, Rottach KG, Ganser GL, Heide W, Büttner U, Leigh RJ (1997) A double-blind controlled study of gabapentin and baclofen as treatment for acquired nystagmus. Ann Neurol 41:818–25. 4. Barton JJS, Huaman AG, Sharpe JA (1994) Muscarinic antagonists in the treatment of acquired pendular and downbeat nystagmus-a double-blind, randomized trial of three intravenous drugs. Ann Neurol 35:319–2. 5. Leigh RJ, Burnstine TH, Ruff RL, Kasmer RJ (1991) The effect of anticholinergic agents upon acquired nystagmus. A double-blind study of trihexyphenidyl and tridihexethyl chloride. Neurology 41:1737–41. 6. Pedersen RA, Troost BT, Abel LA, Zorub D (1980) Intermittent downbeat nystagmus and oscillopsia reversed by suboccipital craniectomy. Neurology 30:1239–42. 7. Spooner JW, Baloh RW (1981) Arnold-Chiari malformation. Improvement in eye movements after surgical treatment. Brain 104:51–60.
Nystagmus, optokinetischer
929
Läsionen im Parietallappen, der für langsame Augenfolgebewegungen verantwortlich ist, ist eine Beeinträchtigung der langsamen Augenfolgebewegungen zur Läsionsseite nachzuweisen. Eine sakkadierte Blickfolge mit teilweiser oder vollständiger Aufhebung des OKN kann bei einer homonymen Hemianopsie auftreten. Die Prüfung des vertikalen OKN ist ebenso hilfreich: Während beim älteren Menschen eine physiologische Einschränkung vertikaler Augenbewegungen nach oben erkennbar ist, ist bei der progressiven supranukleären Blickparese (Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom) eine Verlangsamung oder vollständige Parese der vertikalen Augenbewegung nach unten pathognomonisch.
Nystagmus, „seesaw“-Nystagmus Synonyme Schaukelnystagmus
Definition Beim „seesaw“-Nystagmus liegt ein vertikaler Nystagmus vor, wobei der eine Bulbus rotatorisch (Intorsion) nach oben und der andere rotatorisch (Extorsion) nach unten schlägt und als gestörter torsioneller vestibulo-okulärer Reflex (VOR) interpretiert werden kann.
Synonyme
Einleitung
OKN
Beide Bulbi bewegen sich dabei mit einer Frequenz von ca. 4–5 Hz. Ursächlich sind Läsionen im Dienzephalon oder rostralem Hirnstamm.
Definition Der optokinetische Nystagmus ist ein physiologischer Reflex, der durch langsame Blickfolgebewegungen von sich bewegenden Objekten und retrograden Sakkaden charakterisiert ist.
Grundlagen Der OKN tritt typischerweise in einem fahrenden Fahrzeug (Zug, Auto) bei der Beobachtung von sich vorbeibewegenden Objekten auf. In der Praxis kann er sowohl in vertikaler als auch horizontaler Richtung mit Hilfe einer Optokinetiktrommel, die mit schwarzen Streifen (bei Kindern: Figuren, etc.) versehen ist, ausgelöst werden. Die Prüfung des OKN kann Hinweise auf strukturelle Läsionen in Hirnregionen geben, in denen der OKN generiert wird (akzessorische optische Kerne im Hirnstamm). Bei
Differenzialdiagnose Ursachen für den „seesaw“-Nystagmus sind: Läsionen im meso-dienzephalen Übergang im Bereich des Nucleus interstitialis Cajal, paraselläre Tumoren, Achiasmie oder septochiasmatische Dysplasie (Fehlen oder Verlust von kreuzenden Fasern im Chiasma opticus), Multiple Sklerose, Arnold-Chiari-Malformation, Syringobulbie, progressiver Visusverlust (z. B. bei Retinitis pigmentosa), Schädel-Hirn-Trauma und selten als kongenitale Variante.
Therapie empirisch In einer Einzelfallbeschreibung wurde Clonaze-
N
930
Nystagmus, Spontannystagmus
Nystagmus, „seesaw“-Nystagmus. Abb. 1: Topographie häufiger pupillomotorischer Phänomene sowie „ocular bobbing“ und Seesaw-Nystagmus
pam erfolgreich zur Therapie des „seesaw“Nystagmus eingesetzt [1]. Ebenso wirksam war die Gabe von Alkohol [2, 3].
mische unwillkürliche Augenbewegung gekennzeichnet.
Literatur
Differenzialdiagnose
1. Cochin JP, Hannequin D, Domarcolino C, Didier T, Augustin P (1995) Intermittent see-saw nystagmus abolished by clonazepam. Rev Neurol (Paris) 151:60–2. 2. Frisén L, Wikkelso C (1986) Posttraumatic seesaw nystagmus abolished by ethanol ingestion. Neurology; 136:841–4 3. Lepore FE (1987) Ethanol-induced reduction of pathological nystagmus. Neurology 37:887.
Nystagmus, Spontannystagmus Synonyme Pathologischer Nystagmus
Definition Jeder Spontannystagmus ist ein pathologischer Nystagmus und ist durch eine schnelle rhyth-
Beim Gesunden sind drei separate Mechanismen für die Kontrolle der Augenbewegung zuständig. Ensprechende Störungen in einem der drei Systeme führen zu charakteristischen Nystagmusformen: 1. Nystagmus bei Störung des vestibulo-okularen Reflexes (VOR) * Periphere Läsion: Neuritis, Labyrinthkontusion, Kanalolithiasis, Cupolithiasis, Labyrinthfistel, M. Menière, vaskulär) * Zentrale Läsion: Up-beat, Down-beatNystagmus, torsionaler Nystagmus, periodisch alternierender Nystagmus, Seesaw-Nystagmus, zentraler Lagennystagmus 2. Nystagmus bei Störung der Blickhaltung * Blickrichtungsnystagmus * Reboundnystagmus
Nystagmus, „up-beat“
3. Nystagmus bei Störung der Fixation/langsamen Augenbewegung * Latent manifester Fixationsnystagmus * Kongenitaler Fixationsnystagmus
931
Manifestation des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels.
Nystagmus, „up-beat“ Therapie Nach oben gerichteter vertikaler Fixationsnystagmus ( Nystagmus, „down-beat“). 3
Je nach zugrunde liegender Erkrankung erfolgt eine entsprechende spezifische oder symptomatische Therapie.
Therapie Mit Baclofen.
Nystagmus, torsional-vertikaler Definition Diese Nystagmusform ist die typische klinische
N
O
Objektnennungsstörung Synonyme Objekterkennungsstörung
Definition Unfähigkeit, Art oder Gattung eines gesehenen Objektes zu erkennen, Prosopagnosie, Déjerine-Syndrom. 3
3
Obliquus-superior-Myokymie
ten. Genauer ist jedoch der Einsatz eines Augenspiegels oder einer Spaltlampe. Mit Hilfe der magnetischen „search coil“-Technik kann die Frequenz, Geschwindigkeit und Richtung der Bulbusbewegungen genauestens registriert werden. In der MRT findet sich häufig eine Atrophie des M. obliquus superior, was für eine stattgehabte Läsion des N. trochlearis oder seines Kernes spricht. Bei Verdacht auf vaskulären pathologischen Prozess (AV-Fistel, vaskuläre Kompression des N. trochlearis) ist eine MR-Angiographie oder konventionelle DSA indiziert.
Therapie Definition Bei der Obliquus-superior-Myokymie handelt es sich um torsionell-vertikale Blickspasmen.
Einleitung Die betroffenen Patienten klagen typischerweise über kurzes, rezidivierendes monookuläres Verschwommensehen oder Augenzittern. Weiterhin werden vertikale oder torsionelle Doppelbilder, als auch Oszillopsien beschrieben. Die Attacken dauern für gewöhnlich weniger als 10 Sekunden, treten jedoch mehrmals am Tage auf. Provozierbar ist diese Augenbewegungsstörung durch Blick nach unten, Kopfneigung in Richtung des betroffenen Auges oder durch Blinzeln. Bei den meisten Patienten liegt keine Grunderkrankung vor, obwohl einige Fälle mit intrakranieller Pathologie (Trochlearisläsion, Schädel-Hirn-Trauma, arteriovenöser Durafistel, Hirnstammischämie und zerebellärem Tumor) beschrieben sind. 3
Diagnostik Da die schnelle torsionell-vertikale Augenbewegungsstörung ohne Hilfsmittel in der körperlichen Untersuchung schnell übersehen werden kann, empfiehlt es sich gezielt auf Bewegungen der Konjunktivalgefäße auf der Sklera zu ach-
Bislang konnte durch keine kontrollierte Studie die Wirksamkeit einer Therapie nachgewiesen werden. Die Empfehlungen beruhen auf empirischer Einzelfallbeschreibungen. empirisch Wirksamkeit wurde mit der Gabe von Carbamazepin, Baclofen und systemisch oder topisch angewandten β-Blockern erzielt. In schweren therapieresistenten Fällen ist eine chirurgische Behandlung sinnvoll, bei der die vordere Sehne des M. obliquus superior nach nasal transponiert wird, um die Rotationsbewegung auszuschalten [1]. Ebenso konnten Erfolge durch die mikrovaskuläre Dekompression des N. trochlearis erzielt werden [2].
Prognose Die Spontanheilungsrate dieser Erkrankung wird in der Literatur als gering beschrieben. Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, die Langzeitwirkung einer medikamentösen Therapie eingeschränkt ist und Nebenwirkungen zu erwarten sind, wird die medikamentöse Therapie nicht als optimal empfohlen. Vor allem bei Patienten mit stark ausgeprägter Symptomatik und entsprechendem Leidens-
Obskuration
druck sollte daher die extraokulare Augenmuskeloperation durchgeführt werden [3].
Literatur 1. Kosmorsky GS et al. (1995) The treatment of superior oblique myokymia utilizing the HaradaIto procedure. J Neuroophthalmol; 15:142–6. 2. Scharwey K et al. (2000) Remission of superior oblique myokymia after microvascular decompression. Ophthalmologica 214:426–8. 3. Brazis PW et al. (1994) The natural history and results of treatment of superior oblique myokymia. Arch Ophthalmol 112:1063–7.
Definition Beckenhernie, bei der das Foramen obturatum des Beckenringes die Bruchpforte darstellt und die Bruchgeschwulst unter dem M. pectineus und der Fascia pectinea liegt. Durch Schädigung des N. obturatorius kann es zu Schmerzen und Missempfindungen an der distalen Oberschenkelinnenseite bis zum Knie kommen. 3
934
Therapie Bei Einklemmung einer Obturatorius-Hernie ist eine umgehende operative Revision erforderlich.
Obskuration Obturatoriusparese Definition
Häufig treten Obskurationen (68–72%) bei erhöhtem intrakraniellem Druck auf, der z. B. durch zerebrale Tumoren, Sinusvenenthrombosen oder Pseudotumor cerebri verursacht wird. Aber auch bei zu niedrigem Liquordruck (durales Liquorleck) kann diese Sehstörung auftreten. Seltener Ursachen sind rheumatische Herzerkrankungen, paraneoplastische Retinopathie, Neurosarkoidose, orbitale Drainage bei zerebraler arteriovenöser Malformation (AVM).
Obstipation Die Verstopfung ist ein häufiges Problem bei Multipler Sklerose, Parkinson-Syndrom, Polyneuropathie. 3
3 3
Therapie Mit Laxantien: Lactulose, Movicol, ggf. auch Gabe von Domperidon.
Obturatoriushernie Hernia obturatoria
Nervus obturatorius, Läsion
„Ocular flutter“
Grundlagen
Synonyme
3
Als Obskurationen bezeichnet man transiente Sehstörungen, bei denen es zu einem Grauwerden des Bildes ohne eigentliche Visusminderung kommt.
Definition Horizontale Sakkaden unterschiedlicher Amplituden (2–15°), ohne Fixationsintervall (6– 12 Hz).
Einleitung Rasche, konjugierte, salvenartige, horizontale Sakkaden unterschiedlicher Amplituden (2– 15°), ohne Fixationsintervall (6–12 Hz), spontan oder augenbewegungsinduziert; aktiviert durch Lidschluss, häufig im Anschluss an vertikale Willkürsakkaden; persistiert im Schlaf; assoziiert mit Ataxie, Dysarthrie und Extremitätenmyoklonien.
Differenzialdiagnose Läsionsort meist in Kleinhirnrinde (PurkinjeZellen), selten in Pons, Mittelhirn, Thalamus. Ätiologie: * Enzephalitis * Paraneoplastische Enzephalopathie (Mamma-, Bronchial-, Uterus- oder Epidermoidkarzinom) * Blutungen * Infarkte * Hydrozephalus * Multiple Sklerose * Toxisch (Amitriptylin, Haloperidol, Lithium, Thallium, DDT, Chlordecone)
Olanzapin *
Trauma
935
loperidol. Somnolenz und Gewichtszunahme sind häufiger als nach Haloperidol.
Therapie Abhängig von der Ursache.
Off-Dystonie Dystonie, Off-Dystonie
Resorption Die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt ist nahezu vollständig und unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Die maximale Plasmakonzentration wird innerhalb von 5–8 h nach oraler Applikation erreicht. Die Plasmaeiweißbindung liegt bei 93%.
3
Elimination
Okulomotoriusparese Synonyme Nervus oculomotorius, Läsion
Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei jüngeren Personen 33–35 h, bei älteren kann sie sich bis auf 55 h erhöhen. Die mittlere Plasmaclearance wird mit 26 l/h angegeben, Männer und Raucher zeigen höhere Werte. Olanzapin wird in der Leber zu >85% zu unwirksamen Metaboliten abgebaut. Die Ausscheidung erfolgt zu etwa 60% renal, 30% werden mit den Faeces eliminiert.
3
Olanzapin Anwendungsgebiete Gebräuchliche Fertigarzneimittel Zyprexa® Filmtbl.; - Velotab Schmelztbl., 10 mg Pulver für Inj.lösg.
Wirkungen Olanzapin ist ein Thiobenzodiazepin, chemisch eng verwandt mit Clozapin und gehört wie dieses zu den atypischen Neuroleptika. Charakteristisch für diese Gruppe ist die geringe Häufigkeit von extrapyramidalen unerwünschten Wirkungen. Das Rezeptorbindungsprofil von Olanzapin ist mit dem von Clozapin vergleichbar. Die antipsychotische Wirksamkeit von Olanzapin ist mit der des klassischen Neuroleptikums Haloperidol vergleichbar, wobei aber Olanzapin in der Beeinflussung der Negativsymptomatik einer Schizophrenie dem Haloperidol eindeutig überlegen ist. Olanzapin zeigt auch gute Wirkung bei Schizophrenien mit Angst und depressiver Symptomatik sowie bei akuter bipolarer Manie. Es ist bei älteren Patienten effektiv und sicher anwendbar. Der relativ frühe Wirkungseintritt innerhalb von 1–2 Wochen trägt u. a. zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Geringere Inzidenz für das Auftreten extrapyramidaler unerwünschter Wirkungen, eine geringe Beeinflussung des Prolaktinspiegels und seltenes Auftreten sexueller Dysfunktionen, das Risiko der Entwicklung von Spätdyskinesien ist geringer als nach Ha-
Olanzapin wird zur Behandlung der Schizophrenie (Positiv- und Negativsymptomatik) und bei der Therapie des Deliriums – als Alternative zu Haloperidol – eingesetzt.
Dosierung und Art der Anwendung Die Therapie wird in der Regel mit 5–10 mg/d Olanzapin eingeleitet, die Dosis kann je nach klinischem Bild innerhalb eines Dosisbereichs von 5–20 mg/d angepasst und bis auf maximal 25 mg/d erhöht werden. Olanzapin wird als Einmalgabe, bevorzugt am Abend, verabreicht. Bei Leber- und Niereninsuffizienz sollte mit einer niedrigeren Initialdosis (5 mg/d) begonnen werden.
Unerwünschte Wirkungen Olanzapin wird gut vertragen und hat eine sehr geringe Therapieabbruchrate. Als atypisches Neuroleptikum ruft es kaum unerwünschte Wirkungen hervor. Die unter Olanzapin regelmäßig auftretende Gewichtszunahme ist stärker als nach den meisten konventionellen Neuroleptika. An erster Stelle zentralnervöser unerwünschte Wirkungen steht Somnolenz, weniger häufig treten Agitation, Asthenie, Nervosität, Kopfschmerzen und Schwindel auf. Bei 5– 15% der Behandelten traten Obstipation und Mundtrockenheit als anticholinerge Wirkungen, orthostatische Beschwerden und periphere
O
936
Oligoastrozytom
Ödeme infolge von α1-Rezeptorblockade auf. Trotz enger chemischer Verwandtschaft mit dem atypischen Neuroleptikum Clozapin sind hämatotoxische Effekte äußerst selten; einzelne Fälle von Agranulozytose, Neutropenie und Leukopenie werden allerdings beschrieben. Bei etwa 10% der Patienten wurde, besonders zu Beginn der Therapie, eine asymptomatische Erhöhung der Transaminasen registriert. Das Auftreten einzelner Fälle von Diabetes mellitus könnte mit der deutlichen Gewichtszunahme nach Olanzapin zusammenhängen.
nen Teil gliomatöser Tumoren aus. Möglicherweise leiten sich Oligoastrozytome von bestimmten Gliavorläuferzellen, den O-2A-Progenitorzellen, ab, die in Oligodendrozyten und in Typ II Astrozyten differenzieren können [2]. Dies würde erklären, warum die maligne Variante dieser Tumoren, wie maligne Oligodendrogliome auf eine Chemotherapie empfindlich ist. Im Übrigen unterscheiden sich Oligoastrozytome in Bezug auf ihr radiologisches Bild, die klinische Symptomatik und den Verlauf und in Bezug auf ihre Tendenz zu einer malignen Progression nicht von Oligodendrogliomen. 3
Oligoastrozytom Definition Oligoastrozytome sind Tumoren mit zwei unterscheidbaren Populationen neoplastischer Zellen, die auf der einen Seite astrozytären Tumorzellen und auf der anderen Seite oligodendroglialen Tumorzellen entsprechen. Histopathologisch können diese beiden Zellfraktionen „biphasisch“ angeordnet sein, d. h. kompakt nebeneinander liegen oder miteinander vermischt sein. Trotz des unterscheidbaren histopathologischen Phänotyps wiesen molekulargenetische Analysen dieser Tumoren darauf hin, dass alle Zellen einen klonalen Ursprung haben [1]. Oligoastrozytome können differenziert (WHOGrad II) oder anaplastisch sein (WHO-Grad III).
Einleitung Oligoastrozytome machen nur einen sehr klei-
Diagnostik Oligodendrogliome
Therapie gesichert Es gibt keine gesicherte Therapie, jedoch einen breiten Konsens darüber, dass symptomatische Tumoren, wenn möglich operativ entfernt werden sollen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, ob bei malignen Oligoastrozytomen postoperativ adjuvant bestrahlt, ausschließlich chemotherapeutisch behandelt oder kombiniert werden sollte. empirisch Die Therapie der differenzierten Oligoastrozytome entspricht der bei WHO-Grad II Oligodendrogliomen. Wie für anaplastische Oligodendrogliome wird bei malignen Oligoastrozytomen eine weitgehende chirurgische Resektion in der Regel mit einer postoperativen Radiatio von 55–60 Gy Gesamtdosis kombiniert, ohne dass zum jetzigen Zeitpunkt die Überlegenheit einer adjuvanten Strahlentherapie im Vergleich zur Chemotherapie klar wäre. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass anaplastische Oligoastrozytome auf eine Polychemotherapie mit PCV ( PCV-Schema) ansprechen [3]. Möglicherweise sind die Ergebnisse jedoch schlechter als bei Oligodendrogliomen mit einem Zeitgewinn von nur wenigen Monaten bis zum neuerlichen Tumorprogress. Aus den vorliegenden Daten kann die Indikation zu einer routinemäßigen palliativen Chemotherapie zusätzlich zur Operation und Radiatio deshalb nicht abgeleitet werden, wenn computertomographisch kein Resttumor nachweisbar ist. Die Chemotherapie ist u. E. beim Rezidiv die3
Individuelle Faktoren, wie Geschlecht und Raucherstatus, stehen an erster Stelle möglicher Interaktionen. Induktion von CYP1A2 (Rauchen, Carbamazepin) und die höhere Aktivität des Isoenzyms bei Männern können die Plasmakonzentration von Olanzapin senken. Die Interaktion von Olanzapin mit anderen Arzneimitteln ist gering. Eine Reihe von Wirkstoffen, die Cytochrom P450-Isoenzyme hemmen, wurde diesbezüglich untersucht. Lediglich Fluvoxamin, ein Inhibitor von CYP1A2, führte zu einer Steigerung der Plasmakonzentration von Olanzapin. Bei gleichzeitiger Gabe von Olanzapin und Diazepam oder Alkohol wurden orthostatische Beschwerden registriert.
3
Wechselwirkungen
Oligodendrogliom, zerebrales
ser Tumoren nach initialer Operation und Strahlentherapie indiziert. Allerdings ist bei der oben beschriebenen Situation auch eine alleinige PCV-Chemotherapie nach OP vertretbar mit Einsatz der Strahlentherapie im Rezidiv.
937
lialen Ursprungs. Differenzierte Oligodendrogliome entsprechen dem WHO-Grad II, anaplastische Oligodendrogliome dem WHO-Grad III [1].
Einleitung Regelmäßige, z. B. halbjährliche kernspintomographische und klinische Kontrollen sind erforderlich.
Prognose Vorhersagen sind aufgrund der kleinen Fallzahlen kaum möglich. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnose eines differenzierten Oligoastrozytoms beträgt mehrere Jahre, nach Diagnose eines anaplastischen Oligoastrozytoms wahrscheinlich 3–4 Jahre.
Literatur 1. Kraus JA, Koopmann J, Kaskel P et al. (1995) Shared allelic losses on chromosomes 1p and 19q suggest a common origin of oligodendroglioma and oligoastrocytoma. J Neuropathol Exp Neurol 54:91–95. 2. Noble M, Gutowski N, Bevan K et al. (1995) From rodent glial precursor cell to human glial neoplasia in the oligodendrocyte-type-2 astrocyte lineage. Glia 15:222–23. 3. Kyritsis AP, Yung WK, Bruner J et al. (1993) The treatment of anaplastic oligodendrogliomas and mixed liomas. Neurosurgery 32:365–70.
Oligodendrogliom, intramedulläres Einleitung Intramedulläre Oligodendrogliome sind eine absolute Rarität.
Diagnostik Gliom, spinales
3
Therapie Gliom, spinales
3
Oligodendrogliom, zerebrales Definition Oligodendrogliome sind Gliome oligodendrog-
Oligodendrogliome machen ca. 2% der intrakraniellen Tumoren und 5–8% der Gliome aus. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 4. Lebensjahrzehnt. Zerebrale Anfälle stellen bei mehr als der Hälfte der Patienten das Initialsymptom dar [1].
Diagnostik Computertomographisch zeigen die Tumoren oft ausgeprägte Verkalkungen; niedriggradig maligne Oligodenrogliome zeigen keine Kontrastmittelaufnahme, anaplastische Varianten fakultativ ein inhomogenes Enhancement.
Therapie gesichert Über wesentliche Teile der u. a. Therapie besteht ein breiter neuroonkologischer Konsens, einige Aspekte sind strittig. empirisch Differenzierte Oligodendrogliome, WHO-Grad II, weisen nach operativer Resektion allein eine mittlere Überlebenszeit von 10–15 Jahren auf [1]. Es wird deshalb die alleinige operative Resektion und bei inkompletter Tumorentfernung eine engmaschige kernspintomographische Kontrolluntersuchung, z. B. in halbjährlichen Abständen empfohlen. An einer kleinen Zahl von Patienten mit differenzierten Oligodendrogliomen und Größenprogredienz ohne Möglichkeit eines schonenden operativen Debulkings wurde gezeigt, dass eine Chemotherapie nach PCV-Schema zu einer Größenregredienz und klinischen Besserung über mehr als 2 Jahre führte [2], sodass diese Therapieoption für solche Patienten erwogen werde sollte. Anaplastische Oligodendrogliome, WHO-Grad III, werden, wenn möglich, schonend operativ entfernt und üblicherweise mit 60 Gy Gesamtdosis bestrahlt. Dies ist allgemein akzeptierte Standardtherapie, wenngleich für oligodendrogliale Tumoren allein der Wert einer Strahlentherapie in einer randomisierten, prospektiven Therapiestudie nie belegt worden ist. Auf der anderen Seite steht mit der PCV-Chemotherapie eine sehr effiziente Therapieoption als Alterna3
Nachsorge
O
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Omeprazol
tive zur Verfügung, deren Nutzen als alleinige adjuvante Therapie ohne Bestrahlung zum jetzigen Zeitpunkt jedoch auch nicht überprüft ist. Ein randomisierter Vergleich dieser beiden Therapiemodalitäten nach Operation ist Gegenstand einer großen multizentrischen Studie in Deutschland. Maligne Oligodendrogliome sprechen oft auf eine Polychemotherapie mit PCV an. Dies gilt für maligne Oligodendrogliome, für maligne Oligoastrozytome, in Einzelfällen auch für systemische Metastasen, z. B. Knochenmetastasen von malignen Oligodendrogliomen und nach Erfahrung der Autoren [3] auch für die Glioblastome oligodendroglialer Herkunft, also für solche Glioblastome, die malignisierte Oligodendrogliome mit typischen histologischen Kennzeichen eines Glioblastoms darstellen. Die PCV-Chemotherapie ist nachgewiesenermaßen wirksam nach den Kriterien eines Ansprechens (Response), d. h. diese Tumoren zeigen oft eine Schrumpfung oder ein vollständiges Verschwinden unter Chemotherapie [4]. Ob bei Erstdiagnose nach Resektion und Bestrahlung der Tumoren eine zusätzliche PCVChemotherapie allerdings lebensverlängernd wirkt, ist aufgrund derzeit fehlender prospektiver Daten noch unklar. Deshalb gilt die Empfehlung, nur bei einem nach Tumorresektion und Nachbestrahlung noch nachweisbaren symptomatischen Tumorrest in der Bildgebung eine zusätzliche PCV-Chemotherapie durchzuführen [5]. Sollte kein Tumorrest nachweisbar sein, ist die Chemotherapie nach Einschätzung der Autoren im Falle eines Rezidivs durchzuführen. Für ein neuerliches Rezidiv nach Ausschöpfen der PCV-Therapie steht nach neuesten Daten mit dem oralen Zytostatikum Temozolomide (Temodal®) eine palliativ sehr wirksame Second-line-Therapie zur Verfügung [6].
phische und klinische Kontrollen sind erforderlich.
Prognose Die mittlere Lebenserwartung nach Diagnose eines differenzierten Oligodendroglioms beträgt 10–15 Jahre [1], die nach Diagnose eines anaplastischen Oligodendroglioms mit den heute zur Vefügung stehenden Therapien wahrscheinlich mehr als 5 Jahre.
3
unwirksam/obsolet Der Wert einer postoperativen Radiatio bei differenzierten Oligodendrogliomen ist nicht belegt, ihre Langzeitfolgen im Sinne von kognitiven Funktionseinbußen bei mehr als 20% der Patienten nach mehrjährigem Verlauf sind jedoch sehr gut dokumentiert [7], deshalb gibt es keine Rechtfertigung für eine Strahlentherapie bei differenzierten Oligodendrogliomen.
Nachsorge Regelmäßige halbjährliche kernspintomogra-
Literatur 1. Schlegel U, Westphal M (1998). Gliome. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 170–203. 2. Mason WP, Krol GS, DeAngelis LM (1996). Low-grade oligodendroglioma responds to chemotherapy. Neurology 46:203–207. 3. Kraus JA, Lamszus K, Glesmann N et al. (2001) Molecular genetic alterations in glioblastomas with oligodendroglial component. Acta Neuropathol (Berl) 101:311–320. 4. van den Bent MJ, Kros JM, Heimans JJ et al. (1998). Response rate and prognostic factors of recurrent oligodendroglioma treated with procarbazine, CCNU, and vincristine chemotherapy. Dutch Neurooncology Group. Neurology 51:1140–1146. 5. Cairncross G, Macdonald D, Ludwin S et al. (1994) Chemotherapy for anaplastic oligodendroglioma. National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. J Clin Oncol 12:2013– 2021. 6. van Den Bent MJ, Keime-Guibert F, Brandes AA et al. (2001) Temozolomide chemotherapy in recurrent oligodendroglioma. Neurology 57:340– 342. 7. Olson JD, Riedel E, DeAngelis LM (2000). Longterm outcome of low-grade oligodendroglioma and mixed glioma. Neurology 54:1442–1448.
Omeprazol Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Antra MUPS® 10/20/40 mg Tbl. - pro infusione; Omebeta® Kps.; OMEP® Kps., Tbl.
Wirkungen Omeprazol ist ein Ulcustherapeutikum, das durch Blockade der Protonenpumpe der Belegzelle, der H+/K+-ATPase, die basale und durch verschiedene Stimulantien (Pentagastrin, Histamin) vermittelte Magensäuresekretion hemmt.
Ommaya-Reservoir
Omeprazol ist ein Prodrug. Die Substanz ist eine schwache Base und reichert sich im sauren sekretorischen Kanalsystem der Belegzelle an. Durch Hemmung der Säuresekretion bewirkt Omeprazol einen Anstieg der Gastrinserumkonzentration.
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Wechselwirkungen Durch Hemmung von Cytochrom P-450-abhängigen Monooxigenasereaktionen verlangsamt Omeprazol die Elimination von Diazepam, Phenytoin und Warfarin.
Resorption Nach p. o. Gabe wird Omeprazol aus magensaftresistenten Wirkstoffpellets im Dünndarm freigesetzt. Maximale Plasmaspiegel werden nach 3 h erreicht. Die perorale Bioverfügbarkeit beträgt nach einer Einzeldosis 35%, nach wiederholter Gabe 60%. Als Ursache für diesen Anstieg wird angenommen, dass Omeprazol seine eigene Bioverfügbarkeit steigert, indem der Anteil, der vor der Resorption im Dünndarm zerstört wird, durch den Anstieg des pH-Werts im Dünndarm verringert ist. Die Plasmaproteinbindung beträgt 95%.
Elimination Nicht in die Belegzelle aufgenommenes Omeprazol wird in der Leber metabolisiert. 80% der Metaboliten werden über die Niere, der Rest mit den Faeces ausgeschieden. Die Halbwertszeit für Omeprazol und Hydroxy-omeprazol beträgt 40 min, die Halbwertszeit für Omeprazolsulfon liegt bei 3 h. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion ist die Halbwertszeit verlängert.
Anwendungsgebiete Omeprazol wird eingesetzt zur Therapie und Prophylaxe des Ulcus duodeni, des Ulcus ventriculi, der Refluxösophagitis und des ZollingerEllison-Syndroms.
Dosierung und Art der Anwendung Für die Behandlung des Ulcus duodeni, des Ulcus ventriculi und der Refluxösophagitis wird Omeprazol in einer Dosis von 20–40 mg vor dem Frühstück gegeben. Die Anwendungsdauer beträgt mindestens 2, max. 8 Wochen.
Unerwünschte Wirkungen Kopfschmerzen (selten); Durchfall, Verstopfung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Omeprazol soll während der Schwangerschaft und der Stillzeit nicht eingesetzt werden (mangelnde Erfahrung).
Ommaya-Reservoir Definition Ommaya-Reservoir und Rickham-Reservoir sind subgaleal zu implantierende flache Kunstoffreservoire, die über einen Katheter mit dem Vorderhorn eines Seitenventrikels (in der Regel des rechten) verbunden sind. Das Rickham-Reservoir weist im Gegensatz zum Ommaya-Reservoir einen Metallboden auf.
Grundlagen Durch die zuvor rasierte und sorgfältig sterilisierte Kopfhaut kann das Reservoir leicht mit einer dünnen Nadel, z. B. über einen Butterfly, anpunktiert werden. Dies ermöglicht die Entnahme von Liquor und die schonende Applikation intraventrikulär zu verabreichender Substanzen, z. B. von Zytostatika. Bereits 1975 konnte überzeugend gezeigt werden, dass die Pharmakokinetik im Liquorkompartiment solchermaßen applizierter Substanz ungleich besser ist als nach intrathekaler Applikation über eine Lumbalpunktion [1]. Allerdings ist mit der Implantation und der Nutzung eines Reservoirs immer ein allgemeines Anästhesierisiko, ein geringes Blutungsrisiko und ein Infektionsrisiko von bis zu 20% bei Immunsupprimierten verbunden [2].
Literatur 1. Shapiro WR, Young DF, Mehta BM (1975). Methotrexate: distribution in cerebrospinal fluid after intravenous, ventricular and lumbar injections. N Engl J Med 293:161–166. 2. Schlegel U, Pels H, Glasmacher A et al. (2001) Combined systemic and intraventricular chemotherapy in primary CNS lymphoma: a pilot study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 71:118–22.
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Ondansetron
Ondansetron Gebräuchliche Fertigarzneimittel Zofran® 4/8 mg Filmtbl., Lösg., Inj.lösg.; Zydis lingual 4/8 mg Schmelztbl.
Wirkungen Ondansetron ist ein Serotonin (5-Hydroxytryptamin)-Rezeptorantagonist mit einer hohen Selektivität für 5-HT3-Rezeptoren und wird als Antiemetikum bei Chemotherapie – oder bestrahlungsinduziertem Erbrechen verwendet. Viele Zytostatika und auch eine Strahlentherapie induzieren die Freisetzung von Serotonin aus enterochromaffinen Zellen des Darmes und wahrscheinlich auch aus serotoninergen Neuronen des ZNS. Serotonin aktiviert 5HT3-Rezeptoren im Nucleus tractus solitarii und in der Area postrema mit der Chemorezeptor-Trigger-Zone und ist damit an der Auslösung des Brechreflexes beteiligt. Auch periphere 5-HT3-Rezeptoren auf abdominalen vagalen Afferenzen sind vermutlich an diesem Mechanismus beteiligt. In der üblichen Dosierung von 8–24 mg i. v. 30–60 min vor Beginn der Zytostatika-Infusion oder Radiotherapie und Fortsetzung mit niedriger Dosierung unterdrückt Ondansetron Erbrechen bei 60–85% der Patienten und ist damit deutlich wirksamer als Metoclopramid. Die Wirksamkeit von Ondansetron kann durch die gleichzeitige Gabe von Dexamethason (20 mg vor Beginn der Chemotherapie) gesteigert werden. Übelkeit und Erbrechen bei Kinetosen werden durch Ondansetron nicht beeinflusst. Unterdrückung des Erbrechens bei Theophyllin-Überdosierung, Durchfälle bei Reizkolon (Colon irritabile) und Pruritus bei Cholestase oder Urämie reagieren gut auf Ondansetron. Ondansetron hat offenbar eine gute analgetische Wirksamkeit (8 mg i. v.) bei akuter Gicht-Arthritis oder Fibromyalgie. Ondansetron kann in der Therapie psychotischer Episoden, die unter einer Therapie mit Antiparkinsonmitteln auftreten, eingesetzt werden. Es verhindert das Erbrechen beim Apomorphintest wirksam.
Resorption Oral zugeführtes Ondansetron wird schnell und vollständig resorbiert. Wegen eines ausgeprägten First-pass-Effektes beträgt die Bioverfügbarkeit nur 55–60%. Maximale Plasmakonzentrationen nach 8 mg Ondansetron oral werden mit 25–45 μg/L nach 1–1,8 h erreicht. Ondan-
setron bindet zu 70–75% an Plasmaproteine. Im Liquor erreicht Ondansetron 15% der Konzentration im Plasma.
Elimination Ondansetron wird nahezu vollständig durch Metabolisierung eliminiert. An der Metabolisierung durch hepatische Hydroxylierung und NDemethylierung sind verschiedene Formen des Cytochrom-P450-Systems beteiligt. Bei Patienten mit Leberinsuffizienz ist die Elimination deutlich verzögert.
Anwendungsgebiete Ondansetron ist zugelassen für die Behandlung des Chemotherapie- und Strahlentherapie-induzierten Erbrechens.
Dosierung und Art der Anwendung Für die Prävention des Chemotherapie- oder Strahlentherapie-induzierten Erbrechens werden bei Erwachsenen meist 8–24 mg i. v. 0,5– 1 h vor Therapiebeginn gegeben. In der Prävention des Erbrechens beim Apomorphintest werden 8 mg i. v. verwendet.
Unerwünschte Wirkungen Kopfschmerz (14%) und Benommenheit (12%) sind häufige Erscheinungen. Obwohl Ondansetron im Gegensatz zu Metoclopramid keine Affinität zu Dopaminrezeptoren hat, sind dennoch einige Fälle von extrapyramidalmotorischen Störungen nach Ondansetron beobachtet worden. Einige Fälle von anaphylaktischen Reaktionen mit Urtikaria und Angioödem nach Ondansetron wurden beschrieben.
Operation, nach Jannetta 3
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Jannetta-Operation
Ophthalmoplegie Definition Unter Ophthalmoplegie im engeren Sinne versteht man eine höhergradige neurogene Parese oder Plegie der Mehrzahl oder aller äußeren und der inneren Augenmuskeln.
Ophthalmoplegie, kongenitale
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Einleitung
Therapie
Ophthalmoplegie im weiteren Sinne ist letztlich ein vieldeutiges Symptom. Es wird eine externe und eine interne Ophthalmoplegie unterschieden. Die Ursache kann myogen, neuromuskulär, peripher nerval oder zentral sein. Die Symptome können unilateral oder bilateral sein. Myogene Ophthalmoplegie ist ein führendes Symptom bei der mitochondrialen chronischen externen Ophthalmoplegie (CPEO), der okulopharyngealen Muskeldystrophie (OPMD), der okulären Myositis und der endokrinen Orbitopathie. Belastungsabhängige, bei chronischen Fällen aber teils auch konstante externe Ophthalmoplegie ist ein wichtiges Symptom der Myasthenia gravis ( neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis). Eine andere neuromuskuläre Störung mit Ophthalmoplegie als führendem Symptom ist der Botulismus (z. T. nur länger anhaltende Mydriasis!). Neuropathische Ophthalmoplegie wird beobachtet bei Okulomotoriusparese, retroorbitalen Raumforderungen, Schädel-Hirn-Traumata, Sinus-cavernosus-Affektion (z. B. TolosaHunt-Syndrom, Sinusvenenthrombose), Miller Fisher-Syndrom, Diabetes mellitus, Sjögren-Syndrom u. a. Zentrale Ursachen horizontaler Ophthalmoplegien sind meist Hirnstammprozesse (z. B. Läsion des Fasciculus longitudinalis medialis bei der internukleären Ophthalmoplegie (INO); ferner Läsionen der paramedianen pontinen Formatio reticularis, PPRF), während vertikale Ophthalmoplegien sowohl bei Hirnstammläsionen (z. B. Parinaud-Syndrom) als auch supranukleär beobachtet werden (z. B. progressive supranukleäre Blickparese, PSP).
Siehe die unter Diagnostik genannten Krankheitsbilder.
Ophthalmoplegie, chronisch progressive externe (CPEO)
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CPEO (chronisch progressive externe Ophthalmoplegie)
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Ophthalmoplegie, kongenitale Definition Bei Geburt oder wenig später auftretende Parese externer Augenmuskeln.
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Diagnostik Die Auswahl an Diagnostik hängt sehr von Anamnese und klinischem Befund ab. Es ist nicht sinnvoll, mit der Gießkanne bei jedem Fall alles Mögliche zu veranlassen. Chronische externe Ophthalmoplegie (CPEO); Myositis, okuläre; Orbitopathie, endokrine; neuromuskuläre Übertragung, Störung/Erkrankung, Myasthenia gravis; Botulismus; Sinusvenenthrombose; Miller Fisher-Syndrom; Sjögren-Syndrom; internukleäre Ophthalmoplegie (INO); ParinaudSyndrom; PSP.
Einleitung Heterogene Gruppe von Erkrankungen. Häufig handelt es sich um hereditäre kongenitale Fibrose äußerer Augenmuskeln. Es wurden mehrere verschiedene ursächliche Gendefekte charakterisiert. Da auch die entsprechenden Hirnnervenaxone und deren Zellen im Hirnstamm fehlen (Kernaplasie), handelt es sich streng genommen um neurogene Missbildungen. Alle 3 Nerven können betroffen sein. Die Abduzensaplasie wird als Duane-I-Syndrom bezeichnet. Es gibt auch Fälle mit kombiniertem Befall der okulomotorischen Hirnnerven. Eine ähnliche Pathogenese wurde auch für das Möbius-Sndrom (N. VI und VII) beschrieben. Beim Wildervanck-Syndrom liegt eine Trias aus beidseitiger Abduzensaplasie, Taubheit und Klippel-Feil-Anomalie vor. Beim Brown-Syndrom liegt eine TrochlearisParese vor aufgrund einer Fibrose der Sehne des M. obliquus superior. Einseitiger Befall der Ophthalmoplegie hat z. T. einen okulären Schiefhals zur Folge, evtl. auch Gesichtsasymmetrie. Selten manifestiert sich eine mitochondriale Enzephalomyopathie mit einer kongenitalen Ophthalmoplegie.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK im Serum, Ruhelaktat im Serum, MRT von Orbita und Schädel. Evtl. EMG, EKG, Muskelbiopsie. Z. T. genetische Tests verfügbar.
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Opiate
Therapie Symptomatische (orthoptische) Therapie des Strabismus bzw. der Amblyopie. Es wurden eine Reihe verschiedener Operationsverfahren in der Literatur mitgeteilt, abhängig davon, welche Augenmuskeln betroffen sind [1, 2].
Literatur 1. Caldeira JA (2000). Vertical transposition of the horizontal rectus muscles for congenital/early onset „acquired“ double elevator palsy: a retrospective long term study of 10 consecutive patients. Binocul Vis Strabismus Q 15(1): 29–38. 2. Simons BD, Saunders TG, Siatkowski RM, Feuer WJ, Lavina AM, Ca H, Munoz M, Flynn JT (1998). Outcome of surgical management of superior oblique palsy: study of 123 cases. Binocul Vis Strabismus Q 13(4): 273–82.
den unterschiedlicher Amplitude, in alle Richtungen mit horizontaler Betonung.
Einleitung Seltenes zerebellares Symptom, das auf eine Disinhibition durch Purkinjezellverlust zurückgeht. Im Gegensatz etwa zum peripher vestibulären Spontannystagmus sistiert der Opsoklonus im Schlaf nicht, sodass die Einschätzung einiger Autoren, dass es sich um eine Blickhaltefunktionsstörung handelt, den Kern nicht voll trifft. Opsoklonus kann bei verschiedenen Kleinhirnerkrankungen auftreten, meist aber bei Zerebellitis paraneoplastischer oder viraler Genese. Ferner toxisch (z. B. Lithium, Trizyklika, Butyrophenone), MS, Blutung, Infarkt.
Optikus-Läsionen
Opiate
Definition 3
Sedierung, Analgosedierung,
Morphin
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Opisthotonus
Man unterscheidet folgende verschiedene Ursachen einer Optikus-Läsion: * Degenerativ (Atrophie, hereditäre Optikusneuropathien) * Ischämisch ( AION) * Entzündlich (Neuritis, Retrobulbärneuritis) * Toxisch/metabolisch ( Toxische Optikusneuropathie) * Kompression/Infiltration 3
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Krampfartige Reklination des Kopfes und Überstreckung von Rumpf und Extremitäten.
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Definition
Einleitung Vorkommen dieser (paroxysmalen) Tonuserhöhung der paraspinalen Muskulatur bei intrazerebraler Blutung, tentorieller Herniation, Dezerebration, Meningitis und Tetanus. 3
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OPMD (okulopharyngeale Muskeldystrophie) Muskeldystrophie, (OPMD)
okulopharyngeale
Grundlagen Zur Differenzierung der verschiedenen Ursachen einer Sehstörung ist es wichtig, eine gezielte Anamnese (Zeitraum, schmerzhaft, Ausmaß eines Gesichtsfelddefekts) der neurologischen und opthalmologischen Untersuchung voranzustellen.
Optikus-Neuritis
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Synonyme Retrobulbärneuritis, Optikusneuritis, Neuritis nervi optici 3
Opsoklonus Definition Definition Spontan oder durch Willkürsakkaden induzierte rasche, chaotisch wirkende salvenartige Sakka-
Eine isolierte Neuritis des N. opticus ist ein häufiges, aber nicht spezifisches Symptom bei der MS. Charakteristische Symptome sind
Optikus-Neuritis
Einleitung Die Optikusneuritis ist bei bis zu 20% aller MSPatienten Initialsymptom und tritt bei 60% im weiteren Verlauf auf [1]. Die Sehstörung entwickelt sich rasch innerhalb von 1–2 Tagen und klingt in 3–4 Wochen wieder ab. Schmerzen während der Bulbusbewegung treten dabei in zwei Drittel aller Fälle auf. Gelegentlich kann der Visus im Sinne eines Uthoff-Phänomens variieren. Andere Patienten berichten über eine bessere Sehfähigkeit in der Dämmerung als beim Tageslicht (Nyktalopie). Als PulfrichPhänomen wird eine eingeschränkte stereoskopisch räumliche Sehfähigkeit bezeichnet. Initial werden von einigen Patienten Lichtblitze wahrgenommen, die durch Bulbusbewegungen ausgelöst werden (movement phosphors). Weiterhin werden gelegentlich bei längerer Fixation Gegenstände zunehmend unschärfer wahrgenommen (fading out). Nicht immer ist eine Optikusneuritis ein Symptom einer MS. Allerdings geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% innerhalb von 15 Jahren die Optikusneuritis in eine MS über. Das Risiko ist beim weiblichen Geschlecht höher als bei Männern. Kinder unter 16 Jahren entwickeln nur in 15% eine MS. Eine isolierte Optikusneuritis kann auch Ausdruck einer Neurosarkoidose sein, die direkt durch eine granulomatöse Entzündung des Nerven bedingt ist.
betont ist. Pupillary-escape-Phänomen: Bei mehreren Sekunden anhaltender Belichtung eines Auges kommt es nach Pupillenverengung und Adaptation zu einer leichten physiologischen Erweiterung, die auf der Seite der Optikusneuritis verstärkt ist. Ein sehr sensitives Verfahren sind die VEP, die entweder ganz fehlen oder eine deutliche Reduktion der P100-Amplitude zeigen. Um weitere demyelinisierende Herde ausschließen zu können, sollte bei jeder Retrobulbärneuritis eine kranielle MRT durchgeführt werden.
Therapie gesichert Bei jeder Retrobulbärneuritis sollte eine intravenöse Hochdosistherapie mit Kortikoiden durchgeführt werden: je 1000 mg an drei aufeinanderfolgenden Tagen und anschließend ausschleichender oraler Gabe. empirisch Ca. 6% aller Patienten mit einer Retrobulbärneuritis sprechen nicht auf die Hochdosistherapie mit Kortikoiden an. Bei diesen besteht eine Therpieoption mit der intravenösen Gabe von Immunglobulinen (0,4 mg/kg KG) [2]. 3
Schleier- bzw. „Milchglas“-Sehen, Verschwommensehen bis hin zum kompletten Visusverlust.
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Nachsorge In den Nachfolgeuntersuchungen zeigt sich in der VEP eine Latenzverzögerung der P100Antwort als Residualbefund.
Prognose Diagnostik Bei einem intraokulären Herd tritt eine Papillitis mit orbitalen oder okulären Schmerzen und ein akuter, stark ausgeprägter Visusverlust auf. Opthalmoskopisch findet man in 40% eine ödematöse, hyperämische Papille (DD: ähnelt sehr einer Stauungspapille, wobei dort der Visusverlust nicht so stark ausgeprägt ist). Bei retrobulbärem Befall findet sich funduskopisch kein pathologischer Befund („der Patient sieht nichts, der Arzt sieht nichts“). In der Perimetrie läßt sich ein Zentralskotom nachweisen. Bei 80% ist ein retrobulbärer Schmerz vorhanden. Eine assoziierte Pupillenstörung läßt sich mit dem Pupillary-escape-Phänomen und dem Swinging-flash-light-Test erfassen. Nach abgelaufener Retrobulbärneuritis sieht man als Folge des Untergangs von Fasern des N. opticus eine Papillenabblassung, die meist temporal
Die Symptome der Optikusneuritis bilden sich meist wieder gut zurück. Es kann eine Farbsinnstörung (Rot-Grün-Schwäche) mit verminderter Farbsättigung verbleiben. Wird allerdings das papillomakuläre Bündel besonders geschädigt, ist das Zentralskotom häufig irreversibel und geht mit einer ausgeprägten Lesestörung einher. Kleinere Läsionen im Tractus opticus führen zu inkongruenten Gesichtsfeldausfällen. Herde im weiteren Verlauf der Sehstrahlung bleiben ohne eindrücklichen Gesichtsfeldausfall.
Literatur 1. Weinshenker et al. The natural history of mutiple sclerosis: a geographically based study. I. Clinical course and disability: Brain 1989; 112:133–146. 2. Currò Dossi B et al. New therapeutic perspectives for demyelinating retrobulbar optic neuritis. Ital J Neurol Sci 1998; 19:45–48.
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Optikusgliom
Optikusgliom Synonyme Nervus-opticus-Gliom
Definition Gliome des Nervus opticus können im Verlauf des gesamten Nervus und Tractus opticus entstehen. Sie entsprechen histopathologisch einem pilozytischen Astrozytom [1].
Einleitung Optikusgliome manifestieren sich in 75% innerhalb der ersten Lebensdekade, sie machen 4 bis 6% der intrakraniellen Tumoren im Kindesalter aus; Kinder mit einer Neurofibromatose Typ 1 entwickeln in 15–55% der Fälle Optikusgliome. Klinisch imponieren Sehstörung, Proptose, Papillenödem, Gesichtsfeldeinschränkung bei Chiasmabefall und Zeichen einer intrakraniellen Druckerhöhung bei Kompression des III. Ventrikels sowie hypothalamische Funktionsstörungen [1].
Diagnostik Die diagnostische Methode der Wahl ist das Kernspintomogramm, welches die den Optikus, das Chiasma oder den Tractus diffus auftreibende Raumforderung mit häufig intensiver Kontrastmittelaufnahme zeigt.
Symptomen ist eine Teilresektion sinnvoll; eine komplette Resektion ist nicht immer möglich. Bei vorbestehender Amaurose ist die weitestgehende Tumorresektion anzustreben, sonst wird mit dem Ziel, einen Restvisus zu erhalten, so schonend wie möglich operiert. Die weitere Therapie hängt von der Progredienz des Resttumors ab. Die Spätfolgen einer oft empfohlenen Radiatio sind im Kindesalter nicht genau einzuschätzen. Eine abwartende Haltung nach Operation ist zunächst gerechtfertigt [1, 2].
Nachsorge Regelmäßige kernspintomographische und ophthalmologische Kontrollen sind integraler Bestandteil der Betreuung.
Literatur 1. Sepehrnia A (1998). Tumoren der Hirnnerven. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 249–265. 2. Rock J (2000). Pilocytic Astrocytoma and other indolent Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 319–328.
Optikusneuropathie Einleitung
empirisch Solange ein rein intraorbitales Optikusgliom asymptomatisch bleibt, kann beobachtet werden. Eine zunehmende Visusminderung und/ oder Proptose wird zur operativen Resektion veranlassen. Bei Befall des extraorbitalen Nervus opticus, des Chiasmas oder des Tractus opticus kann im Falle asymptomatischer Läsionen ebenfalls beobachtet werden. Bei Auftreten von
Ursachen von Optikusneuropathien können sein: 1. Ischämie ( Anteriore ischämische Optikusneuropathie) * Riesenzellarteriitis ( Arteriitis temporalis) * Arteriosklerose * Sonstige Arteriitiden (Lues) 2. Demyelinisierung * Retrobulbärneuritis (Multiple Sklerose) * Neuroretinitis (viral, parainfektiös, Borreliose) 3. Toxisch/metabolisch * Methanol * Tabak-Alkohol-Amblyopie * Epidemische Optikusneuropathie (Kuba, Jamaika) * Vitamin B -, B -Mangel 1 12 * Ethambutol, Chloroquin, Streptomycin, Chloramphenicol, Phenothiazin 4. Hereditär * Lebers hereditäre Optikusatrophie 3
gesichert Die adäquate Therapie der Optikusgliome gehört zu den umstrittensten Gebieten der Neuroonkologie [1, 2]. Die unten angeführten Empfehlungen berücksichtigen, dass es keine evidenzbasierte Therapie gibt, dass diese Tumoren langsam wachsen, dass jahrelange „stabile Verläufe“ nach inkompletten Resektionen gesehen werden und dass eine progrediente Symptomatik ein Eingreifen geboten erscheinen läßt [1, 2].
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Therapie
Optikusneuropathie, anteriore ischämische (AION)
Autosomal dominante Optikusneuropathie (Kjer-Syndrom) * Autosomal rezessive Optikusneuropathie (Wolfram-Syndrom) 5. Kompression/Infiltration * Meningeom (Keilbein, Olfaktoriusrinne) * Optikusgliom (Neurofibromatose) * Chronischer Hirndruck (Optikusatrophie, Foster-Kennedy-Syndrom) * Granulome (M. Wegener, Sarkoidose) * Metastasen * Lymphome/Leukosen * Endokrine Orbitopathie
Gefäßrisikofaktoren (Arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus, Nikotingenuss, Hypercholsterinämie) wichtig. Weiterhin ist differenzialdiagnostisch an einen akuten Zentralerterien- oder Zentralvenenverschluss der Retina zu denken. Die Unterscheidung erfolgt ophthalmoskopisch (siehe Tab. 1). Eine posteriore Optikusatrophie (PION) kommt nicht selten kompressionsbedingt vor, sodass raumfordernde Tumoren ausgeschlossen werden müssen. 3
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Therapie gesichert
Definition Die AION ist eine akute Ischämie des vorderen Anteils des Nervus opticus.
Einleitung Die AION ist die häufigste Ursache einer akut auftretenden Optikusneuropathie im höheren Lebensalter. Typischerweise tritt die Erkrankung ab einem Lebensalter von 50 Jahren auf und stellt sich als ein plötzlich auftretender, schmerzloser unilateraler Visusverlust dar. Klinisch imponiert eine afferente Pupillenstörung. Ophthalmologisch ist stets ein Papillenödem nachweisbar.
Diagnostik Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Unterscheidung zwischen arteriitischer und nichtarteriitischer Genese der AION. Daher stellt die Bestimmung der BSG eine entscheidende Untersuchung dar: Finden sich Hinweise auf eine systemische Erkrankung (subfebrile Temperaturen, Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme) oder Lokalsymptome ( Claudicatio masticatoria, auffällige Temporalarterien, Polymyalgia rheumatica), so ist der Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis ( Arteriitis temporalis) naheliegend. Zusätzlich sollte dann zur Diagnosesicherung eine Temporalarterienbiopsie erfolgen. Die nichtarteriitische Form tritt meist später in der 6. und 7. Lebensdekade auf und stellt eine arteriosklerotische Mikroangiopathie der Choroidalarterien dar. Daher ist die Erhebung der
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Optikusneuropathie, anteriore ischämische (AION)
1. Arteriitische Form: Sofortige Behandlung mit Kortikosteroiden ( Arteriitis temporalis). 2. Nicht-arteriitische Form: In der Hälfte der Fälle spontane Befundbesserung nach 6 Monaten. Konsequente Ausschaltung der Gefäßrisikofaktoren und Therapie möglicherweise zugrundeliegender Koagulopathien. empirisch In einer kontrollierten prospektiven Studie und retrospektiven Analyse hatte die Gabe eines Levodopa/Carbidopa-Präparats (3×100/ 25 mg tgl.) einen positiven Effekt auf die Verbesserung der Sehschärfe bei Patienten mit nicht-arteriitischer AION. Diese Ergebnisse wurden jedoch aufgrund der niedrigen Fallzahl und des angewandten Studiendesigns kontrovers diskutiert, sodass zunächst eine größere multizentrische Studie abzuwarten ist, bevor eine allgemeingültige Therapieempfehlung auszusprechen ist [1]. unwirksam/obsolet Die früher oft empfohlene operative Optikusdekompression bei nicht-arteriitischer AION zeigt im Langzeitverlauf (2 Jahre) keine Verbesserung im Vergleich zum Spontanverlauf ohne operativen Eingriff und sollte v. a. wegen der Operationsrisiken unterbleiben [2].
Nachsorge Regelmäßige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen sind bei beiden Formen der AION angezeigt. Ein Viertel bis die Hälfte aller Patienten mit einer nicht-arteriitischen AION entwickeln in 5–11 Jahren nach dem ersten Ereignis einen Befall des 2. nicht betroffenen Auges. Retrospektive Untersuchungen ergaben, dass
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Optikusneuropathie, autosomal dominante (ADON, Kjer-Syndrom)
Optikusneuropathie, anteriore ischämische (AION). Tab. 1: Ophthalmoskopischer Befund bei AION, Zentralarterienverschluss und Zentralvenenverschluss Ophthalmoskopischer Befund AION
Papillenödem peripapilläre Blutungen Exsudate
Zentralarterienverschluss
Kirschroter Fleck Arterienpathologie (Embolie, vermehrte Schlängelung)
Zentralvenenverschluss
Venendilatation Retinablutung
Patienten mit regelmäßiger Einnahme von mindestens 325 mg Aspirin signifikant weniger häufig unter einer Mitbeteiligung des 2. Auges litten [3]. Allerdings fehlen hierzu noch kontrollierte Studien.
Prognose Obwohl für die nicht-arteriitische AION bislang keine effektive medikamentöse oder chirurgische Therapie identifiziert ist, zeigt sich zumindest bei der Hälfte der Fälle eine spontane Besserung der Symptomatik.
Definition Bei der autosomal dominant vererbten Optikusneuropathie handelt es sich um einen bilateralen Visusverlust innerhalb der ersten 10 Lebensjahre, der mit einer Blau-Gelb-Schwäche und einem zentralen Skotom einhergeht. es liegt ein Gendefekt auf Chromosom 3 zugrunde (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *16550, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ omim).
Therapie Keine kausale Therapie bekannt.
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Literatur 1. Johnson LN. et al. (2000) Levodopa may improve vision loss in recent-onset, nonarteritic anterior ischemic optic neuropathy. Ophthalmology 107:521–526. 2. Ischemic Optic Neuropathy Decompression Trial (2000) Twenty-four-month update. Arch Ophthalmol 118:793–8. 3. Salomon O. et al. (1999) Role of aspirin in reducing the frequency of second eye involvement in patientes with non-arteritic anterior ischaemic optic neuropathy. Eye 13:357–359.
Optikusneuropathie, autosomal rezessive Synonyme 3
Da für die nicht-arteriitische Form der AION eindeutige Risikofaktoren (s.o.) identifiziert sind, sollten diese auch durch eine entsprechende Lebensführung minimiert werden.
Kongenitale ARON
rezessive
Optikusatrophie,
Definition Die seltene, autosomal-rezessiv vererbte kongenitale Optikusatrophie manifestiert sich meist bereits bei der Geburt. Betroffene Kinder verhalten sich bei hochgradig reduzierter Sehschärfe wie Blinde.
Einleitung
Optikusneuropathie, autosomal dominante (ADON, Kjer-Syndrom) Synonyme ADON, Kjer-Syndrom
Komplizierte Formen der kongenitalen rezessiven Optikusneuropathie mit mentaler Retardierung und neurologischen Defiziten kommen vor. Im späteren Kindesalter auftretende rezessive Optikusatrophien können mit Diabetes mellitus, Diabetes insipidus und Hörverlust kombiniert sei. Man spricht bei einer Kombination einer auto-
Optikusscheidenfensterung
Normales Elektroretinogramm schließt differenzialdiagnostisch wichtige tapetoretinale Degeneration aus.
Diagnostik Neben der ophthalmologischen Untersuchung mit Nachweis eines großen zentralen Gesichtsfelddefekts, einer Papillenschwellung und Optikusatrophie sollten über das visuelle System hinaus gehende Symptome ausgeschlossen werden, wie Herzrhythmusstörungen, Dystonien und weitere extrapyramidal-motorische Symptome.
Therapie Leber hereditäre Optikusneuropathie
Optikusneuropathie, posteriore ischämische 3
Diagnostik
wird berichtet, wobei die Prognose bei jüngerem Erkrankungsalter günstiger ist.
3
somal rezessiv vererbten Optikusatrophie mit Diabetes insipidus und mellitus, sowie Taubheit vom Wolfram Syndrom (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *222300, http://www. ncbi.nlm.nih.gov/omim). Das Syndrom kann mehrere der folgenden klinischen Symptome aufweisen: * Optikusatrophie, Retinopathie * Ptosis, Nystagmus * Neurologisch: Anfälle, Ataxie, geistige Retardierung, Tremor, Dysarthrie, Schlaganfälle, Psychosen, Hirnatrophie * Minderwuchs * Sensineurale Schwerhörigkeit * Kardiomyopathie * Genito-urethrale Fehlbildungen * Endokrinologische und hämatologische Störungen
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PION (posteriore ischämische Optikusneuropathie)
Therapie Eine spezifische Therapie existiert nicht.
Literatur 1. Huber A, Kömpf D (1998) Klinische Neuroophthalmologie. Thieme, Stuttgart New York.
Optikusneuropathie, toxische Definition Eine häufige Form einer toxischen Optikusneuropathie ist die Tabak-Alkohol-Amblyopie. 3
Optikusneuropathie, Leber hereditäre Optikusneuropathie (LHON)
Optikusscheidenfensterung
Definition
Definition
Die Leber hereditäre Optikusneuropathie ist eine durch verschiedene mtDNA-Mutationen verursachte bilaterale, über Tage bis Wochen fortschreitende Erkrankung mit zunehmendem Visusverlust (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *535000, http://www.ncbi.nlm. nih.gov/omim).
Eine operative Behandlungsmethode zur Optikusdekompression bei den ischämischen Optikusneuropathien.
3
Die ausschließlich bei jungen Männern zwischen der 2. und 3. Lebensdekade auftretende Erkrankung geht mit einem plötzlich auftretenden zentralen Skotom, in einigen Fällen mit einer Papillenschwellung und einer Optikusatrophie einher. Über spontane Visusbesserungen
3
Einleitung
Grundlagen In einer großen kontrollierten Studie und follow-up-Studien wurde gezeigt, dass diese Behandlung nicht effektiv ist und den eher günstigen Langzeitverlauf bei den nicht-arteriitischen ischämischen Optikusneuropathien verschlechtert [1,2].
Literatur 1. Dickersin K et al. Surgery for nonarteritic AION. Cochrane Database Syst Rev 2000; 2:CD 001538
O
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Orbitopathie, endokrine
2. IONDT-Trial Group. Ischemic optic neuropathy decompression trial: twenty-four-month update. Arch Ophthalmol 2000; 118:793–798
Organophosphatintoxikation Definition Intoxikation durch irreversible Acetylcholinesterasehemmer (Parathion/E 605, Insektizide oder Kampfstoffe).
Orbitopathie, endokrine Einleitung Die endokrine Orbitopathie ist eine immunologisch bedingte Entzündungsreaktion des Orbitagewebes mit Gewebsinfiltration durch immunkompetente T-Zellen, welche den TSH-Rezeptor als Antigen haben.
Einleitung Die Symptomatik kann ein halbes bis ein Jahr der Manifestation einer Hyperthyreose (M. Basedow) vorausgehen. Leitsymptome sind: seltener Lidschlag (Stellwag-Zeichen), Oberlidretraktion (Dalrymple-Zeichen), Zurückbleiben des Oberlids beim Blick nach unten (GraefeZeichen) und Konvergenzschwäche (MoebiusZeichen).
Diagnostik Laborchemisch sollten TSH, fT3, fT4 und die Schilddrüsen-Rezeptorantikörper im Serum bestimmt werden. Weitere diagnostische Schritte umfassen die Hertel-Exophthalmometrie, die Tonometrie, ggf. Orbitasonographie und MRT.
Therapie Zunächst sollte eine euthyreote Stoffwechsellage angestrebt werden. Cave: Strikte Nikotinkarenz! Wenn ein Behandlungsversuch mit Kortikoiden (1000 mg i. v./d über 3 Tage) nicht erfolgreich ist, kommt die Retrobulbärbestrahlung mit 20 Gy über 2 Wochen in Betracht [1]. Bei einer kompressiven Orbitopathie sollte eine Optikusdekompressions-OP durchgeführt werden [2].
Über die Intoxikation kommt es zur cholinergen Krise. Entsprechend des Acetylcholinüberschusses kommt es zu nikotinergen Symptomen: Muskelzucken, Tremor, Paresen durch Muskelsteife, Miosis, Parästhesien, erethische Verwirrtheitspsychose, Koma, Atemlähmung (zentral und peripher bedingt). Je nach Substanz und Dosis verläuft die Intoxikation unterschiedlich schwer. Meist folgenloses Abklingen innerhalb von 24–48 Stunden ohne spezifische Therapie. In seltenen Fällen kann es zu schweren Endplattenschädigungen mit Muskelatrophien und Paresen kommen. Außerdem ist ein neuropathisches Spätsyndrom mit progredienten Paresen nach überlebter Akuterkrankung möglich. 3
Definition
Therapie Beim geringsten Verdacht auf Organophosphatintoxikation sollte Aktivkohle gegeben und eine Magenspülung durchgeführt werden. Dieses Vorgehen auch nach langer Latenz vom Intoxikationszeitpunkt. Verabreichung von Atropin als kompetitivem Acetylcholinantagonisten. Dosis nach Schwere der Intoxikation. Außerdem kann bei rascher Diagnose eine Lösung der Acetylcholinesterase durch Obidoxim (Toxogonin® 250 mg i. v.) versucht werden. Ein direkter Hautkontakt oder das Einatmen von Atemluft der Patienten sollte vermieden werden.
Orientierung Definition
Grundlagen Voraussetzungen sind unter anderem ungestörtes Bewusstsein, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Zeitsinn und Gedächtnis. Orientie3
3
1. Bartalena I et al. Orbital radiotherapy for Grave’s ophthalmopathy. Thyroid 2002; 12:245–250 2. Korinth MC et al. Follow-up of extended pterional orbital decompression in severe Grave’s ophthalmopathy. Acta Neurochir (Wien) 2002; 144:113–120
Fähigkeit, sich im Hinblick auf Zeit, Ort, Situation und eigene Person zurechtzufinden.
3
Literatur
Orphenadrin
rungsstörungen betreffen zunächst zeitliche, dann situative und örtliche und zuletzt die autopsychische Orientierung. Vorkommen bei Störungen des Bewusstseins, der Wahrnehmung und des Gedächtnis, Psychosen. 3
Ornithin-Transcarbamylase-(OTC-) Mangel Definition Der OTC-Mangel ist eine seltene, X-chromosomal vererbte Stoffwechselstörung aus dem Harnstoffzyklus mit erhöhtem Ammoniakspiegel, die bei frühem Beginn zu Hirnschäden mit mentaler Retardierung bis zum Tod führt. Der klinische Phänotyp ist sehr variabel, sodass auch Patienten mit deutlich späterem Beginn der Symptome gesehen werden. Schließlich gibt es asymptomatische Träger eines Gendefektes in der OTC-Region auch im Erwachsenenalter [2].
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drin zur Behandlung des M. Parkinson eingesetzt.
Resorption Die Resorption erfolgt langsam. Maximale Plasmakonzentrationen von 100–200 mg/L werden 2–4 h nach peroraler Gabe von 100 mg Orphenadrin gefunden. Allerdings scheint die perorale Bioverfügbarkeit vollständig (95%) zu sein.
Elimination Es wird rasch metabolisiert. Innerhalb von 72 h werden 60% der Dosis ausgeschieden, davon 8% unverändert. Die Metabolisierung erfolgt durch N-Demethylierung, Deaminierung und Konjugation. Die Eliminationshalbwertszeitvon Orphenadrin schwankt zwischen 13 und 20 h bei einem Mittelwert von 15,5 h.
Anwendungsgebiete
Therapie
Anwendung als schwaches Anticholinergikum bei der Behandlung des M. Parkinson.
Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Dramatische Verbesserungen des Ammoniakabbaus wurden nach Infusionen mit Arginin beobachtet [1].
Dosierung und Art der Anwendung
Literatur 1. Kodama H, Mori Y, Kubota K, Iitsuka T, Nakazoto Y, Abe T (1996) Intravenous arginine dramatically improved hyperammonemia in a patient with late-onset ornithine transcarbamylase deficiency. Tohoku J Exp Med 180: 83–86. 2. Tuchman M, McCullough BA, Yudkoff M (2000) The molecular basis of ornithine transcarbamylase deficiency. Eur J Pediatr 159 Suppl.: 196–198.
Orphenadrin
50–250 mg Orphenadrinhydrochlorid pro Tag verteilt auf 2 Dosen. Parenteral werden 60 mg 2×pro Tag i. v. oder i. m. verabreicht.
Unerwünschte Wirkungen Typische anticholinerge Symptome sind Mundtrockenheit und Obstipation. Es werden Kopfschmerzen, Schwindel, Konfusion, Müdigkeit, Halluzinationen, Unruhe und Tremor beobachtet. Die Verkehrstüchtigkeit kann eingeschränkt sein. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen beinhalten das Auftreten von Tachykardien und Herzklopfen. Sehr selten sollen aplastische Anämien auftreten.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Norflex Rtdtbl., Inj.lösg.; Norgesic® N Drg.
Wirkungen Orphenadrin ist das O-Methyl-Analogon des Antihistaminikums Diphenhydramin mit stärkeren antimuscarinergen und geringeren antihistaminergen Eigenschaften. Als zentral wirksame anticholinerge Substanz wird Orphena-
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Orphenadrin sollte nicht bei einer bekannten Überempfindlichkeit gegen die Substanz eingenommen werden. Als relative Kontraindikationen gelten Engwinkelglaukom, Herzrhythmusstörungen, Mysthenia gravis, Pylorusspasmus, Prostataadenom etc.
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Orthostasebelastung, Funktionstest *
Orthostasebelastung, Funktionstest Grundlagen Insbesondere in der Synkopendiagnostik eingesetzte kardiovaskuläre Funktionstests, mit denen das Verhalten von Blutdruck und Herzfrequenz unter aktiver ( Schellong-Test) oder passiver ( Kipptischtest) Orthostasebelastung untersucht werden.
Labor: Gerinnungsdiagnostik, Thrombozytenzahl und Rumpel-Leede-Test sind normal. Häufig Eisenmangelanämie aufgrund von Blutungen.
Therapie *
3
*
Symptomatische Therapie: Blutstillung, Substitution von Erythrozytenkonzentraten. Ggf. neurochirurgische Intervention bei SAB oder raumfordernder intrazerebraler bzw. intraspinaler Blutung.
3
Bewertung
Orthostatische Intoleranz
Selten.
Definition
Prognose
Bezeichnung für Symptome der orthostatischen Hypotension, z. B. unsystematischer Schwindel, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen, Ohrenrauschen, Kopf- und Nackenschmerzen, Kollaps.
Abhängig von Blutungslokalisation Schwere der Blutungen.
und
Oszillopsien Definition
Osler-Rendu-Weber-Syndrom Synonyme Hereditäre hämorrhagische Osler-Krankheit
Teleangiektasie,
Oszillopsien beschreiben die pathologische Bewegungswahrnehmung bei der Beobachtung von eigentlich stationären Objekten. Der Bewegungseffekt kommt dabei durch ausgeprägte Bewegungen der projizierten Bilder auf der Retina zustande.
Definition
Einleitung
Erblich bedingte Vasopathie mit erhöhter Blutungsneigung, angiomatöses neurokutanes Syndrom.
Die Bewegungswahrnehmung geht häufig mit einer Visusminderung einher und tritt ab einer Winkelgeschwindigkeit der sich auf der Retina hin und her bewegenden Bilder von 5°/sec auf. Vor allem beim akuten Verlust des Gleichgewichtssinnes (z. B. operative Durchtrennung des N. vestibulocochlearis oder Aminoglykosidintoxikation) können Oszillopsien durch Kopfdrehungen ausgelöst werden.
Einleitung Vorkommen: selten. Ätiologie: autosomal-dominant vererbte Vasopathie. Klinisch: * Multiple Nävi vor allem an Haut und Schleimhäuten, aber auch im zentralen Nervensystem. * Neigung zu Blutungen, auch neurovaskulär: Intraspinale Blutungen, seltener Subarchnoidalblutung oder intrazerebrale Blutungen. * Blutungen häufig durch Bagatelltraumen ausgelöst.
Diagnostik *
Anamnese, klinische Untersuchung.
Differenzialdiagnose Es lassen sich vier verschiedene Pathomechanismen unterscheiden: 1. Oszillopsien bei abnormen vestibulo-okulärem Reflex (VOR) a) Peripher * Aminoglykosidtherapie * Cisplatintherapie * Operative Durchtrennung von N. vestibulocochlearis
Ototoxizität *
Tumoren Meningitis * Kongenitale Fehlbildung des Ohres * Hereditäre vestibuläre Areflexie * Dolichoektatische A. basilaris * Idiopathisch b) Zentral * Verhältnis von Kopf- zur Augenbewegung („gain“) zu klein Diffuse ZNS-Erkrankungen (M. Alzheimer, Multisystematrophie) Zentral dämpfende Pharmaka * Verhältnis von Kopf- zur Augenbewegung („gain“) zu groß Enthemmung des VOR durch fehlende Suppression des Archizerebellums 2. Oszillopsien bei Parese der äußeren Augenmuskeln 3. Oszillopsien bei Nystagmus * Erworbener Nystagmus (v. a. bei Pendel-, „up-beat“-, „down-beat“-, „seesaw“- und dissoziiertem Nystagmus) * Sakkadischen Oszillationen (Willkürnystagmus, psychogener Nystagmus, „ocular flutter“, Mikrosakkaden und Opsoklonus) * Obliquus-superior-Myokymie (meist monokular) * Kongenitaler Nystagmus (trotz ausgeprägter Bulbusbewegungen treten hier bei den meisten Patienten selten Oszillopsien auf) 4. Oszillopsien zentraler Ursache * Bei epileptischen Anfällen, Okzipitallappeninfarkt * Nach transkranieller Magnetstimulation *
Therapie Die Therapie der Oszillopsie richtet sich nach der zugrundeliegenden Erkrankung. Eine Adaptation an diese Störung findet statt, hängt aber sehr von individuellen psychosozialen Faktoren ab [1].
Literatur 1. Grundfeld EA. et al. (2000) Adaptation to oscillopsia: a psychophysical and questionnaire investigation. Brain 123:277–90.
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Otosklerose Definition Die Otosklerose ist eine Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel und stellt eine häufige Ursache der Mittelohrschwerhörigkeit dar.
Einleitung Diese Erkrankung tritt bei Frauen (Schwangerschaft) häufiger auf und manifestiert sich zwischen dem 20.–40. Lebensjahr. Das Erstsymptom ist ein tiefes Ohrgeräusch (Ohrensausen) und wandelt sich in eine zunehmende Schwerhörigkeit um.
Diagnostik In der Audiometrie imponiert ein typischer Befund einer Schallleitungsstörung. Eine Bildgebung kann mittels CCT oder MRT erfolgen, gelegentlich kann in der Knochenszintigraphie ein aktiver Prozess nachgewiesen werden.
Therapie Therapie der Wahl ist eine Operation mittels Stapedektomie (Stapesplastik), die in 90% zu einer Hörverbesserung führt.
Ototoxizität Definition Es sind eine Reihe an ototoxischen Substanzen identifiziert, die zu einer meist irreversiblen Schädigung des Labyrinthorgans führen.
Grundlagen Dazu zählen: * Medikamente: Chinin, Salicylsäure, Diuretika (Furosemid, Etacrynsäure), Zytostatika (Cisplatin), jedoch v. a. dosisabhängig Aminoglykoside (Gentamycin, Streptomycin, Neomycin, Tobramycin). * Industrierzeugnisse: Kohlenmonoxid, Nitrobenzol, Anilin Cave: Da die Ototoxizität bei verminderter renaler Funktion zunimmt, ist insbesondere bei Niereninsuffizienz eine engmaschige audiographische Kontrolle und laborchemische Überwachung der Nierenfunktion indiziert.
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„Out-of-wind“-Phänomen
Dosierung/Anwendung
„Out-of-wind“-Phänomen
Aufdosierung bei Erwachsenen in Schritten von 150–300 mg jeden 2–3. Tag (als Zweimalgabe/ d), endgültige Dosis bei Erwachsenen in Abhängigkeit von Effektivität und Nebenwirkungen ca. 600–2400 mg/d (Kinder ca. 12–30 mg/ kg Körpergewicht). Beim Wechsel von Carbamazepin auf Oxcarbazepin kann eine abrupte Umstellung (von einem auf den nächsten Tag) erfolgen, wobei in der Regel eine Dosiserhöhung im Verhältnis 1:1,2 bis 1:1,5 (Carbamazepin:Oxarbazepindosis) nötig ist.
Biochemie, Muskelerkrankungen
Myositis, bei Kollagenosen
Unerwünschte Wirkungen
Zubereitungen Tabletten.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Trileptal® Tabletten à 150, 300, 600 mg, Timox® Tabletten.
Wirkungen Membranstabilisierung über die Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle.
Pharmakologische Daten Rasche Resorption, orale Bioverfügbarkeit ca. 90–95%. Rasche und fast vollständige hepatische Metabolisierung zum wirksamen Metaboliten Monohydroxycarbazepin (10-OH-Carbazepin, MHD). Sehr geringe leberenzyminduzierende Wirkung. Plasmaeiweißbindung von Oxcarbazepin ca. 70%, von MHD ca. 40%. Halbwertszeit von MHD ca. 8–15 h, Steady State nach 2–3 d.
Anwendungsgebiete
Selten allergische Hautreaktionen, dabei in ca. 25% Kreuzreaktivität bei vorbestehender Carbamazepinallergie. Häufig, z. T. auf die initiale Behandlungsphase beschränkte, zentralnervöse (Sedierung, Schwindel, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Diplopie, Ataxie, Tremor, Dysarthrie, Blickrichtungsnystagmus) und gastrointestinale (Nausea, Erbrechen) Nebenwirkungen. Selten Transaminasenanstieg, in Einzelfällen Hepatitis. In bis zu 30% Hyponatriämie infolge Schwartz-Bartter-Syndroms (meist asymptomatisch). Extrem selten AV-Block, Arrhythmien. Gelegentlich Blutbildveränderung (Leuko-, Thrombopenie). Teratogenität: Risiko für Spina bifida ca. 1% (für alle, auch Minor-Missbildungen 5,7% [1]), für Aborte und Totgeburten ca. 6%.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Allergie gegen Oxcarbazepin.
Wechselwirkungen Deutlich geringeres Interaktionspotential als Carbamazepin. Oxcarbazepin kann zu einer leichten Abnahme der Spiegel von Lamotrigin und Felodipin sowie hormoneller Kontrazeptiva führen. Enzyminduzierende Antiepileptika ( Phenytoin, Phenobarbital, Primidon), Paracetamol und Verapamil bewirken allenfalls geringfügig erniedrigte Spiegel von Oxcarbazepin bzw. MHD. Bei Wechsel von Carbamazepin auf Oxcarbazepin muss der weitgehende Wegfall der Enzyminduktion mit der Folge eines Konzentrationsanstiegs der gleichzeitig verabreichten Antiepileptika beachtet werden. 3
In klinischen Studien zeigte sich Oxcarbazepin als effektiv in Kombinations- und auch Monotherapie therapierefraktärer fokaler und sekundär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle bei Erwachsenen und Kindern (Anfallsreduktion ≥50% bei bis zu 50% der Patienten). Das Wirkspektrum entspricht dem von Carbamazepin bei in der Regel besserer Verträglichkeit. Daher kann bei Patienten mit gutem, aber nicht vollständigem Ansprechen auf Carbamazepin eine Umstellung auf Oxcarbazepin in höherer vergleichbarer Dosis erwogen werden, die unter carbamazepinbedingten Nebenwirkungen leiden.
3
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Oxcarbazepin
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„Overlap“-Syndrome
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Bewertung Wirksames Antiepileptikum zur Therapie foka-
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Oxybutyninhydrochlorid
ler Epilepsien mit vergleichbarem Wirkspektrum aber besserer Verträglichkeit und geringerem Interaktionspotential als Carbamazepin.
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Anwendungsgebiete Oxybutynin kann für die Behandlung und Symptome von Blaseninstabilität und Harninkontinenz bei neurogenen Blasenstörungen und Enuresis nocturna verwendet werden.
Dosierung und Art der Anwendung
Oxybutyninhydrochlorid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Cystonorm 5 mg Tbl., Dridase® Tbl., Ryol® 2,5/5 mg Tbl., Spasyt® 5mg, Tbl.
Bei Kinder 2,5–5 mg 2-mal täglich, bei Erwachsenen 5 mg 2–3-mal täglich oral. Die Gesamtdosis sollte 20 mg nicht überschreiten. Zur Reduzierung von unerwünschten Wirkungen können Retardpräparate verwendet werden, die 0,5–1 h vor den Mahlzeiten eingenommen werden.
Unerwünschte Wirkungen Wirkungen Oxybutynin hat eine spasmolytische Wirkung an der glatten Muskulatur des Magen-DarmTraktes und der ableitenden Harnwege, die zum Teil auf einer kompetitiven Hemmung der muscarinischen Wirkungen des Acetylcholins beruht. Die spasmolytische Wirkung des Oxybutynins an der glatten Muskulatur der Harnblase kann therapeutisch genutzt werden, um die Symptomatik neurogener Blasenstörungen und der Enuresis nocturna zu vermindern. Die Blasenkapazität steigt an, die Kontraktionshäufigkeit und - intensität des Detrusormuskels nimmt ab, Harndrang und Inkontinenz werden reduziert.
Resorption Nach oraler Gabe wird Oxybutynin mit einer Bioverfügbarkeit von 65% und maximaler Plasmakonz. nach 1 h resorbiert.
Elimination Oxybutynin hat einen hohen first-pass-Effekt, in dem hauptsächlich der aktive Metabolit NDesethyl-oxybutynin entsteht. Oxybutynin wird mit einer terminalen Halbwertszeit von ca. 2 h eliminiert.
Schwindel, Halluzinationen, Schlaflosigkeit, Unruhe. Tachykardie. Vasodilatation. Obstipation, erniedrigte gastrointestinale Motilität, Mundtrockenheit, Nausea. Harnretention. Impotenz, Hemmung der Laktation. Hemmung der Schweißsekretion, Hautröte. Hemmung der Tränensekretion, Mydriasis.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Oxybutynin ist kontraindiziert bei Patienten mit unbehandeltem Engwinkelglaukom, paralytischem Ileus, Darmatonie, Megakolon, Colitis ulcera, Myasthenia gravis, obstruktiver Uropathie, schweren kardiovaskulären Erkrankungen, sowie bei akuter Hämorrhagie. Die Symptome nach Überdosierung entsprechen denen, die für andere anticholinerge Verbindungen beschrieben wurden. Im Vordergrund stehen zentralnervöse Erregung einschließlich Ruhelosigkeit, Tremor, Konvulsionen, Delirium, Halluzinationen und kardiovaskuläre Symptome wie Tachykardie, Hypotonie oder Hypertonien und Flush. Darüber hinaus wurden Fieber, Emesis und Nausea beschrieben. Im fortgeschrittenen Stadium treten Atemversagen, Lähmung und Koma auf.
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P
Definition
Pachygyrie Definition Fehlbildung des Gehirns mit verplumpten und breiten Hirnwindungen.
Einleitung
Idiopathische sporadische Erkrankung des autonomen Nervensystems mit hauptsächlicher Beteiligung des postganglionären sympathischen Systems.
Einleitung
Vorkommen u. a. bei zerebralen Missbildungssyndromen und bei Phakomatosen, insbesondere beim Nävussyndrom. Die Ausdehnung kann diffus oder lobär sein. Klinisch im Vordergrund Epilepsie und Debilität. 3
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Pachymeningeosis haemorrhagica interna Definition Flächenförmige, von Blutungen durchsetzte, gefäß- und bindegewebsreiche Auflagerungen an der Innenfläche der Dura mater.
Einleitung Die in älteren Lehrbüchern abgegrenzte Pachymeningeosis haemorrhagica interna stellt keine eigenständige nosologische Einheit dar. Ursächlich kommen Schädel-Hirn-Trauma, Vitamin B1-Mangel, Arteriosklerose und chronische Nierenerkrankungen in Frage. Klinische Symptomatik, Diagnostik und Therapie wie bei subduralem Hämatom. 3
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PAF („pure autonomic failure“) Synonyme Primäre autonome Insuffizienz, Bradbury-Eggleston-Syndrom
Leitsymptom ist die orthostatische Hypotension, einige Patienten zeigen als Erstsymptom eine Blasenstörung, Schweißsekretionsstörungen oder Impotenz. Verlauf meist schleichend über 15–20 Jahre nach Diagnosestellung.
Diagnostik Klinische Untersuchung: Ausschluss einer Beteiligung zusätzlicher Systeme (zerebellar, extrapyramidal etc.). Orthostasebelastungstest: Ausgeprägte orthostatische Hypotension. Labor: Reduziertes Plasma-Noradrenalin im Liegen, fehlender Anstieg unter Orthostase. Andere primäre oder sekundäre Ursachen einer autonomen Funktionsstörung (z. B. Polyneuropathien) müssen ausgeschlossen werden.
Therapie Physikalische Maßnahmen: Stehen mit gekreuzten Beinen, Zehenwippen. Schlafen mit erhöhtem Oberkörper. Ausreichende Flüssigkeits- und Salzzufuhr. Medikamentös: Orale Gabe von Fludrocortison (0,1–0,3 mg/die, z. B. Astonin H®) oder Midodrin (3×2,5–3×10 mg/die, z. B. Gutron®. Cave: Nächtliche Hypertension!). Intranasale Gabe von Desmopressin (5–40 μg, z. B. Minirin®) unter regelmäßigen Elektrolyt- und Plasmaosmolalitätskontrollen (Einleitung unter stationären Bedingungen).
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Palilalie *
Palilalie Definition Mit diesem Begriff werden automatisierte, unwillkürliche Iterationen von Silben oder Sätzen bezeichnet, typischerweise bei fortgeschrittenen Stadien der Parkinson-Krankheit, aber auch bei der Tourette-Störung. Diese Störung ist bei Parkinson-Patienten von der Festination des Sprechens mit Auslassen von Phonemen und Beschleunigungen gegen Ende eines Satzes zu unterscheiden, bei der es ebenso zu einem charakteristischen Stottern kommt, welches durch eine Starthemmung beim Sprechbeginn gekennzeichnet ist.
Palinopsie Definition Unter einer Palinopsie versteht man visuelle Perseverationen von Dingen, die der Patient bereits vor einem Zeitraum von Sekunden bis Stunden zuvor gesehen hat.
Einleitung Diese visuelle Illusion entspricht so sehr dem realen Seheindruck, dass dem Patienten eine Unterscheidung von Realität und Palinopsie nicht oder nur sehr schwer möglich ist. Die einzelnen Episoden können mehrere Minuten bis sogar einen ganzen Tag andauern. Obwohl die gesehenen Bilder nur selten vollständig sind, werden sie in das reale Geschehen integriert (z. B. scheinen alle betrachteten Personen Bärte zu tragen). Ist das Intervall zwischen realer Wahrnehmung und visueller Perseveration auf mehrere Tage bis Wochen ausgedehnt, so spricht man von halluzinatorischer Palinopsie [1]. Ähnlich wie beim Charles-Bonnet-Syndrom verschwinden diese Palinopsien bei Kopf- oder Blickbewegungen. 3
Differenzialdiagnose Die folgende Auflistung gibt eine Übersicht über bekannte Ursachen einer Palinopsie [2]: 1. Medikamente: * Rauschmittel (Marihuana, Mescalin, Lyserginsäure-Diethylamid (LSD), 3,4-Methylenedioxymethamphetamine („Ecstasy“))
Interleukin 2 Antidepressiva (Trazodon, Nefazodon, Maprotilin) * Clomifen Epileptische Anfälle * Temporal * Okzipital * Periodische lateralisierte epileptiforme Entladungen Fokale zerebrale Läsionen * Trauma * Parasitose * Abszess * Schlaganfall * Tumor * Arteriovenöse Malformation Creutzfeldt-Jacob-Krankheit Multiple Sklerose Carbonmonoxidvergiftung Nichtketotische Hyperglykämie Migräne Psychiatrische Erkrankungen * Schizophrenie * Psychotische Depression * Charles-Bonnet-Syndrom *
2.
3.
4. 5. 6. 7. 8. 9.
Allerdings kann sich diese Symptomatik auch bei Gesunden als „physiologische“ Palinopsie manifestieren [2].
Prophylaxe Die Prophylaxe der Palinopsie besteht neben der Vermeidung der Exposition von auslösenden Substanzen und in der Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung.
Therapie empirisch Folgende Medikamente haben Wirksamkeit gezeigt: Sumatriptan [3],Carbamazapin [4].
Prognose V. a. bei den durch medikamentös oder durch Rauschmittel erzeugten Palinopsien ist die Symptomatik dosisabhängig und sistiert nach Absetzen der Substanz. Clomifen hingegen führt zu jahrelang persistierenden Symptomen [5].
Diätetik/Lebensgewohnheiten Bei bekannter Sensitivität sollte die Einnahme
Pallidotomie, posteroventrale
von Medikamenten/Halluzinogenen unterbleiben.
Literatur 1. Pötzl O (1954) Über Palinopsie. Wien Z Nervenh 8:161–186. 2. Pomeranz HD et al. (2000) Palinopsia and polyopia in the absence of drugs or cerebral disease. Neurology 54:855–9. 3. Ogunyemi A, Adams D (1998). Migraine-like symptoms triggered by occipital lobe seizures: response to sumatriptan. Can J Neurol Sci 25:151–3. 4. Silva JA et al. (1997) Resolution of palinopsia with carbamazepine. J Clin Psychiatry; 58:30. 5. Purvin VA Visual disturbance secondary to clomiphene citrate (1995) Arch Ophthalmol 113:482–4.
Pallhypästhesie Definition Minderung des Vibrationsempfindens.
Einleitung Das Vibrationsempfinden gehört neben der Lage- und Bewegungsempfindung zur Tiefensensibilität. Störungen des Vibrationsempfindens treten oft sehr früh im Krankheitsverlauf einer Polyneuropathie auf. Die Prüfung der Tiefensensibilität mittels Stimmgabel gehört in jedem Fall zur Polyneuropathie-Diagnostik. 3
Differenzialdiagnose Bei einigen Polyneuropathieformen stehen die Tiefensensibilitätsstörungen häufig ganz im Vordergrund. Hierzu gehören die alkoholische Polyneuropathie, die hypothyreote Polyneuropathie, die nephrogene Polyneuropathie und die paraneoplastische sensorische Polyneuropathie (Denny-Brown) [1]. Störungen des Vibrationssinnes können neben Schädigungen der peripheren sensiblen Nerven aber auch durch Läsionen der Hinterstränge auf Rückenmarksebene verursacht werden (z. B. Tabes dorsalis, funikuläre Myelose). 3
3
3
3
Therapie Eine spezifische Therapie einer Pallhypästhesie existiert nicht. Vielmehr muss dieses Symptom im Rahmen der Grunderkrankung mitbehandelt werden.
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Literatur 1. Neundörfer B (1987) Polyneuritiden und Polyneuropathien. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim.
Pallidotomie, posteroventrale Definition Stereotaktische OP, bei der ein Teil des posteroventralen inneren Pallidumgliedes meist durch Hochfrequenz- oder Hitzekoagulation zerstört wird.
Grundlagen Dieser stereotaktische Ansatz zielt auf die chirurgische Modifikation der sekundären Überaktivität im inneren Pallidumglied bei Morbus Parkinson. Der Zielpunkt wird auch für dystone Bewegungsstörungen herangezogen. Pallidotomien führte man schon zu Beginn der Stereotaxie bei Parkinson-Patienten durch. In den 40er- und 50er-Jahren waren aber die Möglichkeiten der Zielpunktberechnungen im Vergleich zu heute stark eingeschränkt und die Läsionen in ihrer Größe sehr variabel. Der Zielpunkt im Globus pallidus wurde wegen seiner anatomischen Nähe zu kritischen Strukturen aufgegeben. Die Variante der posteroventralen Pallidotomie wurde in Schweden weiter verfolgt, auch nachdem sich der von Hassler vorgegebene Zielpunkt im VIM bei den meisten Operateuren durchgesetzt hatte. Das erhöhte Risiko von Läsionen des Tractus opticus (ca. 20%) mit entsprechender Erblindung im Vergleich zur klassichen Thalamotomie wurde von Leksell und Laitinen wegen der günstigen Beeinflussung nicht nur des Tremors, sondern auch der Bradykinese in Kauf genommen. Die posteroventrale Pallidotomie nach Leskell wurde nicht nur wegen dem höheren Operationsrisiko, sondern auch wegen der ungenügenden Evaluierung der Patienten lange Zeit nicht beachtet. Neuere Erkenntnisse über die Organisation der Basalganglien und des Thalamus und erste Veröffentlichungen von anderen Gruppen, die ebenfalls die posteroventrale Pallidotomie anwendeten, führten zu einer Renaissance dieses Verfahrens. Die Ergebnisse von verschiedenen Gruppen sprechen für einen globalen Effekt der Pallidotomie auf die Kardinalsymptome Tremor, Bradykinese, Rigor und der schwer zu
P
Panarteriitis nodosa
behandelnden L-Dopa-Dyskinesien. Es ist jedoch unklar, inwieweit die positiven Effekte über die Jahre bestehen bleiben und welche Defizite im Langzeitverlauf die Läsion wiederum selbst auslösen kann. Die Pallidotomie ist mit einem nicht unerheblichen zeitlichen und technischen (Zielpunktbestimmung) Aufwand behaftet. Sie müssen beim wachen und kooperativen Patienten durchgeführt werden, da das der Zielsymptomatik entsprechende sensomotorische Feld im inneren Pallidumglied mit Hilfe von Mikroelektroden kartiert werden muss, bevor die Läsion mit Hilfe einer Radiofrequenz-Sonde an dem intraoperativ bestimmten Zielpunkt durchgeführt wird. Damit wird naturgemäß nur die dem zerstörten sensomotorischen Areal entsprechende Symptomatik (z. B. kontralaterale Hand, eventuell auch Bein) beeinflusst. Für den Patienten kann diese objektiv-messbare Besserung motorischer Leistungen subjektiv wenig Bedeutung haben, da weitere Symptome wie zum Beispiel Gangunsicherheit, Sprech- und Stimmstörungen nach der Pallidotomie unverändert bleiben. In diesem Schema am Modell der Hypokinese bei Morbus Parkinson bildet der Globus pallidus internus (GPi) die Output-Station der Basalganglien. Dopamin-D2-Rezeptor-kontrollierte striatale GABA-Neurone projizieren in das äußere Pallidumglied und erreichen als „indirekte Projektion“ über den Globus pallidus externus (GPe) und Nucleus subthalamicus (STN) das innere Pallidumglied (GPi), während Dopamin-D1-Rezeptor-kontrollierte striatale GABANeurone direkt in das innere Pallidumglied projizieren. Der striatale Dopaminmangel bei Morbus Parkinson führt zu einer Aktivitätszunahme der indirekten Projektion zum GPi. Dies wiederum bedingt eine Enthemmung des Nucleus subthalamicus (STN) mit überaktiven exzitatorischen Projektionen zum GPi, dessen resultierende Aktivitätssteigerung zu einer übermäßiger Hemmung thalamokortikaler Projektionen, damit zu einer Hypofunktion der SMA und Hypokinese führt. An dem „gestörten“ Regelkreis lassen sich die Zielpunkte invasiver Verfahren erklären: 1. Dopaminsubstitution. 2. Chronische Hochfrequenzstimulation im N. subthalamicus bzw. Globus pallidus internus. 3. Posteroventrale Pallidotomie.
Pallidotomie, posteroventrale. Abb. 1: Regelkreis zw. Basalganglien, Kortex und Thalamus. oben Gestörte Transmission beim ParkinsonSyndrom: Das Dopamindefizit führt zu einer Enthemmung von Nucleus subthalamicus (STN) und Globus pallidum internus (Gpi). Dadurch Hemmung thalamokortikaler Verbindungen zur supplementär motorischen Area (SMA) unten Angriffspunkte invasiver Verfahren: hochfrequente Stimulation am Nucleus subthalamicus (STN) bzw. inneren Globus Pallidum (Gpi). 3 Posteroventrale Pallidotomie
Literatur 1. Ceballos-Baumann AO, Obeso JA, Vitek JL, Delong MR, Bakay R, Linazasoro G, Brooks DJ (1994). Restoration of thalamocortical activity following posteroventral pallidotomy in Parkinson's disease. Lancet 344: 814–14.
Panarteriitis nodosa Synonyme Systemische nekrotisierende
3
958
Arteriitis
Definition Die Panarteriitis nodosa ist eine nekrotisierende Vaskulitis mittlerer und kleiner Arterien mit fib-
Pancoast-Syndrom
959
Therapie gesichert Die Erkrankung wird durch eine Kombinationstherapie aus Kortikosteroiden und Cyclophosphamid in einer initialen Dosis von 1,5 mg Prednisolon/kg KG und 2 mg Cyclophosphamid/kg KG täglich behandelt. Nach einem Zeitraum von 3 Wochen kann diese hohe Dosis nach Maßgabe von klinischem und laborchemischem Befund vorsichtig reduziert werden. Anschließend muss die Cyclophosphamidtherapie mindestens über 1 Jahr, die Kortikosteroidtherapie mindestens über 3 Jahre weitergeführt werden. Bei Unverträglichkeit von Cyclophosphamid können als Alternativwirkstoffe Methotrexat oder Azathioprin eingesetzt werden.
Nachsorge Pallidotomie, posteroventrale. Abb. 2: PETAktivierungsbilder eines Parkinson-Patienten vor und nach stereotaktischem Eingriff zur Besserung der Akinese (posteroventraler Pallidotomie). Man beachte die Zunahme in der Aktivierung nach der Pallidotomie [1]
rinoider Wandnekrose, polymorphnukleären Infiltrationen und Fragmentationen der Elastica interna, die durch einerseits segmentalen Befall von Gefäßen, andererseits durch unterschiedliche Entzündungsstadien in einem Gefäß charakterisiert ist.
Eine lebenslange Überwachung der Patienten ist aufgrund des hohen Risikos von Exazerbationen im Langzeitverlauf notwendig.
Prognose Durch eine konsequente immunsuppressive Therapie wurde die Fünfjahresmortalität der Erkrankung von über 60% auf unter 15% gesenkt. Ungünstige prognostische Kriterien sind eine Proteinurie von mehr als 1 g/Tag, eine Niereninsuffizienz mit einem Seumkreatinin von mehr als 1,58 mg/dl, eine gastrointestinale oder ZNSBeteiligung sowie das Vorliegen einer Kardiomyopathie.
Diagnostik Kriterien des American College of Rheumatology: Drei der folgenden Kriterien müssen zur Diagnosestellung erfüllt sein: (Spezifität 86,6%, Sensitivität: 82,2%) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Gewichtsabnahme (>4 kg) Livedo reticularis Hodenschmerz Myalgien Neuropathie Diastolischer Blutdruck >90 mmHg Harnstoff oder Kreatinin im Serum erhöht Hepatitisreaktanten im Serum Angiographischer Befund Vaskuläres Granulozyten- oder gemischtes Leukozyteninfiltrat in der Biopsie
Pancoast-Syndrom Definition Das Pancoast-Syndrom ist eine Schädigung des unteren Armplexus und des benachbarten Grenzstranges durch infiltrative Prozesse der Lungenspitze.
Einleitung Klinisch imponieren neurologische Defizite im Versorgungsgebiet des unteren Armplexus, ein Horner-Syndrom sowie Schweißsekretionsstörungen im oberen Quadranten. Oft bestehen ausstrahlende Schmerzen.
Diagnostik Häufigste Ursache sind Bronchialkarzinome.
P
960
Pandysautonomie
Wichtigste diagnostische Maßnahme ist die Bildgebung des oberen Armplexus, möglichst mittels Kernspintomographie.
Panik
Therapie
Definition
Die Therapie besteht in der Behandlung der Grunderkrankung (Operation, Radiatio, Chemotherapie). In der Regel wird die Behandlung nicht kurativ sein. Die Schmerzsymptomatik kann durch eine Bestrahlungstherapie gebessert werden. Zusätzlich kommen symptomatische Maßnahmen in Betracht (zur schmerzdistanzierenden Behandlung, Polyneuropathie).
Unter Panik versteht man massive Angstgefühle, die entweder als Reaktion auf ein inneres oder äußeres Eregnis auftreten oder sich unabhängig davon manifestieren können.
Differenzialdiagnose Man unterscheidet zwischen einer physiologischen Angstreaktion und Panik-Störungen. Angst, Angststörung.
3
3
Pandysautonomie Guillain-Barré-Strohl-Syndrom Neuropathie, akute panautonome. 3
PAF, (GBS),
Papillenödem
3
3
Definition
Panenzephalitis, subakute sklerosierende (SSPE) SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis)
Ein Papillenödem ist der ophthalmoskopische Befund einer angeschwollenen Papille, wobei die Ursache meist in einer Stauung, einer Entzündung oder Ischämie zu suchen ist (vgl. Tab. 1).
3
Papillenödem. Tab. 1: Differenzialdiagnose des Papillenödems Stauungspapille
Papillitis
(keine Visusreduktion)
(akuter Visusverlust, Schmerzen)
Tumoren
Multiple Sklerose
Ischämische vordere Optikusneuropathie (akuter Visusverlust, keine Schmerzen) Arteriosklerose (Hypertonus, Diabetes mellitus)
Blutungen
Tuberkulose
Karotisstenosen
Hirnödem bei Infarkt
Guillain-Barré-Syndrom
Vaskulitiden (Arteriitis temporalis)
Sinusthrombose
Sinusitis
Hämatologische Erkrankungen (Polyzythämie)
Schädel-Hirn-Trauma
Entzündungen der Orbita
Liquorzirkulationsstörungen Liquoreiweißerhöhung (GuillainBarré-Syndrom, SAB) Endokrinopathien Metabolische Genese Toxische Ursachen
Paracetamol
Papovaviren Definition Kurzbezeichnung aus Papilloma-, Polyomaund Simian Vacuolating Virus 40 (SV 40).
Grundlagen Alle bekannten Papovaviren (weltweitverbreitete, hitzestabile, hüllenlose kubische DNAViren) können unter bestimmten Bedingungen benigne und maligne (v. a. epitheliale) Tumoren verursachen. Vermutlich sind auch bestimmte Präkanzerosen mit humanen Papillomaviren assoziiert. Zu den Papovaviren gehören auch das JC-Virus und das BK-Virus, die als Erreger der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) gelten.
961
60 min erreicht, bei Einnahme nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten verlängert sich die Zeit auf bis zu 90 min. Paracetamol wird nach rektaler Gabe in Abhängigkeit von der Galenik mit einer absoluten Bioverfügbarkeit von 30–40% resorbiert mit maximalen Serumkonzentrationen von 4– 6 μg/ml nach durchschnittlich 3 h (1.000 mg Paracetamol). Die Plasmaproteinbindung ist bei therapeutischen Blutspiegeln gering (bis zu 10%), erreicht bei Überdosierung aber Werte bis zu 50%. Paracetamol passiert die Blut-LiquorSchranke, ist placentagängig und findet sich in der Muttermilch. Die Wirkdauer beträgt im Mittel 3–6 h. Der therapeutische Bereich der Serumkonzentration liegt zwischen 5–20 μg/ ml.
3
3
3
Elimination
Paracetamol Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ben-u-ron®; Captin®; Contac; Doloreduct®; Dorocoff-Paracetamol; Enelfa®; Fensum®; Grippostad®; Mono Praecimed®; Paedialgon®; Paracetamol 1 A Pharma; Paracetamol Hexal® bei Fieber und Schmerzen; Paracetamol Heumann; paracetamol von ct; Paracetamol AL; Paracetamol AZU®; Paracetamol BC; Paracetamol beta; Paracetamol i-med; Paracetamol-ratiopharm®; Paracetamol-saar; Paracetamol STADA®; Paracetamol „Antipanin P“; Paracetamol Lichtenstein; Parapaed®; PCM-Hemopharm; Pyromed®; RubieMol®; Sinpro® N; Togal®.
Die Serumeliminationshalbwertzeit beträgt durchschnittlich 2–3 h, bei Neugeborenen bis 5 h. Nach Überdosierung ist die Halbwertzeit verlängert, Zeiten von über 4 h wurden bei Leberzellnekrosen, Zeiten von mehr als 12 h beim Leberkoma beobachtet. Paracetamol wird in der Leber konjugiert mit Glucuronsäure (ca. 55%) und mit Schwefelsäure (ca. 35%), sowie Cystein und Mercaptursäure, um dann über die Niere zu 90 bis 100% (davon 2–5% in unveränderter Form) innerhalb von 24 h ausgeschieden zu werden. Bei Kindern, deren Leber eine geringere Kapazität zur Glucuronidierung hat, wird der größere Teil an Schwefelsäure gebunden.
Anwendungsgebiete Wirkungen Paracetamol wirkt analgetisch und antipyretisch. Es hat seit den 60er Jahren im Austausch gegen Phenacetin zunehmend an Bedeutung gewonnen. Der Wirkmechanismus ist nicht eindeutig geklärt. Hemmung der Prostaglandinsynthese und Hemmung des Effektes endogener Pyrogene auf das hypothalamische Temperaturregulationszentrum werden diskutiert.
Resorption Paracetamol wird nach peroraler Gabe rasch und vollständig resorbiert mit einer absoluten Bioverfügbarkeit von 70–90%. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach peroraler Gabe in Abhängigkeit von der Galenik nach 30–
Paracetamol hat eine gute analgetische Wirkung bei leichten bis mäßig starken akuten und chronischen Schmerzen nicht viszeralen Ursprungs. Die Wirkstärke entspricht der der Acetylsalicylsäure. Paracetamol hat eine gute antipyretische Wirkung.
Dosierung und Art der Anwendung Paracetamol wird p. o. und rektal in Abhängigkeit von Alter bzw. Körpergewicht dosiert, in der Regel mit 10 mg bzw. 15 mg/kgKG als Einzeldosis, bis 50 mg/kgKG als Tagesgesamtdosis. Die Gabe kann in Abständen von 4–8 h wiederholt werden bis zu 3–4×/d.
P
962
Paragangliome, intradurale extramedulläre
Unerwünschte Wirkungen Sehr selten Quincke-Ödem, Atemnot, Schweißausbruch, Schock, Exantheme, allergische Thrombozytopenie oder Leukozytopenie, Agranulozytose oder Panzytopenie. In Einzelfällen kann bei prädisponierten Personen (ASS-sensibilisierte Patienten mit Asthma bronchiale) ein Bronchospasmus ausgelöst werden (Analgetika-Asthma). Die Anwendung von Paracetamol ist nicht mit einem erhöhten Risiko für eine gastrointestinale Blutung verbunden. Der langfristige und damit in der Regel nicht bestimmungsgemäße Gebrauch kann zu Nierenfunktionsstörungen (Analgetika-Nephropathie) führen.
Bei Verdacht auf Intoxikation mit Paracetamol ist innerhalb der ersten 6 h eine Magenspülung sinnvoll, durch intravenöse Gabe von SHGruppen-Donatoren wie z. B. Cysteamin oder N-Acetylcystein möglichst in den ersten 8–12 h nach Intoxikation kann der zytotoxische Metabolit abgebunden werden. Bereits die Verdachtsdiagnose rechtfertigt eine intravenöse Gabe von SH-Gruppen-Donatoren als Therapie der Wahl. Langjährige Einnahme von Analgetika (vornehmlich Kombinationspräparate) erhöht das Risiko renaler Schädigungen (chronisch interstitielle Nephritis, atheromatöse Nierenarterienstenosen, Uroepithelkarzinome).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Wechselwirkungen Zum Einfluss einer Enzyminduktion durch langfristige Therapie mit Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Primidon, Rifampicin sowie Rauchen und die Einnahme von Alkohol liegen unterschiedliche Ergebnisse vor. Wahrscheinlich kommt es nicht zu einer klinisch relevanten Beeinflussung der Pharmakokinetik. Die Lebertoxizität von Paracetamol wird bewirkt durch die Bildung des reaktiven, sich an Proteinstrukturen kovalent bindenden N-Acetyl-p-benzochinonimin. Bei Doses von über 10 g und maximaler Plasmakonzentration von 150–300 μg/ml 4 h nach Einnahme kann es zu ausgedehnteren Leberzellnekrosen bis hin zum Leberfunktionsausfall im Coma hepaticum kommen. Insbesondere bei gleichzeitigem Alkoholkonsum können auch kleinere Mengen Paracetamol zur Leberzellschädigung führen. Eine ebenfalls zu beobachtende Nekrose von Nierentubuli mit nachfolgendem akuten Nierenversagen nach Intoxikation wird auf den gleichen Mechanismus zurückgeführt, selten treten diese Schädigungen ohne gleichzeitige Leberzellbeteiligung auf.
Paragangliome, intradurale extramedulläre Synonyme Chemodektome
Definition Paragangliome sind intradurale, extramedulläre Tumoren der Cauda equina, die von den Paraganglienzellen ausgehen. Die Paragangliome, die von neurosekretorischen Zellen im Bulbus jugulare ausgehen, werden unter Glomus-jugulare-Tumoren (Chemodektome) besprochen. 3
Paracetamol ist absolut kontraindiziert bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Paracetamol. Eine reduzierte Dosis bzw. ein verlängertes Dosisintervall kann erforderlich sein bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie beim Gilbert-Meulengracht-Syndrom. Paracetamol findet sich in der Muttermilch entsprechend den Blutplasmakonzentrationen der Mutter, ohne dass bisher negative Wirkungen an Säuglingen beobachtet wurden.
Einleitung Die Tumoren sind sehr selten und können das Filum terminale oder einzelne lumbale oder sakrale Nervenwurzeln betreffen, sie sind in aller Regel hormonell inaktiv [1].
Diagnostik Kernspintomographisch lässt sich der Tumor im T2-gewichteten Bild als signalhyperintense Läsion mit deutlicher Kontrastmittelaufnahme in der T1-Wichtung nachweisen [1].
Therapie Es handelt sich um benigne Tumoren des WHO-Grades I, die mit einer kompletten chirurgischen Resektion kurativ behandelt werden können [2]. Ob bei inkompletter Resektion Rezidive durch eine postoperative Radiatio verhütet werden können, ist angesichts der Seltenheit dieser Tumoren nicht zu beurteilen [1].
Paralyse, progressive
Literatur 1. Schlegel U (1998). Paragangliome der Cauda equina. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 313. 2. Sonneland PR, Scheithauer BW, LeChago J et al. (1986) Paraganglioma of the cauda equina region. Clinicopathologic study of 31 cases with special reference to immunocytology and ultrastructure. Cancer 58:1720–1735.
Paragrammatismus
963
terarmpronatoren, Schwurhand beim Versuch des Faustschlusses und Sensibilitätsstörungen im Medianusversorgungsgebiet.
Differenzialdiagnose Lässt sich eine Parese beider Pronatorenmuskeln nachweisen, so muss die Schädigung des N. medianus proximal des Ellenbogengelenkes liegen. In diesem Fall müssen andere proximale Medianusläsionen ausgeschlossen werden (Trauma, akzessorischer Processus supracondylaris humeri mit dem Struthers Ligament, inkomplette Plexusläsionen). Diagnostisch wegweisend ist die Anamnese [1].
Definition Syntaktische Störung bei Aphasien mit überschießenden, oft fehlerhaften Satzstrukturen.
Prophylaxe Einschlafen mit dem Kopf auf dem Arm des Partners sollte vemieden werden.
3
Einleitung Therapie Die Druckläsion ist spontan reversibel. Eine spezifische Therapie existiert nicht. Bei schwereren Paresen können krankengymnastische Übungsbehandlungen durchgeführt werden.
Nachsorge Bei rezidivierenden Druckschädigungen sollte eine hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckläsionen (HNPP) ausgeschlossen werden. 3
Zwei Arten der Syntax (Lehre des Satzbaus) können bei Störungen der Sprache zusammenbrechen, die einander gegenübergestellt werden: Paragrammatismus und Agrammatismus. Beim Paragrammatismus liegt ein überschießender, überwiegend falscher Einsatz syntaktischer Regeln vor (Komplex angelegter Satzbau mit Satzteilverdoppelungen und Verschränkungen mit falschen Funktionswörtern und Flexionsformen), häufig Teilsymptom der Wernicke-Aphasie. 3
3
Prognose
3
Paralyse, „paralysie des amants“
Die Prognose ist gut. In der Regel wird eine vollständige Restitution erreicht.
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Paralyse, progressive
Synonyme
Synonyme
Proximale Medianusläsion
Dementia paralytica
Definition
Definition
Druckschädigung des N. medianus am Oberarm, die durch den Druck des Kopfes des schlafenden Partners verursacht wird.
In der Spätphase der chronisch progrediente
3
Agrammatismus, sog. „Telegrammstil“: Syntaktisch stark reduzierte Sätze, häufig Fehlen von Präpositionen, Deklinationen, Konjugationen, z. B. Einwortsätze. Teilsymptom der motorischen (Broca-) Aphasie).
Syphilis auftretende Demenz.
3
Differenzialdiagnose
Einleitung Einleitung Die klinische Symptomatik entspricht einer proximalen Medianusläsion mit Parese der Un-
In etwa 8–10% der Fälle mit einer Latenz von ca. 10 Jahren auftretende Demenz, der eine chronische Polioenzephalitis des Großhirns,
P
964
Paralyse, progressive (supranukleäre)
insbesondere des Frontalhirns zugrunde liegt. Klinisch charakteristisch sind neben der Demenz, psychotische Symptome und eine entdifferenzierte Motorik sowie Pupillenstörungen. Bei gleichzeitigem Auftreten einer Tabes dorsalis spricht man von einer Taboparalyse.
Therapie Die Therapie des Tumorleidens steht im Vordergrund. Im Übrigen symptomatische Therapie ähnlich wie bei den anderen Myotonien.
3
Paralyse, progressive (supranukleäre) Parese, Blickparese, progressive supranukleäre (PSP)
3
Paramyotonia congenita
Nachsorge Bei Verdacht auf paraneoplastische Myotonie ggf. regelmäßige Verlaufsbeobachtung über Jahre nötig, um einen Tumor zu erfassen.
Prognose Abhängig vom Verhalten des Tumors und dessen Ansprechen auf Therapie.
Paraneoplastische Syndrome Synonyme
Myotonie/myotone Syndrome, Paramyotonia congenita Eulenberg
Paraneoplastic neurological disorders
3
Definition
Myotones Syndrom, das im zeitlichen Zusammenhang zu einem Tumorleiden auftritt.
Paraneoplastische Syndrome sind klinisch-pathologische Symptomenkomplexe, die überzufällig häufig in Assoziation mit einem bösartigen Tumor vorkommen und weder durch Invasion oder Metastasierung des Tumors noch durch therapeutische Eingriffe oder nosokomiale Infektionen erklärt werden können.
Einleitung
Einleitung
Es sind bislang nur wenige Einzelfälle beschrieben. Teilweise geht die Myotonie dem Nachweis des Neoplasmas voraus. Klinisch besteht eine vermehrte Muskelsteifigkeit ähnlich den anderen myotonen Erkrankungen. Das EMG zeigt myotone Serien. Eine paraneoplastische Myotonie sollte in Erwägung gezogen werden, wenn die Myotonie nicht hereditär ist und erst im Erwachsenenalter manifest wird. Es sind mehrere pathophysiologische Erklärungen denkbar. Z. B. könnten Antikörper die Funktion der Ionenkanäle der Muskelmembran so beeinträchtigen, dass es zur vermehrten Erregbarkeit kommt. Es könnten aber auch über vom Tumor sezernierte trophische Faktoren z. B. embryonale Ionenkanäle exprimiert werden, die zur vermehrten Membranerregbarkeit beitragen.
Die Ätiologie der paraneoplastischen Syndrome ist bisher nicht geklärt. Pathogenetisch werden ein Autoimmunprozess, Toxine, metabolische Veränderungen oder ein Virusinfekt diskutiert. Seit Beschreibung von hochspezifischen antineuronalen Antikörperreaktivitäten erscheint die Autoimmunpathogenese derzeit am wahrscheinlichsten (humorale Immunreaktion, zytotoxische T-Lymphozyten). In der Regel sind die einzelnen paraneoplastische Syndrome mit spezifischen Tumortypen assoziiert.
Paraneoplastische Myotonie Definition
Diagnostik Klinische Untersuchung, Serum-CK, Elektromyographie, Tumorsuche (Thymom, Lymphom, Bronchialkarzinom etc.).
Diagnostik Die paraneoplastischen Syndrome des Nervensystems können in einer sehr großen Heterogenität der Symptome und Beschwerden klinisch in Erscheinung („buntes klinisches Bild“) treten. Erschwert wird die klinische Diagnosestellung im Einzelfall dadurch, dass die Symptome zumindest initial fluktuieren und dem Primärtumor zum Teil um Jahre vorausgehen können.
60%
50%
50%
20%
30%
20%
20%
15%
LEMS
Opsoklonus/ Myoklonus (Kind)
Opsoklonus/ Myoklonus (Erwachsene)
DermatoMyositis
Subakute Sensible Neuropathie
Limbische Enzephalopathie
Myasthenia Gravis
Wahrscheinlichkeit
Subakute KleinhirnDegeneration
Syndrom
n.v.
anti-VGCC
anti-AchR
n.v.
Anti-Hu
Paraneopl. Ursache
Diagnosefindung
SCLC Hoden SCLC SCLC, Thymom >95% >95% >95% >95% Anti-Hu Anti-Ta ANNA-3 Anti-CRMP5/-CV2
90% (100%)
SCLC SCLC SCLC SCLC, Thymom >95% >95% >95% >95% Anti-Hu Anti-Amphiphysin ANNA-3 Anti-CRMP5/-CV2
Anti-Titin
Mamma SCLC Verschiedene Hoden >95% >95% >95% >95%
Anti-Ri Anti-Hu Anti-Ma Anti-Ta
Thymom
Ovar, Lunge, Pankreas
Neuroblastom
SCLC SCLC SCLC, Thymom SCLC Ovar Hoden, Verschiedene Mamma M. Hodgkin
SCLC
Tumore
Ursache, bei pos. Ak
>95% >95% >95% >95% >95% >95% >95% >95%
Häufigste
Paraneopl.
>95%
Anti-Hu Anti-PCA-2 Anti-CRMP5/-CV2 ANNA-3 Anti-Yo Anti-Ma2 Anti-Ri Anti-Tr
für
sinnvolle Ak
Paraneoplastische Syndrome. Tab. 1: Neurologische Syndrome und die Wahrscheinlichkeit einer paraneoplastischen Ätiologie (nach R. Voltz)
Paraneoplastische Syndrome 965
P
n.v. = nicht verfügbar; AchR = Acetylcholin-Rezeptor; Ak = Antikörper; CRMP = collapsin response mediator protein; GAD = Glutaminsäure Dehydrogenase; LEMS = Lambert Eaton Myasthenie-Syndrom; SCLC = kleinzelliges Bronchialkarzinom; VGCC = Spannungsabhängige Kalziumkanäle
Mamma >95% 5% Stiff-person-Syndrom
Visuelle Störungen
anti-GAD
Anti-Amphiphysin
SCLC Lunge Anti-Hu Anti-Recoverin 5%
>95% >95%
SCLC >95% Anti-Hu 10%
anti-MUSK Sensomotorische Neuropathie
EncephaloMyelitis
SCLC SCLC SCLC, Thymom >95% >95% >95%
Tumore
10%
Anti-Hu Anti-Amphiphysin Anti-CRMP5/-CV2
Häufigste
Ursache, bei pos. Ak
sinnvolle Ak Wahrscheinlichkeit
für
Paraneopl.
Paraneoplastische Syndrome
Syndrom
Paraneoplastische Syndrome. Tab. 1: Neurologische Syndrome und die Wahrscheinlichkeit einer paraneoplastischen Ätiologie (nach R. Voltz) (Fortsetzung)
966
Bei klinischem Verdacht kann der Nachweis der antineuralen Antikörper sehr hilfreich sein. Bei Patienten ohne bisher bekannten Tumor, jedoch einem erwiesenen paraneoplastischen Syndrom ist die rasche Identifikation des zugrunde liegenden Tumors essentiell, jedoch im Einzelfall oft schwierig. Da die Immunantwort gegen den Tumor offensichtlich biologisch sehr aktiv ist, können die Tumore für lange Zeit histologisch klein bleiben. Wenn bei einem Ak-positiven Patienten ein Tumor detektiert wurde, welcher nicht zu dem bekannten Tumorspektrum passt, so muss an die Möglichkeit eines Zweittumors gedacht werden.
Therapie 1. Tumortherapie: Die onkologische Therapie des Tumors ist die Hauptsäule der Behandlung neurologischer Komplikationen des paraneoplastischen Syndroms und sollte je nach Tumorart in enger Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Fachkollegen bzw. Onkologen erfolgen. 2. Immunmodulation: Die Immunmodulation des paraneoplastischen Syndroms mit Symptommanifestation am peripheren Nervensystem und Muskel (z. B. Neuromyotonie, LEMS, Myasthenia gravis pseudoparalytica, Dermatomyositis) erfolgt nach den etablierten Kriterien wie bei einer nicht neoplastischen Genese dieser Syndrome. Nur für die Verwendung von Immunsuppressiva wie Azathioprin besteht eine relative Kontraindikation. Bei paraneoplastischen Erkrankungen des ZNS erscheint eine immunmodulatorische Therapie aufgrund der Hinweise für eine Autoimmunpathogenese ebenfalls indiziert. Leider zeigen die bisher verfügbaren Therapieoptionen (Plasmapherese, intravenöse Immunglobuline, Cyclophosphamid) nur limitierte Behandlungseffekte bei der Gesamtheit der Patienten. empirisch Aufgrund des Mangels an gut evidenzbasierten Daten wird pragmatisch eine KortikosteroidPulstherapie wie bei der MS (500–1000 mg Methylprednisolon/d an 5 aufeinanderfolgenden Tagen i. v.) appliziert. Nach einer Zeit von ein bis zwei Wochen, in der ein Therapieerfolg der Kortikosteroid-Pulstherapie beurteilt werden
Paraneoplastische Syndrome
kann, sollte im negativen Behandlungsfall ein Zyklus mit intravenösen Immunglobulinen (2 g/kg Körpergewicht, verteilt über 2–5 d) erwogen werden (Cave: Erhöhte Thrombosegefahr). Bei weiterhin negativem Therapieergebnis kann im Einzelfall eine Plasmapherese oder eine Cyclophosphamidtherapie durchgeführt werden. Eine Tumorprogression unter einer Immuntherapie wird bei der Mehrzahl der Patienten nicht beobachtet. 3. Symptomatische Therapie: In Abhängigkeit der neurologischen Beschwerden stehen eine Vielzahl symptomatischer Therapiemaßnahmen zur Verfügung. Diese sind in der Regel unabhängig davon, ob das neurologische Syndrom eine paraneoplastische oder eine andere Genese hat. 4. Erkrankungen siehe Tabelle 2.
Nachsorge Eine engmaschige neurologische und onkologische Nachsorge ist erforderlich, insbesondere da die paraneoplastischen Syndrome einen fluktuierenden klinischen Verlauf aufweisen können.
Prognose Prinzipiell abhängig vom Zeitpunkt der Diagnosestellung und der Lokalisation des paraneoplastischen Syndroms sowie der Tumorklassifikation. In seltenen Fällen wurde eine spontane Besserungen der neurologischen Symptome und sogar eine spontane Tumorregression beschrieben.
967
Literatur 1. Blaes F, Klotz M, Funke D et al. (2002) Disturbance in the serum IgG subclass distribution in patients with anti-Hu positive paraneoplastic neurological syndromes. Eur J Neurol 9:369–372. 2. Graus F, Vega F, Delattre JY (1992). Plasmapheresis and antineoplastic treatment in CNS paraneoplastic syndromes with antineuronal autoantibodies. Neurology 42:536–540. 3. Rauer S, Czygan M, Kaiser R (2002). Quantification of circulating anti-Hu antibody in serial samples from patients with paraneoplastic syndromes: possible correlation of antibody concentration and course of neurological symptoms. J Neurol 249: 285–289. 4. Stark E, Wurster U, Patzold U et al (1995). Immunological and clinical response to immunosuppressive treatment in paraneoplastic cerebellar degeneration. Arch Neurol 52:814–818. 5. Sutton I, Winer JB (2002). The immunpathogenesis of paraneoplastic neurological syndromes. Clin Sci 102:475–486. 6. Uchuy M, Graus F, Vega F et al. (1996) Intravenous immunglobulin therapy in paraneoplastic neurologic syndromes with antineuronal autoantibodies. J Neurol Neurosurg Psychiatry 60:388–392. 7. Verschuuren J, Dalmau J. (1998). Paraneoplastic neurological disorders. In: Antel J, Birnbaum G, Hartung HP. Clininical Neuroimmunology. Blackwell Science, London pp. 148–171. 8. Voltz R (2002). Paraneoplastic neurological syndromes: An update on diagnosis, pathogenesis and therapy. Lancet Neurology 1:294–305.
Paraneoplastische Syndrome. Tab. 2: Symptomatische Therapieoptionen Erkrankung
Symptomatische Therapie
Lambert-Eaton-Myasthenie-Syn- 3,4-Diaminopyridin, Pyridostigmin drom Opsoklonus
Clonazepam, Propranolol
Myoklonus
Trihexyphenydil, Benzatropin, Valproinsäure
Sensible Neuropathie
Carbamazepin, Amitriptylin
Limbische Enzephalitis
Antiepileptika, Antidepressiva
Myasthenia gravis
Pyridostigmin
Stiff-person-Syndrom
Diazepam, Clonazepam, Baclofen, Tizanidin, Vigabatrin, Botulinum Toxin
Neuromyotonie
Carbamazepin, Phenytoin
P
Paraparese, tropische spastische
3
3
3
Durch das „human T-lymphotropic virus type 1“ (HTLV-1) hervorgerufene chronische Meningomyelitis mit thorakalem Schwerpunkt.
3
Definition
tierische Parasiten (Protozoen), Würmer und Arthropoden. Parasitosen sind in unseren Breiten sehr selten, zu den neurologisch relevanten Parasitosen gehören: Pilzinfektionen des ZNS, Toxoplasmose, Amöbiasis, Meningitis, Zystizerkose, Echinokokkose. 3
Paraparese, tropische spastische
3
968
Einleitung Leitsymptome sind eine langsam über Jahre progrediente spastische Lähmung der Beine mit Tiefensensibilitätsstörung, häufig bestehen thorakolumbale Schmerzen. Der Erreger ist in Europa selten, Endemiegebiete sind Zentralafrika, die Karibik und Südjapan.
Diagnostik
Parasomnie Definition Hierbei handelt es sich um Störungen des Erwachens (arousal), des partiellen Erwachens oder des Schlafstadienwechsels.
Einleitung
Liquoruntersuchung, Serologie.
Therapie empirisch Anhaltende Erfolge wurden durch Gabe von Interferon-α (6×10 U/die über 2 Wochen, danach 3×wöchentlich über 22 Wochen) berichtet.
Parapraxie Definition Als Ausdruck einer ideomotorischen Apraxie vorkommende, vom Gesamtentwurf der Bewegung unstimmige motorische Handlung. 3
Paraproteinämie, Polyneuropathie Polyneuropathie, paraproteinämische
In folgender Übersicht erfolgt eine Einteilung der Parasomnien: 1. Aufwachstörungen * Schlaftrunkenheit * Schlafwandeln * Pavor nocturnus 2. Störungen des Schlaf-Wach-Übergangs * Jactation capitis nocturna * Einschlafzuckungen * Sprechen im Schlaf (Somniloquie) * nächtliche Wadenkrämpfe 3. REM-Schlaf-assoziiert * Alpträume * Schlaflähmung (s. Narkolepsie) * Störungen der Erektion im Schlaf * REM-Schlaf-abhängige Asystolie (Sinusarrest) * Verhaltensstörung im REM-Schlaf (abnormes Traumverhalten) 4. Sonstige Parasomnien * Bruxismus (Zähneknirschen) * Enuresis nocturna * gutartiger Schlafmyoklonus beim Neugeborenen * plötzlicher Kindstod (SIDS)
3
Parasitosen Differenzialdiagnose Definition Durch Lebewesen, die ganz (obligate Parasiten) oder teilweise (fakultative Parasiten) auf Kosten anderer Organismen leben, hervorgerufene Krankheiten.
Zur Differenzialdiagnose insbesondere von nächtlichen epileptischen Anfällen ist eine polysomnographische Untersuchung im Schlaflabor notwendig.
Therapie Grundlagen Für den Menschen wichtigen Parasiten: Viren und Bakterien, pflanzliche Parasiten (Fungi),
Je nach zugrundeliegender Störung erfolgt eine gezielte spezifische oder symptomatische Therapie.
Parkbanklähmung
Spontan auftretende sensible Reizerscheinungen, die ohne externe Berührung auftreten und sich als Kribbeln, Brennen, Ameisenlaufen oder Gefühl des Eingeschnürtseins manifestieren. Parästhesien sind ein typisches Symptom einer Polyneuropathie, werden aber auch bei zentralen Läsionen (z. B. Entmarkungsherden) beobachtet.
Nervus trochlearis, Läsion
Parese, Zwerchfellparese 3
Definition
Parese, Trochlearisparese 3
Parästhesie
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Zwerchfellparese
Therapie Die Therapie richtet sich nach der diagnostizierten Grunderkrankung. Symptomatisch können neben schmerzdistanzierenden Maßnahmen (Amitriptylin oder Doxepin 25–150 mg, Carbamazepin, Gabapentin 3×100–600mg) auch nichtmedikamentöse Maßnahmen wie abendliche Wechselfußbäder durchgeführt werden.
Parese, Abduzensparese
Parinaud-Syndrom Definition Vertikale Blickparese nach oben zusammen mit Konvergenzparese, lichtstarren Pupillen.
Einleitung Vertikale Blickparese nach oben zusammen mit Konvergenzparese. Ätiologisch kommen Schädigungen des dorsalen Mittelhirnes bei z. B. mesenzephalen Entzündungen, Pinealistumoren oder mesenzephalen Tumoren in Frage.
Nervus abducens, Läsion
3
Parkbanklähmung Parese, Bauchdeckenmuskulatur Bauchdeckenmuskulatur, Paresen
Synonyme Schlaflähmung, paralysie des ivorgnes, Radialisdrucklähmung am Oberarm
3
Definition
Parese, Fazialisparese Nervus facialis, Läsion
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Parese, Obturatoriusparese Nervus obturatorius, Läsion
Schädigung des N. radialis am Oberarm durch anhaltenden Druck im Schlaf, entweder durch besonders tiefen Schlaf (z. B. nach Alkoholgenuss, Schlafmittel), durch ungünstige Lagerung des Armes auf harter Unterlage (z. B. Parkbank oder auch intraoperativ), bei schlechter Beweglichkeit (M. Parkinson) oder auch bei besonderer Vulnerabilität des Nerven, z. B. hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckläsionen (HNPP).
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Einleitung
Parese, Okulomotoriusparese Nervus oculomotorius, Läsion
Symptomatik der (oft kompletten) Radialisparese mit Fallhand ist beim Erwachen voll ausgebildet, oft beim Anziehen bemerkt. M. trizeps nicht betroffen, aber M. brachioradialis.
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Parkinson-Plus
Diagnostik Typische Anamnese und Klinik (Cave: Verwechslung mit zentraler Handstreckerparese). Elektrophysiologie: Bei frischer Parese lediglich verminderte oder fehlende Willküraktivität. Leitungsblock am Oberarm. Im Verlauf nur bei axonaler Degeneration pathologische Spontanaktivität, frühestens nach 10–14 Tagen.
Therapie gesichert Prognose der Drucklähmungen ist gut, Rückbildung oft nach wenigen Tagen, spätestens innerhalb einiger Wochen. Keine spezifische Therapie erforderlich [1]. empirisch Ggf. zur Unterstützung Krankengymnastik. unwirksam/obsolet Reizstrom, Elektrotherapie.
salen Degeneration (CBD) gemeinsam, dass charakteristische neuropsychologische Defizite typisch für die Krankheit sind. Bei der PSP entwickelt sich meist eine subkortikale Demenz und bei der CBD Zeichen kortikaler Dysfunktion wie Apraxie. Daneben kommen Parkinson-Plus-Syndrome mit Demenz bei der Lewy-Body-Demenz, spät im Verlauf bei der Alzheimer-Demenz, bei der subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie und beim Normaldruck-Hydrozephalus vor.
Parkinson-Syndrom Synonyme Akinetisch-rigides Syndrom
Definition
Nachsorge Klinische und elektrophysiologische Verlaufskontrolle der Regeneration.
Prognose Gut. Nahezu immer komplette Restitution, nur in Einzelfällen schwerere axonale Degeneration mit bleibenden Defiziten.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Vermeidung der Exposition (adäquate Lagerung im Schlaf, verminderte Alkoholzufuhr).
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Das Vorliegen einer Minimalkombination aus 4 motorischen Kardinalsymptomen bestimmt die klinischen Diagnosekriterien des ParkinsonSyndroms (Parkinsonsimus). Es handelt sich dabei, um eine charakteristische Bewegungsverlangsamung oder Bradykinese, eine Erhöhung des Muskeltonus, Rigidität, einen typischen asymmetrischen distalen Extremitätentremor und eine Störung der reflektorischen posturalen Ausgleichsbewegungen bei passiver Auslenkung aus dem Gleichgewicht (posturale Reflexe). Für die Parkinson-Krankheit im eigentlichen Sinne ( Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)) werden die Kardinalsymptome durch positive Diagnose- und Ausschlusskriterien ergänzt und damit enger gefasst. 3
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Einleitung
Parkinson-Plus
Die Hyperkinesen umfassen eine Reihe von Bewegungsstörungen wie Tremor, Dystonie, Athetose, Tics, Myoklonus, Dyskinesien und Ballismus. Komplexere Hyperkinesen, wie das Restless-Legs-Syndrom oder die Hypereklepsie lassen sich wiederum meist auf diese Grundsyndrome reduzieren. Akinetisch-rigide Syndrome oder ParkinsonSyndrome (Parkinsonismus, Parkinsonoid) zählen zu den Hypokinesen. Diese Diagnose kann gestellt werden, wenn Bradykinese (Aki3
Den Parkinson-Plus-Syndromen ist gemeinsam, dass die Symptomatik über die eines idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) hinaus geht; d. h. es kommen zusätzliche neurologische Zeichen neben den Kardinalsymptomen Akinese, Rigor, Tremor und/oder posturale Instabilität hinzu. Zum Beispiel ist der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) und der kortikoba-
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Definition 3
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Parkinson-Syndrom
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Im klinischen Sprachgebrauch werden die drei genannten Begriffe häufig synonym und austauschbar verwendet. Die Begriffe Bradykinese und Hypokinese werden der vorwiegenden Symptomatik zumeist gerechter, da die Akinese eher einen Endzustand (akinetische Krisen) beschreibt. Die Bradyhypokinese zeigt sich am deutlichsten bei wiederholter Ausführung rascher, repetitiver Bewegungen: z. B. Supinations-Pronations-Bewegungen an der oberen Extremität, Faustöffnen und Faustschluss, Tippen des Zeigefingers auf dem Daumen, Tippen mit der Ferse auf den Boden in sitzender Position. Außerdem äußerst sich Bradyhypokinese in einem Verlust an Spontanmotorik wie Gestik, vermindertes Mitschwingen der Arme beim Gehen oder einem schlurfendem kleinschrittigen Gang, spontaner Gesichtsmotorik (Hypomi-
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An erster Stelle ist das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS, primäres Parkinson-Syndrom, Parkinson-Krankheit, Morbus Parkinson) zu nennen, das wegen seiner Häufigkeit und klinischen Relevanz ausführlich in einem eigenen Kapitel dieses Buches behandelt wird. Vom idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) im engeren Sinne abzugrenzen sind die sekundäre Parkinson-Syndrome und Parkinson-Syndrome im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen. Für letztere wird auch der Begriff der atypischen Parkinson-Syndrome oder Parkinson-Plus-Syndrome verwendet. Das Plus soll auf das Vorhandensein zusätzlicher, bei dem idiopathischen Parkinson-Syndrom nicht im Vordergrund stehende klinische Symptome hinweisen, wie beispielsweise Demenz, Ataxie oder vegetative Störungen. Leitsymptom des Parkinsonismus ist die Bewegungsverarmung. Es lassen sich dabei drei Komponenten differenzieren: * Eine Bewegungsverlangsamung oder Bradykinese. * Eine Verminderung der Bewegungsamplituden und Spontanbewegungen oder Hypokinese. * Eine Hemmung der Bewegungsinitiation oder Akinese.
mie), zunächst als einseitig ausgeprägte Verminderung von Mundwinkelexkursionen bei Ausdrucksbewegungen („Pokerspieler-Gesicht“) und ein- oder beidseitiger Verminderung der Lidschlussfrequenz. Die Stimme verliert an Volumen und wird im Verlauf heiser und monoton (Hypophonie). Für den Patienten äußert sich Bradykinese als mangelnde Geschicklichkeit und Flüssigkeit von alltäglichen Bewegungen wie z. B. Ankleiden, Zähneputzen, Rasieren, Zuknöpfen, Schrauben drehen, Bedienung einer Computer-Tastatur und beim Schreiben mit zunehmender Verkleinerung des Schriftbildes (Mikrographie). Schwierig ist die Abgrenzung der verschiedenen Parkinson-Syndrome untereinander, insbesondere die Differenzierung vor allem in den ersten Krankheitsjahren des idiopathischen Parkinson-Syndroms von anderen neurodegenerativen Parkinson-Syndromen wie die der Multisystematrophien (MSA). Weniger differenzialdiagnostische Probleme bereiten die progressive supranukleäre Paralyse (PSP, neuropathologisches Synonym: Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom), die kortikobasale Degeneration (CBD) sowie die diffuse Lewy-Körperchen-Demenz. Von den hyokinetischen Syndromen abzugrenzen sind psychomotorische Verlangsamung bei psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere Depression, Paresen, motorischer Neglekt, Frontalhirnsyndrome mit vermindertem Antrieb (Abulie) und Gangstörungen bei älteren Menschen (frontale Gangstörungen, subkortikales Dysequilibrium, vorsichtige Gang des älteren Menschen, bei PNP). Die sogenannten frontalen Gangstörungen führen häufig zu diagnostischen Fehlinterpretationen in Richtung idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS), kommunizierendem Hydrozephalus und der subkortikalen arteriosklerotischen Encephalopathie, wenn die weiteren typischen Symptome wie dementielle Entwicklung oder Blaseninkontinenz noch fehlen. Diese Krankheitsbilder führen zu einer vordergründig parkinsonartigen Gangstörung, die aber bei genauer Beobachtung gut von derjenigen bei Parkinson-Syndromen abgrenzbar ist. Das Gangbild ist kleinschrittig und von ausgeprägten Startschwierigkeiten und Blockaden ( Magnetgang) geprägt. Anders als bei Parkinson-Patienten ist die Schrittbasis infolge begleitender Gleichgewichtsstörungen verbreitert, die Gleichgewichtsstörungen ausgeprägter als jene 3
nese) und eines der folgenden Symptome vorliegt: * Ruhetremor (4–6 Hz). * Rigor. * Haltungsinstabilität.
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Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)
des IPS, und die Beweglichkeit der oberen Körperhälfte, wie die Gestik, das Mitschwingen der Arme beim Gehen und die Haltung des Rumpfes, sind in der Regel normal. In der amerikanischen Literatur ist für diese Symptomkonstellation daher der Begriff des „Parkinsonismus der unteren Körperhälfte“ („lower body parkinson“) verwendet worden. Dopaminergika helfen diesen Patienten nicht; im Gegenteil sind bei diesen Patienten von einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber zentralen Nebenwirkungen in Form von Verwirrtheit und Halluzinose belastet. Bei Patienten mit kommunizierendem Hydrozephalus kann sich die Gangstörung nach einer diagnostischen Liquorpunktion mit Entnahme von 50–100 ml Liquor innerhalb von 24 Stunden vorübergehend dramatisch verbessern. In solchen Fällen besteht eine Indikation zur Shunt-Operation. Zum Parkinson-Syndrom gehört der Rigor, der durch einen charakteristischen, zähen und gleichmäßigen Widerstand (wie beim Biegen eines Bleirohres) charakterisiert ist. Durch Aufforderung mit der anderen Extremität spiegelbildliche Bewegungen durchzuführen oder einen Gegenstand wie eine Armlehne fest zu umgreifen, lässt sich der Rigor in der untersuchten Extremität bahnen. Die bei passiver Bewegung einer Extremität getestete Tonuserhöhung kann durch das sogenannte Zahnradphänomen rhythmisch unterbrochen werden. Die Muskeldehnungsreflexe können bei der Parkinson-Krankheit auf der betroffenen Seite lebhafter auslösbar sein. Im Unterschied zur Spastik ist der erhöhte Dehnungswiderstand der Muskulatur bei der Rigidität geschwindigkeits- und winkelunabhängig. Typisch für die Spastik ist ein einschießender Widerstand gegen passive Drehung bei schneller Beugung in einem Gelenk, wobei es im Verlauf der Bewegung zu einem plötzlichen Nachlassen dieses Widerstandes kommt (sogenanntes Klappmesser-Phänomen). Hierdurch und auch aufgrund der zusätzlich bei Spastik nachweisbaren weiteren Zeichen einer Läsion der Pyramidenbahn ist sie klinisch leicht von Rigor zu unterscheiden.
Diagnostik Ein Parkinson-Syndrom kann bei Vorliegen von Bradykinese und einem der folgenden Sympto-
me diagnostiziert werden: Rigor, Ruhetremor oder Haltungsinstabilität (gestörte Stellreflexe).
Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS) Synonyme Morbus Parkinson, primäres Parkinson-Syndrom
Definition Das idiopathische Parkinson-Syndrom, der Morbus Parkinson im engeren Sinne, ist durch spezifische klinische Kriterien und der Degeneration von Dopaminneuronen unter Bildung intrazellulärer Einschlusskörper (Lewy-Körper) in der Substantia nigra, Pars compacta gekennzeichnet.
Einleitung Das Vorliegen einer Minimalkombination aus 4 motorischen Kardinalsymptomen bestimmt die klinischen Diagnosekriterien des Parkinson-Syndroms (Parkinsonsimus). Es handelt sich dabei um eine charakteristische Bewegungsverlangsamung oder Bradykinese, eine Erhöhung des Muskeltonus, Rigidität, einen typischen asymmetrischen distalen Extremitätentremor und eine Störung der reflektorischen posturalen Ausgleichsbewegungen bei passiver Auslenkung aus dem Gleichgewicht (posturale Reflexe). Für die Parkinson-Krankheit im eigentlichen Sinne werden die Kardinalsymptome durch positive Diagnose- und Ausschlusskriterien ergänzt und damit enger gefasst: 3
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Diagnostik Ein für das IPS pathognomonischer biochemischer, genetischer oder neuroradiologische/nuklearmedizinischer Befund fehlt bisher. Die Diagnose ist deshalb klinisch zu stellen. Bei bis zu 20% der klinisch als ParkinsonKrankheit diagnostizierten Fälle von Parkinson-Syndromen liegt neuropathologisch eine progressive supranukleäre Parese (PSP), eine Multisystematrophie (MSA), eine AlzheimerKrankheit oder ein Multiinfarktgeschehen vor [6]. 1. Differenzialdiagnose des idiopathischen Parkinson-Syndroms:
Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)
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Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS). Tab. 1: Diagnose des idiopathischen ParkinsonSyndroms = IPS (Synonyme: Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit, primäres Parkinson-Syndrom) nach UK Parkinson's Disease Society Brain Bank clinical diagnostic criteria [6] 1. Schritt
Lässt sich ein Parkinson-Syndrom (Parkinsonismus) diagnostizieren? Bradykinese (Verlangsamung in der Initiation und Ausführung von Willkürbewegungen mit Verlangsamung und Amplitudenreduktion bei Bewegungen) und eines der folgenden Leitsymptome: - Ruhetremor (4–6 Hz). - Rigor. - Haltungsinstabilität (gestörte posturale Reflexe), die nicht primär durch visuelle, vestibuläre, zerebellare oder propriozeptive Störungen erklärbar ist.
2. Schritt
- Liegen Ausschlusskriterien für ein IPS vor? - Anamnestisch: Apoplektiformer Verlauf. - Anamnestisch: Schädel-Hirn-Trauma. - Anamnestisch: Enzephalitis. - Okulogyre Krisen. - Remissionen. - Neuroleptika bei Beginn der Symptome. - Mehr als ein Verwandter mit Parkinson-Syndrom. - Ausschließlich einseitige Zeichen nach 3 Jahren. - Supranukleäre Blickparese. - Zerebellare Zeichen. - Früh ausgeprägte autonome Störungen. - Positives Babinski-Zeichen. - Tumor oder Hydrozephalus communicans im CCT. - Frühe Demenz mit Sprach-, Gedächtnisstörungen und Apraxie. - Fehlendes Ansprechen auf hohe Dosen von L-Dopa (wenn Malabsorption ausgeschlossen wurde). - MPTP.
3. Schritt
- Liegen prospektive positive Kriterien für ein IPS vor? (3 oder mehr erforderlich für die Diagnose eines „definite Parkinson disease“). - Einseitiger Beginn. - Ruhetremor. - Progressive Erkrankung. - Persistierende Seitenasymmetrie im Verlauf. - Sehr gutes Ansprechen (70–100%) auf L-Dopa. - Schwere dopainduzierte Dyskinesien. - Positiver L-Dopa-Effekt länger als 5 Jahre. - Verlauf >10 Jahre.
Am schwierigsten ist in den ersten Jahren nach Beginn der Erkrankung die Abgrenzung eines IPS von der häufigen Multisystematrophie (MSA), der progressiven supranukleären Paralyse (PSP) und der seltenen kortikobasalen ganglionären Degeneration (CBD). Bei Patienten unter 50 Jahren muss eine Kupferstoffwechselstörung (Morbus Wilson, Wilson-Erkrankung) ausgeschlossen werden. Hervorzuheben wegen der Möglichkeit der Prävention und seiner Häufigkeit ist das medikamentöse Parkinson-Syndrom ( Parkinson-Syndrom,
pharmakogenes), welches insbesondere bei älteren Patienten mehr als ein Jahr nach Absetzen der kausativen Pharmaka (Neuroleptika, Metoclopropamid, Antivertiginosa vom Neuroleptikatyp oder sogenannten „durchblutungsfördernden Mittel“, den Kalziumantagonisten vom Flunarizin-Cinnarizin Typ) persistieren kann. Rigorbedingte schmerzhafte Sensationen an der proximalen oberen Extremität werden häufig als rheumatisches „Schulter-ArmSyndrom“ (mindestens 8%) fehlinterpretiert. Probleme bei Tremor-Syndromen der Hände
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Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)
sind in Anbetracht der Häufigkeit von essentiellem Tremor nicht selten. An die Fehleinschätzung von initialen Phasen der Parkinson-Krankheit mit motorischer Verlangsamung, Hypomimie und depressiver Verstimmung als endogene Depression muss ebenfalls gedacht werden. Besonders häufig ist die Fehldiagnose einer frontalen Gangstörung (bei SAE oder NPH). Das Fehlen von Hyomimie oder Akinese der Arme bei einer apraktischen Gangstörung erleichtert die Differenzierung. Deswegen wird vom „Parkinson-Syndrom“ der unteren Körperhälfte ( Parkinson-Syndrom, „lower body“-Parkinson) gesprochen. 2. Zusatzuntersuchungen: Die Diagnose des idiopathischen ParkinsonSyndroms (IPS) wird klinisch gestellt. Bildgebung, pharmakologische Tests und neurophysiologische Untersuchungen dienen der Differenzierung des IPS von anderen neurodegenerativen Syndromen sowie von parkinsonähnlichen Gangstörungen bei kommunizierendem oder sogenanntem Normaldruck-Hydrozephalus (NPH) und subkortikaler arteriosklerotischer Enzephalopathie (SAE). 3. Strukturelle Bildgebung: CCT und MRT sind beim IPS unauffällig. Zur Abgrenzung von atypischen Parkinson-Syndromen bei strukturellen Basalganglienläsionen, zum Nachweis eines NPH oder einer SAE im Krankheitsverlauf sollte jedoch einmal eine zerebrale Bildgebung erfolgen. Bei Patienten mit MSA-C (C für cerebellar, früher als OPCA-Typ bezeichnet) finden sich schon frühzeitig Zeichen der Kleinhirnatrophie, während MSA-P-Patienten (P für Parkinson, nach älterer Nomenklatur als SND-Typ aufgeführt), in T2-gewichteten oder FFE-gewichteten Sequenzen Hypointensitäten in den dorsalen zwei Dritteln des Putamens aufweisen. 4. Funktionelle Bildgebung: Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mittels 18F-Dopa als Tracer erlaubt unter bestimmten Bedinungen die präklinische Diagnose der Parkinson-Krankheit. Die Methode kann den Verlust präsynaptischer dopaminerger Nervenendigungen im Striatum direkt und quantitativ darstellen. Sie steht für eine breite klinische Anwendung jedoch nicht zur Verfügung und ihr Aufwand kann die Anwendung nur für spezifi-
sche wissenschaftliche Fragestellungen rechtfertigen. Die Single-Photon-Emission-Computed-Tomography (SPECT) ist im Vergleich zu PET verbreiteter und nicht so aufwendig. Unter Verwendung von 123Iodo-Benzamid (IBZM) als Tracer können Veränderungen der striatalen Dopamin-D2-Rezeptoren mittels SPECT nachgewiesen werden. Damit lassen sich nach Dopaminergikakarenz Parkinson-Syndrome untereinander differenzieren. Präsynaptische SPECT-Tracer des Dopamintransporters wie 123Iodo-Beta-CIT und 123Iodo-IPT (DAT-Scan) sind für die Differenzialdiagnostik essentieller Tremor versus Parkinson-Syndrom bei de-novo-Patienten hilfreich. 5. Pharmakologische Untersuchungen: Ein positiver L-Dopa- oder ApomorphinTest spricht für das Vorliegen einer Parkinson-Krankheit mit gutem Ansprechen auf eine L-Dopa-Therapie. Verwendet werden hierzu eine Testgabe von 200 mg L-Dopa mit Decarboxylashemmer peroral (am schnellsten mit löslichen L-Dopa-Tabletten) oder der mittels subkutaner Injektion durchgeführte Apomorphin-Test (1,5–5 mg subkutan nach 24stündiger Vorbehandlung mit 3×20 mg Domperidon (Motilium®) in Testschritten zu 1,5, 2,5, 3,5 und 5 mg). Ein negativer L-Dopa- oder ApomorphinTest schließt zwar ein IPS nicht aus, sollte aber stets Anlass für differenzialdiagnostische Überlegungen sein. Der L-Dopa-Test auf nüchternen Magen nach Vorbehandlung mit Domperidon ist dem Apomorphin-Test in den meisten Fällen vorzuziehen, da Übelkeit, Erbrechen und Schläfrigkeit nicht so ausgeprägt sind wie bei der Verwendung von Apomorphin. Die Sensititvität und Spezifität des L-Dopa Testes ist mit dem Apomorphin-Test vergleichbar [5]. 6. Neurophysiologische Untersuchungen: Mit der transkraniellen Magnetstimulation können die kortikospinalen Bahnen untersucht werden. Beim IPS sind diese intakt, sodass abnormale Befunde an ParkinsonPlus-Syndrome denken lassen sollten. Auffälligkeiten beim IPS lassen sich bei Untersuchung der bei isometrisch vorgespannten Zielmuskeln nachfolgenden Signalstille finden. Diese kortikale „silent period“ ist bei Parkinson-Patienten als Ausdruck einer Stö-
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Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)
rung der kortikalen Hemmfunktionen verkürzt und wird durch Dopaminergika und Pallidum-Stimulation verlängert. Außerdem ist bei IPS die Fazilitationsperiode pathologisch verlängert. Die Messung der kortikalen „silent period“ und der Fazilitationsperiode tragen jedoch wenig zu differenzialdiagnostischen Überlegungen bei. Die Long-loop-Reflexe (LLR; z. B. Stimulation mit 3 Hz am N. medianus bei leichter Vorinnervation an der motorischen Schwelle löst vier Reflexantworten aus: Hofmann, LLR 1, 2 und 3) sind bei IPS eher gesteigert in den Amplituden. Bei Huntington-Kranken (DD: Westphal-Variante, juveniler Parkinson) fehlen die LLR oder sind vermindert. Bei der kortikobasalen Degeneration finden sich vergrößerte LLR 1. Die Posturographie zusammen mit einer Ganganalyse helfen Gangstörungen und Standunsicherheit zu objektivieren. Diese Verfahren kommen bei der Differenzialdiagnose zwischen Parkinson-Syndrom der unteren Körperhälfte (frontaler Gangstörung) und IPS, insbesondere bei betagteren Patienen, gelegentlich zu Nutze und sind für die Verlaufskontrolle wertvoll. Bei Patienten, die primär wegen ihrer parkinsonähnlichen Gangstörung vorgestellt werden, liegt häufig eine subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) vor. Deswegen sollte eine Abklärung des zerebrovaskulären Status mittels Dopplersonographie durchgeführt werden. Die Elektromyographie spielt eine sehr untergeordnete Rolle in der Abklärung des IPS. Eine Ausnahme stellt das SphinkterEMG dar. Floride Denervierung spricht gegen ein IPS und für eine MSA. Die zunehmend kritisierte mangelhafte Trennschärfe im individuellen Fall weisen allerdings auf eine Überbewertung dieser für Patienten unangenehmen Untersuchung hin. Bezüglich der Rolle der Oberflächen-EMG zur Tremordifferenzierung, Tremor. Evozierte Potentiale haben kaum einen Stellenwert in der Routinediagnostik des IPS. Mit speziellen Reizmustern höherer Ortsauflösung lassen sich in den VEP Latenzverzögerungen nachweisen. Dies entspricht der eingeschränkten visuellen Kontrastwahrnehmung und Farbdiskriminierung beim IPS.
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Therapie Basis der Therapie des IPS ist die DopaminSubstitution durch die Gabe der Dopamin-Vorläufersubstanz Dopa und der Gabe direkt wirksamer Dopaminagonisten. Ein eindeutiges Ansprechen auf diese Medikament gilt als eines der wesentlichen diagnostischen Kriterien [4, 6]. Dopa wird immer in Kombinationspräparaten mit einem Decarboxylasehemmer (Carbidopa, Benserazid) zugeführt und ist weiterhin nach Gesichtspunkten der Evidenz-basierten Medizin das wirksamste Parkinson-Medikament [8]. Allerdings ist Dopa mit vermehrten motorischen Komplikationen im Langzeitverlauf assoziiert. Die Dopa Monotherapie führt nach 5 Jahren bei über 50 % der Patienten zu motorischen Wirkungsschwankungen, zunächst verkürzter Wirkdauer einzelner Dopa-Gaben, dann Dyskinesien und Off-Phasen. Jüngere Patienten sind wegen des zu erwartenden längeren Verlaufes von diesen Komplikationen am meisten betroffen. Daher wird versucht, den Verlauf der Krankheit bei jüngeren, ansonsten gesunden Patienten mit einem Hinauszögern der Dopa-Therapie durch eine initiale Dopaminagonisten-Monotherapie günstig zu beeinflussen. Multimorbide und „ältere“, über 70 Jahre alte Patienten sollten mit im Allgemeinen verträglicheren und schneller wirksamen DopaPräparaten behandelt werden. Wesentliche Weichenstellung für die Langzeittherapie und einer möglichen Prophylaxe motorischer Spätkomplikationen geschieht nach Diagnosesicherung des IPS zum Zeitpunkt der medikamentösen Ersteinstellung. Hier muss gemeinsam mit jedem Patienten individuell entschieden werden, ob mit einer initialen Monotherapie begonnen wird und welches Präparat in der Anfangsphase zum Einsatz kommt. Faktoren, die diese Entscheidung beeinflussen sind unter anderem Compliance und soziale Situation, insbesondere auch die Frage, ob die Berufsfähigkeit durch das IPS gefährdet ist. In dieser Situation ist eine möglichst rasche Symptomlinderung entscheidend. Im Allgemeinen sollte nicht für Patienten entschieden werden, sondern die ärztliche Aufgabe liegt darin, Patienten auf die zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen aufmerksam zu machen. Dies kann in Anbetracht einer chronischen Erkrankung über drei ambulante Vorstel-
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Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)
lungen erfolgen und zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Ein jüngerer 45jähriger Parkinson-Patient kann sich hier gegen Dopa als initiale Therapie im Rahmen einer lebenslangen Erkrankung trotz Behinderung im Beruf entscheiden. Bei einem 75jährigen Patienten kann das Ziel hingegen sein, möglichst rasch ein normales Leben mit L-Dopa zu führen und sich nicht über die Zukunft zu sorgen. Die Verträglichkeit ist bei der Einstellung von „älteren“ (>60–75) und polymorbiden Patienten zu beachten. Bei solchen Patienten sollte ein Ansprechen auf L-Dopa zunächst erwiesen worden sein und aufgrund der besseren Verträglichkeit in erster Linie L-Dopa zum Einsatz kommen. „Cocktails“ aus mehreren Parkinson-Mitteln sind gerade bei polymorbiden oder kognitiv eingeschränkten Patienten problematisch im Hinblick auf potentielle psychiatrische und internistische Komplikationen. 1. L-Dopa mit peripherem Decarboxylashemmer Die Dopa-Dosis ist individuell und dem Verlauf anzupassen. Zu Beginn wird in der Regel mit 3 Tagesdosen à 50 mg Dopa eingeschlichen. Anschließend wird in 3–7tägigen Intervallen in 50–100 mg Schritten bis zum Auftreten einer befriedigenden Wirkung gesteigert. Zu Beginn der Erkrankung reicht es aus, die Tagesdosis auf drei Einnahmen zu verteilen. Im weiteren Krankheitsverlauf muss die Tagesdosis häufig auf 6 und mehr Einnahmen während des Tages verteilt werden. Die kurze Halbwertszeit von Dopa (etwa 1,5 Stunden) erfordert diese Dosierungsfrequenz und prädisponiert zu weiteren Wirkungsfluktuationen im Tagesverlauf. Es sind daher L-Dopa Präparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung (Madopar® Depot, Nacom® Retard) entwickelt worden, deren Hauptindikationen heute einfache Wirkungsschwankungen und die nächtliche Akinesie darstellen. Bei Patienten mit Dyskinesien sollten keine DopaPräparate mit langsamer Wirkstofffreisetzung eingesetzt, sondern wegen der besseren Steuerbarkeit Standard-Dopa-Präparate favorisiert werden. 2. Dopaminagonisten: Ergot- und NichtErgot-Derivate Sieben verschiedene orale Dopaminagonisten stehen zur Verfügung. Sie sind für die initiale Monotherapie (bisher nur
3.
Bromocriptin, Ropinirol, Cabergolin, Pergolid) und als Zusatzmedikation zur DopaBehandlung zugelassen. Die Dopaminagonisten gehören entweder der Gruppe der Ergot-Alkaloide oder der Gruppe der Nicht-Ergot-Derivate an. Sie unterscheiden sich in ihrer Halbwertszeit (2–65 Stunden), Rezeptoraffinität, Nebenwirkungsprofil und der Dauer der Aufdosierung (3–10 Wochen, Tab. 2). Studien zur initialen Monotherapie mit Dopaminagonisten zeigten eine gegenüber L-Dopa deutlich verminderte Inzidenz von Spätkomplikationen wie Dyskinesien [9, 12]. Exogene Psychosen treten unter Dopaminagonisten allerdings häufiger als unter Dopa auf. Durch ihre direkte Wirkung auf periphere Dopaminrezeptoren führen Dopaminagonisten im Vergleich zu Dopa häufiger zu unerwünschten peripheren Effekten wie orthostatischer Hypotension gelegentlich mit Synkopen, Übelkeit und Erbrechen. Die Aufdosierung muss für die verschiedenen Dopaminagonisten langsam erfolgen: Einzelheiten zur Anfangsdosis, Aufdosierung, Aufdosierungsschritte, Darreichungsformen, anzustrebenden Tagesdosen in Kombination bzw. Monotherapie sind aus Tab. 2 zu entnehmen. Die dargestellten Dosissteigerungen gelten als Leitlinien und sind der Verträglichkeit anzupassen. In den jüngeren großen Studien zur initialen Monotherapie mit Cabergolin [13], Ropinirol [12] und Pramipexol konnte gezeigt werden, dass die Verträglichkeit mit Ausnahme von psychiatrischen Nebenwirkungen bei adäquater Aufdosierung und die Wirksamkeit in den ersten Jahren der Krankheit dem Dopa fast als gleichwertig anzusehen ist. Ropinirol konnte eine Verzögerung im Auftreten von Dyskinesien im Vergleich zu Dopa in einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren eindeutig belegen. Cabaseril erlaubt aufgrund seiner langen Halbwertszeit eine einmalige Tagesgabe. Beim Pramipexol werden spezifische tremorlytische und antidepressive Effekte diskutiert. Parenteraler Dopaminagonist: Subkutanes Apomorphin für Off-Phasen Apomorphin, das D1- und D2-Rezeptoren gleicherma@en stimuliert und damit dem
Handelspräparate
Dopamin 5HT
-
NA
+
Rezeptor-Spezifität
+
+
+
+
D2 >D1 A, Ch: Permax®; D: Parkotil®; Tbl. zu 0,05 mg (weißgelb in Startpackung), 0.25 mg (grün) und 1.0 mg (rosa).
Pergolid
Cabergolin
Cabaseril®; Tbl. zu 1, 2 und 4 mg.
D2
D2±D1?
+
+
D2±D1?
Dopergin®; Tbl. zu 0,2 mg und 0,5 mg.
Lisurid
Alpha-Dihy Almirid®, Cripar®; droergocriptin Kaps. zu 5 mg, Tbl. zu 20 mg.
+
+
D2
A: Umprel®; Ch: Parlo-del®, Sero-cryptin®; D: Pravidel®, Kirim®; Tbl. zu 2,5 mg; Kaps. zu 5 mg und 10 mg.
Bromocriptin
Ergot-Dopaminagonisten
HWZ = Halbwertszeit; NA= Noradrenalin; 5-HAT= Serotonin
Wirkstoff
65
16
15
3–6
[h]
HWZ
1×1/2 Tbl. 1 mg, wöchentlich um 0,5–1 mg steigern.
1. Tag abends 1×5 mg, dann 2× 5 mg, wöchentlich um 5 mg steigern.
1.–2. Tag abends 0,05 mg, 3. Tag 3×0,05 mg, 7. Tag 3×2 Tbl. 0,05 mg, ca. ab 9. Tag 3×1/2 Tbl. 0,25 mg, dann alle 3 Tage um 0,25 mg steigern.
1×4 mg
2×20 mg
3×1 mg
1×10
?
4×2–3
?
1., 2. Tag abends 1/2×0,2 mg, dann 4×0,5 mg 3×1/2 0,2 mg und wöchentlich um 1/2–1 Tbl. 0,2 mg steigern.
Mono therapie
3×10
Empfohlene Dosis bei Kombination mit L-Dopa
1.– 2. Tag abends 1/2 2,5 mg, dann 3×5 mg 3×1/2 2,5 mg und wöchentlich um 1/2–1 Tbl. 2,5 mg steigern.
Initiale Dosis und Aufdosierung
Tagesdosis in mg und ihre Aufdosierung
Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS). Tab. 2: Orale Dopaminagonisten: Pharmakologie und ihre Darreichungsformen, modifiziert nach [3]
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3–5×0,71 3×0,35 mg 1. Woche 3×0.088 mg, 2. Woche 3×0.18 mg,3. Woche 3×1/2 Tbl. 0,7 mg, wöchentlich um 1/2 Tbl. 0,7 mg steigern. 6
6
D3 > D2 Sifrol®; Tbl. zu 0,088 mg, 0,18 mg, 0,35 mg und 0,7 mg Pramipexol-Base. Pramipexol
D2 Requip®; Tbl. zu 0,25 mg (weiß), 0,5 mg (gelb), 1 mg (grün), 2 mg (rosa) und 5 mg (blau). Ropinirol
Non-Ergot-Dopaminagonisten
NA
4.
-
3×8 1. Woche 3×0.25 mg, 3×3 mg 2. Woche 3×0.5 mg, 3. Woche 3×0.75 mg, wöchentlich um 1,5–3 mg steigern.
Empfohlene Dosis bei Kombination mit L-Dopa Initiale Dosis und Aufdosierung [h] Dopamin
Handelspräparate
5HT
HWZ Rezeptor-Spezifität
Tagesdosis in mg und ihre Aufdosierung
Mono therapie
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Wirkstoff
Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS). Tab. 2: Orale Dopaminagonisten: Pharmakologie und ihre Darreichungsformen, modifiziert nach [3] (Fortsetzung)
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Dopa am nächsten kommt, wirkt nur parenteral, nasal und rektal, weil es oral sofort in der Leber metabolisiert wird. Der Vorteil der subkutanen Apomorphin-Gabe ist der schnelle und zuverlässige Wirkeintritt meist nach 10 Minuten bei Patienten mit schweren Off-Phasen. Zur subkutanen Verabreichung von Apomorphin, intermittierend bei Off-Phasen oder als Dauertherapie mittels Pumpe, liegen seit über 15 Jahren Erfahrungen vor. Ein spezieller Apomorphin-Penject wurde 2001 in Deutschland zugelassen (ApoGo®). Die Ersteinstellung sollte zur Einweisung und Dosisfindung in einer Parkinson-Spezialambulanz bzw. stationär erfolgen. Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT)Hemmer: Entacapon Mit der COMT-Hemmung wird analog der Decarboxylasehemmung mit Benserazid oder Carbidopa in den L-Dopa-Präparaten, der zweite wichtige Abbauweg von Dopa extrazerebral gehemmt. Die COMT-Hemmung führt daher zu länger anhaltenden therapeutischen Dopa-Spiegeln. Damit konnte in vielen Studien eine signifikante Verlängerung der Wirkdauer einzelner Dopa-Gaben erzielt werden. Seit November 1998 ruht in den Ländern der EU die Zulassung für Tolcapon (Tasmar®) wegen Fällen von letaler Lebertoxizität. Derartiges gilt nicht für Entacapon (Comtan® (Österreich), Comtess® (Deutschland)), das zur Zeit der einzige in der EU erhältliche COMT-Hemmer ist. In Kombination mit L-Dopa und Carbidopa ist Entacapon als Stalevo® auf dem Markt. Diarrhöe tritt bei 5–15% mit einer Latenz von bis zu 4 Monaten nach Therapiebeginn auf. Nur selten muss dadurch die Therapie abgebrochen werden. Eine Gelb-Verfärbung des Urins wird regelhaft unter COMT-Hemmern beobachtet. Darüber hinaus gibt es gelegentlich dopaminerge unerwünschte Effekte wie Nausea durch die Verstärkung der Dopa-Wirkung. Im Allgemeinen zeichnen sich aber die COMT-Hemmer durch eine bemerkenswerte Verträglichkeit aus. Monoaminooxidase (MAO)-B-Hemmer: Selegilin Die anfangs angenommene Neuroprotektion unter Selegilin aufgrund der in einer
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großen Studie (DATATOP) mit über 800 Parkinson-Patienten nachgewiesenen um 6–9 Monate späteren „Dopa-Pflichtigkeit“ wird heute eher mit einer symptomatische Wirkung durch eine Hemmung des Abbaus von Dopamin im Gehirn und der Verstoffwechselung von Selegilin zu Metamphetamin erklärt. Die Monotherapie mit Selegilin ist bei de-novo-Patienten daher selten über länger als ein Jahr ausreichend, kann aber als initiale Therapie erwogen werden [8]. Budipin Budipin ist für die Kombinationstherapie mit Dopa zugelassen worden. Aufgrund seines guten Effektes gegen den Tremor wurde der Einsatz speziell für das tremordominante Parkinson-Syndroms in einer groß angelegten EBM-Studie untersucht. Diese Studie wurde abgebrochen. Wegen dem Auftreten (1:2000) von Herzrhythmusstörungen vom Typ der Torsade des Pointes unterliegt Budipin nun Anwendungsbeschränkungen. Die Verschreibung von Budipin ist nur möglich nach einer schriftlichen Verpflichtungserklärung zur EKG-Kontrolle (QT-Zeit!) vor sowie nach der 1. und 3. Woche nach Therapiebeginn, dann jährlich und bei Dosissteigerung. Anticholinergika Ursrpünglich wurden Anticholinergika als Medikamente für den Parkinson-Tremor gepriesen. Die Evidenz im Vergleich zu Dopaminergika hierfür ist allerdings mehr als dürftig. Aufgrund des hohen Nebenwirkungsprofils und der negativen kognitiver Effekte haben Anticholinergika nur noch einen sehr eingeschränkter Stellenwert in der Parkinsontherapie. Anticholinergika können in Einzelfällen bei jüngeren tremordominanten Parkinson-Patienten eingesetzt werden, wenn keine befriedigende Wirkung mit Dopaminergika alleine zu erzielen ist. Abruptes Absetzen kann ein Delir hervorrufen (daher Dosisreduktion langsam, über Wochen!). Amantadin Parkinson-Medikament mit Wirkung auf Dopa-Dyskinesien Der monotherapeutischer Einsatz von Amantadin ist bei geringer Symptomatik in frühen Stadien der Erkrankung möglich. In der Kombinationsbehandlung mit ande3
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ren Parkinson-Mitteln wirkt Amantadin potenzierend. Das Auftreten exogener Psychosen ist besonders bei prädisponierten älteren Patienten, gerade bei Niereninsuffizienz und bei Kombination mit anderen Antiparkinsonmitteln ein Risiko. Die Aufdosierung von Amantadinsulfat-Präparaten kann rasch erfolgen. Es ist nicht bewiesen, dass Tagesdosierungen von über 2–3× 100 mg die Effektivität steigern. L-Dopa-induzierte Dyskinesien können ebenso behindernd sein wie die Grundkrankheit. Falls L-Dopa-Dyskinesien mit gängigen Strategien wie Dopa-Dosisfraktionierung und dem Aufdosieren von Dopaminagonisten bei gleichzeitigem Abdosieren von L-Dopa sich nicht befriedigend therapieren lassen, ist Amantadin zu erwägen. In einer doppelblinden, Cross-overStudie konnte eine bis zu 60%ige Reduktion in den Dyskinesie-Scores unter Amantadin gezeigt werden [14]. 9. Botulinumtoxin in Einzelfällen bei Dystonien, Rigor und Sialorrhöe (Hypersalivation) Fokale Dystonien, bei IPS vorwiegend im Bereich des Fußes als Zehenstrecker-Spasmen, können relativ einfach mit lokalen Injektionen von Botulinumtoxin in die überaktiven Muskeln therapiert werden, sofern medikamentöse Umstellungen vorher zu keinem Erfolg geführt haben. In kleineren Studien ist auch über positive Effekte bei medikamenten-refraktären fokalem Rigor und Sialorrhöe (Injektionen in Parotis) berichtet worden. 10. Stereotaxie Drei Entwicklungen sind für die Wiedereinführung der Stereotaxie in die Parkinson-Therapie verantwortlich: * Das verbesserte Verständnis der Verbindungen zwischen Stammganglien und Kortex. * Die Einführung der Tiefenhirnstimulation. * Die medikamentösen Komplikationen im Rahmen des L-Dopa-Langzeit-Syndroms. * Tiefenhirnstimulation ermöglicht gewebeerhaltende stereotaktische Eingriffe. Die Stimulation ermöglicht minimal destruktive Eingriffe, weil der Zielkern nicht koaguliert wird, sondern chronisch hochfrequent stimuliert wird und damit
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die pathologische Signalübertragung wie durch einen „Störsender“ maskiert werden kann. Die perioperative Morbität, insbesondere von kleineren intrazerebralen Blutungen, beträgt zwischen 1 und 5%. Stimulationselektroden werden in den Globus pallidus internus und den Ncl. subthalamicus implantiert [2]. Bei Stimulation des Globus pallidus internus lassen sich vor allem Dopa-Dyskinesien und über den Ncl. subthalamicus die Akinese positiv beeinflussen. Der bisher am häufigsten gewählte Hirnkern für die tiefe Hirnstimulation, der Nucleus ventralis intermedius (VIM) im Thalamus wird für die Indikation Parkinson-Tremor, ganz im Gegensatz zum essentiellen Tremor verlassen, weil nur der Tremor, aber nicht die Akinese beeinflusst wird. Die Stimulation im Ncl. subthalamicus beeinflusst neben dem Tremor auch die akinetisch-rigide Symptomatik mit einen L-Dopa-ähnlichen Effekt. Stereotaktische Verfahren werden aber weiterhin nur einer Minderheit von ausgewählten, anders nicht therapierbaren Patienten vorbehalten bleiben, das heißt jüngere Patienten mit schwersten DopaDyskinesien und Off-Phasen. gesichert Die L-Dopa Therapie sowie die Therapie mit den Dopaminagonisten Cabergolin, Ropinirol und Pramipexol gilt als gesichert. Hier finden sich große randomisierte, placebokontrollierte, Doppelblindstudien). Bei den älteren Dopaminagonisten sowie bei Amantadin genügen die Studien nicht mehr modernen Ansprüchen. empirisch Bei der Behandlung vieler Spezialprobleme im Langzeitverlauf der Parkinson-Krankheit wird in der Regel empirisch vorgegangen, z. B. können die fokalen Dystonien, bei IPS vorwiegend im Bereich des Fußes als Zehenstrecker-Spasmen auftretend, relativ einfach mit lokalen Injektionen von Botulinumtoxin in die überaktiven Muskeln therapiert werden, sofern medikamentöse Umstellungen vorher zu keinem Erfolg geführt haben. In kleineren Studien ist auch über positive Effekte bei medikamenten-refraktären fokalem
Rigor und Sialorrhöe (Injektionen in Parotis) berichtet worden. unwirksam/obsolet Drug-holidays sind mit der Gefahr schwerer akinetischer Krisen verbunden.
Diätetik/Lebensgewohnheiten L-Dopa ist eine in der Natur selten vorkommende Aminosäure. Deshalb muss es bei der Absorption aus dem Dünndarm und beim Transport durch die Bluthirnschranke mit großen neutralen Aminosäuren wie Leucin, Isoleucin, Tryptophan, Valin und Phenylalanin konkurrieren. Bei i. v. Infusionen dieser Aminosäuren kommt es zu Einbrüchen in der Beweglichkeit und einer Zunahme der Parkinson-Symptomatik [10]. Somit können frühere Beobachtungen von Mena und Cotzias aus 1970 [7] erklärt werden, die unter einer diätetischen Proteineinschränkung eine Reduktion der motorischen Fluktuationen feststellten. Aus diesem Grund sind Diät-Schemata entwickelt worden, die die Proteinaufnahme während des Tages reduzieren. Hierunter konnte eine Linderung der Fluktuationen, aber auch eine Zunahme von Dyskinesien beobachtet werden. Pincus und Barry [11] haben mit der Proteineinschränkung sogar positive Ergebnisse bei anfänglichen L-Dopa-Therapieversagern beschrieben. Für viele Patienten können die vorgeschlagenen Proteineinschränkungen jedoch eine erhebliche Minderung der Lebensqualität bedeuten und schwer praktikabel sein. Sicherlich ist es aber sinnvoll, sich über das diätetische Verhalten der Patienten mit Wirkungsfluktuationen zu informieren. Durch einfache Änderung von ungünstigen Gewohnheiten, wie etwa die L-Dopa-Medikation mit einem Glas Milch einzunehmen oder durch die Vermeidung von proteinreichen Mittagsmahlzeiten, kann eine bessere Wirksamkeit von L-Dopa erreicht werden.
Literatur 1. Parkinson Study Group (2000). Pramipexole vs levodopa as initial treatment for Parkinson disease: A randomized controlled trial. Jama, 284:1931–8. 2. Parkinson Study Group (2001). Deep-brain stimulation of the subthalamic nucleus or the pars interna of the globus pallidus in Parkinson's disease. N Engl J Med, 345:956–63.
Parkinson-Syndrom, „lower body“-Parkinson
Parkinson-Syndrom, „lower body“-Parkinson Synonyme Parkinson-Syndrom der unteren Körperhälfte; subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie; vaskulärer, arteriosklerotischer Parkinsonismus; frontale Gangstörung
Definition Parkinson-Syndrom, dass die untere Extremitäten betrifft.
Einleitung Hier handelt es sich um keine anerkannte klinische Diagnosebezeichnung. Trotzdem wird der Begriff häufig gebraucht auch, wenn er nicht ganz stimmig ist, wie die verschiedenen Synonyme nahe legen. Das Syndrom bezieht die Kriterien für die Diagnose eines Parkinson-Syndroms (Akinese plus ein weiteres Zeichen Ruhetremor, Rigor, eingeschränkte posturale Reflexe) auf eine Gangstörung, die durch Ganginitierungsschwierigkeiten, motorischen Blockaden sowie Gang- und Standunsicherheit gekennzeichnet ist. Der Begriff wurde in einer Arbeit von Fitzgerald et Jankovic [1] geprägt. Letzlich beschreiben die Autoren das, was schon in den 30er-Jahren als arteriosklerotischer Parkinsonismus bezeichnet wurde. Inwieweit eine Differenzierung zu frontalen Gangstörungen bei subkortikaler arteriosklerotische Enzephalopathie und Binswanger möglich oder gar sinnvoll ist, bleibt fraglich. Arterielle Hypertonie und andere Gefäßrisikofaktoren sind in der Regel vorhanden. Ein kommunizierender oder sogenannter Normaldruckhydrozephalus (NPH) weist häufig das identische Syndrom auf. 3
Differenzialdiagnose Das Fehlen von Hyomimie oder Akinese der Arme bei einer Gangstörung erleichtert die Differenzierung von anderern akinetisch-rigiden Syndromen, insbesondere zum idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) im engeren Sinne. Der klassische Ruhetremor tritt in der Regel nicht auf. Bildgebung (Leukoavaiose, subkortikale vaskuläre Läsionen, Lakunen) und pharmakologische Tests (keine oder schlechtes Ansprechen auf Dopa) dienen der Differenzierung vom IPS und von anderen neurodegenerativen Syndro3
3. Ceballos-Baumann AO (1999). Idiopathisches Parkinson-Syndrom. In: Berlit P (editor) Facharztbuch: Klinische Neurologie. Springer-Verlag, Heidelberg 863–86. 4. Gelb DJ, Oliver E, Gilman S (1999). Diagnostic criteria for Parkinson disease. Arch Neurol, 56:33–9. 5. Hughes AJ, Lees AJ, Stern GM (1991). Challenge tests to predict the dopaminergic response in untreated Parkinson's disease. Neurology 41: 1723–1725. 6. Hughes AJ, Daniel SE, Kilford L, Lees AJ (1992). Accuracy of clinical diagnosis of idiopathic Parkinson's disease: A clinico-pathological study of 100 cases. J Neurol Neurosurg Psychiatry 55:181–184. 7. Mena L, Cotzias GC (1975). Protein intake and treatment of Parkinson's disease with levodopa. New Engl J Med 292: 181–184. 8. Miyasaki JM, Martin W, Suchowersky O, Weiner WJ, Lang AE (2002). Practice parameter: Initiation of treatment for Parkinson's disease: An evidence-based review: Report of the Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology, 58:11–7. 9. Montastruc JL, Rascol O, Senard JM, Rascol A (1994). A randomised controlled study comparing bromocriptine to which levodopa was later added, with levodopa alone in previously untreated patients with Parkinson's disease: a five year follow up. J Neurol Neurosurg Psychiatry, 57:1034–8. 10. Nutt JG, Woodward WR, Hammerstad JP et al. (1984). The 'on–off' phenomenon in Parkinson's disease. Relation to levodopa absorption and transport. N Engl J Med 310: 483–488. 11. Pincus JH, Barry K (1987). Influence of dietary protein on motor fluctuations in Parkinson's disease. Arch Neurol 44: 270–272. 12. Rascol O, Brooks DJ, Korczyn AD, De Deyn PP, Clarke CE, Lang AE (2000). A five-year study of the incidence of dyskinesia in patients with early Parkinson's disease who were treated with ropinirole or levodopa. 056 Study Group. N Engl J Med, 342:1484–91. 13. Rinne UK, Bracco F, Chouza C, Dupont E, Gershanik O, Masso J et al. (1997) Cabergoline in the treatment of early parkinsons disease: results of the first year of treatment in a double blind comparison of cabergoline and levodopa. Neurology, 48:363–368. 14. Verhagen Metman L, Del Dotto P, van den Munckhof P, Fang J, Mouradian MM, Chase TN (1998). Amantadine as treatment for dyskinesias and motor fluctuations in Parkinson's disease. Neurology, 50:1323–6.
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men sowie parkinsonähnlichen Gangstörungen bei kommunizierenden oder sogenannten Normaldruckhydrozephalus (NPH).
drei weiteren Kardinalsymptome Rigor, Ruhetremor und eingeschränkte posturale Reflexe diagnostiziert werden. Alle Medikamente, die unter Dopaminrezeptorblocker, Neuroleptika (ausgenommen Clozapin), Kalziumantagonisten vom Flunarizin-Cinarizin Typ sowie Dopaminspeicherentleerer aufgeführt worden sind, verursachen häufig Parkinson-Syndrome. Bei psychiatrischen Patienten, die mit Dopaminrezeptorblockern antipsychotisch behandelt werden, entwickelt sich das Parkinson-Syndrom meist innerhalb der ersten drei Wochen der Behandlung, wenn es überhaupt auftritt. Der Zeitpunkt des Eintretens des Parkinson-Syndroms wird sicherlich durch Dosis und Wahl des Neuroleptikums beinflusst. Es gibt keine eindeutig definierbaren Unterscheidungskriterien zwischen einem medikamentösem Parkinson-Syndrom und der idiopathischen Parkinson-Krankheit. Eine betonte Seitenasymmetrie, eingeschränkte posturale Reflexe beim Zugtest sowie der klassische niederfrequente Ruhetremor (3–5 Hz, Pillenrollen) sind jedoch nicht typisch für das medikamentöse Parkinson-Syndrom. Vor allem der Pillenroll-Tremor und die Starthemmungen beim Gang wird als eine für den medikamentösen Parkinsonismus untypische Erscheinung hervorgehoben. Wenn ein medikamentöser Tremor auftritt, ist dieser meist höher frequent als bei der Parkinson-Krankheit und tritt nicht nur in Ruhe auf. In der Tat bereitet die Differenzialdiagnose ohne eine Medikamentenanamnese eher Schwierigkeiten in Richtung anderer akinetisch-rigider Formen als der ParkinsonKrankheit. Bei Patienten mit einem medikamentösen Parkinson-Syndrom kann eine besondere Form des Ruhetremors in der perioralen Muskulatur auftreten, der bei der idiopathischen ParkinsonKrankheit kaum auftritt und gelegentlich als klassische tardive orobukkolinguale Dyskinesie oder essentielles Tremor-Syndrom fehlgedeutet wird. Nach dem Erstbeschreiber [5] handelt es sich um eine charakteristische Bewegungsstörung im Gesichtsbereich, die durch periorale Bewegungen gekennzeichnet ist, die schnellen Kaubewegungen bei einem Hasen ähneln ( Rabbit-Syndrom). Das medikamentöse Parkinson-Syndrom ist die direkteste und verständlichste medikamentös verursachte Bewegungsstörung. Funktionell kommt der striatale Dopaminmetabolimus zum erliegen, weil eine postsynaptische Blo3
empirisch Dopa sollte in einschleichender Dosierung versucht werden (Zieldosis 100 mg-100 mg100 mg) und der Therapieeffekt nach drei Wochen evaluiert werden. Der Therapieeffekt kann mit Anzahl der benötigten Wendeschritte gemonitored werden. Etwa 20% der Patienten sollen nach Fitzgerald et Jankovic [1] eine gewisse Linderung erleben. Amantadin (100 mg100 mg-0–0) kann versucht werden, allerdings ist bei Niereninsuffizienz eine Dosisreduktion notwendig. Bei dementen Patienten ist zu berücksichtigen, dass Amantadin häufig delirogen wirkt.
Literatur 1. Fitzgerald PM, Jankovic J (1989). Lower body parkinsonism. Evidence for vascular etiology. Mov Disord 4: 249–260.
Parkinson-Syndrom, pharmakogenes Synonyme Medikamentös induziertes Parkinson-Syndrom, medikamentöses Parkinsonoid, medikamentöser Parkinsonismus, Neuroleptika induziertes extrapyramidalmotorisches Syndrom
Definition Durch Medikamente bedingtes Parkinson-Syndrom.
Einleitung Die Inzidenz eines medikamentösen ParkinsonSyndroms bei mit Dopaminrezeptorblockern behandelten älteren Patienten wird zwischen 15 und 60% angegeben. Die Häufigkeit soll bei vorwiegend mit Haloperidol behandelten Patienten 27% und bei in erster Linie mit Perazin behandelten 3,2% betragen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Dosisfrage, wobei hochpotente Neuroleptika schon bei geringerer Dosis ein Parkinsonoid auslösen können. Ein Parkinsonismus kann bei Vorliegen des Kardinalsymptoms Bradykinese plus eines der
3
Therapie
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Parkinson-Syndrom, pharmakogenes
ckade der Dopaminrezeptoren, das Striatum von den nigralen Projektionen deafferentiert, eine Entleerung der präsynaptischen Speicher durch Tetrabenazin oder Reserpin oder ein Versiegen der Dopaminbereitstellung durch kompetitive Hemmung der Thyrosinhydroxilase mit Alphamethylparatyrosin eingetreten ist. Eine Zuführung von L-Dopa oder Dopaminagonisten erscheint in dieser Situation nicht sinnvoll sein, es sei denn, man postuliert negative präsynaptische Effekte der Dopaminrezeptorblocker auf die Bereitstellung von Dopamin im nigrostriären System. Zunächst wird man versuchen, indirekt über eine Hemmung der dominierenden Transmittersysteme beim medikamentösen Parkinson-Syndrom, bei dem cholinergen System mittels Anticholinergika und bei dem glutamatergen durch NMDA-Antagonisten (Amantadine) einzugreifen.
Diagnostik Die Diagnose und Differenzialdiagnose des medikamentösen Parkinson-Syndroms ist im Wesentlichen die der idiopathischen Krankheit. Es gibt jedoch einige spezifische Aspekte, die erwähnt werden sollten. Wesentlich ist die Medikamentenanamnese, die gerade bei älteren Patienten gezielt auch die Einnahme harmlos erscheinender Substanzen wie Antivertigonosa, Magenmittel, Kalziumantagonisten und parenteral verabreichter Behandlungen („Aufbauspritzen“), sowie Arztbesuche wegen Sodbrennen, Schwindel, Wetterfühligkeit, Wechseljahrbeschwerden, Hirnleistungsstörungen, Nervenprobleme etc. kritisch explorieren sollte. Häufiges Beispiel für ein lang bestehendes medikamentöses Parkinson-Syndrom bei älteren Patienten erwächst aus der Therapie eines „Schwindels“ mit Dopaminrezeptorblocker enthaltenden Antivertiginosa, die wiederum das Problem nur verstärken. Die Fallneigung kann dann als idiopathisches Parkinson-Syndrom fehlinterpretiert werden. Die anschließende Gabe von Dopaminergika bedingt wiederum eine erschwerte orthostatische Regulation und verstärkt damit letzlich die Ausgangssymptomatik. Eine andere häufige Ursache für ein medikamentöses Parkinson-Syndrom entwickelt sich aus der Therapie einer depressiven Symptomatik bei älteren Patienten mit niederpotenten Neuroleptika. Bei Patienten mit Demenz kön-
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nen Dopaminrezeptorblocker besonders gravierende Folgen auf die Motorik im Sinne eines Parkinson-Syndroms haben. Hier ist die diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung hervorzuheben. Extrapyramidale Zeichen treten im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit 5–10×so häufig auf. Dieses neurodegenerative Leiden wird auch als Lewy-Körperchen-Demenz und Lewy-Körperchen-Variante der Alzheimer-Demenz bezeichnet und stellt nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Demenzursache (20%) in der betagten Bevölkerung dar. Eine seltene Differenzialdiagnose, die aber gerade bei Patienten unter Dopaminrezeptorblockern als Antipsychotika und einem schweren Parkinsonoid beachtet werden muss, stellt die Katatonie dar. Als diagnostisches Differenzialkriterium wird die „flexibilitas cerea“ (wächserne Biegsamkeit) dem Zahnradphänomen sowie dem bleirohrartigen Widerstand beim Parkinsonismus gegenübergestellt. Hinzu kommt bei der Katatonie der Mutismus, der fehlende Tremor und die fehlende ParkinsonHaltung und Gangstörung. Aber bei unkooperativen Patienten, die bei mit Neuroleptika hochdosiert Behandelten häufig vorkommen, können derartige Hinweise oft gar nicht zum Tragen kommen und die Differenzialdiagnose erheblich erschweren. Die Frage, ob es auch ein „tardives“ ParkinsonSyndrom gibt, wird kontrovers diskutiert, aber kann letzlich nicht beantwortet werden. Es finden sich häufig langanhaltende ParkinsonSyndrome nach Behandlung mit Dopaminrezeptorblockern, insbesondere in der älteren Bevölkerung, die nach dem Absetzen der Medikamente bis zu zwei Jahre weiter persisitieren.
Therapie Falls ein Absetzen oder eine Dosisreduktion des das Parkinson-Syndroms verursachenden Dopaminrezeptorblockers nicht vertretbar ist, werden in der Psychiatrie Anticholinergika wie Biperiden (Akineton®), Benztropin (A: Congentin®, D: Congenitol®), Procyclidin (A, CH: Kemadrin®, D: Osnervan®) oder Trihexyphenydil (Artane®) verabreicht. Dexetimid ist spezifisch für die Therapie und Prophylaxe extrapyramidaler Symptome während einer Neuroleptikatherapie eingeführt worden und erlaubt wegen seiner langen Halbwertszeit eine einmalige Tagesdosis (nur in CH als Tremblex® zugelassen). Alternativ zu
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den Anticholinergika werden Amantadin-Salze, z. B. PK-Merz® verwendet. gesichert In einer der wenigen Doppelblindstudien mit Orphenadrin als Anticholinergikum und Amantadin wurde kein Unterschied zu Placebos in der Beeinflussung des Parkinson-Syndroms festgestellt [4]. In einer anderen Doppelblindstudie mit Procyclidin (A, CH: Kemadrin®, D: Osnervan®), Piribedil und Placebo wurde ein positiver Effekt in der klinischen Beurteilung lediglich für Procyclidin festgestellt, aber bei motorischen Aufgaben mit Zeitmessung zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zu Placebos. Für Benztropin (A: Congentin®, D: Congenitol®) zeigte sich in einer Doppelblindstudie Ähnliches: Nach klinischer Beurteilung schienen praktisch alle Symptome des medikamentösen Parkinson-Syndroms beseitigt, aber bei Anwendung objektiver Scores zeigten sich keine signifikanten Effekte im Vergleich zu Placebos [3]. In einer Doppelblindstudie mit Amantadin gegen Benztropin ohne Placebo wurden beide Pharmaka als effektiv beschrieben, wobei die Verträglichkeit von Amantadin besser war [1]. Obwohl aus pathophysiologischen Erwägungen der Einsatz von L-Dopa nicht sinnvoll erscheint, da nach gängigen Vorstellungen im Striatum die postsynaptischen Rezeptoren blockiert sind, hat man den Einsatz von L-Dopa beim medikamentösen Parkinson-Syndrom untersucht. In einer jüngeren offenen Studie von Hardie und Lees [2], die 15 Patienten mit schwerem durch Dopaminrezeptorblocker induziertem Parkinson-Syndrom (10 nach Absetzen der Neuroleptika und 5 unter Neuroleptika) mit 300–1000 mg L-Dopa plus Benserazid (Madopar®) behandelten, kam es bei 9 der Patienten zu einer bedeutenden Besserung der ParkinsonSymptomatik, aber bei zwei der Patienten zu einer nicht vertretbaren Verschlechterung der tardiven Dyskinesie [2]. Anticholinergika hatten bei diesen Patienten zuvor zu keiner Linderung geführt. Es handelte sich allerding bei dieser Patientengruppe, um eine sehr selektierte Population. In älteren Studien zum Einsatz von L-Dopa bei unselektierten Patienten mit medikamentösem Parkinson-Syndrom sind die Ergebnisse widersprüchlich und der Einsatz von Dopamimetika bei psychiatrischen Patien-
ten ist problematisch. Falls Anticholinergika und Amantadine zu keiner Linderung eines schweren medikamentösen Parkinson-Syndroms führen, zunächst einzeln, dann in Kombination wird man sich in den meisten Kliniken zunächst für eine Umstellung der neuroleptischen Medikation auf Clozapin (Leponex®) entscheiden.
Bewertung Zum symptomatischen Einsatz von Anticholinergika und Amantadinen gibt es nur wenige kontrollierte Untersuchungen und die Arbeiten sind alt. In den meisten Studien wird ein Medikament gegen ein anderes Standardpräparat verglichen und über die primäre Beeinflussung des medikamentösen Parkinson-Syndroms im Vergleich zu Placebo ist lediglich in vereinzelten Doppelblindstudien widersprüchlich berichtet worden. Bei der Bewertung des Effektes von Anticholinergika fehlen Daten zum Verlauf des medikamentösen Parkinson-Syndroms bei fortgeführter neuroleptischer Medikation. Es scheint aber, als ob bei vielen Patienten mit einem Parkinsonoid nach einigen Monaten unter Neuroleptikatherapie Kompensationsmechanismen in Gang kommen, die zu einem Nachlassen der Parkinson-Symptomatik führen. Der prophylaktischen Einsatz von Anticholinergika und Amantadine bei neuroleptischer Langzeitmedikation wird heute mehrheitlich nicht mehr empfohlen. Die Prophylaxe eines Parkinsonoids wurde unter anderem davon abgeleitet, dass das Absetzen einer schon eingeführten Therapie mit Anticholinergika Amantadinen zu einer Verschlechterung oder einem erneuten Auftreten eines Parkinson-Syndroms geführt hat. In diesen Untersuchungen wurden aber Anticholinergika nicht langsam ausgeschlichen. Daher ist bei einmal bestehender anticholinergen Zusatzmedikation ein Ausschleichen über Wochen durchzuführen.
Prognose Über den Verlauf des Parkinson-Syndroms bei weiterbestehender neuroleptischer Therapie gibt es im Gegensatz zu Beobachtungen von Patienten nach Absetzen der Dopaminrezeptorblocker keine direkten Daten. Drei Studien zufolge bildet sich nach Absetzen der Dopaminrezeptorblocker die Symptomatik innerhalb 7 Wochen bei 60–70% der Patienten zurück, obwohl die Rückbildung in vielen Fällen bis
Paroxetin
zu 22 Monate dauern kann. Bei diesen Patienten wurden die Dopaminrezeptorblocker nicht als Antipsychotika eingesetzt, sondern wegen anderer Indikationen, weshalb man sie leicht absetzen konnte.
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Therapie Bei Parosmien kann ein Therapieversuch mit Lokalanästhetika, Zink- oder Vitamingabe erfolgen.
Prognose Literatur 1. DiMascio A, Bernardo DL, Greenblatt D, Marder JE (1976). A controlled trial of amantadine in drug induced extrapyramidal disorders. Arch Gen Psychiatry 33: 599–602. 2. Hardie RJ, Lees AJ (1988). Neuroleptic induced Parkinson's syndrome: a clinical features and results of treatment with levodopa. J Neurol Neurosurg Psychiatry 51: 850–854. 3. Kelly JT, Zimmerman RL, Abuzzahab FS, Schiele BC (1974). A double-blind study of amantadine HCL versus benztropene mesylate in drug-induced parkinsonism. Acta Psychiatr Scand 212: 44– 51. 4. Mindham RHS, Gaind R, Anstee BH, Rimmer L (1972). Comparison of amantadine, orphenadrine and placebo in drug induced parkinsonism. Pschol Med 2: 406–443. 5. Villeneuve (1972). The Rabbit syndrome: a peculiar extrapyramidal reaction. Canad Psychiat Assoc J 17(suppl): 69–72.
Die Prognose einer sekundären Parosmie bei verschiedenen Grunderkrankungen scheint besser zu sein als die einer primären (idiopathischen) Parosmie [2].
Literatur 1. Berlit P (1999) Erkrankungen der Hirnnerven und des Hirnstamms. In: Berlit P (Hrsg.) Klinische Neurologie, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, S 352–407. 2. Portier F, Faulcon P, Lamblin B, Bonfils P (2000) Semiologie, etiologies et evolution des parosmies: a propos de 84 cas. Ann Otolaryngol Chir Cervicofac 117: 12–18.
Paroxetin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Euplix® 20mg Filmtbl.; Paroxat 20mg Filmtbl.; Seroxat® Filmtbl., Suspension; Tagonis® Filmtbl.
Parosmie
Wirkungen
Verkennung wahrgenommener Gerüche, meist unangenehmer Art ( Kakosmie). Im Gegensatz zu olfaktorischen Halluzinationen bleibt bei der Parosmie die Abnormität der Empfindung bewusst. 3
Einleitung Parosmien werden häufig durch Stoffe wie Tabak, Parfum, Schokolade oder bestimmte Früchte ausgelöst, die alle Tannin-Säure enthalten, welche möglicherweise für die Parosmie verantwortlich ist [2].
Differenzialdiagnose Parosmien werden bei akuter oder chronischer Rhinits, bei eitrigen Entzündungen im Bereich der Nase und der Nasennebenhöhlen, nach Schädel-Hirn-Trauma oder bei Tumoren gefunden, aber auch bei Schwangeren, bei Depressionen oder idiopathisch [1, 2].
Paroxetin ist ein Antidepressivum aus der Gruppe der Hemmstoffe der neuronalen Rückspeicherung von Serotonin. In seiner antidepressiven Wirkung, die erst etwa zwei Wochen nach Therapiebeginn einsetzt, ist Paroxetin bei z. T. besserer Verträglichkeit gut mit verschiedenen trizyklischen Antidepressiva wie Imipramin, Amitriptylin vergleichbar. In Dosen bis 30 mg/d ist auch bei älteren Patienten die antidepressive Wirkung von Paroxetin der von 75 mg/d Clomipramin oder von 100 mg/d Amitriptylin vergleichbar, der von 60 mg/d Mianserin überlegen. Pharmakologisch ist Paroxetin einer der stärksten Hemmstoffe der neuronalen Wiederaufnahme von Serotonin im ZNS. Paroxetin zeigt auch gute Effekte bei Angst- und Panikstörungen sowie beim POTS (posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom). 3
Definition
Resorption Paroxetin unterliegt nach oraler Applikation
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Paroxysmaler Schwindel
einem ausgeprägten „First-Pass“-Metabolismus, der die Bioverfügbarkeit auf etwa 50% reduziert. Die initiale Dosis sollte 20 mg/d nicht überschreiten. Nach jeweils 2–3 Wochen kann die Dosis bei Bedarf um ca. 10 mg/d auf maximal 50 mg/d, bei älteren Patienten auf 40 mg/d gesteigert werden. Nach hohen multiplen Dosen kann die Bioverfügbarkeit durch Sättigung des „First-Pass“-Metabolismus ansteigen. Nach oralen Einzeldosen von 20– 50 mg werden nach ca. 5 h maximale Plasmakonzentrationen zwischen 0,8 und 65 mg/ L Paroxetin erreicht. Ein Gleichgewicht ohne Kumulation wird nach 7–14 d erreicht. Durch seine hohe Lipophilität verteilt sich Paroxetin schnell im Gewebe; nur etwa 1% des Stoffes bleiben im Blutkreislauf. Die Plasmaproteinbindung beträgt etwa 95%.
hemmt, kann die systemische Verfügbarkeit von Paroxetin um 50% steigern. Dagegen können Enzyminduktoren wie Phenytoin und Phenobarbital die Verfügbarkeit ohne wesentlichen Wirkungsverlust verringern. Die Wirkung nicht-selektiver MAO-Hemmstoffe kann verstärkt werden. Bei gleichzeitiger Gabe von oralen Antikoagulanzien kann die Tendenz zu verstärkten Blutungen gesteigert werden, obwohl nur geringe pharmakokinetische Veränderungen zu beobachten sind.
Paroxysmaler Schwindel 3
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Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
Elimination
Cimetidin, das verschiedene Leberenzyme
Zubereitungen Procarbazin und CCNU stehen in Kapselform zur oralen Applikation, Vincristin als Injektionslösung zur intravenösen Applikation zur Verfügung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Natulan® 50 mg Kapseln (Procarbazin), Cecenu® 40 mg Kapseln, Vincristin als Trockensubstanz oder als 1 mg bzw. 2 mg Fertigspritze.
Wirkungen Procarbazin hemmt über die Bildung eines spezifischen DNA-Adduktes die Replikation von DNA und RNA sowie die Proteinsynthese. CCNU ist ein Nitrosoharnstoff mit alkylierender und RNA- sowie DNA-synthesehemmender Wirkung. Vincristin ist ein Spindelgift.
Anwendungsgebiete In der Neuroonkologie ist das PCV-Schema eingeführt zur adjuvanten Therapie oder zur Rezidivtherapie bei Oligodendrogliomen, WHO-Grad III, bei Oligoastrozytomen, WHO-Grad III, bei anaplastischen Astrozytomen, WHO-Grad III, bei Glioblastomen (mit oligodendroglialen Tumoranteilen). 3
Wechselwirkungen
Chemotherapie mit Procarbazin, CCNU und Vincristin
3
Bei Kurzzeitapplikation (<6 Wochen) sind Müdigkeit, Tremor, Übelkeit, Mundtrockenheit und Schlaflosigkeit aufgetreten. Bei Männern wird die Häufigkeit abnormaler Ejakulationen verdreifacht. Bei Langzeitapplikation werden eher Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Gewichtszunahme und Verstopfung beobachtet, deren Häufigkeit sich nicht signifikant von der nach anderen Antidepressiva unterscheidet.
Synonyme
3
Unerwünschte Wirkungen
PCV-Schema
3
Paroxetin unterliegt einer nahezu vollständigen Metabolisierung, und nach oraler Gabe einem beachtlichen und partiell sättigbaren „FirstPass“-Metabolismus. Mindestens 85% des verabreichten Paroxetin werden über ein CatecholIntermediärprodukt mit nachfolgender Methylierung und Konjugation zu stark polaren Glucuroniden und Sulfat-Metaboliten verstoffwechselt. Die Metabolite sind deutlich weniger wirksam als Paroxetin, beeinflussen dessen Wirkung und Selektivität nicht und werden zu über 60% über die Niere ausgeschieden. 1–2% Paroxetin erscheinen unverändert im Harn. Die mittlere Eliminationshalbwertzeit beträgt nach multiplen oralen Dosen ca. 24 h (3–65 h nach 20–50 mg/d). Sie kann bei älteren Patienten deutlich verlängert sein. Bei schweren Nierenund Leberfunktionsstörungen sollte die Dosis reduziert werden.
PEEP
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Dosierung/Anwendung
Einleitung
Tag 1: CCNU 110 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) oral. Tag 8, Tag 29: Vincristin intravenös 1,4 mg/m2 KOF (nicht mehr als 2,0 mg gesamt). Tag 8 bis 21: Procarbazin 60 mg/m2 KOF oral jeden Tag. Je nach Verträglichkeit wird die Therapie nach einem behandlungsfreien Intervall von 2–4 Wochen wiederholt. Anzustreben ist die Applikation von 5–7 Zyklen.
Das Pearson-Syndrom manifestiert sich im Neugeborenenalter oder in der Kindheit. Neugeborene weisen nicht selten schon ein vermindertes Geburtsgewicht, Hypotonie, Hypoglykämie, hypoplastische Anämie, vakuoläre Knochenmarkzellen im Blut und eine Laktat-Azidose auf. Es handelt sich um eine vital bedrohliche Lage und ein Teil der Individuen stirbt rasch. Wird die kritische Phase überlebt, stehen neben der Laktatazidose (episodisches Erbrechen) eine sideroblastische Anämie bzw. Panzytopenie mit Infektdiathese und chronische Diarrhoe aufgrund einer exokrinen Pankreasinsuffizienz im Vordergrund. Fakultativ können zonuläre Katarakt, Nierenbeteiligung, Diabetes mellitus und Hypoparathreoidismus hinzutreten. Patienten, die das Jugend- und Erwachsenenalter erreichen entwickeln z. T. einen Kearns-Sayre-Phänotyp. Es gibt selten auch oligosymptomatische Fälle, die „nur“ eine CPEO bzw. ein Kearns-Sayre-Syndrom ausprägen.
Unerwünschte Wirkungen CCNU führt einige Stunden nach Einnahme oft zu heftiger Nausea und Vomitus, die durch die prophylaktische Einnahme von Tropisetron 5 mg 2 × pro die am Tag der CCNU-Einnahme vermieden werden können. Vincristin muss streng intravenös gespritzt werden. In 10% der Fälle tritt im Verlauf eine vincristininduzierte Polyneuropathie auf. Procarbazin führt u. U. zu ausgeprägter Myelotoxizität, in Verbindung mit CCNU verstärkt, selten zu Allergien, die jedoch zum Absetzen zwingen und ganz selten zu einer medikamenteninduzierten Hepatitis.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Nach Durchführung des ersten Therapiezyklus und danach immer soll 2×pro Woche eine Blutbildkontrolle durchgeführt werden. Eine Fortsetzung der Therapie ist nur möglich bei einer Gesamtleukozytenzahl von >3500/μl, einer Neutrophilenzahl >1750/μl und einer Thrombozytenzahl >100.000/μl.
Diagnostik Klinische Untersuchung einschließlich ophthalmologischer Untersuchung, Laktat im Serum, Blutglukose, Blutbild mit Zelldifferenzierung, Stuhluntersuchung auf Elastase-1, genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatische Therapie. Ausgleich der Laktatazidose, Therapie der Anämie mit Filgastrim (Neupogen). Substitution der Pankreaseenzyme.
Wechselwirkungen Zu weiteren Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sei auf die Fachinformationen verwiesen.
PEEP Synonyme Positive endexspiratory pressure
Definition
Pearson-Syndrom Synonyme Pearson Knochenmark-Pankreas-Syndrom
Definition Maternal erbliche mitochondriale Erkrankung, meist durch eine Deletion in der mt-DNS.
Anhebung des endexspiratorischen Beatmungsdrucks auf ein Niveau über 0.
Grundlagen Durch Anhebung des endexspiratorischen Beatmungsdrucks auf ein Niveau über 0 können atelektatische Bezirke wieder eröffnet werden und kleine Atemwege während der Exspiration offen gehalten werden. Dabei kann außerdem
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Pelizaeus-Merzbacher-Erkrankung
die Oxygenierung des Patienten verbessert werden. Allerdings hat der PEEP im Allgemeinen negative Auswirkung auf die Zirkulation. Durch Erhöhung des Mitteldrucks im Thorax sinkt die Füllung des Herzens wie bei relativer Hypovolämie (Abfall des HZV, Abfall des Blutdrucks). Deshalb sollte vor PEEP-Applikation die Gefäßfüllung am besten über ZVDMessung, bei kardiozirkulatorisch kritischen Patienten über einen Swan-Ganz-Katheter erfolgen.
Pelizaeus-Merzbacher-Erkrankung Einleitung Sehr seltene Gruppe hereditärer Leukodystrophien, denen ein Defekt des Proteolipidproteins (PLP) gemeinsam ist.
Therapie Eine kausale Therapie ist nicht bekannt.
Pemolin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Tradon® Tbl.
Wirkungen Pemolin ist ein racemisches Oxazolinderivat mit psychostimulierenden Wirkungen. Die Wirkungen des Racemats dürften auf der Hemmung der Wiederaufnahme der Katecholamine in die Nervenzellen beruhen. Der synaptosomale Rücktransport von Noradrenalin wird beispielsweise in der Großhirnrinde, der von Dopamin im Striatum gehemmt, wobei letzterer stärker beeinflusst wird. Bei Anwendung an gesunden Probanden steht die kurzfristige Leistungsverbesserung im Vordergrund, ferner eine deutliche Steigerung der Konzentrationsfähigkeit. Eine Übertragbarkeit dieser Beobachtungen zum Nachweis der klinischen Wirksamkeit bei Hirnleistungsstörungen ist nicht belegt. Euphorisierende Wirkungen sind – wenn überhaupt vorhanden – schwach ausgeprägt, ebenso periphere sympathomimetische Wirkungen.
Resorption
Durch Niacinmangel verursachtes Syndrom mit Dermatitis, makrozytärer Anämie, Diarrhoen, organischem Psychosyndrom, Polyneuropathie und zentralnervösen Ausfällen (zerebral, zerebellar, spinal).
Ausmaß und Geschwindigkeit der Resorption sind interindividuell sehr unterschiedlich. Nach Einmalgabe von 37,5 mg oder 50 mg Pemolin wurden maximale Plasmakonzentrationen nach 2–3,5 h erreicht, die Halbwertszeit betrug 9–12 h. Die Plasmaclearance nahm mit steigendem Lebensalter ab, was mit einer Verlängerung korrelierte. Die Plasmaeiweißbindung beträgt etwa 50%.
Einleitung
Elimination
Prädisponierend sind Alkoholismus, Anorexia nervosa, einseitige Ernährung (Proteinmangel, Mais, Hirse), Resorptionsstörungen, Therapie mit Isoniazid.
Die Elimination erfolgt vorwiegend renal. Etwa 50% einer oralen Einzeldosis wurde unverändert im Urin wiedergefunden.
Diagnostik
Hyperkinetisches Syndrom des Kindesalters. Fatigue-Symptomatik der MS.
Pellagra Definition
Wegweisend sind das klinische Bild und die Reaktion auf die Substitution. Labor: Bestimmung von Niacin(-metaboliten) in Plasma und Urin (unsicher).
Therapie empirisch Substitution von Niacin (10 mg/die), Umstellung der Ernährung.
Anwendungsgebiete
Dosierung und Art der Anwendung Als Dosis werden (mit morgendlichem Schwerpunkt) täglich 1–2-mal 20 mg gegeben.
Unerwünschte Wirkungen Häufig: Schlafstörungen, besonders Einschlafstörungen und Appetitlosigkeit. Selten: Schwindel, Alpträume, Angst, Lethargie. Diese Symp-
Penicillamin
tome sind meist vorübergehend und treten überwiegend auf, bevor ein optimaler therapeutischer Effekt erreicht ist. Motorisch-verbale Tics, Gilles-de-la-Tourette-Syndrome, Stereotypien und choreatische Bewegungen: Diese Störungen sind nach Absetzen reversibel. Insbesondere bei disponierten Patienten kann eine Manie ausgelöst werden, bei Absetzen in Einzelfällen eine Depression. Ein Fall von Leukozytopenie ist beschrieben. Einzelfälle von Missbrauch sind beschrieben. Das Abhängigkeitspotenzial ist sehr gering. Mit 2–8% Häufigkeit Erhöhung der Leberenzyme SGPT, SGOT, LDH.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Psychosen, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, Magersucht, depressive Störungen. Eine relative Gegenanzeige ist familiäres Vorkommen motorischer und verbaler Tic-Störungen.
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Penicillamin ein gemischtes Cu2+/Cu+-Chelat entstehen kann. Zn2+ bindet pro Ion zwei Moleküle Penicillamin. Pb2+ und Hg2+ bilden 1:1Chelate. Mit Penicillamin besteht – für einige klinisch bedeutsame Metalle – folgende Komplex-Stabilitäts-Reihe: Hg2+ > Cu2+ > Pb2+ > Zn2+. Die Chelate werden aus dem Organismus ausgeschieden, wodurch die Metallkonzentration gesenkt und die Vergiftungssymptome vermindert werden. Die Wirksamkeit von Penicillamin bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises wird auf seine immunsuppressiven Effekte infolge Hemmung der T- und BLymphozyten sowie der Entzündungsmediatoren zurückgeführt. Penicillamin hemmt die Kollagensynthese und wird deshalb bei fibrosierenden Erkrankungen (Sklerodermie, Lungenfibrose u. a.) eingesetzt. Penicillamin reduziert das schwerlösliche Cystin zu Cystein und bildet leichter lösliche, renal ausscheidbare Penicillamin-Cystein-Disulfide.
Wirkungsverlauf
Pendelnystagmus Therapie Angeborener Pendelnystagmus: harmlos, keine Therapie erforderlich. Erworbener Pendelnystagmus: Versuch mit Memantine, Gabapentin, Trihexyphenydil ( Nystagmus). 3
Penicillamin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Metalcaptase® 150/300 Filmtbl., Trisorcin® 300 Kps.
Wirkungen Penicillamin enthält die Heteroatome N, O und S in vicinaler Stellung; hieraus resultiert die Fähigkeit zur Chelatbildung. Über die freien Elektronenpaare der Heteroatome komplexiert Penicillamin Metallionen. Dabei entstehen unter Einbindung des positiv geladenen Metallions (Elektronenakzeptor) fünfgliedrige Ringe. Die Chelate sind gegenüber den Ausgangsstoffen stabiler. Hg2+ oder Pb2+ sind S-affin. Cu+ wird über O und S, Cu2+ dagegen über N und S komplexiert. Cu2+ wird durch SH-Gruppen zu Cu+ reduziert, so dass in vivo mit dem Ligand
Penicillamin wird nach peroraler Gabe im Gastrointestinaltrakt schnell absorbiert, wobei nach 1,5–4 h die höchsten Blutkonzentrationen auftreten. Die enterale Absorption kann um mindestens 50% durch die Nahrung oder durch oral verabreichte Antazida bzw. um 35% durch orale Eisensulfat-Zufuhr vermindert werden. Etwa 80% von dem in den Körper aufgenommenen Penicillamin werden an Proteine (insbesondere Albumin) in Körpergeweben und Blutplasma gebunden. Penicillamin wird aus dem Blut in 2 unterschiedlich schnellen Phasen eliminiert: Die Halbwertzeit der ersten (schnellen) Phase beträgt ca. 1 h und diejenige der zweiten (langsamen) Phase ca. 8 Tage. Ungefähr 20% des absorbierten Penicillamins erscheinen schnell im Urin, hauptsächlich als Disulfid. Insgesamt werden 33% im Harn und 15% in den Faeces ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Die Hauptindikation für Penicillamin ist die rheumatische Polyarthritis. Penicillamin ist auch bei anderen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, wie Psoriasis-Arthritis und Morbus Bechterew indiziert. Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit), Sklerodermie, Cystinurie (Cystinsteine) oder Lungenfibrose werden mit Penicillamin behandelt. Therapieberichte bei Felty-Syndrom, rheumatischer Vas-
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Pentazocin
kulitis oder Sjögren-Syndrom liegen vor. Vergiftungen mit anorganisch gebundenem Kupfer, Blei, Quecksilber oder Zink (akute Intoxikation) werden mit Penicillamin behandelt.
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosierung erfolgt individuell nach dem Schweregrad der Erkrankung. Im Allgemeinen beginnt die Therapie beim Erwachsenen mit 150 mg/d p. o., die Dosis wird zweiwöchentlich um jeweils 150 mg/d auf 600–900 mg/d gesteigert. Nach Einsetzen der Wirkung wird auf die niedrigst mögliche Erhaltungsdosis (unter 600 mg/d) zurückgegangen.
Unerwünschte Wirkungen Unerwünschte Wirkungen treten abhängig von der Dosis und der Dauer der Behandlung auf. Magen-Darm-Unverträglichkeit (bei 10–30% der Behandelten), Stomatitis. Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Dysgeusie (bei ca. 25% der Behandelten) verschwindet bei weiterer Penicillamin-Behandlung Thrombozytopenie, Leukopenie kommen vor. Proteinurie (bei ca. 10% der Behandelten), nephrotisches Syndrom. Hautrötung (bei 25–50% der behandelten Personen), Pruritus, trockene Haut, Kribbeln, pemphigoide Rötung, Haarausfall. Eine autoimmune Symptomatik kann ausgelöst werden, darunter auch Serumkrankheit-ähnliche Störungen, systemischer Lupus erythematodes, Goodpasture Syndrom, Pemphigus, Polymyositis, Dermatomyositis, Myasthenia gravis, hämolytische Anämie, und autoimmune Thyreoiditis. Dyspnoe, Fieber. Sehr selten treten auf: Schmerzhafte Brustvergrößerung bei Frauen, reversible Gynäkomastie bei Männern, verschwommenes Sehen und Photophobie, Neuromyotonie, periphere Neuropathie. Vereinzelt wurde über Missbildungen der Knochen und Weichteile bei Kindern von Müttern, die während der Schwangerschaft mit Penicillamin behandelt wurden, berichtet.
Pentazocin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Fortral® Kps., Supp, Inj.lösg.
Wirkungen Pentazocin ist ein Opioid-Analgetikum aus der
Gruppe der gemischten Agonisten-Antagonisten. Seine antagonistische Wirkung hat Pentazocin am μ-Rezeptor. Die analgetische Wirkung kommt hauptsächlich über die Aktivierung von κ-Opioid-Rezeptoren zustande. Die analgetische Wirkung ist hauptsächlich im Rückenmark lokalisiert, wo Pentazocin aufsteigende nozizeptive Bahnen hemmt. Es gibt aber auch Hinweise auf eine kortikale Wirkung, u. a. auch die der Sedation. Pentazocin erhöht die Herzfrequenz und steigert den Blutdruck. Eine atemdepressorische Wirkung ist vorhanden, hat aber einen Ceiling-Effekt, d. h. oberhalb einer gewissen Dosis nimmt die Atemdepression nicht mehr zu.
Resorption Nach einer peroralen Gabe von 75 mg treten Spitzenkonzentrationen im Plasma (100– 300 μg/ml) nach 1–3 h auf. Bei i. m. Verabreichung werden die Plasmaspitzenkonzentrationen bereits nach 15–60 min, nach i. v. Injektion nach 15–45 min erreicht. 2–3 h nach i. v. Gabe erreicht Pentazocin im Liquor eine Konzentration, die etwa dem 0,2–0,6fachen der gleichzeitigen Plasmakonzentration entspricht.
Wirkungsverlauf Die analgetische Wirkung tritt 15–30 min nach peroraler Applikation ein. Ähnliche Zeiten werden bei s. c. und i. m. Gabe beobachtet. Wirkungsmaxima finden sich nach ca. 20–30 min Wird Pentazocin i. v. verabreicht, tritt der analgetische Effekt innerhalb von 2–3 min auf. Auch bei dieser Applikationsform beobachtet man den maximalen therapeutischen Effekt nach etwa 30 min. Die Wirkdauer bei peroraler, i. m. und s. c. Applikation beträgt ca. 3 h. Nur bei i. v. Gabe dauert die Wirkung nicht länger als 1 h.
Elimination Pentazocin wird hauptsächlich in der Leber metabolisiert. Die terminalen Methylgruppen werden oxidiert oder die Substanz wird glucuronidiert. Die Stoffwechselprodukte werden zu 60– 70% über die Niere ausgeschieden. Unverändert gelangen 5–8% zur renalen Ausscheidung. Die renale Clearance beträgt 45 ml/min. Sowohl nach parenteraler als auch nach peroraler Applikastion erscheint ein kleiner Teil der Substanz unverändert in den Faeces. Die Elimationshalbwertzeit beträgt 2–3 h.
Pentobarbital
Pentazocin wird für die Behandlung akuter, mittelstarker Schmerzen eingesetzt. Pentazocin ist für die Behandlung der Schmerzen bei Herzinfarkt nicht geeignet, da es kardiovaskulär stimulierend wirkt. Bei stärkeren Schmerzen sollte relativ rasch auf ein anderes Opioid-Analgetikum, z. B. Morphin umgestellt werden. Allerdings muss wegen der antagonistischen Eigenschaftem des Pentazocins mit einer vorübergehenden Abschwächung der Morphinwirkung gerechnet werden.
Unerwünschte Wirkungen Schwindel, Erregungszustände, Schlaflosigkeit, Tremor, Tinnitus sind relativ häufig. Ebenso werden mit einer Gesamthäufigkeit von 5– 10% psychotomimetische (psychotogene) Effekte beobachtet, wie Verwirrtheitszustände, Desorientiertheit, Halluzinationen, Depersonalisation, Paranoia, Angstzustände. Diese unerwünschte Wirkungen kommen vorwiegend bei älteren Menschen vor. Die zentrale Atemdepression bei Überdosierung hat einen CeilingEffekt. Pentazocin hat eine kardiostimulierende Wirkung und erhöht den Druck in der Pulmonalarterie. Blutdrucksteigerungen kommen vor. Über Agranulozytosen ist berichtet worden. Obstipation, Diarrhoen, Übelkeit, Erbrechen, Mundtrockenheit sowie Veränderungen des Geschmackssinnes wurden beschrieben. Pentazocin kann zu Beeinträchtigungen der Vigilanz führen. Gelegentlich wird über Störungen des Akkomodationsvermögens, Doppeltsehen, Nystagmus und Miosis berichtet. Gewebsnekrosen und Myopathien bei i. m. Injektion kommen vor, insbesondere bei diabetischen Patienten. Pentazocin hat ein deutliches Abhängigkeitspotenzial. Entzugssymptome können 12 h nach der letzten Gabe auftreten. Pentazocin unterliegt den Maßgaben der Betäubungsmittelverordnung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Pentazocin ist bei Patienten mit Unverträglichkeitsreaktion, erhöhtem intrakraniellem Druck, Schädel-Hirn-Verletzungen kontraindiziert. Vorsicht ist geboten in der Schwangerschaft, bei Bronchialasthma, respiratorischer Insuffizienz, Leber- oder Niereninsuffizienz, Myokardinfarkt, bei Patienten, denen vorab Opioide wie z. B. Methadon verabreicht wurden (antagonistische Wirkung) und bei Patienten mit
Krampfleiden. S. c. Injektionen führen nicht selten zu Gewebeschäden. Ebenso kann eine Pentazocingabe eine bestehende Konfusion, Desorientiertheit und Halluzinationen verstärken.
Wechselwirkungen Die kardiovaskulären und zentralnervösen unerwünschte Wirkungen von anderen Opioiden, Barbituraten, Neuroleptika, Inhalationsnarkotika, Benzodiazepinen können bei einer Kombination mit Pentazocin in Dauer und Schwere verstärkt werden. Angaben über tödliche Plasmakonzentrationen liegen bei 3,3 mg/L und 9,2 mg/L. Bereits ab 0,8 mg/L muss mit toxischen Effekten gerechnet werden. Die akute Überdosis zeigt die oben geschilderten unerwünschte Wirkungen in verstärktem Maße. Die Atemdepression verlangt nach sofortiger Beatmung und Gabe eines Antagonisten, wie z. B. Naloxon.
Pentobarbital Wirkungen Hypnotische Wirkung. Der Wirkungsmechanismus der Hirndrucksenkung durch Pentobarbital und anderer Barbiturate, z. B. Thiopental ist unbekannt. 3
Anwendungsgebiete
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Resorption Aufgrund der relativ hohen Lipophilie nach peroraler Einnahme schnelle und vollständige Resorption, die bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme verlangsamt ist. Maximale Plasmakonzentrationen nach ca. 2 h, bei Gabe einer wässrigen Lösung des Natriumsalzes bereits nach 0,5 h. Nach rektaler Verabreichung geringere und unsichere Bioverfügbarkeit. Pentobarbital entsteht auch durch Desulfurierung von Thiopental. Eiweißbindung 55%. Wirkbeginn nach ca. 10–15 min, Dauer 3–4 h.
Elimination Überwiegend hepatische Metabolisierung, durch Hydroxylierung bzw. Carboxylierung. Die Halbwertzeit beläuft sich auf 15–48 h.
Anwendungsgebiete Als ultima ratio zur Senkung des erhöhten intrakraniellen Druckes.
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Pentoxifyllin
Dosierung und Art der Anwendung
Elimination
Zur Senkung des Hirndruckes ist unter gleichzeitiger kontrollierter Beatmung und unter Kontrolle des Hirndruckes eine Dosis von 2000– 5000 mg/d erforderlich.
Pentoxifyllin unterliegt einem first-pass-Metabolismus. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt 20–50%. Pentoxifyllin wird zu mehr als 90% über die Niere größtenteils in Form von wasserlöslichen Metaboliten ohne Konjugation ausgeschieden.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Da wässrige Lösung stark alkalisch, bei i. v. Gabe große Vorsicht, perivaskuläre oder i. a. Injektion vermeiden! Langsam injizieren, cave Atemdepression!
Pentoxifyllin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Claudicat® retard Filmtbl.; Rentylin® 400/600 Ret.-Tbl., Inj.lösg.; Trental® 400/600 Ret.-Tbl., Inj.lösg.
Wirkungen Pentoxifyllin ist ein Methylxanthin, das die Perfusion bei gestörter Mikrozirkulation in peripheren und zerebralen Gefäßen verbessert. Als Wirkungsmechanismus wird eine Verbesserung der hämorrheologischen Eigenschaften wie Erythrozytenverformbarkeit, Blutviskosität, Thrombozytenaggregation und Plasmafibrinogenkonzentration angenommen. Die durch Pentoxifyllin vermittelte thrombozytenaggregationshemmende Wirkung beruht auf einer Steigerung der Prostacyclin- bzw. auf einer Hemmung der Thromboxan-Synthese.
Resorption Pentoxifyllin wird beim Menschen rasch und nahezu vollständig resorbiert. Nach peroraler Applikation von 400 mg werden nach 1 h maximale Plasmakonzentrationen von 1100 μg/L gemessen, während die Plasmakonzentration nach einer Retard-Tablette mit dem gleichen Wirkstoffgehalt nach 3,3 h 300 μg/L erreichten und für ungefähr 12 h konstant blieben. Die Verteilung der Substanz verläuft schnell, ähnliche Wirkstoffkonzentrationen wurden in Gehirn, Herz, Leber, Lunge, Nieren und Skelettmuskulatur gefunden. Pentoxifyllin und seine Metaboliten erscheinen relativ rasch nach ca. 2 h in der Muttermilch.
Anwendungsgebiete Pentoxifyllin ist als Monopräparat in Tablettenform in Dosen von 100, 400 und 600 mg und in Injektionszubereitungen mit 100 bzw. 300 mg erhältlich. Die Gesamttagesdosis beträgt 1200 mg. Die therapeutische Wirksamkeit bei peripheren Durchblutungsstörungen gilt als gesichert. In mehreren offenen Studien wurde ein gutes therapeutisches Ergebnis hauptsächlich im Hinblick auf die Gehstrecke bei 80% der Patienten dokumentiert. Auch bei diabetisch bedingten Gefäßkomplikationen wird eine Wirksamkeit von Pentoxifyllin diskutiert. Zerebrale, Innenohr- und okuläre Durchblutungsstörungen sind fragliche Indikationsgebiete für Pentoxifyllin.
Unerwünschte Wirkungen Gelegentlich können Kopfschmerz oder Schwindel auftreten, die in Einzelfällen ein Absetzen der Behandlung erfordern. In Einzelfällen wurde eine Thrombozytopenie festgestellt. Gastrointestinale Störungen (Magendruck, Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) wurden beschrieben. Sehr selten, vor allem nach höheren Dosen, treten Flush, Tachykardie, stenokardische Beschwerden oder Blutdruckabfall auf. Überempfindlichkeitsreaktionen. wie Juckreiz, Hautrötung, Urticaria oder angioneurotisches Ödem sind äußerst selten und in der Regel reversibel. Netzhautblutungen und - ablösungen können bei diabetischer Retinopathie auftreten.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Akute Blutungen, frischer Herzinfarkt und Überempfindlichkeit gegen Pentoxifyllin stellen Kontraindikationen dar. Treten großflächige Netzhautblutungen während der Behandlung auf, ist das Präparat abzusetzen. Pentoxifyllin soll nicht während der Schwangerschaft und bei diabetischer Mikroangiopathie (Netzhautblutungen) angewendet werden.
Perilymphfistel
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Wechselwirkungen
Dosierung/Anwendung
Die Wirkung von Antihypertensiva kann durch Pentoxifyllin verstärkt werden. Bei hochdosierter parenteraler Anwendung kann die blutzuckersenkende Wirkung von oralen Antidiabetika verstärkt werden.
Tag 1–2: 0,05 mg Pergolid. Tag 3–12: Tagesdosis alle drei Tage um 0,1 mg oder 0,15 mg erhöhen. Anschließend jeden dritten Tag um 0,25 mg erhöhen. Mittlere Tagesdosis 3 mg Pergolid. Verteilung auf 3 Einzeldosen. Bei abruptem Absetzen können Halluzinationen und Verwirrtheit ausgelöst werden, daher die Behandlung mit Parkotil ausschleichend beenden.
Perfusionsdruck, zerebraler Definition Differenz aus mittlerem arteriellen Druck und intrakraniellen Druck.
Grundlagen Der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) ist der Zielparameter bei der Behandlung von Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck (ICP). Er sollte möglichst über 70 mmHg liegen. Eine Steigerung des CPP kann sowohl über eine Erhöhung des arteriellen Mitteldruckes als auch über eine Senkung des ICP erreicht werden.
Pergolid
Unerwünschte Wirkungen Potenter als L-Dopa bezüglich dem Auslösen von psychiatrischen, gastrointestinalen oder kardialen Nebenwirkungen. Sehr selten: Pleuraoder Retroperitonealfibrose, Pleuraergüsse, Raynaud-Phänomen, Erythromelalgie. Ansonsten ähnlich wie L-Dopa.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Überempfindlichkeit gegenüber Ergotalkaloiden, koronare Herzerkrankung und arteriellen Verschlusskrankheiten, schwere psychische Störungen, unkontrollierte Hypertonie, Nierenund Lebererkrankungen (mangels Therapieerfahrung), Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sowie Blutungen im Magen-DarmTrakt, Schwangerschaft, Stillzeit.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Pergolid (Parkotil®).
Perilymphfistel
Wirkungen
Definition
In vielen kontrollierten Studien wurde in Kombination mit Dopa eine Verbesserung von Parkinson-Symptomen nachgewiesen. Dabei kam es zu Verlängerungen der On-Zeit und Verkürzung der Off-Zeit. Die Monotherapie kann die Dopa-Pflichtigkeit hinauszögern.
Diese Erkrankung ist durch eine Kurzschlussverbindung zwischen Mittelohr und Labyrinthorgan bedingt. Sie führt zu einem Menière ähnlichen Symptomkomplex.
Pharmakologische Daten
Es können Drehschwindelattacken mit fluktuierender Leitungsschwerhörigkeit und Tinnitus auftreten, wobei in der klinischen Untersuchung ein Spontannystagmus wechselnder Richtung, ein Lagerungsnystagmus bei Lagerung zum erkrankten Ohr und ein positives Tullio-Phänomen imponieren können. Ursachen einer Perilymphfistel sind meist traumatischer Genese (stumpfes Schädel-HirnTrauma, Barotrauma, ausgeprägte pressorische Manöver) bei möglicherweise kongenitaler Schwäche des Ligamentum anulare stapediale oder der runden Fenstermembran.
Anwendungsgebiete In der Monotherapie oder als Zusatzmedikation zur Levodopa- Behandlung deutliche Wirkung auf motorische Parkinson-Symptome. Initiale Monotherapie und frühe Kombinationstherapie zeigen eine deutlich verminderte Inzidenz von Spätkomplikationen.
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Potenter Dopaminagonist, der seine Wirkung hauptsächlich am D2-Rezeptor entfaltet; HWZ ca. 15 h.
Einleitung
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Perindopril
Diagnostik
Unerwünschte Wirkungen
Gelegentlich können in der MRT Lufteinschlüsse im Labyrinthorgan sichtbar gemacht werden.
Die unerwünschte Wirkungen von Perindopril entsprechen denen anderer nicht-SH-gruppenhaltiger CE-Hemmer (Enalapril). Am häufigsten werden folgende unerwünschten Wirkungen beobachtet: Schwindel, Müdigkeit, Husten, Störungen der Sexualfunktion, Hautausschlag.
Die Therapie der Wahl ist der operative Fistelverschluss.
Perindopril Gebräuchliche Fertigarzneimittel
„Periodic limb movements“ 3
Therapie
Restless-Legs-Syndrom
Coversum® Cor 2/4 mg Tbl., - Combi Tbl.
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Wirkungsverlauf Perindopril wird zu 75–85% schnell aus dem Darm resorbiert. Ein Drittel der resorbierten Menge wird in Perindoprilat umgewandelt (tmax für Perindoprilat 2–4 h). Damit liegt die Bioverfügbarkeit um 25%. Das VVol. ist gering (0,2 l/kg) und Perindoprilat wird nur wenig (um 15%) an Plasmaeiweiße gebunden. Nach i. v. Gabe werden 70% der Gesamtdosis in 5 Tagen im Urin wiedergefunden. Bei alten Menschen ist die Elimination verlangsamt.
Anwendungsgebiete Perindopril ist für die Behandlung leichter und mittelschwerer Formen der arteriellen Hypertonie zugelassen. Es ist in Dosen von 4–8 mg/d wirksam. Bei älteren Menschen sollte die Dosis wegen der verlangsamten Ausscheidung auf 2 mg/d reduziert werden. Ein Effekt in der Sekundärprophylaxe des Hirninfarktes ist belegt.
Periodische Paralyse Synonyme Episodische Paralyse
Definition Gruppe erworbener oder erblicher Erkrankungen mit ausgeprägten Lähmungsattacken, die durch eine gestörte Funktion von Kationenkanälen (insbesondere Natriumkanälen) oder durch Elektrolytstörungen bedingt sind.
Einleitung Bei der hyperkaliämischen episodischen Paralyse (Hyper-PP) ist durch längere Depolarisation (z. B. durch Kalium) die Inaktivierung defekter spannungsabhängiger Natriumkanäle gestört. Die hypokaliämische episodische Paralyse (Hypo-PP, Typ 1) geht auf einen Defekt des muskulären Kalziumkanals zurück. Bei der hypokaliämischen episodischen Paralyse (Typ 2) ist die Dichte spannungsabhängiger Natriumkanäle reduziert und die Inaktivierung vermehrt. Ob es sich bei der äußerst seltenen autosomaldominanten normokaliämischen Paralyse um eine einheitliche Erkrankung handelt ist ungeklärt. Periodische Lähmungen werden gelegentlich im Rahmen von Elektrolytstörungen bei endokrinen Krankheiten beobachtet. Dazu zählen insbesondere Hypokaliämie beim Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus) und bei der Thyreotoxikose. Eher selten sind hyperkaliämische Paralysen beim M. Addison. 3
Perindopril ist ein oral wirksamer Hemmer des Angiotensinconversionsenzyms (ACE). Perindopril selbst ist eine Vorläufersubstanz, die zu dem pharmakologisch aktiven Perindoprilat bioaktiviert wird. Perindoprilat wirkt durch Hemmung der Bildung von Angiotensin II ( Enalapril). Angiotensin II wirkt vasokonstriktorisch, verstärkt die synaptische Transmission im Sympathikus, wirkt zentral blutdrucksteigernd, fördert direkt die Natriumreabsorption in der Niere und stimuliert die Aldosteronsekretion in der Nebenniere. Durch Hemmung der Angiotensin II-Bildung wirkt Perindopril blutdrucksenkend.
3
Wirkungen
Peroxisomenerkrankungen
Serumelektrolyte, insbesondere Kalium in der Attacke und im Intervall, ggf. Mehrfachbestimmung. CK, Kreatinin, TSH, Kortisol basal, ggf. Aldosteron im 24 h Sammelurin. Ggf. Provokationstests (nicht bei manifester Elektrolytstörung!). EMG im Intervall und in der Attacke. HypoPP: In der vollständigen Lähmung elektrische Stille. Hyper-PP: Bei schwerer Lähmung wenige motorische Einheiten mit verlangsamter Frequenz. Ggf. Muskelbiopsie (vakuoläre Myopathie bei Hypo- und Hyper-PP).
Therapie Je nach Ursache der periodischen Paralyse: Bei Hypo-PP kohlenhydratreiche Mahlzeiten und körperliche Anstrengung meiden. Kalium oral (z. B. 2 Tbl. Kalinor-Brause® aufgelöst). Bei Hyper-PP häufige kleine, kohlenhydratreiche Mahlzeiten. Ggf. kaliumsenkende Diuretika oder Azetazolamid.
Perkussionsmyotonie Myotonie/myotone Syndrome, Perkussionsmyotonie
3
Perniziosa-Psychose Definition Organische Psychose bei Vitamin B12-Mangel ( Myelose, funikuläre). 3
Peroneuslähmung (Nervus peroneus) Nervus peroneus, Läsion
3
Peroxisomenerkrankungen Synonyme Peroxisomale Erkrankungen
Definition Peroxisomenerkrankungen sind autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankungen (Ausnahme: X-chromosomale Adrenoleukodystrophie), die durch Störungen des peroxismalen Proteintransports oder der peroxismalen Proteinverwertung mit der Folge generalisierter biochemischer Funktionsstörungen verursacht sind.
Einleitung Peroxisomen sind ubiquitär auftretene Organellen eukaryoter Zellen und in zahlreiche anabole und katabole Stoffwechselprozesse eingebunden, wobei die überlangkettigen Fettsäuren das Hauptsubstrat der in den Peroxisomen oxidierten Substanzen sind. Man unterscheidet zwischen den Zellweger-Syndromen und der rhizomelischen Chrondrodysplasia punctata, wobei ersteres das schwere zerebrohepatorenale Syndrom ( M. Zellweger), die neonatale Adrenoleukodystrophie, der infantile M. Refsum und einige mild verlaufende Varianten umfasst. 3
Diagnostik
995
Diagnostik Die Peroxisomenerkrankungen unterscheiden sich zwar in ihrem Phänotyp, führen aber überwiegend zu neurologischen Symptomen, so dass bei allen Erkrankungsformen die Kombination klinischer Symptome mit entsprechenden Veränderungen in der Elektrophysiologie (Neurographie, evozierte Potenziale) und der Bildgebung aufzufinden sind. Laborchemisch sind erhöhte überlangkettige Fettsäuren mit Erhöhung der C26:C22-Ratio im Serum wegweisend. Pränatale Diagnostik ist für mehrere der Erkrankungsformen durch molekulargenetische Testung möglich.
Therapie Bei Patienten mit einer Peroxisomenerkrankung treten zumeist während der fetalen Entwicklung Schäden auf, so dass eine spezifische Therapie nur bedingt erfolgversprechend ist. Eine diätetische Therapie des M. Refsum durch phytansäurefreie Diät und Plasmapherese ist im beschränkten Maße möglich. Während unkontrollierte Studien Symptomverbesserung nach Verabreichung von Olein- und Erucasäure (Lorenzos Öl) oder Docosahexanoidsäure (DHA) beschreiben, fehlen kontrollierte Studien [1].
P
3
996
Perseveration
Literatur 1. Raymond GV. Peroxisomal disorders. Curr Opin Pediatr 1999; 11:572–576
Definition Phakomatosen sind erbliche neurokutane Missbildungssyndrome, die mit Keimzellmutationen in Genen assoziiert sind, die für putative Tumorsuppressoren kodieren.
Perseveration Einleitung
3
3
3
Diagnostik Die Diagnostik der o.g. Erkrankungen bzw. der Erkrankungsmanifestationen werden unter den entsprechenden Stichworten besprochen ( Neurofibromatose Typ 1, Neurofibromatose Typ2, Hippel-Lindau-Syndrom, Gorlin-Goltz-Syndrom, Riesenzellastrozytom, Gangliozytom, Glioblastom, Medulloblastom). 3
3
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3
Therapie Die Therapie der o.g. Erkrankungen bzw. der Erkrankungsmanifestationen werden unter den entsprechenden Stichworten besprochen ( Neurofibromatose Typ 1, Neurofibromatose Typ2, Hippel-Lindau-Syndrom, Gorlin-Goltz-Syndrom, Riesenzellastrozytom, Gangliozytom, Glioblastom, Medulloblastom). 3
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Foramen ovale, persistierendes
3
Definition
3
3
3
Offenes Foramen ovale, patent foramen ovale, Foramen ovale persistens
3
Synonyme
3
PFO (persistierendes Foramen ovale)
3
Enzephalitis, Epstein-Barr-Virus-Enzephalitis
3
Pfeiffer-Drüsenfieber
3
Formen: * Motorische Perseveration: Repetetives Wiederholen einmal begonnener motorischer Aktionen, zwischen Aktion und ihrer Wiederholung liegt kein Intervall. * Perseveration von Aktionsschemata: Starres Beibehalten von Aktionen, die wechseln können und nach einem Intervall wiederkehren können. * Sprachliche Perseveration: Formstarre Wiederholung inhaltlich unangemessener, zuvor benutzter Wörter und Paraphrasien, die nach Intervallen wiederkehren können.
3
Einleitung
Dysgenetische Syndrome sind mit bestimmten Tumoren des peripheren und/oder zentralen Nervensystems verbunden, wie NeurofibroNeurofibromatose Typ2, matose Typ 1, Hippel-Lindau-Syndrom und GorlinGoltz-Syndrom. Ein pathognomonischer Tumor für die tuberöse Sklerose ist das subependymale Riesenzellastrozytom, für das Cowden Syndrom das dysplastische Gangliozytom des Zerebellums. Das sehr seltene autosomal-dominante Turcot-Syndrom ist durch das Auftreten von Glioblastomen oder Medulloblastomen in Assoziation mit einer familiären Polyposis coli oder mit einer herediteren nicht polypösen Form kolorektaler Tumoren gekennzeichnet. 3
Haftenbleiben an Vorstellungen bzw. beharrliches Wiederholen von Bewegungen oder Wörtern.
3
Definition
3
Phakomatose Synonyme
Pharynxmyoklonus
Dysgenetisches Syndrom, familiäres Tumorsyndrom
Myoklonus, Gaumensegelmyoklonus/-tremor
3
Phenobarbital
Phenazon Gebräuchliche Fertigarzneimittel Aequiton® Filmtbl.; Migräne-Kranit® Tbl.
Wirkungen Phenazon ist der erste rein synthetisch gewonnene Arzneistoff. Es zeigt deutliche analgetische und antipyretische, aber nur geringe antiphlogistische Wirkungen. Als Möglichkeiten eines zentralnervösen Wirkmechanismus werden eine Hemmung schmerzrelevanter Afferenzen im Rückenmark bzw. eine besondere Reduktion der Prostaglandinproduktion in bestimmten Hirnarealen vorgeschlagen. Aber auch eine funktionelle Normalisierung von plastischen Veränderungen der Nocisensoren im traumatisierten Gewebe durch Pyrazole wird behauptet.
Resorption Phenazon wird nach peroraler Gabe schnell und nahezu vollständig absorbiert; orale Bioverfügbarkeit in Abhängigkeit von der Galenik 95– 100%. Die Plasmaproteinbindung ist gering (<10%).
Elimination Die Elimination von Phenazon erfolgt metabolisch und ist vom Funktionszustand der Leber abhängig. Dementsprechend ist die Plasmahalbwertzeit variabel – im Mittel liegt sie zwischen 11 und 12 h. 90 bis fast 100% einer Einzeldosis von Phenazon werden als Metaboliten innerhalb von fünf Tagen im Harn gefunden.
Dosierung und Art der Anwendung Leichte bis mäßig starke Schmerzen sowie Fieber werden als Indikation für Phenazon angegeben. Die Einzeldosis beträgt bei Erwachsenen und Jugendlichen über 15 Jahren 500– 1000 mg p. o. (maximale Tagesgesamtdosis 4000 mg), bei Kindern von 7–15 Jahren 300 mg (maximale Tagesgesamtdosis 1200 mg).
Unerwünschte Wirkungen Im Vordergrund der unerwünschte Wirkungen stehen allergische Reaktionen (Haut und Schleimhäute betreffend). Einzelfälle von toxischer epidermaler Nekrolyse (Lyell-Syndrom) sind beschrieben worden. Wie für andere Pyrazole sind auch für Phenazon Schockreaktionen
997
und Agranulozytosen bekannt geworden; über ihre Inzidenz besteht allerdings Unklarheit. Bei akuter hepatischer Porphyrie und bei genetisch bedingtem Mangel an Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase (hämolytische Anämie) soll es zur Symptomverstärkung kommen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Phenazon ist absolut kontraindiziert bei Überempfindlichkeit gegen Pyrazolderivate und Phenylbutazon, genetisch bedingtem Glukose6-phosphat-Dehydrogenasemangel und akuter intermittierender Porphyrie. Die Anwendung von Phenazon bei Säuglingen und Kindern unter 7 Jahren ist aufgrund des unzureichenden Erkenntnisstandes nicht angezeigt. Eine Anwendung während der Schwangerschaft und der Stillzeit ist durch den Arzt sorgfältig abzuwägen. In den letzten sechs Wochen der Schwangerschaft darf Phenazon nicht eingenommen werden, da eine wehenhemmende Wirkung sowie eine erhöhte Blutungsneigung post partum nicht ausgeschlossen werden können.
Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Anwendung von Warfarin kann Phenazon zu einer verkürzten Thromboplastinzeit führen. Arzneistoffe, die das P 450System hemmen, z. B. Cimetidin, Propranolol, können eine verlängerte Halbwertzeit von Phenazon bedingen. Umgekehrt wird seine Halbwertzeit durch Induktoren des P 450-Systems, z. B. bestimmte Antiepileptika, Barbiturate, verkürzt. Die akute Toxizität von Phenazon ist als gering einzuschätzen. Bei Überdosierung muss vor allem mit zentralnervösen Störungen, z. B. epileptischen Krämpfen gerechnet werden. Die vitalen Funktionen können betroffen sein.
Phenobarbital Zubereitungen Tabletten, Injektionslösung zur i. v.- oder i. m.Applikation.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Lepinal® 100 Tabletten à 100 mg. Lepinaletten® Tabletten à 15 mg. Luminal® Tabletten à 100 mg.
P
Phenprocoumon
Luminal® Ampullen à 200 mg. Luminaletten® Tabletten à 15 mg. Phenaemal® Tabletten à 100 mg. Phenaemaletten® Tabletten à 15 mg. Maliasin® Tabletten à 100 mg (Barbexaclon 100 mg=Phenobarbital 60 mg +Propylhexedrin).
sche Polyfibromatose (Dupuytren-Kontraktur bis 30%, schmerzhafte Schultersteife bis 3%) sowie Osteopathia antiepileptica. Sehr selten hämatotoxische Nebenwirkungen (aplastische oder megaloblastische Anämie, Leuko- oder Panzytopenie). Zu beachten ist eine mögliche Provokation komplex-fokaler Anfälle und Absencen. Risiko teratogener Nebenwirkungen etwa im Bereich von Carbamazepin. 3
998
3
Wirkungen
3
Haupteffekt: GABA-erge Wirkung (erhöhte Chloridleitfähigkeit durch Interaktion mit dem GABAA-Rezptor). Zusätzlich Membranstabilisierung über die Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bekannte hepatische Porphyrie. Vorsicht bei vorbestehenden kognitiv-mnestischen Defiziten und Wesensänderungen.
Pharmakologische Daten
Wechselwirkungen
Bei oraler Gabe langsame, aber fast vollständige Resorption. Plasmaeiweißbindung ca. 40– 60%. Halbwertszeit bei Erwachsenen ca. 60– 140 h, bei Kindern ca. 30–50 h; Steady State (Erwachsene) nach 2–3 Wochen. Hepatische Metabolisierung, stark leberenzyminduzierende Wirkung.
Mögliches Absinken des Phenobarbitalspiegels durch Zugabe von Carbamazepin, Phenytoin, Rifampicin, Vitamin B6, Acetazolamid und Theophyllin. Anstieg von Phenobarbital u. a. durch Valproinsäure, Felbamat, Ethosuximid, Miconazol, Isoniazid, Clomipramin und Cimetidin. Als Enzyminduktor Erniedrigung der Serumspiegel von Felbamat, Lamotrigin, Topiramat, Carbamazepin, Valproinsäure, trizyklischer Antidepressiva, Digitalisglykosiden, hormoneller Kontrazeptiva, Phenprocoumon und Theophyllin. 3
3
3
3
Fokale und generalisierte Epilepsien. Aufgrund stark sedierender und negativ psychotroper Effekte zunehmend Medikament der 2. Wahl, Einsatz vorwiegend bei ansonsten therapierefraktären generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Injektionslösung, Status epilepticus, Grand-mal-Status.
3
Anwendungsgebiete
Bewertung Stark wirksames Antiepileptikum mit breitem Wirkungsspektrum, aber aufgrund sedierender und negativ psychotroper Effekte abnehmende Bedeutung in der Langzeittherapie.
3
3
3
3
3
Dosierung/Anwendung Bei Langzeitbehandlung Entzugsanfälle.
Phenprocoumon
Unerwünschte Wirkungen
Zubereitungen Tabletten, Filmtabletten à 3 mg Wirkstoff.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Marcumar® Tabletten, Phenprocoumon-ratiopharm® Tabletten, Falithrom® Filmtabletten.
Wirkungen *
Phenprocoumon gehört zur Gruppe der Cumarine. Bewirkt die Synthesehemmung der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X durch Ausbildung funktionsuntüchtiger Gerinnungsproteine. 3
Sehr selten Hauterscheinungen, z. B. morbilliformes Exanthem. Häufig stark sedativer Effekt, der bei einem Teil der Fälle infolge zentraler Adaptation innerhalb einiger Wochen wieder verschwindet. Weitere zentralnervöse Nebenwirkungen sind Ataxie, Dysarthrie, Diplopie, anterograde Amnesie, Schwindel, Kopfschmerzen und depressive Verstimmung. Insbesondere bei Kindern und älteren Patienten werden auch paradoxe Reaktionen mit Unruhe, Aggressivität und Verwirrtheit beobachtet. Bei Therapiebeginn können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Selten Leberfunktionsstörungen bis hin zu Lebernekrosen und Porphyrie. Nach langjähriger Behandlung medikamentenspezifi-
*
Phenylketonurie * *
Dadurch wird die Aktivierung des Prothrombinkomplexes blockiert. Gerinnungshemmmung nur in vivo.
*
Übliches Aufsättigungregime: Tag 3 Tabl., Tag 2: 2 Tabl., Tag 3: 1 Tabl.
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1:
Unerwünschte Wirkungen Pharmakologische Daten * *
*
* *
Gute enterale Resorption nach oraler Gabe. Verzögerter Wirkungseintritt, da bei Therapiebeginn noch funktionstüchtige Vitamin K-abhängige Gerinnungsfaktoren vorhanden sind. Hohe Eiweißbindung, Verdrängung aus der Eiweißbindung führt rasch zu einer verstärkten Wirksamkeit. Hepatische Metabolisierung, renale Elimination der Metaboliten. Halbwertszeit: Etwa 7 Tage.
Anwendungsgebiete *
*
Primär- und Sekundärprophylaxe kardialer Embolien (insbesondere bei Vorhofflimmern und mechanischem Klappenersatz). Primär- und Sekundärprophylaxe thrombotischer und thrombembolischer Ereignisse bei Hyperkoagulabilitätssysndromen ( Hyperkoagulabilität). Sekundärprophylaxe nach tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien. Neurovaskulär: Intrakranielle Stenosen, Basilarisstenose, Dissektion der extrakraniellen Hirngefäße. 3
* *
Blutungen als Hauptkomplikation (intrakraniell, gastrointestinal, urogenital). Das Blutungsrisiko steigt mit zunehmender INR bzw. fallendem Quickwert. Seltener: Haarausfall, Cumarinnekrosen im subkutanen Fettgewebe.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung *
* *
* * * * * *
Wechselwirkungen *
Dosierung/Anwendung * * *
*
*
Nur orale Gabe möglich. Therapiekontrolle durch Messung von INR (und Quick). Die zur Standardisierung eingeführte INR (international normalized ratio) ist eine laborunabhängige Messgröße und erlaubt im Gegensatz zum Quickwert die Vergleichbarkeit von Messwerten aus unterschiedlichen Laboratorien. Je nach Indikation werden unterschiedliche INR-Werte angestrebt, man spricht von: – „high dose“-Antikoagulation bei einer INR zwischen 3,0 und 4,5 (Quick ca. 24% bis 15%). – „low dose“-Antikoagulation bei einer INR zwischen 1,5 und 2,5 (Quick ca. 45% bis 29%). Zu Beginn zur Therapiekontrolle tägliche Überprüfung von INR (und Quick), Reduktion der Kontrollen je nach Compliance des Patienten und Einstellbarkeit.
Plazenta- und muttermilchgängig, teratogen: kontraindiziert während Schwangerschaft und Stillzeit. Erhöhte Blutungsneigung (z. B. bei Leberinsuffizienz, Thrombozytopenien, u. v. m.) Perioperative Phase (insbesondere Eingriffe am ZNS): Hier wird häufig passager auf die besser steuerbare intravenöse Antikoagulation mit Heparin umgestellt. Diabetische Retinopathie. Gastrointestinale Ulzera. Unkontrollierte arterielle Hypertonie. Aneurysmen. Mangelnde Compliance. Erhöhte Sturzneigung.
*
*
Beeinflussung der Phenprocoumonwirkung durch Vitamin K-reiche Ernährung (z. B. Spinat und Kohlgemüse). Antagonisierung durch Gabe von Vitamin K (Konakion® oral oder intravenös), bei lebensbedrohlichen Blutung Gabe von Gerinnungsfaktoren. Wirkungsverstärkung/Wirkungsabschwächung durch andere Medikamente.
Bewertung Die korrekte Indikationsstellung sowie die Abschätzung der Compliance des Patienten und des Blutungsrisikos sind unerlässlich zur Vermeidung von Komplikationen.
Phenylketonurie Synonyme Fölling-Krankheit, Oligophrenie
Phenylbenztraubensäure-
P
1000
Phenytoin
Definition
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Autosomal-rezessive Stoffwechselerkrankung, bei der es infolge eines Phenylalaninhydroxylase-Mangels zu vermehrter Bildung von Phenylbenztraubensäure und anderer Metaboliten kommt und unbehandelt zu psychomotorischer Retardierung führt.
Phenylalaninarme Ernährung und Aminosäuresubstitution evtl. lebenslang. Im Alter von 8–10 Jahren ist der Übergang zu einer normalen, jedoch eiweißbeschränkten Kost vertretbar.
Einleitung
Phenytoin
Häufigkeit dieser erblichen Stoffwechselerkrankung in der Bundesrepublik Deutschland beträgt 1:10.000. Infolge des Phenylalaninhydroxylase-Mangels kommt zu einer Störung des Umbaus von Phenylalanin zu Tyrosin mit konsekutivem Anstieg von Phenylbenztraubensäure und anderer Metaboliten, die im Harn ausgeschieden werden (mäuseartiger Geruch). Ohne Behandlung kommt es zu einer Entwicklungsstörung mit psychomotorischer Retardierung, Krampfanfällen, Mikrozephalus, Pigmentarmut, Neigung zu Ekzemen. Milde Verläufe können vorkommen. 3
3
Diagnostik Neugeborenen-Screening mit Guthrie-Test am 4.–6. Lebenstag. Pränatal-Diagnostik ist in der Regel möglich.
Therapie Phenylalaninarme Ernährung und Aminosäuresubstitution evtl. lebenslang.
Nachsorge Kontrolle der Phenylalaninkonzentration im Blut (<6 mg/dl). Frauen mit Phenylketonurie sollten besonders im fertilen Alter die Diät zur Verhinderung einer Phenylalanin-Embryopathie einhalten. Präkonzeptionelle Einstellung der Phenylalaninkonzentration auf <4 mg/dl.
Prognose Das Ausmaß der Hirnschädigung hängt mit der Höhe des Phenylalaninspiegels zusammen. Je früher die diätetischen Maßnahmen begonnen werden, umso erfolgversprechender sind sie. Bei Behandlungsbeginn innerhalb der ersten 2 Lebensmonate erfolgt eine regelrechte Entwicklung, jenseits des 3.–5. Lebensjahres ist der Intelligenzdefekt nicht mehr positiv zu beinflussen.
Synonyme Diphenylhydantoin
Zubereitungen Tabletten zur oralen Verabreichung, Injektionslösung und Infusionskonzentrat zur intravenösen Applikation.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Phenhydan® Tabletten à 100 mg. Zentropil® Tabletten à 100 mg. Epanutin® Suspension (5 ml=30 mg). Phenhydan® Ampullen à 5 ml (=250 mg). Phenhydan® Infusionskonzentrat 50 ml (=750 mg).
Wirkungen Der Hauptwirkmechanismus von Phenytoin ist die Membranstabilisierung, die über die Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle vermittelt wird. Daneben sind auch eine Verminderung des Kalziumeinstroms sowie modulierende Einflüsse auf die Freisetzung von Neurotransmittern (GABA, Glutamatat) beschrieben.
Pharmakologische Daten Oral verabreichtes Phenytoin wird zu fast 90%, jedoch langsam (über ca. 24 h) resorbiert und hepatisch metabolisiert. Klinisch bedeutsam ist die nichtlineare Pharmakokinetik bei steigender Plasmakonzentration, die bei der Aufdosierung berücksichtigt werden muss. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei Erwachsenen zwischen 20 und 40 h (Steady State nach 7–28 d). Die Eiweißbindung ist mit 70–96% hoch, wobei verschiedene Medikamente, insbesondere auch Antiepileptika, zu teilweise beträchtlichen Anstiegen der freien Konzentration und somit vermehrten Nebenwirkungen (bei unverändertem Gesamtserumspiegel!) führen können.
Phenytoin
Wechselwirkungen Durch die enzyminduzierende Wirkung führt Phenytoin zum beschleunigten Abbau zahlreicher Medikamente, (insbesondere auch anderer Antiepileptika), z. B. von Carbamazepin, Felbamat, Lamotrigin, Tiagabin, Topiramat, Valproinsäure, Amiodaron, Kalziumantagonisten, Digitalisglykosiden, Folsäure, Kontrazeptiva, Mexiletin, Phenprocoumon, Propanolol, Theophyllin. Eine Zunahme des Phenytoinspiegels bewirken z. B. Felbamat, Topiramat, Allopurinol, Amiodaron, verschiedene Antibiotika (insbesondere Isoniazid, Sulfonamide, Trimethoprim), Cimetidin, Disulfiram, Fluoxetin, Ibuprofen, Nifedipin, Ticlopidin, Tizanidin Trazodon, Viloxazin. 3
3
3
3
3
3
Allergische Hautreaktionen in Form von Exanthemen (u. U. mit Fieber, Lymphknotenschwellung, Eosinophilie) können in den ersten Behandlungswochen bei 5–10% der Patienten auftreten; als schwere Komplikation sind StevensJohnson- oder Lyell-Syndrome beschrieben. Dosisabhängige neurotoxische Nebenwirkun-
Bekannte hepatische Porphyrie. Vorbestehende schwere Schädigungen der Blutzellen und des Knochenmarks. Die i. v.-Gabe ist bei AV-Block und Z. n. Myokardinfarkt vor ≤3 Monaten kontraindiziert. Phenytoin kann zur Verschlechterung einer Myasthenie führen.
3
3
Unerwünschte Wirkungen
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
3
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Die Aufdosierung erfolgt bei Erwachsenen zunächst in Schritten von 100 mg jeden 2. bis 3. Tag (als Zweimalgabe/d, ggf. auch nur als Einmalgabe/d), wobei die endgültige Dosis in der Regel bei 4–5 mg/kg Körpergewicht liegt. Angesichts der nichtlinearen Kinetik muss in höheren Dosisbereichen (ab 300 mg/d bzw. Serumspiegel >15 μg/ml.) langsam in 25 mgSchritten und unter Kontrolle von Nebenwirkungen und Serumspiegeln weiter erhöht werden, da bereits geringe Dosiserhöhungen zu erheblichen Anstiegen der Serumkonzentration führen können. Ist bei Neueinstellung angesichts hoher Anfallsfrequenz eine rasche Wirkung erforderlich, kann eine Boosterung in Form von 250 mg i. v. oder 200–300 mg oral durchgeführt werden. Zur Therapie des Status epilepticus mit Phenytoin-Infusionskonzentraten, Status epilepticus.
3
3
Dosierung/Anwendung
3
1. Epilepsiebehandlung: Phenytoin stellt ein stark wirksames Medikament für die Mono- und Kombinationstherapie fokaler Epilepsien dar. Weiterhin ist auch die Wirksamkeit gegen primär generalisierte tonisch-klonische Anfälle belegt. In seiner parenteralen Applikationsform ist es in der Stufentherapie des Status epilepticus von Bedeutung. Unwirksam ist es bei Blitz-Nick-SalaamAnfällen, Absencen und bei myoklonischen Anfällen vom Impulsiv-Petit-MalTyp. Bei diesen Anfallsarten kann unter Phenytoingabe sogar eine Verschlechterung eintreten. 2. Trigeminusneuralgie: Die Wertigkeit von Phenytoin zur Behandlung der Trigeminusneuralgie ist etwa vergleichbar mit der von Carbamazepin. Die Dosierung erfolgt entsprechend dem Einsatz als Antiepileptikum.
gen sind Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel, Doppelbilder, Gleichgewichtsstörungen, verwaschenes Sprechen und Übelkeit; objektivierbare Symptome einer Überdosierung sind psychomotorische Verlangsamung, Blickrichtungsnystagmus und Gangataxie. Selten sind choreatische oder dystone Dyskinesien, Myoklonien und exogene, „toxische“ Psychosen mit paranoider oder deliranter Symptomatik. Die Entstehung einer Kleinhirnatrophie mit zerebellarer Symptomatik wird kontrovers diskutiert, bei langdauernder Überdosierung aber für möglich erachtet. Unter Langzeittherapie wurde über sensible Polyneuropathien berichtet. Selten werden dosisunabhängige hämatotoxische Nebenwirkungen (Leuko- bzw. Granulozytopenie, megaloblastische Anämien) beobachtet. Durch eine Zunahme von Fibroblasten und des Bindegewebes entwickeln bis zu 40% der Patienten eine Gingivahyperplasie, zusätzlich kann eine Vergröberung der Gesichtszüge auftreten. Hypertrichose und fleckige Hyperpigmentierung können insbesondere bei Frauen zu kosmetischen Problemen führen. Bei ca. 30% der Patienten finden sich Laborveränderungen, die auf eine Osteopathia antiepileptica hinweisen (erhöhte alkalische Phosphatase, erniedrigte Vitamin D-Spiegel).
3
Anwendungsgebiete
1001
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1002
Phlebothrombose
Bewertung
*
Phenytoin ist ein sehr effektives Standardantiepileptikum zur Behandlung fokaler Epilepsien mit Stärken insbesondere in der Akuttherapie ( Status epilepticus). Wegen seines ungünstigen Nebenwirkungsprofils, vielfacher Interaktionen und seiner nichtlinearen Sättigungskinetik wird Phenytoin in der Langzeitbehandlung allerdings mittlerweile vielfach als Antiepileptikum der zweiten Wahl erachtet. 3
Phlebothrombose Synonyme
Postthrombotisches Syndrom: Trophische Hautveränderungen, Ulzera.
Klinik der Beinvenenthrombose: * Lokal: Schmerz, Schwellung, Überwärmung, charakteristisch schmerzhafte Druckpunkte. * Systemisch: Fieber, Leukozytose. Klink der Lungenembolie: * Angst, Unruhe. * Husten, Dyspnoe, Tachypnoe, schmerz. * Tachkardie, Synkope, Schock. * Oft schubförmiger Verlauf.
Brust-
Paradoxe Embolien: * Durch ein persistierendes Foramen ovale (PFO) kann es zum Übertritt von im venösen System entstandenen Thromben in das arterielle System unter Umgehung des Lungenkreislaufs kommen, was schließlich auch zu zerebralen Ischämien führen kann. * Jedoch ist bei nur etwa 10–20% der Patienten mit offenem Foramen ovale und Schlaganfall gleichzeitig eine tiefe Beinvenenthrombose nachweisbar (kausaler Zusammenhang daher umstritten). 3
Venenthrombose
Definition Unter Phlebothrombose versteht man meist eine Thrombose der tiefen Beinvenen mit dem Risiko einer Lungenembolie.
Einleitung Venenthrombosen können sowohl die Ursache eines Schlaganfall sein (selten), als auch komplizierend nach einem Schlaganfall auftreten (häufig). Ätiologie: * Zirkulationsstörungen: Immbolisation z. B. nach einem Schlaganfall, Abknicken von größeren Venen durch sitzende Zwangshaltung (Flugzeugtthrombose). * Gerinnungsstörungen (Mangel an Gerinnunginhibitoren z. B. AT III-Mangel bzw. Protein C/S, Mangel, Störungen der Fibrinolyse). * Erhöhte Blutviskosität (Polyglobulie, Exsikkose). * Exogene Faktoren: Nikotin, orale Kontrazeption. * Paraneoplastisch. 3
3
Lokalisation: 90% im Bereich der unteren, 10% im Bereich der oberen Hohlvene. Komplikationen: * Embolien: Lungenembolien (bis zu 10% aller Patienten mit tiefen Beinvenenthrombosen). Selten: Paradoxe Embolien bei offenem Foramen ovale, Vorhofseptumdefekt oder pulmonalen Rechts-Links-Shunts.
Diagnostik * * *
Charakteristische Klinik. Beinvenendoppler-/Duplexsonographie. Phlebographie: Direkter Thrombusnachweis, sicherstes Verfahren.
Therapie Therapieziele: * Auflösung des Thrombus. * Verhinderung von Komplikationen, insbesondere Lungenembolien. Allgemeinmaßnahmen: * Hochlagern. * Bei Unterschenkelthrombose: Kompressionsverband. * Stuhlregulation. * Die Notwendigkeit einer längeren Bettruhe ist zunehmend umstritten. Spezifische Maßnahmen: * Intravenöse PTT-wirksame Heparinisierung in der Akutphase, im Anschluss daran Rezidivprophylaxe durch orale Antikoagulation
3
Phobie, phobische Störung, Phonophobie
Prophylaxe: * Rasche Mobilisation auch in der Akutphase eines Schlaganfalls, ggf. Thromboseprophylaxe durch niedermolekulare Heparingabe. * Absetzen thrombosefördernder Medikamente. * Antikoagulation. * Implantation eines Cava-Schirmchens (in Einzelfällen bei rezidivierenden Lungenembolien trotz Antikoagulation).
Therapie Bei allen phobischen Störungen sind in erster Linie die kognitive Verhaltenstherapie und das Expositionstraining indiziert. Bei nicht befriedigender Behandlung sollte auf SSRI und Imipramin zurückgegriffen werden. Bei sozialen Phobien werden eher MAOH, für isolierte Phobien auch β-Blocker empfohlen. Wichtig ist die langsame Aufdosierung und wegen des Abhängigkeitspotenzials nur kurzfristige Gabe von Benzodiazepinen. Agoraphobie Phobischer Attackenschwindel 3
*
3
*
troffen. Der Erkrankungsbeginn liegt meist vor dem 20. Lebensjahr.
3
für ca. 6 Monate (bei zugrunde liegenden Gerinnungsstörungen ggf. lebenslang). Alternativ: Körpergewichtsadaptierte subkutane Gabe von niedermolekularem Heparin. In Einzelfällen: Thrombektomie mittels Katheter.
1003
Bewertung Häufige Komplikation in der Postakutphase eines Schlaganfalls (Immobilisationsthrombose der paretischen Körperhälfte). Seltene Ursache bei sog. kryptischen Schlaganfällen und persistierendem Foramen ovale.
*
Prognose Bei rechtzeitiger Diagnostik und Therapie meist gut.
Phobie, phobische Störung, Hydrophobie Definition Die Hydrophobie bezeichnet eine unangemessene Furcht vor Wasser (isolierte Phobie). 3
*
Einleitung Siehe Phobie.
Therapie Siehe Phobie.
Phobie, phobische Störung Definition Bei Patienten mit einer phobischen Störung wird durch bestimmte, meist ungefährliche Situationen oder Objekte eine unangemessen Furcht provoziert, wobei die auslösenden Stimuli meist außerhalb der betroffenen Person liegen und typischerweise gemieden oder voller Angst ertragen werden.
P Phobie, phobische Störung, Klaustrophobie Definition Klaustrophobie bezeichnet die Angst vor zu engen Räumen.
Therapie Siehe Phobie.
Einleitung Man unterscheidet die Agoraphobie, die soziale Phobie, und die isolierten Phobien (z. B. Hydrophobie ( Phobie, phobische Störung, Hydrophobie), Klaustrophobie ( Phobie, phobische Störung, Klaustrophobie), Phonophobie ( Phobie, phobische Störung, Phonophobie) oder Photophobie ( Phobie, phobische Störung, Photophobie)). Es sind doppelt so viel Frauen wie Männer be3
3
Phobie, phobische Störung, Phonophobie Definition 3
Die Phonophobie ist eine isolierte Geräuschen und Lauten.
Phobie vor
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3
3
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Phobie, phobische Störung, Photophobie
Therapie 3
Siehe Phobie.
Migräne
Phobie, phobische Störung, Photophobie
Phosphofruktokinase zusätzlich in Position 1 phosphoryliert. Der Enzymdefekt führt zur Anhäufung von Glukose- und Fruktose-6-Phosphat. Wohl reaktiv sind die Glykogensynthese und Glykogenspeicherung vermehrt. Die Erkrankung ähnelt in jeder Beziehung stark dem Muskelphosphorylase-Mangel ( Muskelphosphorylase-Mangel, Glykogenose Typ V). Zusätzlich besteht eine Neigung zur hämolytischen Anämie. Im Muskel findet sich ein völliger oder doch hochgradiger Enzymmangel, während in Erythrozyten die Enzymaktivität nur zur Hälfte vermindert ist. Es sind 3 verschiedene Isoformen des Enzyms bekannt mit bevorzugtem Vorkommen im Muskel (M), in der Leber (L) und in Blutplättchen (P). Die CK ist meist erhöht. Der Ischämietest zeigt einen unzureichenden Laktatanstieg bei überproportionalem Ammoniakanstieg. Das EMG zeigt einen normalen Befund (50%) oder myopathische Veränderungen. Die Muskelbiopsie zeigt häufig nur geringe Veränderungen in Routinefärbungen. Z. T. lassen sich subsarkolemmale Vakuolen mit Glykogenspeicherung nachweisen (PAS-positive Reaktion). Die Aktivität der Phosphofruktokinase im Muskel fehlt oder ist stark vermindert. 3
Definition 3
Eine Photophobie ist eine isolierte Licht und Helligkeit.
Phobie vor
Therapie 3
Siehe Phobie.
Migräne
Phobie, phobische Störung, soziale Definition Eine soziale Phobie bezeichnet eine unangemessene Furcht vor der prüfenden Beurteilung durch andere Menschen. 3
Therapie Siehe Phobie.
Diagnostik
Phosphofruktokinase-Mangel, Glykogenose Typ VII Synonyme Tarui-Syndrom
Definition Seltene Glykogenspeicherkrankheit, die durch Mangel an Muskelphosphofruktokinase charakterisiert ist.
Einleitung Autosomal-rezessiver Gendefekt auf Chromosom 1cenq32. Die Erkrankung wurde bei Japanern, askenasischen Juden und verschiedenen europäischen Patienten identifiziert. Die Muskelphosphofruktokinase ist ein Schrittmacherenzym des Embden-Meyerhof-Abbauweges und insofern rechnet die Störung auch zu den Erkrankungen mit Defekt der Glykolyse. Glukose wird über die Hexokinase phosphoryliert, durch die Glukosephosphatisomerase in Fruktose-6-Phosphat umgewandelt und von der
Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, Laktat-Ischämie-Test, Elektromyographie und Muskelbiopsie. Untersuchung der Phosphofruktokinase im Muskel.
Therapie Vermeiden abrupter bzw. vermehrter körperlicher Belastung. Vermeiden von Alkoholexzessen.
Phosphorylasekinase-(Phk-) Mangel Definition Mutationen in 2 verschiedenen Genen der Phosphorylasekinase-Untereinheiten (Gene: PHKA2, PHKG2) können eine isolierte Glykogenspeicherkrankheit der Leber verursachen. Mutationen im Gen PKHB führen zur Glykogenspeicherung in Leber und Muskel und Mutationen im PKHA1-Gen führen zur Glykogen-
Photokonvulsive/photomyoklonische Reaktion
speicherung im Muskel. Daneben gibt es eine kardiale Isoform, deren Mutation zur Kardiomyopathie führt.
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„Photic driving“ Synonyme Rhythmische Folgereaktion auf Photostimulation
Definition Physiologische, okzipital betonte, seitensymmetrische, rhythmische EEG-Aktivität unter Photostimulation, Auftreten zeitlich streng korreliert mit den Lichtreizen. Ankopplung häufig auf bestimmte Frequenzbereiche (vorwiegend 8–12/s) beschränkt, kann aber auch in einem weiteren Frequenzspektrum auftreten. In der Regel 1:1-Beziehung zu den Lichtreizen, die EEG-Wellen können aber auch ein harmonisches (2:1) oder subharmonisches (1:2) Vielfaches davon annehmen. Folgereaktionen bei niedriger Reizfrequenz entsprechen einzelnen VEP (visuell evozierten Potentialen), rhythmische Wellen bei höheren Frequenzen sog. Steady-State-VEP.
Photokonvulsive/photomyoklonische Reaktion Synonyme Photoparoxysmale/photomyogene Reaktion
Definition
P
1. Photokonvulsive Reaktion: Durch Photostimulation ausgelöste, reizüberdauernde, sich selbst unterhaltende, meist generalisierte, seltener fokale epilepsietypische Spitzenpotentiale im EEG. Meist subklinisch, z. T. verbunden mit der Auslösung von myoklonischen oder tonisch-klonischen Anfällen, Absencen, seltener auch visuellen oder komplex-fokalen Anfällen. 2. Photomyoklonische Reaktion: Durch Photostimulation ausgelöste, reizkorrelierte muskuläre Reaktion (retinopalpebrale Reflexaktivität). Im EEG frontale Muskelpotentiale. Verbunden mit Myoklonien der Lider bzw. der periorbitalen Muskulatur, gelegentlich mit Ausbreitung auf die Körpermuskulatur. Auftreten bei ca. 1% aller Menschen, keine Verbindung zu Photosensibilität oder Epilepsie. 3
Die Phosphorylase-Kinase ist das Enzym, das die Phosphorylase aktiviert. Es gibt 4 Isoformen (α, β, γ, δ). Die α-Isoform wird von 2 Genen kodiert und wird gewebespezifisch exprimiert (α-Muskel und α Leber). Ebenso gibt es bei der γ-Isoform eine γ-Muskel- und eine γ-Testis-Isoform. Die δ-Isoform entspricht Calmodulin mit 3 Isoformen. Zusätzliche Isoenzym-Heterogenität entsteht durch differentielles mRNS-splicing der α-M, α-L und β-Untereinheiten. Fehlt das Enzym in der Leber, gleicht die Erkrankung dem Leberphosphorylase-Mangel (Glykogenose Typ VI, Hers’sche Krankheit). Für die Neurologie spielen die Erkrankungen mit Muskelbeteiligung die größere Rolle, auch wenn die X-chromosomale Leberglykogenose zu den häufigsten Glykogenosen zählt. Immerhin können bei der X-chromosomalen Leberglykogenose gelegentlich kognitive Einbußen, Dysarthrie, Krampfanfälle oder Polyneuropathie beobachtet werden. Fehlen der Phosphorylasekinase im Muskel durch Mutationen der α-M-Untereinheit führt zu einem Krankheitsbild, das dem Muskelphosphorylase-Mangel (McArdle-Syndrom) gleicht. Die Erkrankung manifestiert sich konnatal oder im Erwachsenenalter. Konnatal zeigen sich Muskelhypotonie (floppy infant) und Ateminsuffizienz mit schlechter Prognose. Im Erwachsenenalter entspricht die autosomal-rezessiv erbliche Krankheit der Glykogenose Typ V. Belastungsintoleranz, Krampi, rezidivierende Myoglobinurien stehen im Vordergrund.
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Einleitung
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Therapie Symptomatisch. Vermeiden abrupter bzw. vermehrter körperlicher Belastung.
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Klinische Untersuchung, CK, Laktat-IschämieTest, EMG, Muskelbiopsie, Immunhistochemie an Gewebeschnitten und biochemische Diagnostik am Gewebe.
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Diagnostik
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Photosensibilität
Photosensibilität
PICA (Arteria cerebelli inferior posterior), Makroangiopathie
Definition Sammelbegriff für altersabhängige Reaktion auf intermittierende Lichtreizung, photokonvulsive/photomyoklonische Reaktion.
Definition
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Grundlagen Auftreten photosensibler Reaktionen häufiger im Kindes- als im Erwachsenenalter. Genetische Prädisposition. Häufigkeit bei hirngesunden Kindern ca. 8%, bei Epilepsiepatienten. ca. 10–20%, abhängig vom Epilepsiesyndrom. Nachweis durch intermittierende Lichtreizung (Photostimulation) während der EEG-Ableitung, wobei im Frequenzbereich von 14–20/s ca. 90% der photosensiblen Patienten erfasst werden.
Phytansäure Refsum-Erkrankung
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PICA (Arteria cerebelli inferior posterior) Synonyme A. cerebelli inferior posterior, posterior inferior cerebellar artery (PICA)
Definition Die A. cerebelli inferior posterior ist ein Ast der A. vertebralis, die ihrerseits aus der A. subclavia abgeht. In Ausnahmefällen enspringt sie aus der A. basilaris.
Grundlagen Das Versorgungsgebiet der A. cerebelli inferior posterior umfasst die dorsolaterale Medulla oblongata, den Plexus choroideus des IV. Ventrikels und über einen lateralen und einen medialen Ast den unteren Teil des Kleinhirnwurms und der Kleinhirnhemisphären. Bei einem Verschluss dieses Gefäßes (arteriosklerotisch, nach Dissektion der A.vertebralis oder häufig auch embolisch) kommt es zu einem charakteristischen klinischen Syndrom, dem Wallenberg-Syndrom.
Durch einen Verschluss der A. cerebelli inferior posterior kommt es ipsilateral zu einer Ischämie im Bereich der dorsolateralen Medulla oblongata und der basalen Anteile des Kleinhirnwurms und der Kleinhirnhemisphären.
Einleitung Ätiologie: Verschlüsse der A. cerebelli inferior posterior können entstehen durch: * Arterioarterielle Embolien aus arteriosklerotischen Veränderungen des vertebrobasilären Gefäßsystems. * Kardiale Embolien. * Intrakranielle Dissektionen der A. vertebralis. * Lokale arteriosklerotische Veränderungen. Klinik: * Klassischerweise kommt es durch einen Verschluss der PICA zur Infarzierung dorsobasaler Kleinhirnanteile mit charakteristischen klinischen Symptomen: Drehschwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, horizontaler Nystagmus, Hemiataxie. * In 20–30% der Fälle führt ein PICA-Infarkt neben der Kleinhirnischämie auch zur Infarzierung lateraler Medulla-oblongata-Anteile: Wallenberg-Sydrom (Dorsolaterales Medulla-oblongata-Syndrom): * Ipsilateral: Horner-Syndrom, Hemihypästhesie des Gesichts, Gaumensegelund Stimmbandparese, Hemiataxie. * Kontralateral: Dissoziierte Empfindungsstörung der kontralateralen Körperhälfte. * Zusätzlich: Drehschwindel, Blickrichtungsnystagmus zur Gegenseite.
Diagnostik * *
Charakteristisches klinisches Syndrom. Bildgebung: – Computertomographie (Medulla-oblongata-Infarkt meist nicht darstellbar). – Kernspintomographie (der Computertomographie deutlich überlegen aufgrund besserer Darstellbarkeit der Strukturen der hinteren Schädelgrube).
3
Pilzinfektionen des ZNS
Therapie
Pilzinfektionen des ZNS
Wallenberg-Syndrom, Hirninfarkt. Akutphase: – Intravenöse PTT-wirksame Heparinisierung, Ziel-PTT 50–60 Sekunden (1,5– 2faches der Norm). – Engmaschige Überwachung der Vigilanz und Pupillomotorik (Einklemmungsgefahr durch raumfordernden Kleinhirnfarkt), insbesondere in den ersten 3–7 Tagen. – Engmaschige Überwachung der Kreislaufparameter (Blutdruck, Herzfrequenz), um die häufig auftretenden vegetativen Dysregulationen (Tachy-/Bradykardie) rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Langzeittherapie/Sekundärprophylaxe: Abhängig von der Ätiologie des PICA-Infarktes: – Dissektion: Orale Antikoagulation für etwa 6 Monate (kontrollierte klinische Studien fehlen). – Arteriosklerotisch bedingt: Thrombozytenaggregationshemmer, ggf in Kombination mit Statinen.
Einleitung Pilzinfektionen des ZNS treten besonders bei Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten (z. B. Malignome, AIDS), aber auch bei Diabetes mellitus oder nach Langzeitbehandlung mit Kortikosteroiden, Antibiotika und Zytostatika oder nach Behandlung mit Immunsuppressiva auf. Bei Befall des ZNS kommt es zur basalen Meningitis und zu Meningoenzephalitiden und kann zur Bildung von Granulomen, Abszessen oder Zysten führen. Spezifische neurologische Symptome bestehen nicht, das Krankheitsbild hängt vom Ausmaß und der Lokalisation des Pilzbefalls ab. Die ZNS-Infektion erfolgt meist hämatogen oder seltener durch fortgeleitete Infektion der Nachbarschaft. Häufigste opportunistische Pilzinfektionen des ZNS in Westeuropa sind Erkrankungen durch Candida albicans, Cryptococcus neoformans ( Kryptokokken) und Aspergillus fumigatus ( Aspergillose). Selten sind Infektionen mit Histoplasma capsulatum, Coccidioides immitis, Mycomycosen oder tropische Mykosen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt.
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Pick-Erkrankung
Meningitis. Im Liquor leichte bis mäßige gemischtzellige (häufig Eosinophile) Pleozytose, Eiweiß-, Laktaterhöhung, Zuckererniedrigung (differenzialdiagnostische Konstellation wie bei tuberkulöser Meningitis). Im Liquor IgG-Index erhöht, oligoklonale Banden positiv. Diagnosesicherung durch mikrobiologisches Tuschepräparat, kultureller Pilznachweis, serologische Reaktionen in Serum und Liquor. Zerebrale Bildgebung (kraniales CT/MRT): Nach KM-Gabe kann die entzündliche Reaktion der basalen Meningen gezeigt werden, ggf. Nachweis der Granulome, Abszesse. 3
Die Prognose bezüglich der Rückbildung der klinischen Symptomatik ist meist günstig. Häufig kommt es unter physio-, logo- und ergotherapeutischer Therapie zur Restitutio ad Integrum.
Diagnostik 3
Prognose
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Durch Dissektionen bedingte Vertebralisverschlüsse zeigen in den ersten Wochen oft eine Rekanalisation. Duplexsonographische/kernspintomographische Verlaufskontrollen nach 6 Monaten sind daher sinnvoll.
Therapie
Definition 3
Zu der Gruppe der gehörende Krankheit.
Infektionen des zentralen Nervensystems durch Pilzbefall.
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Nachsorge
Definition
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Frontallappendemenz
Zur medikamentösen Behandlung stehen Polyen-Antimykotika (Amphotericin B), Flucytosin, und Azol-Derivate zur Verfügung. Allen Mediakamenten ist eine geringe therapeutische
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Pilzinfektionen des ZNS
Breite mit Auftreten von Nebenwirkungen gemein. Mittel der Wahl ist weiterhin Amphotericin B, aufgrund der geringen Liquorgängigkeit kann eine intrathekale Gabe erforderlich sein. Bei Verdacht auf eine Pilzinfektion sollte bei schweren Krankheitsverläufen bis zum endgültigen Ergebnis der Erregerdiagnostik eine Kombinationstherapie mit Amphotericin B und Flucytosin begonnen werden. Bislang jedoch keine gesicherten Daten. empirisch 1. Kombinationstherapie: Amphotericin B (Amphotericin B®) 0,4– 0,7 mg/kgKG/die i. v. oder 0,8–1,0 mg/ kgKG alle 2 Tage. NW: Nephro-, Myelotoxizität. * Eindosierungsschema für Amphotericin B: Tag 1: 1 mg in 20 ml 5% Glukose i. v. Bei guter Verträglichkeit nach 4 Stunden 0,2 mg/kgKG in 500 ml 5% Glukose i. v. Tag 2: 0,4 mg/kgKG in 500 ml 5% Glukose i. v. In den folgenden Tagen um 0,2 mg/ kgKG/die bis zur Gesamtdosierung steigern. Zur Milderung der NW vor jeder Amphotericin B Gabe: Paracetamol 500 mg und Alizaprid (Vergentan®) 100 mg i. v. vor und 4 Stunden nach jeder Infusion. * Indikation zur intrathekalen Anwendung von Amphotericin B bei: Versagen der systemischen Therapie, Rezidiv, initial schwerem Krankheitsbild, ausgeprägter Immunsuppression. Dosierung bei intrathekaler Anwendung: 0,025 mg Amphotericin B/ml 5% Glukose als Testdosis 1 ml injizieren, bei guter Verträglichkeit alle 2 Tage um 1 ml erhöhen bis 50 mg erreicht sind, dann erfolgt die Gabe von 50 mg 2–3 mal/Woche. Wegen arachnitischer Verklebung bei lumbaler Applikation sollte eine intraventrikuläre Gabe mittels OmmayaReservoir bevorzugt werden. * Bislang liegen nur wenig Erfahrung zu liposomal gebundenem Amphotericin B (AmBisome®) vor, sodass die Indikation zurückhaltend gestellt werden sollte: Flucytosin (Ancotil®): 150 mg/kgKG/die i. v. NW: Myelo-, Hepatotoxizität.
2. Alternativ: * Itraconazol (Sempera®, Siros®): 200– 600 mg oral/die; bessere Resorption bei saurem pH-Wert im Magen. NW: Hepatotoxizität, Hautausschlag (Stevens-Johnson-Syndrom). * Fluconazol (Diflucan®, Fungata®): 200– 400 mg/die oral oder i. v. NW: Hepatotoxizität, Übelkeit. Empfohlen zur Dreifachbehandlung bei Kryptokokkose bei AIDS mit Aphotericin B und Flucytosin und als Monotherapie mit 400 mg/die zur Rezidivprophylaxe nach Pilzinfektionen vor allem bei AIDS-Patienten. * Ketoconazol (Nizoral®): 200–400 mg/ die, eine Dosierung von 1200 mg/die kann effektiver sein. NW: Nephro-, Hepatotoxizität.
Nachsorge Die Behandlung muss in der Regel für mehrere Monate nach saniertem Liquor fortgeführt werden. Die Therapiedauer für Amphotericin B beträgt 6–8 Wochen oder 1 Monat nach der letzten positiven Kultur. Bei einer Kombinationstherapie aus Amphotericin B und Flucytosin beträgt die Behandlungsdauer 3–4 Wochen. Bei AIDS-Patienten wird die Behandlung dauerhaft fortgesetzt! Cave: Nachteilig an einer Behandlung mit Flucytosin ist die primär oder sekundär während der Behandlung erworbene Resistenzbildung einiger Pilze, die sich durch eine Kombinationsbehandlung mit Amphotericin B teilweise verhindern lässt. Für Kryptokokkosen ist eine synergistische Wirkung der genannten Pharmaka bewiesen.
Bewertung Zu den wichtigsten Komplikationen der ZNSMykosen gehört die Entwicklung eines Hydrozephalus (in etwa 10%). Die parenchymatösen Infektionen mit Ausbildung von Abszessen und Granulomen werden wie bakterielle Abszesse behandelt, bei Solitärgranulomen oder – abszessen besteht die Indikation zur unmittelbaren neurochirurgischen Behandlung, wodurch die Mortalität auf etwa die Häfte gesenkt werden kann. 3
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Prognose Unbehandelt verlaufen die Pilzinfektionen des
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Pinealistumoren
ZNS fast ausnahmslos tödlich, auch unter suffizienter Therapie ist der Verlauf sehr unterschiedlich.
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Resektion zur Verfügung, wobei bei infiltrativ wachsenden, ausgedehnten Prozessen der Stereotaxie der Vorzug gegeben wird [2, 3]. Die Therapieplanung richtet sich nach der histologischen Zuordnung. empirisch
Definition Pinealistumoren sind von den Pineozyten der Glandula pinealis ausgehende Neubildungen, die als gutartiges Pineozytom dem WHOGrad II, als Pinealoblastom dem WHO-Grad IV oder als Pinealistumoren intermediärer Differenzierung/Dignität dem WHO-Grad III entsprechen [1].
Einleitung Die eigentlichen Pinealistumoren sind von den Tumoren der Pinealisregion zu differenzieren. In der Pinealisregion finden sich oft Germinome, nicht germinomatöse Keimzelltumoren und andere Histologien (Meningeome, Gliome, Hämangioperizytome, Lipome etc.) Die Pinealistumoren machen nur etwa 15% der Tumoren der Pinelisregion und ca. 0,1% aller intrakranieller Tumoren aus [2]. Sie betreffen überwiegend junge Erwachsene [3]. 3
3
Diagnostik Das differenzierte diagnostische Vorgehen beim Nachweis eines Tumors der Pinealisregion ist bei den Germinomen beschrieben. Eigentliche Pinealistumoren sezernieren im Gegensatz zu Keimzelltumoren keine Tumormarker. Pineozytome und Pinealoblastome sind kernspintomographisch in der T1-Wichtung hypo- und in der T2-Wichtung leicht hyperintens. Pinealoblastome mehr als Pineozytome zeigen eine Kontrastmittelaufnahme [2]. Pinealoblastome wachsen disseminiert und zeigen oft eine leptomeningeale Tumoraussaat. Nur wenn keine Verschlusssymptomatik besteht und ein erhöhter intrakranieller Druck ausgeschlossen ist, kann eine Liquordiagnostik über eine Lumbalpunktion zum zytologischen Tumorzellnachweis durchgeführt werden. Die Kernspintomographie der gesamten Neuroachse ist integraler Bestandteil der Diagnostik.
Therapie Zur Gewebegewinnung stehen stereotaktische Biopsie oder offene mikroneurochirurgische
Pineozytome, WHO-Grad II, können mikroneurochirurgisch oft komplett reseziert werden und sind dann kurativ behandelbar [3]. An einigen Zentren werden Pineozytome unterhalb eines Durchmessers von 3 cm nach stereotaktischer Diagnosesicherung radioneurochirurgisch behandelt [2]. Eine abschließende Wertung ist noch nicht möglich. Pinealoblastome, WHO-Grad IV, haben eine schlechte Prognose. Eine Radiatio wird empfohlen, bei Nachweis einer spinalen Metastasierung wird die gesamte Neuroachse bestrahlt. Die Wertigkeit einer zusätzlichen Chemotherapie mit Vincristin, Etoposid, Ifosfamid, Cyclophosphamid und anderen ist unklar [3]. Pinealoblastome im Kindesalter werden in Deutschland wie PNETs (primitive neuroektodermale Tumoren) behandelt [4]. Vor Vollendung des 4. Lebensjahres wird primär eine Chemotherapie durchgeführt. Auch bei den (häufigeren) Pinealistumoren intermediärer Dignität ist eine Strahlentherapie oder Strahlen- und Chemotherapie sinnvoll, da die Tumoren operativ nicht kurativ behandelbar sind. 3
Pinealistumoren
Nachsorge Regelmäßige kernspintomographische Kontrollen, im ersten Jahr z. B. alle 3 Monate, danach alle 6 Monate sind erforderlich. Bei komplett resezierten Pineozytomen können die Abstände größer bemessen werden.
Literatur 1. Mena H, Nakazato Y, Jouvet A et al. (2000) Pineal Parenchymal Tumours. In: Kleihues P, Cavenee WK (Hrsg.) Tumours of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon 115–121. 2. Albuquerque FC, Amar AP, Apuzzo MLJ (2000). Pineal Region Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme; New York. 338–351. 3. Winkler D (1998). Tumoren der Pinealis. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 239–249. 4. Bode U, Fleischhack G (1998). Tumoren des Nervensystems im Kindesalter. In: Schlegel U,
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PION (posteriore ischämische Optikusneuropathie)
Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York. 342–375.
Pipamperon Gebräuchliche Fertigarzneimittel Dipiperon® Saft, Tbl.
PION (posteriore ischämische Optikusneuropathie) Definition Die PION entsteht durch Infarkte des N. opticus proximal (posterior) der Lamina cribrosa und führt häufig zu keinen sichtbaren Veränderungen des Auges, was die Diagnose erschwert.
Einleitung Im Gegensatz zur AION, bei der stets ein Papillenödem nachweisbar ist, kann bei der PION der Fundus unauffällig sein. Die Ischämie entsteht im Bereich zwischen dem Foramen opticus am Apex der Orbita und dem Eintrittspunkt der A. centralis retinae, wo eine hohe Vulnerabilität hinsichtlich ischämischer Ereignisse besteht. Entweder ist eine direkte Ischämie auslösend oder indirekt eine Kompression. Daher sollten Malignome ausgeschlossen werden. Man unterscheidet bei den direkten Ischämien drei Formen: Postoperativ: nach hämorragischer Hypotension oder Anämie beschrieben, z. B. nach kardiopulmonalen Bypass-OP. Arteriitisch: z. B. bei der Arteriitis temporalis Nicht-arteriitisch: häufig haben die Patienten Gefäßrisikofaktoren, wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie oder Hyperlipidämie. Die Prognose der postoperativen oder arteriitischen Form ist schlechter als bei der nicht-arteriitischen [1].
Wirkungen Pipamperon gehört zur Gruppe der Butyrophenonderivate mit relativ schwach ausgeprägter antipsychotischer Wirkung. Im Unterschied zu den typischen Vertretern dieser Gruppe blockiert die Verbindung dopaminerge Rezeptoren nur schwach, im Vordergrund steht die Serotonin-antagonistische Wirkung. Seine klinische Wirkung ist geprägt von guten halluzinolytischen, sedierenden, schlafanstoßenden und anxiolytischen Effekten. Vorrangige Indikation sind Verhaltensstörungen mit aggressiver Symptomatik.
Wirkungsverlauf Pipamperon wird enteral schnell gut resorbiert, die Verteilung unterliegt keinen Beschränkungen. Eliminationshalbwertzeit liegt zwischen 3 und 5 h. Die Ausscheidung erfolgt nach hepatischer Biotransformation sowohl über die Niere (49%) als auch via Faeces (44%).
Anwendungsgebiete Schlafstörungen, Labilität und Erregtheit im Rahmen von Psychosen.
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Therapie gesichert Arteriitische Form: Sofortige Behandlung mit Kortikosteroiden (Therapie der Riesenzellarteriitis ( Arteriitis temporalis) Nicht-arteriitische Form: Konsequente Ausschaltung der Gefäßrisikofaktoren und Therapie möglicherweise zugrundeliegender Koagulopathien. Postoperativ: Behebung der Hypotension und Anämie.
Dosierung und Art der Anwendung 120–240 mg/d.
Unerwünschte Wirkungen Extrapyramidale unerwünschte Wirkungen treten im Unterschied zu anderen Butyrophenonen äußerst selten auf. Im Vordergrund stehen Störungen des Vegetativums (Kreislaufstörungen, Sekretionsstörungen exkretorischer Drüsen).
Piracetam Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Nootrop® Filmtbl., Granulat, Trinklösg., Inj. lösg.; Sinapsan®.
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Literatur
Wirkungen
1. Sadda SR et al. Clinical spectrum of PION. Am J Ophthalmol 2001; 132:743–750
Nootropikum zur Leistungs-, Vigilanz- und Merkfähigkeits-Verbesserung bei Demenzen
Piriformissyndrom
und Schizophrenien. Der Wirkungsmechanismus ist nicht geklärt. Synthesesteigerungen von Phospholipiden und Proteinen sowie eine vermehrte Glukose-Utilisation wurden beobachtet. Piracetam hat keine erkennbare Affinität zu den meisten Rezeptoren im Gehirn, kann jedoch Glutamat verdrängen und den durch AMPA induzierten Calcium-Einstrom fördern. Piracetam steigert die Aktivität der Phospholipase A und der Adenylatcyclase.
Wirkungsverlauf Piracetam wird nach oraler Gabe gut resorbiert, die Bioverfügbarkeit liegt bei nahezu 100%. Der Übergang vom Blut zum Liquor erfolgt langsam. Die Halbwertzeit im Gehirn ist länger (7,7 h) als die Gesamthalbwertzeit (5 h). Piracetam wird praktisch vollständig unverändert im Harn eliminiert, was nach 30 h abgeschlossen ist.
Anwendungsgebiete Als Zusatztherapie bei hirnorganischen Psychosyndromen (z. B. nach Schädel-Hirn-Trauma) bzw. bei sekundären insbesondere vaskulären Demenzen (z. B. Multi-Infarkt-Demenz).
Dosierung und Art der Anwendung 2,4–4,8 g/ Tag, maximal bis 10 g.
Unerwünschte Wirkungen Psychomotorische Unruhe und Aggressivität
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Relative Kontraindikationen sind: Agitierte Depressionen sowie andersartige psychomotorische Erregungen.
Wechselwirkungen Der antikonvulsive Effekt von Antileptika kann verstärkt werden.
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piriformis zustande. Ein vorangegangenes Trauma oder auch Anomalien im Bereich des Muskels können begünstigend sein.
Einleitung Die Schmerzen, evtl. auch Paraesthesien, können bis in die Fusssohle ausstrahlen. Im Bereich des Foramen ischiadicum majus findet sich ein gut lokalisierter Druckschmerz. Hier treten auch Schmerzen bei forcierter Flexion und Innenrotation der Hüfte auf. Klinische Defizite des N. ischiadicus sind selten.
Diagnostik Die Diagnostik ist schwierig, orientiert sich vorwiegend an den klinischen Charakteristika. Wichtig ist die Ausschlussdiagnose anderer Läsionen im Bereich des Beckens (bildgebende Verfahren). Das EMG kann neurogene Defizite in ischiadicusversorgten Muskeln zeigen. Der N. glutaeus superior ist nicht mitbetroffen.
Therapie Die Therapie des Piriformissyndroms ist nicht einheitlich. Objektive, kontrollierte klinische Studien fehlen [3]. Zunächst sollte ein konservativer Therapieversuch mit Physiotherapie und/oder lokaler Applikation von Lokalanaesthetika und/oder Steroiden [2]. erfolgen. Bei Therapieversagen und sicherer Diagnose kann eine Operation mit Durchtrennung des M. piriformis oder mit Lösung von Verwachsungen erfolgen. empirisch Gute bis sehr gute Therapieerfolge fanden sich in einer Patientengruppe, bei denen ein Piriformissyndrom nach blandem Gesäßtrauma mittels Neurolyse des N. ischiadicus und Lösen der Piriformissehne behandelt wurde [1].
Literatur
Piriformissyndrom Definition Seltenes Schmerzsyndrom, welches durch intensive Schmerzen in der Glutaealregion charakterisiert ist. Die Diagnose ist umstritten, die genaue Ätiologie unklar [3]. Die Symptomatik kommt möglicherweise durch eine Kompression des N. ischiadicus im Bereich des M.
1. Benson ER, Schutzer SF (1999) Posttraumatic piriformis syndrome: diagnosis and results of operative treatment. J Bone Joint Surg Am 81: 941–949. 2. Hanania M, Kitain E (1998) Perisciatic injection of steroid for the treatment of sciatica due to piriformis syndrome. Reg Anesth Pain Med 23: 223–228. 3. Silver JK, Leadbetter WB (1998) Piriformis syndrome: assessment of current practice and literature review. Orthopedics 21: 1133–1135.
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Pizotifen
Pizotifen Gebräuchliche Fertigarzneimittel Mosegor® Drg., Sirup.
Wirkungen Pizotifen vermindert Schweregrad und Häufigkeit der Schmerzereignisse bei Migräne und Cluster-Kopfschmerz. Bei prophylaktischer Anwendung über einen längeren Zeitraum konnte dieser Effekt in einer Vielzahl von klinischen Studien nachgewiesen werden. Die Beschwerden werden reduziert oder verschwinden ganz mit einer initialen Erfolgsquote von 50– 70%. Die mit Pizotifen erzielten Erfolge liegen damit in der gleichen Größenordnung wie mit Propranolol oder Flunarizin. Eine Beeinflussung der Beschwerden des akuten Migräneanfalls ist mit Pizotifen nicht möglich. Da Serotonin, bzw. die Störung seines Umsatzes, in der Pathogenese der Migräne eine Rolle spielt, wird die hohe Affinität von Pizotifen zu Serotonin(5HT)-Rezeptoren als Wirkungsmechanismus vermutet. Dabei tritt als Erklärung der bisher im Vordergrund stehende Antagonismus an 5HT 2/1A-Rezeptoren zusehends hinter einer vermuteten agonistischen Wirkung, möglicherweise an 5-HT 1C-Rezeptoren, zurück. Entsprechend der offensichtlichen strukturellen Verwandtschaft zu trizyklischen Antidepressiva wie Amitriptylin findet sich auch für Pizotifen eine antidepressive Wirkung. Darüber hinaus weist Pizotifen eine ausgeprägte antagonistische Wirkung an Histamin-H1-Rezeptoren sowie einen mäßigen Antagonismus am muscarinischen Acetycholin-Rezeptor auf. Ein zweites theraputisches Anwendungsgebiet ergibt sich aus der als typische Nebenwirkung in der Migräne-Therapie mit Pizotifen auftretenden Appetitsteigerung und Gewichtszunahme. So ist insbesondere bei Untergewicht eine bevorzugt in den ersten Wochen der Einnahme eintretende Gewichtszunahme, meist in der Größenordnung von 2–5 kg zu registrieren.
Wirkungsverlauf Nach p. o. Zufuhr Maximum der Plasmaaktivität nach 5–7 h. Die Umwandlung in ein N-Glucuronid hat eine Halbwertzeit von 1 h, der Metabolit wird mit einer Eliminationshalbwertzeit von 23 h ausgeschieden. Pizotifen ist zu 91% an Plasmaeiweiß gebunden.
Anwendungsgebiete Die prophylaktische Anwendung bei Migräne sowie Cluster-Kopfschmerz ist heute weitgehend verlassen. Zur Appetitsteigerung bei Untergewicht maximal 3×0,5 mg bei Erwachsenen, bei Kindern einschleichend bis zu einer mittleren Erhaltungsdosis von 0,025 mg/kg KG.
Unerwünschte Wirkungen Neben der Appetitsteigerung mit Gewichtszunahme werden häufig Müdigkeit, Verwirrtheit, Verstimmung und Beeinträchtigung der Sehschärfe – ausgeprägter bei Therapiebeginn – beobachtet; eine Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit ist möglich. Tachykardie kommt vor. Gelegentlich treten Übelkeit, Erbrechen und abdominale Krämpfe auf. Mundtrockenheit ist ebenfalls eine unerwünschte Wirkung. Wasserretention wird gelegentlich beobachtet. Pizotifen kann Hautausschlag auslösen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Obwohl die anticholinerge Wirkung relativ schwach ist, sollte Pizotifen nach Möglichkeit nicht bei Engwinkelglaukom oder bei Prädisposition zu Harnretention angewendet werden. Keine Anwendung bei gleichzeitiger Einnahme von MAO-Hemmern. Obwohl keine Beobachtungen über fruchtschädigende Wirkungen am Menschen vorliegen, sollte in der Schwangerschaft, speziell im 1. Trimenon, Pizotifen nur bei strenger Indikationsstellung angewandt werden.
Wechselwirkungen Die Wirkung von Beruhigungs- und Schlafmitteln sowie von Antihistaminika und Alkohol kann verstärkt und verlängert werden. Aufgrund der strukturellen Verwandtschaft zu trizyklischen Antidepressiva muss mit einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Katecholaminen gerechnet werden.
Plasmapherese Synonyme Apherese, Hämapherese, Spenderapherese (SA), therapeutische Plasmapherese (TPE), Plasmaseparation, Plasmabehandlung, Plasmaaustausch
Plasmapherese
Definition Der Begriff Plasmapherese wurde 1914 von Abel und Kollegen geprägt, die den Wortstamm Apherese aus dem griechischen apheireo gleich „entfernen, wegnehmen, auch absondern oder trennen oder entziehen“ ableiteten [1]. Plasmapherese ist der Oberbegriff und wird im amerikanischen Schrifttum auch kurz „apheresis“ genannt. Das Nomenklatur-Komitee der International Society for Artificial Organs (ISAO) setzen „Plasmapherese“ bzw. „Apherese“ mit „Plasmaaustausch“ gleich [2]. Unter Plasma- bzw. Zytapherese (Thrombo-, Erythro- oder Leukozyten) wird die Abtrennung von Plasma bzw. korpuskulären Bestandteilen aus dem Vollblut verstanden. Dabei kann die Plasmatrennung mittels Plasmafilter oder Zentrifuge erfolgen. Das Plasma wird heute überwiegend im Online-Verfahren, d. h. kontinuierlich gewonnen. Dabei erhält der Patient die korpuskulären Bestandteile mit einer Restmenge von ca. 10% Plasma direkt zurück. Das über Plasmapherese gewonnene Plasma kann dann zum einen als Spenderplasma (Spenderapherese) verwandt werden (Fresh Frozen Plasma; Liquid Stored Plasma) oder zur Gewinnung von Plasmafaktoren (z. B. Humanalbumin oder Antithrombin III) eingesetzt werden. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Plasmapherese insbesondere bei Autoimmunerkrankungen ist die therapeutische Plasmapherese. Hierbei wird das gewonnene Plasma entweder verworfen und durch eine entsprechende Substitutionslösung ersetzt (nicht selektive Immuntherapie), oder das Plasma wird z. B. von Antikörpern wie Anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörpern selektiv gereinigt (Plasmadifferenzialtrennung) [3]. Für diese Sekundärtrennung des Patientenplasmas werden hauptsächlich Präzipitations-, Filtrations- sowie Ad- und Absorptionstechniken eingesetzt. Der Patient erhält in beiden Fällen (Plasmaaustauschbehandlung, Plasmadifferenzialtrennung) die korpuskulären Bestandteile des Blutes gemeinsam mit der Substitutionslösung oder dem gereinigten Plasma im ursprünglichen Verhältnis, Plasma zu korpuskulären Bestandteilen zurück. Gelegentlich wird fälschlicherweise unter „Plasmapherese“ lediglich der „Plasmaaustausch“ verstanden.
Grundlagen Die therapeutische Plasmapherese findet heute
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bei der Behandlung unterschiedlicher Krankheitsbilder von Autoimmunerkrankungen bis hin zu Intoxikationen oder Multiorganversagen im Rahmen einer Sepsis eine breit gefächerte Einsatzmöglichkeit. Auf dem Gebiet der Therapie neurologischer Erkrankungen mit Plasmaphereseindikation [4, 5] sind insbesondere die Myasthenia gravis pseudoparalytica [6, 7], das Guillain-BarréStrohl-Syndrom [8], der schwere, nicht kortikosteroidresponsive akute Schub der multiplen Sklerosen [9, 10, 11], die schwere chronische Polyradikulitis (CIDP) [12] und seltener das Lambert-Eaton-Syndrom (LEMS) [13] zu nennen. Der Wirkungsmechanismus der therapeutische Plasmapherese geht von zwei prinzipiellen Annahmen aus: Die vorliegende Erkrankung steht in ursächlichem Zusammenhang mit krankhaften oder krankhaft vermehrten plasmatischen Blutbestandteilen und die pathogenetisch relevanten Substanzen können durch die therapeutische Plasmapherese effizient entfernt werden, um einen klinischen (symptomatischen) Therapieeffekt zu erzielen [14]. Die therapeutische Plasmapherese wird rein verfahrensmäßig entweder als Plasmaseparation über Membrantrennung, d. h. mittels Plasmafilter (Abb. 1), oder als Plasmaseparation über Zentrifugentrennung (Abb. 2) ausgeführt. Mit Hohlfasermodulen im Rahmen der Membrantrennung können alle Plasmabestandteile bis zu einem Molekulargewicht von 3–5 Millionen Dalton entfernt werden. Außerdem kann so ein absolut plättchenfreies Plasma gewonnen werden, welches über Zentrifugation [15] nicht gelingt. Diesbezüglich gibt es weltweit verschiedene Anbieter. Es soll hier lediglich auf das Verfahren als solches eingegangen werden und nicht auf die unterschiedliche Bezeichnung der für diese verwandten Disposels und Geräte. Es gibt inzwischen weitere neue Verfahren zur Plasmaseparation, welche die Vorteile der Zentrifugation mit den Vorteilen des Hohlfasermoduls in der Plasmaseparation vereinigen (z. B. Spiner). Als Substituat wird z. B. humanes Plasma, 5% ige Humanalbumin-Ringerlaktat-Lösung, Plasmaexpander auf Gelantine- oder Hydroxyethylstärke verwandt. Die Substitution erfolgt 1:1 zum separierten Plasma. In der Regel wird das Eineinhalbfache des einfachen Plasmavolumens ausgetauscht.
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Plasmapherese
Plasmapherese. Abb. 1: Aufgliederung der Apheresetechniken PE- Plasma exchange; IAImmunoadsorption
Errechnet wird das Plasmavolumen des Patienten nach folgender Formel (KBG. Sprenger): Männer: Plasmavolumen (ml) = (23.7×L+9.0×W– 1709)×H/57.23. Frauen: Plasmavolumen (ml) = 40.51×L+8.4×W– 4811)×H/61.78.
(L=Länge in cm, W=Gewicht in kg, H=100– (0.91×Hk), Hk=venöser Hämatokrit) Unterschiedliche Zugangswege zum Blutkreislauf des Patienten können verwendet werden. So findet man in der Intensivmedizin häufig zentralvenöse Katheter, in der ambulanten Therapie jedoch mehr den peripheren venovenösen Zugang oder bei chronisch behandelten Patienten der Apherese auch arteriovenöse Fisteln
Plasmapherese. Abb. 2: Bei der Nutzung von Hohlfasermodulen wird das Vollblut beispielsweise aus einer peripheren Vene des Patienten über eine Rollerpumpe mit einer definierten, variierbaren Geschwindigkeit in das Hohlfasermodul geleitet. Die Hohlfasern können aus unterschiedlichen Materialien hergestellt werden. Allen gemeinsam ist, dass über eine definierte Oberfläche eine variable Anzahl von Poren mit einem Durchmesser von 0,5 μm verteilt ist. Durch den Transmembrandruck wird Plasma abgepresst und steht für weitere therapeutische Zwecke (z. B. Plasmadifferenzialtrennung) zur Verfügung.
Plasmapherese
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Plasmapherese. Abb. 3: Bei der Nutzung von Hohlfasermodulen wird das Vollblut beispielsweise aus einer peripheren Vene des Patienten über eine Rollerpumpe mit einer definierten, variierbaren Geschwindigkeit in das Hohlfasermodul geleitet. Die Hohlfasern können aus unterschiedlichen Materialien hergestellt werden. Allen gemeinsam ist, dass über eine definierte Oberfläche eine variable Anzahl von Poren mit einem Durchmesser von 0,5 μm verteilt ist. Durch den Transmembrandruck wird Plasma abgepresst und steht für weitere therapeutische Zwecke (z. B. Plasmadifferenzialtrennung) zur Verfügung
(Shunts) wie sie aus der chronischen Hämodialyse bekannt sind. Da es sich bei dem extrakorporalen Kreislauf um ein System handelt, welches aus Kunststoffen besteht, die in gewisser Weise bioinkompatibel sind, ist es zwingend notwendig, im extrakorporalen Kreislauf gerinnungshemmende Mittel zu verwenden. Dazu werden in Mitteleuropa Heparin und/oder Acidum-Citrat-Dextrose, Formel A (ACD-A) verwendet. Die klinische Wirksamkeit der therapeutischen Plasmapherese hängt von komplexen, sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren ab, insbesondere [16]: * Dem Verhältnis des ausgetauschten Plasmavolumens zum zirkulierenden Plasmavolumen des Patienten. * Konzentration, Aggressivität und Verteilungsmuster der zu entfernenden Plasmabestandteile in intra- und extravasalen Kompartimenten. * Der Kinetik, mit der ein Konzentrationsausgleich der betreffenden Substanzen zwischen den Kompartimenten stattfindet. Diese komplexe Situation lässt gegenwärtig für die einzelnen neurologischen Indikationen oder sogar den Einzelfall keine verbindliche Emp-
fehlung betreffs Austauschvolumen, - frequenz und - intervall geben. Aus theoretischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen wird der Austausch des 1- bis 1,5-fachen Plasmavolumens, bei einer Frequenz von 4–6 Behandlungen und einem Zwischenintervall von 24–48 h als ausreichend und sicher angesehen [16]. Insbesondere die Plasmapheresefrequenz kann aber auch vom klinischen Effekt abhängig gemacht werden, wie dies bei Immunkomplexerkrankungen und Paraproteinämien der Fall ist [16, 17].
Literatur 1. Abel JJ, Rowentree LG, Turner BB (1914). Plasma removal with return or corpuscles (plasmapheresis). J Pharmakol Exp Ther 5:625–641. 2. Gurland H.J.(1983) Report from the commitee on standardization of nomenclature. In: Lysaght MJ, Gurland HJ (eds). Plasma separation and plasma fractionation, Schatthauer Verlag, NewYork Stuttgart, pp 1–10. 3. Pineda AA (1999). Selective therapeutic extraction of plasma constiuents, revisited. Transfusion 39:671–673. 4. Subcommittee of the American Academy of Neurology. (1996) Assessment of plasmapheresis. Report of the therapeutics and technology. Neurology 47:840–843.
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Plasminogenaktivator
5. Toepfer M, Schiffl H, Sitter T et al. (1999). Extracorporeal antibody elimination in neuroimmunological diseases. Ther Apher 3:268–270. 6. Schneidewind JM, Zettl UK, Winkler RE et al. (1999) Therapeutic apheresis in myasthenia gravis patients: A six years follow up. Therapeutic Apheresis Vol 3(4):298–302. 7. Morosetti M, Meloni C, Caramia M et al. (1998) Plasmapheresis in severe forms of myasthenia gravis. Artif Organs 22(2):129–134. 8. Hughes RAC, Swan AV, Cornblath DR et al. (1997) Randomised trial of plasma exchange, intravenous immunoglobulins and combined treatments in Guillain-Barre syndrome. Lancet 349: 225–230. 9. Multiple-Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG) (2002). Immunmodulatorische Stufentherapie der Multiplen Sklerose. Nervenarzt 73:556–563. 10. Weinshenker BG, O´Brien PC, Petterson TM et al. (1999) A randomised trial of plasma exchange in acute central nervous system inflammatory demyelinating disease. Ann.Neurol. 46(6):878–886. 11. Keegan, M, Pineda A, McClelland R (2002). Plasma exchange for severe atttacks of CNS demyelination: predictors of response. Neurology 58:143–146. 12. Weilbach FX, Gold R (1999). Pathogenese, Diagnostik und Therapie von Autoimmunneuropathien. In: Zettl U.K, Mix E. (Hrsg.). Klinische Neuroimmunologie. de Gruyter, Berlin New York S. 175–190. 13. Motomura M, Hamasaki S, Nakane S et al (2000) Apheresis treatment in Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Ther Apher 4:287–290. 14. Shumak KH, Rock GA (1984). Therapeutic plasma exchange. N Engl J Med 310:762–771. 15. Bambauer R (1997). Therapeutischer Plasmaaustausch und verwandte Plasmaseparationsverfahren. Pabst, Lengerich Berlin S. 8–11. 16. Gold R, Toyka KV (2001). Immuntherapie neurologischer Erkrankungen. Uni med Bremen, London.
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Plasminogenaktivator Definition *
*
Man unterscheidet verschiedene Plasminogenaktivatoren: Gewebsplasminogenaktivator (t-PA), Urokinase/Pro-Urokinase, Streptokinase. Plasminogenaktivatoren sind Teilkomponenten des fibrinolytischen Systems.
Grundlagen Siehe Abb. 1. * Durch Plasminogenaktivatoren entsteht aus Plasminogen Plasmin. * Plasmin ist ein proteolytisches Enzym, das Fibrinpolymere in D-Dimere spaltet. * Endogene Plasminogenaktivatoren: – Urokinase und Pro-Urokinase (aus Zellen des Gastrointestinal- bzw. Urogenitaltraktes synthetisiert): Aktivieren Plasminogen direkt zu Plasmin; HWZ: 5 min. – Gewebsplasminogenaktivator (TissuePlasminogenaktivator, t-PA): aktiviert nur an Fibrin gebundenes Plasminogen und bewirkt dadurch eine lokale Fibrinolye; HWZ: 6 min. * Nichtendogener Plasminogenaktivator: Streptokinase – Wird von β-hämolysierenden Streptokokken synthetisiert und kommt physiologischerweise im Körper nicht vor.
Plasminogenaktivator. Abb. 1: Fibrinolytisches System
Plasminogenaktivator, Gewebeplasminogenaktivator (t-PA)
– Bildet mit Plasminogen einen Aktivatorkomplex durch den weitere Plasminogenmoleküle aktiviert werden. – Kann zur Ausbildung körpereigener Antikörper führen. – HWZ: 30 min.
Dosierung/Anwendung *
*
Plasminogenaktivator, Gewebeplasminogenaktivator (t-PA) Synonyme Tissue-Plasminogenaktivator, rekombinanter Tissue-Plasminogenaktivator, rt-PA, Alteplase
Zubereitungen Trockensubstanz des Wirkstoffs mit Lösungsmittel zur intravasalen Anwendung.
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Ischämischer Schlaganfall: – Intravenöse Applikation, über peripher venösen Zugang möglich. – 0,9 mg/kgKG Gesamtdosis, davon 10% i. v. als Bolus, restliche Menge über 60 min i. v. über Perfusor. Basilaristhrombose: – Lokale intraarterielle Applikation über Katheter. – Initial 1 mg/min über 10 min, danach 40– 60 mg über 60 min.
Dosierung, Anwendungszeitraum und genaue Indikationsstellung für Herzinfarkt, Lungenembolie und Venenthrombosen (siehe Fachliteratur). Anwendung nur unter intensivmedizinischen Bedingungen.
Unerwünschte Wirkungen Gebräuchliche Fertigarzneimittel ®
Actilyse 10 mg, 20 mg, 50 mg.
Wirkungen Aktiviert Plasminogen zu Plasmin, das dann Fibrinpolymere in Fibrinspaltprodukte (D-Dimere) abbaut ( Gewebeplasminogenaktivator). Fibrinselektiv, d. h. es wird überwiegend an Fibrin gebundenes Plasminogen aktiviert (lokale Wirkung, geringer systemischer Effekt). 3
Pharmakologische Daten Plasma-Halbwertszeit: 6 min. Keine allergischen Reaktionen.
Anwendungsgebiete *
Akuter ischämischer Schlaganfall ( Thrombolyse): – Seit kurzer Zeit in Deutschland zugelassen. – Systemische intravenöse Gabe. – Gabe bis maximal 3 Stunden nach Symptombeginn. – Genaue Beachtung von Kontraindikationen zur Minimierung von Komplikationen, insbesondere Blutungen. – Sonderfall: Lokale intraarterielle Lyse bei nachgewiesener Basilaristhrombose. Akuter Herzinfarkt. Akute Lungenembolie. Tiefe Bein-/Beckenvenenthrombosen. 3
3
* * *
Blutungskomplikationen: * Oberflächliche Blutungen: Möglichkeit der lokalen Kompression. * Innere Blutungen: Vor allem gastrointestinal, urogenital und intrakraniell (5–10%). * Ggf. Gabe von Erythrozytenkonzentraten, Fresh Frozen Plasma oder chirurgische Intervention.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bezogen auf die Anwendung von rt-PA beim ischämischen Schlaganfall: * Akute Blutung (intrakraniell oder systemisch) sowie bekannte Gerinnungsstörung. * Frisches, bereits hypodens demarkiertes Infarktareal größer 1/3 des Mediastromgebietes. * Unkontrollierte arterielle Hypertonie (RR wiederholt >220/120 mmHg). * Koma. * Initialer Krampfanfall. * Hirninfarkt in den letzten 4 Wochen. * Große Operation/Trauma innerhalb der letzten 2 Wochen. * Hirnblutung/Schädel-Hirn-Trauma/Operation am ZNS innerhalb der letzten 3 Monate. * Intrazerebraler Tumor, Subarachnoidalblutung, AV-Angiom, Aneurysma. * Bekannte Kolitis, Ösophagusvarizen, Aortenaneurysma. * Schwangerschaft. * Anamnestisch schwere diabetische Retinopathie.
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* *
Relative Anwendungsbeschränkungen: * Hohes Lebensalter (älter 75 Jahre). * Computertomographische Zeichen der generalisierten Mikroangiopathie. * Gewebsbiopsie, Punktion größerer Gefäße (ZVK) oder Lumbalpunktion innerhalb der letzten 14 Tage. * Hb <11 g/dl, Thrombozyten <150.000/µl, Quick <50%. * Acetylsalicylsäure-Vorbehandlung.
Wechselwirkungen * * *
Spinale Tumoren, extradurale.
Therapie Spinale Tumoren, extradurale.
Platybasie Definition Form der basilären Impression, bei der der Winkel zwischen vorderer Schädelgrupe und Clivus größer als 143° ist.
Plexopathie, lumbosakrale 3
*
Diagnostik
3
*
Konsumierende Erkrankung: Neoplasma, Leukämie. Schwere gastrointestinale oder urogenitale Blutung in den letzten 3 Wochen. Bekanntes florides/aktuell therapiertes Ulcus ventriculi/duodeni. Endokarditis. Frühe Infarktzeichen in der kranialen Computertomographie größer 1/3 des Mediaversorgungsgebietes.
3
*
Plasmozytom
3
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Beinplexusläsion
Antikoagulantien. Thrombozytenaggregationshemmer. Nichtsteroidale Antiphlogistika.
Plexus brachialis Bewertung
Diagnostik Plexuskarzinom/-papillom, Hämangioblastom
Metastase,
3
Metastase,
Therapie 3 3
Als Rarität können extraossäre Plasmozytome intrakraniell als plaqueförmige oder noduläre durale oder parenchymatöse Raumforderungen auftreten. Von neurologischer Bedeutung sind Plasmozytome jedoch überwiegend als extradurale spinale Raumforderungen mit Querschnittssymptomatik, die sich unter rascher Strahlentherapie vollständig zurückbilden kann.
3
Einleitung
3
Gammaglobulinbildender Plasmazelltumor, der überwiegend disseminiert das Skelettsystem durchsetzend, sehr selten extraossär und unilokulär auftritt.
Autochtone Tumoren des Plexus choroideus sind das gutartige Plexuspapillom und das maligne Plexuskarzinom ( Plexuskarzinom/-papillom) Wegen der ausgeprägten Vaskularisation des Plexus sind dort auch hämatogene Metastasen, vor allem Bronchialkarzinomund Hypernephrommetastasen anzutreffen. Ein seltener Plexustumor ist das Hämangioblastom.
3
Definition
Definition
3
Morbus Kahler, multiples Myelom
Plexus choroideus, Tumoren
3
Synonyme
Armplexusläsion
3
Plasmozytom
3
Strenge Indikationsstellung zur Vermeidung von Komplikationen.
Plexuskarzinom/-papillom, Hämangioblastom
Pneumonie
Plexuskarzinom/-papillom Definition Plexuspapillom, WHO-Grad I, und das anaplastische Plexuspapillom bzw. Plexuskarzinom, WHO-Grad III, sind autochtone Tumoren des Pexus choroideus.
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3. Rock J (2000). Pilocytic Astrocytoma and other indolent Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 319–328.
PMS (periodische Bewegung im Schlaf)
Einleitung
Therapie empirisch Therapie aller Plexustumoren ist die transventrikuläre Operation mit anzustrebender kompletter Resektion, die aufgrund der ausgeprägten Vaskularisierung der Tumoren nicht immer gelingt [3]. Völlig unklar ist der Wert einer Strahlentherapie oder einer Chemotherapie beim Plexuskarzinom, das eine sehr ungünstige Prognose hat [2].
Nachsorge Regelmäßige kernspintomographische und klinische Verlaufskontrollen sind erforderlich.
Literatur 1. Wiestler OD (1998). Pathologische Anatomie und WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 4– 47. 2. Westphal M (1998). Ventrikeltumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 205–211.
Neuroektodermale (PNET)
Tumoren,
primitive
Pneumokokken Synonyme Streptococcus pneumoniae
Definition Zur Familie der Streptococcaceae gehörende, grampositive, unbewegliche Einzelkokken. Häufiger Erreger bei bakterieller Meningitis. Ca 50% der gesunden Bevölkerung sind Keimträger (Rachenabstrich). Therapeutisch wirksam Penicillin G. 3
Bildgebend gelingt die Differenzialdiagnose eines Plexuspapilloms von einem intraventrikulären Meningeom nicht, ebensowenig die eines Plexuskarzinoms von einer Metastase [2]. Die autochtonen Plexustumoren sind allerdings bei Kindern viel häufiger. Bei Plexuskarzinomen muss eine MRT des Spinalkanales zum Nachweis oder Ausschluss spinaler Absiedlungen durchgeführt werden.
Restless-legs-Syndrom
PNET (primitive neuroektodermale Tumoren) 3
Diagnostik
3
Plexuspapillome machen weniger als 1% aller intrakraniellen Raumforderungen aus, Plexuskarzinome sind noch seltener; betroffen sind vor allem Kinder [1]. Die Tumoren finden sich bei Erwachsenen überwiegend im IV. Ventrikel, bei Kindern in den Seitenventrikeln. Entsprechend werden sie durch eine Liquorabflussbehinderung symptomatisch [2].
Pneumonie Synonyme Lungenentzündung
Definition Akute oder chronische Entzündung der Lunge, die entweder alveolär und/oder interstitiell ist.
Einleitung Akute oder chronische Entzündung der Lunge, die entweder alveolär und/oder interstitiell ist. Einteilung nach pathologisch-anatomischen Prinzipien, ätiologisch oder klinisch. Pathologisch-anatomisch unterscheidet man nach der Lokalisation alveoläre (oft bakterielle)
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POEMS-Syndrom
oder interstitielle (oft virale) Pneumonien, außerdem lobäre (Lappen-) von lobulären (Herd-) Pneumonien. Ätiologisch kommen neben Infektionskrankheiten auch physikalische und chemische Noxen vor. Kreislaufstörungen können als Infarktpneumonien oder Lungenembolien ebenfalls ursächlich sein. Klinisch ist es möglich primäre, das heißt Pneumonien ohne kardiopulmonale Vorerkrankungen von sekundären Pneumoniene zu unterscheiden. Diese können durch Zirkulationsstörungen oder Bronchusveränderungen bedingt sein. Klinisch ist ebenfalls die akute von der chronischen Pneumonie zu unterscheiden.
*
Bronchopneumonie: Segmentale Verschattung ohne „air bronchogram“. * Interstitielle Pneumonie: Fleckig-netzartige (retikuläre) Verdichtungen. 2. Nachweis infektiöser Genese: * Mikroskopischer, kultureller Erregernachweis (Sputum, bronchoskopische Materialgewinnung, Biopsie, Blut), serologische Diagnostik.
Therapie *
*
Diagnose *
Zur Diagnostik gehört zunächst die Eingrenzung der wahrscheinlichsten Ursache aufgrund möglicher ätiologischer Faktoren. Pneumonien infektiöser Genese sind dabei am ehesten aerogen bedingt. Unterschieden werden können sogenannte zu Hause erworbene Pneumonien (community acquired) von in der Klinik erworbenen (hospital acquired). Bei herabgesetztem Immunstatus des Patienten erweitert sich das Erregerspektrum um sogenannte opportunistische Erreger. Klinisch kann der Verlauf der Pneumonie der pathologischen Einteilung in Lobärpneumonie, lobäre Pneumonie und atypische interstitielle Pneumonie entsprechen. Typische bakterielle Pneumonien (z. B. durch Pneumonkokken) beginnen plötzlich mit Schüttelfrost und hohem Fieber, Atemnot und durch eine Begleitpleuritis bedingten Schmerzen. In der körperlichen Untersuchung imponieren pulmonale Infiltrationszeichen, die einhergehen mit großflächig, scharf begrenzten Verschattungen im Röntgenbefund. Klinisch atypische Pneumonien beginnen eher langsam, verbunden mit Zephalgien, Myalgien und nur leichtem Fieber. Trockener Reizhusten geht einher mit einem Missverhältnis zwischen geringem Auskultations-, aber positivem Röntgenbefund. Nach physikalischer Untersuchung sollte diagnostisch erfolgen: 1. Thorax-Röntgenbild in 2 Ebenen: * Lobärpneumonie: Großflächige Verschattung im Bereich der Lungenlappen mit positivem Bronchopneumogramm (Darstellung luftgefüllter Bronchien).
* *
* * * *
Allgemeine Therapie: Körperliche Schonung, ggf. Bettruhe, Oberkörper aufrecht lagern. Thrombembolieprophylaxe: Kompressionsstrümpfe. Heparingabe (z. B. 2× 5000 IE sc). Inhalationsbehandlung: Luftanfeuchtung, Atemgymnastik. Sekretolytika, z. B. Ambroxol 3×30 mg, Acetylcystein 3×200 mg. Gegebenenfalls Antipyretika wie Paracetamol 3×500 mg, auch höherdosiert, falls nötig. Antitussiva, z. B. kodeinhaltige Tropfen oder Kapseln. Bei Hypoxie Sauerstoff per Nasensonde; bei Entwicklung eines ARDS Beatmung. Flüssigkeitszufuhr zur Verbesserung der Sekretolyse. Antibiotika: Ungezielte Sofortbehandlung nach Abnahme von Brochialsekret zur bakteriologischen Untersuchung. Auch Blutkultur abnehmen, bei bakterieller Pneumonie in 30–50% der Fälle positiv. Gezielte Behandlung nach Antibiogramm. Therapiedauer 2– 3 Wochen.
Prognose Für die Prognose ungünstige Faktoren: * Hohes Lebensalter. * Vorbestehende Herz-Lungenerkrankung. * Immunsupprimierter Patient. * Sonstige Komplikationen.
POEMS-Syndrom Synonyme Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, M-Protein- (monoklonales Protein) und Hautveränderungen (skin changes)
Poliodystrophie, infantile (Alpers-Syndrom)
Definition Das POEMS-Syndrom bezeichnet eine Erkrankung mit Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, M-Protein (monoklonalem Protein) und Hautveränderungen. Häufig bestehen auch osteosklerotische Knochenläsionen.
Einleitung Die klinische Symptomatik ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Betroffene Individuen können nur einzelne oder auch alle Symptome aufweisen. Die Polyneuropathie ist demyelinisierend und ähnelt einer CIDP. Initial liegen meist distal-symmetrische Sensibilitätsstörungen vor, die dann aufsteigen. Im Verlauf dominieren motorische Defizite. Autonome Funktionsstörungen treten nicht auf. Die Pathogenese ist unklar. Vermutlich spielen ein vaskulärer Wachstumsfaktor (VEGF) und Zytokine eine Rolle [3].
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lobuline in den Fallstudien meist mit anderen Therapieverfahren kombiniert wurden [4]. Erste Therapieerfolge wurden auch von Tamoxifen berichtet [2]. unwirksam/obsolet Kortikosteroide allein, Azathioprin oder auch Plasmapheresen gelten beim POEMS-Syndrom als unwirksam.
Nachsorge Regelmäßige Blutbild-Kontrollen in Abhängigkeit vom Therapieverfahren, onkologische Nachsorge der Tumorausbreitung, klinische und elektrophysiologische Kontrollen der Polyneuropathie.
Prognose Der Verlauf ist oft sehr langsam, die Lebenserwartung besser als beim Plasmozytom [4].
Diagnostik Nachweis eines monoklonalen Proteins in der Immunelektrophorese. Skelettröntgen zur Darstellung osteosklerotischer Läsionen, ggf. Histologie, Sonographie (Organomegalie), Hormondiagnostik, Elektrophysiologie zum Nachweis der Demyelinisierung (NLG), Liquordiagnostik (meist erhöhtes Eiweiß bei normaler Zellzahl).
Therapie Die Diagnose des POEMS-Syndroms bzw. osteosklerotischen Myeloms ist wichtig, da die Erkrankung (auch die Polyneuropathie) bei solitären Knochentumoren oft gut auf eine Bestrahlung anspricht. gesichert Bei solitären Knochenläsionen chirurgische Entfernung oder Bestrahlung mit 40–50 Gy, die zu einer langsamen, oft über Jahre zunehmenden Besserung führt. Bei multiplen Knochenläsionen in einem umschriebenen Gebiet kann ebenfalls eine Bestrahlung durchgeführt werden. Sind die Läsionen ausgedehnter, so erfolgt in der Regel eine Chemotherapie mit Melphalan (0,15 mg/kgKG/Tag) und Prednison (20 mg 3×täglich) über insgesamt 7 Tage, die alle 6 Wochen wiederholt wird [1, 3, 4]. empirisch Die Wirksamkeit einer IVIG-Therapie beim POEMS-Syndrom ist unsicher, da die Immung-
Literatur 1. Bardwick PA, Zvaifler NJ, Gill GN, Newman D, Greenway GD, Resnick DL (1980) Plasma cell dyscrasia with polyneuropathy, organomegaly, endocrinopathy, M protein, and skin changes: the POEMS syndrome. Medicine 59: 311–322. 2. Enevoldson TP, Harding AE (1992) Improvement in the POEMS syndrome after administration of tamoxifen. J Neurol Neurosurg Psychiatry 55: 71– 72. 3. Rotta FT, Bradley WG (1997) Marked improvement of severe polyneuropathy associated with multifocal osteosclerotic myeloma following surgery, radiation, and chemotherapy. Muscle Nerve 20: 1035–1037. 4. Simmons Z (1999) Paraproteinemia and neuropathy. Curr Opin.Neurol 12: 589–595.
Poliodystrophie, infantile (AlpersSyndrom) Synonyme Progressive infantile Poliodystrophie
Definition Mitochondriale Enzephalomyopathie, die sich als rasch progrediente Erkrankung der grauen Hirnsubstanz bereits im Kindesalter manifestiert und zu psychomotorischer Retardierung, Krampfanfällen, spastischen Paresen u. a. führt. Der Erbgang ist meist autosomal-rezessiv.
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Polioencephalitis haemorrhagica superior (Wernicke-Enzephalopathie)
Therapie
Therapie
Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt, Enzephalomyopathie, mitochondriale.
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Die Behandlung erfolgt ausschließlich symptomatisch. Bei schwereren Verläufen ist eine intensivmedizinische Überwachung erforderlich. Bei Beteiligung der Atemmuskulatur muss eine künstliche Beatmung erfolgen. Die Patienten müssen wegen des Ansteckungsrisikos isoliert werden.
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Polioencephalitis haemorrhagica superior (Wernicke-Enzephalopathie) Wernicke Enzephalopathie
3
Poliomyelitis Synonyme Poliomyelitis anterior acuta
Definition Infektion mit dem Poliovirus (einem Enterovirus), die zu einem Untergang der Vorderhornzellen im Rückenmark führt.
Bewertung Bei Poliomyelitis-Verdacht, - Erkrankung und Tod besteht Meldepflicht. Die Infektion ist aufgrund der Impfung sehr selten geworden. Die frühere „Schluckimpfung“ wurde wegen der impfassoziierten Erkrankungsfälle weitgehend verlassen. Aktuell wird mit inaktivierten Polioviren s. c. oder i. m. geimpft [1]. Der orale Impfstoff kann noch bei Kontaktpersonen von Polioinfizierten zur Verminderung der Keimaufnahme des Wildvirus über den Darm erfolgen.
Prognose Einleitung Der Inkubationsweg ist fäkal-oral. Nach einer Inkubationszeit von 3–20 Tagen kommt es zu einem fieberhaften Infekt mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Meningismus, Diarrhoe, vermehrtem Schwitzen und Pollakisurie. Nach weiteren 1–4 Tagen folgt das paralytische Stadium im Rahmen eines 2. Fiebergipfels mit meningitischen, selten auch enzephalitischen Symptomen und unregelmäßigen, asymmetrisch verteilten schlaffen Paresen mit Hypo- oder Areflexie, selten auch bulbären oder pontinen Symptomen. Die Paresen treten häufig sehr abrupt auf. Sensibilitätsstörungen bestehen nicht. Autonome Störungen können zu Blutdruckentgleisungen oder kardialen Arrhythmien führen.
Die Rückbildung der Lähmungen beginnt nach wenigen Tagen. Das Ausmaß der Erholung ist sehr variabel. Die Letalität liegt bei 10%, persistierende Defizite kommen bei etwa 30% vor. Jahrzehnte nach der Infektion kann es zum „Postpolio-Syndrom“ kommen. Hierbei kommt es zu einer langsamen Verschlechterung der Restlähmungen, möglicherweise durch einen alterungsbedingten zunehmenden Verlust der verbliebenen Vorderhornzellen.
Literatur 1. Zimmerman RK, Spann SJ (1999) Poliovirus vaccine options. Am Fam Physician 59: 113–118, 125–126.
Diagnostik
Pollakisurie Definition Häufiger Harndrang mit geringer Miktionsmenge, z. B. bei Zystitis, Prostatahyperplasie, Detrusorhyperreflexie. 3
Im Liquor findet sich eine Pleozytose von meist >100 Zellen/µl. Der Infektionsnachweis kann über einen Neutralisationstest mit Nachweis von IgM-Antikörpern im Serum innerhalb der ersten 2 Wochen erfolgen. Der Erregernachweis im Liquor ist aufwendig und unsicher. Die Polio kann aber durch eine PCR aus dem Liquor gesichert werden.
Polydipsie
Polyarthritis, chronische Synonyme Rheumatoide Arthritis, primär-chronische Polyarthritis, cP
Definition Die cP ist eine autoimmunologisch bedingt chronische Synovitis.
Einleitung
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chentlichen Schritten ausschleichen) [1]. Cave: Es sollte auch bei niedrigen Dosen an die Osteroporoseprophylaxe mit Gabe von Vitamin D und Calcium gedacht werden. Als langwirksames Basistherapeutikum werden Goldpräparate, Chloroquin, D-Penicillamin, Sulfasalazin, Methotrexat und Leflunomid eingesetzt. Neuerdings werden Präparate gegen den Tumornekrosefaktor-alpha (z. B. Infliximab) eingesetzt [2]. Bei atlantoaxiale Instabilität Operation!
Die Prävalenz beträgt ca. 0,5–1%. Frauen erkranken bis zu 4-mal häufiger als Männer. In der Regel geht der Erkrankung über Jahre ein Prodromalstadium voraus, das mit Allgemeinsymptomen wie rasche Ermüdbarkeit, Schweißneigung, Gewichtsabnahme, Fingersteifigkeit, usw. einhergeht.
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Diagnostik
Literatur
Die von der American Rheumatism Association angegebenen Klassifikationskriterien erlauben mit hoher Sicherheit eine Abgrenzung zu anderen Arthritiden. Sie stützen sich dabei auf folgende klinischen Symptome: 1. Morgensteifigkeit über mehr als 6 Wochen von mehr als 1 h Dauer 2. Schwellung von mehr als 3 Gelenken über einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen 3. Schwellung von Hand-, Fingergrund- und Fingermittelgelenken 4. symmetrische Schwellungen 5. für eine cP typische Röntgenbildveränderungen 6. subkutane Knötchen 7. Nachweis von Rheumafaktoren
1. Lim SS et al. The use of low-dose prednisone in the management of rheumatoid arthritis. Bull Rheum Dis 2001; 50:1–4 2. StClair EW. Infliximab therapy for rheumatic disease: clinical and radiologic efficacy. Ann Rheum Dis 2002; 61 Suppl.2:II67–II69
Die Diagnose einer cP gilt bei Erfüllung von 4 Kriterien als gesichert. Neurologische Komplikationen sind Kompressionssyndrome, eine vasculitische Beteiligung, und die atlantoaxialer Instabilität, die zu Querschnittssyndromen führen kann.
Eine organisch verursachte Polydipsie geht meist mit einer Polyurie einher, wobei die Fähigkeit der Niere zur Harnkonzentration vermindert ist. Dabei spielen im Rahmen eines Diabetes insipidus ein ADH-Mangel (zentraler Diabetes insipidus) oder das fehlende Ansprechen der Nierentubuli auf ADH (peripherer Diabetes insipidus) eine Rolle. Beim Diabetes mellitus kann es zur osmotischen Diurese als Ursache einer Polydipsie kommen. Ebenfalls pathogenetisch wichtig sind Diuretikamissbrauch und psychogene Aspekte.
gesichert In leichten Fällen helfen initial nicht-steroidale Antiphlogistika (Indometacin, Diclofenac, ASS, Piroxicam, etc.) oder Cyclooxygenase-2Hemmer (Rofecoxib, Celecoxib). Akute Schübe sollten mit Prednisolon behandelt werden (initial 18–60 mg/jeden 2. Tag, dann rasche Reduktion auf 7,5 mg anstreben und in wö-
Polydipsie Definition Als Polydipsie wird ein krankhaft gesteigertes Durstgefühl mit übermäßiger Flüssigkeitsaufnahme bezeichnet.
Einleitung
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Therapie
Entscheidend sind physiotherapeutsiche Maßnahmen zur Erhaltung der Bewegungsfähigkeit und um Schrumpfungen und Muskelatrohpien vorzubeugen. Bei akuter entzündlicher Aktivität sollten Wärmeanwendungen und BalneoTherapien unterbleiben.
Differenzialdiagnose 1. Diabetes insipidus Zentral: Idiopathisch (1/3 der Fälle), symp-
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Polymikrogyrie
tomatisch (2/3 der Fälle), z. B. durch Tumoren der Hypophyse oder ihrer Nachbarschaft, Metastasen, Traumen, neurochirurgische Operationen, selten durch Sarkoidose, Enzephalitis, Meningitis. Nephrogener Diabetes insipidus: Beim Diabetes insipidus kommt es zu der klassischen Symptomentrias der Polurie, Polydipsie, Asthenurie (fehlende Konzentrationsfähigkeit der Niere). 2. Psychogene Polydipsie. 3. Diabetes mellitus (osmotische Diurese). 4. Diuretikamissbrauch.
Therapie Kausale und symptomatische Therapie. gesichert * Beim zentralen Diabetes insipidus kausal (z. B: Tumoroperation) und symptomatisch mit Desmopressin (Minirin®) zur intranasalen Anwendung. * Beim nephrogenen Diabetes insipidus ebenfalls kausal und symptomatisch mit Thiaziddiuretika oder nichtsteroidalen Antiphlogistika. * Bei allen anderen Ursachen nach Möglichkeit ebenfalls kausal und symptomatisch.
Polymikrogyrie Definition Bei den Polymikrogyrien handelt es sich um Migrationsstörungen, bei denen die tiefen Großhirnrindenschichten intakt sind, während der oberflächliche Cortex desorganisiert ist.
Einleitung Oft treten andere Fehlbildungen wie Heterotopien, Pachygyrie oder eine Corpus-callosumAgenesie hinzu. Diese Migrationsstörung tritt vermehrt bei Trisomie 18,13,8 und geringer auch bei der Trisomie 21 auf. Ebenso werden sie bei Stoffwechselerkrankung wie dem M. Zellweger, der Hyperglyzinämie, aber auch beim Alkoholembryopathiesyndrom beobachtet. 3
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Therapie Keine kausale Therapie.
Polymyalgia rheumatica Einleitung Das Hauptsymptom sind unangenehme ziehende Schmerzen in den langen proximalen Muskelgruppen. Häufig beschreiben die Patienten eine morgendliche Steifigkeit in den großen Gelenken, wobei der Schültergürtel mehr als der Hüftgürtel betroffen ist. Initial kann sich die Symptomatik uni- oder bilateral manifestieren, im weiteren Verlauf typischerweise immer bilateral. Zusätzlich leiden die Patienten unter einer Schwellung von Händen und Füßen sowie unter Allgemeinsymptomen, wie Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme oder subfebrilen Temperaturen.
Diagnostik Wie bei der Riesenzellarteriitis ist der sensitivste Parameter die Erhöhung der BSG. Dennoch haben 20% der Patienten einen normalen oder nur leichtgradig erhöhten Wert. Ansonsten finden sich wie bei der Riesenzellarteriitis unspezifische Laborveränderungen. Die SerumKreatin-Kinase ist normal, was eine Abgrenzung zur Polymyositis und primären Muskelerkrankungen erlaubt. Weitere Differenzialdiagnosen sind maligne Erkrankungen, akute oder chronische Infektionserkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Depression, Osteoarthritis und die rheumatoide Arthritis, bei denen häufig eine erhöhte BSG nachzuweisen ist. Als wichtiges diagnostisches Kriterium ist das rasche Ansprechen der Symptomatik auf die Gabe von niedrig dosierten Kortikosteroiden einzuschätzen. Diagnostische Kriterien der Polymyalgia rheumatica [1]: * Alter ≥50 Jahre * Morgensteifigkeit der Gelenke * Symmetrische Arthralgien und Myalgien des Brust- oder Beckengürtels * BSG ≥40 mm/h * Ausschluss anderer Ursachen * Promptes Ansprechen auf Kortikosteroide 3
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Bei ca. 25% aller Patienten mit einer PMR ist eine Riesenzellarteriitis assoziiert. Daher wird die Frage nach der Notwendigkeit einer Temporalisbiopsie kontrovers diskutiert. Da sich die Prognose von Patienten mit einer PMR und asymptomatischer Riesenzellarteriitis nicht von der von Patienten mit alleiniger PMR un-
Polyneuritis
Therapie Die adäquate Therapie der PMR besteht in der oralen Gabe von niedrig dosierten Kortikosteroiden. Sollte sich der Zustand des Patienten unter dieser Therapie nicht bessern, muss die Diagnosestellung erneut verifiziert werden. gesichert Startdosis: Über ca. 4 Wochen 10–20 mg Prednison/d bis sich die BSG normalisiert und der Patient beschwerdefrei ist. Dosisreduktion: Über einen Monat um 1– 2,5 mg/d reduzieren (Zieldosis 10 mg), dann über einen weiteren Monat um 1 mg/d ausschleichend reduzieren [3]. Nicht selten tritt in der Reduktionsphase ein Rezidiv auf. Dann sollte zur ursprünglichen Startdosis zurückgekehrt werden. Dies führt zu einer oftmals jahrelangen Therapie. Bei Patienten mit einer assoziierten Riesenzellarteriitis ist eine entsprechend höher dosierte Kortikoidtherapie vonnöten. empirisch Eine Reduktion der Kortikoiddosis durch Begleitmedikation wie Methotrexat, Azathioprin, Antimalariamittel.
noch sind Patienten ohne adäquate Therapie sehr in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Die Mortalität bei behandelten Patienten ist mit der von Gesunden identisch.
Literatur 1. Evans JM, Hunder GG. Polymyalgia rheumatica and giant cell arteritis. Clin Geriatr Med 1998; 14:455–473.) 2. Gabriel SE et al. Adverse outcomes of antiinflammatory therapy among patients with polymyalgia rheumatica. Arthritis Rheum 1997; 40:1873–8. 3. Goodwin JS. Progress in gerontology: polymyalgia rheumatica and temporal arteritis. J Am Geriatr Soc 1992; 40:515–525 4. Labbe P. et al. Epidemiology and optimal management of polymyalgia rheumatica. Drugs Aging 1998; 13:109–18
Polymyositis 3
terscheidet, sollte jedoch nur in dringenden Verdachtsfällen biopsiert werden [3].
Myositis, Polymyositis
Polymyositis, paraneoplastische 3
Myositis, paraneoplastische
P Polyneuritis Synonyme 3
unwirksam/obsolet In einigen Studien wurde belegt, dass hochdosierte nicht-steroidale Antiphlogistika eine gewisse Wirksamkeit haben. Allerdings waren die Behandlungsergebnisse im Vergleich zu der Kortikoidtherapie nicht befriedigend [4]. Die Kombinationstherapie von Kortikosteroiden und nicht-steroidalen Antiphlogistika hat eine erhöhte Komplikationsrate zur Folge [2].
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Polyneuropathie, entzündliche
Definition
Die PMR hat nicht die schwerwiegenden Komplikationen wie die Riesenzellarteriitis. Den-
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Prognose
Entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven selber (nicht der versorgenden Gefäße), die in der Regel immunvermittelt ist. Als klassische Neuritiden müssen die akute, inflammatorische demyelinisierende Poly-(radikulo-) neuropathie (AIDP, Guillain-Barré-StrohlSyndrom (GBS), GBS, früher auch Polyradikulitis), die chronisch-inflammatorische, demyelinisierende Poly-(radikulo-)neuropathie (CIDP, früher auch chronische Polyradikulitis oder chronisches GBS) und die multifokal motorische (Poly-)Neuropathie (MMN). 3
Während der Reduktionsphase sollte der Patient regelmäßig untersucht werden. Es empfiehlt sich, in den ersten 2–3 Monaten monatliche BSG-Kontrollen vorzunehmen, danach jeweils im Abstand von 2–3 Monaten. Dies sollte bis 1 Jahr nach Beendigung der Therapie fortgeführt werden.
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Nachsorge
Polyneuritis cranialis
Diagnostisch entscheidend ist die Lumbalpunktion zum Nachweis bzw. Ausschluss erregerbedingter entzündlicher Veränderungen bzw. einer autoimmunen Genese. Unter der Fragestellung einer demyelinisierenden Läsion (akutes Guillain-Barré-Syndrom) kann eine elektrophysiologische Hirnnervenuntersuchung erfolgen (NLG, Magnetstimulation), falls die elektrophysiologische Diagnostik der Extremitäten unergiebig ist. Gegebenenfalls muss zum Ausschluss einer Raumforderung ein zerebrales Kernspintomogramm unter besonderer Berücksichtigung der basalen Meningen erfolgen.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung, z. B. Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS), Sarkoidose. Kommt es zu persistierenden Hirnnervenausfällen, so kann gegebenenfalls eine symptomatische Therapie erfolgen, Nervus olfactorius, Läsion; Nervus opticus, Läsion; Nervus oculomotorius, Läsion; Nervus trochlearis, Läsion; Nervus trigeminus, Läsion; Nervus abducens, Läsion; Nervus facialis, Läsion; Nervus vestibularis, Läsion; Nervus glossopharyngeus, Läsion; Nervus vagus, Läsion; Nervus accessorius, Läsion; Nervus hypoglossus, Läsion. 3
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Die Diagnostik soll die entzündliche Genese (und damit die Therapiefähigkeit) der Erkrankungen sichern. Dieses erfolgt zum einen elektrophysiologisch durch den Nachweis fokaler demyelinisierender Herde (Leitungsblock, fokale temporale Dispersion), meist in verschiedenen Regionen. Als Zeichen der Wurzelbeteiligung ist das Liquoreiweiß häufig erhöht (GBS, CIDP). Schließlich kann die Neuritis häufig in der Nervenbiopsie nachgewiesen werden (mononukleäre Zellinfiltrate).
Diagnostik
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Diagnostik
Die eigentliche Polyneuritis cranialis ist als Sonderform des akuten Guillain-BarréStrohl-Syndroms (GBS) bei somit autoimmuner Genese anzusehen. Symptomatische Formen kommen z. B. im Rahmen eines Neurosarkoidose ( Polyneuropathie, Sarkoidose) oder einer anderen basalen Meningitis vor.
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Prädilektionsorte der entzündlichen Veränderungen sind Regionen mit besonders durchlässiger Blut-Nerven-Schranke wie Wurzeln oder distale Nervenendigungen im Bereich der neuromuskulären Synapse, sodass der Krankheitsprozess häufig in diesen Lokalisationen beginnt. Die Ausfälle können also durchaus proximal beginnen. Die klinischen Defizite sind häufig asymmetrisch, gerade bei längerem Verlauf kommen aber auch symmetrische Neuropathien vor. Zur speziellen Klinik siehe die einzelnen Krankheitsbilder ( GBS, CIDP, MMN). Die Neuropathien sind in der Regel demyelinisierend, axonale Begleitschäden sind häufig. Einzelne axonale Sonderformen (axonale GBS, axonale CIDP) kommen vor.
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Einleitung
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Polyneuritis, serogenetische (neuralgische Schulteramyotrophie) 3
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Polyneuritis cranialis
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Die Therapie umfasst immunsuppressive oder immunmodulatorische Maßnahmen (z. B. Steroide, hochdosierte intravenöse Immunglobuline, Plasmapheresen, Cyclophosphamid, Azathioprin, Ciclosporin, Rituximab). Das therapeutische Vorgehen und die Wirksamkeit der einzelnen Medikamente ist aber bei den verschiedenen Grunderkrankungen differierend, sodass hier auf die einzelnen Erkrankungen verwiesen wird ( GBS, CIDP, MMN).
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Therapie
Schulteramyotrophie, neuralgische
Definition Multiple, häufig symmetrische Hirnnervenausfälle entzündlicher Genese, die isoliert auftreten oder zumindest bei begleitender Polyneuropathie der Extremitäten klinisch im Vordergrund stehen.
Polyneuropathie Definition Systemische Erkrankung der peripheren Ner-
Polyneuropathie
ven mit Affektion motorischer, sensibler und vegetativer Nervenfasern.
Einleitung Die Prävalenz von Polyneuropathien wird in der Gesamtbevölkerung auf ca. 2–3% geschätzt. Häufigste Polyneuropathie ist dabei die Polyneuropathie im Rahmen eines Diabetes mellitus. 1. Klinische Befunde: Kardinalsymptome von Polyneuropathien sind schlaffe Lähmungen, sensible Defizite oder Reizerscheinungen wie Kribbelparästhesien, Dysästhesien und brennende Schmerzen, Muskelkrämpfe sowie vegetative (autonome) Störungen. In Spätstadien zeigt sich aufgrund der Deafferenzierung das Bild einer sensiblen Gangataxie. Durch die Affektion autonomer Nervenfasern kommt es häufig zu an den distalen (akralen) Extremitätenabschitten betonten Gefäßdysregulationen mit zyanotisch verfärbter Haut, Störungen der Schweißsekretion (Hyper- und Anhidrose) und trophischen Störungen von Haut und Nägeln. Weiterhin treten gelegentlich Störungen der HerzKreislaufregulation mit orthostatischer Hypotonie auf. Typischerweise sind die Ausfälle nicht auf die motorischen und sensiblen Versorgungsstrukturen einzelner Stammnerven oder Nervenwurzeln beschränkt und an den Extremitäten häufig distal und symmetrisch betont. Sensibel kommt es häufig zu strumpf- oder handschuhförmig begrenzten Ausfällen und Reizerscheinungen. Lähmungen und Muskelatrophien treten meist zuerst distal im Bereich der Fuß-, Unterschenkelund Handmuskulatur auf. Selten findet man asymmetrische und für bestimmte Nerven betonte Schädigungszeichen i. S. einer Neuropathie vom Schwerpunkt- oder MultiplexTyp. Noch seltener sind proximale Lähmungen ggf. auch Sensibilitätstörungen im Becken- und Schultergürtel. Auch motorische Hirnnerven wie der N. facialis und der N. trigeminus können ein- oder doppelseitig betroffen sein. Typischerweise und im Gegensatz zu Erkrankungen des Zentralnervensystems sind die Muskeleigenreflexe bei Polyneuropathien in der Regel distal betont abgeschwächt oder aufgehoben. Im Frühstadium der Erkrankung ist meistens die Sensibilität, besonders die Pallästhesie, mehr als
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die Kraft beeinträchtigt. In einigen Fällen ist auch eine Beteiligung kardialer vegetativer Fasern mit konsekutiv aufgehobener Modulation des Herzrhythmus bei tiefer In- und Exspiration und Extrasystolen, eine Beteiligung gastrointestinaler Funktionen sowie eine Affektion der Blasen- und Mastdarminnervation im Krankheitsverlauf nachweisbar. Bei Männern manifestiert sich häufig eine erektile Impotenz. Meistens entwickeln sich die Symptome langsam fortschreitend über Monate bis Jahre, besonders bei entzündlichen Ursachen sind aber auch akute oder subakute Verläufe möglich. 2. Klassifikation von Polyneuropathien: Polyneuropathien können nach dem klinischen Verteilungsmuster der Symptome (distal/proximal/symmetrisch/multiplex), nach der bevorzugten Affektion (sensibler, motorischer und vegetativer Nervenfasern), nach morphologischen Kriterien im Rahmen der neurophysiologisch oder nervenbioptisch nachgewiesenen Schädigung von Markscheide (demyelinisierende PNP) oder Axon (axonale PNP) oder nach der Ätiologie eingeteilt werden.
Diagnostik Anamnese und klinische Untersuchung sind häufig wegweisend. Neurophysiologische Diagnostik (Elektroneuro- und myographie): Mit Hilfe der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit kann die Affektion motorischer und sensibler Nervenfasern bestimmter Nerven, z. B. N. medianus oder N. peroneus objektiviert werden. Zumindest im Anfangsstadium kann eine Unterscheidung in primär axonale und primär demyelinisierende Polyneuropathien möglich sein. Die elektromyographische Untersuchung wird mit der Frage nach pathologischer Spontanaktivität in Form von Fibrillationspotentialen oder positiven scharfen Wellen als Ausdruck florider axonaler Schädigung durchgeführt. Weiterhin kann aus verschiedenen Parametern der Potentiale der motorischen Einheiten wie Amplitude, Dauer, Konfiguration und Stabilität Information darüber gewonnen werden, wie schwer und akut der neurogene Krankheitsprozess ist. Zur Objektivierung autonomer Funktionsstö-
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Polyneuropathie
Polyneuropathie. Tab. 1: Polyneuropathie-Klassifikationen Ursachen von Polyneuropathien Stoffwechselstörungen
Diabetes mellitus, Urämie, Leberzirrhose, Hypothyreose, Criticalillness-Neuropathie, Vitamin E-Mangel bzw. Resorptionsstörung (Bassen-Kornzweig-Syndrom).
Exogen-toxisch
Alkohol, Medikamente, Lösungsmittel, Schwermetalle.
Mangel/Fehlernährung
z. B. Vitamin-B1-, - B6-, - B12- und Folsäuremangel oder Resorptionsstörungen, Sprue.
Kollagenosen, Vaskulitiden z. B. Panarteriitis nodosa, SLE*, PCP*. Entzündlich
AIDP* (GBS), CIDP*, MMN*, HIV- oder Herpes-Infektionen, Borreliose, Botulismus, Sarkoidose, Mononukleose, Lepra, Diphterie.
Paraneoplastisch
z. B. bei Bronchialkarzinom.
Dys/Paraproteinämien
Gammopathien, Morbus Waldenström.
Genetisch
HMSN*, HSAN*, primäre Amyloidose, Porphyrie, HNPP*.
SLE: Systemischer Lupus erythematosus. PCP: Primär chronische Polyarthritis. AIDP: Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie. GBS: Guillain-Barré-Syndrom. CIDP: Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie. MMN: Multifokale motorische Neuropathie. HMSN: Hereditäre motorische und sensible Neuropathie. HSAN: Hereditäre sensible und autonome Neuropathie. HNPP: Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckparesen.
Polyneuropathie. Tab. 2: Diagnostische Differenzierung zwischen primär axonaler und primär demyelinisierender Polyneuropathie Primär axonale PNP
Vaskulitische PNP (z. B. bei Immunkomplex-Arteriitis, Panarteriitis). Alkoholische PNP (meistens). Toxische und medikamentös toxische PNP (meistens). Paraneoplastische PNP (meistens). HMSN Typ II. PNP bei Porphyrie.
Primär demyelinisierende PNP AIDP und CIDP. MMN mit Leitungsblock. Diabetische PNP (häufig). Blei-PNP. Nephrogene PNP. PNP bei Gammopathien (paraproteinämisch). HNPP. HMSN Typ I und III. Metachromatische Leukodystrophie. Abkürzungen siehe Tab. 1.
Polyneuropathie
rungen werden der Ninhydrin-Schweiß-Test (oder der Schweißversuch nach Minor), besonders aber die Bestimmung der respiratorischen Herzfrequenzvariation und die Ableitung peripherer autonomer Potentiale (sympathische Hautantwort) eingesetzt. Seltener werden zum Nachweis autonomer Störungen pupillometrische Messungen, Untersuchungen der gastrointestinalen Motorik und urodynamische Messverfahren durchgeführt. In Tab. 3 sind Polyneuropathien mit ausgeprägter vegetativer Beteiligung aufgelistet. Klinisch am häufigsten sind dabei die diabetische PNP und die PNP im Rahmen eines Alkoholabusus. Akut auftretende autonome Störungen findet man besonders häufig bei der AIDP. Ätiologische Diagnosesicherung: Zur standardisierten Diagnostik bei Polyneuropathie-Syndromen ungeklärter Ursache gehört eine differenzierte Liquoruntersuchung. Im Rahmen der Liquoranalyse muss insbesondere nach Entzündungszeichen wie Pleozytose, Aktivierung des Immunsystems (Lymphoidzellen, Plasmazellen) oder einer Dissociation albuminocytologique (Eiweißerhöhung bei relativ normaler Zellzahl), z. B. bei der AIDP bzw. CIDP gefahndet werden. Differenzialdiagnostisch müssen im Rahmen der Liquordiagnostik neoplastische (z. B. Lymphom), paraneoplastische (paraproteinämische PNP) oder erregertypische (HIV, Lepra) Befundmuster abgegrenzt werden. Tabelle 4 listet die Blutparameter auf, die zur Abklärung einer PNP untersucht werden sollten. Zu den sogenannten Vaskulitisparametern zur Abklärung einer Polyneuropathie im Rahmen von Kollagenosen zählen Antikörper gegen Zellkerne (ANA) und Doppelstrangantikörper
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(dsDNA), die bei 96% bzw. 80% der Patienten mit SLE positiv sind. Positive Rheumafaktoren finden sich vermehrt bei der Rheumatoiden Arthritis, bei SLE und beim Sjögrensyndrom. Neben den genannten auslösenden Faktoren können eine ganze Reihe von Medikamenten als Nebenwirkung eine PNP verursachen. Dazu gehören insbesondere Stoffgruppen wie Zytostatika (z. B. Cisplatin, Vincristin), Antirheumatika (Chloroquin, Gold, Indometacin), Antibiotika (z. B. INH) und Antidepressiva (z. B. Imipramin). Paraneoplastische PNP treten vor allem bei Karzinomen der Lunge, des Magens, der Mammae und der weiblichen Genitalorgane, sowie bei Morbus Hodgkin, Leukämie und malignen Retikulosen auf. Bei Hinweisen auf ein paraneoplastisches Geschehen sind entsprechende bildgebende (röntgenologische und kernspintomographische) Untersuchungen erforderlich. Weiterhin sollten je nach klinischem Verdacht bzw. Lokalisation des Tumors die entsprechenden Fachdisziplinen konsultiert werden. Falls die Ätiologie der Polyneuropathie anderweitig nicht geklärt werden kann, ist eine Nervenbiopsie, besser noch eine Nerv-Muskelbiopsie, erforderlich. Die synchron durchgeführte Muskelbiopsie erleichtert dabei die Detektion einer vaskulitischen PNP wesentlich. Meist wird der N. suralis als rein sensibler Nerv sowie ein benachbarter Muskel bioptiert. Dabei muss gewährleistet sein, dass nicht nur Paraffin- und Semidünnschnitt-Präparate lichtmikroskopisch untersucht werden, sondern dass auch gezielt enzym- und histochemische sowie elektronenmikroskopische Untersuchungen durchgeführt werden. Ziel ist es, entzündliche oder (heredo-) degenerative Veränderungen
Polyneuropathie. Tab. 3: Polyneuropathien mit vegetativer Beteiligung PNP mit ausgeprägter autonomer AIDP Beteiligung bei Akuter intermittierender Porphyrie Alkohol (Hyperhidrosis) Amyloidose Diabetes mellitus (Hypohidrosis, HRV vermindert) HSAN Typ III und IV Intoxikationen (z. B. Akrylamid, Hexan, Triarylphosphat, Schwefelkohlenstoff, Thallium, Arsen, Isoniazid) Lepra Vaskulitis HRV: Respiratorische Herzfrequenzvariation
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Polyneuropathie
Polyneuropathie. Tab. 4: Laborparameter zur Abklärung unklarer PNP Laborparameter im Blut bei unklarer PNP
Differenzialblutbild. Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein. Blutzucker: Tagesprofil, oraler Glukosetoleranztest, HbA1C. Kreatinin, Harnstoff. Leberenzyme. Serum- und Immunelektrophorese. Eisenspiegel, ggf. Tumormarker. Vitamine: Vitamin B1, B6, B12, Folsäure, Schillingtest. Schilddrüsenwerte. Lipidwerte. ACE. Rheumaserologie und weitere Vaskulitisparameter. GM1-Antikörper, Anti-MAG-Antikörper. Genetische Störung, z. B. Phytansäure, Uro- und Koproporphyrine. Erreger: Borrelia Burgdorferi IFT, HIV-Test, TPHA, Varicella zoster, Campylobacter jejuni, Zytomegalie- und Epstein-Barr-Virus. In speziellen Fällen Untersuchung auf Toxine und Schwermetalle.
ACE: Angiotensin konvertierendes Enzym GM1: Gangliosid 1-Antikörper IFT: Immunfluoreszenztest TPHA: Treponema pallidum Hämagglutinationstest
Polyneuropathie. Tab. 5: Therapieprinzipien bei häufig auftretenden Polyneuropathie-Syndromen Kausalorientierte Therapie Alkohol, Schwermetallexposition
Meiden ätiologisch relevanter Noxen.
Vitaminmangel
Vitaminsubstitution (B1, B6, B12, Folsäure).
Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz etc.
Behandlung der ursächlichen Stoffwechselstörung.
Vaskulitis/Kollagenose
Steroide, Azathioprin, Cyclophosphamid.
Paraneoplastisch
Behandlung der Neoplasie.
Infektion a. Borreliose b. Herpes zoster c. HIV-Infektion
a. Ceftriaxon 1×2 g/Tag über 2–3 Wochen.b. Aciclovir 3×10 mg/ kgKG/Tag 2 Wochenc. Transkriptase- Proteasehemmer.
AIDP (GBS)
0,4 g/kgKg pro Tag IVIG über 5 Tage, alternativ oder bei Nichtansprechen Plasmapherese; intensivtherapeutische Maßnahmen.
CIDP
Akuttherapie: Steroide und Azathioprinalternativ: IVIG oder Plasmapherese. Langzeittherapie: Azathioprin und Steroidealternativ: IVIG oder Cyclosporin A (Reserve).
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IVIGCyclophosphamid-Stoßtherapie, u. U. Kombination.
AIDP: Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie. GBS: Guillain-Barré-Syndrom. CIDP: Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie. IVIG: Intravenöse Immunglobuline MMN: Multifokale motorische Neuropathie.
Polyneuropathie
nachzuweisen und genauer zu typisieren. Bei den isolierten Angiitiden des peripheren Nervensystems bestehen keine systemischen Entzündungszeichen. Die Diagnose basiert auf dem positiven Nachweis einer Vaskulitis der Vasa nervorum in der Nerv-Muskelbiopsie. Dabei muss stets eine primär peripher-neurale Manifestation einer systemischen „small-vessel-Vaskulitis“ (z. B: Thrombangiitis obliterans) ausgeschlossen werden. Bei Verdacht auf eine hereditäre Form einer Polyneuropathie (HMSN, HNPP etc.) kann die neurogenetische Untersuchung wesentlich zur Diagnosefindung beitragen. *
Therapie Tabelle 5 gibt eine Übersicht über die Prinzipien der Therapie von häufigen Polyneuropathie-Syndromen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer kausalorientierten, d. h. am jeweiligen Pathomechanismus ansetzenden Therapie und symptomatischen Verfahren, wie der Behandlung neuropathischer Schmerzen. Neben der symptomatischen medikamentösen Therapie haben intensive krankengymnastische und physikalische Maßnahmen sowie orthopädische Hilfsmittel wie Peroneusschienen und orthopädisches Schuhwerk einen festen Platz innerhalb des therapeutischen Gesamtkonzeptes. Bei quälenden Parästhesien und Schmerzen sind kalte und warme Extremitätenwickel, Wechselgüsse und Wechselfußbäder wirksam. Bei nächtlichen Crampi helfen manchmal Wechselfußbäder vor dem Schlafengehen oder ein warmes Ganzkörperbad. Bei hochgradigen Lähmungen müssen durch entsprechende prophylaktische Maßnahmen und optimale Lagerung Muskel- und Gelenkkontrakturen, Nervendruckläsionen und Dekubitalulzera vermieden werden. Die therapeutische Wirkung von Alphaliponsäure bei der diabetischen Polyneuropathie ist sehr umstritten und wissenschaftlich bisher nicht gesichert. 1. Therapie trophischer und autonomer Störungen * Trophische Ulzera und Hautveränderungen: Zur Therapie besonders des polyneuropathisch geschädigten diabetischen Fußes mit entsprechenden trophischen Störungen ist eine professionelle Haut- und Fußpflege erforderlich. Zur Prophylaxe
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von trophischen Ulzera sind neben lokal entlastenden Maßnahmen, z. B. durch entsprechendes Schuhwerk lokal bakterizide Maßnahmen (z. B. Antiseptika), sowie bei Sekundärinfektionen oral oder parenteral Antibiotika erforderlich. Trophische Ulzera erfordern meist eine langfristige sachkundige Behandlung. Bei Hyper- oder Hypohidrosis ist einerseits der Einsatz von Anticholinergika, ggf. sogar von lokal appliziertem Botulinumtoxin oder andererseits ein Versuch mit Antiseptika und Cholinergika sinnvoll. Orthostatische Hypotonie: Bei autonomen Kreislaufregulationsstörungen mit Blutdruckabfall bei orthostatischer Belastung können neben vermehrter Flüssigkeits- und/oder Salzzufuhr Stützstrumpfhosen sinnvoll sein. Gegebenenfalls werden auch oral Nebennierenrindensteroide (z. B. Fludrocortison 0,1 mg) oder Midodrin (2,5–5 mg alle 2–3 h, Höchstdosis 40 mg/Tag) eingesetzt. Kardiale Rhythmusstörungen: Bei respiratorischer Frequenzstarre als Ausdruck der autonomen Neuropathie oder sonstigen kardialen Rhythmusstörungen, z. B. Leitungsstörungen im Rahmen der AIDP, kann ggf. sogar ein Herzschrittmacher erforderlich sein. Die Gabe von Antiarrhythmika sollte allenfalls in Abstimmung mit dem Kardiologen erfolgen. Erektile Dysfunktion: Bei erektiler Impotenz sollten immer medikamentöse Nebenwirkungen (z. B. bei Antihypertonika, Tranquilizer, Antidepressiva) als Mitursache ausgeschlossen werden. Medikamentös kommen die SKAT-Methode mit intrakavernöser Injektion von Prostaglandin oder die Gabe von Sildenafil in Betracht. Weitere therapeutische Optionen sind Penisprothesen und die Vakuum-Methode. Gastroparese, Enteropathie und Obstipation: Bei Gastroparese gibt man Domperidon (3×10 mg/Tag oral), Metoclopramid (3× 10 mg/Tag oral) jeweils ca. 20 Minuten vor dem Essen. Bei Enteropathie erfolgt eine ggf. alternierende Behandlung mit Breitbandantibiotika und Kortikosteroi-
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Polyneuropathie
den über jeweils 5–7 Tage. Bei Obstipation ist die vermehrte orale Aufnahme von Ballaststoffen wirksam. * Blasenstörungen: Anfangs erfolgt eine regelmäßige Katheterisisierung unter Antibiotikaschutz. Ein Versuch mit Carbachol (2–4 x 2 mg/Tag oral) ist manchmal erfolgreich. 2. Schmerztherapie Schmerzen sind im Rahmen der verschiedenen Polyneuropathiesyndrome häufig ein Leitsymptom. Eine adäquate Schmerztherapie ist daher für den Patienten sehr relevant. Die Grundprinzipien der medikamentösen Schmerztherapie bei Polyneuropathien zeigt Tab. 6. Bei epikritischen, d. h. hellen stechenden und gut lokalisierbaren Schmerzen ist das Antiepileptikum Carbamazepin das am häufigsten angewendete Medikament. Es wirkt membranstabilisierend und hemmt die Ausbreitung ektoper Impulse in geschädigten Nervenfasern. Es sollte wegen möglicher Nebenwirkungen (Schwindel, Gangunsicherheit, Müdigkeit etc.) einschleichend dosiert werden. Da es zu Veränderungen des Blutbildes sowie der Leber- und Nierenfunktion kommen kann, sollten die entsprechenden Parameter regelmäßig und anfangs engmaschig (wöchentlich) kontrolliert werden. Bei dumpfen brennenden und ausstrahlenden Schmerzen werden, gegebenenfalls auch in Kombination mit Carbamazepin, trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Clomipramin etc.) eingesetzt. Thymoleptika besitzen eine zentrale schmerzmodulierende Wirkung möglicherweise über eine Aktivierung deszendierender antinozizeptiver monoaminerger (vorwiegend serotoninerger) Bahnsysteme. Sie sollten ebenfalls einschleichend gegeben werden. Eine Aussage über die Wirkung ist erst nach 2–3 Wochen möglich. Wegen anticholinerger Nebenwirkungen sollten diese Präparate bei Prostatahypertrophie und Glaukom nicht oder nur in Abstimmung mit den entsprechenden Fachkollegen gegeben werden. Die kardiale Funktion sollte klinisch und mittels EKG überprüft werden, da es zu Rhythmusstörungen kommen kann. Bei zerebralen Abbauprozessen ist Vorsicht geboten, da Verwirrtheitszustände und psychotische Entgleisungen auftreten können. Diphenylhydantoin (Phenytoin) blockiert das Auftreten von Spontanaktivität in experimentell er-
zeugten Neuromata in peripheren Nerven. Es hemmt weiterhin die Weiterleitung und posttetanische Potenzierung neuronaler Aktivität an Synapsen und blockiert frequenzabhängig Natriumströme an Zellmembranen. Es ist bei neuropathischen und neuralgiformen Schmerzen wirksam, zeigt aber im Vergleich zu Carbamazepin häufiger und z. T. auch irreversible Nebenwirkungen (z. B. Kleinhirnsymptome), sodass es bei neuropathischen Schmerzen als Mittel der 2. oder 3. Wahl eingesetzt wird. Erste Studienergebnisse weisen daraufhin, dass neue nicht bzw. weniger anticholinerg wirkende Substanzen wie Gabapentin, verschiedene Serotonin-Reuptake-Hemmer, Lidocain und Mexiletin bei neuropathischen Schmerzen ebenfalls wirksam sind. Neuroleptika sollten wegen der Gefahr von Spätdyskinesien nur als Ultima Ratio eingesetzt werden. Bei schweren und sonst therapierefraktären Schmerzen kommt auch die Applikation von Opioiden, z. B. als Fentanylpflaster zur Aufrechterhaltung konstanter Serumspiegel in Betracht. Der GABAb-Agonist Baclofen hat neben den bekannten antispastischen Effekten über verschiedene Angriffspunkte im ZNS auch analgetische Wirkungen. Baclofen ist besonders bei neuralgiformen Schmerzen (z. B. postherpetische Neuralgie, Trigeminusneuralgie) wirksam. Alpha-2-adrenerge Agonisten wie der Blutdrucksenker Clonidin (0,15–maximal 0,45 mg/Tag) zeigen bei neuropathischen Schmerzen, z. B. bei nächtlichen Krämpfen in den Beinen bei Diabetes mellitus, oft eine positive Wirkung. Ein weiterer Ansatz ist die topische Applikation von CapsaicinCreme. Capsaicin ist ein Alkaloid, welches zu einer Entleerung der Speicher von Substanz P in der Haut führt und die neurogene Plasmaextravasation und damit den Schmerz längerfristig vermindert. Bei umschriebenen Schmerzen, z. B. bei der postherpetischen Neuralgie ist es wirksam.
Literatur 1. Adams RD, Victor M, Ropper AH (Hartung H-P, Poewe W, Reichmann H: Deutsche Ausgabe) (1999). Prinzipien der Neurologie. McGraw-Hill, Maidenhead, Frankfurt.
Polyneuropathie, chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (C ...
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Polyneuropathie. Tab. 6: Grundprinzipien der medikamentösen Schmerztherapie bei Polyneuropathie-Syndromen Medikament
Dosierung
Behandlung
Besonderheiten
Carbamazepin
600–1200 mg/ Tag
Einschleichend oral
Auch Antiepileptikum; Enzyminduktion möglich.
Einschleichend oral i. v. oder oral
Kontraindikationen: akuter Harnverhalt, paralytischer Ileus, schwere kardiale Überleitungsstörungen.
Trizyklische An- Amitriptylin: tidepressiva ca.75 mg/Tag Clomipramin: bis ca. 100 mg/ Tag Gabapentin
3×200–3× Einschleichend 600 mg/Tag oral (max. 2400 mg)
Keine Interaktionen mit Carbamazepin und Phenytoin; Kontraindikation: Pankreatitis.
Mexiletin
3×100(-200) mg/ Oral Tag
Antiarrhythmikum (Rücksprache mit Kardiologen bei Herzerkrankung).
Phenytoin
Reservemittel; zahlreiche ca. 300 mg/Tag Oral, vorüberge(ggf. bis 500 mg) hend i.v. via Perfu- Nebenwirkungen. sor möglich
z. B. ParoxetinSerotoninReuptake-Hem- HCl: ca. 40 mg mer
Oral
Wirkungsspektrum muss durch weitere Studien erhärtet werden.
Chininsulfat
200 mg abends
Oral
Bei nächtlichen Krampi, z. B. im Bereich der Waden.
Baclofen
3×10 mg/Tag (selten 3× 20 mg/Tag)
Oral
Auch Antispastikum (intrathekale Gabe möglich); Kontraindikation: zerebrale Anfallsleiden.
Clonidin
0,1 mg/Tag (bis max. 0,4 mg/ Tag)
Oral
Antihypertonikum; Anwendung z. B. bei nächtlichen Krämpfen bei Diabetes.
Opioide
Bevorzugt Fentanylpflaster: 25–50 µg/h
Transkutan, ggf. andere Opioide oral
Ultima Ratio; durch Pflaster gleichmäßige Wirkspiegel.
Polyneuropathie, alkoholische
Polyneuropathie, autonome 3
2. Engelhardt A (1999). Polyneuropathien. In: Berlit P. (Hrsg.) Klinische Neurologie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York S. 409–433. 3. Dyck PJ, Thomas PK, Griffin JW, Low PA, Poduslo JF (eds) (1993). Peripheral neuropathy, 3rd edn. Saunders, Philadelphia London.
Neuropathie, autonome
Polyneuropathie, chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
Alkohol/alkoholisch, Polyneuropathie
Synonyme Chronische Polyradikuloneuritis, chronisches GBS (cGBS), steroid-responsive recurrent polyneuropathy
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Polyneuropathie, chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (C ...
Definition Chronisch entzündliche und über Monate bis Jahre progrediente, meist beinbetonte Erkrankung der peripheren Nerven mit Paresen, Dysästhesien und sensiblen Defiziten.
Einleitung Die Symptome sind über mindestens 8 Wochen meist Monate bis Jahre progredient. Rein sensible oder motorische Symptome sind selten. Armbetonung und Hirnnervenausfälle können vorkommen. Es besteht eine Hypo- oder Areflexie.
Diagnostik Die Muskeleigenreflexe sind meist bereits früh abgeschwächt oder fehlend. Elektrophysiologisch finden sich verminderte Nervenleitgeschwindigkeiten und amplitudengeminderte motorische und sensible Nervenaktionspotentiale, z. T. auch Leitungsblöcke und eine abnorme Dispersion der motorischen Summenaktionspotentiale. Die distal motorischen Latenzen sind verlängert, die F-Wellen verzögert oder fehlend. Im EMG zeigen sich deutliche chronisch neurogene Veränderungen mit Umbau der motorischen Einheiten, vermindertem Willkürmuster und meist auch pathologischer frischer Spontanaktivität. Im Liquor cerebrospinalis ergibt sich in 90% der Fälle eine meist deutliche Eiweißerhöhung (1500 mg/l) bei normaler bis diskret erhöhter Zellzahl (<10 Mpt/l). Die Diagnose wird häufig durch eine SuralisNervenbiopsie im Rahmen des differenzialdiagnostischen Ausschlusses (z. B. Vaskulitis) gesichert.
Therapie gesichert Die Wirksamkeit von Kortikosteroiden, hochdosierten Immunglobulinen, Plasmapheresen und Azathioprin ist erwiesen. Die Behandlung muss dabei im Einzelfall festgelegt und individuell abgestimmt werden. Dabei ist zwischen einer Akut- und einer Langzeittherapie zu unterscheiden. Bei der Akuttherapie kommen Kortikosteroide, hochdosierte Immunglobuline (5×0,4 g/kg Körpergewicht) oder Plasmapheresen (5 Austauschbehandlungen à 50 ml/kg Körpergewicht) zum Einsatz. Die verschiedenen Möglichkeiten der Akuttherapie haben in den meis-
ten Studien eine Ansprechwahrscheinlichkeit zwischen 60–80% gezeigt. Bei leichtgradigem Krankheitsbild werden Kortikosteroide (Prednisolon 1–1,5 mg/kg Körpergewicht für 4 Wochen) gegeben und dann allmählich reduziert (max. Reduktion 5 mg/2 Wo). Bei erneuter Zunahme der Symptome unter der Dosisreduktion sollte auf die nächsthöhere Dosierung zurückgekehrt und mindestens 4 Wochen verblieben werden, dann erneuter Versuch einer Dosisreduktion. Bei schweren Ausfällen mit drohendem Verlust der Gehfähigkeit werden eher die Plasmapheresetherapie oder Immunglobuline initial eingesetzt (Wiederholung der Zyklen alle 4–6 Wochen). Bei Therapieversagen einer der oben genannten Monotherapien Alternativen versuchen oder ggf. eine Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden anstreben. Azathioprin (2–3 mg/kg Körpergewicht) wird zur Langzeittherapie unter Umständen auch in längerfristiger Kombination mit Kortikosteroiden (Dosisreduktion anstreben) eingesetzt. Azathioprin sollte über mindestens 2 Jahre gegeben werden, die klinische Wirkung setzt frühestens nach 6–8 Wochen ein, die Lymphozytenzahl im Blut muss dosisabhängig auf 800– 1200/μl supprimiert werden. Nach Veränderungen der Leber- und Nierenwerte und des Blutbildes (Leukopenie) muss laborchemisch regelmäßig gefahndet werden. In schweren therapierefraktären und progredienten Fällen ist der Einsatz von Cyclosporin A (3–5 mg/kg Körpergewicht) zu erwägen. Bei einer primären Therapie mit intravenösen Immunglobulinen kann der Übergang in eine Langzeittherapie durch Titration der Dosis erreicht werden. empirisch Bei fehlendem Ansprechen auf die anderen Therapieformen kommt Cyclophosphamid in Betracht. Zu Mycophenolatmofetil liegen noch keine ausreichenden Berichte oder Studien vor. unwirksam Interferon-beta scheint unwirksam zu sein.
Prognose Ohne Therapie zeigt sich bei etwa 50% der Patienten ein rezidivierender oder monophasischer Verlauf z. T. mit Remission, 50% sind progredient. Bei entsprechend frühzeitig eingeleiteter immunsuppressiver Behandlung erholt
Polyneuropathie, diabetische
Einleitung Häufigste Manifestationsform (50–70%) der diabetischen Neuropathie ist die distal-symmetrisch sensible Polyneuropathie mit schleichendem Beginn. Im Vordergrund stehen brennende Missempfindungen, Hitze- und Kältegefühl („small fibre neuropathy“). Sind eher die großen, markhaltigen Fasern betroffen, so resultieren Parästhesien, Schwellungs- und Druckgefühle. Häufig entsteht auch eine sensible Ataxie ( Pseudotabes). Durch den Verlust der Schmerzempfindung können Verletzungen unerkannt bleiben ( Ulkus, diabetische Polyneuropathie). Die Beteiligung der autonomen Fasern ( Polyneuropathie, diabetische [autonome diabetische]) führt an den Extremitäten zu trophischen Störungen der Haut, der Knochen und Schweißsekretionsstörungen. Zweithäufigste Form (20–25%) ist die asymmetrische Neuropathie, die vermutlich durch einen diabetesgetriggerten entzündlichen bzw. vaskulären Prozess entsteht. Hierfür spricht der rasche Beginn, oft schon in einem Frühstadium des Diabetes, und die meist spontane Rückbildung der Symptome innerhalb von 4– 6 Wochen. Zu dieser Neuropathieform gehören die isolierten Hirnnervenausfälle (meist N. oculomotorius, abducens oder facialis). Ihnen gehen meist Schmerzen im betroffenen Gebiet voran. Weitere Manifestationsform ist die diabetische Radikulopathie mit gürtelförmigen Schmerzen ( Radikulopathie, diabetische) und schließlich die diabetische Amyotrophie. Hierbei handelt es sich um eine meist einseitige Läsion des Plexus lumbalis und/oder sacralis (diabetische Plexopathie, diabetische lumbosakrale Polyradikuloneuropathie), oft auch mit Beteiligung der Wurzeln, mit initial im Vordergrund stehenden, heftigsten Schmerzen lumbal und am Oberschenkel, die von Paresen der Becken- und Oberschenkelmuskeln gefolgt wer3
1. Dyck PJ, Daube J, O'`Brien P, et al. (1986) Plasma exchange in chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. N Engl J Med 314:461– 465. 2. Dyck PJ, O`Brien PC, Oviatt KF, et al. (1982) Prednisone improves chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy more than no treatment. Ann Neurol 11:136–141. 3. Hadden RD, Sharrack B, Bensa S, et al. (1999) Randomized trial of interferon beta-1a in chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. Neurology 53:57–61. 4. Hartung HP, Reiners K, Toyka KV, Ollard JD (1994). Guillain-Barre syndome and CIDP. In: Hohlfeld R, editor. Immunology of Neuromuscular Disease. Dordrecht: Kluver pp.39–104. 5. Hodgkinson SJ, Pollard JD, McLeod JG (1990). Cyclosporin A in the treatment of chronic demyelinating polyradiculoneuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 53:327–330. 6. Hughes RA (2002). Systematic reviews of treatment for inflammatory demyelinating neuropathy. J Anat 200(4):331–339. 7. Molenaar DSM, van Doorn PA, Vermeulen M (1997). Pulsed high dose dexamethasone treatment in chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy: A pilot study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 62:388–390. 8. Pollard JD (2002). Chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. Curr Opin Neurol 15(3):279–283. 9. Said G (2002). Chronic inflammatory demyelinative polyneuropathy. J Neurol 249:245–253. 10. van Doorn PA, Brand A, Stengers FP, et al. (1990) High-dose intravenous immunoglobulin treatment in chronic demyelinating polyneuropathy: a double-blind, placebo-controlled, crossover study. Neurology 40:209–212. 11. Van Doorn PA, Garssen MP (2002). Treatment of immune neuropathies. Curr Opin Neurol 15 (5):623–631.
3
Literatur
sern geschädigt werden. Die postulierten Pathomechanismen der diabetischen Neuropathie sind vielfältig. Hauptursache ist die Hyperglykämie mit Proteinglykosilierung, Aktivitätssteigerung der Aldosereduktase mit Sorbitolanhäufung und Verminderung von Myoinositol, außerdem der vermehrte oxidative Stress durch vermehrte Peroxide und freie Radikale. Aber auch die Makro- und Mikroangiopathie, in einzelnen Fällen sogar eine Vaskulitis, spielen pathogenetisch eine große Rolle.
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sich die Mehrzahl der Patienten zumindest partiell, progrediente schwere Ausfälle treten bei weniger als 10% der Patienten auf. Selten sind letale Verläufe.
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Polyneuropathie, diabetische Definition Der Diabetes mellitus ist mit 30% die häufigste Ursache einer Polyneuropathie. Bei bis zu 50% aller Diabetiker entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung eine Neuropathie, bei der sensible, motorische und besonders auch autonome Fa-
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Polyneuropathie, diabetische
den. Dabei besteht oft zusätzlich ein erheblicher Gewichtsverlust und eine symmetrische Polyneuropathie. Dritte Form der diabetischen Neuropathie (5– 20%) ist die symmetrische motorische Neuropathie mit meist distal lokalisierten, symmetrischen motorischen Defiziten. Selten wird auch einmal eine symmetrische, schmerzlose Lähmung von Becken- und Oberschenkelmuskeln gesehen, bei der die Abgrenzung von anderen Erkrankungen, z. B. der CIDP, problematisch ist.
tiv kommt das Mexiletin in Betracht (Beginn mit 3×100 mg/die, bis maximal 700 mg steigern), welches aber für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen ist. Gute Erfolge sind beim Gabapentin zu verzeichnen (300 mg initial, max. 2400 – 3000 mg/die p.o.) [2]. Die Anwendung von topisch wirksamer Capsaicin-Creme (0,075% 4×täglich) wird oft vom Patienten wegen Reizerscheinungen und brennender Schmerzen der Haut nicht toleriert. Besonderer Wert muss wegen der Gefahr des diabetischen Fußes auf die tägliche Fußinspektion und - pflege gelegt werden (siehe Ulkus, diabetische Neuropathie). Kontrollierte Physiotherapie ist gerade bei höhergradigen motorischen Defiziten, wie bei der diabetischen Amyotrophie, von entscheidender Bedeutung.
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Diagnostik Bei allen Diabetikern sollte routinemäßig ein Neuropathie-Screening (Achillessehnenreflexe, Vibrationsempfinden) erfolgen. Die Diagnosesicherung einer Neuropathie stützt sich auf Klinik und Elektrophysiologie. Ein langjährig manifester Diabetes, evtl. mit noch anderen Organmanifestationen und eine klassische Polyneuropathieform sprechen für eine diabetische Genese. Atypische Neuropathien oder eine sehr kurze Dauer des Diabetes, eine gute Einstellung oder eine fehlende Mikroangiopathie an Niere und Retina sprechen eher gegen eine diabetische Genese und sollten eine ausführlichere Abklärung nach sich ziehen. Umstritten ist, ob bereits bei einer ausschließlich vorliegenden pathologischen Glukosetoleranz eine diabetische Neuropathie entstehen kann.
Therapie gesichert Wichtigste Therapie jeder diabetischen Neuropathie ist die optimale Blutzuckereinstellung. Dabei sollte eine nahezu normoglykämische Stoffwechsellage angestrebt werden. Hierzu muss – falls noch nicht durchgeführt – meistens auf Insulin oder auf eine intensivierte InsulinTherapie umgestellt werden. In Studien konnte signifikant gezeigt werden, dass es auch nach längerer Diabetes-Dauer zu einer Besserung der Beschwerden kommt. Außerdem sollten weitere für das periphere Nervensystem schädliche Substanzen wie Alkohol gemieden oder reduziert werden [2]. Im Vordergrund der Behandlung steht die symptomatische Schmerztherapie. Mittel der ersten Wahl sind hier wieder die trizyklischen Antidepressiva (siehe Polyneuropathie), bei mehr einschießenden Schmerzen auch das Carbamazepin (siehe Polyneuropathie). Alterna-
empirisch Umstritten ist die Therapie mit Thioctsäure. Die Studienlage hierzu ist nicht einheitlich. Wenn das Präparat gegeben wird, sollte es hochdosiert i.v. (600 mg/die über 2 – 3 Wochen) verabreicht werden. Bei der schmerzhaften diabetischen lumbosakralen Polyradikuloneuropathie können bei starken anhaltenden Schmerzen Cortison oder hochdosierte, intravenöse Immunglobuline eingesetzt werden, wobei aber die gerade bei Diabetikern erheblichen Nebenwirkungen abgewogen werden müssen. Bei der bilateralen, symmetrischen, schmerzlosen motorischen Neuropathie wird eine autoimmune Genese postuliert und Therapieverfahren wie bei der CIDP mit Erfolg eingesetzt (Kortikoide, Plasmapherese, Immunglobuline) [1]. unwirksam/obsolet Verschiedenste mehr oder weniger kausale Therapieansätze wurden versucht, die jedoch ohne signifikanten Erfolg in Studien waren. Hierzu gehören größere Studien mit Aldose-Reduktase-Hemmern, die lediglich einen Effekt auf die Nervenleitgeschwindigkeit und die Biopsie, nicht aber auf die Klinik zeigten. Ähnliches gilt für eine Phase-III-Studie mit NGF (nerve growth factor), die keine signifikante Besserung der klinischen Symptomatik zeigte. Möglicherweise sind hier aber die Studienparameter ungünstig gewählt und die Studie zu kurz angelegt gewesen.
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Polyneuropathie, endokrine
Nachsorge Die optimale Blutzucker-Einstellung sollte regelmäßig an den HbA1-Spiegeln kontrolliert werden.
Literatur 1. Amato AA, Barohn RJ (2001) Diabetic Lumbosacral Polyradiculoneuropathies. Current Treatment Options Neurology 3: 139 – 146 2. Zochodne DW (2000) Diabetic Neuropathies. Current Treatment Options Neurology 2: 23 – 29
Polyneuropathie, diabetische autonome
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Beim Nachweis einer autonomen Beteiligung liegt eine deutlich ungünstigere Prognose vor.
Diagnostik Die Diagnostik einer autonomen Neuropathie beinhaltet verschiedene elektrophysiologische Methoden (Herzfrequenzanalyse, sympathischer Hautreflex) aber auch die Kipptischuntersuchung, das MIBG-Spect zur Beurteilung der kardialen sympathischen Innervation, den Ninhydrin- oder Jod-Stärke-Schweißtest sowie den quantitativen Sudomotoren-Axon-Reflex-Test (QSART) [1].
Therapie
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Literatur 1. Low PA, McLeod JG (1993) The autonomic neuropathies. In: Low PA (ed.): Clinical Autonomic Disorders. Evaluation and Management. Little, Brown & Comp., Boston, Toronto, London, 395–421. 2. Zochodne DW (2000) Diabetic Neuropathies. Current Treatment Options Neurology 2: 23–29.
Polyneuropathie, endokrine Definition Zu den endokrin bedingten Polyneuropathien gehören die diabetische Polyneuropathie, die hypophysäre Polyneuropathie (z. B. Akromegalie) und die hypothyreote Polyneuropathie. 3
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Die Symptome der diabetischen autonomen Neuropathie beinhalten bei den peripheren autonomen Störungen Pupillenstörungen, neurotrophische Störungen der Haut wie Ödem, schmerzlose Ulzera ( Ulkus, diabetische Polyneuropathie) und des Skelettes (Osteoarthropathie), eine Sudomotorenstörung (trockene Haut), Haar- und Nagelwachstumsstörungen und Störungen der Vasoregulation (orthostatische Dysregulation). Viszerale autonome Störungen umfassen kardiale Störungen (Frequenzstarre, Ruhetachykardie, schmerzloser Herzinfarkt), gastrointestinale Störungen (Ösophagitis, Gastroparese, Obstipation, Diarrhoen, Cholezystomegalie), Blasenstörungen (Blasenatonie mit Harnretention) und Potenzstörungen (Erektionsstörungen, retrograde Ejakulationen). Aufgrund der Wahrnehmungsstörungen für Frühsymptome einer Hypoglykämie (Schwitzen, Zittern, Tachykardien) kommt es zu einer erhöhten Gefahr eines hypoglykämischen Komas. Im Rahmen der diabetischen Neuropathie beinhaltet die autonome Neuropathie die gefährlichsten Symptome. Das Vorliegen bzw. Ausmass einer autonomen Neuropathie korreliert mit der Lebenserwartung des Diabetikers.
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Einleitung
Die Therapie der autonomen Neuropathie besteht wie die der diabetischen Neuropathie allgemein primär in einer Optimierung der Diabeteseinstellung ( Polyneuropathie, diabetische). Symptomatisch kann bei starker Orthostasereaktion mit vemehrter NaCl- und Flüssigkeitszufuhr, mit Stützstrümpfen, Gabe von Fludrocortison oder einem α-Agonisten (Midodrin, initial 2,5 mg, später maximal 30 mg auf 3–4 Tagesdosen verteilt) behandelt werden [2]. Gastrointestinale Störungen können z. B. mit Metoclopramid oder Domperidon behandelt werden. Zur Therapie des diabetischen Fußes, Ulkus, diabetische Polyneuropathie. 3
Im Rahmen einer diabetischen Polyneuropathie besteht typischerweise auch eine Schädigung des autonomen peripheren Nervensystems ( Polyneuropathie, diabetische und Neuropathie, autonome). Hierdurch kommt es zu peripheren und viszeralen autonomen Störungen ( Neuropathie, autonome).
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Definition
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Polyneuropathie, entzündliche
tische Schmerztherapie, insbesondere Antidepressiva oder Antiepileptika (Carbamazepin, Gabapentin).
Polyneuropathie, entzündliche Synonyme Inflammatorische (Poly-)Neuropathien, munvermittelte (Poly-) Neuropathien
im-
Definition Entzündliche Erkrankungen der peripheren Nerven selber (Neuritis) oder der sie versorgenden Gefäße (Vaskulitis), die entweder immunvermittelt oder direkt erregerbedingt ist. Zu den Neuritiden gehören: Guillain-BarréSyndrom (GBS = akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie = AIDP), chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP), multifokale motorische Neuropathie (MMN). Vaskulitiden: Systemisch (Kollagenosen, paraneoplastisch etc.) oder isoliert das periphere Nervensystem betreffend. Zu den erregerbedingten Neuropathien gehören: Polyneuropathie bei Borreliose, Zoster, HIV und Zytomegalie, Diphtherie, Tetanus, Botulismus und Lepra.
Einleitung Entsprechend der entzündlichen Genese ist das klinische Verteilungsmuster oft asymmetrisch (entsprechend einer Mononeuritis multiplex oder einer Schwerpunktpolyneuropathie), kann aber auch distal oder proximal betont symmetrisch auftreten. Demyelinisierende und/oder axonale Formen kommen vor.
Diagnostik Sie richtet sich nach der zu erwartenden Grunderkrankung. Beinhaltet Labor (insbesondere Autoantikörper, Entzündungsparameter), Liquordiagnostik, Elektrophysiologie (insbesondere NLG zur Zuordnung axonal/demyelinisierend), ggf. kombinierte Nerv-/Muskelbiopsie.
Therapie gesichert Entsprechend der diagnostizierten Grunderkrankung ( GBS; CIDP; MMN; Polyneuropathie, ischämische/vaskulitische; Borreliose; etc.). Grundsätzlich bei immunvermittelten Neuropathien immunsuppressive oder immunmodulatorische Therapie [1], bei erregerbedingten Neuropathieformen entsprechende Antibiose oder ggf. Virustatika. Bei persistierenden Schmerzsymptomen auch symptoma-
Literatur 1. Hartung HP, van der Meché FGA, Pollard JD (1998) Guillain-Barré syndrome, CIDP and other chronic immune-mediated neuropathies. Current Opinion in Neurology 11: 497–513.
Polyneuropathie, entzündliche (HIV/Zytomegalie) Definition In allen Stadien einer HIV-Infektion kommen Polyneuropathien vor. Während es in Frühstadien eher demyelinisierende Polyneuropathien sind (akutes Guillain-Barré-Syndrom häufig bei Primärinfektion oder Serokonversion, aber auch chronisch- inflammatorische deymelinisierende Polyneuropathie), treten in Spätstadien am ehesten distal-symmetrische Polyneuropathien auf, die in eine schmerzlose und eine schmerzhafte Form (distal axonal sensory painful neuropathy) unterteilt werden [2]. Schließlich kann im Rahmen einer HIV-Infektion eine vaskulitische, eine autonome oder eine medikamentös-toxische Neuropathie durch Nukleosidanaloga auftreten [2]. Bei AIDS-Patienten kann sich durch eine Zytomegalievirus-Infektion (CMV) eine Entzündung der Cauda equina entwickeln. Seltener kommt es zu einer Mononeuritis-multiplexSymptomatik, entweder autoimmun oder CMV-bedingt. Schließlich gibt es noch die diffuse lymphozytäre Infiltration des Nervensystems durch CD8positive T-Zellen.
Einleitung Die klinische Symptomatik der akut- und chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathien entspricht der der idiopathischen Formen. Neben der typischen Liquoreiweiß-Erhöhung findet sich bei den AIDS-assoziierten Neuropathien aber eine deutliche Pleozytose bis hin zu 1000 Zellen pro µl. Bei den Neuropathien der Spätstadien können die Schmerzen dominieren. Die CMV-assoziierte lumbosakrale Polyradikulopathie führt nach anfänglicher Lumbago, radikulären oder perianalen Schmerzen zu einer innerhalb weniger Wo-
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Polyneuropathie, hypophysäre
chen auftretenden schlaffen Paraparese mit Blasenstörungen und sockenförmigen oder perianalen Sensibilitätsstörungen [1]. Sie tritt meist in Stadien ausgeprägter Immunsuppression auf. Liquorzytologisch findet sich auch hier eine deutliche Pleozytose.
Diagnostik Diagnostisch entscheidend sind HIV- und Zytomegalie-Serologien sowie die Ergebnisse der Liquorpunktion, gegebenenfalls auch eine Nervenbiopsie.
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Literatur 1. Anders HJ, Goebel FD (1999) Neurological manifestations of cytomegalovirus infection in the acquired immunodeficiency syndrome. Int J STD AIDS 10: 151–159. 2. Wulff EA, Wang AK, Simpson DM (2000) HIVassociated peripheral neuropathy: epidemiology, pathophysiology and treatment. Drugs 59: 1251– 1260.
Polyneuropathie, familiäre Amyloidpolyneuropathie (FAP)
Therapie 3
Symptomatisches Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS) und symptomatische CIDP (chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie) bei HIV-Infektion werden wie die idiopathischen Formen mit hochdosierten intravenösen Immunglobulinen oder Plasmapherese behandelt. Die Therapie der im Spätstadium auftretenden Neuropathien ist symptomatisch (schmerzdistanzierende Maßnahmen mit Antidepressiva oder Antikonvulsiva). Zusätzlich wird eine antiretrovirale Therapie nach aktuellen Maßgaben durchgeführt. Bei toxischen Neuropathien sollte wenn möglich die antiretrovirale Therapie reduziert oder umgestellt werden. Liegt eine Polyneuro- oder Radikulopathie bei CMV-Infektion vor, so wird möglichst frühzeitig mit Ganciclovir oder Foscarnet behandelt (Ganciclovir 2×5 mg/kgKG/ die langsam i. v. für 3 Wochen, alternativ Foscarnet 3×60 mg/kgKG/die langsam i. v. für 3 Wochen) [1]. Die hochaktive antiretrovirale Therapie ist wichtigstes Instrumentarium, um die Immunkompetenz zu stärken und CMV-Infektionen zu reduzieren. Eine Mononeuritismultiplex-Symptomatik ist in den Frühstadien einer HIV-Infektion meist selbst limitierend und spontan rückläufig und wird in den Spätstadien je nach Ätiologie immunmodulatorisch oder bei CMV-Infektion auch mit Ganciclovir bzw. Foscarnet behandelt. Die diffuse infiltrative Lymphozytose wird antiretroviral und mit Steroiden behandelt.
FAP (familiäre Amyloidpolyneuropathie)
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Polyneuropathie, hereditäre
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Definition Erbliche Polyneuropathien, zu denen die HMSN, die HNPP, die HSAN, die Polyneuropathien bei erblicher Amyloidose und Porphyrie sowie Polyneuropathien bei Lipidspeicherkrankheiten gehören. Polyneuropathien können auch im Rahmen zahlreicher anderer erblicher neurologischer Syndrome auftreten, wie z. B. bei den Heredo-Ataxien. Siehe unter Neuropathie, hereditäre motorische und sensible (HMSN), Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Druckparesen (HNPP, tomakulöse Neuropathie), Neuropathie, hereditäre sensible und autonome (HSAN), Polyneuropathie, familiäre Amyloidneuropathie (FAP), Refsum-Erkrankung. 3
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Polyneuropathie, hypophysäre Definition Polyneuropathie, die durch einen hypophysären, hormonproduzierenen Tumor bedingt ist. In der Regel liegt ein Wachstumshormon(HGH-) produzierender Tumor zugrunde.
Prognose
Einleitung
Die Prognose der Radikulo-, Neuropathien bei CMV-Infektion ist abhängig vom Zeitpunkt des Therapiebeginnes. Die Behandlung sollte möglichst früh angesetzt werden, um persistierende Wurzelnekrosen zu vermeiden.
Die vermehrte Sekretion von HGH führt zur Akromegalie mit Vergrößerung und Vergröberung der Akren, in deren Rahmen häufig ein Karpaltunnelsyndrom auftritt. Außerdem kann es zu distal-symmetrischen, sensiblen Po-
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Polyneuropathie, hypothyreote
lyneuropathien, vorwiegend mit Paraesthesien, kommen [1].
Diagnostik Zur Tumordiagnostik, Akromegalie und Hypophysentumoren. Die Diagnosesicherung des Karpaltunnelsyndroms und der Polyneuropathie erfolgt elektrophysiologisch.
Bereich der ersten 3 Finger ( Karpaltunnelsyndrom). Die Läsion des VIII. Hirnnerven führt zu einer sensoneuralen Hörstörung. 3
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Therapie gesichert Die adäquate Behandlung der Grunderkrankung ( Akromegalie) ist wichtigstes Therapieprinzip. Bei therapieresistentem Karpaltunnelsyndrom kann eine operative Spaltung des Ligaments erfolgen. Symptomatisch können gegebenenfalls trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva oder lokal Capsaicin-Creme verabreicht werden.
Diagnostik Schilddrüsenfunktionsdiagnostik (erhöhtes TSH basal). Normaler Wert schließt thyreogene Hypothyreose aus. Sekundäre oder tertiäre Hypothyreosen werden über zusätzliche Bestimmung von fT4 diagnostiziert. Im Liquor finden sich erhebliche Eiweißerhöhungen.
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Therapie gesichert Die kausale Therapie erfolgt durch die Substitution von Schilddrüsenhormonen (Thyroxin), die möglichst frühzeitig erfolgen sollte.
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Prognose
Literatur 1. Perkins AT, Morgenlander JC (1997) Endocrinologic causes of peripheral neuropathy. Pins and needles in a stocking-and-glove pattern and other symptoms. Postgrad Med 102: 81–82, 90–92, 102–106.
Die Prognose ist um so besser, je früher die Diagnose gestellt wurde.
Literatur 1. Neundörfer B (1987) Polyneuritiden und Polyneuropathien. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim.
Polyneuropathie, hypothyreote Synonyme Polyneuropathie bei Myxödem
Polyneuropathie, ischämische/ vaskulitische
Definition
Definition
Vorwiegend axonale, aber auch segmental demyelinisierende Polyneuropathie, die bei etwa 25% der Patienten mit einer Hypothyreose auftritt [1]. Neben der distal-symmetrischen Neuropathie findet sich als Folge des Myxödems häufig auch ein Karpaltunnelsyndrom. Bei ca. 80% der Myxödem-Patienten liegt außerdem eine Mononeuropathie des VIII. Hirnnerven vor.
Obwohl periphere Nerven als relativ resistent gegenüber Ischämien gelten, werden bei Vaskulitiden häufig polyneuropathische Syndrome gesehen. Bei Ischämien durch arteriosklerotische Gefäßveränderungen sind Polyneuropathien aber selten. In der Biopsie entsprechen der vaskulitischen Nervenschädigung sektorförmige Nerveninfarkte mit hochgradigem Faserverlust.
Einleitung
Einleitung
Die klinische Symptomatik zeigt vorwiegend sensible, distal-symmetrische Defizite. Typisch ist ein verzögerter Reflexablauf beim Prüfen des Achillessehnenreflexes („pseudomyotoner Reflexablauf“), der aber auf die auch klinisch meist im Vordergrund stehende hypothyreote Myopathie zurück zuführen ist. Zusätzlich bestehen oft Schmerzen und Paraesthesien im
Klinisch entspricht den sektorförmigen Nerveninfarkten typischerweise die Mononeuritis multiplex oder auch eine Schwerpunktneuropathie mit asymmetrischen Paresen und Sensibilitätsstörungen. Der Verlauf ist meist subakut, schubförmig. Häufig bestehen auch Hirnnervenausfälle. Neben den sensomotorischen Defiziten bestehen in aller Regel Schmerzen, die meist
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Polyneuropathie, ischämische/vaskulitische
gut und schnell auf die Therapie ansprechen und daher als Verlaufsparameter zur Beurteilung der Therapie dienen können. In bis zu einem Viertel aller Fälle finden sich aber auch distal-symmetrische Polyneuropathien. Oft finden sich Allgemeinsymptome mit Fieber, Gewichtsverlust und allgemeinem Krankheitsgefühl sowie Zeichen anderer Organbeteiligungen (Niere, Haut, Darm, Lunge, Muskel, Leber).
Diagnostik Die Häufigkeit einer Polyneuropathie als Organmanifestation ist bei unterschiedlichen Ätiologien einer Vaskulitis verschieden. Sehr häufig werden sie bei den primären Vaskulitiden, dem Churg-Strauss-Syndrom (allergische Granulomatose mit generalisierter Vaskulitis, Asthma bronchiale und Eosinophilie, bei ca. 60–75% asymmetrische sensomotorische PNP), der Panarteriitis nodosa (nekrotisierende Vaskulitis mit bei 50–75% meist motorisch betonter, schmerzhafter, asymmetrischer PNP) und der Wegener Granulomatose (bei 25–40% PNP) gesehen. Außerdem treten Neuropathien bei sekundären Vaskulitiden wie dem systemischen Lupus erythematodes, der rheumatoiden Arthritis, der Sarkoidose, dem Sjögren-Syndrom, der Sklerodermie und der Dermatomyositis auf, hier allerdings seltener als bei den primären Formen [1]. Zu den sekundären Vaskulitiden gehören außerdem die paraneoplastischen, infektiösbedingten, medikamentös oder durch Fremdeiweißgabe ausgelösten Vaskulitiden und die Kryoglobulinämien (häufig bei Hepatitis-C-Infektionen). Schließlich ist die isolierte Vaskulitis des peripheren Nervensystems von Bedeutung, bei der keine anderen Organe am Krankheitsbild beteiligt sind. Sind hier wie oft beschrieben auch die Laborparameter normal, so kann die Diagnosesicherung ausschließlich über eine Nerv-, Muskelbiopsie erfolgen. Diese sollte unbedingt vor Therapiebeginn durchgeführt werden. Auch bei den anderen Vaskulitiden ist bei unsicherer Diagnose vor Einleiten einer immunsuppressiven Therapie eine Nerv-, Muskelbiopsie erforderlich [1]. Im übrigen gehören zur Diagnostik die Bestimmung von Blutsenkung, CRP, Autoantikörpern, Komplement, Kryoglobulinen und die Organdiagnostik anderer betroffener Organe. Eventuell muss eine Liquor-
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diagnostik erfolgen. Elektrophysiologisch findet sich vorwiegend eine axonale Schädigung.
Therapie Ist eine Vaskulitis medikamentös oder infektiös bedingt, so kann das Weglassen der Noxe oder die suffiziente antibiotische Therapie der Infektion (z. B. Borreliose) ausreichend sein. Bei den anderen Formen ist eine Behandlung mit Kortison und evtl. zusätzlich eine immunsuppressive Therapie erforderlich. Die isolierte Vaskulitis des peripheren Nervensystems wird zunächst mit Steroiden (initial 60 mg für etwa 2 Wochen, dann in absteigender Dosierung entsprechend der Klinik) behandelt. Reicht die Kortisontherapie nicht aus, so kann mit Azathioprin oder Cyclophosphamid kombiniert werden. Bei systemischen Vaskulitiden wird in der Regel primär eine Kombination aus Steroiden und Cyclophosphamid oder Azathioprin angewandt. Sehr schwere Ausfälle können initial mit einer Kortison-Stoßtherapie behandelt werden (500–1000 mg/die i. v. über 3–5 Tage, dann 1,5 mg/kgKG/die oral). Die Kortisondosis sollte nur sehr langsam reduziert werden (in mehrwöchigen oder monatlichen Abständen und Schritten von 10–20 mg). Verlaufsparameter wie Laborbefunde aber auch die klinische Symptomatik müssen dabei sehr engmaschig kontrolliert werden. Bester klinischer Parameter sind meist die Schmerzen. Bei unzureichendem Ansprechen kommt zur Immunsuppression außerdem das Methotrexat in Frage. Einzelne positive Ergebnisse existieren zur Gabe hochdosierter intravenöser Immunglobuline.
Prognose Die Prognose unbehandelter primärer systemischer Vaskulitiden (Panarteriitis nodosa, ChurgStrauss-Syndrom, Wegener Granulomatose) ist infaust, sodass eine suffiziente Therapie von entscheidender Bedeutung ist. Bei Beteiligung anderer Organsysteme ist die Prognose ungünstiger. Eine gute Prognose hat die Sarkoidose. Hier gibt es häufiger auch spontane Remissionen.
Literatur 1. Collins M, Kissel J, Mendell J (1998) Vasculitic neuropathies. In: Clinical neuroimmunology. Antel J, Birnbaum G, Hartung HP (editors), 316–339.
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Polyneuropathie, Komapolyneuropathie („critical illness neuropathy“)
Polyneuropathie, Komapolyneuropathie („critical illness neuropathy“) 3
„Critical illness neuropathy“, neuropathie
Koma, Poly-
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Polyneuropathie, metabolische Definition Metabolische Neuropathien werden durch bestimmte Stoffwechselstörungen ausgelöst. Entsprechend des Pathomechanismus einer diffusen, metabolisch bedingten Schädigung der Nerven beginnt die Symptomatik in der Regel in distalen Extremitätenabschnitten, da hier die Transportstrecke von der Ganglienzelle zu den terminalen Nervenendigungen am längsten ist. Im weiteren Verlauf steigen die Ausfälle dann auf. Asymmetrische ( Diabetes mellitus) oder proximal betonte Läsionen ( Porphyrie) werden aber ebenfalls beobachtet. 3
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Diagnostik Zu den häufigsten metabolischen Neuropathien gehören die diabetische Polyneuropathie, die nephrogene (urämische) Neuropathie, die Polyneuropathien bei Vitaminmangelstörungen und die Polyneuropathie bei Porphyrie.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Die zugrunde liegende metabolische Störung muss beseitigt oder zumindest suffizient therapiert werden, Polyneuropathie. 3
Polyneuropathie, multifokale motorische Neuropathie (MMN) Synonyme Multifokale motorische Neuropathie mit persistierendem Leitungsblock, früher auch: LewisSumner-Syndrom
Definition Motorische, immunvermittelte Neuropathie mit elektrophysiologischem Charakteristikum des persistierenden Leitungsblockes.
Einleitung Klinische Symptomatik ist gekennzeichnet durch progrediente, asymmetrische, distal betonte, periphere motorische Defizite mit Betonung der oberen Extremitäten. Im sensiblen System finden sich allenfalls Paraesthesien. Keine Zeichen des 1. Motoneurons. Praktisch nie bulbäre Symptome.
Diagnostik Diagnosesicherung beruht ausschließlich auf elektrophysiologischem Nachweis eines umschriebenen, oft langfristig in gleicher Lokalisation persistierenden Leitungsblockes [2]. Weitere Demyelinisierungszeichen nur gering ausgeprägt oder fehlend. GM1-Antikörper nur bei 40–60% der Patienten positiv, diagnostisch hilfreich nur bei sehr hohen Titerstufen. Übrige Laborparameter und Liquor unauffällig.
Therapie gesichert Sicher wirksam sind nur 2 Therapieformen: Hochdosierte intravenös verabreichte Immunglobuline (i. v. Ig) und Cyclophosphamid [2, 4]. I. v. Ig sind wegen geringer NW und raschem Wirkungseintritt Mittel der 1. Wahl, sie werden in einer Dosis von je 0,4 g/kgKG/Tag an 5 Tagen verabreicht. Bei Wirksamkeit Auffrischungszyklen (meist 0,4 g/kgKG an 1 Tag) nach 4 Wochen oder bei vorzeitiger Verschlechterung des Patienten auch eher. Therapieerfolg in verschiedenen Studien bei 80–100% der Patienten. Komplette Remissionen unter der Therapie sind möglich, häufiger aber inkomplette Remissionen (evtl. durch therapierefraktäre axonale Defizite bedingt). I. v. Ig zeigt auch langfristig gute Wirkung, möglicherweise jedoch auf Dauer nicht ausreichend immunsuppressiv. Bei fehlendem Therapieerfolg der Immunglobuline nach 2. Zyklus Absetzen; bei Remission Absetzversuch mit langsamer Dosisreduktion oder Verlängerung der Zyklusintervalle. Mittel der 2. Wahl ist Cyclophosphamid. Dosierung 1–3 mg/kgKG/Tag oral oder 1 g/m2 Körperoberfläche pro Monat i. v. Erhebliche NW bedenken, insbesondere erhöhtes Malignomrisiko besonders bei Lebenszeitdosis >75 g. Cyclophosphamid sollte nur nach vergeblichem Therapieversuch mit i. v. Ig eingesetzt werden oder in Kombination mit i. v. Ig zur Dosiseinsparung der Immunglobuline [3].
Polyneuropathie, nephrogene
Nachsorge Engmaschige klinische und elektrophysiologische Kontrolle zur Beurteilung des Therapieerfolges, besonders bei Absetzversuchen.
Prognose Ohne Therapie in der Regel langsame Progredienz. Unterschiedliche Schweregrade der Defizite kommen vor, oft besonders Feinmotorik betroffen (Hände). Vereinzelt beschriebene foudroyante Verläufe mit respiratorischer Insuffizienz sind diagnostisch möglicherweise nicht ganz eindeutig. Auch bei an sich gutartiger Erkrankung möglichst frühzeitiger Therapieversuch mit i. v. Ig, da möglicherweise besseres Ansprechen bei kürzerer Krankheitsdauer und günstiges Verhältnis von Nebenwirkungen zu Therapieerfolg.
Polyneuropathie, nephrogene Synonyme Urämische Polyneuropathie
Definition Polyneuropathie, die als Folgeerkrankung einer chronischen Niereninsuffizienz auftritt.
Einleitung Ca. 50–60% aller dialysepflichtigen Patienten leiden unter einer Polyneuropathie, die mit symmetrischen, sensiblen Defiziten beginnt, im Verlauf dann auch symmetrische Paresen zeigt. Häufig bestehen Wadenkrämpfe, Hyperästhesien, ein „burning-feet“-Syndrom und ein „restless-legs“-Syndrom, sowie eine Druckschmerzhaftigkeit der langen Nervenstämme. Autonome Störungen kommen ebenfalls vor. 3
unwirksam/obsolet Unwirksam sind bei der MMN im Gegensatz zur CIDP Kortikoide und Plasmapherese. Sie führen bei manchen Patienten sogar zu Verschlechterungen [1]. Bei einzelnen Patienten mit Wirksamkeit dieser Verfahren handelt es sich möglicherweise um Übergangsformen zur CIDP.
bulin treatment in multifocal motor neuropathy. Brain 121: 421–428. 5. Van den Berg-Vos RM, van den Berg LH, Franssen H, Wokke JHJ, van Doom PA, Martina ISJ (1999) Treatment of multifocal motor neuropathy with interferon β-1A. JPNS 4: 206.
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empirisch Erste Therapieversuche wurden mit Beta-Interferonen bei wenigen Patienten durchgeführt. Hier liegen noch keine eindeutig positiven Ergebnisse vor [5].
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Diagnostik
Spezielle diätetische Maßnahmen sind nicht wirksam.
Die dick bemarkten sensiblen Fasern sind früh betroffen. Ein klinisches Frühsymptom ist das herabgesetzte Vibrationsempfinden. Elektrophysiologisch steht die axonale Degeneration im Vordergrund (reduzierte Amplituden der Antwortpotentiale, normale oder nur leicht verzögerte NLGs).
Literatur
Therapie
1. Donaghy M, Mills KR, Boniface SJ, Simmons J, Wright I, Gregson N, Jacobs J (1994) Pure motor demyelinating neuropathy: deterioration after steroid treatment and improvement with intravenous immunoglobulin. J Neurol Neurosurg Psychiatry 57: 778–783. 2. Jaspert A, Claus D, Grehl H, Neundörfer B (1996) Multifocal motor neuropathy: clinical and electrophysiological findings. J Neurol 243: 684–692. 3. Meucci N, Cappellari A, Barbieri S, Scarlato G, Nobile-Orazio E (1997) Long term effect of intravenous immunoglobulins and oral cyclophosphamide in multifocal motor neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 63: 765–769. 4. Van den Berg LH, Franssen H, Wokke JHJ (1998) The long-term effect of intravenous immunoglo-
Der Einsatz einer regelmäßigen Dialysetherapie kann das Fortschreiten der Neuropathie verhindern, in der Regel aber nicht schon bestehende Symptome verbessern [1]. Die Therapie der Missempfindungen erfolgt symptomatisch ( „burning-feet“-Syndrom). 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
gesichert Eine erfolgreiche Nierentransplantation führt fast immer zu einer Rückbildung der Neuropathie [3]. empirisch Erste Therapieversuche wurden mit intravenö-
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Polyneuropathie, paraneoplastische
ser Methylcobalamin-Gabe (Vitamin B12) durchgeführt, die einen fraglichen Erfolg zeigte [2].
Prognose Ohne Therapie ist die Erkrankung langsam progredient. Bei frühzeitigem Einsatz einer Dialysetherapie kann das Auftreten einer Polyneuropathie verhindert oder zumindest erheblich verzögert werden. Bestehen beim Einsetzen der Dialyse schon Polyneuropathiesymptome, so kann die Progredienz der Erkrankung gestoppt werden [1, 3].
Literatur 1. Comi G, Corbo M (1998) Metabolic neuropathies. Curr Opin Neurol 11: 523–529. 2. Kuwabara S, Nakazawa R, Azuma N, Suzuki M, Miyajima K, Fukutake T, Hattori T (1999) Intravenous methylcobalamin treatment for uremic and diabetic neuropathy in chronic hemodialysis patients. Intern Med 38: 472–475. 3. Pirzada NA, Morgenlander JC (1997) Peripheral neuropathy in patients with chronic renal failure. A treatable source of discomfort and disability. Postgrad Med 102: 249–261.
Polyneuropathie, paraneoplastische Definition Paraneoplastische Polyneuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die durch die Fernwirkung einer Tumorerkrankung und nicht durch direkte Tumorinfiltration sowie nicht medikamentös-toxisch bedingt sind. Bei einigen ihrer Verlaufsformen findet man Autoantikörper gegen das spezifische Nervengewebe. Andere mögliche Entstehungsmechanismen sind metabolische Störungen oder Toxinwirkungen. Die paraneoplastischen Polyneuropathien werden meist Wochen bis Monate vor Nachweis des Primärtumors manifest. Bei rechtzeitigem Nachweis des dann oft noch kleinen Primärtumors ergeben sich hieraus möglicherweise bessere Chancen der Tumorbehandlung.
Einleitung Es existieren verschiedene Manifestationsformen der paraneoplastischen Polyneuropathie. Die subakute sensorische Neuronopathie
(Denny-Brown-Syndrom, Ganglionitis, Neuronopathie, sensible) manifestiert sich mit asymmetrischen Parästhesien, Schmerzen, häufig einer sensiblen Ataxie, radikulären Syndromen und auch autonomen Störungen. Typisch sind hier die positiven anti-Hu-Antikörper und die Assoziation mit dem kleinzelligen Bronchialkarzinom oder Tumoren des weiblichen Genitale. Weitere Formen sind die klassische distal-symmetrische, sensomotorische, axonale Polyneuropathie, die bei genauer Untersuchung bei mehr als 5% aller Malignom-Patienten nachgewiesen werden kann, und die subakute motorische, häufig demyelinisierende Polyneuropathie mit armbetonter, schmerzloser Schwäche, die häufig bei Lymphomen gefunden wird. Asymmetrische Polyneuropathien können auf dem Boden einer paraneoplastischen Vaskulitis auftreten. Autonome Polyneuropathien sind wiederum häufig antikörperassoziiert (anti-Huund anti-CV-Antikörper) und oft mit der Ganglionitis vergesellschaftet. 3
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Diagnostik Bei den beschriebenen Polyneuropathien muss differenzialdiagnostisch immer an ein zugrunde liegendes Tumorleiden gedacht werden, allerdings bei den verschiedenen Formen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit. Bei der Ganglionitis muss intensiv nach einem entsprechenden Tumor gesucht werden, während bei der klassischen distal-symmetrischen Neuropathie andere Ursachen wesentlich wahrscheinlicher sind und eine Tumorsuche gezielt nach Ausschluss anderer Ursachen abhängig von weiteren richtungsweisenden Befunden durchgeführt werden sollte. Eine Lumbalpunktion sollte bei V. a. paraneoplastische Polyneuropathie ebenso durchgeführt werden wie die gezielte Antikörper-Diagnostik. Bei Verdacht auf eine vaskulitische Neuropathie sollte eine Nervenbiopsie erfolgen. Bei allen beschriebenen Syndromen wird der Tumor aber oft erst nach intensiver wiederholter Suche gefunden.
Therapie Primäre Therapie ist die adäquate Behandlung des zugrunde liegenden Tumorleidens nach onkologischen Gesichtspunkten. Solange kein Tumor histologisch gesichert ist, sollte auch keine Antitumor-Therapie erfolgen. Nur bei einem sehr kleinen Teil der Patienten ist aber nach Entfernen des Primärtumors ein Rückgang
Polyneuropathie, paraproteinämische
der Polyneuropathie-Symptomatik zu verzeichnen. Eine zusätzliche immunsuppressive Therapie kommt in Frage. Über ihre Indikation ist individuell zu entscheiden, da zum einen die neurologischen Schäden bei Diagnosestellung häufig bereits irreversibel sind, zum anderen eine immunsuppresive Therapie negative Auswirkungen auf das zugrunde liegende Tumorleiden haben kann. Zur Therapie der Ganglionitis Neuronopathie, sensible [2]. 3
empirisch Mittel der 1. Wahl in der immunsuppressiven Therapie paraneoplastischer Neuropathien sind Kortikoide, weniger wegen guter Studienergebnisse als vielmehr wegen der Vertrautheit der meisten Neurologen mit diesem Präparat. Genaue Hinweise zur Dosierung gibt es nicht. Meist wird mit 60–80 mg/die p. o. Prednison begonnen, welches über 3–4 Wochen verabreicht werden sollte, bevor über den endgültigen Therapieeffekt entschieden wird [1]. Danach wird das Medikament entweder ausgeschlichen oder weitergegeben (z. B. jeden 2. Tag). Als Mittel der 2. oder 3. Wahl kommen Azathioprin, Cyclophosphamid (50–100 mg/die p. o. oder 500–1000 mg/m2 Körperoberfläche i. v. alle 4–6 Wochen) oder Cyclosporin (initial 5 mg/kgKG/die p. o., Steigerung adaptiert an den Blutspiegel) in Frage, von denen das Azathioprin (2–3 mg/kgKG/die p. o.) am besten toleriert wird und am unkompliziertesten in der Anwendung ist [1]. Alle 3 Präparate können auch bei positivem Kortisoneffekt zum Kortisonsparen eingesetzt werden. Die üblichen Kontraindikationen der Präparate müssen beachtet werden. In Einzelfällen werden auch neurologische Verbesserungen unter hochdosierten intravenösen Immunglobulinen (0,4 g/kgKG/die i. v. über 5 Tage) berichtet.
Prognose Die Prognose ist insgesamt schlecht. Die neurologischen Symptome sprechen nur schlecht oder gar nicht und wenn überhaupt nur vorübergehend auf die Therapie an. Die zugrunde liegenden Tumorerkrankungen sind meist fatal.
Literatur 1. Dropcho EJ (1999) Paraneoplastic Diseases of the Nervous System. Curr Treat Options Neurol 1: 417–427.
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2. Oh SJ, Dropcho EJ, Claussen GC (1997) AntiHu-associated paraneoplastic sensory neuronopathy responding to early aggressive immunotherapy: report of two cases and review of the literature. Muscle Nerve 20: 1576–1582.
Polyneuropathie, paraproteinämische Synonyme Polyneuropathie bei monoklonaler Gammopathie
Definition Polyneuropathien, die mit dem heterogenen Krankheitsbild der Paraproteinämien assoziiert sind. Monoklonale Proteine scheinen bei manchen dieser Erkrankungen eine Rolle für die Pathogenese der Polyneuropathie zu spielen, bei anderen ist die Beziehung zwischen Paraproteinämie und Polyneuropathie unklar. Die Paraproteinämie kann benigne, von ungeklärter Dignität sein (MGUS = monoclonal gammopathy of undetermined significance; monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz), oder mit einer malignen Grunderkrankung assoziiert sein (Multiples Myelom, Waldenström-Erkrankung, osteosklerotisches Myelom, POEMSSyndrom, Lymphome, Amyloidose, Kryoglobulinämien) [7]. Die Paraproteine können den Immunglobulinklassen IgM, IgG, IgA, IgD oder IgE angehören (meist IgM oder IgG). Bei manchen monoklonalen Gammopathien haben die Paraproteine Autoantikörper-Funktion (insbesondere Antikörper gegen myelinassoziiertes Glykoprotein (MAG bei IgM-Neuropathien).
Einleitung Bei Neuropathien ungeklärter Ätiologie findet sich in 10% der Fälle eine Paraproteinämie. Umgekehrt werden bei Patienten mit Paraproteinämien bei 29–71% [7] Polyneuropathien gefunden. Die klinische Symptomatik dieser Polyneuropathien ist heterogen und kann grundsätzlich demyelinisierend, axonal oder gemischt sein. Häufig entspricht die klinische Symptomatik den Kriterien einer CIDP. Sie hängt zum einen von der zugrunde liegenden Erkrankung zum anderen aber auch von der Immunglobulin-Subklasse ab. Bei den MGUS-Gammopathien findet sich ein homoge-
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Polyneuropathie, paraproteinämische
nes Krankheitsbild bei der IgM-Neuropathie mit anti-MAG-Antikörpern: Hier liegt eine vorwiegend sensible, demyelinisierende, distal betonte Neuropathie vor. Neuropathien bei IgGund IgA-Paraproteinämien vom MGUS-Typ sind heterogen, entsprechen aber häufig auch dem klinischen Bild einer CIDP.
Diagnostik Hohe Blutsenkung, Blutbild (Anämie), Nachweis der Paraproteinämie mittels Serum-Elektrophorese und Immunelektrophorese. Weiterführende Diagnostik zur Klassifikation der Grunderkrankung (Blutbild, Knochenmarkspunktion oder - biopsie, Skelettröntgen), elektrophysiologische Diagnostik zur Klassifikation der Polyneuropathie (NLG, distal-motorische Latenzen, terminal motor latency-index zum Nachweis einer distal betonten Demyelinisierung bei Neuropathie mit anti-MAG-Antikörpern). Suche nach Anti-MAG und anderen Autoantikörpern (z. B. GM1).
Therapie Die Therapie richtet sich zum einen nach Art und Dignität der Grunderkrankung, zum anderen zeigen die Polyneuropathien ein unterschiedliches Ansprechen auf verschiedene Therapieverfahren abhängig von der Immunglobulin-Subklasse. Es liegen nur wenige kontrollierte Studien vor, sodass sich Therapieempfehlungen meist auf kleine Fallstudien beziehen. gesichert Bei malignen Paraproteinämien mit Polyneuropathie (z. B. Waldenström-Erkrankung, POEMS-Syndrom) steht die Therapie der malignen Grunderkrankung (Radiatio, Chemotherapie) nach onkologischen Gesichtspunkten im Vordergrund. Bei Paraproteinämien vom MGUS-Typ kommen verschiedene Therapieverfahren in Betracht. Entspricht die Polyneuropathiesymptomatik den Kriterien einer CIDP, so erfolgt die Therapie analog der CIDP-Behandlung [3]. Bei schwerer Polyneuropathiesymptomatik können aggressivere Therapieverfahren wie z. B. Chlorambucil oder Fludarabin angewandt werden, durch die die M-Protein-Konzentration um mindestens 50% gesenkt werden soll [3]. Therapieschema: Prednisolon (1 mg pro kgKg/ Tag über 4 Wochen) in Kombination mit Chlorambucil (Leukeran 2 mg/Tag, nach 4 Wochen
1 mg/Tag, nach weiteren 4 Wochen 0,5 mg/ Tag). Alternativ Leukeran-Stosstherapie oder Azathioprin (2–3 mg/kgKG/Tag) oder Cyclophosphamid (2 mg/kgKG/Tag) [1]. In einer randomisierten offenen Studie konnte auch mit einer Interferon-α-Therapie bei 8 von 10 Patienten mit IgM-MGUS eine Besserung erzielt werden. Interferon-α wurde dazu 3×wöchentlich in einer Dosis von 3 MU/m2 s. c. über 6 Monate verabreicht [4]. empirisch IgG- und IgA-Gammopathien sprechen auf die gleichen Therapieverfahren wie die idiopathische CIDP (Plasmapherese, Kortison, i. v.Ig) an. IgM-Paraproteinämien zeigen aber schlechtere Erfolge als die idiopathische CIDP: Die Plasmapherese ist bei Paraproteinämien vom IgG- oder IgA-Typ besser wirksam als beim IgM-Typ. In mehreren Studien wurde bei IgM-Gammopathien kein Nutzen einer Plasmapherese-Therapie gesehen [1]. Auch i. v. Ig zeigt nur bei wenigen Patienten mit IgM-Antikörpern einen Therapieerfolg. Chlorambucil ergab bei einem Drittel der Patienten mit IgM-MGUS eine leichte Besserung der Polyneuropathie [5]. Cyclosporin A hat im Einzelfall eine Verbesserung bei IgG-Gammopathie ergeben. Erste Therapieerfolge einer autologen Knochenmarkstransplantation sind bei M. Waldenström mit anti-MAG-Antikörpern beschrieben [6]. Ein anderes vielversprechendes Therapieverfahren bei IgM-anti-MAGGammopathien ist die Gabe von Rituximab, einem monoklonalen Anti-CD20-Antikörper [7]. unwirksam/obsolet Patienten mit IgM-Gammopathie mit antiMAG-Antikörpern sprechen nicht auf Kortikosteroide an. Nachsorge Jährliche Kontrolluntersuchungen zum Ausschluss einer malignen lymphatischen Erkrankung sollten erfolgen. Ausserdem muss unter Chemotherapie auf die Entwicklung einer Immunsuppression oder eines sekundären Malignoms geachtet werden.
Prognose Die Prognose ist abhängig vom Malignitätsgrad der Grunderkrankung. Bei MGUS-Neuropa-
Polyneuropathie, Sarkoidose
thien entwickeln etwa ein Drittel der Patienten mit IgM-Paraproteinämie im Verlauf ein lymphozytäres Malignom, bei IgG- und IgA-Neuropathien gibt es keine zuverlässigen Angaben. Liegt kein Malignom vor, so ist die Prognose abhängig vom Verlauf der Neuropathie. Axonale Neuropathien sprechen deutlich schlechter auf immunsuppressive Therapien an als demyelinisierende [7].
Literatur 1. Berlit P (1999) Klinische Neurologie. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg. 2. Dyck PJ, Low PA, Windebank AJ et al (1991) Plasma exchange in polyneuropathy associated with monoclonal gammopathy of undetermined significance. N Engl J Med 325: 1482–1486. 3. Latov N (2000) Prognosis of neuropathy with monoclonal gammopathy. Muscle Nerve 23: 150– 152. 4. Mariette X, Chastang C, Clavelou P, Louboutin JP, Leger JM, Brouet JC (1997) A randomised clinical trial comparing interferon-alpha and intravenous immunoglobulin in polyneuropathy associated with monoclonal IgM. J Neurol Neurosurg Psychiatry 63: 28–34. 5. Oksenhendler E, Chevret S, Leger JM, Louboutin LP, Bussel A, Brouet JC, (1995) Plasma exchange and chlorambucil in polyneuropathy associated with monoclonal IgM-gammopathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 59: 243–247. 6. Rudnicki SA, Harik SI, Dhodapkar M, Barlogie B, Eidelberg D (1998) Nervous system dysfunction in Waldenström`s macroglobulinemia: response to treatment. Neurology 51: 1210–1213. 7. Simmons Z (1999) Paraproteinemia and neuropathy. Curr Opin.Neurol 12: 589–595.
Polyneuropathie, Sarkoidose Synonyme Polyneuropathie bei Morbus Besnier-BoeckSchaumann, Sarkoidose 3
Definition Die Sarkoidose ist eine granulomatöse Multisystemerkrankung ungeklärter Ätiologie meist jüngerer Patienten, bevorzugt mit Beteiligung von Lunge, Lymphknoten, Milz, Leber und Haut, die in 5–6% aller Fälle mit einer Beteiligung des zentralen und peripheren Nervensystems (Neurosarkoidose) einhergeht.
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Einleitung Eine Polyneuropathie tritt bei der Sarkoidose in etwa 5% aller Fälle auf. Läsionen des peripheren Nervensystems manifestieren sich zumeist als symmetrische sensomotorische Polyneuropathie, seltener als Mononeuritis multiplex, als Radikulitis oder als Guillain-Barré-Syndrom. Klinisch bestehen häufig Schmerzen. Der Verlauf ist subakut oder chronisch, kann aber rezidivieren. Hirnnervensymptome sind die häufigste primäre Manifestation einer Neurosarkoidose. In einem Drittel der Fälle liegt initial eine Fazialisparese vor, die sich meist spontan zurückbildet (zusammen mit Parotitis als Heerfordt-Syndrom bezeichnet). Auch Läsionen des N. vestibulocochlearis, des N. trigeminus und des N. opticus sind häufig. Andere Hirnnerven sind seltener beteiligt. Die Hirnnervenschädigung kann durch eine direkte granulomatöse Infiltration der Nerven, aber auch durch eine basale Meningitis zustande kommen.
Diagnostik Histologisch steht die Vaskulitis mit granulomatösen und lymphozytären Infiltraten im Vordergrund. In der Regel liegt eine axonale Degeneration vor. Diagnostisch sind RöntgenThorax, Labor (ACE, Lysozym im Serum), Liquor (Entzündung oft ohne positive oligoklonale Banden), bronchoalveoläre Lavage und gegebenenfalls Biopsie entscheidend.
Therapie Die Neurosarkoidose muss mit Kortikosteroiden behandelt werden. Aufgrund fehlender kontrollierter Studien sind die Angaben zu Dosis und Therapiedauer sehr variabel. In der Regel wird mit einer Dosis von 1 mg Prednisonäquivalent/die begonnen und dann über 3–6 Monate auf eine Erhaltungsdosis von 20 mg/die reduziert. Diese Erhaltungsdosis muss über mindestens 1 Jahr bis zu mehreren Jahren (bei 30% Rezidive!) beibehalten werden. Ist die Kortisontherapie nicht ausreichend, so kommen zusätzlich andere immunsuppressiv wirksame Medikamente in Betracht (z. B. Azathioprin 1–3 mg/kgKG/die p. o., Ciclosporin A 4–6 mg/kgKG/die p. o., Methotrexat 25 mg/ Woche i. m., Cyclophosphamid 200 mg/die p. o., Chlorambucil, Chloroquin oder Hydroxychloroquin) [1]. Der Einsatz dieser Substanzen richtet sich zum einen nach ihrem Neben-
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Polyneuropathie, Schwerpunktpolyneuropathie
wirkungsprofil, zum anderen werden Cyclophosphamid oder Methotrexat eher erst nach Versagen von Ciclosporin und Azathioprin eingesetzt. Eine Bestrahlungstherapie kommt nur bei lebensbedrohlicher zentraler Symptomatik oder ineffektiver medikamentöser Therapie in Betracht.
Prognose Bei etwa 2/3 aller Patienten ist der Verlauf einer Neurosarkoidose subakut monophasisch, bei den übrigen Patienten chronisch-rezidivierend. Spontanremissionen und klinische Stillstände wurden häufig beobachtet. Unter einer Kortisontherapie kommt es bei 70–90% zu einer Besserung der neurologischen Symptome, bei den übrigen Patienten ist die Symptomatik auch unter Therapie progredient. Mehr als die Hälfte aller Patienten erreichen aber eine komplette Remission. Gerade Hirnnervenausfälle sind gut rückbildungsfähig.
Literatur 1. Walker A, Tyor W (2001) Neurosarcoidosis. Curr Treat Options Neurol 3: 529–535.
Diagnostik Verschiedenste Ätiologien kommen in Frage. Sensible Neuropathien findet man z. B. häufig beim Diabetes, beim Sjögren-Syndrom, bei den meisten toxischen Neuropathien, bei der alkoholtoxischen oder der nephrogenen Polyneuropathie, bei Vitaminmangel-Neuropathien, bei der paraneoplastischen Ganglionitis oder bei hereditären sensiblen Neuropathien.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Zur symptomatischen Therapie der Missempfindungen und Schmerzen, Polyneuropathie. 3
1048
Polyneuropathie, sensomotorische Definition Hier liegen gleichzeitig Symptome des sensiblen und motorischen peripheren Nervensystems vor.
Einleitung
Polyneuropathie, Schwerpunktpolyneuropathie Schwerpunktpolyneuropathie
Neben den sensiblen Symptomen ( Polyneuropathie, sensible) bestehen meist distal betonte, seltener asymmetrische motorische Defizite mit Paresen, Muskelatrophien und Abschwächungen oder Verlust der Muskeleigenreflexe.
Polyneuropathie, sensible
Diagnostik
3
Polyneuropathie mit ausschließlicher oder ganz überwiegender sensibler Symptomatik.
Einleitung Klinisch bestehen sensible Reiz- (Dysästhesien, Paraesthesien, Kribbeln, Schmerzen) und Ausfalls-Symptome (Hypästhesie, Hypalgesie, Thermhypästhesie, abgeschwächtes Vibrationsund Lageempfinden), die meist distal-symmetrisch strumpf- bzw. handschuhförmig verteilt sind, seltener auch asymmetrisch vorkommen. Auch Reflexabschwächungen kommen vor.
3
Definition
Die Ätiologie ist vielschichtig. Sensomotorische Symptome werden häufig bei den akutoder chronisch-entzündlichen demyelinisierenden Neuropathien beobachtet, aber auch beim Diabetes, bei der Porphyrie, bei hereditären Neuropathien, bei fortgeschrittenen toxischen oder paraneoplastischen Neuropathien oder bei Amyloidosen.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei ausgeprägteren motorischen Defiziten ist eine kontrollierte krankengymnastische Übungsbehandlung wichtig.
Polyneuropathie, toxische
Polyneuropathie, toxische Definition Polyneuropathie, die durch schädigende Einwirkung exogen-toxischer Substanzen entsteht. Die häufigste Ursache einer toxischen Polyneuropathie ist die alkoholische Polyneuropathie. Weitere Ursachen sind medikamentös-toxische Polyneuropathien oder Schädigungen des peripheren Nervensystems durch Umweltgifte ( Umweltgifte, Polyneuropathie).
1049
Einleitung In der Regel beginnt die Polyneuropathie distalsymmetrisch mit Sensibilitätsstörungen und führt erst später zu Paresen. Elektrophysiologisch ist typischerweise ein axonales Schädigungsmuster nachzuweisen. Aber auch asymmetrische, motorisch betonte, autonom betonte, schmerzhafte oder demyelinisierende Formen kommen bei bestimmten Substanzen vor (vgl. Abb. 1).
3
3
P
Polyneuropathie, toxische. Abb. 1: Toxische Neuropathien
1050
Polyneuropathie, Vitaminmangel
Diagnostik
Einleitung
Die Diagnose kann schwierig sein, da auch die meisten Polyneuropathien unklarer Ätiologie distal-symmetrisch sensibel und axonal sind. Die wichtigsten zur Polyneuropathie führenden Medikamente sind Zytostatika (Vincristin, Cisplatin, Taxol), Isoniazid, Nitrofurantoin, Gold, Sulfonamide, Metronidazol, Chloroquin, Dapson, Lithium. Zu den gewerblichen bzw. Umweltgiften, Umweltgifte, Polyneuropathie. Typischerweise können motorische Neuropathien medikamentös durch Chloroquin, Gentamycin, Dapson oder Phenytoin ausgelöst werden, typischerweise asymmetrische durch Chloroquin, Colchizin oder toxisch durch Blei. Demyelinisierende Polyneuropathien können bei Amiodaron- und Perhexillin-Einwirkung gesehen werden.
Vitaminmangel-Neuropathien sind wie andere metabolische Neuropathien typischerweise distal-symmetrisch lokalisiert. Der Vitamin B1-Mangel (Thiaminmangel) tritt typischerweise bei Mangelernährung (z. B. Kriegsgefangenenlager, Alkoholismus) auf. Klassische Vitamin B1-Mangel-Erkrankung ist Beriberi. Neben der Polyneuropathie findet sich beim Alkoholismus bei manifestem B1-Mangel häufig die Wernicke-Enzephalopathie. Auch der Vitamin B2-Mangel tritt gehäuft beim Alkoholismus auf. Zusammen mit Niacinmangel führt er neben den typischen Hautveränderungen (Mundwinkelrhagaden, Zungenschleimhautatrophie etc.) zu zentralnervösen Störungen und zur Polyneuropathie. Vitamin B6-(Pyridoxin-)Mangel tritt ebenfalls gehäuft bei Alkoholikern auf. Im Vordergrund stehen wegen der Bedeutung des Vitamins bei vielen Syntheseprozessen zentralnervöse Störungen. Polyneuropathien können sowohl bei Vitamin B6-Mangel als auch bei Überdosierungen mit B6 auftreten. Ein Vitamin B12-(Cyanocobalamin-)Mangel ist das wichtigste Vitamin für die Entstehung von Polyneuropathien durch Malabsorption. Die durch Mangel an Intrinsic Factor ausgelöste Vitamin B12-Resorptionsstörung führt zur perniziösen Anämie, funikulären Myelose und/ oder Polyneuropathie, wobei für die distal-symmetrische Polyneuropathie der frühzeitige Ausfall der Tiefensensibilität mit Ataxie bei Augenschluss typisch ist. Beim Vitamin E-(Alpha-Tocopherol-)Mangel, der zumeist durch Malabsorptionssyndrome zustande kommt, steht meist ein spinozerebelläres Syndrom im Vordergrund. Neben der Polyneuropathie kommen auch neuroophthalmologische Störungen vor. Folsäuremangel wird vor allem bei Alkoholikern und hier bei Leberzirrhose gefunden. Er kann auch iatrogen durch Methotrexat- oder Phenytoin-Therapie ausgelöst werden und führt neben zentralnervösen Störungen zu meist sensiblen Polyneuropathien.
3
Polyneuropathie, Vitaminmangel
3
Die kausale Therapie einer toxischen Polyneuropathie besteht im umgehenden Weglassen der Noxe, sofern die entsprechende Substanz identifiziert wurde. Bei medikamentös induzierter Polyneuropathie muss hier zwischen der Schwere der Neuropathie und der Wichtigkeit des entsprechenden Präparates abgewogen werden. In aller Regel besteht die Möglichkeit des Umsetzens einer Substanz. Dieses kann aber bei bestimmten Medikamenten (z. B. Zytostatika-Therapie mit Platin oder Vincristin) problematisch sein. Gegebenenfalls kann die Neuropathie durch Gabe einer zusätzlichen Substanz verhindert werden (z. B. die Isoniazidpolyneuropathie durch Gabe von Pyridoxin 60–120 mg/ die). Grundsätzlich ist die toxische Polyneuropathie nach Weglassen der Noxe langfristig nicht mehr progredient. Häufig ist auch eine Rückbildung der Symptome zu erreichen. Zur symptomatischen Therapie persistierender Beschwerden, Polyneuropathie.
3
3
Therapie
Definition
Diagnostik
Mangelnde Zufuhr oder Resorption verschiedener Vitamine (Vitamin B1, B2, B6, B12, E, Nikotinsäure, Folsäure) kann neben anderen neurologischen Symptomen zu Polyneuropathien führen.
Der Nachweis der jeweiligen Vitaminmangelzustände kann bei entsprechendem klinischen Verdacht durch die Blut- bzw. in manchen Fällen auch Urinspiegelbestimmung des jeweiligen Vitamins erfolgen (Vitamin B1 im Serum,
Pons
Methylnikotinamid im Urin bei Nikotinsäuremangel reduziert, Pyridoxin im Urin bei B6Mangel reduziert, pathologischer B12-Spiegel im Serum und pathologischer Schilling-Test ohne Intrinsic Factor bei B12-Mangel, Vitamin E-Spiegel im Serum, Folsäurespiegel im Serum reduziert).
1051
kommt ein absoluter oder relativer ADH-Mangel bei zentralem oder nephrogenem Diabetes insipidus in Frage. Eine osmotische Diurese bei Diabetes mellitus ist häufig. Im Rahmen einer Nierenerkrankung kann nach der anurischen Phase eine Regenerationsphase mit Polyurie folgen. Die Therapie aller Erkrankungen sollte kausal und symptomatisch erfolgen.
Therapie
3
Polyurie Definition Übermäßige Harnausscheidung (>2l/24 Stunden), meist infolge Stoffwechselentgleisung, nach Anurie, bei Hydronephrose, Hyposthenurie und Diabetes insipidus. 3
Grundlagen Zur Entstehung einer Polyurie können viele Ursache führen. Unterschieden werden können organische von psychogenen Ursachen. So
Pompe-Erkrankung 3
Die Therapie der Vitaminmangelzustände besteht in der Substitution des bzw. der fehlenden Vitamine sowie insgesamt in einer ausgewogenen Ernährung. Bei Vitamin B1-Mangel werden zunächst 50 mg Thiamin langsam i. v. und 50 mg i. m. verabreicht, im Anschluss 50 mg i. m. pro Tag so lange, bis eine orale Gabe möglich ist (dann 100–300 mg/die oral). Eine begleitende internistische Therapie der oft bestehenden weiteren metabolischen Entgleisungen ist wichtig. Nicotinamid bei Nikotinsäuremangel wird initial mit 1–3×200 mg/die oral substituiert, im Anschluss 1–3 x 100 mg/die oral. Bei Vitamin B6-Mangel wird Pyridoxin-HCl mit 20–300 mg/die oral, i. m. oder i. v. substituiert, wobei wegen der toxischen B6-Wirkung eine Überdosierung unbedingt vermieden werden muss. Die Therapie der funikulären Myelose besteht in der initialen Gabe von 1000 µg Cytobion i. m. pro Tag über Tage, dann bis zur Normalisierung der Anämie 500 µg/Woche und schließlich 500 µg alle 3 Monate lebenslang. Bei Vitamin E-Mangel wird α-Tocopherol 3– 5×400 mg/die p. o. für 14 Tage gegeben, dann 2×400 mg/die p. o. Folsäure wird mit 3×2,5– 5 mg/die p. o. oder 15 mg i. v./i. m. ersetzt.
Saure-Maltase-Mangel, Glykogenose Typ II
Pons Synonyme Brücke
Definition Der Pons ist Teil des Hirnstamms und erstreckt sich oberhalb der Medulla oblongata nach kranial bis zu den Hirnschenkeln des Mittelhirns (Pedunculi cerebri).
Grundlagen Anatomische Strukturen: * Die dorsale Fläche des Pons bildet den Boden des IV. Ventrikels. * Am kaudalen Ende des Pons liegen lateral die Foramina Luschkae und medial die Foramina Magendii als Abfluss des IV, Ventrikels in den Subarachnoidalraum. * Durch den Pons verlaufen neben der Pyramidenbahn (seitlich) auch kortikopontine und pontozerebelläre Fasern. * Die Kerne des V:, VI. und VII. Hirnnerven liegen im Bereich des Pons. * Am seitlichen Rand des Pons tritt der Nervus trigeminus bzw. am Unterrand zwischen Pons und Medulla oblongata der Nervus facialis und vestibulocochlearis sowie medial der Nervus abducens aus.
P
Pons, Infarkt
Pons, Infarkt Definition Ischämischer Infarkt im Bereich der Brückenregion des Hirnstamms.
Einleitung Anatomie: Die Blutversorgung des Pons wird durch kleine, penetrierende Gefäße, die aus der A: basilaris abzweigen, sichergestellt (Rami ad pontem). Pathophysiologie: Ein Verschluss dieser penetrierenden Äste führt zu Ischämien im ventralen, paramedianen Teil des Pons (paramedianer Ponsinfarkt). Ätiologie: * Mikroangiopathisch: Verschluss kleinster Endäste der Ponsgefäße, lakunärer Ponsinfarkt. * Makroangiopathisch: Arteriosklerotische Veränderungen der A. basilaris bzw. größerer, penetrierender Gefäße bedingen die Entstehung größerer (z. B. paramedianer) Ponsinfarkte durch
Klinik: Brachiofazial betonte, sensomotorische Hemiparese, horizontale Blickparese (bei Läsion des pontinen Blickzentrums), Dysarthrie.
Prognose Abhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie und der Größe des Infarkts.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
Pontomesenzephale Schädigung Definition Schädigung der Brücke und des Mittelhirns unterschiedlicher Genese, z. B. Basilaristhrombose, erhöhter intrakranieller Druck, Entzündungen, Blutung oder Tumor.
Porphyrie
Diagnostik Charakteristisches klinisches Syndrom. Bildgebung: * Computertomographie (nur orientierende Beurteilung, häufig durch Artefaktüberlagerung keine Aussage zum Pons möglich). * Kernspintomographie, ggf. auch diffusionsgewichtete Aufnahmen.
Definition Porphyrien sind Stoffwechselerkrankungen mit Störung der Hämbiosynthese und Akkumulation oder vermehrter Ausscheidung von Porphyrinen. Sie werden aufgeteilt in hepatische, erythropoetische oder sekundäre Porphyrien. Neurologische Symptome treten besonders bei den hepatischen Porphyrien auf, deren wichtigster Vertreter die akute intermittierende Porphyrie ist. 3
Therapie
3
Hirninfarkt, Basilaristhrombose. Akutphase: intravenöse PTT-wirksame Antikoagulation (Ziel-PTT 50–60 Sekunden, 1,5– 2faches des Ausgangswertes).
Therapie 3
*
a) Arterioarterielle Embolien. b) Lokalthrombotischen Verschluss c) Appositionsthromben. Kardialembolisch: Kardiale Embolie in pontine Gefäßäste, größerer (z. B. paramedianer) Ponsinfarkt.
Langzeittherapie/Sekundärprophylaxe: Abhängig von der Ätiologie des Infarktes * Mikroangiopathie: Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, Optimierung des Risikofaktorprofils. * Makroangiopathie: a) Arterioarterielle Embolie: Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, Optimierung des Risikofaktorprofils. b) Lokalthrombotisch: Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, Optimierung des Risikofaktorprofils. c) Sonderfall Basilarisstenose: Nicht gesicherte Indikation zur oralen Antikoagulation, wenn keine entsprechenden Kontraindikationen vorliegen. * Kardiale Embolie: Im Regelfall Indikation zur oralen Antikoagulation.
3
1052
Porphyrie, akute intermittierende
3
3
Postiktuale Phase
Porphyrie, akute hepatische Definition Zu den hepatischen Porphyrien gehören die akute intermittierende Porphyrie, die Porphyria cutanea tarda und die seltene Porphyria variegata. Die häufigste und am meisten mit neurologischen Symptomen vergesellschaftete ist die akute intermittierende Porphyrie, Porphyrie, akute intermittierende. 3
Porphyrie, akute intermittierende Definition Häufigste Form der hepatischen Porphyrien, bei der ein Defekt der Porphobilinogen-Desaminase vorliegt. Die Erkrankung ist autosomal-dominant vererbt, Frauen sind häufiger als Männer betroffen.
Einleitung Allgemein internistisch imponiert vor allem die abdominale Symptomatik mit Abdominalkoliken, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen, aber auch Tachykardien, arterieller Hypertonie, orthostatischer Hypotonie. Neurologisch bestehen vor allem axonale, vorwiegend motorische Polyneuropathien, die in seltenen Fällen einmal akut aszendierende Paresen wie beim akuten Guillain-Barré-Syndrom zeigen können. Hirnnervenaffektionen können vorliegen, darüber hinaus zentrale Störungen wie epileptische Anfälle, Psychosen, delirante Bilder, Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen oder andere Schmerzsyndrome. Neben klinisch manifest Erkrankten gibt es Anlageträger oder latent Erkrankte. Manifestationsauslösend wirken Stress (auch Infekte, Operationen) oder porphyrinogene Stoffe (Alkohol, Barbiturate, Diazepam, Diclofenac, Phenytoin, Imipramin, Clonidin, Sulfonamide, Griseofulvin, Pyrazolon-Derivate, Östrogene, Ergotamine, Rifampicin).
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Therapie Die Therapie besteht zum einen in Alkoholkarenz und dem Absetzen porphyrinogener Medikamente bzw. dem Wechsel auf erlaubte Präparate. Bei einer akuten Symptomatik ist meistens eine intensivmedizinische Überwachung erforderlich. Es erfolgt eine Bilanzierung mit Elektrolyt- und Blutzuckerkontrollen sowie die Gabe von Glukose 40% 1000 ml/die über ZVK i. v. und eine forcierte Diurese. Bei fehlender Besserung wird Häm-Arginin (Normosang®) 3 mg/ kgKG/die über 15 min i. v. an bis zu 4 aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht. Durch die Gabe von Glukose und Häm-Arginin soll die pathologisch erhöhte Aktivität der δ-Aminolävulinsäure-Synthetase gebremst werden. Außerdem erfolgt eine symptomatische Therapie. Bei Schmerzen können ASS oder Opiate gegeben werden, bei Hypertonie oder Tachykardie Propanolol, bei Unruhe oder Erbrechen Chlorpromazin 50–100 mg/die oder Chloralhydrat 1000–2000 mg/die, bei Krampfanfällen Magnesium (Ziel-Serumspiegel: 2,5–7,5 mval/ l) oder Gabapentin 1200–2400 mg/die in 3 Tagesdosen [1].
Prognose Die Prognose ist bei suffizienter Therapie und Vermeiden der entsprechenden Noxen günstig.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Die Patienten müssen gut über die Erkrankung und insbesondere über die porphyrinogenen Substanzen aufgeklärt werden. Eine entsprechende Liste und ein Notfallausweis sollten mitgeführt werden.
Literatur 1. Grehl H, Reinhardt F (2000) Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart New York.
Postiktuale Phase Synonyme
Die Diagnose wird über den Nachweis erhöhter Porphobilinogen- und δ-AminolävulinsäureSpiegel im Urin gestellt. Typisch ist die Rotfärbung des Urins mit Nachdunkeln beim Stehenlassen.
Postparoxysmale Phase, postkonvulsive Phase
Definition Phase nach Ende eines epileptischen Anfalls von unterschiedlicher Dauer (meist im Minutenbereich, u. U. bis zu Stunden), gekennzeich3
Diagnostik
P
Postpoliosyndrom
net durch Rückgang vegetativer Anfallsphänomene, Umdämmerung, teilweise ausgeprägte motorische Unruhe (z. T. mit Automatismen) und schließlich allmähliches Wiedererlangen des Bewusstseins. Insbesondere nach generalisiert tonisch-klonischen Anfällen nach einbis zweiminüigem postiktualen Koma auch direkter Übergang in Terminalschlaf von mehreren Stunden möglich. In der Regel komplette oder partielle Amnesie für die postiktuale Phase. Als lateralisierende Hinweise der postiktualen Phase bezüglich des Anfallsursprungs können Todd Paresen und aphasische Störungen gewertet werden. 3
Postpoliosyndrom Einleitung Unspezifisches Syndrom mit Schmerzen, Ermüdbarkeit und Schwächegefühl, das bei 50– 70% der an Residuen einer Poliomyelitis leidenden Patienten auftritt und meist durch andere Erkrankungen (z. B. Arthrosen) bedingt ist. Abgegrenzt werden muss die „progressive Muskelatrophie nach Polioinfektion“ mit langsamer, schmerzloser Verschlechterung vorbestehender Paresen.
Diagnostik Differenzialdiagnostisch sollten orthopädische Probleme, Nerven- und Wurzelkompressionssyndrome, Schlafapnoesyndrom und psychische Ursachen bedacht werden.
Therapie empirisch Symptomatische Behandlung, Krankengymnastik.
schaffen und Kales) bei etwa 50% der Bevölkerung.
„Posttraumatic stress disorder“ (PTSD) Synonyme Posttraumatisches Syndrom
Grundlagen Eingeordnet wird das PTSD unter die Angsterkrankungen. Bei diesem Syndrom kommt es in der Spätphase nach Trauma unterschiedlichster Art (Krieg, Naturkatastrophen, Unfälle) zu einer Angsterkrankung. Zur Symptomatik gehören ein Gefühl der Hilflosigkeit, es treten dissoziative Symptome auf, weiterhin Schlafstörungen und Reizvermeidungsverhalten.
Posttraumatisches Syndrom 3
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Posttraumatic stress disorder“ (PTSD)
Posturale Instabilität Synonyme Standunsicherheit bei akinetisch-rigiden Sicherheit
Definition Störungen der reflektorischen Ausgleichsbewegungen nach passiver Auslenkung aus dem Gleichgewicht (sogenannte posturale oder Stell-Reflexe).
Grundlagen
POSTS („positive occipital sharp transients of sleep“) Definition Unpathologische, steile, aus der EEG-Grundaktivität deutlich herausragende Graphoelemente mit okzipitalem Feldmaximum und positiver Polarität. Auftreten in leichten Non-REMSchlafstadien (Stadium I und II nach Recht-
Posturale Instabilität bzw. Störung posturaler (gleichgewichtsregulierender) Reflexe: Beim idiopathischen Parkinson-Syndrom finden sich im Verlauf regelmäßig Störungen der reflektorischen Ausgleichsbewegungen nach passiver Auslenkung aus dem Gleichgewicht (sogenannte posturale oder Stell-Reflexe). In frühen Krankheitsphasen sind Provokationstests erforderlich, um die Störung zu demonstrieren: Beim Zugtest erfolgt eine Gleichge-
Pramipexol
Posturale Kontrolle 3
Posturale Instabilität,
Medikamentös: Orale Gabe von Fludrocortison (0,1–0,3 mg/die, z. B. Astonin H®) oder Midodrin (3×2,5–3×10 mg/die, z. B. Gutron®, Cave: Nächtliche Hypertension!). β-Blocker reduzieren die orthostatische Taychykardie, bessern jedoch selten die Symptome der orthostatischen Intoleranz. Bei nicht ausreichendem Ansprechen Gabe von Paroxetin. 3
wichtsauslenkung des stehenden Patienten durch plötzliches Rückwärtsziehen an beiden Schultern durch den hinter dem Patienten stehenden Untersucher. Bei Parkinson-Patienten kommt es zur pathologischen Auslenkung nach hinten mit mehreren Stabilisierungsschritten (Retropulsion). Im Spätstadium der Erkrankung fehlt die Stabilisierung, sodass die Betroffenen ohne Hilfe zu Sturz kommen. Als Festination (lat. festinare: sich beeilen) bezeichnet man die Propulsionstendenz im Gang. Die Patienten beschleunigen bei vornüber gebeugter Haltung im Gehen mit raschen kleinen Schritten, was oft zum Sturz führt.
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Pourfour-Du-Petit-Syndrom Definition Bei diesem Syndrom finden sich eine Mydriasis, eine weite Lidspalte bei bleicher Sklera und eine kühle Haut mit umschriebener Hyperhidrose, die durch eine lokale sympathische Überfunktion bedingt ist.
Stellreflexe
3
Einleitung
POTS (posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom) Definition Syndrom mit Symptomen orthostatischer Intoleranz bei exzessiver orthostatischer Tachykardie.
Einleitung Die Patienten beklagen typischerweise eine orthostatische Intoleranz mit unsystematischem Schwindel, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen, Ohrenrauschen, Kopf- und Nackenschmerzen oft schon kurz nach dem Aufrichten. Die Ätiologie ist noch unzureichend geklärt, diskutiert werden u. a. eine gesteigerte Sensitivität kardialer β-Rezeptoren, verstärktes venöses Pooling oder autonome Neuropathien.
Ursächlich können ein stumpfes Hals-SchulterTrauma sowie operative Eingriffe an der Gl. parotis oder im Halsbereich sein.
Therapie Therapeutisch wirksam sind Atropinsulfat oder Sympathikusblockaden.
Pramipexol Gebräuchliche Fertigarzneimittel ®
Pramipexol (Sifrol ), Tabletten zu 0,088 mg, 0,18 mg, 0,35 mg und 0,7 mg.
Wirkungen Reduziert die Symptome der Parkinson-Krankheit in der Monotherapie oder als Zusatzmedikation zur Levodopa- Behandlung, reduziert die Prolaktinsekretion.
Diagnostik Orthostasetests (Kipptisch, Schellong-Test) zeigen eine exzessive orthostatische Tachykardie (Herzfrequenzanstieg beim Aufrichten >30/min innerhalb 5 min), in der Regel ohne wesentlichen Blutdruckabfall.
Pharmakologische Daten
Therapie
Anwendungsgebiete
Physikalische Maßnahmen (ausreichende Trinkmenge, salzreiche Kost, sportliche Aktivität, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper).
Als Monotherapie in initialen Stadien oder als Zusatzmedikation zur Levodopa-Behandlung bei Morbus Parkinson. Es werden neben der
Direkte Stimulation prä- und postsynaptischer Dopaminrezeptoren, vorwiegend vom D2-Typ und hier besonders der D3-Rezeptor, HWZ 8– 12 Stunden.
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Präsynkope
Antiparkinson-Wirkung spezifische tremorlytische und antidepressive Effekte diskutiert.
Dosierung/Anwendung 1. Woche: 3×0,088 mg, 2. Woche: 3×0,18 mg, 3. Woche: 3×0,35 mg. Mittlere Dosis 3×0,35 mg. Maximale Dosis 4– 5×0,7 mg (bei Monotherapie). Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance <50 ml/min) ist die Dosis entsprechend zu reduzieren.
Präsynkope Grundlagen Unspezifische Symptome (unsystematischer Schwindel, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen, Ohrensausen, zunehmender Bewusstseinsverlust) bei zerebraler Minderdurchblutung.
Pravastatin Unerwünschte Wirkungen
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Patienten mit psychotischen Störungen, ernste kardiovaskuläre Erkrankungen, Schwangerschaft, Stillzeit. Zu Therapiebeginn, später jährlich: EKG, Blutbild, Leber- und Nierenwerte. Überwachung des Blutdrucks wegen Gefahr orthostatischer Hypotonie empfohlen. Wegen der Sekundenschlafattacken müssen Patienten initial informiert werden, kein Kraftfahrzeug zu führen oder andere Aktivitäten auszuüben, bei denen eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit sie selbst oder andere dem Risiko einer schwerwiegenden Verletzung oder des Todes aussetzt. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Sekundenschlafattacken um einen gruppenspezifischen Effekt aller Dopaminergika.
Wechselwirkungen Da Pramipexol auch aktiv über das renale Tubulussystem sezerniert wird, sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die auf diesem Wege ausgeschieden werden oder die die aktive renale Tubulussekretion hemmen, wahrscheinlich, beispielsweise Cimetidin, Diltiazem, Chinidin, Chinin, Ranitidin, Triamteren, Verapamil, Digoxin, Procainamid, Trimethoprim, Amantadin. Bei kombinierter Gabe ist eine Reduktion von Pramipexol in Betracht zu ziehen. Mögliche additive Effekte mit sedierenden Medikamenten oder Alkohol.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Mevalotin® protect 10/20/40 mg Tbl., Pravasin® protect 10/20/40 mg Tbl.
Wirkungen Pravastatin gehört zur Gruppe der kompetitiven Inhibitoren der 3-Hydroxy-3-methylglutarylCoenzym A-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) und senkt erhöhte Serumkonzentrationen an Cholesterol. Die Cholesterolwerte werden bereits in der ersten Therapiewoche gesenkt, der Maximaleffekt wird nach ca. 4 Wochen erreicht. Der biologische Effekt einer Hemmung der HMG-CoA-Reduktase erklärt sich über gesteigerte LDL-Rezeptorsynthese und LDLAbbau.
Wirkungsverlauf Pravastatin weist bereits die wirkungsaktive βHydroxysäurestruktur auf. Durch die zusätzliche Hydroxylgruppe erhöht sich die Wasserlöslichkeit, was eine höhere enterale Resorptionsquote von 34% und eine gesteigerte Bioverfügbarkeit von ca. 17% im Vergleich zu Lovastatin erklärt. Dagegen ist die Plasmaeiweißbindung mit 45% deutlich niedriger als die des Lovastatins. Durch die stärkere Hydrophilie erklärt sich die schlechtere Passage der Blut-Hirn-Schranke. Pravastatin gelangt in einem größeren Ausmaß als Lovastatin in die periphere Zirkulation, offensichtlich ist aber die intrazelluläre Aufnahme in extrahepatische Gewebe geringer als bei Lovastatin und somit die Hemmung der HMGCoA-Reduktase weitgehend auf die Leber beschränkt.
Anwendungsgebiete Pravastatin wird wie Lovastatin zur Behandlung familiärer Hypercholesterinämien eingesetzt. Vergleichende Untersuchungen mit den 3
Übelkeit, Obstipation, Somnolenz, Halluzinationen (meist visuelle), Ödeme, Dyskinesien, selten plötzliches Einschlafen. Wegen seltener Linsentrübungen augenärztliche Kontrollen notwendig.
Praziquantel
länger bekannten Verbindungen gleicher Wirkart (Lovastatin, Simvastatin) liegen nicht vor.
1057
76%. Im Liquor beträgt die PZQ-Konzentration nur 1/7–1/5 derjenigen im Plasma. PZQ reichert sich hauptsächlich in Leber und Nieren an.
Dosierung und Art der Anwendung Tagesdos. 20–40 mg.
Unerwünschte Wirkungen Ebenso wie bei Lovastatin treten Übelkeit, Erbrechen und Obstipation auf. Leberfunktionsstörungen (Transaminasen), Myalgien und Polyneuropathien sind beschrieben.
Praziquantel
Elimination Nach 24 h sind 70–90% der PZQ-Dosis eliminiert. Beim Menschen beträgt der renal ausgeschiedene PZQ-Anteil 80–85% 4 Tage nach PZQ-Applikation. Nach dieser Zeit ist PZQ vollständig metabolisiert. Man findet nebeneinander PZQ-glucuronide und/oder - sulfate, die ca. 400fach weniger wirksam sind als das ursprüngliche PZQ.
Dosierung und Art der Anwendung
Praziquantel (PZQ) ist ein Anthelmintikum mit einer breiten Wirkung gegen alle Infektionen, die durch parasitische Trematoden (Blut-, Leber-, Lungen-, Darmegel) und adulte Cestoden hervorgerufen werden. Außerdem ist es bei der Zystizerkose wirksam. Beim Menschen besitzt PZQ eine große Wirksamkeit gegen die Trematoden Schistosoma mansoni, S. haematobium, S. japonicum, Clonorchis sinensis, Opisthorchis viverrini, O. felineus, Paragonimus westermani, P. heterotremus, P. ecuadoriensis, Metagonimus yokogawai, Heterophyes spp. und Fasciola hepatica. Zusätzlich werden eine Reihe anderer Trematoden bei Hobby- und Nutztieren wie z. B. Dicrocoelium dendriticum durch PZQ abgetötet. Zu den Cestoden beim Menschen, die empfindlich gegen PZQ sind, gehören Hymenolepis nana, Taenia saginata, Taenia solium, Diphyllobothrium pacificum und D. latum. PZQ wird bei der Behandlung der Neurozystizerkose, die durch die Larven von Taenia solium hervorgerufen wird, eingesetzt.
Bei der 1-Tag-Behandlung bei Infektionen mit Schistosoma haematobium wird PZQ mit 1×40 mg/kg KG verabreicht, bei Infektionen mit S. mansoni und S. intercalatum werden ebenfalls 1×40 mg/kg KG oder 2×20 mg/kg KG gegeben. Bei Infektionen mit S. japonicum und S. mekongi werden 2×30 mg/kg KG, bei Clonorchis sinensis, Opisthorchis viverrini und O. felineus werden 3×25 mg/kg KG empfohlen. Bei Infektionen mit Paragonimus westermani u. a. Paragonimus spp. werden 3×25 mg/kg KG täglich über 2 Tage hinweg empfohlen. Bei Bandwurminfektionen wird PZQ grundsätzlich in einer Einmaldosis verabreicht, die während der Mahlzeit mit ausreichender Flüssigkeit eingenommen werden soll. Bei Infektionen mit Rinder-, Schweine- oder südamerikanischen Fischbandwürmern reichen 10 mg/kg KG voll aus, beim Zwergbandwurm wird eine Dosis von 15 mg/kg KG empfohlen. Bei der Behandlung der Neurozystizerkose, die durch die Larven des Schweinebandwurms verursacht wird, sind wesentlich höhere PZQ-Dosen notwendig. Hier werden 50 mg/kg KG täglich verteilt auf 2 oder 3 Einzelgaben über 15 Tage hinweg für Erwachsene und Kinder ab 2 Jahren empfohlen. Die Einnahme soll auch hier während der Mahlzeiten mit ausreichender Flüssigkeit erfolgen.
Resorption
Unerwünschte Wirkungen
Beim Menschen wird PZQ zu über 80% aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert; maximale Plasmakonzentrationen werden 2–4 h nach peroraler Gabe von 14 oder 46 mg/kg KG PZQ erreicht. Schnelle Metabolisierung von PZQ in der Leber. PZQ wird reversibel an Plasmaproteine gebunden, der gebundene Anteil beträgt
Kopfschmerzen, Müdigkeit, Fieber, neuropsychiatrische Reaktionen bei 0,15% und Ermüdung bei 0,11% der Patienten. Kardiovaskuläre Reaktionen bei 0,14% der Patienten. Abdominale Schmerzen und Unbehagen, Übelkeit und Durchfall. Leberveränderungen bei 0,02% der Fälle. Hautreaktionen bei 0,07% der Patienten.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Biltricide® Filmtbl.; Cesol® Filmtbl.; Cysticide® Tbl.
Wirkungen
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Prednisolon
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Vorsicht ist geboten bei chronischen Herzerkrankungen, Aszites, verminderter Leberkompensation und Nierenfunktionsstörungen. PZQ darf nicht angewendet werden bei Vorliegen einer okulären Zystizerkose und während der Stillzeit. Strenge Indikationsstellung ist gegeben bei Schwangerschaft.
Wechselwirkungen Gleichzeitige Gabe von Dexamethason kann die Plasmakonzentration von PZQ herabsetzen.
Prednisolon Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Decortin® H 1/5/20/50 mg Tbl.; Dermosolon; Solu-Decortin® H 10/25/50/100/250/1000 mg Trockensubstanz.
Wirkungen Prednisolon und sein Oxidationsprodukt Prednison gehören zu den nichthalogenierten Glukokortikoiden. Glukokortikoide werden zur Substitutionstherapie bei Hydrocortisonmangelzuständen und wegen ihrer antiinflammatorischen, antiallergischen, antiödematösen, antiproliferativen und immunsuppressiven Wirkung eingesetzt. Prednisolon hat eine im Vergleich zu Hydrocortison etwa 2fach höhere Affinität zum Glukokortikoidrezeptor, die antiinflammatorische Wirkung von Prednisolon wird als etwa 3–5fach stärker angegeben. Prednison bindet nicht an den Rezeptor und muss, um biologisch wirksam zu werden, erst, vor allem in der Leber, zu Prednisolon metabolisiert werden. Die Bindung des Glukokortikoids an die Glukokortikoidrezeptoren verändert über eine Modulation der Genexpression die Proteinbiosynthese bestimmter Proteine und Enzyme. Die antiinflammatorische Wirkung beruht wesentlich auf einer Hemmung der Funktionen entzündungsrelevanter Zellen wie z. B. Leukozyten und Monozyten. Glukokortikoide hemmen die Freisetzung von Entzündungsmediatoren: Zytokine wie Interleukin-1, Interleukin-6 oder Tumor-Nekrose-Faktor, Arachidonsäuremetaboliten wie Prostaglandine oder Leukotriene, sowie lysosomale Enzyme. Bei der immunsuppressiven Wirkung stehen die Effekte auf T-
Lymphozyten, z. B. die reduzierte Freisetzung von Interleukin-2, im Vordergrund. Unter Glukokortikoidtherapie kommt es zu einer Umverteilung der Zellen im Organismus. Darauf beruht auch die Abnahme der peripheren Lymphozyten, nicht auf einer Zytolyse. Darüber hinaus werden eine Vielzahl weiterer Zellarten wie Fibroplasten, Keratinozyten, Mastzellen u. a. direkt oder indirekt beeinflusst. Bei sehr hohen lokalen Konzentrationen können auch unspezifische Effekte auftreten. Bedingt durch seine chemische Struktur wird Prednisolon wie z. B. Cholestrol in Zellmembranen eingelagert und kann so kurzfristig den Zellmetabolismus beeinflussen. Durch exogene Glukokortikoidzufuhr wird konzentrationsabhängig der adrenale Regelkreis (Hypothalamus-HypophyseNebennierenrinde) gestört, dass es zu einer Nebennierenrindeninsuffizienz kommen kann. Metabolisch beeinflussen exogen zugeführte Glukokortikoide rezeptorvermittelt den Kohlenhydrat-, Protein-, Calcium- und Lipidmetabolismus und rufen dosisabhängig die Symptome des sogenannten Cushing-Syndroms hervor. Außer an den Glukokortikoidrezeptor bindet Prednisolon auch noch an den mineralkortikoiden Rezeptor. Daraus ergeben sich die Wirkungen auf den Elektrolythaushalt (Natriumretention und Kaliumsekretion). Die mineralkortikoide Wirkung von Prednisolon beträgt ca. 60% bezogen auf Hydrocortison.
Resorption Die orale Bioverfügbarkeit von Prednisolon und Prednison als biologisch aktives Prednisolon liegt bei über 80%, Prednison wird in der Leber zu Prednisolon metabolisiert. Der maximale Plasmaspiegel nach oraler Aufnahme wird nach 1–2 h erreicht. Prednisolon und Prednison binden mit vergleichbarer Affinität an Transkortin (Kortikosteroid-bindendes Globulin) wie Hydrocortison. Prednisolon kann die Blut-Liquor-Schranke passieren und erreicht im Liquor ca. 1/10 der Plasmakonzentration. Wie alle Glukokortikoide kann Prednisolon auch die Plazentaschranke passieren. Prednisolon geht in die Muttermilch über.
Wirkungsverlauf Die für die therapeutische Wirkung von Prednisolon entscheidende biologische Halbwertzeit liegt bei 12–36 h. Damit gehört Prednisolon zu den mittellang wirksamen Glukokortikoiden.
Prednisolon
Elimination Die Pharmakokinetik von Prednisolon ist dosisabhängig und nicht linear. Die Gesamtclearance von Prednisolon setzt sich zusammen aus metabolischer und renaler Clearance. Als Hauptmetaboliten im Urin werden Prednisolon selbst und das Oxidationsprodukt Prednison sowie 6-Hydroxyprednisolon gefunden. Die Metabolisierung findet v. a. in Niere und Leber, aber auch in vielen anderen Organen statt. Die renale Elimination beträgt ca. 40% der Gesamtelimination.
Anwendungsgebiete Prednisolon ist die Standardsubstanz der Kortikoide und kann entzündungshemmend, immunsuppressiv, antiallergisch, zur Substitutionstherapie und bei Schockzuständen eingesetzt werden.
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosierung von Prednisolon ist abhängig von dem jeweiligen Krankheitsbild; Höchstdosis von 2–3 g Prednisolon i. v. (Prednisolonhydrogensuccinat) eingesetzt. Die initiale Tagesdosis bei Arteriitis cranialis liegt bei 80– 100 mg, entsprechend der zirkadianen Rhythmik der endogenen Hydrokortisonsynthese wird die einmalige morgendliche Dosis bevorzugt. Die Erhaltungsdosis sollte möglichst nicht über 7,5 mg morgens (8 Uhr) liegen, da bei höheren Dosen mit einer Beeinflussung des adrenergen Regelkreises gerechnet werden muss. In vielen Fällen kann eine alternierende Therapie (Glukokortikoidgabe jeden 2. Tag) versucht werden, die zu einer geringeren Beeinträchtigung des adrenalen Regelkreises, des Calciumstoffwechsels und der Stickstoffbilanz führt. Die sogenannte Cushingschwellendosis liegt für Frauen bei 5–6 mg, für Männer bei 6,5–9 mg, für Jugendliche, Kinder und Frauen nach der Menopause deutlich niedriger.
Unerwünschte Wirkungen Sehr selten kann es zu Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Glukokortikoide kommen. Die unerwünschten Wirkungen entsprechen im Wesentlichen denen des Cushing-Syndroms (iatrogener Hyperkorticismus) oder einem Hypocortisolismus bedingt durch die Hemmung des adrenalen Regelkreises. Das Cushing Syndrom ist durch folgende Symptome gekennzeichnet: Vollmondgesicht, Fettsucht, Blut-
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hochdruck, Amenorrhö, Hirsutismus, Adynamie, Striae, Kapillarfragilität, Osteoporose, Beinödeme, Büffelnacken, Akne, psychische Veränderungen, Kopfschmerzen, pathologische Frakturen, schlechte Wundheilung, neurologische Symptome, Polydipsie und Polyurie, Polyzythämie. Weiterhin können auftreten: Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Myopathie, männliche Impotenz, Wachstumsstörungen. Spezielle Symptome des iatrogenen CushingSyndroms sind Glaukom, Katarakt, Pseudotumor cerebri, Pankreatitis, aseptische Knochennekrosen, Magengeschwüre (umstritten). Die meisten der Symptome treten erst nach langfristiger Behandlung (über 2 Wochen) auf, die Wirkungen auf Blutdruck, Natriumretention und Ödembildung, erhöhte Blutzuckerspiegel und die Erhöhung des Infektrisikos können auch nach kurzfristiger Gabe auftreten. Die Hemmung des adrenalen Regelkreises tritt sofort nach Beginn der Therapie auf und kann zu einer Atrophie der Nebennierenrinde führen. Bei einer Therapie mit 20–30 mg Prednisolon muss nach 3–4 Wochen mit einer totalen Suppression des Regelkreises gerechnet werden. Klinisch kann sich dies auswirken, wenn der Patient während der Therapie einem starken Stress ausgesetzt ist oder wenn die Behandlung plötzlich abgesetzt wird. Nach langfristiger Therapie muss die Dosis langsam über Monate hinweg reduziert werden, um ein Cortisonentzugssyndrom zu vermeiden (Kennzeichen: Patienten fühlen sich allgemein elend, sind antriebslos und depressiv, klagen über Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Muskelschwäche).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Für die kurzfristige Anwendung bei akut bedrohlichen Zuständen gibt es keine. Glukokortikoide sollten nicht angewendet werden bei akuten Virusinfektionen, aktiver Hepatitis, Parasitosen und ca. 8 Wochen vor bis 2 Wochen nach Schutzimpfungen. Strenge Nutzen/RisikoAbwägung bei Diabetes mellitus, Osteoporose, Glaukom, Bluthochdruck.
Wechselwirkungen Phenytoin, Rifampicin und Barbiturate induzieren microsomale Leberenzyme und beschleunigen die Metabolisierung von Prednisolon (Verkürzung der Halbwertzeit und erhöhte metabolische Clearance). Gleichzeitige Gabe von
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Primidon
nichtsteroidalen Antiphlogistika/Antirheumatika führt zu einer erhöhten Blutungsgefahr im Magen-Darmtrakt. Oestrogenhaltige Kontrazeptiva verdrängen Glukokortikoide aus ihrer Proteinbindung und vermindern die Prednisolonclearance, wodurch sie die Wirkung verstärken können. Die gerinnungshemmende Wirkung von Cumarinderivaten wird durch Glukokortikoide abgeschwächt. Glukokortikoide können einen Diabetes mellitus induzieren oder verschlechtern. Dementsprechend muss eine Insulintherapie angepasst werden. Bei Hypoalbuminämie wird die Bindung von Prednisolon an Plasmaproteine reduziert und entsprechend die freie Konzentration von Prednisolon erhöht. Bei Hyperthyreodismus ist die Plasmaclearance erhöht, bei Hypothyreodismus erniedrigt.
1000 mg/d, bei Kindern 20 mg/kg/d. Bei der Messung von Serumkonzentrationen sollten sowohl Primidon als auch Phenobarbital bestimmt werden, wobei das Verhältnis der Spiegel bei konstanter Einnahme bei etwa 1:3–1:8 liegt.
Unerwünschte Wirkungen Bei Therapiebeginn u. U. innerhalb von Stunden einsetzende neurotoxische Nebenwirkungen (Schwindel, Ataxie, Rauschgefühl, Übelkeit und Erbrechen). Ansonsten ähnliches Nebenwirkungsspektrum wie Phenobarbital. 3
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Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Phenobarbital
3
Wechselwirkungen
Primidon
Phenobarbital
3
Zubereitungen Tabletten, Saft.
Bewertung
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Indikationsspektrum etwa wie Phenobarbital, wobei eine etwas höhere Wirksamkeit gegenüber einfach- und komplex-fokalen Anfälle beschrieben ist.
®
Liskantin Tabletten à 250 mg. Liskantin® Saft (5 ml=125 mg). Mylepsinum® Tabletten à 250 mg. Resimatil® Tabletten à 250 mg.
Wirkungen Phenobarbital
Primitivreflex
Fokale und generalisierte Epilepsien, besonders beim Auftreten von generalisierten tonischklonischen Anfällen. Essentieller Tremor. 3
Dosierung/Anwendung Therapiebeginn mit kleiner Dosis, z. B. 62,5 mg (=1/4 Tbl.), langsame Steigerung um 62,5 mg jeden 3.–4. Tag in 3 Einzeldosen. Erhaltungsdosis bei Erwachsenen ca. 750–
Primitivreflexe sind pathologische Fremdreflexe, die bei diffusen Hirnschädigungen oder Störungen des extrapyramidalmotorischen Systems auftreten können. Auftreten z. B. im Verlauf einer AlzheimerErkrankung, Parkinson-Syndrom oder eines Schädel-Hirn-Trauma. Die wichtigsten Primitivreflexe sind: * Palmomentalreflex: Bei Bestreichen der Handinnenfläche mit spitzen Gegenstand kommt es zu einer Kontraktion der ipsilateralen Kinnmuskulatur. * Orbicularis-oculi-Reflex: Kontraktion des M. orbicularis oculi bei Schlag auf die Glabella. * Saugreflex: Saug- und Schluckbewegungen bei Bestreichen des Mundbereichs. 3
Anwendungsgebiete
Definition
3
Nach oraler Gabe rasche Resorption. Hepatische Metabolisation zu den antiepileptisch wirksamen Substanzen Phenylethylmalonamid (PEMA, ca. 50%) und Phenobarbital (ca. 25%). Halbwertszeit von Primidon 3–13 h, von PEMA 10–40 h, von Phenobarbital 60– 140 h. Stark leberenzyminduzierende Wirkung.
3
3
Pharmakologische Daten
Prionprotein
PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit) Synonyme Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit
3
Nach diffuser zerebraler Schädigung auftretende Bewegungs- und Verhaltensmuster, die früheren phylo- und ontogenetischen Entwickungsstadien entsprechen.
3
Definition
Kannibalismus auf Neuguinea endemisch, früher bei bis zu 1% der Bevölkerung beobachtet, seit Verbot des Kanibalismus 1957 drastischer Rückgang) und die familiäre fatale Schlaflosigkeit (FFS) gezählt. Bei Tieren sind z. B. die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) und Scrapie bekannt. Als wahrscheinlicher Erreger wird das Prionprotein angesehen, die Übertragung erfolgt durch direkte Inokulation infizierten Gewebes. Blut, Liquor, Stuhl, Urin und Kanülen sollten auch als potentiell infektiös angesehen werden. Die Überwindung von Artenbarrieren ist innerhalb des Tierreiches wahrscheinlich, eine Übertragung von Tieren auf den Menschen ist nicht auszuschließen. Pathoanatomisch liegt eine schwammige Degeneration des Hirngewebes mit Neuronenverlust und Gliose vor. Klinisch kommt es nach langer Latenzzeit zu einer unaufhaltsamen, stets tödlich verlaufenden Demenz mit Myoklonien, visuellen und/oder zerebellaren Symptomen, pyramidalen und/ oder extrapyramidalen Symptomen und akinetischem Mutismus. 3
Primitivschablonen
1061
3
3
Veraltete Bezeichnung für einen ischämischen Hirninfarkt, bei dem es zu einer vollständigen Remission des neurologischen Defizits innerhalb von 3 Wochen kommt.
3
Definition
Diagnostik
Die Unterteilung eines akuten Hirninfarkts erfolgt üblicherweise nach Schwere und Verlauf: * TIA (transitorische ischämische Attacke) versus ischämischer Infarkt. * Minor versus major stroke. Die Bezeichungen PRIND und RIND sind veraltet, akuter Hirninfarkt.
Klinik. Definitive Diagnose neuropathologisch durch Biopsie mit Nachweis der Prionprotein-Ablagerungen, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJK). 3
Grundlagen
Therapie Keine kausale Therapie bekannt.
3
Prognose
Prionenerkrankungen Definition Sehr seltene, bei Tieren und Menschen vorkommende spongiforme Enzephalopathien, die nach heutigem Verständnis durch Prionproteinen verursacht sind, sporadisch oder familiär gehäuft auftreten und durch Gewebeinokulation bzw. Eiweißinjektion übertragbar sind.
Nach meist mehrjähriger Latenz verläuft das klinische Bild progredient innnerhalb einer durchschnittlichen Erkrankungsdauer von 4–6 Monaten tödlich, 90% der Patienten versterben innerhalb des ersten Jahres.
3
Einleitung Zu den humanen spongiformen Enzephalopathien werden die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung(CJK) mit ihrer neuen Variante (nvCJK), das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom(GSS), die Kuru (ausschließlich durch
Prionprotein Synonyme Prionen, proteinaceous infectious particles (engl.)
Definition Endogen pathologisch verändertes Protein, das in akkumulierter Form im ZNS von Tieren und
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3
3
Prolaktinom
Menschen mit subakuten spongiformen Enzephalopathien nachgewiesen werden kann.
Grundlagen Prionen sind infektiöse, nukleinsäurefreie Eiweißpartikel (MG 28000, ∅ 4–6 nm), die wahrscheinlich durch Konformitätsänderung eines physiologischen, membrangebundenen Glykoproteins (PrPc) in die infektiöse Isoform (PrPsc) umgewandelt werden und in kummulierter Form als stab- oder fibrillenförmige zerebrale Ablagerungen die Prionenerkrankung neuropathologisch charakterisieren. Die Prionproteine zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Resistenz gegenüber Proteasen, Nukleasen, Temperatur, UV- und Röntgenstrahlung sowie chemischen Einflüssen aus.
Klinisch finden sich Schmerzen und eine Überempfindlichkeit im Bereich des M. pronator teres, Sensibilitätsstörungen an der Hand einschließlich des Daumenballens (DD zum CTS) und Paresen der medianusversorgten Muskeln mit Aussparung der Unterarmpronation (M. pronator teres ist nicht mitbetroffen). Wichtig ist die Abgrenzung vom Karpaltunnelsyndrom und von einem seltenen anderen proximalen Kompressionssyndrom des N. medianus, dem Syndrom des Struthers`schen Ligaments (M. pronator teres mitbetroffen). Die Nervenleitgeschwindigkeit des N. medianus am Unterarm kann leicht verzögert sein.
Therapie
3
Lokale Injektionen von Kortikosteroiden können die Schmerzen bessern, tragen aber eher zur diagnostischen Sicherung als zur langfristigen Therapie bei.
Prolaktinom 3
Adenom, Hypophyse,
Diagnostik
3
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Hyperprolaktinämie
3
PROMM (proximale myotone Myopathie) Myotonie/myotone Syndrome, myotone Myopathie
proximale
3
Pronator-teres-Syndrom Definition Chronische mechanische Reizung des N. medianus in seinem Verlauf unter dem M. pronator teres.
Einleitung Die Schädigung kann als „Beschäftigungslähmung“ bei wiederholten Bewegungen, insbesondere Pro- und Supinationsbewegungen, auftreten. Häufiger findet sich auch ein fibröses Band zwischen tiefem Kopf des M. pronator teres und dem M. flexor digitorum superficialis, welches den N. medianus komprimiert. Außerdem können ein Trauma, Frakturen oder eine Muskelhypertrophie zum Pronator-teres-Syndrom führen [1].
gesichert Die Therapie ist abhängig vom Schädigungsmechanismus. Liegt eine chronische, progrediente Druckschädigung vor, die lokalisatorisch genau zugeordnet werden kann, so sollte eine operative Exploration mit Neurolyse erfolgen. Intraoperativ finden sich häufig beim Durchtritt des Nerven durch die Köpfe des M. pronator teres einschnürende fibröse Muskelränder. Der Erfolg einer Operation wird von einigen Autoren als gut angegeben (bei Olehnik et al. bei 30 von 39 operierten Armen) [2].
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York. 2. Olehnik WK, Manske PR, Szerzinski J (1994) Median nerve compression in the proximal forearm. J Hand Surg 19: 121–126.
Propranolol Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Beta-Tablinen® 40 mg, Filmtbl.; Dociton® 10/ 40/80 Filmtbl., 80/160 Ret.kps.
Wirkungen Propranolol ist der am meisten verwendete βadrenerge Rezeptorenblocker (β-Blocker) und
Propranolol
zugleich die Referenz für alle anderen β-Blocker. Propranolol konkurriert mit Noradrenalin und Adrenalin um die Bindungsstellen der βadrenergen Rezeptoren, ohne den Rezeptor zu stimulieren. Es vermindert oder hemmt damit die Auswirkungen einer Sympathikus-Aktivierung, soweit sie über β-adrenerge Rezeptoren vermittelt werden. Propranolol hat keine Affinität zu α-Rezeptoren. Propranolol und die βBlocker allgemein bewirken in den meisten Organen eine Hemmung der Sympathikusabhängigen β-Rezeptor-Aktivierung. Dadurch kommt es zu einer verminderten Stimulierung der G-Protein-gekoppelten Adenylatcyclase in den Zellen und folglich zu einer Hemmung des Sympathikus-vermittelten cAMP-Anstiegs mit den jeweils zell- und organspezifischen Konsequenzen. Die Einteilung der β-Blocker erfolgt nach den Kriterien Kardioselektivität, intrinsische sympathomimetische Aktivität (ISA), Membranwirkung und Lipophilie. Der Begriff „Kardioselektivität“ beruht darauf, dass die erwünschten theraputischen Wirkungen der β-Blocker über die Blockade des β1Subtyps vermittelt werden, der am Herzen vorherrscht, während die Blockade von β2-Rezeptoren eher unerwünschte Wirkungen auslöst. Im Gegensatz zu β-Blockern mit Kardioselektivität wie Atenolol, Metoprolol und Bisoprolol hat Propranolol keine Selektivität für β1-Rezeptoren. Es hat vielmehr eine schwache Selektivität zugunsten des β2-Subtyps. Die hohe Lipophilie des Propranolols gestattet eine ausreichende Passage der Blut-HirnSchranke und damit ZNS-Wirkungen (s. u.). Die Handels- und Therapieform von Propranolol ist das Hydrochlorid des Racemats. Am Herzen hemmt Propranolol die Sympathikus-bedingte Aktivierung der β1-Rezeptoren. Propranolol wirkt dadurch negativ inotrop, senkt die Herzfrequenz, verlangsamt die Erregungsleitung und senkt den Sauerstoffverbrauch. An den Widerstandsgefäßen führt die Blockade der β2-Adrenozeptoren zum Wegfall der dilatierenden Komponente des Sympathikus und damit zum Überwiegen der α1-Rezeptor-vermittelten Vasokonstriktion. Es kommt also zu einem Anstieg des peripheren Widerstands. Es hat sich jedoch gezeigt, dass unter den therapeutischen Bedingungen der Hypertoniebehandlung dieser Effekt nach einigen Monaten verschwindet und im Allgemeinen keine Einschränkung der Anwendung in der Hypertonie darstellt. An der Bronchialmuskulatur kann die
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Blockade der β2-Adrenozeptoren durch Propranolol eine Tonuszunahme auslösen, die allerdings nur bei Patienten mit bronchialer Übererregbarkeit klinisch relevant ist. Propranolol senkt den erhöhten Blutdruck. Die antihypertensive Wirkung wird hauptsächlich über die Herzwirkung durch Abnahme des Herzminutenvolumens vermittelt. Außerdem senkt Propranolol die über β1-Rezeptoren vermittelte Reninsekretion aus den juxtaglomerulären Zellen der Niere. Dieser Effekt stellt eine weitere wichtige Komponente der antihypertensiven Wirkung dar. Ob eine präsynaptische β-Rezeptorblockade, die theoretisch eine Abnahme der vasokonstriktorischen Sympathikuswirkung zur Folge hätte, für die antihypertensive Wirkung eine Rolle spielt, ist ebenso unklar wie eine vermutete zentrale Wirkungskomponente.
Resorption Propranolol wird nach p. o. Gabe fast vollständig resorbiert, unterliegt aber einem hohen firstpass-Effekt, so dass die Bioverfügbarkeit mit großen individuellen und interindividuellen Schwankungen bei ca. 26±10% liegt. Die Plasmaproteinbindung, hauptsächlich an α1-saures Glykoprotein, liegt bei etwa 87±6%. Propranolol passiert die Blut-Hirn-Schranke.
Elimination Propranolol wird ausschließlich durch Metabolisierung eliminiert. Die Plasmahalbwertzeit beträgt 3–6 h.
Anwendungsgebiete Propranolol wird zur Behandlung der essentiellen Hypertonie als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Antihypertensiva (ACEHemmern, Calciumantagonisten, Diuretika) eingesetzt. Eine weitere häufige Anwendung des Propranolol ist die Dauerbehandlung der Angina pectoris. Es ist weiterhin geeignet zur Behandlung ventrikulärer Arrhythmien bei Digitalisüberdosis oder durch Narkosemittel, des Weitwinkelglaukoms und der sympathikotonen Komplikationen der Hyperthyreose, bzw. der thyreotoxischen Krise. Propranolol ist therapeutisch wirksam in der Prophylaxe der Migräne. Propranolol wird zur Behandlung des essentiellen Tremors, sowie zur Unterdrückung der Symptome des „Lampenfiebers“ angewendet.
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3
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Propulsion
Dosierung und Art der Anwendung Bei Hypertonie und Angina pectoris Propranolol-HCl p. o. über längere Zeit, beginnend mit 10–40 mg 3–4-mal täglich und Steigerung bis auf 400 mg/d und mehr. In der Notfall-Medizin bei kardialen Arrhythmien i. v. 1 mg/min, wiederholt in 2 min Abständen bis 10 mg Gesamtdosis, mit Atropin als Antidot zur Vermeidung von Herzstillstand. In der Migräneprophylaxe und Tremortherapie werden Dosen von 3-mal täglich 20–40 mg eingesetzt.
Unerwünschte Wirkungen Zentralnervöse Beschwerden sind Müdigkeit, Benommenheit, Schlafstörungen, selten depressive Verstimmung, Verwirrtheit, Halluzinationen, psychotische Episoden und Sehstörungen, Kardiovaskuläre unerwünschte Wirkungen sind Bradykardie, Hypotension, kalte Extremitäten oder Raynaud Syndrom. Übelkeit, Erbrechen und andere gastrointestinale Beschwerden treten auf. Störungen der Sexualfunktion (Nachlassen von Libido und Potenz) sind häufig. Alopezie, Myopathien, trockene Augen und Stomatitis werden beobachtet. Bei älteren Patienten sollte besonders auf zentralnervöse Störungen und Störungen der Sexualfunktion sowie auf Minderung der allgemeinen Lebensqualität geachtet werden.
Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika (Indometacin, Acetylsalicylsäure) kann es zur Abschwächung der hypotensiven Wirkung des βBlockers kommen. Die Überdosierungssymptome bestehen im Wesentlichen in verstärkt auftretenden Wirkungen wie bei theraputischen Dosierungen: starke Bradykardie, Gefahr des AV-Blocks, Herzinsuffizienz, starker Blutdruckabfall, Bronchospasmus und zentral-depressive Effekte. Als primäre Maßnahme wird die Magenspülung empfohlen. Wenn Magenspülung nicht sinnvoll oder durchführbar ist, wird Atropin 1–2 mg (oder auch mehr) i. v. empfohlen, dabei besteht jedoch die Gefahr von Bradykardie und Hypotension. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, sollte hoch dosiert Glucagon 5–10 mg als Bolus und, falls erforderlich, anschließend als Infusion 1–5 mg/h oder darüber gegeben werden, bis eine deutliche Besserung eintritt. Auch Dobutamin oder Isoprenalin werden zur Beherrschung der Hypotension verwendet. Von letzterem können zur Abschwächung der β-Blockade hohe Dosen notwendig sein. Bei Bronchospasmen infolge Überdosierung sind Aminophyllin i. v. oder Salbutamol als Aerosol oder i. v. angezeigt.
Propulsion Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Synonyme Anteropulsion
Definition Antonym zu
3
Propranolol soll nicht gegeben werden bei Patienten mit bronchialer Übererregbarkeit (Asthma-Patienten), Sinusbradykardie, Herzinsuffizienz, partiellem AV-Block oder Hypoglykämie.
Retropulsion.
Wechselwirkungen Wegen der ausgeprägten metabolischen Eliminierung besteht Wechselwirkung mit Stimulatoren („Enzyminduktoren“, z. B. Rifamicin) oder mit Inhibitoren (z. B. Cimetidin, orale Kontrazeptiva) der Biotransformation, dadurch Gefahr erniedrigter bzw. erhöhter Blutspiegel. Alkohol und Antazida verstärken die Clearance von Propranolol und erzeugen ebenfalls erniedrigte Blutspiegel, Ketanserin dagegen kann die Clearance hemmen. Die Wirkung von Antiarrhythmika wird verstärkt, Prenylamin oder Verapamil sollten nicht zusammen mit Propranolol gegeben werden. Wegen der β2-Blockade ist Vorsicht bei Kombination mit oralen Antidiabetika (Typ II Diabetes) angezeigt. Bei gleichzeitiger
Propyphenazon Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Norgesic® N Drg., Optalidon® N Drg.
Wirkungen Propyphenazon besitzt analgetische, antipyretische und geringe antiphlogistische Wirkungen. Seine Potenz hinsichtlich dieser Wirkungen entspricht der des Metamizols und übertrifft die des Phenazons.
Protamin
Resorption
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Prosenzephalie
Propyphenazon wird nach p. o. Gabe langsam absorbiert. Die Plasmaproteinbindung beträgt ca. 10%.
Synonyme
Elimination
Definition
3
Die Plasmahalbwertzeit von Propyphenazon beträgt 1,5–2,5 h. Die Ausscheidung erfolgt metabolisch. Die Metaboliten werden nach Glucuronidierung und Sulfatierung renal ausgeschieden.
Alobare
Holoprosenzephalie
Teilsymptom der Holoprosenzephalie mit nicht geteiltem, zu kleinem Vorderhirn und Fusionierung der Thalami über die Mittellinie.
Prosodie
Dosierung und Art der Anwendung Leichte bis mittelstarke Schmerzen sowie Fieber. Die Einzeldosis beträgt bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren 500–1000 mg p. o. (maximale Tagesdosis 4000 mg).
Definition Kommt von Prosodik, der Lehre von der Behandlung der Sprache im Vers. Prosodie bezeichnet das Verhältnis zwischen Ton und Wort (griech. pros = zu, Gesang).
Unerwünschte Wirkungen Einleitung Zum Gegenstandsbereich der Prosodie gehören linguistische und paralinguistische Merkmalssysteme. Hierzu gehören die Intonation, die Lautheit und die Quantität mit ihren akustischen Manifestationen Grundfrequenz, Intensität und Dauer. Ein Prosodieverlust zusammen mit einer Hypophonation ist typisch für das Parkinson-Syndrom. 3
Die unerwünschten Wirkungen des Propyphenazons sind denen des Phenazons und Metamizols ähnlich. Im Vordergrund stehen allergische Reaktionen (Haut und Schleimhäute betreffend). Schock und Agranulozytosen sind beschrieben worden. Die fehlende Nitrosaminbildung im Magen und die damit verringerte Gefahr der Entstehung von Magenkarzinomen hat zum Ersatz von Aminophenazon durch Propyphenazon geführt.
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3
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Prosopagnosie 3
Propyphenazon darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen Pyrazolderivate und Phenylbutazon sowie bei akuter hepatischer Porphyrie, genetisch bedingtem Glukose-6-phosphat-Dehydrogenasemangel. Eine relative Kontraindikation besteht bei Patienten mit Asthma bronchiale, chronischen Atemwegsinfektionen (besonders in Verbindung mit Rhinitis allergica) oder Überempfindlichkeit gegen Analgetika und Antiphlogistika (ärztliche Kontrolle). Propyphenazon sollte in den letzten 6 Wochen der Schwangerschaft nicht und in den ersten 3 Monaten nur nach ärztlicher Konsultation eingenommen werden. Da Propyphenazon in die Muttermilch übergeht, ist die Anwendung während der Stillzeit kontraindiziert. Wie bei den anderen Pyrazolderivaten treten bei einer Intoxikation mit Propyphenazon vor allem zentralnervöse Störungen auf.
Agnosie
Protamin Synonyme Protaminsulfat, Protaminchlorid
Zubereitungen Lösung zur intravenösen (Protamin 1000) bzw. intramuskulären (Protamin 5000) Injektion.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Protamin 1000/-5000 Roche® Injektionslösung, 1 Ampulle enthält 5 ml.
Protein C/S
Wirkungen *
*
Basisches Protein, das mit Heparinmolekülen einen inaktiven Komplex bildet und so die Heparinwirkung antagonisiert. Ohne die gleichzeitige Gabe von Heparin wirkt auch Protamin gerinnungshemmend durch Hemmung der Fibrinpolymerisation (Cave: Überdosierungen).
Wirkungsverlauf Die Wirkung setzt 30–60 s nach i. v. Gabe ein. Die Elimination ist über einen graduellen Abbau möglich, wobei Heparin wegen seiner Halbwertzeit von 1–2 h wieder frei werden kann.
Pharmakologische Daten 1 mg Protamin antagonisiert 80–100 IE Heparin (1 ml Protamin Roche neutralisiert 1000 IE Heparin).
Anwendungsgebiete * *
Schwere und lebensbedrohliche Blutungen nach Heparingabe. Inaktivierung von Heparin nach extrakorporaler Zirkulation.
Dosierung/Anwendung * * *
Intravenöse Gabe. Einzeldosis maximal 50 mg. Titrationsantagonisierung unter engmschiger Kontrolle der Gerinnungsparameter.
Unerwünschte Wirkungen * *
Anaphylaktische Reaktionen: Blutdruckabfall, Schock. Bei Überdosierung: Blutungsgefahr durch Hemmung der Fibrinvernetzung.
Todesfälle sind möglich. Gefährlich sind anaphylaktische Reaktionen, z. T. durch zu rasche Injektion und durch Begleitsubstanz, wohl durch Komplement-Vermittlung. Eine Sensibilisierung durch vorausgehende Verwendung von Protamin-Zink-Insulin erhöht das Risiko etwa 40fach, insbesondere bei höherer Dosis als 50 mg. Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen aufgrund toxischer Schäden am Myokard und Erregungsleitungssystem. Lungenödem durch pulmonale Hypertension und erhöhte mikrovaskuläre Permeabilität.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bekannte Überempfindlichkeit gegen Protamin sowie gegen Fischantigene.
Bewertung Strenge Indikationsstellung.
Protein C/S Definition Protein C und Protein S sind Vitamin K-abhängige Plasmaproteine, die von der Leber synthetisiert werden und an der Gerinnungshemmung beteiligt sind (Inhibitoren des Gerinnungssystems).
Grundlagen Protein C: * Wird in Anwesenheit von Thrombin aktiviert (Protein C/a) und zerstört die aktivierten Gerinnungsfaktoren VIIIa und Va. * Protein C/a fördert die Freisetzung von Gewebeplasminogenaktivator (t-PA). * Normbereich: 60–120%, (in etwa) 2–6 mg/ dl. 3
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Protein S: * Bildet mit Protein C einen Komplex, wodurch die Wirkung von Protein C verstärkt wird. * Synthese nicht nur in der Leber, sondern auch im Knochenmark und in Endothelzellen. * Normbereich: 60–120%, (in etwa) 20– 25 mg/dl.
Protein C/S, Mangel Definition Mangel der Gerinnungsinhibitoren Protein C und Protein S.
Einleitung Ätiologie: Angeboren: * Häufigkeit Protein C: ca. 1:300. * Häufigkeit Protein S: Vermutlich noch häufiger.
Protein C/S, Resistenz
Synonyme
Definition Durch Punktmutation des Gerinnungsfaktors V ( Faktor-V-Leiden-Mutation) ist der aktivierte Faktor V (Va) resistent gegenüber der proteolytischen Wirkung von aktiviertem Protein C.
Einleitung * *
Diagnostik * *
*
Bestimmung der Konzentration von Protein C und S im Serum (Zitratblut). Problematik: Die untere Grenze des Normbereichs ist nicht klar definiert; man geht davon aus, dass Werte unterhalb von 60% des Normbereichs als patholgisch einzuordnen sind. Cave: Durch Therapie mit Heparinen (auch „low dose“) und Cumarinen wird das Ergebnis verfälscht.
APC-Resistenz
3
Pathophysiologie: Durch fehlende Inhibierung des Gerinnungssystems bewirkt ein Mangel an Protein C und/ oder Protein S die Ausbildung von venösen und auch arteriellen Thromben. Klinik: Vermehrte Neigung zu Thrombosen (tiefe und oberflächliche) einschließlich Sinusvenenthrombosen sowie dadurch bedingte Thrombembolien. Selten auch arterielle Verschlüsse.
Protein C/S, Resistenz
3
Erworben: * Vitamin K-Mangel. * Cumarintherapie. * Lebersynthesestörung (Leberinsuffizienz). * Niereninsuffizienz. * Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. * Polytrauma.
1067
Klinisch: Vemehrte Neigung zu venösen Thrombosen und Thrombembolien. Risikofaktor für paradoxe Embolien bei kardialem Rechts-Links-Shunt (offenes Foramen ovale).
Diagnostik *
* *
Bestimmung der Konzentration von Protein C und S im Serum zum Ausschluss eines Protein-C/-S-Mangels. Funktionelle Testung der APC-Resistenz. Bei pathologischer APC-Resistenz: Genetische Testung auf eine Faktor-V-Leiden-Mutation.
Therapie Therapie *
*
*
Bei erworbenem Protein-C/-S-Mangel Behandlung der Grundkrankheit, ggf. zusätzlich Antikoagulation (Einzelfallentscheidung). Primärprophylaxe: Bei Nachweis eines angeborenen Protein-C- und/oder - S-Mangels ist eine Langzeitprophylaxe mit Cumarinen (orale Antikoagulation) zu diskutieren (Nutzen-Risiko-Abwägung). Sekundärprophylaxe: In der Akutphase eines thrombotischen oder thrombembolischen Ereignisses aufgrund der besseren Steuerbarkeit intravenöse Antikoagulation mit Heparin (Heparinwirkung ist nicht beeinträchtigt), später Umstellung auf orale Antikoagulation.
Bewertung Protein C/S, Resistenz.
*
* *
Eine längerfristige Sekundärprophylaxe mit Cumarinen (orale Antikoagulation) nach thrombembolischen Ereignissen ist unter Nutzen-Risiko-Abwägung zu diskutieren, ggf. auch lebenslang. Die Indikation zur Primarprophylaxe ist umstritten. Paradoxe Embolien: Evtl. Schirmchenverschluss des offenen Formen ovale, vor allem bei jungen Patienten.
Bewertung * * *
*
Sehr seltene Ursache für Schlaganfälle. Routinemäßige Testung nicht gerechtfertigt. Bestimmung außerhalb der Akutphase eines Schlaganfalls, in der Akutphase falsch pathologische Werte möglich. Bestimmung sinnvoll bei jungen Schlaganfallpatienten mit positiver Familienanamnese.
P
3
1068
Prothrombin
Prothrombin Synonyme
ender Rissbildung des Faserringes ohne Vorfall von Bandscheibengewebe in den Spinalkanal.
(Gerinnungs-) Faktor II
Definition
Protrusio bulbi
Siehe Abb. 1
Protrusio
Exophthalmus
Differenzialdiagnose Beim Vorliegen eines Exophthalmus muss differenzialdiagnostisch an eine endokrine Orbitopathie oder an Raumforderungen (Tumor, Entzündung, Pseudotumor bulbi) gedacht werden. Ein erhöhter Retropulsionswiderstand bei manueller Bulbuskompression spricht eher für eine orbitale Raumforderung, während eine Lidretraktion (Dalrymple-Zeichen) eher für eine endokrine Orbitopathie spricht. 3
Grundlagen
Synonyme
3
Prothrombin (Faktor II) ist Bestandteil des körpereigenen Gerinnungssystems und wird durch Aktivierung durch den Faktor Xa in Thrombin umgewandelt (Faktor IIa). Thrombin bewirkt zum einen die Ausbildung von Fibrinmonomeren aus Fibrinogen, zum anderen unterstützt es durch Aktivierung des Faktors XIII (zu Faktor XIIIa) die Vernetzung der instabilen Fibrinmonomere zu einem stabilen Fibrinpolymer. Eine Prothrombin-Mutation führt zu einem erhöhten Risiko, insbesondere von venösen Thromben.
Pseudoaneurysma
Grundlagen
Definition
1. Protrusio bulbi (=Exophthalmus), ein- oder beidseitige Vordrängung des Augapfels, meist mit Bewegungseinschränkung, z. B. bei endokriner Orbitopathie, retrobulbären Prozessen ( Sinus cavernosus, Fistel, Tumor, Entzündung). 2. Protrusio von Bandscheibengewebe, Vorwölbung des Nucleus pulposus mit beginn-
Durch Hämorrhagien zwischen Lamina media und Lamina subadventitia hervorgerufene Aussackung der Adventitia nach außen, Dissektion. 3
3
Grundlagen Kommt es bei einer Dissektion zu einem Pseudoaneurysma und steht dieses mit dem wahren
Prothrombin. Abb. 1: Körpereigenes Gerinnungssystem (Endstrecke)
Pseudodemenz
Gefäßlumen in Verbindung, können sie als Emboliequelle wirken. Über eine neuroradiologische Intervention mit Einbringen eines Stents muss im Einzelfall entschieden werden. In der Regel ist die Spontanprognose günstig.
Pseudodemenz Definition Kognitive Störungen als Begleitsymptomatik einer depressiven Episode oder einer manifesten Depression.
Einleitung Überlagerung von affektiven und kognitiven Störungen, gerade im höheren Alter, sind vielgestaltig und die zugrunde liegende Erkrankung kann, nicht nur wegen einer etwaigen Komorbidität, mitunter schwer zu differenzieren sein. Dieser Zusammenhang ist am besten bei der Alzheimer-Erkrankung untersucht worden (Tab. 1). 3
Therapie Die Pseudodemenz ist vornehmlich eine Störung des höheren Alters, häufig bestehen somatische Begleiterkrankungen, z. B. Herzrhythmusstörungen, Lebererkrankungen, renale Eliminationsstörungen. Wegen der in diesem Zusammenhang unerwünschten Nebenwirkungen der trizyklischen Antidepressiva, wird den neueren Antiidepressiva der Vorzug gegeben.
1069
empirisch An dieser Stelle kann nur eine Auswahl an Therapeutika vorgestellt werden: * Moclobemid (Aurorix®) 300–600 mg/die. MAO-Hemmer. NW:Unruhe, Verwirrtheit, Übelkeit. * Trazodon (Thombran®) 100–300 mg/die. Serotonerg und noradrenerg. NW: Gewichtszunahme, Müdigkeit, Übelkeit, Priapismus. * Fluoxetin (Fluctin®) 20–60 mg/die. Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. NW: Übelkeit, Erbrechen, Kumulation bei Niereninsuffizienz. * Paroxetin (Seroxat®, Tagonis®) 20–50 mg/ die. Selektiver Serotonin-Wiederauhnahmehemmer. NW: Unruhe. * Mirtazepin (Remergil®) 15–60 mg/die. Noradrenalinselektiver Serotoninantagonist. NW: Sedierung, Gewichtszunahme. * Johanniskraut (Jarsin®) 900 mg/die. Phytopharmakon NW: Cave: In der letzten Zeit wurden Medikamenteninteraktionen bei Johanniskraut beschrieben, die darauf beruhen, dass Johanniskraut in der Leber über Cytochrom P450 metabolisiert wird. Über Abfälle der Blutspiegel bei Theophyllin, Ciclosporin, Warfarin und konjugierten Östrogenen wurde berichtet. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass bei Einnahme von Johanniskraut die Phenprocoumon- und Digitalisspiegel sinken. Weiterhin wurde bei gleichzeitiger Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern ein Serotoninsyndrom beobachtet.
Nachsorge Zur Diagnosesicherung sollte eine Nachunter-
Pseudodemenz. Tab. 1: Differenzialdiagnose Alzheimer-Demenz – depressive Pseudodemenz Alzheimer-Demenz
„Pseudodemenz“ bei Depression
Dissimulation von kognitiven Defiziten
Aggravation und detailreiche Selbstbeschreibung von kognitiven Defiziten
Schlechte Testleistungen und Alltagsverhalten Gute Alltagskompetenzen entsprechen sich (im Gegensatz zu oft schlechtem Abschneiden bei Testuntersuchungen) Affekt im Frühstadium oft depressiv ausgelenkt, in mäßig fortgeschritteneren Stadien eher ausgeglichen
Ausgeprägter, aber oft nicht verbalisierter depressiver Affekt, nächtliches Früherwachen mit Grübeln, Selbstvorwürfe
P
1070
Pseudohalluzination
suchung nach konsequenter mehrmonatiger antidepressiver Therapie erfolgen.
Prognose Besserung der kognitiven Störungen in 60– 80% der Fälle nach konsequenter antidepressiver Therapie.
Pseudohalluzination Wahrnehmung, Anomalie
Pseudookklusion Synonyme Subtotaler Verschluss, filiforme Stenose, subtotale Stenose, höchstgradige Stenose
Definition Wichtige Differenzialdiagnose eines Verschlusses der extrakraniellen A. carotis interna ist die subtotale Stenose dieses Gefäßes, da hierbei noch die Möglichkeit einer operativen Revision gegeben ist, während beim Verschluss mit Ausdehnung der Thrombose nach intrakraniell dieses Vorgehen nicht mehr sinnvoll ist.
3
Grundlagen
Pseudohypoparathyreoidismus Hypoparathyreoidismus
3
Pseudomyotone Zeichen Synonyme Hochfrequente komplex-repetitive Entladungen
Einleitung Myotone Entladungen bestehen aus hochfrequenten Entladungsserien, deren wesentliches Merkmal ein An- und Abschwellen von Frequenz und Amplitude ist. Akustisch imponieren die Geräusche wie ein Motorad, das beim Beschleunigen mehrfach aufheult („Kawasaki-Geräusch“). Im Gegensatz dazu bleiben Frequenz und Amplitude der Aktionspotentiale bei den ebenfalls hochfrequenten pseudomyotonen Entladungsserien nahezu konstant. Sie enden abrupt. Man nimmt an, dass pseudomyotone Entladungen im Muskel selbst entstehen. Evtl. führt eine fibrillierende Muskelfaser zur ephaptischen Depolarisation einer oder mehrerer umliegender Muskelfasern. Pseudomyotone Zeichen finden sich vor allem bei chronischer partieller Denervierung. Sie können aber auch bei verschiedenen Myopathien beobachtet werden.
Ätiologie: * Makroangiopathie mit atherosklerotischen Wandveränderungen. * Kardiale Embolie mit Thrombus in der A. carotis interna. * Dissektionen. Diagnostik: Duplexsonographie * Kriterien für einen Verschluss: – Fehlende Farbkodierung. – Fehlendes Flusssignal trotz guter Darstellbarkeit des Gefäßlumens über mindestens 2 cm. – Häufig Stumpfsignal. Pseudookklusion: * Farbfüllung zwischen den beiden Gefäßwänden auf einer Strecke von mindestens 1,5–2 cm (ggf. durch Einsatz von Echokontrastverstärkern nachweisbar). * Pathologisches Flusssignal (verminderte Pulsatilität oder fehlende Diastole, sog. Deltasignal), aber Signal variabel. * Problem: Eine definitive Unterscheidung zwischen Verschluss und „subtotaler Stenose“ ist duplexsonographisch nicht möglich, da sehr geringe Restflüsse unterhalb der technischen Nachweisgrenze liegen können. MR-Angiographie: * Nicht ausreichend zur Differenzialdiagnose, da sich aus technischen Gründen eine subtotale Stenose im MR fälschlicherweise als Verschluss zeigt.
Pseudoxanthoma elasticum
Konventionelle Angiographie mit später Phase: * Goldstandard. * Zuverlässige Unterscheidung zwischen Verschluss und subtotaler Stenose.
Synonyme
Therapie
Gronblad-Strandberg-Syndrom, generalisata
Operation.
1071
Pseudoxanthoma elasticum Elastorrhexis
Definition Angeborene, systemische, degenerative Bindegewebserkrankung mit typischem Befall von Haut, Augen, Herz und Gefäßen.
Pseudotabes
Einleitung Definition Liegt beim Schädigungsmuster einer Polyneuropathie eine auffällige Bevorzugung der Tiefensensibilität mit sensibler Ataxie vor, so wird manchmal auch von einer Pseudotabes gesprochen. Die Pseudotabes wird unter anderem bei der diabetischen, der alkoholtoxischen oder bestimmten Formen der paraproteinämischen Polyneuropathie beobachtet. 3
3
3
Pseudotumor orbitae Definition Der Pseudotumor orbitae ist eine idiopathische Entzündung einzelner Strukturen der Orbita oder des gesamten orbitalen Gewebes.
Einleitung Man unterteilt je nach Histologie in einen lymphoiden, granulomatösen und sklerosierenden Typ. Klinisch imponiert ein schmerzhafter Exophthalmus. Die Genese der Erkrankung bleibt letztendlich noch unklar.
Ätiologie: Sehr seltene autosomal-dominant oder - rezessiv vererbte Erkrankung, Mutation vermutlich im MRP 6/ABCC 6 Gen. Pathophysiologie: Charakteristischerweise kommt es zur Ausbildung von funktionsgestörtem elastischen Bindegewebe mit Neigung zur Kalzifizierung. Klinik: * Hautveränderungen: gelbliche, fleckige, plattenartige, unscharf begrenzte Felder auf der Haut. * Augenveränderungen: Maculadegeneration, Ausbildung von „angioid streaks“ mit progredienten Sehstörungen. * Gefäßveränderungen: Vorzeitige Ausbildung arteriosklerotischer Veränderungen, die zu neurologischen Symptomen führen können: – Zerebrale Ischämien (zum Teil multipel) aufgrund multilokulärer intra- und extrakranieller Stenosierungen. – Intrakranielle Blutungen.
Diagnostik *
Diagnostik Wichtig ist der Ausschluss anderer raumfordernder oder entzündlicher Läsionen, die zur Protrusio bulbi führen können, mittels MRT. Laborchemisch sollte eine Kollagenose oder Riesenzellarteriitis ausgeschlossen werden.
Therapie Die Therapie erfolgt nach Diagnosestellung mit Kortikoiden.
*
Bei begründetem Verdacht auf das Vorliegen eines Pseudoxanthoma elasticum zerebrale Kernspintomographie mit Kernspinangiographie empfohlen zum Nachweis einer möglichen intrakraniellen Beteiligung. Extra- und intrakranielle Doppler-/Duplexsonographie zum Nachweis der stenosierten Gefäße.
Therapie * *
Bislang keine kausal wirksame Behandlungsmöglichkeit. Genetische Beratung betroffener Familien sinnvoll.
P
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PSP (progressive supranukleäre Blickparese)
Bewertung *
Seltene, chronisch schubweise progredient verlaufende Erkrankung. Bei Schwangerschaften und schwerer körperlicher Arbeit Gefahr der Ausbildung von Massenblutungen.
*
Prognose Abhängig vom Ausmaß des kardiovaskulären Befalls und der Blutungsneigung am Auge.
Psychose, exogene Definition Vorübergehende akute oder subakute Verwirrtheitszustände organischer bzw. exogener Ursache, z. B. nach Trauma, bei Stoffwechselstörungen, Infektionen, Endokrinopathien, Alkohol, durch Drogen (einschließlich Arznei- und Lösungsmittel, Gifte).
Psychose, Korsakow-Psychose 3
PSP (progressive supranukleäre Blickparese) Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom, Parese, progressive
Korsakow-Psychose
Psychose, Perniziosa-Psychose
3 3
Definition Auftreten von psychiatrischen Symptomen bei Vitamin B12-Mangel. Psychose. 3
3
Psychose Definition Vorübergehende oder sich stetig verschlechternde psychiatrische Erkrankung oder Abnormalität, bei der es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der psychischen Funktionen kommt. Dabei spielt vor allem gestörter Realitätsbezug, mangelnde Einsicht und Fähigkeit, sich sozialer Norm zu unterwerfen eine große Rolle. Die Abgrenzung zur Neurose ist manchmal schwierig.
Grundlagen Bei Psychosen unterscheidet man organische bzw. symptomatische von endogenen und zykloiden Psychosen. 1. Organische Psychosen: Exogene, z. B. nach Trauma, Stoffwechselstörungen, Endokrinopathien, alkoholische, durch Drogen induzierte Psychosen. 2. Endogene Psychosen: * Schizophrenie. * Affektive Psychosen. * Paranoide Psychosen. * Reaktive Psychosen. 3. Zykloide Psychosen.
PTA (perkutane transluminale Angioplastie) Synonyme Perkutane endoluminale Therapie einer Gefäßengstelle
Definition Bezogen auf neurologische Interventionen versteht man hierunter die Beseitigung einer Gefäßengstelle der extra- oder intrakraniellen hirnversorgenden Arterien durch Aufdehnung mittels eines über einen Katheter eingeführten Ballons, die durch die Einlage eines Stents ergänzt werden kann.
Grundlagen * *
*
Seit den 70er Jahren angewandtes Verfahren. Mehrere kleinere, jedoch keine großen kontrollierten Studien zur Evaluation dieses Verfahrens bei hirnversorgenden Arterien. Wichtige Studien mit Daten zur Karotisangioplastie: a) CAVATAS-Studie, 2001 (insges. 504 Patienten, Beobachtungszeitraum über
Ptose
Durchführung: Punktion der A. femoralis in Lokalanästhesie. * Vorschieben eines Katheters in das betroffene Gefäß (z. B. A. carotis interna). * Aufdehnung des Gefäßes mittels eines Ballons. * Ggf. Einlage eines Stents. *
Vorteile: * Geringere Patientenbelastung durch: – Verzicht auf eine Vollnarkose. – Fehlendes Operationstrauma. – Besonders bei Patienten mit hohem Operations- und Narkoserisiko geeignet z. B. alte Patienten sowie Patienten mit erhöhter Komorbidität. * Prinzipiell auch distal und auch intrakraniell gelegene Stenosen bzw. Stenosen der A. basilaris therapierbar. Nachteile: * Bislang noch zu wenig gut evaluierte Daten, die bei geeigneten Patienten die Überlegenheit gegenüber konservativer Therapie oder operativer Revision zeigen. * Zu wenig Daten bezüglich der Langzeitergebnisse. Indikation zur Stentangioplastie abhängig von: * Patient. * Stenosegrad. * Stenosemorphologie. * Stenoselokalisation. * Der Stenose zugrunde liegenden Erkrankung. * Der regionalen zerebralen Durchblutung. * Alter und Komorbidität. Kontraindikationen für eine Stentangioplastie: * Mehr als semizirkuläre Kalzifikationen.
* * *
Größere frische thrombotische Auflagerungen, da höheres Embolierisiko. Ausgeprägte Elongation und Dilatation der Gefäße (technisch schwierig). Höhergradige, längerstreckige Stenosen.
Fazit: Aufgrund der gegenwärtigen Datenlage ist eine Evaluation der perkutanen transluminalen Angioplastie nur schwierig möglich. Momentan werden mehrere prospektiv randomisierte Studien durchgeführt, mit dem Ziel die Patienten zu selektionieren, die von der endoluminalen Therapie mehr profitieren als von der operativen Revision einer (Karotis-)Stenose. Die perkutane transluminale Angioplastie von Stenosen der A. basilaris bzw. intrakraniellen Stenosen wird zum jetzigen Zeitpunkt nur experimentell (an Spezialzentren durchgeführt). Empfehlung: Perkutane transluminale Angioplastie vorerst nur im Rahmen kontrollierter klinischer Studien an erfahrenen Zentren empfohlen.
Literatur 1. Endovascular versus surgical treatment in patients with carotid stenosis in the Carotid and Vertebral Artery Transluminal Angioplasty Study (CAVATAS): a randomised trial (2001). Lancet 357 (9270):1729–37. 2. Diethrich EB, Ndiaye M, Reid DB (1996). Stenting in the carotid artery: initial experience in 110 patients. J Endovasc Surg 3 (1):42–62. 3. Robbin ML, Lockhart ME, Weber TM, Vitek JJ, Smith JK, Yadav J, Mathur A, Iyer SS, Roubin GS (1997). Carotid artery stents: early and intermediate follow-up with Doppler US. Radiology 205 (3):749–56. 4. Yadav JS, Roubin GS, Iyer S, Vitek J, King P, Jordan WD, Fisher WS (1997). Elective stenting of the extracranial carotid arteries. Circulation 95 (2):376–81.
Ptose Definition Als Ptose bezeichnet man das Herabhängen eines Oberlides, dass zur Lidspaltenverengung führt (z. B. beim Horner-Syndrom). 3
3 Jahre): Komplikationsrate und Effektivität der angioplastischen Therapie vergleichbar mit der der operativen Behandlung, allerdings in beiden Behandlungsarmen relativ hoch (6,4% für Angioplastie versus 5,9% für operative Behandlung für die Endpunkte Tod und bleibende Behinderung nach Rezidiv-Schlaganfall) [1]. b) Weitere kleinere Studien: Diethrich et al. 1996 [2], Robbin et al. 1997 [3], Yadav et al. 1997 [4].
1073
P
1074
Ptose, „upside-down-ptosis“
Ptose, „upside-down-ptosis“ Definition Durch die Lähmung des M. tarsalis inferior bei der Sympathikusläsion des Horner-Syndroms entsteht das klinische Bild einer „upside-downptosis“. 3
Einleitung Dadurch dass das Unterlid des betroffenen Auges höher als auf der Gegenseite steht, wird der Eindruck eines Enophthalmus vorgetäuscht.
Grundlagen Durch Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit wird die Funktion der Gerinnungsfaktoren VIII, IX, XI, XII, die am endogenen Weg der Blutgerinnung beteiligt sind, sowie die Faktoren der gemeinsamen Endstrecke von exogenem und endogenem System, die Faktoren X, V, II, untersucht. Normalbereich: 30–45 Sekunden. Verlängerung/Erhöhung der PTT durch: * Iatrogen (durch Heparin, nicht durch Heparinoide oder niedermolekulares Heparin). * Abnahmefehler (Gerinnungsröhrchen nicht vollständig gefüllt). * Faktorenmangel des endogenen Systems (Hämophilie A und B). * Willebrand-Syndrom. * Positives Lupusantikoagulans.
PTT (partielle Thromboplastinzeit) Definition Die partielle Thromboplastinzeit (PTT) ist ein klinischer Parameter, der die Funktion des intrinsischen Teils (endogener Weg) des Gerinnungssystems untersucht.
Pulfrich-Phänomen Definition Dieses Syndrom bezeichnet bei einer Optikus-
PTT (partielle Thromboplastinzeit). Abb. 1: Gerinnungskaskade
Pupillenstörung
neuritis im Rahmen z. B. einer Multiplen Sklerose eine eingeschränkte Fähigkeit zum stereoskopischen räumlichen Sehen.
1075
Pupillenreflex Synonyme Pupilleninnervation
„Pulseless disease“ Definition Als „pulseless disease“ wird ein Phänomen bei der Takayasu-Arteriitis bezeichnet. Hierbei findet man einen herabgesetzten oder fehlenden Blutdruck an den oberen Extremitäten und nicht tastbare Radialispulse, obwohl eine Hypertonie vorliegt.
Pupille, Starre (absolute) Synonyme Efferente Pupillenstörung
3
Definition Eine absolute Pupillenstörung tritt z. B. bei einer Oculomotoriusparese auf, wobei die Pupille weder auf Licht (ipsilateral) noch auf Konvergenz (kontralateral) reagiert.
Definition Der Pupillenreflex stellt eine schnelle Reaktion des Auges zur Helligkeitsanpassung und bei Konvergenzbewegung der Bulbi dar.
Grundlagen Der afferente Teil des Reflexbogens beginnt an den retinalen Photorezeptoren und verläuft über den Nervus und Tractus opticus zur prätektalen Region. Die Efferenzen werden pupillokonstriktorisch über den Edinger-Westphal-Kern und das Ganglion ciliare im N. oculomotorius zum M. constrictor pupillae oder pupillodilatatorisch über den Hypothalamus, das ziliospinale medulläre Zentrum und das Ganglion stellatum zum M. dilatator pupillae geleitet. Die Pupillenkonstriktion ist parasympathisch (Erregung: Miosis, Hemmung: Mydriasis) vermittelt, während die Dilatation der Pupille über den Sympathikus (maximale Pupillenweite) reguliert wird. Die gekreuzte Innervation führt zur konsensuellen Lichtreaktion des kontralateralen Auges bei Belichtung einer Pupille. Die Konvergenzreaktion ist typischerweise bei afferenten Pupillenstörungen nicht beeinträchtigt und kann als Differenzierung einer efferenten Läsion herangezogen werden.
Pupille, Starre (amaurotische) Afferente Pupillenstarre
Pupillenstarre
3
Definition 3
3
Synonyme
Man differenziert eine absolute, amaurotische sowie eine reflektorische Pupillenstarre (siehe Abb. 1). 3
Pupille, Starre (reflektorische) Argyll-Robertson-Pupille
Pupillenstörung Definition Man differenziert eine absolute, amaurotische sowie eine reflektorische Pupillenstörung. 3
3
Eine reflektorische Pupillenstarre liegt dann vor, wenn sich auf einem Auge eine ausgefallene Lichtreaktion zu einer intakten Konvergenzreaktion gesellt. Dies wird typischerweise bei der Neurolues, aber auch bei der Pupillotonie (Adie-Pupille) beobachtet.
3
Definition
P
1076
Pupillenstörung
Pupillenstarre. Abb. 1: Formen der Pupillenstarre
Purinstoffwechsel, Erkrankungen
Pupille, Starre (amaurotische)
3
Definition Eine afferente oder amaurotische Pupillenstörung, z. B. bei Läsionen des Nervus oder Tractus opticus, führt zur fehlenden direkten und konsensuellen Lichtreaktion auf dem betroffenen Auge, während bei Belichtung des anderen Auges der Pupillenreflex auf beiden Seiten normal ist.
Grundlagen Eine sogenannte relative afferente Pupillenstörung kann im Swinging-flashlight-Test untersucht werden. Dabei erfolgt eine wechselweise Belichtung der Pupillen für jeweils 1 s. Während normalerweise beide Pupillen wegen der wechselnden direkten und konsensuellen Lichtreaktion gleich weit erscheinen, dilatiert die Pupille bei einer afferenten Pupillenstörung. Ursache kann z. B. eine Retrobulbärneuritis sein.
Klinisch imponiert eine initial weite Pupille mit extrem schlechter Lichtreaktion, besserer – jedoch tonischer – Konvergenzreaktion (Lightnear-Dissoziation) und träger Redilatation. Durch die cholinerge Supersensitivität der postganglionären Rezeptoren erfolgt bei Gabe 1%Pilocarpin-Augentropfen eine rasche Reaktion. Ursachen der Pupillotonie sind Windpockeninfektionen (bei Kindern), lokale Traumata des Ganglion ciliare oder autonome Neuropathien (GBS, Diabetes mellitus).
Pupillotonie 3
Synonyme
Grundlagen
Tonische Pupillenstörung,
3
Pupillenstörung, afferente
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ADIE-Syndrom
Puppenkopfphänomen Synonyme Puppenaugenphänomen
Definition
Pupillenstörung, efferente Synonyme Absolute Pupillenstörung
3
Definition Eine efferente oder absolute Pupillenstörung tritt z. B. bei einer Oculomotoriusparese durch Schädigung der parasympathischen Fasern auf, wobei die Pupille weder auf Licht (ipsilateral) noch auf Konvergenz (kontralateral) reagiert. Die Lichtreaktion kann nach aberranter Regeneration wiederauftreten, während eine Rückkehr der Konvergenzreaktion meist ausbleibt.
Zurückbleiben der Bulbi und Blickrichtung entgegen einer passiven Bewegung des Kopfes.
Grundlagen Das Puppenaugenphänomen ist Korrelat des „okulozephalen Reflexes“ oder besser des „vestibulookulären Reflexes bei Kopfdrehung“. Dieser Reflex ist klinisch bedeutsam, weil er die Funktionsfähigkeit mesenzephaler und pontomedullärer Hirnstammstrukturen prüft. Die kompensatorischen Augenbewegungen bei Kopfdrehung kommen durch Labyrinth- und Nackenafferenzen zustande und können auch auslösbar sein, wenn der vestibulookuläre Reflex auf thermische Spülung ausbleibt. Der Reflex in vertikaler Richtung kann auch von einer reflektorischen Lidhebung begleitet sein.
Pupillenstörung, tonische Synonyme
Purinstoffwechsel, Erkrankungen
Pupillotonie, Adie-Pupille
3
Definition Definition Die Pupillotonie ist durch eine Läsion des Parasympathikus im Ganglion ciliare bedingt.
Purinstoffwechselerkrankungen können durch über 20 verschiedene Enzymdefekte innerhalb des Purin- und Pyrimidinstoffwechsels verur-
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1078
Purkinje-Zellen, Antikörper
Puppenkopfphänomen. Abb. 1: Okulozephaler Reflex (OCR) bei Bewusstseinsstörungen mit unterschiedlicher Lokalisation, Rückdrift der Bulbi
sacht werden, die hauptsächlich autosomal rezessiv, zu einem geringen Teil auch X-chromosomal vererbt werden.
Einleitung Mindestens 9 Entitäten können neurologische Symptome verursachen, wobei u. a. Mutismus, autistisches Verhalten, epileptische Anfälle und Störungen der Motorik im Vordergrund stehen.
Diagnostik Die molekulargenetische Diagnostik erlaubt in den meisten Fällen den Nachweis der Gendefekte aus Lymphozyten oder Fibroblasten. Zusätzlich können die Metabolite in Urin, Serum und Liquor bestimmt werden. Eine pränatale Diagnostik ist nur in einigen Fällen möglich.
Therapie Beim Lesch-Nyhan-Syndrom als bekanntester Erkrankungsentität findet sich aufgrund eines Defekts der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribo-
syl-Transferase (HPRT) bei den betroffenen Kindern eine erhöhte Harnsäure, die über die Ausbildung einer Nephrolithiasis zur Niereninsuffizienz führen kann. Aus diesem Grunde kann der Bildung von Uratsteinen durch Gabe von Allopurinol entgegengewirkt werden. Auf die assoziierte neurologische Symptomatik (Choreatische Bewegungsstörung mit Spastik, Mutismus, Autismus, Dys- bis Anarthrie und epileptische Anfälle) hat dies leider wenig Einfluss, so dass symptomatisch therapiert werden muss.
Purkinje-Zellen, Antikörper Synonyme APCA (Anti-Purkinje-Cell-Antibody), (Purkinje-Cell-Antibody)
PCA
Purpura Schönlein-Henoch
Definition Gegen zytoplasmatische oder Kernbestandteile von Purkinje-Zellen gerichtete Autoantikörper.
Grundlagen Zahlreiche Bestandteile von Purkinje-Zellen dienen als Antigene für Autoimmunreaktionen. Zu ihnen zählen sowohl die zytoplasmatischen Moleküle Calbindin und Zebrin I und II als auch die Membranproteine metabotroper Glutamatrezeptor-1 (mGluR-1) und Glutamattransporter. Klinische Relevanz haben in erster Linie die neuronalen Antikörper bei paraneoplastischen neurologischen Syndromen ( paraneoplastische Syndrome) erlangt. Die wichtigsten zu den Antikörpern gehörenden Antigene sind Yo (APCA-1/PCA-1), APCA-2/PCA-2 und Tr. Mit den Antikörpern sind vor allem folgende Tumoren assoziiert: * Anti-Yo: Ovarialkarzinom, Uteruskarzinom, Mammakarzinom. * Anti-APCA-2/PCA-2: Kleinzelliges Bronchialkarzinom, Morbus Hodgkin. * Anti-Tr: Morbus Hodgkin. 3
Als neurologisches Krankheitsbild tritt ganz überwiegend eine subakute bzw. langsam progrediente Kleinhirndegeneration auf, die durch die angeführten Purkinje-Zell-Antikörper angezeigt, aber wahrscheinlich nicht verursacht wird. Eine Serumübertragung der Krankheit gelingt im Tierversuch nicht. Eine antikörperreduzierende Therapie ist ineffektiv. Als Nachweisverfahren für die Antikörper dient vor allem der indirekte Immunfluoreszenz-Test an Primatenkleinhirnschnitten. Westernblot und ELISA werden ebenfalls eingesetzt, eignen sich aber nicht für alle Antikörper (z. B. Anti-Tr).
Purpura Definition Multiple Haut- und Schleimhautblutungen unterschiedlicher Größe und Genese.
Grundlagen Man unterscheidet: * Petechien: Punktförmige Blutungen. * Vibices: Streifenförmige Blutungen. * Sugillationen: Münzstückgroße Blutungen.
*
1079
Suffusionen bzw. Ekchymosen: Flächenhafte Blutungen.
Charakteristisch: Durch Glasspateldruck nicht wegdrückbar.
Purpura cerebri Definition Multiple, punktförmige, intrazerebrale Blutungen
Grundlagen Pathophysiologie: Perivaskuläre Ringblutungen um Gefäße der intrazerebralen Mikrozirkulation. Ätiologie: Multifaktoriell, z. B. bei * zerebraler Fettembolie durch embolischen Verschluss kleiner Arterien. * Enzephalitiden mit entzündlichem Befall auch von Venen und Kapillaren (hämorrhagische Enzephalitis).
Purpura Schönlein-Henoch Synonyme Schoenlein-Henoch-Syndrom, rheumatoide Purpura, Immunkomplexpurpura
Definition Unterform einer allergischen Vaskulitis bei der es durch IgA-Immunkomplex-Ablagerungen in den Wänden kleiner Gefäße zu Haut- und Schleimhautblutungen kommt.
Einleitung Epidemiologie: Meist im Kindesalter. Jungen häufiger betroffen als Mädchen. Ursache: Hypersensitivitätsvaskulitis im Anschluss an einen Infekt der oberen Luftwege. Pathophysiologie: Durch subendotheliale IgA-ImmunkomplexAblagerungen in den Wänden von Arteriolen, Kapillaren und Venolen kommt es zu Petechien in Haut und Schleimhäuten.
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Purpura simplex
Klinik: * Petechien und Exantheme der Haut insbesondere der Streckseiten der Beine. * Gelenkschwellungen. * Beteiligung des Gastrointestinaltraktes mit kolikartigen Bauchschmerzen und Erbrechen, Petechien der Schleimhäute. * Nierenbeteiligung: Glomerulonephritis mit Mikro- und Makrohämaturie und in 10– 20% Niereninsuffizienz. * Nervensystem: Kopfschmerzen, EEG-Veränderungen. * Häufig schubförmiger Verlauf.
Purpura, thrombotisch-thrombozytopenische Synonyme TTP,
3
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Moschkowitz-Syndrom
Definition Trias aus * Thrombozytopenischer Purpura. * Hämolytischer Anämie. * Disseminierten Mikrothromben in kleinen Gefäßen.
Diagnostik * * * *
Charakteristische Anamnese und klinischer Befund. Normale Gerinnungsparameter. Nachweis zirkulierender Immunkomlexe im Blut. Hautbiopsie: Perivaskuläre IgA-Ablagerungen.
Therapie * *
Symptomatisch. In schweren Fällen ggf. Versuch mit Steroiden oder Immunsupressiva.
Prognose In der Regel gut mit selbstlimitierendem Verlauf, jedoch auch schwere Fälle mit Rezidivneigung beschrieben.
Einleitung Ursache: Wahrscheinlich autoimmunvermittelte Vaskulitis kleiner Gefäße, z. B. parainfektiös oder paraneoplastisch. Auch durch Medikamente auslösbar, wie z. B. Ticlopidin oder Clopidogrel (4 pro 1 Mio. Behandelte beschrieben). Vorkommen: Selten. Pathophysiologie: Ausbildung von Mikrothromben, Thrombozytenverbrauch sowie Hämolyse unklarer Genese. Klinik: * Nierenbeteiligung: In 50% der Fälle akutes Nierenversagen. * Thrombozytopenie durch Thrombozytenverbrauch. * Anämie durch Hämolyse. * Neurologische Störungen.
Diagnostik
Purpura simplex
Hämatomneigung nach Bagatelltraumen.
Charakteristische Laborbefunde: Thrombozytopenie, verkürzte Thrombozytenlebenszeit, Anämie, Fragmentozyten im Blutausstrich, erhöhte Retikulozytenzahlen, erhöhtes direktes und indirektes Bilirubin.
Grundlagen
Therapie
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Definition
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Ursache: Fragilität der Hautgefäße. Vorkommen: V.a. junge Frauen (Purpura simplex) und ältere Menschen (Purpura simplex senilis). Gerinnungsuntersuchungen normal. Benigne Erkrankung, keine spezifische Therapie bekannt.
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Behandlung der Grundkrankheit. Symptomatische Therapie: Substitution von Thrombozytenkonzentraten (prophylaktische/therapeutische Substitution), ggf. auch Substitution von Erythrozytenkonzentraten. Ggf. Steroide, Immunsuppressiva oder Plasmaaustausch.
Pyridostigmin
Abhängig von dem zugrundeliegenden Auslöser.
Pyknolepsie (Absencenepilepsie, Kindesalter) Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie)
3
Pyozephalus Empyem der Großhirnventrikel
3
Pyramidenbahnzeichen Grundlagen Gruppe pathologischer Reflexe, die auf eine Pyramidenbahnschädigung hinweisen. Am bekanntesten ist das Babinski-Zeichen: Bestreichen des lateralen Randes der Fußsohle führt zu einer tonischen Extension der Großzehe mit Spreizung der übrigen Zehen. Es gibt eine Reihe von Auslösevarianten, z. B. Bestreichen des lateralen Fußrückens (Chaddock), festes Streichen über die Tibiakante (Oppenheim) oder festes Kneten der Wadenmuskulatur (Gordon).
Pyridostigmin Gebräuchliche Fertigarzneimittel Kalymin® 10/60 N Tbl., mite, forte 5 mg Inj. lösg.; Mestinon® 10/60 Drg., 180 retard; 5 Inj. lösg.
Wirkungen Pyridostigmin gehört mit Neostigmin und Physostigmin zu den reversiblen Cholinesterasehemmern mit parasympathomimetischer Wirkung. Der wesentliche Unterschied zu Physostigmin besteht in einer geringeren Wirkung auf das Herz, einer stärkeren auf die Darm- und die Blasenmuskulatur bei weitgehend fehlenden Wirkungen auf das ZNS. Pyridostigmin ähnelt
somit dem Neostigmin. Die semistabile Carbamylierung der Acetylcholinesterase durch Pyridostigmin kann einen Schutzeffekt gegenüber der kaum reversiblen Phosphorylierung durch Organophosphate bieten. Pyridostigmin antagonisiert in Dosen von 0,1–0,5 mg/kg KG die Wirkungen von Curare. Dosen von 25 mg/ kg vermindern jedoch die Kontraktionskraft unter einer tetanischen Reizung; nach Denervierung bleibt dieser Effekt aus und belegt dessen Abhängigkeit von einer intakten neuromuskulären Synapse. Ein durch Soman verursachter neuromuskulärer Block kann schon aufgehoben werden, wenn mehr als 5–8% der phosphorylierten Acetylcholinesterase durch Pyridostigmin carbamyliert sind. 3
Prognose
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Resorption Bei p. o. Appl. von 60 mg treten maximale Plasmakonzentrationen von 25 ng/ml nach 1,5–3 h mit starken interindividuellen Unterschieden und Verzögerungen durch Nahrungsaufnahme auf. Die orale Bioverfügbarkeit wurde zu 7–10% ermittelt und ist etwa 4-mal höher als die von Neostigmin. Die Resorptionshalbwerzeitbei i. m. Gabe wurde mit 2,5 min bestimmt.
Elimination Die Eliminationshalbwertzeit beträgt nach p. o. Gabe 1,8–3,3 h, nach i. v. Gabe 1,5 h. Bei älteren Patienten ist die Wirkung auf das 2– 3fache verlängert. Ca. 12% des p. o. aufgenommenen Pyridostigmins werden im 24 h-Sammelurin ausgeschieden. Pyridostigmin wird vorwiegend in der Leber hydrolysiert und bis zu 5% innerhalb von 24 h im Harn ausgeschieden. Eine präsystemische Metabolisierung ist wahrscheinlich.
Anwendungsgebiete Pyridostigmin wirkt länger als Neostigmin und hat weniger muscarinerge Wirkungen. Pyridostigmin ist das am häufigsten eingesetzte Basismedikament zur symptomatischen Therapie der Myasthenia gravis. Die gebräuchliche Dosis von 40–480 mg/d p. o. führt bei Verteilung auf 4–5 Einzeldosen zu stabilen Blutspiegelprofilen. Die Wirkung beginnt bei Blutspiegeln ab 5 ng/ml und ist oberhalb 40 ng/ml nicht mehr zu steigern. Zwischen Blutspiegeln und Wirkung besteht nur eine weitläufige Korrelation. Bei myasthenischen Krisen oder operativen
P
Pyridoxin
Eingriffen wird Pyridostigmin als Dauerinfusion von 1 mg/h dosiert. In gleicher Dosis kann es auch zur Behandlung der Darm- und der Blasenatonie und der Refluxösophagitis verwendet werden. Pyridostigmin wird als Adjuvans bei der Therapie von Organophosphatvergiftungen verwendet. Die Gabe von 30 mg in Intervallen von 8 h, die zu einer Carbamylierung von 20–40% der Erythrozytencholinesterase führen, wird als ausreichend angesehen. Als Basistherapie der Organophosphatvergiftung werden Antikonvulsiva, Atropin und Oxime verwendet. Als Antidot nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien werden initial 2– 5 mg i. v. zusätzlich mit 1 mg Atropin gegeben. Diese Dosis kann nach 10 min wiederholt werden. Pyridostigmin dient zur Diagnose eines Wachstumshormonmangels, wobei im Provokationstest mit 60 mg Pyridostigmin p. o. ein Ausbleiben des GH-Anstiegs über 7–10 μg/ml Blut ein positives Ergebnis anzeigt.
Unerwünschte Wirkungen Unter einer Pyridostigmintherapie steigt der Acetylcholinrezeptor-Antikörper in den Subklassen IgG1 und IgG3 signifikant an. Subjektive unerwünschte Wirkungen wie Müdigkeit und schwere Augenlider treten bei ca. 50% aller Behandelten in den ersten 2–3 h ohne Korrelation zum jeweiligen Plasmaspiegel auf. Bei der Therapie der Myasthenia gravis treten bei ca. 1% der Behandelten Rhythmusstörungen, Verschlechterungen von obstruktiven Atemwegserkrankungen und hypotensive Episoden auf, die durch Parasympatholytika, weniger durch β-Mimetika beeinflussbar sind. Magenbeschwerden treten bei ca. 50% aller Behandelten in den ersten 2–3 h ohne Korrelation zum jeweiligen Plasmaspiegel auf. Muskelfaszikulationen bei 50% aller Behandelten in den ersten 2–3 h bei Plasmaspiegeln oberhalb 100 ng/ml.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei mechanischen Verschlüssen von Verdauungs- und Harnwegen sowie bei spastischer Bronchitis wird Pyridostigmin nicht verwendet. Degenerative und entzündliche Veränderungen des Reizleitungssystems sowie eine Therapie mit Digitalisglykosiden, Calciumant. und Betablockern sind relative Kontraindikationen.
Wechselwirkungen Pyridostigmin wird durch Atropin und analoge
Parasympatholytika und Antihistamine mit anticholinerger Wirkung (Diphenhydramin) antagonisiert. Phenothiazine hingegen potenzieren seine Toxizität, ähnlich wie Morphinderivate und Barbiturate.
Akute Toxizität Muscarinähnliche Symptome sind Speichelfluss, Bronchospasmus, Schweißsekretion, Magen-Darm-Motilitäts-Störungen, Bradykardie und Kreislaufkollaps. Nicotinähnliche Symptome sind Muskelfaszikulationen, Spasmen und Lähmungen cholinerge Krise. 3
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Pyridoxin Wirkungen Vitamin B6 ist ein wasserlösliches Vitamin, das in seiner phosphorylierten Form (Pyridoxal-5'phosphat, PALP) als Coenzym einer Vielzahl von Enzymen in den gesamten nichtoxidativen Stoffwechsel der Aminosäuren eingreift. Vitamin B6-abhängige Enzyme sind durch Decarboxylierung an der Bildung physiologisch aktiver Amine (z. B. Adrenalin, Histamin, Serotonin, Dopamin, Tyramin), durch Transaminierung an anabolen und katabolen Stoffwechselvorgängen (z. B. Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) sowie an verschiedenen Spaltungen und Synthesen der Aminosäuren beteiligt. Im Rahmen der Synthese des Hämoglobins katalysiert Vitamin B6 die α-Amino-β-ketoadipinsäurebildung.
Wirkungsverlauf Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin werden im oberen Magen-Darm-Trakt rasch resorbiert und mit einem Maximum innerhalb von 2–5 h renal ausgeschieden. Das Hauptausscheidungsprodukt ist die 4-Pyridoxinsäure und im Blut zu nahezu 80% an Protein gebunden.
Anwendungsgebiete Therapie oder Prävention von klinischen Vitamin B6-Mangelzuständen verschiedener Ursachen, sofern diese ernährungsmäßig nicht behoben werden können. Ein derartiger Vitamin B6Mangel kann insbesondere als Folge längerer Fehlernährung und chronischen Alkoholismus, bei schweren fieberhaften Erkrankungen, als Folge einer Dauerhämolyse sowie bei genetisch
Pyrimethamin
bedingten Störungen im Tryptophanstoffwechsel auftreten. Gesteigerter Bedarf während Schwangerschaft und Laktation kann ursächlich ebenso verantwortlich sein wie der langfristige Gebrauch hormonaler Kontrazeptiva oder die Anwendung von Isoniazid. Daraus resultierende Mangelsymptome (z. B. hypochrome mikrozytäre Anaemien, Krämpfe bei Neugeborenen und Säuglingen) lassen sich durch Vitamin B6-Gaben positiv beeinflussen.
Dosierung und Art der Anwendung
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Einleitung Prädisponierend sind Alkoholismus, Resorptionsstörungen, Therapie mit Isoniazid, Cycloserin oder D-Penicillamin. Ein isolierter Pyridoxinmangel ist selten, meist kombinierte Defizienz der B-Vitamin-Gruppe.
Diagnostik Nachweis eines verminderten Pyridoxalphosphatspiegels im Serum, reduzierte Pyridoxinsäureexkretion im Urin.
Zur Prophylaxe eines Vitamin B6-Mangels sind peroral Dosen bis zu 5 mg täglich sinnvoll. Zur peroralen Therapie schwerer Vitamin B6-Mangelzustände (sowie nach Anwendung Hydrazid-haltiger Arzneimittel) sind tägliche Gaben bis zu 300 mg angezeigt (in Einzelfällen auch höher). Die perorale Therapie von Vitamin B6Mangel bedingten Krämpfen im Neugeborenen- und Säuglingsalter wird mit Dosen zwischen 0,5 und 4 mg/kg KG durchgeführt. Bei parenteraler Therapie werden Dosen bis 300 mg/d verabreicht.
Krampfanfälle bei Säuglingen/Kindern: Substitution von Pyridoxinhydrochlorid (z. B. Benadon®), z. B. initial 100–150 mg p. o., dann 10 mg/die auf Dauer. Polyneuropathie: 200– 300 mg/die p. o. oder i. v. Cave: Überdosierung über längere Zeit (vermutlich schon ab 300 mg/ die) kann zu einer vorwiegend sensiblen Polyneuropathie führen.
Unerwünschte Wirkungen
Krampfanfälle sistieren unter Therapie sofort, eine Polyneuropathie bildet sich oft nur langsam und unvollständig zurück.
In dem empfohlenen Dosisbereichereich sind keine unerwünschte Wirkungen bekannt.
Therapie
Prognose
Wechselwirkungen Hohe Dosen von Vitamin B6 können die Wirkung von L-Dopa abschwächen. Wechselwirkungen bestehen ebenfalls zu INH, D-Penicillamin und Cycloserin, die sich in Form von Neuropathien bemerkbar machen können. Bei längerer täglicher Einnahme (mehr als 2 Monate) von Pyridoxin im Dosierungsbereich über 1 g sind neurotoxische Nebenwirkungen nicht auszuschließen
Pyridoxin-Mangel Synonyme Vitamin B6-Mangel
Definition Durch Pyridoxinmangel verursachtes Syndrom mit Inappetenz, Erbrechen, Dermatitis, Polyneuropathie oder Krampfanfällen (insbesondere bei Säuglingen).
Pyrimethamin Gebräuchliche Fertigarzneimittel ®
Daraprim , Tbl.
Wirkungen Pyrimethamin (PYR) wurde 1951 als MalariaProphylaktikum eingeführt. Aufgrund häufiger Resistenzen gegen PYR hat sich die Kombination mit Sulfonamiden wie z. B. Sulfadoxin (SDX) durchgesetzt. PYR hemmt selektiv die Dihydrofolatreductase der exoerythrozytären Schizonten (in der Leber) und der erythrozytären Schizonten von Malariaerregern. Durch Kombination mit Sulfonamiden oder Sulfonen wird die Wirkung auf den Folsäurestoffwechsel potenziert. Von großer Bedeutung ist die Wirkung auf Toxoplasma gondii zur Therapie der Toxoplasmose. Auch hier kommt in den meisten Fällen die Kombination von PYR mit Kurzzeit-Sulfonamiden (z. B. Sulfadiazin) zur Anwendung.
P
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Pyrimethamin
Resorption PYR wird nach peroraler Gabe langsam, aber fast vollständig resorbiert. Die PYR-Werte nach Gabe von Kombination mit Sulfadoxin liegen in der gleichen Größenordnung wie nach Gabe von PYR allein. Die Proteinbindung liegt bei 87%. In der Cerebrospinalflüssigkeit erreichen die Konzentrationen 1/10–1/4 des Plasmaspiegels.
50 mg–75 mg anschließend für 3–4 Wochen 25 mg PYR/d (z. T. werden auch 0,5–1 mg/ kg/d empfohlen). Zur Behandlung von Toxoplasmose des ZNS bei AIDS-Patienten 150 mg PYR/d für 3 (2–4) Wochen Kombination mit Clindamycin 2,4 g/d und Spiramycin 9 Mill. IE/d dann Erhaltungstherapie 50 mg PYR+1.000 mg SDX/Woche.
Unerwünschte Wirkungen Elimination Die Plasmahalbwertzeit liegt bei 83±14 h und ist weitgehend unabhängig von der applizierten Dosis. Die Ausscheidung erfolgt vor allem renal. Im Urin sind mindestens 16 Metaboliten nachgewiesen und es findet sich nur noch wenig unverstoffwechseltes PYR.
Dosierung und Art der Anwendung Für die Malariaprophylaxe wird PYR (25 mg) +Sufadoxin (=SDX) (500 mg) 1-mal/Woche von 1 Woche vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt im Malariagebiet, heute nicht mehr empfohlen, wohl aber als Notfallmedikament (Standby) (1×75 mg PYR+1.500 mg SDX) in Gebieten mit vorwiegend P. falciparum und ohne Multiresistenz. Wegen sich stets verändernder Resistenzlage sind aktuelle Empfehlungen z. B. der WHO oder der Deutschen Tropenmedizinischen Gesellschaft unbedingt zu beachten. Akute Toxoplasmose bei Erwachsenen (einschließlich Schwangerschaft nach der 20. Schwangerschaftswoche): Kombination von PYR mit Kurzzeitsulfonamid (z. B. Sulfadiazin) oder auch Langzeitsulfonamid (z. B. Sulfadoxin). Die Dosis für PYR beträgt am 1. Tag
Vor allem bei hohen Dosen Depression der Hämopoese, (z. T. als Folge von Folsäuremangel) megaloblastische Anämie, Leukopenie, Trombozytopenie und Pantzytopenie, Appetitlosigkeit, Erbrechen, atrophische Glossitis. Bei der normalerweise angewandten Kombination von PYR mit SDX oder anderen Sulfonamiden oder Sulfonen kommt es weit häufiger zu unerwünschte Wirkungen die im Wesentlichen durch SDX bedingt sind. Bei Folsäuremangelerscheinung (vor allem bei Toxoplasmose-Therapie) ist supportive Gabe von Folinsäure (Leukovorin) erforderlich.
Anwendungsbeschränkungen Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel, Schwangerschaft. Nicht mit anderen Dihydrofolatreduktase-Inhibitoren (z. B. Trimethoprim oder Methotrexat) kombinieren.
Wechselwirkungen Potenzierende Wirkung mit Sulfonamiden (Sulfadoxin) und Sulfonen, additive Wirkung bei Kombination z. B. mit Chloroquin, Mefloqu in.
Q
Quadrantensyndrome Einleitung Spinale Ischämien, intramedulläre Tumoren und seltener extramedulläre Kompression können zum Funktionsausfall eines vorderen oder hinteren Viertels des Rückenmarkquerschnittes führen (in reiner Form selten). Vergleiche Tab. 1.
Querschnittlähmung, komplette Definition Vollständige funktionelle Unterbrechung spinaler Leitungsbahnen.
Einleitung Bei einer akuten Läsion kommt es zum spinalen Schock mit schlaffen Paresen und Aufhebung aller sensiblen Funktionen unterhalb der Läsionshöhe, schlaffer Blasen- und Mastdarmlähmung und Sistieren der Darmtätigkeit. Eine Spastik entwickelt sich innerhalb von Tagen bis Wochen, sofern die Läsion nicht unterhalb von L1 liegt. Aus der schlaffen Blase wird bei Läsionen oberhalb von L1 eine neurogene Reflexblase ( Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie). Bei Läsionen oberhalb von Th6 kommt es zu autonomen Störungen mit orthostatischer Hypotonie, Bradykardie, Temperaturregulationsstörungen (Läsionen oberhalb Th10), später zur autonomen Dysreflexie mit schweren hypertensiven Krisen. Die Atmung ist bei Läsionen oberhalb von Th6 gestört, da ein Großteil der Interkostalmuskulatur ausgefallen ist. Bei Läsionen oberhalb von C5 ist auch die Zwerchfellatmung gestört.
1. Vermeidung aktiver und passiver Bewegungen der Wirbelsäule durch entsprechende Lagerung, Transport in ein spezialisiertes Zentrum. Bei monotraumatischen Läsionen Gabe von Methylprednisolon (30 mg/kgKG als Bolus innerhalb von 8 h nach Trauma, dann 4 mg/kgKG/h über 23 h, z. B. Urbason®). 2. Bildgebende Diagnostik, Entscheidung über evtl. operative Behandlung. 3. Allgemeine Maßnahmen: Thromboseprophylaxe (Kompressionsstümpfe; niedermolekulares Heparin gewichtsadaptiert, z. B. Fraxiparin®). Magenschutz (z. B. Ranitidin 300 mg/die oder Omeprazol 2×20 mg/die, z. B. Antra®). Bei Bradykardie Gabe von Anticholinergika (z. B. Atropin 0,25– 0,5 mg s. c. alle 8 h). Bei Atemproblemen atmungsunterstützende Maßnahmen (Sauerstoffzufuhr, Atemgymnastik, Mukolytika, bei hohen zervikalen Läsionen Beatmung). Schmerzbehandlung möglichst unter Verzicht auf Opioide (z. B. mit Metamizol). Harnableitung bevorzugt über eine suprapubische Fistel. Keine orale Ernährung, Anregung fehlender Darmmotilität mit Neostigmin (0,5 mg s. c. alle 6–8 h, z. B. Prostigmin®). Frühzeitige Krankengymnastik und Ergotherapie. Regelmäßige Lagerung zur Dekubitusprophylaxe.
Querschnittssyndrome
3
3
Definition Die Höhenlokalisation von Querschnittssyndromen lässt sich aus dem obersten betroffenen Dermatom ableiten (sensibles Niveau). Die Zuordnung zu Dermatomen spielt auch eine Rolle bei Zoster segmentalis und Radikulopathien. 3
Akute (traumatische) Rückenmarkläsion:
3
Therapie
1086
Querschnittssyndrome
Quadrantensyndrome. Tab. 1: Inkomplette querschnittsförmige Läsionen des Rückenmarks und der Kauda Syndrom
Betroffene Systeme
Klinische Symptomatik
Vorkommen
Vorderes Quadrantensyndrom
Einseitig: Vorderhorn, Tractus spinothalamicus anterior und lateralis, Tractus corticospinalis anterior, evtl. Tractus corticospinalis lateralis, Tractus spinocerebellaris anterior
Ipsilateral: Segmentale schlaffe Paresen in Läsionshöhe. Kaudal davon spastische Parese sowie leicht herabgesetztes Berührungsempfinden Kontralateral: Dissoziierte Sensibilitätsstörung (Schmerz, Temperatur) kaudal der Läsion
Myelomalazie (A. sulcocommissuralis), Trauma, intramedullärer Tumor, extramedulläre Kompression von ventrolateral (Tumor, Hämatom)
Hinteres Quadrantensyndrom
Einseitig: Hinterhorn, Hinterstränge, Tractus spinocerebellaris posterior, evtl. Tractus corticospinalis lateralis
Ipsilateral: Segmentaler Ausfall aller sensiblen Qualitäten in Läsionshöhe. Kaudal davon Störung von Tiefensensibilität und taktiler Diskriminationsfähigkeit, Ataxie und ggf. spastische Parese
Myelomalazie (A. spinalis posterolateralis), extramedulläre Kompression von dorsolateral
Querschnittssyndrome
Querschnittlähmung, komplette. Abb. 1: Komplette querschnittsförmige Läsionen des Rückenmarks und der Kauda
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Querschnittssyndrome. Abb. 1: Anordnung der Dermatome. Zur Identifzierung einer Nervenwurzelläsion sind im Bereich der Extremitäten die distalen Anteile des jeweiligen Dermatoms bedeutsam
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Querschnittssyndrome
Querschnittlähmung, komplette. Tab. 1: Komplette querschnittsförmige Läsionen des Rückenmarks und der Kauda Syndrom
Betroffene Systeme
Symptomatik
Vorkommen
Zervikaler Querschnitt
Unterbrechung der Leitungsbahnen und Läsion des Rückenmarkgraus zwischen C1 und C8
Spastische Tetraplegie, Interkostalmuskulatur gelähmt, segmentale atrophische Paresen in Läsionshöhe, aufgehobene Sensibilität unterhalb Läsionsniveau, Reflexblase. Bei Läsion oberhalb C4 Atemlähmung (Zwerchfell)
Trauma, Myelitis transversa, Hämatom, Tumor, Myelomalazie, Strahlenmyelopathie
Thorakaler Querschnitt
Unterbrechung der Leitungsbahnen und Läsion des Rückenmarkgraus zwischen Th1 und Th12
Spastische Paraplegie, segmentale atrophische Paresen in Läsionshöhe, aufgehobene Sensibilität unterhalb Läsionsniveau, Reflexblase. Bei Läsion oberhalb Th6 Ateminsuffiezienz (Interkostalmuskulatur)
Trauma, Myelitis transversa, Hämatom, Tumor, Myelomalazie
Lumbaler Querschnitt
Unterbrechung der Leitungsbahnen und Läsion des Rückenmarkgraus zwischen L1 und L4
In der Regel schlaffe Paraplegie, aufgehobene Sensibilität unterhalb Läsionsniveau, Überlaufblase
Trauma, Myelitis transversa, Hämatom, Tumor, Myelomalazie (Versorgungsgebiet der A. radicularis magna)
Epikonussyndrom Unterbrechung der Leitungsbahnen und Läsion des Rückenmarkgraus zwischen L4 und S2
Trauma, Hämatom, Schlaffe Beinparesen (Ausnahme Hüftbeugung, Tumor Hüftadduktion, Kniestreckung). PSR +, ASR-, TPR-. Sensibilität ab L4 oder tiefer aufgehoben. Reflexe perineal erhalten. Reflex- oder Überlaufblase Trauma, Tumor, Massenprolaps lumbaler Bandscheibenvorfall
Konussyndrom
Funktionsausfall des Rü- Bein- und Fußmotorik inckenmarkkonus, untertakt. Beineigenreflexe +, halb von S2 Analreflex -. Sensibilität im Reithosengebiet aufgehoben. Überlaufblase
Kaudasyndrom
Kaudale Wurzeln, ab L4 Schlaffe Lähmungen un- Tumor (Ependymom, Lipom), Bandscheibenoder tiefer terhalb L4 oder tiefer (Hüftfunktionen, Kniestre- vorfall, Trauma ckung nicht plegisch). PSR (+), ASR und TPR - , Analreflex -. Sensibilität unterhalb L4 oder tiefer aufgehoben, einschl. Reithosengebiet. Überlaufblase
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Rabbit-Syndrom
Rabies (Lyssa)
Definition
Tollwut
3
Ruhetremor, der schwerpunktmäßig um die Lippen auftritt und schnellen Kaubewegungen beim Hasen ähnelt.
Radfahrerlähmung
Einleitung Patienten-stigmatisierender Terminus aus der psychiatrischen Literatur. Bei Patienten mit einem medikamentösen Parkinson-Syndrom ( Parkinson-Syndrom, pharmakogenes) kann eine besondere Form des Ruhetremors in der perioralen Muskulatur auftreten, der bei der idiopathischen ParkinsonKrankheit kaum auftritt und gelegentlich als klassische tardive orobukkolinguale Dyskinesie oder essentielles Tremorsyndrom fehlgedeutet wird. Nach dem Erstbeschreiber [1] handelt es sich um eine charakteristische Bewegungsstörung im Gesichtsbereich, die durch periorale Bewegungen gekennzeichnet ist, die schnellen Kaubewegungen bei einem Hasen ähneln. Hauptsächlich in der psychiatrischen Literatur hat dieses Phänomen unter dem Namen RabbitSyndrom große Beachtung gefunden. Der Ruhetremor tritt charakteristischerweise schwerpunktmäßig um die Lippen auf. Die paranasale und Mundbodenmuskulatur kann jedoch mitbetroffen sein. Ein essentieller Tremor im Mundbereich ist äußerst selten. Bei der klassischen orobukkolingualen tardiven Dyskinesie führen Anticholinergika in der Regel zu einer Verschlechterung der Symptomatik, während beim Rabbit-Syndrom eine Besserung erwartet werden kann. 3
3
Literatur 1. Villeneuve (1972). The Rabbit syndrome: a peculiar extrapyramidal reaction. Canad Psychiat Assoc J 17(suppl): 69–72.
Definition Schädigung des distalen N. ulnaris (R. profundus N. ulnaris) in der Hohlhand durch Druck des Fahrradlenkers bei längeren Radfahrten.
Einleitung Rein motorische Ausfälle mit atrophischen Paresen der ulnarisversorgten Handmuskeln. Bei sehr distalen Läsionen bleibt Muskulatur des Hypothenar, evtl. sogar der Mm. interossei III und IV und lumbricales, intakt. Auffällig ist oft die starke Atrophie des Spatium interosseum I. Keine Sensibilitätsstörungen. Mitschädigungen des N. medianus kommen vor.
Diagnostik Typische Anamnese und klinische Symptomatik, EMG der kleinen Handmuskeln.
Therapie gesichert Spontane Rückbildung der Paresen unter Druckentlastung. empirisch Gezielte KG. unwirksam/obsolet Elektrotherapie.
Nachsorge Konsequente Druckentlastung der Hohlhand.
Radialisläsion (Nervus radialis)
Prognose Bei einer reinen Druckschädigung ist die Prognose günstig. In der Regel kommt es zur vollständigen Rückbildung. Bei über 2 Monate persistierenden Defiziten sollten auch andere Ursachen in Erwägung gezogen werden [1].
in Analogie zum Guillain-Barré-Syndrom eine Eiweißerhöhung zeigen.
Therapie Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung ( Borreliose, Neuroborreliose; Polyneuropathie, entzündliche, (HIV/Zytomegalie); Polyneuropathie, Sarkoidose). Bei schweren Verläufen der idiopathischen Form kann ggf. eine Therapie mit Immunglobulinen erfolgen. Symptomatisch müssen die BlasenStörungen behandelt werden, z. B. mit Einmalkatheterismus. 3
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3
Literatur
3
Vermeidung des Druckes auf die Hohlhand beim Radfahren, z. B. durch Tragen von Handschuhen zum Schutz der Hohlhand.
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Radikulitis
Nervus radialis, Läsion
3
Radiculitis sacralis (ElsbergSyndrom) Definition Bilaterale Radikulitis der sakralen Nervenwurzeln unterschiedlicher Ätiologie.
Definition Entzündliche Erkrankung einer, mehrerer oder aller Nervenwurzeln mit entsprechenden sensiblen oder sensomotorischen Ausfallserscheinungen im Versorgungsgebiet der beteiligten Wurzeln, häufig begleitet von Schmerzen.
Grundlagen Bei einigen generalisierten Erkrankungen des peripheren Nervensystems (wie bei der akuten Polyradikulits, dem Guillain-Barré-StrohlSyndrom (GBS), oder auch der Polyneuritis bei Diphtherie) sind die Wurzeln bevorzugt betroffen. Dieses wird auf eine besondere Durchlässigkeit der Blut-Nerven-Schranke in dieser Region mit höherer Anfälligkeit gegenüber Toxinen und Antikörpern zurückgeführt. Radikulitiden sind auch häufig erregerbedingt ( Herpes zoster, Herpes simplex, bei Neuroborreliose oder bei AIDS-Patienten durch Zytomegalieviren, Kryptokokken oder Tuberkulose). 3
Radialisläsion (Nervus radialis)
3
Diagnostik Verschiedene Ursachen für ein Elsberg-Syndrom kommen in Frage. Es kann erregerbedingt im Rahmen einer Neuroborreliose (BannwarthSyndrom), bei einer Herpes-simplex-Typ-II-Infektion, einer Zytomegalie, bei AIDS oder im Rahmen einer Autoimmunerkrankung wie dem M. Boeck aber auch idiopathisch auftreten. Zur Abklärung der Genese muss eine Liquordiagnostik mit den entsprechenden Serologien durchgeführt werden. Bei unauffälligem Liquorbefund sollte eine Kernspintomographie der LWS zum Ausschluss einer Raumforderung erfolgen. Die erregerbedingten Formen zeigen im Liquor eine Pleozytose und Eiweiß- oder IgG-Erhöhung; die idiopathische Form kann
Radikulopathie, diabetische Definition Im Rahmen einer diabetischen Polyneuropathie können neben den peripheren Nerven auch Nervenwurzeln geschädigt werden. Die Schädigung ist hier meistens umschrieben und betrifft vorwiegend thorakoabdominale Wurzeln. Bei der diabetischen Amyotrophie, die eigentlich als akute Läsion des Plexus lumbosacralis ge3
Klinisch imponieren sensomotorische Ausfallserscheinungen mit Dysästhesien und Parästhesien im Bereich der sakralen Nervenwurzeln, begleitet von Blasen-Mastdarm-Lähmungen.
3
Einleitung
Radiochirurgie
Einleitung Bei der thorakoabdominalen Radikulopathie beginnt die Symptomatik akut mit segmentalen, gürtelförmigen Schmerzen im Bereich des Thorax oder Abdomens, die dann persistieren. Begleitend kann eine Hypästhesie und Hyperpathie auftreten. Schmerzen und Sensibilitätsstörungen erstrecken sich meist über mehrere benachbarte Segmente und können auch bilateral oder multilokulär auftreten. Bei manchen Patienten treten auch Paresen der Bauchwandmuskulatur auf ( Bauchdeckenmuskulatur, Paresen). Sind nicht die Wurzeln, sondern die Spinalnerven distal betroffen, so können schildförmige Sensibilitätsstörungen resultieren. Begleitend besteht meist eine distal-symmetrische Polyneuropathie. Wie bei der diabetischen Amyotrophie bestehen neben den heftigsten Schmerzen oft Allgemeinsymptome wie Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Adynamie.
bamazepin, Polyneuropathie). In einigen Fällen ist auch α-Liponsäure hilfreich (600 mg/die i. v., bei Ansprechen auf die Therapie Infusionen über 3 Wochen durchführen). Bei ausgeprägteren Paresen sollte bis zur Wiederherstellung der Muskelfunktion Physiotherapie durchgeführt werden. Andere neuropathieinduzierende Faktoren (Alkohol, Vitaminmangelzustände) oder Gefäßrisikofaktoren (Hypertonus, Rauchen, Hypercholesterinämie) sollten minimiert werden. 3
deutet wird, sind vermutlich ebenfalls häufig Wurzeln mitbetroffen. Beiden Krankheitsbildern liegt wohl eine ischämische Mikroangiopathie der Vasa nervorum zugrunde.
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Prognose Die Prognose beider Erkrankungen (Radikulopathie und Amyotrophie) ist gut. Trotz der heftigen Beschwerden lassen die Schmerzen nach Wochen bis Monaten nach; danach kommt es zu einer allmählichen Rückbildung der Paresen. Etwa 20% der Patienten entwickeln Rezidive, oft auf der Gegenseite der initialen Läsion.
Radiochirurgie
3
Definition
Angwendetes Prozedere bei arteriovenösen Malformationen, benignen Tumoren ( Akustikusneurinom, Meningeom), malignen Tumoren (maligne Gliome) und zerebralen Metastasen. Unterschiedliche Verfahren (Gamma-Knife oder modifizierter Linearbeschleuniger) stehen zur Verfügung. Der durch Stereotaxie (CCT, MRT und/oder Angiographie) fokussierte in Einzelsitzung applizierte biologische Effekt hochionisierender Cobalt-60 Strahlen mit einem Zielvolumen zwischen 30–60 Gray wird ausgenutzt. Der empirische Nachweis gleicher Effektivität von Gamma-Knife und modifiziertem Linearbeschleuniger steht aus. Erreicht wird eine Proliferation mit Wandverdickung und schließlich Verschluss der erfassten Gefäße über einen Zeitraum von Monaten bis Jahren. Als Nebenwirkung wird ein radiogenes Ödem in 10% der Patienten im CCT und bei 40% der Patienten im MRT beobachtet. Bei 6% der Patienten kommt es zu vorübergehenden, bei 3% zu bleibenden neurologischen De3
3
Wie bei allen Formen der diabetischen Polyneuropathie besteht die kausale Therapie zunächst in einer Optimierung der Diabeteseinstellung unter Kontrolle der Blutzucker- und HbA1-Werte. Hier kann eine Umstellung von oralen Antidiabetika auf Insulin notwendig sein. Symptomatisch sollte vor allem eine Schmerztherapie erfolgen (trizyklische Antidepressiva, z. B. Amitriptylin retard® beginnend mit 10–25 mg p. o. abends, dann in Wochenabständen um 25 mg bis auf 100–150 mg steigern; alternativ auch Antikonvulsiva wie Car-
Grundlagen
3
Therapie
Einsatz stereotaktisch fokussierter, hochionisierender Strahlen (Cobalt-60).
3
Die diabetische Radikulopathie muss von anderen Wurzelläsionen, z. B. bei Zoster oder Meningeosis carcinomatosa, abgegrenzt werden. Hierzu ist die Lumbalpunktion entscheidend, die bei der diabetischen Radikulopathie lediglich eine Eiweißerhöhung, aber keine entzündlichen Veränderungen zeigt. Gegebenenfalls kann eine spinale Bildgebung zum Ausschluss einer Raumforderung unumgänglich sein. Im EMG kann Denervierungsaktivität in den Interkostal- oder Abdominalmuskeln nachgewiesen werden.
3
Diagnostik
R
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Raeder-Syndrom
fiziten. Weiterhin wurde das Auftreten von Kopfschmerzen beschrieben.
Augenerkrankungen wie ein akutes Glaukom ausgeschlossen werden.
3
Therapie
Raeder-Syndrom
Im Vordergrund steht die Therapie der zugrundeliegenden Primärerkrankung, die zum Raeder-Syndrom führt.
Synonyme Paratrigeminales Syndrom
Prognose
Definition
In der Regel verschwindet das Syndrom nach erfolgreicher Behandlung der Grundkrankheit.
Klinisch ist das Syndrom durch starke brennende supraorbitale Schmerzen und ein HornerSyndrom mit Miosis und Ptosis ohne die sonst typische Anhidrose charakterisiert. Im Gegensatz zur idiopathischen Trigeminusneuralgie können Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des N. ophthalmicus und Innervationsstörungen der ipsilateralen Kaumuskulatur auftreten. Dieser Symptomenkomplex kann mehrere Ursachen haben, die letztlich alle im Bereich des Karotissiphons lokalisiert sind. * Trauma * Tumor (Schwannom, Lymphom) und Metastasen (häufig: Bronchial- und Mammakarzinom) * Infektion * Aneurysma oder Dissektion der ACI Einige Autoren wählen eine Unterteilung des Raeder-Syndroms in 2 Typen: * Raeder I: Mitbeteiligung weiterer parasellär verlaufender Hirnnerven (z. B. N. III, IV und VI) * Raeder II: Ohne Mitbeteiligung weiterer Hirnnerven
Myopathie, metabolische, MERRF-SYNDROM (Myoklonus-Epilepsy mit Ragged-redFasern) 3
Einleitung
„Ragged red fibers“ 3
Als Raeder-Sydrom wird die Kombination aus einer symptomatischen Neuralgie des 1. Trigeminusastes (N. ophthalmicus) und dem Ausfall der sympathischen Innervation des Auges bezeichnet.
Ramsay-Hunt-Syndrom Synonyme Hunt Erkrankung, Herpes zoster oticus
Definition Das Ramsay-Hunt-Syndrom wird durch eine Infektion des Ganglion geniculatum mit dem Varicella-zoster-Virus (VZV) verursacht. Klinisch ist es durch eine periphere Fazialisparese und herpetiforme Eruptionen im Bereich des Trommelfells, des äußeren Gehörgangs und der Ohrmuschel charakterisiert, das häufig mit einem heftigen postherpetischen Schmerzsyndrom assoziiert ist.
Einleitung
Ein transientes Raeder-Syndrom (v. a. Typ II) kann Ausdruck einer Migränevariante sein.
Die Inzidenz der Erkrankung liegt bei ca. 5/ 100.000 und ist die zweithäufigste Ursache für eine akute periphere Fazialisparese. Die Patienten klagen bei zusätzlicher Mitbeteiligung des Nervus vestibulocochlearis über Hörstörungen, Schwindel und Tinnitus.
Diagnostik
Diagnostik
Neurosonologische Untersuchungen und entsprechende bildgebende Diagnostik (MRT, MR-Angiographie, ggf. zerebrale Angiographie) sollten zum Ausschluss dieser Ursachen erfolgen. Weiterhin sollten Prozesse der Nasennebenhöhlen (Sinusitis, Retentionszysten) und
Diagnostisch obligat ist die otoskopische Untersuchung (Nachweis von herpetiformen Eruptionen im Gehörgang und Trommelfell) und die Lumbalpunktion. In der Liquordiagnostik lässt sich die Zosterganglionitis durch einen erhöhten VZV-Antikörperindex in 100% der Fälle
Ranitidin
nachweisen. Weniger sensitiv ist der Nachweis von VZV-DNA im Liquor durch die PCR. Es gilt das Ramsay-Hunt-Syndrom von anderen entzündlichen Erkrankungen abzugrenzen, die entsprechend andere therapeutische Konzepte erfordern. Differenzialdiagnostisch sind dabei die Bell-Lähmung (Herpes simplex), die Neuroborreliose, eine akute Otitis media, die Sarkoidose Boeck, Meningitiden, sowie Lepra und Lues auszuschließen. Ebenso sollte eine Ischämie, Blutung oder Tumor ausgeschlossen werden. Obwohl ein Zoster oticus auch bei Personen ohne Immunschwäche-Syndrom vorkommt, sollte v. a. bei Patienten mit einer zugrunde liegenden HIV-Infektion die Gefahr einer Generalisierung der kutanten Läsionen und Manifestation an anderen Organsystemen bedacht werden. Cave: Erschwert wird die Diagnosestellung bei Formen, die ohne eine kutane Läsionen einhergehen und klinisch nicht von einer Bell-Lähmung unterschieden werden können (herpes sine zoster).
Therapie Das medikamentöse Therapiekonzept des Ramsay-Hunt-Syndroms basiert zum einen auf der antiviralen/antiinflammatorischen Therapie, zum anderen auf der Behandlung des neuralgischen Schmerzsyndroms mit membranstabilisierenden Medikamenten. Genauso wichtig wie die kausale Therapie sind Allgemeinmaßnahmen, wie tägliche Krankengymnastik der mimischen Muskulatur, um eine symmetrische Aktivierung zu erzielen. Ebenso sollte bei inkompletten Lidschluss zum Schutz der Cornea eine Silikonklappe oder ein Uhrglasverband in Verbindung mit Augensalbe verwendet werden. gesichert Prednison mit 3×5 mg/kg KG, Aciclovir i. v.
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durch Botulinumtoxininjektion behandelt werden kann.
Prognose Im Vergleich zur Bell-Lähmung ist die Fazialislähmung beim Ramsay-Hunt-Syndrom meist schwerer ausgeprägt und besitzt eine schlechtere Prognose. Trotz entsprechend frühzeitiger antiinflammatorischer und antiviraler Therapie ist die Waller Degeneration der VII. und VIII. Hirnnerven schon weiter fortgeschritten. Ein hohes Alter und frühere stattgehabte Fazialislähmungen sind negative prognostische Faktoren, wobei eine initial höhergradige Fazialislähmung für eine günstigere Prognose spricht [1].
Literatur 1. Ko JY et al. (2000) Herpes zoster oticus treated with acyclovir and prednisolone: clinical manifestations and analysis of prognostic factors. Clin Otolaryngol 25:139–42.
Ranitidin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Sostril® 150/300 Brausetbl., Filmtbl., Inj.lösg.; Zantic® 75/150/300 mg Filmtbl., Brausetbl., Inj.lösg.
Wirkungen Ranitidin ist ein kompetitiver und reversibler Histamin-H2-Rezeptor-Antagonist. Durch die Blockade des Histamin-H2-Rezeptors an der Belegzelle des Magens hemmt Ranitidin die basale und die durch physiologische Stimuli (Histamin, Gastrin oder vagale Stimulation) vermehrte Salzsäure-Bildung. Im Vergleich zu Cimetidin hat Ranitidin eine 4–10fach stärkere antisekretorische Wirkung.
Nachsorge Bei einem durch eine Virusreaktivierung hervorgerufenes Rezidiv ist darauf zu achten, dass die typischen kutanen Läsionen (herpes sine zoster) ausbleiben können. Dennoch sollte auch hier früh mit einer antiviralen Therapie begonnen werden. Im weiteren Verlauf der Fazialislähmung kann es zur Manifestation eines Hemispasmus facialis kommen, der ggf. medikamentös oder besser
Resorption Nach p. o. Gabe wird Ranitidin rasch resorbiert, und maximale Plasmaspiegel werden nach 1–h erreicht. Die orale Bioverfügbarkeit liegt bei 50. Ranitidin wird in alle Organe verteilt. Ranitidin durchdringt die Blut-Hirn-Schranke (maximal 17% der Plasmakonzentration werden in der Cerebrospinalflüssigkeit gefunden) und erscheint in der Muttermilch.
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Rankin-Skala
Elimination Nach p. o. Gabe werden innerhalb von 24 h 30%, nach i. v. Gabe bis zu 70% der Dosis in unveränderter Form im Urin ausgeschieden. Die restliche Ranitidindosis wird als N-Oxid-, S-Oxid- und Desmethyl-Ranitidin über die Niere bzw. die Galle ausgeschieden. Die Halbwertzeit beträgt 2–3 h. Sie ist bei eingeschränkter Nierenfunktion um das 2–3fache verlängert.
Anwendungsgebiete Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi, Rezidivprophylaxe des Ulcus duodeni und des Ulcus ventriculi. Ulcusprophylaxe bei Hochdosiskortikoidtherapie z. B. des MS-Schubs, Refluxösophagitis, Zollinger-Ellison-Syndrom, Stressulcusprophylaxe, Säureaspirationsprophylaxe, Begleittherapie bei Blutungen aus Erosionen und Ulzerationen des Magen-Darm-Trakts.
nur bei strengster Indikation während der Schwangerschaft und Stillzeit gegeben werden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Ranitidindosis zu reduzieren. Unter der Gabe von Ranitidin kann es zum Wachstum von (gramnegativen) Keimen im Mageninhalt kommen. Bei beatmeten Patienten besteht dann die Möglichkeit, dass diese Erreger die Atemwege besiedeln (Risiko einer Pneumonie). Mit Fruktoselösungen darf Ranitidin (Injektionslösung) nicht gemischt werden.
Wechselwirkungen Ranitidin hemmt die renale Ausscheidung von Procainamid.
Rankin-Skala
Dosierung und Art der Anwendung Für die Behandlung des Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi wird Ranitidin in einer Dosis von 300 mg am Abend (vor dem Schlafengehen) gegeben. Die Tagesdosis von 300 mg kann auch auf zwei getrennte Dosen von je 150 mg morgens und abends aufgeteilt werden. Die Behandlung wird über einen Zeitraum von 4–8 Wochen durchgeführt. Die Prophylaxe wird mit einer einmaligen, abendlichen Dosis von 150 mg Ranitidin durchgeführt. Zur Prophylaxe stressbedingter Schleimhautläsionen und als Begleitmedikation bei Blutungen aus MagenDarmulzerationen werden 3–4-mal täglich 50 mg Ranitidin i. v. gegeben. Wenn eine Nahrungsaufnahme wieder möglich ist kann die Prophylaxe mit 2×150 mg Ranitidin fortgeführt werden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min bzw. Serum-Kreatinin über 2,6 mg/100 ml) ist die Ranitidindosis um 50% zu reduzieren.
Grundlagen Die Rankin-Skala ist eine Sechspunkteskala zur groben Einschätzung von Behandlungsergebnissen. Wie alle globalen Outcome-Skalen ist die Differenzierbarkeit von Merkmalausprägungen gering. Die Reliabilität wird mit nur etwa κ=0,56 angegeben. Die Untersuchung nimmt weniger als 1 min in Anspruch. Modifizierte Rankin-Skala: 0 = No symptoms at all. 1 = No significant disability despite symptoms, able to carry out all usual duties. 2 = Slight disability, able to look after own affairs without assistance. 3 = Moderate disability, able to walk without assistance. 4 = Moderate to severe disability, unable to walk without assistance. 5 = Severe disability, bedridden, requiring constant nursing care and attention. 6 = Dead.
Unerwünschte Wirkungen Bronchokonstriktion, Urticaria (selten). Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheitszustände. Bradykardie, AV-Block (vereinzelt). Thrombozytopenie, Leukozytopenie (sehr selten). Diarrhoe, Obstipation (<1%). Transaminasenanstieg (sehr selten). Gynäkomastie, Zyklusstörungen (sehr selten).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Ranitidinüberempfindlichkeit. Ranitidin sollte
Rapsöl, Polyneuropathie Definition Toxische Polyneuropathie, ausgelöst durch gealtertes Rapsöl, welches als Speiseöl verwandt wurde. Spektakuläre Massenvergiftung durch „toxisches Rapsöl“ 1981 in Spanien.
Rasmussen-Enzephalitis
Einleitung Klinisch bestehen wie bei den meisten toxischen Polyneuropathien symmetrische sensible Defizite bei einer axonalen Schädigung. Histologisch findet sich nach Intoxikation mit gealtertem Rapsöl eine ausgeprägte Perineuritis.
Rasmussen-Enzephalitis Definition Sonderform des Status epilepticus mit einfach-fokalen motorischen Anfällen mit über Tage bis Monate anhaltenden rhythmischen oder arrhythmischen Myoklonien im 2.–10. Lebensjahr (Gipfel: 6. Lebensjahr) bei zuvor neurologisch unauffälligen Kindern. Progredienter Verlauf mit Parese der betroffenen Extremität bzw. Halbseite, zusätzlichen Anfallsformen und dementieller Entwicklung. Zugrunde liegt die chronisch-entzündliche Erkrankung einer Hirnhemisphäre; pathogenetisch werden eine virale bzw. autoimmunologische Genese diskutiert. 3
Diagnostik Bei der Rasmussen-Enzephalitis zeigt sich neuroradiologisch eine progrediente Atrophie der betroffenen Hemisphäre, mit eventuellem Übergreifen nach kontralateral im weiteren Verlauf. Im EEG zeigt sich über der betroffenen Hemisphäre eine Verlangsamung der Grundaktivität mit zahlreichen, oft multifokalen spikes und sharp waves. Im Rahmen der epilepsiechirurgischen Diagnostik mittels Video-EEG-Monitoring mit Oberflächen- und ggf. auch invasiven Elektroden, funktioneller Bildgebung (z. B. interiktuales und iktuales SPECT) und neuropsychologischer Evaluation muss vor der Entscheidung zur Hemisphärektomie ein unilateraler Anfallsursprung und die sonstige, z. B. auch psychomentale Eignung, gesichert werden.
Therapie Bei der Rasmussen-Enzephalitis sind alle bekannten Antiepileptika auf Dauer unwirksam. gesichert Bei der Rasmussen-Enzephalitis ist mittlerweile als Therapie der Wahl im Kindesalter eine funktionelle Hemisphärektomie (mit Verbleib des
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vollständig diskonnektierten Frontal- und Okzipitallappens) etabliert. empirisch Ausgehend von autoimmunologischen Ätiologiekonzepten der Rasmussen-Enzephalitis wurde ein partieller und zeitlich zumeist limitierter Effekt einer Behandlung mit Kortikosteroiden (Prednison 2 mg/kg/d für 2 Wochen, dann ausschleichende Gabe über 2–6 Monate) bzw. Immunglobulinen i. v. (400 mg/kg/d für 3 Tage, Wiederholung monatlich) hinsichtlich Anfallsfrequenz, Paresen und bildgebender sowie laborchemischer Parameter berichtet [1,2]. Einzelfallberichten zufolge erscheint auch ein antiviraler Therapieversuch mit Ganciclovir (10 mg/kg/d über 10 Tage) gerechtfertigt [3].
Nachsorge Neuropädiatrisches Rehabilitationsprogramm zum Wiedererwerb bzw. zur Verbesserung motorischer und kognitiver Funktionen nach Hemisphärektomie.
Prognose Die Rasmussen-Enzephalitis führt im Mittel 3 Jahre nach Erkrankungsbeginn zu progressiver Hemiparese (fast 100%), Hemianopsie (ca. 50%), sensiblen Defiziten (ca. 30%), Dysarthrie oder Dysphasie (je ca. 20%) und kognitivem Abbau (ca. 85%). Eine frühzeitige funktionelle Hemisphärektomie erwies sich in mehr als drei Viertel erfolgreich mit Sistieren der Anfälle und Teilremission der zuvor oft erheblich motorischen und mentalen Beeinträchtigung.
Literatur 1. Hart YM, Cortez M, Andermann F, Hwang P, Fish DR, Dulac O, Silver K, Fejerman M, Cross H, Sherwin A, Caraballo R (1994) Chronic encephalitis and epilepsy in adults and adolescents: Effect of high-dose steroids or immunglobulins in 19 patients. Neurology 44:1030–1036 2. Leach JP, Chadwick DW, Miles JB, Hart IK (1999) Improvement in adult-onset Rasmussen’s encephalitis with long-term immunomodulatory therapy. Neurology 52:738–742 3. McLachlan RS, Levin S, Blume WT (1996) Treatment of Rasmussen’s syndrome with ganciclovir. Neurology 47:925–928
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Raumorientierung
Raumorientierung Definition Kognitive Repräsentation des Raumes.
Brückenhaube mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: kontralateral Sensibilitätsströung, fakultativ Hemiparese, ipsilateral Blickparese. 3
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
Nachsorge Hirninfarkt
Prognose Hirninfarkt, abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Raumorientierungsstörungen können bei Schädigungen des rechten posterioren Parietallappens (Area 7) und des angrenzenden Okzipitallappens isoliert oder begleitet von einem Neglekt-Syndrom oder einer Hemianopsie auftreten. Räumliche Informationen können nicht mehr verarbeitet werden, die Betroffenen finden sich nicht nur nicht in einem konkreten Raum zurecht, Wegbeschreibungen und Wiedergabe räumlicher Gegebenheiten aus dem Gedächtnis sind gestört (topographische Desorientierung). Sekundär kann es zu Störungen komplexer Erkennungsprozesse ( Agnosie), wie dem Lesen der Uhr (Uhrzeitagnosie) oder der Identifikation einzelner Finger kommen (Fingeragnosie).
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Grundlagen
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Hirninfarkt
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Raynaud-Phänomen Räuspertic Definition Einfache Vokalisation, die mit einem Räuspergeräusch einhergeht.
Grundlagen Der Räuspertic hat bei Interpretation als einfache Vokalisation eine Bedeutung für die Diagnose einer Tourette-Störung. Räuspertics gehören aber auch zum Repertoire normaler Spontanmotorik, Tics. 3
Raymond-Céstan-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion der oberen Brückenhaube (Benennung nach Erstbeschreiber).
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss eines kleinen, von der A. basilaris abzweigenden, den Hirnstamm penetrierenden Gefäßes zu einer Läsion im Bereich der oberen
Definition Das Raynaud-Phänomen beschreibt episodische, lokale Gefäßspasmen an Fingern (seltener Zehen, Nase und Ohren) mit charakteristischem klinischem Bild.
Einleitung Zunächst verfärbt sich die Haut in den betroffenen, gut abgrenzbaren Arealen weiß (Ischämie), dann blau (Stase) und schließlich rot (reaktive Hyperämie). Trigger des Raynaud-Phänomens sind v. a. Kälteexposition und emotionale Faktoren. Man unterscheidet ein primäres Raynaud-Phänomen (bei 5% der gesunden Bevölkerung) von einer sekundären Form. Über 90% aller Patienten mit einem Raynaud-Phänomen sind weiblich und häufig jünger als 25 Jahre. Das Raynaud-Phänomen ist in 5% ein Vorläufer von autoimmunologisch-rheumatischen Erkrankungen.
Differenzialdiagnose Die primäre und sekundäre Formen lassen sich durch klinischen und labormedizinischen Befund differenzieren. In der Berufsanamnese ist gezielt nach Exposition mit Kälte, Vibration (z. B. Preßluft) oder Chemikalien (v. a. Vinylchlorid) zu fragen. Ebenso können bestimmte
„Recruitment“ (Lautheitsausgleich)
Prophylaxe Durch Vermeidung von Kälteexposition (durch Tragen warmer Kleidung, Handschuhe), Nikotingenuss und der Verwendung vibrierender Werkzeuge kann v. a. bei den primären Raynaud-Phänomen Besserung erzielt werden. Das Biofeedback-Training kann zur Entspannung und Reduktion von emotionalen Stressoren erfolgreich eingesetzt werden.
Therapie Bei einigen Patienten mit primärem RaynaudPhänomen bei denen Allgemeinmaßnahmen nicht helfen und v. a. bei zugrundeliegender rheumatischer Erkrankung ist die Verordnung von Calciumkanalblockern wirksam. gesichert Die Gabe von Nifedipin (20 mg täglich) stellt den „Goldstandard“ in der Therapie des Raynaud-Phänomens dar. Bei Unverträglichkeit (NW: v. a. Kopfschmerzen und „flush“): Diltiazem-Hydrochlorid (3×60 mg täglich)Felodipin (5–10 mg täglich)Isradipin (Startdosis: 1 mg täglich, nach 4 Wochen auf 2 mg täglich erhöhen) [1]. In schweren Fällen mit Ausbildung von Ulzera oder Gangrän sind Prostazyklin-Infusionen (Startdosis: 5 µg/kg KG/Stunde, max. 15 µg/kg KG/Stunde) über 5 Stunden über mehrere aufeinanderfolgende Tage notwendig [2]. empirisch In Einzelfällen ist die Gabe von Sympathikolytika (z. B. Prazosin, Reserpin oder Guanethidin) notwendig. Bei schweren therapieresistenten Fällen ist eine Sympathektomie indiziert [3].
Nachsorge Wichtig ist die Kenntnis der engen Assoziation des Raynaud-Phänomens zu autoimmunologisch-rheumatischen Erkrankungen. Daher sollte v. a. beim Auftreten neuer Symptome eine sorgfältige Diagnostik erfolgen.
Prognose In der Therapie des Raynaud-Phänomens stehen sowohl für die primäre als auch sekundäre Form mehrere Optionen zur Verfügung. In der Regel ist daher die Prognose gut. Bei gleichzeitig erfolgreicher Behandlung der Grundkrankheit erfolgt meist eine Rückbildung des Raynaud-Phänomens.
Diätetik/Lebensgewohnheiten In Einzelfällen wurde durch den Verzehr von bestimmten Fischölen über eine Besserung berichtet [4].
Literatur 1. Ho M. Raynaud's phenomenon: state of the art (1998) Scand J Rheumatol 27:319–22.2. Isenberg DA et al. (1995) ABC of Rheumatology: Raynaud’s phenomen, scleroderma and overlap syndromes. BMJ 310:795–798. 3. Coffman JD. Raynaud's Phenomenon (2000) Curr Treat Options Cardiovasc Med; 2:219–226. 4. Isenberg DA et al. (1995) ABC of Rheumatology: Raynaud’s phenomen, scleroderma, and overlap syndromes. BMJ 310:795–798.
Recklinghausen-Erkrankung 3
Medikamente, wie β-Blocker, Ergotamine, orale Kontrazeptiva, Bleomycin oder Nikotingenuss die Gefäßspasmen hervorrufen. Proximale Gefäßokklusionen sind durch beidseitige Puls- und Blutdruckmessungen auszuschließen. Mit Hilfe der Ultraschall- und Laser-DopplerUntersuchung kann die periphere Durchblutung genau registriert werden. Autoimmunologischrheumatische Erkrankungen sollten durch labormedizinische Untersuchungen (BB, BSG, CRP, Immunelektrophorese, Urinanalyse, Nieren- und Leberfunktionstests, Nachweis antinukleärer Antikörper), Röntgen des Thorax und der Hand ausgeschlossen werden.
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Neurofibromatose Typ 1 (RecklinghausenErkrankung)
„Recruitment“ (Lautheitsausgleich) Definition Beim Lautheitsausgleich handelt es sich um eine überschwellige Hörtestung, mit deren Hilfe zwischen einer sensineuralen Hörstörung weiter differenziert werden kann.
Grundlagen Bei zunehmender Lautstärke nimmt die Differenz zwischen gesundem und krankem Ohr ab:
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Rectus-abdominis-Syndrom
z. B. beim M. Menière. Bleibt die Differenz gleich, handelt es sich um eine retrocochleäre Läsion (z. B. ein Akustikusneurinom).
Rectus-abdominis-Syndrom
Einleitung Bei der Myopie ist der Bulbus relativ zu lang, bei der Hypermetropie relativ zu kurz. Eine Akkomodation erfolgt durch Kontraktion bzw. Erschlaffung des M. ciliaris der durch Zug an den Zonulafasern die Brechkraft der Linse verändert.
Definition
Diagnostik
Kompressionssyndrom von Ästen der unteren Interkostalnerven beim Durchtritt durch die Faszie des Musculus rectus abdominis.
Eine entsprechende Bestimmung des Ausmaßes der Refraktionsanomalie erfolgt in der ophthalmoskopischen Untersuchung mit Hilfe von Linsen.
Einleitung Es bestehen brennende Schmerzen und zusätzlich Sensibilitätsstörungen der paramedianen Bauchdecke. Die Beschwerden werden durch Muskelanspannung ausgelöst.
Therapie Eine Korrektur der Refraktionsanomalie kann durch Brillengläser oder Kontaktlinsen erfolgen.
Diagnostik Im EMG kann eine partielle Denervierung im entsprechenden Segment des M. rectus abdominis nachgewiesen werden.
Refsum-Erkrankung
Therapie
Synonyme
Die Therapie besteht in der Injektion von Lokalanästhetika in den Triggerpunkt und ist in den meisten Fällen erfolgreich.
Heredopathia atactica polyneuritiformis, Refsum-Syndrom, hereditäre moto-sensorische Neuropathie Typ IV (HMSN IV)
Definition
Reflexepilepsie Epilepsie, Reflexepilepsie
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Reflexinkontinenz
Seltene, autosomal-rezessiv vererbte Fettspeicherkrankheit, bei der es zu einer Abbaustörung exogen zugeführter Phytansäure kommt. Die Phytansäure lagert sich in zahlreichen Organen ab und führt zu einer Neuropathie, einer Retinitis pigmentosa, einer zerebellären Ataxie und einem erhöhten Liquoreiweiß.
Einleitung Definition Nach Erreichen kleiner Füllungsvolumina auftretende Inkontinenz bei Detrusor-SphinkterDyssynergie. 3
Refraktionsanomalie Definition Refraktionsanomalien entstehen bei einem Missverhältnis zwischen Gesamtbrechkraft des Auges und Größe des Bulbus.
Die sensomotorische Neuropathie betrifft überwiegend die großkalibrigen Fasern, führt daher auch zu erheblichen Tiefensensibilitätsstörungen und weist wegen ihres demyelinisierenden Charakters erheblich verzögerte Nervenleitgeschwindigkeiten auf. Die Krankheit manifestiert sich in der Kindheit oder frühen Jugend. Fakultativ können auch andere Symptome wie kardiale Arrhythmien oder Skelettdeformitäten auftreten. Die neurologischen Symptome können sich bei katabolem Stoffwechsel wegen einer Fettmobilisation mit Freisetzung der Phytansäure akut verschlechtern.
Rekurrensparese
Diagnostik Die Diagnosesicherung erfolgt über den Nachweis eines erhöhten Phytansäure-Spiegels im Serum (Normalwert ist <0,3 µg pro 100 ml) und den Nachweis eines Defektes der α-Oxidation in kultivierten Hautfibroblasten.
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Reithosenanästhesie Definition Sensibilitätsstörung im Bereich der sakralen Dermatome (Dammregion mit angrenzender Oberschenkelinnenseite, Rückseite der Beine und Fußaußenränder) beim Kaudasyndrom. 3
Therapie
Die Prognose der unbehandelten Refsum-Erkrankung ist schlecht. Praktisch alle unbehandelten Patienten werden blind. Etwa 50% sterben unter 30 Jahre, meist aufgrund der Kardiomyopathie. Bei suffizienter diätetischer Behandlung ist die Prognose dagegen gut.
Reisekrankheit Übelkeit
Synonyme Parese des N. laryngeus recurrens
Definition Der N. laryngeus recurrens ist ein Ast des Nervus vagus und versorgt motorisch alle Kehlkopfmuskeln außer dem M. cricothyreoideus, sensibel die Schleimhaut des Larynx bis zur Stimmlippe. Der Nerv zieht mit einer Schlinge rechts um die A. subclavia, links um den Aortenbogen.
Einleitung Bei einer einseitigen Verletzung des N. laryngeus recurrens kommt es zu einer einseitigen Stimmbandlähmung mit schwacher, rasch ermüdbarer Stimme und meist auch zu Heiserkeit. Bei einer beidseitigen Läsion ergeben sich akut oft Probleme bei der Atmung (wegen der Medianstellung der Stimmlippen). Eine Tracheotomie kann erforderlich werden. Gleichzeitig besteht ein Stridor. Chronisch ist eher die Stimme beeinträchtigt (raue, heisere Stimme).
R
Diagnostik Der Nerv wird häufig bei Schilddrüsenoperationen verletzt. Andere Ursachen sind Prozesse der Lungenspitze, besonders linksseitig wegen des Verlaufes auch Aortenaneurysmen, ein vergrößerter linker Vorhof, Lungentumoren oder Metastasen. Intramedulläre Läsionen verursachen neben Stimmbandparesen meist auch andere Ausfälle des N. vagus, Horner-Syndrome, Kleinhirnsymptome oder Läsionen der langen Bahnen. Grundsätzlich sollte bei einer Stimmbandparese immer nach weiteren Symptomen einer Vagusläsion gesucht werden, da sich hier andere Lokalisationen und Ursachen der Schädigung ergeben ( Nervus vagus, Läsion). Bei einem Drittel aller Patienten bleibt die Ur3
Prognose
Rekurrensparese
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Da Phytansäure ausschließlich mit der Nahrung aufgenommen wird, besteht die Therapie in einer diätetischen Restriktion von Phytansäure und ihren Vorstufen. Die Phytansäure-Aufnahme sollte 20 mg am Tag nicht überschreiten. Gemieden werden sollten Milch und Milchprodukte, besonders auch Butter und Margarine, bestimmte Fischsorten wie Hering, Thunfisch und Kabeljau, Lamm, Currygewürz, grüne Früchte und Gemüse. Da diese Ernährung zu einer verminderten Aufnahme der Vitamine A, C und E führt, müssen diese substituiert werden. Bei strenger Diät können auch die endogenen Speicher vermindert werden. Als Kontrollparameter sollte der Serum-PhytansäureSpiegel vollständig normalisiert sein. Da sehr hohe Phytansäure-Spiegel >100 mg/dl) zu akuten, lebensbedrohlichen toxischen Krisen führen können, ist das therapeutische Ziel, den Phytansäure-Spiegel sofort zu senken. In Krisensituationen kann hier eventuell eine Plasmapherese erforderlich werden. Sie wird mit wöchentlichem Austausch von ca. 400 ml über mehrere Monate durchgeführt und führt zu einer signifikant schnelleren Reduktion des Phytansäure-Spiegels als die Diät allein.
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Reperfusionstrauma
gen und dadurch die Ausbildung eines vasogenen Ödems fördern.
sache einer Rekurrensparese ungeklärt. Es handelt sich hierbei vorwiegend um Männer zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Symptomatisch ist bei einer Rekurrensparese mit Stimmbandlähmung meist ein logopädisches Stimmtraining erforderlich. Bei einer beidseitigen Rekurrensparese kann bei signifikanter Beeinträchtigung der Atmung eine Tracheotomie unumgänglich sein.
Es ist nicht erwiesen, dass ein Reperfusionsschaden mit der Folge einer klinischen Verschlechterung tätsächlich existiert. Die positiven Aspekte einer Reperfusion überwiegen die potentielle Schädigung.
Reptilasezeit Definition
Reperfusionstrauma Definition Schädigung von verbliebenem Hirngewebe durch Wiederherstellung der zerebralen Perfusion, insbesondere nach größeren embolischen Schlaganfällen.
Grundlagen Nach einem akuten zerebralen Gefäßverschluss kommt es bei bei einem Drittel der Patienten innerhalb von 48 Stunden zu einer spontanen Rekanalisation und Reperfusion im Bereich des ischämisch geschädigten Areals. Gleiches tritt bei erfolgreicher systemischer Thrombolyse auf: Minderperfundiertes Gewebe wird wieder durchblutet. Aufgrund der gestörten zerebralen Autoregulation kommt es zu einer deutlich oberhalb des Bedarfs liegenden Durchblutung, der sog. Luxusperfusion. Vorteile einer wiederhergestellten zerebralen Perfusion: * Ausreichende Versorgung mit energiereichen Substraten. * Abtransport schädlicher Metabolite. Nachteile einer wiederhergestellten zerebralen Perfusion: * Es kommt zur Ausbildung eines Hirnödems bzw. zur Verstärkung eines bereits bestehenden Ödems. * Durch die Bereitstellung von ausreichend Sauerstoffmolekülen kommt es zu einer massiven Produktion freier Radikale, exzitatorischer Aminosäuren und freier Fettsäuren, die neben dem umgebenden vitalen Gewebe zusätzlich auch das Gefäßendothel schädi-
Bestimmung der Zeit bis zum Eintritt der Gerinnung nach Zugabe von Reptilase-Reagens zu frischem Zitratplasma.
Grundlagen *
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* *
Reptilase ist ein aus Schlangengift gewonnenes Gemisch proteolytischer Faktoren sowie Thrombin- und thromboplastinartiger Bestandteile. Durch Zugabe von Reptilase zu Zitratplasma kommt es zur Abspaltung eines Peptids aus dem Fibrinogenmolekül und zur Ausbildung von (atypischen) Fibrinmonomeren. Die Wirkung der Reptilase ist unabhängig von einer gleichzeitigen Therapie mit Heparin. Normalwert: Bis 20 Sekunden. Verlängert bei: Verbrauchskoagulopathie und Hyperfibrinolyse.
Respiratorische Insuffizienz Einleitung Die häufigsten Ursachen akuter respiratorischer Insuffizienz sind akute Atemwegsobstruktionen, Lungenödem, schwere Pneumonien und die Lungenembolie. Bei der Partialinsuffizienz ist lediglich der Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut erniedrigt, während bei der Globalinsuffizienz auch der Kohlendioxydpartialdruck erhöht ist. Die klinische Symptomatik umfasst Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose, Schweißausbruch, Tachykardie. Es folgen Bewusstseinstrübung, Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen bis hin zur Asystolie. Differenzialdiagnostisch finden sich bei akuter
Respiratorische Insuffizienz
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Restless-Legs-Syndrom (RLS). Abb. 1: Pragmatische Therapie des Restless-Legs-Syndroms
Restless-Legs-Syndrom (RLS)
Blutgasanalyse, Röntgen-Thorax, EKG und ggf. Brochoskopie sind die wichtigsten notfalldiagnostischen Schritte.
Therapie Die differenzierte Therapie hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab.
Restless-Legs-Syndrom (RLS) Synonyme Ekbom-Syndrom, molimimia crurum nocturna
Definition Sensomotorische Störung des mittleren Lebensalters mit Tendenz zur Progression, die durch ein subjektives Gefühl von „unruhigen Beinen“ mit Bewegungsdrang und Zunahme der Symptomatik in Ruhe und zur Nacht hin gekennzeichnet ist. Ekbom beschrieb in 1945 das Restless-LegsSyndrom als klinische Entität. Die hereditäre Form wird heute mit seinen Namen verbunden.
Einleitung Verschlechterungen und Beginn während der Schwangerschaft sind häufig. Die Symptomatik ist durch motorische und sensorische Sympto-
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Diagnostik
me gekennzeichnet, die unter Ruhe oder bei Einschlafversuchen vorwiegend gegen Abend auftreten und dann zunehmen. Es kommt zu Bewegungsdrang und Parästhesien typischerweise mit Verschlechterung nach Ruhe (nach längerem Sitzen oder Liegen) und zur Nacht. Die fast immer auftretenden Missempfindungen werden in die Beine und meistens in die Waden projiziert. Die Qualität wird als ein Ameisenlaufen, kaltes Wasser auf der Haut oder als ein schmerzhaftes Brennen beschrieben, obwohl viele Patienten sich für unfähig erklären, die Sensationen zu beschreiben. Patienten interpretieren manchmal diese Missempfindungen als Einschlafstörungen. Ähnlich wie beim Tic und der Akathisie sind die Missempfindungen mit einem Drang verknüpft, sich zu bewegen. Der Versuch der Unterdrückung dieses Drangs, der zeitweilen gut funktionieren kann, führt zu einer wachsenden innerlichen Spannung mit entsprechender dysphorischer Qualität. Bewegung wie auf der Stelle marschieren, seltener Rumpfwippen und Änderungen der sensorischen Afferenzen mit Umdrehen im Bett, Reiben der Füße, Bäder, Auftragen von Cremes führen kurzfristig zur Erleichterung. Diese Versuche können dann komplexe Rituale in Gang setzen oder durch die verlängerte Schlaflatenz, den gehäuft auftretenden Arousals mit Schlaffragmentierung zu einer Schlafreduktion mit nur noch 3–4 Stunden effektiven Schlaf führen kann. Als Konsequenz kann eine symptomatische Tagesschläfrigkeit eintreten. Im wachem Zustand treten ebenfalls Bewegungen auf, die auf Dauer nicht willentlich unterdrückt werden können. Dabei handelt es ich typischerweise anders als bei den PMS ( Schlaf, periodische Bewegungen im Schlaf (PMS)) um myokloniforme Zuckungen, die aber in ihrer topischen Verteilung und Bewegungsmustern mit Flexion in Fuß, Knie und Hüfte den PMS gleichen. Hierfür hat man den Begriff Dyskinesien im Wachzustand (dyskinesias while awake = DWA) vorgeschlagen. Bei vorher gebeugten Bein können diese schnellen Bewegungen jedoch auch als Streckung imponieren, was mit dem Vorliegen eines Kokontraktionsphänomens verbunden ist. Die Symptomatik tritt meist während der Abendstunden auf und nimmt dann bei den Einschlafversuchen zu. Während dem Rest des Tages sind die Patienten von Seiten der 3
Linksherzdekompensation zusätzlich feuchte Rasselgeräusche („ohrfern“) und tachykarde Rhythmusstörungen. Häufig sind kardiale Vorerkrankungen oder Schilddrüsenvorerkrankungen bekannt. Das Asthma bronchiale zeigt zusätzlich noch auskultatorisch trockene Rasselgeräusche in Form von Giemen oder Brummen und tritt häufiger in den frühen Morgenstunden auf. Die Lungenembolie zeigt eine plötzliche Dyspnoe und Zeichen einer Rechtsherzbelastung. Der Pneumothorax führt oft zu atemabhängigen thorakalen Schmerzen und zu einem abgeschwächten Atemgeräusch über der betroffenen Lungenhälfte. Die selteneren Ursachen für eine akute respiratorische Insuffizienz, die auf einer Verlegung der oberen Atemwege beruhen, wie Laryngospasmus, Quincke-Ödem, Epiglottitis, Fremdkörperaspiration und Krupp/Pseudokrupp gehen meist mit einem inspiratorischen Stridor einher.
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1102
Restless-Legs-Syndrom (RLS)
Missempfindungen oder den Myoklonien im wachen Zustand wenig beeinträchtigt. Bei den meisten Patienten mit Restless-LegsSyndrom lässt sich keine Ursache für das Leiden finden. Die als idiopathisches RestlessLegs-Syndrom bezeichnete Form tritt gehäuft familiär auf (30% autosominal-dominant, dann auch Ekbom-Syndrom genannt). Mit Urämie ist es häufiger vergesellschaftet und von anderen Bewegungsstörungen wie Aktionsmyoklonus, negativer Myoklonus (Asterixis), Tremor und Akathisie zu unterscheiden, die im Rahmen von Patienten mit Nierenversagen auftreten. Bei urämischen Patienten trat einer Studie zufolge ein Restless-Legs-Syndrom bei 40% von 55 Dialysepatienten auf, die statistisch signifikant anämischer waren als diejenigen Patienten, die kein Restless-Legs-Syndrom aufwiesen. Die beiden Gruppen unterschieden sich jedoch nicht in der Inzidenz einer Neuropathie. Im Rahmen einer offenen Studie führte die Korrektur der Anämie bei diesen Patienten zu einer Besserung der subjektiven Symptomatik.
Diagnostik Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch aufgrund der Anamnese. Günstig ist auch eine Fremdanamnese des Bettpartners zur Beschreibung der nächtlichen Bewegungen im Schlaf. Die assozierten PMS werden über eine Polysomnographie im Schlaflabor oder durch einen ambulanten Schlafmonitor diagnostiziert. Es werden EMG-Aktivitätsdauer (0,5–5 Sekunden), Zeitintervall zwischen den Bewegungen (5–120 Sekunden) und Frequenz von Bewegungsserien (meistens mit mehr als vier Bewegungen) registriert. Als Kriterium des Schweregrades wird ein Index herangezogen, der die gesamte Anzahl der PMS oder mit Erwachen vergesellschaftete PMS mit der Schlafzeit ins Verhältnis setzt. Nach der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen wird ein PMS-Index von über 5 als abnormal, ein PMS-Index größer als 50 oder ein Weckreaktions-Index („arousal index“) größer als 25 als schweres PMS bezeichnet. Darüberhinaus muss bei Vorliegen eines Restless-Legs-Syndroms eine vollständige Polyneuropathie-Diagnostik betrieben werden. Insbesondere gilt es, eine Anämie und eine Urämie auszuschließen.
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Therapie Die medikamentöse Therapie des RestlessLegs-Syndroms stützt sich in erster Linie auf die Verabreichung von Dopamimetika. gesichert L-Dopa (als Kombinationspräparat mit entsprechendem peripheren Decarboxylasehemmer) in Dosen von 50–600 mg langsam einschleichend 1 h vor dem Schlafengehen ist das Mittel der ersten Wahl. Alternativ zu L-Dopa werden Dopaminagonisten wie Bromocriptin langsam einschleichend bis zu 7,5 mg vorgeschlagen. Die Dopamimetika führen nach Doppelblindstudien zu einer signifikant subjektiven Besserung der Schlafqualität durch Reduktion der Weckreaktionen („arousels“), nicht aber zu einer polysomnographisch nachweisbaren Reduktion der nächtlichen Begleiterscheinungen wie PMS. Als potentielle Ungewissheit der Therapie mit Dopamimetika wird das L-Dopa-Langzeitsyndrom bei Parkinson-Patienten angeführt. Bei der Parkinson-Krankheit handelt es sich aber um einen krankheitsspezifischen degenerativen Prozess, der nicht auf Patienten mit dem Restless-Legs-Syndrom zutreffen muss und bisher haben sich keine Hinweise für derartige Entwicklungen in über 15 Jahren Anwendung der Dopamimetika gezeigt. Bei einer Studie, die über 2 Jahre 26 Patienten unter chronischer Therapie mit L-Dopa (und Benserazid als Decarboxylasehemmer) verfolgte, zeigte sich keine nachlassende Wirksamkeit und es traten keine Dyskinesien auf. Neun Patienten erhöhten die L-Dopa-Dosis zur besseren Symptomkontrolle. Darüberhinaus wird diskutiert, dass L-Dopa zu einer Verlagerung der Symptomatik in die frühen Morgenstunden oder in nächsten Tag hinein führen könnte, wobei aber L-Doparetard-Präparate oder länger wirksame Dopaminagonisten theoretisch für eine ausreichend lange Bereitstellung von therapeutischen Medikamentenspiegeln sorgen dürften [1]. Opioide (Codein 1–2×Tbl. zu 30–50 mg Codipront®, Dextro-Propoxyphen® 65–160 mg) sollen nach offenen Studien neben dem subjektiven Effekt auch eine dramatische Reduktion der PMS bei polysomnographischen Untersuchungen erzielen. Einige Patienten wurden über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren mit Opioiden befriedigend behandelt. Das Problem der Abhängigkeit und Obstipation bei der längerfistigen Anwendung muss natür-
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Retinitis pigmentosa
lich beachtet werden. Manche Patienten klagen auch über Müdigkeit [2]. In einer Doppelblindstudie mit polysomnographischer Kontrolle mit einem anderen Opiat (Oxycodon mittlere Dosis 15 mg) konnte festgestellt werden, dass subjektive Maße für Beinmissempfindungen, motorische Unruhe, Aufmerksamkeitsniveau während des Tages sowie der stündlichen Frequenz der nächtlichen PMS und Weckreaktionen statistisch signifikant reduziert wurden. empirisch Bei schwerem Restless-Legs-Syndrom ist eine Kombinationstherapie von Dopamimetikum, Opioiden und Benzodiazepinen zu empfehlen, wobei zunächst ein Opioid in Monotherapie eingesetzt werden sollte. Eindrucksvolle Therapieerfolge mit Opioiden bei L-Dopa therapierefraktären Patienten sind beschrieben worden. Andere Substanzen werden ebenfalls zur Therapie des Restless-Legs-Syndroms vorgeschlagen. Die Einnahme sollte wiederum kurz vor dem Schlafengehen erfolgen. Es gibt positive Berichte über kontrollierte Studien mit Clonidin (Catapresan® 0,1–0,3 mg), Carbamazepin (200–600 mg) und Baclofen (Lioresal® 20– 160 mg). Selbsthilfegruppen Kontakt
[email protected]; www.restless-legs.org
Literatur 1. Trenkwalder C, Wetter TC, Stiasny K, Clarenbach P (2001). Restless Legs Syndrom und Periodic Limb Movements in Sleep (PLMS). Nervenarzt 72: 425–436. 2. Walters AS, Winkelmann J, Trenkwalder C, Fry JM, Kataria V, Wagner M, Sharma R, Hening W, Li L (2001). Long-term follow-up on restless legs syndrome patients treated with opioids. Movement Disorders 16: 1105–1109.
Grundlagen Retinopathia pigmentosa verursacht Nachtblindheit, einen zunächst allmählichen Verlust des peripheren Gesichtsfeldes, später evtl. auch des zentralen Gesichtsfelds. Ursachen sind vor allem Mutationen der Gene für Rhodopsin und anderer rodspezifischer Proteine. Es wurden für den autosomal-dominanten Erbgang 8 verschiedene Gene und für den autosomal-rezessiven Erbgang 14 verschiedene Gene identifiziert. Neben 2 X-gebundenen Genen wurde auch eine digenische Pathogenese mit heterozygoten Mutationen an 2 verschiedenen Orten beschrieben. Die Erkrankung kann aber auch Teil von Systemerkrankungen sein, etwa bei Mitochondriopathien, Morbus Refsum, Bassen-Kornzweig-Erkrankung oder anders bedingter Vitamin E-Hypovitaminose, ADCA II. Gerade der Phytansäuremangel beim Morbus Refsum und der Mangel an Vitamin A und E (z. T. auch K) bei der Bassen-Kornzweig-Erkrankung kann diätetisch ausgeglichen werden. Für die isolierten Formen von Retinitis pigmentosa ist eine Therapie mit Vitamin A sinnvoll.
Retrobulbärneuritis 3
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Neuritits nervi optici
Retrokollis Definition Sonderform oder dominierende Bewegungskomponente bei zervikaler Dystonie mit rückwärts gerichteten, tonischen oder phasischen Spasmen der Hals- und Nackenmuskulatur. 3
Retinitis pigmentosa
Einleitung Synonyme Tapetoretinale Degeneration, Retinopathia pigmentosa
Retrokollis bei jüngeren Männern tritt gehäuft vergesellschaftet mit einem Opisthotonus („back arching“) im Rahmen eines tardiven Dyskinesie-Syndroms auf.
Definition Heterogene Gruppe genetisch bedingter degenerativer Netzhauterkrankungen.
Differenzialdiagnose Knöcherne Veränderungen.
Rhabdomyolyse
Retropulsion Definition Das Nachhintenfallen beim Versuch, das Rückwärtsgehen plötzlich abzubrechen.
Einleitung Beim Zugtest durch plötzliches Rückwärtsziehen an beiden Schultern bei hinter dem Patienten stehenden Untersucher, lässt sich eine Retropulsionstendenz auslösen.
Rett-Syndrom Definition Nur bei Mädchen vorkommende frühkindlich beginnende progrediente Ataxie mit Autismus und typischen motorischen Stereotypien, Mikrozephalie, später mit epileptischen Anfällen, Apraxie, Muskelatrophie, Dystonie, Rigor und Spastik einhergehend.
Diagnostik Ausschluss von Stoffwechselerkrankungen wie Morbus Wilson ( Wilson-Erkrankung) und Lesch-Nyhan-Syndrom, Aminoazidurien u. a. 3
Therapie Supportiv, symptomatisch, Eltern auf Betroffenen-Organisation aufmerksam machen.
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myopathische Potenziale und pathologische Spontanaktivität. Die Regeneration geht von Satellitenzellen, also den Stammzellen der Muskulatur, aus. Ultraschall oder MRT können das Ausmaß der Nekrosen verdeutlichen. Die Biopsie zeigt Einzelfasernekrosen unterschiedlichen Ausmaßes. Myoglobinurie (Coca-Colafarbener Urin) und Niereninsuffizienz können auftreten, ferner Hyperkaliämie, metabolische Azidose, Hypokalzämie, Hyponatriämie und disseminierte intravasale Gerinnung. Die Nierenschädigung geht vermutlich maßgeblich auf die Freisetzung von freiem Eisen aus Hämproteinen und den nachfolgenden oxidativen Stress zurück. Eine Rhabdomyolyse bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung und häufig ist eine Hämodialyse nötig. In schweren Fällen ist in etwa der Hälfte der Fälle mit einem Nierenversagen zu rechnen. Es gibt viele Mechanismen, die zur Rhabdomyolyse führen. Dazu gehören insbesondere physikalische, entzündliche, metabolische, toxische Faktoren sowie hereditäre Proteindefekte. An erster Stelle stehen heute toxische Rhabdomyolysen durch Drogen, Alkohol und Medikamente (Benzodiazepine, Barbiturate, Fibrate, Statine, Neuroleptika, Halothan, Succinylcholin). Das maligne neuroleptische Syndrom (Neuroleptika) und die maligne Hyperthermie (Halothan) stellen besondere Fälle dar. Danach folgen Rhabdomyolysen bei hereditären Muskelerkrankungen, z. B. Karnitin-Palmityltransferase-Mangel, und andere. Seltener sind Rhabdomyolysen durch Unterkühlung, Hitzschlag, Virusinfektionen und andere Ursachen.
Rhabdomyolyse Definition Akute disseminierte Muskelfasernekrose.
Einleitung Muskelbestandteile (z. B. CK, Myoglobin, Aldolase, Kreatin, Harnsäure, Aminosäuren, Kalium, Phosphat) sind vermehrt im Blut nachweisbar. Klinisch bestehen akute generalisierte oder fokale Paresen und Myalgien. Die betroffene Muskulatur ist ödematös geschwollen. Dies kann zu Kompartmentsyndromen führen. Die CK ist massiv erhöht (>10000 U/l). Das EMG zeigt initial evtl. einen Verlust motorischer Einheiten. Pathologische Spontanaktivität fehlt im Akutstadium. Im Verlauf zeigen sich vereinzelt
Diagnostik Klinischer Befund, CK im Serum, Myoglobin im Urin, EMG, evtl. Muskelsonographie bzw. Muskelkernspintomographie. Gegebenenfalls Muskelbiopsie.
Therapie Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung bzw. Ursache der Rhabdomyolyse. In der Regel ist eine intensivmedizinische Überwachung und Therapie erforderlich.
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Rheuma, rheumatoide Neuropathie
Rheuma, rheumatoide Neuropathie
Rhizotomie Synonyme
Synonyme
Radikotomie 3
Neuropathie bei chronischer (cP)
Polyarthritis
Definition Bei der chronischen Polyarthritis findet sich auf dem Boden einer Vaskulitis der kleineren Arteriolen und Kapillaren mit und ohne Wandnekrose in bis zu 10% eine Polyneuropathie.
Definition Operative Durchtrennung der Hinterwurzel eines oder mehrer Spinalnerven zur palliativen Schmerztherapie.
Rhythmisierung, medikamentöse
Einleitung Die Polyneuropathie ist zumeist sensibel oder sensomotorisch symmetrisch. Asymmetrische Formen im Sinne einer Mononeuritis multiplex kommen ebenfalls vor. Die häufig bestehenden Engpasssyndrome (z. B. das Karpaltunnelsyndrom) sind in der Regel durch knöcherne oder bindegewebige Einengungen im Bereich der destruierten Gelenke verursacht. 3
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Diagnostik Die Diagnostik erfolgt nach rheumatologischen Gesichtspunkten (Bestimmung der Rheumafaktoren im Serum, typische Gelenkveränderungen, Nachweis anderer Autoantikörper). Eine kombinierte Nerv-Muskel-Biopsie ( Nervenbiopsie) zum Nachweis der Vaskulitis ist meist nicht notwendig. 3
Therapie Therapeutisch kommen Kortikosteroide, Cyclophosphamid oder Azathioprin ( Polyneuropathie, ischämische/vaskulitische) in Betracht, alternativ die Basistherapeutika der cP. Bei Engpasssyndromen wird in der Regel eine operative Dekompression erforderlich werden. 3
Rhinoliquorrhöe Definition Ausfluss von Liquor cerebrospinalis aus der Nase durch eine Liquorfistel bei Schädelbasisfraktur ( Schädel-Hirn-Trauma).
Synonyme Medikamentöse Regularisierung
Definition Umwandlung von Vorhofflimmern in einen Sinusrhythmus.
Grundlagen Grundvoraussetzungen: * Keine andere beseitigbare Ursache für Vorhofflimmern vorhanden. * Kein Sick-Sinus-Syndrom. * Kein höhergradiges Mitralvitium. * Normale QT-Zeit und hochnormales Serumkalium. * Möglichkeit der Monitorüberwachung bei allen kardial vorgeschädigten Patienten. * Bei länger als 48 Stunden bestehendem Vorhofflimmern: a) Ausschluss intrakardialer Thromben durch TEE. b) Orale oder intravenöse Antikoagulation 4 Wochen vor bis 4 Wochen nach Rhythmisierungsversuch. Vorgehen (Details siehe Lehrbücher Kardiologie): * Digitalisierung als Basistherapie. * Bei Patienten ohne kardiale Grunderkrankung: Klasse I-Antiarrhythmika (z. B. Propafenon oder Flecainid). * Bei Patienten mit kardialer Grunderkrankung: Amiodaron (Klasse III-Antiarrhythmikum). * Patienten mit paroxsymalem Vorhofflimmern können zum Teil schon mit einer Einzeldosis regularisiert werden.
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Riesenzellarteriitis *
Q-Fieber (Coxiella burneti) mit atypischer Pneumonie. Tsutsugamushi-Krankheit (R. tsutsugamushi) mit schwerer Enzephalitis. Klassisches Fleckfieber (R. prowazekii) mit schwerer Enzephalitis.
* *
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Rezidivprophylaxe: * Eine langfristige Antiarrhythmika-Therapie mit Klasse I Antiarrhythmika ist aufgrund der proarrhythmischen Wirkung dieser Substanzen nicht indiziert. * Eventuell Gabe von β-Blockern, die das Rezidivrisiko etwas verringern und gleichzeitig eine Frequenzkontrolle bewirken.
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Diagnostik Meningitis. Erregerdiagnostik durch Anzüchtung in Eikulturen oder im Versuchstier. Weil-Felix-Reaktion positiv. 3
Riboflavinmangel Einleitung
Therapie
Ein isolierter Mangel an Riboflavin (Vitamin B2) ist sehr selten, Manifestation meist mit anderen Vitaminmangelzuständen. Klinisch treten Dermatosen, Stomatitis, Rhagaden, Neuropathien und Sehstörungen auf. Prädisponierend sind Alkoholismus, Mangelernährung. Der durchschnittliche Tagesbedarf beträgt ca. 1– 2 mg/die.
Keine gesicherten Daten.
Therapie Ausgewogene Ernährung, Substitution (10– 20 mg/die).
empirisch Chloramphenicol (Paraxin®) 50 mg/kgKG i. v./ die, oder Tetrazyklin (Supramycin® pro infusione) 10–20 mg/kgKG i. v./die, 20–30 mg/kgKG p. o. oder Doxycyclin (Doxycyclin-ratiopharm®) 100–200 mg/die i. v. oder p.o. Behandlung jeweils über 7–10 Tage.
Prognose Frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung können die sonst sehr hohe Mortalität senken. PCR-Kontrolle nach Therapie.
Rickettsiose Definition Akute purulente Meningitis/Meningovaskulitis und Enzephalitis durch Infektion mit Rickettsien.
Riechstörung
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Geruchssinnstörung
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Einleitung
R Riesenzellarteriitis Synonyme Arteriitis temporalis,
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Takayasu-Arteriitis
Definition Die verschiedenen Formen der Riesenzellarteriitis zeichen sich alle durch granulomatöse Entzündungen der großer Arterien aus.
Einleitung Man unterscheidet zwei Formen: zum einen die Arteriitis temporalis, zum anderen das Takayasu-Arteriitis. 3
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Rickettsiosen werden durch Infektionen mit unbeweglichen aeroben, gramnegativen Stäbchenoder Kugelbakterien der Familie der Rickettsiaceae (obligater Zellparasitismus) hervorgerufen. Hinweisend für eine entsprechende Infektion sind Reiseanamnese, Arthropodenexposition (Zeckenstich, Milben, Einreiben des Kots von Läusen und Flöhen in Stichwunden) und insbesondere Hauterscheinungen. Die Rickettsien befallen die Endothelien der Blutgefäße und führen zu charakteristischen petechialen Exanthemen. Prophylaxe durch Bekämpfung der Überträger. Die wichtigsten Krankheitsgruppen sind: * Fleckengebirgsfleckfieber (R. rickettsii) mit (schwerer) Enzephalitis, Nekrosen.
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Riesenzellastrozytome, subependymale
Riesenzellastrozytome, subependymale Definition Subependymale Riesenzellastrozytome sind gutartige Tumoren des WHO-Grades I, die von der Wand der Seitenventrikel ausgehen und immer benachbart zum Foramen Monroi sind [1]. Sie sind oft mit der tuberösen Sklerose assoziiert, kommen jedoch auch sporadisch vor.
Einleitung Die Tumoren treten überwiegend im Kindesalter auf, sind bei 15% der Patienten mit tuberöser Sklerose anzutreffen und werden durch die Liquorabflussbehinderung symptomatisch [2].
Diagnostik Im Kernspintomogramm findet man große intraventrikuläre Tumoren der o. g. Lokalisation, die fakultativ Kontrastmittel aufnehmen [3].
Therapie gesichert Die Tumoren sind durch komplette chirurgische Resektion kurativ behandelbar [2].
Literatur 1. Rock J (2000). Pilocytic Astrocytoma and other indolent Tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 319–328. 2. Schlegel U, Westphal M (1998). Gliome. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 170–203. 3. Martin N, Debussche C, De Broucker T et al. (1990) Gadolinium-DTPA enhanced MR imaging in tuberous sclerosis. Neuroradiology 3:492–497.
Rifampicin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Eremfat® Filmtbl., Sirup; Rifa® Drg., Trockensubstanz; RIFATER® Drg.
Wirkungen Der Wirkungsmechanismus beruht auf einer Hemmung der bakteriellen DNA-abhängigen RNA-Polymerase. Rifampicin wirkt bakterizid auf extra- und intrazellulär gelegene Keime, auf
schnell und langsam wachsende Erreger, selbst auf Persister. Das Wirkungsspektrum umfasst neben Tuberkelbakterien (MHK von Mycobacterium tuberculosis (0,005-) 0,05–0,5 (-5) μ/ ml), grampositive Keime (Staphylo-, Strepto-, Enterokokken), Gonokokken und Meningokokken, Mycobacterium leprae, Haemophilus influenzae, Brucellen usw. Atypische Mykobakterien sind weniger empfindlich. Bei Tuberkelbakterien verläuft die Resistenzentwicklung langsam und tritt erst nach einer Monotherapie über Monate auf. Die Primärresistenz liegt in Europa <1%. Sie soll bei AIDS-Patienten in den USA häufiger sein. Alle anderen Keime entwickeln u. U. innerhalb von Tagen Resistenzen. Die breite Anwendung von Rifampicin verschlechtert die Resistenzsituation der Tuberkelbakterien offenbar nicht. Parallelresistenzen zu anderen Antituberkulotika existieren nicht.
Resorption Nach einmaliger Applikation wird Rifampicin präprandial praktisch vollständig resorbiert (>90%). 15 min postprandial treten extreme Bioverfügbarkeitsverluste auf, so dass mit wirksamen Blutspiegeln nicht mehr gerechnet werden kann. Der lipophile Arzneistoff ist zu 75–80% an Eiweiße gebunden. Rifampicin penetriert rasch in Körperflüssigkeit und Gewebe – Liquor, normal: 10%, Liquor entzündlich: 10–90%. Auf die Orangefärbung verschiedener Körperflüssigkeiten (Speichel, Tränen, Schweiß, Urin, Stuhlgang) sind die Patienten besonders hinzuweisen.
Elimination Rifampicin wird biotransformiert zu der polaren und mikrobiologisch schwächer aktiven Verbindung 25-Desacetylrifampicin (Galle 80%, Urin 30%) und der weniger polaren Verbindung 3-Formylrifampicin (Galle 0%, Urin 10%). Infolge der Autoinduktion der metabolisierenden hepatischen Enzyme erhöht sich die systemische Clearance von Rifampicin nach dreiwöchiger Therapie von 5,69 auf 9,03 l/h. Die Bioverfügbarkeit wird von 93 auf 68% vermindert (Induktion des prähepatischen firstpass-Effektes). Die Eliminationshalbwertzeiten vermindern sich von 3,0 auf 1,5 h. Nierenfunktionsstörungen führen zu einer Reduktion der Clearance-Werte (12,3±5,6 ml/min gegenüber 30,2±3,6 ml/min). Dosisreduktionen sind aber nicht unbedingt erforderlich, da vikariierende
Riley-Day-Syndrom
Tuberkulose (in Kombination mit INH, Ethambutol oder Streptomycin), atypische Mykobakterien, Lepra, Legionellose, Brucellose (in Kombination mit Doxycyclin). Prophylaxe bei Meningokokken- und Haemophilus-Meningitis.
Dosierung und Art der Anwendung Erwachsene p. o. oder i. v. Infusion 10 (–15) mg/kg/d, 1- oder 2-mal täglich. Prophylaxe der Haemophilus-Meningitis bei exponierten Kleinkindern: 2-mal täglich 10 mg/kg KG über 4 Tage. Prophylaxe bei Meningokokken-Meningitis: Erwachsene 2×600 mg und Kinder 2×10 mg/kg KG über 2 Tage.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Wirkungen sind möglich, vor allem Hautreaktionen, Kopfschmerzen, Schwindel. Leuko- und Thrombopenie, hämolytische Anämie. Übelkeit, Erbrechen. Leberschäden. Interstitielle Nephritis. Erythema multiforme, Exantheme, Pruritus, Urticaria, Purpura. Muskelund Gelenkschmerzen. Sehstörungen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Schwere Leberfunktionsstörungen, Gavidität (1. Trimenon), Stillzeit.
Wechselwirkungen Rifampicin ist ein ausgeprägter Enzyminduktor, d. h. Cytochrom-P 450-abhängige Biotransformationsreaktion werden induziert, konsekutiv werden andere Arzneistoffe beschleunigt eliminiert, so dass ihre Wirkung zweifelhaft wird. Das betrifft orale Kontrazeptiva, orale Antikoagulantien, Digitoxin, Sulfonylharnstoffe, Barbiturate, Clofibrat, Disopyramid, Ketoconazol, Phenytoin, Mephenytoin, Theophyllin, Chloramphenicol, Verapamil, Cimetidin, Beta-Rezeptorenblocker, Propafenon, Azathioprin, Diazepam, Antipyrin. Antacida und Mahlzeiten können die Absorption von Rifampicin einschränken. Es ist auch wahrscheinlich, dass renale exkretorische Mechanismen induziert werden, die aber durch Probenecid wieder gehemmt werden.
Definition Gleichmäßige, nicht von der Dehnungsgeschwindigkeit abhängige Erhöhung des Muskeltonus.
Einleitung Zum Parkinson-Syndrom gehört der Rigor, der durch einen charakteristischen, zähen und gleichmäßigen Widerstand (wie beim Biegen eines Bleirohres) charakterisiert ist. Durch Aufforderung mit der anderen Extremität spiegelbildliche Bewegungen durchzuführen oder einen Gegenstand wie eine Armlehne fest zu umgreifen, lässt sich der Rigor in der untersuchten Extremität bahnen. Die bei passiver Bewegung einer Extremität getestete Tonuserhöhung kann durch das sogenannte Zahnradphänomen rhythmisch unterbrochen werden. Die Muskeldehnungsreflexe können bei der Parkinson-Krankheit auf der betroffenen Seite lebhafter auslösbar sein. Im Unterschied zur Spastik ist der erhöhte Dehnungswiderstand der Muskulatur bei der Rigidität geschwindigkeits- und winkelunabhängig. Typisch für die Spastik ist ein einschießender Widerstand gegen passive Drehung bei schneller Beugung in einem Gelenk, wobei es im Verlauf der Bewegung zu einem plötzlichen Nachlassen dieses Widerstandes kommt (sogenanntes Klappmesser-Phänomen). Hierdurch und auch aufgrund der zusätzlich bei Spastik nachweisbaren weiteren Zeichen einer Läsion der Pyramidenbahn ist sie klinisch leicht von Rigor zu unterscheiden.
Differenzialdiagnose Spastik, Kontraktur, Dystonie.
Therapie Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS). Die Anwendung von Botulinumtoxin für den Rigor ist in kleineren Studien beschrieben worden, und kann in Einzelfällen erwogen werden. 3
Anwendungsgebiete
Rigor
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Ausscheidungsmöglichkeiten bestehen. Rifampicin ist peritoneal- aber kaum hämodialysierbar.
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Riley-Day-Syndrom Synonyme HSAN III, hereditäre sensible und autonome Neuropathie Typ III, familiäre Dysautonomie
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Riluzol
Definition Erbliche Neuropathie mit kongenitaler Entwicklungsstörung sensibler und autonomer Fasern, die fast nur bei Ashkenazi-Juden vorkommt [1]. Autosomal-rezessive Vererbung.
Einleitung Diese Erkrankungsform lässt sich gegenüber den anderen HSAN-Formen aufgrund ihrer im Vordergrund stehenden autonomen Symptome abgrenzen. Die Symptomatik beginnt kongenital und umfasst eine fehlende Tränensekretion, Hypotonie mit orthostatischer Dysregulation, fleckige Hautveränderungen, fehlende fungiforme Papillen auf der Zunge, Temperatur- und Schweißregulationsstörungen, schwere Skelettveränderungen (Kyphoskoliose, Minderwuchs) und ein herabgesetztes Schmerzempfinden. ZNS-Veränderungen kommen vor [1].
Diagnostik Klinische Symptomatik (insbesondere Zunge!), Elektrophysiologie (leicht verminderte NLGs, pathologischer Thermotest), Nervenbiopsie (hochgradige Verminderung unmyelinisierter Fasern).
Therapie gesichert Wie bei den anderen HSAN-Formen gibt es keine kausale Therapie. empirisch Symptomatisch kann die orthostatische Hypotonie behandelt werden (z. B. mit einem direkten Sympathomimetikum wie Midodrin 2,5– 10 mg/die p. o., einem Dihydroergotamin-Präparat, einem Mineralokortikoid oder gegebenenfalls auch mit rekombinantem Erythropoetin 25–50 U/kgKG subkutan 3×wöchentlich).
and autonomic neurons. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral Neuropathy. W. B. Saunders Company, Philadelphia, London, pp 1065–1093.
Riluzol Wirkungen Riluzol, ein Glutamat-Antagonist, ist ein neues Arzneimittel mit Wirkung bei amyotropher Lateralsklerose (ALS). Es verhindert teilweise die neuronale Degeneration und führt dosisabhängig zu einer Abnahme von 3H-Dopamin, 3HGABA und 3H-Glutamat in Synaptosomen des Striatums, wirkt auch blockierend auf NatriumKanäle. In Zellkulturen hemmt Riluzol die durch Glutamat stimulierte Freisetzung von Nmethyl-D-asparate (NMDA). In kontrollierten randomisierten klinischen Studien scheint Riluzol die Überlebenszeit von ALS-Patienten signifikant zu verlängern und die Ausprägung der Muskelschwäche zu verlangsamen, besonders bei bulbärer Erstmanifestation [1], unter einer Tagesdosis von 100 mg.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Rilutek® 50 mg Filmtabletten
Dosierung und Art der Anwendung 2 Filmtbl. tgl.; Einsatz zur Verlängerung der Lebenserwartung oder zur Hinauszögerung der Zeit bis zum Einsatz der mechanischen Beatmung bei Pat. mit amyotropher Lateralsklerose (ALS).
Gegenanzeigen Lebererkrankungen o. initiale Transaminasenspiegel höher als 3facher Normbereich.
Unerwünschte Wirkungen
Bei trockenen Augen kann künstliche Tränenflüssigkeit eingesetzt werden. Verletzungen und Verbrennungen sollten möglichst vermieden werden.
Asthenie, Nausea, Erhöhung der Lebertransaminasespiegel, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Schmerzen, Erbrechen, Benommenheit, Tachykardie, Schläfrigkeit, periorale Parästhesien; sehr selten anaphylaktische Reaktionen, Neutropenie.
Prognose
Wechselwirkungen
Die Lebenserwartung ist deutlich verkürzt.
Verringerung der Elimination durch Hemmstoffe der CYP 1A2 (z. B. Coffein, Diclofenac, Diazepam, Nicergolin, Clomipramin, Imipramin, Fluvoxamin, Phenacetin, Theophyllin, Amitriptylin u. Chinolone) mögl.; Beschleuni-
Nachsorge
Literatur 1. Dyck PJ (1993) Neuronal atrophy and degeneration predominantly affecting peripheral sensory
Risikofaktoren, kardiovaskuläre
gung der Elimination durch Induktoren der CYP 1A2 (z. B. Zigarettenrauch, auf Holzkohle gegrillte Nahrung, Rifampicin u. Omeprazol)
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Einleitung *
Ätiologie: a) Durch bilateralen Verschluss der A. cerebri posterior kommt es zur kompletten ischämischen Infarzierung der okzipitalen Hirnrinde bds. (bilateraler Posteriorinfarkt). b) Sehr selten: Andere okzipitokortikale Läsionen wie bilateraler Tumor, Blutung, Schädelhirntrauma, hier ist die Blindheit häufig auch nicht komplett. Vorkommen: z. B. bei Basilaris(kopf)thrombose. Klinisch: Komplette Blindheit bei erhaltener Pupillomotorik. Häufig besteht für die Blindheit eine Anosognosie ( Anton-Syndrom).
Bewertung Riluzol hat keinen Effekt auf die motorischen Funktionen, Lungenfunktionen, Faszikulationen, Muskelkraft. In späten Krankheitsstadien der ALS ist die Substanz nicht sicher wirksam, deshalb möglichst früher Einsatz.
Literatur
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1. Bensimon G, Lacomblez L, Meininger V (1994) A controlled trial of riluzole in amyotrophic lateral sclerosis. New Engl J Med 330:585–691
* *
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Reversibles ischämisches neurologisches Defizit
Definition Als RIND wird veraltet ein ischämischer Hirninfarkt bezeichnet, bei dem es zur vollständigen klinisch-neurologischen Remission innerhalb von drei Tagen kommt.
Grundlagen Die Unterteilung eines akuten Hirninfarkts erfolgt üblicherweise nach Schwere und Verlauf: * TIA (transitorische ischämische Attacke) versus ischämischer Infarkt. * Minor versus major Stroke. Die Bezeichungen PRIND und RIND sind veraltet, akuter Hirninfarkt.
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Bilaterale okuläre Läsionen oder bilaterale Läsionen der Retina. Inkomplette Anopsien: Hemianopsie, Quadrantenanopsie. Visuelle Anosognosien (Seelenblindheit), neuropsychologischs Syndrom mit intakter Sehrinde. Psychogene Blindheit.
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Therapie 3
Synonyme
Differenzialdiagnose
Hirninfarkt,
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RIND (reversibles ischämisches neurologisches Defizit)
Basilaristhrombose.
Prognose Die Prognose ist, was die Restitutio der Sehfunktion betrifft, unabhängig von der Ätiologie meist sehr schlecht.
R Risikofaktoren, kardiovaskuläre Synonyme
3
CVRF (cardiovascular risk factors), vaskuläres Risikofaktorprofil
Rindenblindheit Synonyme Kortikale Blindheit
Definition Totale bilaterale Destruktion der Sehrinde mit daraus resultierender Blindheit.
Definition Hierunter werden sämtliche Vorerkrankungen, genetische Prädispositionen sowie Lebensgewohnheiten subsumiert, die zur Schädigung des kardiovaskulären Systems (Herz und Gefäße) führen und dadurch Schlaganfälle oder Myokardinfarkte bedingen können. Nachfolgend werden die Risikofaktoren hinsichtlich
Risikofaktoren, kardiovaskuläre
ihrer Bedeutung für das zerebrovaskuläre System dargestellt.
Grundlagen Gebräuchlich ist eine Einteilung in * nicht modifizierbare, * potentiell modifizierbare, wissenschaftlich weniger gut untersuchte Risikofaktoren sowie * Risikofaktoren, die therapeutisch beeinflussbar und wissenschaftlich gut untersucht sind. 1. Nicht modifizierbare Risikofaktoren: Identifikation sinnvoll, da sie zur Abschätzung des vaskulären Gesamtrisikos wesentlich sind. Hierzu zählen: * Alter: Ab dem 55. Lebensjahr verdoppelt sich das Schlaganfallrisiko mit jeder Lebensdekade. * Geschlecht: Männer erleiden häufiger einen Schlaganfall. * Rasse: Höheres Risiko für Schwarze, Chinesen und Japaner. * Familienanamnese: Positive Familienanamnese prädisponiert für Schlaganfall oder TIA. 2. Potentiell modifizierbare Risikofaktoren: * Übergewicht: Man vermutet, dass Gewichtsreduktion das Schlaganfallrisiko nicht direkt vermindert, sondern dass die Risikoreduktion durch die positive Beeinflussung anderer zum Schlaganfall prädisponierender Faktoren (z. B. Blutzucker, Blutfette) erzielt wird. * Bewegungsmangel: Auch hier ist die Datenlage noch unzureichend. Man geht ebenfalls davon aus, dass durch Reduktion anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren das Schlaganfallrisiko vermindert wird. * Ernährung: Es gibt keine wissenschaftlich gesicherten Hinweise, dass die Substitution von Vitamin C oder E bzw. die Zufuhr von Karotinoiden Einfluss auf das Schlaganfallrisiko hat. * Alkoholabusus: Die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf das kardiovaskuläre Risiko sind höchstwahrscheinlich dosisabhängig: Exzessiver Alkoholkonsum erhöht das Risiko für kardioembolische Schlaganfälle und intrazerebrale Blutungen, demgegenüber haben mehrere Un-
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tersuchungen einen protektiven Effekt auf das zerebrovaskuläre System durch den Genuss geringer Mengen Alkohol gezeigt. Hyperhomozysteinämie: Einen Zusammenhang zwischen erhöhten Homozysteinspiegeln und Schlaganfällen konnte in zahlreichen Studien bestätigt werden. Ebenfalls wissenschaftlich gesichert ist die Tatsache, dass durch die Gabe von Folsäure zusammen mit Vitamin B6 und Vitamin B12 ein erhöhter Homzysteinspiegel gesenkt werden kann. Ob diese Reduktion mit einem verminderten Schlaganfallrisiko verbunden ist, muss sich in momentan laufenden Studien noch bestätigen. Aufgrund der fehlenden Nebenwirkungen und niedrigen Kosten kann aus jetziger Sicht jedoch eine Nahrungssupplementation empfohlen werden. Drogenmissbrauch: Neben schädlichen Einflüssen auf andere Organsysteme konnte für Kokain, Crack und Amphetamine eine Risikozunahme für ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle beobachtet werden. Gerinnungsstörungen: Eine Evaluation des Schlaganfallrisikos und Ableitung einer therapeutischen Rationale ist bei dieser heterogenen Gruppe schwierig. Mehrere Untersuchungen zeigten ein erhöhtes Schlaganfallrisiko bei Prävalenz von Antiphospholipid-Antikörpern. Sekundärprophylaktisch zeigte sich die orale Antikoagulation mit Warfarin in einem mittleren bis höheren therapeutischen Bereich einer „low dose“-Antikoagulation sowie einer Sekundärprophylaxe mit Acetylsalicylsäure überlegen. Postmenopausale Hormonsubstitution: Ob eine postmenopausale Hormonsubstitution das Schlaganfallrisiko erhöht, lässt sich aufgrund der wenigen, zu dieser Fragestellung bislang durchgeführten Untersuchungen noch nicht mit Sicherheit sagen. Im Moment geht man von einem niedrigen Schlaganfallrisiko aus. Migräne: Bei Frauen im prämenopausalen Alter ein unabhängiger Risikofaktor für ischämische Insulte mit einer 3–4fach erhöhten Schlaganfallinzidenz. Zusätzliche Risikofaktoren wie Rauchen oder orale Kontrazeptiva erhöhen das Schlag3
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Risikofaktoren, kardiovaskuläre
anfallrisiko auf das 7fache. Dies gilt auch für Kontrazeptiva mit niedrigem (<50 µg) Östrogengehalt. * Orale Kontrazeptiva: In den meisten bislang durchgeführten Studien wurden hochdosierte Östrogen-Präparate untersucht, die inzwischen nicht mehr verschrieben werden. Es gibt jedoch auch aktuellere Daten zu Zweit- und Dritt-Generations-Kontrazeptiva (Mikropille), die auf ein gering erhöhtes Schlaganfallrisiko hindeuten. Weitere Untersuchungen mit größeren Fallzahlen sind notwendig. Generell sollte bei Prävalenz von zusätzlichen Risikofaktoren (z. B. Nikotinabusus) auf eine Pilleneinnahme verzichtet werden. * Entzündungen: Arterosklerose als häufigste Ursache eines ischämischen Schlaganfalls wird möglicherweise auch durch eine chronische Entzündung getriggert. Bislang am besten untersucht ist Chlamydia pneumoniae, ein obligat intrazelluläres Bakterium, das vermehrt aus arterosklerotischen Wandläsionen isoliert werden konnte. Hinweise auf eine mögliche proatherogene Wirkung gibt es auch für Zytomegalie- und Herpes-simplex-Virusinfektionen. Darüberhinaus konnte ein positiver Zusammenhang zwischen CRP-Spiegel und Schlaganfallrisiko nachgewiesen werden. Im Moment ist die Datenlage jedoch noch nicht ausreichend, um ein spezifisches therapeutisches Regime (z. B. Antibiotikatherapie) daraus abzuleiten. 3. Modifizierbare Risikofaktoren: * Arterielle Hypertonie: – Ist neben dem Lebensalter der wichtigste unabhängige Risikofaktor sowohl für zerebrale Ischämien als auch für intrazerebrale Blutungen. – Das Schlaganfallrisiko steigt sowohl bei Erhöhung des systolischen als auch des diastolischen Blutdrucks, ein isoliert erhöhter systolischer Blutdruck ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko verbunden. – Fazit: Regelmäßige Hypertonie-Screening-Untersuchungen und eine strenge Blutdruckeinstellung sind unerlässlich. – Zielwerte: Systolischer Wert <140 mmHg, Diastolischer Wert
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<90 mmHg. Welche antihypertensive Substanzgruppe angewendet werden sollte, muss unter Berücksichtigung weiterer Erkrankungen ausgewählt werden. Positive Daten im Bezug auf eine Reduktion des Schlaganfallrisikos zeigten sich durch Therapie mit β-Blockern und insbesondere bei Diabetikern (siehe unten) durch die Einnahme Angiotensin-Hemmern. – Zusätzlich: Optimierung anderer Risikofaktoren wie z. B. Übergewicht, Nikotinabusus. Nikotinabusus: – Raucher haben gegenüber Nichtrauchern ein in etwa doppelt so hohes Schlaganfallrisiko (Meta-Analyse von 22 großen Studien). – Fazit: Nikotinabstinenz. Vor allem bei weniger starken Rauchern konnte durch Nikotinabstinenz eine rasche Risikoreduktion erzielt werden (nach etwa 4–5 Jahren vergleichbar mit dem von Nichtrauchern. Diabetes mellitus: – Manifester Diabetes mellitus, aber auch Hyperinsulinismus und Insulinresistenz sind mit einem erhöhten Arteriosklerose- und Schlaganfallrisiko verbunden. – Bei Diabetikern liegen häufig simultan weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren, z. B. arterielle Hypertonie, Adipositas im Rahmen eines metabolischen Syndroms vor. – Nach den Ergebnissen der HOPE- und SHEP-Studie ist beim diabetischen Patient (Diabetes mellitus Typ I und II) eine strenge Blutdruckeinstellung zur Schlaganfallprävention besonders wichtig. – Ramipril zur Hypertoniebehandlung zeigte in der HOPE-Studie [6] eine signifikante Reduktion kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse beim Diabetiker und auch günstigen Einfluss auf die Ausbildung diabetischer Spätkomplikationen. – Fazit: Strenge Blutzucker- und Blutdruckeinstellung beim Diabetiker, Evaluation des Einsatzes von Ramipril. Asymptomatische Karotisstenose: – Ergebnisse der NASCET-Studie erga-
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ben ein durchschnittliches jährliches Schlaganfallrisiko von 3,2% für Patienten mit asymptomatischer 60– 99%iger Karotisstenose mit steigendem Risiko bei Zunahme des Stenosierungsgrades. – Der Nutzen einer Karotisendarteriektomie bei asymptomischer Karotisstenose ist ganz entscheidend vom individuellen OP-Risiko bzw. von der Durchführung durch einen erfahrenen Gefäßchirugen abhängig. – Fazit: Hochgradige, asymptomatische Karotisstenosen sollten nur durch einen erfahrenen Gefäßchirugen saniert werden, eine sorgfältige Patientenselektion (Alter, Lebenserwartung, Begleiterkrankungen) sowie eine Nutzen-Risiko-Abwägung sind dabei unerlässlich. Vorhofflimmern: – Altersabhängiges Schlaganfallrisiko: 50–59-Jährige: 1,5%, 80–89-Jährige: 23,5%. – Die Analyse mehrerer großer Studien belegte die Wirksamkeit der oralen Antikoagulation mit Warfarin mit einer durchschnittlichen Risikoreduktion von 68% (Copenhagen Atrial Fibrillation Aspirin and Anticoagulation Trial, Boston Area Anticoagulation Trial for Atrial Fibrillation, Stroke Prevention in Atrial Fibrillation I, Veterans Affairs Stroke Prevention in Atrial Fibrillation Trila and the Canadian Atrial Fibrillation Anticoagulation Trial) wenn zusätzliche Risikofaktoren (Hypertonus, Diabetes, Herzinsuffizienz, vorangegangene Embolien) vorliegen. Andere kardiale Erkrankungen: – Auch andere kardiale Erkrankungen sind mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Hierzu zählen: Dilatative Kardiomyopathie, Herzwandaneurysma und Herzinfarkt. – Genaue Daten zur Höhe des jeweiligen zerebrovaskulären Risikos gibt es bislang nicht, schätzungsweise 20% aller zerebralen Ischämien werden durch kardiale Embolien verursacht. – Auch hier ist die kritische Diskussion der oralen Antikoagulation sekundärprophylaktisch von Bedeutung.
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Risikofaktoren, kardiovaskuläre
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Sichelzellerkrankung: – Autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die zur Störung im Hämoglobinmolekül führt, klinisch durch eine hämolytische Anämie auffällt und im Rahmen akuter arterieller Verschlüsse auch zu ischämischen Schlaganfällen führen kann. – Erhöhtes Schlaganfallrisiko vor allem bei homozygoten Patienten. – Charakteristisch: Schlaganfälle bereits im Kindesalter, geschätztes Risiko 11% im Lebensalter von 20 Jahren. – Fazit: Regelmäßige transkranielle dopplersonographische Kontrollen (erhöhte Flussgeschwindigkeiten) zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos. – Bei hohem Risiko ist therapeutisch die Transfusionstherapie zu erwägen. Thrombozytenaggregationshemmer sowie die orale Antikoagulation sind bislang noch nicht ausreichend untersucht. Hyperlipidämie: – Erhöhte Serumspiegel für Triglyceride, Low-density Lipoprotein (LDL)-Cholesterin und High-density Lipoprotein (HDL)-Cholesterin gelten bislang nur durch Interventionsstudien als etablierte Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankung. – Ihre Bedeutung als zerebrovaskulärer Risikofaktor konnte in Studien mit HMG-CoA-Reduktase-Hemmern (sog. Statinen) gezeigt werden: Positive Daten zu den Substanzgruppen Simvastatin, Pravastatin, Lovastatin und Cerivastatin. – Das Fortschreiten arteriosklerotischer Veränderungen der Halsgefäße wird verhindert (Intima-Media-Dicke). – Vermutlich positive Auswirkungen auf Endothelfunktion und Plaque-Stabilisierung sowie antientzündlicher Effekt, genauer Wirkmechanismus jedoch unklar. – Fazit: Insbesondere Patienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung und erhöhten LDL-Cholesterinspiegeln sollten mit einem Statin behandelt werden. – Es gibt keinen unteren Grenzwert, je niedriger desto besser. – Therapeutische Basismaßnahme ist
Risus sardonicus
eine strenge Diät (hoher vegetarischer Nahrungsanteil, viel Fisch, vermeiden von Nüssen, Schokolade und Eiern), die erhöhte Spiegel meist aber nur geringfügig senken kann. – Sonderfall: Die Rolle des Lipoproteins (a) oder Lp(a) als Schlaganfallrisikofaktor muss noch evaluiert werden. Man vermutet einen positiven Zusammenhang zwischen erhöhten Serumspiegeln und Schlaganfällen insbesondere bei familiärer Häufung. Therapieempfehlung: Lp(a) ist medikamentös nicht beeinflussbar. Daher sollte bei diesen Patienten insbesondere das LDL-Cholesterin (als Korisikofaktor) niedrig gehalten werden. Ziel sind LDL-Spiegel <100 mg/dl, ggf. auch durch Therapie mit Statinen. In Sonderfällen ist auch eine Reduktion erhöhter Lipidspiegels durch extrakorporale Eliminationsverfahren (z. B. HELLP-a-Pherese) indiziert. Generell gilt für das Vorhandensein mehrerer zerebrovaskulärer Risikofaktoren, dass es zu einer exponentiellen Risikozunahme kommt.
Risperidon
in Verbindung gebracht mit ihrer antagonistischen Potenz gegen verschiedene zentrale Transmittersysteme: Risperidon besitzt eine hohe Affinität zu D2-, 5-HT2- und α-adrenergen Rezeptoren, die Interaktion mit Histaminrezeptoren ist gering.
Unerwünschte Wirkungen Im therapeutischen Dosisbereich (4–8 mg/Tag) ist die Inzidenz extrapyramidaler Nebenwirkungen signifikant geringer als bei Haloperidol, bei höherer Dosierung gleichen sich diesbezügliche Unterschiede aus. Wie bei allen Neuroleptika mit hoher α-adrenerg-antagonistischer Potenz verursacht Risperidon relativ häufig (3–30%) orthostatische Hypotension und Sedation, gelegentlich auch Gewichtszunahme.
Ristocetin-Cofactor Definition Als Ristocetin-Cofactor bezeichnet man das Zusammenwirken von Faktor VIIIc und vonWillebrand-Faktor, das zur Thrombozytenaggregation führt.
Grundlagen *
Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Wirkungen Risperidon gehört zur Gruppe der Benzoisoxacol-Derivate und ist ein Neuroleptikum mit guten antipsychotischen Eigenschaften, das wegen seiner geringen extrapyramidalen Nebenwirkungen zu den atypischen Neuroleptika gerechnet wird. Als Nachfolgeentwicklung des Clozapin konzipiert, besitzt es nicht dessen hämatotoxische Eigenschaften (Agranulozytose). Die Symptomatik schizophrener Erkrankungen wird durch Risperidon in einer dem Clozapin vergleichbaren Weise beeinflusst. Vorliegende klinische Studien weisen darauf hin, dass Risperidon gute antidepressive Wirkungen besitzt. Sowohl bipolare Psychosen wie auch endogene Depressionen wurden therapeutisch günstig beeinflusst. Sowohl die Haupt- wie auch die Nebenwirkungen der Substanz werden
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Physiologie: Durch den Ristocetin-Cofactor kommt es zur Vernetzung der Blutplättchen am Gefäßendothel. Bindeglied zwischen zellullärer und plasmatischer Gerinnung. Pathophysiologie: Ein Mangel an Ristocetin-Cofactor führt klinisch zum Willebrand-Syndrom, das durch eine gestörte Thrombozytenaggregationsfähigkeit gekennzeichnet ist. Klinisch: – Verlängerte Blutungszeit. – Petechiale und hämophile (großflächige) Blutungen. 3
Risperdal® 0,5/1/2/3/4 mg Filmtbl., - Lösung 1 mg/ml.
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Risus sardonicus Definition Maskenhafter Gesichtsausdruck eines hämischen Lächelns infolge einer Kontraktur der mimischen Muskulatur.
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Rizatriptan
Grundlagen 3
Vorkommen bei Trismus.
Tetanus, verbunden mit
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Rizatriptan Gebräuchliche Fertigarzneimittel Maxalt® 5/10 mg Rbl, - lingua Schmelztbl.
Wirkungen Rizatriptan wird zur Behandlung der Migräne verwendet. Es hat eine hohe Affinität zu 5HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren. 5-HT1B-Rezeptoren finden sich überwiegend in den Gefäßwänden von kranialen Arterien und 5HT1D-Rezeptoren auf den Nervenendigungen des N. trigeminus und im Nucleus caudalis des Trigeminus im Hirnstamm. Rizatriptan hat nur eine geringe Bindung an den 5-HT2A-Rezeptor, der die unerwünschten vasokonstriktiven Effekte an den Koronarien vermittelt. Rizatriptan konstringiert humane Meningealarterien deutlich stärker als menschliche Koronararterien. Rizatriptan hemmt auch die durch CGRP induzierte Vasodilatation duraler Gefäße und die neurogene Entzündung nach elektrischer Stimulation der Dura mater. Rizatriptan hemmt die zentrale Transmission nozizeptiver Signale im Nucleus caudalis des Trigeminus und reduziert die trigeminale Sensibilisierung nach wiederholten nozizeptiven Reizen. Rizatriptan hat eine gute Wirkung bei 96% der Patienten bei einer von drei Attacken, bei 86% bei zwei von drei Attacken und bei 60% bei drei von drei Attacken. Die Wiederauftretensrate von Kopfschmerzen lag in den Rizatriptanstudien zwischen 30 und 35%. Mit einer zweiten Dosis von Rizatriptan kann das Wiederauftreten der Kopfschmerzen erfolgreich behandelt werden. In mehreren Vergleichsstudien waren 10 mg signifikant wirksamer als 5 mg. Direkte Vergleichsstudien liegen zu Sumatriptan, Naratriptan und Zolmitriptan vor. In diesen Studien wurde als primäres Zielkriterium der Zeitpunkt erfasst, zu dem erstmals eine signifikante Besserung der Kopfschmerzen bestand. Für diesen Parameter waren 10 mg Rizatriptan signifikant besser wirksam als 100 mg Sumatriptan. Bezogen auf die Besserung der Kopfschmerzen nach 2 h waren die Erfolgsquoten 67% für Rizatriptan 10 mg (n=385), 62% für Sumatriptan
100 mg (n=387) und 40% für Plazebo (n=159) [1].
Resorption Rizatriptan wird nach oraler Verabreichung rasch und nahezu vollständig resorbiert. Die mittlere orale Bioverfügbarkeit der Tablette beträgt ca. 40–45%, die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration von Rizatriptan als Schmelztablette war im Vergleich zur Tablette um 30–60 min länger. Die Plasmaproteinbindung von Rizatriptan ist gering (14%). Unabhängig von der Darreichungsform (Tablette oder Schmelztablette) wurde eine signifikante schmerzlindernde Wirkung 30 min nach Einnahme der 10 mg-Dosierung beobachtet. Das Maximum der Wirkung war nach 2 h erreicht.
Elimination Rizatriptan wird primär auf dem Weg der oxidativen Desaminierung durch Monoaminoxidase A (MAO-A) zu dem pharmakologisch inaktiven Indolessigsäuremetabolit metabolisiert. Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei Männern und Frauen im Durchschnitt 2–3 h. Die Plasmaclearance liegt bei Männern bei ca. 1–1,5 l/ min und bei Frauen bei ca. 0,9–1,1 l/min, etwa 20–30% davon sind renale Clearance.
Anwendungsgebiete Rizatriptan wird eingesetzt zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase von Migräneanfällen mit oder ohne Aura. Es steht als Tablette und als Schmelztablette zur Verfügung. Zwischen diesen beiden Anwendungsformen ergaben sich keine Unterschiede in der Wirksamkeit oder Verträglichkeit.
Dosierung und Art der Anwendung Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg Rizatriptan, Einzeldosen sollten mindestens 2 h auseinander liegen, innerhalb von 24 h sollten nicht mehr als 2 Dosen eingenommen werden. Patienten, die mit Propanolol behandelt werden, sowie Patienten mit leicht oder mäßig eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion sollten mit 5 mg Rizatriptan behandelt werden.
Unerwünschte Wirkungen In kontrollierten klinischen Studien traten am häufigsten Schwindel, Schläfrigkeit, Schwäche/Müdigkeit auf, seltener (ca. 1%) Kopfschmerzen, Parästhesien, verminderte Auf-
Ropinirol
Rizatriptan ist kontraindiziert bei gleichzeitiger Verabreichung von MAO-Hemmern oder innerhalb von 2 Wochen nach Absetzen einer MAOHemmer-Therapie, schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung, Patienten mit einem zerebrovaskulären Ereignis in der Krankheitsgeschichte, schwerer oder unbehandelter Hypertonie, manifester koronarer Herzerkrankung, Anzeichen/Symptome einer ischämischen Herzerkrankung oder Prinzmetal-Angina, peripherer Gefäßerkrankung, gleichzeitiger Verabreichung von Ergotamin, Ergotaminderivaten oder anderen 5-HT1B/1D-Rezeptoren. Rizatriptan sollte nicht bei Basilar- oder hemiplegischer Migräne eingesetzt werden. Zwischen der Verabreichung von Rizatriptan und Arzneimitteln vom Ergotamintyp sollten mindestens 6 h, zwischen der Einnahme von ergotaminhaltigen Arzneimitteln und Rizatriptan mindestens 24 h liegen.
Wechselwirkungen Die Plasmakonzentrationen von Rizatriptan und seinem aktiven N-Monodesmethyl-Metaboliten waren bei gleichzeitiger Gabe eines MAO-A-Inhibitors erhöht. Die Plasmakonzentration von Rizatriptan kann bei gleichzeitiger Verabreichung von Propanolol erhöht sein. Die theoretische Möglichkeit des Auftretens eines Serotoninsyndroms im Falle einer gleichzeitigen Verabreichung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern kann nicht aus-
Literatur 1. Tfelt-Hansen P, Teall J, Rodriguez F et al., on behalf of the Rizatriptan 030 Study Group (1998) Oral rizatriptan versus oral sumatriptan: a direct comparative study in the acute treatment of migraine. Headache 38:748–755
Rolando-Epilepsie Epilepsie, benigne Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spikes
Ropinirol Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ropinirol-HCl (Requip®), Tabletten zu 0,25 mg (weiß), 0,5 mg (gelb), 1 mg (grün), 2 mg (rosa) und 5 mg (blau).
Wirkungen Reduziert die Symptome der Parkinson-Krankheit ( Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)) in der Monotherapie oder als Zusatzmedikation zur Levodopa-Behandlung, reduziert die Prolaktinsekretion. In einer doppelblinden 5-Jahresstudie mit 268 Patienten im Frühstadium der Parkinson'schen Krankheit zeigten Patienten der Ropinirol-Gruppe eine 4×geringere Wahrscheinlichkeit, Dyskinesien zu entwickeln, als Patienten der L-Dopa-Gruppe. Patienten der RopinirolGruppe ohne zusätzliche L-Dopa-Therapie entwickelten 15×weniger häufig Dyskinesien als Patienten, die zusätzlich mit L-Dopa behandelt worden waren. 34% der Patienten der Ropinirol-Gruppe, welche die 5-Jahresstudie beendet hatten, wurden bei Studienende ausschliesslich mit Requip® therapiert. Bei allen Patienten, die diese 5-Jahresstudie beendet hatten, war kein signifikanter Unterschied in der Wirksamkeit (gemessen am Index der täglichen Aktivität (ADL), dem wichtigsten Wirksamkeitsparameter dieser Studie) zwischen Gruppen, die entweder mit Ropinirol oder mit L-Dopa therapiert worden waren, messbar. 3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
geschlossen werden. Die Absorption von Rizatriptan verzögert sich bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme um etwa 1 h.
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merksamkeit, Schlaflosigkeit, Hypästhesie, Tremor, Ataxie, Nervosität, Vertigo, Desorientiertheit. Herz. Herzklopfen, Tachykardie, Brustschmerzen (<1%). Selten (<0,1%): Synkope, Hypertonie. Sehr selten: myokardiale Ischämie oder Infarkt, zerebrovaskuläre Ereignisse (meist bei Patienten, die Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung aufwiesen). Rachenbeschwerden, Atemnot. Übelkeit, Erbrechen, trockener Mund, Durchfall, Verdauungsstörungen, Durst, Schwellung der Zunge, Geschmacksstörungen/schlechter Geschmack (ca. 1%). Selten (ca. 1%) Hitzegefühl mit Hautrötung (Flush), Juckreiz, Schwitzen, Urtikaria, Hautausschlag. Sehr selten: toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom). Nackenschmerzen, Steifigkeit, Schweregefühl oder Verspannungen in bestimmten Körperregionen, Muskelschwäche (ca. 1%). Hitzewallungen, Bauchschmerzen, Verschwommensehen.
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Ropinirol
Pharmakologische Daten Direkte Stimulation prä- und postsynaptischer Dopaminrezeptoren, vorwiegend vom D2-Rezeptor-Typ. HWZ 6 Stunden, Bioverfügbarkeit 36–57%. Plasmaspitzenkonzentration nach 1,5 Stunden. Nach oraler Verabreichung wird Ropinirol rasch und vollständig resorbiert. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt etwa 50%. Die maximale Plasmakonzentration (1,98 ng/ml/mg Dosis) wird 1,5 Stunden nach oraler Verabreichung einer Einzeldosis (0,6–12 mg) erreicht. Gleichzeitig eingenommene Nahrung verzögert tmax um ungefähr 2,5 Stunden. Obwohl eine große interindividuelle Variabilität bezüglich der pharmakokinetischen Eigenschaften besteht, steigen die Plasmaspiegel proportional zur verabreichten Dosis an. Ropinirol ist sehr lipophil und weist ein großes Verteilungsvolumen auf (ca. 8 l/kg). Die Bindung an Plasmaproteine beträgt 10–40%. Ropinirol wird vorwiegend durch Oxidation abgebaut. Im Tiermodell ist der Hauptmetabolit (die N-Despropyl-Verbindung) mindestens 100mal weniger aktiv als Ropinirol. Sowohl Ropinirol als auch dessen Metaboliten werden hauptsächlich im Urin ausgeschieden (90%). Es werden ungefähr 5% Ropinirol unverändert ausgeschieden. Die mittlere Eliminationshalbwertszeit beträgt rund 6 Stunden. Hinsichtlich der Clearance nach oraler Verabreichung von Ropinirol gibt es keinen Unterschied zwischen der einmaligen und der wiederholten Verabreichung von Ropinirol. Beim Steady State beträgt die mittlere Clearance nach oraler Verabreichung ungefähr 60 l/h. Verglichen mit einer einmaligen oralen Dosis wird mit der empfohlenen dreimal täglichen Verabreichung ein doppelt so hoher Steady-State-Plasmaspiegel erreicht. Dieser Befund ist auch in Übereinstimmung mit der sechsstündigen Eliminationshalbwertszeit. Für Parkinson-Patienten mit einer leichten bis mittleren Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatininclearance von 30–50 ml/min) ist keine Dosisanpassung notwendig. Die Verabreichung von Ropinirol an Patienten mit schweren Störungen der Nierenfunktion (Kreatininclearance von <30 ml/min) oder der Leberfunktion ist nicht untersucht worden und wird daher nicht empfohlen. Bei Patienten über 65 Jahren ist die Clearance
von Ropinirol etwas reduziert, doch kann normal dosiert werden.
Anwendungsgebiete Symptomatische Therapie die ParkinsonKrankheit in Kombination mit L-Dopa, als Monotherapie zur Initialbehandlung, um den Einsatz von L-Dopa hinauszuzögern.
Dosierung/Anwendung 1. Woche: 3×0,25 mg, 2. Woche: 3×0,5 mg, 3. Woche: 3×0,75 mg, 4. Woche: 3×1 mg. Anschließend Tagesdosis wöchentlich um 1,5– 3 mg steigern. Mittlere Tagesdosis 3–9 mg, maximal 24 mg. Einnahme mit den Mahlzeiten, beim Absetzen schrittweise Reduktion über einen Zeitraum von einer Woche.
Unerwünschte Wirkungen Übelkeit, Schläfrigkeit, selten plötzliches Einschlafen (Diesbezüglich schreiben die Hersteller, dass die Patienten informiert werden müssen, kein Kraftfahrzeug zu führen oder andere Aktivitäten auszüben, bei denen eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit sie selbst oder andere dem Risiko einer schwerwiegenden Verletzung oder des Todes aussetzt.). Beinödeme, Schmerzen im Abdomen, Erbrechen, Synkope, Dyskinesien, Übelkeit, Halluzinationen, Verwirrtheit, orthostatische Hypotonie. Neuerdings wurden beim Einsatz von NonErgot-Dopaminagonisten über plötzliche Einschlafattacken berichtet. Wahrscheinlich handelt es es sich hierbei um einen gruppenspezifischen Effekt aller Dopaminergika.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Wegen der Sekundenschlafattacken müssen die Patienten initial informiert werden, kein Kraftfahrzeug zu führen oder andere Aktivitäten auszüben, bei denen eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit sie selbst oder andere dem Risiko einer schwerwiegenden Verletzung oder des Todes aussetzt. Schwere Niereninsuffizienz, Leberfunktionsstörung, schwere kardiovaskuläre Erkrankungen, psychiatrische/psychotische Störungen, Schwangerschaft, Stillzeit. Zu Therapiebeginn, später jährlich: EKG, Blutbild, Leber- und Nierenwerte. Überwachung des Blutdrucks wegen
Rumpf, Nervenläsionen
der Gefahr orthostatischer Hypotonie empfohlen.
Wechselwirkungen Bei Frauen unter hochdosierter Östrogentherapie wurden erhöhte Serumropinirolspiegel beobachtet. Bei einem Beginn der Hormonsubstitution während der Ropinirolbehandlung ist unter Umständen eine Dosisanpassung von Ropinirol erforderlich.
Die Ausfälle bilden sich schnell spontan zurück, sofern die Schädigung nicht zu lange eingewirkt hat.
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Rückenmark, Entzündung 3
Röteln-Enzephalitis
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Myelitis
Rückenmark, Tumoren
Enzephalitis, Röteln-Enzephalitis
Die Symptome können bereits nach einem Tag Feldarbeit auftreten. Sie sind häufig beidseitig, überwiegen aber auf einer Seite. Die Schädigung kommt vermutlich durch eine Überdehnung der um die Mm. gemelli und den M. obturatorius ziehenden Plexusanteile bei gebeugtem Hüftgelenk zustande.
Therapie Eine spezifische Therapie existiert nicht.
Prognose Die Prognose der Rübenzieherneuritis ist gut.
Rumpf, Nervenläsionen Definition Zu Nervenläsionen am Rumpf kommt es durch Schädigungen eines oder mehrerer der 12 paarigen Interkostalnerven.
Diagnostik Wesentlich häufiger als Schädigungen der Interkostalnerven führen Erkrankungen der inneren Organe, der Wirbelsäule oder des Weichteilapparates zu Schmerzen im Bereich des Rumpfes. Differenzialdiagnostisch muss auch an das Tietze-Syndrom und die diabetische Radikulopathie gedacht werden. 3
Einleitung
Tremor, Ruhetremor
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Beinparese nach längerem Verharren in kniender oder hockender Stellung, wie z. B. bei Feldarbeitern. Die Ausfälle sind vorwiegend im Versorgungsgebiet des N. peronaeus lokalisiert. Welche anatomische Struktur tatsächlich geschädigt wird, ist nicht ganz klar. Vermutlich handelt es sich um eine Läsion der kaudalen Beinplexuspartien, evtl. manchmal auch um eine Schädigung des N. ischiadicus [1].
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Definition
Ruhetremor
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Rübenzieherneuritis
Spinale Tumoren
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SAE (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie)
Diagnostik Anamnese und Klinik: * Diagnosekriterien nach Roman [1] für die vaskuläre ischämische Demenz ( Binswanger-Erkrankung). * Neuropsychologische Evaluation. * Ganganalyse. 3
Binswan-
Definition Dementielles Syndrom aufgrund einer zerebralen Mikroangiopathie mit multiplen subkortikalen lakunären Hirninfarkten oder einer diffusen Leukoaraiose. 3
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Einleitung Typische Symptomatik mit Beeinträchtigung der Frontalhirnfunktionen (Störung der Aufmerksamkeit und des Antriebs, vermehrte Perseveration, Verlust der kognitiven Flexibilität) und Lokomotionsstörungen (Störung der posturalen Kontrolle, Starthemmung). Daneben häufig Harninkontinenz und diskrete fokalneurolgische Defizite. Reine Gedächtnisfunktionen im Vergleich zur Alzheimer-Demenz geringer beeinträchtigt. Differenzialdiagnose: * Andere Demenzformen (Alzheimer Demenz, Morbus Pick). * Zerebrale Mikroangiopathie mit „white matter lesions“ ohne dementielles Syndrom. * Andere Ursachen für diffuse subkortikale NormaldruckLäsionen ( CADASIL, hydrozephalus (NPH), entzündliche ZNSErkrankungen ( Vaskulitis, Multiple Sklerose, Leukodystrophien etc.). 3
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Wichtigster Risikofaktor: tonus.
Arterieller Hyper-
Apparative Untersuchungen: * Bildgebung durch CCT und MRT (T2/ Flair): Konfluierende ischämische Läsionen ( Leukoaraiose) oder fleckige subkortikale ischämische Demarkierungen ( Status lacunaris) Sog. „white matter lesions“ sind unpezifisch! * Doppler-/Duplexsonographische Untersuchungen der extrakraniellen und intrakraniellen Arterien zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer simultanen Makroangiopathie. * Transkranielle Doppler-/Duplexsonographie mit indirektem Hinweis auf diffuse Mikroangiopathie bei generalisiert erhöhter Pulsatilität. * Funktionelle Untersuchungen: Messung der zerebralen Reservekapazität (Dopplersonographie), Messung des zerebralen Blutflusses (SPECT), Nachweis eines entkoppelten Sauerstoffmetabolismus (PET). 3
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Oft synonym verwendet: Morbus ger, vaskuläre Demenz
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Synonyme
Untersuchung der Risikofaktoren: * Blutdruck: 24-Stunden- Blutdruckmessung (nächtliche Hypertonie) im Intervall nach Akutereignis, ophthalmologische Funduskopie (Fundus hypertonicus). * Diabetes: Blutzuckertagesprofil, HbA1c, orale Glukosetoleranz. * Serumlipide einschließlich Cholesterindifferenzierung.
1122
Salbengesicht
Therapie gesichert Konsequente antihypertensive Therapie mit * Einschleichender Dosierung aufgrund der gestörten Autoregulation des zerebralen Blutflusses. * Zielblutdruckwerte <135 mmHg systolisch und <85 mmHg diastolisch, möglichst physiologisches Tag-Nacht-Profil mit nächtlich erniedrigten Blutdruckwerten. empirisch * Reduktion der weiteren kardiovakulären Risikofaktoren (Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Nikotin). * Neupsychologische Therapie. * Physiotherapie, Ergotherapie, ggf. Logopädie.
Prognose Insgesamt progrediente Erkrankung mit oft schubförmigem oder fluktuierendem Verlauf. Deutlich erhöhte Mortalität durch häufige kardiovaskuläre Komorbidität.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Protektive Wirkung durch: * Regelmäßige sportliche Betätigung. * Insgesamt erniedrigtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen durch sog. mediterranen Ernährungsstil mit großem Anteil vegetativer Nahrungsbestandteile und Meeresfrüchten. * Regelmäßiger Konsum kleiner Alkoholmengen (widersprüchliche Studienergebnisse mit protektiver Wirkung für Demenzen im Allgemeinen).
Salbengesicht Definition Glänzende Gesichtshaut durch vermehrte Talgabsonderung.
Saphenusneuropathie
Sarkoglykanopathie Synonyme Gliedergürteldystrophie mit Sarkoglykanmangel
Definition Autosomal-rezessive Muskeldystrophien, die durch Mutationen in einem der Gene für α-, β-, γ- oder δ-Sarkoglykan verursacht sind.
Einleitung Die Sarkoglykane bilden einen Unterkomplex des Dystrophin-Glykoprotein-Komplexes, den Sarkoglykan-Komplex. Dieser umfasst neben den oben genannten Proteinen noch das Epsilon-Sarkoglykan. Veränderung eines der Sarkoglykane kann die strukturelle Integrität und Funktion der Muskelzelle beeinträchtigen und so zur Muskeldystrophie führen. Mutationen wurden beschrieben für α-Sarkoglykan (LGMD2D; 17q12q21.33), β-Sarkoglykan (LGMD2E; 4q12), γSarkoglykan (LGMD2C; 13q12) und δ-Sarkoglykan (LGMD2F; 5q33-q34). Immunhistochemisch imponiert nicht selten ein Mangel aller Sarkoglykane sowie ein sekundärer Dystrophin-Mangel. Klinisch entspricht die Sarkoglykanopathie der Duchenne-Muskeldystrophie. Es ist daher nicht verwunderlich, dass einige Fälle, die als Duchenne-Muskeldystrophie diagnostiziert wurden tatsächlich Sarkoglykanopathien sind. Kardiale und respiratorische Beteiligung wurde beschrieben. Bei 20 Patienten mit Sarkoglykanopathie hatten 31% einen normalen kardialen Befund, 44% eine asymptomatische Kardiomyopathie, 6% eine arrythmogene Kardiomyopathie und 19% eine leichtgradig symptomatische dilatative Kardiomyopathie. Es wurde über einen 12jährigen Patienten mit einer β-Sarkoglykanopathie berichtet, die sich mit wiederholten belastungsabhängigen Myoglobinurien manifestierte.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, EKG, Herzecho, Muskelbiopsie, Immunhistochemie an Gewebeschnitten, gegebenenfalls genetische Untersuchung.
Therapie Nervus saphenus, Läsion
Symptomatisch.
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Sarkoidose, Neurosarkoidose
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Nachsorge
Diagnostik
EKG- und Herzechoverlaufsbeobachtung.
Labor: BSG im Akutstadium beschleunigt; eventuell ACE, Kalzium und IgG erhöht. Liquor: Mäßige lymphozytäre Pleozytose (<150 Mpt/l), leichte Gesamteiweißerhöhung (Blut-Liquor-Schrankenfunktionsstörung). Bildgebung: * Röntgen-Thorax (evtl. Thorax-CT): Biläre Lymphknotenvergrößerung, interstitielle Zeichnungsvermehrung. * cMRT: Leptomeningeale KM-Anreicherung (65%), Hyperintensitäten periventrikulär und im Marklager (46%), raumfordernde parenchymatöse Granulome (29%).
Sarkoidose, Neurosarkoidose Synonyme Besnier-Boeck-Schaumann-Krankheit, Morbus Boeck, Lymphogranulomatosis benigna
Definition Bei der Sarkoidose handelt es sich um eine systemische, granulomatöse Erkrankung unbekannter Ätiologie mit verstärkter zellulärer Immunaktivität in der Lunge und extrapulminalen Manifestationen vor allem in Leber, Milz und Auge. Eine Beteiligung des Nervensystems (Neurosarkoidose) oder isolierte Manifestation findet sich bei 5–6% der Patienten.
Einleitung Die Sarkoidose tritt in Erscheinung als: * Akute Sarkoidose (5%), dem sogenannten Löfgren-Syndrom mit Fieber, Erythema nodosum, Oligoarthritis (besonders Sprunggelenke) und bilateralen Hiluslymphomen. * Chronische Sarkoidose (95%) häufig Zufallsbefund, eventuell mit Dyspnoe, Husten und Rechtsherzinsuffizienz.
Je nach Symptomatik und topographischem Befall müssen insbesondere raumfordernde Prozesse (Gliome, Meningeome) sowie erregerbedingte und nicht infektiöse Entzündungen differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden.
Therapie Behandlungsindikation bei schweren allgemeinen Symptomen und Organbefall (Auge, Herz, Lunge, Nervensystem) mit Funktionseinschränkungen sowie bei Hyperkalzämie/Hyperkalzurie und radiologischer Progression. Spontanremissionsrate zwischen 30 und 50%. Basistherapie der Neurosarkoidose:1 mg/kg Körpergewicht/d Prednison für 4–6 Wochen, langsame Reduktion (6 Monate) auf eine 20 mg/d Erhaltungstherapie, weitere Dosisre-
Sarkoidose, Neurosarkoidose. Tab. 1: Mögliche Manifestationen der Neurosarkoidose Aseptische Meningitis
Meist asymptomatisch (Diagnose durch Liquoruntersuchungen).
Hirnnervenläsionen
N. N. N. N. N. N.
I; II (Visusstörungen); III/V/VI (Doppelbilder, Pupillenstörungen); VII (Parese); VIII (Schwindel, Hypakusis); IX/XII (Bulbärparalyse).
Chronische diffuse Meningoenzephalitis
Kognitive Defizite, Bewusstseinsstörungen (fluktuierend), fokale Ausfälle, Hirnstamm- und Kleinhirnzeichen; hypothalamische/hypophysäre Störungen (z. B. Diabetes insipidus mit Polydipsie, SIADH, Amenorrhöe); epileptische Anfälle; Hydrozephalus; Myelopathie, Radikulopathie.
Polyneuropathie
Sensomotorisch (axonal oder axonal/demyelinisierend).
Mononeuritis multiplex Granulomatöse Myopathie
Muskelschmerzen, Atrophien, Pseudohypertrophie.
S
1124
Sarkoidose-Myopathie
duktion bis zu 2,5 mg oder 5 mg/alle 2 d für über 1–3 Jahre. Der Therapieerfolg muss regelmäßig klinisch und ggf. bildmorphologisch überprüft und die Kortikosteroiddosis angepasst werden. Alternativ oder zusätzlich bei fortschreitender Symptomatik Ciclosporin A 4–6 mg/kg Körpergewicht/d p. o., Azathioprin 1–3 mg/kg Körpergewicht/d p. o., Cyclophosphamid 200 mg/d p. o. oder Methotrexat 25 mg/Woche i. m.
Sarkoidose-Myopathie Synonyme Sarkoidose-Myositis
Definition Histologisch gesicherte, typische granulomatöse Myositis.
Einleitung empirisch Fraktionierte Ganzhirnbestrahlung mit 20 Gy in täglichen Einzeldosen von 1,5 Gy. unwirksam/obsolet Immunmodulierende Therapieansätze wie Fiebertherapie, Levamisol, Eigenblutbehandlungen haben sich als unwirksam erwiesen.
Prognose Häufig verläuft die Neurosarkoidose subakut monophasisch 60–70%, bei etwa einem Drittel aller Fälle chronisch-rezidivierend. Nach Gabe von Kortikosteroiden Besserung der neurologischen Symptome bei 70–90% der Patienten. Spontanremissionen, wie oben erwähnt, sind bekannt.
Nachsorge Selbsthilfeorganisation: Deutsche Sarkoidose Vereinigung e. V., Uerdinger Str. 43, 40668 Meerbusch, Tel. 020157360; E-Mail:
[email protected]; Homepage: www.sarkoidose.de.
Literatur 1. Futrell N (1994). Connective tissue disease and sarcoidosis of the central nervous system. Curr Opin Neurol 7:201–208. 2. Minagar A, Hardjasudarma M, Kelley R (2002). Neurosarcoidosis. Neurology 59: 477. 3. Nowak DA, Widenka DC (2001). Neurosarcoidosis: A review of its intracranial manifestation. J Neurol 248:363–372. 4. Randeva HS, Davison R, Chamoun V et al. (2002) Isolated neurosarcoidosis: A diagnostic enigma. Endocrine 17:241–248. 5. Wiethölter H, Schmid E (1998). Neurosarkoidose. Akt. Neurologie 25:50–55. 6. Zajicek JP (2000). Neurosarcoidosis. Curr Opin Neurol 13: 23–325.
Die Sarkoidose ist mit einer Prävalenz von 20– 50/100000 eine häufige Erkrankung, deren Ursache gänzlich ungeklärt ist. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen mit einem Gipfel zwischen 25 und 45 Jahren. Die Erkrankung manifestiert sich typischerweise im Bereich der Lymphknoten in den Lungenhili oder an anderen Orten. Granulome können an jeder anderen Stelle vorkommen, u. a. an der Hirnbasis (Hirnnervensymptome, hypothalamische Symptome, Sehstörungen), in peripheren Nerven (Mononeuritis multiplex) und in der Muskulatur. Ga-67-Szintigraphie wird als hilfreich angesehen, um extrapulmonale Herde aufzudecken. Die Muskelbeteiligung ist meist asymptomatisch. Es wird geschätzt, dass die Skelettmuskulatur in 20–50% der Patienten mit Sarkoidose betroffen ist. Eine klinisch manifeste Muskelsarkoidose ist eher selten. Sie kommt auch ohne klinische Beteiligung anderer Organe vor (granulomatöse Myositis). In diesem Falle ist man aber mit der Diagnose einer Sarkoidose zurückhaltend. Es werden 4 Typen der Muskelsarkoidose unterschieden: noduläre, chronische, akute und asymptomatische Myositis. Die noduläre Form ist auch deshalb bedeutend, weil die Granulome mit einem Weichteiltumor verwechselt werden können. In axialen MR-Schnittbildern sieht man eine sternförmige zentrale Hypointensität „dunkles Sternzeichen“, während auf koronaren und sagittalen Schichten ein hypointenser zentraler Streifen von hyperintensen Streifen umgeben ist (3 Sterne-Zeichen). Die symptomatische akute und chronische Muskelsarkoidose geht in der Regel mit proximalen Paresen einher, selten mit distalen Paresen. Die akute Form geht häufiger mit Myalgien einher und im MRT sind meist hyperintense Signalveränderungen zu finden. Die Serum CK ist in der Mehrzahl der Fälle einer Muskelsarkoidose normal, kann aber auch erhöht sein. Das EMG zeigt je nach Befall teils einen normalen Befund, teils „nest-
Saure-Maltase-Mangel, Glykogenose Typ II
Klinische Untersuchung, Serum-CK, SerumACE, Borrelien-Serologie, Rö-Thorax, ggf. Thorax-CT, Bronchoalveoläre Lavage, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie.
Polyneuropathie, Sarkoidose
Saure-Maltase-Mangel (PompeErkrankung) 3
Diagnostik
Sarkoidose-Neuropathie 3
förmig“ verteilte pathologische Spontanaktivität und myopathisch veränderte Potenziale. Nicht selten finden sich auch neurogene Veränderungen. Muskelhistologisch zeigen sich nicht-nekrotisierende Granulome, häufig auch endomysiale sowie perivaskuläre Infiltrate. Im Zentrum der Granulome finden sich zahlreiche CD4-T-Zellen, während außen ein Saum von CD8-T-Zellen vorliegt.
Saure-Maltase-Mangel, Glykogenose Typ II
Saure-Maltase-Mangel, Glykogenose Typ II
Therapie
Synonyme
Muskelbeteiligung ist nicht gleichzusetzen mit Beteiligung des Nervensystems. Es gelten für die Therapie die gleichen Regeln wie für die pulmonale Sarkoidose. Bei asymptomatischer Sarkoidose wird beobachtet und nicht behandelt. Remissionen werden auch ohne Therapie beobachtet. Bei relevanten Symptomen oder bei asymptomatischer signifikanter Funktionseinbuße über einen Beobachtungszeitraum von 2 Jahren werden Kortikosteroide eingesetzt, 40–60 mg Prednison/d initial. Reduktion auf 20 mg/d innerhalb von 3 Monaten. Therapie länger als 1 Jahr. Ggf. allmähliches Ausschleichen, auch alternierende Gabe jeden 2. Tag zu erwägen. Wiederholte Rückfälle machen ggf. lebenslange Therapie nötig. Erhaltungsdosis beträgt meist 10–15 mg Prednison/d. Die Wirksamkeit Steroid sparender Medikamente wie etwa Methotrexat ist nicht sicher belegt. Für neuere Arzneimittel, etwa Thalidomid, Pentoxifyllin oder Infliximab (anti-TNF-alpha-Antikörper) ist die Studienlage nicht ausreichend.
1,4-Glukosidase-Mangel
Nachsorge Regelmäßige, z. B. halbjährliche Untersuchungen bei asymptomatischen Patienten. Engmaschige Verlaufsbeobachtung unter Kortikosteroidtherapie nötig.
Prognose Bei promptem Ansprechen auf die Kortikosteroidtherapie in der Regel gut.
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Definition Relativ häufige Glykogenspeicherkrankheit, die durch Mangel an saurer Maltase charakterisiert ist.
Einleitung Autosomal-rezessiver Gendefekt auf Chromosom 17q23. Es fehlt die lysosomale 1,4-α-Glukosidase. Die Glykogenhauptkette ist durch α1,4-Bindungen gewährleistet. Da diese Bindungen in den Lysosomen nicht mehr gelöst werden können, kommt es dort zur Glykogenspeicherung. Klinisch stehen Hepatomegalie, Kardiomegalie, Makroglossie und Myopathie im Vordergrund. Die Erkrankung ist sehr variabel hinsichtlich Gewebebeteiligung, Erkrankungsbeginn und klinischer Manifestation: * Erkrankung innerhalb der ersten Lebensmonate wird als Typ Pompe oder Pompe-Putschar bezeichnet und verläuft in der Regel rasch progredient. Die Betroffenen erreichen selten das 3. Lebensjahr. * Beim infantil-juvenilen Typ manifestiert sich die Krankheit in der Kindheit, seltener im Jugendalter. Die Progredienz ist etwas langsamer. Meist sterben die Individuen bis zum frühen Erwachsenenalter. * Der adulte Typ manifestiert sich nach dem 20. Lebesjahr und ist langsam progredient. Herz und Leber sind nicht oder nur gering betroffen.
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1126 *
SBMA (spinobulbäre Muskelatrophie)
Die CK ist erhöht. Das EMG zeigt myopathische Veränderungen und meist auch pathologische Spontanaktivität, teils auch myotone Serien. Die Muskelbiopsie ist durch eine vakuoläre Myopathie mit PASpositivem Vakuoleninhalt charakterisiert. Der Enzymmangel kann biochemisch in Muskel, Fibroblasten oder Lymphozyten nachgewiesen werden.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Oberbauchsonographie, Transaminasen, Serum-CK, Serum-Elektrolyte, Elektroneurographie, Elektromyographie und ggf. Muskelbiopsie. Untersuchung der α-1,4-Glukosidase in Muskel oder Leukozyten.
Grundlagen Die beiden Aa. cerebelli superiores ziehen bogenförmig um das Mesenzephalon zum Kleinhirn und versorgen neben Teilen des Mittelhirns die oberen Anteile des Kleinhirnwurms (medialer Ast) und der Kleinhirnhemisphären (lateraler Ast). Ein isolierter Verschluss des Gefäßes ist selten, häufig kommt es in der Regel im Rahmen einer Basilaristhrombose zusätzlich zu Verschlüssen anderer Kleinhirnarterien bzw. der Aa. cerebri posteriores.
SCA (Arteria cerebelli superior), Makroangiopathie
Therapie
Synonyme
Symptomatisch. Bei Ateminsuffizienz ggf. Heimbeatmung.
SuCA-Infarkt, SCA-Syndrom
Nachsorge
Definition
Sehr vom Manifestationsalter abhängig.
Durch einen Verschluss der A. cerebelli superior kommt es ipsilateral zu einer Ischämie der oberen Kleinhirnhemisphäre, des oberen Kleinhirnwurms sowie Teilen des Mittelhirns (Tectum).
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Einleitung
Häufige kohlenhydratarme, fett- und proteinreiche Mahlzeiten.
Ätiologie: Verschlüsse der A. cerebelli superior können entstehen durch: * Kardiale Embolien (am häufigsten). * Arterioarterielle Embolien aus arteriosklerotischen Veränderungen des vertebrobasilären Gefäßsystems. * Selten: Lokale arterioklerotische Veränderungen.
Anbindung an Muskelzentrum sinnvoll.
Prognose
SBMA (spinobulbäre Muskelatrophie) Spinobulbäre Muskelatrophie
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SCA (Arteria cerebelli superior) Synonyme A. cerebelli superior, superior cerebellar artery (SuCA)
Definition Die Aa. cerebelli superiores entspringen paarig aus der A. basilaris kurz vor deren Aufgabelung die die Aa. cerebri posteriores.
Isolierte Verschlüsse des Gefäßes mit dem klassischen klinischen SCA-Syndrom sind selten und dann meist kardioembolisch bedingt. Häufig treten komplette Infarkte im Stromgebiet der A. cerebelli superior im Rahmen einer Basilaristhrombose auf und sind dann mit weiteren Infarkten vergesellschaftet. Klinik: * Klassisches SCA-Syndrom (selten): Ipsilateral: Horner-Syndrom, Hemiataxie. Kontralateral: Dissoziierte Empfindungsstörung, Trochlearisparese (Doppelbilder). Dysarthrie, Schwindel, horizontaler Nystagmus.
Schädel-Hirn-Trauma
Häufig: Weitere Gefäßterretorien betroffen (z. B. PiCA, Posterior-Stromgebiet) mit komplexen Hirnstammsyndromen mit Okulomotorikstörungen und Vigilanzminderung.
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*
Abhängig von der Größe des Infarktes (Einklemmungsgefahr) sowie der Mitbeteiligung anderer Hirnstammstrukturen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Diagnostik *
Prognose
Charakteristisches klinisches Syndrom. Bildgebung: Computertomographie (häufig nur orientierende Aussage möglich). Kernspintomographie (im Vgl. zur Computertomographie bessere Darstellung der Strukturen der hinteren Schädelgrube). Bei V. a. Basilaristhrombose CT-Angiographie (Cave: Kein sicherer Ausschluss einer Basilariskopfthrombose möglich). Konventionelle Angiographie: Goldstandard, therapeutische Intervention möglich (lokale Lyse).
Therapie 1. Hirninfarkt, Basilaristhrombose. 2. Akutphase: * Intravenöse PTT-wirksame Antikoagulation (Ziel-PTT 50–60 Sek., 1,5 – 2faches des Ausgangswertes). * Engmaschige Überwachung der Vigilanz und Pupillomotorik, da Gefahr der Einklemmung mit Hirnstammkompression durch raumfordernde Wirkung des Kleinhirninfarktes besteht. * Bei Einklemmungsgefahr: Großzügige Indikation zur okzipitalen Dekompression. 3. Langzeittherapie/Sekundärprophylaxe: Abhängig von der Ätiologie des Infarktes. * Makroangiopathie: a) Arterioarterielle Embolie: Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, Optimierung des Risikofaktorprofils. b) Lokalthrombotisch: Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, Optimierung des Risikofaktorprofils. c) Sonderfall Basilarisstenose/Basilaristhrombose: Indikation zur oralen Antikoagulation, wenn keine ensprechenden Kontraindikationen vorliegen. * Kardiale Embolie: Im Regelfall Indikation zur oralen Antikoagulation.
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Hirninfarkt.
Scapula alata Einleitung Die meisten Myopathien gehen mit proximalen Paresen einher. Der Grund für diese Verteilung ist nicht bekannt. Bei der Muskelatrophie im Schultergürtel kommt es meist frühzeitig zu einer Prominenz der Skapula, die sich dann aus dem normalerweise flachen Relief der Rückenmuskeln heraushebt (Scapula alata). Dies kann einseitig, einseitig betont oder beidseitig der Fall sein. Eine Scapula alata ist regelmäßig bei der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie und bei den Gliedergürteldystrophien anzutreffen. Weitere myopathische Stigmata sind z. B. vermehrte Lendenlordose, TrendelenburgZeichen, Schmollmund (Tapir-Mund) und Facies myopathica.
Schädel-Hirn-Trauma Definition Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) stellt eine kombinierte Verletzung von Kopfschwarte, Schädel und Hirn, evtl. jedoch mit Intaktbleiben der äußeren Bedeckung dar. Unterschieden werden offen oder gedeckt, wobei als Kriterium für offen die zerstörte Dura gilt (mit Austritt von Liquor und/oder Hirnsubstanz). Die hierbei vorkommenden stumpfen/gedeckten Hirntraumen werden heute in folgende 4 Schweregrade eingeteilt: * SHT I: Ohne Bewusstlosigkeit. * SHT II: Bewusstlosigkeit bis 30 Minuten. * SHT III: Bewusstlosigkeit bis 2 Stunden. * SHT IV: Bewusstlosigkeit länger als 4 Stunden. Früher wurde der Schweregrad nach der Dauer der Rückbildung der Symptome beurteilt (Tönnis und Loew).
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Schädelbasisfraktur
Einleitung Ursachen des SHT sind Verkehrsunfälle (40– 50%), Stürze (20–30%), Sportverletzungen und Gewalttaten. Vom pathophysiologischen Standpunkt unterscheidet man 2 Arten unfallbedingter Hirnschädigungen von einander: * Primär-traumatische Schädigungen, die unmittelbar während des Unfalls dem Patienten zugefügt werden wie Galeaverletzungen, Schädelfrakturen, Hirnkontusionen und Lazerationen sowie diffuse axonale Schädigungen und intrakranielle Blutungen. * Sekundär-traumatische Schäden entstehen durch intrakranielle Drucksteigerungen infolge von Hirnödem oder Hämatomen sowie lokale Druckschäden und sekundäre Ischämien. Klinisch finden sich bei leichten SHT keine oder nur eine kurze Bewusstlosigkeit, oft eine amnestische Lücke, meist eine orthograde für den Unfallhergang, eine kurze retrograde und eine für die Dauer des posttraumatischen Verwirrtheitszustandes bestehende anterograde Amnesie. Der posttraumatische Verwirrtheitszustand kann mit Bewusstseinstrübung, motorischer Unruhe und Desorientiertheit bis zu 24 h einhergehen. Auch Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen können auftreten. Bei mittelschweren oder schweren SHT kommt es zu protrahierten Bewusstseinsstörungen, fokalen neurologischen Ausfällen, epileptischen Frühanfällen, ggf. zu Hirndruckzeichen.
Diagnostik Untersuchung der Vitalfunktionen, der Bewusstseinslage und die weitere klinisch-neurologische Untersuchung sind initial indiziert. Bei der Inspektion sollte auf Hämatome, Blut- oder Liquorfluss aus Nase oder Ohr sowie auf einen Enophthalmus geachtet werden. An bildgebenden Verfahren erfolgt eine kraniale CT mit Darstellung des Parenchyms sowie des Schädelknochens in speziellen „Fenster“Einstellungen. Die evozierten Potentiale (SEP und AEP) kommen bei V. a. zusätzliche Hirnstammschädigung in Frage, die Dopplersonographie kann zur frühen Erkennung von Gefäßdissektionen eingesetzt werden. Als spezielle Monitoringverfahren werden intrakranielle Drucksonden, Sonden zur Messung
der zerebralen Oxigenierung (im Hirnparenchym oder im venösen Blut des Bulbus jugularis) und elektrophysiologische Monitoringverfahren wie EEG und die evozierten Potentiale eingesetzt.
Therapie Therapeutisch müssen zunächst die Vitalfunktionen gesichert werden. Eine Überwachung des Patienten auf einer Überwachungsstation (Intensiv- oder Semi-Intensivstation) ist sinnvoll. Ein kontinuierliches allgemeines Monitoring ist nötig, wie die kontinuierliche Messung von Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung und Körpertemperatur. Bei raumfordernden Hämatomen, Impressionsfrakturen von mehr als Kalottendicke oder offenen SHT ist eine neurochirurgische Intervention nötig. Eine antiepileptische Therapie ist generell nicht notwendig. Nur bei stattgehabten Anfällen und bei Hochrisikopatienten sollte sie erfolgen. Bei erhöhtem Hirndruck gelten derzeit verschiedene, von einander nur gering abweichende Stufenschemata, die von der European Brain Injury Consortium oder der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie veröffentlich wurden.
Prognose Als prognostische Faktoren werden das Alter, der GCS (Glasgow Coma Score, GlasgowKomaskala), der intrakranielle Druck und die Pupillenreaktion herangezogen. So ist die Mortalität bei Patienten über 55 Jahre mit 80% am höchsten, bei einem GCS von 4 ca. 80%, bei einem von >8 nur ca. 12%. Patienten mit einem therapieresistenten intrakraniellen Druck von >20 mmHg haben eine Mortalität von ca. 90%, eine einseitige Mydriasis geht mit einer Sterblichkeit von 34, eine beidseitige mit einer von 74% einher. 3
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Schädelbasisfraktur Definition Die Schädelbasisfraktur ist eine auf die Schädelbasis beschränkte oder diese einbeziehende Schädelfraktur; allgemein mit typischem Bruchlinienmuster: In der vorderen Schädelgrube (frontobasale Fraktur) erfolgt meist die Fraktur durch die
Schilling-Test
Siebbeinzellen (rhinobasale Fraktur) oder die Querfraktur über die Augenhöhlendächer. Im Mittelabschnitt ist die Fraktur meist in der Fossa temporalis sowie als Längs- und/oder Querbruch des Felsenbeins (otobasale Fraktur) lokalisiert, in der hinteren Grube oft das Hinterhauptloch einbeziehend (als Sonderform ein das Loch umgebender Ringbruch).
Einleitung Bei frontobasalen Frakturen finden sich klinisch häufig Brillenhämatome, Blutungen aus Nase oder Mund, Anosmie oder Liquorfisteln. Bei laterobasalen Frakturen unterscheidet man Felsenbeinlängs- von - querfrakturen: * Bei den Längsfakturen verläuft die Bruchlinie entlang der Vorderkante der Felsenbeinpyramide durch das Dach der Paukenhöhle ins Mastoid oder in die Schläfenschuppe. Es findet sich eine Schallleitungsschwerhörigkeit, eine Trommelfellruptur sowie in 20% eine Fazialisparese. * Bei der Querfraktur läuft die Bruchlinie quer durch die Felsenbeinpyramide, d. h. durch das Labyrinth oder den inneren Gehörgang. Man findet ein Hämatotympanon, eine Fazialisparese (50%), einen Labyrinthausfall und eine Innerohrschwerhörigkeit.
Diagnostik
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entspannten Liegephase rasch aufsteht, wobei Blutdruck und Puls erfasst werden.
Schielen, paralytisches Synonyme Paralytischer Strabismus
Definition Aufgrund von Augenmuskellähmung auftretende Fehlhaltung eines Bulbus mit dem subjektiven Eindruck von Doppelbildern.
Einleitung Je nach betroffenem Augenmuskel kommt es zu vertikal oder schräg versetzten Doppelbildern. Man kann sich in der klinischen Untersuchung durch die Tatsache helfen, dass der Abstand der Doppelbilder zunimmt, je mehr der Patient in die Richtung des gelähmten Muskels schaut.
Therapie Bei persistierenden Doppelbildern und persistierender Augenmuskelparese ist ggf. eine Operation indiziert, bei der die Achsabweichung der Bulbi korrigiert wird.
Der CT kommt der größte Stellenwert zu. Bei Verdacht auf eine Liquorfistel kann eine Szintigraphie erfolgen.
Schilling-Test
Therapie
Definition
Operative Versorgung der frontobasalen Fakturen und Deckung von Liquorfisteln ist ggf. nötig.
Test zum Nachweis einer Vitamin B12-Resorptionsstörung (z. B. bei Verdacht auf eine funikuläre Myelose). 3
Grundlagen *
Schädelhämangiom Hämangiom, Schädelhämangiom
3
Schellong-Test (Orthostasetest) Grundlagen Kardiovaskulärer Funktionstest (aktiver Orthostasetest), bei dem der Proband nach einer
Schilling-Test Teil 1 – 48 h vorher darf kein Vitamin B12 verabreicht werden – Entleerung der Harnblase, anschließend Gabe einer Kapsel radioaktiv markierten Co57-Cobalamins oral – 1 h später Absättigung der Bindungskapazitäten in Blut und Leber durch Injektion von 1000 μg nicht radioaktivem Cobalamin – Messung der ausgeschiedenen Radioaktivität im über 24 h gesammelten Urin – Normalerweise werden 10–40% der ver-
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*
Schirmer-Test
abreichten Radioaktivität/l Urin ausgeschieden; erniedrigte Ausscheidung weist auf eine Vitamin B12-Resorptionsstörung hin Schilling-Test Teil 2 – Indiziert, wenn Teil 1 pathologisch ausfällt – Frühestens 24 h nach Teil 1 durchführbar – Durchführung wie Teil 1, unter zusätzlicher oraler Gabe von Intrinsic factor mit dem Co57-Cobalamin – Normalisierung der Ausscheidung von Radioaktivität beweist den Mangel an körpereigenem Intrinsic factor
Schlaf, periodische Bewegungen im Schlaf (PMS) Definition PMS sind langsame stereotype und repetitive Extensions-Flexionsbewegungen vorwiegend in Stadien I–II des Nicht-REM-Schlafes. Die Einführung des Begriffs [1] sollte den periodischen Charakter dieser Bewegungsstörung im Gegensatz zu einem myokloniformen betonen, der in der früher gebräuchlichen Bezeichnung „nächtlicher Myoklonus“ vermittelt wurde. Die Bewegungen zeigen nicht die für einen Myoklonus typische Geschwindigkeit.
Einleitung
Definition Der Schirmer-Test ist ein Funktionstest der Tränensekretion, bei dem sowohl die basale (Schirmer I) als auch die stimulierte (Schirmer II) Tränensekretion geprüft werden kann.
Grundlagen Der Test wird mit Hilfe eines Löschpapierstreifens durchgeführt, der in den Bindehautsack gehängt wird. Der Schirmer I-Test erfolgt mit der Gabe von lokalen Anästhetika zur Betäubung der Augenoberfläche, um die Basalrate der Tränensekretion ohne Auslösung des nasolakrimalen Reflexes zu bestimmen. Beim Schirmer II-Test wird durch das Einbringen des Löschpapierstreifens ein lokaler Reiz gesetzt, der die Tränensekretion über den nasolakrimalen Reflexes stimuliert. In der topischen Differenzialdiagnostik der peripheren Fazialisparese weist ein pathologischer Schirmer-Test auf den Ausfall der sekretomotorischen Fasern des N. petrosus major hin. Schließlich findet der Test in der Diagnostik des Sicca-Syndroms Anwendung. Pathologisch ist entweder eine Wanderungsgeschwindigkeit von <9 mm/5 min oder eine Seitendifferenz von >30%/5 min. Zu bedenken ist, dass bei 26% der älteren Bevölkerung eine reduzierte Tränensekretion vorliegt.
Meistens handelt es sich um periodische Beinbewegungen im Schlaf, aber die Bewegungen können auch an der oberen Extremität auftreten. Selten kommen auch Bewegungen des Rumpfes hinzu. Die Bewegungen dauern in der Regel nur Sekunden. Die PMS wiederholen sich typischerweise alle 15–40 Sekunden. Das Bewegungsmuster ist weitgehend stereotyp mit Extension des großen Zehs, oft mit Fächerphänomen der anderen Zehen wie bei einem Babinski-Phänomen, Flexion im Sprung-, Knieund Hüftgelenk. In seltenen Fällen können die Bewegungen mit einer raschen myokloniformen Zuckung beginnen, um dann in eine eher tonische Phase überzugehen, oder nach tonischen Bewegungsabläufen mit einem Myoklonus zu enden. Bei vielen Patienten führen die PMS zu keiner subjektiven Beeinträchtigung des Schlafes. Allerdings können die PMS den Bettpartner erheblich belästigen und so eine medizinische Abklärung veranlassen. PMS treten als Begleitsymptomatik eines Restless-Leg- Syndroms oder im Rahmen anderer neurologischer und internistischer Erkrankungen auf. Bei der Häufigkeit der PMS ist man sich oftmals nicht sicher, ob Vergesellschaftungen von PMS mit anderen Erkrankungen ein Zufallsbefund darstellen, da viele der Berichte über mögliche Assoziationen keine Kontrollgruppe aufweisen. 3
Schirmer-Test
Differenzialdiagnose Zunächst müssen weitere Bewegungsstörungen erwogen werden, die im Schlaf auftreten wie die REM-Schlafverhaltensstörung und epileptogene Störungen, zu denen wahrscheinlich die
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Schlafapnoesyndrom
meisten Fälle der sogenannten nächtlichen paroxysmalen Dystonie gehören. Darüberhinaus sind PMS ein wichtiges diagnostisches Kriterium für das Vorliegen eines Restless-Legs-Syndroms. PMS sind nach Schlaflaboranalysen überzufällig häufig mit obstruktiver Schlafapnoe, Narkolepsie und Urämie vergesellschaftet. Wenn die Bewegungen während des REM-Schlafes auftreten, spricht dies für das Vorliegen einer REM-Schlafverhaltensstörung oder einer Narkolepsie. Bezüglich der Zusatzuntersuchungen, Restless-Legs-Syndrom. 3
Therapie Restless-Legs-Syndrom.
3
Literatur 1. Coleman RM, Pollak CP, Weitzman ED (1980). Periodic movements in sleep (nocturnal myoclonus): relation to sleep disorders. Ann Neurol 8: 416–421.
Schlaf-Wach-Regulation, Störung Grundlagen Zu den wichtigsten Schlaf-Wach-Regulationsstörungen zählen die Narkolepsie und Kataplexie sowie das obstruktive Schlafapnoesyndrom. Das primäre Schlafapnoesyndrom (Undines Fluch, Undine-Syndrom) ist extra besprochen. Die Narkolepsie und Kataplexie ist eine klinische Entität und wird autosomal-dominant mit wechselnder Penetranz vererbt. Es gibt auch symptomatische Formen nach Enzephalitis, Schädel-Hirn-Trauma, Encephalomyelitis disseminata und Tumoren. Die Tagesschläfrigkeit beginnt meist in der 2. Dekade, die Kataplexie später. Es kommt zu imperativen Schlafattacken in natürlicherweise schlaffördernden Situationen. Meist ist der Schlaf kurz, die Patienten sind jederzeit erweckbar. Bei den kataplektischen Anfällen (affektiver Tonusverlust) kommt es für Sekunden bis Minuten zu einem Tonusverlust der Muskulatur bei fehlender oder nur geringer Vigilanzstörung. Als Auslöser kommen Erregungssituationen wie Schreck, Angst, aber auch Freude in Frage. Auch Schlaflähmungsattacken kommen vor, Schlaflähmung. Als hypnagoge Halluzinationen bezeichnet man meist angsteinflößende oder mit nega-
1131
tivem Inhalt besetzte Halluzinationen, die als Traumphänomene im Rahmen der Narkolepsie/Kataplexie vorkommen. Typisch für diese Art der Regulationsstörung ist auch der fragmentierte Nachtschlaf mit einem verfrühten Einschlafen und verfrühten REM-Phasen. Die Diagnostik erfolgt in speziellen Schlaflabors. Therapeutisch setzt man gegen die Vigilanzstörungen Stimulanzien wie Ephedrin oder Methylphenidat ein. Die kataplektischen Anfälle sprechen auf trizyklische Antidepressiva vom Imipramin-Typ an. Das obstruktive Schlafapnoesyndrom ist gekennzeichnet durch einen Tonusverlust der Pharyngealmuskulatur mit nachfolgender Obstruktion der oberen Atemwege und kommt bevorzugt bei übergewichtigen Männern vor. Weitere prädisponierenden Faktoren sind ein kurzer, dicker Hals, ein Z. n. HNO-Operation, eine Mikrognathie und eine chronische Rhinitis. Es kommt zu mehr als 5 Apnoephasen/h, die jeweils länger als 10 s anhalten. Klinisch findet sich ein Schnarchen mit Atempausen, ein plötzliches Wiedereinsetzen des Atmens, insgesamt kommt es durch das Schlafdefizit auch zu vermehrter Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen am Tage. Die Diagnostik erfolgt in speziellen Schlaflabors. Therapeutisch erfolgen zunächst Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtreduktion und Verminderung des Schlafes in Rückenlage. Medikamentös könnene Theophyllin oder antriebssteigernde Antidepressiva versucht werden. Auch eine CPAP-Beatmung kann nötig werden, die Tracheotomie bei häufigen Bradykardien, ventrikulären Tachykardien oder Asystolien ist die Ultima Ratio.
S Schlafapnoesyndrom Synonyme SAS
Definition Ein Schlafapnoesyndrom liegt vor, wenn pro Stunde Nachtschlaf mehr als 5 oder pro Nacht mehr als 30 Apnoephasen von mehr als 10 s Dauer auftreten.
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3
3
3
Schlaflähmung
Diagnostik Die Diagnose ist zu sichern durch eine Polysomnographie mit kontinuierlicher Registrierung von transkutanem O2- und CO2-Partialdruck, Atemstrom und Herzfrequenz.
Therapie Allgemeine Maßnahmen sind Gewichtsreduktion, Alkoholkarenz, Absetzen von Schlafoder Beruhigungsmitteln, Änderung der Schlafhaltung (Schlafen auf dem Bauch, dies kann z. B. durch Einnähen eines Tennisballes in den Rücken des Schlafanzuges erleichtert werden). Gute Effekte zeigt die kontinuierliche nasale Beatmung mit positivem Druck (CPAP, Einleitung im Schlaflabor). Wird eine CPAPBehandlung nicht toleriert (etwa 25% der Patienten), kann eine transnasale O2-Beatmung mit 2–3 l/min versucht werden. Medikamentöse Therapieversuche waren bislang wenig erfolgreich. Bei Vorliegen eindeutiger anatomischer Ursachen (z. B. Einengungen des Rachenraumes, Retrognathie) können diese operiert werden.
Schlaflähmung
Zählt zum Formenkreis der Schlaf-Wach-Störungen ( Schlaf-Wach-Regulation, Störung).
Einleitung Beim Übergang vom Schlafzustand zum Wachzustand können ungewöhnliche Lähmungserscheinungen auftreten, die als prä- oder postdormitale Paralysen bezeichnet werden. Meist gegen Morgen scheinen ansonsten gesunde Menschen unfähig zu sein, ihre Muskeln zu aktivieren, obgleich sie vollständig wach und orientiert sind. Die Atmungsfunktionen und die Augenbewegungen sind regelrecht. Es genügt ein schwacher Reiz, um den Lähmungszustand zu beenden. Solche Anfälle werden bei Narkolepsie-Patienten, bei der Hypersomnie des PickwickSyndroms und Formen des Schlafapnoesyndroms gefunden. 3
Die Patienten klagen über Insomnie bei Nacht, übermäßige Tagsesschläfrigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, morgendliche Kopfschmerzen, Potenzstörungen. Häufig sind Persönlichkeitsveränderungen mit depressiver Verstimmung und Antriebslosigkeit. Man unterscheidet das häufigere (ca. 90%) obstruktive SAS, bei dem das Absinken des Sauerstoffgehalts im Blut durch Obstruktion der oberen Atemwege bedingt ist vom zentralen SAS, bei dem eine zentrale Atemregulationsstörung vorliegt. Das obstruktive SAS ist häufig mit Adipositas und arterieller Hypertonie assoziiert. Das Schlaganfallrisiko ist erhöht. Die Prävalenz wird auf 1–5% geschätzt.
3
Einleitung
3
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Prophylaxe Falls Schlaflähmungen gehäuft auftreten, wie z. B. bei der Narkolepsie, können trizyklische Antidepressiva versucht werden.
Schlaflosigkeit, fatale familiäre Einleitung Die fatale familiäre Schlaflosigkeit zählt zu den seltenen autosomal vererbten Erkrankungen und ist durch nicht behandelbare Schlaflosigkeit, sympathische Überaktivität, endokrine Störungen und verschiedenen neurologische Symptome wie transitorische Diplopie und Dysarthrie sowie Sphinkterstörungen, Impotenz und Myoklonien charakterisiert. Sie gehört zu den Prionenerkrankungen und zeigt pathologische Veränderungen, die aus Neuronenverlust und Gliose bestehen und hauptsächlich in den mittleren thalamischen Kernen gefunden werden. Untersuchungen einiger Familien haben Mutationenen im PrionProtein-Gen gezeigt.
Synonyme Schlafparalyse
Schlaganfall
Definition Synonyme Zerebraler Insult, zerebraler Apoplex, Apoplexia cerebri, Gehirnschlag, Hirninfarkt 3
Bewegungsunfähigkeit und Sprachblockade beim Aufwachen, unterbrechbar durch Berührung, Ansprache und andere äußere Reize.
Schlaganfall
Akut oder perakut auftretendes klinisches Syndrom mit zentralneurologischen Ausfällen, verursacht durch eine zerebrale Durchblutungsstörung oder Blutung.
Einleitung Einteilung der Schlaganfälle: * Ischämische Hirninfarkte (80–85%). * Intrazerebrale Blutungen (15–20%). * Subarachnoidalblutungen (<5%).
Diagnostik Unterscheidung der 3 Schlaganfallsentitäten durch bildgebende Diagnostik (kraniale Comutertomographie, kraniale Kernspintomographie). Hirninfarkt, intrazerebrale Blutung, Subarachnoidalblutung. 3
3
3
Therapie Prähospitale Notfallversorgung: * Atemwege freimachen, evtl. Güdel-/Wendeltubus, Sauerstoff 3 l/min, bei Bewusstseinstrübung oder hochgradiger Aspirationsneigung: Intubation (Cave: Blutdruckabfall). * Blutdruck nicht senken bei Werten bis 220/ 120 mmHg, bei Blutdruckwerten >20 min darüber: Nitro 1–2 Hübe s. l., Urapidil (Ebrantil®) 1:10 verdünnt, fraktioniert i. v. * i. v.-Zugang: Langsame NaCl-Infusion bei normotonen und hypertonen Patienten, bei Übelkeit und/oder Brechreiz Antiemese, z. B. Metoclopramid (Paspertin®) i. v. * Lagerung in Kopfmittelposition und mit 30° erhöhtem Oberkörper. * Schneller Transport ins nächstgelegene Krankenhaus, dort rasche Triage in der Nothilfe.
empirisch Basistherapie im Krankenhaus: * Erhaltung eines hochnormalen Blutdrucks: Keine Blutdrucksenkung, wenn Blutdruck bis 220 mmHg syst. oder 120 mmHg diastol., außer wenn hypertensive Organkomplikationen vorliegen. Behandlung einer Hypotonie <120 mmHg syst. mit Volumengabe, ggf. Katecholamine unter intensivmedizinischer Überwachung. * Sauerstoffzufuhr, Normokapnie anstreben. * Einstellung normoglykämischer Blutzuckerwerte: Zielwert bei Nicht-Diabetikern: 120 mg/ 100 ml. Zielwert bei Diabetikern: ≤170 mg/100 ml (Ausnahme lakunäre Infarkte.) * Kontrollierte Volumentherapie (Herzgröße, Lungenstauung, Dyspnoe, ZVD). * Physikalische Kühlung bei Temperatur >37,5° C. * Vermeidung von Sekundärkomplikationen: Bei Schluckstörungen ggf. parenterale Ernährung, Magensonde. Bei Aspirationsgefahr ggf. Tracheotomie (bzw. Intubation). Bei Bedarf antiemetische Therapie. Sturzprophylaxe. Thromboseprophylaxe mit „low dose“-Heparin (z. B. 2×5000 IE/d). 3
Definition
1133
Nachsorge * * *
Strenge Einstellung der Risikofaktoren. Rehabilitation. Spezielle Nachsorgeuntersuchungen, z. B. duplexsonographische Kontrolluntersuchungen der hirnversorgenden Gefäße.
Bewertung Mit Ausnahme der Basistherapie gibt es keine allgemeine Schlaganfallstherapie, da sich die notwendigen therapeutischen Maßnahmen bei den verschiedenen Schlaganfallsformen völlig unterscheiden.
gesichert *
Lysetherapie. Konzept der akuten Stroke Unit-Versorgung: Früher Therapiebeginn mit allen Schritten der Basistherapie (s. u.): Intensives Monitoring, rasche Therapie von Komplikationen und früher Mobilisation [1].
Hirninfarkt, intrazerebrale Blutung, arachnoidalblutung.
3
*
Sub-
Prognose Mortalität des akuten Schlaganfalles: 15–50%. Schlaganfälle insgesamt sind die häufigste Ursache für eine bleibende Behinderung in den Industrienationen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Protektive Wirkung durch: * Regelmäßige sportliche Betätigung.
S
3
3
1134 * *
*
Schleudertrauma der Halswirbelsäule
Cholesterinarme Ernährung. Insgesamt erniedrigtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen durch sog. mediterranen Ernährungsstil mit großem Anteil vegetativer Nahrungsbestandteile und Fischspeisen. Regelmäßiger Konsum kleiner Alkoholmengen (widersprüchliche Studienergebnisse).
Literatur 1. Jorgensen HS, Kammersgaard LP, Nakayama H, Raaschou HO, Larsen K, Hubbe P, Olsen TS (1999). Treatment and rehabilitation on a stroke unit improves 5-year survival. A communitybased study. Stroke 30 (5):930–3.
Ebenen oder MRT der HWS nur bei pathologischem klinischem Befund.
Therapie Eine Immobilisierung, auch die Verordnung eines Schanzkragens ist in der Regel überflüssig, kann Chronifizierung fördern. Sinnvoll ist eine zeitlich befristete Analgesie, z. B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika, sowie Gabe von Muskelrelaxantien und physikalischen Maßnahmen (Wärme, Massagen), nachfolgend aktive Bewegungs- und Lockerungsübungen. Wichtig ist die konsequente psychische Führung mit nur kurzfristiger Krankschreibung.
Prognose
Schleudertrauma der Halswirbelsäule Synonyme
Die mittlere Rückbildungszeit für alle Schweregrade liegt bei etwa 4 Wochen. Frauen, hohes Lebensalter, lokale Schmerzhaftigkeit der HalsNackenmuskulatur, sowie Kopfschmerzen sind prognostisch ungünstige Faktoren, entscheidend ist die frühe gezielte Behandlung.
HWS-Schleudertrauma, HWS-Distorsion
Literatur Definition Muskelkaterartige Nackenschmerzen und eine muskuläre bzw. bindegewebige „Nackensteife“ treten typischerweise mit einer Latenz von Stunden nach einer HWS-Distorsionsverletzung auf und klingen über Tage bis Wochen ab. Dabei spielen das Schmerzerleben und die Verarbeitung des Unfallereignisses sowie andere erlebnisreaktive Momente die entscheidende Rolle. HWS-Distorsionsverletzungen zählen zu den häufigsten entschädigungspflichtigen Unfallfolgen, typischerweise nach Pkw-Auffahrunfall. Nationale Unterschiede weisen auf die Bedeutung gesetzlicher Regelungen hin. Dabei sind 90–95% aller Verletzungen leichten Grades. Knöcherne Verletzungen (Vorderkantenabsprengungen, Wirbelgleiten) oder nervale Läsionen durch traumatischen Diskusprolaps, Zerrung des Plexus brachialis oder ein transientes „thoracic outlet“-Syndrom bei relativer Enge der Skalenuslücke sind extrem selten. Bei halbseitigem Schmerz und Hirnnervenausfällen ist eher an die Dissektion hirnversorgender Gefäße zu denken.
1. Alexander MP (1998). In the pursuit of proof of brain damage after whiplash injury. Neurology; 51:336–340 2. Castro WHM, Meyer SJ, Becker MER, Nentwig CG, Hein MF, Ercan BI, Thomann S, Wessels U, Du Chesne AE (2001). No stress – no whiplash? Prevalence of „whiplash“ symptoms following exposure to a placebo rerar-end collision. Int J Legal Med 114:316–322 3. Chung YS, Han DH (2002). Vertebrobasilar dissection: A possible role of whiplash injury in its pathogenesis. Neurol Res 24:129–138 4. Ferrari R, Schrader H (2001). The late whiplash syndrome: a biopsychosocial approach. J Neurol Neurosurg Psychiatry; 70:722–726
Schluckstörung Synonyme Dysphagie
Definition Unfähigkeit den Schluckakt auszuführen.
Einleitung Diagnostik Anamnese und Fremdanamese, neurologische Untersuchung. Röntgenaufnahmen in zwei
Zur suffizienten Durchführung des Schluckakts ist das koordinierte Zusammenspiel von Larynx, Pharynx und Zunge notwendig, das
Schmetterlingsgliom
Lanzenstich- oder blitzartige Schmerzen, z. B. bei Tabes dorsalis, Hinterwurzelschädigungen oder paraneoplastischer sensibler Neuronopathie.
Schmerz, Muskel (Myalgie) 3
Vorgehen bei klinischem Verdacht auf eine Schluckstörung: * Differenzierte Schluckuntersuchung durch geschultes Personal (Logopäde). * Keine orale Nahrungszufuhr. * In der Aktuphase: Parenterale Ernährung (peripher- oder zentralvenös). * So früh wie möglich: Enterale Ernährung mittels nasogastraler Sonde ggf. im Verlauf PEG-Anlage. * Bei schwerer Schluckstörung mit Gefahr der Aspiration trotz Nahrungskarenz (Speichelaspiration) ggf. endotracheale Intubation sowie langfristig Tracheotomie zu erwägen. * Beginn einer Schlucktherapie (Schlucktraining durch Stimulationsübungen, Dysphagiekost).
Schmerz, lanzinierender 3
durch Steuerungszentren im Hirnstamm und Großhirn reguliert wird. Durch verschiedene Ursachen kann es zu einer Schädigung dieses Funktionskreises kommen: * Läsion des Schluckzentrums durch Hirnstammsyndrome und Großhirnsyndrome unterschiedlicher Genese (ischämisch, entzündlich). * Sekundär im Rahmen von Bewußtseinsstörungen. * Syringobulbie. * Läsionen von Nerv und Muskel: Motoneuronerkrankungen: Bulbärparalyse, Pseudobulbärparalyse. * Lokale Störungen: Tumoren, u. v .m.
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Myalgie
Schmerz, pseudoradikulärer Insbesondere in Zusammenhang mit Erkrankungen der Wirbelsäule bzw. des Bewegungsapparates kann es zum Auftreten ausstrahlender Schmerzen kommen, die nicht exakt einem Dermatom zu zuordnen sind. Sie beschränken sich in der Regel auf den Schultergürtel-Oberarmbereich bzw. den Beckengürtel-Oberschenkelbereich und müssen differenzialdiagnostisch von radikulären Schmerzen abgegrenzt werden.
Schmetterlingsgliom Synonyme Balkengliom
Schmerz, Armschmerz Armschmerz
3
Schmerz, gürtelförmiger Leitsymptom bei thorakalen Nervenwurzelläsionen. 3
Interkostalneuralgie
3
Radikulopathie, diabetische
Definition Schmetterlingsgliom ist ein klinischer Terminus für maligne Gliome, überwiegend Glioblastome, die sich über den vorderen oder hinteren Balken „schmetterlingsförmig“ in beide Hemisphären ausdehnen.
Therapie Aus klinischer Sicht ist dieses Tumorwachstum bedeutsam, da dann in aller Regel ein operatives Vorgehen nicht sinnvoll ist und da die Prognose noch ungünstiger als bei einem malignen Gliom ohnehin schon ist. Bei Patienten unter 65 Jahren ist eine Histologiegewinnung sinnvoll, da selten der Nachweis pathologischer Varianten, z. B. oligodendroglialer Tumoren, bessere Therapieoptionen eröffnet.
S
1136
Schmidt-Syndrom
empirisch Das typische (astrozytäre) Schmetterlingsgliom wird mit 60 Gy bestrahlt, falls die klinische Situation nicht bereits desolat ist.
entspricht das klinische Bild einem symmetrischen Manifestationstyp mit distalen, vorwiegend sensiblen Defiziten. Initialsymptom ist meist eine Taubheit an Finger- und Zehenspitzen. Die Symptomatik beschränkt sich meist auf Hände und Füße. Subakute, aufsteigende motorische Defizite kommen auch vor.
Schmidt-Syndrom Diagnostik Definition Hirnstammsyndrom im Bereich der lateralen Medulla oblongata (Benennung nach Erstberschreiber).
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch den Verschluss kleinerer, den kaudalen Hirnstamm penetrierender Gefäßes zu einer Läsion im Bereich der lateralen Medulla oblongata mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral sensomotorische Hemiparese. * Ipsilateral Gaumensegel- und Schlundlähmung, Stimmbandparese, Parese der Nervi accessorius und hypoglossus.
Elektrophysiologisch findet sich eine axonale Polyneuropathie.
Therapie Wie bei allen toxischen Polyneuropathien besteht das Grundprinzip der Therapie in einem raschen Weglassen der Noxe. Typisch für die Hexacarbonschädigung ist die anfänglich noch weitere Progredienz über 1–4 Monate nach dem Weglassen der Substanz.
Literatur 1. Schaumburg HH, Berger AR (1993) Human toxic neuropathy due to industrial agents. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral Neuropathy. W. B. Saunders Company, Philadelphia, pp 1533–1548.
Diagnostik Therapie Hirninfarkt
3
Nachsorge Hirninfarkt
3
Prognose Hirninfarkt, abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
Schönlein-Henoch-Purpura Synonyme Schoenlein-Henoch-Syndrom, rheumatoide Purpura, Immunkomplexpurpura, Purpura Schoenlein-Henoch
Definition 3
Kernspintomographie.
Purpura, Schönlein-Henoch-Purpura.
Schreibkrampf und andere Dystonien der Hand
3
Synonyme
Schnüffeln, Polyneuropathie
Graphospasmus, Mogigraphie, Beschäftigungskrämpfe
Definition Toxische Neuropathie, die durch das „Schnüffeln“ von Lösungsmitteln wie Hexacarbon, z. B. aus Klebstoffen, ausgelöst wird.
Einleitung Wie bei den meisten toxischen Neuropathien
Definition Aktionsinduzierte fokale Dystonie der Hand, die beim Schreiben auftritt. Tritt die Symptomatik ausschließlich beim Schreiben auf, handelt es sich nach der Einteilung von Sheehy und Marsden [4] um einen
Schreibkrampf und andere Dystonien der Hand
Einleitung Es ist sinnvoll die Dystonie der Hand mit den Zusätzen fixiert, in Ruhe auftretend nicht fixiert und aktionsinduziert zu beschreiben. Durch sekundäre Veränderungen im SehnenMuskelapparat fixierte und in Ruhe bestehende Handdystonien treten in der Regel bei generalisierten Dystonien mit Beginn im Kindesalter oder bei symptomatischen Formen auf. Aktionsinduzierte Dystonien wie der Schreibkrampf treten im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter auf. Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen. Aufgrund von Verlaufsuntersuchungen (Progression vom einfachem zum dystonen Schreibkrampf), von Ähnlichkeiten zu der idiopathischen Torsionsdystonie mit Beginn im Kindesalter und aufgrund des Auftretens von Zeichen, die auch bei anderen Basalganglienerkrankungen beobachtet werden, schlossen die Autoren (Sheehy und Marsden, 1982), dass der einfache Schreibkrampf eine fokale Dystonie darstellt [5]. Remissionen kommen kaum vor. Das Erlernen des Schreibens mit der anderen Hand führt bei etwa 25% Patienten nach 5 Jahren zu einem ähnlichen Schreibkrampf auch auf der Gegenseite. Der einfache Schreibkrampf stellt nur eine Variante einer praktisch endlosen Liste von Beschäftigungskrämpfen dar. Hierzu findet man in einem Lehrbuch der Nervenheilkunde von Oppenheim aus dem Jahre 1911 [3] eine noch heute gültige Definition: „Unter Beschäftigungskrampf verstehen wir eine Innervationsstörung der Muskulatur, welche sich nur bei einer bestimmten komplizierten, durch Übung erworbenen Tätigkeit derselben einstellt, während die Muskeln bei jeder anderen Tätigkeit dem Willen gehorchen.“ Damals wurde der Schreibkrampf als eine „Erschöpfungsneurose“ interpretiert, so wie auch die anderen von Oppenheim [4] beschriebenen „Beschäftigungskrämpfe“: Klavierspieler-, Violinisten-, Flötisten-, Cellisten-, Näherinnen-, Telegraphisten-, Schneider- Zigarrenwickler-, Uhrmacher-, Melker-, Schmiede- und Tänzerinnenkrampf.
Diagnostik Der Schreibkrampf, bei dem es zu ausgeprägten dystonen Haltungen kommt, bereitet keine diagnostischen Schwierigkeiten. Entweder verkrampfen sich einzelne Muskelgruppen gleich, wenn der Stift in die Hand genommen wird oder erst nach einer Weile des Schreibens. Man kann Spasmen vom Flexoren- oder Extensorentyp unterscheiden, die einzelne Finger, den Daumen bis zur ganzen Hand erfassen. Wenn die Kokontraktion sehr ausgeprägt ist, heben sich Flexion und Extension gegenseitig auf und die Schreibhaltung kann fast normal sein. Hierbei ist der Krafteinsatz jedoch auffällig. Die Schulter-Armmuskulatur kann kompensatorisch in Mitleidenschaft gezogen sein. Beim Extensoren-Typ abduzieren diese Patienten den Arm und elevieren den Ellenbogen. Schwierig ist die Beurteilung des „inhibitorischen“ Schreibkrampf-Typs. Am ehesten berichten die Patienten von einer Schreibhemmung, die manchmal mit Steifigkeit oder Schmerzen einhergeht. In diesem Fall ist für den außenstehenden Beobachter wenig sichtbar. Das Schriftbild ist oft nicht beeinträchtigt. Tremor kommt hier wie bei den anderen Dystonien vor. Ferner gibt es aber noch einen sogenannten Schreibtremor (und andere beschäftigungsspezifische Tremores), der manchmal schwierig von einem essentiellen Tremor-Syndrom ( Tremor, essentieller) abzugrenzen ist und von einigen als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben wird. Man hat in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit mehr auf andere Beschäftigungskrämpfe gerichtet. Pianisten-, Geiger-, Schlagzeugerkrampf in der Hand können genauso wie aktionsinduzierte Mundkrämpfe bei Bläsern zur Berufsunfähigkeit führen und werden von einigen Autoren als fokale Dystonien interpretiert. Die Differenzialdiagnose zu Überlastungssyndromen ist gerade bei Musikern und Sportlern schwierig. Die Beratung ist für die betroffenen Individuen von Bedeutung, zumal Pianisten sich wegen der Bewegungsstörung manchmal fälschlicherweise handorthopädischen Eingriffen unterziehen lassen [1]. Bei Golfspielern wurde kürzlich ein Zittern, Zucken oder Verkrampfen der dominanten Hand untersucht, welches beim Putten (letzter Stoß vor dem Loch auf dem Green) auftritt und unter den Spielern als das „Yips“ schon sei langem bekannt ist. Ähnlich wie bei anderen fokalen Dys3
einfachen Schreibkrampf, ist sie aktionsinduziert und kommt auch bei anderen Handtätigkeiten vor, spricht man von einem dystonen Schreibkrampf.
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S
Schulter, lose
tonien versuchen die Spieler das Problem mit Tricks zu umgehen. Testbatterien ergaben auch hier wie bei einer entsprechenden Untersuchung von Schreibkrampfpatienten keine Hinweise für psychopathologische Auffälligkeiten im Vergleich zu einer angepassten Kontrollgruppe.
Therapie Nennenswerte therapeutische Alternativen außer Ergotherapie zur lokalen Botulinumtoxin Behandlung gibt es kaum, wenn auch größere Studien über die Behandlung mit lokalen Botulinumtoxin-Injektionen nicht vorliegen. Man kann den Patienten vorschlagen, das Schreiben mit der anderen Hand zu erlernen, wobei jeder Vierte nach fünf Jahren einen Schreibkrampf auf der Gegenseite entwickeln wird. Ein Korken, der den Umfang des Schreibgerätes vergrößert, oder ein Schreibgerätehalter, der die Hand in eine veränderte Schreibhaltung bringt, werden von einigen Patienten als hilfreich empfunden. Anticholinergika oder andere zentral wirksame Medikamente sind nicht zu empfehlen, da die unerwünschten Effekte in keinem Verhältnis zu ihrem marginalen Nutzen stehen. In einer größeren Langzeitstudie profitierten etwa 81% der Schreibkrampf-Patienten von einer der initialen Botulinumtoxin-Behandlungen. Von 37 Schreibkrampfpatienten gaben im Verlauf von zwei Jahren jedoch 24 Patienten wegen langer Anreisewege oder Unzufriedenheit mit der erwünschten Wirkung die Therapie auf [3]. Im Rahmen der Botulinumtoxin-Behandlung ist die richtige Balance zwischen Reduktion der dystonen Spasmen und Schwächung der Muskulatur in der Hand beim Schreibkrampf besonders kritisch, während eine gewisse Schwächung der Nackenmuskeln von Patienten mit zervikaler Dystonie meist nicht wahrgenommen wird. Eine vorübergehende Schwächung der Muskulatur muss einkalkuliert werden, um eine Reduktion der Spasmen zu erzielen. Da bei den Dystonien im Arm-Hand-Bereich oft ein auslösender Faktor eruierbar ist, werden die überaktiven Muskeln am besten bei der Ausübung der provozierenden Tätigkeit, klassisch beim Schreiben, identifiziert. Die Botulinumtoxin-Injektion sollte zur exakten Identifikation des Muskels unter simultaner EMGKontrolle erfolgen. Da eine injektionsbedingte
Parese in der Hand sehr schnell zu einer schwereren Behinderung führen kann als die Dystonie selbst, sollte die Therapie sehr vorsichtig mit initial geringen Botulinumtoxin-Dosen durchgeführt werden. Gelegentlich sind die Patienten über die Dystonie hinaus durch sekundäre Schmerzen in der Hand und im Unterarm behindert, die sich durch die Behandlung sehr gut beeinflussen lassen. Das Schriftbild kann nach eigenen Erfahrungen in vielen Fällen gebessert werden. Eine exaktere Titrierung des gewünschten Effektes, wenn auch sehr aufwendig bei Patienten mit langen Anreisezeiten, erreicht man, wenn die überaktiven Muskeln schrittweise alle zwei Wochen mit steigenden BotulinumtoxinDosen infiltriert werden. Patienten mit lokalisierten Spasmen und abnormen dystonen Haltungen in Ruhe sind leichter zu behandeln als solche mit nicht lokalisierten Spasmen. Im Allgemeinen gilt, dass je weniger tätigkeitsspezifisch die Dystonie ist, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Musikerkrämpfe werden daher selten eine Indikation darstellen, sofern sie nicht ausgesprochen lokalisiert sind.
Literatur 1. Fry HJH (1989). Overuse syndromes in instrumental musicians. Sem Neurol 9: 136–145. 2. Karp BI, Cole RA, Cohen LG et al. (1994). Longterm botulinum toxin treatment of focal hand dystonia. Neurology 44: 70–76. 3. Oppenheim H (1911). Über eine eigenartige Krampfkrankheit des kindlichen und jugendlichen Alters (dysbasia lordotica progressiva, dystonia musculorum deformans). Neurol ZBL 30: 1090– 1107. 4. Oppenheim H (1913). Lehrbuch der Nervenkrankheiten. S. Karger, Berlin 6. Aufl. 902, 1681–1689. 5. Sheehy MP, Marsden CD (1982). Writers' cramp a focal dystonia. Brain 105: 461–480.
Schulter, lose 3
1138
Fazioskapulohumerale (FSHD)
Muskeldystrophie
Schulteramyotrophie, neuralgische
Schulter, Nervenläsionen Definition Läsionen der Nerven im Schulterbereich beeinträchtigen die Funktion des Schultergürtels. Zu diesen Nerven gehören der Nervus accessorius (obwohl eigentlich ein Hirnnerv, ist er für die Schulterfunktion bedeutsam), der Nervus axillaris, der Nervus thoracicus longus, der Nervus suprascapularis (Nervus supraspinatus), der Nervus dorsalis scapulae, der Nervus thoracodorsalis und die Nervi pectorales. Zu den klinischen Ausfällen und zur Therapie siehe bei den einzelnen Nerven. 3
3
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Schulter-Arm-Syndrom
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und als idiopathisch bezeichnet werden muss. Ein vergleichbares Krankheitsbild kann serogenetisch, postvakzinal, postinfektiös oder autoimmun bedingt sein. Die idiopathische neuralgische Schulteramyotrophie ist die häufigste Ursache einer entzündlichen Armplexusparese.
Einleitung Klinisch stehen zunächst die starken, quälenden Schmerzen mit akutem Beginn im Vordergrund. Nach spontanem Abklingen kommt es innerhalb von Stunden zu Paresen, meist im Versorgungsgebiet des oberen Armplexus. Betroffen sind häufig der M. serratus anterior, der M deltoideus und die Mm. supra- und infraspinatus. Sensible Störungen sind meist nur gering. Gelegentlich tritt die neuralgische Schulteramyotrophie bilateral auf.
Diagnostik
Unspezifische Bezeichnung für Schmerzen im Bereich der Schulter- und/oder Armregion, deren Ätiologie mannigfaltig ist. Sie reicht u. a. von zervikalen Diskushernien ( Hernie/ Herniation, Diskushernie) und degenerativen HWS-Veränderungen oder Raumforderungen über Plexusläsionen und die Periarthropathia humeroscapularis bis hin zu Nervenläsionen an Schulter oder Arm (z. B. Kompressionssyndrome wie Kompression des Nervus supraspinatus, Karpaltunnelsyndrom, Supinatorlogensyndrom (Nervus interosseus posterior, Läsion), Pronator-teres-Syndrom) oder sogar vaskulären Ursachen. 3
3
3
3
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Therapie Die Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung.
Schulteramyotrophie, neuralgische
Diagnostisch entscheidend ist der Ausschluss einer Wurzelläsion (Klinik, EMG), einer Raumforderung im Bereich des Plexus brachialis (im Zweifel NMR), einer Borreliose (Liquor) oder einer orthopädischen Erkrankung.
Therapie Eine kausale Therapie existiert nicht. Symptomatisch wird mit Schonung, Antiphlogistika (z. B. Diclophenac) und gegebenenfalls bei stärkeren Schmerzen mit Kortikosteroiden (z. B. Prednisolon 100 mg/die, über 2 Wochen ausschleichend beenden) behandelt. Analgetika sind oft nicht ausreichend wirksam. Frühzeitig sollte auch Physiotherapie zur Vermeidung einer Kontraktur des Schultergelenkes erfolgen. empirisch In Einzelbeobachtungen wurde über eine erfolgreiche Therapie mit hochdosierten intravenösen Immunglobulinen berichtet. Möglicherweise handelte es sich hier aber auch um atypische Formen einer chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie [1]. 3
Definition
Synonyme
Prognose
Idiopathische Armplexusneuritis, serogenetische Polyneuritis
Die Prognose ist in der Regel gut. Die Rückbildung kann aber Jahre dauern. Rezidive sind selten (<10%).
Definition Akut auftretender, Tage bis Wochen anhaltender Schulterschmerz mit nachfolgenden Paresen, dessen Ätiologie nicht definitv geklärt ist
Literatur 1. Amato AA, Jackson CE, Kim JY, Worley KL (1997) Chronic relapsing brachial plexus neuro-
S
1140
Schulteramyotrophie, neuralgische
Schwerhörigkeit, Innenohrschwerhörigkeit. Abb. 1: Stimmgabelversuche nach Weber und Rinne
Schwerhörigkeit, Leitungsschwerhörigkeit pathy with persistent conduction block. Muscle Nerve 20, 1303–1307.
1141
dungsschwerhörigkeit, Sensineurale Schwerhörigkeit
Definition
Neurinom
Die Ursache einer sensineuralen Schwerhörigkeit lieg entweder im Innenohr (sensorische Schwerhörigkeit) oder im Hörnerv (neurale Schwerhörigkeit). Die wichtigste und häufigste Ursache ist die Presbyakusis, da mehr als 1/3 aller Personen ab 75 Jahren betroffen ist.
Schwannome, Nervenwurzel
Einleitung
Schwannome
Neurinom, intradurales extramedulläres, Neurofibromatose Typ 2, Klinik
3 3 3
Schwerhörigkeit, Akustikusneurinom Einleitung Eine langsam progrediente Hörminderung und Störung der Sprachdiskrimination ist das häufigste Erstsymptom bei Akustikusneurinomen [1]. Allerdings können diese Tumoren auch durch einen Hörsturz, Tinnitus, Vertigo und im Verlauf durch eine Beteiligung des ipsilateralen Nervus trigeminus und Nervus facialis symptomatisch werden.
Diagnostik Audimetrie, Ableitung akustisch evozierter Potentiale und CCT können hilfreich sein. Die diagnostische Methode der Wahl ist jedoch das Kernspintomogramm.
Therapie Akustikusneurinom.
3
Literatur 1. Sepehrnia A (1998). Tumoren der Hirnnerven. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 249–265.
Schwerhörigkeit, Innenohrschwerhörigkeit
Therapie Je nach zugrunde liegender Ursache ergeben sich verschiedene Therapiekonzepte, wobei die Prognose der Innenohrschwerhörigkeit meist schlechter ist als bei der Leitungsschwerhörigkeit. Symptomatisch erfolgt eine Anpassung eines Hörhilfe durch einen HörgeräteAkustiker.
Schwerhörigkeit, Leitungsschwerhörigkeit Definition
Synonyme Perzeptionsschwerhörigkeit,
Eine Differenzierung von Innenohr- und Leitungsschwerhörigkeit kann durch die Stimmgabelversuche nach Weber und Rinne erfolgen (vgl. Abb. 1). Mit folgenden Tests kann zwischen einer sensorischen und neuralen Störung unterschieden werden: Recruitment (Lautheitsausgleich): Bei zunehmende Lautstärke nimmt die Differenz zwischen gesunden und krankem Ohr ab (z. B. beim M. Menière). Bei gleicher Differenz liegt eine retrocochleäre Störung vor (z. B. Akustikusneurinom). Schwellentonabnahme (abnormale Höradaption): Bei einer cochleären Störung wird ein überschwelliger Ton als langsam abnehmend wahrgenommen, während dies bei einer retrocochleären Läsion nicht der Fall ist. Sprachdiskriminierung: Bei einer retrocochleären Läsion ist die Unterscheidung von einsilbigen Worten (z. B. sein vs. Schein, kühn vs. grün) deutlicher erschwert als bei einer cochleären.
Schallempfin-
Die Schallleitungsschwerhörigkeit entsteht im
S
1142
Schwermetalle, Kleinhirnschädigung
äußeren Ohr bzw. im Mittelohr (Mittelohrschwerhörigkeit).
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Zur symptomatischen Therapie, Polyneuropathie. 3
Differenzialdiagnose Die wichtigsten Ursachen einer Mittelohrschwerhörigkeit sind die Otosklerose, die eitrige Otitis media und traumatische Längsfrakturen der Pyramide [1]. 3
Literatur
Schwindel Definition
1. Nadol JB. Hearing loss. NEJM 1993; 329:1092– 1102.
Schwermetalle, Kleinhirnschädigung Einleitung Ähnlich wie Alkohol können Schwermetalle und Lösungsmittel zu einem reversiblen oder irreversiblen zerebellären Syndrom mit Gangund Standataxie, Dysarthrie und Störungen der Okulomotorik führen. Wichtigste therapeutische Maßnahme in solchen Fällen ist die sofortige Beendigung der Exposition.
Therapie Bei chronischer Schwermetallintoxikation sollte ein Therapieversuch mit einem geeigneten Chelatbildner durchgeführt werden.
Man unterscheidet einen systematischen Schwindel mit Fehlwahrnehmung von Bewegung der Außenwelt oder des eigenen Körpers (rotatorisch – Drehschwindel, linear – Liftschwindel) von einer unsystematischen Schwindelwahrnehmung (Pseudovertigo) mit Schwarzwerden vor den Augen, Benommenheitsgefühl, Gangunsicherheit und Sehstörungen.
Differenzialdiagnose Zur Unterscheidung zwischen Vertigo und Pseudovertigo siehe Tab. 1.
Schwindel (Vertigo), Dauerschwindel Definition Im Gegensatz zur paroxysmalen Schwindelattacke ist ein Dauerschwindel von einer Symptomatik über Stunden bis Tage gekennzeichnet
Differenzialdiagnose
Schwerpunktpolyneuropathie
Einen differenzialdiagnostischen zeigt Tab. 1.
Definition Asymmetrische Polyneuropathieform, bei der neben einer distal-symmetrischen Neuropathie zusätzliche Ausfälle einzelner Nerven bestehen und damit zu einem asymmetrischen Extremitätenbefall führen.
Überblick
Schwindel (Vertigo), Höhenschwindel
Diagnostik
Synonyme
Häufige Ursachen einer Schwerpunktpolyneuropathie sind u. a. Diabetes mellitus, Vaskulitiden, Borreliose, andere entzündliche infektiöse oder parainfektiöse Polyneuropathien, Kollagenosen, Paraproteinämien oder auch die Blei-Polyneuropathie.
Physiologischer Schwindel
Definition Beim Höhenschwindel führt das Fehlen der üblichen Fixationspunkte zur Schwindelwahrnehmung.
3
3
3
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Schwindelattacken
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Schwindel. Tab. 1: Differenzialdiagnose von Vertigo und Pseudovertigo
Leitsymptome
Vertigo
Pseudovertigo
Bewegungswahrnehmung (Rotation, auf und ab, Ziehen in eine Richtung, Schwanken wie auf einem Schiff)
Benommenheit, Unsicherheit, Schwanken
Begleitsymptome Nausea, Übelkeit, Brechreiz, Blässe, Schwarzwerden vor Augen, Angst, Schwitzen, Gangunsicherheit, Oszillop- Luftnot, Übelkeit (kein Erbrechen) sien, Sehstörung bei Nystagmus, Stürze, Hörstörung Auslöser
Bewegung (Drehung, Gehen, Aufrichten) Orthostase, bestimmte Situationen von Kopf oder Körper (Agoraphobie, Klaustrophobie), Streß/ Konfliktsituationen
Schwindel (Vertigo), Kindheit, gutartiger paroxysmaler
Therapie empirisch
Definition Der gutartige paroxysmale Schwindel im Kindesalter fällt unter die Gruppe der migränösen Störungen ohne Kopfschmerzsymptomatik.
Einleitung Diese Episoden treten periodisch bis zum Erwachsenenalter auf und verursachen akuten Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen, z. T. auch mit Nystagmus.
Diagnostik In der kalorischen Testung lässt sich die Untererregbarkeit eines oder beider Vestibularorgane nachweisen, während sich in der Posturographie ein pathologisches vestibuläres Muster finden lässt.
Die Therapie zielt zum einen auf die Identifizierung und Vermeidung von Migräne-Triggerfaktoren und die Verabreichung von Medikamenten zur Migräneprophylaxe (z. B. β-Blocker). Zum anderen sind Antihistaminika und Antiemetika sinnvoll [1].
Literatur 1. Cass SP et al. Migraine-related vestibulopathy. Ann Otol Rhinol Laryngol 1997; 106:182–189
Schwindelattacken 3
Idiopathische Drehschwindelattacken im Kindesalter
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel Menière-Erkrankung 3
Synonyme
Schwindel (Vertigo), Dauerschwindel. Tab. 1: Differenzialdiagnose des akuten Dauerschwindels Bezeichnung
Diagnostik
Akuter Vestibularisausfall
Kalorik
Labyrinthitis
Liquor, Borrelien/Virus-AK
Contusio labyrinthi
Anamnese
Relsenbeinfraktur
Radiologische Diagnostik
Zoster oticus
Otoskopie, Serologie
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1144
Scopolamin
Boro-Scopol® N Augentropfen, Scopoderm TTS® Transdermales Pflaster.
tritt die Blut-Hirnschranke und ist sehr gut plazentagängig. Die Werte für die Eliminationshalbwertzeit variieren stark (4,5–8 h). Scopolamin wird vorwiegend in der Leber metabolisiert und die Metaboliten (Gluconat, Sulfat) über die Niere ausgeschieden.
Wirkungen
Anwendungsgebiete
Scopolamin Gebräuchliche Fertigarzneimittel
Scopolamin hemmt die Wirkungen des Acetylcholins an muscarinischen cholinergen Rezeptoren wie Atropin. Somit besteht die Scopolaminwirkung in einer Hemmung der durch den Parasympathikus vermittelten Funktionen (parasympatholytische Wirkung). Periphere Wirkungen: Abnahme der Sekretion parasympathisch aktivierbarer Drüsen (Speichel-, Tränen-, Naso-pharyngealund Bronchialdrüsen, Magen, Pankreas) und der Schweißdrüsen. Abnahme des kontraktilen Tonus der glatten Muskulatur des Magen/Darm Traktes, der Harnblase (M. detrusor), der Bronchien (Bronchialmuskulatur) und des Auges (Ciliarmuskel und Sphinkter iridis). Die muscarinischen Rezeptoren im ZNS werden ebenfalls gehemmt. Scopolamin hat eine stark sedierende Wirkung, hemmt Symptome der Bewegungskrankheit und verschlechtert die Gedächtnisfunktion (amnestische Wirkung). Zentralnervöse depressorische Wirkungen sind in therapeutischen Dosen wesentlich stärker als bei Atropin, bei hohen Dosen treten auch zentrale Erregungen (Unruhe, Halluzinationen, Delirium) auf. Scopolamin ist ein hochaffiner selektiver Antagonist für die Gruppe muscarinischer Rezeptoren. Nikotinische Cholinoceptoren werden nur in ca. 1000fach höheren Konzentrationen beeinflusst.
Wirkungsverlauf Scopolamin wird p. o, i. m. und s. c. schnell und vollständig resorbiert. Auch durch die intakte Haut wird Scopolamin aufgenommen, wenn es in Form einer Pflasterzubereitung angewendet wird. Maximale Blutkonzentrationen werden bei p. o. Gabe nach ca. 60 min erreicht, die Wirkungsdauer beträgt ca. 4–6 h. Bei i. m. Injektion wird die maximale Konzentration nach ca. 10 min erreicht. Klinische Wirkungen wurden aber erst nach ca. 30 min beobachtet. Die Bioverfügbarkeit schwankt nach p. o. Gabe zwischen 10,7 und 48,2%. Bei transdermaler Anwendung werden therapeutische Wirkungen frühestens nach 4 h beobachtet. Die Wirkungsdauer eines Pflasters beträgt bis zu 72 h. Die Proteinbindung ist gering. Scopolamin durch-
Übelkeit und Erbrechen als Symptome der Bewegungskrankheit. Am Auge ist eine lokale Anwendung von Scopolamin indiziert, wenn eine langfristige Akkomodationslähmung oder Weitstellung der Pupille notwendig ist. Ansonsten sind kürzer wirkende Substanzen wie z. B. Homatropin oder Tropicamid besser geeignet. Bei Anwendung am Auge sind systemische Wirkungen möglich. Bei therapeutischer Anwendung gegen Übelkeit und Erbrechen als Symptome von Reise- bzw. Seekrankheit sind die auch bei p. o. Gabe auftretenden Wirkungen wie z. B. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Sedierung unerwünscht. Durch Verzögerung der Resorption mit transdermalen Systemen wurde versucht, die unerwünschten Wirkungen zu reduzieren und den therapeutischen Effekt zu erhalten.
Dosierung und Art der Anwendung Als Anticholinergikum für Erwachsene: i. m., i. v. oder s. c. 0,3–0,6 mg als Einzeldosis. Bei Kindern liegt die Dosis für eine anticholinerge Wirkung bei 0,1 mg (Säuglinge ab 4. Lebensmonat) bis 0,3 mg (Kinder von 8–12 Jahren) und für eine antiemetische Wirkung bei 0,006 mg/kg KG (Einzeldosis). In transdermalen Systemen werden Dosen von 1,5 mg angewendet, wobei ca. 0,5 mg/h freigesetzt werden. Am Auge beträgt die Dosis 1 Tr. einer 0,25%igen Lösung, indikationsabhängig 1–4mal/d.
Unerwünschte Wirkungen Die wichtigsten unerwünschte Wirkungen resultieren aus der spezifischen Hemmung peripherer und zentraler muscarinischer Rezeptoren: Erhöhte Herzfrequenz. Mundtrockenheit, Schluck- und Sprechbeschwerden. Obstipation. Miktionsstörungen. Warme, gerötete Haut. Benommenheit, Amnesie, Müdigkeit. Hautausschläge und Schleimhautreizungen kommen bei systemischer Gabe vor. Bei Pflasteranwendung ist mit lokalen Unverträglichkeitsreaktionen zu rechnen. Bei Anbringen des Pflasters im
Sedierung, Analgosedierung
Arrhythmien, Herzinsuffizienz, Refluxösophagitis, Stenosen im Magen/ Darmgebiet, Engwinkelglaukom (Erhöhung des Augeninnendrucks durch Mydriasis), Darmatonie, besonders bei alten Menschen, paralytischer Ileus, Myasthenia gravis.
Wechselwirkungen Verstärkung der Wirkung durch andere Arzneistoffe mit anticholinerger Wirkung wie z. B. Antihistaminika, Antidepressiva und Neuroleptika. Glukokortikoide (erhöhter Augeninnendruck). Antacida können die Resorption verlangsamen. Verminderung der Resorption von Ketoconazol. MAO-Hemmer (verstärkte anticholinerge Wirkung), Alkohol (verstärke zentrale Wirkung). Toxische Zeichen sind Fieber, Atembeschleunigung, Unruhe, paranoide Symptome, Halluzinationen. Im weiteren Verlauf Übergang in ZNS-Depression mit Koma, Herz-Kreislaufversagen und Tod. Der Cholinesterasehemmstoff Physostigmin kann als Antidot versucht werden, um zentrale und periphere Effekte zu antagonisieren.
Sedierung Definition Die Sedierung ist die medikamentöse Abschirmung des Körpers gegen körperliche und psychische Stressfaktoren durch sedierend wirkende Medikamente. Diese wirken trotz verschiedener Angriffspunkte allgemein dämpfend auf das Zentralnervensystem, in hohen Dosen narkotisch. Die Sedierung dient zur allgemeinen Beruhigung, Dämpfung von Angstzuständen (Anxiolyse) sowie zur Prämedikation und zur Hemmung postsynaptischer Reflexe.
Grundlagen Die Sedierung erfolgt bei Unruhezuständen, kurzen diagnostischen Eingriffen, zur Senkung des Sauerstoffverbrauches bei Sepsis, akutem
Sedierung, Analgosedierung Definition Zur Analgosedierung werden entweder Pharmakonkombinationen aus analgetischen und sedierenden Medikamenten eingesetzt oder Substanzen verwendet, die gleichzeitig beide Eigenschaften, nämliche die Analgesie und die Sedierung in sich vereinen. Als Substanzen werden Opioide allein und in Kombination mit Benzodiazepinen oder Neuroleptika sowie Ketamin eingesetzt. 3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Lungenversagen und akuter Herzinsuffizienz und auch im Rahmen der Hirndrucktherapie. Eine ideale Sedierung sollte einen schnellen Wirkungseintritt haben, eine gute Steuerbarkeit besitzen, keine pharmakologischen Veränderungen des Elektrolyt-/Säure-Basen- Haushaltes bewirken, möglichst keine immunsuppressiven, kardiodepressiven Effekte haben und keine Kumulation im Organismus. Zur reinen Sedierung werden Substanzen wie Propofol, Etomidate und γ-Hydroxybuttersäure sowie Neuroleptika, Benzodiazepine, Barbiturate und α-2-Agonisten eingesetzt. All diesen Substanzen ist gemeinsam, dass sie keinen analgetischen Effekt besitzen und daher im Rahmen einer Analgosedierung ( Sedierung, Analgosedierung) nur in Kombination mit einer analgetisch wirkenden Substanz eingesetzt werden. 3
Hals-Kopfbereich kann eine Anisokorie auftreten. Bei Beendigung einer längeren Anwendung von Scopolamin kann es zu Entzugserscheinungen mit erhöhter Reizbarkeit, Angstund Schlafstörungen kommen.
1145
Grundlagen Opioide stellen den Hauptanteil der auf der Intensivstation eingesetzten Analgetika dar. Morphin und seine Derivate (Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil) binden sich mit unterschiedlicher Affinität an Opiatrezeptoren im zentralen und auch peripheren Nervensystem. Allgemeine Nebenwirkungen der Opioide sind die emetische Wirkung, die spasmogene Wirkung auf Hohlorgane, die Obstipation und z. T. die Histaminfreisetzung. Bei Bolusgaben konnen kardiodepressive Effekte gesehen werden. Morphin als Ursprungssubstanz der Opioide wird nur noch selten in der Intensivmedizin eingesetzt. Morphin wird in einer Dosierung von 2–4 mg/h häufig in Kombination mit einem Sedativum oder Hypnotikum intravenös einge-
S
„Seesaw“-Nystagmus
setzt. Morphin wird in der Leber durch Konjugation mit Glukoronsäure verstoffwechselt, wobei eine Kumulation der Metaboliten bei Niereninsuffizienz möglich ist. Als Hauptnebenwirkung ist eine Histaminfreisetzung mit Vasodilatation zu beachten. Die Wirkpotenz und Steuerbarkeit ist schlechter als die der synthetischen Morphinderivate. Eine vorteilhafte Indikation ist die peridurale Anwendung, wobei bis zu 90% der Dosis eingespart werden kann. Fentanyl ist ca. 100–150 × stärker analgetisch wirksam als Morphin. Das Wirkmaximum ist bereits nach 5 min erreicht. Da es allerdings stark im Fettgewebe kumuliert, liegt die effektive Eliminationshalbwertszeit bei 1,5–5,5 h; die Steuerbarkeit der Substanz ist nicht optimal. Häufig erfolgt eine Kombination von Fentanyl mit Midazolam, DHB oder Propofol. Die Dosierung von Fentanyl beträgt als Bolusinjektion 0,1–0,2 mg und als kontinuierliche Infusion 0,05–0,4 mg/h. Sufentanil hat eine um den Faktor 1000 stärkere analgetische Potenz als Morphin. Die Steuerbarkeit der Substanz ist recht gut, die Eliminationshalbwertszeit liegt bei ca. 2,5 h. Außerdem hat die Substanz zusätzliche hypnotische Eingenschaften, was einen verminderten Bedarf an zusätzlichen Sedativa erklärt. Die Dosierung beträgt als Bolusinjektion 10–20 μg und als kontinuierliche Infusion 0,5–0,75 μg/kg und h. Alfentanil besitzt eine etwa 30fache analgetische Potenz im Vergleich zu Morphin. Die Anschlagszeit ist sehr kurz (1 min), ebenso die Wirkdauer, sodass sie gut zur Analgosedierung bei kurzen und schmerzhaften Eingriffen eingesetzt werden kann. Dosierung von Alfentanil beträgt als Bolusinjektion 0,5–1 mg und als kontinuierliche Infusion 0,5–2,5 mg/h in Kombination mit einem Sedativum. Remifentanil ist eine hochpotenter und subselektiver µ-Rezeptoragonist mit einer geringen Fettlöslichkeit und einer geringeren Proteinbindung sowie höheren Clearance als die anderen Morphine. Die Metabolisierung ist weitgehend unabhängig von der Leber- und Nierenfunktion und erfolgt über verschiedenen Plasmaenzyme. Die Substanz führt allerdings häufig zu kardiodepressiven Effekten, was bei vorbestehender Kreislaufinsuffizienz beachtet werden muss. Der große Vorteil ist die extrem kurze Wirkdauer und damit hervorragende Steuerbarkeit. Die Dosierung von Remifentanil beträgt als Bo-
lusinjektion 10 µg und als kontinuierliche Infusion 0,1–0,2 µg/kg und min. Ketamin ist ein Nichtopioid und ein Phenzyklidinderivat. Es hat analgetische und hypnotische Effekte und greift pharmakodynamisch am NMDA-Rezeptor an. Die Substanz führt zu einer dissoziativen Anästhesie, bei der die analgetischen Effekte die hypnotischen Effekte überdauern. Außerdem wird ein Zustand erzeugt, bei dem der Patieten sich von der Umgebung abgekoppelt fühlt, ohne dass ein Schlafzustand eingetreten ist. Unter einer Monotherapie mit Ketamin treten häufig Alpträume auf, sodass die Substanz mit einem Benzodiazepin kombiniert wird. Das eigentliche Ketamin als Razemat wird heute nicht mehr verwendet, vielmehr lässt sich durch die Verwendung des linksdrehenden Enantiomers Ketamin-S die Nebenwirkungsrate deutlich reduzieren. Ketamin führt auch zu einer Simulation des kardiovaskulären Systems und unterscheidet sich darin von den anderen Analgetika. Aus diesem Grund sollte Ketamin bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung nur beschränkt eingesetzt werden. Eine weiterer entscheidender Unterschied im Vergleich zu den Morphinen ist die bronchodilatative Wirkung, die einen Einsatz bei Asthmatikern besonders begünstigt, und die geringe Beeinträchtigung der Darmmotilität, eine übliche Nebenwirkung der Opioide. Die Dosierung von Ketamin-S beträgt als kontinuierliche Infusion 0,3–1 mg/kg und h in Kombination mit einem Sedativum.
„Seesaw“-Nystagmus 3
1146
Nystagmus
Segawa-Dystonie, dopasensitive Synonyme L-Dopa-empfindliche Dystonie, L-Dopa-responsive Dystonie, hereditär progressive Dystonie, hereditärer Dystonie-Parkinson-Komplex
Definition Besondere Form der Dystonie-Plus-Syndrome mit Beginn im Kindesalter und parkinsonähnlichen Symptomen, die hervorragend auf kleine
Seitelberger-Erkrankung
Dosen von L-Dopa oder Anticholinergika anspricht.
Einleitung Betonte Tagesfluktuationen mit Verschlechterung abends und nach körperlicher Belastung treten bei 75% der Patienten auf. Das Leiden betrifft vorwiegend Mädchen und beginnt als dystone Gangstörung mit eingeschränkten Stellreflexen im Kindesalter. Parkinson-Zeichen können im späteren Verlauf hinzukommen oder sogar überwiegen. Kinder mit einer LDopa-sensitiven Dystonie werden gelegentlich als Zerebralparese fehldiagnostiziert, obwohl sie unter L-Dopa praktisch symptomfrei werden. Bei jedem Kind mit einer dystonen („spastischen“) Gangstörung muss daher eine LDopa-sensitive-Dystonie durch einen Therapieversuch ausgeschlossen werden.
1147
man den Therapieversuch ab. Typischerweise reichen bei der klassischen L-Dopa-sensitiven Dystonie gleich zu Beginn kleine Dosen (<2× 100 mg L-Dopa) aus, um die Symptomatik fast vollständig zu koupieren. Bei Frauen, die schwanger werden wollen, ist ein Präparat mit Carbidopa als Decarboxylasehemmer im L-Dopa Präparat vorzuziehen (Benserazid in Madopar® ist wegen Störung des Knochenaufbaus kontraindiziert). Bei Beginn einer fokalen Dystonie im Erwachsenenalter lohnt sich ein L-Dopa-Therapieversuch kaum, es sei denn, es handelt sich um eine sekundäre Dystonie, etwa bei einem ParkinsonSyndrom.
Prognose Bei der typischen Form sind Verläufe über zwanzig Jahre bekannt ohne Wirkverlust von Dopa.
Diagnostik Die Diagnose liefert das ausgezeichnete Ansprechen auf L-Dopa. Der L-Dopa-responsiven Dystonie liegen meist Punktmutationen auf dem Gen (Chromosom 14q) für einen regulierenden Pteridin-Kofaktor zugrunde. Das Genprodukt greift in den Stoffwechsel von Tetrahydrobiopterin ein, der wesentlich ist in der Katecholamin-Synthese über die Tyrosin- und Tryptophan-Hydroxylase. Differenziert werden kann die klassische LDopa-sensitive Dystonie von einem autosomal-rezessiv vererbten 6-Pyruvoyl-Tetrahydrobiopterin-Synthesemangel aufgrund von biochemischen Untersuchungen und anderen sekundären Dystonien, die sich auf L-Dopa bessern, weil diese zusätzliche neurologische Symptomatik bietet.
Therapie gesichert Bei Dystonien mit Beginn vor dem 20. Lebensjahr wird zunächst eines der modernen L-DopaKombinationspräparate versucht. Damit wird die L-Dopa-sensitive Dystonie ausgeschlossen oder bestätigt. Außerdem profitieren von LDopa einige Patienten mit sekundärer Dystonie. Die Dosierung erfolgt einschleichend, um bei Verträglichkeit eine Tagesdosis von 3×200 mg L-Dopa zu erreichen (bei initialer Unverträglichkeit zusätzlich Domperidon 3×20 mg/die). Wenn nach 8 Wochen keine Besserung erzielt worden ist oder bei Verschlechterung, bricht
Seitelberger-Erkrankung Synonyme (Infantile) neuroaxonale Dystrophie
Definition Die Seitelberger-Krankheit ist eine autosomalrezessiv vererbte degenerative Enzephalopathie mit unbekanntem Genlocus, die mit der Ausbildung von Spheroidkörpern in mehreren Organsystemen und frühem Tod bis zum 10. Lebensjahr einhergeht (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *256600, http://www. ncbi.nlm.nih.gov/omim).
Einleitung Histologisch findet man geschwollene Axone mit verzweigt tubulären Strukturen und Bündeln von Nervenfilamenten mit Mitochondrien (sog. Spheroide oder Spheroidkörper) in der Haut, dem Plexus myentericus und den Konjunktiven. Neuropathologisch kann man sie v. a. im Pallidum, Hypothalamus, der Neurohypophyse und im Rückenmark nachweisen. Die Krankheit manifestiert sich in der Regel in der frühen Kindheit, sehr selten auch im jugendlichen Alter. Hauptsymptome sind muskuläre Hypotonie und abgeschwächte Muskeleigenreflexe, sowie mentale Retardierung. Weiterhin treten zerebrale Anfälle, Pendelnystagmus, Ke-
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1148
Seitelberger-Erkrankung
Semont-Manöver. Abb. 1: Schematische Darstellung des therapeutischen Lagerungsmanövers nach Semont: 1 In sitzender Ausgangsposition wird der Kopf um 45° zum nicht betroffenen Ohr gedreht. Die Teilchen befinden sich am Boden des posterioren Bogenganges. 2 Lagerung des Patienten zum betroffenen Ohr unter Beibehaltung der Kopfposition (1 Min): Dies löst eine Bewegung der Teilchen im Bogengang entsprechend der Schwerkraft aus und führt zu einem rotierenden, erschöpflichen Nystagmus zum unten liegenden Ohr. 3 Der Patient wird unter Beibehaltung der Kopfdrehung in raschem Schwung zum nicht betroffenen Ohr gekippt (1 Min), wobei nun die Nase nach unten zeigt. Jetzt bewegen sich die Teilchen zum Ausgang des Bogenganges. 4 Der Pat. richtet sich langsam auf und die Teilchen gelangen in den Utriculusraum, wo sie keinen Drehschwindel mehr auslösen können. (A, P, H = anteriorer, posteriorer, horoiziontaler Bogengang, CUP = Cupula, UT = Utriculus, RE = re. Auge, LE = li. Auge) Nach Brandt Th, Steddin S, Daroff RB (1994) Therapy for benign paroxysmal positioning vertigo, revisited. Neurology 44, 796–800
Sensibilität, Ausfälle
ratitis sicca mit reduzierter Tränenbildung, selten auch hypothalamischer Hypothyreoidismus und Diabetes insipidus auf.
1149
2. Grochowicki M et al. (1991) Homonymous horizontal sectoranopia: report of four cases. Br J Ophthalmol 75:624–8.
Diagnostik
Therapie Für die Seitelberger-Krankheit ist keine kausale Therapie bekannt.
Prognose Aufgrund der Progression der Erkrankung und fehlender kasusaler Therapieoption handelt es sich um eine letale Erkrankung.
Literatur 1. Ozmen M et al. (1991) Infantile neuroaxonal dystrophy: diagnosis by skin biopsy. Brain Dev 13:256–259.
Sektoranopsie, homonyme horizontale Definition Die homonyme horizontale Sektoranopsie ist ein symmetrischer Gesichtsfeldausfall, der keilförmig um die horizontale Mittellinie auftritt.
Einleitung Die homonyme horizontale Sektoranopsie kann auftreten bei Ischämien im Versorgungsgebiet der A. choroidea posterior [1], postoperativ oder mit traumatischer Genese [2].
Gedächtnis
Semont-Manöver Synonyme Deliberationsmanöver
Definition Das Semont-Manöver ist eine therapeutische Maßnahme beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel mit dem Ziel, das abgelöste Material der Otolithen aus dem hinteren Bogengang zu entfernen. 3
nachweisen. Häufig findet man eine zerebelläre Atrophie in der CT oder MRT. Durch eine Hautbiopsie kann die Diagnose gesichert werden [1].
Sekundengedächtnis 3
Bei allen Patienten läßt sich in der neurophysiologischen Diagnostik die Trias aus 1. pathologischer Spontanaktivitat im EMG bei normaler motorischer und sensibler Nervenleitgeschwindigkeit, 2. einer 18–24 Hz Schlaf- und Wachaktivität im EEG und 3. deformierten oder fehlenden visuell und somatosensorisch evozierten Potentialen
Grundlagen Wichtig bei der Durchführung des Semont-Manövers sind schnelle (<1 sec) und energisch durchgeführte Bewegungen. Bei einigen Patienten ist daher eine antiemitische und sedative Prämedikation sinnvoll. Startposition ist der aufrecht sitzende Patient mit 45° Kopfrotation zum nicht betroffenen Ohr. Dann erfolgt eine Seitwärtslagerung um 105° zur betroffenen Seite, in der der Patient für 3 min oder mindestens bis zum Sistieren des Nystagmus verbleibt. Anschließend wird der Patient um 195° zur entgegengesetzten Seite gelagert. Nach mindestens 3 min wird der Patient in die Ausgangslage aufgerichtet.
Sensibilität, Ausfälle Definition Sensibilitätsstörungen können die Oberflächensensibilität (Hypästhesie, Hypalgesie, Thermhypästhesie) und/oder die Tiefensensibilität ( Pallhypästhesie, gestörtes Lageempfinden) betreffen. Den Ausfallserscheinungen können sensible Reizsymptome und Schmerzen vorangehen oder sie begleiten ( Polyneuropathien). 3
1. Besson G et al. (1991) Posterior choroidalartery infarct with homonymous horizontal sectoranopia. Cerebrovasc Dis 1:117–120.
3
Literatur
S
1150
Sensibilität, protopathische
Therapie 3
Zur Therapie von Sensibilitätsstörungen, lyneuropathien.
Po-
Sensibilität, protopathische Definition Die Neurone für die protopathische Sensibilität vermitteln Informationen über Druck, Berührung, Schmerz und Temperatur. Diese Empfindungen sind affektiv gefärbt. Viele dieser Neurone können bei geänderter Impulsrate eine andere Modalität vermitteln. So kann bei niedriger Impulsrate die Information für Druck oder Temperatur vermittelt werden, bei hoher Impulsrate dann für Schmerz.
Sensibilitätsstörung, dissoziierte Definition Störung der Schmerz- und Temperaturempfindung bei erhaltener Tiefen- und Berührungssensibilität (bei Läsionen des Rückenmarkes (z. B. Brown-Séquard-Syndrom) oder des Hirnstammes (z. B. Wallenberg-Syndrom). 3
3
Sepsis Definition Bei der Sepsis handelt es sich um Krankheitsbilder infolge dauernden oder periodischen Eindringens von pathogenen Bakterien (und deren Giften) aus einem Krankheitsherd in den Blutkreislauf bei Ausbleiben der normalen Allgemeinreaktion und bei Nichteintreten der Spontanheilung aufgrund einer besonderen Reaktionslage des Organismus, z. B. bei Antikörpermangel, herabgesetzter Resistenz, bei immunsupressiver oder zytostatischer Therapie. Sie tritt auf während oder nach akuter oder chronischer örtlicher infektiöser Krankheit, z. B. als Wundsepsis (bei Phlegmonen, Thrombophebitis, Lymphangitis), Puerperalsepsis, otogene Sepsis (bei Otitis media), tonsillogene Sepsis (bei Angina, Peritonsillitis), cholangitische Sepsis (bei eitriger Cholezystits), pylophlebitische Sepsis, Nabelsepsis, Urosepsis sowie
bei Zahngranulom. Das Eindringen der Keime in die Blutbahn erfolgt über Phlebitis, Thrombophlebitis, Lymphangitis. Die Sepsis verläuft akut bis hochakut (foudroyant), subakut (z. B. als Endocarditis lenta) oder chronisch. Klassische Symptome (im Neugeborenen- und Greisenalter kaum voll ausgeprägt) sind: Bakteriämie, intermittierendes Fieber mit Schüttelfrost, Milztumor, toxische Reaktionen/Schäden des Knochenmarks bzw. Blutes (polynukleäre Leukozytose, Anämie, Hämolyse, Thrombozytopenie, Gerinnungsstörungen), des Herzens und der Gefäßnerven (Tachykardie, Zentralisation des Kreislaufs, Ödeme, Oligurie, evtl. Schock), des Verdauungstraktes (trockene, belegte Zunge, Durchfälle), evtl. Septikopyämie (Pyämie mit Bildung septischer Infarkte und metastatischer Abszesse).
Einleitung Die Krankenhausinzidenz der Sepsis liegt in Westeuropa und in den USA bei ca.1–2%. Es treten dabei bis zu 40% der Fälle außerhalb der Intensivstationen auf. Das Erregerspektrum verteilt sich ca. zur Hälfte auf gramnegative und grampositive Keime. Etwa 10% der Fälle sind polymikrobiell. Häufige Erreger sind Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Streptococcus pneumoniae, koagulasenegative Staphylokokken, Enterokokken, Klebsiellen und Pseudomonaden. Als Risikofaktoren gelten höheres Alter, männliches Geschlecht, Aufnahme auf eine Intensivstation, eine schwere Grunderkrankung, die in absehbarer Zeit zum Tode führt, eine chronische Leberfunktionsstörung sowie Immunsuppression.
Diagnostik Zur Infektquellensuche bzw. Erregeridentifizierung erfolgen Blutkulturen, Urinkulturen, ggf. Stuhlkulturen, Röntgen-Thorax, Sonographie des Abdomen incl. des Harntraktes, Echokardiographie, ggf. Lumbalpunktion. Weiterhin sind engmaschige Gerinnungskontrollen (DIC), Blutgasanalysen (Azidose, Hypoxie), Kontrolle der Nierenwerte, des Laktat, des Blutbildes und der Elektrolyte wichtig. Die Entzündungsparameter sind meist deutlich erhöht und für die Verlaufsbeurteilung wichtig.
Sharp-Syndrom
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Therapie
Einleitung
Eine intensivmedizinische Betreuung ist notwendig. Initial „blinde“ Breitbandantibiose nach Abnahme der Kulturen. Die Antibiose richtet sich nach dem vermuteten Herd bzw. Keim. Die Entfernung oder der Wechsel aller Zugänge wie z. B. Katheter ist entscheidend. Wenn möglich erfolgt die operative Ausschaltung des Infektherdes.
Häufige Symptome sind Arthritiden, Arthralgien, Schwellungen von Händen und Fingern, Raynaud-Phänomen, Ösophagushypomotilität, Myositis und Lymphadenopathie. Neurologische Manifestationen sind selten, wobei es dann zu aseptischen Menigitiden, asymmetrischen vorwiegend sensiblen Neuropathien und Trigeminusneuropathien kommen kann. Komplikationen der Erkrankung im späteren Verlauf betreffen das kardiopulmonale System, wobei v. a. der pulmonale Hypertonus schwer zu therapieren ist und die häufigste Todesursache der Erkrankung darstellt.
Serotonin-Syndrom Definition
Diagnostik
Damit wird in erster Linie ein Syndrom bezeichnet, das durch exzessive Ausschüttung von Serotonin im ZNS gekennzeichnet ist. Die Symptomkonstellation ausgelöst durch serotoninproduzierende Tumore beispielsweise des gastointestinalen Systems sind damit nicht gemeint.
In erster Linie erfolgt die Diagnose durch den Nachweis von Antikörpern gegen das ribonukleaseempfindliche Ribonukleoprotein (Ribonuklein U1-RNP) im Serum. Ggf. kann durch eine Muskelbiopsie die Diagnose gesichert werden. Bei einer assoziierten Polymyositis finden sich pathologisch erhöhte Muskelenzymspiegel im Serum (CK, Aldolase).
Die Symptome sind gekennzeichnet durch Diaphorese, Schüttelfrost, Diplopie, Nausea, Emesis und Psychose, meist nach Intoxikation mit selektiven Serotoninaufnahmehemmern (SSRIs) wie Fluoxetin, Fluvoxamine und Paroxetine oder Kombination von SSRIs und Mono-Aminooxidase-Hemmern wie Selegilin. Bei der Kombination von Fluoxetin mit Selegilin ist das Auftreten von Serotonin-Syndromen beschrieben worden. Das Serotonin-Syndrom kann sich ähnlich entwickeln wie ein malignes neuroleptisches Sydnrom.
Therapie Symptomatisch.
Sharp-Syndrom Synonyme 3
Mischkollagenose, ve tissue disease)
MCTD (mixed connecti-
Therapie Therapeutisch finden primär Kortikoide Anwendung. Je nach assoziierter Symptomatik werden weitere Immunsuppressiva, wie z. B. Azathioprin kombiniert. empirisch Bei schwerer neurologischer Manifestation und Therapierefraktärität wurde in Einzelfällen Cyclophosphamid (100 mg/d) verwendet [2]. Tritt ein Raynaud-Phänomen dazu, so hat sich die intravenöse Gabe von Iloprost (einem Carbacyclin-Analogon von Prostacyclin) in Dosis von 0,5–2,0 ng/kgKG/min (3/d über 6 h an 5 aufeinanderfolgenden Tagen) als wirksam erwiesen [5]. Bei durch Vaskulitiden verursachten Darmulcera kann Ciclosporin (2,5 mg/kgKG) helfen [3]. Immunglobuline stehen am Ende der verschiedenen Therapieregimes, beweisen in Einzelfällen jedoch Wirksamkeit [6]. 3
Einleitung
Prognose Definition Das Sharp-Sydrom ist eine Kollagenose, bei der Antikörper gegen das Ribonuklein U1RNP gerichtet sind.
Während entzündliche Symptome, ein assoziiertes Raynaud-Syndrom sowie eine Ösophagushypomotilität gut auf eine adäquate Therapie ansprechen, verbleiben häufig zentral ner-
S
„Shunt“, rechts-links
vöse Symptome, sowie pulmonaler Hypertonus und Lungendysfunktion. Die Heilungsrate lag in einer amerikanischen Studie bei 62%, während 38% nicht auf eine Therapie ansprachen. Pulmonaler Hypertonus und der positive Nachweis von Antikardiolipinantikörper korrelieren dabei mit der Letalität der Erkrankung. Nach langer Remissionsphase können die Antikörper verschwinden [1]. Patienten mit einem Sharp-Syndrom reagieren ähnlich wie beim systemischen Lupus erythematosus und systemischer Sklerose sehr empfindlich auf Bestrahlungen. Daher sollte im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen die Indikationsstellung zur Bestrahlungstherapie sehr strikt ausfallen [4].
linken Vorhof, die linke Herzkammer und schließlich in den Körperkreislauf gepumpt. Im pathologischen Fall können Kurzschlussverbindungen zwischen den beiden Herzhälften auftreten, auf Vorhofebene z. B. ein Vorhofseptumdefekt oder ein persistierendes Foramen ovale bzw. auf Ventrikelebene ein Ventrikelseptumdefekt. Je nach intrakardialen Druckverhältnissen kommt es zu einem Blutfluss von links nach rechts oder umgekehrt. Der Rechts-Links-Shunt ist meist in der Spätphase eines Shunts zu beobachten, wenn sich die Druckverhältnisse im Niederdrucksystem (Lungenkreislauf) reaktiv an die Druckverhältnisse im Körperkreislauf angepasst haben.
*
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1152
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Literatur
„Shunt“, rechts-links Definition Blutfluss zwischen den Herzkammern bzw. Vorhöfen von rechts nach links, „shunt“. 3
Grundlagen *
Physiologischerweise fließt das Blut vom rechten Vorhof in die rechte Kammer und wird dann über den Lungenkreislauf in den
„Shunt“, ventrikuloatrialer/ventrikuloperitonealer Grundlagen Operativ angelegte Verbindung zur Liquorableitung in den rechten Herzvorhof (ventrikuloatrialer Shunt) bzw. in die Bauchhöhle (ventrikuloperitonealer Shunt) zur Therapie des Hydrozephalus. 3
1. Burdt MA et al. Long-term outcome in mixed connective tissue disease: longitudinal clinical and serologic findings. Arthritis Rheum 1999; 42:899–909 2. Kuroki M. et al. A case of mixed connective tissue disease with lupus-like manifestations of the central nervous system, successfully treated with cyclophosphamide combined with prednisolone]. Ryumachi 2000 Jun; 40:627–32 3. Maeda N. et al. Low-dose cyclosporin for multiple colonic ulcers associated with mixed connective tissue disease. Clin Rheumatol 1999; 18:410–3.) 4. Mayr NA et al. Mixed connective tissue disease and radiation toxicity. A case report. Cancer 1997; 79:612–8 5. Torley et al. A double blind, randomised, multicenter comparison of two dose of i.v. iloprost in the treatment of Raynaud’s phenomen secondary to connective tissue diseases. Ann Rheum Dis 1991; 50:800–804.) 6. Ulmer A. Efficacy of pulsed immunglobulin therapy in MCTD. J Am Acad Dermatol 2002; 46:123–127
SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) Synonyme Schwartz-Bartter-Syndrom
Definition Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion, welches zu Hyponatriämie und Hypokaliämie (mit Alkalose und Hypoosmolarität des Serums), Hyperkaliurie und Hypernatriurie, Ödemen und stark verminderter (bis fehlender) Aldosteron- und vermehrter 17-Ketosteroid-Ausscheidung im Harn führt. Vorkommend v. a. beim kleinzelligen Lungenkarzinom als Paraneoplasie; ferner bei Hirntumoren, Enzephalitis, bulbärer Poliomyelitis, Guillain-Barré-Syndrom, auch als Effekt mancher Arzneimittel (Phenothiazine, Morphine, Barbiturate, Vincristin, Sulfonylharnstoffe). Ein passageres SIADH-Syndrom kann nach
Sicca-Syndrom
Einleitung Das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion ist oftmals klinisch schwer zu erkennen. Führend ist die Hyponatriämie mit Hypoosmolarität des Serums und Hyperosmolarität des Urins. Ein Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion kann durch die Elektrolytverschiebung bedrohlich werden. Insbesondere die Hyponatriämie wird nicht selten als Ursache der auftretenden Bewusstseinsstörung verkannt.
Differenzialdiagnose Als Differenzialdiagnose kommen andere Ursachen der hypotonen Hyperhydratation in Frage wie z. B. bei mangelhafter Ausscheidung (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, nephrotisches Syndrom, Niereninsuffizienz) und die iatrogene „Überwässerung“. Die Serum- und Urinanalysen sichern die Diagnose.
Therapie Neben einer möglichen kausalen Therapie sollten eine strenge Flüssigkeitsrestriktion sowie eventuell die Gabe von NaCl als Behandlung der ersten Wahl erfolgen.
Sicca-Syndrom Definition Das Sicca-Syndrom ist das Leitsymptom des Sjögren-Syndroms und beinhaltet die Keratokonjunktivitis sicca und symptomatische Xerostomie. 3
3 3
Einleitung Die Keratokonjunktivitis sicca wird zum einen durch einen positiven Schirmer-Test (<9 mm/5 min), zum anderen durch fokale Läsionen in der Spaltlampenuntersuchung (Fluoreszin- oder Rose-Bengal-Test) diagnostiziert. Patienten mit Xerostomie haben häufig Beschwerden bei der Aufnahme trockener Speisen, eine erhöhte Sensitivität gegenüber säurehaltigen und scharfen Nahrungsmitteln, sowie atypische Zahnhalskaries und Fissuren der Zunge.
Differenzialdiagnose Trockenes Auge und Xerostomie sind nicht als obligater Hinweis für ein primäres SjögrenSyndrom zu sehen. Zum einen kann ein Sicca-Syndrom im Rahmen des Alterungsprozesses auftreten (26% der älteren Bevölkerung haben nach den Kriterien des Schirmer-Tests ein trockenes Auge), zum anderen kann ein Sicca-Syndrom mit anderen autoimmunologisch-rheumatischen Erkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes, der rheumatoiden Arthritis, der Dermatomyositis und der Sklerodermie assoziiert sein. Dann spricht man vom sekundären Sjögren-Syndrom. Auch bei der gemischten Kryoglobulinämie kann es zur Manifestation eines Sicca-Syndroms kommen. 3
Eingriffen am hypothalamisch-hypophysären System oder nach Schädel-Hirn-Traumen auftreten.
1153
Therapie Das Sicca-Syndrom kann durch künstliche Tränen und künstlichen Speichel symptomatisch therapiert werden. gesichert In einer doppelblinden Studie wurde die Wirksamkeit von oral verabreichtem Pilocarpin in der Therapie von trockenem Auge und Xerostomie nachgewiesen [1]. Niedrig dosiertes Interferon-α (oral) vermochte in einer offenen, kontrollierten Studie ebenfalls den Speichelfluss zu erhöhen [2]. empirisch Eine Reizung der Speicheldrüsen mit anschließender erhöhter Speichelproduktion ist durch lokale Applikation von Kortikoiden möglich [3].
Nachsorge Neben regelmäßiger ophthalmologischer Kontrollen sind zahnärztliche Untersuchungen wegen des erhöhten Kariesrisikos bei Xerostomie notwendig.
Literatur 1. Papas AS et al. (1998) Oral pilocarpin for symptomatic relief of dry mouth and dry eyes in patients with Sjögrens syndrome. Adv Exp Med Biol 438:973–978. 2. Shiozawa S et al. (1998) Single-blinded controlled trial of low-dose IFN-alpha for the treatment of xerostomia in patients with Sjögrens syndrome. J Interferon Cytokine Res 18:255–262.
S
3
3
1154
Sick-Sinus-Syndrom
3. Izumi M et al. (1998) Corticoid irrigation of parotid gland for treatment of xerostomia in patients with Sjögrens syndrome. Ann Rheum Dis; 57:464–469.
Sick-Sinus-Syndrom Synonyme Syndrom des kranken Sinusknoten, Sinusknoten-Syndrom
Definition Das Sick-Sinus-Syndrom stellt eine Gruppe komplizierter, nicht-ventrikulärer Herzrhythmusstörungen infolge gestörter Funktion des Sinusknotens dar, v. a. durch koronare Herzkrankheit; und zwar als alternierendes Bradykardie-Tachykardie-Syndrom, aber auch als persistierende Sinusbradykardie, nichtdigitalisbedingtes bradykardes Vorhofflimmern, Vorhofflattern, sinuatrialer Block, Sinusarrest (mit Ersatzrhythmus bzw. Asystolie; auch nach Elektrokonversion) und supraventrikulärer Tachykardie.
drom mit raschem Rhythmuswechsel kommt als eine Form vor.
Diagnostik Neben EKG, allgemeinen Laboruntersuchungen kommen auch spezielle Laboruntersuchungen mit der Frage nach Stoffwechselstörungen (Schilddrüse), rheumatischen Erkrankungen und Intoxikationen sowie spezielle kardiologisch Untersuchungen zum Einsatz.
Therapie Antitachykarde Behandlung mit Digitalis, βBlockern oder Kalziumantagonisten bei gleichzeitiger Schrittmacherimplantation sind wirksam.
Sildenafil Zubereitungen VIAGRA® 25 mg/50 mg/100 mg Filmtabletten; 1 Filmtablette enthält: Sildenafilcitrat 35,112 mg/70,225 mg/140,45 mg (entsprechen 25 mg/50 mg/100 mg Sildenafil).
Einleitung Die Sinusknotendysfunktionen sind ein häufiger Grund für Bradykardien. Die Prävalenz wird bis zu 1 auf 600 Patienten über 65 Jahre geschätzt und ist in den USA für knapp 50% der Schrittmacherimplantationen verantwortlich. Intrinsische Faktoren, die zum Sick-Sinus-Syndrom führen können, sind z. B. degenerative Erkrankungen des Sinuskonten, infiltrative Erkrankungen (Sarkoidose), Infarkte, Kollagenosen, Infektionen oder Muskeldystrophien. Extrinsische Faktoren sind ähnliche wie diejenigen, die zur Sinusbradykardie führen. Das Sick-Sinus-Syndrom kann sich in Form vieler verschiedener EKG-Veränderungen präsentieren. Eine Sinusbradykardie kann Ausdruck der geschwächten Automatizität des Sinusknoten sein, sinuartriale Blockierungen können wie im Fall eines SA-Blocks I° im EKG unerkannt bleiben, durch eine systematische Veränderung der PP-Intervalle auffallen (SABlock II°, Typ Wenckebach), sich als Sinusrhythmuspausen ohne Änderung der PP-Intervalle (SA-Block II°, Typ Mobitz) oder lediglich als Ersatzrhythmus (SA-Block III°) präsentieren. Auch das Bradykardie-Tachykardie-Syn-
Wirkungen Sildenafil ist ein Phosphodiesterase (PDE)Hemmer, der zur Behandlung von Erektionsstörungen des Mannes eingesetzt wird. Die Peniserektion wird vermittelt durch die Aktivierung der NO-Synthase im Schwellkörper des Penis (Corpus cavernosum) bei sexueller Erregung. Das freigesetzte NO (= EDRF, endothelial derived relaxing factor) aktiviert die lösliche Guanylatcyclase, cGMP relaxiert die arteriellen Gefäße im Corpus cavernosum. Dadurch kommt es zum vermehrten Bluteinstrom, zum Druckanstieg und zur Erektion. Sildenafil ist ein spezifischer Hemmstoff der PDE V, die für die Inaktivierung des cGMP im Corpus cavernosum verantwortlich ist. Der Sildenafil vermittelte Anstieg des cGMP verbessert die arterielle Relaxation und damit die Erektion. Da die Erektion primär durch die Freisetzung von NO ausgelöst wird, hat Sildenafil nur bei sexueller Erregung eine erektionsfördernde Wirkung. In klinischen Studien hatte Sildenafil bei Patienten mit erektiler Dysfunktion aus verschiedenen Ursachen (Diabetes, Prostatektomie, psychischen Ursachen) Erfolgsquoten von 45–85%, gegenüber einem Placeboeffekt von 5–25% [1].
3
Singultus
Resorption Nach oraler Gabe werden maximale Plasmakonzentrationen nach 30–120 min erreicht. Die Bioverfügbarkeit beträgt 40%.
Elimination Sildenafil wird hepatisch rasch zu dem aktiven Metaboliten N-Desmethyl-Sildenafil umgewandelt, der eine Eliminationshalbwertzeit von 4 h hat.
Anwendungsgebiete Sildenafil kann zur Behandlung von Erektionsstörungen des Mannes aus psychischen Ursachen, nach Prostatektomie oder bei Diabetikern angewendet werden; Wirksamkeit auch bei MS, Polyneuropathien. Wirkt nur bei sexueller Stimulation. Nicht für Frauen und Patienten unter 18 Jahren.
Dosierung und Art der Anwendung Die übliche Dosis beträgt 50 mg 1 h vor der sexuellen Aktivität. Die Wirkung hält 4 h an. Eine Dosiserhöhung auf 100 mg pro 24 h ist möglich. Bei älteren Patienten initiale Dosis 25 mg, bei Patienten mit Leber- oder schwerer Niereninsuffizienz oder bei Kombination mit CYP3A4-Hemmstoffen initiale Dosis von 25 mg. Bei Kombination mit Ritonavir maximal 25 mg in 48 h.
Unerwünschte Wirkungen Kopfschmerz (10–15%). Tachykardie. Blutdrucksenkung (10–15%), Flush/Hautrötung (10%). Dyspepsie (10–15%). Veränderte Farbwahrnehmung, erhöhte Lichtempfindlichkeit. Gelegentlich Verstopfung der Nase, Schwindel. Muskelschmerzen bei häufigerer als empfohlener Einnahme. Überempfindlichkeitsreaktion (einschließlich Hautausschläge), verlängerte Erektionen und/oder Priapismus, Augenschmerzen und Augenrötung/blutunterlaufene Augen. Hypotensive Ereignisse nach Kombination mit Alpharezeptorenblockern, schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse bis hin zu Todesfällen in Einzelfällen im zeitlichen Zusammenhang, meistens bei vorbestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren, oft während oder kurz nach Geschlechtsverkehr.
Gegenanzeigen Gleichzeitige Behandlung mit Nitraten oder NO-Donatoren (z. B. Amylnitrit, Molsidomin)
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in jeder Form. Kreislauferkrankungen wie instabile Angina pectoris oder schwere Herzinsuffizienz. Kürzlich erlittener Herzinfarkt oder Schlaganfall. Schwere Leberinsuffizienz, Hypotonie (Blutdruck <90/50 mmHg), bekannte erblich bedingte degenerative Retinaerkrankung. Vor Therapiebeginn Diagnosestellung und Ursachenermittlung. Anatomische Penismissbildungen (Angulation, Fibrose, M. Peyronie) und für Priapismus prädisponierenden Faktoren (z. B. Sichelzellenanämie, Plasmozytom, Leukämie). Kombination mit anderen Behandlungen der erektilen Dysfunktion. Blutungsstörungen. Aktive peptische Ulzera. Kombination mit Ritonavir nicht empfohlen. Bei dieser Kombination in jedem Fall maximale Dosis 25 mg in 48 h. Patienten mit erhöhter Empfindlichkeit gegenüber gefäßerweiternden Substanzen (z. B. Aortenstenose, hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie, Multisystematrophie).
Wechselwirkungen Sildenafil verstärkt die Wirkungen und Nebenwirkungen organischer Nitroverbindungen. Todesfälle sind aufgetreten. Durch CYP3A4Hemmstoffe (wie Saquinavir, Cimetidin, Erythromycin, Ketoconazol) Anstieg der SildenafilExposition, deshalb Anfangsdosis 25 mg erwägen. Ritonavir: 4fache Steigerung der Sildenafil-Cmax und 11fache Steigerung des PlasmaAVC. Nitrate, NO-Donatoren (z. B. Amylnitrit, Molsidomin): Potenzierung des blutdrucksenkenden Effekts, daher gleichzeitige Gabe kontraindiziert.
Literatur 1. Boolell M, Gepi-Attee S, Gingell JC, Allen MJ (1996) Sildenafil, a novel effective oral therapy for male erectile dysfunction. Br J Urol 78:257– 261
Singultus Synonyme Schluckauf
Definition Synchrone Kontraktion von Zwerchfell und Atemhilfsmuskulatur, meist vorübergehend nach bestimmten Speisen und Getränken oder bei Aufregung. Längeres Auftreten bei Erkrankungen des
S
Sinus cavernosus
Brust- (Sarkoidose, Tumoren) und Bauchraumes (Magenüberblähung, Entzündungen, Tumoren). In der Neurologie Vorkommen auch bei Hirndruck, Intoxikationen, metabolischen Störungen, Meningoenzephalitis, Hirnstammerkrankungen und Wurzelkompression C4.
Therapie
Sinus cavernosus-Fistel Definition Abnorme arteriovenöse Shuntverbindung zwischen der Arteria carotis interna und/oder der Arteria carotis externa und dem Sinus cavernosus.
Einleitung
Hausmittel sind: Luftanhalten unter Bauchpresse und Nasezuhalten, Trinken von saurer Flüssigkeit (Zitronensaft), Schlucken von granuliertem Zucker. Gegebenenfalls mechanische Reizung der Rachenhinterwand (z. B. mit Spatel oder Magensonde). Medikamentöser Behandlungsversuch zunächst mit Metoclopramid 10–20 mg, Domperidon 20 mg oder Bromoprid 10 mg, jeweils 3mal täglich. Bei Versagen Baclofen bis 3mal 25 mg täglich, gegebenenfalls in Kombination mit Omeprazol 10–20 mg oder Gabapentin 900–1.800 mg täglich. In Einzelfällen Erfolg mit Nifedipin 3mal 20 mg, Carbamazepin 200–400 mg 2mal täglich oder Neuroleptika (z. B. Chlorpromazin 50 mg). Bei mehr als eine Woche persistierendem Singultus invasive Diagnostik (Gastroskopie) indiziert.
Einteilung der Sinus cavernosus Fisteln nach angiographischen Kriterien [1]: * Typ-A-Fisteln sind direkte Shuntverbindungen der Arteria cartois interna und dem Sinus cavernosus. * Typ-B-/Typ-C-/Typ-D-Fisteln sind durale Shunts zwischen der Arteria carotis interna (Typ B), bzw. der Arteria carotis externa (Typ C) sowie sowohl der Arteria carotis interna und externa (Typ D). Ätiologisch werden spontane von traumatischen (z. B. infolge von Schädel-Hirn-Traumata) Fisteln unterschieden. Bei spontanen TypA-Fisteln ist angiographisch ätiologisch in einigen Fällen ein rupturiertes intrakavernosales Aneurysma zu vermuten. Weitere Unterscheidung nach hämodynamischen Parametern „low flow“-Fistel bei duralen Fisteln mit geringem Shuntvolumen bzw. „high flow“-Fistel bei direkten Fisteln mit hohem Fistelvolumen. Am häufigsten werden spontane Typ-D-Fisteln gefunden (circa 70%), betroffen sind überwiegend Frauen in der Postmenopause. 3
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3
Sinus cavernosus
Diagnostik
3 3
Grundlagen Der Sinus cavernosus steht mit den Augenhöhlenvenen und durch diese mit den Gesichtsvenen in Verbindung. Anatomische Nähe zum interkavernosalen Abschnitt der Arteria carotis interna, zum N. oculomotorius (III. Hirnnerv), N. trochlearis (IV. Hirnnerv), N. abducens (VI. Hirnnerv) und dem N. ophthalmicus (erster Ast des N. trigeminus). Lokalisationsort der Sinus-cavernosus-Fistel.
3
Ein zu beiden Seiten der Sella turcica im Inneren des Schädels verlaufender venöser Blutleiter.
Klinischer Verdacht bei Kombination langsam progredienter oder akut aufgetretener okulärer und orbitaler, überwiegend unilateraler Symptome wie konjunktivale Injektion, Chemosis, Exophthalmus, Augenmuskelparesen mit konsekutiven Doppelbildern, Visusminderung, pulsatiler Tinnitus sowie Kopfschmerzen. In der zerebralen Bildgebung (Computertomographie, Magnetresonanztomographie) gelingt evtl. der Nachweis einer gestauten Vena ophthalmica superior, verdickter Augenmuskeln, Exophthalmus. Neuere duplexsonographische Verfahren können den Nachweis pathologischer Flussverhältnisse ermöglichen. Methode der Wahl ist die selektive beidseitige Karotisangiographie inklusive venöser Phase (Darstellung der venösen Drainage, in ca. 3% kortikale Ve3
Definition
3
3
3
3
3
Sinus cavernosus-Thrombose
intrazerebralen
und okuläre Myositis, obwohl bei der klinischen Symptomatik der Sinus-cavernosus-Fisteln Einseitigkeit vorherrscht. 3
3
nendrainage mit Gefahr einer Blutung).
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Therapie In den letzten Jahren setzt sich die interventionelle Neuroradiologie, insbesondere durch transvenöse Partikel- Embolisation durch. Einer operativen Behandlung ist der intrakavernosale Karotisabschnitt nicht zugänglich. Eine konservative Behandlungsalternative bei mildem klinischem Verlauf oder endovaskulär nicht okkludierbarer Fistel bietet die digitale simultane Karotis-Jugularis Kompression.
Prognose
gesichert Keine kontrollierten Studien vorliegend.
Literatur
3
3
unwirksam/obsolet Stereotaktische Bestrahlung.
Nachsorge Eine endovaskuläre vollständige Okklusion der Fistel ist in fast allen Fällen mit einer einmaligen Behandlung möglich, Fistelrezidive nach neuroradiologischer Behandlung stellen eine Ausnahme dar.
Bewertung Sinus-cavernosus-Fisteln sind ein seltenes Krankheitsbild. Häufige Fehldiagnosen sind Konjunktivitis, dysthyreote Ophthalmopathie
1. Barrow DL et al. (1985) Classification and treatment of spontaneus carotid cavernous sinus fistules. J Neurosurg 62:248–256.
Sinus cavernosus-Thrombose Synonyme Thrombose des Sinus cavernosus
Definition Es handelt sich hierbei um eine Thrombose des Sinus cavernosus, der zu beiden Seiten der Sella turcica in unmittelbarer Nähe der Nervi abducens, oculomotorius, trochlearis und trigeminus sowie der intrakraniellen A. carotis interna verläuft. Anastomosen bestehen zu den Gesichtsvenen sowie zum Sinus sigmoideus (über den Sinus petrosus superior) und dem Bulbus jugularis (über den Sinus petrosus inferior).
Einleitung Die Sinus-cavernosus-Thrombose ist meist eine septische Sinusvenenthrombose, die durch fortgeleitete bakterielle Entzündungen im Gesichtsbereich entstehen kann. Charakteristisches klinisches Syndrom: Neben Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen und Krampfanfällen, die generell als Leitsymtpome der Sinusvenenthrombose gelten, kommt es aufgrund der anatomischen Lage meist zu einer konjunktivalen Injektion, Chemosis und Protrusio bulbi (insuffizienter Blutabfluss aus der Orbita) sowie seltener zu Läsionen der benachbarten Hirnnerven (II bis V) oder Kompression der A. carotis interna. Sinusvenenthrombose. 3
3
empirisch In einigen Studien konnte der Fistelverschluss durch transarterielle Ballonokklusion (Mittel der Wahl bei direkten Fisteln) und transarterielle und transvenöse Partikel-Embolisation mit ablösbaren coils gezeigt werden, wobei letztgenannte Methode überwiegend durchgeführt wird, da sich die duralen, häufig kleinkalibrigen Äste einem endovaskulären Zugang oft entziehen. Eine konservative Therapieoption besteht in der simultanen Karotis-Jugularis-Kompression zur Förderung einer Spontanthrombosierung bei klinisch mildem Verlauf oder endovaskulär nicht okkludierbarer Fistel, z. B. aufgrund venöser Thrombosierung, die einen Zugang zum Sinus cavernosus unmöglich macht. Kontraindikation für diese Behandlungsmöglichkeit stellen Plaques und Stenosen der Arteria carotis interna, kortikale Venendrainage und frühere zerebrale Blutungen aus der Fistel dar.
Bei etwa 20–50% der Patienten klinisch eine progrediente Visusminderung als wichtigste und bedrohlichste Komplikation, die eine umgehende Behandlungsindikation darstellt. Nach endovaskulärem Verschluss kommt es in den meisten Fällen zu einer Heilung der klinischen Symptomatik, wobei eine vorübergehende Verschlechterung des Lokalbefundes möglich ist.
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Sinusbradykardie
Therapie
Sinusbradykardie
Keimzelltumoren
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Definition Eine Sinusbradykardie ist eine auf eine Frequenz <60/min verlangsamte Herzschlagfolge infolge Verlangsamung der Sinusknotenreize.
Sinusvenenthrombose
Einleitung
Synonyme
Eine Sinusbradykardie kann ein physiologisches Symptom sein infolge erhöhten Vagotonus z. B. bei Sportlern. Sie kann aber auch infolge von Herzerkrankungen (Herzinfarkten, KHK) oder in Rahmen von Intoxikationen, Stoffwechselstörungen (Hypothyreose), zentralen Regulationsstörungen (Hirndruck, Hypothermie), Medikamenten (Cholinergika, Antiarrhythmika) auftreten.
SVT
Differenzialdiagnose Von der Sinusbradykardie sind das SickSinus-Syndrom, sinuartriale Blockierungen, die Bradyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern mit langsamer Überleitung sowie atrioventrikuläre Überleitungsstörungen abzugrenzen.
Definition Thrombose eines zerebralen Sinus.
Einleitung Epidemiologie: * Inzidenz ca. 1:100.000. * Frauen häufiger betroffen als Männer. * Gipfel in der 3. Lebensdekade. * Diagnosestellung in den letzten Jahren aufgrund verbesserter diagnostischer Möglichkeiten deutlich häufiger.
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Therapie Die Sinusbradykardie ist häufig asymptomatisch und eine spezifische Therapie ist nicht notwendig. Liegt allerdings eine symptomatische Sinusbradykardie vor, insbesondere in der Akutphase eines Herzinfarktes (häufig inferiorer Infarkt) sollte eine Behandlung mit Atropin (0,5 mg als Bolus, ggf. Wiederholung der Gaben) oder in schwereren Fällen auch mit Orciprenalin (0,05–0,5 mg i. v.) erfolgen, da sie Vorläufer malignerer Rhythmusstörungen sein kann.
Sinustumor, endodermaler Synonyme Dottersacktumor
Definition Endodermale Sinustumoren gehören zu den nicht germinomatösen Keimzelltumoren.
Diagnostik Keimzelltumoren
Sinusvenenthrombose. Abb. 1: Schema der großen Hirnvenen und Sinus. 1 S. sagittalis superior, 2 Vv. ascendentes, 3 S. rectus, 4 S. sagittalis inferior, 5 V. cerebri magna (Galeni), 6 V. cerebri interna, 7 V. basilaris (Rosenthal), 8 S. transversus, 9 S. sigmoideus, 10 V. jugularis interna 11 Confluens sinuum, 12 S. petrosus superior, 13 S. petrosus inferior, 14 S. cavernosus, 15 V. ophthalmica superior, 16 S. occipitalis
3
Sinusvenenthrombose *
Bei 10% aller SVT handelt es sich um septische Sinusvenenthrombosen.
* *
Pathophysiologie: * Oberflächliche und tiefe Hirnvenen sowie venöse Sinus drainieren das venöse Blut aus dem Gehirn. * Bei der Sinusvenenthrombose kommt es durch eine Thrombose dieser Blutleiter zur Behinderung des venösen Abflusses. * Ursache: Thromboseneigung unterschiedlicher Genese (siehe Ätiologie). * Es kommt zu einem Anstieg des intrakraniellen Blutvolumens, erhöhtem intrakraniellen Druck, parenchymatösen Diapedeseblutungen und venösen Infarkten. Ätiologie: * Septische Sinusvenenthrombose. * Blande Sinusvenenthrombose: – 25% idiopathisch. – Schwangerschaft, Wochenbett. – Gerinnungsstörungen: Protein-C/-S-Mangel, APC-Resistenz, AT-III-Mangel, u. v. m. – Thromboseneigung im Rahmen hämatologischer Grunderkrankungen: Leukämien, Lymphome, Thrombozythämie, Polyzythämie, monoklonale Gammopathien. – Im Rahmen von Vaskulitiden und Kollagenosen (SLE, Wegener´sche Granulomatose). – Paraneoplastische Thromboseneigung. – Parainfektiös (bei bakteriellen Meningitiden). – Neurosarkoidose. – Postoperativ nach neurochirurgischen Eingriffen, posttraumatisch (SHT). – Stase durch Behinderung des venösen Abflusses (z. B. bei Jugularvenenkatheter oder COPD mit oberer Einflussstauung). – Bei Exsikkose, Kachexie. – Bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie. – Pharmakogen/toxisch bedingt: orale Kontrazeptiva, Sumatriptan, Ecstasy. 3
Klinik: * Hauptsymptom (in bis zu 80%): Diffuse Kopfschmerzen zum Teil mit Übelkeit und Erbechen, häufig subakut einsetzend. * Fokale und sekundär generalisierte Krampfanfälle.
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Stauungspapille mit Sehstörungen (im Verlauf bei ca. 50% aller SVT). Fluktuierende sensomotorische Störungen (Hemiparesen). Hirnnervenausfälle v. a. II bis V mit Doppelbildern (z. B. bei Thrombose des Sinus cavernosus). Vigilanzstörungen. Neuropsychologische Defizite. Seltener psychotische Symptomatik (Halluzinationen).
Diagnostik Anamnese: Subakuter Verlauf, diffuse Kopfschmerzen, Vorerkrankungen, Medikamente. Klinische Untersuchung: Fokalneurologie (unspezifisch), bei septischer SVT entzündlicher Fokus. Bildgebung zur Sicherung der Verdachtsdiagnose: a) CT nativ und mit Kontrastmittel (unsicher!). * Diffuse Hirnschwellung. * Gyrales Enhancement nach Kontrastmittelapplikation. * Stauungsblutungen (atypisch gelegen im Vgl. zu hypertensiv bedingten Blutungen). * Direkter Thrombusnachweis: Sog. „empty triangle sign“ im okzipitalen Bereich des Sinus sagitalis superior nach Kontrastmittelgabe (gilt als pathognomonisch ist jedoch nur in ca. 25% der Fälle nachweisbar). Sog. „cord-sign“: Korrelat einer primär hyperdensen thrombosierten Vene im Nativ-CT. b) Kernspintomographie mit Kernspinangiographie (Mittel der Wahl): * Direkter Nachweis des Thrombus, der intrakraniellen Flussverhältnisse sowie parenchymatöser Veränderungen möglich. * Cave: Kernspintomographische Veränderungen sind vom Alter der Sinusvenenthrombose abhängig. c) Konventionelle Angiographie: * Sicherung der Diagnose bei unklaren Kernspinbefunden und weiterhin bestehendem klinischen Verdacht. * Direkte Zeichen: Fehlende Darstellung des Sinus. * Indirekte Zeichen: Dilatierte venöse Kollateralen, verzögerte Zirkulationszeit.
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Sinusvenenthrombose
Liquoruntersuchung: a) Meist unspezifische lymphozytäre Pleozytose sowie Eiweißerhöhung. b) Ausschluss entzündlicher Erkrankungen. c) Cave: Kontraindiziert bei klinischem und radiologischen Verdacht auf erhöhten intrakraniellen Druck. EEG: Unspezfische Veränderungen, ggf. Herdbefunde bzw. Nachweis erhöhter neuronaler Erregbarkeit. Transkranielle Dopplersonographie: a) Indirekter Nachweis der Thrombose durch erhöhte Flussgeschwindigkeiten in kollateralen Hirnvenen. b) Zur Diagnosesicherung nicht ausreichend, ggf. für Verlaufskontrollen sinnvoll. Differenzialdiagnose: Hirninfarkt, intrazerebrale Blutung, SAB, subdurales Hämatom, Migräne (mit Aura), Hirntumor, Pseudotumor cerebri, Eklampsie, Enzephalitis, Meningitis, Hirnabszess.
Therapie Ziel: Beseitigung des intrakraniellen Druckanstiegs durch Wiederherstellung des venösen Abflusses. Methode der Wahl Antikoagulation: * Auch bei Parenchymblutungen indiziert, da es sich um venöse Stauungsblutungen handelt, deren Ursache die Sinusvenenthrombose ist. * Nutzen-Risiko-Abwägung bei Blutungskomplikationen (gastrointestinale Blutungen). * Initial: intravenöse PTT-wirksame Heparinsierung mit einem Bolus von 5000 IE und einer angestrebten Ziel-PTT von 80–100 Sek. (in Einzelfällen bis 120 Sek.), eine subkutane Gabe ist aufgrund der schlechteren Steuerbarkeit nicht zu empfehlen. * In der Postakutphase nach Rückbildung fokalneurologischer Störungen Umstellung auf orale Antikoagulation: – Dauer: 3 bis 6 Monate (meist kommt es in diesem Zeitraum zur Rekanalisation/Teilrekanalisation). – Cave: Erst nach Erreichen der Ziel-INR 2,5–3,5 Beendigung der intravenösen Heparinisierung. – Bei zugrundeliegenden Gerinnungsstörungen: Lebenslange Antikoagulation.
– Bei zugrundeliegenden hämatologisch-onkologischen Störungen: Dauer der Antikoagulation als Einzelfallentscheidung (Lebenserwartung). – Schwangerschaft und Stillzeit: Cumarine sind teratogen, daher orale Antikoagulation in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert, Gabe von subkutanem unfraktioniertem Heparin 2–3×7500 IE/ die oder niedermolekularem Heparin. – Bei Vaskulitiden oder Autoimmunerkrankungen: ggf. zusätzlich Steroidtherapie. Antikonvulsive Therapie: * Akutphase: Schnellaufsättigung mit Phenytoin i. v. (250 mg/30 Min. danach 750 mg/ 24 h), danach Oralisierung 3×100 mg/die. * In der Postakutphase bei Symptomfreiheit ist ein Ausschleichversuch gerechtfertigt, da Residualepilepsien nach SVT sehr selten sind. Analgetische Therapie: * Paracetamol, ggf. auch niederpotente Opiate (Tramadol). * Wegen Interaktion mit Thrombozyten sollte ASS vermieden werden. Bei Hirndruck (in 20% aller Fälle): * Vorrangige Hirndrucktherapie ist eine ausreichende Antikoagulation (PTT 80– 120 Sek.). * Oberkörperhochlagerung. * Mannitol nur zur Krisenintervention, da verzögerter Abfluss aus dem Hirnparenchym und Gefahr von Rebound-Effekten. * Keine gesicherte Indikation für Steroide, die eine Thromboseneigung noch verstärken können, als Ultima Ratio dennoch manchmal wirksam! * Raumfordernde intrazerebrale Blutung: Im Einzelfall Entscheidung zur operativen Entlastung. Experimentelle Einzelfallentscheidung: * Lokale oder systemische Thrombolyse als Ultima Ratio bei klinischer Progredienz trotz suffizienter Heparinisierung, bislang wenig gesicherte Daten zu Effektivität und Komplikationen. Keine Indikation: * Thrombozytenaggregationshemmer, maexpander (Haes, Dextrane).
Plas-
Sinusvenenthrombose, septische
Bewertung Wahrscheinlich häufiger als diagnostiziert, daran denken (!)
Prognose *
*
* *
Bei rascher Diagnosestellung und unverzüglicher Therapie relativ gut, jedoch auch abhängig von zugrunde liegender Erkrankung (z. B. Malignom). Negative Prädiktoren: Beteiligung innerer Hirnvenen, Parenchymblutungen, septische SVT. Günstigere Prognose bei schwangerschaftsassoziierter SVT. Letalität bei blanden SVT und suffizienter Therapie: ca. 5%.
Diätetik/Lebensgewohnheiten * *
Absetzen thrombosefördernder Auslöser, z. B. orale Kontrazeptiva. Vermeidung von Exsikkose.
Sinusvenenthrombose, blande Synonyme Nicht septische Sinusvenenthrombose, unkomplizierte Sinusvenenthrombose, aseptische Sinusvenenthrombose
Definition Aseptische Thrombose eines venösen Sinus im Gehirn.
Komplikation einer bakteriellen Infektion im Bereich des Gesichts und Ohrs dar, durch: * Direkte Ausbreitung der Entzündung (Durchwanderung). * Indirekt über die Ausbreitung mit dem venösen Blutstrom (über drainierende Venen). * Sinus transversus: Drainiert Mastoid und Mittelohr. * Sinus cavernosus: Gesicht, Nebenhöhlen, Zähne. Erregerspektrum: Hämophilus influenzae, Staphylokokkus aureus, Streptokokkus pneumoniae. Klinische Symptomatik: * Zusätzlich zu den Symptomen einer blanden Sinusvenenthrombose (Kopfschmerzen, Vigilanzstörungen, Krampfanfälle, fokalneurologisches Defizit) finden sich klinische Zeichen einer Infektion: Fieber, ggf. auch Meningismus, Leukozytose im peripheren Blutbild, CRP-Anstieg im Serum, granulozytäre Pleozytose im Liquor.
Diagnostik * * *
*
Anamnese und klinische Untersuchung (Fokus). Labor: Blutbild, Liquoruntersuchung mit Zytologie und bakterieller Untersuchung. Bildgebung: MRT ohne Kontrastmittel, MRAngiographie: Darstellung der Thrombose sowie Fokussuche. Ggf. konventionelle Angiographie zur Diagnosesicherung.
Therapie
Einleitung Sinusvenenthrombose septische, durch eine Entzündung bedingte Sinusvenenthrombo-
3
Die aseptische, blande ist viel häufiger als die fortgeleitete bakterielle Sinusvenenthrombose, se.
1161
Sinusvenenthrombose, septische Definition Thrombose eines venösen Hirnsinus im Rahmen einer fortgeleiteten bakteriellen Entzündung.
Einleitung Eine septische Sinusvenenthrombose stellt die
An erster Stelle steht die operative Sanierung des Fokus (HNO-ärztlich oder neurochirurgisch). Bei klinischem Verdacht einer septischen Sinusvenenthrombose initial kalkulierte Antibiotikatherapie: * Drittgenerationscephalosporin (z. B. Rocephin oder Claforan) plus Flucloxacillin oder Fosfomycin (erfasst Staphylokooken). * Ggf. bei V. a. nosokomiale Infektion zusätzlich Aminoglykosid (breites Spektrum im gramnegativen Bereich). * Nach Erregernachweis gezielte Antibiotikatherapie. Antikoagulation: * Im Gegensatz zur blanden Sinusvenenthrombose gibt es keine aus prospektiven Stu-
S
1162
Sjögren-Syndrom
dien gesicherten Daten zur Wirksamkeit der Antikoagulation, aus pathophysiologischen Überlegungen erscheint diese jedoch gerechtfertigt (Ziel-PTT 2–3 × des Ausgangswerts). In einer retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass die Morbidität nicht jedoch die Letalität durch eine Antikoagulation gesenkt werden kann, ohne dass dabei ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Nach operativer Sanierung muss das Einblutungsrisiko mitberücksichtigt werden und in Abprache mit den Chirurgen die Ziel-PTT festgelegt werden. Postakut: Einstellung auf Marcumar INR 3,0 für 6 Monate (keine kontrollierten Studien).
*
*
Sinusvenenthrombose.
Eine Biopsie aus einer Speicheldrüse (meist sublingual) sollte die Diagnose sichern.
Therapie Die therapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung des primären Sjögren Syndroms sind meist symptomatisch und erfordern in der Regel eine Dauertherapie mit Kortikoiden (1 mg/kgKG Prednison) und Immunsuppressiva [1]. Größere multizentrische kontrollierte Studien fehlen jedoch. Zur Therapie des Sicca-Syndroms 3
*
2. Symptomatische Xerostomie 3. Lymphozyteninfiltrat in Speicheldrüsenbiopsat 4. Autoimmunopathie in der Labordiagnostik: anti-Ro-SSA-Antikörper/anti-La-SSB-Antikörper, ANA, Rheumafaktor
3
Prognose Die septischen Sinusvenenthrombose hat im Vergleich zur blanden eine schlechtere Prognose mit höherer Mortalität.
empirisch
Das Sjögren-Syndrom ist eine Kollagenose, deren Leitsymptom das Sicca-Syndrom ist und bei der typische Autoimmunparameter in der Labordiagnostik nachgewiesen werden.
Patienten mit schwerer Polyneuropathie sprechen auf eine Hochdosistherapie mit 7S-Immunglobulinen an [3]. Bei Patienten mit interstitieller Pneumonie erwies sich die Kombinationstherapie von 6–9 monatlichen Zyklen von intravenös verabreichtem Cyclophosphamid (0.5 mg/m2 Körperoberfläche) und 50 mg Prednisolon [5] als vielversprechend. Ebenso wirksam war Ciclosporin (1 mg/kgKG) bei diesen Patienten [2]. Leberfunktionsstörungen im Rahmen einer assoziierten Pneumonitis werden beschrieben.
Einleitung
unwirksam/obsolet
Sjögren-Syndrom Definition 3
Das Sjögren-Syndrom ist die zweithäufigste Kollagenose nach der rheumatoiden Arthritis, betrifft Frauen 9-mal häufiger als Männer und manifestiert sich zumeist in der 4. und 5. Lebensdekade. Man grenzt sekundäre Formen des Sjögren-Syndroms ab, die beim SLE, der rheumatoiden Arthritis, einer gemischten Kryoglobulinämie, der Dermatomyositis und der Sklerodermie auftreten.
Diagnostik Diagnostische Kriterien des Sjögren-Syndroms Vier positive Kriterien sind gleichbedeutend mit Diagnose primäres SS, bei drei positiven Kriterien ist ein primäres SS möglich: 1. Keratoconjunctivitis sicca: positiver Schirmer-Test <9 mm/5 min; Spaltlampenuntersuchung (Rose-Bengal- oder Fluoreszintest)
Azathioprin (1mg/kgKG/d) erwies sich in einer Doppelblind-Studie als unwirksam [4].
Literatur 1. Jonsson R et al. Current issues in Sjogren’s syndrome. Oral Dis. 2002; 8:130–140 2. Ogasawara H et al. Very low-dose cyclosporin treatment of steroid-resistant intersitial pneumonitis associated with Sjögren’s syndrome. Clin Rheumatol 1998; 17:160–162 3. Pascual J et al. High-dose i.v. immunoglobulin for peripheral neuropathy associated with Sjögren’s syndrome. Neurology 1998; 51:650–651 4. Price EJ et al. A double-blind placebo-controlled trial of azathioprin in the treatment of primary Sjogren’s syndrome. J Rheumatol 1998; 25:896– 899. 5. Schnabel A et al. Intravenous pulse cyclophosphamid in the treatment of interstitial lung disease
„Skew deviation“ due to collagen vascular disease. Arthritis Rheum 1998; 25:1215–1220
Skalenussyndrom Definition Beim Skalenussyndrom liegt eine Schädigung des unteren Anteils des Plexus brachialis durch Kompression in der hinteren Skalenuslücke vor. Diese wird durch den M. scalenus anterior und medius und am Boden durch die 1. Rippe begrenzt. Die Diagnose eines Skalenussyndroms ist sehr umstritten und wird in der Regel zu häufig gestellt. Bei normalen anatomischen Verhältnissen ist eine Kompression des Plexus in der hinteren Skalenuslücke unwahrscheinlich. Zusätzliche topographische Veränderungen, wie z. B. fibröse Ränder der Mm. scalenii, abnorme Inserationen oder das Vorliegen einer Halsrippe müssen hinzu kommen.
Einleitung Klinisch steht primär der Armschmerz im Vordergrund, der oft langfristig die einzige Symptomatik darstellt. Erst im Verlauf treten Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen im Bereich des unteren Armplexus hinzu, schließlich auch Paresen in den C8- und Th1-versorgten Muskeln.
Diagnostik Damit das seltene Skalenussyndrom nicht überdiagnostiziert wird, sollten klinisch und elektrophysiologisch (verzögerte F-Welle, pathologische Ulnaris-SEP, erniedrigte Amplitude des sensiblen Ulnaris-Potentials, pathologisches EMG in C8- und Th1-Muskeln) Zeichen einer unteren Armplexusläsion nachgewiesen werden können, die lage- und bewegungsabhängig sind und möglichst noch unter bestimmten Provokationsmanövern (z. B. Adson-Manöver) zunehmen. Alternativ oder zusätzlich kann eine Zirkukationsstörung der A. subclavia nachgewiesen werden.
Therapie Bei leichteren Beschwerden genügt häufig die Schonung und Ruhigstellung des Armes. Weiterhin können krankengymnastische Maßnahmen mit systematischer Stärkung der Schulterheber und Lockerung hilfreich sein. Zur Beurteilung des Therapieerfolges sollten diese min-
1163
destens über 3 Monate durchgeführt werden, bei positivem Effekt über 1 Jahr. Lediglich beim Misserfolg der konservativen Behandlung und progredienten Schmerzen und Defiziten ist eine Operation indiziert. Dieser Eingriff besteht in der Regel in der Entfernung einer Halsrippe und einer Skalenotomie. Zu empfehlen ist ein supraklavikulärer Zugang, da von transaxillären Resektionen der 1. Rippe bekannt ist, dass häufig Armplexusläsionen auftreten oder es im Verlauf zu Rezidiven kommt. Die Operation muss sich an die individuellen Verhältnisse anpassen. Gegebenenfalls müssen intraoperativ die Verhältnisse bei verschiedenen Arm- und Kopfstellungen überprüft werden. Eine Teilresektion der 1. Rippe kann zusätzlich erforderlich werden. Einengende fibröse Bänder sollten durchtrennt werden.
Literatur 1. Peet RM, Henriksen JD et al (1956) Thoracic outlet syndrome. Evaluation of therapeutic exercise program. Proc Mayo Clin 31: 281–287.
„Skew deviation“ Definition Als „skew deviation“ wird eine persistierende vertikale Achsabweichung beider Bulbi bezeichnet.
Einleitung Dabei steht das eine Auge über dem anderen, woraus vertikale Doppelbilder resultieren.
Differenzialdiagnose Eine solche Augenbewegungsstörung tritt vorrangig bei Hirnstamm- oder Kleinhirnläsionen meist ipsilateral zum tieferstehende Auge auf. Beim Parinaud-Syndrom (Mittelhirninfarkt) tritt die Augenbewegungsstörung zusammen mit supranukleärer vertikaler Blickparese, Konvergenzschwäche, Konvergenzretraktionsnystagmus, Lidretraktion (Collier-Zeichen), „pupillary light near dissociation“ auf. Treten bei Neugeborenen transiente „skew deviations“ auf, so wird dies als ein Risikofaktor zur Ausbildung eines horizontalen Strabismus angesehen.
S
Sklerose, mesiale (hippokampale)
Therapie Epilepsie,
Temporallappenepilepsie, mesia-
3
3
Sklerose, mesiale (hippokampale)
3
Temporallappenepilepsie, mesia-
le
Synonyme Hippocampussklerose, Ammonshornsklerose, mesiale temporale Sklerose
Prognose 3
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Epilepsie,
le
Definition Die Hippocampussklerose ist das den meisten Fällen der mesialen Temporallappenepilepsie zugrunde liegende pathologische Substrat. Sie ist charakterisiert durch Nervenzellausfälle und Sklerosierung vorwiegend der CA1-, CA3- und Subiculum-Region, weniger auch der Granulazellen der Fascia dentata und CA4-Pyramidenzellen des Hippocampus. Verschont sind CA2und Presubiculum-Region. Beschrieben sind weiterhin komplexe Reorganisationsvorgänge, z. B. Aussprossung von Granulazellaxonen (sog. mossy fibres, „ kindling“), die entscheidend zur Epileptogenizität des geschädigten Hippocampus beitragen. Mögliche Ursachen der Hippocampussklerose werden kontrovers diskutiert: Einerseits werden, basierend auf retrospektiven Analysen, prädisponierende bzw. initiierende Faktoren in der frühen Kindheit wie perinatale Hirnschädigung, Hirntraumata, zerebrale Hypoxie oder Enzephalitis, prolongierte Fieberkrämpfe bzw. Status epilepticus, angenommen, andererseits werden ätiologische Zusammenhänge mit hoher Anfallsfrequenz, häufigen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und Epilepsiedauer postuliert. 3
3
3
3
Diagnostik Kernspintomographischer Nachweis von (meist unilateraler) Verschmächtigung und Signalveränderung im Hippocampusbereich. Diskrete Seitendifferenzen sind u. U. nur mittels volumetrischer Vermessung der Hippocampi nachweisbar. Bei unauffälliger Morphologie und Volumetrie kann die Protonen-MR-Spektroskopie pathologische Befunde liefern (verminderter N-Acetyl-Aspartat-Peak im Vergleich zu Cholin). Funktionell bildgebende Verfahren wie FDG-PET (Glukose-Stoffwechsel) oder SPECT (regionaler zerebraler Blutfluss) weisen Hypometabolismus bzw. Hypoperfusion im mesialen Temporallappen nach. Im EEG Darstellung interiktualer bzw. iktualer epilepsietypischer Aktivität temporalanterior.
Slit-Ventricle-Syndrom Definition Ein Slit-Ventricle-Syndrom kann sich als Komplikation einer Anlage eines ventrikuloperitonealen Shuntsystems entwickeln und bezeichnet eine intermittierende oder chronische Hirndruckerhöhung trotz neuroradiologisch nachgewiesenem engen Ventrikelsystem.
Einleitung Ein Slit-Ventricle-Syndrom entwickelt sich bei bis zu 20% der Patienten mit einem ventrikuloperitonealen Shuntsystem. Die Ursache ist wahrscheinlich eine verringerte Elastizität des Ventrikelsystems durch subependymale Gliose im Bereich der Ventrikelwände und eine intermittierende Verlegung der Öffnungen des Ventrikelkatheters durch die enganliegenden Wände. Die Symptome sind denen bei ShuntÜberdrainage vergleichbar und äußern sich in Kopfschmerzen, Übelkeit und allgemeiner Leistungsminderung und sind im Liegen deutlich rückläufig.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch sind andere Funktionsstörungen des Shuntsystems wie andere Formen der Überdrainage zu bedenken. Shunt-Infektionen gehen mit systemischen Entzündungszeichen einher, Shunt-Unterfunktionen zeigen keine Besserung der Symptome durch Flachlagerung.
Therapie Die Therapie dieser Komplikation ist schwierig, meist wird man zunächst ein Ventil mit höheren Öffnungsdrücken verwenden (bei einstellbaren Ventilen zunächst eine höhere Einstellung wählen). In Einzelfällen sind subtemporale Dekompressionen durchgeführt worden, um dem Ventrikelsystem eine Wiederentfaltung zu ermöglichen.
Sneddon-Syndrom
Syndrom, mikroskopische Panarteriitis nodosa) von immunkomplexvermittelten, paraneoplastischen und mit entzündlichen Darmerkrankungen assoziierten Vaskulitiden. 3
SMA (spinale Muskelatrophie), distale
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Spinale Muskelatrophie (SMA 9), distale
3
SMA (spinale Muskelatrophie) mit spezifischem Verteilungsmuster Spinale Muskelatrophie (SMA 9), distale
SMON (subakute Myelooptikoneuropathie) Einleitung Durch eine Intoxikation mit Clioquinol (eine zur Behandlung von Darminfektionen eingesetzte Substanz) verursachte toxische Myelopathie mit spastischer sensomotorischer Paraparese und Sphinkterstörungen in Kombination mit Sehstörungen.
3
3
„Small deep infarcts“ Lakunäre Hirninfarkte
3
„Small-vessel“-Vaskulitiden
Sneddon-Syndrom
Definition
Definition
Eine „small-vessel“-Vaskulitis ist eine Vaskulititis der Arteriolen, Venolen und Kapillaren.
Die Kombination einer ausgeprägten idiopathischen Livedo racemosa und zerebralen Ischämien wird als Sneddon-Syndrom bezeichnet
Grundlagen Unter dieser Bezeichnung werden unterschiedliche Krankheitsentitäten zusammengefasst, die durch laborchemische Entzündungszeichen und klinische Allgemeinsymptome (Fieber, Myalgien, Inappetenz, Gewichtsabnahme) charakterisiert sind. Weiterhin sind wandernde Arthralgien, Purpura bei leukozytoklastischer Angiitis, das Erythema nodosum der Unterschenkelstreckseiten oder eine Livedo reticularis nicht selten. Durch Entzündung der kleinen epineuralen Gefäße sowohl motorischer als auch sensibler Nerven kann bei allen Typen eine Mononeuritis multiplex manifest werden. Diese tritt meist subakut unter Schmerzen auf. Zur genaueren Einordnung des Krankheitsbildes sollte nach spezifischer Organbeteiligung (ZNS, GI-Trakt, Lunge und Nieren) sowie nach laborchemischen Kriterien gefahndet werden. Ebenso sollte gezielt nach einem Infekt oder Medikamenteneinnahme in der Anamnese gefragt werden, wobei medikamenteninduzierte Vaskulitiden meist auf die Haut beschränkt bleiben. Man unterscheidet ANCA-positive ( Wegener-Granulomatose, Churg-Strauss-
Einleitung Erstbeschreibung 1965. Pathologie: Anhand der momentanen Daten geht man von einer chronisch-progredienten systemischen nicht-entzündlichen Erkrankung der kleinen Gefäße (z. B. Haut, Gehirn, Nieren, Herz, Augen) mit multiplen Gefäßverschlüssen aus. Epidemiologie: * Durchschnittliches Erkrankungsalter ca. 40 Jahre. * Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer. Klinik: * Kombination von Livedo racemosa oder zerebralen Ischämien. * Häufig gehen die Hautveränderungen den anderen klinischen Symptomen voraus. * Neurologisch: – Zerebrale Ischämien mit Manifestation als TIA oder Schlaganfall. – Kognitiver Abbau bis hin zu einer vaskulär bedingten Demenz. – Epileptische Anfälle.
S
3
Somnolenz
*
*
*
Laborchemisch: Bei einem Teil der Patienten Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern (nicht zwingend) sowie erhöhtes AT III (nicht zwingend). Bildgebung: Nachweis multipler kleiner und mittelgroßer, meist periventrikulär angeordneter Infarkte in der kranialen Computerund Kernspintomographie. Zerebrale Angiographie: Multiple Verschlüsse, Stenosen und Erweiterungen der kleinen und mittelgroßen hirnversorgenden Gefäße.
beziehung der retikulokortikalen Bahnen wie bei akuten metabolischen Enzephalopathien (diabetisch, hepatisch, urämisch), bilateralen Infarkten oder Blutungen, Intoxikationen, Enzephalitiden, Sinusvenenthrombosen, Hirndruck oder diffusem Schädel-Hirn-Trauma.
Differenzialdiagnose Von der Bewusstseinsstörung Somnolenz sind verschiedene Syndrome abzugrenzen, bei denen der Patient vollständig wach ist, die aber eine Bewusstseinsminderung vortäuschen können. Zu nennen sind das Wachkoma, das Locked-in-Syndrom und psychiatrische Störungen wie die katatone Störung ( Katatonie/ katatone Störung). 3
Diagnostik
3
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3
Therapie *
*
3
*
Keine kausale Therapie bekannt. Immunsuppressiva, Thrombozytenaggregationshemmer oder Antikoagulantien werden im Einzelfall eingesetzt; allerdings ohne gesicherte Daten aus kontrollierten Studien. Bei positivem Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern Antikoagulation empfohlen.
Prognose Abhängig von Anzahl und Lokalisation der zerebralen Ischämien.
Somnolenz Definition Bewusstseinsstörung, bei der sich der Patient in einem schlafähnlichen Zustand befindet, aus dem er durch Ansprache erweckbar ist und zu einfachen Reaktionen veranlasst werden kann.
Therapie Vordringliche Aufgabe bei der Aufnahme von bewusstseinsgestörten Patienten ist die Sicherung der Vitalfunktionen. Auch bei erhaltener Spontanatmung und vorhandenem Hustenreflex muss mit plötzlichem Erbrechen und anschließender Aspiration gerechnet werden. Außerdem haben die einzelnen zugrunde liegenden Krankheitsbilder eine unterschiedliche Dynamik, sodass rasche Verschlechterungen des Allgemeinzustandes möglich sind. Es ist zu entscheiden, ob eine unmittelbare Intubation nach kurzer neurologischer Untersuchung notwendig ist. Die spezifischen therapeutischen Maßnahmen richten sich dann nach der Ursache der Bewusstseinsstörung.
Sopor
Einleitung
Definition
Die Somnolenz stellt eine quantitativ leichtere Störung der Bewusstseinshelligkeit und Wachheit dar. Quantitativ schwerer ist der Sopor, die schwerste Form ist das Koma. Diese Bewusstseinsstörungen können durch Störungen des zerebralen Kortex oder des Aktivierungssystems in der Formatio reticularis des Hirnstamm oder der retikulokortikalen Verbindungen entstehen. Mögliche Ursachen sind einerseits isolierte Hirnstammschädigungen wie bei Basilaristhrombose, primärer traumatischer Hirnstammschädigung, zentraler pontiner Myelinolyse oder Wernicke-Enzephalopathie, andererseits auch kombinierte Störungen mit Ein-
Bewusstseinsstörung, bei der sich der Patient in einem tiefschlafähnlichen Zustand befindet, aus dem er durch starke Schmerzreize kurzfristig erweckbar ist.
Einleitung Der Sopor stellt eine quantitativ mittelschwere Störung der Bewusstseinshelligkeit und Wachheit dar. Quantitativ weniger schwer ist die Somnolenz, die schwerere Form ist das Koma. Diese Bewusstseinsstörungen können durch Störungen des zerebralen Kortex oder des Aktivierungssystems in der Formatio reticularis des Hirnstamm oder der retikulokortika3 3
3
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Spasmus, Laryngospasmus
len Verbindungen entstehen. Mögliche Ursachen sind einerseits isolierte Hirnstammschädigungen wie bei Basilaristhrombose, primärer traumatischer Hirnstammschädigung, zentraler pontiner Myelinolyse oder Wernicke-Enzephalopathie, andererseits auch kombinierte Störungen mit Einbeziehung der retikulokortikalen Bahnen wie bei akuten metabolischen Enzephalopathien (diabetisch, hepatisch, urämisch), bilateralen Infarkten oder Blutungen, Intoxikationen, Enzephalitiden, Sinusvenenthrombosen, Hirndruck oder diffusem Schädel-Hirn-Trauma.
1167
Grundlagen Tonische, klonische und phasische Spasmen werden unterschieden. Die Begrifflichkeit ist insgesamt nicht ganz stimmig. Der Terminus Spasmus kann sich auf periphere (z. B. Spasmus hemifacialis) und zentrale (dystone) Bewegungsstörung wie den Blepharospasmus beziehen. Nosologisch ist der Spasmus von den komplexen dystonen Bewegungsbabläufen, vom Myoklonus, von ausgeprägten Faszikulationen (Denervierung) und Myokymien sowie vom Krampus (myogen) zu differenzieren.
3
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Differenzialdiagnose
3
3
Vordringliche Aufgabe bei der Aufnahme von bewusstseinsgestörten Patienten ist die Sicherung der Vitalfunktionen. Auch bei erhaltener Spontanatmung und vorhandenem Hustenreflex muss mit plötzlichem Erbrechen und anschließender Aspiration gerechnet werden. Außerdem haben die einzelnen zugrunde liegenden Krankheitsbilder eine unterschiedliche Dynamik, sodass rasche Verschlechterungen des Allgemeinzustandes möglich sind. Es ist zu entscheiden, ob eine unmittelbare Intubation nach kurzer neurologischer Untersuchung notwendig ist. Die spezifischen therapeutischen Maßnahmen richten sich dann nach der Ursache der Bewusstseinsstörung.
Synonyme Tetanische Pfötchenkrämpfe
Definition Bei Tetanie jeder Genese auftretende Krämpfe der Hände und Füße in sogenannter Geburtshelfer- oder Pfötchenstellung: Die Hände sind im Handgelenk flektiert, Daumen adduziert, Finger in Grundgelenken gebeugt und in den übrigen Gelenken gestreckt.
Differenzialdiagnose DD der
3
3
Therapie
Spasmus, Karpopedalspasmus
Tetanie,
3
Von der Bewusstseinsstörung Sopor sind verschiedene Syndrome abzugrenzen, bei denen der Patient wach ist, die aber eine Bewusstseinsminderung vortäuschen können. Zu nennen sind das Wachkoma, das Locked-inSyndrom und psychiatrische Störungen wie die katatone Störung ( Katatonie/katatone Störung).
Epilepsie.
Therapie Therapie der Grundkrankheit.
Spasmus, Laryngospasmus Synonyme Stimmritzenkrampf
Definition Krampfartige Verengung der Glottis mit Stridor, Atemnot, Angst und Zyanose.
Spasmus
Einleitung
Synonyme Lokalisierter Krampf
Definition Langsame neurogene Muskelkontraktion, die länger anhält als ein Myoklonus.
Der Laryngospasmus tritt vor allem als Komplikation im Rahmen der Intubation bei einer Inhalationsnarkose auf. Ferner als Komplikation bei Elektrokrampftherapie, bei Tetanie, Lyssa, selten bei Patienten mit laryngealer Dystonie bzw. dystonem Stridor.
S
3
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Spastik
Therapie Behandlung der zugrunde liegenden Krankheit, symptomatisch, Beruhigung, Benzodiazepine, bei akuter vitaler Gefährdung falls keine Intubation möglich Koniotomie.
für 3–4 Monate anhält. Diese Methode ist insbesondere aufgrund praktisch fehlender systemischer Nebenwirkungen vorteilhaft. Die intrathekale Infusion von Baclofen (mittels eines subkutan implantierten Pumpensystems) stellt bei immobilisierten Patienten mit schwerer Spastik eine Behandlungsoption dar, bei der die systemischen Nebenwirkungen deutlich reduziert werden.
*
Spastik Definition Vermehrung des Muskeltonus bei zentraler Lähmung (Schädigung des 1. Motoneurons).
Spätdyskinesien
Einleitung
Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive)
3
Bei Schädigung der Pyramidenbahn (z. B. durch Schlaganfall, MS, Querschnittsyndrome) kommt es in der betroffenen Muskulatur mit variabler Latenz zum Auftreten einer Spastik mit Erhöhung des Muskeltonus, gesteigerten Muskeleigenreflexes und Pyramidenbahnzeichen. Die gegen die Schwerkraft gerichteten Muskeln (Armflexoren, Beinextensoren) sind generell stärker betroffen. Bei der Behandlung muss berücksichtigt werden, dass eine Spastik häufig Voraussetzung für die Durchführung funktioneller Bewegungen ist. Eine medikamentöse Behandlung kann durch Verstärkung bestehender Paresen das Gegenteil des gewünschten Effektes bewirken. 3
Therapie
* * *
Synonyme Sialorrhöe, Hypersalivation, Ptyalismus
Definition Gesteigerte Speichelfluss durch exzessive Speichelproduktion (selten) oder durch erschwertes Abschlucken.
Einleitung Klinisch ist die Sialorrhöe in der Neurologie durch ein eingeschränkes Abschlucken bedingt, etwa bei Parkinson-Syndromen, bei neuromusklären Störungen wie Motorneuronerkrankungen, Bulbärparalyse und Myasthenia gravis. 3
*
Speichelfluss, vermehrter
Wesentlich ist eine regelmäßige Physiotherapie mit dem Ziel der Entspannung, Aktivierung der verbliebenen Motorik sowie Verhinderung von Kontrakturen und Spasmen. Antispastische Medikation (siehe Tab. 1). Günstige Effekte wurden außerdem über Cannabis-Substanzen berichtet. Lokale Injektion von Botulinumtoxin-A (z. B. Botox®, Dysport®) mit Auslösung einer umschriebenen peripheren Parese, die
Differenzialdiagnose Lokale Prozesse in der Mundhöhle.
Therapie empirisch Therapie der Grundkrankheit. Anticholinergika, z. B. Biperiden 3×2 mg, Amitryptilin 3×25 mg.
Spastik. Tab. 1: Antispastische Medikation Substanz
Handelspräparat (Beispiel)
Dosierung (Richtwerte)
Baclofen
Lioresal®
3×5 bis 3×25 mg/die
Clonazepam
Rivotril®
2×0,5 bis 3×2 mg/die
Tizanidin
Sirdalud®
3×2 bis 3×12 mg/die
Dantrolen
Dantamacrin®
2×25 bis 4×100 mg/die
Spinale Muskelatrophie (SMA)
Definition Spontaner Eingeweidebruch durch Bruchpforte in den weichen Bauchdecken zwischen der Linea semilunaris (Spiegel´sche Linie) und dem Lateralrand des M. rectus abdominis. Hernie kann zu ziehenden Schmerzen auf der betroffenen Unterbauchseite führen.
Diagnostik
Häufigste Form der klinisch symptomatischen spinalen Dysraphien ist die Myelomeningozele (Spina bifida aperta oder cystica) mit Protrusion des Rückenmarkes oder der Cauda equina samt Arachnoidea bei knöchernem und duralem Defekt. Klinisch imponieren je nach Höhe des Defektes eine sensomotorische Paraparese sowie eine Blasen- und Mastdarmlähmung. Oft bestehen gleichzeitig weitere Fehlbildungen ( Arnold-Chiari-Malformation, Hydrozephalus). 3
Spiegeli-Bauchwandhernie
röntgenologisch bzw. mittels Sonographie. Prävalenz ca. 1%.
3
Bei Motoneuronerkrankungen und ParkinsonSyndromen können Injektionen von Botulinumtoxin in die Parotis erwogen werden. Hierzu finden sich schon kleinere Studien, die aber noch nicht ausreichen, um von einer gesicherten Therapie zu sprechen.
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Diagnostik Pränatal (Amniozentese): Nachweis einer α-Fetoprotein-Erhöhung. Frühzeitige sonographische und MR-tomographische Diagnostik.
Therapie
Klinischer Befund.
Neurochirurgischer Verschluss einer Myelomeningozele, bei Hydrozephalus Shuntanlage. Multizentrische Zusammenarbeit von Pädiatern, Neurologen, Krankengymnasten, Orthopäden, Neurochirugen und Urologen.
Therapie gesichert Chirurgische Therapie.
Prophylaxe Einnahme von Folsäure in der Schwangerschaft.
Spina bifida Definition Angeborene Spaltbildung ( Dysraphie) im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmarkes, meist lumbosakral lokalisiert. 3
Spinale Muskelatrophie (SMA) Definition
Einleitung Folgende Formen müssen abgegrenzt werden: 1. Spina bifida aperta: Spaltbildung von Wirbel und Dura mit Prolaps des Rückenmarkes einschließlich Arachnoidea, nicht von Haut bedeckt. Schwerste Form. 2. Spina bifida cystica: Spaltbildung von Wirbel und Dura mit Prolaps des Rückenmarkes einschließlich Arachnoidea, jedoch von Haut bedeckt. 3. Meningozele: Prolaps der Archnoidea bei normaler Rückenmarkslage im knöchernen Defekt, von Haut bedeckt. 4. Spina bifida occulta: Mit Haut bedeckter Wirbelspalt ohne Vortreten von Rückenmark oder Meningen. In der Regel bestehen keine neurologischen Ausfälle. Nachweis nur
Heterogene Gruppe neurodegenerativer Krankheiten mit Verlust spinaler, teils auch zusätzlich bulbärer Motoneurone.
Einleitung Die Einteilung erfolgt nach klinischen und genetischen Gesichtspunkten. Die Pathogenese ist nur unvollkommen verstanden. Klinisch wesentlich sind Manifestationsalter, Verteilungsmuster der Paresen und Atrophien (proximal, distal, symmetrisch, asymmetrisch, bulbäre Beteiligung) und Verlaufsdynamik. Die SMA Typ I (Werdnig-Hoffmann) manifestiert sich konnatal oder in den ersten Lebensmonaten als Floppy Infant mit rascher Progredienz. Sitzen wird nicht gelernt. Lebenserwartung meist unter 10 Jahren.
S
1170
Spinale Muskelatrophie, distale
Die SMA Typ II (intermediärer Typ) manifestiert sich zwischen dem 6. und 18. Monat. Gehfähigkeit wird nicht erreicht. Progredienz etwas langsamer als bei Typ I. Lebenserwartung meist unter 20 Jahren. Die SMA Typ III (Kugelberg-Welander) manifestiert sich zwischen dem 2. und 18. Lebensjahr. Die Lebenserwartung ist etwas reduziert. Genetisch sind die autosomal-rezessiven SMA Typ I bis III durch Mutationen im SurvivalMotoneuron-Protein-Gen (5q11-q13) bedingt. Die SMA Typ IV manifestiert sich nach dem 30. Lebensjahr mit proximal- und beinbetonten Paresen. Es sind autosomal-rezessive Fälle mit normaler Lebenserwartung und autosomal-dominante Fälle mit etwas reduzierter Lebenserwartung bekannt. Die seltene autosomal-rezessive diaphragmatische SMA mit respiratorischem Distress (SMARD) ist durch Mutationen im SMARD1 Gen (11q13-q21) bedingt. Das Kennedy-Syndrom (x-chromosomale spinobulbäre SMA) ist eine relativ benigne verlaufende Erkrankung, die sich im frühen Erwachsenenalter manifestiert und zu fortschreitender generalisierter Muskelatrophie mit Betonung proximal, bulbär und im Bereich des Gesichts führt. Die Erkrankung geht auf eine CAG-Repeat-Expansion im Androgenrezeptorgen (Xq13) zurück. Asymmetrische sporadische Formen der SMA sind der Typ Aran-Duchenne (langsam fortschreitende distale Paresen; DD: MMN), Typ Dyck-Lambert (Beginn distal an den Beinen) und der Typ Vulpian-Bernhard (skapulohumerale SMA mit Beginn meist nach dem 45. Lebensjahr). Von dieser Form abzugrenzen ist der Typ Kaeser (skapuloperonäale SMA). Ferner wird die juvenile distale segmentale Myatrophie der Arme vom Typ Hirayama zu den SMA gezählt. Die Pathogenese ist umstritten. Hirayama hat Belege für eine mechanisch bedingte Myelopathie mitgeteilt. Solche Faktoren lassen sich aber nicht bei allen Patienten nachweisen. Monomelische Myatrophie am Bein kann unter anderem durch ein Tethered Cord oder durch ein Conjoint Sheet bedingt sein. Diese Erkrankungen sind allerdings nicht zu den SMA zu zählen. Zu den Vorderhornprozessen zählt auch die Poliomyelitis und indirekt das Postpolio-Syndrom. Die nutritiv-toxischen Erkrankungen La-
thyrismus und Konzo verursachen dagegen eine spastische Paraparese.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, ggf. genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatisch.
Spinale Muskelatrophie, distale Definition Heterogene Gruppe seltener Erkrankungen, denen eine distal betonte Myatrophie auf der Grundlage eines Motoneuronverlustes zugrunde liegt.
Einleitung Die klassische Form einer distalen spinalen Muskelatrophie (SMA) ist die an den Armen im frühen oder mittleren Erwachsenenalter beginnende und langsam progrediente, nach Aran und Duchenne benannte Erkrankung, die in der Regel sporadisch auftritt. Einige der früher so diagnostizierten Fälle dürften aber tatsächlich einer MMN bzw. CIDP entsprechen. Im Zweifelsfall sollte eine Therapie mit i. v.-Immunglobulinen versucht werden. In einer Familie mit distaler SMA und variablem Symptombeginn wurde Linkage für das Chromosom 11q13 beschrieben. Das Gen für die SMA mit respiratorischem Distress war allerdings nicht betroffen. Bei einem 5jährigen Jungen mit distaler SMA wurde eine Deletion des SMN2-Gens als Ursache identifiziert. Zu den distalen spinalen Muskelatrophien gehört auch die juvenile distale segmentale zervikale SMA, Typ Hirayama. Es handelt sich um eine ganz überwiegend nicht erbliche Krankheit, bei der die Vorderhornläsion in einem Teil der Fälle auf mechanische Faktoren im Bereich der Halswirbelsäule zurückgeht. Die Symptome setzen meist im Jugendalter ein. Es kommt binnen weniger Jahre zu einer einseitigen oder asymmetrischen Myatrophie etwas distal des Ellenbogens. Mechanische Faktoren, etwa Überkopfarbeit oder Brustschwimmen scheinen bei einem Teil der Patienten eine Rolle zu spielen.
Spinale Tumoren
Symptomatisch. Krankengymnastik.
Spinale Muskelatrophie, proximale Synonyme SMA Typ 0, I, II, III. Werdnig-HoffmannKrankheit, Kugelberg-Welander-Krankheit
Definition Überwiegend Erkrankung aufgrund einer Deletion des SMN1 (survival motor neuron) Gens auf Chromosom 5 (5q11-q13).
Einleitung Proximale spinale Muskelatrophie (SMA) ist die zweithäufigste autosomal-rezessiv erbliche Krankheit. Es ist die häufigste genetische Todesursache bei Kindern. Klinisch manifestiert sich die Krankheit mit symmetrischen proximalen Paresen und Myatrophie. Je nach Verlauf und Symptombeginn werden Typ 0 bis IV unterschieden: Typ 0 entspricht der schwersten Form mit verminderten Kindsbewegungen in utero, postnataler Asphyxie und schweren Paresen. Typ I entspricht der Werdnig-Hoffmann-Krankheit. Beginn bei Geburt oder in den ersten Lebensmonaten (Floppy Infant). Sitzen wird nicht gelernt. Rasche Progredienz. Nur etwa 10% erreichen das 10. Lebensjahr. Beim intermediären Typ II wird das Sitzen gelernt, das Gehen aber nicht. Langsamere Progredienz als bei Typ I. Fast 80% erreichen das 20. Lebensjahr. Typ III entspricht der Kugelberg-WelanderKrankheit. Die Krankheit beginnt nach dem 2. Lebensjahr bis zur Adoleszenz. Die Patienten lernen gehen und haben eine allenfalls gering reduzierte Lebenserwartung. Bei den kindlichen proximalen SMA wird ganz überwiegend eine Deletion der telomerischen Kopie des SMN1 (survival motor neuron) Gens gefunden (5q11-q13). Bei einem Teil der Patienten liegt zusätzlich eine Deletion
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, evtl. genetische Untersuchung. Bei den frühkindlichen und kindlichen Manifestationen ist das EMG nicht immer wegweisend oder wird gar nicht toleriert, sodass teils eine Muskelbiopsie angestrebt wird.
Therapie Symptomatisch. Krankengymnastik.
Prognose Abhängig vom Symptombeginn.
Literatur 1. Dubowitz V (1999). Very severe spinal muscular atrophy (SMA type 0): an expanding clinical phenotype. Eur J Paediatr Neurol 3(2): 49–51.
Spinale Tumoren
S
Synonyme Tumoren des Rückenmarkes und der Wirbelsäule
Definition Die spinalen Tumoren werden in extradurale, intradurale extramedulläre und intramedulläre unterteilt ( spinale Tumoren, extradurale; spinale Tumoren, intradurale extramedulläre; spinale Tumoren, intramedulläre). 3
Therapie
des NAIP (neuronal apoptosis inhibitory protein) Gens vor. Im Erwachsenenalter tritt nur selten eine proximale SMA auf. SMA Typ IV entspricht einer proximalen symmetrischen SMA mit Beginn nach dem 30. Lebensjahr. Ursache ist ebenfalls teilweise eine Deletion im SMN1-Gen. Die symmetrische skapulohumerale SMA (Typ Vulpian-Bernhardt) ist vermutlich autosomalrezessiv vererbt und manifestiert sich im 4. Lebensjahrzehnt. Die Prognose der Erwachsenenfälle ist relativ gut. Es sollte aber erwähnt werden, dass Fälle einer hereditären SMA im Erwachsenenalter mit rascher Progredienz berichtet wurden.
3
Klinische Untersuchung, CK, EMG, MRT der HWS (gegebenenfalls in In- und Reklination), evtl. genetische Untersuchung.
3
Diagnostik
1171
Einleitung Bei intramedullären Tumoren führen als Initialsymptom in über 90% der Fälle Schmerzen. Es
1172
Spinale Tumoren, extradurale
Spinale Tumoren. Abb. 1: Topographische Zuordnung spinaler Tumoren
Bei rascher Entwicklung treten schlaffe Paresen der kaudal gelegenen Körperabschnitte auf; bei langsamer Progredienz treten schlaffe, segmentale Paresen in der betroffenen Höhe und darunter eine Pyramidenbahnläsion, also spastische Paresen auf. Im weiteren Verlauf entwickeln sich Blasen-Mastdarmstörungen und Sensibilitätsstörungen. Eine Kompression von lateral führt zu einem, in der Regel inkompletten Brown-Sequard-Syndrom. Auch bei extraduralen Raumforderungen sind vor dem Nachweis neurologischer klinischer Symptome bei über 90% der betroffenen Patienten Nackenschmerzen, Rückenschmerzen und fakultativ radikuläre Schmerzen vorhanden.
Diagnostik Diagnostik und Therapie werden bei den einzelnen Tumorentitäten besprochen, die tabellarisch unter den folgenden Stichworten aufgeführt sind: spinale Tumoren, extradurale; spinale Tumoren, intradurale extramedulläre; spinale Tumoren, intramedulläre. 3
3 3
handelt sich dabei um Rückenschmerzen und praktisch nie um radikuläre Schmerzen, wobei der Schmerzcharakter brennend, dumpf, elektrisierend und von heftiger Intensität ist. Bei niedriggradig malignen Tumoren kann die Schmerzanamnese mehrere Jahre betragen. Als Folge der frühen Beteiligung zentraler spinaler Strukturen entstehen frühzeitig dissoziierte Sensibilitätsstörungen, Blasen- und Mastdarm-Störungen sowie durch Läsion der motorischen Vorderhornzellen segmentale Muskelatrophien. Durch das axiale Tumorwachstum schreitet die Grenze der Sensibilitätsstörung im Verlauf nach kranialwärts, während sie bei einem extramedullären Tumor schließlich konstant bleibt. Intradurale extramedulläre Tumoren, die an den Hinterwurzeln oder in der Umgebung der Hinterwurzeln entstehen, führen zunächst zu einer radikulären Symptomatik mit Schmerzen und Parästhesien. Im Verlauf führen sie zu Myelonkompression mit Schädigung der Hinterstrangbahnen und später der Pyramidenseitenstrangbahn. Folgen sind eine zunehmende ipsilaterale spastische Parese des Beines sowie Parästhesien, besonders Kälteparästhesien und eine Störung der epikritischen und der propriozeptiven Empfindung. Die Sensibilitätsstörungen steigen oft von kaudal nach kranial auf, um dann im betreffenden Segment stationär zu bleiben. Eine in Höhe des betroffenen Segmentes klinisch oft nachweisbare Hyperpathie hat eine lokalisatorisch topische Bedeutung. Extradurale spinale Tumoren verursachen oft eine progrediente Querschnittssymptomatik.
Spinale Tumoren, extradurale Einleitung Die Tab. 1 gibt einen Überblick über extradurale spinale Raumforderungen. Therapie und Prognose sind abhängig von der Grunderkrankung.
Spinale Tumoren, extradurale
1173
Spinale Tumoren. Abb. 2: Schema zur Diagnostik und Therapie spinaler Tumoren
S Spinale Tumoren, extradurale. Tab. 1: Extradurale spinale Tumoren Tumoren
Prädilektionsalter
Geschlecht
Lokalisation
WK-Metastasen
40–60 Jahre
m=f
gesamte WS
schlecht
Primäre Knochentumo- Junges LA ren
m=f
gesamte WS
abhängig von Histologie
Plasmozytom
>20
m=f
gesamte WS
schlecht
Lymphom
ab Kindheit
m=f
gesamte WS
Andere Nachbarschaftstumoren
Prognose
zweifelhaft schlecht
1174
Spinale Tumoren, extradurale
Diagnostik Die bildgebende Diagnostik der Wahl bei spinalen tumorösen Raumforderungen ist die Kernspintomographie [1, 2]. Nur wenn die Kernspintomographie im Rahmen einer notfallmäßig durchzuführenden Diagnostik nicht zur Verfügung steht, sollte eine Panmyelographie bei Verdacht auf einen spinalen Tumor durchgeführt werden. Die Röntgennativ-Diagnostik, die in jedem Falle vor einer weiterführenden Diagnostik durchgeführt werden soll, besitzt zum Nachweis von Wirbelkörpermetastasen immerhin noch eine Sensitivität von 90% [3]. Beim Plasmozytombefall ( Plasmozytom) ist die Röntgendiagnostik allerdings immerhin bei einem Drittel der Fälle ohne pathologischen Befund [2]. Die Computertomographie hat in der Diagnostik spinaler Raumforderungen durch die Kernspintomographie wesentlich an Bedeutung verloren. Das Kernspintomogramm ist das Untersuchungsinstrument der Wahl zum Nachweis oder Ausschluss ossärer Metastasen und ist insbesondere in der T2-Wichtung mit fettunterdrückten Sequenzen sehr viel zuverlässiger als die Röntgennativ-Diagnostik. Ein solchermaßen durchgeführtes Kernspintomogramm ohne pathologischen Befund schließt das Vorliegen von Wirbelmetastasen praktisch aus [1]. Dies gilt ebenso für primäre Tumoren des Knochens, die zu einer Myelonkompression führen können. Die Knochenszintigraphie ist im Rahmen der Diagnose von malignen Prozessen sinnvoll um das mögliche Ausmaß einer metastasierenden Erkrankung im Skelettsystem nachzuweisen. Die Knochenszintigraphie ist zwar sensitiv, jedoch unspezifisch im Nachweis von malignen destruierenden knöchernen Prozessen [4]. Die CT-gesteuerte Wirbelkörperbiopsie ist als Nadelbiopsie unter Umständen zur Diagnose vermuteter maligner Wirbelkörperprozesse und zur Abgrenzung gegen mögliche entzündliche Wirbelkörperprozesse in Ausnahmefällen indiziert. 3
Therapie empirisch Als Operationsverfahren kommen je nach Lage und Ausdehnung und in Abhängigkeit von der klinischen Gesamtsituation die ventrale oder die posterolaterale Dekompression, eventuell
zusammen mit einer ventralen oder posterioren Stabilisierung in Frage. Die ausschließliche „Entlastungs“-Laminektomie mit anschließender Radiatio ist der Radiatio allein nicht nachgewiesenermaßen überlegen [5]. Eine operative Radikalität kann allerdings nur in Ausnahmefällen erreicht werden, somit ist die Strahlentherapie häufig in Kombination mit der chirurgischen Dekompression/Stabilisierung angezeigt. Die Bestrahlung als einzige Modalität stellt eine Therapieoption dar, wenn eine chirurgische Intervention nicht möglich oder nicht sinnvoll ist, z. B. wenn mehrere Segmente von einem destruierenden Prozess betroffen sind und eine Operation zu einer zusätzlichen Destabilisierung führen würde. Die bei Wirbelsäulenmetastasen eingesetzten Strahlendosen liegen zwischen 40–50 Gy. Führt die Myelonkompression (noch) nicht zu einer neurologischen Symptomatik, ist die Strahlentherapie allein mit einer Schmerzreduktion bei 80% der Patienten verbunden und führt zu einer neurologischen Stabilisierung von mehr als einem halben Jahr [6]. Es herrscht jedoch weitgehende Einigkeit darüber, dass eine chirurgische Dekompression des Myelons, wenn technisch möglich, rascher und zuverlässiger zu einer Erholung neurologischer Funktionen führt als eine ausschließliche Bestrahlung [7, 8]. Einen wesentlichen Einfluss auf den Therapieerfolg hat der neurologische Befund vor Einleitung der Therapie, mithin die Schnelligkeit, mit der bei fortschreitender neurologischer Verschlechterung eine Therapie eingeleitet wird. Während für Patienten, die vor Einleitung einer Therapie noch gehfähig sind, die Rate der nach Therapie noch Gehfähigen bei über 90% liegt, liegt dieser Anteil für vor Therapie paraplegische Patienten nach Strahlentherapie bei 0% und nach Operation bei 14% [8]. Bei progredienten Querschnittssymptomen besteht ein dringlicher diagnostischer Klärungsbedarf. Bei Plasmozytomen und extraduralen Lymphomen, die eine Querschnittssymptomatik verursachen, wird eine mögliche operative Entlastung mit einer Bestrahlung und fakultativ mit einer Chemotherapie kombiniert. Bei metastasierenden Wirbelkörpertumoren ist abhängig von der Primärtumorhistologie (z. B. Mammakarzinome) unter Umständen eine Chemotherapie in Kombination mit einer Strahlentherapie sinnvoll. Bei metastasierenden Prostatakarzinomen sind Antiandrogene und bei metastasierenden Mammakarzinomen Tamoxifen oder
Spinaler Schock
Androgene Bestandteil der Therapie, die zu höheren Ansprechraten, verlängerten Überlebenszeiten und verbesserter Lebensqualität führen. Die Therapie der primären Knochentumoren richtet sich nach deren Histologie. Benigne extradurale Tumoren wie Osteome, Osteoblastome, Riesezelltumoren, Hämangiome, Chondrome, Lipome oder tumorartige Läsionen wie eosinophile Granulome sind selten. Die Therapie wird interdisziplinär geplant und umfasst bei Auftreten einer neurologischen Symptomatik in aller Regel bei günstiger Prognose auch die chirurgische Resektion. In der Gruppe der extraduralen Tumoren sind bei den malignen primären Wirbelkörpertumoren das Ewing-Sarkom und das osteogene Sarkom sensibel auf eine Hochdosis-Chemotherapie, die mit einer Strahlentherapie und unter Umständen einer Operation kombiniert wird [9].
Nachsorge Engmaschige onkologische Kontrollen sind indiziert.
Literatur 1. Dina TS, Ching HAT (1996). Imaging of spinal tumors. In: Wilkins RH, Rengachary (Hrsg.) Neurosurgery. McGraw-Hill, New York 1757– 1768. 2. Freitag HJ (1996). Spinale Tumoren und tumorähnliche Krankheiten. In: Sartor K (Hrsg.) Neuroradiologie. Thieme, Stuttgart. 3. Westphal M, Schlegel U (1998). Raumfordernde spinale Prozesse. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart. 291– 305. 4. Portenoy RK, Galer BS, Salamon O et al. (1989) Identification of epidural neoplasm. Cancer 64:2207–2213. 5. Fehlings MG, Rao SC (2000). Spinal cord and spinal column tumors. In: Bernstein M, Berger MS (eds.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York. 445–464. 6. Maranzano E, Latini P Checcaglini F et al. (1991) Radiation therapy in metastatic spinal cord compression: a prospective analysis in 105 consecutive patients. Cancer 67:1311–1317. 7. Helweg-Larsen S, Rasmusson B, Sorensen PS (1990). Recovery of gait after radiotherapy in paralytic patients with metastatic epidural spinal cord compression. Neurology 40:1234–1236. 8. Posner JB (1995). Neurologic complications of cancer. FA Davis Company, Philadelphia. 9. DeVita VT, Hellman S, Rosenberg SA (1997). Cancer. Principles & Practice of Oncology. Lippincott-Raven, Philadelphia.
1175
Spinale Tumoren, intradurale extramedulläre Die Tab. 1 gibt einen Überblick über intradurale extramedulläre Raumforderungen.
Spinale Tumoren, intramedulläre Die Tab. 1 gibt einen Überblick über die intramedullären Tumoren.
Spinaler Schock Definition In der Anfangsphase Minuten bis Stunden nach einer akuten, ausgedehnten Myelonschädigung durch Trauma, Ischämie, Blutung oder Raumforderung auftretendes Syndrom mit Erlöschen aller Rückenmarksfunktionen.
Einleitung Die Symptomatik des spinalen Schocks besteht aus kompletter und schlaffer Parese, dem Erlöschen der Muskeleigenreflexe ohne Auftreten von pathologischen Pyramidenbahnzeichen, einer Blasenatonie (atone Überlaufblase mit massiver Harnretention), Darmentleerungsstörung, querschnittsförmiger Sensibilitätsstörung für alle Qualitäten mit z. T. hyperalgischer radikulärer Zone oberhalb der Läsionshöhe und Ausfall der Gefäß- und Wärmeregulation unterhalb der Läsionshöhe. Diagnostisch ist notfallmäßig eine spinale Bildgebung auf der entsprechenden Höhe mittels MRT nötig.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch sind neben den obengenannten Ursachen für einen spinalen Schock weniger akute Krankheitbilder zu beachten, wie z. B. eine Myelitis, eine akute Polyradikulitis, toxische Myelopathien bei Drogenkonsum, neuromuskuläre Erkrankungen. Auch psychogene Störungen müssen bedacht werden.
Therapie gesichert Bei akuten das Myelon komprimierenden
S
1176
Spinaler Schock
Spinale Tumoren, intradurale extramedulläre. Tab. 1: Überblick über intradurale extramedulläre Raumforderungen Tumoren
Prädilektionsalter
Geschlecht
Lokalisation
Prognose (nach Therapie)
Meningeom
40–60
m
HWS, BWS
Gut
Neurinom, sporadisch
25–40
m=f
HWS, BWS
Gut Schlecht
Neurinom bei NF2
20–30
m=f
Gesamte WS
Myxopapilläres Ependymom
5–40
m=f
Filum terminale, Gut Conus medullaris
Paragangliom
40–50
m=f
Filum terminale
Gut, selten lumb. Wurzeln
Lipome
5–50
m=f
BWS, LWS
Gut
Dermoid, Epidermoid
0–20
m>f
Lumbosakral
Gut
Spinale Tumorabsiedelungen bei Medulloblastomen
10–25
m=f
Lumb. Duralsack
Dubiös
Andere PNETs
10–25
m=f
Lumb. Duralsack
Schlecht
Meningeosis carcinoma- 40–60 tosa
m
Gesamte WS
Schlecht
Raumforderungen muss sofort rasch eine operative Entlastung erfolgen. Falls die Bildgebung keinen Nachweis einer Raumforderung erbringt, erfolgt zunächst unter dem Verdacht einer spinalen Ischämie eine Heparinisierung.
Die Therapie sollte immer in einem Zentrum erfolgen, das Erfahrungen mit akuten Querschnittssyndromen hat.
Spinale Tumoren, intramedulläre. Tab. 1: Intramedulläre spinale Tumoren Tumoren
Prädilektionsalter
Geschlecht
Lokalisation
Prognose nach Therapie
Astrozytom, WHOGrad I und II
0–20
m=f
HWS, BWS
Zweifelhaft, Rezidive
Anaplastisches Astrozytom
5–30
m=f
HWS, BWS
Schlecht
Hämangioblastom
30–40
m=f
HWS, BWS
Gut nach Resektion
Gangliogliom
0–10
?
HWS, BWS
Gut nach Resektion
Andere neuronalgliale Tumoren
0–10
?
HWS, BWS
Gut nach Resektion
m=f
HWS, BWS
Gut
Lipom
5–50
Oligodendrogliom
Nur Einzelfälle
Neurinom
30–70
m>f
HWS, BWS
Gut (?)
Metastase
50–70
m>f
HWS, BWS
Schlecht, Conus
Gut (?)
Spinobulbäre Muskelatrophie
1177
Nachsorge
Einleitung
Die Nachsorge erfolgt in einem für Querschnittssyndrome spezialisiertem Zentrum.
Klassisches Syndrom: Spastische Paraparese der Beine mit Pyramidenbahnzeichen, Störung der Hinterstrangsensibilität (Vibrationsempfinden), positive Familienanamnese; Sphinkterstörungen sowie Beteiligung der oberen Extremität können auftreten. Das Manifestationsalter ist variabler (Kindes- bis Erwachsenenalter). Neuropathologie: Degeneration der distalen Anteile des kortikospinalen Traktes sowie distaler Anteile des Tractus gracilis. Bei den „komplizierten“ Verlaufsformen können weitere Systeme betroffen sein. Die Pathogenese der Erkrankung ist noch weitgehend unbekannt. Bei den familiären Formen sind autosomal-rezessive, autosomal-dominante und X-chromosomal gebundene Formen beschrieben. Sporadische Fälle entsprechen der primären Lateralsklerose.
Klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen, deren gemeinsames Merkmal eine langsam progrediente spastische Paraparese ist. Typische Gangstörung (siehe Abb. 1).
Diagnostik Zusatzdiagnostik: MRT (DD spinale Prozesse), Vitamin B12 i. S. (DD funikuläre Myelose), Lumbalpunktion, HTLV-1-Antikörper i. S. (DD Myelitis bei Multiple Sklerose, Lues, HTLV 1 („human T-lymphotrophic-virus type 1“)), überlangkettige Fettsäuren i. S. (DD Adrenoleukodystrophie bzw. Adrenomyeloneuropathie). Klinisch muss eine dopasensitive Dystonie (Segawa-Syndrom) abgegrenzt werden. 3
Definition
3
3
3
Spinalparalyse, spastische
3
Einengung des Spinalkanales mit klinischen Symptomen durch Affektion des Myelons ( Myelopathie, zervikale) bzw. der Cauda equina ( Claudicatio intermittens, neurogene).
3
Definition
3
Spinalkanalstenose
3
Therapie Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Wesentlich sind eine krankengymnastische Therapie und ggf. eine Hilfsmittelversorgung. Eine medikamentöse Therapie der Spastik ist häufig unbefriedigend (Versuch mit Baclofen 3×5 bis 3×25 mg, z. B. Lioresal® oder Tizanidin 3× 2 bis 3×12 mg, z. B. Sirdalud®). Blasenfunktionsstörung. 3
Prognose Langsam progrediente Symptomatik, die Lebenserwartung ist normal.
Spinobulbäre Muskelatrophie Synonyme Kennedy Syndrom Spinalparalyse, spastische. Abb. 1: Spastisches Gangbild
S
Spondylarthrose
Definition X-chromosomal erbliche Multisystemerkrankung auf der Grundlage einer CAG-Trinukleotid-Expansion des Androgenrezeptorgens.
Einleitung Die durch die CAG-Expansion bedingte verlängerte Polyglutaminsequenz führt zu nukleären Einschlüssen aus mutiertem Androgenrezeptorprotein im Tiermodell und in der Zellkultur. Die Erkrankung ist mit langsam progredientem Verlust an spinalen und bulbären Motoneuronen, teils auch sensibler Nervenzellen verbunden sowie mit partieller Androgenresistenz. Die betroffenen Männer erkranken meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Symptome sind proximale, bulbäre und faziale Paresen, Faszikulationen, Krampi, Tremor. Keine Pyramidenbahnzeichen. Sensible Symptome sind selten, oft zeigen sich aber erniedrigte Amplituden der sensiblen Nervenaktionspotentiale und der SEP. Häufig besteht eine Gynäkomastie sowie Hodenatrophie. In einigen Fällen tritt ein Diabetes mellitus auf. Die Lebenserwartung ist meist normal.
Einleitung Meist symptomlos, häufig treten nur belastungsinduzierte Kreuzschmerzen auf, bei stärkerer Instabilität auch radikuläre Symptome, neurogene Claudicatio intermittens. Zwei Formen sind von praktischer Bedeutung: 3
1178
1. Die häufigere Pseudospondylolisthesis mit Subluxation der Gelenke infolge einer Bandscheibenerniedrigung und Lockerung des Bandapparates. 2. Die spondylolytische Form bei Stressfraktur am Isthmus der Bogenwurzel mit Pseudarthrose im Spaltbereich.
Diagnostik Röntgen der LWS mit Funktionsaufnahmen, CT.
Therapie Krankengymnastische Übungsbehandlung, Korsett, evtl. Spondylodese.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, genetische Untersuchung (CAG-Repeats im Androgenrezeptorgen).
Therapie Symptomatisch. Krankengymnastik, Atemtraining, evtl. Heimbeatmung.
Spontanthrombosierung Definition
Prognose
Unter Spontanthrombosierung versteht man die spontane Thrombosierung einer intrakraniellen arteriovenösen Malformation.
Relativ gut. Im höheren Lebensalter teilweise erhebliche Behinderung.
Grundlagen *
Spondylarthrose Definition Arthrose der kleinen Wirbelgelenke bei degenerativer Wirbelsäulenerkrankung.
* *
3
Spondylolisthesis Synonyme Wirbelgleiten
*
In seltenen Fällen kommt es bei einer intrakraniellen Malformation (Angiom) zu einer spontanen Thrombosierung der Gefäßmissbildung. Dies tritt meist bei kleinen Angiomen mit nur wenigen versorgenden Gefäßen auf. Im weiteren Verlauf kann es jedoch zu einer Rekanalisierung des Angiom-Nidus und erneuten Ausbildung einer arteriovenösen Fistel kommen. Es ist unklar, ob nach spontaner, vollständiger Thrombosierung eines Angioms weiterhin ein Blutungsrisiko besteht oder nicht, sodass regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen sinnvoll sind.
Sprachstörung
Sprach-Arrest Synonyme Ictual paralysis, speech arrest
Definition Paroxysmal auftretende, Sprachhemmung.
vorübergehende
Einleitung Bei von der dominanten Hemisphäre ausgehenden fokalen Anfällen (z. B. über der sprachdominanten Hemisphäre gelegene Konvexitätsmeningeome) beobachtetes Phänomen einer paroxysmalen, vorübergehenden Sprachhemmung (ictual paralysis).
1179
Sprachstörungen können also stets multi- und/ oder supramodal auftreten. Aphasien sind erworbene Sprachstörungen des sog. Sprachzentrums, das sich aus mehreren sprachrelevanten Arealen zusammensetzt und in ca. 90% der Menschen in der Konvexität der linken Großhirnhemisphäre liegt (um die Sylvische Fissur angeordnete frontale, parietale, temporale und okzipitale Hirnwindungen, sowie dem Inselkortex und dem darunterliegenden Marklager). Die Klinik der Aphasien zeigt, dass normalerweise die linke Hirnhemisphäre für Sprache dominant ist (nur bei 1–2% der Menschen ist die rechte oder beide Hirnhemisphären sprachdominant). Kommt es bei eindeutig rechtshändigen Personen nach einer rechtshemisphärischen Läsion zu einer Aphasie, so spricht man von einer gekreuzten Aphasie. Die wichtigsten klinischen Formen sind: globale Aphasie, Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie, amnestische Aphasie, Leitungsaphasie und transkortikale Aphasie.
3
3
3
3
3
Sprache
3
3
Definition Allgemeine Bezeichnung für verbale und nonverbale Kommunikation.
Differenzialdiagnose
Grundlagen
Therapie Es liegen keine kontrollierten Studien bezüglich logopädischer Behandlung vor. empirisch Logopädie.
Bewertung Für Aphasien im Erwachsenenalter ist am häufigsten (80–85%) ein ischämischer Hirninfarkt oder eine zerebrale Blutung verantwortlich (30% aller Betroffenen mit einem Schlaganfall erleiden eine Aphasie), weitere Ursachen sind: Schädel-Hirn-Trauma, Tumoren, Enzephalitis, degenerative Hirnerkrankungen. Mögliche Ursachen im Kindesalter sind: Hörstörungen, Missbildung der Artikulationsorgane, zerebrale Dysfunktionen, genetische Veranlagung, psychosoziale Vernachlässigung. 3
Die Fähigkeit zum Erlernen von Sprache und damit zum Sprachverständnis ist beim Menschen angeboren.
3
Unterschieden werden die vier essentiellen zentralen Sprachfunktionen: * Phonologie (Lautstruktur). * Syntax (formale Struktur, Grammatik). * Semantik (Wort-/Satzbedeutung). * Lexikon (Wortschatz).
Sprechstörungen (Dysarthrie).
3
3
3
Aphasie
3
Definition Störung der Sprache in mindestens einer der zentralen essentiellen Komponenten des Sprachsystems. 3
Einleitung Aphasien erstrecken sich auf alle expressiven und rezeptiven sprachlichen Modalitäten, auf Sprechen und Verstehen, Lesen und Schreiben.
3
Synonyme
3
Sprachstörung
Prognose Aphasien bestehen oft jahrelang, wobei Ausmaß und Art sich im Verlauf verändern können. Wichtige Faktoren sind neurophysiologische Rückbildungsmechanismen sowie Art und Intensität der logopädischen Behandlung.
S
1180
Sprechstörung (Dysarthrie)
Bei den meisten Patienten wird innerhalb der ersten vier Wochen der Akutphase eine rasche Besserung beobachtet: Bei einem Drittel der Patienten kommt es zu einer weitgehenden Normalisierung, nach vier Monaten bei weiteren 11% und nach 7 Monaten kommt es bei weiteren 8% zu einer vollständigen Restitution. Nach 12 Monaten besteht ein chronischer Zustand. Je schwerer die initiale Aphasie ausgeprägt ist, desto ungünstiger ist die Prognose (schlechteste Prognose bei globaler Aphasie, günstigste Prognose bei amnestischer Aphasie). Der Verlauf gekreuzter Aphasien ist häufig günstiger, was durch stärkere bilaterale Sprachrepräsentation erklärt wird. 3
Sprechstörung (Dysarthrie) Definition 3
Störung der Sprechmotorik,
Dysarthrie.
Einleitung Die Störungen der sprechmotorischen Ausführung betreffen in der Regel die Artikulation, Phonation und Sprechatmung, die daher auch als sog. Dysarthrophonie bezeichnet wird. Beeinträchtigt können weiterhin Resonanz, Sprechgeschwindigkeit, Sprechrhythmus und - melodie sein. Bei vollständiger Unfähigkeit zur Artikulation spricht man von der sog. Anarthrie. Dysarthrien werden häufig nach Störungsform und nach Lokalisation der Läsion unterteilt, wobei häufig Mischformen vorliegen (bulbär (pseudobulbär), suprabulbär, extrapyramidal, zerebellär, kortikal). Periphere Ursachen umfassen Neuropathien, myasthenische Syndrome und Myopathien.
durch Punktions- oder Injektionsschäden peripherer Nerven ausgelöst. Verschiedene Schädigungsmechanismen sind möglich. Ein direktes Nadeltrauma bei venösen und arteriellen Punktionen betrifft häufig den N. femoralis, N. medianus, Plexus brachialis, Hautnerven im Bereich der Ellenbeuge oder den R. superficialis n. radialis. Eine toxische Schädigung durch die Injektionslösung entsteht vor allem bei intraglutealen Injektionen (Analgetika, Antirheumatika, Antibiotika, Psychopharmaka). Hierbei werden der N. ischiadicus (evtl. nur der Peroneus- oder Tibialisanteil oder sogar nur einzelne Faszikel) oder die Nn. glutaei geschädigt. Durch fälschliche intraarterielle Injektion vasotoxischer Substanzen werden vor allem Nerven im Versorgungsgebiet der A. brachialis oder der A. carotis externa geschädigt. Nervenläsionen können auch indirekt durch ein nach einer Injektion aufgetretenes Hämatom entstehen. Sie treten besonders bei Gerinnungsstörungen und arteriellen Punktionen auf (vor allem N. medianus, Plexus brachialis, N. femoralis).
Einleitung Bei direkter Schädigung durch die Injektionsnadel kommt es zu brennenden Schmerzen beim Einstich mit Ausstrahlung in das sensible Versorgungsgebiet, evtl auch zu motorischen
3
3
3
Differenzialdiagnose Sprache, Störung.
3
Therapie Logopädie.
Spritzenlähmung Definition Sogenannte
„Spritzenlähmungen“
werden
Spritzenlähmung. Abb. 1: Durch intragluteale Injektion potentiell gefährdete Nerven und korrekte Injektionstechnik im oberen äußeren Quadranten
Sprue, einheimische (Zöliakie)
Reizerscheinungen mit Faszikulationen und Myoklonien. Langfristig entwickelt sich häufig ein chronisches kausalgiformes Schmerzsyndrom. Eine toxische Schädigung durch die Injektionslösung führt zu stechenden oder elektrisierenden Schmerzen im Versorgungsgebiet des betroffenen Nerven mit sofortigen sensiblen und motorischen Ausfällen. Die Schmerzen sind meist kausalgiform. Trophische Störungen bestehen oft und können ganz im Vordergrund stehen. Bei einer versehentlichen intraarteriellen Injektion kommt es zunächst zu Spasmen und Thrombosen der entsprechenden Gefäße mit konsekutiven schweren Haut- und Muskelnekrosen und ischämischen Nervenläsionen oder sogar Kompartmentsyndromen. Neurologische Symptome treten erst nach einem mehrstündigen Intervall auf. Schädigungen durch ein Hämatom führen mit einer Latenz von Stunden bis Tagen zu Schmerzen, Parästhesien und evtl. Paresen im Versorgungsgebiet eines der Injektionsstelle benachbarten Nerven. 3
Therapie Wichtigste „Therapie“ ist die Prophylaxe. Aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes sollten Nervenläsionen durch Spritzenschädigungen unbedingt vermieden werden. Hierzu gehört zum einen die korrekte Injektionstechnik in den oberen äußeren Quadranten bei intraglutaealen Injektionen, zum anderen aber auch der Versuch, intramuskuläre Injektionen möglichst überhaupt zu vermeiden und erforderliche Medikamente oral oder intravenös zu injizieren. Außerdem müssen Kontraindikationen für intramuskuläre Injektionen berücksichtigt werden. Hierzu gehören die Gerinnungsstörungen. Bei einer direkten Nervenschädigung durch die Injektionsnadel sollte bei V. a. vollständige Durchtrennung eine operative Revision erfolgen. In der Regel wird aber eine konservative Therapie ausreichend sein und nur bei fehlender Reinnervation innerhalb von 6 Monaten eine sekundäre Operation durchgeführt werden. Die Therapie einer toxischen Nervenschädigung durch das injizierte Medikament besteht in einem frühzeitigen „Verdünnungsversuch“ mit Einspritzen von 50–100 ml 0,9%iger NaCl-Lösung unter den M. glutaeus maximus. Die Gabe eines hochdosierten Kortikoids (z. B.
1181
Methylprednisolon 250–500 mg i. v.) sollte wenn dann frühzeitig erfolgen. Eine operative Revision und Neurolyse innerhalb der ersten Tage nach der Läsion ist umstritten und sollte im Einzelfall kritisch eingesetzt werden. Besteht nach 3 Monaten noch eine kompletter Ausfall des Tibialisanteils mit Anästhesie der Fußsohle, so ist eine sekundäre operative Revision indiziert. Frühzeitig sollte auf jeden Fall eine suffiziente Analgesie erfolgen (trizyklische Antidepressiva). Begleitend erfolgen krankengymnastische Übungsbehandlungen. Fälschliche intraarterielle Injektionen vasotoxischer Substanzen werden frühzeitig mit dem Versuch einer Sympathikolyse bzw. einer intraarteriellen vasodilatatorischen Therapie (z. B. Procain 1%, Prostavasin) behandelt. Im Anschluss wird eine Vollheparinisierung durchgeführt. Bei Nervenläsionen durch sekundäre Hämatome muss häufig frühzeitig eine operative Entlastung erfolgen.
Prognose Die Prognose einer toxischen Spritzenschädigung durch die Injektionslösung hängt vom verwendeten Präparat ab, ist aber insgesamt eher ungünstig. Langfristig stehen bei den Spritzenlähmungen oft kausalgiforme Schmersyndrome im Vordergrund, die eine adäquate Schmerztherapie benötigen.
Sprue, einheimische (Zöliakie) Synonyme Glutensensitive Enteropathie
Definition Die einheimische Sprue (Zöliakie) ist durch Zottenabflachungen der Dünndarmmukosa, ausgelöst durch eine Unverträglichkeit von Gluten und Gliadin im Getreide, gekennzeichnet. Durch diesen Mechanismus kommt es zu einem chronischen Fettmalabsorptionssyndrom mit nachfolgendem Vitamin E-Mangel.
Einleitung Nach jahrelangen Phasen mit chronischen Durchfällen kann es zu einer Ataxie kommen, z. T. kommen schwere Myoklonien hinzu.
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Standataxie
Diagnostik Pathophysiologisch kommt dem Vitamin EMangel entscheidende Bedeutung zu. Dieses gilt auch für andere Malabsorptionssyndrome mit Ataxie (z. B. A-beta-Lipoproteinämie). Im Serum sind Gliadin-Antikörper nachweisbar.
Therapie Die Therapie der neurologischen Defizite besteht in einer oralen Substitution mit hohen Dosen von Vitamin E (z. B. 100 mg/kg/die). Die Sprue wird primär mit einer lebenslangen Einhaltung einer glutenfreien Kost therapiert.
Prognose Die Prognose ist bei rechtzeitigem Therapiebeginn gut.
Standataxie Definition In der Regel als zerebellares Zeichen angesehene Störung der Haltungsinnervation beim Stehen mit Fallneigung, verstärkt beim RombergVersuch bei Wegfall visueller Kompensationsmechanismen.
Startle-Syndrom Synonyme Hyperexplexie, Hyperekplexie
Definition Startle aus dem Englischen heißt Zusammenschrecken. Reaktionen des Zusammenschreckens als pathologisches Syndrom lassen sich in 3 verschiedene Kategorien unterteilen: * In primäre ZusammenschreckreaktionsSyndrome, bei denen die Schreckreaktion selbst das dominierende klinische Symptom darstellt. * In sekundäre ZusammenschreckreaktionsSyndrome, die durch spezifische zentralnervöse Krankheitsprozesse mit anderen vorherrschenden neurologischen Symptomen assoziiert sind. * In eine Kategorie von an spezielle Kulturkreise gebundene Verhaltens- oder Zusam-
menschreckreaktions-Syndrome, die in wechselnder Kombination mit Echolalie, Echopraxie, Koprolalie und mechanischer Gehorsamkeit (Folgsamkeit, Unterwürfigkeit) assoziiert sind.
Einleitung Unter dem primären Startle-Syndrom wird eine seltene neurologische Erkrankung verstanden, bei der die pathologische Schreckreaktion das klinisch dominierende Symptom darstellt und die häufig durch einen autosomal-dominanten Erbgang charakterisiert wird, aber auch sporadisch vorkommen kann. Klinisch steht bei der Erkrankung ein pathologisch gesteigerter Zusammenschreckreflex im Vordergrund zusammen mit gehäuftem Muskelzuckungen (nachts seltener), Gangstörungen und einer Muskeltonuserhöhung in der Kindheit mit resultierender Hypokinese. Die bei Geburt bestehende Steifheit der Extremitäten, die an eine Para- oder Tetraspastik erinnern kann, verschwindet innerhalb des ersten halben Jahres. Bereits unmittelbar nach der Geburt zeigen stark betroffene Kinder ein ausgeprägtes Schreckverhalten auf plötzliche Reize, wie z. B. Anstoßen an das Bett oder laute Geräusche. Im Gegensatz zum Moro-Reflex kommt es beim Schreckreflex zu einem Flexionsmuster. Mit der Entwicklung des Laufens wird die körperliche Beeinträchtigung stärker, da die Kinder beispielsweise auf plötzliche Berührung oder Geräusche hin, in der Schreckreaktion versteifen, leicht hinstürzen können und sich auf Grund der Beugemuster der Arme erschwert abfangen können. Bei schweren Verlaufsformen kann die Sturzgefährdung das ganze Leben anhalten. Bei milderen Verlaufsformen kann die gesteigerte Schreckreaktion nur bei verstärkter emotionaler Belastung ausgelöst werden. Häufig leiden die Patienten unter heftigen bilateralen Muskelzuckungen der Beine vor allem während der Nacht beim Absinken in Tiefschlafphasen. Der Gang kann deutlich erschwert sein mit Tendenz zu einem protektiven kleinschrittigen Gang. Sekundäre, symptomatische Startle-Syndrome sind relativ selten im Rahmen verschiedener Krankheitsprozesse, z. B. zervikomedulläre Kompression, Thalamus-Infarkt, Hirnstammen-
Statine
zephalitis oder - infarkt, Aufmerksamkeitsstörungen etc. beschrieben worden. Besonders auffällig ist die Assoziation mit dem ebenfalls sehr seltenen Stiffman-Syndrom.
1183
rebro- und kardiovaskuläre Risiko gezeigt werden: 4S-Studie, CARE, LIPID, WOSCOPS, SPARCL.
Pharmakologische Daten Diagnostik
*
EEG und kranielles MRT zur DD der StartleEpilepsie.
*
Ausgeprägter „first-pass“-Effekt. Wirkung hauptsächlich in der Leber.
Anwendungsgebiete Therapie
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empirisch Clonazepam stellt die Therapie der Wahl dar, z. T. auch andere Benzodiazepin-Derivate. In der Regel genügen kleine Dosen (0,1 mg/kg Clonazepam), um die Sturzattacken und auch die nächtlichen Muskelzuckungen zu reduzieren und zugleich ein sicheres Gehen ohne vermehrtes Festhalten zu erreichen. Daneben ist auch eine Wirksamkeit von Valproat und Piracetam beschrieben worden.
* *
Dosierung/Anwendung * * *
Statine
Unterschiedliche Dosierungen: Tabletten zu 5, 10, 20 und 40 mg. Orale Anwendung. Tägliche Einmaldosis, wegen der zirkadianen Cholesterinsynthese bevorzugt abends.
Unerwünschte Wirkungen * *
HMG-CoA-Reduktase-HemCholesterolsynthese-Enzym*
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* *
Zubereitungen Orale Anwendung in Form von Tabletten.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Verschiedene Wirkstoffe werden unter dem Überbegriff Statine zusammengefasst: Fluvastatin, Simvastatin, Pravastatin, Lovastatin mit jeweils verschiedenen Präparaten im Handel. 3
Wirkungen Kompetitive Hemmung des Enzyms HMGCoA-Reduktase, dadurch: * Reduzierte Cholesterinbiosynthese. * Kompensatorische Zunahme der LDL-Rezeptorendichte um den Cholesterinbedarf der Zellen zu decken. * Konsekutiv Abnahme des Plasma-LDLs. * Geringerer reduzierender Effekt auf HDLCholesterin, kaum Einfluss auf Triglyceride.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung * * * *
Lebererkrankungen sowie unklare Erhöhung der Transaminasen. Myopathie. Cholestase. Schwangerschaft und Stillzeit.
Wechselwirkungen *
Erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Myopathie mit Rhabdomyolyse bei gleichzeitiger Anwendung von Ciclosporin und Fibraten.
Siehe
Lovastatin.
Bewertung *
In mehreren Studien konnte die Effektivität einer cholesterinsenkenden Therapie auf das ze-
Kopfschmerzen. Muskelschmerzen, selten bis hin zur Rhabdomyolyse (dosisabhängig, v. a. bei gleichzeitiger Fibrattherapie). Gastrointestinale Beschwerden. Transaminasenanstieg. Überempfindlichkeitsreaktionen: Angioneurotisches Ödem, anaphylaktoide Reaktionen.
3
Synonyme Lipidsenker der mer-Gruppe, Hemmer
Hypercholesterinämie. Hyperlipidämie mit vorwiegender Hypercholesterinämie. Lp(a)-Erhöhung bei gleichzeitiger LDLCholesterinerhöhung (Statine haben jedoch keinen Einfluss auf Lp(a)-Spiegel).
Aufgrund der positiven Datenlage der oben aufgeführten Studien sollte bei zerebrovaskulären und kardiovaskulären Ereignissen
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*
*
Status epilepticus
sekundärprophylaktisch eine lipidsenkende Therapie mit Statinen in jedem Fall diskutiert werden. Daten bezüglich der Effizienz einer primärprophylaktische Einnahme von Statinen beim Schlaganfall fehlen bislang, Studien diesbezüglich laufen jedoch derzeit (Prosper, Respect). Ein Cholesterin-Zielwert (bzw. LDL-Zielwert) in der Schlaganfallprophylaxe ist nicht bekannt und wird in Anlehnung an die kardiologschen Studien angegeben (LDL-Zielwert <100 mg/dl in der Sekundärprophylaxe).
Status epilepticus Definition Der Status epilepticus ist definiert als andauernder (≥15–30 min) epileptischer Anfallszustand. Bei generalisierten tonisch-klonischen Anfällen wird auch dann von einem Status gesprochen, wenn der Patient zwischen den einzelnen Anfällen das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Grundsätzlich können alle epileptischen Anfallstypen als Status auftreten.
schnittlich 20% angegeben. Die Ätiologie ist vielfältig, bei vorbekannter Epilepsie am häufigsten durch Absinken des Antiepileptikaspiegels (Non-Compliance, Resorptionsstörung) oder interkurrente Infekte.
Diagnostik Bei vorher nicht bekannter Epilepsie steht Diagnostik bezüglich möglicher Ätiologie im Vordergrund, z. B. metabolische bzw. Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes, Vergiftungen, Alkoholentzug, ischämische, entzündliche oder andere akute zerebrale Prozesse. 1. Basisdiagnostik: Vitalfunktionen, neurologische Untersuchung (Meningismus, fokal-neurologische Symptomatik), Labor (Blutzucker, Elektrolyte, Laktat, Retentionswerte, ggf. toxikologische Untersuchungen), CCT (z. B. Infarkt, Blutung, Sinus-/Venenthrombose, Tumor/ Metastasen, Abszess, Kontusion, Ödem). 2. Weiterführende Untersuchungen: Lumbalpunktion (entzündlicher Prozess, Subarachnoidalblutung), MRT (z. B. ischämische oder entzündliche Prozesse, Frühzeichen bei Herpesenzephalitis), evtl. (CT-)Angiographie (Vaskulitis, Sinus-/Venenthrombose).
Therapie
3
Definition Epileptischer Zustand ≥30 min mit ununterbrochener generalisierter tonisch-klonischer Anfallssymptomatik oder Abfolge einzelner tonisch-klonischer Anfälle, zwischen denen die Bewusstseinslage nicht wieder das präiktuale Ausgangsniveau erreicht. Um einen raschen Behandlungsbeginn zur Vermeidung neuronaler Schädigung bzw. erhöhter Letalität nicht zu verzögern, wird in der Literatur häufig bereits eine Dauer von 5 oder 10 min als zeitliches Kriterium genannt. Die Mortalität ist abhängig vom Alter und der Ätiologie und wird in der Literatur mit durch-
gesichert Stufenweises Vorgehen (alle Medikamente intravenös!): 1. Benzodiazepine: Erfolgreich in ca. 80% der Fälle. Etabliert sind Diazepam und Clonazepam (10 bzw. 1 mg). Lorazepam wird mittlerweile vielfach wegen seiner längeren Halbwertszeit bevorzugt (Erwachsene 4–8 mg, Kinder und Jugendliche 0,05–0,1 mg/kg, 2 mg/ 3
Status generalisierter tonisch-klonischer Anfälle, generalisierter konvulsiver Status epilepticus
3
Synonyme
Die Therapie zielt in erster Linie auf ein rasches Durchbrechen der epileptischen Aktivität. Daneben dürfen aber die intensivmedizinische Basistherapie, die Behandlung einer zugrunde liegenden Erkrankung und begleitende Maßnahmen, z. B. Sauerstoffzufuhr, Glukoseinfusion bei Hypoglykämie oder Ausgleich von metabolischen bzw. Elektrolytentgleisungen nicht außer Acht gelassen werden. Nach Meinung verschiedener Autoren ist die initiale i. v.-Gabe von Glukose (50%ig, 50 ml) und Thiamin (100 mg) empfehlenswert.
3
Status epilepticus, Grand-MalStatus
Status epilepticus, nichtkonvulsiver generalisierter
min). Wiederholte Benzodiazepingabe bei Ineffizienz nach 5 min. 2. Phenytoin: Bei Erfolglosigkeit von Lorazepam oder zeitgleich zu Diazepam („loading“) zur Aufrechterhaltung des antikonvulsiven Effekts [1]. Dosierung 10–20 mg/kg (=750– 1500 mg Infusionskonzentrat in 500 ml NaCl 0,9%), Infusionsgeschwindigkeit maximal 50 mg/min zur Vermeidung von Hypotonie und (bradykarden) Rhythmusstörungen; EKG- und Blutdruckmonitoring obligat! Weitere Aufsättigung bei mangelndem Erfolg bis zur Maximaldosis von 30 mg/kg. 3. Phenobarbital bzw. Narkotika: Bei Ineffizienz der Schritte 1 und 2 bzw. bei Fortbestehen des Status über 60 min. Bislang existiert kein allgemein akzeptiertes Behandlungsprotokoll. Häufig wird Phenobarbital (15–20 mg/kg, 50–75 mg/min) als letzter Schritt vor einer Narkose versucht. Als Narkotikum wird vorrangig Thiopental (initial 100–250 mg über 30–60 s, dann 3– 5 mg/kg/h bis zum Erreichen eines „burstsuppression-Musters“ im EEG) eingesetzt. Eine Alternative mit vergleichbarer Effektivität und möglicherweise besserer kardiovaskulärer Verträglichkeit stellt Propofol dar [2] (initial 1–2 mg/kg über 5 min, Erhaltungsdosis 2–10 mg/kg/h), wobei aber noch keine Daten aus kontrollierten Studien im Vergleich zu Barbituratnarkosen vorliegen.
1185
Prognose Wesentliche prognostische Faktoren hinsichtlich Behandlungserfolg und Outcome sind Zeitdauer bis zum Therapiebeginn, Effektivität der Therapie, Alter des Patienten, Grunderkrankung sowie Begleiterkrankungen.
Literatur 1. Treiman DM, Meyers PD, Walton NY, Collins JF, Colling C, Rowan AJ, Handforth A, Faught E, Calabrese VP, Uthman BM, Ramsay RE, Mamdani MB, for the Veteran Affairs status epilepticus study group (1998). A comparison of four treatments for generalized convulsive status epilepticus. N Engl J Med 339:792–798. 2. Stecker MM, Kramer TH, Raps EC, O'Meeghan R, Dulaney E, Skaar DJ (1998). Treatment of refractory status epilepticus with propofol: clinical and pharmacokinetic findings. Epilepsia 39:18– 26. 3. Venkataraman V, Wheless JW (1999). Safety of rapid intravenous infusion of valproate loading doses in epilepsy patients. Epilepsy Res 35:47– 53.
Status epilepticus, nichtkonvulsiver generalisierter Synonyme Petit-Mal-Status, Status kleiner epileptischer Anfälle
3 3
Definition
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Diagnostik Die Diagnose allein auf klinischer Basis, insbesondere ist die Abgrenzung zum Status komplex-fokaler Anfälle (Status epilepticus, Status komplex-fokaler Anfälle), ist schwierig; ein Notfall-EEG ist in der Regel erforderlich. Nicht immer ist das typische Absence-Anfallsmuster (rhythmische generalisierte 3–4/s-Spike-Wave3
Nach erfolgreicher Statustherapie sind kontinuierliche Überwachung und Kontrollen relevanter diagnostischer (Vital-)Parameter sowie eine konsequente Fortführung der antikonvulsiven Therapie obligat.
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Nachsorge
Die häufigste Form des nichtkonvulsiven generalisierten Status epilepticus ist der AbsenceStatus. Klinisch liegt meist eine isolierte Bewusstseinsstörung variabler Schwere vor, bisweilen kombiniert mit diskreten Myoklonien der Augenlider und/oder der oberen Extremität sowie manuellen Automatismen. Auftreten als Komplikation idiopathischer generalisierter Epilepsien, insbesondere von Absence-Epilepsien ( Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie). 3
Die Rolle von Valproinsäure i.v. in der Behandlung des Status tonisch-klonischer Anfälle ist noch nicht endgültig evaluiert, wobei Einzelfallberichte die Wirksamkeit andeuten. Die Infusion von 21–28 mg/kg innerhalb von 4– 8 min (bis zu Serumkonzentrationen von 64– 204 μg/ml) wurde in einer Studie ohne signifikante Veränderungen von Blutdruck und EKG toleriert [3]. Vorerst ist die Aufsättigung mit Valproinsäure vorrangig bei Patienten zu empfehlen, die bereits mit dem Antiepileptikum (mit insuffizienten Spiegeln) vorbehandelt sind.
3
empirisch
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Status epilepticus, Status einfach-fokaler Anfälle
Abfolgen) nachweisbar, häufig sind auch Spike-Wave-Komplexe mit niedrigerer Frequenz oder Poly-Spike-Waves. Diagnosesicherung durch intravenöse Injektion von Benzodiazepinen mit der Folge einer klinischen und elektroenzephalographischen Normalisierung.
ven (z. B. dysmnestischen, psychischen, sensiblen) Symptomen ist der Nachweis, in der Regel fokal begrenzter EEG-Anfallstätigkeit sinnvoll. Hilfreich zur Diagnosesicherung ist die intravenöse Injektion von Benzodiazepinen mit der Folge einer klinischen und elektroenzephalographischen Normalisierung.
Therapie
Therapie
Auch wenn die Unterbrechung der Anfallsaktivität nicht innerhalb kurzer Zeit gelingt, ist im Gegensatz zum Status generalisierter tonischklonischer Anfälle ( Status epilepticus, Grand-Mal-Status) eine zerebrale Schädigung oder vitale Gefährdung nicht zu erwarten.
Die absolut rasche Unterbrechung der Anfallsaktivität ist nicht zwingend erforderlich, da im Gegensatz zum Status generalisierter tonischklonischer Anfälle ( Status epilepticus, Grand-Mal-Status) eine zerebrale Schädigung oder vitale Gefährdung nicht zu erwarten ist. Zum Vorgehen im Einzelnen, Status epilepticus, Grand-Mal-Status.
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3
3
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gesichert Meist gutes Ansprechen auf Benzodiazepine i. v., z. B. Diazepam 10–15 mg oder Clonazepam 1–1,5 mg, u. U. mehrmalige Gaben erforderlich. Anschließend rasche Aufdosierung mit Ethosuximid oder Valproinsäure.
Nachsorge
Nachsorge Klinische Beobachtung, ggf. wiederholte EEGAbleitung nach erfolgreicher Durchbrechung des Status.
Prognose
Prognose Epilepsie, Absencenepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie); Absencen, juvenile.
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Klinische Beobachtung, ggf. wiederholte EEGAbleitung nach erfolgreicher Durchbrechung des Status.
Epilepsie, fokale.
Status epilepticus, Status komplex-fokaler Anfälle
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Synonyme
Status epilepticus, Status einfachfokaler Anfälle Synonyme Status einfach-partieller Anfälle, einfach-fokaler Status
Definition
Status komplex-partieller Anfälle, komplexpartieller Status
Definition Im Gegensatz zur Anfallsserie ist der Status komplex-fokaler Anfälle durch eine kontinuierliche iktuale Tätigkeit ohne klare Abgrenzbarkeit von einzelnen Anfällen gekennzeichnet. Nicht immer ist beim komplex-fokalen Status die typische Symptomatik komplex-fokaler Anfälle zu beobachten, nicht selten befindet sich der Patient auch nur in einem mehr oder weniger stark ausgeprägten, teils auch fluktuierenden Dämmerzustand. 3
Im Gegensatz zur Anfallsserie ist der Status epilepticus einfach-fokaler Anfälle durch eine kontinuierliche iktuale Tätigkeit ohne klare Abgrenzbarkeit von einzelnen Anfällen gekennzeichnet. Jede Form einfach-fokaler Anfälle kann als Status auftreten. 3
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Diagnostik Die Diagnose bei konvulsiven Formen, z. B. mit klonischer oder tonischer Symptomatik kann klinisch gestellt werden, bei rein subjekti-
Diagnostik Wenn klare epileptische Symptome (z. B. Kloni, Automatismen) fehlen, kann die Diagnosestellung und Abgrenzung zu andersartig bedingten Verwirrtheitszuständen allein anhand der Klinik schwierig sein. Im EEG kann meist
Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom
eine, nicht immer fokal begrenzte, Anfallstätigkeit nachgewiesen werden. In diagnostisch unklaren Fällen kann eine neuropsychologische Untersuchung vor und nach intravenöser Injektion von Benzodiazepinen hilfreich sein, wenn sich nach Benzodiazepingabe eine signifikante Besserung zeigt. 3
Therapie Die absolut rasche Unterbrechung der Anfallsaktivität ist nicht zwingend erforderlich, da im Gegensatz zum Status generalisierter tonischklonischer Anfälle ( Status epilepticus, Grand-Mal-Status) eine zerebrale Schädigung oder vitale Gefährdung nicht zu erwarten ist. Zum Vorgehen im Einzelnen, Status epilepticus, Grand-Mal-Status.
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einer intrakraniellen oder intraorbitalen Druckerhöhung auf den Sehnerven. Ursachen können unter anderem intrakranielle Tumoren, Liquorabflussbehinderung, Pseudotumor cerebri oder Hirnvenensinusthrombose sein.
Einleitung In Verbindung mit Zephalgien, Übelkeit und Nüchternerbrechen ist die Stauungspapille Kardinalsymptom bei einer intrakraniellen Druckerhöhung.
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnosen sind Papillitis, Retrobulbärneuritis, Zentralvenenthrombose, Retinopathie bei maligner Hypertonie, Drusenpapillen, persistierende markhaltige Fasern und gekippter Sehnerveneintritt („tilted optic disc“).
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Nachsorge Klinische Beobachtung, ggf. wiederholte EEGAbleitung nach erfolgreicher Durchbrechung des Status.
Prophylaxe Die Prophylaxe richtet sich nach der Ursache.
Therapie Prognose
Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Die Prinzipien der Behandlung der intrakraniellen Druckerhöhung wird an anderer Stelle besprochen ( Hirndruck).
Epilepsie, fokale.
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Status lacunaris Definition In der zerebralen Bildgebung oder im pathoanatomischen Präparat imponierende fleckige subkortikale Ischämien durch multiple lakunäre Hirninfarkte.
„Steal“-Effekt, „subclavian steal“-Phänomen Synonyme Subclavian-steal-Syndrom, Subclavian-stealEffekt, vertebrobasilärer Überlauf
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Grundlagen Definition 3
Der Status lacunaris ist klinisch mit einer vaskulären Demenzentwicklung und häufigen pyramidalen und extrapyramidalen Bewegungsstörungen vergesellschaftet. Inwieweit für das Entstehen von multiplen abgrenzbaren Lakunen (Status lacunaris) bzw. konfluierenden mikroangiopathischen Läsionen ( Leukoaraiose) unterschiedliche Pathomechanismen ausschlaggebend sind, ist nicht geklärt.
„Subclavian steal“-Phänomen
Steele-Richardson-OlszewskySyndrom
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Synonyme Progressive supranukleäre Blickparese (PSP), Parese, progressive supranukleäre 3
Stauungspapille Definition Die Stauungspapille entsteht durch Fortleitung
Definition Synonym für Steele-Richardson-OlszewskySyndrom wird der Begriff der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) gebraucht.
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Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom
Damit wird eine häufige neurodegenerative Erkrankung mit Parkinson-Symtomatik ( Parkinson-Syndrom) bezeichnet, deren differenzierendes klinisches Zeichen eine supranukleäre Ophthalmoplegie mit vertikaler Blickparese darstellt. 3
Einleitung Steele, Richardson und Olszewsky beschrieben Anfang der 60er-Jahre die Neuropathologie einer Serie von Patienten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr mit einer progressiven Hirnstammdegeneration, die klinisch eine supranukleäre Ophthalmoplegie, eine axiale Dystonie, eine Dysarthrie, eine Pseudobulbärparalyse und eine leichtere Demenz aufwiesen. Neuropathologisch bzw. molekularbiologisch wird die PSP seit Ende der 90er-Jahre zu den Tauopathien gezählt, eine heterogene Gruppe neurogegenerativer Krankheiten wie der kortikobasalen Degeneration und der frontotemporalen Demenz mit Depositionen unterschiedlicher Isoformen hyperphosphorylierter mikrotubulusassozierten Tau-Proteine. Für die klinische Diagnose der PSP finden sich operationalisierte Diagnosekriterien. 1. Klinische Kriterien für die Diagnose einer progressiven supranukleären Blickparese (Steele-Richardson-Olszewsky-Syndrom) nach NIH [3] a) Möglich: * Langsam progrediente Erkrankung mit Beginn frühestens im 40. Lebensjahr oder meist später. * Vertikale supranukleäre Blickparese nach oben und/oder unten oder Verlangsamung vertikaler Sakkaden und posturale Instabilität mit Stürzen im ersten Jahr der Erkrankung. * Keine anderen Erkrankungen, die die Symptomatik erklären könnten. b) Wahrscheinlich: * Kriterien wie unter möglich. * Anstatt Verlangsamung vertikaler Sakkaden vertikale Blickparese. c) Sicher: * Kriterien von möglich und wahrscheinlich sowie histopathologischer Nachweis der charakteristischen subkortikalen Änderungen. 2. Symptome und Zeichen bei progressiver
supranukleärer Blickparese (Steele-Richardson-Olszewsky Syndrom) * Vertikale supranukleäre Blickparese nach oben oder unten. * Eine Verlangsamung vertikaler Sakkaden. * Im Vordergrund stehende posturale Instabilität während des ersten Jahres der Erkrankung. * Symmetrische, proximal deutlicher als distal ausgeprägte, hypokinetisch-rigide Symptomatik. * Abnorme Haltung des Halses, v. a. Retrokollis. * Geringes oder fehlendes Ansprechen auf orale L-DOPA Behandlung. * Frühzeitig im Verlauf auftretende Dysphagie und Dysarthrie. * Frühzeitig im Verlauf auftretende kognitive Störungen, wobei mindestens zwei der folgenden Symptome vorhanden sein müssen: – Apathie. – Störung des Abstraktionsvermögens. – Verminderte Wortflüssigkeit, Utilisations oder Imitationsverhalten. – Frontalhirnzeichen. 3. Ausschlusskriterien PSP * Morbus Whipple. * Positive Familienanamnese. * Systemische Erkrankung oder andere identifizierbare Ursachen der Symptome in der Liste „Diagnostische Kriterien PSP“. * Halluziunationen, die nicht in Bezug zur dopaminergen Medikation stehen. * Kortikale Demenz vom Alzheimertyp. * Deutliche frühzeitig im Vordergrund stehende zerebellare Symptomatik. * Frühzeitig auftretende Störungen des autonomen Nervensystems (deutliche orthostatische Dysregulation; Blasenfunktionsstörungen). * Neuroradiologischer Beweis für eine relevante strukturelle Läsion (Infarkte in Basalganglien bzw. Hirnstamminfarkte, lobäre Atrophie). * Ausgeprägte Asymmetrie der klinischen Zeichen des Parkinson-Syndroms.
Diagnostik In der kranialen Bildgebung zeigt sich im Verlauf häufig eine Vergrößerung des III. Ventri-
Stenose, Aquäduktstenose
kels mit Erweiterung der Cisterna interpeduncularis und der Cisterna magna bei Mittelhirnatrophie („Mickey-mouse-Zeichen“) mit Verschmächtigung des anteroposterioren Mittelhirn-Durchmessers >24 mm. Das Kleinhirn ist in der Regel nicht atrophiert. Eher findet sich eine leichte kortikale Atrophie frontotemporal.
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Definition Reflex, der als komplexe kortikale und subkortikale Leistung den Kopf und Körper aus jeder Fehlposition in eine Normalposition im Raum zurückbringt.
Einleitung
Das Stellwag-Zeichen ist eines von vier typischen Augenzeichen bei der endokrinen Orbitopathie, das den seltenen Lidschlag beschreibt.
S
Einleitung Weiterhin pathognomonisch für die endokrine Orbitopathie sind das Dalrymple-, das Graefe- und das Möbius-Syndrom. 3
3
1. Barclay CL, Lang AE (1997). Dystonia in progressive supranuclear palsy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 62: 353–6. 2. Engel PA (1996) Treatment of progressive supranuclear palsy with amitriptyline: therapeutic and toxic effects. J Am Geriatr Soc 44: 1072–4. 3. Litvan I, Agid Y, Calne D et al. (1996) Clinical research criteria for the diagnosis of progressive supranuclear palsy (Steele-Richardson-Olszewsky syndrome): report of the NINDS-SPSP international workshop. Neurology 47: 1–9.
Definition
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Literatur
Stellwag-Zeichen
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empirisch Falls sich Dopaminergika nicht bewähren sollten Adamantan-Derivate (Amantadin-HCl oder - sulfat nicht mehr als 2–3×100 mg, alternativ kann Memantine versucht werden). Gelegentlich wird über mäßige bis beeindruckende Therapieeffekte bei vereinzelten Patienten mit Amitriptylin in kleiner Dosierung (25– 75 mg) berichtet [2]. Diese Substanz ist jedenfalls für die Therapie der Affektinkontinenz geeignet.
Im engeren Sinn beziehen sich die Stellreflexe auf Säuglingsreflexe und stellen einen wichtigen Parameter für die neurologische Entwicklung dar. Von gestörten Stellreflexen bzw. gleichgewichtsregulierenden Reflexen wird auch beim Parkinson-Syndrom gesprochen. ParkinsonPatienten zeigen bei passiver Auslenkung aus dem Gleichgewicht eine Gang- und Standunsicherheit. In früheren Krankheitsphasen sind Provokationstests erforderlich, um die Störung zu demonstrieren: Beim Stoßtest erfolgt eine Gleichgewichtsauslenkung des stehenden Patienten durch Stoß vor das Sternum mit der flachen Hand, beim Zugtest durch plötzliches Rückwärtsziehen an beiden Schultern bei hinter dem Patienten stehenden Untersucher.
3
Es ist fraglich, ob es derzeit eine effektive medikamentöse Behandlung der PSP überhaupt gibt. Dopaminergika können nur bei etwa 10% der Patienten zu Beginn des Verlaufs eine meist nur bescheidene und kurz anhaltende Besserung erzielen. Bei einem Therpieversuch mit Dopaminergika (z. B.: langsam aufsteigend bis 800 mg Dopa/die) muss unbedingt darauf geachtet werden, dass nicht der motorische Zustand iatrogen verschlechtert wird: Viele Patienten müssen unter Dopaminergika bisweilen schmerzhafte Dystonien in Kauf nehmen, die nach Absetzen dieser Medikamente wieder sistieren [1].
3
Therapie
Stenose, Aquäduktstenose
Synonyme Posturaler Reflex
Definition 3
Stellreflex
Hydrozephalus, Hydrocephalus (Verschlusshydrozephalus)
occlusus
1190
Stenose, Gefäße *
Stenose, Gefäße Synonyme Verengung/Einengung von Gefäßen oder Hohlorganen
Definition Im neurologischen Sprachgebrauch wird das Wort Stenose für Gefäßengstellen im Bereich der hirnversorgenden Gefäße angewandt. Während Plaques das morphologische Korrelat einer Gefäßeinengung darstellen, bezeichnet der Begriff Stenose die dabei auftretende hämodynamische Situation im Bereich der Gefäßengstelle.
Einleitung Prädilektionsstellen: * Stenosen treten vor allem in den Gefäßbereichen auf, an denen es zu Verwirbelungen des Blutstroms kommt, wodurch die Gefäßwände erhöhten Scherkräften ausgesetzt sind. Häufigste Lokalisationen: * Bifurkationsbereich der A. carotis interna. * Abgang der A. vertebralis aus der A. subclavia. * Karotis-Trifurkation intrakraniell.
Diagnostik * * *
* *
*
Auskultation: Stenosegeräusch (sehr unspezifisch). Dopplersonographie: Messung erhöhter Flussgeschwindigkeiten des Blutstroms. Duplexsonographie: Zusätzlich zur Flussgeschwindigkeitsbestimmung morphologische Begutachtung der Stenose möglich. CT-Angiographie. NMR-Angiographie: Vorteil: Viele Gefäße können durch einen Untersuchungsgang beurteilt werden. Nachteil: Bei hochgradigen und filiformen Stenosen keine zuverlässige Detektion mehr möglich (hier oft fälschlichweise Verschluss). Konventionelle Angiographie: Goldstandard.
Therapie *
Konservativ: * Optimierung des Risikofaktorprofils (Antihypertensiva, Statine) sowie
*
Thrombozytenaggreagtionshemmer, um arterioarterielle Embolien zu verhindern. Operativ: * Thrombendarteriektomie im zugänglichen Bereich der A. carotis interna. * Angioplastie: Dilatation einer Gefäßengstelle mittels Ballon und ggf. Implantation eines Stents mit dem Ziel einer langfristigen Offenhaltung des Gefäßlumens.
„Stent“ Synonyme Englische Kurzform für „Gefäßstütze“, „Gefäßprothese“
Definition Stents werden nach Dilatation einer Gefäßengstelle implantiert um ein ausreichendes Gefäßlumen aufrechtzuerhalten. Grundsätzlich wird der Begriff im medizinischen Bereich für jegliche Art von Prothese im Bereich von Hohlsystemen (z. B. Gallenwege) angewandt.
Grundlagen Anwendung bei Gefäßengstellen im Bereich * Des extrakraniellen Verlaufs der A. carotis interna (bislang nur im Rahmen kontrollierter klinischer Studien zu empfehlen). * Des intrakraniellen Verlaufs der A. carotis interna bzw. der A. cerebri media (experimentell). * Der Vertebralgefäße und der A. basilaris (nur experimentell). * Kardiologisch: Koronarstents. * Angiologisch: Aorta, Iliakalgefäße, Femoralgefäße. Methodik: Über einen perkutan in das betreffende Gefäß vorgeschobenen Katheter wird nach dessen Dilatation der Stent eingefügt. Material: Meist röhrenförmiges Metallgitter.
Steppergang Definition Typisches Gangbild als Folge einer Parese der
„Stiff person“-Syndrom
Fuß- und Zehenheber, bei der die mangelhafte Fußhebung durch ein verstärktes Anheben des Knies ausgeglichen wird.
Einleitung Die Parese kommt durch eine Schädigung der vom N. peronaeus profundus innervierten Muskeln am Unterschenkel zustande.
Differenzialdiagnose Die Läsion kann im Verlauf des Nervus peronaeus, im peronaealen Anteil des N. ischiadicus, im Bereich des Plexus lumbosacralis oder radikulär sein. Ein Steppergang wird häufig bei motorischen Neuropathien gefunden, bei denen die Paresen peronaeal betont sind. Typisches Beispiel sind die hereditären moto-sensorischen Neuropathien (HMSN). 3
3
Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Symptomatisch kann der Fallfuß durch eine Peronaeus-Schiene („Heidelberger Winkel“) oder durch strammes Wickeln des Fußes über das Sprunggelenk in ca. 90°-Stellung oder durch das Tragen von über das Sprunggelenk reichenden orthopädischen Schuhen ausgeglichen werden.
1191
und extranukläre Wirkungen auf die Zelle. Dies betrifft die Proteinbiosynthese und andere metabolische Vorgänge. Ferner können Steroide Apoptose induzieren. Dies wurde vor Jahrzehnten für Lymphozyten gezeigt und trifft u. a. auch für Skelettmuskel zu, wie neuere Tierexperimente zeigen. Klinisch zeigen etwa 50% der Patienten mit Cushing-Syndrom und ein erheblicher Teil der langfristig höherdosiert mit Glukokortikosteroiden behandelten Patienten proximal und in den Beinen betonte Paresen und Atrophien. Bei Patienten mit Polymyositis, Kollagenosen etc. ist z. T. nicht leicht zu entscheiden, ob die Symptome auf die Grunderkrankung oder auf die Steroidtherapie zurückgehen. Dieses Dilemma ist auch durch eine Muskelbiopsie nicht immer zu lösen. Bei der Steroidmyopathie ist die CK meist normal. Das EMG zeigt tendenziell oder signifikant mehr niedrige und kurze Muskelaktionspotenziale. Histologisch findet sich in Biopsien des M. vastus lateralis eine Typ II-Faseratrophie. Durchschnittliche Typ I-Faserflächen waren im Querschnitt grenzwertig reduziert.
Diagnostik Klinische Untersuchung, CK, EMG, ggf. Muskelbiopsie.
Therapie
Stereotypie Definition Unterschiedlich gebräuchlicher Begriff für immer wiederkehrende motorische Handlungsabfolgen wie sie bei den tardiven Dyskinesie Syndromen, bei Tic-Störungen und im Rahmen von Manierismus auftreten können. Für sich selbst stehend und nicht wiederholt könnten diese Handlungen sinnvoll sein, z. B. Reiben an der Wange, durch das Haar fahren.
Reduktion des Glukokortikoids, falls möglich. Ggf. Ersatz durch Immunsuppressivum oder Immunmodulator.
Prognose Besserung nach Absetzen des Steroidpräparates oder Therapie des Cushing-Syndroms zu erwarten.
„Stiff person“-Syndrom Synonyme
Steroidmyopathie
„stiff man“-Syndrom
Definition
Einleitung
Myopathie im Rahmen einer Steroidtherapie oder eines Cushing-Syndroms.
Seltene motorische Störung mit unwillkürlicher Steifigkeit und Spasmen axialer Muskeln sowie proximaler Extremitätenmuskeln, die mit kontinuierlicher Muskelaktivität einhergeht. Akustische und emotionale Reize können Spasmen
Einleitung Glukokortikosteroide haben vielfältige nukleäre
S
Stiftgliom
EMG: Kontinuierliche Ruheaktivität, die nicht willkürlich supprimiert werden kann, dabei Nachweis von Simultankontraktionen in Agonisten und Antagonisten. Nachweis von Antikörpern gegen Glutamatdecarboxylase oder Amphiphysin. Eine Periduralanästhesie führt zum Sistieren der Muskelaktivität. Probatorische Gabe von Clomipramin oder L-Dopa führt zu einer Verschlechterung.
Therapie Gabe von Diazepam (4×5–8×10 mg/die, z. B. Valium®). Alternativ können Clonazepam, Baclofen, Clonidin, Tizanidin, Vigabatrin versucht werden. Ein Effekt von Kortikosteroiden wurde beschrieben, ebenso die paraspinale Injektion von Botulinumtoxin-A.
Prognose In Einzelfällen Rückbildung der Symptomatik nach Tumorentfernung, sonst schleichende Progredienz.
Stiftgliom Gliom, Stiftgliom
Definition Tremor, Stimmtremor.
Strahlenmyelopathie Definition Die Strahlenmyelopathie ist eine iatrogene Schädigung des Rückenmarks in Folge der Bestrahlungen von Wirbelsäulen- oder Rückenmarktumoren sowie von extraspinalen Malignomen der Körpermittellinie.
Einleitung Eine Strahlenmyelopathie kann sich klinisch durch drei klassiche Rückenmarkssyndrome manifestieren: * als Brown-Séquard-Syndrom * als Spinalis-anterior-Syndrom * oder als komplettes Querschnittssyndrom. Weiterhin unterscheidet man eine frühe Form ( transiente Strahlenmyelopathie) und Spätschäden, die nach ca. 8 Monaten manifest werden. Eine Sonderform ist die amyotrophe Strahlenmyelopathie, bei der nach bis zu 20 Jahren Schädigungen des 2. Motoneurons auftreten können. Bei der Myelopathie können schon ab einer Strahlendosis von 20 Gy Schädigungen auftreten [1]. Der klinische Verlauf ist typischerweise schubförmig (stotternd) und beginnt innerhalb weniger Tage mit segmentalen Reizerscheinungen in Höhe der Läsion mit brennenden Schmerzen oder Kribbelparästhesien. Nachfolgend treten spastische Paresen und dissoziierte Sensibilitätsstörungen auf. In den nächsten Wochen kann sich dann aus einer halbseitigen Schädigung (Brown-Séquard-Syndrom) ein Spinalisanterior-Syndrom oder ein Transversalsyndrom entwickeln. 3
Diagnostik
Stimmtremor
3
auslösen. Außer der Tonuserhöhung findet sich ein unauffälliger klinischer Befund, das periphere motorische System ist nicht beteiligt. Die Symptomatik sistiert im Schlaf. Eine Besserung der Symptome durch Gabe von Diazepam ist ein diagnostisches Kriterium. Eine Assoziation besteht mit Epilepsien, insulinpflichtigem Diabetes mellitus, anderern Autoimmunerkrankungen sowie Neoplasien (kleinzelliges Bronchialkarzinom, Lymphome, Pharynxkarzinom, Mammakarzinom).
3
1192
3
Diagnostik
Stimmbandlähmung Rekurrensparese
Entscheidend für die Diagnose ist die Übereinstimmung zwischen Höhe der Läsion und dem Bestrahlungsfeld. Ebenso sollte eine entsprechend hohe Strahlendosis in diesem Bereich appliziert worden sein. Die wichtigste Differen-
3
Strahlenmyelopathie, amyotrophische Form
zialdiagnose ist ein Tumorrezidiv oder Metastasen im Bereich des bestrahlten Primärtumors. Neuroradiologisch finden sich in der T2-gewichteten MRT flächige kontrastmittelaufnehmende Hyperdensitäten in Höhe der Läsion, die im weiteren Verlauf atrophieren [2]. Dies kann eine Differenzierung zwischen Tumor und Strahlenfolge erlauben.
1193
to correlation between MRI findings and neuropathology. J Neurol Sci. 1995; 132:228–32. 3. Glantz MJ. et al. Treatment of radiation-induced nervous system injury with heparin and warfarin. Neurology. 1994; 44:2020–7. 4. Angibaud G, Ducasse JL, Baille G, Clanet M. Potential value of hyperbaric oxygenation in the treatment of post-radiation myelopathies. Rev Neurol 1995; 151:661–6.
Therapie
unwirksam/obsolet Kortikoide sind im Gegensatz zu zerebraler Strahlennekrose und transienter Strahlenmyelopathie unwirksam. 3
Nachsorge Aufgrund fehlender kausaler Therapie sind für die Betreuung der Patienten rehabilitative Maßnahmen und Verhinderung von Sekundärkomplikationen notwendig.
Prognose Grundsätzlich handelt es sich bei der Strahlenmyelopathie um eine chronisch-progrediente Erkrankung, die beim Patienten zu schweren Behinderungen oder zum Tode führen. Im Einzelfall lässt sich jedoch nicht vorhersagen, wieweit die Erkrankung fortschreitet und ob alle Stadien bis zur kompletten Querschnittssyndrom mit Blasen- und Mastdarmlähmung durchlaufen werden. Die zervikale und die thorakale Strahlenmyelopathie können jedoch in jedem Stadium zum Stillstand kommen und haben eine etwas günstigere Prognose.
Definition Als amyotrophische Form der Strahlenmyelopathie wurden ursprünglich Strahlenspätfolgen bezeichnet, die zur selektiven Schädigung des 2. Motoneurons führten.
Einleitung Isolierte bestrahlungsinduzierte Nervenwurzelläsionen finden sich zumeist nur im lumbosakralen Myelon, da in den zervikothorakalen Segmenten eine geringe Strahlentoleranz vorherrscht. Aufgrund klinischer, elektrophysiologischer und neuropathologischer Befunde handelt es sich dabei jedoch meist um polyradikuläre Läsionen mit vorwiegendem Befall motorischer Nervenfasern. Die Patienten entwickeln nach einer Latenz von 6 Monaten bis zu 20 Jahren schubförmig (stotternd) progrediente Paresen und Muskelatrophien, z. T. mit Fibrillationen. Typischerweise fehlen Blasen- und Mastdarmstörungen, sowie Sensibilitätsstörungen. Initial hat sich meist eine monomele atrophische Parese manifestiert, die sich im weiteren Verlauf zu symmetrischen Läsionen entwickelt. Schwerpunktmäßig sind die Myotome L4–S1 betroffen [1].
Diagnostik Im EMG finden sich bei dieser Form der Strahlenmyelopathie bizarre spontane Entladungen, welche an Myokymien bzw. die Neuromyotonie erinnern. 3
3
empirisch In Einzelfällen wurde über Befundbesserung einer Strahlenmyelopathie nach Vollheparinisierung und anschließender 6monatiger Gabe von Warfarin [3], sowie über den therapeutischen Erfolg einer hyperbaren Sauerstofftherapie berichtet [4].
Strahlenmyelopathie, amyotrophische Form 3
Für die Strahlenmyelopathie sind im Gegensatz zur transienten Strahlenmyelopathie keine therapeutischen Möglichkeiten gegeben.
Literatur Therapie 3
Strahlenmyelopathie
Nachsorge 3
1. Berlit P. Pathogenese und Klinik der Strahlenfolgen am zentralen Nervensystem unter besonderer Berücksichtigung der Strahlenmyelopathie. Nervenheilkunde 1989; 8:86–88. 2. Komachi H et al. Radiation myelopathy: a clinicopathological study with special reference
Strahlenmyelopathie
S
1194
Strahlenmyelopathie, transiente
Prognose
Strahlennekrose, Gehirn
Strahlenmyelopathie
3
Definition Literatur 1. Berlit P (1989) Pathogenese und Klinik der Strahlenfolgen am zentralen Nervensystem unter besonderer Berücksichtigung der Strahlenmyelopathie. Nervenheilkunde 8:86–88.
Strahlenmyelopathie, transiente Definition Als transiente Strahlenmyelopathie sind Frühschäden des Rückenmarks nach Bestrahlungen definiert, die innerhalb von wenigen Wochen bis 3 Monate nach Beginn der Strahlenbehandlung auftreten.
Einleitung Klinisch können transiente Parästhesien, ähnlich wie ein Lhermitte-Zeichen imponieren, die spontan innerhalb einiger Wochen wieder sistieren [1]. Im Gegensatz zu den Strahlenspätschäden treten keine Paresen oder Atrophien auf.
Diagnostik Auch in der MRT sind die Befunde minimal. Es findet sich allenfalls eine leichte Schwellung des Myelons im bestrahlten Bereich.
Therapie gesichert Wirksam sind Kortikosteroide in der Therapie der transienten Strahlenmyelopathie.
Prognose
Die Strahlennekrose ist eine Manifestation der späten Strahlenfolgen des Nervensystems.
Einleitung Klinisch und bildgebend imponiert eine Strahlennekrose als raumfordernde Läsion, die sich kernspintomographisch und computertomographisch als zentral hypointense bzw. hypodense, peripher z. T. intensiv Kontrastmittel aufnehmende Läsion darstellt. Typisch ist ein fingerförmig sich in das umgebende Marklager ausbreitendes Ödem [1]. Die Latenz nach Durchführung einer Radiatio bis zum Auftreten der Strahlennekrose liegt bei einigen Monaten. Die Häufigkeit dieser Strahlenspätfolge ist schwer zu bestimmen; insgesamt liegt sie nach kranialen Bestrahlungen bei unter 5%. Das Risiko steigt mit der Strahlendosis, mit der Dosis pro Einzelfraktion und ist am höchsten bei lokalen Einzeitverfahren sowie bei Rezidivbestrahlung nach bereits durchgeführter Radiatio [1].
Diagnostik MR-tomographisch und computertomographisch ist die Differenzierung zwischen Strahlennekrose und Tumorrezidiv eines malignen Glioms oft nicht möglich. Hier sind sowohl die Positronenemissionstomographie (PET) als auch die MR-Spektroskopie hilfreich [1].
Therapie In der Regel werden Raumforderung und Klinik wirkungsvoll mit Steroiden, z. B. mit 4× 4 mg Dexamethason pro die in dann absteigender Dosierung behandelt. Eine Antikoagulation kann versucht werden. Sehr selten ist eine Resektion der Strahlennekrose erforderlich [1].
Literatur
Die transiente Strahlenmyelopathie hat eine insgesamt gute Prognose. Patienten, bei denen während eines Bestrahlungszyklus die Diagnose gestellt wird, sollten über die Gutartigkeit der selbstlimitierenden Erkrankungen aufgeklärt werden.
1. Schlegel U et al (2004). Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York.
Literatur
Definition
1. Lewanski CR et al. Lhermitte's sign following head and neck radiotherapy. Clin Oncol (R Coll Radiol) 2000; 12:98–103.
Die Strahlensensibiltät von Tumoren lässt sich klinisch messen in einer Volumenreduktion unter Radiatio (Response) oder im Vergleich
Strahlensensibilität, Hirntumoren
Streptokinase
von Überlebenszeiten bzw. rezidivfreien Zeiten zwischen Patientengruppen, die mit Ausnahme der Radiatio gleichförmig behandelt wurden. Die Strahlenempfindlichkeit hängt ab von der Proliferationsrate eine Tumors und von intrinsischen biologischen Eigenschaften, die Tumorzellen resistent oder sensibel gegen die DNAschädigende Wirkung ionisierender Strahlung machen [1].
Grundlagen Die Strahlenempfindlichkeit von Hirntumoren ist äußerst variabel. Am strahlenempfindlichsten ist das Germinom, welches mit einer Radiatio kurativ behandelt werden kann, wenn der Tumor umschrieben ist. Strahlenempfindliche Tumoren sind primäre ZNS- Lymphome, Medulloblastome, zerebrale Metastasen kleinzelliger Bronchialkarzinome und wahrscheinlich anaplastische Oligodendrogliome. Vergleichsweise wenig strahlensensibel sind maligne astrozytäre Gliome [2]. Diese Aussagen haben jedoch nur einen ganz begrenzten Wert für die Indikationsstellung zur Strahlentherapie. So ist z. B. die adjuvante Strahlentherapie maligner astrozytäter Gliome evidenzbasiert und integraler Bestandteil der Therapie [3]. Dagegen ist aufgrund der Strahlentherapiekomplikationen aus unserer Sicht die Radiatio durchaus nicht die Therapie der ersten Wahl bei primären ZNS-Lymphomen der älteren Menschen [4]. Auch bei anaplastischen Oligodendrogliomen favorisieren einige Neuroonkologen eine adjuvante Chemotherapie nach dem PCV-Schema statt einer primären Strahlentherapie.
1195
pathological classification, molecular pathogenesis and treatment. J Neurol Sci 181:1–12.
Streptokinase Zubereitungen Trockensubstanz für Infusionslösung zur intravenösen (systemische Lyse) oder intraarteriellen (lokale Lyse) Anwendung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Streptase® bzw. Streptokinase Braun mit 100.000/250.000/750.000 oder 1.500.000 IE Trockensubstanz zur Herstellung einer Infusionslösung.
Wirkungen *
3
3
3
3
*
Fibrinolytikum, das über eine Aktivierung von Plasminogen mit Umwandlung in Plasmin das Fibrinpolymer in Fibrinspaltprodukte (D-Dimere) zerlegt. Indirekte Aktivierung: 1 Molekül Streptokinase bildet mit 1 Molekül Plasminogen einen Aktivatorkomplex, der die Aktivierung eines weiteren Plasminogenmoleküls zu Plasmin bewirkt. Das bedeutet ein Überschuss von Streptokinase führt zum Wirkungsverlust.
Pharmakologische Daten * *
Stoffwechselprodukt β-hämolysierender Streptokokken. Plasma-Halbwertszeit: 20 Minuten.
Anwendungsgebiete
3
*
Literatur
*
1. Taghian A, Ramsay J, Allalunis-Turner J et al. (1993) Intrinsic radiation sensitivity may not be the major determinant of the poor clinical outcome of glioblastoma multiforme. Int J Radiat Oncol Biol Phys 25:243–249. 2. Engenhardt-Cabiillic R, Wannenmacher M (1998). Strahlentherapie. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 147–158. 3. Walker MD, Green SB, Byar DP et al. (1980) Randomized comparisons of radiotherapy and nitrosoureas for the treatment of malignant glioma after surgery. N Engl J Med 303:1323–1329. 4. Schlegel U, Schmidt-Wolf IG, Deckert M (2000). Primary CNS lymphoma: clinical presentation,
*
* * *
Akuter Herzinfarkt. Lungenembolie. Venenthrombosen. Arterielle Thrombosen und Embolien. Netzhautgefäßverschlüsse. Bislang keine Indikation zum Einsatz bei neurologischen Krankheitsbildern: 3 Studien zur systemischen Anwendung bei akutem ischämischen Infarkt mussten wegen zum Teil tödlich verlaufender Blutungskomplikationen vorzeitig abgebrochen werden.
Dosierung/Anwendung Genaue Richtlinien siehe Packungsbeilage. * Standarddosierung beim Erwachsenen: 250.000 IE über 30 Minuten i. v., danach
S
Unerwünschte Wirkungen * * *
Blutungen. Kopf- und Rückenschmerzen. Anaphylaktische Reaktionen: (Antikörperbildung möglich, bei Zweitanwendung bzw. Z. n. Streptokokkeninfektion, Gefahr allergischer Reaktionen).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung * * * * *
Blutungen oder Blutungsneigung. Kurz zurückliegende Operation. Hypertonie. Leberzhirrose. Ausgeprägte zerebrale Mikroangiopathie.
intrinsische Larynxmuskulatur hinaus betroffen. Eine Form des dystonen Stridors stellt das Gerhardt-Syndrom dar, bei dem die Stimmlippen aufgrund einer tonischen Aktivität des M. thyroarytenoideus ständig in paramedianer Stellung zu sehen sind.
Differenzialdiagnose Lokale Kehlkopfprozesse, im Rahmen von Multisystematrophie und einer PSP (progressive supranukleäre Blickparese), dissoziativ.
Therapie Spasmodische Dysphonie, tonie 3
*
Erhaltungsdosis individuell z. B. 100.000 IE/h über 3–5 Tage. Auch lokale intraarterielle Anwendung möglich (Dosierung siehe Packungsbeilage). Beachte: Rethrombosegefahr im Zeitraum 15–40 h nach Streptokinase-Lyse durch oben beschriebene indirekte Aktivierung; daher zusätzliche Antikoagulation in der Initialphase mit Heparin später oral mit Cumarinen notwendig.
3
*
Stridor, dystoner
3
1196
laryngeale Dys-
„Stroke“ Synonyme Schlaganfall, Hirninfarkt
Definition Wechselwirkungen *
Das englische Wort „stroke“ bedeutet Schlaganfall und fasst ischämische Infarkte und intrakranielle Blutungen zusammen.
Einleitung
Bewertung Sollte im neurologischen Bereich aufgrund der Blutungsgefahr bis auf weiteres nicht angewendet werden.
3
*
Thrombozytenaggregationshemmer. Antikoagulantien. NSAID.
Hirninfarkt,
3
*
intrazerebrale Blutung
„Stroke“, „pure motor stroke“ Stridor, dystoner
Definition
Dystonie in der Kehlkopfschlussmuskulatur bei Inspiration.
Schlaganfall mit isolierten motorischen Ausfällen (meist i. S. einer Hemiparese). Lakunäres Syndrom: Prädiktiver Wert der klinischen Diagnosestellung bzgl. eines lakunären Infarktes je nach Genauigkeit der Untersuchung und Strenge der Definition zwischen 60 und 95%.
Einleitung
Differenzialdiagnose
Extreme Form der spasmodischen Dysphonie (laryngealen Dystonie) vom Adduktor-Typ, bei der unabhängig von vokaler Aktivität die dystone Symptomatik in Inspiration auftritt. Dabei ist meist der Larynx und der Pharynx über die
Rein motorische Defizite anderer Genese, z. B. durch * Subkortikale Blutungen. * Entzündliche ZNS-Erkrankungen (Enzephalitis disseminata).
Synonyme Gerhardt-Syndrom
Definition
3
„Stroke unit“
3
Therapie Lakunärer Hirninfarkt
3
„Stroke“, „pure sensory stroke“ Definition Schlaganfall mit isolierten sensiblen oder sensorischen Ausfällen. Lakunäres Syndrom: Prädiktiver Wert der klinischen Diagnosestellung bzgl. eines lakunären Infarktes je nach Genauigkeit der Untersuchung und Strenge der Definition zwischen 60 und 95%.
Differenzialdiagnose Rein sensible/sensorische Defizite anderer Genese, z. B. durch * Subkortikale Blutungen. * Entzündliche ZNS-Erkrankungen (Enzephalitis disseminata).
Prophylaxe Lakunärer Hirninfarkt
3
Therapie
Prophylaxe Lakunärer Hirninfarkt
Therapie 3
Lakunärer Hirninfarkt
3
Prophylaxe
1197
Lakunärer Hirninfarkt
„Stroke unit“ Synonyme Schlaganfallüberwachungsstation
Definition Spezialstation zur Überwachung und Akutbehandlung von Schlaganfallpatienten.
Grundlagen Ziel: * Rasche diagnostische und therapeutische Triage von Schlaganfallpatienten über Rettungsleitstellen, Notaufnahme bis hin zur stationären Versorgung. * Stabilisierung des Gesamtzustandes, Überwachung der Vitalparameter. * Diagnosesicherung. * Ätiologische Einordnung (so rasch wie möglich). * Therapieeinleitung.
Lakunärer Hirninfarkt
3
„Stroke“, „sensory motor stroke“ Definition Schlaganfall mit kombinierten sensiblen/sensorischen und motorischen Ausfällen ohne kortikale Funktionsstörungen. Lakunäres Syndrom: Prädiktiver Wert der klinischen Diagnosestellung bzgl. eines lakunären Infarktes je nach Genauigkeit der Untersuchung und Strenge der Definition zwischen 60 und 95%.
Differenzialdiagnose Gemischt motorisch-sensible/sensorische Defizite anderer Genese, z. B. durch * Subkortikale Blutungen. * Entzündliche ZNS-Erkrankungen (Enzephalitis disseminata).
Welche technischen Möglichkeiten soll eine Stroke Unit bieten? * Überwachungsmöglichkeit durch Monitoring von EKG, Blutdruck (invasiv und noninvasiv), Pulsoxymetrie, Atmung und Temperatur, engmaschige Blutzuckerkontrollen. Welcher Patient soll auf die Stroke Unit? * Bei geplanter systemischer Thrombolyse. * Akuter Schlaganfall mit Symptombeginn vor weniger als 24 Stunden. * Überwachungspflichtigkeit. * Relativ: Alter, vorbestehende Pflegebedürftigkeit. Welcher Patient bedarf einer (neurologischen) Intensivstation? * Vigilanzgeminderte Patienten, komatöse Patienten. * Kardial instabil. * Respiratorisch instabil oder intubiert. * Hirndrucktherapie.
S
Stupor
Aufbau: Interdisziplinäres Team bestehend aus * Ärzten (im Idealfall Neurologen und Internisten gemeinsam). * Pflegekräften. * Logo- und Physiotherapeuten. * Sozialarbeitern.
Prognose 3
1198
Epilepsie, Sturge-Weber-Syndrom
Sturzanfall Definition
Stupor Definition Unter Stupor versteht man eine Verminderung oder vollständiges Fehlen von Bewegungen mit teilweisem oder totalem Mutismus, Negativismus und Haltungsstereotypien. Das Bewusstsein ist dabei vollständig erhalten, Vorgänge in der Umgebung können vom Patienten wahrgenommen werden. Er kommt im Rahmen von Erkrankungen aus dem depressiven oder schizophrenen Formenkreis vor. Der Begriff Stupor ist im deutschen Sprachraum vom Begriff Sopor zu trennen.
Sammelbegriff für epileptische und nichtepileptische Anfallsformen, die durch plötzliche Stürze als Hauptmerkmal gekennzeichnet sind. Epileptische Sturzanfälle treten in Form von atonischen, tonischen, myoklonischen, myoklonisch-astatischen oder fokalen Anfällen mit Haltungsverlust auf.
Einleitung Epilepsiesyndrome, bei denen es typischerweise zu Sturzanfällen kommt, sind das LennoxGastaut-Syndrom, die Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen und die ImpulsivPetit-Mal-Epilepsie.
3
3
Differenzialdiagnose
Therapie Lennox-Gastaut-Syndrom, Epilepsie, Impulsiv-Petit-Mal-Epilepsie, Epilepsie, fokale 3
3
3
Prognose Lennox-Gastaut-Syndrom, Epilepsie, Impulsiv-Petit-Mal-Epilepsie, Epilepsie, fokale 3
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Lennox-Gastaut-Syndrom, Epilepsie, Impulsiv-Petit-Mal-Epilepsie, Epilepsie, fokale 3
3
3
Seltenes, sporadisch auftretendes neurokutanes Syndrom. Kennzeichen sind ein Naevus flammeus im Versorgungsgebietes des N. trigeminus (zumindest 1. Ast) mit Glaukom und ipsilaterale Hämangiombildungen der Meningen und des Plexus choroideus. Daneben häufig kortikale Laminations- und Gyrierungsstörungen. Ischämische Läsionen durch venöse Stase und sekundäre (sub-)kortikale Verkalkungen führen zu zerebraler Hemiatrophie mit der Folge von Hemiparese (ca. 70%), Hemianopsie (fast 100%) und mentaler Retardierung (ca. 60%).
3
Definition
3
Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom, Neuroangiomatosis encephalofacialis, enzephalo-trigeminale Angiomatose
3
Synonyme
Nichtepileptische Sturzanfälle im Erwachsenenalter sind z. B. bedingt durch Synkopen, drop attacks, vertebrobasiläre Ischämie, Basilarismigräne, Kataplexie oder dissoziative Mechanismen, Anfall, psychogener. 3
Sturge-Weber-Erkrankung
Subarachnoidalblutung Synonyme
Diagnostik
SAB, subarachnoidales Hämatom
Epilepsie, Sturge-Weber-Syndrom
3
Definition Therapie Epilepsie, Sturge-Weber-Syndrom
Blutung aus basalen Hirnarterien mit Blutansammlung zwischen der Arachnoidea und der
3
Subarachnoidalblutung
1199
Subarachnoidalblutung. Abb. 1: Algorithmus für Diagnostik und Therapie bei Verdacht auf Subarachnoidalblutung
Gehirnoberfläche, häufig mit intraventrikulären und intraparenchymatösen Hämatomanteilen. Epidemiologie: * Inzidenz 6–16/100.000 (Frauen zu Männer: 1,5:1), ca. 10% aller Schlaganfälle und 30% aller Hirnblutungen. * Manifestationsgipfel zwischen 55. und 60. Lebensjahr.
*
* *
*
Einleitung Ätiologie: * Aneurysmaruptur (bei 80%): Pathogenese der Aneurysmaruptur: Wandschwäche der meist sackförmigen Aneurysmen ohne Lamina media und Lamina elastica. Meist congenitale, selten erworbene Aneurysmen. Größenzunahme im Verlauf des frühen Erwachsenenalters. Prädilektionsstellen der Aneurysmen: – Ramus communicans anterior: 30–40%. – Distale A. carotis interna: 20%. – A. cerebri media: 10%. – Ramus communicans posterior: 10%. – A. vertebralis/A. basilaris: 10%.
*
* * *
Traumatisch: Häufig kombiniert mit Kontusionsblutungen und sub-/epiduralen Hämatomen. Dissektionen, v. a. der A. carotis interna und der A. vertebralis. Blutung aus anderen vaskulären Malformationen (Angiome, arteriovenöse Malformationen, durale AV-Fisteln, Moya-Moya). Degenerative Vaskulopathien (Arteriosklerose, Amyloidangiopathie). Entzündlich: – ZNS-Infektionen (viral, bakteriell, mykotisch). – Mykotisches Aneurysma bei bakterieller Endokarditis. – Vaskulitiden, einschließlich der isolierten zerebralen Angiitis. Sinusvenenthrombose. Hirntumoren, einschließlich Hirnmetastasen. Gerinnungsstörungen.
Risikofaktoren: * Vorangegangene SAB. * Arterielle Hypertonie. * Nikotinabusus. * Familiäre Belastung. * Alkoholabusus.
S
1200 *
*
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Subarachnoidalblutung
Toxische Ursachen: (Drogenabusus, v. a. Amphetamine, MAO-Hemmer, Kohlenmonoxid, Blei, Schlangengift, Narkotika, Symptathomimetika). Bindegewebserkrankungen (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom, Pseudoxanthoma elasticum, fibromuskuläre Dysplasie, Teleangiektasie Rendu-Osler, Zystennieren). Schwarze Hautfarbe. Auslösefaktoren (nur bei ca. 1/3 eruierbar): Schwere körperliche Belastung, Heben von schweren Gegenständen, extreme sportliche Betätigungen, Geschlechtsverkehr. *
Klinik: Leitsymptome: * Heftige bis vernichtende, meist schlagartig einsetzende Kopfschmerzen, teils diffus, teils okzipital betont. Bei einem Teil der Patienten auch Prodromi mit leichten Kopfschmerzen oder Kompressionsymptome durch ein raumforderndes Aneurysma sowie Hirnnerven- oder Gesichtsfeldausfälle ( paralytisches Aneurysma). * Nicht obligatorisch, häufig erst mit Latenz von Stunden: – Meningismus ohne Fieber (meist leichte Temperaturerhöhung im Verlauf). – Übelkeit und Erbrechen. 3
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Fakultativ: * Bewusstseinsstörung bis zum Koma. * Epileptische Anfälle, v. a. in Form eines Grand mal. * Hirnnervenausfälle. * Halbseitensymptome (meist bei intraparenchymatösen Einblutungen). Klinische Klassifikation der Subarachnoidalblutung nach Hunt und Hess: Grad 1: Asymptomatisch oder leichte Kopfschmerzen und Meningismus. Grad 2: Mäßige bis starke Kopfschmerzen, Meningismus. Keine neurologischen Ausfälle außer Hirnnervensymptomen. Grad 3: Benommenheit, Verwirrtheit oder leichtes neurologisches Defizit. Grad 4: Sopor, mäßige bis schwere Hemiparese, vegetative Störungen. Grad 5: Koma, Dezerebrationszeichen, moribund. Komplikationen: * Rezidivblutung mit hoher Mortalität (50– 70%) bei 35% der Patienten innerhalb der
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ersten 4 Wochen (4% innerhalb der ersten 24 Stunden, nach 3 Monaten 3% pro Jahr bei ungeclippten Aneurysmen, 5% bei inkomplett geclippten Aneurysmen). Erhöhtes Risiko durch – Primär hohen Schweregrad. – Später Diagnosestellung. – Blutdruckschwankungen, insbesondere systolischen Blutdruckwerten über 160 mmHg). – Raschen Abfall des subarachnoidalen Druckes (z. B. durch zu rasche Liquordrainage). Vasospasmus (meist generalisiert) bei über 70% der SAB-Patienten meist zwischen dem 3. und 30. Tag nach SAB mit Gefahr eines Hirninfarktes oder Tod (unbehandlelt bei ca. 25%). Ursächlich ist eine Gefäßverengung bzw. Gefäßwandproliferation, die durch die Blutabbauprodukte im Subarachnoidalraum ausgelöst wird. Klinische Symptomatik: Vigilanzminderung oder fokalmotorische Ausfälle. Risiko und Ausmaß des Vasospasmus steigt mit – Schweregrad der Blutung (Grading nach Fisher). – Hypovolämie, Hyponatrieämie und niedrigem Blutdruck. Hydrozephalus. – Im Akutstadium (bei ca. 10–20%) meist Verschlusshydrozephalus bei intraventrikulären Blutungsanteilen. – Im subakuten bis chronischen Stadium (bei ca. 30%) durch Liquorresorptionsstörung (Verklebung der Pachioninischen Granulationen und/oder Liquorüberproduktion) kommunizierender Hydrozephalus mit Trias: Gangstörung, Harninkontinenz und dementieller Entwicklung. – Epileptische Anfälle: Selten Entwicklung einer symptomatischen Epilepsie außer bei Parenchymeinblutungen. Hyponatriämie (bei 10–34%). Natriumwerte unter 130–mmol/l gehen einher mit Vigilanzminderung, Verwirrtheit und einem erhöhten Risiko für epileptische Anfälle. Ursächlich ist am ehesten ein zerebrales Salzverlustsyndrom mit erhöhtem Hämatokrit und normaler bis erhöhter Osmolarität (im Gegensatz zum SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion). Die Hyponatriämie darf wegen der Gefahr eines Vaso-
Subarachnoidalblutung
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spasmus nicht mit Flüssigkeitsrestriktion bahandelt werden. Epileptische Anfälle (Inzidenz bis zu 30%), zu zwei Dritteln innerhalb der ersten 2 Monate. Herzrhythmusstörungen (auch vital bedrohliche Arrhythmien). Myokardischämien bis zum Herzinfarkt und plötzlichem Herztod.
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Diagnostik 1. Computertomographie: Treffsicherheit von 92% innerhalb der ersten 24 Stunden. Entscheidendes Zeichen: Blutansammlung in den basalen Zisternen. Grading des CT-Befundes: Grad 1: Kein Blut nachweisbar. Grad 2: Blut <1 mm Dicke in den Zisternen. Grad 3: Blut >1 mm Dicke in den Zisternen. Grad 4: Blut intraventrikulär und/oder intrazerebral. Aneurysmalokalisation durch topographische Verteilung der Blutung und CT-Angiographie. 2. Lumbalpunktion: Indikation: Bei typischen klinischen Zeichen einer SAB ohne Blutungsnachweis in der CT nach Ausschluss eines erhöhten Hirndruckes: Im Akutstadium blutiger, in der Subakutphase xanthochromer Liquor mit Siderophagen. Zur Differenzierung zwischen blutigem Liquor bei SAB und artifizieller Blutbeimengung: Dreigläserprobe, Punktion ein Wirbelsegment höher und Zentrifugieren des Liquors (Xanthochromie des Überstandes bei Blutungen älter als 4 h). 3. Angiographie: Panangiographie (arterielle digitale Subtraktionsangiographie) auch bei Lokalisierbarkeit eines Aneurysmas in der CT- oder MR-Angiographie, da in 20% multiple Aneurysmen. * Differenzierung der Aneurysmagröße und Form (sackförmig, fusiform, breitbasig oder gestielter Abgang). * Diagnose von arteriovenösen Malformationen, Dissektionenen, degenerativen oder entzündlichen Gefäßveränderungen. * Bei primär negativer Angiographie ist eine Kontrollangiographie wegen eventueller Nichtdarstellbarkeit des Aneurys-
5.
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7. 8.
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maabgangs aufgrund eines Vasospasmus oder Thrombosierung nach einigen Wochen indiziert (außer bei leichtgradigen, ausschließlich zisternalen bzw. perimesenzephalen Blutungen wegen geringerer Rezidivgefahr). MR-Angiographie zur Größenbeurteilung bei teilthrombosierten Aneurysmen. Klinische Verlaufsbeobachtung: Patienten mit akuter Subarachnoidalblutung benötigen ein engmaschiges klinisches Monitoring mit Beurteilung der Vitalfunktionen, Vigilanz und neurologischem Status. Labordiagnostik: Engmaschige Überwachung von * Serumelektrolyte. * Osmolarität. * Hämatokrit. * Gerinnungsparameter. * Enzündungsparameter. * Glukose. Transkranielle Doppler- und Duplexsonographie: Im Sinne eines Dopplermonitorings bei akuter SAB 2mal pro Tag zur frühzeitigen Erkennung und Therapieüberwachung des Vasospasmus. Es bestehen folgende Merkmale für die Einteilung des Vasopasmus (für eine Sendefrequenz von 2 MHz): Mean-Wert zwischen 120 cm/s (3 kHz) und 160 cm/s (4 kHz): Grenzwertig. Mean-Wert zwischen 160 cm/s (4 kHz) und 200 cm/s (5 kHz): Signifikant. Mean-Wert über 200 cm/s (5 kHz): Kritisch. Maximale systolische Strömungsgeschwindigkeit ≥160 cm/s (4 kHz): Relevant. Maximale systolische Strömungsgeschwindigkeit ≥300 cm/s (7,5 kHz): Kritisch. Darüber hinaus muss eine Strömungserhöhung um über 50% oder 40 cm/s (1 kHz) pro Tag bzw. ein Pulsatilitätsindex >1 als relevant eingestuft werden. Als Ausgangs- und Verlaufs-EKG-Untersuchungen zur Beurteilung von Rhythmusstörungen und Myokardischämiezeichen. Elektrokardiographie: Elektroenzephalographie: Bei epileptischen Anfällen und zur Differenzialdiagnostik bei protrahierter Vigilanzminderung.
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Subarachnoidalblutung
Therapie In der Akutphase orientieren sich die therapeutischen Prinzipien an der Vorbeugung bzw. Behandlung der wichtigsten Komplikationen Rezidivblutung, Hydrozephalus, Vasospasmus, kardiale Dekompensation einschließlich Myokardinfarkt und epileptische Anfälle. Als Basismaßnahmen werden Bettruhe, 30 Oberkörperhochlagerung zur Hirndruckprophylaxe, Sicherstellung einer regelmäßigen Defäkation ohne Pressen beim Stuhlgang und die Gabe von Antazida zur Prävention von Stressulzera empfohlen. Eine Thromboseprophylaxe sollte bevorzugt mit Antiemboliestrümpfen, bzw. speziellen pneumatischen Kompressionshosen erfolgen. Bezüglich einer Thromboseprophylaxe mit Heparin existieren keine ausreichenden Daten. Vor einem Aneurysmaverschluss sollte der arterielle Blutdruck auf 140–160 mmHg systolisch gesenkt werden. Gegebenenfalls muss dabei Nimodipin mit anderen Antihypertensiva (z. B. Nifedipin, Urapidil) kombiniert werden. Eine analgetische Behandlung kann durch Paracetamol (500–1000 mg) oder Metamizol (1000–2500 mg) bzw. Opioide erfolgen. ASS ist kontraindiziert wegen der Erhöhung einer Rezidivblutungsgefahr. Zur Antiemese empfiehlt sich Metoclopramid oder Domperidon. 1. Prävention einer Rezidivblutung: Vor einem operativen oder interventionellen Verschluss des Aneurysmas sollte bei erhöhten Blutdruckwerten eine vorsichtige Blutdrucksenkung angestrebt werden. 2. Aneurysma-Operation: Durch Verschluss des Aneurysmas durch Plazieren eines Clips auf den Hals des Aneurysmas ist eine Reduktion der Nachblutungen möglich. * Frühoperation (Tag 1–3): – Verhinderung einer frühen Nachblutung. – Ermöglichung einer hypertensiven, hypervolämischen Therapie ohne Risiko einer Sekundär-Aneurysmaruptur. * Im Vergleich zur Spätoperation bei adäquater Vasospasmusprophylaxe mit Kalziumantagonisten erhöhtes Operationsrisiko bei gleich hoher Gesamtletalität und höherem Anteil von Patienten ohne
bleibende Defizite. Indikation: – SAB Grad 1–3 nach Hunt und Hess und abschätzbarem geringen Operationsrisiko. – SAB Grad IV–V, wenn ICP <30 mmH, normale Gefäßfüllung in der Angiographie und kein ausgedehnter irreversibler Hirnschaden. * Spätoperation (nach dem 10. Tag, da zwischen Tag 3 und Tag 10 aufgrund einer möglichen Provokation bzw. Verschlimmerung der Vasospasmen keine Operation erfolgt): Indikation: – Bei SAB Grad I–V und initial erhöhtem Operationrisiko. * Endovaskulärer Verschluss des Aneurysmas: Im Vergleich zur Frühoperation ist die endovaskuläre Therapie mittels coiling in der Akutphase (<72 Stunden) bzgl. Überlebensrate, funktionellem und neuropsychologischem Outcome nach einem Jahr der Operation überlegen (siehe Tab. 1; ISAT Lancet 2002; 360:1267–74). 3. Behandlung des Hydrozephalus: Indikationen zur Anlage einer ventrikulären Liquordrainage: * Akuter Hydrozephalus bei intraventrikulären Blutungsanteilen. * Messung des intrakrankiellen Druckes (ICP). * Bei persistierendem bzw. sich spät manifestierendem Hydrozephalus in Form einer dauerhaften Ventrikeldrainage (z. B. ventrikuloperitonealer Shunt). Bei erweiterten inneren Liquorräumen ohne ventrikulärem Blutungsanteil ist wegen einer möglichen spontanen Rückbildung innerhalb von 24 Stunden bei fehlender Bewusstseinsstörung ein abwartendes Vorgehen unter engmaschiger neurologischer Kontrolle gerechtfertigt. Um eine Rezidivblutung nicht zu provozieren ist eine plötzliche Absenkung des Hirndruckes zu vermeiden. 4. Prävention des Vasospasmus: Als Basismaßnahme sollte bei allen Patienten mit SAB eine Tendenz zur Hypervolämie und eine Vermeidung hypotensiver Blutdruckwerte (<130 mmHg) angestrebt werden. Daneben ist wegen der hohen Inzi-
Subarachnoidalblutung
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Subarachnoidalblutung. Tab. 1: International Subarachnoid Aneurysm Trial (ISAT), Outcome nach 1 Jahr [1] Endovaskuläre Therapie (n=801)
Neurochirurgie (n=793)
Modified Rankin scale: 0=Symptomfrei
207 (25,8%)
152 (19,2%)
217 (27,1%)
220 (27,7%)
2=Leichte Beeinträchtigung im Alltag (0–2 inklusive)
187 (23,4%) 611 (76,3%)
178 (22,4%) 550 (69,4%)
3=Deutliche Beeinträchtigung im Alltag
80 (10,0%)
106 (13,4%)
4=Teilweise pflegebedürftig
24 (3,0%)
32 (4,0%)
5=Vollständig pflegebedürftig
21 (2,6%)
25 (5,8%)
6=Tod (3–6 inklusive)
65 (8,1%) 190 (23,7%)
80 (10,3%) 243 (30,6%)
1=Diskrete Symptome
denz von Vasospasmen mit oft fatalen Folgen bei allen Schweregraden der SAB eine medikamentöse Vasospasmusprophylaxe indiziert. * Kalziumantagonisten: Für Nimodipin (Nimotop®) liegen mehrere kontrollierte Studien vor, die nach Metanalysen eine signifikant bessere klinische Prognose, eine signifikante Verminderung von zerebralen Infarkten und signifikante Verminderung der Letalität bei allen Schweregraden der SAB nach Aneurysmablutung zeigen. Ein Benefit durch Nimodipin ist zusätzlich bei traumatischer SAB nachgewiesen. Nimodipin wird bei allen Patienten ab dem Aufnahmetag für 14–21 Tage gegeben. Bei wachen Patienten erfolgt eine orale Behandlung einschleichend bis 60 mg alle 4 Stunden. Bei vigilanzgeminderten Patienten wird die intravenöse Gabe über einen zentralvenösen Katheter (wegen der Gefahr einer Thrombophlebitis) mit 1 mg/h in den ersten 6 Stunden begonnen und nach weiteren 6 Stunden auf die Erhaltungsdosis von 2 mg/h erhöht. Dabei müssen lichtgeschützte Infusionssysteme verwendet werden. Eine Therapie mit Kalziumantagonisten muss aufgrund der begleitenden blutdrucksenkenden Wirkung einschleichend
*
*
unter engmaschigem Monitoring erfolgen. Eine Überlegenheit der intravenösen gegenüber der oralen Applikation ist nicht nachgewiesen, wenngleich in der klinischen Beobachtung in Einzelfällen die symptomatische Manifestation eines Vasospasmus mit der Umstellung von intravenöser zu oraler Verabreichung zusammenfällt. Bei einem Blutdruckabfall kann die Nimodipindosis auf die Hälfte verringert werden. Eine Kontraindikation für Kalziumantagonisten liegt vor, wenn der systolische Blutdruck nicht zwischen 130 und 150 mmHg zu stabilisieren ist. Für Nicardipin (Antagonil®) konnten ähnliche Effekte wie für Nimodipin nachgewiesen werden, es ist für diese Indikation jedoch nicht zugelassen. Tirilazad Mesylat wirkt über eine Hemmung der durch Sauerstoffradikale induzierten Lipidperoxidation. In einer prospektiven klinischen Studie konnte lediglich für Männer eine Prognoseverbesserung und Letalitätssenkung gezeigt werden. Die Kombinationstherapie mit Nimodipin ist möglich. Eine Zulassung für die Vasospasmusprophylaxe liegt für Tirilazad derzeit in Deutschland nicht vor. Triple-H-Therapie: Eine prophylaktische Wirksamkeit der hypertensiven, hypervo-
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Subarachnoidalblutung
lämischen Hämodilution (Triple-H-Therapy) ist weniger gut belegt als die Behandlung mit Kalziumantagonisten und setzt einen Verschluss des Aneurysmas voraus. 5. Behandlung des Vasospasmus: Für die Behandlung des Vasospasmus nach Subarachnoidalblutung stehen grundsätzlich 2 alternative Stategien zur Verfügung: * Hypertensive, hypervolämische Hämodilution (Triple-H-Therapie) durch Infusion von hohen Mengen isomolarer, isotoner oder kolloidaler Flüssigkeiten meist zusammen mit Applikation von Katecholaminen zur Blutdruck- und Herzzeitvolumensteigerung. Die Wirksamkeit dieser Methode wurde in unkontrollierten Studien gezeigt. Voraussetzung für die Triple-H-Therapie ist ein Verschluß des ursächlichen Aneurysmas, ein Ausschluss einer kardialen Insuffizienz und ein intensives Monitoring der Kreislaufparameter einschließlich der Messung des zentralvenösen und gegebenenfalls pulmonalarteriellen Druckes durch Schwan-Ganz-Katheter. Der Blutdruck und das zirkulierende Volumen werden dabei stufenweise erhöht, bis die ischämischen Symptome (bzw. die pathologisch erhöhten Flusswerte) verschwunden sind. Danach wird die Therapie über 2–3 Tage aufrechterhalten bzw. solange fortgesetzt, bis die neurologischen Ausfälle bei Sinken des Blutdrucks nicht wieder auftreten. Bei Nachweis eines vasospasmusbedingten Hirninfaktes muss die Intensität des Therapieschemas wegen der Gefahr einer sekundären Einblutung reduziert werden. Ein einheitliches Schema mit einem Konsens über die zu erreichenden hämodynamischen Zielparamter liegt nicht vor. * Endovaskuläre Behandlung: An spezialisierten Zentren bei durch Triple-H-Therapie nicht ausreichend zu behandlenden Vasospasmen. Transluminale Angioplastie gut erreichbarer Gefäße (distale A. carotis interna, A. cerebri media, A. vertebralis, A. basilaris). Voraussetzung: Umschriebener segmentaler Vasospasmus, fehlender Infarktnachweis im zugehörigen Versorgungsgebiet.
Die intraarterielle Infusion von Papaverin erscheint als Alternative bei distal gelegenen, sonst nicht erreichbaren Aneurysmen [13, 14]. 6. Kardiale Komplikationen: Aufgrund der häufigen kardialen Dekompensationen und Rhythmusstörungen nach Subarachnoidalblutung ist ein intensives Monitoring indiziert. Eine kardiale Dekompensation zwingt zur Beendigung einer Triple-H-Therapie. 7. Rehabilitation: Nach der Akutphase schließt sich meist eine intensive Rehabilitationbehandlung an, in der bei häufig relativ gering ausgeprägten fokalneurologischen Symptomen die Therapie von neuropsychologischen Ausfällen einschließlich Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten sowie verminderter emotionaler Belastbarkeit und Ausdauer im Vordergrund steht.
Nachsorge Speziell nach endovaskulär erfolgtem Aneurysmaverschluss sollte im Intervall eine angiographische Kontrolle erfolgen, um Translokationen von Coils oder eine erneute Größenzunahme des Aneurysmas zu erfassen.
Bewertung Bei 15–20% der SAB ist in der initialen Angiographie kein Aneurysma nachweisbar. Neben einer erneuten Angiographie (Aneurysmanachweis laut Literatur bis zu 15%) muss in diesem Falle eine Suche nach anderen Blutungsursachen erfolgen (s. Differenzialdiagnose). In der Vorbeugung bzw. Behandlung des zerebralen Vasospasmus nach SAB ist wegen der möglichen antagonistischen Wirkungen der Kalziumantagonisten und der Triple-H-Therapie auf die Kreislaufparameter häufig eine Therapieabwägung notwendig. Im Zweifelsfall ist der Erhaltung hochnormaler Blutdruckwerte der Vorzug zu geben.
Prognose Mortalität: Zwischen 25 und 50%. Morbidität: Zwischen 30 und 50% der Überlebenden behalten ein bleibendes neurologisches Defizit. Häufig erreichen sie dabei eine Selbständigkeit in den sog. „activities of daily life“, leiden jedoch unter subjektiv erheblichen
Subarachnoidalblutung, Gefäßspasmus
Befindlichkeitsstörungen und bleibender Arbeitsunfähigkeit. Prognosekriterien: * Grad der initialen Bewusstlosigkeit (Letalität: 13% bei wachen Patienten, 75% bei initial komatösen Patienten). * Schweregrad der SAB in der Computertomographie (schlechte Prognose bei >15 ml). * Aneurysmalokalisation (Lokalisiation im hinteren Versorgungsgebiet geht mit schlechterer Prognose einher).
Diätetik/Lebensgewohnheiten
*
Bei Migräne. Spontan (bzw. ungeklärte Ursache).
Flusserhöhung in intrakraniellen Gefäßen durch andere Ursachen: * Hirndruckerhöhung. * Vaskulitis. * Arteriosklerotische Gefäßverengungen.
Prophylaxe Prävention des Vasospasmus: Als Basismaßnahme sollte bei allen Patienten mit SAB ( Subarachnoidalblutung) eine Tendenz zur Hypervolämie und eine Vermeidung hypotensiver Blutdruckwerte (<130 mmHg) angestrebt werden. Daneben ist wegen der hohen Inzidenz von Vasospasmen mit oft fatalen Folgen bei allen Schweregraden der SAB eine medikamentöse Vasospasmusprophylaxe indiziert. 1. Kalziumantagonisten: Für Nimodipin (Nimotop®) liegen mehrere kontrollierte Studien vor, die nach Metanalysen eine signifikant bessere klinische Prognose, eine signifikante Verminderung von zerebralen Infarkten und eine signifikante Verminderung der Letalität bei allen Schweregraden der SAB nach Aneurysmablutung zeigen. Ein Benefit durch Nimodipin ist zusätzlich bei traumatischer SAB nachgewiesen. Nimodipin wird bei allen Patienten ab dem Aufnahmetag für 14–21 Tage gegeben. Bei wachen Patienten erfolgt eine orale Behandlung einschleichend bis 60 mg alle 6 Stunden. Bei vigilanzgeminderten Patienten wird die intravenöse Gabe über einen zentralvenösen Katheter (wegen der Gefahr einer Thrombophlebitis) mit 1 mg/h in den ersten 6 Stunden begonnen und nach weiteren 6 Stunden auf die Erhaltungsdosis von 2 mg/h erhöht. Dabei müssen lichtgeschützte Infusionssysteme verwendet werden. Eine Therapie mit Kalziumantagonisten muss aufgrund der begleitenden blutdrucksenkenden Wirkung einschleichend unter engmaschigem Monitoring erfolgen. Eine Überlegenheit der intravenösen gegenüber der oralen Applikation ist nicht nachgewiesen, wenngleich in der klinischen Beobachtung in Einzelfällen die symptomatische Manifestation eines Vasospasmus mit der Umstellung von intravenöser zu oraler Verabreichung zusammenfällt. 3
Einstellen des Nikotinabusus und eine konsequente Blutdruckeinstellung.
Literatur 1. International Subarachnoid Aneurysm (ISAT) (2002). Lancet 360:1267–1274
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Trial
Subarachnoidalblutung, Gefäßspasmus Definition Gefäßverengung der basalen Hirnarterien nach Subarachnoidalblutung. 3
Einleitung Vasospasmus (meist generalisiert) bei über 70% der SAB-Patienten meist zwischen dem 3. und 30. Tag nach SAB mit Gefahr eines Hirninfarktes oder Todes (unbehandlelt bei ca. 25%). Ursächlich ist eine Gefäßverengung bzw. Gefäßwandproliferation, die durch die Blutabbauprodukte im Subarachnoidalraum ausgelöst wird. Risiko und Ausmaß des Vasospasmus steigt mit * Schweregrad der Blutung. * Hypovolämie, Hyponatriämie und niedrigem Blutdruck. Klinische Symptomatik: Vigilanzminderung oder fokalmotorische Ausfälle.
Differenzialdiagnose Vasospasmus anderer Genese: * Drogeninduziert (inbesondere durch Analeptika wie Amphetamine oder Kokain). * Provokation durch eine konventionell, insbesondere selektive arteriell Angiographie. * Entzündlich bei Meningitiden.
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Subarachnoidalblutung, spinale
Bei einem Blutdruckabfall kann die Nimodipindosis auf die Hälfte verringert werden. Eine Kontraindikation für Kalziumantagonisten liegt vor, wenn der systolische Blutdruck nicht zwischen 130 und 150 mmHg zu stabilisieren ist. Für Nicardipin (Antagonil®) konnten ähnliche Effekte wie für Nimodipin nachgewiesen werden, es ist für diese Indikation jedoch nicht zugelassen. 2. Tirilazad Mesylat wirkt über eine Hemmung der durch Sauerstoffradikale induzierten Lipidperoxidation. In einer prospektiven klinischen Studie konnte lediglich für Männer eine Prognoseverbesserung und Letalitätssenkung gezeigt werden. Die Kombinationstherapie mit Nimodipin ist möglich. Eine Zulassung für die Vasospasmusprophylaxe liegt für Tirilazad derzeit in Deutschland nicht vor. 3. Triple-H-Therapie: Eine prophylaktische Wirksamkeit der hypertensiven, hypervolämischen Hämodilution (Triple-H-Therapie) ist weniger gut belegt als die Behandlung mit Kalziumantagonisten und setzt einen Verschluss des Aneurysmas voraus.
Therapie Behandlung des Vasospasmus: Für die Behandlung des Vasospasmus nach Subarachnoidalblutung stehen grundsätzlich 2 alternative Stategien zur Verfügung. 1. Hypertensive, hypervolämische Hämodilution (Triple-H-Therapy) durch Infusion von hohen Mengen isomolarer, isotoner oder kolloidaler Flüssigkeiten meist zusammen mit Applikation von Katecholaminen zur Blutdruck- und Herzzeitvolumensteigerung. Die Wirksamkeit dieser Methode wurde in einer Vielzahl von –allerdings- unkontrollierten Studien gezeigt. Voraussetzung für die Triple-H-Therapie ist ein Verschluss des ursächlichen Aneurysmas, ein Ausschluss einer kardialen Insuffizienz und ein intensives Monitoring der Kreislaufparameter einschließlich der Messung des zentralvenösen und gegebenenfalls pulmonalarteriellen Druckes durch SchwanGanz-Katheter. Der Blutdruck und das zirkulierende Volumen werden dabei stufenweise erhöht, bis die ischämischen Symptome (bzw. die pathologisch erhöhten Flusswerte) verschwun-
den sind. Danach wird die Therapie über 2– 3 Tage aufrechterhalten bzw. solange fortgesetzt, bis die neurologischen Ausfälle bei Sinken des Blutdrucks nicht wieder auftreten. Bei Nachweis eines vasospasmusbedingten Hirninfaktes muss die Intensität des Therapieschemas wegen der Gefahr einer sekundären Einblutung reduziert werden. Ein einheitliches Schema mit einem Konsens über die zu erreichenden hämodynamischen Zielparamter liegt nicht vor. 2. Endovaskuläre Behandlung: An spezialisierten Zentren bei durch Triple-H-Therapie nicht ausreichend zu behandlenden Vasospasmen. * Transluminale Angioplastie gut erreichbarer Gefäße (distale A. carotis interna, A. cerebri media, A. vertebralis, A. basilaris). Voraussetzung: Umschriebener segmentaler Vasospasmus, fehlender Infarktnachweis im zugehörigen Versorgungsgebiet. * Die intraarterielle Infusion von Papaverin erscheint als Alternative bei distal gelegenen, sonst nicht erreichbaren Aneurysmen.
Bewertung In der Vorbeugung bzw. Behandlung des zerebralen Vasospasmus nach SAB ist wegen der möglichen antagonistischen Wirkungen der Kalziumantagonisten und der Triple-H-Therapie auf die Kreislaufparameter häufig eine Therapieabwägung notwendig. Im Zweifelsfall ist der Erhaltung hochnormaler Blutdruckwerte der Vorzug zu geben.
Subarachnoidalblutung, spinale Synonyme Spinale SAB
Definition Subarachnoidale Blutansammlung im Wirbelkanal.
Einleitung Spinale Subarachnoidalblutungen sind insgesamt selten und stehen meist in Zusammenhang
„Subclavian steal“-Phänomen
mit einer intrakraniellen SAB. Differenzialdiagnostisch kommen spinale Blutungslokalisationen wie Angiome, oberflächlich gelegene intramedulläre Tumoren und eine traumatische Genese in Betracht. Klinische Symptomatik: * Diffuse Rückenschmerzen. * Bei Ausbreitung der Blutung nach kranial Meningismus, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. * Fakultativ können segmentale Phänomene oder Querschnittssymptome dazukommen.
Diagnostik Bildgebung durch CT oder MRT. Im Vergleich zur zerebralen Bildgebung ist wegen häufiger falsch negativer Befunde in der Bildgebung die Lumbalpunktion mit Nachweis eines blutigen oder xanthochromen Liquors häufig richtungsweisend. Lokalisation der Blutungsquelle durch MR-Tomographie (z. B. Kavernome) oder MR-Angiographie bzw. konventionelle Angiographie.
„Subclavian steal“-Phänomen Synonyme „Steal“-Effekt der A. subclavia
Definition Durch eine Engstelle im Bereich der A. subclavia proximal des Abgangs der A. vertebralis ist die Blutversorgung des betroffenen Arms nicht mehr ausreichend gewährleistet, sodass es zu einer inkompletten oder kompletten retrograden Perfusion der ispilateralen A. vertebralis kommt, die dadurch zur Blutversorgung des Armes mitbeiträgt.
Einleitung *
*
Therapie Die Indikation einer chirurgischen Hämatomausräumung ist bei Kompression des Rückmarks mit Querschnittssymptomatik gegeben. Eine Ausschaltung der Blutungsquelle sollte ggf. im Intervall endovaskulär (einschließlich Embolisation) oder chirurgisch erfolgen.
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Beginnender Subclavian-steal-Effekt, bei mäßiggradig stenosierter A. subclavia: Kurzzeitiges Zusammenbrechen der systolischen Strömungskomponente in der A. vertebralis bei erhaltenem diastolischen Fluss, synonym: systolische Entschleunigung. Inkompletter Subclavian-steal-Effekt, bei höhergradiger Stenose der A. subclavia: Komplett retrograder Fluss in der Systole (von kranial nach kaudal) bei noch orthogradem diastolischen Fluss (von kaudal nach kranial), man spricht hier auch von Pendelfluss. Kompletter Subclavian-Steal-Effekt, bei hochgradiger Stenose der A. subclavia oder Verschluss: Strömungsrichtung in der
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„Subclavian steal“-Phänomen. Abb. 1: Pulskurvenform der A. vertebralis bei zunehmendem hämodynamischen Einfluss einer proximalen Abgangsstenose bzw. eines Verschlusses der A. subclavia
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Subdurale Blutung
ipsilateralen A. vertebralis sowohl in der Systole als auch in der Diastole retrograd (von kranial nach kaudal).
Diagnostik * *
Doppler/Duplexsonographie unter Anwendung des Oberarmkompressionstests. Durchführung und Prinzip: Die Kompression des betroffenen Arms z. B. mit einer Blutdruckmanschette führt zu einer relativen Ischämie und dadurch zu einer reaktiven Weitstellung der Armgefäße. Nach Kompressionsende kommt es durch den vermehrten Blutbedarf zu einer Verstärkung pathologischer Phänomene.
Therapie *
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Thrombozytenaggregationshemmer bei niedriggradigen und mittelgradigen Stenosen. Bei höhergradigen symptomatischen Stenosen kann eine Angioplastie und ggf. auch eine transthorakale operative Gefäßsanierung (Bypass) in Betracht gezogen werden (relativ gutes Outcome bei entsprechender klinischer-operativer Erfahrung).
Subdurale Blutung
matome durch lokale Schmerzen in der Läsionshöhe mit z. T. radikulärer Ausstrahlung. Es kann zur subakuten oder akuten Querschnittssymptomatik kommen. Differenzialdiagnostisch muss man an paraund postinfektiöse Myelitiden, an eine Myelitis im Rahmen einer Encephalomyelitis disseminata, spinale Ischämien oder Abszesse, an andersartige Raumforderungen wie Tumoren oder Bandscheibenvorfälle denken.
Diagnostik Als Akutdiagnostik dient das spinale MRT zur Läsionslokalisation und zur Bestimmung der Läsionsgröße, insbesondere zum Ausschluss oder Nachweis einer Myelonkompression. Des Weiteren sind z. T. Aufschlüsse über die Blutungsursache möglich wie Gefäßmalformationen. Die Lumbalpunktion dient zum Ausschluss entzündlicher Ursachen, ansonsten kommen als diagnostische Verfahren die spinale Angiographie (bei Verdacht auf Gefäßmalformation), Laboruntersuchungen mit spezieller Suche nach hämatologischen und rheumatologischen Erkrankungen und neurophysiologische Unterschungen wie somatosensibel evozierte Potentiale und transkranielle Magnetstimulation zum Einsatz.
Synonyme 3
Subduralhämatom;
Hämatom, subdurales
Therapie gesichert
Synonyme Spinales Subduralhämatom
Einleitung Spinale Subduralhämatome sind insgesamt selten aufgrund der Gefäßarmut im spinalen Subduralraum. Meist sind sie thorakolumbal lokalisiert. Ursachen sind venöse und arterielle Gefäßmissbildungen sowie Gerinnungsstörungen, Antikoagulantientherapie oder Thrombolysen. Seltenere Ursachen können auch Traumata, hämatologische und rheumatologische Erkrankungen sowie artifizielle Gefäßverletzungen, z. B. nach Lumbalpunktion, sein. Klinisch manifestieren sich spinale Subduralhä-
Entscheidend ist bei allen blutungsbedingten Raumforderungen mit Kompression des Myelon eine rasche neurochirurgische Entlastungsoperation. Dazu muss bei Gerinnungsstörungen oder Antikoagulantientherapie zunächst eine Korrektur der Gerinnungssituation medikamentös erreicht werden, z. B. mit Thrombozytenkonzentraten, Frischplasma, Protamin oder Prothrombin-Komplex.
Subduralempyem, intrakranielles 3
Subdurale Blutung, spinale
Empyem
Sulcus-ulnaris-Syndrom
SUDEP („sudden unexpected death in epilepsy patients“) Definition Plötzliche, unerwartete, nicht auf direkt erkennbare Ursachen (wie z. B. Status epilepticus, als Folge einer Sturzverletzung, Aspiration) zurückzuführende Todesfälle bei Epilepsiepatienten, deren Pathomechanismus noch unbekannt ist. Diskutiert werden u. a. iktuale, interiktuale und medikamentöse Regulationsstörungen der kardiovaskulären Funktion mit der Folge von Arrhythmien bzw. Asystolie, Lungenödem und koronare Vasokonstriktion durch anfallsbedingte Katecholaminausschüttung. Als Risikofaktoren werden früher Epilepsiebeginn, häufige generalisierte tonisch-klonische Anfälle und antiepileptische Polytherapie mit häufiger Dosierungsänderung genannt [1].
Literatur 1. Nilsson L, Farahmand BY, Persson PG, Thiblin I, Tomson T (1999). Risk factors for sudden unexpected death in epilepsy: a case-control study. Lancet 353:888–893.
Suizid Synonyme Selbsttötung
Definition Die absichtliche Selbstschädigung mit tödlichem Ausgang.
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Diagnostik Diagnostisch ergeben sich in der Exploration des Patienten zuvor insbesondere Verhaltensauffälligkeiten wie ängstlich-agitiertes Verhalten, eine „unheimliche Ruhe“ nach Gespanntheit oder Suizidandrohung, Affekt- oder Aggressionsstau, ein Insuffizienzerleben, Schuldgefühlserleben. Bereits erfolgte Suizidversuche oder die konkrete Planung von Suizidmaßnahmen sowie Suizidandrohung sollte immer als Warnsymptom verstanden werden.
Therapie Als allgemeine Regel zum Umgang mit suizidalen Patienten sollten gelten: Die Gepräche sollten in einer ruhigen und ungestörten Umgebung stattfinden, eine Einbeziehung von Kontaktpersonen kann im Verlauf sinnvoll sein, ein hohes Einfühlungsvermögen für die Situation des Patienten ist nötig, keinesfalls sollte eine Bagatellisierung der momentanen Krisensituation des Betroffenen erfolgen. Man sollte den Patienten durch kurzfristige Abmachungen an sich binden („bis zur nächsten Sitzung möge er sich nichts antun“) Neben regelmäßigen, bedarfsorientierten Gesprächstherapiesitzungen kann auch eine Therapie mit Antidepressiva (initial zusätzlich Benzodiazepine wegen der zunächst antriebssteigernden Wirkung) oder Neuroleptika erfolgen. Dabei sollte man auf die Verschreibung von kleinen Packungsgrößen achten. Bei manifester Selbstgefährdung ist eine stationäre Einweisung in eine psychiatrische Klinik mit kontinuierlicher Überwachungsmöglichkeit unumgänglich.
Einleitung Ätiologisch liegen in ca. 90% der Fälle psychische Erkrankungen oder psychische Krisen, z. B. Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Schizoprenie vor. Als Auslöser kommen negative Lebensereignisse in Frage. Kritische Situationen sind der Beginn oder das Abklingen depressiver Phasen, biologischer Krisenzeiten (Gravidität, Pupertät, schwere Erkrankungen) und Abhängigkeitserkrankungen. Als Risikofaktoren gelten frühere Parasuizide, Suizide in der Familie oder Bekanntschaft, familiäre Zerrüttung, fehlende Aufgabenbereiche und Lebensinhalte, Fehlen einer starken familiären oder religiösen Bindung und primäres Fehlen mitmenschlicher Kontakte.
Sulcus-ulnaris-Syndrom Definition Das Sulcus-ulnaris-Syndrom kommt durch eine Schädigung des Nervus ulnaris in der Ulnarisrinne am Ellenbogen zustande. In der Regel sind repetitive Mikrotraumatisierungen durch Druck, vor allem durch häufiges Aufstützen auf den Ellenbogen, die Ursache. Besonders bei einem sehr flachen Sulcus kann der Nerv auch durch wiederholte habituelle Luxationen oder Subluxationen aus dem Sulcus heraus geschädigt werden. Ein ganz ähnlicher Schädigungsort liegt beim Kubitaltunnelsyndrom vor
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Sulcus-ulnaris-Syndrom
( Kubitaltunnel), bei dem eine Kompression des Nerven durch die Aponeurose zwischen Olekranon und Epicondylus medialis im Kubitaltunnel entsteht. 3
Einleitung Die Beschwerden sind in der Regel nur langsam progredient. Grundsätzlich können alle vom Nervus ulnaris versorgten Strukturen, auch die proximalen Unterarmmuskeln, mitbetroffen sein. Häufig sind die ulnarisversorgten Handmuskeln ( Nervus ulnaris, Läsion) aber stärker betroffen als der M. flexor carpi ulnaris oder der M. flexor digitorum profundus IV und V, sodass klinisch die Abgrenzung von einer distalen Ulnarisläsion schwierig sein kann. Schmerzen und Parästhesien liegen an der Ulnarseite der Hand vor, können aber fehlen. Im Verlauf kommen oft sensible Defizite hinzu; die motorischen Ausfälle stehen aber im Vordergrund. Am Epikondylus kann ein Druckschmerz vorliegen; bei habitueller Luxation gelingt häufig auch das Luxieren des Nerven aus dem Sulcus. Häufig ist das Hoffmann-TinelZeichen mit Elektrisieren bis zum Kleinfinger beim Beklopfen des Sulcus positiv. Bei längerfristigen Ausfällen kann die sogenannte Krallenhand resultieren ( Nervus ulnaris, Läsion). Das Froment-Zeichen ist positiv. Dabei wird beim Greifen eines Blattes Papier die fehlende Daumen-Adduktion durch eine Flexion des Daumenendgliedes ausgeglichen. Schließlich kann es auch zu trophischen Störungen kommen (Nagelwachstum, Dupuytren). Beim Kubitaltunnelsyndrom kann der Ast zum M. flexor carpi ulnaris ausgespart sein. Häufige Ursache eines Sulcus-ulnaris-Syndroms sind Druck- oder Lagerungsschäden 3
3
3
Sulcus-ulnaris-Syndrom. Abb. 1: Sensible Innervation des N. ulnaris
durch häufiges Aufstützen auf den Ellenbogen, Bettlägerigkeit oder falsche Lagerung in Narkose. Auch durch wiederholte Flexions- und Extensionsbewegungen im Ellenbogengelenk kann der Nerv geschädigt werden. Eine Läsion kann durch ein direktes Trauma ausgelöst werden. Prädisponierend sind außerdem knöcherne degenerative oder posttraumatische Veränderungen (sogenannte Spätparesen nach alter Ellenbogenfraktur und - luxation).
Diagnostik Die Sicherung der Diagnose erfolgt elektrophysiologisch. Bei einer fraktionierten NLG-Messung über dem Sulcus kann sich eine signifikante Verlangsamung zeigen. Mit der InchingTechnik kann eine abrupte Amplitudenreduktion der über dem Hypothenar abgeleiteten Muskelantwort (Leitungsblock) oder ein abrupter Latenzsprung nachgewiesen werden. Im EMG finden sich der akuten und/oder chronisch neurogenen Schädigung nicht nur in den kleinen Handmuskeln, sondern auch im M. flexor carpi ulnaris und im M. flexor digitorum profundus. Differenzialdiagnostisch muss das Sulcus-ulnaris-Syndrom von einer Schädigung der Wurzel C8 und von einer unteren Plexusschädigung abgegrenzt werden.
Therapie Die Therapie des Sulcus-ulnaris-Syndroms besteht zunächst in umgehendem Meiden der pathogenen auslösenden Ursachen, also einer Beseitigung von außen einwirkenden Druckes, einer Vermeidung repetitiver Flexions- und Extensionsbewegungen und extremer Ellenbogenbeugehaltungen. Der Nerv kann von außen durch ein gut sitzendes Polster an der Ellenbogeninnenseite mechanisch vor Druck geschützt werden. Bei therapieresistenten Fällen, Progredienz oder ausgeprägter Klinik mit höhergradigen Paresen kann eine operative Revision erforderlich werden. Oft kann das genaue Vorgehen erst intraoperativ geplant werden. Die Erweiterung des Kubitaltunnels durch Spaltung der Aponeurose kann schon ausreichend sein. Gegebenenfalls müssen knöcherne Veränderungen des Sulcus beseitigt werden. Schließlich kann auch eine Verlagerung des Nerven aus dem Sulcus heraus nach volar erforderlich werden, bei der der Nerv unter Schonung der Blutversorgung großzügig mobilisiert werden sollte [3]. Das beste operative Vorgehen ist nach wie vor
Sulpirid
umstritten, da keine ausreichenden kontrollierten Studien zu den verschiedenen Operationsverfahren vorliegen [1]. In einer Studie ergaben sich Hinweise, dass das beste operative Vorgehen jeweils bei unterschiedlichem Schwergrad der klinischen Ausfälle verschieden ist [2]. Die Wahl des Vorgehens bleibt dem Operateur überlassen. Postoperativ ist eine vorübergehende Ruhigstellung und anschließende aktive physiotherapeutische Behandlung wichtig.
Literatur 1. Lowe JB, Novak CB, Mackinnon SE (2001) Current approach to cubital tunnel syndrome. Neurosurg Clin N Am 12: 267–284. 2. Mowlavi A, Andrews K, Lille S, Verhulst S, Zook EG, Milner S (2000) The management of cubital tunnel syndrome: a meta-analysis of clinical studies. Plast Reconstr Surg 106: 327–334. 3. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
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flussung vegetativer Funktionen sowie die psychomotorische Hemmung.
Resorption Sulpirid ist eine hydrophile Verbindung, deren enterale Resorption langsam und unvollständig erfolgt. Der größte Teil einer p. o. verabreichten Dosis findet sich unverändert in den Faeces. Die orale Bioverfügbarkeit unterliegt in Abhängigkeit von der galenischen Zubereitungsform sowie den intragastralen Verhältnissen großen Schwankungen. Sie liegt im Durchschnitt bei 27% der verabreichten Dosis. Antacida hemmen die Resorption von Sulpirid. Therapeutisch relevante Blutspiegel werden nach 30– 60 min erreicht. Nach 3–6 h sind die maximale Plasmaspiegel nachweisbar. Die Plasmaeiweißbindung liegt bei 40%. Im Liquor beträgt die Sulpiridkonzentration im Durchschnitt 14% (4– 29%) der Serumkonzentration.
Elimination
Sulpirid Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Dogmatil® forte Tbl., Inj.lösg. Meresa® forte Tbl., Inj.lösg.
Wirkungen Sulpirid gehört zur Gruppe der substituierten Benzamide, die aufgrund ihrer klinischen Hauptwirkung den sogenannten atypischen Neuroleptika mit schwacher antipsychotischer Wirkung zugeordnet werden. Im Dosisbereich zwischen 200 und 300 mg/d stehen aktivierende und antidepressive Wirkungen im Vordergrund, zwischen 300 und 1000 mg/d tritt die antipsychotische Wirkung auf. Sulpirid besitzt antivertiginöse Wirkung. Unter den Neuroleptika ist Sulpirid die Verbindung mit der größten Selektivität bezüglich der Blockade von Dopamin (D2)-Rezeptoren. 800 mg blockieren beim Menschen 65–82% der D2-Rezeptoren. Dieser Effekt wird vorzugsweise im Bereich des mesolimbischen Dopaminsystems realisiert, die Hemmung dopaminerger Rezeptoren im nigrostriatalen System ist schwächer. Dieser regionale Wirkunterschied wird für die geringe Ausprägung extrapyramidal-motorischer Störungen verantwortlich gemacht. Gering ist die Beein-
Die Benzamide werden zu 95% unverändert ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertzeit von Sulpirid liegt zwischen 7 und 10 h. Die Exkretion erfolgt zu etwa gleichen Anteilen über Urin und Faeces.
Anwendungsgebiete Chronisch schizophrene Psychosen mit vermindertem Antrieb und depressiver Verstimmung (300–1200 mg/d), psychomotorisch gehemmte Depressionen endogener und somatogener Genese, autistische Störungen (100–400 mg/d) sowie Morbus Meniere bzw. Schwindelzustände anderer Genese.
Unerwünschte Wirkungen Allgemein gilt, dass Sulpirid im Vergleich zu den Neuroleptika der Phenothiazin- bzw. Butyrophenon-Gruppe weniger und schwächer ausgeprägte unerwünschte Wirkungen aufweist. Selten allergische Reaktionen. Geringe Sedation ist möglich. Nach i. v. Applikation ist hypotone Kreislaufreaktion möglich. Gewichtszunahme kann vorkommen. Infolge gesteigerter Prolaktinfreisetzung können Galactorrhoe, Zyklusstörungen und Amenorrhoe auftreten.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Manische Zustände, Epilepsie, Phäochromozytom, Schwangerschaft, Stillzeit.
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Sumatriptan
Wechselwirkungen Sind mit allen Arzneistoffen möglich, die an Dopamin-Rezeptoren angreifen (z. B. Bromocriptin, Levodopa). Zentraldämpfende Arzneistoffen und Alkohol werden in ihrer Wirkung verstärkt.
Sumatriptan Gebräuchliche Fertigarzneimittel Imigran® 50/100 mg Filmtbl., Supp. -Nasal 10/20 mg Lösg. -Inject Inj.lösg. -Fertigspritze
Wirkungen Unter der Vorstellung, dass die bei einer Migräneattacke erweiterten Gefäße der Hirnhaut (Dura) und des Gehirns für die Schmerzsymptomatik im Migräneanfall verantwortlich sind, wurde Sumatriptan mit dem Ziel entwickelt, diese Gefäße selektiv verengen zu können. Sumatriptan, das als erstes Triptan eingeführt wurde, hat eine hohe Affinität zu 5-HT1Bund 5-HT1D-Rezeptoren der duralen und zerebralen Gefäße bei nur geringer Affinität zum 5-HT1F- und 5-HT1A-Rezeptoren. Alle anderen Serotoninrezeptoren, sowie α-adrenerge Rezeptoren, Dopaminrezeptoren und muscarinerge Rezeptoren werden nicht beeinflusst. Die Wirkung von Sumatriptan bei der Migräne beruht also auf einer Vasokonstriktion von erweiterten Blutgefäßen im Bereich der Dura und des Gehirns und der Hemmung nozizeptiver Signale, die in den erweiterten Gefäßwänden entstehen und die über den 1. Trigeminusast geleitet werden. Sumatriptan hemmt darüber hinaus die Freisetzung des Polypeptids Calcitonin-gene-related peptide (CGRP), eine Substanz, die während der Migräneattacke ausgeschüttet wird und eine weitere Vasodilatation von Dura- und Hirngefäßen bedingt. Die wirksamste Applikationsform, die aber gleichzeitig die meisten Nebenwirkungen hat, ist die subkutane Injektion von 6 mg Sumatriptan. Bei 30–40% der Patienten kommt es nach initial guter Wirksamkeit innerhalb von 24 h zum Wiederauftreten (Recurrence) der Migränesymptomatik. Eine zweite Dosis von Sumatriptan ist wirksam. Pharmakokinetische Parameter haben offenbar keinen Einfluss auf die Recur-
rence-Rate. In einer Metaanalyse von 12 randomisierten Studien zur subkutanen Gabe von Sumatriptan (n=3027) betrug die Erfolgsquote nach 1 h 69% im Vergleich zu Plazebo mit 19% [1]. Oral appliziertes Sumatriptan war in Dosierungen von 25, 50 und 100 mg dosisabhängig wirksam. Höhere Dosierungen hatten lediglich mehr Nebenwirkungen. In der Metaanalyse betrug die Erfolgsquote nach 2 h 58% (n=1854) verglichen mit 25% unter Plazebo (n=1036). Dies resultiert in einer number needed to treat (NNT) von 3. Wichtig ist die Beobachtung, dass bei Unwirksamkeit der initialen Dosis von Sumatriptan, wie bei allen Triptanen, die Einnahme einer zweiten Dosis ebenfalls nicht wirkt. Bei 20–30% der erfolgreich behandelten Attacken kommt es zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen. Das Zeitintervall bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen ist allerdings nach 100 mg Sumatriptan deutlich länger als nach 25 und 50 mg. Sumatriptan-Nasenspray wurde eingeführt für Patienten, die bei Beginn der Migräneattacke unter Übelkeit leiden und keine Tablette schlucken wollen. Die Wirksamkeit 2 h nach der Einnahme bzgl. Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leichte oder keine Kopfschmerzen liegt zwischcen 55 und 64% v (Plazebo, 25 und 32%. Sowohl 10 mg wie 20 mg Sumatriptan waren gut wirksam. Höhere Dosen führten zu vermehrten Nebenwirkungen. Für Zäpfchen ergab sich das beste Verhältnis zwischen Wirkungen und Nebenwirkungen für eine Dosis von 25 mg. Bei der kindlichen Migräne ist die orale Gabe von Sumatriptan nicht wirksam. Dies liegt zum einen daran, dass Triptane bei Kindern weniger wirksam sind und zum anderen daran, dass Kinder eine deutlich höhere Plazeborate haben. Darüber hinaus sind Migräneattacken bei Kindern sehr viel kürzer.
Resorption Die orale Bioverfügbarkeit von Sumatriptan ist mit 14% relativ gering. Dies beruht in erster Linie auf einem ausgeprägten First-Pass-Metabolismus. Bei subkutaner Gabe beträgt die Bioverfügbarkeit 96%. Die Resorption von Sumatriptan ist unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Bei der Gabe als Zäpfchen sind die pharmakokinetischen Daten in den meisten Untersuchungen identisch mit denen der oralen Gabe. Die Plasmaproteinbindung ist mit 14– 21% gering.
SUNCT-Syndrom
Elimination Sumatriptan wird zu einem pharmakologisch inaktiven Indolessigsäure-Derivat metabolisiert, das überwiegend über den Urin ausgeschieden wird. Die Plasmahalbwertzeit von Sumatriptan beträgt 2 h.
Anwendungsgebiete Sumatriptan wird zur Behandlung des akuten Migräneanfalls und zur Coupierung des Clusterkopfschmerzes eingesetzt. Beim Clusterkopfschmerz ist allerdings nur die subkutane und nasale Gabe wirksam, da die Attacken relativ kurz sind und die orale Gabe nicht schnell genug wirkt.
Dosierung und Art der Anwendung Die Behandlung akuter Migräneattacken erfolgt bevorzugt mit der oralen Gabe. Standarddosis sind zunächst 50 mg Sumatriptan. Wenn diese Dosis nicht ausreichend wirksam ist, wird die Dosis auf 100 mg erhöht. Wenn es bei 50 mg bereits zu deutlichen Nebenwirkungen kommt, wird die Dosis auf 25 mg reduziert. Bei Patienten mit initialer Übelkeit wird Nasenspray verwendet. Bei Patienten mit Übelkeit und Erbrechen kommen Zäpfchen zur Anwendung. Bei sehr schweren Attacken und Attacken, die auf die anderen Anwendungsformen nicht ansprechen, werden 6 mg Sumatriptan subkutan gegeben. Sumatriptan ist das einzige Triptan mit vier verschiedenen Applikationsformen.
Unerwünschte Wirkungen
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nalkaloiden muss 24 h mit der Einnahme von Sumatriptan gewartet werden. Sumatriptan soll nicht zusammen mit Hemmstoffen der MAO eingenommen werden.
Wechselwirkungen Wechselwirkungen mit den üblichen Medikamenten zur Migräneprophylaxe bestehen nicht. Sumatriptan zeigt keine Interaktionen mit Propanolol, Flunarizin, Pizotifen und Paroxetin. Das zunächst befürchtete Serotoninsyndrom bei der Kombination mit selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern ist bisher nicht beobachtet worden, ist aber theoretisch denkbar. Es besteht allerdings eine Interaktion mit dem MAO-Hemmer Moclobemid, weshalb eine gleichzeitige Einnahme von Sumatriptan und MAO-Hemmern kontraindiziert ist.
Literatur 1. Tfelt-Hansen P (1998) Efficacy and adverse events of subcutaneous, oral, and intranasal sumatriptan used for migraine treatment: a systematic review based on numbers needed to treat. Cephalalgia 18:532–538
SUNCT-Syndrom Synonyme Abkürzung für „short lasting unilateral neuralgiform headache attacks with conjunctival injection, tearing, sweating and rhinorrhoea“
Einleitung
Fast alle Triptane haben das gleiche Nebenwirkungsspektrum. In der Reihenfolge abnehmender Häufigkeit werden beobachtet: Brennende Missempfindungen, unsystematischer Schwindel, allgemeines Schwächegefühl, Parästhesien, Druckgefühl im Bereich des Halses, des Nackens und der Brust, Schweregefühl im Bereich der Brust. Bei der Injektion kommt es zu Nebenwirkungen an der Injektionsstelle, bei dem Nasenspray zu Geschmacksstörungen.
Äußerst seltener paroxysmaler einseitiger Kopfschmerz (Maximum periorbital) mit sehr kurzen (15–60 s), häufigen (5–30/h) Attacken eines neuralgiformen Kopfschmerzes mit autonomen Begleitsymptomem (Tränen der Augen, konjunktivale Injektion, nasale Kongestion). Im Gegensatz zur ähnlichen chronischen paroxysmalen Hemikranie sprechen die Attacken nicht auf Indometacin oder Carbamazepin an.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Diagnostik
Alle arteriellen vaskulären Erkrankungen wie Angina pectoris, Herzinfarkt, Schlaganfall, transiente ischämische Attacken, pAVK sind ebenso Kontraindikationen wie eine nicht eingestellte Hypertonie. Sumatriptan darf nicht während der Schwangerschaft oder Stillzeit gegeben werden. Nach der Gabe von Mutterkor-
Klinischer Befund im Intervall sowie Zusatzdiagnostik (MRT) sind unauffällig. Differenzialdiagnostisch müssen in erster Linie eine Trigeminusneuralgie, ein Clusterkopfschmerz, eine chronische paroxsmale Hemikranie sowie sekundäre Formen (PancoastTumor, intrakranielle Raumforderung, insbe-
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Supinatorlogensyndrom
sondere im Sellabereich, Vaskulitiden, Hirndruck) abgegrenzt werden.
Therapie empirisch Anekdotisch wurde über eine Wirksamkeit von Sumatriptan oder Valproinsäure berichtet. unwirksam/obsolet Für nichtsteroidale Antiphlogistika, Ergotamin, Prednison, Lithium, Verapamil, Propanolol, Amitriptylin, Carbamazepin und Indometacin konnte keine Wirkung gezeigt werden.
Supinatorlogensyndrom Nervus interosseus posterior, Läsion
3
Swan-Ganz-Katheter
kurve) erfolgt dann zunächst wieder die Entblockung des Ballons. Die Messung des Herzzeitvolumens erfolgt nach der Thermodilutionsmethode (Injektion von 10 ml NaCl-Lösung, 4°C kalt; über den proximalen Schenkel des Katheters und Bestimmung der Temperaturerniedrigung in der Pulmonalarterie. Der pulmonalkapilläre Verschlussdruck wird bei aufgeblasenem Ballon und daraus resultieremdem Verschluss eines peripheren Pulmonalarterienastes gemessen. Er dient als Maß für die linksventrikuläre Vorlast. Die Interpretation des Verschlussdrucks ist allerdings schwierig, da nicht nur viel Erfahrung nötig ist, sondern auch eine Vielzahl von Fehlerquellen möglich sind (technisch nicht einwandfreie Lage der Spitze, Atemwegsdruckschwankungen, z. B. unter PEEP-Beatmung, verschiedene Herzklappenfehler).
Swanson-Syndrom
Synonyme
Synonyme
Pulmonaliskatheter
HSAN IV, hereditäre sensible und autonome Neuropathie Typ IV
Definition Bei einem Pumonaliskatheter handelt es sich um einen über eine zentrale Vene über den rechten Vorhof und Ventrikel in die Pulmonalarterie eingeschwemmten Ballonkatheter.
Grundlagen Der Pulmonaliskatheter (PA-Katheter) ermöglicht die Bestimmung des ZVD, des rechten Vorhof- und Ventrikeldrucks, des Pulmonalarteriendrucks, des pulmonalen kapillären Verschlussdrucks, des Herzzeitvolumens und des Herzindexes sowie der gemischt-venösen Sauerstoffsättigung. Die Indikationen zur Anlage eines PA-Katheters sind u. a. ein kardiogener Schock oder ein ARDS. Die Zugangswege entsprechen denen eines ZVK, jedoch sind die Jugularvenen aufgrund der geringeren Komplikationsrate zu bevorzugen, da eine Einführung zumeist einer Schleuse bedarf. Nach Erreichen des rechten Vorhofes wird der sich an der Katheterspitze befindende Ballon aufgeblasen, der eine Einschwemmung des Katheters in die Pulmolalarterien erlaubt. In der Pulmonalarterie (erkennbar an der Druck-
Definition Das Swanson-Syndrom gehört zur Gruppe erblicher Neuropathien, bei denen eine kongenitale Entwicklungsstörung sensibler und autonomer Nervenfasern besteht. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv.
Einleitung Von Geburt an fehlendes Schmerzempfinden führt zu häufigen Verletzungen, Verbrennungen und schließlich zu Mutilationen. Weitere Symptome sind fehlendes Schwitzen, episodisches Fieber bei erhöhter Außentemperatur, Störungen des Temperatursinnes, geistige Retardierung und Minderwuchs [1].
Diagnostik Klinische und elektrophysiologische Diagnostik (sensible NLG, Thermotest), Schweißtest, Nervenbiopsie.
Therapie Eine kausale Therapie der Erkrankung besteht nicht. Bei sehr hohen Außentemperaturen sollte
Synkope
gegebenenfalls eine Abkühlung der Patienten erfolgen [1].
Nachsorge Es kann lediglich prophylaktisch versucht werden, Verletzungen und Verbrennungen zu vermeiden.
Prognose Bisher sind nur wenige Familien mit der Erkrankung bekannt. Die Lebenserwartung scheint aber verkürzt zu sein.
Literatur 1. Dyck PJ (1993) Neuronal atrophy and degeneration predominantly affecting peripheral sensory and autonomic neurons. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral Neuropathy. W. B. Saunders Company, Philadelphia, London, pp 1065–1093.
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Im kraniellen MRT striatale Signalvermehrung in T2 beschrieben. PET: Reversibler striataler Glukosehypermetabolismus.
Therapie empirisch Therapie: Penicillin 2×400.000 IE i. m. oder 3× 1 Mio IE/d oral über 10 Tage sowie PenicillinProphylaxe über 5 Jahre (1×1,2 Mio IE/Monat oral). Zusätzlich Kortikoide (Prednison 5–30 mg/d, 4–6 Wochen), Salizylate. Bettruhe. Symptomatische Therapie mit Valproat, z. B. Ergenyl 15– 20 mg/kg/d; Clonazepam, Neuroleptika (Pimozid OrapR 3–8 mg/d, Haloperidol).
Prognose Prognose günstig, Rezidivneigung. Bei 1/3 Restsymptomatik. Bei 18% Manifestation als Hemichorea.
Sydenham-Chorea Synonyme Chorea minor, Chorea rheumatica, Chorea infectiosa
Definition
Synkope Synonyme Ohnmacht
Sydenham beschrieb eine nicht hereditäre Chorea als Folge von rheumatischem Fieber (Chorea minor).
Definition
3
Kurzer Bewusstseins- und Tonusverlust nichtepileptischer Genese.
Einleitung
Einleitung
Die Sydenham-Chorea tritt vorwiegend im Schulalter (3.–13. Lebensjahr), selten bis zum 40. Lebensjahr, überwiegend bei Mädchen (60%) auf. Tage bis Wochen nach Gelenkrheumatismus, Angina oder Endokarditis kann es zu Müdigkeit, Reizbarkeit, choreatiformen Hyperkinesen, Muskelhypotonie, Sprachstörungen, gelegentlich Psychosen kommen. Bei 20% akuter, meist schleichender Verlauf. Bei vorwiegend psychischen Störungen (Ängstlichkeit, Apathie) Chorea mollis.
Im Rahmen einer Beeinrächtigung des Hirnstoffwechsels, meist in Form einer generalisierten Hypoxie infolge Mangeldurchblutung, können Bewusstlosigkeitszustände mit Verlust des muskulären Haltetonus auftreten, die als Synkope bezeichnet werden. Synkopen treten meist im Stehen, seltener im Sitzen, kaum im Liegen auf. Prodromal tritt meist, insbesondere bei nichtkardialen Synkopen, ein kurzes Prodromalstadium mit Benommenheit, Verschwommensehen, Ohrensausen, Schweißausbruch und schließlich Schwarzwerden vor Augen auf. In diesem Stadium ist es oft möglich, die Symptome durch Hinlegen zu kupieren. Kommt es zum Bewusstseinsverlust, dauert dieser meist nur einige Sekunden: der Patient sinkt zu Boden, durch die horizontale Lage kommt es in der Regel rasch zu einer Normalisierung der Hirndurchblutung. Die
Diagnostik Leukozytose, BSG-Erhöhung, ASL-Titer, Creaktives Protein, Cardiolipin-Antikörper, Antiphospholipidantikörper: B-Zell-Alloantigen D8/17, Antikörper gegen β-hämolytische Steptokokken und gegen humanes Kaudatumgewebe.
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Synkope, alimentär bedingte
Haut ist blaß, der Muskeltonus schlaff. Bei längerer Bewusstlosigkeit kann es zur konvulsiven Synkope kommen. Die Reorientierung erfolgt in aller Regel, im Gegensatz zum Grand Mal, rasch.
gen, bradykarden Rhythmusstörungen und mechanisch bedingten Synkopen. Typischerweise tritt die Bewusstlosigkeit unvermittelt ohne Prodromi und in jeder Körperlage auf, konvulsive Synkopen sind häufiger als bei nichtkardialen Synkopen. 3
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3
Differenzialdiagnose Diagnostik
Anfall, nichtepileptischer
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Synkope, alimentär bedingte
EKG, 24 h-EKG und Echokardiographie gehören zur Basisdiagnostik. Bei wiederholten, ätiologisch ungeklärten Synkopen sollte ggf. eine invasive elektrophysiologische Diagnostik erfolgen.
Einleitung Vor allem bei Magenresezierten kann es durch die Sturzentleerung des Magens („Frühdumping“) durch vermehrte Blutfülle in den Splanchnikusgefäßen und Freisetzung humoraler Substanzen sofort nach oder sogar während der Mahlzeit zu einer Synkope kommen.
Therapie Einnahme zahlreicher kleinerer Mahlzeiten.
Synkope, kardial bedingte Einleitung Bei kardial bedingten Synkopen ist zu differenzieren zwischen tachykarden Rhythmusstörun-
Therapie Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung. 1. Mechanisch bedingt: * Aortenklappenstenose * Idiopathisch-hypertrophe Subaortenstenose (IHSS) * Defekte künstliche Herzklappe * Vorhofthrombus * Vorhofmyxom * Pulmonalstenose * Lungenembolie * Pulmonale Hypertonie * Fallot-Tetralogie * Mitralstenose * Hypertrophische Kardiomyopathie * Herzinfarkt
Synkope. Tab. 1: Ursachen und Beispiele Ursache
Beispiele
Kardial bedingte Synkope
Rhythmusstörungen, Aorten- oder Mitralstenose, Lungenembolie
Orthostatische neurokardiogene (vasovagale) Synkope
Ohnmacht nach längerem Stehen
Zentral induzierte neurokardiogene Synkope nach Schreck- oder Schmerzreiz, Angst, Synkope Blutabnahme Reflektorische Synkope
Karotissinussyndrom, Miktionssynkope, Schlucksynkope, okulovagale Synkope, pressorische Synkope (Hustensynkope)
Synkope bei neurogener orthosta- Sympathikusschädigung bei Polyneuropathien, M. Parkinson, tischer Hypotonie Rückenmarkerkrankungen, Multisystematrophien Alimentär bedingte Synkope
„Frühdumping“ bei Z. n. Magenteilresektion
Supines Syndrom der Schwangeren
Ohnmacht beim Liegen auf dem Rücken in der Schwangerschaft (durch Kompression der V. cava)
Vestibulär bedingte Synkope
Bei Vestibularisreizung (z. B. M. Meniere)
Synkope, neurokardiogene (vasovagale)
2. Bradykarde Rhythmusstörungen: * Sinusbradykardie * Sinoaurikulärer Block * Bradykardie-Tachykardie-Syndrom * AV-Block Typ IIb Mobitz * AV-Block 3. Grades * Bi- und trifaszikulärer Block * Schrittmacherausfall * Herzinfarkt * Hyperkaliämie * Toxisch (Digitalis, Antiarrhythmika, Lokalanästhetika) 3. Tachykarde Rhythmusstörungen * Supraventrikuläre Tachykardie * Wolff-Parkinson-White-Syndrom * Lown-Ganong-Levine-Syndrom * Paroxysmales Vorhofflimmern und –flattern * Ventrikuläre Tachykardie * Torsade-de-Pointes-Tachykardie * Kammerflattern * Kammerflimmern * Schrittmacherinduzierte Tachykardie * Hypokaliämie * Toxisch (Atropin, Schilddrüsenhormon, Nikotin, Alkohol)
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Synkope, Miktionssynkope Einleitung Meist bei Kindern oder älteren Männern nachts während oder kurz nach der Miktion im Stehen auftretende Synkope, selten auch bei älteren Frauen. Ursächlich sind eine zusätzliche orthostatische und pressorische Belastung bei ohnehin bestehender nächtlicher Vagotonie.
Therapie Strikte Einhaltung einer sitzenden Position beim Urinieren.
Synkope, neurokardiogene (vasovagale) Definition Plötzlich einsetzende und rasch progrediente Hypotension ohne kompensatorische Pulsbeschleunigung, meist sogar mit progredienter Bradykardie.
Einleitung
Bei längerer synkopaler Bewusstlosigkeit kann es durch eine Hypoxie des Mittelhirnes zu einer tonischen Verkrampfung des Körpers (selten mit Zungenbiss), manchmal auch zu einigen generalisierten Kloni oder Einnässen kommen. Gelegentlich sind auch neurologische Herdzeichen (Babinski-Zeichen, Nystagmus) nachweisbar, selten eine leichte Zyanose. Kovulsive Synkopen sind bei nichtkardialer Ursache selten, bei primär kardial bedingten Synkopen treten in bis zu 40% Konvulsionen auf. Sie können provoziert werden, wenn Helfer durch Hochhalten des Oberkörpers eine Normalisierung der Kreislaufverhältnisse verhindern.
Differenzialdiagnose Wichtiges Merkmal zur Abgrenzung vom Grand Mal ist, dass bei der konvulsiven Synkope die motorischen Entäußerungen nie zu Beginn der Bewusstlosigkeit vorhanden sind.
Diagnostik Andere Ursachen (z. B. kardial bedingte Synkopen) sollten insbesondere bei älteren Patienten ausgeschlossen werden. Die Verdachtsdiagnose neurokardiogener Synkopen läßt sich erhärten durch einen Kipptischtest. 3
Einleitung
3
Synkope, konvulsive
Orthostatische neurokardiogene Synkopen (NKS) werden typischerweise durch längeres Stehen ausgelöst, zuvor treten meist Symptome einer Präsynkope auf. Durch venöses Pooling im Stehen und hierdurch bedingte reduzierte Füllung des linken Ventrikels kommt es zunächst zur Sympathikusaktivierung und Vagusinhibition, wodurch der systemische Blutdruck stabil gehalten wird. Bei Überschreiten einer kritischen Erregungsschwelle (wahrscheinlich vermittelt über linksventrikuläre Mechanorezeptoren) kommt es zur Auslösung der neurokardiogenen Reaktion mit Vasodilatation und Kardioinhibition und damit zur Synkope.
Therapie Allgemeinmaßnahmen sind ausreichende Trinkmenge und Kochsalzzufuhr, physikalische
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Synkope, okulovagale
Synkope, neurokardiogene (vasovagale). Abb. 1: Progrediente Hypotension (ABP), Bradykardie (HR) und Zunahme der Pulsamplitude in der TCD-Ableitung (CBFV) als Ausdruck zerebraler Vasokonstriktion während der neurokardiogenen Synkope auf dem Kipptisch
Maßnahmen (Stehen mit gekreuzten Beinen, Zehenwippen). Eine medikamentöse Therapie ist indiziert bei Patienten mit kurzer oder fehlender präsynkopaler Phase, die oft stürzen und sich in gefährliche Situationen bringen (neurokardiogenes Synkopenleiden). Als Therapie der 1. Wahl gelten β-Blocker (Metoprolol 25–100 mg/die, z. B. Beloc®), alternativ können Fludrocortison (0.1–0.3 mg/die, z. B. Astonin-H®), Midodrin (2.5–10 mg/die, z. B. Gutron®), Theophyllin, Disopyramid, Methylphenydat versucht werden.
Synkope, pressorische Einleitung Durch Druckerhöhung im Thorax (Husten, Niesen, Erbrechen, Defäkation, Heben schwerer Lasten, heftiges Lachen) kann (über eine Reduktion des Herzminutenvolumens, verbunden mit einer Abnahme der Hirndurchblutung) eine Synkope ausgelöst werden.
Synkope, Schlucksynkope Synkope, okulovagale Einleitung Druck auf das Auge kann durch eine über den N. trigeminus vermittelte parasympathische Aktivierung zur Synkope führen.
Einleitung Durch vermehrte Vagotonie, meist bei raschen Trinken größerer Mengen kalter Flüssigkeit, selten bei einer Neuralgie des N. glossopharyngeus, kann eine Synkope induziert werden.
Therapie Vermeidung auslösender Faktoren.
Syphilis, Neurosyphilis
Vermeidung auslösender Situationen.
Synkope, vaskulär bedingte Einleitung Veränderungen an den hirnversorgenden Gefäßen, insbesondere im vertebrobasilären Stromgebiet (schwere Arteriosklerose) können zum Auftreten von Synkopen führen. Wegweisend ist das Auftreten neurologischer Herdzeichen.
Diagnostik Neurosonologie, bildgebende Diagnostik (zerebrale Ischämien?).
Therapie Abhängig von der Grunderkrankung.
Synkope, vestibulär bedingte Einleitung Bei Vestibularisreizung kann es selten durch starke Vagotonie zu Synkopen kommen.
Syphilis, Neurosyphilis Synonyme Lues
Definition Durch Treponema pallidum hervorgerufene, in der Regel durch Geschlechtsverkehr übertragene, in vier Stadien verlaufende Infektionskrankheit.
Einleitung Unterschieden werden eine erworbene Syphilis
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Therapie
3
Trigeminusreize, z. B. durch Eintauchen des Gesichtes in kaltes Wasser, können über eine parasympathische Aktivierung zur Synkope führen.
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Einleitung
(S. aquisita) und die sogenannte angeborene Syphilis (S. connata). Bei der erworbenen Syphilis kommt es 3 Wochen nach der Ansteckung zur: * Frühlues (Primärstadium, Lues I): An der Infektionsstelle entsteht ein schmerzloses Primärulkus (Ulcus durum/Harter Schanker), nach 6 Wochen kommt es zu einer regionalen Lymphadenopathie (syphilitischer Primärkomplex). Der Primärkomplex heilt spontan nach 4–6 Wochen ab. * Im Sekundärstadium (Lues II) kommt es zur klinischen Generalisierung. Das Stadium beginnt 8–12 Wochen p. i. und dauert bei der sog. Frühlatenz bis zu 2 Jahren, bei der sog. Spätlatenz mehr als zwei Jahre an: Im Vordergrund steht der Befall des gesamten Integuments (u. a. Condyloma lata, Plaques muqueses, syphilitisches Leukoderm (sog. Collier de Venus am Hals), Alopezie, generalisierte Lymphadenopathie). In diesem Stadium kann es zu einer frühluischen Meningitis kommen. Anschließend klinisch stummes Latenzstadium (Lues latens seropositiva). * Spätlues (Tertiärstadium, Lues III): In der Regel 5 Jahre p. i., neben Befall der Haut und Schleimhäute (u. a. luische Granulome) kommt es zur Organmanifestation (u. a. kardiovaskuläre Lues mit Mesaortitis luica). Neurologische Komplikationen sind die meningeale und meningovaskuläre Lues (Lues cerebrospinalis) mit zerebralen Gummen, luischer Meningitis und zerebralen selten spinalen vaskulären Syndromen (DD Hirninfarkt!) aufgrund einer Endarteriitis obliterans. * Im Quartärstadium (Neurosyphilis, Lues IV) kommmt es mit 10–20 Jahren Latenz zu einer parenchymatösen ZNS-Manifestation (sog. Metalues) mit progressiver Paralyse und Tabes dorsalis. Klinisch charakteristisch sind Pupillenstörungen (sog. ArgyllRobertson-Pupille, eng, entrundet, lichtstarr, erhaltene Konvergenzeaktion), die bei ca. 30% im Stadium III und bei >60% im Stadium IV vorkommen. 3
Synkope, trigeminovagale
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Diagnostik Direktnachweis der Treponemen im Reizserum des Primärkomplexes bzw. Lymphknotenpunktat mittels Dunkelfelduntersuchung
S
Syringobulbie
Mikrobiologische Diagnose durch serologische Tests: * Unspezifische Screeningparameter (TPHA, VDRL): Etwa 3 bzw. 5 Wochen p. i. reaktiv. * Hochspezifische, luesbeweisende Tests (IgM-FTA-Test), vor Screeningtests und lebenslang reaktiv. Liquor: Typischerweise lymphomonozytäre Pleozytose, Eiweißerhöhung oligoklonale Banden mit Spezifität für Treponema pallidum bei etwa 75% aller Patienten vorhanden.
Therapie Bei der asymptomatische Neurolues beugt die antibiotische Behandlung ZNS-Symptomen vor, bei der symptomatischen Neurolues kann eine Progression verhindert werden. Penicillin G gilt seit 40 Jahren als sicheres Therapeutikum.
meist zu einer sehr guten Rückbildung mit nur geringen Residuen. Die progressive Paralyse führt unbehandelt in 2–5 Jahren zum Tod, behandelt kann die Progression gestoppt werden, eine Remission kann bei etwa 50% bei einem Verlauf von mehr als drei Jahren beobachtet werden. Die Tabes dorsalis geht in einen Defektzustand ohne weitere Verschlechterung über, die mittlere Lebenserwartung wird nicht verkürzt.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Safer-Sex-Praktiken.
Syringobulbie Definition Höhlenbildung im Bereich des unteren Hirnstammes bei der Syringomyelie. 3
1220
empirisch Mittel der Wahl: Penicilin G. 2–3×10 Mega-IE oder 4×5 Mega-IE/die für 14–21 Tage i. v. Bei Penicillin-Allergie: Doxycyclin (Vibravenös®) 2×100 g/die für 30 Tage i. v. oder Ceftriaxon (Rocephin®) 2 g/die für 14 Tage i. v.
Definition
Nachsorge
Röhrenförmige Hohlraumbildung im Rückenmark.
Verlauf der luischen Meningitis auch ohne Therapie gutartig, nur gelegentlich unter Therapie Residuen. Die meningovaskuläre Lues führt unbehandelt über Gefäßverschlüsse zu irreversiblen, neurologischen Defiziten. Bei Behandlung kommt es
3
Prognose
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Weltweit sehr unterschiedliche Inzidenz, in Europa unter 10/1.000.000. Eine ZNS-Beteiligung scheint bei etwa 43% im Primär- und bei etwa 58% im Sekundärstadium vorzuliegen. 4–9% aller Patienten mit unbehandelter Lues entwickeln eine symptomatische Neurolues.
Häufiges Frühsymptom sind diffuse Schmerzen, vor allem im Schulterbereich. Klinisch imponiert typischerweise ein zentromedulläres Syndrom mit dissoziierter Sensibilitätsstörung der oberen Extremität (mit unbemerkten Verletzungen), umschriebenen Paresen und Muskelatrophien sowie segmentaler Störungen der Oberflächensensibilität. Im Verlauf können eine spastische Paraparese sowie Blasen- und Mastdarmstörungen hinzukommen. Bei Ausdehnung der Syrinx in den Hirnstamm (Syringobulbie) können kaudale Hirnnervenstörungen hinzutreten. Die Ätiologie ist vielfältig: 50–80% sind kongenital-idiopathisch (familiäre Häufungen sind beschrieben), häufig assoziiert mit Anomalien des kraniozervikalen Überganges (z. B. Arnold-Chiari-Malformation, basiläre Impression) und Dysraphien. Intramedulläre Tumoren können eine Syrinxbildung begünstigen, ebenso Tumoren der hinteren Schädelgrube, selten auch eine Meningeosis carcinomatosa. 3
Bewertung
Einleitung 3
Die Behandlung sollte unter stationären Bedingungen durchgeführt werden, da es schon nach der ersten Gabe innerhalb der ersten 12–14 Stunden zu einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen kann, die mit Bettruhe, ASS oder Paracetamol p. o. behandelt wird.
Syringomyelie
Syringomyelie, neoplastische
Diagnostik Im Vordergrund steht die MRT (Darstellung der Syrinx sowie evtl. assoziierter Anomalien, Tumornachweis). Nativröntgenaufnahmen von HWS und kraniozervikalem Übergang (assoziierte Fehlbildungen). Ggf. Myelographie (Verbindung von Syrinx und Liquorraum). Elektrophysiologie (EMG, SEP, MEP) zur Erfassung einer evtl. subklinischen Schädigung von Vorderhornbereich und langen Bahnen sowie zur Verlaufskontrolle.
Therapie Eine Operationsindikation ist gegeben bei früher Diagnosestellung und/oder rascher Progredienz der Symptomatik. Bei sehr langsamem Verlauf oder bereits sehr fortgeschrittenen neurologischen Defiziten kommt auch eine konservative Vorgehensweise in Frage. Alle operativen Verfahren zielen auf eine Entlastung des Binnendruckes der Syrinx. empirisch Operative Verfahren: * Bei Obstruktion des Foramen magnum (z. B. bei assoziierter Arnold-Chiari-Malformation) Durchführung einer Dekompression mit subokzipitaler Kraniektomie, Laminektomie der oberen Halswirbel, evtl. partielle Resektion der Kleinhirntonsillen. Bei begleitendem Hydrozephalus zusätzlich Shuntanlage. * Bei nichtkommunizierender Syringomyelie sind syringopleurale, syringoperitoneale und syringosubarachnoidale Shuntverfahren gebräuchlich, eine eindeutige Überlegenheit eines Verfahrens ist nicht belegt. Shuntinsuffizienz oder –obstruktion sind häufige Komplikationen.
*
*
Bei posttraumatischer Syringomyelie mit frakturbedingter Fehlstellung der Wirbelsäulenachse kann manchmal eine operative Aufrichtung oder eine dekompressive Laminektomie die Syrinx zum Kollaps bringen. Ist die Syringomyelie durch einen spinalen Tumor verursacht, sollte dieser reseziert werden. Palliativ kommt auch die Nadelaspiration des Syrinxinhaltes in Betracht.
Konservative Behandlung: * Krankengymnastische Übungsbehandlung, ggf. Hilfsmittelversorgung. * Therapie einer eventuellen Spastik. * Adäquate Schmerztherapie, z. B. mit Trizyklika (Amitriptylin 25–150 mg/die, z. B. Saroten®); Antikonvulsiva (Carbamazepin 400–1600 mg/die, z. B. Tegretal®) oder anderen Analgetika/Antiphlogistika. 3
Nach spinalem Trauma kann in bis zu 20% der Fällen, auch noch nach Jahren eine Syringomyelie entstehen. Entzündliche Veränderungen sind eine weitere Ursache (z. B. tuberkulöse Meningitis, aber auch aseptische Entzündungen nach spinalem Trauma oder Operation). Für das therapeutische Vorgehen ist wesentlich, ob die Syrinx Anschluss an den übrigen Liquorraum hat (kommunizierende Syrinx) oder nicht.
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Prognose Sehr variabler Verlauf. Bei etwa 50% der Patienten chronische Progredienz, die unbehandelt zu schweren Behinderungen führt. Etwa 25% weisen einen fluktuierenden, weitere 25% einen stationären Verlauf auf.
Syringomyelie, neoplastische Synonyme Begleitsyrinx
Definition Intramedulläre Tumore können einer Syrinx benachbart sein, die durch Veränderung der Liquorabflussverhältnisse zustande kommt.
Einleitung Typisch ist eine Syrinx am oberen und am unteren Pol eines intramedullären Ependymoms, außerdem sind intramedulläre Hämangioblastome oft von einer ausgeprägten Syrinx begleitet. Diese Tumoren sind mitunter schwer nachzuweisen, da sie nur stecknadelkopfgroß sein können [1].
Differenzialdiagnose Bei einem bildgebend nachweisbaren Tumoranteil ist der Nachweis einer Syrinx am oberen und unteren Tumorpol hilfreich in der Differenzierung eines Ependymoms von einem Astro-
S
Syringomyelie, neoplastische
Therapie Ependymom; dulläre 3
zytom. Hämangioblastome können dem MRtomographischen Nachweis entgehen, insbesondere wenn nicht sehr dünne Schichten nach Gadolinium-Gabe durchgeführt werden [1]. Hier ist das Fehlen einer kraniozervikalen Übergangsstörung, sonstiger dysraphischer Zeichen und das Fehlen eines adäquaten Traumas in der Anamnese verdächtig auf die zugrunde liegende Neubildung.
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spinale Tumoren, intrame-
Literatur 1. Westphal M, Schlegel U (1998). Raumfordernde spinale Prozesse. In Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 291–305.
T
t-PA (Gewebeplasminogenaktivator) Synonyme Plasminogengewebeaktivator, Tissue-Plasminogenaktivator, rekombinanter Tissue-Plasminogenaktivator, rt-PA, Alteplase
Definition Endogene, körpereigene Substanz, die auch rekombinant hergestellt werden kann und ihre fibrinolytische Wirkung durch Bindung an Fibrinmoleküle entfaltet (fibrinselektiv). Siehe im Weiteren unter Gewebeplasminogenaktivator (t-PA) sowie Plasminogenaktivator
Amblyopie imitieren kann [2]. Wichtig ist eine frühe Diagnose, da eine rechtzeitig begonnene Therapie wesentlich günstigere Heilungschance bedeutet. Bei Patienten, die über eine langsam progrediente bilaterale Visusverschlechterung berichten, wird nicht selten die Diagnose eines psychogenen Visusverlustes gestellt, was fatale Auswirkungen für die Prognose hat.
Therapie Je nach zugrunde liegendem Vitaminmangel ist eine entsprechende Substitution indiziert. Gleichzeitig sollte strikte Tabak- und Alkoholkarenz erteilt werden.
3
3
Tabak-Alkohol-Amblyopie
Prognose Durch entsprechend frühe Diagnose und Ausschaltung der Riskofaktoren und Substitution durch Vitamin B-Komplex kann eine Besserung der Symptomatik erzielt werden. Dies kann mehrere Monate erfordern.
Definition Es handelt sich um eine toxisch-malnutritive Optikusneuropathie, die durch den kombinierten jahrelangen Genuss von Tabak und Alkohol hervorgerufen wird.
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Einleitung
Literatur
Ätiologisch bedeutsam ist zum einen Cyanid (Tabakgenuss) und ein niedriger Vitamin B12Spiegel, der durch die alkoholbedingte Fehlernährung und Malabsorption verursacht ist [1].
1. Rizzo JF et al. Tobacco amblyopia. Am J Ophthalmol 1993; 116:84–87. 2. Cullum ME et al. Leber's hereditary optic neuropathy masquerading as tobacco-alcohol amblyopia. Arch Ophthalmol 1993 Nov; 111 (11):1482–5.
Diagnostik Neben einem Vitamin B12-Mangel können Vitamin B1-, Niacin- und Folsäure-Defizite eine Dysfunktion des N. opticus hervorrufen. Daher sollten in jedem Fall die entsprechenden Spiegel im Serum bestimmt werden. Differenzialdiagnostisch sollte die Leber’s Optikusatrophie bedacht werden, die eine Tabak-Alkohol-
Nur durch striktes Einhalten der Alkohol- und Nikotinkarenz kann eine dauerhafte Restitution erreicht werden.
Tabes dorsalis Synonyme Rückenmarkschwindsucht
Tachyarrhythmia absoluta
3
Einleitung Nach einer Latenz von 8–12 Jahren kommt es in 2–3% der Fälle zur Tabes dorsalis. Als Folge der Degeneration der Hinterwurzeln und Hinterstränge erklären sich die klassischen lanzierenden Schmerzen mit radikulärer Ausstrahlung, Blasenentleerungsstörung (atone Blase), Impotenz und eine ausgeprägte spinale Ataxie. Konsekutiv kann es zur tabischen Arthropathie kommen. Bei 90% zusätzlich Pupillenstörungen. Bei gemeinsamen Auftreten einer progressiven Paralyse spricht man von einer Taboparalyse.
len Typ. Die verschiedenen Formen stellt Abb. 1 dar.
Takayasu-Arteriitis Synonyme Riesenzellarteriitis mit Befall großer Arterien, „ pulseless disease“, Aortenbogensyndrom
Definition Die Takayasu-Arteriitis (TA) ist eine Form der Riesenzellarteriitis, welche sich typischerweise bei jungen Frauen und spätestens bis zum 40. Lebensjahr manifestiert. 3
In der Spätphase der Syphilis auftretende, meist lumbosakral betonte Degeneration der Hinterstränge und Hinterwurzeln.
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Definition
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1224
3
3
Einleitung
Tachyarrhythmia absoluta Definition Vorhofflimmern.
Das klinische Bild ist durch Kopfschmerzen, Benommenheit, die Neigung zu Synkopen und zerebralen Ischämien gekennzeichnet, kann aber auch im fortgeschrittenem Stadium einen blanden Verlauf zeigen. Trotz des herabgesetzten oder fehlenden Blutdrucks an den oberen Extremitäten und nicht tastbarer Radialispulse („ pulseless disease“) finden sich indirekte Hinweise auf eine arterielle Hypertonie (Augenhintergrund, Herzgröße).
3
3
Tachyarrhythmie Synonyme
Diagnostik
Tachyarrhythmia absoluta, tachykardes Vorhofflimmern, absolute Arrhythmie vom schnel-
Unerlässlich ist die MRA oder konventionelle Angiographie!
Tachyarrhythmie. Abb. 1: Vereinfachtes Schema zur elektrokardiographischen Differenzierung von Tachyarrhythmien. Schmaler QRS-Komplex ≤ 12 s; verbreiterter QRS-Komplex ≥ 12 s
Tapia-Syndrom
Die Diagnose wird beim Vorliegen des obligaten Kriteriums und a) 2 Hauptkriterien, b) 1 Hauptkriterium und 2 oder mehr Nebenkriterien, oder c) 4 oder mehr Nebenkriterien gestellt. Diagnostische Kriterien (obligat ist ein Alter < 40 Jahre) 1. Hauptkriterien * Subklaviastenose rechts * Subklaviastenose links 2. Nebenkriterien * Erhöhte BSG * Arterielle Hypertonie * Pulmonalarterienstenose * Stenose der A. carotis communis links * Distale Stenose des Truncus brachiocephalicus * Stenose der deszendierenden thorakalen Aorta * Stenose der abdominellen Aorta Ggf. histologische Untersuchung eines Gefäßbiopsats.
Therapie gesichert Konsequente Behandlung der arteriellen Hypertonie. Oftmals gefäßchirurgische Eingriffe notwendig (an histologische Begutachtung denken!). Bei noch florider Vaskulitits immunsuppressive Therapie mit Kortikosteroiden und Cyclophosphamid oder Methotrexat.
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Einleitung Die Bezeichnung Tangier geht auf die Insel zurück, auf der die Erkrankung erstmals beobachtet wurde. ABCA1 vermittelt den zellulären Transfer von Cholesterin und Phospholipiden auf Apolipoproteine im Blut. Mangel führt zur Akkumulation von zellulärem Cholesterin, z. B. in Gewebsmakrophagen. Aufgrund des gestörten Cholesterin- und Phospholipidtransfers fehlen im Blut die Lipoproteine mit hoher Dichte (HDL) fast völlig. Da die HDL in der Lipoproteinelektrophorese der α-Fraktion entsprechen, besteht eine An-α-Lipoproteinämie. Die klinischen Symptome ergeben sich aus der Cholesterinablagerung mit gelbroter Verfärbung der Tonsillen sowie fortschreitender Atherosklerose. Vermehrte Cholesterinablagerung mit Schaumzellen findet sich in allen Organen. Unter anderem ist auch über die Entwicklung einer Polyneuropathie berichtet worden.
Diagnostik Klinische Untersuchung, Lipoproteinelektrophorese, angiologische und kardiale Diagnostik, genetische Untersuchung.
Therapie Symptomatisch. Restriktion der Cholesterinzufuhr, Cholesterinsynthesehemmer (Statine). Gegebenenfalls operative oder interventionelle Therapie von Gefäßstenosen. Ein wesentlicher Fortschritt wird von der Gentherapie erwartet.
Prognose Die Mortalität wird von der Herzerkrankung bestimmt, wobei Raten bis zu 15% angegeben werden.
Tangier-Erkrankung
Tapia-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion der lateralen Medulla oblongata (Benennung nach Erstbeschreibung).
Einleitung Synonyme An-α-Lipoproteinämie
Definition Mutationen im ABCA1-Gen für den ATP-bindenden Kassetten-Transporter sind Ursache der Tangier-Erkrankung.
Bei ischämischer Genese kommt es durch den Verschluss kleinerer, den kaudalen Hirnstamm penetrierender Gefäße zu einer Läsion im Bereich der lateralen Medulla oblongata mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral sensomotorische Hemiparese.
T
*
Tardive Syndrome
Ipsilateral Gaumensegel- und Schlundparese, Stimmbandlähmung, Hypoglossusparese.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt.
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Nachsorge Hirninfarkt.
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Prognose Hirninfarkt, abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt.
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Tardive Syndrome Definition Unter dem Begriff tardive Dyskinesie kann man heute phänomenologisch mindestens drei eigenständige Syndrome abgrenzen: * Die klassische tardive (orobukkolinguale) Dyskinesie. * Die tardive Dystonie. * Die tardive Akathisie. Darüberhinaus ist das Adjektiv „tardiv“, im Sinne von persistierend nach Neuroleptika und anderen Dopaminrezeptorblockern (DRB) wie Metoclopramid, auch im Zusammenhang mit Myoklonus, Tourette-Syndrom, Tremor, und Parkinson-Syndrom verwendet worden ( Dyskinesien, Spätdyskinesien (tardive)). Ob es ein tardives Parkinson-Syndrom gibt, ist umstritten. Zweifelsohne gibt es lange (2 Jahre), auch nach Absetzen der kausativen Pharmaka, persistierende medikamentöse Parkinsonoide ( Parkinson-Syndrom, pharmakogenes) oder durch DRB „demaskierte“, idiopathische Parkinson-Syndrome ( ParkinsonSyndrom, idiopatisches). 3
3
3
Grundlagen 1. Klassische (orobukkolinguale) tardive Dyskinesie: Die klassische tardive Dyskinesie, vorwie-
gend orobukkolingual lokalisierte, stellt ein typisches nosologisches Syndrom dar, welches durch kauende, grimassierende Bewegungen im Mund-, Kiefer- und Zungenbereich gekennzeichnet ist. Die Bewegungen sind rhythmisch mit einem Zungenwälzen in Ruhe. Unwillkürliche Schmatzbewegungen kommen dabei ebenfalls vor. Oftmals kommt es zu einem unwillkürlichen Herausfahren der Zunge aus dem Mund („fly catcher's tongue“). Ein Kriterium für einen ausgeprägten Schweregrad der Störung kann die Unfähigkeit sein, die Zunge willkürlich für einen Moment ruhig herauszustrecken. Die Atmung kann in Mitleidenschaft gezogen sein (respiratorische Dyskinesie). Dabei kann es zu einer merkwürdigen Lautbildung kommen. Häufig sind zusätzliche FlexionsExtensions-Bewegungen der Finger („Klavierspielen in der Luft“) und das als Beckendyskinesie oder kopulatorische Dyskinesie bekannte Vor- und Zurückwippen des Rumpfes zu beobachten. Für diesen Symptomenkomplex sollte die schon eingebürgerte Bezeichnung „tardive Dyskinesie“, eventuell mit dem Zusatz „klassisch“ beibehalten werden. Die Symptomatik ist bei einer ausgeprägten Form so charakteristisch, dass kaum eine Differenzialdiagnose in Betracht kommt. Typischerweise verschlechtert sich diese Form der tardiven Dyskinesie im Gegensatz zur tardiven Dystonie unter Anticholinergika. 2. Tardive Dystonie: Die tardive Dystonie kann phänomenologisch von einer idiopathischen Dystonie, meistens fokal oder segmental, nicht unterschieden werden, wenn nicht zusätzliche Symptome wie Akathisie oder eine orobukkolinguale Dyskinesie auf die medikamenten induzierte Form hinweisen. Im Gegensatz zur orobukkolingualen Dyskinesie tritt die tardive Dystonie meist im jüngeren Alter auf [2]. 3. Tardive Akathisie: Akathisie heißt „Unfähigkeit zu sitzen“. Subjektiv erlebt der Patient ein quälendes Gefühl der inneren Unruhe, das nach Ansicht mancher Autoren das einzige Symptom darstellen kann. Objektiv äußert sich die Akathisie in einem Umherlaufen, Trippeln, ständigen Gewichtsverlagerungen beim Sitzen, Über- und Entkreuzen der Beine und anderen ungezielten, oft komple3
1226
Tarsaltunnelsyndrom
xen stereotypen Bewegungen. Barnes et al. [1] unterscheiden neben der „akuten“, eine chronische, eine tardive sowie eine Pseudoakathisie (bei Vorliegen von motorischer Unruhe ohne subjektive Symptomatik). Die Begrifflichkeit ist allerdings unstimmig: Eine „akute“ Akathisie kann auch „spät“ nach Jahren einer DRBBehandlung im Rahmen einer Dosiserhöhung auftreten. Außerdem kann die sogenannte „akute“ Akathise wie ein medikamentöses Parkinsonoid „chronisch“ im Verlauf einer Behandlung mit DRB bestehen bleiben und bei Absetzen der DRB wieder sistieren [5]. Erhöhung der DRB-Dosis führt in der Regel zu einer Verschlechterung der akuten Akathisie und Reduktion zu einer Besserung im Gegensatz zur tardiven Akathisie. Lipophile β-Blocker in geringer Dosierung (z. B. Propranolol 3×10 mg/d) führen nach offenen und doppelblinden Studien zu einer signifikanten Besserung der akuten Akathisie [4], nicht hingegen der tardiven Variante [3]. Die tardive Akathisie persistiert auch nach Absetzen der DRB oder tritt erstmals nach Absetzen oder DRB-Dosisreduktion „akut“ auf. Sie spricht, wenn überhaupt, auf Dopamin-Speicherentleerer [3] an.
Literatur 1. Barnes TRE, Brande WM (1985). Akathisia variants and tardive dyskinesia. Arch Gen Psychiatry 428: 874–878. 2. Burke RE, Kang UJ, Jankovic J et al. (1989). Tardive akathisia: an analysis of clinical features and response to open therapeutic trials. Movement disorders 4: 157–175. 3. Burke RE, Kang UJ (1988) Tardive dystonia: clinical aspects and treatment. Adv Neurol 49: 199–210. 4. Fleischhacker WW, Miller CH, Bergmann KJ (1989). Die neuroleptikainduzierte Akathisie. Nervenarzt 60: 719–723. 5. Lang AE (1994). Withdrawal akathisia: case reports and a proposed classification of chronic akathisia. Mov Disord 9: 188–92.
Tarsaltunnelsyndrom Synonyme Hinteres oder mediales Tarsaltunnel-Syndrom
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Definition Kompression des N. tibialis unter dem Retinaculum flexorum im Bereich des Malleolus medialis.
Einleitung Ursächlich liegen der Kompression am häufigsten Traumata der Knöchelgegend (oft lediglich Distorsionen) zugrunde; seltenere Ursachen sind Arthritiden, Synovialzysten, ein Unterschenkelgips, eine venöse Stase der lokalen Venen, ein Myxödem oder Ganglien [2, 3]. Die klinische Symptomatik ist initial geprägt von Missempfindungen und Schmerzen, evtl auch sensiblen Störungen der Fußsohle. Oft besteht ein Druckschmerz am Retinaculum flexorum, nahezu immer ein Hoffmann-Tinel-Zeichen. Im Verlauf kommen dann Paresen und Atrophien der kleinen Fußmuskeln hinzu, außerdem eine Hypo- oder Anhidrose der Fußsohle.
Diagnostik Die elektrophysiologische Diagnostik beinhaltet die Messung der distal-motorischen Latenz des N. plantaris medialis oder lateralis, die Bestimmung der sensiblen NLG über den Tarsaltunnel, die technisch schwierig aber sehr sensitiv ist, und das EMG aus den tibialisinnervierten kleinen Fußmuskeln. Ggf. Bildgebung (CT oder MRT) zum Ausschluss eines Ganglions, einer Zyste etc. Wichtigstes diagnostisches Kriterium ist die Besserung der Schmerzen und Missempfindungen nach Infiltration mit einem Lokalanästhetikum.
Therapie gesichert Operative Entfernung einer etwaigen lokalen Raumforderung.
empirisch Die Therapie eines Tarsaltunnelsyndroms sollte zunächst konservativ mit Immobilisierung des Sprunggelenkes und wiederholten Injektionen eines Lokalanästhetikums erfolgen. Bei Therapieresistenz kann bei eindeutiger, elektrophysiologisch gesicherter Diagnose eine operative Dekompression durchgeführt werden [1, 2, 3, 4]. Sie erfolgt durch einfache Spaltung des fibrösen Daches des Tarsaltunnels. Zur Rezidivprophylaxe wird der Schnitt nach proximal ver-
T
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Tarsaltunnelsyndrom, vorderes
längert und der N. tibialis im unteren Unterschenkeldrittel mobilisiert. Gegebenenfalls reicht die suffiziente Therapie der Grunderkrankung bei bestimmten symptomatischen Tarsaltunnelsyndromen (z. B. Hypothyreose) bereits aus. unwirksam/obsolet Analgetika lokal oder systemisch.
ausgelöst werden. Forcierte, wiederholte Dorsalextensionen mit Überstreckungen des Nerven können ebenfalls ursächlich sein.
Einleitung Die klinische Symptomatik ist charakterisiert durch Schmerzen, eine Hypästhesie im Spatium interosseum I und durch Paresen des M. extensor digitorum brevis und des M. extensor hallucis brevis.
Nachsorge Postoperativ sollte das Bein über etwa 14 Tage in Dorsalextensions- und Eversionsstellung ruhiggestellt werden.
Prognose Die Prognose nach Operation ist zumeist gut. In einer umfangreichen Arbeit von Mumenthaler zeigten von 28 operierten Patienten 24 eine vollständige Heilung oder Besserung [2]. In anderen Studien wurden Erfolgsraten zwischen 42 und 72% angegeben [1, 4]. Die Operation hilft auch bei symptomatischen Tarsaltunnelsyndromen.
Diagnostik Elektrophysiologisch kann sich eine verzögerte distal-motorische Latenz bei Stimulation des Nerven proximal des Retinaculums zeigen, außerdem im EMG Spontanaktivität im M. extensor digitorum brevis oder hallucis brevis [1]. MRT oder Ultraschall können hilfreich sein [3].
Therapie
Traumata im Bereich des Sprunggelenkes sollten vermieden werden. Bei Gipsanlagen sind Druckschäden zu vermeiden.
empirisch Druckeinwirkung durch zu enges Schuhwerk sollte vermieden werden. Gegebenenfalls kann durch Schienen oder Einlagen eine bessere Fußposition erreicht werden. Lokale Steroidinjektionen können Verbesserungen bringen. Bei unzureichendem Erfolg konservativer Maßnahmen Dekompressionsoperation [2].
Literatur
Prognose
Diätetik/Lebensgewohnheiten
1. Bailie DS, Kelikian AS (1998) Tarsal tunnel syndrome: diagnosis, surgical technique, and functional outcome. Foot Ankle Int. 19: 65–72. 2. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York. 3. Oloff LM, Jacobs AM, Jaffe S (1983) Tarsal tunnel syndrome: A manifestation of systemic disease. J. Foot Surg. 22: 302–307. 4. Ward PJ, Porter ML (1998) Tarsal tunnel syndrome: a study of the clinical and neurophysiological results of decompression. J. R. Coll. Surg. Edinb. 43: 35–36.
Tarsaltunnelsyndrom, vorderes
Günstig.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Prädisponierende Faktoren sollten vermieden werden; hier ist insbesondere auf das Tragen passender und nicht zu hoher Schuhe zu achten.
Literatur 1. Akyuz G, Us O, Turan B, Kayhan O, Canbulat N, Yilmar IT (2000) Anterior tarsal tunnel syndrome. Electromyogr. Clin. Neurophysiol. 40: 123–128. 2. Dawson DM, Hallett M, Millender LH (1990) Entrapment neuropathies. Little Brown, Boston. 3. Masciocchi C, Catalucci A, Barile A (1998) Ankle impingement syndromes. Eur. J. Radiol. 27 Suppl.: 70–73.
Definition
Tarui-Erkrankung 3
Schädigung des gemischten Endastes des N. peronaeus profundus im vorderen Tarsaltunnel am Sprunggelenk unter dem Retinaculum extensorum. Die Symptomatik entsteht oft spontan, kann aber auch durch das Tragen hohen und engen Schuhwerkes oder durch Traumata
Phosphofruktokinase-Mangel, Glykogenose Typ VII
Teleangiektasie, hereditäre hämorrhagische (Osler-Rendu-Weber-Syndrom)
Tay-Sachs-Syndrom
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Teleangiektasie, hereditäre hämorrhagische (Osler-RenduWeber-Syndrom)
Gangliosidose
3
Synonyme
TEA (Thrombendarteriektomie) Synonyme
Morbus Osler, Osler-Rendu-Weber-Krankheit, Osler-Krankheit
Definition
Endarteriektomie, Intimektomie, Ausschälplastik
Definition Karotisdesobliteration durch Entfernung eines Thrombus unter Miteinbeziehung der pathologisch veränderten Intima.
Bei dieser neurokutanen Angiomatose kommt es zur Missbildung kleiner Gefäße, insbesondere an Haut- und Schleimhäuten, die vermehrt zu Blutungen neigen.
Einleitung *
Grundlagen Indikation und aktuelle Datenlage: Karotischirurgie. Methodik: * Direkte (offene) TEA: Longitudinalschnitt mit Extirpation der verdickten Intima unter Sicht. * Indirekte TEA: Eversions-Thrombendarteriektomie nach transversalem Gefäßschnitt (problematisch bei distalen Stenosen und Wandveränderungen). * Welche der beiden Techniken angewandt wird, sollte von der Erfahrung des Gefäßchirurgen abhängig gemacht werden. 3
*
*
*
Ätiologie: Autosomal-dominante Erkrankung, die Frauen und Männer gleichermaßen betrifft. Pathologie: Gefäßmissbildung, die durch das Fehlen der glatten Muskelschicht gekennzeichnet ist. Klinik: Insbesondere an Haut- und Schleimhautgefäßen kommt es aufgrund der vermehrten Vulnerabilität zu Blutungen (Haut, Nase, Respirationstrakt, Gastrointestinaltrakt), Zunahme der Blutungen mit zunehmendem Alter. Neurologische Symptome: Durch Blutungen aus intraspinal oder intrazerebral gelegenen missgebildeten Gefäßen.
Diagnostik *
Teleangiektasie Definition
* *
Persistierende Erweiterung kleiner und kleinster oberflächlicher Hautgefäße.
Anamnese, ggf. positive Familienanamnese. Typische Klinik: Haut- und Schleimhautblutungen, charakteristische Nävi im Gesicht. Laboruntersuchungen: Gerinnungsfunktionstests normal, Rumpel-Leede-Test negativ, Blutbild: Eisenmangelanämie aufgrund rezidivierender Blutungen.
Grundlagen Selten angeboren: Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Osler-Rendu-Weber-Krankheit). Meist erworben: Sklerodermie. Rosazea. Nach längerer Kortikosteroidtherapie. Auch an exponierten Körperteilen durch Witterungseinflüsse (Gesicht).
Therapie * *
Keine spezifische Therapie bekannt. Symptomatische, adjuvante Therapie, z. B. Laser-Behandlung der Nävi, Blutstillung.
Prognose Abhängig von Lokalisation und Ausprägung der Blutungen.
T
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Teleangiektasie, kapilläre
Teleangiektasie, kapilläre
Tentorium, Herniation
Synonyme
Synonyme
DVA
Transtentorielle Herniation
Definition Fokale Ansammlung erweiterer kapillärer Gefäße im Hirnparenchym.
Grundlagen *
Gehören zur Untergruppe der Gefäßmalformationen im Gehirn. Lokalisation: Überall im Gehirn vorkommend, am häufigsten in der Brücke. In der überwiegenden Zahl der Fälle asymptomatisch. Diagnostik: Nachweis nur autoptisch möglich, angiographisch nicht sichtbar.
* * *
Temporallappenanfall Epilepsie, Temporallappenepilepsie
3
Temporallappenanfall, medialer Epilepsie, Temporallappenepilepsie
3
Tentorium Synonyme Tentorium cerebelli
Definition Zwischen Okzipitalhirnbasis und dorsaler Kleinhirnfläche horizontal ausgespanntes Durasegel, befestigt an den Oberkanten der Schläfenbeinpyramiden und Sinus transversi. Die medialen Ränder umschließen den Tentoriumschlitz (Incisura tentorii), der den Durchlass für den Hirnstamm bildet.
Definition Die transtentorielle Herniation beruht auf einer horizontalen Dislokation des oberen Anteils des Hirnstamms im Tentoriumschlitz. Neben einer lateralen Verschiebung des Hirnstamms kann auch der Uncus hippocampi im Tentoriumschlitz eingeklemmt werden.
Einleitung Ursache der transtentoriellen Herniation sind nicht kompensierte supratentorielle Hirndruckerhöhungen, z. B. bei raumfordernden Ischämien, Blutungen, Tumoren, Entzündungen, venösen Abflussstörungen, Liquorzirkulationsstörungen. Symptome sind zunächst Vilgilanzstörungen und ophthalmologische Symptome, wie ipsilaterale oder später kontralaterale innere Okulomotoriusparesen. Auch Paresen des N. abducens sind durch Kompression gegen die Felsenbeinkante möglich. Weitere Symptome sind das Auftreten von pathologischen Reflexen und zentralen Paresen sowie vegetativen Regulationsstörungen, insbesondere die Änderung der Herzfrequenz oder des Blutdruckes. Im Endstadium besteht eine komatöse Bewusstseinslage, eine bilaterale Pupillenstörung mit weiten und nicht mehr lichtreagiblen Pupillen, einer Bulbusdivergenz, bilateral pathologischen Reflexe, Blutdruckabfall und einer zentralen Atemregulationsstörung.
Differenzialdiagnose Eine Herniation lässt sich zuverlässig mit einer neuroradiologischen Bildgebung (CCT oder MRT) diagnostizieren. Eine rasch eintretende und ausgeprägte Hirnstammsymptomatik mit deutlicher Vigilanzminderung kann allerdings auch durch eine Hirnstammischämie im Rahmen einer Basilaristhrombose oder durch eine Hirnstammenzephalitis (z. B. Listerienenzephalitis) entstehen. Meist ist allerdings durch die bekannte Anamnese des Patienten, z. B. die eines Tumorleidens oder eines großen ischämischen Infarktes die in der Folge auftretende Symptomatik leicht als Korrelat einer Herniation erkennbar.
Teratom, spinales
Prophylaxe
Therapie
Zur Prophylaxe einer Herniation gehören neben ausreichendem Monitoring, ggf. auf einer Intensivstation, ggf. mittels intrakranieller Drucksonden die frühzeitige medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie des erhöhten intrakraniellen Drucks. Diese Therapie des Hirndruckes umfasst im Bereich der nichtmedikamentösen Maßnahmen die Lagerung des Patienten (Kopf- und Oberkörperhochlagerung um ca. 30°, das Vermeiden von Umlagerungen des Patienten), die ausreichende Blutdrucktherapie mit einem arteriellen Mitteldruck von 80– 110 mmHg (oder besser einem zerebralem Perfusionsdruck von um 70 mmHg) und fiebersenkende Maßnahmen. Als medikamentöse Maßnahme bei deutlich erhöhtem Hirndruck erfolgt eine Sedierung des Patienten im Rahmen einer Analgosedierung ( Sedierung, Analgosedierung) mit Intubation und mechanischer Beatmung. Ansonsten ist eine Sedierung kontraindiziert, da die Beurteilung der Vigilanzlage des Patienten einen wichtigen Verlaufsparameter bei erhöhtem Hirndruck darstellt. Weiterhin erfolgt bei einem zytotoxischen Ödem eine Osmotherapie mit Glyzerin oral oder intravenös als Basis, z. B. 3–4× 50 mg oral oder bis 4×250 ml 10%iges Glyzerin intravenös über je 2 h und bei akuter Verschlechterung der Situation eine Therapie mit Manitol (100 ml 20% über 10 min), bei vasogenem Ödem eine Therapie mit Dexamethason (initial 100 mg i. v., am folgenden Tag Reduktion). Bei mit diesen Maßnahmen nicht beherrschbarem Hirndruck kann dann eine zentralvenöse Therapie mit Tris-Puffer erfolgen (Tris 36,34% bis zu einem Ziel-pH-Wert des Blutes von 7,55) und als weitere Maßnahme die Gabe von Thiopental, initial 250 mg als langsam infudierter Bolus. Eine Hyperventilation am Respirator bringt nur kurzzeitigen Erfolg. Als prophylaktische Maßnahme gegen eine Herniation muss auch die frühzeitige Anlage einer externen Ventrikeldrainage bei Liquorzirkulationsstörungen oder die frühe Schädeltrepanation bei malignen supratentoriellen Infarkten genannt werden. Auch eine milde Hypothermiebehandlung kann zur frühzeitigen Hirndrucktheraphie eingesetzt werden.
gesichert
1231
Bei einer eingetretenen Herniation ist nur eine sofortige neurochirurgische Entlastungsoperation möglich.
Prognose Die meisten Patienten mit akuter, ausgedehnter Hirnstammkompression nach transtentorieller Herniation entwickeln ohne Therapie ein Bulbärhirnsyndrom und versterben. Eine langsam zunehmende Hirndrucksteigerung wird besser toleriert. Falls es dann zur Herniation kommt ist die Prognose meist besser (z. B. liegt die Letalität im Rahmen eines akuten subduralen Hämatoms und Hirnstammkompression mit operativer Entlastung bei 50–95%). Patienten mit Hirnstammkompression nach akuten epiduralen oder intraparechymatösen Blutungen habe eine schlechtere Prognose.
Teratom Synonyme Reifes Teratom
Definition Keimzelltumoren
3
Teratom, spinales Definition Spinale Teratome sind eine absolute Rarität; sie liegen in der Regel intramedullär [1].
Therapie Die Therapie besteht, wenn möglich in der chirurgischen Resektion [1].
Literatur 1. Fehlings MG, Rao SC (2000). Spinal cord and spinal column tumors. In: Bernstein M, Berger MS (Hrsg.) Neuro-Oncology. The Essentials. Thieme, New York 445–464.
T
3
Teratom, zerebrales
Teratom, zerebrales Synonyme Reifes Teratom, zerebrales
Definition Keimzelltumoren
3
Territorialinfarkt
Marklager miteinbeziehen; je nach Kollateralversorgung bzw. Größe des verschlossenen Gefäßes können die Infarkte auch rein subkortikal oder kortikal bleiben. Klinik: Abhängig von dem betroffenen Hirnareal (siehe Abb. 1). Siehe im Weiteren unter Hirninfarkt. 3
1232
Tetanie
Definition
Definition
Ischämischer Infarkt der das Versorgungsgebiet (Territorium) einer Hirnbasisarterie bzw. eines Gefäßasts umfasst.
Syndrom neuromuskulärer Übererregbarkeit durch Mangel an nicht gebundenem Serumkalzium, entweder bei Hypokalzämie (z. B. Vitamin D-Mangel, Hypoparathyreoidismus) oder bei Alkalose (z. B. durch Hyperventilation). Meist nach Prodromi, z. B. Schwindel oder Kribbelparästhesien der Akren, einsetzende symmetrische schmerzhafte tonische Muselverkrampfung mit Karpopedalspasmen (Pfötchenstellung der Hände, Equinovarusstellung der Füße), Verziehung der mimischen Muskulatur („Fischmaul“). Auch die laryngeale (Glottiskrampf) und glatte Muskulatur kann betroffen sein, z. B. in Form von asthmoiden oder stenokardialen Symptomen, Blasen-, Magen- oder Darmkoliken.
Ätiologie: Durch eine kardiale oder arterioarterielle Embolie sowie lokalthrombotisch kann es zum Gefäßverschluss eines zerebralen Versorgungsgefäßes kommen. Lokalisation: Prinzipiell können alle Hirnbasisarterien betroffen sein, am häufigsten kommt es jedoch zu Territorialinfarkten im Mediaversorgungsgebiet, das 80% des gesamten zerebralen Versorgungsgebiets ausmacht. Morphologie: Meist handelt es sich um keilbzw. rautenförmige Infarkte, die Kortex und
3
Grundlagen
Territorialinfarkt. Abb. 1: Zerebrale Infarkte: Klinik und Erscheinungsbild in der Schnittbilddiagnostik
Tetanus
3
Tetanie, Hyperventilationstetanie Definition Durch zumeist psychisch bedingte, z. T. unbewusste Hyperventilation ausgelöster tetanischer Anfall ( Tetanie). 3
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Diagnostik Tetanie.
3
Therapie Akuttherapie: Rückatmung in eine Plastiktüte. Folge ist der Anstieg des CO2-Partialdrucks und der Konzentration des ionisierten Serumkalziums. Bei rezidivierendem Auftreten kausale Psychotherapie.
Tetanus
Tetanus ist eine schwere durch das Neurotoxin von Clostridium tetani augelöste Infektionskrankheit. Die Toxine Tetanospasmin (neurotoxisch) und Tetanolysin (hämolytisch) sind die zweitstärksten bakteriellen Gifte. Der Erreger ist ein ubiquitär verbreitetes anaerobes, sporenbildendes Stäbchen, die Aufnahme kann durch einfache Verletzungen, Tierbisse und Verbrennungen erfolgen. Jede verschmutzte oder infizierte Wunde kann zum Tetanus führen!. Die Inkubationzeit betragt 4–14 Tage, selten mehrere Monate. Anaerobe Wundverhältnisse, Fremdkörper und Mischinfektionen begünstigen die Toxinproduktion. Die Toxine wandern entlang der motorischen, sensiblen und vegetativen Nervenfasern zu den Vorderhörnern des Rückenmarkes. Die Wirkung des neurotoxischen Toxins beruht auf Blockade der Freisetzung inhibitorischer Neurotransmitter (v. a. GABA) im Rückenmark und Hirnstamm. Klinisch kommt es infolge einer paroxysmalen Tonuserhöhung der quergestreiften Muskulatur, die durch einfache sensorische Reize provoziert werden kann, zum Trismus, Risus sardonicus und Opisthotonus. Zusatzlich finden sich: Meningismus, Unruhe, Tachykardie, Schwitzen, Schluckstörungen, Erbrechen. Die progredienten Muskelspasmen führen zu einer zunehmenden Atemlähmung. Das Bewusstsein ist ungestört, sensible Ausfälle bestehen nicht. Nur in 1% der Fälle bleibt der Tetanus lokal auf die betroffene Extremität beschränkt. 3
Bei hypokalzämischer Form 200–300 mg Kalziumglukonat i. v. Bei respiratorischer Alkalose, Tetanie, Hyperventilationstetanie.
Einleitung
3
Therapie
nuserhöhung der gesamten quergestreiften Muskulatur führt.
3
Nachweis einer latenten Tetanie: * Chvostek-Zeichen: Zuckung der Gesichtsmuskulatur bei Beklopfen des Nervus facialis vor dem Kiefergelenk. * Trousseau-Zeichen: Pfötchenstellung der Hand durch suprasystolische Kompression des Oberarms über 3 Minuten. * Gesteigerte Muskeleigenreflexe. * EKG: Verlängerte QT-Zeit. * Elektrolyt-/Blutgasbestimmung: Hypokalzämie, Alkalose. * Ätiologische Diagnostik einer Hypokalzämie.
3
Diagnostik
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Diagnostik Klinik. Anamnese. Der Toxinnachweis kann im Tierversuch durchgeführt werden. Im EMG verkürzte oder fehlende „silent period“ nach Muskelkontraktion (charakteristisch, aber nicht pathognomonisch).
Synonyme Wundstarrkrampf
Definition Akute schwere, durch das Toxin von Clostridium tetani ausgelöste Infektionskrankheit, die zu einer charakteristischen paroxysmalen To-
Therapie Prophylaktisch sollte eine Grundimmunisierung schon im Säuglingsalter erfolgen. Bei akuter Infektion umfasst die Behandlung auf einer Intensivstation mit Abschirmung gegenüber äußeren Reizen, ggf. Sedation, Beat-
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Tetanus, Polyneuropathie
mung und Wundexzision, frühe Gabe von Tetanusantitoxin und antibiotische Abdeckung. empirisch 1. Impfprophylaxe: * Tetanus-Toxoid (Tetanol®): Zwei Injektionen mit 0,5 ml i. m. im Abstand von 4–8 Wochen und einer weiteren Injektion nach 6–12 Monaten. 2. Im Verletzungsfall: * Bei nicht ausreichendem oder unbekanntem Impfschutz: Simultanimpfung (aktiv und passiv) an kontralateralen Körperstellen. Tetanus-Toxoid (Tetanol®) 0,5 ml i. m. plus Tetanus-Immunglobulin (Tetagam®) 250 I.E. (1 ml) i. m. * Zusätzlich zweite und dritte Gabe von Tetanol® wie bei passiver Gabe. 3. Im Erkrankungsfall: * Tetanus-Immunglobulin (Tetagam®) 3000–10.000 I.E. (12–40 ml) i. m. einmalig am ersten Tag und in den nächsten Tagen Gabe von je 3000 I.E (12 ml) i. m. * Bei Wundexzision lokale Infiltration sinnvoll. Wirkung der intrathekale Gabe nicht erwiesen. * Zusätzlich aktive Tetanusimpfung (siehe oben). * Antibiotische Therapie mit Penicillin G 5 Mio. I.E. i. v. 4×/die für 10 Tage, alternativ Doxycyclin (Vibravenös®) 2× 100 mg/die i. v. * Muskelkrämpfe/Sedation. * Abschirmung des Patienten. * Diazepam (Valium®) je nach Schweregrad 2–8×/die 2–10 mg i. v., alternativ Chlorpromazin (Atosil®). * In verzweifelten Fällen intrathekale Baclofenpumpe mit einer Dosierung nach Probeinjektion angepasst.
Bewertung Der lokale Tetanus scheint in Populationen mit hoher Impfrate häufiger zu sein als die generalisierte Form.
Prognose Die Prognose des seltenen lokalen Tetanus ist gut, für den generalisierten Tetanus gilt trotz Intensivmedizinischer Behandlung eine Letalität von 40–60%. Eine besonders ungünstige Prognose besteht bei sehr kurzer Inkubationszeit und hohem Fieber.
Tetanus, Polyneuropathie Definition Eine Infektion mit dem Bakterium Clostridium tetani, häufig über Bagatellverletzungen, führt zu typischen neurologischen Symptomen. Das Tetanustoxin wird retrograd in den Axonen zentripetal transportiert und interferiert mit der Sekretion inhibitorisch wirkender Transmitter (GABA, Glycin) in spinalen Interneuronen. Durch diese „Enthemmung“ kommt es zu einer unkontrollierten Aktivität der α-Motoneurone.
Einleitung Nach einem grippalen Prodromalstadium (Inkubationszeit 1–30 Tage) umfasst die typische klinische Symptomatik eine extrem schmerzhafte Tonuserhöhung der Muskulatur und Krämpfe, die durch externe Reize auslösbar sind, den Risus sardonicus, Trismus (Kiefersperre), Opisthotonus, Sprech- und Schluckunfähigkeit, Ateminsuffizienz (Cave: Hypoxie), autonome Störungen (Herzfrequenzschwankungen, Störungen der Temperaturregulation). Das Bewusstsein ist voll erhalten. Ein lokaler Tetanus ausschließlich im Bereich der Wunde ist selten.
Differenzialdiagnose Diagnostisch ist die typische Klinik entscheidend. Der Toxinnachweis im Tierversuch kann ohne Ergebnis sein. Im EMG findet sich eine kontinuierliche Muskelaktivität mit verkürzter „silent period“.
Therapie Grundprinzipien der Therapie sind zum einen die kausale Behandlung mit der Gabe von Antitoxin (Tetagam) zur Neutralisierung des zirkulierenden Toxins und die chirurgische Wundsanierung zum anderen symptomatische Maßnahmen zur Sedierung, Muskelrelaxierung und Behandlung der autonomen Funktionsstörungen. gesichert Das spezifische Tetanus-Immunglobulin (Tetagam) sollte in einer Dosis 3000–6000 IE i. m. (Cave: nicht i. v.) so früh wie möglich gegeben werden [1]. Die hohe Dosis wird am besten auf mehrere Injektionsorte verteilt. Der Wert wiederholter Antitoxin-Gaben an den Folgetagen ist umstritten. Die Behandlung muss unter Intensivbedingun-
Tetrabenazin
empirisch Eine zusätzliche antibiotische Therapie wird empfohlen, obwohl ihr Wert nicht eindeutig gesichert ist: Metronidazol (Clont) 4×500 mg/Tag für 7–10 Tage oder Penicillin G 1 Mio. IE alle 6 h i. v. oder Doxyzyklin 2×100 mg/Tag p. o./ i. v. für 10–14 Tage. Zur Muskelrelaxierung wurden erste positive Ergebnisse von Dantrolen oder von einer intrathekalen Baclofen-Gabe berichtet [2]. Gleiches gilt für die Therapie mit Fentanyl zur Behandlung der autonomen Hyperaktivität [3]. unwirksam/obsolet Wegen eines erhöhten Risikos eines Herzstillstandes werden α- und β-Blocker nicht mehr empfohlen.
Literatur 1. Ernst ME, Klepser ME, Fouts M, Marangos MN (1997) Tetanus: pathophysiology and management. Ann Pharmacother 31: 1507–1513. 2. Francois B, Clavel M, Desachy A, Vignon P, Salle JY, Gastinne H (1997) Continuous intrathecal injection of baclofen in generalized tetanus. A therapeutic alternative. Presse Med 28: 1045– 1047. 3. Moughabghab AV, Prevost G, Socolovsky C (1996) Fentanyl therapy controls autonomic hyperactivity in tetanus. Br J Clin Pract 50: 477–478.
„Tethered cord“-Syndrom Definition Adhäsion von Myelon oder Nervenwurzeln am Spinalkanal mit Traktionsläsionen.
Einleitung Typische Symptome sind im Kindesalter auftretende, oft einseitige Störungen der Beinmotorik mit Sensibilitätsausfällen oder Kontinenzproblemen, meist erst nach einer längeren Wachstumsphase. Häufiger assoziiert sind Dysraphien oder spinale Lipome. 3
gen, aber in einer reizarmen Umgebung zur Reduktion der externen Triggerung von Spasmen erfolgen (Verdunkelung, Ruhe). Die Beobachtung der Atmung hat erste Priorität; eine frühe Tracheotomie und Beatmung wird empfohlen. Analgosedierung und Relaxierung (z. B. mit Benzodiazepinen oder Pancuronium) sollten nach Bedarf durchgeführt werden [1]. Zur Therapie der autonomen Funktionsstörung kann Magnesium (Initialdosis von 70 mg/kg i. v., danach kontinuierliche Infusion mit 1–3 g/h zur Erhaltung eines Plasmaspiegels von 2,5– 4 mmol/l) oder Morphin (2–10 mg/h) gegeben werden.
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Diagnostik MRT.
Nachsorge
Therapie
Auch nach einer durchgemachten Tetanuserkrankung ist eine aktive Impfung wichtig.
Operativ (Durchtrennung eines verdickten Filum terminale, Entfernung eines Lipoms).
Prophylaxe
Prognose
Bei Verletzungen, gerade auch Bagatellverletzungen, muss der Impfschutz abgeklärt werden (aktive Immunisierung mit 3 Injektionen über ca. 1 Jahr verteilt und Auffrischungen spätestens alle 10 Jahre sind notwendig). Ist der Impfschutz unzureichend, so muss eine aktive und passive Immunisierung erfolgen.
Die Rückbildungstendenz bereits manifester Ausfälle ist gering, es sollte eine Frühdiagnose und –behandlung angestrebt werden.
Prognose Ein unbehandelter Tetanus verläuft in etwa 50% der Fälle letal, vor allem durch zerebrale Hypoxie und Herz-Kreislauf-Dysregulation. Auch unter Therapie wird die Letalität noch zwischen 10 und 50% angegeben.
Tetrabenazin Wirkungen Chinolinon zur Behandlung von extrapyramidalen Bewegungsstörungen (Chorea, Huntington-Krankheit), Psychosen und Psychoneurosen.
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Tetracyclin
Tetracyclin Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Supramycin® Trockensubstanz; Tefilin® Kps.; Tetralution® 500 Kps.
Wirkungen Tetracyclin hemmt die Proteinsynthese der Bakterienzelle. Es wirkt bakteriostatisch auf intra- und extrazellulär gelegene Keime. Das Wirkungsspektrum ist relativ breit: Strepto-, Gono-, Pneumo-, Meningokokken, Actinomyceten, Listerien, Brucellen, Yersinium, Haemophilus, Campylobacter, Vibrio cholerae, Leptospirae, Treponema pallidum, Mykoplasmen, Chlamydien, Rickettsien. Nicht getroffen werden: Pseudomonas aeruginosa, Proteus-Arten, Serratia marcescens. Der Anteil resistenter Stämme ist − in Abhängigkeit von der lokalen Situation − recht unterschiedlich, so dass nur gezielt nach Antibiogramm therapiert werden sollte. Es besteht Kreuzresistenz zwischen allen Tetracyclinen.
Wirkungsverlauf Elimiminationsweg renal, Eliminationshalbwertzeit 6–12 h. Bei eingeschränkter Nierenfunktion erfolgt die Ausscheidung erheblich verlangsamt (Halbwertzeit 57–108 h).
Anwendungsgebiete Tetracyclin ist kein Mittel der 1. Wahl, kann aber – bei positivem Antibiogramm – bei einer Vielzahl unterschiedlichster Infekte eingesetzt werden, z. B. Brucellose, Granuloma inguinale, Cholera, Rückfallfieber, interstitielle Pneumonie, Urethritis, Tularämie, Pest, Actinomykose, Trachom, Listeriose, Akne.
Dosierung und Art der Anwendung Erwachsene 250–500 mg alle 6 h oder 500– 1000 mg alle 12 h, Kinder: 6,25–12,5 mg/kg alle 6 h oder 12,5–25 mg/kg alle 12 h. Bei Nierenfunktionseinschränkungen Dosis reduzieren. Doxycyclin und Minocyclin werden im allgemeinen bevorzugt.
Unerwünschte Wirkungen Allergische Reaktionen 2–4%, vorwiegend bei topischer Applikation. Gastrointestinale Reizerscheinungen. Leberschäden (nur bei erheblicher Überdosierung). Photodermatosen auf belichte-
ten Hautstellen. Einlagerung von Tetracyclin in die Zähne (Gelbfärbung, erhöhte Kariesanfälligkeit) und Knochen (reversible Verzögerung des Knochenwachstums).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Allergie, Gravidität, Kinder bis zu 8 Jahren, Patienten mit schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen.
Wechselwirkungen Die Resorption von Tetracyclinen wird erheblich vermindert durch Nahrung, Antacida, Milchprodukte, orale Eisenpräparate, Colestyramin. Methoxyfluran verstärkt die Nephrotoxizität. Tetracyclin verstärkt die Wirkung oraler Antikoagulantien, oraler Antidiabetika und kann die Toxizität von Methotrexat und Digoxin erhöhen.
Tetraparese Definition Inkomplette Lähmung aller Extremitäten.
Tetrazepam Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Katadolon® Tbl.; Musaril® 25/50 mg Filmtbl.; Rilex® Tbl.
Wirkungen Tetrazepam ist eine psychotrope Substanz aus der Klasse der Benzodiazepine, die über zentrale Mechanismen gehenden muskelrelaxierenden Eigenschaften sind stärker ausgeprägt als bei anderen Benzodiazepinen wie dem Diazepam. Die biochemischen Grundlagen dieses etwas abweichenden Wirkungsspektrums sind nicht sicher bekannt.
Verteilung Nach p. o. Applikation wird Tetrazepam relativ schnell resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden nach ca. 1 h erreicht. Daten zur Bioverfügbarkeit liegen nicht vor. Die Plasmaproteinbindung des Tetrazepams liegt im therapeutischen Bereich bei 70%.
Thiamin
Elimination Tetrazepam wird zu den aktiven Metaboliten Nortetrazepam und Hydroxynortetrazepam verstoffwechselt, welche anschließend als Glucuronide mit dem Harn ausgeschieden werden. Bei mehrmaliger Gabe kumulieren vor allen Dingen die Metaboliten und tragen wahrscheinlich zum therapeutischen Effekt bei. Die Plasmahalbwertzeit von Tetrazepam liegt zwischen 15 und 20 h, die von Nortetrazepam um 36 h.
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hohen Risiko (20% pseudobulbäre Symptomatik oder neuropsychologische Defizite) belastet. Bei Patienten, die einer zweiten kontralateralen Thalamotomie unterzogen werden sollten, wurde wegen dieses hohen Risikos, Ende der 80er-Jahre mit Erfolg die THS eingesetzt. Die Gruppe in Grenoble um Benabid verließ darauf die läsionelle Thalamotomie und führte die THS, zunächst nur des VIM als alleinige neurochirurgische Option bei Tremor ein.
Anwendungsgebiete Tetrazepam wird zur Behandlung von Verspannungen und Spastik als zentral-wirksames Muskelrelaxans eingesetzt.
Thalamus Synonyme
Unerwünschte Wirkungen
Sehhügel
Die unerwünschte Wirkungen von Tetrazepam entsprechen denen anderer Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine ( Diazepam). Die bei einer Überdosis notwendigen Maßnahmen entsprechen denen anderer Benzodiazepine.
Definition Teil des Dienezephalons, zusammen mit den Basalganglien sukortikaler Kernkomplex der sognannten Stammganglien.
3
Grundlagen
Amnesie
3
Thalamotomie Definition Läsionelle, d. h. destruktive Ausschaltung eines tiefen Hirnkerns im Thalamus (meist Ncl. ventralis intermedius = VIM) bzw. seiner Verbindungen durch thermische, kryo- oder chemische Koagulation.
Grundlagen Die läsionelle stereotaktische Thalamotomie kontralateral zum Tremor muss seit Einführung des gewebeerhaltenden Verfahrens der Tiefenhirnstimulation (THS) neu definiert werden. Die Mortalität liegt bei <1%. Langanhaltende neurologische Defizite wie Sprachstörungen, Hemiparesen, Apraxie, Ataxie, Aphasie sind bei <3% zu erwarten. Diskretere Hemiparesen, Hemidystonien, Sensibiltitäts- und Koordinationsstörungen sind häufig. Bilaterale thermokoagulatorische Eingriffe sind mit einem
Der Thalamus „Tor zum Bewusstsein“ stellt die subkortikale Endigungsstätte und Relaystation von sensiblen und sensorischen Bahnen (außer den olfaktorischen) dar. Der Thalamus ist eine wichtige Schaltstruktur in parallel arbeitenden Basalganglien-thalamofrontalen Regelkreise. Informationen großer Teile der Hirnrinde sowie subkortikaler Areale werden in den Basalganglien integriert, selektiert und reorganisiert und diese Information über den Thalamus frontalen Kortexstrukturen zugeleitet.
Thalamus, Demenz 3
TGA (transitorische globale Amnesie)
Demenz, Thalamus-Demenz
Thiamin Wirkungen Thiamin ist ein wasserlösliches Vitamin (Vit. B1) und wird im Organismus zu biologisch wirksamem Thiaminpyrophosphat (TPP) und Thiamintriphosphat (TTP) phosphoryliert. TPP fungiert als Coenzym der Decarboxylasen und
T
Thiaminmangel (Vitamin B1-Mangel)
Anwendungsgebiete Therapie oder Prävention von klinischen Vitamin B1-Mangelzuständen, sofern diese Vitamin B1-Mangelzustände ernährungsmäßig nicht behoben werden können. Derartige Mangelzustände treten hauptsächlich als Folge schwerer Mangel- und Fehlernährung, bei chronischem Alkoholismus (Wernicke-Enzephalopathie!) und als Folge längerfristiger parenteraler Ernährung sowie bei Haemodialyse und Malabsorption auf. Ein gesteigerter Bedarf während Schwangerschaft und Laktation kann ursächlich mitverantwortlich sein.
Dosierung und Art der Anwendung Zur Prophylaxe von klinischen Mangelzustän-
Nach parenteraler Gabe von Vitamin B1 können in Abhängigkeit von der Galenik in Einzelfällen Exantheme, Atemnot und Schockzustände auftreten. Schweißausbrüche, Tachykardie, Juckreiz und Urticaria werden beschrieben.
Wechselwirkungen Thiamin wird durch sulfithaltige Infusionslösung abgebaut.
Thiaminmangel (Vitamin B1Mangel) Einleitung Thiaminmangel ist häufig eine Folge einer Mangelernährung bei chronischem Alkoholabusus, Fehlernährung, exzessivem Fasten, inadäquater parenteraler Kohlenhydratzufuhr, Hyperemesis gravidarum, Urämie, Hämodialyse, Tbc, entzündlichen oder neoplastischen Darmerkrankungen (Lymphomen). Klinisch kann sich ein Thiaminmangel als Beriberi-Erkrankung (kardiale Symptome, Polyneuropathie mit lanzierenden Schmerzen, Parästhesien, exzessives Schwitzen und Lähmungen) oder als Wernicke-Enzephalopathie manifestieren. Auch das Strachan-Syndrom wird mit einem Vitamin B1-Mangel in Verbindung gebracht. Letzteres manifestiert sich mit Amblyopie, schmerzhafter Neuropathie und orogenitaler Dermatitis.
Diagnostik Elektophysiologische Untersuchungen und Vitaminspiegelbestimmung im Serum.
Therapie gesichert Wernicke-Enzephalopathie. Zur Therapie der Beriberi-Erkrankung gibt man 100 mg/d Thiamin p. o. oder i. m. 3
Für peroral aufgenommenes Vitamin B1 wird ein dosisabhängiger dualer Transportmechanismus angenommen, und zwar eine aktive, carriervermittelte Resorption im niedrigen Konzentrationsbereich bis zu 2 μmol und eine passive Diffusion bei Konzentrationen über 2 μmol. Nach Untersuchungen mit radioaktivem Thiamin ist die Resorption im Duodenum am größten, geringer im oberen und mittleren Dünndarm. Im Magen und in den distalen Dünndarmabschnitten erfolgt fast keine Resorption. Das durch die Dickdarmflora gebildete Thiamin wird nicht resorbiert, da es intrazellulär vorliegt. Die Resorption von Thiamin erfolgt nach Phosphorylierung in den Epithelzellen. Peroral verabreichtes Thiamin wird nur begrenzt resorbiert. Fettlösliche Thiaminderivate wie Benfotiamin, Fursultiamin etc. werden weit besser resorbiert. Thiamin wird mit einer Halbwertzeit von 1,0 h ausgeschieden. Die wesentlichen Ausscheidungsprodukte sind Thiamincarbonsäure, Pyramin, Thiamin und weitere bisher nicht identifizierte Metabolite. Je höher die Thiamin-Zufuhr, desto mehr unverändertes Thiamin wird innerhalb von 4–6 h renal eliminiert.
Unerwünschte Wirkungen
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Wirkungsverlauf
den sind tägliche Gaben bis zu 5 mg sinnvoll. Zur Therapie wird eine Initialdosis bis 300 mg täglich gegeben. Anschließend 50–200 mg täglich in mehreren Einzeldosen. Zur parenteralen Therapie kommen Injektionslösungen mit 50– 100 mg zur Anwendung.
3
Aldehydtransferasen. Als Cocarboxylase erfüllt TPP Funktionen im Kohlenhydratstoffwechsel. TPP ist Coenzym der Pyruvat-Decarboxylasen, der 2-Oxoglutarat-Dehydrogenase sowie der Transketolase. Im Pentose-Phosphat-Zyklus ist TPP an der Übertragung von Aldehydgruppen beteiligt. Ferner bestehen Wechselwirkungen mit den übrigen Vitaminen des B-Komplexes.
3
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„Thoracic outlet“-Syndrom
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Überbegriff für endogene Kompressionssyndrome des Armplexus. Zum „thoracic outlet“-Syndrom gehören das Halsrippensyndrom, das Skalenussyndrom, das kostoklavikuläre Syndrom und das Hyperabduktionssyndrom. Das TOS ist selten und wird sicherlich häufig überdiagnostiziert.
eines „thoracic outlet“-Syndroms unterschiedlich. Am häufigsten ist das TOS durch eine Halsrippe verursacht. Auch fibröse Bänder vom Querfortsatz zur 1. Rippe können den Truncus inferior von unten nach oben drängen oder abknicken. Beim Skalenussyndrom wird der untere Armplexus durch anatomische Varianten (breiter Muskelansatz des M. scalenus, Halsrippe mit oder ohne fibröses Band zur 1. Rippe, isoliertes Band vom Querfortsatz des HWK 7 zur 1. Rippe) zwischen M. scalenus anterior, medius und 1. Rippe komprimiert. Das Hyperabduktionssyndrom führt bei Retroversion des maximal angehobenen Armes zur Kompression von Plexusanteilen zusammen mit den Gefäßen unter dem Processus coracoideus und dem M. pectoralis minor. Beim kostoklavikulären Syndrom wird der Armplexus zusammen mit A. und V. subclavia zwischen Klavikula und 1. Rippe komprimiert.
Einleitung
Diagnostik
Klinisch finden sich zuerst oft über einen langen Zeitraum belastungs- und lageabhängige Armschmerzen, gefolgt von Parästhesien im Bereich des Truncus inferior des unteren Armplexus, also vorwiegend der Fasern des N. ulnaris, geringer auch des N. medianus. Schließlich können Sensibilitätsstörungen, Paresen und Muskelatrophien persistieren. Die Ätiologie ist bei den verschiedenen Formen
Diagnostisch entscheidend sind Elektrophysiologie (pathologische F-Welle des N. ulnaris, pathologisches Ulnaris-SEP, pathologisches EMG in der entsprechenden Zielmuskulatur), Bildgebung (konventionelles Röntgen mit Nachweis von Halsrippe oder knöchernen Deformitäten von Klavikula oder 1. Rippe; Kernspintomographie der oberen Thoraxapertur mit Nachweis von Weichteilveränderungen) und Kompressionstests der A. subclavia mit Pulsverlust der A. radialis. Letztere können aber auch bei Gesunden positiv sein.
Thomsen-Erkrankung (Myotonia congenita) Myotonie/myotone Syndrome, congenita (Thomsen)
Myotonia
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Synonyme TOS
Definition
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„Thoracic outlet“-Syndrom
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Therapie
„Thoracic outlet“-Syndrom. Abb. 1: Truncusinferior-Läsion bei „thoracic outlet“-Syndrom: Kompression durch Halsrippe von kaudal
Die Therapie des TOS wird in aller Regel zunächst konservativ sein. Dabei sollten Hyperabduktion und Tragen schwerer Lasten mit dem betroffenen Arm vermieden werden. Zusätzlich sollten gezielte physiotherapeutische Übungsbehandlungen zur Verbesserung der Haltung durchgeführt werden. Bei fehlendem Therapieerfolg einer konservativen Therapie, progredienter Symptomatik und gegebenenfalls Nachweis einer komprimierenden Struktur in der bildgebenden Diagnostik ist eine Operation indiziert. Die Indikationsstellung zum Eingriff muss differenziert, angepasst an die anatomischen Gegebenheiten, erfolgen. In der Regel wird eine Resektion einer Hals-
T
1240
Thrombin
rippe oder der 1. Rippe durchgeführt, alternativ bei entsprechenden Befunden eine Skalenotomie oder die Durchtrennung eines fibrösen Bandes. Der supraklavikuläre Zugang ist dabei dem transaxillären vorzuziehen, da hierbei Plexusschädigungen und Rezidive seltener sind.
Thrombinzeit (TZ) Synonyme Plasmathrombin-Gerinnungszeit, Plasmathrombinzeit
Definition Die Prognose einer operativen Therapie hängt entscheidend von der richtigen Indikationsstellung ab.
Test zur Untersuchung des 2. Abschnitts der Gerinnungskaskade (s. auch Schema der Blutgerinnung, PTT). 3
Prognose
Grundlagen *
Thrombin Synonyme Gerinnungsfaktor IIa, aktivierter Gerinnungsfaktor II
Definition Thrombin (Gerinnungsfaktor IIa) ist Bestandteil des körpereigenen Gerinnungssystems und bewirkt zum einen durch Abspaltung der Fibrinopeptide A und B die Ausbildung von Fibrinmonomeren aus Fibrinogen. Zum anderen unterstützt es durch Aktivierung des Faktors XIII (zu Faktor XIIIa) die Vernetzung der instabilen Fibrinmonomere zu einem stabilen Fibrinpolymer. (Siehe auch Abb. 1).
*
* *
Prinzip: Zum untersuchenden Zitratplasma wird Thrombin zugegeben und die Zeit bis zur Ausbildung des Fibrinpolymers bestimmt. Die Thrombinzeit hängt von der Konzentration des Fibrinogens und des Antithrombin III im zu untersuchenden Serum ab. Normalwert: 17–24 Sek. Ursachen einer verlängerten Thrombinzeit: – Heparintherapie. – Dysfibrinogenämien. – Fibrinogenmangel (Hypo- bis Afibrinogenämie, angeboren oder erworben). – Fibrinolyse, z. B. im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie.
Thrombolyse Definition Rekanalisation eines thrombotisch verschlosse-
Thrombin. Abb. 1: Körpereigenes Gerinnungssystem (Endstrecke)
Thrombolyse
nen Gefäßes durch Infusion eines Thrombolytikums.
Grundlagen Indikation allgemein: * Kardiologisch: Verschluss einer Koronararterie. * Neurologisch: Akute Hirnischämie. Ziel: Auflösung eines das Gefäß verschließenden Thrombus, um dadurch die Perfusion des betroffenen Gewebeareals (Myokard/Hirngewebe) wieder herzustellen. Im Weiteren soll nur auf die Thrombolyse im neurologischen Fachgebiet eingegangen werden. Indikation speziell: * Akuter hemisphärischer Hirninfarkt nicht älter als 3 Stunden (Ereigniszeitpunkt muss bekannt sein!). * Keine Rückbildungstendenz der Symptomatik. * Neurologisches Defizit nicht zu gering bzw. zu groß (relative Indikation), NIHSS 5–25. * Ausschluss einer intrakraniellen Blutung als Ursache der neurologischen Symptomatik (CCT vor jeder Lyse zwingend notwendig!). Ausschlusskriterien/Kontraindikationen: 1. Absolut: * Keine Möglichkeit zur intensiven Überwachung auf einer Stroke Unit oder Intensivstation. * Koma. * Unkontrollierte arterielle Hypertonie (RR sollte nícht größer 180/120 mmHg sein). * Hirninfarkt in den letzten 4 Wochen. * Operation oder Trauma in den letzten 2 Wochen. * Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung oder Operation am ZNS innerhalb der letzten 3 Monate. * Intrazerebraler Tumor, AV-Malformation, Aneurysma. * Bekannte Kolitis oder florides Ulkus. * Ösophagusvarizen. * Aortenaneurysma. * Schwangerschaft. * Schwere diabetische Retinopathie. * Schwere gastrointestinale oder urogenitale Blutung in den letzten 3 Wochen. * Initialer Krampfanfall. * Endokarditiszeichen.
1241
*
Thrombozyten kleiner 150.000/micl INR>1.7 2. Relativ: * Alter größer 75 Jahre. * Vorherige Einnahme von Acetylsalicylsäure. * Zeichen der subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie. * Liquorpunktion oder Punktion eines größeren venösen oder arteriellen Gefäßes in den letzten 7 Tagen. * Hb <11 g/dl. 3. CCT-Ausschlusskriterien: * Intrakranielle Blutung. * Bereits hypodens demarkiertes Infarktareal größer 1/3 des Mediaversorgungsgebiets oder frische Hypodensität infratentoriell (dann erhöhtes Einblutungsrisiko). * Verstrichene Mark-Rindenzeichnung größer 1/3 des Mediaversorgungsgebiets. 4. Kein CCT-Ausschlusskriterium: * Beginnende Hypodensität kleiner 1/3 des Mediaversorgungsgebiets. * Älterer Infarkt. * Hyperdenses Mediazeichen. Verwendete Substanzen: Bisher sind beim akuten ischämischen Schlaganfall 4 verschiedene thrombolytisch wirksame Substanzen untersucht worden: * Streptokinase: Die großen Multicenter-Studien mussten wegen erhöhter Blutungskomplikationen vorzeitig abgebrochen werden. * Urokinase: Meist bei intraarterieller Applikation. * Prourokinase, keine Zulassung in Deutschland. * Rekombinanter Gewebsplasminogenaktivator (rt-PA, Alteplase®): Nach den positiven Ergebnissen der NINDS-Studie sowie ECASS-I und ECASS-II wurde rt-PA 1996 in den USA und 2000 in Deutschland als einziges Thrombolytikum bislang zugelassen (Voraussetzung 24-Stunden CCT-Verfügbarkeit, Erfahrung im Umgang mit rtPA). Anwendung: a) Intravenöse Gabe: * Vorteil: Breite und unkompliziertere Anwendung. * Nachteil: Geringere Rekanalisierungsrate durch geringere Konzentration im Be-
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Thrombomodulin
reich des verschlossenen Gefäßasts; festgelegtes Zeitfenster von 3 Stunden. b) Intraarterielle Gabe: * Vorteil: Höhere Wirkstoffkonzentration im Bereich des verschlossenen Gefäßes; fraglich längeres Zeitfenster in dem eine Lyse möglich ist (v. a. bei Lyse in der A. basilaris). * Nachteil: Zeitaufwendiges und invasives neuroradiologisches Vorgehen erforderlich. * Dosierung: – 0,9 mg/kgKG (analog der NINDS und ECASSII-Studien), maximal 90 mg rtPA. – Davon 10% als Bolus, den Rest als kontinuierliche Infusion über Perfusor über 60 min. Problematik: * Interpretation der initialen bildgebenden Untersuchung. * Zeitfenster von 3 Stunden (rasche Triage in der Patientenversorgung notwendig, Lyse ist Notfall!). * Blutungskomplikationen und Benefit: Für die Zunkunft erforderlich sind Studien, die die Patienten identifizieren, die von einer Thrombolyse-Therapie profitieren und gleichzeitig ein möglichst kleines Blutungsrisiko haben (symptomatische Verschlechterung durch Blutungen in den Studien 6– 9%). Experimentell: * Während laufender Thrombolyse transtemporale Beschallung der A. cerebri media mit der 2-MHz-Dopplersonde. * Ziel: Man erhofft sich neben der intravenösen Thrombolyse zusätzlich eine „mechanische Zerkleinerung“ des Thrombus durch die Ultraschallwellen.
Thromboplastin Synonyme Thrombokinase, Prothrombin-Aktivator
Definition Bestandteil der Gerinnungskaskade.
Grundlagen Man unterscheidet: a) Gewebsthromboplastin: * Extrinsisches Thromboplastin. * Im Gewebe vorkommend. * Zum exogenen Anteil des Gerinnungssystems gehörend. b) Plasmathromboplastin. * Intrinsisches Thromboplastin. * Im Plasma vorkommend. * Zum endogenen Anteil des Gerinnungssystems gehörend. * Bildung unter Beteiligung der Gerinnungsfaktoren V, VIII, IX, X, Kalziumionen sowie des Plättchenfaktors 3.
Thromboplastinzeit, partielle (PTT) 3
1242
PTT (partielle Thromboplastinzeit)
Thrombose Synonyme Blutpfropfbildung
Definition Intravitale, intravasale Blutgerinnselbildung, die zum größten Teil in Venen, aber auch in Arterien auftreten kann.
Thrombomodulin Definition Vom Gefäßendothel produzierte Substanz, die Thrombin mit hoher Affinität bindet, dessen prokoagulatorische Wirkung aufhebt und dadurch eine überschießende Gerinnung verhindert (Inhibitor der plasmatischen Gerinnung).
Einleitung Nach Virchow sind vereinfacht drei Hauptfaktoren an der Entstehung einer Thrombose beteiligt (thrombogene Funktionstrias): * Veränderter Blutstrom (Wirbelbildung, Verlangsamung). * Endothelläsion des Gefäßes (Intimaschaden).
Thrombose, Beinvenenthrombose
Neben arteriellen und venösen Thrombosen werden diese auch nach ihrem Entstehungort eingeteilt. Von neurologischer Seite bedeutsam sind: * Arterielle Thrombosen der extra- und intrakraniellen hirnversorgenden Gefäßen (z. B. Basilaristhrombose), die entweder durch Gefäßverschluss oder durch Embolisation in das nachfolgende Stromgebiet symptomatisch werden können. * Kardiale Thrombusbildung mit dem Risiko der zerebralen Embolisation. * Tiefe Beinvenenthrombose ( Phlebothrombose), die bei gleichzeitig vorhandenem kardialen Rechts-Links-Shunt (z. B. PFO) über eine paradoxe Embolie zu zerebralen Ischämien führen kann. * Thrombose der zerebralen venösen Blutleiter (Hirn- und Sinusvenenthrombose) 3
3
3
3
Prädisponierende Faktoren für die Entstehung einer Thrombose sind: * Höheres Lebensalter. * Übergewicht. * Hormonelle Veränderungen (Schwangerschaft, hormonelle Kontrazeption). * Freisetzung thrombogener Substanzen, z. B. nach Trauma, bei Operationen, Entzündungen oder Tumoren. * Erhöhte Gerinnungsneigung (Thrombophilie), z. B. bei AT-III-Mangel, Protein-C/-SMangel, APC-Resistenz. * Erhöhte Blutviskosität, z. B. bei Thrombozytosen, Polyglobulie, forcierter Diurese. * Zirkulationsstörungen wie Immobilisation, Abknicken. Klinik: Abhängig von der Lokalisation.
Therapie
*
Revaskularisationsmaßnahmen: Thrombolyse, Thromb-/Embolektomie. Antikoagulation: Mit dem Ziel eine appositionelle Thrombusbildung zu verhindern. 3
*
Rezidivprophylaxe: * Thrombozytenaggregationshemmer (nur bei arteriellen Thrombosen). * Antikoagulation.
*
Beseitigung von Risikofaktoren.
Thrombose, Basilaristhrombose Synonyme Thrombose der Arteria basilaris, Basilarisverschluss
Definition Basilaristhrombose
Thrombose, Beinvenenthrombose Synonyme Tiefe Beinvenenthrombose, BVT, Phlebothrombose des Beines
Definition Thrombose der tiefen Beinvenen.
Einleitung Ätiologie: * Durch Zirkulationsstörungen wie Immobilisation (postoperativ), Ruhigstellen (konservative Frakturbehandlung), Abknicken des Beines (lange Flugreisen). * Vorbestehende Varikosis und stattgehabte Plebitiden, Thrombose. 3
Erhöhte Gerinnungsneigung des Blutes (erhöhte Viskosität durch z. B. veränderte Zusammensetzung, Hyperkoagulabilität/ Thrombophilie).
3
*
1243
Lokalisation: Untere Extremitäten (häufig, ca. 90% aller Thrombosen). * Beckenvenenthrombose (ca. 30% aller Thrombosen). * Linkes Bein aufgrund des schlechteren Abflusses durch Kreuzung von Beckenvene und - arterie häufiger betroffen. * Sonderform: Septische Beinvenenthrombose mit bakterienhaltigem Thrombus, z. B. nach Phlebitis. *
Klinik: * Schmerzen, Spannungsgefühl des betroffenen Beines, ziehende Leistenschmerzen. * Charakteristische Druckpunkte (Befund jedoch nicht immer wegweisend): – Payr´scher Druckpunkt: Schmerz in der Fußsohle nach Druck auf die Fußsohle.
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1244
* * * *
Thrombose, Beinvenenthrombose
– Homan-Zeichen: Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Sprungelenks. – Bisgaard-Zeichen: Schmerz hinter dem Malleolus. – Meyer´sche Druckpunkte: Schmerzhafte Druckpunkte entlang der medialen Tibiakante. Ödem, Schwellung (im Seitenvergleich prüfen). Dilatation oberflächlicher Venen (Pratt´sche Warnvenen). Fieber, Leukozytose, Anstieg der Herzfreqenz (nicht nur bei septischer Thrombose). Cave: Nur in 50% der Fälle kommt es zu den oben beschriebenen charakteristischen klinischen Zeichen.
Komplikationen: * Lungenembolie (gefährlichste Komplikation). * Paradoxe Embolie: Bei kardialem RechtsLinks-Shunt mit dem Risiko der zerebralen Embolie, PFO. * Postthrombotisches Syndrom: Hautveränderung mit Stauungsdermatitis, rezidivierenden Ödemen und venösen Ulcera cruris. 3
Diagnostik * * * * *
Charakteristische Klinik, Hinweise auf prädisponierende Faktoren in der Anamnese. Labor: Leukozytose, Anstieg der D-Dimere. Phlebographie: Direkter Thrombosenachweis (Goldstandard). Ultraschall: Farbduplexsonographie (nach der Phlebographie zweitsicherste Methode). Nuklearmedizinische Verfahren, z. B. Immunszintigraphie (sehr aufwendig).
Reperfusionstherapie: Embolektomie: – Mittels Fogarty-Katheter. – Nur bei frischen Thrombosen möglich. * Fibrinolyse: – Angewandte Substanzen: Streptokinase, Urokinase und Prourokinase, rt-PA. – Cave: Blutungskomplikationen. – Kontraindikationen z. B. hämorrhagische Diathese, Schwangerschaft bis 1 Woche postpartal , Hirnblutungen, kürzlich stattgehabte Operationen (12 Tage systemisch, 2 Monate ZNS), unkontrollierbare arterielle Hypertonie, schwere diabetische Retinopathie, Ulcus duodeni und ventriculi, Ösophagusvarizen, Kolitis, Bronchiektasen, Pankreatitis, Endokarditis, Sepsis, Z. n. arterieller Punktion, Z. n. Liquorpunktion, u. v. m. *
Antikoagulation: * Initialphase: Intravenöse PTT-wirksame Heparinisierung mit einer Ziel-PTT von 50–60 Sek. * In der Postakutphase Umstellung auf orale Antikoagulation (Dauer abhängig von der zugrunde liegenden Ursache, z. B. lebenslänglich bei Gerinnungsstörungen, bei erstmaliger unkomplizierter Thrombose im Regelfall 6 Monate). * Alternativ: Körpergewichtsadapierte subkutane Gabe von niedermolekularem, fraktioniertem Heparin, z. B. Inohep®, Fraxiparin®) in der Akut- und Postakutphase.
Prognose Abhängig von Komplikationen (siehe oben).
Therapie
Diätetik/Lebensgewohnheiten
Therapieziele: * Verhinderung einer Lungenembolie/paradoxen Embolie. * Reperfusion der verschlossenen Vene.
Bei stattgehabter Thrombose bzw. erhöhtem Risiko: * Vemeidung von Immobilisationen (ggf. nur unter Thromboseprophylaxe z. B. bei langen Flugreisen). * Absetzen thrombosefördernder Medikamente (Östrogene). * Gewichtsreduktion.
Adjuvante Maßnahmen: * Hochlagern der betroffenen Extremität bei akuter Thrombose. * Kompressionsverband (nur bei Unterschenkelthrombose). * Stuhlregulation um Pressmanöver zu vermeiden.
Thrombozytopenie
mit abnormen Thrombozyten (Riesenplättchen) einhergehen kann.
Thrombose, Phlebothrombose Synonyme Venenthrombose, tiefe Venenthrombose
Erworben: Durch bestimmte Medikamente, z. B. Acetylsalicylsäure. * Lymphome: Plasmozytom oder M. Waldenström. * Chronische Niereninsuffizienz. *
Definition Thrombose der tiefen Venen, die in 90% der Fälle an den unteren Extremitäten (ca. 60% Beinvenen, ca. 30% Beckenvenen) auftritt, Thrombose, Beinvenenthrombose. 3
Thrombose, Sinusvenenthrombose
Klinik Blutungsneigung durch gestörte Thrombozytenfunktion.
Therapie * *
Synonyme SVT
*
Definition 3
Thrombose eines zerebralen Sinus, nenthrombose.
1245
Absetzen auslösender Medikamente. Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung. Bei schweren Blutungen: Substitution von Thrombozytenkonzentraten.
Sinusve-
Thrombozytopenie Thrombozytenaggregationshemmer
Synonyme Thrombopenie, Blutplättchenmangel
Definition 3
Ticlopidin,
Abciximab,
3
3
ASS, dogrel
Clopi-
Verminderte Zahl der Thrombozyten (kleiner 150.000/microl).
3
Einleitung
Synonyme Thrombopathie
Definition Störung der Plättchenfunktion bei normaler Thrombozytenzahl.
Einleitung Ätiologie Angeboren: * Thrombasthenie Glanzmann-Nägeli: FunktionsgestörteThrombozyten durch kontraktiles Protein. * Von Willebrand-Jürgens-Syndrom. * Makrothrombozytäre Thrombopathie. * May-Heggelin-Anomalie: Erblich bedingte Leukopenie, die in seltenen Fällen auch
Ätiologie: * Bildungsstörungen im Knochenmark: – Angeboren: Fanconi-Panmyelopathie, Wiskott-Aldrich-Syndrom. – Erworben: Panmyelopathie durch proliferierende Knochenmarkserkrankungen (z. B. Plasmozytom, Leukämie), medikamentös-toxische Schädigung (Zytostatikatherapie, Vitaminmangel, Antibiotika, Tuberkulostatika u. v. m.), physikalisch (nach Strahlentherapie). * Verkürzte Thrombozytenlebensdauer: – Durch (Auto)antikörper, z. B. SLE, M. Werlhof, Thrombozytopenie, heparininduzierte). – Mechanische Thrombozytenschädigung, z. B. durch Herzklappen. 3
Thrombozytopathie
*
Verteilungsstörungen, z. B. bei Splenomegalie.
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1246 * *
Thrombozytopenie, heparininduzierte (HIT)
Erhöhter Thrombozytenverbrauch: – Disseminierte intravasale Gerinnung. Parainfektiös: – Sepsis, Malaria, Hepatitis, Mononukleose, Zytomegalieinfektion u. v. m.
Cave: Pseudothrombozytopenie bei Abnahme im EDTA-Blut, Kontrolle durch Bestimmung der Thrombozytenzahl im Zitratblut empfohlen. Klinik: Blutungsneigung z. B. Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Hämatome und Petechien bei Thrombozytenzahlen kleiner 30.000/ μl.
Therapie * *
* * *
Behandlung der Grunderkrankung. Substitution von Folsäure und Vitamin B12 bei ineffektiver Thrombopoese bei Vitaminmangel. Absetzen toxischer Medikamente. Beendigung schädigender Exposition. Symptomatisch: Substitution von Thrombozytenkonzentraten bei manifester Blutungsneigung.
Thrombozytopenie, heparininduzierte (HIT) Definition Durch Heparintherapie induzierte Thrombozytopenie.
iertem Heparin auftretend, deutlich geringeres Risiko bei niedermolekularen Heparinen.
Diagnostik *
*
Regelmäßige Blutbildkontrollen zur Überwachung der Thrombozytenzahl unter Heparintherapie. HIPA-Test: Nachweis von Heparinantikörper induzierter Plättchenaggregation (nur in Speziallabors möglich).
Therapie * *
*
Einzige kausale Therapie: Sofortiges Absetzen jeglicher Heparintherapie. Bei weiter bestehender Indikation zur antithrombotischen Therapie ggf. Umsetzen auf Cumarine oder Heparinoide, z. B. Danaparoid (Orgaran®). Eine Substitution von Thrombozytenkonzentraten ist wegen der ohnehin schon bestehenden Thrombosegefahr kontraindiziert.
Nachsorge Bei nachgewiesener heparininduzierter Thrombozytopenie sind Heparine lebenslang kontraindiziert.
Prognose Prinzipiell reversibel, die Thrombozytopenien und die Thromboseneigung können jedoch auch relativ lange persistieren.
Einleitung Vorkommen: bei ca. 5–10% aller mit Heparin behandelten Patienten. Es werden 2 Formen unterschieden: * Dosisabhängige, frühzeitig auftretende Form mit leichtem Verlauf (100.000– 1.500.000/μl) (Typ I). * Dosisunabhängige, allergisch bedingte, schwere Thrombozytopenie (<80.000/μl) als Spätmanifestation etwa 6–14 Tage (bei Sensibilisierten u. U. innerhalb von Stunden) nach Beginn der Heparintherapie (Typ II): – Antikörpervermittelt. – Neben einem Abfall der Thrombozyten kann es zu thrombotischen Ereignissen kommen (arterielle und venöse Verschlüsse). – Insbesondere nach Gabe von unfraktion-
Thrombozytose Definition Bei einer passageren, reaktiven Erhöhung der Thrombozytenzahl auf Werte zwischen 400.000/μl und 1.000.000/μl spricht man von einer Thrombozytose, bei persistierenden Thrombozytenzahlen größer 1 Mio./microl von einer Thrombozytämie.
Einleitung Ätiologie: * Thrombozythämien: – Essentielle Thrombozythämie als eigenständige myeloproliferative Erkrankung. – Sekundär als Begleitsymptom bei maligner, metastasierender Grunderkrankung.
Tiagabin *
Thrombozytosen: – Nach Splenektomie. – Im Anschluss an Operationen und Trauma, insbesondere bei höherem Blutverlust. – Nach Schwangerschaft. – Parainfektiös.
Klinisch: * Thromboseneigung. * Bei essentieller Thrombozythämie auch hämorrhagische Diathese aufgrund funktionsgestörter Thrombozyten.
schen Ausfallserscheinungen nicht länger als 24 Stunden. Für die klinische Praxis: Eine TIA dauert selten länger als 1 Stunde.
Grundlagen *
Für das diagnostische und therapeutische Vorgehen hat die Dauer der Ausfallserscheinungen im Rahmen der zerebralen Ischämie keine Bedeutung. Patienten mit vorangegangener transitorischer ischämischer Attacke haben vor allem in den ersten 6–12 Monaten nach dem Ereignis ein gegenüber der Normalbevölkerung deutlich erhöhtes Risiko (zwischen 1–20%, durchschnittlich 4%) ein Rezidivereignis zu erleiden. Aus diesem Grunde erfordert jede TIA eine konsequente Diagnose der zugrundeliegenden Ursache. Eine TIA auf dem Boden einer hochgradigen Karotisstenose ist mit einem besonders hohen Rezidivrisiko verbunden, ebenso eine TIA mit hemisphärischen Symptomen gegenüber einer passageren retinalen Ischämie. Unter Berücksichtigung der wesentlichen kardiovaskulären Risikofaktoren stellt eine vorangegangene TIA einen unabhängigen Risikofaktor für Schlaganfälle, aber auch für Myokardischämien dar. Etwa ein Drittel aller TIAs geht in der zerebralen Bildgebung (CCT, MRT, insbesondere diffusionsgewichtetes MRT) mit Infarktzeichen einher.
*
Therapie Aufgrund der heterogenen Genese abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und Ausprägung der Symptomatik: * Behandlung der Grundkrankheit. * Thrombozytenaggregationshemmer (nicht bei essentieller Thrombozythämie, da aufgrund der funktionsgestörten Thrombozyten eine Neigung zur hämorrhagischen Diathese besteht). * Antikoagulation (nicht bei essentieller Thrombozythämie, siehe oben). * Bei essentieller Thrombozythämie: Myelosuppressive Therapie mit Hydroxyharnstoff, ggf. auch Thrombozytapherese.
*
*
*
*
Thymektomie Syndrome,
3
3 3
Thyreotoxische Krise
3
Myasthenie, myasthenische Myasthenia gravis
1247
Hirninfarkt
Tiagabin
Synonyme
Zubereitungen
Thyreotoxikose; dekomensierte Hyperthyreose; Coma basedowicum; Krise, thyreotoxische
Tabletten.
3
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Gabitril® Filmtabletten à 5, 10, 15 mg.
TIA (transitorische ischämische Attacke) Definition Zerebrale Ischämie mit passageren neurologi-
Wirkungen Hemmung der neuronalen und glialen Wiederaufnahme des inhibitorischen Transmitters GABA aus dem synaptischen Spalt.
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1248
Tiaprid
Pharmakologische Daten
Dosierung und Art der Anwendung
Orale Bioverfügbarkeit 90–95%, Plasmaeiweißbindung ca. 96%. Lineare Pharmakokinetik. Eliminationshalbwertszeit in Monotherapie ca. 5–9 h. Ausscheidung größtenteils hepatisch. Keine Enzyminduktion.
Bei Dyskinesien, z. B. dystone Syndrome, bukkolinguale (periorale) Bewegungsstörungen bei älteren Patienten, Hemiballismus, Chorea, choreatische und athetotische Bewegungsanomalien: 3mal 1–2 Tabletten oder Ampullen (entsprechend 300–600 mg Tiaprid/Tag). Chorea Huntington: Anfangsdosierung bis zu 10 Tabletten oder Ampullen i. m. oder i. v. (entsprechend 1000 mg Tiaprid/Tag) in 3 Einzelgaben. Erhaltungsdosierung 3–10 Tabletten oder Ampullen i. m. oder i. v. pro Tag (entsprechend 300–1000 mg Tiaprid). Spätdyskinesien nach Neuroleptika-Therapie: 3–6 Tabletten oder Ampullen i. m. oder i. v. pro Tag (entsprechend 300–600 mg Tiaprid) verteilt auf 3 Einzelgaben. Kinder: 3mal 0,5–3mal 1 Tablette (entsprechend 150–300 mg Tiaprid/Tag). Patienten mit Niereninsuffizienz erhalten niedrigere Tagesdosis.
Anwendungsgebiete Zusatzbehandlung fokaler Epilepsien. In klinischen Studien als Kombinationstherapeutikum Anfallsreduktion ≥50% bei ca. 20–30% der Patienten. 3
Dosierung/Anwendung Anfangsdosis 5–15 mg in 3 Tagesdosen, wöchentliche Aufdosierung in Schritten von 5– 10 mg. Erhaltungsdosis: 15–45 mg/d, bei Komedikation von enzyminduzierenden Antiepileptika 30–60 mg/d.
Unerwünschte Wirkungen In der Regel gute Verträglichkeit. Zentralnervöse Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Nervosität, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmung, Tremor. Seltene Fälle von Halluzinationen und Wahnvorstellungen wurden berichtet. In Einzelfällen Anfallsaktivierung.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Generalisierte Epilepsien (mögliche Auslösung nichtkonvulsiver Status epileptici). 3
Wechselwirkungen Verminderung der Serumkonzentration von Tiagabin durch enzyminduzierende Antiepileptika wie Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon. Ansonsten keine relevanten Interaktionen. 3
3
3
Antiepileptikum zur Zusatzbehandlung fokaler Epilepsien. Zur Vermeidung zentralnervöser Nebenwirkungen langsame Aufdosierung erforderlich.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Tiapridex® Tabletten, Injektionslösung.
Somnolenz, Schwächeerscheinungen, Müdigkeit, Agitation, Schwindel, Kopfschmerzen, Gleichgültigkeit, Schlaflosigkeit. Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut, der sich in Brustschmerzen, Spannungsgefühl in der Brust, Vergrößerung der Brust und Milchfluss und Zyklusstörungen (Frauen) Orgasmus- und Potenzstörungen (Männer) äußern kann. Diese Störungen bilden sich in der Regel nach Absetzen von Tiapridex in kurzer Zeit wieder zurück. Extrapyramidal-motorische Störungen bei Therapiebeginn sind mit Biperiden sofort zu beheben.
3
Bewertung
Tiaprid
Unerwünschte Wirkungen
Gegenanzeigen Prolaktinabhängige Tumore, hypophysäre Prolaktinome, Brustkrebs, Phäochromozytom, gleichzeitige Behandlung mit Levodopa.
Wechselwirkungen Wirkungsverstärkung von zentral-dämpfenden Medikamenten wie Morphinderivaten, Barbituraten, Benzodiazepinen, Anxiolytika, H1-Antihistaminika, Neuroleptika. Abschwächung der Wirkung von Tiapridex durch Anticholinergika. Gleichzeitige Gabe von Levodopa und Tiaprid führt zu einer gegenseitigen Abschwächung der jeweiligen Wirkung.
Ticlopidin
Häufigste Kompartmentsyndrome an der unteren Extremität sind das Tibialis-anterior- und das Tibialis-posterior-Syndrom. Beim Tibialisanterior-Syndrom ist die Extensorenloge am Unterschenkel (M. tibialis anterior, M. extensor digitorum longus, M. extensor hallucis longus) betroffen, beim Tibialis-posterior-Syndrom die tiefe Beugerloge (M. tibialis posterior, M. flexor hallucis longus und M. flexor digitorum longus). Beim Tibialis-anterior-Syndrom kann der Nervus peroneus profundus ( Nervus peroneus, Läsion) mitgeschädigt werden, beim Tibialis-posterior-Syndrom der Nervus tibialis. 3
3
3
Einleitung Beim Tibialis-anterior-Syndrom bestehen Schmerzen, eine Schwellung und Verhärtung der Extensorenloge, gefolgt von Parästhesien und Sensibilitätsstörungen am Fußrücken und einer Fuß- und Zehenheberparese. Der Fallfuß ist wegen der Muskelkontraktur geringer als bei einer reinen Peroneusparese. Das Tibialis-posterior-Syndrom ist schwerer zu diagnostizieren, da die tiefe Flexorenloge nur in ihrem distalen Anteil an die Oberfläche tritt und dort tastbar ist. In fortgeschrittenen Stadien be-
Diagnostik Ursache eines Tibialis-anterior-Syndroms sind häufig Traumen oder Frakturen des Unterschenkels, seltener lange Märsche oder Einblutungen bei Gerinnungsstörungen. Seltener kommt es bei Sportlern oder Rekruten nach intensiver Muskelarbeit zu einem chronisch rezidivierenden, auch bilateralen Syndrom, vermutlich als Folge einer kritischen Zunahme der Muskelmasse in der beengten Extensorenloge.
Therapie Zur Therapie des akuten Tibialis-anterior- und Tibialis-posterior-Syndroms Kompartmentsyndrom. Beim chronisch rezidivierenden Tibialis-anterior-Syndrom klingen die Schmerzen meist unter Entlastung in Stunden bis Tagen ab. Die auslösende Belastung sollte hier vermieden werden. Anderenfalls muss evtl. eine Operation erfolgen. Das Tibialis-posterior-Syndrom wird wie alle Kompartmentsyndrome behandelt. Da es aber oft zu spät diagnostiziert wird, kommt es häufig zu einem fibrotischen Umbau der nekrotischen Muskulatur mit resultierenden Krallenzehen und Adduktions- und Supinationsstellung des Fußes. 3
Definition
stehen Paresen der langen Zehenbeuger und des M. tibialis posterior. Parästhesien und Sensibilitätsstörungen an der Fußsohle und Paresen der kleinen Fußsohlenmuskeln entstehen durch die begleitende Läsion des Nervus tibialis.
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Tibialis-anterior-/Tibialisposterior-Syndrom
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Tibialislähmung (Nervus tibialis) Nervus tibialis, Läsion
3
T Ticlopidin Zubereitungen Filmtabletten zur oralen Anwendung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Tibialis-anterior-/Tibialis-posterior-Syndrom. Abb. 1: Muskellogen des Unterschenkels: Extensorenloge, Peroneusloge, tiefe und oberflächliche Beugerloge
Tyklid® Filmtabletten enthalten pro Tablette 250 mg des Wirkstoffs Ticlopidin.
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Tics
Wirkungen * *
*
Hemmung der Thrombozytenaggregation durch Irreversible Hemmung der ADP-abhängigen Glykoprotein IIb/IIIa-Expression und dadurch Hemmung der Fibrinogenbindung an aktivierte Thrombozyten.
Pharmakologische Daten * * *
Orale Verabreichung. Nach Aufnahme Abbau zu wirksamen Metaboliten. Wirkdauer: Aufgrund der irreversiblen Hemmung der Glykoprotein-Expression hält die Aggregationshemmung für die Lebensdauer eines Thrombzyten (ca. 10–14 Tage) vor.
* * * *
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung *
* *
*
Zur Rezidivprophylaxe bei ischämischem Infarkt und Unverträglichkeit von Acetylsalicylsäure. Dialysepatienten mit Shunt und Unverträglichkeit acetylsalicylhaltiger Präparate. Kombination mit Acetylsalicylsäure möglich, dann Wirkungsverstärkung aufgrund des unterschiedlichen Wirkmechanismus. Nach Zulassung von Clopidogrel mit positiver Datenlage in Studien wird Ticlopidin im kardiologischen und auch neurologischen Bereich aufgrund der Nebenwirkungen nur noch selten angewandt.
Dosierung/Anwendung
Lebererkrankungen.
Erhöhte Blutungsneigung z. B. nach Trauma oder Operation. Siehe auch Fachliteratur.
Wechselwirkungen *
*
Anwendungsgebiete *
Neigung zu Blutungen: gastrointestinal, urogenital, Nasenbluten. Häufig gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Durchfälle. Leberfunktionsstörungen. Allergische Hautreaktionen.
Gleichzeitige Therapie mit anderen die Blutungsneigung fördernden Medikamenten vermeiden bzw. nur in besonderen Fällen. Interferenzen mit Wirkstoffen, die über die Leber (Cytochrom-P-450-System) metabolisiert werden: Phenytoin, Theophyllin.
Bewertung * *
*
Reservemittel zur Sekundärprophylaxe des ischämischen Infarkts. Verordnung nur unter regelmäßigen Blutbildkontrollen sowie bei fehlender Möglichkeit auf andere Thrombozytenaggreagtionshemmer umzustellen (z. B. Clopidogreloder Acetylsalicylsäureunverträglichkeit). Eine komplikationslos seit Jahren durchgeführte Ticlopidintherapie kann allerdings problemlos fortgeführt werden, da die Nebenwirkungen fast ausnahmslos in der Frühphase auftreten.
Tägliche Anwendung morgens und abends je 250 mg.
Tics Unerwünschte Wirkungen *
Am gefährlichsten: Blutbildveränderungen mit schweren Neutropenien und Agranulozytosen, seltener auch Thrombopenien, Anämien sowie Moschkowitz-Syndrom (thrombotisch-thrombozytopenische Purpura), die insbesondere in den ersten 3 bis 6 Monaten nach Therapiebeginn auftreten (in 2–4% der Fälle). Daher sind insbesondere in der Initialphase regelmäßige (alle 14 Tage) Blutbildkontrollen notwendig. Sofortige Blutbildkontrollen beim Auftreten von Fieber, Halsentzündung oder Hämangiomen.
Definition Tics sind abrupte, sich unregelmäßig und schnell wiederholende Bewegungen oder Lautäußerungen.
Einleitung Es werden chronische und transitorische TicSyndrome unterschieden. Transitorische Tic-Syndrome während der Kindheit sind häufig. Es ist wahrscheinlich, dass sowohl die chronischen wie die transitorischen Tic-Syndrome abortive Formen der Tourette-Störung darstellen. Als Tourette-Störung
Tics
bezeichnet man eine heterogene neurologischpsychiatrische Erkrankung, die durch Tics charakterisiert ist, aber oft mit Verhaltensstörungen vergesellschaftet ist. Die diagnostischen Kriterien erstmals in DSM-III-R [1], etabliert, haben sich international weitgehend durchgesetzt. Koprolalie (Vokalisieren von obszönen Ausdrücken, meistens kurzsilbige) oder Kopropraxie (entsprechende sinntragende motorische Entäußerungen wie Masturbationsbewegungen) sind keine zwingenden Kriterien für die Diagnose einer Tourette-Störung nach DSM. In der Veröffentlichung von Gilles de la Tourette aus dem Jahre 1885, war die Koprolalie lediglich eines der auffallendsten Symptome. Der Name Tourette-Störung oder - Syndrom geht auf den Erstbeschreiber Gilles de la Tourette, einen französischen Neurologen, zurück, der über neun Patienten berichtete, die an ähnlichen Tic-Störungen litten. Unter den Patienten befand sich auch eine Adlige, die Marquise de Dampierre, die seit ihrem 7. Lebensjahr komplexe vokale Tics hatte. Wegen des oftmals obszönen Inhalts der komplexen Vokalisationen musste sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen und starb vereinsamt im Alter von 86 Jahren. Das klinische Spektrum kann sehr breit gefächert sein. Mozart und André Malraux gehören zu den Menschen, die unter einer Tourette-Störung gelitten haben sollen. 3
Diagnostik Die Diagnose erfolgt durch Beobachtung der Symptomatik und Beurteilung der Krankengeschichte. Ein langer Beobachtungszeitraum kann notwendig sein, um das volle Spektrum der klinischen Symptomatik zu Gesicht zu bekommen. Es gibt keine spezifische Untersuchung, weder labortechnischer noch bildgebender Art. Phänomenologisch sind differenzialdiagnostisch Myoklonien und Dystonien zu erwägen. Tics werden als unvermeidbar empfunden, können jedoch über längere Zeiträume mit einer innerlich wachsenden Spannung unterdrückt werden. Ein Myoklonus kann durch den Willen nicht beeinflusst werden, die Dystonien nur bis zu einem gewissen Grad. Tics haben meist eine sensorische Komponente, d. h. Missempfindungen in der entsprechenden Körperregion sind der Anlass zum Ausführen des motorischen oder vokalen Tics. Die subjek-
1251
tive zwanghafte Komponente stellt das wesentliche Unterscheidungskriterium zu anderen Bewegungsstörungen dar. Die Diagnose einer Tourette-Störungrichtet sich nach folgenden Kriterien (Diagnostische Kriterien nach Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, American Psychiatric Association [1]): * Multiple motorische und ein oder mehrere vokale Tics zu einer Zeit während des Verlaufs der Erkrankung, aber nicht unbedingt gleichzeitig. * Das mehrmalige Auftreten von Tics während des Tages, praktisch jeden Tag oder intermittierend über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. * Der regelmäßige Wechsel in der Anzahl, der Frequenz und der Art sowie der körperlichen Lokalisation der Tics und dem fluktuierenden Verlauf in der Ausprägung der Symptome. * Auftreten vor dem 21. Lebensjahr.
Therapie Die meisten Menschen mit Tics oder einer Tourette-Störung sind oft relativ wenig beeinträchtigt und benötigen keine medikamentöse Behandlung. Wichtig ist es Eltern, eventuell auch Lehrer, über die Natur der Störung aufzuklären: * Bei den Tic-Syndromen handelt es sich nicht um psychiatrische Erkrankungen. * Die Erkrankung hat einen chronischen, sehr variablen und fluktuierenden Verlauf. * Es gibt Möglichkeiten, Tics symptomatisch zu behandeln. Wenn die Symptomatik der Erkrankung vom Patienten selbst oder von anderen als so bizarr, störend und sogar erschreckend erlebt wird, dass sie das jeweilige Individuum sehr beeinträchtigt, kann eine medikamentöse Behandlung notwendig werden, insbesondere bei auto-, bzw. fremdaggressiven Tics. Es kommt vor, dass Tic-Patienten von ihrem sozialen Umfeld gemieden werden und Schwierigkeiten mit Nachbarn, Lehrern und mit Menschen auf der Straße erleben. Eltern sind oft von der Fremdheit des Verhaltens des eigenen Kindes mit Tourette überfordert. Die medikamentöse Therapie muss auf die Symptomatik zielen, die zur Beeinträchtigung führt. Neuroleptika wie Haloperidol (0,25– 2,5 mg/die zur Nacht), Pimozid (1,5–10 mg/
T
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3
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Tics, Blinzeltics
die; EKG Kontrollen!) und Fluphenazin gehören zu den wirksamsten Tic-reduzierenden Pharmaka, allerdings auch zu den riskantesten. Es ist unklar, ob diese den neuerer Neuroleptika wie Risperidon, Olanzapin und Quetiapin überlegen sind. Unerwünschte Wirkungen wie Müdigkeit und nachlassende Motivation bei Schulkindern sind jedoch oft therapielimitierend. Wegen des Risikos eines tardiven-DyskinesieSyndroms sollten Neuroleptika nur in gravierenden Fällen gegeben werden. Für die oft vergesellschafteten Zwangsstörungen sind Neuroleptika wenig effektiv. Andererseits können Medikamente, die zur Behandlung des hyperaktiven Syndroms bei Kindern oder der Zwangsstörung eingesetzt werden, zu einer Zunahme der Tics führen. Clonidin, Tiaprid, Sulpirid stellen weniger nebenwirkungsreiche, aber auch nicht so effektive Pharmaka dar. Benzodiazepine, insbesondere Clonazepam, können hilfreich sein. Unterstützend und begleitend sind psychotherapeutische Verfahren, insbesondere verhaltenstherapeutischer Natur um Tic-verstärkende Situationen besser zu meistern, zu erwägen. Probleme bereiten Patienten mit schweren autoaggressiven oder fremdaggressiven komplexen motorischen Tics (Zwangshandlungen), wenn Medikamente, selbst Fluphenazin im Hochdosisbereich (>12 mg/die), nicht suppressiv wirken. In vereinzelten Fällen, falls z. B. das Augenlicht bei selbstmutilierenden Tics kompromittiert ist, werden im angloamerikanischen Raum selektive Cingulotomien durchgeführt, jüngst in Belgien auch Tiefenhirnstimulation der frontofugalen Fasern.
oftmals eine zusätzliche Zwangsstörung oder als Kinder eine Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung auf. Ein Zusammenhang zwischen Tourette-Störung, chronischer Tic-Störung und Zwangsstörung ist durch genetische Untersuchungen gesichert. Die enge Verknüpfung der Tics bzw. des Tourette-Syndroms mit Zwangsstörungen ist von Bedeutung für die Therapie: Tourette-Patienten sind häufig durch die psychiatrische Störung stärker beeinträchtigt als durch motorisch oder vokale Tics.
Literatur 1. American Psychiatric Association (1987). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder, 3. Korrigierte Aufl.
Tics, Blinzeltics Synonyme Einfacher motorischer Tic im Bereich des Musculus orbicularis oculis, Blinzeltic eher für beidseitige synchrone Augenschlussbewegungen
Definition Tics sind abrupte, sich unregelmäßig und schnell wiederholende Bewegungen oder Lautäußerungen. Es werden chronische und transitorische Tic-Syndrome unterschieden. Transitorische Tic-Syndrome während der Kindheit sind häufig. Der Zwinker-/Blinzeltic stellt die häufigste Form dar.
Einleitung Prognose Das voll ausgebildete Syndrom der TouretteStörung ist häufiger beim männlichen Geschlecht. Es beginnt meistens zwischen dem 2. und 15. Lebensjahr als einfache Tic-Störung. Motorische Tics stellen das initiale Syndrom dar und werden von Eltern, Lehrern und Hausärzten als „Nervosität“ interpretiert. Etwa 50% der Patienten entwickeln komplexe motorische Tics. Abhänging von den untersuchten Serien kommt es in bis zu 35% der Fälle zu Echolalie und in 60% zu Koprolalie. Viele Patienten erleben vollkommene Remissionen oder eine erhebliche Besserung gegen Ende des ersten oder Anfang des zweiten Lebensjahrzehnts. Patienten mit einer Tourette-Störung weisen
Es ist wahrscheinlich, dass sowohl die chronischen wie die transitorischen Tic-Syndrome abortive Formen der Tourette-Störung darstellen. Bei isoliertem Blinzeltic kommen allerdings auch andere Ursachen in Betracht. Beispielsweise imponiert die exzessive Blendempfindlichkeit bei Albinos wie ein Blinzeltic.
Differenzialdiagnose Lokale Irritation bei Konjunktivitits, lokalen Prozessen, Iritis, Glaukom, exzessive Blendempfindlichlkeit bei Albinos und retinalen Prozessen, Blepharospasmus im Sinne einer fokalen Dystonie, Spasmus hemifacialis (früher wurde hierzu unstimmigerweise synonym der Begriff Gesichts-, bzw. Zwinkertic für diese pathophysiologisch eindeutig abgrenzbare Stö-
Tilidin
rung des N. fazialis gebraucht), Stereotypie, enthemmter optikopalpebraler Reflex.
Prophylaxe Abhängig von Ätiologie.
Therapie empirisch Therapie der zugrunde liegenden Störung, Sonnenbrille, Windschutz, bei Ausschluss lokaler Affektionen und chronischem Verlauf Versuch mit Botulinumtoxin.
Prognose In der Regel bei isoliertem Vorkommen gut.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Nicht bekannt.
Tics, Zwinkertic
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von Analgetika oder nichtsteroidalen Antiphlogistika peroral. Hydrocortison oder Lokalanaesthetika können in die betroffenen Rippenansätze gespritzt werden. Häufig kommt es zu spontanen Remissionen. In einzelnen therapierefraktären Fällen wird auch eine operative Resektion des hypertrophen Rippenknorpels durchgeführt [1]. empirisch Erste gute Erfahrungen in therapieresistenten Fällen wurden mit der Gabe von Calcitonin gemacht [3]. Positive Effekte wurden auch bei Akupunktur beschrieben [2].
Literatur 1. Dmitriev AE, Kriukov BN (1990) Tietze`s syndrome. Khirurgiia 9: 7–10. 2. Li B (1998) 106 cases of non-suppurative costal chondritis treated by acupuncture at xuanzhong point. J Tradit Chin Med 18: 195–196. 3. Ricevuti G (1985) Effects of human calcitonin on pain in the treatment of Tietze`s syndrome. Clin Ther 7: 669–673.
Definition Zwinkertic.
3
Tilidin Tietze-Syndrom Definition Eine entzündliche, nicht eitrige Schwellung der kostosternalen Verbindungen, meist im Bereich der 2. und 3. Rippe, wird als Tietze-Syndrom bezeichnet.
Einleitung Die Ätiologie ist unbekannt. Möglicherweise handelt es sich um eine Überlastung des Gelenkes durch intensives Husten, da die Symptomatik manchmal nach banalen Infektionen auftritt und wenige Wochen später wieder spontan verschwindet.
Diagnostik Druckschmerzhaftigkeit über dem Ansatz der betroffenen Rippen am Sternum. Differenzialdiagnostisch muss an eine Interkostalneuralgie ( Neuralgie, Interkostalneuralgie), an Herzerkrankungen oder Pleuritiden gedacht werden. 3
Therapie Therapeutisch erfolgt üblicherweise die Gabe
Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Valoron® N Kps., Lösg.; - retard Tbl.
Wirkungen Tilidin ist ein Opioid-Analgetikum. Es besitzt außerdem sedierende, anxiolytische, euphorisierende und amphetaminartige Wirkungen. Die antitussive Wirkung fehlt. Der Hauptmetabolit Nortilidin hat eine höhere Affinität zu Opioid-Rezeptoren als Tilidin selbst. Die relative analgetische Wirkstärke im Vergleich zu Morphin wird mit 0,2 angegeben.
Resorption Tilidin wird rasch und vollständig aus dem Duodenum resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach ca. 1 h erreicht. Die Plasmaeiweißbindung beträgt 40–50%. Tilidin ist als Pro-drug anzusehen. Es hat zwar selbst analgetische Wirksamkeit, doch schon während der ersten Leberpassage entstehen die wirksamen Metabolite Bis-Nortilidin und Nortilidin. Letzteres ist deutlich stärker analgetisch wirksam als Tilidin. Tilidin ist daher möglicherwei-
T
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Tinnitus, Akustikusneurinom
se nach oraler Verabreichung wirksamer als nach parenteraler Gabe. Sowohl Tilidin als auch Nortilidin überwinden die Blut-Hirnschranke. Im Gehirn werden 5–10fach höhere Spiegel der Substanz als im Plasma gefunden.
Wirkungsverlauf Die Wirkung beginnt etwa 15–30 min nach i. v. Gabe oder oraler Verabreichung von Tilidin. Die Wirkungsdauer liegt bei 3–5 h.
Elimination Nur 3% einer oral verabreichten Dosis erscheinen als nicht-metabolisiert. Nortilidin im Urin, 0,1% als Tilidin und 5% als Bis-Nortilidin. Die Halbwertzeit liegt bei 8 h. Bei einer eingeschränkten renalen Clearance ist die Halbwertzeit etwa verdoppelt, d. h., bei einer Einschränkung der Nierenfunktion sollte die TilidinDosis angepasst werden. Tilidin wird zu 90% über die Nieren in Form von Glucuroniden ausgeschieden, die restlichen 10% werden mit den Faeces eliminiert. Dabei besteht ein enterohepatischer Kreislauf.
kommt es zu Übelkeit und Erbrechen. Bronchospasmus ist beschrieben worden. Tilidin kann Ureterspasmen und Miktionsstörungen auslösen. Abhängigkeitspotential Ausbildung von Toleranz und Abhängigkeit nach Gabe von Tilidin wurde wiederholt beobachtet. Tilidin kam zunächst als Einfachpräparat in den Handel. Nach Meldungen missbräuchlicher Verwendung des Tilidin wurde es 1978 in Kombination mit Naloxon auf den Markt gebracht, um dem Missbrauch vorzubeugen. Seither spielt Tilidin in der Drogenszene offenbar keine Rolle mehr. Tilidin unterliegt in der Kombination mit Naloxon nicht den Richtlinien der BtmVV. In der Schwangerschaft sollte Tilidin nur mit äußerster Vorsicht angewendet werden.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Tilidin ist indiziert bei starken und sehr starken Schmerzen bei Knochen- und Gelenkserkrankungen (NPP), Neuritis, Neuralgien, Tumoren, Abdominalspasmen, schmerzhaften Entzündungen, posttraumatischen Schmerzen und Schmerzen bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen. Tilidin sollte nicht bei leichten Schmerzen angewendet werden.
Die Indikation sollte sehr streng gestellt werden bei Kindern unter einem Jahr sowie bei Abhängigkeit von Opioiden (auch anamnestisch). Mit Vorsicht sollte Tilidin bei Bewusstseinsstörungen, Störungen des Atemzentrums und der Atemfunktion, erhöhtem Hirndruck, Hypotension, Hypovolämie, Gallenwegserkrankungen, Blasenentleerungsstörungen, obstruktiven und entzündlichen Darmerkrankungen, Phäochromozytom und erhöhter zerebraler Krampfbereitschaft verwendet werden. Tilidin darf nicht bei akuter intermittierender Porphyrie angewendet werden.
Dosierung und Art der Anwendung
Wechselwirkungen
Tilidin wird in fixer Kombination mit Naloxon (50 mg Tilidin und 4 mg Naloxon) in Kapseln oder Tropfen angeboten. Bei akuten Schmerzen können 4-mal täglich 1–2 Kapseln oder 20 Tr. eingenommen werden.
Synergistische Interaktionen in Form von Sedation und Atemdepression liegen möglicherweise bei Medikamenten oder Substanzen vor, die ebenfalls depressorisch auf das ZNS wirken wie z. B. Barbituraten, Ethanol oder Neuroleptika. Ein additiver Synergismus hinsichtlich der analgetischen Wirkung wurde für Tilidin und Pethidin gezeigt, wobei möglicherweise die unerwünschte Wirkungen verringert sind.
Anwendungsgebiete
Unerwünschte Wirkungen Tilidin verursacht Schwindel, Veränderungen der Aktiviertheit (meist Dämpfung, gelegentlich Steigerung) sowie Übelkeit und Erbrechen. 80–120 mg Tilidin i. v. wirken in etwa gleichem Maße atemdepressorisch wie 10 mg Morphin i. v., während 1,5 mg/kg Tilidin i. v. etwa ebenso stark atemdepressorisch wirken wie 0,5 mg/kg Pethidin. Tilidin verursacht einen möglicherweise orthostatisch bedingten Schwindel in 5–20% der Fälle. Seltener
Tinnitus, Akustikusneurinom Einleitung Ein intermittierender oder ständig bestehender Tinnitus aureum kann zusätzlich zur Schwerhö-
Tinnitus, muskulärer
rigkeit ein Symptom bei einem Akustikusneurinom sein.
Differenzialdiagnose Ein „idiopathischer“ Tinnitus ist viel häufiger als ein symptomatischer Tinnitus bei Akustikusneurinom. Hypakusis, Schwindel, Funktionsstörung von N.V und N.VII ipsilateral weisen auf den Kleinhirnbrückenwinkeltumor ( Kleinhirnbrückenwinkel, Tumoren). Bei Fehlen dieser zusätzlichen Symptome ist ein Akustikusneurinom jedoch nicht ausgeschlossen. Eine Audiometrie und die Ableitung der akustisch evozierten Potentiale sollten durchgeführt werden. Bei Auffälligkeiten in diesen Untersuchungen oder wenn der Tinnitus nach einigen Wochen nicht spontan sistiert, sollte ein MRT zum Ausschluss eines Akustikusneurinoms veranlasst werden. 3
Tinnitus, muskulärer Synonyme 3
Ear-click-Syndrom, palataler Mittelohr-Myoklonus
Myoklonus,
Definition Als muskulärer Tinnitus wird ein objektiver Tinnitus bezeichnet, der durch Kontraktionen entweder des weichen Gaumens (palataler Myoklonus) oder der Mm. tensor tympani oder stapedius (Mittelohr-Myoklonus) verursacht wird.
Einleitung Beim palatalen Myoklonus liegen rhythmische (1,5–3 Hz) uni- oder bilaterale Kontraktionen des weichen Gaumes vor, die kontinuierlich und unabhängig von Ruhe, Bewegung, Schlaf oder Stress auftreten. Das assoziierte Klickgeräusch entsteht durch die Auf- und Abwärtsbewegung des weichen Gaumens gegen die Öffnung der Tuba eustachii. Beim seltenen Mittelohr-Myoklonus, der meist einseitig auftritt, entsteht durch die kontinuierliche Bewegung des Trommelfells ein rauschendes Geräusch.
Differenzialdiagnose Der palatale Myoklonus kann entweder essentieller oder symptomatischer (bei zerebraler Ischämie, Tumor, Trauma, Multipler Sklerose
1255
oder neurodegenerativen Erkrankungen) Natur sein. Daher sollten symptomatische Ursachen durch eine zerebrale MRT ausgeschlossen werden. Häufig finden sich entsprechende Läsionen im Guillain-Mollaret-Dreieck (Nucleus dentatus, Tractus tegmentalis centralis, Inferiore Olive).
Prophylaxe Eine Prophylaxe ist nur bei toxischer Ursache eines symptomatischen palatalen Myoklonus möglich.
Therapie empirisch Therapieerfolge wurden beim palatalem Myoklonus v. a. mit der Injektion von Botulinumtoxin [1], aber auch durch die Gabe von Anticholinergika [2], Oxitriptan [3] und Carbamazepin [4]. Beim seltenen Mittelohrmyoklonus müssen ggf. operative Maßnahmen, wie die Durchtrennung der Sehnen von Mm. tensor tympani oder stapedius in Betracht gezogen werden [5].
Nachsorge Sowohl bei der medikamentösen Therapie als auch bei der Botulinumtoxinbehandlung ist eine individuelle Dosistitrierung notwendig. Die Intervalle zwischen den Kontrolluntersuchungen und weiteren Botulinumtoxininjektionen sollte dabei nicht zu lang sein! Bei bilateralem palatalem Myoklonus sollte abwechselnd in aufeinanderfolgenden Terminen die jeweilige Injektion nur in eine Seite erfolgen.
Prognose Die Prognose der einmal erfolgreich therapierten Patienten ist gut. Meist ergeben sich keine Rezidive des Ohrgeräusches, was mit einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität der Patienten einhergeht.
Literatur 1. Bryce GE et al. (1998) Botulinum toxin treatment of essential palatal myoclonus tinnitus. J Otolaryngol 27:213–6. 2. Jabbari B et al. (1989) Treatment of movement disorders with trihexyphenidyl. Mov Dis; 4:202– 212. 3. Magnussen E. at al. (1977) Palatal myoclonus treated with 5-hydroxytryptophan and a decarboxylase inhibitor. Acta Neurol Scand 55:251–253.
T
Tinnitus, pulsatiler
4. Sakai T et al. (1991) Palatal myoclonus responding to carbamazepine. Ann Neurol 9:199–200. 5. Zipfel TE et al. (2000) Middle-ear myoclonus. J Laryngol Otol 114:207–9.
rotis interna besteht keine Therapiemöglichkeit, sonst neuroradiologische Intervention. 3
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Tizanidin Tinnitus, pulsatiler
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Sirdalud® 2/4/6 mg Tbl.
Synonyme Pulssynchroner Tinnitus
Wirkungen
Definition Zum Innenohr weitergeleitete pulssynchrone Strömungsgeräusche bei turbulentem Blutfluss.
Einleitung Der pulssynchrone Tinnitus entsteht fast immer durch zum Innenohr weitergeleitete Strömungsgeräusche bei turbulentem Blutfluss. Die Strömungsgeräusche können in venösen und/oder arteriellen Gefäßen entstehen, entscheidend ist die Nähe zum Felsenbein. Je nach Intensität des Gefäßgeräusches wird es nur vom Patienten selbst wahrgenommen oder kann mit einem Stethoskop oder gar mit bloßem Ohr diagnostiziert werden. Bei vaskulärer Genese kann der Tinnitus durch Kompression der zuführenden Arterie beeinflusst werden.
Differenzialdiagnose 1. Sehr selten: * Embryonal entstandene Verlaufsvariante der Arteria carotis interna durch die Paukenhöhle (wird meist erst in mittlerem Lebensalter, wahrscheinlich durch Auftreten turbulenter Flüsse durch Arteriosklerose, symptomatisch). * Varianten des Bulbus venae jugularis (Kranialverlagerung, Dilatation, Dehiszenz, Divertikel). 2. Häufiger: * Intrakranielle Aneurysmen, arteriovenöse Fistel, Malformationen, arteriovenöse. * Dissektionen. * Gut vaskularisierte Tumoren ( Meningeom, Akustikusneurinome, Glomus-jugulare-Tumoren).
Tizanidin wirkt zentral und spinal muskelrelaxierend (antispastisch und myotonolytisch). Es senkt ebenso wie Clonidin die Körpertemperatur, wirkt analgetisch und senkt den Blutdruck. Die muskelrelaxierende und auch die analgetische Wirkung des Tizanidins beruhen wahrscheinlich auf seiner Affinität zu α2-adrenergen Rezeptoren. Die Aktivierung spinaler Motoneurone als auch die aufsteigender Schmerzbahnen wird durch die Freisetzung von excitatorischen Aminosäuren (Glutamat, Aspartat) aus spinalen Neuronen beeinflusst. Die Freisetzung dieser Neurotransmitter-Aminosäuren wird wiederum über α2-adrenerge Rezeptoren gesteuert. Die Aktivierung dieser Rezeptoren durch Tizanidin an spinalen Interneuronen hemmt die Glutamatbzw. Aspartatfreisetzung und damit die Aktivierung von Motoneuronen und aufsteigenden Schmerzbahnen. Dadurch wird eine bei peripheren Muskelspasmen möglicherweise erhöhte Aktivität polysynaptischer spinaler Reflexe gedämpft und eine myotonolytische Wirkung erzielt. Auch über die Beeinflussung höherer Zentren (Substantia nigra) wird der periphere Muskeltonus herabgesetzt, was den therapeutischen Effekt bei zentraler Spastik erklären kann. Auch die Blutdrucksenkung ist über eine zentrale α2-adrenerge Wirkung des Tizanidins vermittelt. Tizanidin hat damit eine enge pharmakologische Verwandtschaft mit Clonidin. Tizanidin ist wirksam bei Muskelspastik im Gefolge zentralnervöser Schädigungen, z. B. bei Hirninfarkt und Multipler Sklerose. Bei Muskelschmerzen mit Myogelosen, wie z. B. bei Halswirbelsyndrom, Lendenwirbelsyndrom oder Muskelhartspann ist eine schmerzlindernde und myotonolytische Wirksamkeit nachgewiesen.
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Resorption Therapie Für die aberrante Verlaufsform der Arteria ca-
Nach peroraler Gabe einer Einzeldosis wird Tizanidin rasch mit einer Resorptionshalbwertzeit
Tokopherol
von 30 min nahezu vollständig resorbiert. PeakPlasmakonzentrationen sind nach 1 h erreicht. Die Bioverfügbarkeit beträgt jedoch nur ca. 20%, da Tizanidin präsystemisch extensiv metabolisiert wird. Die Plasmaeiweißbindung liegt beim Menschen bei ca. 30%.
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milch übergeht, soll es in Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden.
Wechselwirkungen Die Verstärkung der Wirkung von Antihypertensiva kann zu einem gefährlichen Blutdruckabfall führen.
Elimination Tizanidin wird nahezu vollständig durch Metaboliten eliminiert. Nur ca. 1% wird in unveränderter Form im Urin gefunden. Die Eliminationshalbwertzeit des Tizanidins beträgt 3–5 h.
Todd-Parese Synonyme
Anwendungsgebiete
Postiktuale Lähmung
Tizanidin wird in Dosen von 6–24 mg/d (auf 3– 4 Dosen verteilt oder als Retard-Präparat in einer Dosis) für die Langzeitbehandlung bei Multipler Sklerose, Hirninfarkt, Myelopathie und sonstigen Ursachen der Spastik eingesetzt. Die Behandlung sollte mit einschleichender Dosierung begonnen werden. In der Behandlung akuter, schmerzhafter Muskelspasmen und - verspannungen, z. B. nach Bandscheibenoperationen oder bei akuten Hals- und Lendenwirbelsyndromen kann Tizanidin in Dosen von 3-mal täglich 4 mg p. o. angewendet werden. Im Gegensatz zur Behandlung zentralspastischer Syndrome sollte Tizanidin als spinales Myotonolytikum nur für 6–20 Tage eingesetzt werden. Langzeitstudien liegen nicht vor.
Definition
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, KHK und unter einer Hypertoniebehandlung sollte Tizanidin nicht angewendet werden. Da Tizanidin die Plazentaschranke passiert und in die Mutter-
3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
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In ca. 6–10% der Fälle wird die Therapie wegen unerwünschter Wirkungen abgebrochen. Unter der Behandlung tritt häufig (ca. 30%) Müdigkeit und Schwindelgefühl auf. Bei höherer Dosis bzw. Überdosis können Ataxie, Verwirrtheitszustände, Angst, Halluzinationen, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit auftreten. Tizanidin senkt die Herzfrequenz und den Blutdruck. Dieser Effekt tritt vor allem im oberen therapeutischen Dosierungsbereich, bei bestehender Hypotonie oder bei gleichzeitiger antihypertensiver Therapie auf. Mundtrockenheit und Muskelschwäche treten häufig auf (ca. 30%).
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Unerwünschte Wirkungen
Über Minuten bis Stunden, selten länger (bis zu Wochen) anhaltende, reversible Parese unmittelbar nach einem epileptischen, in der Regel klonischen, seltener auch sensiblen Anfall. Als Pathogenese werden eine Erschöpfung der aktiven Neurone bzw. durch den Anfall ausgelöste Hemmvorgänge diskutiert.
Differenzialdiagnose Eine persistierende Parese nach einem Anfallsgeschehen (insbesondere Status epilepticus) spricht für eine anfallsbedingte organische (z. B. ischämische) Hirnläsion.
Therapie Spezielle Maßnahmen sind nicht erforderlich.
Tokopherol Synonyme Vitamin E, α-Tocopherol
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Viele verschiedene, z. B. E-Vitamin-ratiopharm® 400 Kps.
Wirkungen Antioxidans. Wirkungen jenseits der als Antioxidans sind bis heute nicht sicher. Ursache des seltenen Mangels sind meist angeborene oder erworbene Maldigestions- oder Malabsorptionssyndrome sowie A-β-Lipoproteinämie. Beispielsweise Kleinhirnatrophie kann in diesem Rahmen auftreten.
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Tolcapon
Pharmakologische Daten Tokopherol ist sehr unbeständig gegenüber Licht und Sauerstoff. Es ist unlöslich in Wasser. Die Resorption setzt die Anwesenheit von Gallensäuren voraus.
nale Beschwerden. Evtl. Senkung der Schilddrüsenhormone. Evtl. Vitamin K-antagonistischer Effekt bei gleichzeitiger oraler Antikoagulation.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Elimination 70–80% werden innerhalb einer Woche über die Leber ausgeschieden, der Rest erscheint in Form von Urinmetaboliten. Diese sind Glucuronide der Tocopheronsäure und ihres γ-Lactons. Andere Metaboliten chinoider Strukturen sowie Dimere und Trimere wurden in Geweben gefunden. Die biologische Halbwertzeit beträgt für Leber und Lunge 7–10 Tage, für Nervengewebe etwa das 10fache.
Anwendungsgebiete Vitamin E-Hypovitaminose. Einsatz bei verschiedenen neurodegenerativen Krankheiten im Rahmen von Studien. Bei hoffnungslosen Fällen neurodegenerativer Krankheiten im Einzelfall gerechtfertigt, ut aliquid fiat.
Dosierung/Anwendung
Wechselwirkungen Ggf. Verstärkung der Wirkung oraler Antikoagulantien.
Bewertung Echte Vitamin E-Hypovitaminosen sind sehr selten. Die Zahl der Präparate zeigt, dass das Geld bei anderen Krankheiten verdient wird.
Tolcapon Gebräuchliche Fertigarzneimittel Nur in der Schweiz, USA und einigen anderen Ländern zur Zeit unter speziellen Anwendungseinschränkungen zugelassen, Tasmar® in 100 mg und 200 mg Tabl.
Wirkungen COMT-Hemmer (Catecholamin-O-MethylTransferase-Hemmer.
Pharmakologische Daten HWZ um die 3 Stunden. Tolcapon hat eine viel höhere Affinität zu der COMT, eine höhere Bioverfügbarkeit und ist damit viel potenter als der andere COMT-Hemmer Entacapon. Tolcapon wird zu 60% über Faeces und zu 40% mit dem Urin ausgeschieden. Plasmaeiweißbindung 99,9%. Glukoronidierung erfolgt in der Leber.
Anwendungsgebiete COMT-Hemmer (Catecholamin-O-MethylTransferase-Hemmer). 3
Die intestinale Resorption folgt den Mechanismen für fettlösliche Vitamine; sie beträgt im physiologischen Bereich 25–60% und nimmt im höheren Dosierungsbereich ab. Der Prozess ist abhängig vom Fettgehalt der Nahrung sowie von der Anwesenheit von Gallensäuren und Pankreassaft. Über die Regulation der intrazellulären Verteilung des Vitamin E ist wenig bekannt. Vitamin E erscheint zunächst in Chylomikronen und ist dann hauptsächlich assoziiert mit den β-Lipoproteinen des Plasmas. Es gibt kein Organ mit einer spezifischen Speicherfunktion für Vitamin E, jedoch sind die größten Vorräte im Fettgewebe, in der Leber und im Muskel. Eine etwa 10fache Erhöhung der Einnahme von Tocopherol ist erforderlich für eine Verdoppelung der Plasmakonzentration. Die zirkadiane Schwankung der Plasmaspiegel ist schwach ausgeprägt. Der Plasmaspiegel steigt, begleitet von einer vermehrten Lipidperoxidation bei intensiver Muskeltätigkeit an, woraus ein gesteigerter Turn-over resultiert.
Engmaschige Kontrolle der INR bei oraler Antikoagulation.
3
Resorption
Dosierung/Anwendung 2–3×100 mg verteilt auf drei Einnahmenzeitpunkte.
200–800 mg/d, verteilt auf 1–2 Dosen.
Unerwünschte Wirkungen Bei hoher Dosierung gelegentlich gastrointesti-
COMT-Hemmer (Catecholamin-O-MethylTransferase-Hemmer). 3
Unerwünschte Wirkungen
Tollwut
Tolcapon (Tasmar®) wurde 1997 in Europa zugelassen. Seit November 1998 ruht in der EU im Gegensatz zur Schweiz und den USA die Zulassung für Tolcapon wegen Fällen von letaler Lebertoxizität. Derartiges gilt nicht für Entacapon. Die Einfuhr über die internationale Apotheke ist problematisch, da das BafArM die Zulassung nach der Empfehlung der Europäischen Zulassungsbehörde aktiv zurückgenommen hat.
3. Paralytisches Stadium mit schlaffen Lähmungen (20%). 4. Epileptische Anfälle werden in (10%) beobachtet. 3
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Die Enzephalitis führt in fast 100% zum Tod.
Diagnostik * * *
*
Tollwut Synonyme
*
Hundswut, Rabies, Lyssa, Hydrophobie
Definition Durch Hundebiss, selten durch Biss von Wolf, Fuchs oder Katze übertragene Virus- Enzephalitis. 3
Einleitung Das Tollwutvirus ist ein zur Familie der Rhaboviridae gehörendes RNA-Virus, das sich bei Bisskontakt über den Speichel, es sind seltene Fälle der Übertragung durch Inhalation eines virushaltigen Aerosols berichtet worden, aufgrund seiner hohen Affinität zum Nervensystem über sensible Fasern zentripedal zum ZNS ausbreitet. Die Inkubationszeit ist variabel und beträgt 2 Wochen bis 4 Monate, selten bis zu einem Jahr. Nach Vermehrung im Muskelgewebe gelangt es über intramuskuläre Nervenendigungen durch retrograden axonalen Transport ins Rückenmark und schließlich ins ZNS. Neuropathologische Prädilektionsstelle der Enzephalitis sind das Di- und Mesenzephalon sowie das limbische System. Histologisches Charakteristikum sind die sogenannten NegriEinschlusskörperchen. Klinisch führend sind: 1. Prodromalstadium: Allgemeinsymptome. 2. Exzitationsstadium: 50% der Betroffenen beschreiben Dysästhesien im Bereich der Bissstelle, psychopathologische Veränderungen mit Wesensänderung, Agressivität, Vigilanzstörungen und Überempfindlichkeit der Sinnesreize, charakteristisch sind Hydround Aerophobie (50–90%).
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Bissanamnese, die infizierten Tiere sind meist verhaltensgeändert auffällig. Klinik. Nachweis des Virus im Liquor, Speichel, Tränenflüssigkeit, Hirngewebe im Tierversuch oder in Zellkulturen. Nachweis der Negri-Körperchen (pathognomonische intraplasmatischen Einschlusskörperchen, insbesondere im Ammonshorn). Innerhalb des Beobachtungszeitraumes von 10 Tagen sollte das verdächtige Tier auf humane Weise getötet und eine sofortige Gewebeuntersuchung durchgeführt werden.
Therapie Jede Tollwutexposition bedeutet Lebensgefahr, eine Postexpositionsprophylaxe wird gemäß der Empfehlungen der WHO durchgeführt, die sich am Maß der Exposition (Belecken oder Biss) und dem Verhalten des verdächtigen Tieres (akut und nach 10 Tagen) orientiert. empirisch Aktive Immunisierung (AI): Rabivac® (1 ml enthält inaktiviertes Tollwutvirus ≥2,5 I.E.): i. m.-Injektion postexpositionell an den Tagen 0, 3, 7, 14, 30 (fakultativ auch nach 90 Tagen). Passive Immunisierung (PI): Berirab® (1 ml enthält Immunglobulin vom Menschen 100–170 mg mit Antikörpern gegen Tollwutvirus 150 I.E): i. m.-Injektion einmalig 20 I.E./kgKG mit Infiltration der Hälfte der Menge um die Bissstelle herum, der Rest i. m. Die Injektionen sollten in den Musculus deltoideus, bei Kindern in den Musculus quadriceps erfolgen (vgl. Tab. 1).
Bewertung Durch Auslegen von Impfködern ist es in Deutschland zu einem deutlichen Rückgang der Tollwutfälle gekommen (durchschnittlich 1–3 Fälle pro Jahr). Die Mehrzahl der weltweit 50–60.000 Todesfälle werden aufgrund infizier-
T
1260
Tonsillenherniation
Tollwut. Tab. 1: Impfvorgehen (WHO-Empfehlungen) bei Tollwut oder Tollwutverdacht Expositionsform
Situation des Tieres Initial
Kein sicherer direkter Kontakt, keine Verletzung
Empfohlene Therapie Erste 10Tage
Tollwütig
Keine
Hautleckkontakt, Kratzwunde, Verdacht auf Tollwut leichter Biss an bedeckter Körperstelle
Gesund
AI, ggf. Abbruch nach 5 Tagen
Tollwütig
AI sofort, PI nach Tollwutdiagnose
Tollwütig
PI und AI
Schleimhautleckkontakt, große Tollwütig oder Verdacht bzw. mehrere Bisse auf Tollwut oder Tier nicht greifbar
PI und AI, ggf. Abbruch nach 5 Tagen, wenn Tier gesund
ter streunender Hunde verursacht (insbesondere in Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien sowie Osteuropa). Die Gefahr einer Erkrankung (zwischen 10 und nahezu 100%) ist umso höher, je näher die Bissstelle am ZNS liegt und je schwerer die Verletzung ist.
gen kommen bei großen Raumforderungen (Tumoren, Hirnödem bei Entzündungen oder malignen Infarkten oder bei Liquorzirkulationsstörungen) vor. Zur Diagnostik erfolgt eine kraniale Bildgebung (CCT oder MRT).
Prognose
Prophylaxe
Unter allen Infektionskrankheiten steht die Rabies-Mortalität an zehnter Stelle weltweit, die Mortalität variiert zwischen 0,001/100.000 in den Vereinigten Staaten und 18/100.000 in Äthiopien. In seltenen Fällen kann die Enzephalitis überlebt werden, überwiegend verläuft sie in 100% tödlich.
Frühzeitig einsetzendes Monitoring der Patienten mit malignen Läsionen, sowie frühzeitige antiödematöse oder neurochirurgische Therapie, z. B. Anlage einer externen Ventrikeldrainage.
Tonsillenherniation
Therapie gesichert In Falle der erfolgten Herniation der Kleinhirntonsillen bleibt nur die sofortige neurochirurgische Dekompressionsoperation als mögliche Therapieoption.
Definition Einklemmung der Kleinhirntonsillen im Foramen magnum mit konsekutivem Druck auf den Hirnstamm.
„Top of the basilar“-Syndrom
Einleitung
Synonyme
Zur Tonsillenherniation kommt es bei nicht mehr kompensierbaren intrakraniellen Drucksteigerungen im Rahmen von supra- oder infratentoriellen Läsionen. Sie stellen eine akut lebensbedrohliche Situation dar und bedürfen sofortiger neurochirurgischer Intervention. Die nicht mehr kompensierbaren Drucksteigerun-
Basilariskopfthrombose, Verschluss des Basilariskopfes, Thrombose des Basilariskopfes
Definition Kommt es zu einer isolierten Thrombose im Bereich des Basilariskopfes resultiert ein charakteristisches klinisches Syndrom, das durch
Topiramat
Pharmakologische Daten Gute orale Bioverfügbarkeit mit 80–95%, Plasmaeiweißbindung ca. 15%. Maximale Serumspiegel 1–4 h nach Einnahme. Bei einer Eliminationshalbwertszeit von ca. 20–30 h Steady State nach ca. 4–6 d erreicht. Lineare Pharmakokinetik. Ausscheidung zu 50–70% hepatisch und zu 40–60% renal.
Anwendungsgebiete In klinischen Studien zeigte sich Topiramat als effektiv in Kombinations- und auch Monotherapie therapierefraktärer fokal beginnender Anfälle ( Anfall, fokaler) bei Erwachsenen und Kindern (Anfallsreduktion ≥50% bei ca. 40– 50% der Patienten). Weiterhin konnte auch die Wirksamkeit bei primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und Sturzanfällen ( Anfall, Sturzanfall) beim Lennox-GastautSyndrom belegt werden [1]. 3
3
Klinik: Visuelle Störungen, Störungen der Okulomotorik sowie neuropsychologische Defizite, typischerweise meist ohne höhergradiges sensomotorisches Defizit. Je nach Lokalisation der Infarzierung unterscheidet man spezielle Syndrome: 1. Rostraler Hirnstamm: * Okulomotorik: Störungen der vertikalen Okulomotorik (Blickparese), Konvergenzstörungen, meist bilaterale Abduktionsstörung, Collier-Zeichen (hochgezogenes Lid, ein- und beidseitig), „skew deviation“ (selten). * Okulomotoriusparese. * Pupillomotorik: Dienzephale Störung (enge Pupillen, schwache Lichtreaktion). * Somnolenz, Halluzinationen, Hypersomnolenz bei bilateraler Thalamusschädigung. 2. Posterior-Stromgebiet: * Sehstörungen: Inkomplette/komplette Hemianopsie, zum Teil visueller Neglect. * Neuropsychologische Defizite: Aphasie, Agnosie, Alexie, Agraphie, etc. 3. Bilaterale Ischämie: * Kortikale Blindheit. * Blickapraxie. * Gedächtnisstörungen, v. a. Kurzzeitgedächtnis. * Agitiation.
Komplexer Wirkmechanismus, wobei als wesentliche Effekte eine spannungsabhängige Blockierung der Natriumkanäle, eine Erhöhung des GABA-rezeptorvermittelten Chlorideinstroms und eine Antagonisierung der Glutamatwirkung durch Interaktion mit NMDA- und AMPA-Rezeptoren angesehen werden. Die carboanhydrasehemmende Wirkung der Substanz spielt für die antiepileptische Potenz wahrscheinlich keine Rolle und wird für Nebenwirkungen wie Parästhesien und erhöhte Inzidenz von Nierensteinen verantwortlich gemacht.
3
Einleitung
Wirkungen
3
ischämische Infarkte im Mesenzephalon sowie bilateral im paramedianen Thalamus sowie Temporal- und Okkzipitallappen hervorgerufen wird.
1261
Dosierung/Anwendung
Synonyme
Zur Vermeidung zentralnervöser Nebenwirkungen einschleichende Verabreichung obligat. Beginn der Behandlung mit 25 mg/d, verteilt auf 2 Einzeldosen, langsame Titration mit wöchentlicher Steigerung um 25–50 mg. Erhaltungsdosis in der Regel 100–200(–400) mg. Gelegentlich sind höhere Dosen von bis zu 800 mg erforderlich.
2,3:4,5-bis-O-(1-Methylethyliden)-β-D-Fructopyranose-Sulfamat
Unerwünschte Wirkungen
3
Basilaristhrombose,
Hirninfarkt
3
Topiramat
Zubereitungen Filmtabletten zur oralen Verabreichung.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Topamax® Filmtabletten à 25, 50, 100 und 200 mg.
Vor allem zu Therapiebeginn und bei zu rascher Dosissteigerung zentralnervöse Nebenwirkungen wie Müdigkeit, psychomotorische Verlangsamung, Konzentrationsstörung, Depression, Schwindel, Ataxie, Doppelbilder und Blickrichtungsnystagmus. Seltener sind Sprachund Sprechstörungen sowie Parästhesien.
T
Torticollis spasmodicus
Diese Nebenwirkungen sind eher dosisabhängig und können durch ein sehr langsames Aufdosieren vermieden werden. Gewichtsverlust von im Mittel 1,6–6,5 kg bei bis zu 10% der Patienten, wobei das Maximum der Gewichtsabnahme in den ersten 12 bis 18 Behandlungsmonaten zu erwarten ist, und anschließend häufig eine Stabilisierung beobachtet wird. Bei psychiatrischen Vorerkrankungen sollte beachtet werden, dass in verschiedenen Studien über eine verhältnismäßig hohe Inzidenz (6–12%) von Psychosen und aggressivem Verhalten berichtet wurde [2, 3].
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Da bei ca. 1,5% der mit Topiramat behandelten Patienten Nierensteine beobachtet wurden, ist bei entsprechender Veranlagung bzw. positiver Familienanamnese auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Vermeidung hoher Vitamin CDosen zu achten. Da Topiramat im Tierversuch teratogen wirkt, sollte bei Frauen im gebährfähigen Alter eine wirksame Kontrazeption vorliegen.
3. Crawford P (1998). An audit of topiramate use in a general neurology clinic. Seizure 7:207–211.
Torticollis spasmodicus Synonyme 3
Zervikale Dystonie, „spastischer Schiefhals“
Definition Torticollis spasmodicus wurde lange Zeit als Kankheitsentität analog dem heute gebräuchlicheren Überbegriff der zervikalen Dystonie verwendet. Im engeren Sinne wird damit heute die häufigste Form der zervikalen Dystonie bezeichnet, den sogenannten „rotatorischen Tortikollis“ mit dominierender Bewegungskomponente einer Kopfdrehung auf eine Seite aufgrund von tonischen oder phasischen Spasmen der Hals- und Nackenmuskulatur.
Toxische Myopathien 3
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3
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Bewertung Entsprechend den bisherigen Studien ist Topiramat ein relativ stark wirksames neues Antiepileptikum mit günstigem pharmakokinetischen Profil und der gegenwärtigen Hauptindikation in der Add-on-Behandlung therapierefraktärer fokaler und generalisierter Epilepsien.
Literatur 1. Glauser TA (1999). Topiramate. Epilepsia 40 Suppl, 5:S71–80. 2. Khan A, Faught E, Gilliam F, Kuzniecky R (1999). Acute psychotic symptoms induced by topiramate. Seizure 8:235–237.
Definition Myopathie im Rahmen einer Arzneitherapie oder im Rahmen eine akuten oder chronischen Intoxikation.
Einleitung Myopathien sind keine ungewöhnlichen Nebenwirkung einer Arzneitherapie und sie sind auch nicht selten bei akuten und chronischen Intoxikationen. Hauptsymptom sind proximale Paresen (Gliedergürtelsyndrom). Die CK kann normal oder erhöht sein. Toxische Myopathien können eingeteilt werden nach dem Vorhandensein einer Polyneuropathie und nach dem Vorhandensein von Myalgien sowie nach histologischen Befunden. In seltenen Fällen kann es zu Rhabdomyolyse oder auch zu relevanter Herzbeteiligung kommen. Unter den Myopathien ohne Myalgien entwickelt sich die Steroidmyopathie ohne zusätzliche Neuropathie, die Myopathie unter Alkohol ( Myopathie, Alkoholfolgekrankheiten), Colchicin und Chloroquin mit Neuropathie und die Myopathie unter D-Penicillamin, einigen Antibiotika und Beta-Blockern teils mit myasthenen Symptomen. Die anderen toxischen Myopathien gehen geh3
Die Halbwertszeit von Topiramat wird durch enzyminduzierende Antiepileptika wie Carbamazepin, Phenytoin und Barbiturate herabgesetzt. Topiramat bedingt keine stärkere Veränderung der Serumkonzentration anderer Antiepileptika, abgesehen von einer meist nicht relevanten Erhöhung von Phenytoin bzw. Erniedrigung von Valproinsäure. Topiramat führt zu herabgesetzten Östrogenspiegeln, weswegen zur Kontrazeption Präparate mit mindestens 35 μg Ethinylöstradiol eingesetzt werden sollten.
3
Wechselwirkungen
3
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Toxoplasmose
Vermeidung des oder der ursächlichen Toxine. Ggf. Ersatz durch nicht muskeltoxische Medikamente.
Bewertung Vor allem bei der Therapie mit Statinen, Ciclosporin und Colchicin sollte im Verlauf auf Symptome einer Myopathie geachtet werden.
Einleitung Im deutschsprachigen Raum ist eine hohe Durchseuchung mit starken regionalen Schwankungen (hohe Rate in ländlichen Regionen und parallel mit dem Lebensalter ansteigend) zwischen 50–80% serologisch nachgewiesen. Der Erreger lebt intrazellulär als Einzelparasit oder in (Pseudo-)Zysten. Die Infektion des Menschen erfolgt 1. Durch Aufnahme von Zysten mit Nahrungsmitteln (Fleisch, Eier). 2. Oozysteninfektion mit Katzenkot. 3. Pränatal (diaplazentar) Nach Penetration der Darmwand breiten sich die aufgenommenen Toxoplasmen hämatogen aus und befallen die Muskulatur und das ZNS. Besonders in der Fetalperiode und im Kleinkindalter besteht eine hohe Affinität zum ZNS. Die akute Infektion verläuft bei immunkompetenten Menschen in der Regel klinisch inapparent, heilt innerhalb weniger Monate spontan aus oder geht in ein chronisches Latenzstadium über. Bei immunsupprimierten Patienten ( AIDS, Neoplasmen, Transplantation) kommt es zu einer schweren Infektion meist durch eine endogene Reaktivierung. Im Vordergrund stehen Pneumonie, Myokarditis, Myositis und Chorioretinitis. An neurologischen Manifestationen können sich eine Meningitis, (Meningo-) Enzephalits und Abszesse entwickeln. Insbesondere bei HIVPatienten kann es zu einer chronische Enzephalopathie mit hirnorganischem Psychosyndrom, fokal-neurologischen Ausfällen und epileptischen Anfällen kommen. Die konnatale Toxoplasmose führt bei etwa 40% der Säuglinge zu Chorioretinitis (70%), disseminierte intraranielle Verkalkungen (35%), Mikrozephalie (20%), Hydrocephalus occlusus (20%) und Epilepsie (30–40%). Wichtigste Differenzialdiagnose ist das primäre ZNS- Lymphom. 3
Therapie
Durch Infektion mit Toxoplasma gondii hervorgerufene Zoonose.
3
Klinische Untersuchung, Na, K, Ca, CK, NLG, EMG, ggf. Muskelbiopsie.
Definition
3
3
Diagnostik
Toxoplasmose
3
äuft, aber keineswegs immer mit Myalgien einher. Diese können mit Polymyositis verlaufen (D-Penicillamin, Cimethidin, Zidovudine) oder ohne Polymyositis (Clofibrat, Statine, Ciclosporin). Vor allem Kombinationen verschiedener Arzneimittel, die Myopathien induzieren können, verursachen z. T. schwere Myopathien: Fibrate und Statine, Colchicin und Statine, Colchicin und Ciclosporin. Niereninsuffizienz und Immunsuppression nach einer Organtransplantation sind als Risikofaktoren wichtig. Histologisch verursachen einige Toxine vakuoläre myopathische Veränderungen (Cloroquine, Colchicin, Amiodarone, Ciclosporin, Fibrate, Statine), manche mitochondriale Auffälligkeiten (Zidovudin, Azidothymidin (AZT)-Myopathie) oder eine nekrotisierende Myopathie (Vincristin). Die Pathogenese ist unterschiedlich. Colchicin ist z. B. ein Hemmstoff der Polymerisation von Mikrotubuli.
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3
3
Personen, die ungewöhnliche Pflanzen sammeln, sollten sich bewusst sein, dass es zu Verwechslungen kommen kann. Uns ist ein Fall erinnerlich, in dem eine Patientin Bärlauch sammeln wollte und sich eine schwere Intoxikation mit Herbstzeitlose (Colchicum) zuzog.
3
Diätetik/Lebensgewohnheiten
3
In der Regel rasche Besserung nach Absetzen des auslösenden Toxins.
3
Prognose
Diagnostik *
Klinik.
T
*
*
*
Im Liquor lymphomonozytäre Pleozytose (Zellzahlen bis zu mehreren Tausend/μ) und geringe Eiweißerhöhung. Der mikroskopische Erregernachweis gelingt nur selten, serologische Tests sind wegen der hohen Durchseuchung ohne diagnostischen Wert, bei immunkompetenten Patienten bleibt der IgM-Anstieg häufig aus. In der zerebralen Bildgebung (CCT und kraniales MRT) Nachweis multipler (selten solitärer) Läsionen in den Stammganglien, Marklager und auch infratentoriell mit Zeichen der Raumforderung und zum Teil ringförmiger Kontrastmittelanreicherung. Je nach Lokalisation kann eine Hirnbiopsie erwogen werden.
Therapie Eine Therapie ist bei immunkompetenten Patienten nicht erforderlich. Therapie der Wahl ist die Kombination von Primethamin und Sulfadiazin. Zur Verminderung einer Thrombopenie unter Primethamin wird zusätzlich mit Folinsäure behandelt. (Folsäure verhindert die Wirkung von Primethamin auf Toxoplasma gondii, Folinsäure nicht!). Die Behandlungsdauer der akuten ZNS-Toxoplasmose beträgt 4–6 Wochen, bei AIDS wird eine lebenslange Behandlung mit reduzierter Dosierung des Primethamin weitergeführt. gesichert Keine gesicherten Daten vorliegend. empirisch *
*
*
Primethamin (Daraprim®) 100 mg/die p. o. für 4–6 Wochen, dann 50 mg/die plus Sulfadiazin (Sulfadiazin-Heyl®) 4 g/die p. o. plusFolinsäure (Rescuvorin®): 15 mg/die p. o. Alternativ kann statt Sulfadiazin (z. B. bei Sulfonamid-Allergie): Clindamycin (Clindhexal®) 4×600 mg/die p. o. eingesetzt werden. Alternativ: Cotrimoxazol-Monotherapie (Cotrim-Diolan® forte): 4×2 Ampullen i. v.
Nachsorge Als Komplikation kann es zu Zeichen des Hirndrucks (Therapie: Dexamathason 4×4– 8 mg i. v.) und zu epileptischen Anfällen (Therapie: Cloazepam oder Gabapentin, alle
anderen Antikonvulsiva HAART) kommen.
interagieren
mit
Bewertung Die ZNS-Toxoplasmose ist die häufigste opportunistische Infektion bei Patienten mit AIDS, die sich bei 20% aller Patienten im Krankheitsverlauf entwickelt.
Prognose Bei immunkompetenten Patienten verläuft die Erkrankung klinisch inapparent und erfordert keine Therapie. Bei Immunsupprimierten mit schwerer Infektion besteht trotz initial gutem klinischen und radiologischen Ansprechen auf die Therapie eine Letalität von 80–90%. Ebenfalls ungünstige Prognose für die konnatale Toxoplasmose, mehr als 50% der Säuglinge sterben innerhalb weniger Wochen. Bei den Überlebenden finden sich schwere Residuen mit körperlicher und geistiger Retardierung, Epilepsie, Taubheit und Visusstörungen. 3
*
TPA-Alteplase
3
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TPA-Alteplase Wirkungen t-PA (= Gewebeplasminogenaktivator) ist der bedeutendste physiologische Aktivator der Fibrinolyse. t-PA wird von Endothelzellen synthetisiert, ist in den meisten menschlichen Organen und Geweben enthalten und kann nach Stimulation (z. B. durch physischen oder psychischen Stress, venöse Stauung oder Infusion vasoaktiver Substanz) als aktives einkettiges Molekül aus den Endothelzellen freigesetzt werden. Für die klinische Anwendung steht heute biotechnologisch produzierter rekombinanter t-PA zur Verfügung. Durch t-PA wird im Plasminogenmolekül eine Arg560-Val561-Bindung gespalten, so dass Plasmin entsteht. Plasmin seinerseits bewirkt durch proteolytische Spaltung einer Arg-Ile-Bindung die Entstehung eines zweikettigen t-PA, der vorwiegend an niedrigaffine Bindungsstellen des Fibrins bindet und ebenfalls fibrinolytisch aktiv ist. Plasmin selbst katalysiert die Hydrolyse eines breiten Spektrums von Peptidbindungen; es bewirkt sowohl den Abbau von Fibrin, aber auch von Fibrinogen und anderen Gerinnungsfaktoren. t-PA wird nur auf bestimmte Reize und selektiv am Ort von Fibrinablagerungen oder Thromben aus
3
3
TPA-Alteplase
den Endothelzellen in das Blut freigesetzt. In Abwesenheit von Fibrin ist t-PA nur ein sehr schwach wirksamer Plasminogenaktivator und wird darüber hinaus durch Inhibitoren schnell inaktiviert und über die Leber eliminiert. Der wichtigste Plasmainhibitor von t-PA ist der „plasminogen activator inhibitor 1“ (PAI-1), ein Serinproteaseninhibitor, dessen Produktion und/oder Freisetzung aus verschiedenen Zellen durch unterschiedliche Stimuli (u. a. Thrombin) reguliert wird und der sowohl die ein- als auch die zweikettige Form von t-PA inaktiviert. Die Aktivität von t-PA ist bei Anwesenheit von Fibrin aufgrund einer stark erhöhten Affinität zum Substrat um das 1.000–1.500fache größer, was durch die Bildung eines thermodynamisch stabileren ternären Komplexes aus Fibrin, Plasminogen und t-PA bedingt ist. Die hohe Affinität von t-PA zum Plasminogen in Anwesenheit von Fibrin bewirkt eine effektive lokale Aktivierung der Fibrinolyse, während die Plasminogenaktivierung durch t-PA im Plasma vergleichbar gering ist. Aufgrund der fibrin-selektiven Wirkung von t-PA und der daraus resultierenden Konzentration der Wirkung direkt am Thrombus werden im Blut zirkulierendes Fibrinogen und andere Plasmaproteine in geringerem Ausmaß gespalten.
Resorption t-PA ist aufgrund seines Wirkungsmechanismus und der klinischen Indikation ausschließlich zur i. v. Applikation vorgesehen.
Elimination Die schnelle Elimination von t-PA erfolgt nahezu ausschließlich über die Leber, wobei sowohl ein proteinvermittelter Abbau über Hepatozyten als auch ein carbohydrat-vermittelter Abbau über Endothelzellen von Bedeutung sind. Obwohl noch kein Rezeptor für t-PA identifiziert werden konnte, schließt die für die schnelle Clearance von t-PA verantwortliche schnelle Aufnahme des Arzneistoffs in die Leber wahr-
TPA-Alteplase. Abb. 1: Schema der Fibrinolyse
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scheinlich eine rezeptor-vermittelte Endozytose sowie eine lysosomale Spaltung ein. t-PA wird proteolytisch zu Aminosäuren abgebaut, die keine pharmakologische oder toxikologische Aktivität besitzen. Aufgrund der hepatischen Elimination ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz keine Beeinflussung der Pharmakokinetik von t-PA zu erwarten.
Anwendungsgebiete Eine der wichtigsten Indikationen für die klinische Anwendung von t-PA ist die Behandlung des akuten Myokardinfarkts. Weitere Anwendungsgebiete für t-PA sind die systemische Lyse beim Hirninfarkt, Behandlung tiefer Venenthrombosen und pulmonaler Embolien. Für die Therapie der genannten Krankheitsbilder wird t-PA aufgrund seiner pharmakologischen Eigenschaften i. v. als Bolusinjektion mit folgender Infusion gegeben.
Unerwünschte Wirkungen Aufgrund der thrombolytischen Wirkung können bei der therapeutischen von t-PA Blutungskomplikationen auftreten, die durch den Einfluss des Thrombolytikums auf das Gerinnungssystem, die Gefäßwand und den hämostatischen Pfropf bedingt sind, wobei eine zusätzliche Therapie mit Antikoagulantien oder Plättchenfunktionshemmstoffen die Blutungsneigung verstärken kann. Dabei kann es sich um Blutungen an Punktionsstellen, im Gastrointestinaltrakt, um Hämaturie oder Zahnfleisch- und Nasenbluten handeln. Intrakranielle Blutungen: Inzidenz bei der Behandling des akuten Myokardinfarkts 0,4–0,7%.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung t-PA sollte nicht angewendet werden bei Patienten mit hämorrhagischen Diathesen, oraler Antikoagulantientherapie, nachgewiesenem Ulcus duodeni oder ventriculi, Colitis, Ösophagusvarizen, Aortenaneurysmen, massiver arterieller
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Tramadol
Hypertonie, kurz zurückliegenden Traumen oder Operationen, metastasierenden malignen Erkrankungen, arteriovenösen Missbildungen, in der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt [23].
Wechselwirkungen Bei vorbestehender Einnahme oraler Antikoagulantien oder Aggregationshemmern kann die Blutungsgefahr erhöht sein. Siehe auch Thrombolyse.
Resorption Tramadol wird nach einmaliger peroraler Gabe mit einer Bioverfügbarkeit von 68% resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 1,5–2 h erreicht. Bei wiederholter Applikation liegt die Bioverfügbarkeit noch höher, wahrscheinlich durch die Sättigung des First-PassEffektes. Bei rektaler Anwendung beträgt die Bioverfügbarkeit 78%. Tramadol verteilt sich in verschiedenen Geweben mit einer Halbwertzeit von 1,7 h. Plasmaeiweißbindung 20%.
3
Elimination
Tramadol Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Amadol® Kps., Tropfen, Ret.kps. Tramal® Kps., Tbl., Supp., - long Ret.tbl., Inj. lösg. Tramundin® Kps., Filmtbl., Tropfen, Supp.
Wirkungen Tramadol ist ein Opioid-Analgetikum mit einer analgetischen Potenz und Wirkungsstärke, die der von Codein, Dextropropoxyphen oder Pentazocin entspricht und deutlich geringer ist als die von Morphin oder Buprenorphin. Tramadol hat eine relativ schwache Affinität zu OpioidRezeptoren. Tramadol und sein Hauptmetabolit (O-Desmethyl-Tramadol) hemmen die präsynaptische Aufnahme von Noradrenalin (und Serotonin) in zentralnervösen Strukturen und stimulieren gleichzeitig die Freisetzungsreaktion für Noradrenalin. Diese Effekte könnten die Nicht-Opioid-Komponente der Analgesie erklären, da α-adrenerge Aktivierung, insbesondere die zentrale α2-adrenerge Stimulation ( Clonidin) in vielen Untersuchungen eine deutliche analgetische Wirkung entfaltet und Synergismus mit der Opioid-Wirkung beschrieben wurde. Ein Hauptmetabolit des Tramadols, O-Desmethyl-Tramadol ist auch analgetisch wirksam und hat eine höhere Affinität (ca. 10fach) zu Opioid-Rezeptoren als Tramadol. Wie andere Opioide hat Tramadol eine antitussive Wirkung, ist in hohen Dosen atemdepressiv durch Abnahme der zentralen CO2-Empfindlichkeit des Atemzentrums, wirkt spasmogen an Gallengängen (Anstieg des intrabiliären Druckes) und am Darmtrakt (spastische Obstipation).
Tramadol wird überwiegend durch Metabolisierung in der Leber eliminiert und die Metaboliten mit dem Urin ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertzeit nach einer Einzeldosis bei gesunden Probanden war 5,1–5,9 h. Hauptmetabolit des Tramadols sind O-Desmethyl-Tramadol, N-Desmethyl-Tramadol und die entsprechenden Konjugate. Einzig der Metabolit O-Desmethyl-Tramadol hat selbst analgetische Wirksamkeit.
Anwendungsgebiete Tramadol wird in oralen Dosis von 2–4-mal täglich 100 mg für die Behandlung leichter und mittelschwerer akuter und chronischer Schmerzen nach Verletzungen und Operationen, bei Nervenschmerzen und Schmerzen, die vom Skelettsystem ausgehen, eingesetzt. Die i. v. (langsam über 2 min) und i. m. Anwendung ist möglich. Tramadol ist generell dann indiziert, wenn Nicht-Opioid-Analgetika nicht ausreichend wirksam sind und stark wirksame Opioide wie Morphin (noch) nicht notwendig sind. In der analgetischen Wirksamkeit entspricht Tramadol dem Codein oder Pentazocin. Gegenüber diesen hat Tramadol möglicherweise den Vorteil, dass die unerwünschte Wirkungen weniger ausgeprägt sind.
Unerwünschte Wirkungen Tramadol hat die typischen unerwünschten Wirkungen der Opioid-Analgetika vom Typ des Morphins. Zittern, Benommenheit, Unruhe, Sedierung, Euphorie oder Dysphorie. Gelegentlich Tachykardie. Selten orthostatische Dysregulation. Atemdepressionen auch bei analgetischen Dosen sind intra- und postoperativ beobachtet worden, die mit Naloxon voll reversibel waren. Übelkeit, Erbrechen (<1%), Obstipation (<1%).
3
Transkortikale motorische/sensorische Aphasie
Abhängigkeitspotential Nach Studien an Ex-Opiatabhängigen und nach bisherigen epidemiologischen Erfahrungen scheint das Abhängigkeitspotential des Tramadols gering zu sein.
Unerwünschte Wirkungen
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen
Benzodiazepine
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung 3 3
Benzodiazepine
Benzodiazepine
Bewertung 3
Tranquilizer
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Die wiederholte Gabe von Carbamazepin beschleunigt Metabolismus und Elimination von Tramadol. Dies scheint auch für Cimetidin zuzutreffen.
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Benzodiazepine
Transkortikale motorische/ sensorische Aphasie
Synonyme Tranquillanzien, Tranquillantia, Ataraktika, Anxioloytika
Definition
Zubereitungen
Seltene Störungen der Sprache ( Sprache, Störung) mit dem gemeinsamen Merkmal des gut erhaltenen Nachsprechens.
Präparate zur oralen und parenteralen Verabreichung.
Einleitung
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Wirkungen Dämpfung von Angst, Spannungszuständen und Zwangsvorstellungen sowie Sedation durch Herabsetzung gesteigerter Aktivität und Abschirmung exogener Reize. Toleranzentwicklung bei allen Substanzen dieser Gruppe.
Pharmakologische Daten Benzodiazepine.
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Anwendungsgebiete Einsatz bei psychoreaktiven Störungen und psychogenen Entwicklungen, bei denen affektive Komponenten oder psychovegetative Symptome im Vordergrund stehen. Therapieziel ist die zeitlich begrenzte Dämpfung von Angst, Spannung und Erregung. Adjuvanter Einsatz zur Behandlung depressiver Erkrankungsbilder. Weitere Einsatzgebiete und Einzelheiten, Benzodiazepine. 3
Dosierung/Anwendung Benzodiazepine
Es wird vermutet, dass bei Patienten mit transkortikaler Aphasie die formalen Sprachfunktionen erhalten sind, jedoch die Verbindungen zu begrifflichem Verarbeiten ganz oder teilweise gestört sind. 1. Die transkortikale motorische Aphasie ist durch eine stark reduzierte oder gar vollständig aufgehobene Spontansprache bei promptem und gut artikuliertem Nachsprechen mit erhaltener Syntax charakterisiert. Das Sprachverständnis ist erhalten, die Patienten können laut lesen. Die Läsionen werden in unmittelbarer Nachbarschaft zu der BrocaRegion bzw. der supplementär motorischen Area angenommen. Eine rasche Rückbildung dieser Aphasie-Form wird beschrieben. 2. Patienten mit transkortikaler sensorischer Aphasie haben eine flüssige Sprachproduktion mit Störungsmerkmalen ähnlich der Wernicke-Aphasie mit vorwiegend semantischen Paraphrasien bei stark gestörtem Sprachverständnis und Benennungsstörung. Der Sinn des Nachgesprochenen wird nicht verstanden. Die Läsionen betreffen häufig das temporookzipitale Marklager. Ein Auftreten dieser Aphasie-Form ist bei der Rückbildung einer Wernicke-Aphasie möglich. 3. Patienten mit einer gemischten transkortikalen Aphasie zeigen ein gutes Nachsprechen 3
Bespar® Tabletten à 5, 10 mg, ansonsten Benzodiazepine.
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Gebräuchliche Fertigarzneimittel
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Translationstrauma
bei geringer, nicht flüssiger Sprachproduktion und schlechtem Sprachverständnis. Lokalisatorisch werden multifokale Läsionen in der perisylvischen Sprachregion angenommen, das gut erhaltene Nachsprechen könnte eine Kompensationsleistung der rechten Hemisphäre sein.
Translationstrauma Definition Lineare Beschleunigung mit Stoßrichtung durch den Schwerpunkt des Kopfes bei Schädel-Hirn-Trauma. 3
Grundlagen Gewebsschäden mit subarachnoidalen Rhexisblutungen und nachfolgenden Gewebsnekrosen, die vorwiegend an der dem Stoß abgewandten Seite als sog. „Contrecoup“ auftreten und durch lokalen Unterdruck und damit Sog am Gegenpol erklärt werden können.
Transversalsyndrom Querschnittslähmung, komplette
3
Tremor Definition Tremor stellt eine Bewegungsstörung dar, die rhythmisch, oszillierend (sinusoidal) und annähernd amplitudengleich ist.
Die Prävalenz der Parkinson-Krankheit im engeren Sinne beträgt hingegen nur 1–2% bei den über 65-Jährigen. Je nach Studie weisen 0,31–1,7% der Allgemeinbevölkerung einen essentiellen Tremor auf. Diese Prävalenz nimmt mit dem Alter bei über 40-Jährigen mit 5,5% und bei über 70Jährigen mit 12,5% erheblich zu. Tremor kann zu erheblicher Behinderung und völligem sozialen Rückzug führen. Die Bewegungen sind entweder auf reziprok alternierende oder synchrone Kontraktionen von antagonistischen Muskeln zurückzuführen. Tremor lässt sich nach seiner Ätiologie, seinen Aktivierungsbedingungen, seiner Frequenz und seiner topologischen Verteilung klassifizieren. Klinisch am wichtigsten ist die Unterscheidung nach den Aktivierungsbedingungen zwischen einem Ruhe-, und Aktionstremor (Halte- und kinetischer Tremor), denn ein 4–6 Hz Ruhetremor ist charakteristisch für das Parkinson-Syndrom und erfordert eine grundsätzlich andere Therapie als der essentielle Tremor, dessen Leitsymptom in erster Linie der Haltetremor darstellt. Die häufigste Tremorform, der essentielle Tremor in der älteren Bevölkerung wird oftmals als „seniler Tremor“ bezeichnet. Die Bezeichnung seniler Tremor ist obsolet und irreführend, weil sie suggeriert, dass es sich um eine eigenständige Tremorform handelt. Bei genauer Untersuchung lässt sich der Tremor auch bei betagten Menschen einem Ruhetremor und/oder Haltetremor mit entsprechender differentieller Therapie zuordnen. Bei Mischsyndromen sind atypische Varianten eines essentiellen Tremors und ein beginnendes Parkinson-Syndrom bei eventuell vorbestehendem essentiellen Tremor anzunehmen. Nicht selten lassen sich Neuroleptika als kausative Faktoren eruieren.
Einleitung Diagnostik 3
Tremor ist ein häufiges und vielschichtiges klinisches Problem. So tritt Tremor zum einen physiologisch, z. B. bei Angst auf. Zum anderen ist Tremor ein Symptom bzw. Syndrom bei vielen neurologischen und internistischen Erkrankungen, z. B. Schilddrüsenaffektionen. Schließlich verursachen viele Medikamente (Lithium!, praktisch alle Psychopharmaka, β-Mimetika u. a.) Tremor als unerwünschte Wirkung. Die Prävalenz des Tremors losgelöst von seiner Ätiologie betrifft 20% aller über 65-Jährigen.
Tremor, essentieller
Therapie Die Therapie ist abhängig von der Tremorform.
Tremor, dystoner
Tremor, Bewegungstremor Synonyme Kinetischer Tremor
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Differenzialdiagnose Multipler Sklerose, Infarkte oder Raumforderungen im Kleinhirn oder seiner Austrittsbahnen.
Einleitung
Differenzialdiagnose Essentielle, physiologisch verstärkte und zerebellare Tremorformen.
Tremor, dystoner Synonyme Tremoröse Dystonie
Definition Tremor mit assoziertem dystonen Aktivierungsmuster.
Einleitung Der Tremor bei Dystonie ist im Allgemeinen irregulärer als beim essentiellen Tremor-Syndrom. Den scheinbar rhythmischen Muskelkontraktionen folgen auch länger anhaltende Kontraktionen. Typisches Beispiel ist der tremoröse Schiefhals. Bei essentiellem Kopftremor sind im Allgemeinen keine sensorischen Manöver zur Unterdrückung der Bewegungsstörung wie die „geste antagonistique“ bei der zervikalen Dystonie zu beobachten. Schwierig wird die Differenzierung beim primären Schreibtremor und dystonen Schreibkrampf. Es ist offen, ob der primäre Schreibtremor ein eigenständiges Krankheitsbild, unabhängig von der Dystonie darstellt. Für die Therapie hat das keine Konsequenzen. Beide Formen sprechen gut auf Botulinumtoxin an. 3
Bewegung stellt neben Ruhe und Haltung eine der drei grundlegenden Aktivierungsbedingungen dar, nach denen wir den Tremor klassifizieren. Beim Bewegungs- oder kinetischen Tremor macht sich der Tremor bei jeder Art von Bewegung bemerkbar, z. B. bei einer Schriftprobe und ist typisch für den essentiellen und physiologisch verstärkten Tremor. Zum kinetischen Tremor gehört auch der Intentionstremor, der bei gleichzeitiger Dysmetrie, Ataxie und okulomotorischen Störungen wie Nystagmus typisch für Kleinhirnaffektionen ist (zerebellarer Tremor). Ein diskreter feiner Halte- und Bewegungstremor ist bei Gesunden in den Extremitäten zu finden und wird als physiologischer Tremor bezeichnet. Unter Ermüdung, Angst und Aufregung nimmt er zu. Kaffein und b-Mimetika sind klassische Beispiele für die pharmakogene Verstärkung des physiologischen Tremors.
3
Tremor, „body tremor“ Synonyme Ganzköper-, Rumpftremor, Titubation
Definition Tremor, der vorwiegend den Rumpf betrifft.
Einleitung Mit dem zerebellaren bzw. Intentionstremor vergesellschaftet ist ein besonderer Kopf- und Rumpftremor der niederfrequent (<4 Hz) unter Haltebedingungen auftritt und auch als Titubation bezeichnet wird. Bei der zerebellaren Vorderlappenschädigung wird dieser 3/s-Körpertremors in anterioposteriorer Richtung gefunden. Dies kann häufig beim chronischen Alkoholiker beobachtet werden.
Therapie Kopf-, Stimm- und der primäre Schreibtremor sprechen häufig schlecht auf eine orale Medikation an. Hier sollten lokale Injektionen von Botulinumtoxin in die tremoröse Muskulatur analog der Behandlung der fokalen Dystonien erwogen werden. Besonders bei den dystonen Tremores am Kopf und im Larynx können die lokalen Injektionen wie bei den fokalen Dystonien zu einer vorübergehenden Symptombefreiung führen. Der Effekt lässt entsprechend der Wirkung des Medikaments nach 2–4 Monaten nach. Dann sind erneute Injektionen durchzuführen.
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Tremor, essentieller
Tremor, essentieller Definition Essentieller Tremor ist ein monosymptomatisches, langsam progredientes Krankheitsbild ohne weitere neurologische Befunde, das durch einen Aktionstremor mit einer Frequnez von 8–12 Hz gekennzeichnet ist.
Einleitung Psychosozialer Stress und Öffentlichkeit verschlimmern den essentiellen Tremor. Am häufigsten sind die Arme (90%), aber auch der Kopf (50%) die Stimme (30%), Beine und Kinn (15%) betroffen. Die Schrift wird unleserlich und Tätigkeiten wie Trinken aus einer Kaffeetasse werden zunehmend beeinträchtigt. Patienten können gezwungen sein, die Tasse mit beiden Händen zu halten oder sogar einen Strohhalm als Hilfsmittel zu benutzen. Suppe mit dem Löffel zu essen, einen Scheck zu unterschreiben, wird bei ungünstigen Verläufen unmöglich. Bestimmte Berufsgruppen (z. B. Zahnärzte, Chirurgen, Feinmechaniker) müssen sich frühzeitig umschulen oder berenten lassen. Hinzu
kommt eine Stigmatisierung, die Patienten veranlasst, zunächst nicht mehr in der Öffentlichkeit zu essen, und schließlich sozialen Kontakt weitgehend zu meiden im Sinne eine sozialen Phobie. In etwa der Hälfte der Fälle tritt der Tremor familiär auf. Sozial akzeptable Mengen an Alkohol können vorübergehend bei etwa 50%–70 % der Patienten mit essentiellem Tremor das Zittern auffallend bessern [1,9]. Es kommt aber nach Metabolisierung des Alkohols nach 3–4 Stunden regelhaft zu einer Verschlechterung des Tremors (Rebound). Eine AlkoholSensitivität ist als differenzialdiagnostischer Hinweis für einen essentiellen Tremor zu werten.
Diagnostik Siehe Tab. 1.
Therapie Ein großer Teil der essentiellen Tremor-Patienten, die ärztlichen Rat suchen, benötigen keine langfristige medikamentöse Behandlung. Patienten machen sich oftmals Sorgen an einer
Tremor, essentieller. Tab. 1: Laboruntersuchungen zum Ausschluss symptomatischer Tremorursachen (Untersuchungen mit * nur bei klinisch begründetem Verdacht), modifiziert nach [5] Test
Mögliche symptomatische Tremorursache oder verstärkender Faktor
T3, T4, TRH
Hyperthyreose
Na, K, Ca, Cl
metabolische Entgleisung, Hypokalzämie, Hypokaliämie
Kortisol*
Adrenokortikale Überfunktion
Parathormon*
Hypo-/Hyperparathyreoidismus
Plasmakatecholamine*
Phäochromozytom
Immunelektrophorese
Neuropathischer Tremor bei Paraproteinämie
γ-GT, GOT, GPT, Cholinesterase
Alkohol-Krankheit, hepatozelluläre Degeneration
Glukose
Hypoglykämie
Spaltlampenuntersuchung auf Kayser-Fleischer-Ring*, Wilson-Krankheit Coeruloplasmin im Plasma*, Kupfer im 24-StundenUrin Medikamentenspiegel: Lithium*
Insbesondere Antidepressiva, Valproat, Theophyllin
Toxikologische Untersuchungen*
As, Bi, Br, Hg, Pb, Alkohol, Medikamentenentzug
Tremor, essentieller
Parkinson-Erkrankung oder an multipler Sklerose zu leiden. Hier ist Aufklärung erforderlich. Wenn die Symptomatik weitere Therapie erfordert, gilt allgemein, dass der Hälfte der Patienten mit essentiellem Tremor mit einer Medikamenten sinnvoll geholfen werden kann. Propranolol und Primidon sind die am besten untersuchten Medikamente. Während die Aufdosisierung bei 30% der Patienten unter Primidon schwierig ist, führen bei Propranolol die chronischen unerwünschten Wirkungen in 20% der Patienten zu einem Therapieabbruch. Eine Toleranz entwickelt sich bei beiden Medikamenten in einem Jahr bei über 10% der Patienten. Eine stereotaktische Therapie sollte bei jeder subjektiv und objektiv äußerst beeinträchtigenden Tremor-Symptomatik erst erwogen werden, wenn alle medikamentösen Verfahren ausgereizt sind. gesichert 1. β-Blocker (Medikament 1. Wahl bei Händetremor) Vorzugsweise lipophile, nicht selektive β1-/β2-Blocker, wie z. B. Propranolol [4, 10, 21] sind untersucht worden. Wahrscheinlich wirken die β-Blocker zum einen zentral auf den essentiellen Tremor und zum anderen peripher auf die adrenergen Rezeptoren in der Muskulatur über eine Reduktion des physiologischen Tremors. Propranolol (z. B. Dociton®) langsam eingeschleichen bis zu 3–4×40–80 mg/d führt zu einer Reduktion der Tremoramplitude von bis zu 50–60% an den Extremitäten. Alternativ können Metoprolol [12] (z. B. Beloc®, 2×50 mg/d) bei Patienten mit Asthma sowie Nadolol (Soldol® 1×40–80 mg/d) bei Wunsch des Patienten nach einmaliger Tagesgabe versucht werden. 2. Primidon: (Medikament 1.-2. Wahl bei Händetremor) Der Wirkmechanismus von Primidon ist nicht geklärt. Primidon ist besonders bei hochamplitudigem essentiellen Tremor günstig [6, 13, 17]. Bei Patienten mit Kontraindikationen gegen β-Blocker wie insulinpflichtigem Diabetes, chronischer Bronchitis, Herzinsuffizienz, orthostatischer Dysregulation und bei älteren Patienten kann Primidon einem β-Blocker vorgezogen werden. Primidon ist allerdings als Antiepileptikum und nicht zur Therapie des Tremors
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zugelassen. Primidon wird üblicherweise in einer einmaligen Dosis von 250–750 mg (z. B. Mylepsinum®; Liskantin® Tbl. zu 250 mg) zur Nacht eingesetzt, die langsam mit 30 mg (1/8 Tabletette, leichter ca. 1 ml PrimidonSuspension wie Liskantin®-Saft) eingeschlichen und bei Verträglichkeit alle eins bis zwei Tage verdoppelt werden sollte. Bei Primidon kann gelegentlich im Gegensatz zu β-Blockern ein Effekt schon nach der ersten Dosis beobachtet werden. Akute Unverträglichkeiten wie Übelkeit, Erbrechen, Nausea, Ataxie können aber auch schon bei der ersten geringen Dosis bei etwa 20% der Patienten auftreten. Primidon wird zu 50% in Phenylethylmalonamid und zu 5% in Phenobarbital metabolisiert. Es wird angenommen, dass die Unverträglichkeit auf eine noch nicht bestehende Enzyminduktion in der Leber zurückzuführen ist. Alternativ zum Primidon kann auf das verträglichere Phenobarbital (Luminal® 25– 200 mg/d) ausgewichen und nach der Enzyminduktion wieder auf das Primidon zurückgegriffen werden. Abgesehen von den akuten Unverträglichkeiten bei Primidon haben 25% der Patienten initial Schwierigkeiten, sich an die Medikamente zu gewöhnen. Die Nebenwirkungen klingen jedoch nach wenigen Wochen der Therapie meistens ab. Die Kunst ist daher die langsame Aufdosierung während kontinuierlicher Betreuung des Patienten. Für β-Blocker wie Primidon gilt, dass bei längerer Einnahme die Medikamente nicht abrupt abgesetzt werden dürfen. Bevor eines der Medikamente 2. und 3. Wahl ausprobiert wird, sollte die Kombination von bBlocker plus Primidon versucht werden. 3. Stereotaxie Die „klassische“ läsionelle ventrolaterale Thalamotomie, bei der ein tiefer Hirnkern im Thalamus (Ncl. ventralis intermedius = VIM) bzw. seine Verbindungen koaguliert werden, wird in Europa und Nordamerika zunehmend durch die tiefe Hirnstimulation = THS (elektrische chronische Hochfrequenzstimulation, „Hirnschrittmacher“) ersetzt. Die THS ermöglicht minimal destruktive Eingriffe, weil der Zielkern nicht koaguliert wird. Das Verfahren basiert letztlich auf der Beobachtung schon aus den 50er-Jahren,
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Tremor, essentieller
dass elektrische Probestimulation zur Zielpunkteingrenzung während läsioneller Stereotaxie den Tremor unterdrückt. Die Stimulationselektroden werden während einer Operation am wachen, kooperativen Patienten nach vorangegangener Zielpunktbestimmung mit MRT, CCT und in entsprechenden Zentren auch mit einer Ventrikulographie über kleine Bohrlöcher im berechneten Nucleus ventralis intermedius (VIM), Globus pallidus internus (GPi) oder Nucleus subthalamicus (STN) platziert. Am Anfang wurde bei Tremor nur eine Seite für die dominante Hand implantiert, heute werden häufig in einer OP bilaterale Implantationen durchgeführt. Die perioperative Morbität, insbesondere von kleineren intrazerebralen Blutungen, beträgt zwischen 1 und 5%. Das Risiko ist aber viel geringer als bei läsionellem Vorgehen. Mortalität ist allerdings beschrieben [18]. Bei essentiellen Tremor erleben etwa 60%– 85% der Patienten eine sehr gute Linderung, die sich funktionell bzw. in Verrichtungen des täglichen Leben niederschlägt. Unerwünschte Wirkungen wie Dysarthrie und Gleichgewichtstörungen verschwinden mit Ausschalten der Stimulation. In einer kürzlich veröffentlichten kontrollierten Studie, in der 68 Tremor-Patienten entweder einer läsionellen Thalamotomie oder der VIM-THS randomisiert wurden, war die THS effektiver und mit weniger unerwünschten Ereignissen behaftet als die läsionelle Thalamotomie [18]. empirisch Alternativ zu einer chronischen β-Blocker-Therapie, die häufig wegen Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Depression und Impotenz aufgegeben wird, bietet sich der punktuelle Einsatz von β-Blockern an, (Propranolol 40–80 mg als einmalige Dosis eine Stunde vor exponierten Situationen). Die kardiovaskulären Effekte derartiger Bedarfsdosen sollten jedoch einmal vor einem kritischen Einsatz ausprobiert werden. Medikamente 2. und 3 Wahl bei essentiellem Tremor sind Clonazepam, Alprazolam, Gabapentin, Clozapin. Keines dieser Medikamente ist für die Indikation essentieller Tremor zugelassen. Benzodiazepine wie Clonazepam [19] (Rivotril®) und Alprazolam [10] sind systematisch
untersucht worden. Ihr Einsatz ist durch das Abhängigkeitspotential und der induzierten Müdigkeit limitiert. Daher stellen Benzodiazepine Medikamente der zweiten Wahl dar. Für den orthostatischen Tremor ist Clonazepam, evtl. in Kombination mit Primidon, besonders effektiv [15]. Clozapin (Leponex®) ist ebenfalls wie beim Parkinson-Tremor mit Erfolg auch beim essentiellen Tremor eingesetzt worden, wenngleich weniger systematische Beobachtungen vorliegen [3, 14]. Der Einsatz ist wegen der Auflagen für dieses Präparat (Blutbildkontrollen die ersten 18 Wochen wöchentlich, dann monatlich), mangelnder Zulassung und dem Risiko von 1% einer Agranulozytose nur in Ausnahmefällen im Rahmen eines Heilversuchs zu rechtfertigen. Beim essentiellen Tremor sind Anticholinergika nicht indiziert. Im Rahmen von kleinen Studien und Fallberichten wird über Erfolge mit Gabapentin [7], Nimodipine, Flunarizin, Cannabinol u. a. berichtet. Flunarizin ist sicherlich keine Alternative, weil es ausgeprägte medikamentöse Parkinsonoide auslösen kann.
Botulinum-Toxin bei Kopf-, Stimm- und Schreibtremor Kopf-, Stimm- und Schreibtremor sprechen häufig schlecht auf eine orale Medikation an. Hier sollten lokale Injektionen von Botulinumtoxin in die tremoröse Muskulatur analog der Behandlung der fokalen Dystonien erwogen werden [2, 8, 22]. Besonders bei den sogenannten dystonen Tremores an Kopf, Larynx oder Hand können die lokalen Injektionen wie bei den fokalen Dystonien zu einer vorübergehenden Symptombefreiung führen. Der Effekt lässt entsprechend der Wirkung des Medikaments nach 2–4 Monaten nach. Dann sind erneute Injektionen durchzuführen, wenn der Patient eine subjektiv sinnvolle Beschwerdelinderung erlebt hat. Positive Berichte über Botulinumtoxin für andere Tremorformen inklusive des essentiellen und Parkinson-Tremors an den Händen sind veröffentlicht worden [11, 20]. Allerdings weiß man wenig über die Langzeitakzeptanz und den funktionellen Zugewinn der Patienten. Nach Meinung des Autors ist daher der Einsatz von Botulinumtoxin abgesehen vom Kopf-, Stimm- und Schreibtremor nur ausnahmsweise zu rechtfertigen.
Tremor, Gaumensegeltremor
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Tremor, Gaumensegeltremor Synonyme Gaumensegelmyoklonus, palataler Myoklonus
Definition Tremor des M. tensor veli palatini.
Einleitung Der symptomatische Gaumensegeltremor tritt nach Schädigungen der dentatoolivären Bahn auf und ist mit der typischen Pseudohypertrophie der unteren Olive verbunden. Der verantwortliche Muskel ist der M. levator palatini. Die Beschwerden ergeben sich meist aus den Folgen der Hirnstamm- und Kleinhirnschädigungen, während der Tremor oft nur zufällig entdeckt wird, es sei denn, es besteht eine tremorbedingte Begleitsymptomatik durch eine Oszillopsie bei zeitsynchronem Pendelnystagmus oder ein Ruhe-, Halte- oder Intentionstremors. Der essentielle Gaumensegeltremor hat als einzige und beeinträchtigende Beschwerde ein zum Tremor zeitsynchrones objektiv hörbares klickendes Ohrgeräusch. Dieses entsteht durch rhythmische Aktivität des M. tensor veli palatini.
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Tremor, Haltetremor
Diagnostik Kranielles MRT, HNO-Konsil.
Therapie empirisch Botulinumtoxin-Injektionen in den M. tensor veli palatini sind in Einzelfällen versucht worden, und können das lästige Klicken im Ohr unterbinden. Problematisch sind die unerwünschten Wirkungen wie Schluckstörungen und nasalen Regurgitationen.
Tremor, Holmes-Tremor (Mittelhirn-/ rubraler) Synonyme Pedunkulärer Tremor, Bindeglied-Tremor, Brachium-Conjunctivum-Tremor, Mittelhirn-Tremor, Myorhythmie, Rubertremor, thalamischer Tremor, Benedikt-Syndrom
Definition Niederfrequenter (<4 Hz) Tremor in Ruhe, der durch Aktion und durch Bewegung zusätzlich verstärkt wird.
Einleitung
Tremor, Haltetremor Synonyme Posturaler Tremor
Definition Tremor, der bei Halteinnervation auftritt, die der Schwerkraft entgegenwirkt.
Einleitung Der Haltetremor ist eine der drei Aktivierungsbedingungen, nach denen wir den Tremor klassifizieren. Der Haltetremor (7–12 Hz) ist außerdem Leitsymptom des essentiellen Tremors. Klinisch am wichtigsten ist die Unterscheidung nach den Aktivierungsbedingungen zwischen einem Ruhe-, und Aktionstremor (Halte- und kinetischer Tremor). Haltetremor tritt auf während willkürlichem Annehmen einer Haltung, der durch die Schwerkraft entgegengewirkt wird. Tests sind beispielsweise Armvorhalteversuche. Bei gestrecktem Handgelenk und gespreizten Finger werden sie erschwert. Die Aufforderung ein gefülltes Glas Wasser zu halten und an den Mund zu führen (Gesichtsnah Tremorverstärkung!) ist ein ergiebiger Test, um Tremor zu provozieren. Der isometrische Tremor ist eine Sonderform des Haltetremors. Er tritt auf, wenn eine willkürliche Muskelkontraktion gegen ein festes unbewegliches Objekt zu isometrischer Muskelaktivität führt und ist in vielen Fällen nicht pathologisch.
Das gut charakterisierte Syndrom eines etwas niederfrequenteren (<4 Hz) Ruhetremors in Kombination mit einem Intentions- und Haltetremor, das häufig mit einer Latenz von Wochen bis Jahren nach einer Hirnschädigung auftritt, wird als Holmes-Tremor bezeichnet. Typischerweise kommt der Holmes-Tremor bei multipler Sklerose, nach vaskulären Läsionen im Hirnstamm und bei Morbus Wilson vor. Die früher gebräuchliche Bezeichnung „rubraler“ Tremor rührt daher, dass Holmes 1904 Läsionen im Tegmentum des Mittelhirns auf der Höhe des Ncl. ruber und seiner Verbindungen beschrieb. Häufig ist aber bei derartigen Patienten morphologisch kein sicheres Substrat zu finden. Daher wird heute der Begriff HolmesTremor vorgezogen, um topographische Implikationen zu vermeiden.
Diagnostik Kranielles MRT, Screening auf Morbus Wilson mit Coeruloplasmin und Spaltlampenuntersuchung.
Therapie empirisch Zerebellare Tremorsyndrome und der HolmesTremor sind erfahrungsgemäß medikamentös sehr schwer zu beeinflussen. Propranolol, Primidon, Clonazepam sollten wie beim essentiellen Tremor in ausreichender Dosierung einmal versucht worden sein. Eine sinnhafte klinische Besserung ist mit Ondansetron, einem 5-HT3-Serotonin-Antagonist beschrieben worden. In dieser Studie wurde Ondansetron 8 mg/24 Stunden i. v. verabreicht [1]. Nach anektodischen Erfahrungen lässt sich der Effekt auch mit entsprechenden oralen
Tremor, medikamentös induzierter
Dosen erreichen. Allerdings stehen größere prospektive Studien aus, die einen breitere Anwendung bei dem hohen Preis für die Substanz rechtfertigen. Beim zerebellaren sowie beim Holmes-Tremor wird die Tiefehirnstimulation im Ncl. ventralis intermedius (VIM-Zielpunkt) des Thalamus zunehmend versucht. Eine probatorische Therapie mit langsamer Aufdosierung von L-Dopa bis zu 1000 mg sollte auf jeden Fall beim Holmes-Tremor erfolgen, um das seltene dopaminerge Ansprechen dieser ansonsten schwer behandelbaren Tremorform auszuschließen. Botulinumtoxin kann fokal versucht werden.
Literatur 1. Rice GP, Lesaux J, Vandervoort P, Macewan L, Ebers GC (1997). Ondansetron, a 5-HT3 antagonist, improves cerebellar tremor. J Neurol Neurosurg Psychiatry 62(3): 282–4.
Tremor, Intentionstremor Tremor, zerebellarer
1275
Tremor, Kinntremor Synonyme Geniospasmus
Definition Tremor bzw. Myoklonien im Bereich der Kinnmuskulatur.
Einleitung Seltene, hereditäre, autosominal-dominante in der Regel harmlose Bewegungsstörung mit tremorösem bisweilen myokloniformen Aktivierungsmuster im Bereich der Kinnmuskulatur und Unterlippe, die häufig nur bei aufmerksamer Betrachtung des Kinns sichtbar wird. Patienten fühlen sich gelegentlich stigmatisiert bzw. kosmetisch beeinträchtigt. Der Tremor oder Geniospasmus beginnt meist in Episoden während der Kindheit und wird durch Stress, Emotionen und Konzentration hervorgerufen. Eine Kopplung zur Perizentromer-Region im Chromosom 9q13-32 wurde in einer britischen Familie beschrieben.
Differenzialdiagnose Myokymien, atypischer Spasmus hemifacilis, Fazialissynkinesien.
3
Therapie
Tremor, isometrischer
empirisch Botulinumtoxin.
Definition Tremor bei tonischer Halteinnervation, z. B. beim längeren Heben einer schweren Last.
Tremor, medikamentös induzierter
Einleitung
Definition
Beim Heben schwerer Lasten oder isometrischem Training ist der isometrische Tremor in der Regel physiologisch. Ein hochfrequenter, niedrigamplitudiger isometrischer Haltetremor der Hände kommt allerdings bei zerebellaren Läsionen vor.
Durch Medikamente ausgelöster Tremor, entweder im Rahmen eines medikamentösen Parkinson-Syndroms ( Parkinson-Syndrom, pharmakogenes) oder anderer Mechanismen wie über eine Verstärkung des physiologischen Tremors.
Tätigkeitsspezifische Tremorformen, die isoliert bei bestimmten Tätigkeiten wie Schreiben, dem Spielen von Musikinstrumenten oder dem Bedienen eines Schraubenziehers auftreten.
3
Differenzialdiagnose
Einleitung Alle Psychopharmaka (insbesondere Lithium in >25%), Valproat, Neuroleptika im Rahmen eines medikamentösen Parkinson-Syndroms, β-Mimetika, Schilddrüsenhormone und viele weitere Substanzen können einen symptomati-
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Tremor, neuropathischer
schen Tremor als unerwünschte Begleiterscheinung verursachen.
Diagnostik Anamnese! Schildrüsenfunktion u. a.
Therapie Absetzen, wenn möglich bzw. Reduktion des auslösenden Agens. Der Tremor unter Lithium lässt sich in der Regel mit β-Blockern analog dem essentiellen Tremor gut behandeln. Bei medikamentösem Parkinson-Syndrom Einsatz von Clozapin bzw. Quetiapin anstatt klassischer Neuroleptika.
aber im Gehen, Sitzen und Liegen. Die Patienten können die Standunsicherheit teilweise kompensieren, indem sie häufig das Standbein wechseln und sich anlehnen. Bei schweren Fällen kann das freie Stehen unmöglich sein, die Patienten stürzen. Ein höherfrequenter Tremor (12–18 Hz) setzt nach wenigen Sekunden im Stehen ein, er ist meistens visuell nicht besonders auffällig. Auffallend ist die Standunsicherheit. Die polygraphische EMG-Ableitung ist hier richtungsweisend.
Diagnostik Die polygraphische EMG-Ableitung an den Oberschenkeln mit Nachweis des charakteristischen 12–18 Hz Tremor ist hier richtungsweisend.
Tremor, neuropathischer Therapie Definition Tremor bei Deafferentierung infolge einer Affektion der peripheren Nerven.
Die eher kasuistischen Berichte sind widersprüchlich. Clonazepam wird in der Literatur favorisiert. Der Autor zieht Primidon vor.
Einleitung
Therapie der Grundkrankheit. Symptomatisch Medikamente wie bei essentiellem Tremor. In den wenigen anekdotischen Berichten ist das Ansprechen allerdings nicht so gut wie beim essentiellen Tremor.
Tremor, orthostatischer Definition Tremor, der nur im Stehen auftritt.
Einleitung Die Patienten suchen ärztlichen Rat in erster Linie wegen einer Standunsicherheit. Die Bewegungsstörung besteht nur im Stehen, nicht
Synonyme Ruhetremor, Pillendreher-, Münzzähl-Tremor
Definition Charakteritischer 4–6 Hz Tremor in Ruhe bei Morbus Parkinson ( Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)), der bei Bewegung und Haltefunktion in der Regel sistiert. 3
Therapie
Tremor, Parkinson-Tremor
3
Tremor tritt gelegentlich bei peripheren Neuropathien auf. Er wird bei Patienten mit akuter und chronischer demyelinisierender Polyneuropathie (bis zu 20%), hereditären motorischen und sensorischen sowie IgM-paraproteinämischen Neuropathien, und äußerst selten bei Polyneuropathie im Rahmen von Diabetes, Urämie und Porphyrie beobachtet. Phänomenologisch ähnelt der Tremor dem Bild des essentiellen Tremors.
Einleitung Typischerweise handelt es sich an der Hand um den charakteristischen Pillendrehen-Tremor. Der Tremor wird im weiteren Verlauf regelhaft von einer bradykinetischen Symptomatik begleitet. Nur 5% der Parkinson-Patienten leiden an einem beeinträchtigenden vorwiegend monosymptomatischen Tremor oder tremordominantem Parkinson-Syndrom. Falls kein Ruhetremor (in etwa 10%), sondern ein Haltetremor und keine bradyhypokinetische Symptomatik (sehr selten) vorhanden ist, kann die Diagnose nur im Verlauf gestellt werden. Bei ausgeprägter höherfrequenter (>7 Hz) Haltekomponente ist die medikamentöse Behandlung wie beim essentiellen Tremor-Syndrom.
Tremor, Parkinson-Tremor
Essentieller Tremor bei unzureichender Entspannung, Holmes-Tremor. 3
Therapie Clozapin (Leponex®) in kleiner Dosierung, beginnend mit 6,25 mg. Der Einsatz ist wegen der Auflagen für dieses Präparat (Blutbildkontrollen die ersten 18 Wochen wöchentlich, dann monatlich) und dem Risiko von 1% einer Agranulozytose nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen. Anticholinergika werden aufgrund ihres ungünstigen Verhältnisses zwischen erwünschten und unerwünschten Wirkungen selbst bei tremordominantem Parkinson-Syndrom immer weniger eingesetzt. Ein tremolytischer Effekt wird im Gegensatz zur Akinesebeeinflussung in der Regel erst mit höheren Dopaminergika-Dosen erreicht. An Therapieoptionen stehen alle ParkinsonMedikamente zur Verfügung. Tremor ist für die Mehrzahl der Parkinson-Patienten nicht das vorherrschende und bei weniger als 50% der Patienten das initiale Symptom. Der typische Parkinson-Ruhetremor spricht in über 60% der Patienten gut auf Dopaminergika an. Funktionelle Beeinträchtigung durch Tremor losgelöst von dem Parkinson-Leitsymptom der Akinese entsteht vor allem bei Kombinationen von Ruhe- und Haltetremor, die medikamentös häufig schwer zu beeinzuflussen sind. Bei Halte- und Aktionstremor im Rahmen eines Morbus Parkinson sollte zunächst ein Versuch mit β-Blockern wie Propranolol oder Primidon analog der Behandlung des essentiellen Tremors durchgeführt werden. Anticholinergika waren vor der L-Dopa-Ära lange Zeit die einzigen Antiparkinsonika. Heute ist ihr Einsatzbereich sehr eingeschränkt. Aufgrund ihrer anticholinergen peripheren und psychotropen unerwünschten Wirkungen werden sie allenfalls bei jüngeren Parkinson-Patienten probatorisch eingesetzt, wenn mit ausreichender Dosierung von Dopaminergika nicht die gewünschte Wirkung erzielt wird. 3
gesichert Bisher finden sich keine größeren Studien, die spezisch die Behandlung des Parkinson-Tremors untersucht haben. Die Evidenz für die medikamentöse Therapie des Ruhetremors leitet sich aus den Einfluss auf die Parkinson-
Symptomatik im Allgemeinen und der Empirie ab. Die tiefe Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus für medikamentös nicht befriedigend zu behandelnde Patienten hat sich zunehmend etabliert [7]. Die Studien bei vorherrschendem Tremor wurden aber mit dem VIM-Thalamus Kern als Zielpunkt durchgeführt, der heute bei Morbus Parkinson nicht mehr favorisiert wird. Bei Parkinson-Patienten wurde dabei für 80– 100% eine Tremor-Suppression beschrieben [1], aber ohne positiven Effekt auf die Morbus Parkinson begleitende Akinese oder L-DopaDykinesie. Unerwünschte Wirkungen wie Dysarthrie und Gleichgewichtstörungen verschwinden mit Auschalten der Stimulation. Die Wahl der Zielpunkte für den ParkinsonTremor hat einen erheblichen Wandel in den letzten 2–3 Jahren erfahren. Es hat sich herausgestellt, dass der bisher am häufigsten gewählte Hirnkern, der Nucleus ventralis intermedius (VIM) im Thalamus, für die Indikation Parkinson-Tremor (ganz im Gegensatz zum essentiellen Tremor!) wenig oder kaum eine funktionelle Besserung nach Beurteilung in Verrichtungen des alltäglichen Lebens bringt [5]. Das liegt an der Tatsache, dass das am häufigsten beeinträchtigendste Symptom bei Morbus Parkinson, die Akinese, durch die Stimulation im VIM nicht beeinflusst wird. Deshalb wird der VIMKern bei Morbus Parkinson zugunsten des Ncl. subthalamicus (STN) verlassen, selbst wenn vordergründig Tremor das primäre Problem darstellt, da die Akinese regelhaft im weiteren Verlauf das tremordominante Parkinson-Syndrom kompliziert. empirisch Budipin: Neben einer offenbar guten Wirkung auf den Tremor bei einem Teil der Parkinson-Patienten, lindert diese Substanz auch Akinese und Rigor. Aufgrund guter Erfahrungen in kleineren Studien bei Tremor im Rahmen von Parkinson-Syndromen wurde für eine gesonderte Zulassung von Budipin speziell für die Indikation tremordominantes Parkinson-Syndrom eine große Multizenterstudie mit Tremor-Langzeitmessungen durchgeführt, die abgebrochen werden musste. Budipin unterliegt Anwendungseinschränkungen, nachdem das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (9/2000) einen möglichen Widerruf der Zulassung von Budipin wegen des Risikos 3
Differenzialdiagnose
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Tremor, physiologischer
von ventrikulären Tachykardien vom Typ Torsade de Pointes mit einer Inzidenz von ca. 1:2000 erwogen hat. Dosierung: Einschleichend mit 3×10 mg beginnen. Nach einer Woche individuell entsprechend der Verträglichkeit bis auf 3×20 mg/die oder 2×30 mg/die aufdosieren. Die Wirkung sollte in zwei Wochen beurteilt werden können. Darreichungsformen: Budipin (Parkinsan® Tabl. zu 10 mg, 20 mg und 30 mg. Clozapin ist unter Berücksichtigung der besonderen Risiken (Agranulocytose 1%) und Auflagen (Blutkontrollen) für dieses Präparat in geringer Dosierung (um 25 mg/die, beginnend mit ¼ 25 mg Tab. zur Nacht) oftmals sehr effektiv gegen den Parkinson-Tremor [2, 4] und kann im Rahmen eines Heilversuchs eingesetzt werden. Die unerwünschten anticholinergen Wirkungen gerade bei älteren Menschen sind zu beachten. Botulinum-Toxin als Therapie für fokalen Ruhetremor kann in Einzelfällen erwogen werden.
Tremor, physiologischer Definition Physiologischer Halte- und Bewegungstremor, der normalerweise nicht symptomatisch ist (Ausnahme extreme feinmotorische Tätigkeit).
Einleitung Ein diskreter feiner Halte- und Bewegungstremor ist bei Gesunden in den Extremitäten zu finden. Dieser wird z. B. bei Aufregung beim Halten eines Laserpointers sichtbar. Auch unter Ermüdung, Angst und Aufregung nimmt er zu. Koffein, Asthmamittel wie Theophyllin und Betamimetika wie Salbutamol sind klassische Beispiele für die pharmakogene Verstärkung des physiologischen Tremors. Der Tremor unter Lithium, Amphetaminen, Koffein und Steroiden ist nach derzeitiger Kenntnis wahrscheinlich auch auf eine Verstärkung des physiologischen Tremors zurückzuführen.
Differenzialdiagnose Tremor, essentieller; tös induzierter
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unwirksam/obsolet
Tremor, medikamen-
Bisher ist nicht bewiesen worden, dass Anticholinergika oder Budipin den Dopaminergika überlegen sind.
Tremor, Ruhetremor Synonyme Im weitere Sinne auch typischer Parkinson-Tremor ( Tremor, Parkinson-Tremor)
Definition Ein Ruhetremor liegt vor, wenn die Extremität vollkommen von Schwerkraft befreit ist und die relevante Muskulatur nicht innerviert, d. h. vollkommen „entspannt“ ist.
Einleitung Die Aktivierungsbedingungen wie Ruhe, Halten und Bewegung stellen neben Frequenz und die topologische Verteilung des Tremors die wichtigsten differenzialdiagnostische Kriterien dar, um Tremorformen zu unterscheiden. Unter mentaler Belastung wie Rückwärtszählen lässt sich ein Ruhetremor bahnen. Ein isolierter Ruhetremor mit Bradyhypokinesie gilt als bester diagnostischer Prädiktor für ein Morbus Parkinson ( Parkinson-Syndrom, idiopathisches (IPS)) im engeren Sinne. Typischerweise handelt es sich um den charakteristischen Pillen3
1. Benabid AL, Pollak P, Gao D, Hoffmann D, Limousin P, Gay E, Payen I, Benazzouz A (1996). Chronic electrical stimulation of the ventralis intermedius nucleus of the thalamus as a treatment of movement disorders. J Neurosurg 84(2): 203– 14. 2. Bonuccelli U, Ceravolo R, Salvetti S, D'Avino C, Del Dotto P, Rossi G, Murri L (1997). Clozapine in Parkinson's disease tremor. Effects of acute and chronic administration. Neurology 49(6): 1587– 90. 3. Friedman JH, Koller WC, Lannon MC, Busenbark K, Swanson-Hyland E, Smith D (1997). Benztropine versus clozapine for the treatment of tremor in Parkinson's disease. Neurology 48(4): 1077–81. 4. Koller W, Pahwa R, Busenbark K, Hubble J, Wilkinson S, Lang A, Tuite P, Sime E, Lazano A, Hauser R, Malapira T, Smith D, Tarsy D, Miyawaki E, Norregaard T, Kormos T, Olanow CW (1997). High-frequency unilateral thalamic stimulation in the treatment of essential and parkinsonian tremor. Ann Neurol 42(3): 292–9.
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Literatur
Tremor, Stimmtremor
Differenzialdiagnose Der Ruhetremor der Parkinson-Krankheit betrifft distale Extremitätenabschnitte und kaum Kopf, Kinn oder die Stimme. Letztere sprechen für einen essentiellen Tremor. Kiefer- und Zungentremor kommen selten bei der Parkinson-Krankheit vor. Bei medikamentös induzierten Parkinson-Syndromen infolge von Neuroleptika kann es zum Auftreten eines Tremors der Kiefer- und perioralen Muskulatur kommen ( Rabbit-Syndrom). Ein hochfrequenter Tremor (>7 Hz) weist auf ein physiologisch verstärktes oder auf ein essentielles Tremor-Syndrom hin. Eine Frequenz von 12–18 Hz an den Beinen im Stehen ist praktisch pathognomonisch für den orthostatischen Tremor. Der mittelfrequente (4–7 Hz) Ruhetremor ist typisch für das idiopathische Parkinson-Syndrom. Ein niederfrequenter Tremor (<4 Hz) spricht für einen rubralen, zerebellären oder hochamplitudigen essentiellen Tremor. Differenzialdiagnostische Probleme bereiten jedoch Patienten mit beginnendem Parkinson-Syndrom, bei denen zusätzlich eine Halteund Aktionskomponente neben dem Ruhetremor auftritt, Patienten mit monosymptomatischen Bewegungstremor, dystonem und psychogenem Tremor.
An Therapieoptionen stehen alle ParkinsonMedikamente zur Verfügung. Die tiefe Hirnstimulation für medikamentös nicht anders zu behandelnde Patienten hat sich zunehmend etabliert. Botulinumtoxin als Therapie für fokalen Ruhetremor kann in Einzelfällen erwogen werden. Bei ausgeprägter höherfrequenter (>7 Hz) Haltekomponente ist die medikamentöse Behandlung wie beim essentiellen Tremor-Syndrom. 3
drehen-Tremor in Ruhe, der bei Bewegung und Haltefunktion weitgehend sistiert. Der Tremor wird im weiteren Verlauf regelhaft von einer bradykinetischen Symptomatik begleitet. Nur 5% der Parkinson-Patienten leiden an einem beeinträchtigenden vorwiegend monosymptomatischen Tremor oder tremordominantem Parkinson-Syndrom. Falls kein Ruhetremor (in etwa 10%), sondern ein Haltetremor und keine bradyhypokinetische Symptomatik (sehr selten) vorhanden ist, kann die Diagnose nur im Verlauf gestellt werden.
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gesichert Bisher finden sich keine größeren Studien, die spezifisch die Behandlung des Ruhetremors untersucht haben. Die Evidenz für die Therapie des Ruhetremors leitet sich aus den großen Parkinson-Studien und der Empirie ab. empirisch Clozapin in kleinerer Dosierung beginnend mit 6,5 mg zur Nacht kann bei einigen anders nicht befriediegend zu behandelnden Patienten einen ausgeprägten Effekt auf den Tremor haben. Die allgemeinen Anwendungseinschränkungen und die unerwünschten anticholinergen Wirkungen gerade bei älteren Menschen sind zu beachten. unwirksam/obsolet Bisher ist nicht bewiesen worden, dass Anticholinergika oder Budipin den Dopaminergika überlegen seien.
Tremor, Stimmtremor Synonyme Tremoröse Dysphonie
Definition Tremor der Kehlkopfmuskulatur bei Phonation.
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Therapie
Einleitung
Der Ruhetremor muss zunächst wie ein Morbus Parkinson behandelt werden. Ein tremorlytischer Effekt wird im Gegensatz zur Akinesebeeinflussung in der Regel erst mit höheren Dopaminergika-Dosen erreicht. Bei diagnostischen und prognotischen Überlegungen ist eine Aufdosierung von L-Dopa bis zu 1000 mg/die zu rechtfertigen, wenn ein anderes dopaminerges Regime, z. B. mit Dopaminagonisten keine befriedigende Wirkung gezeigt hat.
In der Regel zum essentiellen Tremor zu rechnende rhythmische Bewegungsstörung, die zu einer charakteristischen Stimme führt. Bei etwa in 10% der Patienten in Serien mit essentiellen Tremor ist ein Stimmtremor nachweisbar. 3
Differenzialdiagnose Spasmodische Dysphonie vom AbduktorTyp, laryngeales Stottern.
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Tremor, zerebellarer
Therapie
Differenzialdiagnose
Analog der Therapie des essentiellen Tremors, wenn auch Medikamente wenig effektiv sind. Laryngeale Injektionen von Botulinumtoxin analog der Therapie der spasmodischen Dysphonie.
Ein Zungentremor kann auch als Ruhetremor im Rahmen eines idiopathischen und medikamentösen Parkinson-Syndroms auftreten.
Trigeminus (Nervus trigeminus) Tremor, zerebellarer
Synonyme 5. Hirnnerv
Synonyme Intentionstremor
Definition Tremor bei Kleinhirnaffektionen.
Einleitung Der zerebellare oder sogenannte Intentionstremor bei Kleinhirnaffektionen (multiple Sklerose, Infarkte, Raumforderungen im Kleinhirn oder seiner Austrittsbahnen) tritt in der Regel kombiniert mit dysmetrischen Störungen, Ataxie und okulomotorischen Störungen wie Nystagmus auf.
Differenzialdiagnose Der klassische zerebellare Intentionstremor lässt sich durch seine Aktivierungsbedingungen und Begleitsymptome wie Dysmetrie von anderen Tremorformen unterscheiden. Die Tremoramplitude erreicht in der Zielzone der Bewegung seine größte Intensität. Der Tremor imponiert vorwiegend als proximal betonter Haltetremor (in den Schultern).
Definition Der N. trigeminus versorgt sensibel das Gesicht (mit Ausnahme des Kieferwinkels) und Teile des behaarten Kopfes, die Schleimhäute von Auge, Nase, Nasennebenhöhlen, ipsilateraler Zungenhälfte und weichem Gaumen, die Hirnhäute der vorderen und mittleren Schädelgrube und das Periost des Gesichtsschädels. Motorisch versorgt der Nerv die Kaumuskeln, den M. mylohyoideus, den Venter anterior des M. digastricus, den M. tensor veli palatini und den M. tensor tympani.
Grundlagen Ausgedehnte sensible Kerngebiete des Nerven liegen im Mesencephalon vorwiegend für die Berührungsempfindung und spinal bis C3 vorwiegend für Schmerz- und Temperaturempfinden. Die Wurzeln ziehen zum Ganglion gasseri über dem Felsenbein (entsprechend dem sensiblen Spinalganglion), danach teilen sich die Nervenfasern in 3 Äste: den N. ophthalmicus (N. V 1), der durch die Fissura orbitalis superior verläuft, den N. maxillaris (N. V 2), der
Therapie Zerebellare Tremorsyndrome und der HolmesTremor (Ruhe- und Intentionstremor) sind erfahrungsgemäß medikamentös schwer zu beeinflussen, Tremor, Holmes-Tremor). Versuch mit Gewichten. 3
Tremor, Zungentremor Definition Seltene fokale Tremorform, die wenn sie isoliert auftritt wie der hereditäre Kinntremor und der Tremor beim Lächeln zu den essentiellen Tremores gerechnet wird.
Trigeminus (Nervus trigeminus). Abb. 1: Motorischer Trigeminusausfall rechts, Abweichen des Unterkiefers zur paretischen Seite
Trigeminusneuralgie
Trigeminus (Nervus trigeminus), Neurinom Neurinom, Trigeminusneurinom
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Trigeminus-Eintauchreflex Definition Der Trigeminus-Eintauchreflex bedingt eine starke vagale Erregung beim Eintauchen des Gesichts in kaltes Wasser. In diesem Rahmen kann eine Synkope mit ausgeprägter Bradykardie bis hin zum Herzstillstand und reflektorischem Atemstillstand eintreten.
Grundlagen Zur Vermeidung einer solchen Synkope sollte vor dem Baden eine langsame Abkühlung, auch des Gesichtes, erfolgen.
Trigeminusneuralgie Definition Die Trigeminusneuralgie ist gekennzeichnet durch streng einseitige, blitzartig einschießende, sekundenlang anhaltende, stechende oder brennende Schmerzen im Versorgungsgebiet des 2. oder 3. Trigeminus-Astes (2. häufiger als der 3.). Nur sehr selten ist der 1. Ast betroffen. Hierbei ist besonders nach symptomatischen Ursachen zu suchen. Die Erkrankung hat eine Prävalenz von 40/100.000, betrifft vorwiegend Patienten jenseits des 50. Lebensjahres und häufiger Frauen als Männer.
Einleitung Die Schmerzattacken dauern Sekunden bis Minuten und treten mit bis zu 100 oder mehr Attacken pro Tag auf. Sie können durch Triggerfaktoren ausgelöst werden (Berührung bestimmter Hautareale, Sprechen, Kauen, Luftzug), sodass die Patienten häufig ihre Körperpflege vernachlässigen müssen oder die Nahrungsaufnahme erheblich eingeschränkt werden muss. Die Schmerzsymptomatik zeigt ein saisonal gehäuftes Auftreten mit monate- oder jahrelangen beschwerdefreien Intervallen. Die klinisch-neurologische Untersuchung sowie die Elektrophysiologie muss bei der idiopathischen Trigeminusneuralgie normal sein.
Diagnostik Definitionsgemäß findet sich bei der idiopathischen Trigeminusneuralgie kein pathologischer organischer Befund. Häufig werden aber bei dieser Form pathogenetisch relevante vaskuläre Kompressionen von intrakraniellen Nervenanteilen durch Gefäßschlingen gefunden. Die symptomatische Trigeminusneuralgie kann die gleichen Ursachen haben wie die Trigeminusneuropathie ( Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuropathie). Sie ist häufig durch begleitende neurologische Defizite gekennzeichnet. Ihre häufigste Ursache ist die Multiple Sklerose. 3
durch das Foramen rotundum aus dem Schädel austritt und den N. mandibularis (N. V 3), der die Schädelbasis durch das Foramen ovale verlässt. Nur mit dem N. mandibularis verlaufen motorische Fasern. Druckpunkte der einzelnen Trigeminusäste, an denen jeweils einer ihrer Endäste oberflächlich verläuft und von außen gegen den Knochendurchtrittspunkt gedrückt werden kann, sind die Incisura supraorbitalis für den N. V 1, das Foramen infraorbitale für den N. V 2 und das Foramen mentale für den N. V 3.
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Therapie gesichert Die medikamentöse Therapie der Trigeminusneuralgie beinhaltet zahlreiche Medikamente, vorwiegend Antikonvulsiva. Ziel der Behandlung ist rasche Schmerzfreiheit ohne größere Nebenwirkungen. Medikament der 1. Wahl ist nach wie vor das Carbamazepin. Es wird mit 1– 3×200 mg eines Retardpräparates per os begonnen und dann bis auf ca. 3×400 mg gesteigert. Alternativ kann bei starken Schmerzen eine rasche Aufdosierung mit einem Sirup durchgeführt werden (initial 400 mg Sirup). Wegen der potentiellen Nebenwirkungen muss langsam aufdosiert werden. Bei etwa 75% der Patienten ist die Behandlung effektiv, zeigt aber wohl langfristig einen Wirkungsverlust. Alternativ kann das besser verträgliche Oxcarbazepin eingesetzt werden, wobei hier die Studienlage noch nicht ausreichend ist. Als Nebenwirkung ist besonders auf die Hyponatriämie zu achten.
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Trigeminusneurinom
In der medikamentösen Therapie existieren kasuistische Berichte zur Wirksamkeit von Lamotrigin (200–400 mg/die) und Gabapentin (900–2400 mg/die). Bei der Trigeminusneuralgie im Rahmen einer Multiplen Sklerose wurde Misoprostol 600 μg tgl. erfolgreich gegeben [2]. Erste, allerdings nur limitierte Erfahrungen liegen mit der Gamma-Knife-Radiochirurgie vor, die immerhin bei ca. 75 % in den ersten 4 Monaten erfolgreich sein soll. Langzeiterfahrungen stehen aber noch aus. 3
unwirksam/obsolet Konventionelle Analgetika sind in der Schmerzbehandlung der Trigeminusneuralgie unwirksam.
Literatur 1. Perkin GD (1999) Trigeminal neuralgia. Current Treatment Options in Neurology 1: 458–465. 2. DMKG study group; J Neurol 2003; 250:542.
Synonyme Nervus-trigeminus-Schwannom
Definition Trigeminsusneurinome sind gutartige Tumoren der Schwann-Zellen des Nervus trigeminus, die im Bereich der mittleren Schädelgrube (Cavum Meckeli) als Kleinhirnbrückenwinkeltumor ( Kleinhirnbrückenwinkel, Tumoren) im Breich der hinteren Schädelgrube oder als sanduhrförmiger Tumor in hinterer und mittlerer Schädelgrube auftreten können. Ausdehnungen im peripheren Verlauf des Nerven nach extrakraniell oder in die Orbita sind selten.
Einleitung Trigeminusneurinome machen weniger als 0,5% aller primären intrakraniellen Tumoren aus. Auch sie können in Asssoziation mit einer Neurofibromatose auftreten.
Diagnostik Die Tumoren sind kernspintomographisch als intensiv Kontrastmittel anreichernde Raumforderung nachweisbar, die nach bildgebenden Kriterien nicht immer von einem Meningeom unterschieden werden kann.
Therapie gesichert Die komplette mikroneurochirugische Resektion unter Erhaltung nicht befallener Trigeminusfasern ist die Therapie der Wahl.
Nachsorge Rezidive sind möglich. Kernspintomographische regelmäßige postoperative Kontrollen sind deshalb erforderlich.
Trigeminusneuropathie Definition Treten Sensibilitätsstörungen mit oder ohne Dauerschmerzen im Versorgungsgebiet des N. trigeminus auf, die selten auch von motorischen Defiziten begleitet sind, so handelt es sich um eine Trigeminusneuropathie. Im Gegensatz zur Trigeminusneuralgie ( Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuralgie) liegen keine neuralgi3
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empirisch
Trigeminusneurinom
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Mittel der 2. Wahl ist das Phenytoin (300– 400 mg Enddosis); wobei als Nebenwirkung besonders auf die zerebelläre Symptomatik zu achten ist. Regelmäßige Blutspiegelkontrollen sind sinnvoll. Weitere eingesetzte, aber weniger wirksame Medikamente als Carbamazepin sind Baclofen, Clonazepam oder Valproat. Bei Patienten mit unzureichender Wirksamkeit oder Wirkungsverlust einer medikamentösen Therapie kommen interventionelle oder operative Maßnahmen in Betracht. Mittlerweile gängigstes operatives Verfahren ist die mikrovaskuläre Dekompressionsoperation nach Jannetta, bei der ein Muskelstück zwischen Gefäß und N. trigeminus eingebracht wird ( Jannetta-Operation). Die Erfolgsrate liegt bei 90%, nach 10 Jahren immerhin noch bei 75%. Die Mortalität beträgt 0,2%, die Morbidität 1%. Die perkutane Thermokoagulation des Ganglion Gasseri ist bei ca. 80% der Patienten effektiv. Immerhin findet sich aber nach dem Eingriff bei etwa 5% der Patienten eine Anästhesia dolorosa. Rezidive treten bei 20% auf. Die Glyzerol-Rhizotomie ist mit einer erheblichen Nebenwirkungsrate behaftet (ca. 50% mit Sensibilitätsverlust nach dem Eingriff), zeigt außerdem eine hohe Rezidivrate von 20–50% und ist daher nicht die Therapie der 1. Wahl.
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Trihexyphenydil
Klinisch-neurologisch lassen sich im Gegensatz zur Trigeminusneuralgie Defizite im Trigeminus-Innervationsgebiet feststellen. Zur klinischen Symptomatik, Nervus trigeminus, Läsion. Gerade bei Schädigung durch einen Tumor werden Sensibilitätsstörungen häufig nur im Kinnbereich gefunden ( „numb chin“-Syndrom). 3
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Diagnostik Bei einer Trigeminusneuropathie finden sich oft pathologische Befunde in der Neurophysiologie (Trigeminus-SEP). Ursachen einer Trigeminusneuropathie können im Bereich des Hirnstammes lokalisiert sein und eine nukleäre oder faszikuläre Schädigung nach sich ziehen (Multiple Sklerose, Gliome, Infarkte, Syringobulbie, Zysten). Der N. trigeminus kann auch im Rahmen von Kleinhirnbrückenwinkel-Tumoren, Trigeminusneurinomen, basalen Meningitiden oder einer Meningeosis, Aneurysmata im Sinus cavernosus, bei Frakturen der Schädelbasis (meist Felsenbein-Längsfrakturen), Verletzungen des Gesichtsschädels oder Entzündungen im Bereich des Gesichtsschädels (Retroorbitalphlegmonen, Sinusitiden, Mukozelen o. ä.) geschädigt werden. Eine der häufigsten Ätiologien sind Herpes-Infektionen (Herpes zoster oder Herpes simplex), aber auch Teilschäden nach zahnärztlichen Behandlungen. Weltweit häufigste Ursache von Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich dürfte die Lepra-Polyneuropathie sein. Trigeminusneuropathien können auch bei Kollagenosen (besonders Sjögren-Syndrom) auftreten oder sich als Mitbeteiligung bei einer Polyneuropathie manifestieren (z. B. GuillainBarré-Strohl-Syndrom (GBS), CIDP, Diabetes, HMSN (hereditäre motorische und sensible Neuropathie) etc.). Differenzialdiagnostisch muss auch an eine idiopathische Trigeminusneuropathie gedacht werden. Hierbei handelt es sich aber um eine Ausschlussdiagnose nach intensiver Abklärung der oben aufgeführten symptomatischen Formen.
Die Therapie der symptomatischen Formen der Trigeminusneuropathie richtet sich nach der Grunderkrankung. Eine wirksame Therapie der idiopathischen Trigeminusneuropathie existiert nicht. Bei der symptomatischen Therapie ist bei Einbeziehung des N. ophthalmicus ein Schutz der Kornea vor trophischen Störungen durch Augensalben oder Augentropfen wichtig.
Nachsorge Bei der Diagnose einer idiopathischen Trigeminusneuropathie sind intensive Nachsorgeuntersuchungen in halbjährlichen Abständen wichtig, da häufig initial eine nur langsam progrediente symptomatische Form übersehen werden kann (insbesondere ein Trigeminusneurinom).
Triggerpunkte Synonyme Trigeminus (Nervus trigeminus), Neuralgie
Definition Die einschießenden Schmerzen bei der Trigeminusneuralgie lassen häufig sich durch Berühren von Haut- oder Schleimhautarealen des Trigeminus-Innervationsgebietes auslösen ( Trigeminus (Nervus trigeminus), Innervation). Diese Areale werden als Triggerpunkte bezeichnet. Auch Luftzug in den entsprechenden Hautgebieten oder Kauen oder Sprechen können als Trigger ausreichend sein. 3
Einleitung
Therapie
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formen Schmerzen vor. Meistens tritt die Trigeminusschädigung isoliert auf, seltener in Kombination mit anderen Hirnnervenstörungen.
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Trihexyphenydil Unerwünschte Wirkungen Trihexyphenydil (Artane®) ist das Anticholinergikum mit dem man die meiste Erfahrung bei Dystonie gewonnen hat. Man kann auch andere Anticholinergika wie Biperiden (Akineton®) versuchen, die annähernd dosisäquivalent sind. Die Dosierung des Trihexyphenydil erfolgt einschleichend (1–2 mg pro Woche steigern) unter Anpassung an die Verträglichkeit. Dosen von über 100 mg werden von jungen Patienten vertragen, wenn die Aufdosierung sehr langsam erfolgt. Insbesondere bei Schulkindern ist es
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Trimethoprim
sinnvoll, eine Psychometrie vor und nach dem Einsatz von Anticholinergika durchzuführen, um den Einfluss auf kognitive Funktionen zu monitoren. Es kann zu Erhöhung der Transaminasen und Verlängerung der PT (Quick) unter hochdosierten Anticholinergika kommen, weshalb eine regelmäßige Bestimmung der Leberwerte sinnvoll ist. Hochdosierte Anticholinergika sind besonders bei jugendlichen Patienten mit generalisierter idiopathischer Dystonie zu erwägen [3]. Der positive Effekt der Therapie ist neben vielen offenen Studien auch in einer Doppeltblindstudie erwiesen worden [1]. Etwa die Häfte der jugendlichen Dystoniker profitiert, oft erst nach längerer Einnahme, von einer hochdosierten anticholinergen Therapie. Hingegen erzielt man im Langzeitverlauf nur bei etwa 10% (initial bei einem Fünftel der Blepharospasmus Patienten) [2]) der erwachsenen Dystoniker mit Anticholinergika eine Besserung. Bei Patienten mit sekundärer Dystonie mit strukturellen Hirnläsionen ist eine hochdosierte Anticholinergikatherapie nach eigener Erfahrung ebenfalls von geringem Nutzen. Hier sollte man einen Versuch mit L-Dopa durchführen. Bei der Aufdosierung mit Trihexyphenydil kann es initial durch Auflösen der dystonen Haltungen zu einer vermeintlichen Verschlechterung kommen, weil myokloniforme Aktivierungsmuster demaskiert werden. In diesem Fall sollte man eine Kombinationstherapie erwägen.
Eusaprim® forte Tbl., Suspension, Infusionslösg.
Literatur
Trimethoprim wird enteral gut resorbiert und hat eine Bioverfügbarkeit nahe 100%. Spitzenspiegel im Plasma werden nach 1–4 h erreicht und können Werte von 1 μg/ml nach einmaliger Gabe von 100 mg Trimethoprim erreichen. Die Werte im Liquor cerebrospinalis erreichen maximal die Hälfte des Plasmaspiegels. Plasmaproteinbindung etwa 45%.
Trimethoprim ist ein bakteriostatisch wirksames Diaminobenzylpyrimidin, das kompetitiv die bakterielle Dihydrofolsäurereduktase hemmt. Die selektive Toxizität im Gegensatz zu Folsäure-Antimetaboliten wie Methotrexat beruht auf der besonderen Affinität von Trimethoprim für die bakterielle Enzymvariante. Trimethoprim wird allein oder in Kombination mit Sulfamethoxazol, das die de novo Synthese von Folsäure hemmt als Co-trimoxazol eingesetzt. Ähnlich Kombinationen sind Co-trimazin (Sulfadiazin+Trimethoprim), Co-soltrim (Sulfametrol+Trimethoprim) und Co-trifamol (Sulfamoxol+Trimethoprim). Die gute antibakterielle Wirkung dieser Kombinationen beruht auf sequentiellen Ansatzpunkten in der Hemmung der bakteriellen Tetrahydrofolsäuresynthese, durch die starke Synergie-Effekte in bezug auf Wirksamkeit, Verbreiterung des Wirkungsspektrums und Verzögerung der Resistenzentwicklung erreicht werden konnten. Das Wirkungsspektrum von Trimethoprim als Monosubstanz umfasst zahlreiche grampositive und gramnegative Aerobier, teilweise auch Plasmodien, Naegleria und Toxoplasma gondii. Bei Pneumocystis carinii-Pneumonie wurde es in Kombination mit Dapson eingesetzt. 3
1. Burke RE, Fahn S, Marsden CD (1986). Torsion dystonia: a double-blind, prospective trial of highdosage trihexyphenidyl. Neurology 36: 160–164. 2. Grandas F, Elston J, Quinn N, Marsden CD (1988). Blepharospasm: a review of 264 patients. J Neurol Neurosurg Psychiat 51: 767–772. 3. Lang AE (1986). High dose anticholinergic therapy in adult dystonia. Canad J Neurol Sci 13: 42–46.
Wirkungen
Resorption
Elimination
Trimethoprim Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) TMP-ratiopharm® 50/100/150/200 Tbl. In Kombination mit Sulfamethoxazol: Cotrim forte ct® Tbl.
Die hepatische Metabolisierungsrate beträgt weniger als 20%, weniger als 5% werden mit den Faeces ausgeschieden. Im Harn, mit dem die Substanz im Wesentlichen unverändert eliminiert wird, werden höhere Wirkstoffkonzentrationen als im Plasma gemessen. Die Halbwertzeit wird mit 11±1,4 h angegeben und steigt bei eingeschränkter Nierenfunktion rasch an.
Trinukleotidexpansions-Erkrankungen
Unerwünschte Wirkungen In 3–7% der Behandlungen werden Pruritus, makulopapuläre und morbilliforme Exantheme beobachtet. Einzelfallberichte liegen zu schweren Unverträglichkeitsreaktionen wie Anaphylaxie, exfoliative Dermatitis, Stevens-Johnsonund Lyell-Syndrom vor. Selten Fieber, aseptische Meningitis, Blutbildveränderungen (Thrombozytopenie, Neutropenie, Megaloblasten-Anämie, Methämoglobinämie, Gegenmaßnahme ist die Gabe von Folat). Von Glossitis, Gingivitis oder gastrointestinalen Irritationen einschließlich Erbrechen und Diarrhoe wird berichtet.
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fragiles X-Chromosom (folat-sensitive mentale Retardierung).
Wechselwirkungen Wegen der Folsäure-antagonistischen Eigenschaften kann eine Verstärkung der entsprechenden unerwünschten Wirkungen von z. B. Methotrexat, Primidon, Barbituraten vermutet werden.
TrinukleotidexpansionsErkrankungen
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Definition
Schwangerschaft und Stillzeit, bekannte Überempfindlichkeitsreaktionen, Abweichungen in Blutbild, Leber- und Nierenfunktion, sowie
Hereditäre Krankheiten, die durch Zunahme der Zahl einer repetitiven Trinukleotidsequenz der DNS bedingt sind.
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Trinukleotidexpansions-Erkrankungen. Abb. 1: Schemazeichnung ausgewählter menschlicher Gene, die bei Verlängerung des simplen repetitiven Blocks Trinukleotiderkrankungen hervorrufen
Triptane
Serotonin 5-HT1B/1D-Rezeptor-Agonisten
Anwendungsgebiete Therapie der Migräne sowie des kopfschmerzes. Sumatriptan
Cluster-
Trismus Synonyme Engl.: lockjaw
Definition Tonischer Krampf der Kaumuskeln mit Kieferklemme.
Einleitung Als Symptom bei Allgemeinerkrankungen ( Tetanus), seltener reflektorisch bei Entzündung im Bereich der Kiefergelenke oder bei Kälte vorkommend.
Trochlearisparese 3
Klinische Untersuchung. In Abhängigkeit der klinischen Ergebnisse gegebenenfalls Zusatzuntersuchungen. Evtl. genetische Untersuchung nach Aufklärung über die jeweiligen Konsequenzen. Gegebenenfalls psychologische Begleitung der Diagnostik.
Synonyme
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Diagnostik
Triptane
3
Drei Nukleotide der DNS in Folge (Triplett, Trinukleotidsequenz) kodieren eine Aminosäure in einem Protein. CAG kodiert z. B. für Glutamin. Es gibt relativ viele Bereiche im Erbgut, in denen sich das selbe Triplett wiederholt. Eine abnorme Verlängerung solcher repetitiver Trinukleotidsequenzen mit entsprechend abnormer Verlängerung einer bestimmten Aminosäure in einem Protein führt in der Regel zu einer Konformationsänderung und vermutlich Funktionsänderung des Proteins. Trinukleotidexpansion ist Ursache einer ganzen Reihe verschiedener Erbkrankheiten. Dazu zählen Huntington-Krankheit (CAG), KennedySyndrom (CAG), myotone Dystrophie (CTG/ CAG), Friedreich-Ataxie (GAA), spinozerebellare Ataxie Typ 1, 2, 3, 6, 7 und 12, okuloparyngeale Muskeldystrophie (GCG), fragiles XSyndrom (CGG), dentatorubropallidoluysiale Atrophie (CAG). Es ist zu erwarten, dass für weitere hereditäre Krankheiten eine Trinukleotidexpansion als Ursache gefunden wird. Für die CAG-repeat-Krankheiten wurden jeweils neuronale intranukleäre Einschlüsse gefunden, die Proteine mit Polyglutaminsequenzen enthalten. Deren Rolle für die Neurodegeneration sowie die Ursache für den selektiven Untergang bestimmter Nervenzellen ist unklar. Daher besteht auch über Therapiestrategien bei den Trinukleotidexpansions-Erkrankungen Unklarheit. Das Feld wird tierexperimentell intensiv bearbeitet.
3
Einleitung
3
1286
Nervus trochlearis, Läsion
Tuberkulom, intrakranielles Definition Intrakraniell gelegener Rundherd aus tuberkulösem Gewebe mit starker Neigung zur Einschmelzung und Vergrößerung.
Einleitung Vorkommen insbesondere bei immunkompromittierten Patienten bei Neurotuberkulose. 3
Therapie Symptomatische Therapie.
Prognose Abhängig von der jeweiligen Krankheit.
Tuberkulose, Neurotuberkulose Synonyme ZNS-Tuberkulose
Tuberkulose, Neurotuberkulose
Definition
*
Befall des ZNS mit Mycobakterium spezies.
*
1287
Kulturelle Untersuchung von Magensaft, Harn, Sputum. Tine-Test.
Einleitung
Therapie
Eine Infektion mit Mycobakterium spezies kann jedes Organsystem befallen, von etwa 20% aller extrapulmonalen Manifestationen betreffen ca. 4% das ZNS. Die Neurotuberkulose wird in der Regel von Mycobakterium tuberculosis, selten von M. bovis verursacht. Atypische Mykobakterien spielen nur bei immunsupprimierten Patienten eine Rolle. Der Altersgipfel liegt im 6.–7. Lebensjahrzehnt, häufig liegt eine prädisponierende Grunderkrankung, insbesondere bei gestörter Immunität (z. B. AIDS) zu Grunde. Die ZNS-Manifestaion erfolgt nach Primärinfektion der Lunge auf hämatogenem Weg. Klinischer Verlauf meist in drei Stadien (Prodromalstadium, meningitisches- und enzephalitisches Stadium). Die wichtigste Manifestation mit 70–80% aller Fälle ist die tuberkulöse Meningitis. Spinale oder intrakranielle Tuberkulome, tuberkulöse Hirnabszesse, Radikulitis, tuberkulöse Enzephalopathie und die zerebrale Vaskulitis machen insgesamt nur 20–30% aller Neurotuberkulose-Fälle aus.
Ein ausreichender Verdacht rechtfertigt die Therapie mit Tuberkulostatika. Initial wird über 2–3 Monate mit einer Dreier-Kombination aus Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid behandelt. Anschließend für 10 Monate mit Isoniazid und Rifampicin. Tuberkulome bilden sich unter der medikamentösen Behandlung gut zurück, eine operative Entfernung soll aufgrund der entzündlichen Ausbreitung nicht in der Akutphase durchgeführt werden. Die Exstirpation sollte bei nicht behandelbaren epileptischen Anfällen oder bei Gefährdung wichtiger intrakranieller Strukturen vorgenommen werden. Abszess, Hirnabszess.
*
* *
*
3
*
Anamnese. Fundoskopie (retinale Tuberkulome, Papillenödem). Liquordiagnostik: Typischerweise lymphomonozytäre Pleozytose <1500/3 Zellen/μl, Eiweißerhöhung auf 100 und 500 mg/dl, erniedrigter Serum/Glukose-Quotient <0,5. Direkter Erregernachweis im Liquor: Nachweis säurefester Stäbchen in der Ziehl-Neelsen Färbung nur in 10–30% positiv! Bei wiederholten Messungen in bis zu 90% positiv! Kulturelle Anzüchtung von M.tuberculosis in 30–50% möglich, Dauer 2 bis 8 Wochen. Genom-Nachweis mittels PCR: Spezifität von annähernd 100%, Sensitivität zwischen 50–90%, Ergebnis liegt innerhalb von 8 Stunden vor. Zerebrale Bildgebung (CCT, kraniales MRT): KM-Anreicherung im Bereich der basalen Meningen, Hydrozephalus, Tuberkulome, Abszesse, diffuses Hirnödem bei Enzephalopathie.
empirisch 1. Isoniazid INH (Isozid®): 10 mg/kgKG max. 600 mg/die p. o. (NW: Polyneuropathie) plus Rifampicin (Rifa®) 10 mg/kgKG max. 600 mg/die p. o. (NW: Hepatopathie, Kontraindikation: Schwangerschaft, schwerer Leberschaden, Ikterus) plus Pyrazinamid (Pyrafat®) 35 mg/kgKG max. 2500 mg/die p. o. (NW: Lebertoxizität, Myalgien). Ist eine parenterale Behandlung erforderlich (gestörte Magen-Darm-Passage, Erbrechen, Bewusstseinsstörung) wird mit Isoniazid und Rifampicin und Ethambutol (Myambutol®) 15–25 mg/kgKG max. 1600 mg/die (NW: Optikusneuritis) behandelt. 2. Bei Auftreten bedrohlicher Nebenwirkungen alternativ: Streptomycin (Streptomycin®): 15–20 mg/ kgKG max. 1000 mg/die (NW: Nephrotoxizität, Ototoxizität, Kontraindikation: Schwangerschaft, schwerer Leberschaden) plus Ethambutol (Myambutol®) 15–25 mg/kgKG max. 1600 mg/die. 3. Zusätzlich kann in den Stadien II und III eine Behandlung mit Kortikosteroiden die Mortalität senken: 3
3
*
3
*
3
Diagnostik
gesichert Keine kontrollierten Studien.
T
Tuberöse Sklerose (TSC)
Prednisolon (Decortin H®)1 mg/kgKg/die p. o. unwirksam/obsolet Cycloserin, Para-Aminosalicylsäure.
Nachsorge Regelmäßige Kontrollpunktionen (initial wöchentlich, dann nach 3, 6, 12 Monaten) und Neuroimaging erforderlich zur Therapiekontrolle. Für die Dauer der Isoniazid-Behandlung ist die Pyridoxin-Gabe (Vitamin B6-Hevert®) von 100 mg/die zur Prophylxe einer Polyneuropathie erforderlich, da INH einen kompetetiven Vitamin B6-Anatagonismus aufweist. 3
3
Bewertung In der Initialphase der tuberkulostatischen Therapie kann es zu einer Progredienz der klinischen und zusatzdiagnostischen Parameter kommen. Wichtigste Komplikation ist der Hydrocephalus occlusus. 3
Prognose Gesamtmortalität der Neurotuberkulose beträgt 25–30%, bei 50% Residualsymptome davon 25% schwere Residuen wie permanente Hirnnervenausfälle, multiple Hirninfarkte, Hydrocephalus occlusus.
Tuberöse Sklerose (TSC)
zunehmendem Alter. In bis zu 25% der Fälle subependymale Riesenzellastrozytome im Bereich von Foramen Monroi oder III. Ventrikel, nicht selten mit der Folge eines obstruktiven Hydrozephalus. Extrazerebrale Manifestationen: Hamartome des Sehnervs oder der Retina, Netzhautgliome, Adenoma sebaceum (Angiofibrom) des Gesichts ≥50%), Zahnfleisch- und Nagelfalzfibrome, kardiale Rhabdomyome (ca. 40%), Angiomyolipome der Niere (ca. 50%), Nieren-, Milz, Lungen- und Knochenzysten. Beim Vollbild in der Regel geistige Retardierung, (multi-)fokale epileptische Anfälle bei ca. 90%.
Diagnostik Nachweis zerebraler und sonstiger Organmanifestation mittels bildgebender Verfahren, insbesondere MRT und CT.
Therapie Medikamentöse Therapie s. Epilepsie, fokale. Bei Pharmakoresistenz und konstantem epileptogenen Fokus durch kortikale Tubera können epilepsiechirurgische Maßnahmen indiziert sein. Shuntversorgung bei obstruktivem Hydrozephalus. 3
1288
Prognose Nur etwa 20% der Patienten mit dem Vollbild der Erkrankung erreichen ein normales Alter. Bei oligosymptomatischen Formen normale Lebenserwartung.
Synonyme
Autosomal-dominant, mit geringer Penetranz vererbtes neurokutanes Syndrom (Phakomatose) mit Befall mehrerer Organsysteme und Erkrankungsbeginn vor dem 10., meistens im 1. Lebensjahr. Assoziation mit Chromosom 9 (TSC1-Gen, Genprodukt Hamartin) bzw. 16 (TSC2-Gen, Genprodukt Tuberin). Etwa 60% der Fälle beruhen auf neu aufgetretenen Spontanmutationen. Im Zerebrum kortikale und subependymale Tubera (Hamartome aus heterotopen Ganglienzellen, Astrozyten und ballonierten mehrkernigen Riesenzellen), mit Tendenz zur Verkalkung mit
Definition Als Tullio-Phänomen bezeichnet man eine pathologische Übererregbarkeit des Vestibularorgans, die durch akustische Reize ausgelöst werden kann.
Einleitung Typischerweise tritt dieses Syndrom bei Patienten mit einer Perilymphfistel (z. B. posttraumatischer Genese) auf und geht mit vestibulären Symptomen wie Schwindel, Übelkeit, Oszillopsien und vertikaler Aufwärtsauslenkung mit skew deviation der Augen einher. 3
Definition
Tullio-Phänomen
3
Morbus Bourneville-Pringle, Bourneville-Brissaud-Pringle-Syndrom
Tumoren, Armplexus
1289
Differenzialdiagnose
Definition
Neben den Perilymphfisteln (v. a. im lateralen Bogengang) können eine Meniére-Erkrankung, kongenitale sensineurale Taubheit oder ein hypermobiler Stapes ursächlich sein. Als diagnostisches Kriterium gilt eine erniedrigte Schwelle für Klickgeräusche, die durch Auslösung des vestibulo-kollaren Reflexes geprüft werden kann. Zusätzlich finden sich in der hochauflösenden CT eine Verminderung des Daches des vorderen Bogenganges.
Tumoren entstehen durch Alterationen in bestimmten wachstumsassoziierten Genen: Punktmutationen, Gendeletionen, Genamplifikationen und andere Veränderungen auf DNAEbene führen zu einer kritischen Störung der Regulation von Zellteilung, Zellproliferation und Zelldifferenzierung. Außerdem ist oft die Apoptose beeinträchtigt, der „programmierte Zelltod“, durch den Zellen mit kritischen DNA-Mutationen eliminiert werden können. Diese Mechanismen führen zu einer ungehemmten Gewebsvermehrung losgelöst von den Bedürfnissen des Gesamtorganismus. Im Verlaufe einer Malignisierung kommt es zu einer Selektion und klonalen Expansion von Tumorzellen mit zunehmend bösartigerem Phänotyp durch die Akquisition von zusätzlichen Mutationen.
3
Tumorapoplexie Definition Die Tumorapoplexie äußert sich im plötzlichen Auftreten neurologischer Ausfallsymptome aufgrund einer Gehirntumorerkrankung. Sehr viel häufiger als eine Ischämie im Rahmen einer zerebralen Tumorerkrankung führt eine intratumorale Blutung zum apoplektiformen Auftreten neurologischer Störungen, Gliom, apoplektisches. 3
Einleitung Maligne Gliome, insbesondere Glioblastome neigen zu intratumoralen Blutungen, die letal verlaufen können. Metastasen von multiplen Melanomen und Keimzelltumoren sowie von Hypernephromen bluten ebenfalls häufiger.
Differenzialdiagnose Im CT und MRT kann die ausgedehnte Blutung den zugrunde liegenden Tumor mitunter maskieren. Atypische Blutungen müssen differenzialdiagnostisch immer auch an einen Tumor (Metastase, malignes Gliom) als Blutungsursache denken lassen.
Einleitung Tumoren können das Nervensystem beeinträchtigen durch Neoplasien des Nervensystems selbst, durch Metastasen in das Nervensystem, durch infiltrierende oder komprimierende Nachbarschaftsprozesse (z. B. Wirbelkörper, Schädelbasis) oder durch „Fernwirkungen“ (z. B. im Sinne paraneoplastischer Symptome oder Störungen der Blutgerinnung u. a.). Die primären und sekundären Tumoren des Nervensystems und ihre molekularen Entstehungsmechanismen sind in der 2. revidierten Fassung der WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems dargestellt [1].
Diagnostik Diagnostik, Therapie und Prognose richten sich nach der Tumorhistologie und - lokalisation.
Literatur 1. Kleihues P, Cavenee WK (2000). Tumours of the Nervous System. WHO Classification of Tumors. IARC Press, Lyon.
Therapie Siehe Blutung, Tumoreinblutung und spezifische Therapie bei den einzelnen Histologien. 3
Tumoren, Armplexus Einleitung
3
Neoplasien, Neubildungen
3
Synonyme
Neubildungen betreffen den Armplexus in Form primärer Tumoren ( Neurinom, Neurofibrome), maligner Nervenscheidentumoren ( Neurofibrosarkome) und anderer seltener Tumoren der peripheren Nerven. Der Armple3
Tumoren
T
Tumoren, Nervenwurzel
xus wird außerdem affiziert durch Nachbarschaftsprozesse, dies sind v. a. Lymphknotenmetastasen und Lungenspitzentumore (Pancoast-Tumor).
permetastasen sind die häufigste Ursache spinaler extraduraler Raumforderungen, spinale Tumoren, extradurale. Eine Schädigung peripherer Nerven durch Skeletttumoren anderer Lokalisation ist sehr selten. 3
1290
Diagnostik
Therapie 3
Neurofibro-
3
Neurinom, Neurofibrome, sarkome, Pancoast-Syndrom
Neurofibro-
Diagnostik Bezüglich der Prinzipien der Diagnostik, spinale Tumoren, extradurale. Bei Tumoren der Schädelbasis sind Kernspintomographie, Knochenfenster in der Computertomographie und Skelettszintigraphie erforderlich. Plasmozytome betreffen ganz überwiegend die Schädelkalotte und nur in Ausnahmefällen die Schädelbasis; eine Paraproteinbestimmung in Serum und Urin muss bei Verdacht auf das Vorliegen eines Plasmozytoms durchgeführt werden. 3
Leitsymptome sind neuropathischer Schmerz und neurologische Störung. Der Schmerz ist praktisch obligat und muss eine extensive neurophysiologische und bildgebende, am besten kernspintomographische Diagnostik veranlassen.
3
3
3
3
Prognose Neurinom, Neurofibrome, sarkome, Pancoast-Syndrom
Therapie
3
3
3
Therapie und Prognose richten sich nach Lokalisation und Tumorentität. Bezüglich der Notwendigkeit eines raschen therapeutischen Eingreifens bei symptomatischen spinalen Prozessen, spinale Tumoren, extradurale.
Tumoren, Nervenwurzel
3
Einleitung Tumoren der Nervenwurzeln sind Neurinome, Neurofibrome, selten andere. Paragangliome und myxopapilläre Ependymome sind keine eigentlichen Tumoren der Nervenwurzeln, sie können jedoch im Bereich der lumbalen Nervenwurzeln wachsen. 3
3
Primäre und (sehr viel häufiger) metastatische Tumoren der Schädelbasis können durch Kompression neuraler Nachbarschaftsstrukturen zu lokalisatorisch charakteristischen Symptomen führen. Diese sind z. B. Läsionen des III., IV. V./1 und VI. Hirnnerven bei Affektion der Fissura orbitalis superior, Läsionen des N. II bei Orbitaspitzenprozessen, Läsionen des V. und VI. Hirnnerven bei Felsenbeinspitzenprozessen, Läsionen des III., IV., VI. und V. Hirnnerven bei Affektionen der Retrosphenoidalregion, Läsionen des IX., X. und XI. Hirnnerven bei knöchernen Destruktionen im Bereich des Formen jugulare und des IX. sowie des XII. Hirnnerven bei Prozessen im Foramen magnum. Wirbelkör-
Zahlreiche Tumoren des Nervensystems können Zysten aufweisen. Hierzu gehören pilozytische Astrozytome, maligne Gliome, Ependymome, glioneurale und neuronale Tumoren, PNETs, und andere.
Diagnostik Eine Unterscheidung von nicht neoplastischen Zysten ist nicht immer möglich. In Einzelfällen kann das Kernspintomogramm hilfreich sein, so zeigt es z. B. bei Dermoidzysten und Epidermoidzysten den soliden Tumoranteil in der Diffusionswichtung. 3
Einleitung
Einleitung
3
3
3
Tumoren, Schädelbasis/Skelett
Tumoren, Zysten
Therapie empirisch In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, den Zysteninhalt zu punktieren, um akut eine Raumforderung zu behandeln. Der Effekt ist immer temporär, solange nicht der solide Tumoranteil reseziert wird.
Tumoren, Zysten
1291
Die spezifische Therapie ist bei den einzelnen Entitäten dargestellt.
T
U
Übelkeit
Uhrglasverband Definition
Erbrechen
3
Siehe Tab. 1 (modifiziert nach [1]).
Luftdichter Abschluss eines Auges mittels Klebeverband mit durchsichtiger Mitte zur Prophylaxe von Kornealäsionen bei unvollständigem Lidschluss.
Literatur
Grundlagen
Therapie
1. Brandt T, Dichgans J, Diener HC: Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 4. Aufl. Kohlhammer Stuttgart 2003)
Der Uhrglasverband wird in Kombination mit Augentropfen (tagsüber) oder Augensalbe (zur Nacht) verwendet, um ein Austrocknen der Kornea zu verhindern. Der inkomplette Lidschluss ist meist durch eine periphere Fazialisparese bedingt. 3
Übelkeit, Hirntumor Uhrzeitagnosie
Einleitung Übelkeit, Nüchternerbrechen, Kopfschmerzen und im Verlauf Stauungspapille, Bewusstseinstrübung u. a. sind Symptome einer intrakraniellen Druckerhöhung, deren Ursache ein Gehirntumor sein kann. Zu akut auftretenden Hirndrucksymptomen im Rahmen einer Hirntumorerkrankung kann eine Einblutung in den Tumor, eine Liquorabflussbehinderung (z. B. Foramen-Monroi-Blockade oder Aquäeduktstenose bei infratentorieller Raumforderung) oder ein massives Ödem führen. 3
Differenzialdiagnose Hirndruckzeichen als Folge eines Gehirntumors treten überwiegend nachts und in den frühen Morgenstunden auf, da in dieser Zeit der intrakranielle Druck ohnehin höher ist als tagsüber.
Therapie Hirndruck
Unfähigkeit die Uhr zu lesen bei räumlicher Orientierungsstörung.
Uhthoff-Phänomen Definition Das Uhthoff-Phänomen beschreibt die reversible Manifestation oder die reversible Verschlechterung vorbestehender neurologischer Defizite infolge einer Erhöhung der Körpertemperatur.
Einleitung 1890 beschrieb Wilhelm Uhthoff, einer der ersten Neuroophthalmologen, das Auftreten einer reversiblen Visusminderung nach körperlicher Anstrengung bei Patienten mit multipler Sklerose aber auch bei Gesunden. In der Folge wurde das Uhthoff-Phänomen synonym ge-
3
1294
Uhthoff-Phänomen
Übelkeit. Tab. 1: Wirkstoffe und Fertigarzneimittel für die Therapie von Übelkeit Wirkstoff
Dosierung
Nebenwirkung/Bemerkung
3–4×50–100 mg/d 50 mg p. o. vor Reisebeginn
Anticholinergikum: NW Akkomodationsstörungen, Glaukomanfall, Mundtrockenheit, Obstipation, Harnentleerungsstörungen und Restharnbildung. Tachykardieneigung, sedierende Wirkung
Antihistaminika Dimenhydrinat (Vomex A®)
Meclozin (Bona- 25–50 mg/d, bis 100 mg/d min®) Diphenhydramin 50–150 mg/d (Emesan®) Anticholinergikum 0,5 mg/72 h als Pflaster
Mydriasis, Akkomodationsstörungen, Abnahme der Schweiß- und Speichelsekretion
Metoclopamid (Gastrosil®)
2 mg/kg i. v. alle 1–2 h, max. Dosis 10 mg/kg Körpergewicht
Antiemetische Wirkung am oberen GITrakt, Tachyphylaxie, erhöhte Prolaktinkonzentration, extrapyramidale NW, Müdigkeit, Senkung der Krampfschwelle, CAVE: Leber- oder Niereninsuffizienz, Dosisreduktion!
Domperidon (Motilium®)
3×10 mg bis max. 3×40 mg
Scopolamin (Scopoderm®) Prokinetika
Bromoprid (Via- 3×10 mg/d ben®) Dopamin-Antagonisten Promethazin (Atosil®)
1–3× 25–50 mg/d
Serotonin-Antagonisten
Gabe 30 min vor Chemotherapie und dann 4 h und 8 h nach Chemotherapie (z. B. bei Mitoxantron-Zyklus)
Ondansedon (Zofran®)
1–2× 8 mg i. v. 1–2×8 mg p. o.
Topisetron (Navoban®)
5 mg p. o. oder i. v.
Granisetron (Kevatril®)
2 mg p. o. oder i. v.
Dolasetron (Anemet®)
100 mg i. v. 200 mg p. o.
braucht, um eine rasch reversible neurologische Verschlechterung infolge einer erhöhten Körpertemperatur (exogen: heißes Bad, erhöhte
Hypotension, extrapyramidale Nebenwirkungen, Senkung der Krampfschwelle, Steigerung der Prolaktinkonzentration, Sedierung
Selten Kopfschmerzen, Diarrhö, Obstipation, leichte Flush-Symptomatik
Raumtemperatur oder endogen: Fieber, körperliche Anstrengung etc.) zu beschreiben. Als Ursache des Uhthoff-Phänomens wird ein reversibler temperaturabhängiger Leitungs-
Ulkus, diabetisches
block angenommen. Eine endgültige Klärung des Pathomechanismus des Uhthoff-Phänomens steht bislang jedoch aus.
Differenzialdiagnose Die Kenntnis des Uhthoff-Phänomens und dessen Abgrenzung gegen einen akuten Schub einer multiplen Sklerose ist von großer praktischer Bedeutung.
Prophylaxe Bei wärmesensiblen Patienten mit multipler Sklerose ist die Vermeidung aller Situationen, die mit einer übermäßigen Erhöhung der Körpertemperatur einhergehen (längeres Sonnenbaden) empfehlenswert. Es ist jedoch hervorzuheben, dass Patienten mit multipler Sklerose individuell sehr unterschiedlich auf starke Temperaturunterschiede reagieren können.
Therapie empirisch Die neurologischen Verschlechterungen im Rahmen eines Uhthoff-Phänomens bedürfen angesichts der raschen Reversibilität der Beschwerden keiner medikamentösen Therapie. Allerdings müssen die besorgten Patienten über die Zusammenhänge und die relative Harmlosigkeit des Uhthoff-Phänomens aufgeklärt werden. Ggf. 4-Diaminopyridin.
Nachsorge Eine klinische Verlaufskontrolle oder zumindest eine Kontaktaufnahme mit dem Patienten sollte nach Ablauf von 24 Stunden erfolgen, um sicherzustellen, dass sich nicht eine akute Schubsymptomatik entwickelt hat, die mit einer frühstmöglichen hochdosierten intravenösen Kortikosteroid-Therapie zu behandeln ist.
1295
Literatur 1. Selhorst JB, Saul RF (1995). Uhthoff and his symptom. J Neuroophthalmol 15(4):264. 2. Guthrie TC, Nelson DA (1995). Influence of temperature changes on multiple sclerosis: critical review of mechanisms and research potential. J Neurol Sci 129(1):1–8. 3. Zettl UK, Dressler D, Guthoff R (2001). Neuritis nervi optici und Multiple Sklerose. In: Zettl UK, Mix E. (Hrsg.) Multiple Sklerose: Kausalorientierte, symptomatische und rehabilitative Therapie. Springer-Verlag, Berlin 135–148.
Ulkus, diabetisches Definition Im Rahmen der häufigen autonomen Neuropathie bei Diabetes kommt es zu trophischen Störungen der Haut (trockene Haut), die sich bis hin zum neuropathischen Ulkus entwickeln können. Begleitend und komplizierend besteht oft auch eine diabetische Osteoarthropathie.
Einleitung Das diabetische Ulkus liegt nicht wie die arteriosklerotisch-ischämischen Ulzera an den Akren, sondern in anderen Lokalisationen wie der Fußsohle, dem Ballen oder dem Fußaußenrand. Begünstigt wird die Entstehung durch die polyneuropathiebedingte Hypalgesie, sodass das Ulkus meist schmerzlos ist und bei ungünstiger Lage vom Patienten erst spät bemerkt wird, außerdem durch die mechanische Veränderung des Fußgewölbes bei polyneuropathiebedingten Paresen der kleinen Fußmuskeln.
Differenzialdiagnose
Das Uhthoff-Phänomen ist klinisch als relativ harmlos einzuordnen. Wichtig ist aus praktischen Gründen seine Kenntnis in der Abgrenzung gegenüber dem Schub bei multipler Sklerose, um nicht gerechtfertigte Schubtherapien und möglicherweise Änderungen der Sekundärprophylaxe zu initiieren.
Periphere arteriosklerotische Durchblutungsstörungen sollten ausgeschlossen werden. Eine diabetische Genese ist wahrscheinlich, wenn der Diabetes bereits länger besteht, schlecht eingestellt ist und weitere Organschäden vorliegen (Retinopathie, Nephropathie). Bei ausgeprägtem Ulkus sollte zur Beurteilung einer zusätzlichen diabetischen Osteoarthropathie eine Röntgenuntersuchung des Fußes durchgeführt werden.
Prognose
Prophylaxe
Das Uhthoff-Phänomen hat nach Beseitigung des körpertemperaturerhöhenden Reizes innerhalb von Stunden eine hervorragende Prognose.
Zur Vermeidung diabetischer Ulzera oder des Vollbildes eines sogenannten „diabetischen Fußes“ ist die regelmäßige Inspektion der
Bewertung
U
1296
Ulnarisläsion
Füße und die möglichst professionell von einer entsprechend geschulten Person durchgeführte Fußpflege entscheidend. Falls vom Patienten nicht selber zu leisten, müssen die Füße täglich von einer Hilfsperson inspiziert werden. Verletzungen bei der Fußpflege müssen vermieden werden. Auf kleinste Hautläsionen muss geachtet werden. Druckstellen müssen streng vermieden werden, sodass auf passendes Schuhwerk geachtet werden muss.
Therapie Die Therapie des diabetischen Ulkus besteht zum einen in der konsequenten Druckentlastung. Der Fuß sollte möglichst geschont werden, die Anpassung orthopädischen Schuhwerkes unter Berücksichtigung des oft mechanisch veänderten Fußgewölbes ist wichtig. Begleitende Sekundärinfektionen müssen antibiotisch behandelt werden. Die Therapie sollte bei ausgeprägteren Ulzera möglichst in entsprechenden spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Außerdem ist auch hier die optimale Diabeteseinstellung entscheidend.
pathien verteilt (Gold, Blei). Bei Neuropathien durch gewerbliche oder Umweltgifte sind sehr häufig andere Organe mitbetroffen (ZNS, Knochenmark, Leber, Niere, Haut).
Diagnostik Die Mitbeteiligung anderer Organe kann diagnostisch für den Nachweis einer durch Umweltgifte bedingten Neuropathie entscheidend sein. Die toxischen Neuropathien sind in aller Regel axonal. Andere Neuropathien sollten ausgeschlossen werden, wobei die Abgrenzung zu den idiopathischen axonalen, ebenfalls meist sensiblen Neuropathien schwierig sein kann.
Therapie Die Behandlung aller toxischen Neuropathien besteht im sofortigen Vermeiden der Exposition. Die rasche Elimination der Toxine kann zusätzlich erforderlich werden. Bei Schwermetallen kann dieses durch Komplexbildner (BAL, Penicillamin), bei Thallium z. B. durch Natriumjodidlösung, Schwefelwasserstofflösung, Berliner-Blau-Lösung und forcierte Diurese erfolgen.
Prognose
Ulnarisläsion Nervus ulnaris, Läsion
3
Umweltgifte, Polyneuropathie
Bei einem Weglassen der Noxe kommt es in der Regel zu einer Rückbildung, zumindest aber zu einem Stillstand der Symptome. Dieses Kriterium kann auch diagnostisch hilfreich sein.
Undine-Syndrom
Definition Neben Medikamenten können gewerbliche bzw. Umweltgifte zu toxischen Polyneuropathien führen. Als potentiell toxische Substanzen kommen Arsen, Blei, Quecksilber, Thallium, Lösungsmittel, DDT, Triorthokresylphosphat, Schwefelkohlenstoff und Acrylamid in Betracht. Toxische Neuropathien sind allerding bis auf die alkoholische Neuropathie wesentlich seltener als allgemein vermutet.
Synonyme Undines-Fluch-Syndrom, primäres Schlafapnoesyndrom
Definition Zentrale Atemregulationsstörung mit Verlust der automatischen Respiration bei erhaltener willentlicher Atmung.
3
Einleitung Einleitung Klinisch manifestiert sich die Polyneuropathie meist als distal-symmetrische, vorwiegend sensible Form, die z. T. mit heftigen Schmerzen einhergeht (Arsen, Thallium, DDT, Triorthokresylphosphat). Vorwiegend motorisch oder asymmetrisch sind nur wenige toxische Neuro-
Als Ursache des Undine-Syndroms werden Unterbrechungen ventrolateralen absteigenden medullozervikalen Bahnen angenommen, wie sie z. B. bei unilateralen und bilateralen Hirnstamminfarkten, Hämorrhagien oder Enzephalitiden auftreten. Es liegt u. a. eine verminderte Ansprechbarkeit des Atemzentrums auf Koh-
Urapidil
lendioxid vor. Es treten während der Aufwachphasen Perioden von Apnoe, Zyanose und Somnolenz auf.
Diagnostik In der Schlafpolygraphie findet sich eine respiratorische Azidose mit Phasen von Hyperventilation, z. T. auch eine Cheyne-Stokes-Atmung. Differenzialdiagnostisch sollte an ein obstruktives Schlafapnoesyndrom gedacht werden, welches in der Schlafpolygraphie abgegrenzt werden kann und therapeutisch anders angegangen wird (Allgemeinmaßnahmen, medikamentös, CPAP-Beatmung, Tracheotomie).
Therapie gesichert Implantation eines Zwerchfellschrittmachers.
Unzinatusanfälle Definition Obsoleter und nicht der Klassifkation der International League against Epilepsy [1] entsprechender Ausdruck für Anfälle, die von den mesialen Temporallappenstrukturen (insbesondere Unzinatus) generiert werden. Epilepsie, Temporallappenepilepsie, mediale 3
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1981) Proposal for revised clinical and electroencephalographic classification of epileptic seizures. Epilepsia 30:489–501.
Urapidil Gebräuchliche Fertigarzneimittel Ebrantil® 30/60/90 Ret.kps., - i. v. 25/50 Inj. lösg.
Wirkungen Urapidil ist ein selektiver, kompetitiv wirkender α1-Adrenozeptor-Antagonist, der sich in seiner chemischen Struktur deutlich von Prazosin unterscheidet. Die Affinität von Urapidil für α1adrenerge Rezeptoren ist etwa 200-mal niedriger als die von Prazosin. Urapidil senkt den arteriellen Blutdruck vorwiegend über die Blo-
1297
ckade α1-adrenerger Rezeptoren an der glatten Gefäßmuskulatur. Darüber hinaus wird dem Arzneistoff auch eine zentrale blutdrucksenkende Wirkung zugesprochen, die − zumindest größenteils − auf die Stimulation von 5HT1A-Rezeptoren zurückgeführt wird. Ferner hat Urapidil α2-adrenozeptorstimulierende Eigenschaften. Bei Langzeitanwendung von Urapidil kommt es nicht zu einer reflektorischen Tachykardie.
Wirkungsverlauf Urapidil wird enteral rasch resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen treten nach einer halben Stunde auf. Die Bioverfügbarkeit beträgt 80% mit stark schwankender Plasmakonzentration. Urapidil ist zu 75–80% an Plasmaproteine gebunden. Es wird im gesamten Organismus verteilt und durchdringt die Blut-Hirn-Schranke. In der Leber wird Urapidil weitgehend metabolisiert. Die Halbwertzeit von Urapidil beträgt ca. 3 h. Es werden drei Hauptmetaboliten gebildet, von denen zwei etwa gleich stark blutdrucksenkend wirksam sind wie Urapidil. Ihre Ausscheidung erfolgt überwiegend renal.
Anwendungsgebiete Urapidil wird bei arterieller Hypertonie eingesetzt. Besondere Indikationsgebiete sind hypertensive Notfälle, schwere Formen der Hypertonie mit Therapieresistenz. Urapidil ist außerdem Mittel der Wahl zur kontrollierten Blutdrucksenkung bei Hirninfarktpatienten (ab systol >220 mmHg, diastol >120 mmHg).
Dosierung und Art der Anwendung Urapidil kann p. o. oder i. v. verabreicht werden. P. o.: Initial 2-mal täglich 30–60 mg, ggf. steigern bis 2-mal 90 mg. Einnahme während der Mahlzeiten mit Flüssigkeit. Parenteral: Initial 10–50 mg i. v. am liegenden Patienten; Effekt innerhalb 5 min; ggf. Wiederholung unter Blutdruckkontrolle.
Unerwünschte Wirkungen Urapidil ist im Allgemeinen gut verträglich. Selten Juckreiz, Hautrötung, Exantheme. Nach der ersten Dosis kann es gelegentlich zu einem besonders starken Blutdruckabfall kommen.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Die i. v. Applikation ist bei Aortenisthmusstenose und arteriovenösem Shunt − ausgenom-
U
1298
Urokinase
men sind hämodynamisch nicht wirksame Dialyseshunts − kontraindiziert.
* *
Wechselwirkungen Urapidil verstärkt die blutdrucksenkende Wirkung anderer Antihypertensiva. Cimetidin erhöht die Plasmakonzentration von Urapidil.
Lungenembolien. Keine Zulassung zur systemischen Thrombolyse bei zerebraler Ischämie, trotzdem häufig intraarteriell angewandtes Thrombolytikum bei Basilaristhrombose.
Dosierung/Anwendung *
*
Urokinase
Dosierungsrichtwerte bei systemischer, intravenöser Anwendung: 3 Mio. IE über 90 Min. Neurologisch nur intraarteriell (siehe Anwendungsgebiete).
Zubereitungen
Unerwünschte Wirkungen
Trockensubstanz zur Herstellung einer Infusionslösung zur intravenösen Anwendung.
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Blutungen. Kopf- und Rückenschmerzen. Anaphylaktische Reaktionen.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel *
*
Actosolv®, Alphakinase®, Corase®, rheothromb®, Urokinase HS medac®, Urokinase Ribosepharm®. Es handelt sich jeweils um Trockensubstanzen zur Herstellung einer Infusionslösung unterschiedlicher Konzentration (derzeit verfügbar zwischen 25.000 und 1.000.000 IE).
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung * * * * * * * *
Wirkungen *
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Körpereigener, aus menschlichem Urin gewonnener oder gentechnisch hergestellter Fibrinolyseaktivator. Führt direkt zur Umwandlung von Plasminogen in Plasmin, das dann den Abbau von Fibrinpolymeren (Thrombus) in Fibrinspaltprodukte bewirkt.
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Hämorrhagische Diathese. Ösophagusvarizen. Leberzhirrose. Bronchiektasen. Ulcus duodeni und ventriculi, Kolitis. Schwangerschaft bis eine Woche postpartal. Hirnblutungen. Kürzlich (bis 12–14 Tage) stattgehabte Operationen, ZNS-Operationen (2 Monate). Unkontrollierbare arterielle Hypertonie. Schwere diabetische Retinopathie. Pankreatitis. Sepsis. Endokarditis. Z. n. arterieller Punktion, Z. n. Liquorpunktion.
Wechselwirkungen Pharmakologische Daten * *
Plasma-Halbwertszeit etwa 5–10 Minuten. Keine Ausbildung von Antikörpern.
* * * *
Anwendungsgebiete * * *
Akute arterielle Thrombosen. Zur Rekanalisierung arteriovenöser Shunts. Venenthrombosen.
Alle Medikamente, die Einfluss auf die Blutgerinnung nehmen, z. B.: Antikoagulantien. Thrombozytenaggregationshemmer. Nichtsteroidale Antiphlogistika.
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Anwendungsgebiete
Vagus (N. vagus), Läsion
Valaciclovir ist bei Herpes zoster („Gürtelrose“) indiziert, die Therapie muss im Prodromalstadium beginnen, da sich in dieser Phase die Viren vermehren. Die Substanz ist auch bei Herpes simplex 1 und 2 (genitalis) erfolgreich angewandt worden.
Nervus vagus, Läsion
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Valaciclovir
Dosierung und Art der Anwendung Die Dosierung von Valaciclovir beträgt 3-mal täglich 1000 mg oral.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Valtrex®, Valtrex® S Filmtbl.
Unerwünschte Wirkungen
Wirkungen Valaciclovir ist ein Derivat von Aciclovir, einem Guanosinanalogon, das zur Behandlung von Virusinfektionen eingesetzt wird Aciclovir. Dieses Prodrug stellt chemisch gesehen einen Ester aus Aciclovir und der Aminosäure L-Valin dar („Einschleus-Ester“), der rasch durch hepatische Esterasen gespalten wird. 3
Resorption Während nur etwa 10–20% einer oral verabreichten Aciclovir-Dosis aus dem MagenDarm-Trakt resorbiert werden, ist die Bioverfügbarkeit des Esters etwa 3–5-mal höher. Dies geht aus einem direkten Vergleich von intravenös infundiertem Aciclovir (350 mg) mit oral gegebenem Valaciclovir (1000 mg) hervor. Es konnte gezeigt werden, dass Valaciclovir rasch und nahezu vollständig in Aciclovir umgewandelt wird. Die mittleren Plasmaspiegel von Aciclovir nach Einnahme von Valaciclovir sind deutlich höher und nicht so variabel [Bereich: 2,8–16,1 mg/L (Mittelwert: 5,7 mg/ L)].
Elimination Die Elimination des Wirkstoffs erfolgt mit einer Halbwertzeit von etwa 2,5 h überwiegend unverändert renal.
Kopfschmerzen sind selten. Zu den beobachteten unerwünschten Wirkungen gehören Übelkeit und gastrointestinale Störungen in relativ niedriger Inzidenz. Ausreichende Erfahrungen über die Anwendung in der Schwangerschaft liegen nicht vor.
Valproinsäure Synonyme Valproat, Dipropylacetat
Zubereitungen (Magensaftresistente) (Retard-)kapseln bzw. - tabletten, Tropfenlösung, Injektionslösung zur intravenösen Applikation.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Convulex® magensaftresistente Kapseln à 150, 300, 500 mg. Convulex® Tropfenlösung (1 ml = 300 mg). Convulsofin® Tabletten à 265 mg. Convulsofin® Tropfenlösung (10 Tr. = 106 mg). Ergenyl® magensaftresistente Filmtabletten à 150, 300, 500 mg. Ergenyl® Lösung (1 ml = 300 mg).
1300
Valproinsäure
Ergenyl Chrono® Retardtabletten à 300, 500 mg. Leptilan® magensaftresistente Tabletten à 150, 300, 600 mg. Orfiril® magensaftresistente Dragees à 150, 300, 600 mg. Orfiril® Saft (5 ml = 300 mg). Orfiril® Injektionslösung Ampullen à 3 ml (= 300 mg). Orfiril long® Retardminitabletten bzw. - kapseln à 150, 300, 500, 1000 mg.
Wirkungen Komplexer Wirkmechanismus. Membranstabilisierung über die Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle, Verstärkung der GABAergen Transmission über die Blockierung der GABA-Transaminase, Verminderung des exzitatorischen Transmitters Glutamat durch Hemmung der Glutamatdecarboxylase. Beschrieben sind weiterhin modulierende Effekte auf thalamische T-Typ-Kalziumkanäle und eine Unterdrückung exzitatorischer, über NMDA-Rezeptoren vermittelter postsynaptischer Potentiale.
Pharmakologische Daten Schnelle und fast vollständig Resorption bei oraler Verabreichung. Hepatische Metabolisation, beträchtliches Interaktionspotential (s. u.). Eiweißbindung 80–95%, wobei der freie Anteil bei steigender Gesamtkonzentration zunimmt und verschiedene Medikamente, insbesondere auch Antiepileptika, zu teilweise beträchtlichen Anstiegen und somit vermehrten Nebenwirkungen (bei unverändertem Gesamtserumspiegel!) führen können. Plasmahalbwertszeit bei Erwachsenen ca. 8–17 h (Steady State nach 2–5 d). Bei unretardierten Präparaten starke Fluktuation der Serumkonzentration im 24 h-Profil.
Anwendungsgebiete 1. Epilepsiebehandlung: Valproinsäure stellt ein stark wirksames Medikament für die Mono- und Kombinationstherapie generalisierter und fokaler Epilepsien dar, wobei bei Ersteinstellung die volle Wirksamkeit häufig erst nach 4–6 Wochen zu beobachten ist. Die parenterale Darreichungsform ist zugelassen für Situationen, in denen keine orale Applikation möglich ist; Status epilepticus, Grand-mal-Status. 2. Migräneprophylaxe (in Deutschland bislang
keine Zulassung für diese Indikation): Effektivität und Nebenwirkungshäufigkeit vergleichbar mit anderen Migräneprophylaktika, z. B. Flunarizin oder Propanolol [1]. 3. Phasenprophylaxe bei bipolaren manischdepressiven Psychosen (in Deutschland bislang keine Zulassung für diese Indikation): Nachgewiesener, mit Lithium zumindest vergleichbarer Effekt [2].
Dosierung/Anwendung 1. Epilepsiebehandlung: Aufdosierung bei Erwachsenen in Schritten von 150–300 mg jeden 3. Tag (Zweimal-, ggf. auch nur abendliche Einmalgabe/d), endgültige Dosis in Abhängigkeit von Effektivität und Nebenwirkungen sehr verschieden, ca. 800– 2400 mg/d (Kinder ca. 15–30 mg/kg Körpergewicht). 2. Migräneprophylaxe (in Deutschland bislang keine Zulassung für diese Indikation): Dosierung: 500–1500 mg/d, nur selten höhere Dosen erforderlich. 3. Phasenprophylaxe bei manischen bzw. bipolaren manisch-depressiven Psychosen (in Deutschland bislang keine Zulassung für diese Indikation): Dosierung vergleichbar mit Epilepsietherapie. Laborkontrollen während laufender Behandlung: Blutbild, Leber- und Gerinnungswerte (Transaminasen, Bilirubin, Gesamteiweiß, Thromboplastinzeit, PTT, Fibrinogen, Faktor VIII) und Amylase vor Therapiebeginn, dann in ein- bis zwei- und später in vierwöchigen Abständen bis zum Ende der ersten 6 Behandlungsmonate.
Unerwünschte Wirkungen Gastrointestinale Störungen, bei Therapiebeginn überwiegend Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, unter Dauertherapie nicht selten Appetit- bzw. Gewichtszunahme; selten Pankreatitiden. Selten allergische Hautreaktionen, passagerer Haarausfall bei bis zu einem Drittel der Fälle. Zentralnervöse Nebenwirkungen: Tremor (häufig, dosisabhängig), selten Vigilanzminderung oder Reizbarkeit. Selten Enzephalopathie (insbesondere in Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika, reversibel nach Absetzen von Valproat) mit Antriebslosigkeit, Stupor, extrapyramidalen Bewegungsstörungen, u. U. Anfallszunahme, erhöhten Ammoniakspiegeln und Allgemeinveränderung
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Vaskulitiden
sowie diffuser Verlangsamung im EEG. Selten idiosynkratische schwere Hepatopathie mit Leberparenchymnekrose, vor allem bei Kindern; erhöhtes Risiko (bis zu 1:500) bei sehr jungem Alter, Mehrfachbehinderung, familiären unklaren Todesfällen mit Reye-artiger Symptomatik und Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika. Warnhinweise: Apathie, Inappetenz, Ataxie; initial nicht immer anhand Transaminasenund Ammoniakanstieg erfassbar! Tödlicher Verlauf bei bis zu einem Drittel. Gerinnungsstörungen durch Thrombopenie bzw. Thrombozytenfunktionsstörung, erniedrigte Konzentration von Fibrinogen bzw. Faktor VIII (=erworbenes v. Willebrand-Jürgens-Syndrom). Selten Knochenmarkstoxizität mit Lympho-, Neutro- oder Panzytopenie. Gelegentlich erhöhte Testosteronspiegel und polyzystische Ovarien. Teratogenität: Risiko von Neuralrohrdefekten mit 2% um das Vierfache im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht.
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Bewertung Standardantiepileptikum mit breitem Wirkungsspektrum, guter Effektivität und in der Regel guter Verträglichkeit. Vorsicht ist bei sehr jungen und schwerbehinderten Patienten geboten. Zunehmender Einsatz als Migräne- bzw. Phasenprophylaktikum bei manischen bzw. bipolaren manisch-depressiven Psychosen.
Literatur 1. Kaniecki RG (1997). A comparison of divalproex with propranolol and placebo for the prophylaxis of migraine without aura. Arch Neurol 54:1141– 1145. 2. Bowden CL, Calabrese JR, McElroy SL, Gyulai L, Wassef A, Petty F, Pope HG Jr, Chou JC, Keck PE Jr, Rhodes LJ, Swann AC, Hirschfeld RM, Wozniak PJ for the divalproex maintenance study group (2000). A randomized, placebo-controlled 12-month trial of divalproex and lithium in treatment of outpatients with bipolar I disorder. Arch Gen Psychiatry 57:481–489.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung
Varicella-Zoster-Virus (VZV) Grundlagen Durch das VZV hervorgerufene neurologische klinische Erscheinungsformen sind: Ganglionitis, Zosterganglionitis; Meningitis; Enzephalitis, Varicella-Zoster-Enzephalitis; Myelitis; Vaskulitiden. 3
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Bekannte Gerinnungsstörungen, Hepato- oder Pankreatikopathie. Vorsicht bei mehrfach behinderten Kindern, Lebererkrankungen in der Familie. Bei einem Todesfall in der Familie unter Valproat darf das Medikament nicht angewandt werden. Systemischer Lupus erythematodes. Gleichzeitige Anwendung von Acetylsalicylsäure, besonders bei Säuglingen und Kleinkindern.
Wechselwirkungen Enzyminduzierende Antiepileptika ( Phenobarbital, Carbamazepin, Phenytoin), Erythromycin und Mefloquin führen zu einer Verminderung, Cimetidin und Fluoxetin zu einer Erhöhung des Valproinsäurespiegels. Die Verdrängung von Valproat aus der Eiweißbindung, z. B. durch Acetylsalicylsäure, kann zu Intoxikationserscheinungen führen. Durch Abbauhemmung bzw. Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung führt Valproinsäure zu erhöhten Serumkonzentrationen von Felbamat, Phenobarbital und Phenytoin (insbesondere des freien Anteils) mit der Folge vermehrter Nebenwirkungen. Starke Erhöhung des Lamotriginspiegels durch Hemmung von dessen Metabolismus. Unter Therapie mit Antikoagulantien bzw. Thrombozytenaggregationshemmern erhöhte Blutungsneigung.
Vaskulitiden Synonyme Arteriitis, Angiitis
Definition Eine Vaskulitis ist eine Entzündung der Gefäßwand unterschiedlicher Genese. Man unterscheidet primäre und sekundäre Vaskulitiden.
Grundlagen Sekundäre Vaskulitiden können durch Erreger bei viralen oder bakteriellen Erkrankungen sowie durch exogene Faktoren (Drogen, Strahlen) bedingt sein. Die primären Vaskulitiden sind immunvermittelt und lassen sich nach Gefäßgröße und Histopathologie einteilen: Gefäßgröße:
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Vaskulitiden, kryoglobulinämische
1. Große Arterien (einschließlich Aorta) * Arteriitis temporalis ( Riesenzellarteriitis) * Takayasu-Arteriitis 2. Mittlere Arterien * Isolierte ZNS-Angiitis * Panarteriitis nodosa * Kawasaki-Syndrom 3. Kleine Gefäße ( „small-vessel“-Vaskulitiden: Arteriolen, Kapillaren, Venen) 3
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a) ANCA-positiv * Wegener-Granulomatose * Churg-Strauss-Syndrom * Mikroskopische Panarteriitis nodosa b) Immunkomplexvermittelt: * Behçet-Syndrom * Henoch-Schönlein-Purpura * Kryoglobulinämie * Serumkrankheit * Medikamentenassoziiert * Infektassoziiert * Rheumatoide Arthritis * Bei Kollagenosen ( SLE, SjögrenSyndrom) * Goodpasture-Syndrom c) Paraneoplastisch d) Bei entzündlichen Darmerkrankungen [1].
Grundlagen Die Leitsymptome umfassen Purpura, Arthralgien und Nephritis mit einem Erkrankungsalter um das 50. Lebensjahr. Serologisch lassen sich die Kryoglobuline und eine positive Rheumaserolgie nachweisen, wobei C4-Komplement meist erniedrigt und C3 nur leicht reduziert ist. Bei vielen Patienten wird eine assoziierte Hepatitis-C-Infektion als ätiologisch bedeutsam angenommen. Therapeutisch werden bei mildem Krankheitsverlauf nichtsteroidale Antiphlogistika, bei schweren Organbeteiligungen Kortikoide und Immunsuppressiva (z. B. Cyclophosphamid) eingesetzt. Der therapeutische Nutzen der Plasmapherese sowie von Interferon-α bei assoziierter Hepatits C basiert bislang noch auf empirischer Erfahrung [1].
Literatur 1. Jennette JC, Falk RJ (1997) Small-vessel vasculitis. NEJM 337:1512–1523.
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Literatur 1. Jennette JC, Falk RJ (1997) Small vessel vasculitis. NEJM 337:1512–1523.
Vaskulitiden, kryoglobulinämische
Vaskulitiden, Myopathien Definition Bei allen Formen der Vaskulitiden kann es im Rahmen der unterschiedlichen Organmanifestationen zu entzündlichen Veränderungen am Muskel kommen. Klinisch stehen Myalgien im Vordergrund.
Vaskulitiden, Neuropathie
Definition Kryoglobulinämische Vaskulitiden werden durch Ablagerungen gemischter Kryoglobuline in typischerweise Kapillaren, Arteriolen und Venolen („small vessels“) verursacht.
Definition Eine vaskulitische Neuropathie ist durch eine segmentale nekrotisierende Vaskulitis epineuraler, arterieller und venöser Gefäße verursacht.
Vaskulitiden. Tab. 1: Einteilung primärer Vaskulitiden nach histopathologischen Kriterien Gefäßgröße
Nachweis von Granulomen
Groß
Riesenzellarteriitis
Mittel
Isolierte ZNS-Angiitis
Panarteriitis nodosa Isolierte ZNS-Angiitis
Klein
Churg-Strauss-Syndrom Wegener-Granulomatose
Mikroskopische Panarteriitis nodosa
Vene
Keine Granulome
Behçet-Syndrom
Vasospasmus
Einleitung Durch die ischämische Schädigung treten v. a. axonale Degenerationen myelinisierter Fasern auf, was elektrophysiologisch nachweisbar ist. Klinisch manifestieren sie sich als Mononeuropathie multiplex.
* *
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Behçet, Churg-Strauss-Syndrom, Wegener´ sche Granulomatose, Morbus WiniwarterBürger (Thrombangitis obliterans). Kollagenosen: Sjögren-Syndrom, Lupus erythematodes. Vaskulopathie bei entzündlichen Darmerkrankungen.
Differenzialdiagnose Folgende Vaskulitiden können eine Neuropathie verursachen: * Panarteriitis nodosa (klassische Form und mikroskopische Panarteriitis nodosa), Churg-Strauss-Syndrom * Bei Kollagenosen ( SLE, Sjögren-Syndrom) und rheumatoider Arthritis * Wegener-Granulomatose * Hypersensitivitätsangiitis * Riesenzellarteriitis * Behçet-Syndrom und * die nicht systemische Vaskulitis des peripheren Nervs.
Neoplastisch: * Lymphomatosen, Granulomatosen. Exogen-toxisch: * Strahlenvaskulopathie. * Kokain-Vaskulitis.
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Vasokonstriktion
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Am häufigsten sind die Panarteriitis nodosa, die Kollagenose-assoziierten Vaskulitiden und die nicht systemische Vaskulitis des peripheren Nervs. 3
Therapie Die Therapie richtet sich nach dem zugrundeliegenden Vaskulitistyp.
Definition Engstellung der Gefäße.
Einleitung *
*
Durch erhöhten Tonus der glatten Gefäßmuskulatur kommt es zu einer Gefäßengstellung. Unterschiedliche Auslöser können zu einer Vasokonstriktion führen: – Gefäßwandverletzungen. – Kälteexposititon. – Hyperventilation und erniedrigter Kohlendioxid-Partialdruck im Blut.
Vaskulopathie Definition Überbegriff für nicht arteriosklerotisch bedingte Gefäßerkrankungen.
Vasospasmus Synonyme
Grundlagen Degenerative Gefäßveränderungen: * Dissektionen. * Fibromuskuläre Dysplasie. * Moya-Moya-Erkrankung. * Sneddon-Syndrom. * CADASIL-Syndrom. * Marfan-Syndrom. * Amyloidangiopathie. * Morbus Osler. 3 3 3 3 3 3 3
Entzündlich/rheumatisch: * Vaskulitiden, z. B. isolierte ZNS-Vaskulitis, Panarteritis nodosa, erregervermittelt (z. B. bei Pneumokokken-Meningitis), Morbus
Gefäßkrampf, Angiospasmus
Definition Durch lokale Irritation oder funktionell-reflektorisch ausgelöste, maximale Gefäßengstellung insbesondere der Arteriolen (aber auch anderer Gefäße).
Einleitung Unterschiedliche Auslöser können die Ausbildung eines Vasospasmus bedingen: * Mechanisch-irritativ: durch Katheter oder Kontrastmittel im Rahmen einer Angiographie.
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* *
Medikamentös-toxisch: Kokain, Amphetamine. Kälteexposition: Prinz-Metal-Angina, Raynaud-Syndrom. Sonderform: Vasospasmus bei Subarachnoidalblutung (SAB). Man vermutet, dass es durch den Reiz der Blutabbauprodukte reflektorisch zu einer generalisierten Gefäßengstellung oder einer proliferativen Vaskulopathie kommt. 3
*
Verapamil
Therapie * *
Beendigung der Exposition: Medikamente, Klima, Untersuchung (Angiographie). Vasospasmus bei SAB ( Subarachnoidalblutung): – Triple-H-Therapie: Hypertension, Hypervolämie, Hämodilution. – Kalziumantagonist: Nimodipin oral oder intravenös. – Experimentell: Tirilazad, Papaverin, Angioplastie. 3
Verapamil Gebräuchliche Fertigarzneimittel (Auswahl) Isoptin® mite/80/120 mg Filmtbl., Inj.-Lsg. Udramil® Ret.kps. Vera 40/80/120/120 ret/240 ret -1A Pharma®.
Wirkungen Verapamil ist ein Calciumantagonist vom Phenylalkylamin-Typ, der hochspezifisch mit Rezeptorbindungsstellen interagiert, die mit den spannungsabhängigen Calciumkanälen assoziiert sind. Drei unterschiedliche Bindungsdomänen werden auf dem Rezeptorprotein postuliert: die 1,4-Dihydropyridin-, die Diltiazemund die Verapamil-Bindungsstelle, die miteinander in Verbindung stehen. Verapamil reduziert den Einstrom von extrazellulärem Calcium durch die Zellmembran von kardialen und Gefäßmuskelzellen. Dadurch kommt es zu einer koronaren und peripheren Vasodilatation sowie zu einer Supprimierung der myokardialen Kontraktilität und zu einer Verzögerung der Erregungsüberleitung im Atrioventrikulärknoten. Aufgrund dieses pharmakologischen Wirkspektrums wird Verapamil erfolgreich in der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen
einschließlich Arrhythmien, Angina und Hypertonie eingesetzt. Die Substanz kann bei supraventrikulären Tachykardien und bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern die Kammerfrequenz reduzieren. Die Hemmung der AV-Überleitung durch Substanzen des Verapamil-Typs ist frequenzabhängig, d. h. sie nimmt mit steigender Herzfrequenz zu. Der Hauptwirkungsmechanismus der Calciumantagonisten bei der arteriellen Hypertonie ist eine Vasodilatation im Bereich der peripheren Widerstandsgefäße, der Arteriolen. Dies führt zu einer Abnahme des erhöhten peripheren Widerstandes und des Blutdruckes. Von klinischer Relevanz scheint auch die plättchenaggregationshemmende Wirkung von Verapamil zu sein. Zusätzlich zur gefäßdilatierenden Wirkung auf Koronargefäße und periphere Widerstandsgefäße inhibiert Verapamil auch die Kontraktionen des Gastrointestinaltraktes, der Bronchien und des Urogenitaltraktes.
Resorption Verapamil wird nach peroraler Gabe schnell und fast ausschließlich im Dünndarm resorbiert. Die Resorptionsquote liegt bei über 90%. Maximale Plasmaspiegel werden nach 1–2 h gefunden. Verapamil unterliegt einem First-Pass-Effekt in der Leber, so dass die systemische Verfügbarkeit nach einmaliger p. o. Gabe im Mittel bei 22% liegt. Bei Patienten mit Leberinsuffizienz wird eine deutlich höhere Bioverfügbarkeit der Substanz sowie eine verzögerte Elimination beobachtet. Steady-State wird nach ungefähr drei Tagen erreicht. Verapamil wird zu ca. 90% an Plasmaproteine gebunden. Verapamil passiert die Blut-Hirnschranke.
Elimination Verapamil wird nahezu vollständig in der Leber metabolisiert, insbesondere durch N-Dealkylierung und O-Demethylierung. Verapamil wird in Form seiner Metaboliten vorwiegend renal ausgeschieden. Als unveränderte Substanz werden nur 3% im Urin wiedergefunden. Innerhalb von 24 h werden 50%, in 48 h 55–60% und innerhalb von 5 Tagen 70% der verabreichten Dosis renal eliminiert. Mit den Faeces werden bis zu 16% ausgeschieden. Chronische Verabreichung scheint die Eliminationskinetik von Verapamil zu verzögern.
Anwendungsgebiete Koronare Herzerkrankungen, Angina pectoris;
Verbrauchskoagulopathie (DIC)
Hypertonie; Tachyarrhythmien. In der Neurologie Einsatz als Intervalltherapeutikum des Cluster-Kopfschmerzes. Dauertherapie mit 120 mg täglich.
Unerwünschte Wirkungen Selten Exanthem, Pruritus, Urticaria, reversible Erhöhung der Transaminasen und/oder der alkalischen Phosphatase, wahrscheinlich als Ausdruck einer allergischen Hepatitis. Selten Übelkeit, Schwindel bzw. Benommenheit, Müdigkeit, Nervosität, Erythromelalgie, Parästhesien, Kopfschmerz und Flush. AV-Block und andere bradykarde Rhythmusstörungen, Hypotonie, Verstärkung einer Herzinsuffizienz. Nach p. o. Gabe wird häufig über Obstipation berichtet. Bei älteren Patienten wurde in sehr seltenen Fällen unter einer p. o. Langzeittherapie Gynäkomastie beobachtet, die nach bisherigen Erfahrungen nach Absetzen des Medikamentes voll reversibel ist.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung AV-Block, sinus-atrialer Block; Sinusknotensyndrom, WPW-Syndrom; Sinusbradykardie <50 Schläge/min; Hypotonie <90 mmHg systolisch; Herzinsuffizienz.
Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Gabe von Arzneistoffen, die kardiodepressorisch wirken bzw. die Erregungsbildung oder - leitung hemmen, z. B. Betarezeptorenblocker, Antiarrhythmika sowie Inhalationsanästhetika, kann es zu unerwünschten additiven Effekten kommen. Verapamil kann die Wirkung anderer Antihypertensiva verstärken. Es wurden vereinzelt Wechselwirkungen mit Carbamazepin (Wirkungsverstärkung durch Verapamil), Lithium (Wirkungsabschwächung durch Verapamil, Erhöhung der Neurotoxizität) und Rifampicin (Wirkungsabschwächung von Verapamil) beschrieben. Die Wirkung von Muskelrelaxantien kann verstärkt werden.
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Definition Ätiologisch multifaktoriell kommt es zur Aktivierung der intravasalen Gerinnung mit Ausbildung disseminierter Mikrothromben in den kleinen und kleinsten Gefäßen. Dadurch kommt es zum einen zu einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten zum anderen durch den dann enstehenden Mangel an Gerinnungsfaktoren auch zu einer hämorrhagischen Diathese.
Einleitung Ätiologie: * Direkte Aktivierung von Prothrombin durch Hämolyse, Operationen an thrombokinasereichen Organen (z. B. Pankreas), geburtshilfliche Komplikationen. * Indirekte Gerinnungsaktivierung über Mediatorenfreisetzung (z. B. Bakterientoxine): Sepsis. * Kontaktaktivierung: Schock mit Störung der Mikrozirkulation, extrakorporale Zirkulation. Verlauf: * Man unterscheidet eine akute von einer chronischen Verbrauchskoagulopathie. * Prä-Verbrauchskoagulopathie-Phase: Prädisponierende Erkrankungen ohne klinische Zeichen einer DIC. * Manifeste DIC: Typische Laborveränderungen, Blutungen. * Post-DIC-Phase: Reaktiv vermehrte Gerinnbarkeit. Klinik (abhängig von DIC-Phase): * Typische Laborveränderungen: Thrombozytopenie, Absinken von Fibrinogen und AT III, Nachweis von Fibrinmonomeren und Fibrin-Spaltprodukten (D-Dimere). Der Schweregrad der DIC korreliert mit dem Absinken von AT III, Fibrinogen und Thrombozyten. * Blutungen. * Komplikationen: Schock, Nierenversagen, ARDS.
Diagnostik
Verbrauchskoagulopathie (DIC) Synonyme Disseminierte intravasale Gerinnung
Bei prädisponierenden Erkankungen und Syndromen regelmäßige Gerinnunguntersuchungen durchführen.
Therapie In der Prä-DIC-Phase sowie bei allen Erkran-
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Verhaltenstherapie
Post-DIC-Phase: * Zur Verhinderung thrombembolischer Komplikationen durch reaktive Übergerinnbarkeit intravenöse Heparinisierung in dieser Phase wieder indiziert. * Siehe auch Fachliteratur.
Prognose Abhängig von Grunderkrankung und Komplikationen.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
Nachsorge Hirninfarkt
Prognose Hirninfarkt, abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen. 3
Manifeste DIC-Phase: * Substitution der fehlenden Faktoren: AT III (sollte größer 80% liegen), Gerinunngsfaktoren (Frischplasma) sowie Thrombozytenkonzentrate. * Keine Heparintherapie (außer bei manifesten Thrombosen).
Klinik: Kontralateral Hemiparese. Ipsilateral Gaumensegel- und Schlundlähmung, Stimmbandparese, Parese des M. sternocleidomastoideus, Hemiageusie (hinteres Zungendrittel) und Hemihypästhesie (Schlund).
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kungen mit erhöhtem Risiko eine Verbrauchskoagulopathie zu entwickeln: * Kontinuierliche niedrigdosierte intravenöse Heparinisierung (z. B. 500 IE/h).
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Diätetik/Lebensgewohnheiten Hirninfarkt
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Verhaltenstherapie Synonyme Kognitiv-behaviorale Therapie
Grundlagen In der Verhaltenstherapie werden Verfahren wie Stimuluskontrolle oder operante Konditionierung eingesetzt, um v. a psychosomatische Erkrankungen wie Angststörungen und dissoziative Störungen zu behandeln.
Verschluss, Gefäße Synonyme Gefäßokklusion
Definition Komplette Verlegung eines Gefäßlumens mit Perfusionsstopp.
Vernet-Syndrom Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion der lateralen Medulla oblongata (Benennung nach Erstbeschreiber).
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch Verschluss kleinerer, den kaudalen Hirnstamm penetrierender Gefäße zu einer Läsion im Bereich der lateralen Medulla oblongata mit charakteristischer klinischer Symptomatik.
Einleitung Kann sowohl Arterien als auch Venen betreffen. Pathophysiologie: * Lokalthrombotisch: durch Gefäßwandirritation oder thrombogene Faktoren (Stase, Viskositätserhöhung) kommt es zur Aktivierung der Gerinnungskaskade und Ausbildung eines Thrombus (arterielles und venöses System). * Embolisch: arterioarterielle oder kardiogene Embolie (nur Arterien). * Durch Kompression von außen, z. B. bei Tumoren, Schwellungen.
Vestibularis (Nervus vestibularis)
Definition
Versivanfall 3
Verschlusshydrozephalus, Tumor
Anfall, Versivanfall
Eine Verlegung der Liquorabflusswege durch Kompression des IV. Ventrikels oder des Aquäduktes führt zu einem (triventrikularen) Verschlusshydrozephalus.
Vertigo
Einleitung
Schwindel
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Alle infratentorielle Raumforderungen, z. B. Medulloblastome, Ependymome, Metastasen und andere können zu einem Verschlusshydrozephalus führen, der perakut oder akut zu Zeichen einer intrakraniellen Druckerhöhung führt.
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Verwirrtheit Definition
Ein Computertomogramm ist zum Nachweis des Hydrozephalus ausreichend. Eine CCT und eine MRT mit Kontrastmittel sind hilfreich für eine artdiagnostische Zuordnung des zugrunde liegenden Prozesses. Diese Untersuchungen sind jedoch aufgrund der unmittelbar erforderlichen Notfallmaßnahmen nicht immer durchführbar.
Therapie Eine Oberkörperhochlagerung um 45°, eine Bolusgabe von Steroiden, z. B. 16 mg Dexamathason i. v., und ggf. die Gabe von Mannitol 20% 125 ml i. v. über 20–30 Minuten sind in der Notfallsituation sinnvoll. Eine lebensrettende Maßnahme ist allerdings dann ausschließlich die Beseitigung des Liquoraufstaus durch die Anlage einer externen Liquorabflussdrainage, die möglichst bald von der operativen Resektion oder einer anderen spezifischen Therapie des zugrunde liegenden Prozesses gefolgt sein sollte. Die primäre Anlage eines ableitenden Shunts ist nicht indiziert, da z. B. bei Keimzelltumoren auf diesem Wege eine Tumoraussaat erfolgen kann und da durch die Therapie des raumfordernden Prozesses die Liquorabflussbehinderung beseitigt werden sollte.
Zustand mit Desorientiertheit zu Ort, Zeit und Person, mit Störung der Reizwahrnehmung und - verarbeitung (Halluzinationen, Merkfähigkeitsstörungen und Konfabulationen), häufig Agitiertheit und expansives Verhalten.
Einleitung Als Ursache der Verwirrtheit kommen metabolische oder andere diffuse zerebrale Funktionsstörungen, Commotio cerebri, postikale Zustande in Frage.
Differenzialdiagnose Entzündliche ZNS-Erkrankungen, WernickeEnzephalopathie, Korsakow-Syndrom, Delir, globale Aphasie, postiktaler Zustand, transitorische globale Amnesie, zentrale Blindheit, endokrine, metabolische und renale Erkrankungen, Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes. 3
Diagnostik
Vestibularis (Nervus vestibularis) Synonyme Nervus VIII, Gleichgewichtsnerv
Grundlagen empirisch Fraglich ist die Anlage eines liquorableitenden Systems bei malignen, therapeutisch nicht mehr zu beeinflussenden Prozessen der hinteren Schädelgrube, z. B. bei malignen Gliomen oder Metastasen. Die Autoren sehen in dieser Situation keine Indikation zur Anlage einer Liquorableitung.
Der Nervus vestibularis verläuft vom Gleichgewichtsorgan gemeinsam mit dem N. facialis und intermedius durch den Meatus acusticus internus ins Schädelinnere und tritt am Übergang von Medulla und Pons in den Hirnstamm ein. Dort werden die Informationen in den vier vestibulären Kernen umgeschaltet, bzw. direkt in den Lobus flocculonodularis und zum Wurm
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Vestibularis-Paroxysmie
des Kleinhirns geleitet. Typische Störungen im Verlauf des N. vestibularis sind ein Ausfall des N. vestibularis oder die Vestibularis-Paroxysmie.
Gleichzeitig manifestiert sich eine Fallneigung zur betroffenen Seite.
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Diagnostik
Die Vestibularisparoxysmie ist eine seltene Erkrankung mit pathologischem Gefäß-NervKontakt im Kleinhirnbrückenwinkel ( Trigeminusneuralgie), was eine plötzlich auftretende Schwindelattacke verursacht.
Die entscheidende diagnostische Maßnahme ist die kalorische Prüfung in der Elektronystagmographie, in der sich typischerweise eine Untererregbarkeit oder ein Ausfall des betroffenen Labyrinthorgans darstellt. Die zerebrale MRT ist grundsätzlich nicht vonnöten, sollte jedoch bei unsicherem klinischen und nystagmographischem Befund eingesetzt werden, um pseudovestibuläre Schädigungen, z. B. einen Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebelli inferior anterior auszuschließen.
Einleitung
Therapie
Leitsymptom sind sekundendauernde Drehschwindelattacken, welche oft von der Position des Kopfes abhängig sind und mit Tinnitus und Hörminderung einhergehen.
Eingesetzt werden Antiemetika und - vertiginosa (z. B. Dimenhydrinat).
Vestibularis-Paroxysmie Definition
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Diagnostik Audiologische Befunde, Kalorik und AEP sind oft pathologisch. Eine hochauflösende MRT mit MRA kann pathologische Gefäßschlingen nachweisen.
Prognose Die Prognose ist günstig: Meist sistiert die Symptomatik nach wenigen Tagen bis Wochen, wobei sich in der kalorischen Prüfung nach Wochen bis Monaten ein Normalbefund darstellen lässt.
Therapie
Vestibularisausfall Synonyme Vestibularisausfall
Definition Akute Funktionsstörung eines Vestibularorgans mit der Folge einer akuten Drehschwindelattacke mit vegetativer Symptomatik und typischem Nystagmus.
Einleitung In der klinischen Untersuchung stellt sich ein horizontaler Spontannystagmus (z. T. mit rotatorischer Komponente) zum gesunden Ohr dar, der beim Blick in diese Richtung gebahnt wird.
Vestibulopathie, bilaterale Einleitung Die idiopathische bilaterale Vestibulopathie kann im Verlauf nach einem oder mehreren akuten Vestibularisausfällen, aber auch subakut bis chronisch ohne entsprechende akute Symptomatik auftreten. Klinisch bestehen eine Gangunsicherheit mit Zunahme im Dunkeln oder bei Augenschluss sowie auf unebenem Grund und rasche Kopfbewegungen aufgrund des gestörten vestibulooculären Reflexes. Die Oszillopsien werden vom Patienten häufig beim Gehen bemerkt. 3
Typischerweise sind Carbamazepin und Diphenylhydantoin gut wirksam. Daher wird eine Operation nach Janetta in der Regel nicht erforderlich.
Diagnostik In der kalorischen Testung zeigt sich eine beidseitige Unter- bzw. Unerregbarkeit des Labyrinthorgans. Differenzialdiagnostisch muss eine symptomatische Genese bedacht werden. Dabei ist an eine toxische Genese (z. B. durch Aminoglykoside), Tumorerkrankungen (z. B. beidseitiges Akustikusneurinom beim M. Reck-
Vigabatrin
linghausen Typ 2), hereditäre oder entzündliche Erkrankungen ( Cogan-Syndrom) zu denken.
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Vidarabin
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Wirkungen
VGAM („vein of Galen aneurysmal malformation“)
Vidarabin hemmt Herpes-simplex-Viren vom Typ I und Typ II, Varizella-Zoster-Virus, Epstein-Barr-Virus und einige andere Viren. Das Nukleosid-Analogon wird in der Zelle phosphoryliert und beeinflusst die DNA-Synth.
Synonyme Aneurysmatische Malformation der Vena Galeni
Definition Entwicklungsanomalie der V. Galeni mit AVShunts in eine persistierende, in der Mittellinie verlaufende Vene.
Einleitung Im Unterschied zur aneurysmatischen Dilatation der V. Galeni handelt es sich bei der VGAM um eine aus der Embryonalentwicklung persistierende venöse Struktur. Unterschieden werden eine choroidale VGAM, bei der die Fistel in der Zisterne des Velum interpositum lokalisiert ist, und eine murale VGAM mit Zuflüssen aus kollikulären bzw. hinteren choroidalen Gefäßen und Fistelpunkt am unteren lateralen Aspekt der Vene. Alersabhängig besteht die klinische Symptomatik bei Neugeborenen aus Herzinsuffizienz, Multiorganversagen, Enzephalomalazie, bei Säuglingen und Kleinkindern aus Makrokranie, Hydrozephalus, Hirnvenenthrombose und bei Kindern aus Entwicklungsverzögerung, Epilepsie und intrazerebraler Blutung. 3
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Diagnostik Klinik. Kraniales MRT. Zerebrale Angiographie.
Therapie empirisch Endovaskuläre Shuntreduktion.
Wirkungsverlauf Nach i. v. Infusion wird Vidarabin rasch zu Hypoxanthin-Arabinosid desaminiert. Etwa die Hälfte einer Dosis wird in Form dieses Metaboliten mit einer Halbwertzeit von 3,5 h renal eliminiert, nur 1–3% erscheinen im Urin als unveränderte Substanz. Ein prinzipielles Problem der systemischen Anwendung von Vidarabin entsteht durch die schlechte Wasserlöslichkeit der Substanz.
Anwendungsgebiete Vidarabin war einige Jahre lang das einzige verfügbare Chemotherapeutikum bei HerpesEnzephalitis. Die systemische Anwendung wurde jedoch weitgehend obsolet nach der Entwicklung von Aciclovir. Vidarabin wird heute fast nur noch zur lokalen Therapie von Herpessimplex-Infektionen der Haut und des Auges angewandt.
Unerwünschte Wirkungen Zentralnervensystem. Bei hoher Dosierung sind ZNS-Reaktionen (EEG-Veränderungen, Tremor) möglich. Bei längerer i. v. Verabreichung wurden Polyneuropathien beobachtet. Bei hoher Dosierung sind hämatologische Störungen möglich. Bei i. v. Gabe kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoe kommen.
Vigabatrin Synonyme Gamma-Vinyl-GABA
Zubereitungen
Vibrationsempfinden, herabgesetztes (Pallhypästhesie) Pallhypästhesie
Tabletten, Granulat.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Sabril® Tabletten à 500 mg. Sabril® Granulat 500 mg.
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Vitalkapazität
Wirkungen Enzymaktivierte, irreversible, dosisabhängige Hemmung der GABA-Transaminase mit der Folge einer Konzentrationserhöhung des inhibitorischen Transmitters GABA.
sichtsfelddefekte unter Vigabatrintherapie berichten verschiedene Studien, aufgrund fehlender randomisierter Studien sind aber bezüglich Häufigkeit und Prognose noch keine Aussagen möglich. Als zugrunde liegend wird eine retinale Dysfunktion angenommen.
Pharmakologische Daten Nach oraler Gabe fast vollständige Resorption, keine Plasmaeiweißbindung. Halbwertszeit 5– 7 h, Ausscheidung überwiegend renal. Vigabatrin hat keine enzyminduzierende Wirkung.
Anwendungsgebiete Zulassung zur Add-on-Therapie schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindes- und Erwachsenenalter, in Monotherapie beim West-Syndrom. In klinischen Studien wurde eine dauerhafte Anfallsreduktion von ≥50% bei ca. 50% der erwachsenen Patienten erzielt, bei schwer behandelbaren Epilepsien in ca. 5% Anfallsfreiheit. Toleranzentwicklung mit nachlassender Wirkung nach Monaten bis zu 4 Jahren in 10–50%. Bei Kindern mit fokalen Anfällen wurde in Add-on-Therapie initiale Anfallsreduktion von ≥50% in 23–54% und Anfallsfreiheit in 8–17%. Sehr gute Wirksamkeit, auch in Monotherapie, beim West-Syndrom, besonders bei symptomatischen Formen (insbesondere bei tuberöser Sklerose): Anfallsfreiheit in 31–73%. Widersprüchliche Datenlage bezüglich der Wirksamkeit beim Lennox-Gastaut-Syndrom: Einerseits Anfallsreduktion bei bis zu 50% der Patienten in Add-on-Studien, andererseits aber auch Verschlechterung in bis zu 57%. 3
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Dosierung/Anwendung Übliche Dosierung bei Erwachsenen 2–4 g/d, bei Kindern 50–80(–100) mg/kg/d in 2 Tagesdosen. Aufdosierung in Schritten von 500 mg jeden 3. Tag. Langsames Ausschleichen zur Vermeidung von Entzugsanfällen, z. B. in Schritten von 1 Tablette/Woche.
Unerwünschte Wirkungen Dosisabhängige Nebenwirkungen sind Sedierung, Benommenheit, seltener auch Diplopie, Ataxie und Agitiertheit. Aggressivität vorwiegend bei geistig retardierten Patienten. Gewichtszunahme in etwa 5%. Dosisunabhängige Induktion von Depressionen bzw. Psychosen sowie leichte Anämien bei bis zu 3%. Über binasale bzw. konzentrische irreversible Ge-
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Absolute Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Stillzeit, relative Kontraindikationen bei Psychosen in der Vorgeschichte und geistiger Behinderung mit agitiertem Verhalten. Deutliche Verschlechterung der Anfallssituation bei idiopathischen generalisierten Epilepsien möglich.
Wechselwirkungen Keine Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka außer einer klinisch meist nicht relevanten Erniedrigung des Phenytoinspiegels (maximal um 20%).
Bewertung Positive Aspekte in der Beurteilung von Vigabatrin sind gute Wirksamkeit bei (multi-)fokalen Epilepsien im Erwachsenen- und insbesondere im Kindesalter, fehlende relevante Interaktionen und verhältnismäßig geringe Nebenwirkungen, nachteilig sind mögliche psychotische Reaktionen, Toleranzentwicklung sowie die Entwicklung von Gesichtsfelddefekten. Vigabatrin ist mittlerweile als Mittel der ersten Wahl beim symptomatischen West-Syndrom anzusehen.
Vitalkapazität Definition Das nach maximaler Exspiration maximal eingeatmete Inspirationsvolumen, das heißt das maximal ventilierbare Volumen.
Grundlagen Die normalen Werte für die Vitalkapazität liegen bei Männern bei >4 l, bei Frauen >3 l.
Vitamin B10-Mangel
Vitamin A-Mangel
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Vitamin B2-Mangel
Einleitung
Synonyme
Vitamin A-Mangel tritt v. a. bei extremer Mangelernährung (fehlendes Gemüse, Milch, Fleisch) oder bei langer parenteraler Ernährung auf. Das Leitsymptom ist die Nachtblindheit. Spezielle neurologische Symptome sind nicht bekannt.
Riboflavin-Mangel
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Diagnostik Die Diagnostik umfasst neben Anamnese und Klinik die Bestimmung des Vitamin A-Spiegels im Serum.
Therapie Eine entsprechende Therapie erfolgt durch Substitution.
Einleitung Selten kommt ein isolierter Vitamin B2-Mangel vor, eher im Zusammenhang mit anderen Hypovitaminosen. Klinisch manifestieren sich Dermatosen, Stomatitis, Rhagaden, sowie Neuropathien und retrobulbäre Neuritis.
Vitamin B6-Mangel Synonyme Pyridoxin-Mangel
Einleitung
Vitamin B1-Mangel Synonyme Thiamin-Mangel
Einleitung Ein Vitamin B1-Mangel kann bei langjährigem Alkoholabusus sowie bei andauernder Aufnahme von Mangelernährung (z. B. polierter Reis, Weißmehl, Konserven, geschältes und entkerntes Obst) auftreten. Klinisch imponiert die Beriberi-Krankheit mit Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz, Obstipation, Ileus und Erbrechen. Neurologisch manifestieren sich Muskelatrophien, Sensibilitätsstörungen und herabgesetze Muskeleigenreflexe, Polyneuropathien, Muskel- und Kopfschmerzen. Pathogenetisch relevant ist der Thiaminmangel bei der Entwicklung einer Wernicke-Enzephalopathie. 3
Diagnostik Die Thiaminausscheidung kann im Urin bestimmt werden. Ebenso bietet sich die Bestimmung des Vitamin B1-Spiegels im Serum an.
Therapie Es erfolgt eine Substitution intravenös oder oral. Bei gering ausgeprägter Klinik ist eine entsprechende Nahrungsumstellung ausreichend.
Ein isolierter Vitamin B6-Mangel ist beim Menschen sehr selten. Häufiger ist die Kombination, z. B. bei Hepatopathien, mit einem Thiamin- oder Niacin-Mangel. Allerdings wirken einige Medikamente als Pyridoxin-Antagonist: z. B. Isoniazid, Zykloserin, D-Penicillamin. Klinisch findet sich ein Bild aus Erbrechen, Inappetenz, Schwindel sowie Neuritiden, Myopathien oder generalisierten Anfällen.
Diagnostik Es bietet sich die Bestimmung des Vitamin B6Spiegels im Serum an.
Therapie Durch orale Substitution oder Umstellung der Ernährung erfolgt eine adäquate Therapie.
Vitamin B10-Mangel Synonyme Folsäure-Mangel
Einleitung Folsäure-Mangel tritt v. a. bei Alkoholikern auf. Es kommt zur Entwicklung einer megaloblastären Anämie, wie beim Vitamin B12-Mangel. Neurologisch kann eine Polyneuropathie resultieren. Zusätzlich kann ein Folsäuremangel zur Hyperhomozysteinämie führen, bei der ein erhöhtes
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Vitamin B12-Mangel
Risiko zur zerebralen Ischämie durch Arteriosklerose assoziiert ist [1].
Vitamin D3-Mangel Synonyme
Diagnostik Der Folsäurespiegel kann im Serum bestimmt werden.
Therapie Eine Substitution kann oral erfolgen. Bei der funikulären Myelose ist die Gabe von Folsäure kontraindiziert, da unter Vitamin B10-Substitution der Metabolismus von Vitamin B12 ansteigt.
Literatur 1. Sacco RL. Newer risk factors for stroke. Neurology 2001; 57(5 Suppl 2):S31–4.
Vitamin B12-Mangel Synonyme Cobalamin-Mangel
Cholecalciferol-Mangel
Einleitung Vitamin D3 wird in der westlichen Welt nur in unzureichender Menge durch die Nahrung zugeführt. Ebenso ist die für die Umwandlung aufgenommener Vorstufen in Vitamin D3 notwendige Sonneneinstrahlung – besonders in den Wintermonaten – zu gering. Daher werden Neugeborene regelmäßig mit Vitamin D3 in den ersten Lebenstagen substituiert. Klinisch äußert sich ein Cholecalciferol-Mangel meist in einer Osteoporose/-malazie. Neurologische Symptome lassen sich v. a. beim dunkelhäutigen Bevölkerungsanteil aus Afrika oder Südasien finden. Es imponieren proximale Paresen mit Problemen beim Treppensteigen bis hin zur Immobilität, Tetanien und generalisierten Krampfanfällen. Eine Exazerbation in der Schwangerschaft wird beobachtet.
Diagnostik
Einleitung Vitamin B12-Mangel führt zur funikulären Myelose. Die häufigsten Ursachen des Vitamin B12-Mangels sind: * Autoantikörper gegen Intrinsic Factor (Perniziosa, polyendokrine Immunopathie) * Zustand nach Gastrektromie (fehlender Intrinsic factor) * M. Crohn (Ileitis terminalis, IF-B -Verlust) 12 * Zustand nach Resektion des terminalen Ileums (IF-B12-Verlust) * Fischbandwurm (IF-B -Verlust) 12 * Syndrom der blinden Schlinge (B -Metabo12 lismus durch Bakterien) 3
Therapie Notwendig ist fast immer eine parenterale Substitution.
Vitamin C-Mangel Einleitung Vitamin C-Mangel verursacht Skorbut und hämorrhagische Diathese, wobei eine spezifische neurologische Symptomatik nicht bekannt ist.
Laborchemisch wird der Vitamin D3-Spiegel, das Parathormon (PTH) und das Kalzium im Serum bestimmt.
Therapie Eine Substitution sollte mit Cholecalciferol 5000 E/d erfolgen. Als schnellere Alternative bietet sich 1,25 Dihydroxy-Cholecalciferol (Calcitriol) 1–2 μg/d in Kombination mit Kalzium 1–2 g/d an.
Vitamin E-Mangel Synonyme α-Tocopherol,
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Tokopherol
Einleitung Vitamin E-Mangel verursacht ein progressives neurologisches Krankheitsbild mit Areflexie, zerebellärer Ataxie und Störungen der Tiefensensibilität. Ebenso können Tremor, Dystonien, Dysarthrie, Muskelschwäche und Okulomotorikstörungen bis hin zur Ophthalmoplegie auftreten. Vitamin E-Mangel kann in der Kindheit aufgrund einer Abetalipoproteinemie (BassenKornzweig Krankheit) auftreten. Bei Erwachse-
Volkmann-Kontraktur
Diagnostik Es erfolgt die Bestimmung von Vitamin E im Serum.
Therapie Bei entsprechender Mangelsituation erfolgt eine Substitution mit Vitamin E (800–1200 E/ d).
Prognose Trotz Substitutionstherapie ist die Symptomatik meist nicht vollständig reversibel.
Vitamin E-Mangel-Ataxie Definition Ataxie, die auf eine erworbene oder vererbte Verwertungsstörung von Vitamin E zurückzuführen ist.
Einleitung Die seltene isolierte Vitamin E-Defizit Ataxie, als autosomal-rezessiv vererbte Bewegungsstörung aufgrund einer Mutation im α-Tozopherol-Transferprotein ähnelt der Friedreich-Ataxie ( Ataxie, Friedreich-Ataxie (FRDA) und autosomal-rezessive Ataxie). Die Erkrankung beginnt immer vor dem 20. Lebensjahr. Eine Vitamin E-Mangel-Ataxie kann darüber hinaus im Rahmen eines chronischen Fett-Malabsorptions-Syndroms (Ileumresektion, biliäre Atresie, Zöliakie, A-β-Lipoproteinämie) aufgrund eines Mangels an Vitamin E auftreten. 3
Diagnostik Vitamin E-Serumspiegel, EMG/NLG, MRT, Gastroenterologie.
Therapie Orale oder intramuskuläre Verabreichung von Vitamin E (800–2000 mg/d). In einem Teil der wenigen publizierten Fälle kommt es zu einer Besserung der Ataxie.
Vitamin K-Mangel Einleitung Ein Vitamin K-Mangel tritt ohne entsprechende Durchführung einer Prophylaxe bei Neu- oder Frühgeborenen auf. Eine spezielle neurologische Klinik ist nicht bekannt. Im Rahmen einer Therapie mit Vitamin K-Antagonisten (Cumarinderivate) kann es bei Überdosierung zu hämorrhagischen Diathesen kommen.
Vitamine, Überschuss Definition Hypervitaminosen können durch extrem einseitige Ernährungsweisen oder exogene Zufuhr entstehen.
Einleitung Klinisch relevant sind Vitamin A-, D3- und Niacin-Exzess. Vitamin A: Gelbverfärbung der Haut, Skleren bleiben dabei frei; Gelenkschmerzen; Hyperostosen; Haarausfall, Rhagaden an Mund und Anorexie. Neurologisch: Erhöhung des intrakraniellen Drucks, Pseudotumor cerebri. Vitamin D3: Hyperkalzämiesyndrom Niacin: Parästhesien und Muskelschwäche bei Frauen. 3
nen kann es bei malabsorptiven Darmerkrankungen oder als vererbte Ataxie (Chromosome 8q13, Gen des α-Tocopherol-Transportgens) in Erscheinung treten.
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Volkmann-Kontraktur Synonyme Kompartmentsyndrom des Unterarmes
Definition Als Folge eines Kompartmentsyndroms mit variabler Beteiligung der Unterarm-Faszienlogen kommt es zu einer Fibrosierung und Kontraktur der betroffenen nekrotischen Muskeln. Am stärksten betroffen sind die Fingerbeuger.
Einleitung Die Druckerhöhung in den betroffenen Faszienlogen, das eigentliche Kompartmentsyndrom, kommt häufig durch eine Ischämie (Verletzungen der A. brachialis bei suprakondylärer Humerusfraktur, Fehlinjektionen vasokonstriktori-
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Volumentherapie
scher Medikamente) zustande, aber auch Ulnafrakturen, Blutungen, Traumen, Operationen am Unterarm oder zu enge Gipsverbände können die Ursache sein. Als Folge der Druckerhöhung resultiert eine Störung der Mikrozirkulation, die zusammen mit der direkten Druckschädigung zu myogenen und neurogenen Paresen führt (N. medianus, seltener N. ulnaris, N. radialis) [1]. Meist ist die Beugerloge betroffen. Im Vollbild sind sämtliche Beugemuskeln zu kurz. Das Handgelenk ist nach volar flektiert, die Fingergrundgelenke hyperextendiert, die Interphalangealgelenke extrem gebeugt.
tion von Handwurzelknochen. Nach diesem Eingriff sind die Streckersehnen zu lang. Die Z-förmige Verlängerung jeder einzelnen Beugesehne erfordert zu viele Eingriffe, die wiederum zu Verklebungen führen können.
Literatur 1. Mumenthaler M, Schliack H (1987) Läsionen peripherer Nerven. Thieme, Stuttgart New York.
Volumentherapie
Diagnostik Die Frühdiagnose ist essentiell für die Therapie. Klinische Symptome sind: Pulslosigkeit, Schwellung mit prall gespannter Muskulatur, Schmerz, Paraesthesien und danach progrediente sensomotorische Ausfälle. Im EMG findet sich elektrische Stille im ischämischen Muskel, im Labor eine CK-Erhöhung und Myoglobinurie. Bei diagnostischer Unsicherheit ist eine subfasziale Druckmessung erforderlich.
Synonyme Hypervolämische Hämodilution
Definition Therapieansatz beim ischämischen Schlaganfall mit dem Ziel, durch ein vermehrtes intravasales Volumenangebot die zerebrale Perfusion in den ischämisch geschädigten Bezirken zu verbessern.
Therapie *
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Frühtherapie des Kompartmensyndroms: Bei mechanischer Behinderung (Gips, Verbände) ist eine Entlastung erforderlich. Liegt eine dislozierte Fraktur der Ischämie zugrunde, so muss geschlossen oder offen reponiert werden. Die Diagnose des Kompartmentsyndroms erfordert eine sofortige und großzügige operative Faszienspaltung mit Dekompression (Ischämie-Toleranz ca. 8– 12 h). Etwaige Frakturen können parallel intraoperativ fixiert werden. Therapie der Volkmann-Kontraktur: Therapeutisch erfolgt eine operative Ablösung der Ursprünge der verkürzten Beugemuskulatur, die im Verlauf spontan in korrigierter Stellung anwachsen. Bei ausgedehnten neurologischen Defiziten im Bereich der Hand kann durch freie Nerventransplantation versucht werden, die Sensibilität und evtl. die Motorik im Bereich der Interossei wiederherzustellen. Bei vollständigem Schwund von kontraktilem Muskelgewebe hat der Eingriff keinen Sinn [1].
unwirksam/obsolet Ausgleich der Muskelverkürzung durch Resek-
Grundlagen *
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Bislang konnte in allen kontrollierten klinischen Studien kein besseres Outcome für die mit hypo, iso- oder hypervolämischer Hämodilution (z. B. Hydroxyäthylstärke bis zu 500 ml/die) behandelten Patienten gezeigt werden. Volumentherapie, ggf. ergänzt durch Katecholamine hat eine wahrscheinliche Indikation in der Akutphase des Schlaganfalls bei hypotonen Blutdruckverhältnissen (RR systolisch <120 mmHg). Hypervolämische Hämodilution mit höheren Volumina (z. B. HAES 130 1000– 3000 ml/die) scheint sicher zu sein, ist aber bzgl. ihrer Wirksamkeit noch nicht ausreichend untersucht. In jedem Fall sollte man bei Patienten mit zerebraler Ischämie auf einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt achten (ggf. unter invasiverem Monitoring mittels zentralvenösem Katheter), um Sekundärkomplikationen wie Niereninsuffizienz (bei Exsikkose) oder kardiale Dekompensation (bei vorgeschädigtem Herzen und inadäquater Volumenzufuhr) zu vermeiden.
Vorhofflimmern
Vorhofflimmern
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Abschätzung des kardialen Embolierisikos
Herzrhythmusstörung mit ungeordneter Vorhofftätigkeit mit Frequenz über 300/Min. Prävalenz des Vorhofflimmerns insgesamt: 0,5% mit altersabhängiger Zunahme (bei >75Jährigen: 10–12%), „major risk“-Faktor für kardiogenembolische Hirninfarkte. Durch die i. R. des Vorhofflimmerns verminderte diastolische Füllung der Ventrikel entsteht eine Verminderung der kardialen Auswurffraktion um ca. 20%.
1. Klinische Wertung: Erhöhung des Embolierisikos durch * Zunehmendes Alter. * Kardiale Begleiterkrankungen (dilatative Kardiomyopathie, Mitralklappenvitien, insbesondere Mitralstenose, Wandbewegungsstörungen). * Begleitende kardiovaskuläre Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus). * Begleitende Koagulopathien. 2. Durch Emboliemonitoring (Detektion kleiner Embolien durch dopplersonographische transkranielle Langzeit-Dopplersonographie).
Einleitung
Therapie
Synonyme Engl.: atrial fibrillation, VHF
Definition
Einteilung in * Permanentes Vorhofflimmern. * Intermittierendes Vorhofflimmern. * Tachykardes Vorhofflimmern (Kammerfrequenz >100/min). * Bradykardes Vorhofflimmern (Kammerfrequenz <60/min). Ätiologie: * Koronare Herzerkrankung. * Hypertensive Herzerkrankung. * Hyperthyreose. * I. R. einer Vorhofdilatation z. B. bei Mitralklappenvitien. * Kardiomyopathie. * Idiopathisch.
Diagnostik *
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EKG (fehlende P-Welle, „Flimmerwellen“, evtl. kaum von isoelektrischer Linie abgrenzbar, unregelmäßige Kammerfrequenz). Langzeit-EKG zur Detektion eines intermittierenden Vorhofflimmerns. Echokardiographie (transthorakal und transösophageal): Detektion von morphologisch faßbaren kausalen oder begleitenden Herzerkrankungen (Mitralstenose, Herzinsuffizienz, dilatative Kardiomyopathie, Herzwandaneurysmen, Klappenvegetationen etc.), Ausmessung der Vorhofgröße zur Beurteilung der Rhythmisierungswahrscheinlichkeit. (Die Vorhofgröße ist nicht mit dem Embolierisiko assoziiert). Labor: Schilddrüsenhormone, begleitende Koagulopathien.
Bei der Therapie des Vorhofflimmerns muss unterschieden werden zwischen * Kausaler Therapie (Rhythmisierung, Rhythmusstabilisierung). * Verhinderung von rhythmogenen Komplikationen. * Primärprävention von embolischen Ereignissen. * Sekundärprävention von embolischen Ereignissen. 1. Kausale Therapie (Rhythmisierung, Rhythmusstabilisierung): * Ausschaltung von ursächlichen Pathomechanismen (Behandlung einer Hyperthyreose, Revaskularisation bei KHK, Klappenersatz). * Bei neu aufgetretenem idiopathischem Vorhofflimmern ist eine medikamentöse oder elektrische Kardioversion grundsätzlich anzustreben. Die Indikation richtet sich u. a. nach folgenden Faktoren: – Dauer des Vorhofflimmern. – Durchmesser des linken Vorhofes (bei Durchmesser >4,5 cm sind die Erfolgsaussichten deutlich reduziert). – Pumpleistung des Herzens. * Medikamentöse Regularisierung (meist mit Amiodaron oder Sotalol). * EKG-getriggerte Elektrokardioversion unter Kurznarkose. 2. Verhinderung von rhythmogenen Komplikationen: Insbesondere Verhinderung von tachyarr-
V
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Vorhofflimmern, nichtrheumatisches
hythmischen Krisen z. B. im Rahmen einer fieberhaften Erkrankung durch * Digitalisalkaloide. * Kalziumantagonisten vom Verapamiltyp. * β-Blocker (insbesondere Sotalol oder andere β1-selektive Betablocker). 3. Primärprävention von embolischen Ereignissen: Eine orale Antikoagulation mit einem ZielINR von 2–3 wird empfohlen: * Bei Patienten über 60 Jahren mit unkompliziertem Vorhofflimmern (lone atrial fibrillation). Bei Patienten über 75 Jahren wird die Antikoagulation kontrovers diskutiert und muss individuell (biologisches Alter, Sturzneigung etc.) entschieden werden. * Prinzipiell bei zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktoren oder kardialen Erkrankungen. 4. Sekundärprävention von embolischen Ereignissen: * Unmittelbar nach einem akuten kardiogenembolischen Infarkt in den ersten 5–7 Tagen keine Antikoagulation (nur „lowdose“-Heparin-Thromboseprophylaxe und 300 mg ASS/d) aufgrund der erhöhten sekundären Einblutungsgefahr, Hirninfarkt, kardiogenembolischer. * Nach der akuten Behandlungsphase des Hirninfarktes möglichst frühzeitig und konsequent eine (meist) orale Antikoagulation. * Bei Kontraindikationen gegen eine Antikoagulation ist eine Sekundärprävention durch Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS mäßig wirksam. * Falls eine kausale Therapie der Emboliequelle möglich ist, sollte dies unter Antikoagulationsschutz angestrebt werden, z. B. Kardioversion, Rhythmusstabilisierung bei intermittierendem Vorhofflimmern. * Bei Kombination mit anderen „high risk“-Emboliequellen besteht bezüglich der Schärfe der Antikoagulation kein Konsens, meist wird jedoch ebenfalls eine Einstellung auf INR 3 angestrebt. In Einzelfällen ist eine stärkere Antikoagulation gerechtfertigt.
diogenembolischen Ereignissen bei Vorhofflimmern wird trotz eindeutig gesicherter hoher Effektivität insgesamt noch nicht ausreichend durchgeführt.
Prognose Schaganfallsrisiko bei Vorhofflimmern innerhalb von 5 Jahren insgesamt bei bis zu 25%. Reduktion des Schlaganfallsrisikos * Durch eine orale Antikoagulation (INR 2–3) ca. 70%. * Durch ASS 300 mg 25–30%. * In Zukunft wird womöglich Ximelagatran die Vitamin K-Antagonisten ablösen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Unter der Therapie mit Cumarinderivaten sollte die Zufuhr größerer Mengen von Vitamin Kreichen Nahrungsmitteln (z. B. Kohlgemüse) wegen der hierdurch bedingten Antagonisierung eingeschränkt werden.
Literatur 1. SPORTIF III; Lancet 2003; 362:1691–98.
Vorhofflimmern, nichtrheumatisches
3
Definition Vorhofflimmern, das nicht als Folge eines rheumatischen Klappenvitiums entstanden ist. 3
Vorhofseptum Synonyme Vorhofscheidewand
Definition Scheidewand, die den rechten vom linken Herzvorhof trennt.
Grundlagen *
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Bewertung Die Primär- und Sekundärprävention von kar-
Das Vorhofseptum wird in der Embryonalphase aus dem Septum primum und dem Septum secundum gebildet. Im fetalen Kreislauf kommt es physiologischerweise nicht zu einer vollständigen Verbindung der beiden Septen miteinander, sondern über eine persistierende Verbindung
Vorhofseptum, Defekt
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(Foramen ovale) gelangt Blut von der V. cava inferior in den linken Vorhof und kann dann in den Körperkreislauf gepumpt werden. Nach der Geburt kommt es durch Änderung der fetalen Druckverhältnisse intrathorakal und intrakardial zu einem funktionellen Verschluss des Foramens, indem das Septum primum an den verstärkten Rand des Septum secundum gepresst wird. In 10–30% aller Fälle kommt es nicht zu einem vollständigen Verschluss der beiden Septen, sodass eine persistierende Verbindung zwischen rechtem und linken Herzvorhof bestehen bleibt (persistierendes Formaen ovale, PFO). Häufig assoziiert mit einem PFO ist ein atriales Vorhofseptumaneurysma (ASA) bzw. ein hypermobiles Vorhofseptum. Patienten mit PFO haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko: Rezidivrisiko bei PFO 0,5–1%/Jahr, bei begleitender kardialer Pathologie (ASA, großer Shunt) 4–9%/Jahr. 3
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Häufigkeit autoptisch etwa 1%. Häufigkeit in der transthorakalen Echokardiographie bei unselektioniertem Patientengut 0,2–4%. Häufigkeit bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall 4–15%.
Pathophysiologie: * Patienten mit kryptogenem, ischämischen Schlaganfall zeigten in mehreren Studien eine signifikant erhöhte Prävalenz sowohl eines offenen Foramen ovales als auch eines Vorhofseptumaneurysmas. * Bei gleichzeitigem Vorkommen von PFO und Vorhofseptumaneurysma erhöht sich das Schlaganfallrisiko mehr als additiv (synergistischer Effekt). * Wodurch es zu einer zerebralen Ischämie kommt, ist nocht nicht vollständig geklärt. Man vermutet zum einen eine paradoxe Embolie aus dem venösen System, zum anderen wird die Thrombusentstehung im Bereich des Aneurysmas als mögliche Ursache diskutiert.
Diagnostik
Synonyme ASA (atrial septal aneurysm), ISA (interatrial septal aneurysm)
Definition Hierunter versteht man eine abnorme Beweglichkeit des Vorhofseptums mit Vorwölbung in den rechten oder linken Herzvorhof. Es gibt keine strikte Abgrenzung zwischen einem hypermobilen Vorhofseptum und einem Vorhofseptumaneurysma, man spricht jedoch definitionsgemäß von einem Vorhofseptumaneurysma, wenn die Auslenkung 1,5 cm und mehr beträgt.
Einleitung Vorkommen: * Kann mit anderen kardialen Fehlbildungen vergesellschaftet sei, aber auch isoliert oder in Kombination mit einem offenen Foramen ovale auftreten (70–90% aller Patienten mit Vorhofseptumaneurysma haben gleichzeitig ein offenes Foramen ovale). * Ca. 50% aller Patienten mit PFO haben zusätzlich ein Vorhofseptumaneurysma.
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Tranthorakale Echokardiographie nicht ausreichend. Transösophageale Echokardiographie notwendig (auch zur genaueren Quantifizierung). Ggf. auch Herzkatheter.
Therapie Das therapeutische Vorgehen beim Vorhofseptumaneurysma mit oder ohne PFO wird weiterhin kontrovers diskutiert. Im Abschnitt Foramen ovale, persistierendes (PFO) sind die momentan angewandten konservativen und invasiven Verfahren aufgeführt. Nachdem PFO und Vorhofseptumaneurysma in den meisten Fällen kombiniert auftreten, gibt es keine speziellen Therapieempfehlungen für das isolierte Vorliegen eines Vorhofseptumaneurysmas. 3
Vorhofseptum, Aneurysma
V Vorhofseptum, Defekt Synonyme Atriumseptumdefekt (ASD), Vorhofscheidewanddefekt
Vorhofseptum, Defekt
Definition Defekt der Scheidewand zwischen rechtem und linkem Herzvorhof.
* * *
Einleitung Ostium-primum-Defekt (ASD I): * Selten. * Defekt der bis zur AV-Klappenebene reicht. * Hemmungsmissbildung der Endokardkissen. Ostium-secundum-Defekt (ASD II): * Häufigster Vorhofseptumdefekt. * Durch Entwicklungshemmung des Septum secundum. Sinus-venosus-Defekt: * Selten. * An der Einmündung der oberen Hohlvene gelegen, häufig kombiniert mit partieller Fehlmündung der Lungenvenen. Persistierendes Foramen ovale. Pathophysiologie: * Initial kommt es aufgrund der Druckverhältnisse zu einem von der Größe des ASD abhängigen Links-Rechts-Shunt mit Volumenbelastung des Lungenkreislaufs, im weiteren Verlauf Eisenmenger-Reaktion mit Shuntumkehr (bei großen ASD) und pulmonaler Hypertonie.
Diagnostik * * * *
EKG: Inkompletter bis kompletter Rechtsschenkelblock, Steil- bis Rechtstyp. Röntgen-Thorax: Rechtsherzhypertrophie, vermehrte Lungendurchblutung. Echokardiographie: Nachweis des Defekts bzw. Shuntvolumens. Herzkatheter: Obligat vor operativen Eingriffen, Darstellung des Defekts, Messung der intrakardialen Druckverhältnisse.
Therapie *
3
Klinik: * Zeichen der Rechtsherzbelastung.
Belastungsdyspnoe. Entwicklungsverzögerung. Charakteristischer Auskultationsbefund: * Systolikum (Maximum über Pulmonalareal). * Fixierte Spaltung des 2. Herztons.
*
*
Bei größeren Defekten operative Sanierung oder Schirmchenimplantation noch im Kindesalter unumgänglich. Konservativ: Nur bei fehlender Operationsmöglichkeit oder bei hämodynamisch nicht relevantem Defekt. Foramen ovale, persistierendes. 3
1318
Siehe auch Fachliteratur.
Prognose Bei frühzeitiger Diagnosestellung und Intervention relativ gut.
W
3
Syndrom,
Coma
vigile,
3
Apallisches Koma
trachtete Objekte in die Ferne verlagert (Teleopsie), zu klein (Mikropsie) oder zu groß (Makropsie) erscheinen. Es handelt sich meist um iktuale Phänomene ( Temporallappenanfälle). Auftreten auch bei Migräne möglich. 3
Wachkoma (Coma vigile) 3 3
Differenzialdiagnose 3
Krampus
Halluzinationen (Wahrnehmung ohne vorhandene Reizquelle), Pseudohalluzinationen (wie Halluzinationen, die Täuschung wird jedoch kognitiv erkannt), illusionäre Verkennung (eine vorhandene Reizquelle wird falsch interpretiert). 3
Wadenkrampf 3
Wahrnehmung Definition Physiologischer Prozess der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen aus äußeren und inneren Reizen, die zu einem, meist bewussten Auffassen und Erkennen von Gegenständen und Vorgängen führt.
Waldenström-Erkrankung Synonyme Makroglobulinämie, M. Waldenström, maligne Paraproteinämie vom IgM-Typ
Grundlagen Die Wahrnehmung ist eine allgemeine Bezeichnung für den komplexen Vorgang der Sinneswahrnehmung, Sensibilität, Empfindung und integrativer Verarbeitung von Umwelt- und Körperreizen. Unterscheidung visueller, auditiver, taktiler und olfaktorischer Wahrnehmung, Wahrnehmung, Anomalie. 3
Wahrnehmung, Anomalien Definition Störung der normalen Sinneswahrnehmung.
Einleitung Wahrnehmungsanomalien können bei Läsionen der Temporallappen auftreten, bei denen be-
Definition Maligne Paraproteinämie mit monoklonalem IgM-Protein. Bei ca. 50% der Patienten findet sich eine sensomotorische Polyneuropathie, deren klinisches Bild den Polyneuropathien bei IgM-Paraproteinämie vom MGUS-Typ entspricht. Hirnnervenausfälle kommen ebenfalls vor.
Diagnostik Hohe Blutsenkung, Blutbild (Anämie), elektrophoretischer Nachweis des M-Gradienten (>3 g/dl) (meist κ-Leichtketten), Knochenmarkspunktion oder - biopsie (maligne Plasmazellen). Keine osteolytischen Herde (!), Abdomensonographie (Organomegalie), Elektrophysiologie (NLG).
1320
Waldenström-Erkrankung
Therapie gesichert Die Therapie des M. Waldenström erfolgt nach onkologischen Maßgaben. Als Chemotherapeutikum kommt z. B. Chlorambucil in Frage. Eine Kombinationstherapie von alkylierenden Substanzen mit Glucocorticoiden führt bei etwa 50% der Patienten zu einer Besserung. Wenig Angaben existieren über den Verlauf der Neuropathie [1]. empirisch Therapeutische Erfolge lassen sich beim M.
Waldenström auch mit Interferon-α [2] oder mit einer Knochenmarkstransplantation erzielen [3].
Literatur 1. Dalakas MC, Flaum MA, Rick M, Engel WK, Gralnick HR (1983) Treatment of polyneuropathy in Waldenstrom`s macroglobulinemia: Role of paraproteinemia and immunologic studies. Neurology 33: 1406–1410. 2. Rotoli B, De Renzo A, Frigeri Ff et al (1994) A phase II trial on α-interferon (αIFN) effect in patients with monoclonal IgM gammopathy. Leuk Lymphoma 13: 463–469.
Wallenberg-Syndrom. Abb. 1: Klinische Befunde bei Wallenberg-Syndrom
Waller-Degeneration 3. Rudnicki SA, Harik SI, Dhodapkar M, Barlogie B, Eidelberg D (1998) Nervous system dysfunction in Waldenström`s macroglobulinemia: response to treatment. Neurology 51: 1210–1213.
Diagnostik *
*
Walker-Warburg-Syndrom
1321
Duplexsonographie: Nachweis einer Vertebralisstenose oder eines Vertebralisverschlusses. Kernspintomographie (Nachweis der Läsion) mit Kernspinangiographie (Nachweis eines Verschlusses/Dissektionsnachweis der A. vertebralis im Abgangsbereich der A. cerebelli posterior inferior).
Kongenitale Muskeldystrophie
3
Therapie
Definition Hirnstammsyndrom mit Läsion im Bereich der dorsolateralen Medulla oblongata durch Ischämie im Versorgungsgebiet der A. cerebelli inferior posterior (PICA), die aus der A. vertebralis abgeht (Benennung nach Erstbeschreiber).
Einleitung Pathogenese: * Typischerweise kommt es durch Verschluss der aus der A. vertebralis entstammenden A. cerebelli inferior posterior zu einer ischämischen Läsion im Bereich der dorsolateralen Medulla oblongata mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Ätiologie: * Lokalthrombotische arteriosklerotische Prozesse. * Intrakranielle Vertebralisdissektion. * Embolischer Verschluss. Klinik: * Kontralateral dissoziierte Sensibilitätsstörung (Tractus spinothalamicus). * Ipsilateral Hypästhesie des Gesichts (Trigeminuskern), Horner-Syndrom (absteigende zentrale sympathische Bahnen), Hemiataxie (Tractus spinocerebellaris, Kleinhirnischämie), Gaumensegel- und Schlundparese (Kerngebiet von N IX und X), Stimmbandlähmung (Dysphonie). * Ferner Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen sowie Spontan- und Blickrichtungsnystagmus zur Gegenseite (Nucleus vestibularis), Dysarthrophonie, häufig hartnäckiger Schluckauf.
3
Wallenberg-Syndrom
Spezifisch: * Bei Dissektion: Initial intravenöse, dann orale Antikoagulation in den ersten Monaten (kontrollierte klinische Studien fehlen). * Bei arteriosklerotisch bedingtem Gefäßverschluss: Thrombozytenaggregationshemmer, ggf. Statine. Symptomatisch: * Schluckauf: Nachgewiesene Wirksamkeit einer Kombinationstherapie mit Omeprazol, Cisaprid und Baclofen, aber für Cisaprid in der BRD momentan keine Zulassung. Therapieversuch mit Metoclopramid, Domperidon, Triflupromazin oder Spasmolytika gerechtfertigt, hierzu gibt es jedoch keine kontrollierten klinischen Studien. * Schluckstörungen: sind häufig, vor allem latente Schluckstörungen. Daher ist eine von Beginn an konsequente, engmaschige logotherapeutische Diagnostik und Therapie von entscheidender Bedeutung. * Vegetative Dysregulation: Unter anderem durch Beteiligung zentraler sympathischer Bahnen sind vegetative Dysregulationen mit Brady-/Tachykardien sowie hypotonen oder hypertensiven Entgleisungen häufig und erfordern in den ersten Tagen eine intensivere Überwachung (Monitoring).
Prognose Bezüglich der neurologischen Defizite ist die Prognose unter intensiver physio-, ergo- und logotherapeutischer Betreuung gut. Häufig kommt es zur Restitutio ad integrum.
W Waller-Degeneration Grundlagen Nach Durchtrennung eines Nerven nach weni-
1322
Warfarin
gen Tagen auftretende Degeneration des distalen Nervenendes mit Verlust von Erregbarkeit und Leitfähigkeit.
Dosierung/Anwendung *
*
Zu Beginn der Behandlung üblicherweise Gabe einer höheren Initialdosis (3–4 Tabl. In den ersten 2–3 Behandlungstagen). Erhaltungsdosis durch regelmäßige Kontrollen der INR anpassen ( Phenprocoumon). 3
Warfarin
3
Synonyme
Unerwünschte Wirkungen
Marcumar, Cumarine
*
Zubereitungen Tabletten zur oralen Einnahme. *
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Tabletten mit 5 mg Wirkstoff pro Tablette, Handelsname: Coumadin®.
Wirkungen * *
*
*
Wirkt nur in vivo gerinnungshemmend. Hemmung der Synthese der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Es kommt zur Synthese funktionsuntüchtiger Gerinnungsproteine. Wirkungseintritt verzögert (entsprechend der Halbwertszeit der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren). Cave: Zu Behandlungsbeginn erhöhte Thromboseneigung durch Synthesehemmung des ebenfalls Vitamin K-abhängigen gerinnungshemmenden Protein C.
* *
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung * * *
* * * *
Pharmakologische Daten * * * * *
Wirkungsmaximum nach 48–72 Stunden. Hohe Eiweißbindung. Gute Resorption nach oraler Gabe. Hepatische Metabolisation, renale Elimination. Plazenta- und muttermilchgängig.
*
Mangelnde Compliance. Erhöhte Sturzneigung. Erhöhte Blutungsneigung (z. B. bei Leberinsuffizienz, ausgeprägter Thrombozytopenie). Gastrointestinale Ulzera. Aneurysmen (relativ). Schwangerschaft. Schwere, unkontrollierte arterielle Hypertonie. Schwere diabetische Retinopathie.
Wechselwirkungen *
Anwendungsgebiete Prophylaxe und Therapie thrombotischer und embolischer Ereignisse: * z. B.: Therapie und Prophylaxe tiefer Venenthrombosen, nach Myokardinfarkt zur Prävention der Entstehung linskventrikulärer Thromben, bei Vorhofflimmern mit erhöhtem Embolierisiko, nach Implantation künstlicher Herzklappen (lebenslang), bei Gerinnungsstörungen, u. v. m. * Neurovaskulär: Nach Dissektionen (nur passager), ggf. auch bei intrakraniellen Stenosen oder Basilarisstenose.
Blutungskomplikationen, mit steigender Dosis (steigendem INR-Wert) Zunahme des Blutungsrisikos (bei bedrohlichen Blutungen ggf. Gabe von Frischplasma). Cumarinnekrose: Nekrose von Haut und subkutanem Fettgewebe, vor allem im Bereich von Hüfte, Gesäß und Oberschenkel, meist 3–5 Tage nach Behandlungsbeginn. Ursache: Man vermutet einen relativen Protein-C-Mangel. Reversibler Haarausfall. Verzögerte Kallusbildung.
* *
3
*
Die gleichzeitige Anwendung anderer Medikamente kann die Wirkung von Cumarinen sowohl verstärken als auch abschwächen, daher ist bei jeder Umstellung der Begleitmedikation eine engmschige Kontrolle der Gerinnungsparameter erforderlich. Beeinflussung der Warfarin-Wirkung durch Vitamin K-haltige Speisen (z. B. Spinat). Antagonisierung durch Gabe von Vitamin K (Konakion® oral oder i. v.), bei lebensbedrohlichen Blutungen Substitution von Gerinnungsfaktoren. Siehe auch Fachliteratur.
Bewertung Bei kritischer Indikationsstellung und regelmäßigen Gerinnungskontrollen wirksames Medi-
Weber-Syndrom
„Warm-up“-Phänomen Myotonie/ myotone Syndrome
3
Waterhouse-FriedrichsenSyndrom
der Addison-Krise ( Krise, Addison-Krise) zur Anwendung kommen. Kontrolle und Überwachung möglicher Komplikationen wie Hirnödem mit der Gefahr der Einklemmung, Vasospasmen durch Arteriitis und reaktive Sauerstoffspezies, septische Sinusthrombosen und Liquorzirkulationsstörungen. Isolation des Patienten erforderlich, sowie Chemoprophylaxe der Kontaktpersonen mit Rifampicin oral und Meldung an die Gesundheitsbehörden. 3
kament zur Prävention thrombembolischer Ereignisse.
1323
Definition
Die Diagnose erfolgt anhand des typischen klinischen Bildes, durch die Liquordiagnostik mit der typischen Liquorkonstellation für eine bakterielle Meningitis und den Nachweis von Meningokokken.
Therapie gesichert Zunächst blinde Antibiose bei Verdacht auf eine schwere Meningitis mit einer Dreifachantibiose bestehend aus einem Cephalosporin der 3. Generation, einem Aminoglykosid und Ampicillin, bei Vorliegen einer Sepsis mit Nierenversagen eine Monotherapie mit einem Carbapenem (Imipenem oder Meropenem). Beim endgültigen Nachweis von Meningokokken Umstellung auf eine hochdosierte Therapie mit Penicillin G. Des Weiteren allgemeine intensivmedizinische Therapie der septischen Komplikationen in Form von Kreislaufstützung (Volumen, Katecholamine), niedrigdosierte Heparinisierung, Gabe von fresh-frozen-plasma usw. Die Kortikoiddosen entsprechen denen, die bei
Einleitung Bei ischämischer Genese kommt es durch eine Thrombose der Rr. interpedunculares der A. cerebri posterior und der A. choroidea posterior zu einer Läsion im Mittelhirnfuß mit charakteristischer klinischer Symptomatik. Klinik: * Kontralateral Hemiparese. * Ipsilateral Okulomotoriusparese.
Diagnostik Kernspintomographie.
Therapie Hirninfarkt
Nachsorge Hirninfarkt
Prognose Hirninfarkt, abhängig von Ätiologie und Begleiterkrankungen.
Diätetik/Lebensgewohnheiten 3
Diagnostik
Hirnstammsyndrom mit Läsion im Bereich des Mittelhirnfußes (Benennung nach Erstbeschreiber).
3
5–10% der Meningokokkeninfektionen haben ein Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom zur Folge.
Definition
3
Einleitung
Weber-Syndrom
3
Höchst akute Meningokokkensepsis mit Versagen der Nebennierenrinde (funktionell oder durch hämorrhagischen Infarkt), gekennzeichnet durch Erbrechen, hohes Fieber, meningeale Zeichen, Zyanose, rasch auftretende Blutungen (Petechien, Sugillationen) und krisenhaftes Kreislaufversagen.
Hirninfarkt
W
Wegener-Granulomatose
Die Wegener Granulomatose (WG) ist eine granulomatöse Vaskulitits mit unbekannter Ätiologie, die sich in mehreren Organsystemen (v. a. im oberen Respirationstrakt, der Lunge und den Nieren) manifestiert.
Einleitung Die Erkrankung tritt in den USA mit einer Prävalenz von 3/100.000 Einwohner auf und ist bei Männern und Frauen gleich verteilt. Obwohl die WG seltener bei Kindern vorkommt, lässt sich keine Alterspräferenz feststellen. Nach einer Studie finden sich folgende Organbeteiligungen [1]: * 92% Oberer Respirationstrakt * 85% Lungenparenchym (Infiltrate, Pleuraergüsse und Hämoptysen) * 77% Nieren (Glomerulonephritis: milde, fokale, segmentale bis zur fulminanten nekrotisierenden Form) * 46% Haut (Palpable Purpura, Ulzera) * 25% Augen * 15% Mononeuritis multiplex (häufigste neurologische Manifestation!) * selten: ZNS (Schlaganfall, Hirnnervenausfälle), Herz (Perikarditis, Karditis, koronare Vaskulitis)
Diagnostik Die Diagnose wird anhand klinischer und laborchemischer Kriterien gestellt: * Nasale oder orale Entzündung (orale Ulzera oder nasaler Ausfluss) * Pathologische Röntgen-Thoraxaufnahme (Knoten, Infiltrate oder Kavernen) * Pathologisches Urinsediment ≥5 Erythrozyten) * Histologischer Nachweis einer granulomatöse Entzündung in einer Arterie oder perivaskulärem Gewebe Beim Vorliegen von 2 oder mehr Kriterien wird eine Sensitivität von 88% und eine Spezifität von 92% in der Diagnosestellung erreicht [2]. Laborchemisch ist die Bestimmung der antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (cANCA) ein sehr spezifisches Verfahren. Eine Leukozytose und erhöhte BSG korrelieren gut mit der Krankheitsaktivität. Zur definitiven Diagnosesicherung ist der histologische Nach-
Therapie Ohne adäquate Therapie war die 5-MonatsÜberlebensrate der WG nur 18%! Durch die Kombinationstherapie mit Kortikoiden und Cyclophosphamid kann bei 73% der Patienten eine Remission herbeigeführt werden. Sie benötigen jedoch oft jahrelang eine immunsuppressive Therapie.
Literatur 1. Hoffman GS. et al. Wegener’s granulomatosis: an analysis of 158 patients. Ann Int Med 1992; 116:488–98 2. Leavitt RY. et al. The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of Wegener’s granulomatosis. Arthritis Rheum 1990; 33:1101–1107
Weinen, pathologisches Synonyme Zwangsweinen
Einleitung Scheinbar affektives Weinen ohne entsprechende Gefühlsgrundlage bei Hirnstammläsionen, z. B. der Bulbärparalyse.
Welander-Myopathie Myopathie, distale
Werdnig-Hoffmann-Erkrankung 3
Definition
weis einer granulomatösen Entzündung in einer Arterie oder perivaskulärem Gewebe notwendig.
3
Wegener-Granulomatose
3
1324
Proximale Spinale Muskelatrophie
Wernicke-Aphasie Synonyme Sensorische Aphasie, rezeptive Aphasie
West-Syndrom
nende Epilepsie mit Blitz-Nick-SalaamAnfällen, häufig in Serien auftretend. Zur Definition des West-Syndroms gehören als weitere typische Merkmale psychomotorische Retardierung und typische EEG-Veränderungen in Form einer Hypsarrhythmie. In ca. 80% pathologischer neurologischer Befund, meist in Form spastischer oder hypoton-ataktischer infantiler Zerebralparesen. Knaben sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Ätiologie: Am häufigsten symptomatisch, nach prä- bzw. perinataler Hirnschädigung, ca. 10– 20% bei tuberöse Sklerose, bei Hirnmissbildungen, seltener bei metabolischen Erkrankungen, z. B. Phenylketonurie. 3
Leitsymptom der Wernicke-Aphasie ist eine Störung des Sprachverständnisses bei gut erhaltenem Sprechfluss.
3
Definition
1325
3
3
3
3
Differenzialdiagnose Leitungsaphasie und transkortikale sensorische Aphasie. Verwirrtheitszustände (Betroffene haben meist keine Paraphrasien und keine syntaktischen Störungen). Bei einer sich rückbildenden sensorischen Aphasie ist das Sprachverständnis häufig soweit gebessert, dass man die Differenzialdiagnose zu einer amnestischen Aphasie nicht mehr treffen kann!
Einleitung Kryptogene oder symptomatische generalisierte Epilepsie (nach der Klassifikation der International League against Epilepsy [1]). Selten (≤10%) idiopathische Fälle ohne strukturelle oder metabolische Hirnschädigung.
Diagnostik Neuroradiologisch bei annähernd 90% strukturelle Hirnveränderungen. Im interiktualen EEG typischerweise Hypsarrhythmie, im Schlaf z. T. Polyspike-Bursts. Iktuales EEG: Bei myoklonischen Anfällen (Blitzkrämpfen) u. U. generalisiertes Spitzenpotential, bei tonischen Anfällen (Nick- bzw. Salaamkrämpfe) niederamplitudige Spike-Aktivität im β-Frequenzspektrum. 3
Die Betroffenen fallen durch phonematische und/oder semantische Paraphrasien, Neologismen, häufig überschießende Sprachproduktion und Paragrammatismus bei erheblich gestörtem Sprachverständnis auf, sodass die Kommunikationsfähigkeit stark gestört ist ( Jargon). Schreiben und Lesen sind gewöhnlich gleichermaßen betroffen wie Sprechen und Sprachverständnis. Die zugrunde liegende Läsion liegt im rückwärtigen Teil des Schläfenlappens und bezieht die erste Temporalwindung mit ein. Diese Region entspricht dem Versorgungsgebiet der A. temporalis posterior aus der A. cerebri media. Ursache der chronischen Wernicke-Aphasie ist in ca. 90% ein hinterer Mediainfarkt. Bei überwiegend phonematischen Paraphrasien sollen die Läsionen mehr parietal, bei vornehmlich semantischen Paraphrasien mehr temporal liegen.
3
Einleitung
Therapie
3
3
3
gesichert
Enzephalopathie, Wernicke-Enzephalopathie
Als Mittel der 1. Wahl gelten ACTH (häufig mit Nebenwirkungen verbunden, bezüglich Dosierung und Handhabung s. spezielle neuropädiatrische Literatur [2]), Valproinsäure (Cave: Vorbestehende Hepatopathien bzw. lebertoxische Effekte!) und Vigabatrin (vor allem bei tuberöser Sklerose, Anfallsfreiheit in 31–73%), als Mittel der 2. Wahl Benzodiazepine und hochdosiertes Pyridoxin, wobei Pharmakoresistenz häufig zu beobachten ist. Beim zusätzlichen Auftreten von generalisierten tonischklonischen Anfällen zusätzliche Gabe von Phenobarbital. Bei umschriebenen läsionellen Befunden sollten frühzeitig epilepsiechirurgische Interventionen erwogen werden. 3
Wernicke-Enzephalopathie 3
3
Definition Im Säuglingsalter (3.–8. Lebensmonat) begin-
3
BNS-Syndrom, Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie, myoklonische Enzephalopathie des Säuglingsalters mit Hypsarrhythmie
3
Synonyme
3
West-Syndrom
W
Westphal-Variante, Chorea
3
Prognose Bei den symptomatischen Fällen häufig katastrophaler Verlauf mit hoher Anfallsfrequenz, Pharmakoresistenz, Neigung zu Status epileptici und in ≥90% Entwicklungsstillstand bzw. - regression. Mortalität bis 20%. Häufig Übergang in Lennox-Gastaut-Syndrom. Als prognostisch günstige Zeichen im Sinne eines idiopathischen West-Syndroms mit weitgehend normaler Entwicklung, werden altersgerechte psychomotorische Entwicklung bis zum Beginn der Anfälle, normaler neurologischer und neuroradiologischer Befund, fehlende fokale Auffälligkeiten im EEG nach Verschwinden der Hypsarrhythmie und gutes Ansprechen auf die antiepileptische Therapie erachtet. 3
Diätetik/Lebensgewohnheiten Eine ketogene Diät kann u. U. hilfreich sein.
Literatur 1. Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989). Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30:389–399. 2. Königsteiner Arbeitskreis für Epileptologie (1991). Standardtherapien der Epilepsien des Kindes- und Jugenalters (Fieberkrämpfe, typische Absencen, West-Syndrom, Aufwach-Epilepsie, juvenle myoklonische Epilepsie). Pädiatr Prax 42:123–128 u. 343–348. 3. Glauser TA, Clark PO, Strawsburg R (1998). A pilot study of topiramate in the treatment of infantile spasms. Epilepsia 39:1324–1328.
Westphal-Variante, Chorea Synonyme Juvenile akinetisch-rigide Variante der Huntington-Krankheit
Definition Akinetisch-rigide Verlaufsform der HuntingtonKrankheit mit Beginn meist vor dem 21. Lebenjahr. Bei Vererbung durch den Vater ist das Manifestationsalter meist früher (Paternalität), als bei Vererbung durch die Mutter (Maternalität).
Diagnostik Direkter Gentest. DD: Akinetisch-rigides Syndrom mit psychiatrischen Auffälligkeiten mit Beginn im jugendlichen Alter, Hallervorden-Spatz-Syndrom, Morbus Wilson, juveniler Morbus Parkinson
Therapie Bei der juvenilen Form der Huntington-Krankheit mit Rigor und Akinese können dopaminerge Substanzen versucht werden. Supportive und psychosoziale Maßnahmen stehen derzeit im Vordergrund der Therapie der HuntingtonKrankheit. Neuroleptika sind bei der WestphalVariante besonders kontraindiziert.
„White matter lesions“ Synonyme Leukoaraiose, subakute arteriosklerotische Enzephalopathie
Definition Radiologische Bezeichnung für fleckige, periund paraventrikuläre, zum Teil konfluierende, Marklagerläsionen in der zerebralen Bildgebung.
Grundlagen Bildgebung * Computertomographie: Nachweis kleiner, subkortikal gelegener, hypodenser Areale. * Kernspintomographie: Signalintensive, „helle“ Marklagerveränderungen in der T2gewichteten Aufnahme. * Entstehung: * Durch vaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus oder Hyperhomozysteinämie kommt es zur Schädigung kleiner zerebraler Gefäße und lipohyalinotischen Veränderungen (Mikroangiopathie). 3
empirisch Unkontrollierte Studien weisen auf die Wirksamkeit von Topiramat hin [2].
3
1326
Klinik: Abhängig von Lokalisation und Ausprägung: Neben klinisch asymptomatischem Verlauf kann es zu lakunären Syndromen und im Extremfall zur Ausbildung einer vaskulären Demenz kommen.
*
Wilson-Erkrankung
Willebrand-Syndrom *
Synonyme Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (vWS)
*
Definition
1327
die Gerinnungsaktivität des Faktor VIII steigert (nicht bei Typ 2). Schwere und lebensbedrohliche Blutungen: Gabe von Faktor-VIII-Konzentraten, die auch von-Wiilebrand-Faktor enthalten. Acetylsalicylsäurehaltige Präparate sind kontraindiziert.
Angeborene oder erworbene Koagulopathie mit erhöhter Blutungsneigung.
Einleitung
Wilson-Erkrankung
Funktion des von-Willebrand-Faktors (vWF): * Der in Endothelzellen gebildete Faktor bindet Thrombozyten an freiliegende Kollagenmoleküle und ist dadurch an der primären Blutstillung beteiligt. * Zusätzlich schützt der von-Willebrand-Faktor den Faktor VIIIc (Hämophilie) vor dem Abbau. Prävalenz ca. 1% in der Bevölkerung. Ätiologie: * Angeboren: vWS Typ 1: autosomal-dominant vererbt (70% der Fälle): Mangel an von-Willebrand-Faktor und Faktor VIIIc. vWS Typ 2: autosomal-dominant, struktureller und funktioneller Defekt des vWF. vWS Typ 3: autosomal-rezessiv vererbt (selten): vWF fehlt, Faktor VIIIc stark vermindert. * Erworben: Bei Autoimmunerkrankungen, z. B. bei systemischem Lupus erythematodes. Pathologie: * Gestörte Thrombozytenadhäsionsfähigkeit. * Gestörte plasmatische Gerinnung (Faktor VIII ist am intrinsischen Teil der Gerinnungkaskade beteiligt). Klinisch: Erhöhte Blutungsneigung mit Blutungen vom petechialen und hämophilen Typ.
Diagnostik * * *
Positive Familienanamnese. Verlängerte Blutungszeit. Von-Willebrand-Faktor vermindert funktionell defekt.
oder
Therapie *
Leichte Blutungen: Gabe von Desmopressin (Minirin®, 0,3 μg/kg KG i. v. oder s. c.), das
Synonyme Morbus Wilson, hepatolentikuläre Degeneration, Pseudosklerose Westphal
Definition Bei der Wilson-Erkrankung handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Kupferstoffwechselstörung mit vermehrter Kupfereinlagerung in die Leber, das Zentralnervensystem, die Kornea, die Niere und andere Organe.
Einleitung Die seltene Erkrankung ist weltweit verbreitet, besonders häufig bei osteuropäischen Juden, in Sardinien, Süditalien und Sizilien und auf einigen kleineren Inseln Japans. Bei der Mehrzahl der Patienten beginnt die Erkrankung zwischen dem 10. und 25. Lebensjahr mit einer großen Streuung der Erstmanifestation vom 5. bis maximal 50. Lebensjahr. Bei rechtzeitigem Beginn einer adäquaten Therapie, insbesondere bei zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch asymptomatischen Patienten, kann das Auftreten von Krankheitssymptomen verhindert und, soweit gegenwärtig beurteilbar, eine normale Lebenserwartung erreicht werden. Sind bereits neurologische Defizite eingetreten, so ist eine vollständige Rückbildung unter Therapie nur bei 20% der Patienten zu erwarten, eine Besserung neurologisch-psychiatrischer Symptome tritt bei 60–70% der Patienten ein. In seltenen Fällen kommt es trotz Verbesserung der Kupferbilanz zu einer Progredienz der Symptome. Wegen des grundlegenden Defektes bei der Wilson'schen Krankheit beginnt die Kupferablagerung zuerst in der Leber. Erst wenn die Speicherfähigkeit der Leber erschöpft ist folgt die Ablagerung in anderen Organen. Bei mehr als 50% der Patienten stellen hepatische Symptome und in weniger als 50% neurologisch-psy-
W
1328
Wilson-Erkrankung
chiatrische Symptome die ersten Krankheitszeichen dar. Insgesamt wird zwischen 2 unterschiedlichen Verlaufsformen unterschieden: a) einem rascher fortschreitenden, zwischen dem 5 und 20. Lebensjahr auftretenden, juvenilen Typ (früher auch als Wilson-Typ bezeichnet), der unbehandelt innerhalb von 5 bis 7 Jahren letal verläuft mit dominierenden hepatischen, extrapyramidalen und renalen Komplikationen und b) einem erst im Erwachsenenalter zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auftretenden adulten chronisch-progredienten Typ (früher auch bezeichnet als Westphal-Strümpell'sche Pseudosklerose) mit typischen neurologisch-psychiatrischen, insbesondere auch zerebellären Symptomen. 1. Hepatische Manifestationen Hepatische Funktionsstörungen manifestieren sich auf verschiedene Art: * Bereits in der noch asymptomatischen Phase können jugendliche Patienten Hepatomegalie, Splenomegalie, Spider Naevi oder erhöhte Leberenzyme aufweisen. * Etwa ein Viertel der Wilson-Patienten beginnt mit einer akuten vorübergehenden Hepatitis, gekennzeichnet durch Ikterus, Anorexie und Antriebsmangel und gelegentlich hämolytischer Anämie. Eine seltenere Manifestation im jugendlichen Alter kann eine akute fulminante Hepatitis sein, mit akuter hämolytischer Anämie, Enzephalopathie und Leberversagen, bei der nur noch eine Lebertransplantation das Leben erhalten kann. * Eine andere Verlaufsform kann eine chronische aktive Hepatitis sein, mit transienter Erhöhung des Coeruloplasmins. Solche Verläufe können schwierig zu diagnostizieren sein, mitunter nur durch eine Leberbiopsie. * Schließlich existiert als weitere hepatische Manifestationsform eine progressive Leberzirrhose mit allen bekannten Zeichen des Leberversagens wie Splenomegalie, Aszites, Blutungsphänomenen, Ösophagusvarizen, hepatischer Enzephalopathie etc. 2. Neurologische Manifestationen Bei etwa 40% der an Morbus Wilson Erkrankten bestehen die ersten klinischen Auf-
fälligkeiten in neurologischen Symptomen. Der Beginn neurologischer Manifestationen liegt im Mittel um das 20. Lebensjahr, also ca. 8 Jahre später als die hepatischen Manifestationen. Die Streuung des Beginns neurologischer Manifestationen ist allerdings erheblich mit berichtetem Beginn zwischen dem 5. und 50. Lebensjahr. Neurologische Manifestationen betreffen das extrapyramidale und zerebelläre System mit auffälliger Bevorzugung fazialer und bulbärer Muskelgruppen. Motorische Symptome, die ein Betroffensein des Zentralnervensystems anzeigen, wurden früher traditionell in 2 Untergruppen aufgeteilt: In die klassische dystone Form (von Wilson beschrieben) und in die pseudosklerotische Form (von Westphal beschrieben), so bezeichnet, weil die Symptome entfernt an eine Multiple Sklerose denken ließen mit Intentionstremor und Dysarthrie. Tremor ist häufig ein dominierendes neurologisches Frühsymptom. Seltener kann sich der Tremor als Ruhetremor äußern und damit an einen Parkinsontremor erinnern, häufiger manifestiert er sich als Halte- oder Intentionstremor. Gelegentlich kann der intentions- bzw. aktionsbedingte Tremor durch die Mitbeteilung proximaler Muskeln und Hinzukommen choreatisch/dystoner Komponenten bizarr aussehen und wie ein unregelmäßiges Flügelschlagen oder „Flattertremor“ der Extremitäten erscheinen (engl. sog. flapping tremor). Hinzu kommt meist eine Dysarthrie (verwaschene Sprache), Dysphonie, in fortgeschrittenen Fällen Dysphagie, deren Merkmale von hypokinetisch-dystonen, monotonen bis zu „pseudobulbär“ wirkenden Formen reichen können und wegen der akinetischdystonen Mitbeteiligung perioraler Muskeln (Hypomimie) oft ein grimassierendens erstarrtes Lächeln mit Speichelfluss. Rigid-dystone Fehlstellungen betreffen nicht nur die bulbäre Muskulatur, sondern auch die axiale und Extremitätenmuskulatur, sodass es zu anhaltenden Fehlstellungen und Kontrakturen der Muskulatur kommen kann. Der Gang, aber auch die Extremitätenmotrik kann infolge unterschiedlicher Ausprägung extrapyramidaler oder zerebellärer Defizite einmal mehr dem eines Parkinson-Syndroms, das andere Mal mehr dem einer Ataxie ähneln oder bei einem kombinierten
Wilson-Erkrankung
Auftreten atypisch erscheinen mit merkwürdig ungeschickt wirkender Koordination. Choreatische Bewegungselemente sind in der Regel selten, Pyramidenzeichen, zentrale Paresen bzw. Spastizität fehlen üblicherweise ebenso wie sensorische Defizite und autonome oder Sphinkterstörungen. Komplex-partiale oder generalisierte Anfälle kommen, wenn auch nicht häufig, vor. 3. Psychiatrische Manifestationen Bei etwa 10–20% der Patienten beginnt die Erkrankung mit psychiatrischen Auffälligkeiten, allerdings wird an einen Morbus Wilson erst bei Hinzutreten neurologischer oder hepatischer Symptome gedacht. Als pathognomonisch für den Morbus Wilson gilt der sog. Kayser-Fleischer'sche Kornealring, der sich bei mehr als 90% der Patienten mit neurologischen Symptomen manifestiert. Es handelt sich dabei um eine manchmal nur schwach erkennbare, ringförmige grüngelb-bräunliche Verfärbung an der Grenze von Sklera zu Hornhaut als Ausdruck einer Kupferablagerung in der Descemet'schen Membran der Kornea. Es kann zu weiteren internistischen, orthopädischen bzw. dermatologische Manifestationen wie hämolytischer Anämie, Osteoporose, renale tubuläre Dysfunktionen, Hyperkalziurie, Hyperphosphaturie, Nephrokalzinose, Hyperpigmentationen der Haut u. a. kommen.
Diagnostik Der Morbus Wilson gehört zur Differenzialdiagnose aller Hyperkinesen wie Tremor und Dystonien, bei juvenilen Parkinson-Syndromen, bei der Multiplen Sklerose (Pseudosklerose), bei symptomatischen Hirnfunktionsstörungen chronisch Leberkranker mit Beginn im Kinder- und Jugendalter, seltener im frühen Erwachsenenalter. Erstmanifestationen jenseits des 50. Lebensjahrs sind äußerst unwahrscheinlich. Als Screening-Untersuchungen gelten die Spaltlampenuntersuchung mit der Frage nach dem Kayser-Fleischer Kornealring (KFR) und die Coeruloplasminbestimmung. Die Spaltlampen-Untersuchung zum Nachweis des KFR, von einem mit dieser Erkrankung erfahrenen Ophtalmologen durchgeführt, ist als Screening wichtig in der Diagnostik der Wilson-Erkrankung geblieben. Obwohl nicht
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absolut spezifisch ist der KFR bei Erkrankten mit neurologisch-psychiatrischen Symptomen in aller Regel diagnosebeweisend. Der KFR ist in der präsymptomatischen Phase der Erkrankung mehrheitlich, ebenso bei 15% der Kinder mit manifester Erkrankung, aber rein hepatischen Symptomen nicht nachweisbar. Der KFR sollte nicht mit der grauen Verfärbung des Hornhautrandes, dem sog. Gerontotoxon verwechselt werde, das durch Lipoidablagerungen zustande kommt und auch bei Patienten unter 45 Jahren beobachtet wird. Der KFR ist letztlich nicht absolut spezifisch für die Wilson'sche Krankheit, sondern wurde auch bei anderen hepatischen Störungen wie der biliären Zirrhose, chronischer aktiver Hepatitis u. a. beschrieben und war in äußerst seltenen Fällen bei anderweitig gesicherter Wilson-Krankheit fehlend. 1. Coeruloplasmin im Serum Dieser einfach durchzuführende ScreeningTest sollte bei jedem Patienten mit Bewegungsstörungen wie Tremor, Dystonie, Parkinson-Syndrom mit Beginn vor dem 50. Lebensjahr durchgeführt werden, auch wenn er nie für sich allein genommen bewertet werden sollte. In 95% der Patienten mit manifester Erkrankung ist das Coeruloplasmin erniedrigt. Es ist allerdings ebenfalls in 20% der heterozygoten asymptomatischen Genträger erniedrigt und auch bei einer Reihe internistischer Affektionen. 2. Hepatischer Kupfergehalt Für einen einzelnen Test kann die Bestimmung des Kupfers in der Leber (normal <50 μg/g) mittels Leberbiopsie als diagnostisch hochwertigster Test angesehen werden. Auch frühe asymptomatische Stadien zeigen hierbei eine Erhöhung des hepatischen Kupfergehalts. Die Werte sind immer deutlich erhöht (bis zu 3000 μg/g), und gelten als beweisend, wenn sie über 250 μg/g Trockengewicht liegen. Dennoch ist auch dieser Test nicht 100prozentig beweisend, da andere obstruktive Lebererkrankungen ebenfalls mit einem erhöhten Kupfergehalt einhergehen können. Zum andern kann eine verstärkte Mobilisierung von Kupfer im Stadium der vermehrten Freisetzung von Kupfer in das Blut zu einem Abfall des Kupfergehaltes führen (100 μg/g) und trotz des noch erhöhten Wertes nicht mehr für einen Morbus Wilson beweisend sein. Wegen der Invasivität des Eingriffs bleibt diese Untersuchung
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Wilson-Erkrankung
in der Regel den Fällen vorbehalten, bei denen die Diagnose nicht mit anderen Verfahren gesichert werden kann. 3. Kupfergehalt im 24-Stunden-Urin Bei der Wilson'schen Erkrankung nimmt die renale Kupferausscheidung deutlich zu und ein Kupfergehalt im 24 h-Urin von >100 μg/ Tag ist stets verdächtig auf Morbus Wilson. Allerdings ist auch dieser Test nicht absolut pathognomonisch für die Wilson'sche Krankheit, da andere obstruktive Lebererkrankung (cholestatische Syndrome, primäre biliäre Zirrhose, chronisch aktive Hepatitis) mit ähnlich erhöhten Kupferwerten einhergehen können. Zugleich kann die Bestimmung des Kupfers dazu beitragen, im Urin den Verlauf der chelatbildenden Therapie und die Compliance zu kontrollieren. Zu Beginn einer „Entkupferungs-Therapie“ erreichen die Urin-Kupfer-Werte 1000– 2000 μg pro Tag um allmählich auf unter 100 μg pro Tag zu fallen. 4. Inkorporation von 64Cu in Coeruloplasmin Die Messung der Inkorporation des radioaktiv markierten Kupfers in Coeruloplasmin kann diagnostische Hinweise für das Vorliegen eines Morbus Wilson erbringen. Beim Gesunden bewirkt die Applikation des 64CuIsotops einen initialen Anstieg im Serum, der nach Inkorporation abfällt und bis zum Ende des 2. Tages ein zweites Maximum erreicht als Folge einer 64Cu-Isotop-Inkorporation in neu synthetisiertes Coeruloplasmin. Bei Wilson-Kranken fehlt dieser 2. Anstieg der Inkorporation von 64Cu in Coeruloplasmin. Der Test ist aufwendig und erfordert eine vielfache Blutentnahme innerhalb von 48 Stunden. Die Bedeutung dieses Tests liegt insbesondere darin, Wilson-Kranke mit normalem Coeruloplasmin und heterozygote Genträger zu identifizieren. 5. Freies Serum-Kupfer Das Gesamt-Kupfer im Serum wird unterteilt in an Coeruloplasmin gebundenes Kupfer (etwa 90%) und Nicht-CoeruloplasminPlasma-Kupfer (NCPCu), (etwa 10%). Letzteres enthält sowohl freies Plasma-Kupfer (FCuP) als auch Kupfer, das locker an Albumin oder Aminosäuren gebunden ist. Diese beiden Kupfer-Pools stehen im Gleichgewicht. FCuP definiert den toxischen Anteil des Pools (Normalwerte 5– 12 g/dl). Unbehandelte Wilson-Patienten haben ein erhöhtes NCPCu, aber dieser Pa-
rameter gilt als weniger verlässlich und nützlich und kann auch bei cholestatischen Lebererkrankungen erhöht sein. 6. Bildgebung Die Kernspintomographie (NMR) zeigt Atrophien im Striatum sowie häufig symmetrische bilaterale Signalhyperintensitäten bei T2-gewichteten Aufnahmen im Striatum, Thalamus, Hirnstamm und Zerebellum. Daneben wurde auch über Hypointensitäten im Pallidum, Nucleus ruber und der Substantia nigra berichtet. 7. Neurophysiologie Befunde über erhöhte Latenzen motorisch evozierter Potentiale (MEP) und deren Normalisierung nach Therapie, über Veränderungen der akustisch somatosensibel und visuell evozierten Potentiale, und über Veränderungen der computerisierten EEG-Spektralanalyse liegen vor. Es kam jeweils bei einem deutlichen Prozentsatz (etwa 50– 80%) der Patienten zu Veränderungen, deren Aussage infolge ihrer Unspezifität bisher wahrscheinlich mehr wissenschaftlichen als klinisch-diagnostischen Stellenwert besitzen. 8. Genetik Mit größerem Aufwand können die auslösenden Mutationen auf dem langen Arm des Chromosoms 13 (13q14. 3) nachgewiesen werden. Das Wilson-Gen kodiert für eine Cu2+ transportierende P-Typ-ATPase.
Therapie Die Therapie muss beginnen, sobald die Diagnose gesichert ist. Das therapeutische Ziel ist eine negative Kupferbilanz, um bei Erkrankten die Normalsituation herzustellen und bei asymptomatischen Patienten den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern. Im Prinzip kann eine negative Kupferbilanz a) durch eine Erhöhung der Kupferausscheidung b) durch eine Reduktion der Kupferaufnahme bzw. - absorption bzw. c) durch eine Kombination beider Verfahren erreicht werden. Es handelt sich um eine lebenslange Therapie. 1.
D-Penicillamin (Dimethylcystein) Der Sulfhydrylanteil des D-Penicillamins bindet Kupfer in Form von PenicillaminKomplexen, die über den Urin ausgeschieden werden. D-Penicillamin gilt seit langem als Therapiestandard und Mittel der ersten Wahl für die symptomatische Wil-
Wilson-Erkrankung
son-Krankheit. Hauptprobleme sind Häufigkeit und Ausmaß von Nebenwirkungen. Bei D-Penicillamin Intoleranz müssen therapeutische Alternativen (Triethyl-Tetramin-Dihydrochlorid, Trien) und Zinkazetat erwogen werden. Vor Beginn einer Therapie sollten Labor-Ausgangsdaten bestimmt werden, sowohl 24-Stunden-Kupfer-Urin und Nicht-Coeruloplasmin gebundenes Kupfer als auch ein komplettes Blutbild wegen potentieller D-Penicillamin induzierter Blutbildveränderungen. Zu Beginn einer Therapie soll D-Penicillamin (Metalkaptase, Trolovol) einschleichend dosiert (250 mg/Tag) und nur alle 4 Tage um 250 mg erhöht werden, bis eine 24 hUrin-Kupferausscheidung von 2 mg/Tag erreicht ist. Diese einschleichende Therapie wurde empfohlen, da eine zu rasche Mobilisierung des Körperkupfers teilweise zu einer irreversiblen Verschlechterung der Symptomatik führte. Mit Beginn der Therapie kommt es zu einem dramatischen Anstieg des 24 h-Urin-Kupfers auf Werte von 2000–5000μg pro Tag. Mit kontinuierlicher Entleerung der Kupferspeicher sinkt allmählich die Kupferausscheidung innerhalb von 1–2 Jahren auf Werte unter 500 μg pro Tag, wobei die therapeutischen Wirkungen einer negativen Kupferbilanz sich nicht unmittelbar einstellen müssen und bis zu 3–6 Monaten benötigen können. Die Standarddosis des oralen D-Penicillamins (mittlere Erhaltungsdosis) liegt bei 1000 mg täglich (bei individuell differierender Verträglichkeit gegebenenfalls zwischen 750–1600 mg/Tag), aufgeteilt in 4 Dosen (zu 250 mg) oder 2 Dosen (zu 500 mg) jeweils 30 bis 45 Minuten vor den Mahlzeiten oder 2 Stunden nach den Mahlzeiten, um die infolge der Nahrungsaufnahme verminderte D-Penicillaminresorption im Gastrointestinaltrakt zu vermeiden. Da D-Penicillamin zu einem Vitamin B6-(Pyridoxin)-Mangel führen kann (u. a. Neuropathien) wird eine entsprechende orale Substitution von Pyridoxin (25–50 mg/die Benadone Roche? Hexobion) empfohlen. Bei Therapiebeginn entwickeln etwa 20% der Patienten zwischen der 1. und 3. Woche eine Überempfindlichkeitsreaktion in Form von Fieber, makulopapulösem Exanthem, Lymphadeno-
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pathie und (seltener) Knochenmarksdepression (Leukopenie, Thrombozytopenie Panzytopenie, Nephropathie). Derartige Überempfindlichkeitsreaktionen lassen sich, wenn sie nicht mit einer Knochenmarksdepression einhergehen, unter Dosisreduktion oder Medikamentenaussetzung bis zum Verschwinden der akuten Reaktion beherrschen unter gleichzeitiger vorübergehende Gabe von Kortison (20– 30 mg/Tag Prednison) und Wiederaufnahme der Dosis in der früher beschriebenen einschleichenden Weise. Falls sich erneut eine Überempfindlichkeitsreaktion einstellt, kann dieser Vorgang (Dosisaussetzung und Fortführung der Kortisonmedikation) wiederholt werden und die Wiederaufnahme der D-Penicillintherapie noch langsamer wieder aufgenommen werden. Bei gleichzeitigem Auftreten einer Überempfindlichkeitsreaktion und einer Knochenmarksdepression muss D-Penicillamin sofort abgesetzt werden. Steroide sind dann nicht hilfreich. Auch bei dieser Konstellation wurde in 50% der behandelten Patienten über eine erfolgreiche Wiederaufnahme der D-Penicillamintherapie unter niedrigeren und noch langsamer einschleichenden Dosen berichtet. Bei persistierender Unverträglichkeit muss aber eine alternative Therapie verfolgt werden. Mit Beginn der D-Penicillamintherapie kann es zwischen Tagen, Wochen und Monaten zu einer Verschlimmerung der vorbestehenden neurologischen Symptomatik kommen. Drei Viertel dieser Patienten entwickeln diese Verschlimmerungen innerhalb der ersten 4 Wochen nach Therapiebeginn. Die Hälfte der Betroffenen erreicht nie mehr die prätherapeutische klinische Ausgangssituation. Auch bei 2–3% der behandelten asymptomatischen Homozygoten bzw. Erkrankten ohne neurologische Defizite, insbesondere Patienten mit KayserFleischer-Kornealring oder erkennbaren Veränderung in der zerebralen Bildgebung, kann es zum Auftreten neurologischer Symptome kommen. Der genaue pathophysiologische Mechanismus dieser Komplikation ist unklar. Man vermutet eine zu rasche und hohe Mobilisierung der Kupferdepots mit additiver oder neuer Schädigung des ZNS. Unter chronischer Langzeittherapie kommt
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es, gewöhnlich nach dem 1. Jahr der Therapie in 3–7% zu einem großen Spektrum unterschiedlicher Störungen. Die „spätmanifesten“ Komplikationen werden vor allem auf immuninduzierte Störungen oder Dysfunktionen von Kollagenstrukturen zurückgeführt. In vielen dieser Fälle wird man auf alternative Therapiestrategie umsteigen müssen. Dosisabhängige Hautveränderungen treten bei Dosierungen unter 1 g/Tag seltener auf. Solange bei der Nephropathie die Proteinurie stabil unter 0,5 g/Tag liegt, kann die Therapie unter strenger Kontrolle u. U. weitergeführt werden. Beim penicillamininduziertem systemischen Lupus erythematodes (SLE) kann die Erkrankung unter Dosisreduktion (500 mg/Tag) und Kortikoiden gegebenenfalls im Griff gehalten werden. Bei Knochenmarksdepression mit Agranulozytose oder Thrombozytopenie muss grundsätzlich auf eine alternative Therapie umgestellt werden. Die Therapie sollte im ersten Monat mindestens 1×wöchentlich, im ersten Jahr 1× monatlich und danach mindestens 1–2× jährlich erfolgen. Der Patient sollte darüber aufgeklärt werden, dass der negativen Kupferbilanz die klinische Verbesserung um Monate nachhinken kann. Der Kayser-Fleischer-Kornealring kann allmählich verblassen, ist aber kein verlässlicher Parameter der Therapiekontrolle. Kontrollen des 24 h-Kupferurins, des an Coeruloplasmin gebundenen Kupfers und des Gesamtserumkupfers werden monatlich im ersten Jahr empfohlen. Der initiale massive Anstieg des Kupfers im Urin (anfänglich 2– 5 mg/Tag) sollte in den ersten 2 Jahren allmählich abfallen auf weniger als 500 μg/Tag. Eine Schwangerschaft scheint keine schwerwiegenden Folgen auf behandelte Wilson-Patientinnen zu haben, außer einem erhöhten Blutungsrisiko aus Ösophagusvarizen bei Patientinnen mit Leberzirrhose, während erfolgreiche Schwangerschaften bei unbehandelten Patientinnen offenbar sehr selten sind. Insgesamt liegen keine absolut verlässlichen Informationen bezüglich teratogener Wirkungen von DPenicillamin, Trien und Zink (s. u.) vor. Es liegen allerdings verschiedene Publika-
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tionen über erfolgreiche Schwangerschaften behandelter Mütter vor. Triethylene Tetramine Dihydrochlorid (Trientine, Trien, TETA) Das von Walshe 1968 eingeführte Medikament ist in Deutschland nicht verfügbar und auch international nicht leicht erhältlich. Es wird in USA für Wilson-Patienten, bei denen eine D-Penicillamin-Intoleranz besteht, eingesetzt, ist offiziell von der FDA nicht zugelassen. Der Chelatbildner Triethylene Tetramine Dihydrochlorid mobilisiert Kupfer, verstärkt die Ausscheidung im Urin, die allerdings geringer ausfällt als beim D-Penicillamin und reduziert offenbar auch die gastrointestinale Kupferresorption. Die Therapie ist bei Patienten mit absoluter D-Penicillaminintoleranz, insbesondere bei Patienten mit nephrotischem Syndrom, mit D-Penicillamin induziertem systemischen Lupus erythematodes (SLE), mit Thrombozytopenie und Pemphigus indiziert. Als orale Dosen werden 750–2000 mg/Tag empfohlen, verteilt auf 3 Tagesdosen, auf leeren Magen zwischen den Mahlzeiten, um die Resorption nicht zu vermindern. Über dieses Medikament liegen wenig Erfahrungen vor. Insgesamt scheint es dennoch ein erstaunlich nebenwirkungsarmes, untoxisches Medikament zu sein. Dimercaprol (BAL, Sulfactin Homburg) Die Behandlung mit dem Chelatbildner Dimercaprol (BAL, British AntiLewisite) konnte sich aber wegen seiner Nebenwirkung (schmerzhafte i. m.-Injektionen) als lebenslange Dauermedikation nicht durchsetzen. Bei schwerst Erkrankten wird BAL als eine additive Therapie zu D-Penicillamin von verschiedenen Autoren empfohlen und ansonsten als Alternative bei absoluter D-Penicillaminintoleranz angesehen. AL ist als 10prozentige Suspension verfügbar. Die Dosierung beträgt 3,0 ml dieser Suspension in 1 oder 2 intramuskulären Dosen 3–5mal in der Woche, die kontrolliert körperseitig wechselnd durchzuführen sind. Reduktion der Kupferaufnahme (Diät) Mit einer europäischen Durchschnittsnahrung nimmt man etwa 1 mg Kupfer täglich auf. Eine rigorose kupferarme Diät ist bei Patienten unter einer effektiven Entkupferungsmedikation mit D-Penicillamin wahr-
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scheinlich weder notwendig noch praktikabel. Dennoch erscheint es sinnvoll, kupferreiche Nahrungsmittel zu vermeiden (wie z. B. Leber und andere Innereien, Meeresfrüchte, Nüsse, Broccoli, Schokolade, Pilze), und über den Kupfergehalt des regionalen Trinkwassers Bescheid zu wissen. Patienten mit Leberschädigungen sollten auf eine entsprechende Leberschonkost achten. Zink (Zink, Zinkazetat, Zinksulfat) Zur Verminderung der gastrointestinalen Kupferresorption wird Zink, Zinkazetat, Zinksulfat verwendet. Der Mechanismus einer erhöhten Kupferausscheidung aus dem Darm wird folgendermaßen erklärt: Zink gilt als ein potenter Stimulus für die Synthese von sog. Metallothioneinen in den Enterozyten. Die Sulfhydrylgruppen in den Metallothionein-Molekülen binden Kupfer, das aus dem Darm in die Enterozyten gelangt. Wenn das Kupfer einmal an das intestinale Metallothionein gebunden ist, kann es nicht mehr im Darm resorbiert werden. Die Enterozyten lösen sich von der Darmwand ab und werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Zink blockiert dadurch die Resorption des Nahrungskupfers im Darm. Durch eine solche Maßnahme kann eine partielle negative Kupferbilanz erreicht werden. Diese Bilanz stellt sich allerdings auf Grund der verzögert einsetzenden Synthese der Metallothioneine erst in Wochen allmählich ein. Da die D-Penicillamintherapie einen gewissen Zinkmangel bewirkt, dauert es bei Patienten mit einer D-Penicillamintherapie länger, um über die Einnahme von Zink eine negative Kupferbilanz zu erreichen. Eine Therapie mit Zink ist vor allem bei Patienten mit DPenicillamin- oder Trieneintoleranz indiziert, wird aber auch als Erhaltungstherapie nach vorausgegangener systematischer Entkupferungstherapie eingesetzt. Zugleich gilt es wegen seiner fehlenden Toxizität auch als gutes Mittel bei der initialen Therapie der a- bzw. präsymptomatischen Wilson-Patienten. Es gibt vereinzelt allerdings negative Berichte über eine positive Kupferbilanz nach Zinkeinnahme. Dosierung: Elementares Zink wird als Zinksulfat/-azetat (Zinksulfat Asta, Solvezink) in einer Dosierung von 3×50 mg Zinkazetat bzw
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3×200–300 mg Zinksulfat oral 1 Stunde vor bzw. nach den Mahlzeiten eingenommen. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind passager intestinale Beschwerden in Form von epigastrischen Schmerzen und Reizmagen. Zinkazetat hat eine bessere gastrointestinale Toleranz als Zinksulfat. Daneben beobachtet man leichte Zunahmen der Amylase, alkalischen. Phosphatase und Lipase im Serum, daneben Hypokalzämien, mikrozytische Anämien. Seltener wurde über Halluzinationen, epileptische Anfälle und Retinitis zu Beginn der Therapie berichtet. Eine Kontrolle der Therapie und Compliance ist mühsamer als bei D-Penicillamin und sollte an Hand der Bestimmung mehrerer Parameter (24 h-Kupferausscheidung im Urin, Nicht-Coeruloplasmin gebundenes Kupfer, 24 h-Zinkausscheidung im Urin) vor Therapiebeginn, 1 Monat und danach alle 3 Monat nach Therapiebeginn erfolgen. Ziel muss es sein, eine 24 h-Kupferausscheidung im Urin von 125 μg/Tag oder weniger zu erreichen und aufrecht zu erhalten. Der 24 h-Zinkausscheidungsspiegel im Urin sollte bei einer täglichen Einnahme von 150 mg Zinkazetat mindestens 2,5 mg betragen und der Zinkplasmagehalt bei 150–300 μg/dl liegen. Ammonium Tetrathiomolybdate Ammonium Tetrathiomolybdate gilt als ein Medikament, das sowohl die Kupferresorption hemmt als auch die Kupferausscheidung fördert. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Therapie mit einem hohen Potential, die sich allerdings noch im experimentellen Stadium befindet und über die keine Vergleiche mit anderen bekannten Mitteln zu Beginn einer Therapie vorliegen. Lebertransplantation Verschiedene Berichte über Lebertransplantationen bei Wilson-Kranken liegen vor. Eine solche Ultima-Ratio-Therapie hat trotz ihrer hohen Mortalität von 20– 30% ihre Indikation (soweit durchführbar) bei akutem Leberversagen und dekompensierter Leberzirrhose. Eine erfolgreiche Therapie kann den präoperativen metabolischen Leberdefekt des Wilson-Kranken korrigieren, sodass eine weitere spezifische Therapie nicht mehr notwendig ist. Akute Kurzzeit-Maßnahmen
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Wirbelsäulenerkrankungen, degenerative
Wirbelsäulenerkrankungen, degenerative Grundlagen Mit zunehmendem Lebensalter häufigere regressive Veränderungen der Zwischenwirbelscheiben mit reaktiver Osteophytenbildung an den Wirbelkanten (Osteochondrose) und Spondylarthrosen, die zu lokalen Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Nervenwurzelirritationen mit radikulärer Symptomatik führen können.
Witzelsucht Definition Eher konstant euphorische, etwas albern wirkende Stimmungslage.
Einleitung Gehört neben der Affektlabilität und der Affektinkontinenz zu den Störungen der Emotionalität. Die Witzelsucht wird z. B bei der Syphilis, Neurosyphilis beobachtet. 3
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Therapie 3
Bei einem akut und schwer erkrankten Wilson-Patienten, bei dem man nicht mehrere Monate die Wirkung der StandardEntkupferungstherapie abwarten kann, wird folgendes therapeutisches Vorgehen empfohlen: * Albumin-Infusionen, um den gebundenen Anteil des nicht an Coeruloplasmin gekoppelten Kupfers zu erhöhen und * Peritonealdialyse mit zum Dialysat zugefügten Albumin, Plasmaaustausch oder Austauschinfusion. 9. Neu diagnostizierte symptomatische bzw. präsymptomatische Erkrankungen Die Therapie der ersten Wahl bei milder manifester Erkrankung besteht in der Behandlung mit D-Penicillamin in den angegeben Standarddosen. Bei neurologisch/ psychiatrisch erkrankten Patienten wird wegen der Möglichkeit einer neurologischen Verschlimmerung eine langsamere Titration empfohlen. Eine orale Zinktherapie wird überwiegend für den Einsatz einer Erhaltungstherapie nach primärer Entkupferung und bei den präsymptomatischen Patienten in Frage kommen. 10. Schwangerschaft Bei Fehlen schwerer Leberschäden gibt es keine absolute Kontraindikation gegen eine Schwangerschaft. D-Penicillamin und Trien werden als für Mutter bzw. Kind gefahrlose Medikamente aufgefasst und können während der Schwangerschaft in unveränderter Konzentration appliziert werden. Bei Patientinnen in der Phase der Erhaltungstherapie ist die Zinktherapie wahrscheinlich eine akzeptable Alternative, obwohl ausreichende Daten letztlich noch nicht vorliegen.
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Affektinkontinenz
Wolfram-Syndrom Definition Hereditäres Syndrom (Defekt auf Chromosom 4) mit Optikusatrophie, Diabetes insipidus, Diabetes mellitus und Taubheit.
Diätetik/Lebensgewohnheiten Siehe Therapie.
Literatur 1. Conrad B (1996). Wilson Krankheit. In: Conrad B, Ceballos-Bauman AO (Hrsg.) Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme Stuttgart New York, 141–154.
WPW-Syndrom Synonyme Wolff-Parkinson-White-Syndrom
Definition Häufigste Unterform eines Präexzitationssyndroms, bei dem es durch eine meist kongenital angelegte, aberrierende Leitungsbahn (KentBündel) zu einer vorzeitigen Erregung der
Wurzel-Ausriss
Herzkammern unter Umgehnung der AV-Leitungsbahn kommt.
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Wurzel-Ausriss Definition
Einleitung *
* *
*
Vorkommen: Zwischen linkem Vorhof und linker Kammer (Typ A) sowie rechtem Vorhof und rechter Kammer (Typ B). Anterograde und retrograde Leitung möglich. EKG: PQ-Zeit kleiner 0,12 Sek., charakteristische Delta-Welle (träger R-Anstieg im QRS-Komplex mit Verbreiterung). Klinisch: 3 Gruppen – Asymptomatischer EKG-Befund. – Auftreten paroxysmaler AV-Reentry-Tachykardien. – Potentiell lebensbedrohliche Tachyarrhythmie (kurze Refraktärzeit des akzessorischen Bündels, bei gleichzeitig bestehendem Vorhofflimmern Gefahr der Kammertachykardie bis hin zum Kammerflimmern).
Diagnostik * * *
Anamnese: Intermittierendes Herzrasen. Charakteristische Ruhe-EKG-Veränderungen, Langzeit-EKG. Invasisve elektrophysiologische Untersuchung (EPU): Intrakardiales EKG mit bis zu 4 über das venöse System eingeschwemmten Elektrodenkathetern (Mapping) zur Lokalisation der akzessorischen Bahn.
Therapie *
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*
*
Symptomatische Therapie bei AV-ReentryTachkardien: Langsame Injektion von 50 mg Ajmalin i. v., alternativ: Propafenon. Bei Präexzitationssyndromen mit Vorhofflimmern sind kontraindiziert: Verapamil, Adenosin und Digitalis-Päparate, da hier Gefahr des Kammerflimmerns besteht. Bei kreislaufwirksamer Tachykardie mit drohendem kardiogenen Schock: ggf. elektrische Kardioversion. Bei wiederholten potentiell lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien/Patienten mit kurzer Refraktärzeit: Selektive Hochfrequenz-Katheterablation der akzessorischen Leitungsbahn (Kent-Bündel-Ablation).
Zu einem Ausriss einer oder mehrerer, meist zervikaler Wurzeln aus dem Rückenmark kommt es durch akute Traumata mit abrupter Zerrung oder Überdehnung der Schulter. Ein Wurzelausriss ist häufig mit einer Läsion des Plexus brachialis kombiniert. Bei 50–75% aller Armplexusläsionen liegt eine zusätzliche Wurzelschädigung vor.
Einleitung Bei einer isolierten Schädigung zervikaler Wurzeln finden sich im Gegensatz zu peripheren Nervenverletzungen keine Schweißsekretionsstörungen. Eine Schädigung der Wurzeln C8 oder Th1 ist häufig mit einem Horner-Syndrom assoziiert. Klinisch spricht das frühzeitige Auftreten eines sogenannten „Phantomgliedes“ (zusätzliche imaginäre Hand oder Vorderarm) für einen Wurzelausriss. Eine Beteiligung sehr proximaler Muskeln (z. B. M. serratus anterior, Mm. rhomboidei) spricht indirekt für eine Wurzelbeteiligung. Da Wurzel- und Plexusschäden oft kombiniert vorkommen, ist aber der klinische Nachweis einer Wurzelläsion problematisch. Langfristig stehen nach Wurzelausrissen neben den hochgradigen sensiblen und motorischen Defiziten oft massive Phantomschmerzen (Deafferenzierungsschmerz) im Vordergrund.
Diagnostik Der Nachweis eines Wurzeltaschenausrisses erfolgt myelographisch, mittels Myelo-CT oder MRT (Nachweis leerer Wurzeltaschen). Initial findet sich meist blutiger Liquor. Elektromyographisch kann in der paravertebralen Muskulatur im Verlauf oft Denervierungsaktivität nachgewiesen werden. Bei klinisch manifester sensibler Schädigung und intaktem sensiblen Nervenaktionspotential in der Neurographie ist eher von einer supraganglionären (radikulären) Schädigung auszugehen. Wurzelläsionen treten häufig bei Zerr- oder Traktionsschäden des oberen Armplexus durch akute Traumata, z. B. bei Motorradunfällen, auf.
Therapie Ein Ausriss der Vorder- oder Hinterwurzeln macht eine Nervennaht und auch eine Regene-
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Wurzelsyndrome
ration extrem schwierig. Meist persistieren schwerwiegende Defizite. Der Arm kann funktionslos, hochgradig atrophisch und anästhetisch sein, sodass er im Extremfall sowohl funktionell als auch kosmetisch eine Behinderung darstellt. Bei persistierenden Defiziten kommen zahlreiche muskuläre Ersatzoperationen in Frage ( Armplexusläsion). In Einzelfällen erfolgt auch eine Amputation der funktionslosen Extremität. Die Behandlung des Deafferenzierungsschmerzes kann mit einer medikamentösen Therapie wie beim neuropathischen Schmerz (Antidepressiva ode Antikonvulsiva), mit Opioiden und Opiaten, Kalzitonin, TENS oder als Ultima
Ratio mit einer Koagulation der „dorsal root entry zone“ erfolgen [1].
Literatur 1. Samii M, Bear-Henney S, Ludemann W, Tatagiba M, Blomer U (2001) Treatment of refractory pain after brachial plexus avulsion with dorsal root entry zone lesions. Neurosurgery 48: 1269–1275.
Wurzelsyndrome Vergleiche Abb. 1 und 2.
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Wurzelsyndrome
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Wurzelsyndrome. Abb. 1: Synopsis der wichtigsten zervikalen Nervenwurzelsyndrome
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Wurzelsyndrome
Wurzelsyndrome. Abb. 2: Synopsis der wichtigsten lumbosakralen Nervenwurzelsyndrome sowie des Kaudasyndroms
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Xanthomatose, zerebrotendinöse
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Klinik: Chronisch progrediente Spastik, Ataxie und dementielle Entwicklung.
Diagnostik Autosomal-rezessiv vererbte Lipidspeicherkrankheit, die zu den neurometabolischen Erkrankungen zählt.
Einleitung * * *
Vorkommen: Selten, Manifestation bereits in der Kindheit. Mutationen: Im Sterol-27-Hydroxylase-Gen. Pathophysiologie: – Anhäufung von Dihydrocholesterol in den Lysosomen von Nervenzellen sowie Cholesterol in peripheren Xanthomen (gutartige Hauttumoren) mit – Peripherer Neuropathie sowie – Leukenzephalopathie mit Demyelinisierungsherden im ZNS.
Nachweis von erhöhten Cholesterol-Werten in Serum und Liquor.
Therapie Chenodesoxycholsäure-Gabe so früh wie möglich, um irreversible neurologische Defekte zu verhindern.
Xerostomie 3
Definition
Sicca-Syndrom
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Zahnradphänomen Definition Spezielles Phänomen bei Rigor, der durch einen charakteristischen, zähen und gleichmäßigen Widerstand (wie beim Biegen eines Bleirohres) charakterisiert ist. Diese, bei passiver Bewegung einer Extremität getestete Tonuserhöhung, kann durch das sogenannte Zahnradphänomen rhythmisch unterbrochen werden. Häufig handelt es sich dabei lediglich um den begleitenden Tremor.
Zellweger-Erkrankung Synonyme Zerebrohepatorenales Syndrom
Definition Die Zellweger-Erkrankung ist eine autosomal rezessiv vererbte Peroxisomenerkrankung, die mit schweren zerebralen und retinalen Schädigungen einhergeht, dem ein Gendefekt auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms zugrunde liegt und mit einer Agenesie des Corpus callosum und chorioretinalen Läsionen einhergeht. (Online Mendelian Inheritance in Man OMIM: *214100, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim).
Degeneration eine Potentialauslöschung. Ebenso bestehen eine Hepatomegalie sowie polyzystische Nieren. In der zerebralen Bildgebung (CT. MRT) zeigt sich eine Pachygyrie sowie Dichteminderungen der weißen Substanz.
Therapie empirisch Durch Substitution von DocosahexaenoidsäureEthyl-Ester (DHA-EE 100–500 mg/Tag) konnte eine Reduktion der VLCFA im Serum sowie eine Normalisierung der Leberenzyme erzielt werden. Auch klinisch zeigte sich eine Verbesserung [1].
Literatur 1. Martinez M, Vazquez E, Garcia-Silva MT, Manzanares J, Bertran JM, Castello F, Mougan I (2000) Therapeutic effects of docosahexaenoic acid ethyl ester in patients with generalized peroxisomal disorders. Am J Clin Nutr 71 (Suppl):376S–85S).
Zentromedulläres Syndrom Einleitung
Bereits im Neugeborenenalter führen die klinischen Merkmale zur Diagnose. Es imponiert eine typische Fazies mit Epikanthus, flacher Nasenwurzel, Missbildung der Ohren und Mikrognathie, weiterhin eine generalisierte Hypotonie und generalisierte epileptische Anfälle in den ersten Lebenstagen.
Aus einer Schädigung der um den Zentralkanal gelegenen Rückenmarksubstanz resultierendes Syndrom mit dissoziierter Sensibilitätsstörung und umschriebenen Paresen und Muskelatrophien sowie segmentaler Störungen der Oberflächensensibilität der oberen Extremität; im Verlauf können eine spastische Paraparese sowie Blasen- und Mastdarmstörungen hinzukommen. Typische Ursachen sind Syringomyelie, stiftförmige intramedulläre Gliome ( Stiftgliome) oder ein Arteria-spinalis-anterior-Syndrom.
Diagnostik
Differenzialdiagnose
3
Querschnittlähmung
3
3
Im Elektroretinogramm findet sich bei retinaler
3
Einleitung
1342
Zephalozelen
Zephalozelen Synonyme Enzephalozele, Meningoenzephalozele
Definition Unter einer Zephalozele versteht man eine Herniation intrakraniellen Gewebes aufgrund eines kongenitalen kranialen Defektes. Wenn die Herniation Hirngewebe oder Meningen enthält, spricht man von einer Enzephalo-, bzw. Meningoenzephalozele.
Einleitung Eine Einteilung kann je nach anatomischer Lokalisation in vier Gruppen erfolgen: frontal, parietal, okzipital und basal. Neben den primären Meningoenzephalozelen, zu denen auch diejenigen mit kraniofazialer Spaltbildung zu zählen sind, lassen sich sekundäre Formen abgrenzen, die entweder traumatisch bedingt oder Folge einer Operation sein können.
Diagnostik Die wegweisende Diagnostik stellt die CT mit zwei-, ggf. auch dreidimensionaler Rekonstruktion dar. Zur Darstellung assoziierter Hirnfehlbildungen eignet sich die cerebrale MRT. V. a. fronto-ethmoidale Meningoenzephalozelen sind mit weiteren intrakraniellen Fehlbildungen assoziiert (z. B. Corpus callosum-Agenesie, abnorme Gyrierung).
Grundlagen Zu den zerebellaren Symptomen gehören Störungen in der Bewegungskoordination und Gleichgewichtsregulation, insbesondere die Ataxie, Dysmetrie und der Intentionstremor. In jüngerer Zeit werden auch affektive, kognitive Störungen und bestimmte Störungen des Verhaltens mit Läsionen des Zerebellums in Berbindung gebracht. Ataxie lässt sich auch in diese Bereiche übertragen. Wörtlich heißt Ataxie Unordnung. Sie kann sich bei allen Bewegungen bemerkbar machen, auch der Augen, beim Sprechen und bei der Stimmbildung. Ataktische Störungen werden in erster Linie mit dem Kleinhirn, einschließlich seiner Efferenzen und Afferenzen in Verbindung gebracht. Zur Beschreibung spezieller Aspekte der Ataxie werden folgende Begriffe verwendet: Dysmetrie (falsche Zielbewegungen, bei überschießenden Bewegungen, oft mit Korrekturen, Hypermetrie) und Intentionstremor (typischerweise bei Annäherung an das Ziel zunehmender Tremor, bei starker Ausprägung in Intentionsmyoklonien übergehend). Während die Dysmetrie und der Intentionstremor für Hemisphärenschädigungen sprechen, liegen bei der Standataxie und Rumpfataxie (typischerweise ein 2–3/sec Vorwärts- und Rückwirtswippen) Läsionen des Unterwurms, bei der Gangataxie eher des Oberwurms vor.
3
Zerebellitis
Therapie Die Therapie der Zephalozelen ist eine neurochirurgische Korrekturoperation. Bei geringer Manifestation besteht nur eine elektive Indikation, ansonsten sollte eine Operation frühzeitig erfolgen.
Zerebellare Symptome Synonyme Ataxie, Dysdiadochokinese, Dysmetrie
Definition Überbegriff für Symptome, die mit Affektionen des Kleinhirns in Verbindung gebracht werden. Wörtlich heißt Ataxie Unordnung.
Definition Überwiegend durch Kleinhirnentzündung.
Viren
hervorgerufene
Einleitung Zu einer Zerebellitis kommt es meist als Komplikation eines Virusinfektes. Kinder bis zum dritten Lebensjahr sind häufiger von diesem Erkrankungsbild betroffen als Erwachsene. Im Kindesalter sind Varizellen (bei bis zu 0,005% aller Kinder mit Varizelleninfektionen) und bei Erwachsenen Entero-, Herpes- und Myxoviren die häufigste Ursache. Selten kann eine Listerieninfektion verantwortlich sein (Tab. 1). Typischerweise findet sich klinisch ein biphasischer Verlauf mit initialen Allgemeinsymptomen und gegebenenfalls einem Exanthem bis sich mit einer Latenz von einigen Tagen bis
Zidovudin
wenigen Wochen subakut zerebellare Symptome entwickeln. Im Vordergrund stehen Standund Gangataxie mit Dysarthrie und Okulomotorikstörung. Bei zusätzlich kombiniertem Auftreten eines Opsoklonus und Extremitätenmyoklonien spricht man von einer KinsbourneEnzephalitis. Pathophysiologisch kommt einerseits ein direkter Virusbefall und andererseits eine immunologische Reaktion im Sinne einer parainfektiösen Enzephalitis in Frage. 3
3
3
Diagnostik *
Enzephalitis. Klinik. Zerebrale Bildgebung (CCT und kraniales MRT) meist unauffällig. Im Liquor meist leichte bis mäßige lymphozytäre Pleozytose. Differenzialdiagnose: Miller Fisher-Syndrom, Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (GBS), zerebellare Syndrome durch Intoxikationen (Pharmaka, Alkohol). 3
* * * *
1343
Zerebrosid-Galaktosidase Synonyme M. Krabbe
Definition Der autosomal rezessiv vererbte Defekt führt zu einem Mangel an Markscheidenlipiden. Bei der infantilen Form mit Beginn im 3.–6. Lebensmonat kommt es neben schwerer ZNS-Symptomatik zu einer demyelinisierenden Polyneuropathie. Die Kinder versterben innerhalb weniger Jahre.
Zidovudin
3
3
Therapie 3
Enzephalitis; Meningitis; Toxoplasmose-Enzephalitis.
Gebräuchliche Fertigarzneimittel Combivir ™ Filmtbl. Retrovir® 100/250 mg Kps., 300 mg Filmtbl., Lsg. Trizivir ™ Filmtbl.
Enzephalitis,
Wirkungen
3
3 3
Prognose Häufig günstige Prognose mit fast vollständiger Restitution innerhalb weniger Wochen. Persistierende, funktionsrelevante zerebellare Defizite bilden die Ausnahme. Lediglich für die Listeriose mit Hirnstamm-Enzephalitis wird ein schwerer Verlauf mit 50% Letalität angegeben.
Zerebrohepatorenales Syndrom (Zellweger-Erkrankung) Zellweger-Erkrankung
Zidovudin wird intrazellulär durch Kinasen in das entsprechende Triphosphat umgewandelt und steht dann für den Einbau in die DNS zur Verfügung. Nach dem Einbau in die Nukleinsäure kommt es zum Kettenabbruch weil die 3′Azidogruppe die Ausbildung von 5′-3′-Phosphodiesterverbindungen unmöglich macht. Darüber hinaus wird die virale RNS-abhängige DNS-Polymerase („reverse Transkriptase“) gehemmt. Die höhere Affinität der Substanz zu diesem Enzym als zu den Polymerasen der Wirtszelle ist der Grund für die relative selektive Hemmung der Virusvermehrung. Zidovudin hemmt verschiedene Retroviren; therapeutisch genutzt wird nur die Aktivität gegen HIV, das AIDS-verursachende Virus. Resistente
3
Zerebellitis. Tab. 1: Erreger der Zerebellitis Viren
Bakterien
Andere
Enteroviren (Polio-, Echo-, Coxsackie-) Herpesviren (Varizellen-, Zytomegalie-, Epstein-Barr-Viren) Myxoviren (Mumps-, Masern-, Influenza-) Togaviren (Röteln) Arboviren (FSME)
Listeria monocytogenes, Brucella
Toxoplasma, Mycoplasma pneumoniae
Z
1344
Zirkulationsstillstand, zerebraler
Stämme des Virus wurden 1989 erstmals beschrieben und sind seither in zunehmendem Maße bei Patienten mit HIV-Infektionen und Zidovudin-Behandlung gefunden worden.
Wirkungsverlauf Nach p. o. Gabe wird Zidovudin zu etwa 70% absorbiert, das Medikament sollte vor der Mahlzeit genommen werden. Die mittleren Spitzenspiegel im Serum liegen nach mehrfacher Verabreichung von 250 mg (alle 4 h) bei 4,4 μmol/L. Die Substanz wird zu etwa 35% an Plasmaeiweiß gebunden; die Liquorspiegel sind etwa halb so hoch wie die der Serumkonzentration. Mit einer Halbwertzeitvon 1 h wird Zidovudin überwiegend als Glucuronid über die Nieren ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Bei Infektionen durch das „humane Immundefizienz Virus“ (HIV) wird Zidovudin angewandt. Da der Arzneistoff zwar die Vermehrung der Viren hemmt, aber nicht zu einer völligen Beseitigung der Erreger führt, ist eine Heilung der Infektion nicht möglich. Dosen von 500–1500 mg/d. Auch bei asymptomatisch HIV-infizierten Patienten mit CD4-Zellzahlen von mehr als 400/mm3 ist der Einsatz der Substanz von Nutzen. Meist Kombination von Zidovudin mit anderen Nukleosid-Derivaten (z. B. Didesoxyinosin).
Unerwünschte Wirkungen Das Nukleosid-Analogon ist hämatotoxisch. Häufig werden einige Wochen nach Beginn der Behandlung Neutropenien und Anämien beobachtet. Die Blutbildveränderungen können Transfusionen erforderlich machen; sie treten bei Patienten im weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung häufiger auf, als bei Patienten mit ARC („AIDS related complex“). Gastrointestinale Beschwerden wurden als unerwünschte Wirkungen beobachtet.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Bei Patienten mit Leber- und Niereninsuffizienz und in der Stillzeit ist die Substanz kontraindiziert, dies gilt auch, wenn die Zahl der neutrophilen Granulozyten unter 750/μL bzw. die Hämoglobinkonzentration unter 7,5 g/dL absinkt. Eine strenge Indikationsstellung ist in der Schwangerschaft angeraten.
Wechselwirkungen Da Zidovudin in der Leber glucuronidiert wird, besteht die Möglichkeit, dass Interaktionen mit anderen Arzneistoffen auftreten, die ebenfalls über diesen Weg verstoffwechselt werden. Auch potentiell nephrotoxische und hämatotoxische Substanzen können das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöhen.
Zirkulationsstillstand, zerebraler Definition Stillstand des zerebralen Blutflusses.
Einleitung Der Nachweis eines zerebralen Zirkulationsstillstandes kann im Rahmen der Hirntoddiagnostik die notwendige Beobachtungszeit verkürzen.
Diagnostik Ein zerebraler Zirkulationsstillstand kann bewiesen werden durch eine in der Angiographie nachgewiesene Stase des Röntgenkontrastmittels in der A. carotis interna in Höhe der Schädelbasis oder im zervikalen Bereich und der A. vertebralis unterhalb des atlantookzipitalen Übergangs. In der Dopplersonographie zeigen sich transkraniell biphasische (oszillierende) Strömungen, bei der die vorwärts und die rückwärts gerichteten Komponenten gleich groß sind, oder man findet kleine frühsystolische Spitzen von weniger als 50 cm/s. Dopplersonographisch ist allerdings auch ein extrakraniell nachgewiesener Perfusionsstillstand in der A. carotis und in der A. vertebralis zu fordern.
Zolmitriptan Gebräuchliche Fertigarzneimittel AscoTop® 2,5/5 mg Filmtbl., 2,5/5 mg Schmelztbl.
Wirkungen Das zur Therapie des Migräneanfalls verwendete Zolmitriptan ist ein potenter und spezifischer Agonist an menschlichen Serotonin-5HT1B und 5-HT1D-Rezeptoren. Zolmitriptan
Zolmitriptan
konstringiert wie die anderen Triptane Arterien und arteriovenöse Anastomosen im Bereich von Gehirn und Kopfhaut, deren Dilatation für die Schmerzsymptomatik des Anfalls verantwortlich gemacht wird. Zolmitriptan hemmt auch die trigeminal vermittelte Nozizeption und die neurogene Entzündung nach elektrischer Stimulation des Ganglion Gasseri. In Dosisfindungsstudien ergab sich für eine Zolmitriptandosis von 2,5 mg das beste Verhältnis zwischen Wirkung und Nebenwirkung. Kopfschmerzfrei nach 2 h waren über alle Dosisfindungsstudien hinweg 25% der Patienten. Die Häufigkeit des Wiederauftretens von Kopfschmerzen ist für Zolmitriptan fast genauso hoch wie für Sumatriptran und Naratriptan. Nach einer Metaanalyse [1] war die Wirksamkeit nach 2 h (Kopfschmerz von schwer bis mittelschwer zu leicht oder keinen Kopfschmerz) für 2,5 mg Zolmitriptan 64%, für Plazebo 30%. Die Wiederauftretensraten von Zolmitriptan liegen zwischen 22 und 36%. Dies ist im selben Bereich wie bei Sumatriptan. Im Gegensatz zu Sumatriptan wird Zolmitriptan ausreichend über die Nasenschleimhaut resorbiert.
Resorption Nach oraler Verabreichung wird Zolmitriptan beim Menschen schnell und gut resorbiert (mindestens zu 64%). Die mittlere absolute Bioverfügbarkeit der Substanz beträgt ca. 40%. Die Plasmaproteinbindung von Zolmitriptan und des aktiven N-Desmethyl-Metaboliten ist gering (ca. 25%) und wird als klinisch nicht relevant angesehen.
Elimination Zolmitriptan wird überwiegend (>60%) durch Metabolisierung in der Leber eliminiert. Hauptmetabolite sind das Indolessigsäure-Derivat (inaktiv), das N-Oxid (inaktiv) und N-DesmethylZolmitriptan (aktiv 2–6-mal wirksamer als Zolmitriptan). Ca. 30% werden unverändert mit dem Stuhl ausgeschieden.
Anwendungsgebiete Akutbehandlung von Migränekopfschmerz mit oder ohne Aura.
Dosierung und Art der Anwendung Zur Behandlung des Migräneanfalls werden 2,5 mg Zolmitriptan oral empfohlen. Die Einnahme sollte so früh wie möglich nach Beginn
1345
des Migränekopfschmerzes erfolgen. Zolmitriptan ist aber auch bei Einnahme zu einem späteren Zeitpunkt wirksam. Falls die Symptome der Migräne innerhalb von 24 h nach dem ersten Ansprechen auf das Arzneimittel wieder auftreten, kann eine zweite Dosis eingenommen werden, frühestens jedoch 2 h nach der ersten Dosis. Falls ein Patient nicht auf die erste Dosis Zolmitriptan anspricht, ist es unwahrscheinlich, dass eine zweite Dosis während desselben Migräneanfalls von Nutzen sein wird. Bringt die Dosis von 2,5 mg Zolmitriptan keine zufriedenstellende Linderung, so kann bei einem erneuten Anfall die Behandlung mit 5 mg Zolmitriptan erwogen werden. Die Tagesgesamtdosis sollte 10 mg nicht überschreiten. Innerhalb von 24 h sollten nicht mehr als 2 Dosen Zolmitriptan eingenommen werden.
Unerwünschte Wirkungen Gelegentlich (>1%) Schwindel, Schläfrigkeit, Wärmeempfinden, Parästhesien, Dysästhesien. Selten (<1%) Tachykardie, Palpitationen und leichter Blutdruckanstieg. Die Substanzklasse der 5-HT1B/1D-Agonisten ist mit Angina pectoris und Myokardinfarkte in Verbindung gebracht worden. Vereinzelt wurde bei der Behandlung mit Zolmitriptan über Angina pectoris und Myokardinfarkt berichtet. Gelegentlich (>1%) Übelkeit, Mundtrockenheit Bewegungsapparat. Muskelschwäche, Myalgien, Schwächegefühl, Schweregefühl in den Gliedmaßen, Engegefühl im Rachen und Halsbereich, den Gliedmaßen und der Brust. Selten (<1%) Schweregefühl in der Brust und im Halsbereich, Druckgefühl oder Schmerzen im Rachen-, Kiefer-, Hals- und Brustbereich.
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkung Mittelschwere oder schwere Hypertonie sowie unzureichend eingestellte leichte Hypertonie. Zolmitriptan sollte nicht bei Patienten mit Myokardinfarkt, koronarer Herzkrankheit, Koronarspasmen (Prinzmetal Angina) oder arterieller Verschlusskrankheit angewendet werden. Die gleichzeitige Verabreichung von Zolmitriptan und Ergotamin, Ergotaminderivaten (einschließlich Methysergid), Sumatriptan, Naratriptan oder anderen 5-HT1B/1D-Agonisten ist kontraindiziert. Zolmitriptan sollte nicht Patienten mit Schlaganfall oder transitorischen ischämischen Attacken in der Vorgeschichte verabreicht werden. Zolmitriptan ist kontraindiziert
Z
1346
Zosterganglionitis
bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance <15 ml/min.
Wechselwirkungen Zolmitriptan sollte frühestens 24 h nach Gabe ergotaminhaltiger Arzneimittel eingenommen werden. Umgekehrt sollten ergotaminhaltige Arzneimittel frühestens 6 h nach der Einnahme von Zolmitriptan gegeben werden. Unter Moclobemid, einem spezifischen MAO-Hemmer, wurde ein geringer Anstieg (26%) der AUC für Zolmitriptan und ein dreifacher Anstieg der AUC des aktiven Metaboliten gemessen. Bei Patienten, die MAO-A-Hemmer einnehmen, wird eine maximale Dosis von 5 mg Zolmitriptan/24 h empfohlen. Nach Verabreichung von Cimetidin, einem unspezifischen Cytochrom-P450-Inhibitor, waren die Halbwertzeit und AUC von Zolmitriptan und seines aktiven Metaboliten annähernd verdoppelt. Bei Patienten, die Cimetidin einnehmen, wird als maximale Dosis 5 mg Zolmitriptan in 24 h empfohlen.
ripheren Nerven und Nervenwurzeln) führt. Meist sind thorakale Dermatome und die Trigeminusäste (fast immer 1. Trigeminusast, Zoster ophthalmicus) betroffen (selten Zoster colli). Rückbildung der Effloreszenzen nach 2–3 Wochen. Typisch sind die zu Beginn, häufig aber auch nach Abklingen der Exantheme auftretenden, heftigsten Schmerzen (sog. postherpetische Neuralgie), die bei jüngeren Patienten in ca. 20% und bei über 60-Jährigen in ca. 60% auftreten (Besserung der Neuralgie meist innerhalb eines Jahres bei zwei Drittel der Betroffenen, Persistenz auf unbestimmte Zeit allerdings möglich bei etwa 2–5%). Jährliche Inzidenz ist altersabhängig (4,5–11/1.000 bei >80-Jährigen, 0,4–1,6 bei <20-Jährigen), Inzidenz bei immunsupprimierten Patienten (z. B. maligne Tumore, HIV-Infektion) mehrfach erhöht. Das Risiko eines zweiten Zoster ist dem der ersten Erkrankung gleich hoch.
Diagnostik *
Literatur 1. Goadsby PJ (1998) A triptan too far? J Neurol Neurosurg Psychiatry 64:143–147
* * *
Synonyme Herpes zoster, Gürtelrose, Zoster segmentalis
Definition Eine durch Reaktivierung einer latenten Varizella-Zoster-Virus-(VZV)-Persistenz in den Spinalganglien hervorgerufene, dermatombegrenzte schmerzhafte Neuritis mit bläschenförmigen Effloreszenzen.
Einleitung Das VZV führt in der Kindheit zu einer meist harmlos verlaufenden Erkrankung (Windpocken). Aus bislang noch ungeklärtem Mechanismus (häufig bei Abwehrschwäche) kann es zu einer endogenen Reaktivierung der in den Spinalganglien persistierenden Viren kommen, die zu dem typischen Zoster segmentalis, einer schmerzhaften Neuritis mit bläschenförmigen Effloreszenzen im Bereich eines, seltene mehrerer Dermatome (Ausbreitung entlang der pe-
3
Zosterganglionitis
Klinik (häufig Abgeschlagenheit, lokaler Schmerz und erhöhte Temperaturen vor Exanthemausbruch). Zusatzdiagnostik meist nicht erforderlich! Im Liquor leichte lymphozytäre Pleozytose mit Eiweißerhöhung möglich. Serologie unzuverlässig. Augenärztlich und otoskopische Mituntersuchung bei Zoster ophthalmicus und Zoster oticus, Ramsay-Hunt-Syndrom.
Therapie Aciclovir, Brivudin, Valaciclovir und Famciclovir gelten durch Studien als nachgewiesene Therapie. Aciclovir wurde bislang am häufigsten eingesetzt, erreicht jedoch wegen geringer oraler Bioverfügbarkeit nur nach i. v.-Gabe hohe Serumspiegel. Eine Therapie sollte innerhalb 72 Stunden nach Auftreten der Effloreszenzen begonnen werden. gesichert Bei immunkompetenten Patienten: Valaciclovir (Valtrex®) 500 mg Tbl.: 3×2/die für 7 Tage. Famciclovir (Famvir®) 250 mg Tbl.: 3×1/die für 7 Tage. Brivudin (Zostex®) 125 mg Tbl.: 1×1/die für 7 Tage.
Zunge, Atrophie
Nachsorge 1.
Behandlung der Effloreszenzen: Capsaicin Salbe (0,025%) 4×/die für min. 4 Wochen (nicht bei Zoster ophthalmicus). Transkutane elektrische Nervenstimulation. 2. Behandlung des akuten Schmerzes: Paracetamol (Benuron®) 3×1 g/die. Metamizol (Novalgin®) 3×500 mg– 1000 mg/die. Opioide (s. u.) 3. Stufenplan der Behandlung der postzosterischen Neuralgie: 1. Antidepressiva. 2. Antikonvulsiva mit topischem Lidocain, Capsaicin. 3. Schwache Opioide mit TEN's. 4. Starke Opioide. Ad 1) Amitriptylin (Saroten®) beginnend mit 10–25 mg/die bis max. 150 mg/die (um 10–25 mg/Woche steigern). Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer sind nicht wirksam! Ad 2) Antikonvulsiva: Carbamazepin (Tegretal®) beginnend mit 100 mg/die bis max. 1200 mg/die (um 100 mg/Woche steigern). Clomipramin (Anafranil®) 2×25 mg/die bis max. 150 mg/die. Maprotilin (Ludiomil®) 3×50 mg/die. Gabapentin (Neurontin®) 3×100 mg/die bis max. 1500–2400 mg/die (NW: anfänglich Müdigkeit und Schwindel. Bei Diabetikern regelmäßige BZ-Kontrollen). Topisches Capsaicin (s.o.) Topisches Lidocain: Lidocain-Creme oder - Pflaster (Nicht auf offene Wunden, NW: lokale allergische Reaktionen). Ad 3 und 4) Orale Opioide möglichst in retardierter Form. Nur einsetzen, wenn bisherige Therapie nicht erfolgreich. Wirksame Dosierung durch Titration (NW: Abhängigkeit, gastrointestinale Sympto-
me). Oxycodon (z. B. Oxygesic® 10/20/40/ 80 mg Retardtabletten). Tramadol (z. B. Tramal long® 100/150/ 200 mg Retardtabletten). Morphin (z. B. Morphin-rationpharm® 10/30/60/100 mg Retardtabletten). TEN's: transkutane elektrische Neurostimulation, keine kontrollierten Studien. unwirksam/obsolet Die Wirksamkeit von Kortikosteroiden ist nicht belegt und wird nicht empfohlen.
Bewertung Gegenüber Aciclovir zeichnen sich Valaciclovir und weniger auch Famciclovir durch die positive Beeinflussung der Dauer der zosterassoziierten Schmerzen und die 3–5fach höhere orale Bioverfügbarkeit aus. Die postherpetische Neuralgie ist schwer zu behandeln, Amitriptylin ist das Medikament mit dem besten Erfolg und sollte als Medikament der ersten Wahl eingesetzt werden.
Prognose Unkomplizierte Zoster-Infektion ist selbstlimitierend, eine Therapie ist nicht unbedingt erforderlich. Bei Immunsupprimierten kann in 50% eine Virusdissemination auftreten mit ggf. einer lebensbedrohlichen Organbeteiligung (Zoster generalisatus). Segmentale motorische Neuropathie in 5% (in 50–75% vollständige Restitution).
Zuckung, Einschlaf-/ Aufwachzuckung Grundlagen Physiologische, beim Einschlafen oder Aufwachen auftretende Myoklonien. 3
empirisch Bei immunsupprimierten Patienten: Aciclovir (Zovirax®) 3×10 mg/kgKG/die i. v. über 7 Tage.
1347
Zunge, Atrophie Definition Eine Atrophie der Zungenbinnenmuskulatur entsteht bei Läsionen des Nervus hypoglossus
Z
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Zungenbiss
in seinem nukleären, faszikulären oder peripheren Anteil. Sie kann einseitig im Rahmen von traumatischen, tumorösen oder entzündlichen Schädigungen des Nervus hypoglossus auftreten, kann sich aber auch beidseitig bei degenerativen Prozessen manifestieren. Im Rahmen einer Bulbärparalyse wird sie als Frühsymptom einer amyotrophen Lateralsklerose beobachtet. 3
3
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Therapie Die Zungenatrophie selber ist nicht therapiebedürftig. Problematisch sind aber die resultierenden Sprech-, Kau- und Schluckstörungen, die gegebenenfalls logopädisch behandelt werden können. Bei ausgeprägten Schluckstörungen kann die Anlage einer PEG erforderlich sein.
Normale Druckwerte sind 4–10 cm Wassersäule, gemessen in flacher Rückenlage des Patienten und bei korrekter zentraler Lage des zentralen Venenkatheters. Erhöhung des ZVD kommen vor bei: Rechtsherzversagen (z. B. sekundär nach Linksherzversagen, Lungenembolie, pulmonaler Hypertonie bei Lungenerkrankungen), Trikuspidalinsuffizienz, Herzbeuteltamponade, Hypervolämie. Erniedrigung des ZVD bei Volumenmangel.
ZVK (zentraler Venenkatheter) Definition Infusionskathether, der in eine zentralen Vene mündet.
Zungenbiss Definition Bissverletzung der Zunge, hervorgerufen durch eine anfallsbedingte Verkrampfung der Massetermuskeln. Während die bei generalisiert tonisch-klonischen Anfällen in der tonischen Phase auftretenden Zungenbisse in der Regel lateral liegen, sind Zungenbisse bei psychogenen Anfällen häufiger an der Zungspitze lokalisiert. Seltener auch bei komplex-fokalen Anfällen zu beobachten. 3
3
3
Prophylaxe Eine Prophylaxe ist nicht möglich. Als kontraindiziert sind Bisskeile anzusehen, da sie die in der tonischen Phase des tonisch-klonischen Anfalls auftretenden Zungenbisse nicht verhindern, aber zu Atemwegsverlegung und Zahnverletzungen führen können.
ZVD (zentraler Venendruck) Definition Druck, gemessen in einer zentralen Vene.
Grundlagen Der zentrale Venendruck hängt vom Blutvolumen, dem Gefäßtonus und der Funktion des rechten Herzens ab und korreliert mit dem rechtsventrikulären enddiastolischen Druck.
Grundlagen Die Indikationen für einen ZVK sind die Messung des zentralen Venendrucks, die parenterale Ernährung, die Zufuhr von hyperonkotischen oder venenreizenden Substanzen, die fehlende Möglichkeit eines peripheren Venenzugangs. Als Zugänge eignen sich die Venae basilica oder cephalica (periphere Zugangswege) oder die Venae subclavia, jugularis interna oder externa (zentrale Zugangswege). Der Vorteil der periperen Zugangswege ist die geringe Blutungsgefahr bei Gerinnungsstörungen, der Nachteil die größere Thrombosegefährdung und die begrenzte Lumenanzahl des Katheters. Bei der Einführung der Katheter über zentrale Zugangswege bedient man sich meist der Seldinger-Technik. Die Anlage von Jugularvenenkathetern ist weniger komplikationsträchtig als die von Kathetern über die Vena subclavia und sollte primär erfolgen (Ausnahmen sind mangelnde Venenfüllung bei Hypovolämie oder Hirndruckkrisen, da hierbei eine Flachlagerung des Patienten nicht möglich ist). Die Anlage von Subklaviakathetern ist hingegen auch im Volumenmangel ohne weiteres möglich, da diese Venen bindegewebig aufgespannt sind, sollte aber bei Gerinnungsstörungen, Beatmung mit hohen Beatmungsdrucken (z. B. hoher PEEP) wegen einer hohen Komplikationsrate unterbleiben.
Zyste der Rathke-Tasche
Zwerchfellparese
1349
Zyste
Definition
Definition
Zu einer Zwerchfellparese kommt es bei einer Läsion des Nervus phrenicus. Er wird vorwiegend aus der 4. Zervikalwurzel, gelegentlich aber auch wesentlich aus der 3. Zervikalwurzel gespeist und verlässt bereits sehr weit proximal den Plexus, verläuft durch das Mediastinum (hier links benachbart zum Thymus) und innerviert dann das Zwerchfell. Er enthält auch sensible Anteile von der Zwerchfellunterseite, Pleura und Perikard.
Zysten sind mit Liquor oder mit anderen Flüssigkeiten gefüllte Hohlräume, die als Anlagestörung z. T. ohne Krankheitswert (Arachnoidalzyste), mit nicht neoplastischen Raumforderungen (z. B. Kolloidzyste) oder mit Tumoren ( Tumoren, Zysten) assoziiert sein können. Der raumfordernde Effekt durch die Zyste kann größer als die durch den soliden Tumoranteil verursachte Raumforderung sein. Zerebellare Zysten können mit Anlagestörungen bzw. Missbildungen des Zerebellums und kraniozervikalen Übergangsstörungen assoziiert sein.
Epidermoid/-zyste
Zyste, Kolloidzyste 3
Bei zervikalen Querschnittsläsionen bei C4 oder höher bedeutet die hier auftretende doppelseitige Zwerchfelllähmung die vitale Bedrohung. Zwerchfelllähmungen können auch im Rahmen einer neuralgischen Amyotrophie, nach einem Trauma mit Läsion des Plexus cervicalis, bei geburtstraumatischen Plexusparesen, intraoperativ (besonders bei Thymusoperationen), bei malignen Tumoren (besonders Bronchialkarzinomen), entzündlich (eigener Fall mit monosymptomatischer doppelseitiger Phrenicusparese bei Borreliose), bei GuillainBarré-Syndrom oder idiopathisch (letztendlich unklarer Genese) beobachtet werden.
Zyste, Epidermoidzyste 3
Differenzialdiagnose
3
Ein doppelseitiger Ausfall des N. phrenicus bewirkt schwere Ventilationsstörungen. Einseitige Defekte sind funktionell relativ leicht zu kompensieren, bereiten aber oft diagnostische Schwierigkeiten.
3
Einleitung
Kolloidzyste
Zyste der Rathke-Tasche Synonyme Rathke-Zyste
Therapie
Definition
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Bei doppelseitiger vollständiger Zwerchfellparese ist eine Beatmung unumgänglich. Diese kann auch nur vorübergehend erforderlich sein und gegebenenfalls auch als Heimbeatmung durchgeführt werden, wenn die Parese, z. B. bei entzündlichen Läsionen, reversibel ist.
Rathke-Zysten stammen wahrscheinlich wie Kraniopharyngeome von Resten der RathkeTasche ab [1]. Es handelt sich um nicht-neoplastische intraselläre Raumforderungen.
Die Zysten sind überwiegend asymptomatisch und werden in der Regel zufällig entdeckt [2]. In Einzelfällen können sie das Diaphragma nach suprasellär ausspannen und Symptome wie Hypophysenadenome verursachen. Außer einer Begleit hyperprolaktinämie verursachen sie jedoch naturgemäß keine hormonelle Störung. 3
3
Tics, Blinzeltic
3
Zwinkertic
Einleitung
Z
3
1350
Zystizerkose, Neurozystizerkose
Diagnostik
*
Im MRT werden die Läsionen als intraselläre zystische Raumforderungen nachgewiesen. Die Hauptdifferenzialdiagnose ist das (kleine) zystische Kraniopharyngeom [1].
Im Liquor entzündliche, lymphozytäre Pleozytose, Eiweißerhöhung, Glukoseerniedrigung. Zerebrale Bildgebung mit Nachweis der Zysten in 20–30%, Verkalkungen (70%), Hydrocephalus occlusus (10%).
*
3
3
Therapie Therapie Symptomatische Behandlung ( Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, Hirndruck). Spezifische Behandlung mit Albendazol und Praziquantel. Isolierte kortikale, spinale, intraventrikuläre oder in der hinteren Schädelgrube gelegene Zysten sollten operativ entfernt werden. 3
3
empirisch Rathke Zysten sind eine Rarität. Symptomatische Zysten werden operativ reseziert [1].
3
Nachsorge Bei inkomplett resezierter Zystenwand besteht eine Rezidivneigung [1]. Deshalb sind zunächst kernspintomographische Kontrollen anzuraten.
Literatur 1. Schramm J, Kristoff RA (1998). Selläre und periselläre Tumoren. In: Schlegel U, Westphal M (Hrsg.) Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart New York 265–285. 2. Keyaki A, Hirano A, Llena JF (1989). Asymptomatic and symptomatic Rathke's cleft cysts. Histological study of 45 cases. Neurol Med Chir (Tokyo) 29:88–93.
Zystizerkose, Neurozystizerkose Definition Zerebrale Absiedlung der Finnen (Cysticercus cellulosae) des Schweinebandwurms (Taenia solium).
Einleitung Diese Parasitose tritt viele Jahre nach Aufnahme der Taenieneier auf. Die schlüpfenden Larven gelangen durch hämatogene Aussaat nach Penetration der Magenwand in 60–80% ins Gehirn, in die Muskeln (20–50%), in die Augen (10–20%) und selten ins Rückenmark. Im ZNS kann es zu einer Enzephalitis, Meningitis, zu solitären oder multiplen Zysten im Parenchym, selten zu einer Vaskulitis kommen. Spezifische klinische Zeichen bestehen nicht, häufig Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, Hirndruck-Zeichen. 3
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Diagnostik * *
Eosinophilie im Differenzialblutbild und Liquorzytologie. Serologische Tests (KBR, spezifische IgMund IgG-ELISA).
empirisch 1. Albendazol (Eskazole®) 15 mg/kgKG/die p. o. für 8 Tage. 2. Alternativ: Praziquantel (Biltricide®) 50 mg/kgKG/die in 3 Einzeldosen für 15 Tage. 3. Da es in der Anfangsphase der Behandlung zu einer sowohl klinischen als auch laborchemischen Verschlechterung kommen kann, ist in diesen Fällen eine zusätzliche Gabe von Kortikosteroiden zu empfehlen: Dexamethason (Fortecortin®) 4×4 mg/die i. v.
Prognose Verlauf und Prognose der Erkrankung sind von der indivduellen Immunantwort, Lokalisation und Anzahl der Zysten abhängig. Unter medikamentöser Behandlung bessern sich etwa 80– 90% der Patienten.
Zytostatika, Kleinhirnschädigung Einleitung Zahlreiche Zytostatika sind potentiell neurotoxisch, z. B. Nitrosohranstoffe, Methotrexat, Ifosfamid und andere [1] Cytosin-Arabinosid (Cytarabin, Ara-C) und 5-Fluorouracil (5-FU) lösen eine zerebellare irreversible Ataxie aus. Die kumulative Dosis von Ara-C liegt bei 30 g pro m2 Körperoberfläche, nach der diese Schädigung eintritt.
Zytostatika, Kleinhirnschädigung
Diagnostik Die Nebenwirkung ist charakteristisch und praktisch vorhersagbar.
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Nur sehr unvollständige Besserungen können nach Absetzen des Zytostatikums eintreten.
Literatur 1. Posner JB (1995). Neurologic Complications of Cancer. FA Davis Company, Philadelphia.
Therapie Eine spezifische Therapie ist nicht möglich.
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Anhang
Bildnachweis Amaurosis fugax, Abb. 1, Arteriitis temporalis (cranialis), Abb. 1, Lambert-Eaton-Syndrom, Abb. 1, Spinalparalyse, spastische, Abb. 1, Wallenberg-Syndrom, Abb. 1: Berlit P (1998) Basiswissen Neurologie, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio Arteria basilaris, Abb. 1: Duus P (1990) Neurologisch-topische Diagnostik, 5. Aufl. Thieme, Stuttgart Arteria carotis interna (ICA), Abb. 1, „Subclavian steal“-Phänomen, Abb. 1: Widder B (1995) Doppler- und Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien, 4. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio Bandscheibenvorfall, Abb. 1, Claudicatio intermittens, neurogene (Claudicatio spinalis), Abb. 1, Querschnittssyndrome, Abb. 1, Wurzel-Ausriss, Abb. 1: Stöhr M, Riffel B (1988) Nervenund Nervenwurzelläsionen. VCH, Weinheim Einklemmung/einklemmungssyndrome, Abb. 1: Berlit P, Berg-Dammer E, Kühne D (1994) Abducens nerve palsy in spontaneous intracranial hypotension. Neurology 44: 1552–1557 Epley-Manöver, Abb. 1: Lempert T, Wolsley C, Davies R, Gresty MA Bronstein AM (1997) Three hundred sixty-degree rotation of the posterior semicircular canal for treatment of benign positional vertigo: a placebo-controlled trial. Neurology 49: 729–733 Exophthalmus, Abb. 1, Geschmackssinnstörung, Abb. 1, Gesichtsfeldausfall, Abb. 1, Hemispasmus facialis, Abb. 1, Nervus facialis, Läsion, Abb. 2, Nervus hypoglossus, Läsion, Abb. 1, Trigeminus (Nervus trigeminus), Abb. 1: Berlit P (1998) Neurologie, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio Hypertonie, arterielle, Abb. 1: MacMahon S, Rogers A (1994) Antihypertensive agents ans stroke prevention. Cerebrovasc Dis 4 (suppl): 11–15 Hypophysäre Hypersekretion, Abb. 1: Berlit P (1994) Memorix® Neurologie, 3. Aufl. Chapmann & Hall, Weinheim Koma, Abb. 1: Gerstenbran F, Rumpl E (1983) Das prolongierte Mittelhirnsyndrom traumatischer Genese. In: Neumärker KJ (Hrsg) Hirnstammläsionen. Enke, Stuttgart, Koma, mesenzephales, Abb. 1: Mummenthaler M, Mattle H (1997) Neurologie, 10. Aufl. Thieme, Stuttgart Multiple Sklerose, Abb. 1: Paty DW, Li DK, the UBC MS/MRI Study Group and the IFNB Multiple Sclerosis Study Group (1993) Interferon beta-1b is effective in relapsing-remitting multiple sclerosis. II. MRI analysis results of a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Neurology 43: 662–667 Nervus facialis, Läsion, Abb. 1, Pupillenstarre, Abb. 1, Schwerhörigkeit, Innenohrschwerhörigkeit, Abb. 1: Berlit P (1994) Neurologie, 3. Aufl. Chapman & Hall, Weinheim (Memorix Spezial) Nystagmus, “seesaw”-Nystagmus, Abb. 1: Plum F, Posner JB (1980) The diagnosis of stupor and coma. Davis, Philadelphia Polyneuropathie, toxische, Abb. 1: Wiethölter H (1998) Polyneuropathien. In: Brandt T, Dichgans J, Diener H C (Hrsg) Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen, 3. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart Berlin Köln
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Bildnachweis
Puppenkopfphänomen, Abb. 1: Biniek R, Schindler E (1996) Untersuchung des bewusstlosen Patienten. Nervenarzt 67: 975–982 Semont-Manöver, Abb. 1: Brandt Th, Steddin S, Daroff R.B. (1994) Therapy for benign paroxysmal positioning vertigo, revisited. Neurology 44:796–800 Synkope, neurokardiogene (vasovagale), Abb. 1: Diehl RR, Berlit P (1996) Funktionelle Dopplersonographie in der Neurologie. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio Oben nicht aufgeführte Abbildungen sind entnommen aus: Berlit P (1999) Klinische Neurologie, Springer Berlin Heidelberg New York, bzw. wurden uns dankenswerterweise von den Beitragsautoren zur Verfügung gestellt.