Christoph Neuberger · Volker Gehrau (Hrsg.) StudiVZ
Christoph Neuberger Volker Gehrau (Hrsg.)
StudiVZ Diffusion, Nut...
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Christoph Neuberger · Volker Gehrau (Hrsg.) StudiVZ
Christoph Neuberger Volker Gehrau (Hrsg.)
StudiVZ Diffusion, Nutzung und Wirkung eines sozialen Netzwerks im Internet
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Barbara Emig-Roller | Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17373-3
Inhalt
Volker Gehrau/Christoph Neuberger StudiVZ als Forschungsgegenstand Zur Einführung……………………………………………………………...…...7 Volker Gehrau Team oder Gegner? Interpersonale Kommunikation und Massenmedien……………………….........20 Christoph Neuberger Soziale Netzwerke im Internet Kommunikationswissenschaftliche Einordnung und Forschungsüberblick….......33 Hanna Jo vom Hofe/Simone Nebelsieck/Stella Paschen/Nicole Stecha StudiVZ als Gesprächsstoff Nutzerbefragung I: Die Bedeutung interpersonaler Kommunikation für die Diffusion des StudiVZ……………..…………..………………………..97 Meike Flöck/Ilona Schäfer/Tobias Steinkamp Freundschaftspflege statt Kontaktsuche Nutzerbefragung II: Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ…….116 Birte Blömers/Stefanie Letschert Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne Nutzerbefragung III: StudiVZ im Vergleich mit anderen Kommunikationskanälen…………………………………………………........140
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Inhaltsverzeichnis
Lena Rütten Oberflächlich und folgenlos? Nutzerbefragung IV: Kommunikationshemmnisse, Selbstdarstellung und das Knüpfen neuer Kontakte im StudiVZ….…………………....……......162 Nina Haferkamp Authentische Selbstbilder, geschönte Fremdbilder Nutzerbefragung V: Selbstdarstellung im StudiVZ……...……...………….…..178 Jessica Kreutzmann Preisgabe des Privaten? Nutzerbefragung VI: „Privacy“ und „Self-Disclosure“ im StudiVZ....……….....204 Autorenverzeichnis…………………………………………….………………217
StudiVZ als Forschungsgegenstand Zur Einführung Volker Gehrau/Christoph Neuberger
Auf- und Abstieg eines sozialen Netzwerks Manchmal drängen sich Themen förmlich auf. Dies war der Fall, als sich im Jahr 2007 das „Studierendenverzeichnis“ (kurz: „StudiVZ“) im Internet rasant ausbreitete, immer neue Mitglieder an den Hochschulen gewann und seine Bedeutung im Alltag der Studierenden zunahm:1 Viele von ihnen verlassen für ihr Studium den Heimatort; am Hochschulort finden sie neue Freunde und Bekannte oder führen alte Freundschaften über räumliche Distanzen weiter. StudiVZ erleichtert in dieser Lebensphase die Beziehungspflege und das Knüpfen neuer Kontakte. Da lag es nahe, über die persönlichen Erfahrungen hinaus StudiVZ im Rahmen von Projektseminaren und Examensarbeiten zu untersuchen. Mehrere solcher Studien über StudiVZ sind am Münsteraner Institut für Kommunikationswissenschaft im Laufe der Zeit entstanden. Ihre Ergebnisse über das soziale Netzwerk2 werden im vorliegenden Band präsentiert.3 Ohne lange Vorlaufzeit wurde es so möglich, den Aufstieg von StudiVZ in den Jahren 2007 und 2008 zu begleiten. Inzwischen ist die Dominanz von Facebook, des Konkurrenten aus den USA, so erdrückend geworden, dass die Phase des größten Erfolgs wohl bereits hinter StudiVZ liegen dürfte.
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Schon Anfang 2008 wurde die Frage gestellt, ob man „digitalen Selbstmord“ begeht, wenn man sich von den sozialen Netzwerken im Internet abmeldet (vgl. Lüpke-Narberhaus 2008). Im September/Oktober 2008 gehörte nur noch eine Minderheit von knapp weniger als 10% der Studierenden zu den Nicht-Nutzern sozialer Netzwerke (vgl. Kleimann/Özkilic/Göcks 2008: 23). In diesem Band wird die Bezeichnung „soziales Netzwerk“ für Angebote wie StudiVZ und Facebook verwendet. Zur Definition und Diskussion der Bezeichnung vgl. den Aufsatz „Soziale Netzwerke im Internet“ in diesem Band. Die Projektgruppen und Examensarbeiten wurden von den beiden Herausgebern betreut. Die Beiträge haben Christoph Neuberger und Stefanie Letschert redigiert und formatiert. Unterstützt wurden sie von Christian Nuernbergk und Carolin Wattenberg, denen die Herausgeber danken, ebenso Frau Emig-Roller vom Verlag für Sozialwissenschaften für Geduld und Vertrauen!
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Volker Gehrau/Christoph Neuberger
Die immer noch kurze Geschichte von StudiVZ lässt sich auf der Anbieterseite folgendermaßen zusammenfassen: Gegründet wurde StudiVZ im Oktober 2005 von zwei Studenten, die über ein Startkapital von 10.000 Euro verfügten. Im Januar 2007 übernahm der Holtzbrinck-Verlag das Netzwerk für eine geschätzte Kaufsumme von 80 Millionen Euro (vgl. Bernau 2007). Das auf die Zielgruppe der Studierenden fokussierte Angebot wurde zunächst im Februar 2007 um SchülerVZ ergänzt. Im Februar 2008 folgte mit MeinVZ ein Netzwerk für Erwachsene, die nicht (mehr) studieren (vgl. Paperlein 2008). Die Wettbewerbssituation änderte sich Anfang 2008, als Facebook mit einer deutschsprachigen Version startete (vgl. Kolbrück 2008a). Außerdem verklagte der US-amerikanische Konkurrent im Juli 2008 StudiVZ: Die Website sei im Wesentlichen eine Kopie von Facebook, lautete der Vorwurf (vgl. FASZ 2008). Der Rechtsstreit wurde im September 2009 gegen eine Zahlung an Facebook beigelegt (vgl. Cloer 2009). Im Januar 2008 erreichte das StudiVZ bei den von der IVW erfassten Seitenabrufen („Page Impressions“) seinen bisher höchsten Wert (vgl. Grafik 2); in den Folgemonaten sanken die Zugriffszahlen teils erheblich (vgl. Horizont 2008; Kolbrück 2008b). Nach weiteren Einbrüchen in der IVW-Statistik im Jahr 2010 wurden die VZ-Netzwerke bereits in der „Abwärtsspirale“ (Neises 2010) gesehen (vgl. Müller 2010).4 StudiVZ und sein Ableger SchülerVZ (vgl. Bager 2008) wurden rasch zum Gegenstand einer intensiven Medienberichterstattung. Darin wurden – zumeist besorgte – Fragen zur Nutzerseite gestellt: zum Kontaktverhalten und zur Beziehungspflege junger Menschen, die sich in den virtuellen und öffentlichen Raum verlagern. Die freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen, unbedachte Veröffentlichungen über Dritte, „Cyber-Stalking“ und „Cyber-Mobbing“, eine mögliche Verarmung des sozialen Lebens sowie Datenschutzprobleme waren nur einige der Themen, die im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken diskutiert wurden,5 ohne dass jedoch Untersuchungsergebnisse vorlagen, welche die Annahmen stützen oder widerlegen konnten. Die Zahl der akademischen Nutzerstudien über StudiVZ ist – vor allem im Vergleich zu Facebook und MySpace – bis heute klein geblieben.6
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StudiVZ war nicht das erste Netzwerk aus Deutschland, das mit Erfolg eingeführt wurde. Bereits auf das Jahr 2003 datiert die Gründung des Business-Netzwerks openBC, das seit 2007 den Namen „Xing“ trägt. Vgl. z. B. Surek (2006); Lischka (2007); Schäfers (2007); Bernau (2008); Spiegel Online (2008a, 2008b). Vgl. z. B. Luhmann (2008); Ruetten (2008); Kreutzmann (2009); Neubarth (2009); Haferkamp (2010).
StudiVZ als Forschungsgegenstand
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StudiVZ im Spiegel von Marktstudien Die Entwicklung von StudiVZ, der Auf- und Abstieg des sozialen Netzwerks lässt sich am besten mit Hilfe von Marktstudien nachzeichnen. StudiVZ zählte im Juli 2010 nach Auskunft des Betreibers 6 Millionen Mitglieder (vgl. VZblog 2010). Die Mitgliederzahl sagt nicht allzu viel über die tatsächlichen Aktivitäten in StudiVZ aus. Die Entwicklung der StudiVZ-Nutzung lässt sich mit den Daten aus zwei Marktstudien nachvollziehen, in denen allerdings der Konkurrent Facebook nicht erfasst wird: die Zugriffstatistik der IVW7 sowie die „Internet Facts“ der AGOF (repräsentatives Online-Panel).8 Die Nutzungsverläufe in den Grafiken 1 und 2 sowie in Tabelle 1, die auf Besuchen („Visits“), Seitenabrufen („Page Impressions“) und Besuchern („Unique Users“) beruhen, sind ähnlich: Sie zeigen, dass StudiVZ das Maximum seiner Popularität im zweiten Quartal 2008 erreichte. Dann stagnierte die Nutzung, oder es kam sogar zu einem leichten Rückgang. Die Angaben enden jeweils zu jenem Zeitpunkt, an dem die separate Erfassung von StudiVZ in den Marktstudien auslief. Ebenfalls einen Abwärtstrend belegen die (nicht-repräsentativen) Ergebnisse von Alexa und „Google Trends“.9 Grafik 1: Besuche („Visits“) der Website StudiVZ (IVW) von Mai 2007 bis März 2010
Ma i0 7 Jul 07 Sep 07 No v0 7 Jan 08 Mr z0 8 Ma i0 8 Jul 08 Sep 08 No v0 8 Jan 09 Mr z0 9 Ma i0 9 Jul 09 Sep 09 No v0 9 Jan 10 Mr z1 0
200.000.000 180.000.000 160.000.000 140.000.000 120.000.000 100.000.000 80.000.000 60.000.000 40.000.000 20.000.000 0
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Daten und Methodenhinweise sind abrufbar unter: http://ausweisung.ivw-online.de/ Daten und Methodenhinweise sind abrufbar unter: http://www.agof.de/internet-facts.987.de.html In beiden Statistiken ist allerdings die Datenbasis nicht transparent: Bei Alexa wird die tägliche Reichweite von StudiVZ unter den von Alexa erfassten Internetnutzern in % ausgewiesen (http:// www.alexa.com/siteinfo/studiverzeichnis.com). Bei „Google Trends“ wird die Zahl der über Suchanfragen generierten täglichen Besucher („Daily Unique Visitors“) ermittelt (http://trends.google. com/websites?q=studivz.de&geo=DE&date=ytd&sort=0).
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Grafik 2: Seitenabrufe („Page Impressions“) auf der Website StudiVZ (IVW) von Mai 2007 bis Oktober 2009 7.000.000.000 6.000.000.000 5.000.000.000 4.000.000.000 3.000.000.000 2.000.000.000 1.000.000.000
Jul 07 Sep 07 No v0 7 Jan 08 Mr z0 8 Ma i0 8 Jul 08 Sep 08 No v0 8 Jan 09 Mr z0 9 Ma i0 9 Jul 09 Sep 09
Ma
i0 7
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Grobe Anhaltspunkte für die jüngste Entwicklung liefert die IVW-Statistik, in der seit April 2010 nur noch die VZ-Netzwerke (StudiVZ, SchülerVZ, MeinVZ) gemeinsam ausgewiesen werden: Zwischen April 2010 (440.719.168) und Oktober 2010 (385.548.348) sank hier die Zahl der „Visits“ um 12,5%, was darauf hinweist, dass auch die Verteilung der Zielgruppen auf drei Angebote in der Summe nicht richtig funktioniert. Tab. 1:
Anteil ausgewählter Gruppen an der Gesamtnutzerschaft von StudiVZ, in % der Besucher („Unique Users”) im durchschnittlichen Monat (AGOF)
Quartal (durchschnittlicher Monat)
III/2007 IV/2007 I/2008 II/2008 III/2008 IV/2008 I/2009 II/2009 III/2009 IV/2009
Gesamtnutzung NettoReichReichweite, weite in Mio. in % „Unique Users“
8,6 11,5 13,5 14,0 13,0 12,7 12,7 12,6 12,1 11,0
3,45 4,62 5,54 5,73 5,41 5,29 5,38 5,33 5,25 4,79
ausgewählte Teilgruppen, in % der Gesamtnutzerschaft
männlich
weiblich
49,6 47,0 46,7 – 48,5 48,4 47,8 49,3 49,7 51,3
50,4 53,0 53,3 – 51,5 51,6 52,2 50,7 50,3 48,7
14-19 Jahre
15,1 18,1 19,4 – 20,2 18,8 17,1 19,1 14,6 15,2
20-29 Jahre
48,5 54,6 55,3 – 53,5 53,8 56,2 53,9 56,1 54,6
Hochschulreife
51,9 45,7 41,8 – 36,8 39,0 38,4 39,5 40,3 42,0
in Ausbildung
41,5 42,9 41,0 – 40,8 41,7 41,7 41,9 39,2 39,4
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Dieser Trend des gesamten VZ-Netzwerks wird allerdings durch die AGOF-Daten im ersten Halbjahr 2010 nicht bestätigt (vgl. Tab. 1): Hier stieg die Netto-Reichweite in einem durchschnittlichen Monat von 12,7 Millionen „Unique Users“ im ersten Quartal auf 13,7 Millionen „Unique Users“ im zweiten Quartal. Betrachtet man die aktuellen Nutzungsdaten der sozialen Netzwerke in Deutschland im Vergleich (mit Ausnahme von Facebook), so liegen die VZ-Netzwerke, Wer-kennt-wen und MySpace an der Spitze (vgl. Tab. 2). Die Reihenfolge nach Besuchen („Visits“) und Besuchern („Unique Visitors“) differiert, was Hinweise auf die durchschnittliche Besuchshäufigkeit des einzelnen Nutzers liefert: Bei Kwick!, Schueler.CC und Knuddels ist sie offenbar besonders hoch. Während nach den IVW-Daten die Besuchszahlen fast durchgängig rückläufig gewesen sind, gilt dies nicht für die AGOF-Werte, wobei hier allerdings eine Methodenumstellung zu berücksichtigen ist, die sich insgesamt positiv auf die Besucherzahl ausgewirkt hat. Umso bemerkenswerter sind die Verluste der VZ-Netzwerke. Tab. 2:
Nutzung ausgewählter sozialer Netzwerke
Soziales Netzwerk
„Visits“, abs., IVW 10/2009
VZ-Netzwerke StudiVZ SchülerVZ MeinVZ Wer-kennt-wen MySpace Lokalisten StayFriends Kwick! Knuddels Schueler.CC Last FM Xing
469.389.419*** 182.959.438 172.728.662 113.701.319 167.381.680 52.283.131 43.236.833 30.649.934 27.830.447 21.607.435 20.541.850 8.290.235 k. A.
10/2010 385.548.348 k. A. k. A. k. A. 159.211.764 k. A.** 22.889.489 20.502.202 25.397.890 18.223.715 22.836.487 7.577.216 18.223.715
„Unique Visitors“ im durchschnittlichen Monat, abs., in Mio., AGOF* 2. Quartal 2. Quartal 2009 2010 ca. 14,2*** 13,65 5,33 k. A. 4,47 k. A. 4,42 k. A. 6,38 7,49 5,03 7,27 1,58 2,46 5,11 6,63 1,16 1,55 1,12 1,21 0,75 0,96 1,19 2,02 k. A. 3,55
* Wegen einer veränderten Berechnungsweise ab dem 1. Quartal 2010 (u. a. durch die Erweiterung der Grundgesamtheit um deutschsprachige Ausländer und eine genauere Erfassung der „MultiClient“-Fälle, d. h. der Nutzung mehrerer Rechner durch eine Person), die insgesamt zu einem Reichweitenzuwachs führt, sind die Werte nur bedingt vergleichbar. ** Keine Angabe wegen Relaunch des Angebots. 09/2010: 33.728.747 „Visits“. *** Eigene Berechnung.
Nur punktuell veröffentlicht Nielsen Paneldaten für soziale Netzwerke in Deutschland: Während StudiVZ im Dezember 2008 mit 4,1 Millionen Besuchern („Unique Users“) noch vor Facebook lag, verlor das Angebot binnen Jahresfrist
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14% der Besucher, während ihre Zahl bei Facebook um 184% zunahm. Im Dezember 2009 belegte Facebook mit 6,9 Millionen Besuchern Rang drei im Netzwerkvergleich (vgl. Nielsen 2010a). Bereits im März 2010 lag Facebook mit 12,1 Millionen Besuchern weit vor allen Netzwerken deutscher Betreiber (vgl. Nielsen 2010b). Auf den Plätzen folgten Stayfriends (7,0 Mio.), Wer-kennt-wen (6,1 Mio.), StudiVZ (4,0 Mio.) und MeinVZ (3,7 Mio.). Wie setzt sich die Nutzerschaft von StudiVZ zusammen? In der AGOF-Studie „Internet Facts“ werden auch soziodemografische Daten erhoben (vgl. Tab. 1). Der Studierenden-Status wird darin nicht direkt abgefragt, weshalb man sich hier mit Daten für zwei Teilgruppen behelfen muss, in denen ein hoher Studierenden-Anteil zu vermuten ist: Es ist anzunehmen, dass sich Studierende vor allem in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen befinden. Darüber hinaus verfügen sie in jedem Fall über die Hochschulreife, die allerdings auch Nicht-Studierende besitzen können. Nur rund 40 bis 50% der StudiVZ-Nutzer besaßen die Hochschulreife, was bedeutet, dass die anvisierte Zielgruppe höchstens die Hälfte der Nutzerschaft ausmachte. Nach den AGOF-Daten reduzierte sich zunächst der Anteil der StudiVZNutzer mit Hochschulreife bis zum Zeitraum der höchsten Gesamtreichweite von StudiVZ (wobei nur Daten für das dritte, nicht aber für das zweite Quartal 2008 vorliegen) von 52% auf nur noch 37% und wuchs anschließend wieder auf 42% an, als die Gesamtreichweite sank. Diesen Verlauf kann man so interpretieren: Das Zielgruppenangebot für Studierende wurde in der Wachstumsphase unspezifischer, kehrte aber, als die Konkurrenz durch andere universelle Netzwerke wie Facebook größer wurde, wieder in seine ursprüngliche Nische zurück. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen zeichnet sich diese Entwicklung nicht ganz so deutlich ab. Während sich Facebook vom studentischen Netzwerk zum universellen Netzwerk weiterentwickelt hat, ist StudiVZ ein Nischenangebot geblieben. Die Betreiber von StudiVZ haben auf eine Zielgruppen-Strategie gesetzt und mit SchülerVZ und MeinVZ zwei weitere Zielgruppen-Angebote neben StudiVZ positioniert. Eine solche lebensphasenspezifische Abgrenzung der Zielgruppen sozialer Netzwerke unterstellt die Wechselwilligkeit der Mitglieder, wogegen allerdings „Lock In“Effekte sprechen, nämlich der Verlust der ins bisherige Netzwerk für die Beziehungspflege investierten Zeit und das Risiko, dass Freunde nicht in das andere Netzwerk folgen. Offenbar ist weniger das Alter als vielmehr der Wohnort ein relevantes Differenzierungskriterium für soziale Netzwerke: Darauf weisen nicht nur deutliche Unterschiede in der Nutzung in verschiedenen Ländern hin (vgl. Nielsen
StudiVZ als Forschungsgegenstand
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2009), sondern auch in den einzelnen Regionen Deutschlands. Letzteres zeigen Auswertungen des Suchvolumens in „Google Insights for Search“ (vgl. NoodleGei 2010) und der AGOF-Nutzungsdaten im vierten Quartal 2009 (vgl. Turtschan 2010).10 Diese Segmentierung nach räumlicher Nähe kann auch als Hinweis auf die Bedeutung bestehender Offline-Beziehungen für die Wahl eines Netzwerks gewertet werden. Anlage und Beiträge des Bandes StudiVZ zählt zu den sozialen Netzwerken im Internet, in denen sich Internetnutzer zusammenschließen, um Beziehungen herzustellen und sich auszutauschen. In diesem Punkt unterscheidet sich das StudiVZ nicht von sozialen Netzwerken wie z. B. Vereinen oder Selbsthilfegruppen, die außerhalb des Internets agieren. Dadurch, dass StudiVZ im Internet realisiert ist, ergeben sich allerdings auch grundlegende Unterschiede zu herkömmlichen sozialen Netzen, die direkt oder indirekt mit dem Internet zusammenhängen. Zum einen ist die große Verbreitung des StudiVZ zu nennen. Es haben sich enorm schnell sehr viele Studierende dem Netz angeschlossen. Hier scheinen die Vorteile massenmedialer Kommunikation und interpersonaler Kommunikation symbiotisch eine hohe Dynamik entwickelt zu haben, die allein schon sozialwissenschaftlich interessant und relevant erscheint. Zum anderen manifestiert sich in StudiVZ ein besonderes Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre. Da im StudiVZ parallel Massenkommunikation und Individualkommunikation stattfindet, ist einerseits zu erwarten, dass Phänomene, die typisch für einen der beiden Bereiche sind, auf den jeweils anderen übertragen werden könnten. Andererseits steht zu befürchten, dass Phänomene, die eigentlich konstitutiv in 10 Turtschan (2010) fasst die Befunde zu den regionalen Differenzen wie folgt zusammen: „Die Analyse zeigt zum einen einen deutlichen Stadt-Land-Unterschied in der Nutzung von Social Networks, zum anderen auch die deutliche lokale Prägung der Social Network-Landschaft in Deutschland. MySpace und Last.fm werden am stärksten in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen genutzt – hier schlägt sich die thematische Ausrichtung auf Musik nieder, die vor allem ein junges, urbanes Publikum anspricht. Bei den thematisch offenen Networks zeigt sich eine deutliche regionale Segmentierung der Republik: Während im Norden und Osten Deutschlands die VZs (MeinVZ und StudiVZ) die Nutzung dominieren, ist der Westen und Süden stärker fragmentiert: Im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Hessen trifft man sich bei wer-kennt-wen. Jeder zweite Onliner in diesen Bundesländern nutzt die Site – in den restlichen Ländern spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Die beiden starken Regional-Networks im Süden sind Kwick in Baden-Württemberg und Lokalisten.de in Bayern. Ein interessantes Ergebnis findet sich bei den beiden großen Schüler-Networks SchülerVZ und Schueler.cc – ihre Nutzergruppen sind nahezu komplementär. SchülerVZ wird überdurchschnittlich im Nordwesten genutzt – Schleswig-Holstein, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen bilden hier die Kernländer. Die Onliner in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Bayern nutzen dafür Schueler.cc überdurchschnittlich.“
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einen Bereich gehören, in den anderen verlagert werden, z. B. persönliche Gespräche durch Mails oder Pinnwandeinträge substituiert werden. Basis der Analysen in den jeweiligen Beiträgen sind Ansätze und Perspektiven der Kommunikationswissenschaft. Der Fokus liegt auf Aspekten wie dem Zusammenspiel von interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation, der Diffusion von Innovationen, den Charakteristika von Medienangeboten, der Mediennutzung, Medienaneignung, Interaktivität, Anonymität oder „Self-Disclosure“. Das Ziel der Beiträge ist es, jeweils theoretisch herauszuarbeiten, ob diese Aspekte im Kontext von StudiVZ anders ausfallen als in anderen kommunikativen Kontexten und – soweit möglich – anhand von empirischen Daten die vermeintliche Andersartigkeit zu charakterisieren. Die beiden folgenden Beiträge sind als Literaturanalyse angelegt. In diesen wird versucht, Besonderheiten von sozialen Netzwerken im Internet herauszuarbeiten. Die restlichen Beiträge beziehen sich auf empirische Studien. Sie wurden entweder als studentische Projekte im Rahmen von Forschungsseminaren durchgeführt, oder es handelt sich um Studien im Rahmen von Examensarbeiten. Alle Studien wurden als Befragung realisiert, einige wurden „face-to-face“, andere im Internet durchgeführt. Die Befragungen wurden zwar unabhängig voneinander konzipiert und durchgeführt. Die Operationalisierungen ähneln einander aber, sodass sich die Ergebnisse der Studien gegenseitig validieren. Dabei wird die Validierung nicht im Sinne einer Replikation der Ergebnisse verstanden, da die Studien auf unterschiedlichen Stichprobenverfahren basieren. Die Tendenzen der Studien lassen sich gleichwohl miteinander in Beziehung setzen. Wenn in den Studien die Ergebnisse einhellig dafür sprechen, dass bestimmte Phänomene im StudiVZ so stattfinden wie in anderen sozialen Kontexten auch, andere hingegen sich in den Studien im StudiVZ als außergewöhnlich erweisen, dann lassen sich die Befunde verallgemeinern, selbst wenn die einzelnen Studien nicht repräsentativ sind und sich die tatsächlich gemessenen Werte (z. B. Prozentangaben oder Korrelationen) zwischen den Studien unterscheiden. In allen Beiträgen wird das Soziale von StudiVZ aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive untersucht. Dabei wird im Besonderen nach der Diffusion, Nutzung, Wirkung und Aneignung von StudiVZ gefragt: x Im Fall der Diffusion wird beschrieben, wie sich Innovationen in der Gesellschaft verbreiten. Massenmediale und interpersonale Kommunikation wurden dabei immer als prinzipiell gleichberechtigte Verbreitungswege angesehen. In Bezug auf das StudiVZ erscheint der Diffusionsweg in zweierlei Hin-
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sicht kommunikationswissenschaftlich interessant: Zum einen handelt es sich um ein innovatives Medienangebot. Es stellt sich also die Frage, wie sich Wissen und Akzeptanz solcher Innovationen im Vergleich zu nichtmedialen Innovationen verbreiten. Zum anderen ist gerade die Diffusion des StudiVZ aufschlussreich, weil bei dieser mediale und nichtmediale Verbreitungswege in besonderer Art zusammenwirken könnten, da die Innovation selbst beide Wege vorsieht. x Die Nutzung des StudiVZ unterscheidet sich wegen der unterschiedlichen Kommunikationsformen von der typischen Mediennutzung. Nutzungsmotive, wie der Wunsch mitreden zu können, sich nicht allein zu fühlen oder Anschluss zu finden, betreffen die StudiVZ-Nutzung anders als andere Medien, da die Nutzung selbst ein Forum bietet, mit anderen zu kommunizieren. Dadurch verändert sich auch die Nutzung selbst. Bei der klassischen Mediennutzung muss zwischen den unterschiedlichen Kommunikationswegen entschieden werden; beispielsweise muss die Zeitungslektüre am Frühstückstisch unterbrochen werden, um mit seinem Gegenüber zu reden. Damit gewinnt die Frage nach der Kombinierbarkeit von massenmedialer und interpersonaler Kommunikation eine neue Qualität. x Deshalb stellt sich auch die Frage nach der Wirkung des StudiVZ anders als bei anderen Medienangeboten. Bei Letzteren geht es in erster Linie um ihre kognitiven und emotionalen Wirkungen auf das Publikum. Diese erscheinen aber bei der kommunikationswissenschaftlichen Analyse des StudiVZ weniger interessant als Verhaltenseffekte. Solche werden zwar auch bei anderen Medienangeboten untersucht, allerdings in der Regel in Bezug auf das Konsumverhalten, Wahlverhalten etc. und nur selten in Bezug auf das Kommunikationsverhalten. Bei der Diskussion des StudiVZ liegt demgegenüber z. B. die Frage nahe, ob die Nutzung der Angebote, die die Plattform zur interpersonalen Kommunikation bietet, kurz- oder mittelfristig dazu führen, weniger persönliche Gespräche zu führen. x Die Aneignung des StudiVZ bezieht sich auf die langfristige Integration der Nutzung in Alltagshandlungen bzw. auf die Domestizierung des neuen Medienangebots im Alltag. Hier stellt sich nicht nur die Frage, wie das StudiVZ genutzt wird, sondern auch, in welchem Verhältnis das Verhalten im StudiVZ zum sonstigen Verhalten steht. Führen z. B. die Manipulierbarkeit von Öffentlichkeit/Privatheit, Sichtbarkeit/Anonymität, Aktivität/Passivität,
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Selbstdarstellung/Fremdwahrnehmung zu speziellen Verhaltensweisen, die speziell in StudiVZ oder ähnlichen sozialen Netzwerken auftreten? Die empirischen Projekte sind in den Jahren 2007 und 2008 durchgeführt worden und basieren auf dem jeweiligen Stand der Forschung. Den Auftakt des Bandes bilden zwei Beiträge, in denen soziale Netzwerke im Internet zunächst kommunikationswissenschaftlich eingeordnet werden: Gegenstand des Beitrags von Volker Gehrau („Team oder Gegner?“) ist die klassische Mediennutzungs- und Medienwirkungsforschung, bei der typischerweise massenmediale und interpersonale Kommunikation als Antagonisten angesehen werden: Wenn interpersonale Kommunikation stattfindet, nehmen die Motivation, Medien zu nutzen, ebenso ab wie die Wirkung der Massenmedien. Dem wird eine synergetische Perspektive gegenübergestellt, in der sich beide Kommunikationskanäle gegenseitig verstärken. Dann wird argumentiert. dass gerade das Internet Synergien unterstützt, weil es Individual- sowie Massenmedium ist, und dass soziale Netzwerke wie StudiVZ das Zusammenspiel fördern. Im Beitrag „Soziale Netzwerke im Internet“ von Christoph Neuberger wird das Format zunächst definiert und abgegrenzt. Anschließend werden soziale Netzwerke im Internet mit Hilfe von zentralen kommunikationswissenschaftlichen Fragestellungen betrachtet: Wie hat sich die Struktur der Netze entwickelt? Substituieren die Netze vorhandene Kommunikationskanäle? Welche Gratifikationen verspricht ihre Nutzung? In welchem Verhältnis stehen Öffentlichkeit und Privatsphäre? Was zeichnet die Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken aus? In diesem Beitrag wird Disziplinen übergreifend der aktuelle Forschungsstand zu sozialen Netzwerken im Internet resümiert. Wegen der inzwischen großen Verbreitung und der vor allem aus dem englischsprachigen Raum stammenden Studien steht hier Facebook im Vordergrund. „StudiVZ als Gesprächsstoff“ ist der Aufsatz von Hanna Jo vom Hofe, Simone Nebelsieck, Stella Paschen und Nicole Stecha überschrieben. Vorgestellt wird eine Befragung, in der im Jahr 2007 die Verbreitung von StudiVZ untersucht wurde. Grundlage des Ansatzes war die Diffusionsforschung, mit der die mediale und interpersonale Verbreitung von Innovationen auf verschiedenen Ebenen untersucht wird. Die Ergebnisse zeigen nicht nur eine ungewöhnlich rasche Verbreitung des StudiVZ unter den Studierenden. Beim StudiVZ vollzog sich zudem die Verbreitung seiner Bekanntheit nahezu ausschließlich über interpersonale Kommunikation, oft technisch z. B. durch die Einladefunktion oder Mails vermittelt. Auch bei
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der Entscheidung, dem Netzwerk beizutreten, spielte interpersonale Kommunikation und Gruppendruck eine wichtige Rolle. Der Beitrag „Freundschaftspflege statt Kontaktsuche“ von Meike Flöck, Ilona Schäfer und Tobias Steinkamp basiert auf einer internetbasierten Befragung von StudiVZ-Mitgliedern, ebenfalls aus dem Jahr 2007. Nach einer kurzen Vorstellung des Forschungsansatzes sowie der methodischen Vorgehensweise konzentriert sich der Beitrag in der Tradition klassischer Nutzungsforschung auf die Befragungsresultate. Es zeigt sich, dass StudiVZ weder als „Börse“ für neue Beziehungen genutzt wird, noch um universitäre Belange abzuwickeln. Das soziale Netzwerk dient vornehmlich dazu, sich zu präsentieren und Kontakt zu alten Freunden aufzunehmen und zu halten. Birte Blömers und Stefanie Letschert haben dieselben Daten einer weitergehenden Analyse unterzogen („Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne“). Im Zentrum steht nun die Frage, wie Kommunikation über StudiVZ abgewickelt wird. Von besonderem Interesse sind die Möglichkeit, interpersonale und Massenkommunikation parallel zu betreiben, und die Befürchtung, Kommunikation via StudiVZ könnte „Face-to-Face“-Gespräche verdrängen. Es zeigt sich, dass StudiVZ zwar ein soziales Netz ist, in dem auf vielen Wegen Kontakt gehalten wird, dass dieses kommunikative Verhalten aber nicht die persönliche Interaktion verdrängt. Die einzige Kommunikationsart, die durch die StudiVZ Nutzung tangiert wird, ist das Verschicken von E-Mails, die zum Teil durch die Mail-Funktion von StudiVZ ersetzt wird. Lena Rütten fragt in der Überschrift ihres Aufsatzes: „Oberflächlich und folgenlos?“ Zwei Aspekte werden in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur in Bezug auf neue Angebote im Internet im Vergleich mit „Face-to-Face“- sowie herkömmlicher computervermittelter Kommunikation herausgearbeitet: Interaktivität und Anonymität. Sie untersuchte im Jahr 2007 anhand von Befragungsdaten, ob diese beiden Merkmale auch zentral für die Nutzung und den Umgang mit StudiVZ sind. Dass Interaktivität eher ein Schlagwort ist, dem die Internetangebote und auch die Nutzung nicht voll gerecht werden, zeigt sich auch in der vorliegenden Studie. Zudem wird deutlich, dass auch Anonymität nicht das Ziel des Umgangs mit dem sozialen Netzwerk StudiVZ ist. Stattdessen will man sich lieber authentisch präsentieren und erwartet das auch von den anderen Teilnehmern. Die Frage, wie sich Personen in StudiVZ darstellen, steht im Zentrum des Beitrags von Nina Haferkamp („Authentische Selbstbilder, geschönte Fremdbilder“). Es werden zunächst theoretische Überlegungen zur Selbstdarstellung allgemein
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Volker Gehrau/Christoph Neuberger
sowie den Besonderheiten der Selbstdarstellung im Internet angestellt. Daran schließt eine qualitative Befragung aus dem Jahr 2008 von sechs Frauen und sechs Männern zu ihrer Selbstdarstellung in StudiVZ sowie der Wahrnehmung der Selbstdarstellung anderer an. Zunächst zeigt sich, dass die Befragten sehr reflektiert Auskunft über das Thema Selbstdarstellung im Internet geben konnten. Ziel der Selbstdarstellung ist es demnach in erster Linie, ein authentisches Bild von sich selbst zu entwerfen. Demgegenüber wird den Angaben anderer oft misstraut und deren Selbstdarstellung im StudiVZ in der Regel als geschönt wahrgenommen. Aus der Forschung zu persönlichen Gesprächen und dem Aufbau persönlicher Beziehungen stammt das Konzept „Self-Disclosure“, das die Entscheidung bezeichnet, Informationen über sich preiszugeben, um Beziehungen aufzubauen oder zu intensivieren. Die von Jessica Kreutzmann („Preisgabe des Privaten?“) präsentierte Befragungsstudie, die 2008 durchgeführt wurde, überträgt das Konzept auf das Verhalten der Mitglieder von StudiVZ. Sie stellt dabei fest, dass die Mitglieder zwar bereit sind, persönliche Angaben zum Zweck der Kontaktaufnahme zu veröffentlichen, private Kontaktdaten aber nicht allen Benutzern zur Verfügung zu stellen. Die Mitglieder sind sich der Probleme in Bezug auf den Datenschutz durchaus bewusst und werden deshalb im Laufe ihrer Mitgliedschaft im StudiVZ eher vorsichtiger als offener. Mit StudiVZ haben soziale Netzwerke in Deutschland ihren Durchbruch erzielt. Diese Phase konnte mit den Studien begleitet werden, die in diesem Band enthalten sind. Es lässt sich nicht mehr ausschließen, dass StudiVZ – wie so viele andere Angebote – eine Episode in der Entwicklung des Internets bleiben wird. Literatur: Bager, Jo (2008): Dabei sein ist alles. In: c’t. Nr. 5 v. 18.02.2008, S. 92-94. Bernau (2008): Hilfe! Mein Foto steht im Internet. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 25 v. 22.06.2008, S. 48 Bernau, Patrick (2007): StudiVZ überflügelt alle. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 24 v. 17.06.2007, S. 45. Büchs, Johannes (2007): „Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg.“ In: Spiegel Online. 06.08.2007. http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,497314,00.html (06.12.2010). Cloer, Thomas (2009): Facebook und die VZ-Gruppe begraben das Kriegsbeil. In: Computerwoche. 10.09.2009. http://www.computerwoche.de/netzwerke/web/1905409/ (06.12.2010). Don Alphonso (2006): StudiVZ: 700 Stalker und der Datenschutz. In: Blogbar. 23.11.2006. http://www.blogbar.de/ archiv/2006/11/23/studivz-700-stalker-und-der-datenschutz/ (26.11.2010). FASZ (2008): Zuckerberg verklagt StudiVZ. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 29 v. 20.07.2008, S. 37 Haferkamp, Nina (2010): Sozialpsychologische Aspekte im Web 2.0. Impression Management und sozialer Vergleich. Stuttgart: W. Kohlhammer. Horizont (2008): Google geht an die Archive. In: Horizont. Nr. 37 v. 11.09.2008, S. 6.
StudiVZ als Forschungsgegenstand
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Kleimann, Bernd/Özkilic, Murat/Göcks, Marc (2008): Studieren im Web 2.0. Studienbezogene Web- und ELearning-Dienste. HIS:Projektbericht. November 2008. Hannover: HIS (= HISBUS-Kurzinformation, 21). Kolbrück, Olaf (2008a): Facebook trifft auf gut gerüstete Gegner. In: Horizont. Nr. 10 v. 06.03.2008, S. 1. Kolbrück, Olaf (2008b): StudiVZ nimmt Klick-Minus in Kauf. In: Horizont. Nr. 50 v. 11.12.2008, S. 31. Kreutzmann, Jessica (2009): Privacy und Self-Disclosure im StudiVZ – Eine Nutzerbefragung zur Veröffentlichung persönlicher Informationen. Unveröff. Magisterarbeit, Kommunikationswissenschaft, Westfälische-Wihelms-Universität Münster. Lischka, Konrad (2007): Studentennetz StudiVZ verzichtet auf Schnüffler-Passus. In: Spiegel Online. 15.12.2007. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,523564,00.html (25.11.2010). Luhmann, Maike (2008): Heute schon gegruschelt? Nutzertypen des StudiVZ. Marburg: Tectum. Lüpke-Narberhaus, Frauke (2008): Mein digitaler Selbstmord. Abschied von StudiVZ und Xing. In: Spiegel Online. 03.02.2008. http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,532070,00.html (06.12.2010). Müller, Martin U. (2010): Das Provinz-Netz. In. Der Spiegel. Nr. 20 v. 17.05.2010, S. 104f. Neises, Bettina (2010): IVW Online: VZ Netzwerke in der Abwärtsspirale. In: Horizont.net. 08.10.2010. http://www.horizont.net/aktuell/digital/pages/protected/IVW-Online-VZ-Netzwerke-in-der-Abwaertsspirale_ 95482.html (06.12.2010). Neubarth, Julia (2009): Die Webserie als Transformation eines TV-Formats? Untersucht am Beispiel der „Pietshow“ für StudiVZ – eine Online-Befragung ihrer Nutzer. Unveröff. Magisterarbeit, Kommunikationswissenschaft, Universität Münster. Nielsen (2009): Global Faces and Networked Places. A Nielsen report on Social Networking’s New Global Footprint. March 2009. o. O.: The Nielsen Company. http://blog.nielsen.com/nielsenwire/wp-content/uploads/2009/03/ nielsen_globalfaces_mar09.pdf (05.12.2010). Nielsen (2009): Global Faces and Networked Places. A Nielsen report on Social Networking’s New Global Footprint. March 2009. o. O.: The Nielsen Company. Nielsen (2010a): Facebook, Youtube und Wikipedia sind die beliebtesten Social Media Seiten in Europa und in den USA. Pressemitteilung v. 02.02.2010. http://de.nielsen.com/news/NielsenPressemeldung 02.02.2010-SocialMedia Sites.shtml (22.11.2010). Nielsen (2010b): Starke Nutzerzuwächse für Facebook und Twitter im Vorjahresvergleich. Pressemitteilung v. 05.05.2010. http://de.nielsen.com/news/NielsenPressemeldung05.05.2010-SocialNetworks. shtml (22.11.2010). NoodleGei (2010): Studie: Regionale Verteilung Social Networks und ein Gegencheck mit Google. In: NoodleGei. 08.04.2010. http://noodlegei.blogspot.com/2010/04/studie-regionale-verteilung-social.html (03.12.2010). Paperlein, Juliane (2008): StudiVZ startet MeinVZ.net. In: Horizont. Nr. 9 v. 28.02.2008, S. 6. Rütten, Lena (2008): Freundschaft 2.0? Eine Nutzerbefragung in der Online-Community ‚StudiVZ“. Unveröff. Magisterarbeit, Kommunikationswissenschaft, Westfälische-Wihelms-Univrsität Münster. Schäfers, Jörg-Olaf (2007): Grausame Kinder. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 49 v. 09.12.2007, S. 48. Spiegel Online (2008a): Neun Angestellte wegen StudiVZ-Gruppe entlassen. In: Spiegel Online. 04.04.2008. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,545401,00.html (06.12.2010). Spiegel Online (2008b): Schulverweis für Lehrerbeleidigung. In: Spiegel Online. 27.02.2008. http://www.spiegel.de/ schulspiegel/wissen/0,1518,538179,00.html (06.12.2010). Surek, Florian (2006): StudiVZ in der Krise. In: Readers Edition. 04.12.2006. http://www.readers-edition.de/ 2006/12/04/studivz-in-der-krise/ (06.12.2010). Turtschan, Alexander (2010): Freundschaften sind regional: Social Networks in Deutschland. In: Haus der Kommunikation Blog. 01.04.2010. http://www.serviceplan.de/blog_de/2010/04/freundschaften-sind-regional-socialnetworks-in-deutschland/ (03.12.2010). VZblog (2010): VZ baut Marktführerschaft in Deutschland mit 17 Millionen Nutzern weiter aus. In: VZblog. 14.07.2010. http://blog.studivz.net/index.php?s=mitgliederzahl+studivz (06.12.2010).
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Interpersonale Kommunikation und Massenmedien Volker Gehrau
Seit die Wissenschaft die Kommunikation mittels Massenmedien beobachtet, fragt sie auch nach dem Verhältnis zwischen Massenmedien und persönlichen Gesprächen. Die Kommunikationswissenschaft fokussiert dabei die Massenmedien und untersucht die durch Massenmedien erzeugte Öffentlichkeit und ihr Zusammenspiel mit gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen, rechtlichen und technischen Entwicklungen sowie mit dem Publikum. Die Massenmedien unterstützen die Tendenz der einzelnen Publikumsmitglieder, sich in Gemeinschaften bzw. die Gesellschaft zu integrieren. Des Weiteren treten sie als Vermittler zwischen den Teilsystemen einer Gesellschaft bzw. zwischen Systemebenen auf, z. B. zwischen dem politischen System und der Wählerschaft. Die Massenmedien leisten ihre Funktion durch Bereitstellung von Informationen, die die Kognitionen und Emotionen der Einzelnen verfestigen, erweitern und tendenziell synchronisieren. Die oben skizzierten Funktionen erfüllt auch die interpersonale Kommunikation innerhalb persönlicher Gespräche. Deshalb stellen Gerhards/Neidhardt (1991) die Encouters, in denen solche Gespräche stattfinden, den Massenmedien als eigenständige Arena der Öffentlichkeit gegenüber. Gemeinhin wird aber den Massenmedien eine größere Bedeutung zugeschrieben, da die Möglichkeit, über diese Arena Öffentlichkeit zu erzeugen, nur einer Minderheit möglich ist, deren Reichweite dann aber deutlich größer ist als in den Encounters. In der gesellschaftlichen Entwicklung waren anfangs beide Arenen eng miteinander verknüpft. So konnten Printmedien im 18. und frühen 19. Jahrhundert ihre kognitiven und emotionalen Effekte oft nur dadurch entfalten, dass die Wenigen, die Zugang zu Büchern und Zeitschriften hatten und lesen konnten, diese in Gruppen anderen vorlasen und
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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mit ihnen darüber redeten. Durch die allgemeine Verbreitung der Lesefähigkeit wurde die Trennung zwischen den Arenen der Encounters und der Massenmedien gefördert, die dann spätestens mit der Verbreitung des Radios endgültig vollzogen wurde. Nachdem praktisch alle einen Zugang zu Radiogeräten hatten, konnten alle selbstständig die Massenmedien nutzen. Damit einherging, zumindest in der Vorstellung vieler Gesellschaftswissenschaftler, ein Übergang von Familien-, Kulturoder Arbeitsgemeinschaft in eine Massengesellschaft individueller Mediennutzer. Ziel der parallel aufkommenden Kommunikationswissenschaft war es, die dadurch entstandene Macht der Massenmedien zu charakterisieren. Bei den empirischen Versuchen, die Wirkungen der Massenmedien auf die Einzelnen zu identifizieren und taxieren, entsprachen die Ergebnisse nicht den Vermutungen. Zum einen wurde das Medienangebot in einigen Segmenten schnell so reichhaltig, dass sich die Mediennutzer die Angebote ihren Wünschen entsprechend aussuchten, sodass kaum ein Massenmedium wirklich die gesamte Masse erreichte. Zum anderen schien der Ebene der Encounters immer noch größere Bedeutung zuzukommen, als man erwartet hatte. Insbesondere die Studie „The people’s choice“ von Lazarsfeld/Berelson/Gaudet (1948) zwang die auf Medienwirkung und Massenpublikum fixierte Kommunikationswissenschaft zum Umdenken. Bei dieser Studie wurde untersucht, wie amerikanische Wähler ihre Wahlabsicht im Zeitverlauf verändern und schlussendlich in eine Wahlentscheidung überführen. Dabei wurde ein großer Einfluss durch medial vermittelte Informationen zur Wahl vermutet, insbesondere auf diejenigen, die nicht langfristig an bestimmte Parteien oder Kandidaten gebunden waren. Die Ergebnisse belegten aber eindeutig, dass selbst für diese Gruppe der Einfluss der Massenmedien eher unbedeutend war. Ihre Wahlentscheidung richtete sich deutlich stärker nach individuellen Prädispositionen und ihrem sozialen Umfeld. Die Informationen aus den Massenmedien wurden offenbar im sozialen Umfeld ausgiebig diskutiert und kommentiert. Einflüsse gingen eher von diesen Gesprächen aus als von den Medieninformationen. Hieraus entstand die Vorstellung eines Antagonismus zwischen Massenmedien und persönlichen Gesprächen. Die Forschung ergab zudem, dass die Probanden die Medien selektiv gemäß ihren individuellen Wünschen und Präferenzen nutzen. Diese Erkenntnis führte zu einem Perspektivwechsel einiger Forschungsansätze. Es wurde nicht zentral betrachtet, welche Wirkung die Massenmedien auf den Einzelnen nehmen, sondern welche Medienangebote der Einzelne warum nutzt. Herzog untersuchte die Gründe des Radiopublikums für die Nutzung von Soap-Operas (vgl. Herzog 1944)
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Volker Gehrau
und Quiz-Shows (vgl. Herzog 1940). Überraschenderweise nutzte das Publikum diese Angebote nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Information, z. B., um sich besser im Alltag zurechtzufinden. Und nicht zuletzt unterhielten sich die Befragten im Familien- und Freundeskreis über die Medienangebote. Berelson (1949) befragte im Jahr 1945 Leser während eines Zeitungsstreiks zu ihrer Zeitungsnutzung. Auch dabei trat nicht nur die erwartete Informationsfunktion zutage, sondern ebenso eine alltagsstrukturierende Unterhaltungsfunktion und eine soziale Funktion. Die Zeitungslektüre vermittelt soziales Prestige und soziale Anschlussfähigkeit, weil sich die Möglichkeit zur Anschlusskommunikation nach der Lektüre ergibt. Wenn sich die Menschen aber aufgrund von Medienstimuli über Medieninhalte unterhalten, könnten beide Arenen der Öffentlichkeit – die Encounters und die Massenmedien – synergetisch zusammenwirken. Antagonistische Perspektive Die antagonistische Perspektive vermutet demgegenüber ein Entgegenwirken massenmedialer und interpersonaler Kommunikation. Die Studie „The people’s choice“ ergab, dass Massenmedien eher für das Publikum eine wichtige Rolle zu spielen scheinen, das nicht in soziale Gemeinschaften und interpersonale Kommunikation eingebunden ist. Die Massenmedien zeigten sich nur dann wirksam, wenn das Publikum nicht viel mit anderen interagierte und kommunizierte. Diese Grundfigur wurde sowohl im Bereich der Mediennutzungs- als auch Medienwirkungsforschung entwickelt. Medienwirkungsforschung
Im Bereich der Medienwirkungsforschung lautet der Generalverdacht aus antagonistischer Perspektive, dass das Wirkungspotenzial der Massenmedien immer dann zurückgeht, wenn die Menschen viel miteinander reden. Das betrifft zunächst Medieninhalte. Demnach könnten nur solche Inhalte große Wirkung entfalten, über die privat nicht geredet wird, weil die Medieninformationen dann nicht mit glaubwürdigeren persönlichen Informationen konkurrieren. Das betrifft aber auch Personen: Demnach wäre das Wirkungspotenzial der Massenmedien bei denjenigen Personen größer, die generell weniger mit anderen kommunizieren. Beide Aspekte wurden in der Medienwirkungsforschung aufgegriffen, was im Weiteren allerdings nur anhand weniger Beispiele aufgezeigt werden kann. In Anlehnung an „The people’s choice“ wurde das soziale Umfeld wie ein Schutzschild angesehen, das Medieninformationen nicht durchdringen, insbeson-
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dere wenn diese nicht mit der kommunizierten Gruppenmeinung übereinstimmen. Sowohl im Feld klassischer Persuasionsstudien als auch in Überlegungen zur öffentlichen Meinung trat das – zumindest indirekt – zutage. Medienvermittelte Überzeugungseffekte sind gegen Gruppenmeinungen kaum zu erzielen (vgl. Hovland/Jannis/Kelly 1953). In der „Agenda-Setting“-Forschung wird die antagonistische Position zwischen beiden Kommunikationsarenen deutlicher herausgearbeitet. Die „Agenda-Setting“Hypothese geht davon aus, dass das Publikum diejenigen Medienthemen für gesellschaftlich wichtig erachtet, über die viel in den Medien berichtet wird. Im klassischen „Agenda-Setting“-Ansatz wird aber gleichzeitig vermutet, dass das Publikum aus zwei weiteren Quellen Informationen über die Wichtigkeit von Themen erhält: aus direkter Erfahrung oder Anschauung und aus persönlichen Gesprächen (vgl. Krause/Gehrau 2007). Da Menschen aber eher der eigenen Erfahrung sowie den in persönlichen Gesprächen weitergegebenen Erfahrungen anderer vertrauen als den Medien, geht der „Agenda-Setting“-Effekt der Massenmedien zurück. Dem Grundgedanken entsprechend zeigen sich in unterschiedlichen „Agenda-Setting“Studien zwar Effekte der individuell genutzten Medien-Agenda auf die individuelle Einschätzung der Themenwichtigkeit. Diese verschwinden aber, sobald interpersonale Kommunikation über die entsprechenden Themen ins Spiel kommt (vgl. z. B. Erbring/Goldenberg/Miller 1980; Hügel/Degenhardt/Weiß 1989; Rössler 1997). Auch die auf Ball-Rokeach (1985) zurückgehende Idee der Medienabhängigkeit folgt dieser Argumentationslinie. Sie fokussiert auf Personenebene deren unterschiedlich gute Einbindung in Informationsflüsse. Je mehr Informationen eine Person in persönlichen Gesprächen erhält, desto unabhängiger ist sie von Informationen aus den Massenmedien. Im Umkehrschluss können Massenmedien ihr Wirkungspotenzial besser bei solchen Personen entfalten, die seltener mit anderen reden, also abhängiger von den Medien sind. Mediennutzungsforschung
„Media dependency“ charakterisiert den zentralen Punkt der antagonistischen Position in der Mediennutzungsforschung. Wer ein Bedürfnis nach Informationen oder Orientierung hat, aber weder auf ausreichende eigene Informationen und Erfahrungen noch auf befriedigende Gesprächsquellen und soziale Kontakte zurückgreifen kann, der wird zwangsläufig auf Massenmedien zurückgreifen. Ganz ähnlich argumentiert der Ansatz „media consumption as a functional alternative“ (vgl. Rosengren/Windahl 1972), der sich auf soziale Beziehungen bezieht,
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die über interpersonale Kommunikation konstituiert und gepflegt werden. Insofern spielen auch hier persönliche Gespräche zumindest indirekt eine Rolle. Die Autoren konstruieren ein Vierfelder-Schema aus sozialen Gegebenheiten und der individuellen Möglichkeit, diese befriedigend zu nutzen. Die Felder setzen sie dann jeweils in Beziehung zur Mediennutzung. Sind sowohl die sozialen Gegebenheiten als auch die individuellen Realisationsmöglichkeiten befriedigend, dient die Mediennutzung als Zusatz; sind beide jedoch unbefriedigend, muss die Mediennutzung als Ersatz herhalten. Ist entweder nur das soziale Umfeld befriedigend oder nur die individuelle Möglichkeit, dann stellt die Mediennutzung eine Ergänzung dar. Analog dazu können Rubin und Kollegen (vgl. Ruben/Perse/Powell 1985; Perse/ Rubin 1990) einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Fernsehnutzung nachweisen. Je weniger soziale Alternativen der Einzelne hat, umso einsamer fühlt er sich und umso eher nutzt er Fernsehangebote. Das entspricht insofern der antagonistischen Sichtweise, als Medien dann genutzt werden, wenn wenige soziale Alternativen zur Verfügung stehen, also wenig mit anderen kommuniziert werden kann. Synergetische Perspektive Aus synergetischer Perspektive ist ein Zusammenarbeiten medialer und interpersonaler Kommunikation zu erwarten: Je mehr gesprochen wird, umso eher werden Medien genutzt, und je mehr über Medieninformationen geredet wird, umso stärker werden die Medieneffekte. Medienwirkungsforschung
Die synergetische Perspektive der Medienwirkungsforschung setzt in der Regel bei der Anschlusskommunikation nach der Medienrezeption an. In einigen Fällen wird diese als gewünschtes Resultat vom Medieninput initiiert. In ihrer Metaanalyse zu Gesprächen und Kampagneneffekten sprechen Southwell und Yzer (2008) von „conversation as outcome“. Wahrscheinlicher ist aber der Fall, in dem das Publikum einige Aspekte des Medienangebots für besprechenswert erachtet und sich deshalb darüber austauscht. Das entspricht auch der Idee der Schweigespirale (vgl. Noelle-Neumann 1974), die vermutet, dass Personen, deren Meinung von der Mehrheit der Medien vertreten wird, sich eher an Gesprächen beteiligen würden als Personen der Minderheitsmeinung. Die Zusammenarbeit von Medien- und Gesprächseffekten vollzieht sich dann entweder über Verstärkung oder über Verbreitung.
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Der Verstärkereffekt ergibt sich oft allein durch die Erinnerung und Rekonstruktion des Medieninputs im nachfolgenden Gespräch. Sommer (2007) konnte z. B. in einem Experiment zeigen, dass Personen, die sich im Anschluss an einen Nachrichtenbeitrag über diesen unterhalten, dessen Inhalt besser erinnerten als Personen, die solche Anschlussgespräche nicht führten. In Bezug auf emotionale Medieneffekte entwickeln Döveling/Sommer (2008) ein Modell des emotionalen „MetaAppraisals“ auf sozialer Basis. Demnach entstehen Emotionen als medieninduzierte Erregungszustände, die nach bestimmten Kategorien bewertet werden („Appraisal“). Wenn die Nutzer nun über ihre Emotionen reden, werden die Bewertungen sozial abgestimmt. Da man aber in der Regel mit solchen Personen redet, die tendenziell ähnlich denken und fühlen, wird die medieninduzierte Emotion meist verstärkt bzw. man versichert sich, dass die anderen ähnlich fühlen. Die Idee des „Sich-Versicherns“ verstärkt auch verhaltens-basierte Medieneffekte. Wenn z. B. Kampagnen bestimmte Verhaltensweisen anstoßen wollen, dann funktioniert das offenbar am besten, wenn auch drüber geredet wird (vgl. Dunlop/ Wakefield/Kashima 2008). Wahrscheinlich wird die Verbindlichkeit, sich an die in der Kampagne nahegelegte Verhaltenweise zu halten, größer, wenn man mit anderen darüber geredet hat. Den Verbreitungseffekt nennen Southwell/Yzer (2008) „mediation-effect“. Er ergibt sich, wenn Personen, die bei der Mediennutzung einen Medieneffekt erfahren haben, mit Nicht-Nutzern über deren Erfahrung reden und so im Gespräch den Medieneffekt zumindest zum Teil auch unter den Nicht-Nutzern verbreiten. Krause/Gehrau (2007) finden Hinweise dafür in einer „Agenda-Setting“-Studie. Hier ließ sich eine kurzfristige Erhöhung der Themenwichtigkeit bei Täglichnutzern von Fernsehnachrichten am Tag nach der Nachrichtenrezeption feststellen. Im Folgenden klingt diese Steigerung dann schnell ab. Nichttäglichnutzer erlebten demgegenüber einen um zwei Tage versetzen Schub in der Themenwichtigkeit, den die Autoren durch persönliche Gespräche der Nutzer mit den Nicht-Nutzern erklären. Dass Medien in der Lage sind, Themen für persönliche Gespräche zu setzen, hatten Kepplinger/Martin (1986) 20 Jahre vorher bewiesen, indem sie Gespräche daraufhin beobachteten, wie oft Informationen aus den Medien in diesen thematisiert werden.
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Mediennutzungsforschung
Auch in der Mediennutzungsforschung findet sich die synergetische Position wieder, insgesamt sogar in der deutlichen Mehrheit der Ansätze. Dann wird ein positiver Zusammenhang zwischen Gesprächen und Mediennutzung vermutet: Die Menschen nutzen Medien, um mit anderen reden zu können oder weil sie vorher mit anderen geredet haben. Das Motiv der Mediennutzung mit dem Ziel mit anderen zu reden, in Kontakt zu kommen und Gesprächsstoff zu haben, wird in fast allen Studien in der Usesand-Gratifications-Tradition berücksichtigt (als Überblick vgl. Schenk 2007). In der „Langzeitstudie Massenkommunikation“ gaben 2010 58% der Befragten an, es träfe „voll und ganz“ oder „weitgehend“ zu, dass sie fernsehen, um mitreden zu können. Beim Radio waren es 52%, bei der Tageszeitung 76% und beim Internet 51%. Im Gegensatz zu den anderen Medien hat sich beim Internet der Anteil derjenigen, die „Mitredenkönnen“ als Nutzungsmotiv angeben, in den letzten Jahren deutlich erhöht: Gegenüber der Untersuchung von 2005 hat es um sechs Prozentpunkte zugelegt, wohingegen beim Fernsehen ein Rückgang um sechs Prozentpunkte zu verzeichnen ist, beim Radio von minus einem Prozentpunkt und bei der Zeitungslektüre von minus drei Prozentpunkten (vgl. Engel/Ridder 2010: 538f.). Durch das Aufkommen des Internets stellt sich die Frage nach dem Zusammenspiel von interpersonaler und massenmedialer Kommunikation neu. Das hat insbesondere mit der Technik zu tun, die Kommunikation über beide Formen parallel auf ein und derselben technischen Plattform ermöglicht. Die großen, allen zugänglichen Angebote im „World Wide Web“ entsprechen den Angeboten der klassischen Massenmedien. Oft handelt es sich um Online-Ableger wie z. B. „Spiegel Online“, aber auch um Websites von Suchmaschinen, Waren- oder Dienstleistungsanbietern. Information, Unterhaltung oder Werbung, die auf solchen Seiten platziert sind, richten sich an eine breite Öffentlichkeit, erreichen einen ähnlichen Nutzungsumfang wie Angebote klassischer Massenmedien und entfalten damit zumindest theoretisch ein ähnlich großes Wirkungspotenzial. Gleichzeitig bietet das Internet mit Diensten wie E-Mail auch die Möglichkeit, private Kommunikation abzuwickeln. Diese richtet sich ausschließlich an einzelne Adressaten und kann nur von diesen gelesen werden. Des Weiteren ist es möglich, via Internet zu telefonieren oder sich live in Videokonferenzen auszutauschen. Außerdem besteht die Möglichkeit in Foren, nicht-öffentliche Bereiche zu schaffen, in denen sich Encounters austauschen, die dann wiederum jederzeit beschließen können, ihre Kommunikation allen zugänglich und damit öffentlich zu machen.
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Prinzipiell gibt es also keine Barrieren mehr, private Kommunikation öffentlich zu machen. Sie wird so allerdings nicht automatisch zur Massenkommunikation, da sie in der Regel nur ein kleines Publikum erreicht. Aus Sicht seiner Nutzer ist das Internet aber nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch ein Medium unterschiedlicher Kommunikationsarten. Es verbindet Massenkommunikation und interpersonale Kommunikation und löst den oben skizzierten Widerspruch auf. Dies lässt sich an den Nutzungsmotiven und der Art, wie das Internet genutzt wird, ablesen. Internet und interpersonale Kommunikation Motivation zur Internetnutzung
Die „Langzeitstudie Massenkommunikation“, in der alle fünf Jahre 4.500 zufällig ausgewählte Personen ab 14 Jahren zu ihren Motiven der Mediennutzung befragt werden, liefert genauere Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Internet und interpersonaler Kommunikation. Wie bereits erwähnt, gaben 2010 51% der Befragten an, es träfe „voll und ganz“ oder „weitgehend“ zu, dass sie das Internet nutzen, um mitreden zu können. Mit 54% stimmten mehr Männer dem Nutzungsmotiv zu als Frauen (47%). Bei allen anderen Medien liegt der Wert bei den Frauen höher. Interessant ist auch, dass sich die Zustimmung zum Nutzungsmotiv „Mitredenkönnen“ zwischen den Jungen (50% bei den 14-29-Jährigen) und den Älteren (52% bei den über 50-Jährigen) kaum unterscheidet. Wenn man die Befragten zum direkten Vergleich der Medien animiert, dann verliert das Internet 2010 noch gegenüber dem Fernsehen und der Tageszeitung: Für 34% der Befragten trifft das Motiv „Mitredenkönnen“ am meisten auf die Fernsehnutzung zu, für 31% auf die Nutzung der Tageszeitung, für 14% auf das Radiohören und für 20% auf das Internet. Allerdings hat sich seit 2005 der Wert für das Internet von damals 11% bis 2010 nahezu verdoppelt. Die Werte von Radio und Zeitung sind nahezu konstant geblieben, wohingegen das Fernsehen gegenüber 2005 an Dominanz deutlich verloren hat (vgl. Ridder/Engel 2010: 538f.). Die Daten belegen den engen Zusammenhang zwischen Internetnutzung und interpersonaler Kommunikation und deuten darauf hin, dass sich dieser in den letzten Jahren eher noch verstärkt hat, was wahrscheinlich auch mit den Möglichkeiten des Web 2.0 zusammenhängt. Am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wurde 2007 eine Studie mit 432 Befragten ab 14 Jahren durchgeführt, wobei die Befragten nach Alter und Geschlecht quotiert waren. Die Inter-
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views wurden von 144 Studierenden geführt. Die Teilnehmer wurden unter anderem gefragt, ob sie in der vergangenen Woche mit anderen über Themen aus den Medien gesprochen haben. Knapp 90% (386 Personen) hatten das getan. Gut jeder achte von diesen gab an, über das Internet gesprochen zu haben. Insofern ist das in der „Langzeitstudie Massenkommunikation“ erhobene Nutzungsmotiv in Bezug auf das Internet keine reine Worthülse. Die Menschen nutzen das Internet nicht nur, „um mitreden zu können“, sie reden auch darüber. Und zwar vor allem die Teens und Twens, wie Tabelle 1 belegt. Tab. 1:
Medien als Thema in persönlichen Gesprächen nach Alter (Angaben in %) unter 30 Jahre (n=126)
Fernsehen Zeitung Internet Radio Sonstiges
ab 30 Jahre (n=206) 59 10 20 7 5
gesamt (n=386) 46 25 9 15 4
50 20 13 13 4
Von den Unter-Dreißigjährigen, die in der vergangenen Woche über Medien gesprochen haben, hat jeder fünfte in diesem Gespräch das Internet thematisiert. In dieser Altersgruppe reden zwar mit sechs von zehn die meisten Befragten über das Fernsehen, doch dann folgt bei ihnen schon das Internet. Sie thematisieren doppelt so häufig Inhalte aus dem Internet als solche aus der Zeitung; im Vergleich mit Radioinhalten werden Netzthemen gar dreimal so häufig besprochen. Akzeptiert man die Quotenstichprobe als Annäherung an ein Zufallsverfahren, dann sind die Differenzen zwischen den Altersgruppen statistisch aussagekräftig (Chi2=25,3, p<0,001), was eher für eine allgemeine Ausweitung der Gespräche über das Internet spricht, da die Jüngeren in der Regel die zukünftige Entwicklungstendenz andeuten. Art der Internetnutzung
Aus derselben Befragung stammen Daten zur Häufigkeit des direkten Zusammenhangs zwischen Gesprächen und der Internetnutzung. Vorstellbar sind hier beispielsweise Gespräche im Vorfeld der Internetnutzung: Hier hat ein Nutzer vielleicht im Kontakt mit einem Bekannten erfragt, wo man etwas Bestimmtes findet, oder hat im Gespräch von interessanten Inhalten erfahren und diese anschließend im Internet gesucht. Ein solches Verhalten tritt aber eher selten auf (vgl. Tab. 2): Gut jeder Zweite gibt an, das „fast nie“ zu tun, und jeder Dritte verhält sich nur
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„selten“ so. Anders sieht es mit Gesprächen während der Internetnutzung aus: Es finden sich nahezu gleich viele, die das „fast nie“ bzw. „selten“ oder „öfter“ bzw. „fast immer“ tun. Vorstellbar sind aber auch Gespräche im Anschluss an die Internetnutzung. Vielleicht hat man etwas Interessantes gefunden und will andere darüber informieren, oder es traten Probleme auf, etwas zu finden oder zu verstehen, und im Gespräch erhofft man sich Abhilfe. Ein Viertel der Befragten geht fast nie so vor, ein anderes Viertel hingegen öfter oder fast immer und jeder zweite verhält sich nur selten so. Tab. 2:
Gesprächshäufigkeit im Kontext der Internetnutzung nach Alter (Angaben in %)
fast nie selten öfter fast immer
vorher unter 30 über 30 (n=135) (n=241) 35 54 36 29 10 15 1 2
während unter 30 über 30 (n=135) (n=241) 18 44 35 36 40 16 8 4
nachher unter 30 über 30 (n=135) (n=241) 24 27 47 46 24 22 4 5
Die folgenden Daten dürfen im Kontext ihrer Erhebung nicht überbewertet werden. Sie basieren nicht auf einer belastbaren Zufallsauswahl und wurden zu einem anderen Zweck erhoben, sodass genauere Angaben dazu fehlen, wie und worüber geredet wurde. Allerdings fallen die Tendenzen so eindeutig aus, dass mit einigem Recht behauptet werden kann, dass sie sich verallgemeinern lassen, auch wenn die einzelnen Parameter keine genauen Schätzungen erlauben. Akzeptiert man wiederum den Chi-Quadrat-Test als Indikator für interpretierbare Unterschiede zwischen den Altersgruppen, dann unterscheiden sie sich nicht in Bezug auf die Gespräche vor der Internetnutzung (Chi2=4,7, p=0,21) und nach der Internetnutzung (Chi2=0,6, p=0,89), dafür aber deutlich in Bezug auf den Zeitraum während der Internetnutzung (Chi2=40,57, p<0,001). Allgemein wird eher nach als vor der Internetnutzung geredet, am häufigsten wird aber während der Internetnutzung mit anderen kommuniziert. An dieser Stelle wird bewusst der Begriff „geredet“ vermieden, da leider anhand der Daten nicht nachvollziehbar ist, wie die Befragten die Aussage „Ich unterhalte mich mit anderen Personen während der Internetnutzung“ interpretierten. Zum einen sind natürlich persönliche Gespräche zwischen Anwesenden gemeint, von denen einer im Internet „surft“. Das entspricht vielleicht nicht dem typischen Bild eines Internetnutzers, tritt aber dennoch häufiger auf, als man gemeinhin denkt. Es könnte
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sich aber auch um Unterhaltungen handeln, die zwar während der Internetnutzung, nicht aber zwischen Anwesenden vor Ort stattfinden. Solche könnten über technisch vermittelte Kommunikation, vielleicht übers Telefon, wahrscheinlicher aber über das Internet (Chat, E-Mail etc.) vermittelt stattfinden. So ließe sich auch zumindest der Altersunterschied deuten. Hier fällt auf, dass sich insbesondere die Unter-Dreißigjährigen oft während der Internetnutzung unterhalten. In der ARD/ZDF-Online-Studie von 2010 ergeben sich ebenfalls große Altersunterschiede. Zwar lassen sich analytisch keine exakten Vergleiche zwischen beiden Studien anstellen, aber einige Plausibilitätsschlüsse liegen zumindest nahe. Bei zwei typischen Nutzungsweisen des Internets fällt die Differenz zwischen der Gesamtnutzung und der Nutzung der Jungen (a) besonders groß aus und (b) zugunsten der Jungen aus: Insgesamt geben 19% der Befragten an, mindestens einmal pro Woche Gesprächsforen, Newsgroups oder Chats zu nutzen, bei den 14- bis 19Jährigen sind es hingegen 63% gegenüber 4% unter den Nutzern, die älter als 50 Jahre sind. Ähnlich sieht es bei den Online-Communities aus. Diese nutzen insgesamt 32% der Befragten mindestens einmal pro Monat. Unter den 14- bis 19Jährigen sind es mit 79% weit mehr; und auch die 20- bis 29-Jährigen nutzen diese Kommunikationsform mit 62% noch überdurchschnittlich häufig, wohingegen sich nur sieben Prozent der ab 50-Jährigen mindestens wöchentlich an Communities beteiligt (vgl. van Eimeren/Frees 2010). Demnach besteht zumindest für die Jüngeren die Möglichkeit, ihre Unterhaltung während der Internetnutzung über die kommunikativen Dienste des Internets abzuwickeln. StudiVZ und interpersonale Kommunikation Da soziale Netzwerke im Internet gerade für die jüngere Nutzerschaft eine bedeutende Rolle bei der Internet- bzw. Mediennutzung spielt, rückt unter anderem die Plattform StudiVZ ins Blickfeld des wissenschaftlichen Interesses. Bei diesem stellen sich aber nicht nur die üblichen Fragen der Medienwirkung und Mediennutzung, sondern insbesondere auch die Frage nach dem Zusammenspiel massenmedialer und interpersonaler Kommunikation. Das resultiert vor allem aus den unterschiedlichen Funktionen, die das StudiVZ für die Nutzer erfüllt, indem es unterschiedliche Dienste auf unterschiedlichen Ebenen anbietet: Auf der oberen Ebene sowie an den Rändern der einzelnen Seiten macht das StudiVZ Angebote typischer Massenmedien. Je nach Seite gibt es Überblicks- und Navigationshilfen, Felder mit wechselnden aktuellen Informationen sowie Werbung. Aufgrund der großen Reichweite des StudiVZ in der Zielgruppe sind diese
Team oder Gegner?
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Bereiche als Massenkommunikation zu betrachten. Als zweite Ebene bietet die Online-Community individuelle Profile, in denen sich einzelne Studierende vorstellen. Diese sind zwar öffentlich und insofern mit Massenmedien zu vergleichen, erreichen aber oft nur eine – relativ zu typischen Massenmedien – geringe Verbreitung, da sie nur von Interessierten angesehen werden und nicht automatisch bei allen erscheinen. Dieser Teil ist aus Nutzerperspektive sozusagen halb-öffentlich. Privat sind demgegenüber solche StudiVZ-Dienste, die nur einem kleinen und vom Nutzer bzw. Anbieter definierten Personenkreis zugänglich sind. Es handelt sich vornehmlich um Nachrichten- und Kontaktfunktionen, die zwischen den einzelnen Mitgliedern vermitteln. Dieser Bereich entspricht der interpersonalen Kommunikation. Das heißt, im StudiVZ findet parallel private, halb-öffentliche und massenmediale Kommunikation statt. Daraus resultieren neue Fragen und Forschungsfelder für die Kommunikationswissenschaft. Anhand ein und derselben Plattform lassen sich unterschiedliche Foren der Öffentlichkeit untersuchen. Das ist für die Analyse der unterschiedlichen Funktionen und Effekte des jeweiligen Öffentlichkeitsforums insofern hilfreich, als sie sich auf Plattformen wie StudiVZ unter denselben Bedingungen untersuchen lassen. Damit können Differenzen zwischen den Foren auf die unterschiedlichen Öffentlichkeiten zurückgeführt werden und werden nicht durch zusätzliche Unterschiede zwischen den Foren überlagert. Eine weitere Neuerung durch Plattformen wie StudiVZ ist, dass sie nicht nur Gegenstand, sondern auch Mittel zur Realisation von Studien sind. Literatur: Ball-Rokeach, Sandra J. (1985): The origins of individual media-system dependency. A sociological framework. In: Communication Research. 12. Jg., H. 4, S. 485-510. Berelson, Bernard (1949): What missing the newspaper means. In: Lazarsfeld, Paul F./Stanton, Frank N. (Hrsg.): Communication Research 1948 – 1949. New York: Harper, S. 111-129. Döveling, Katrin/Sommer, Denise (2008): Social Appraisal in der dynamischen Transaktion: Emotionale Aushandlungsprozesse und ihre komplexe Dynamik. In: Wünsch, Carsten/Früh, Werner/Gehrau, Volker. (Hrsg.): Integrative Modelle in der Rezeptions- und Wirkungsforschung: Dynamische und transaktionale Perspektiven. München: Fischer, S. 173-196. Dunlop, Sally A./Wakefield, Melanie/Kashima, Yoshihisa (2008): The contribution of antismoking advertising to quitting: Intra- and interpersonal processes. In: Journal of Health Communication. 13. Jg., S. 205-266. Engel, Bernhard/Ridder, Christa-Maria (2010) Massenkommunikation. Handout zur Pressekonferenz am 09.09.2010. http://www.media-perspektiven.de/fileadmin/downloads/media_perspektiven/PDF-Dateien/ARD_ZDF_ Medienkommission_-_Handout.pdf (29.09.2010). Erbring, Lutz/Goldenberg, Edie N./Miller, Arthur H. (1980): Front-page news and real-world cues: a new look at agenda-setting by the media. In: American Journal of Political Science. 24. Jg., S. 16-49. Gerhards, Jürgen/Neidhardt, Friedrich (1991): Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit: Fragestellungen und Ansätze. In: Müller-Doohm, Stefan/Neumann-Braun, Klaus (Hrsg.): Öffentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation. Oldenburg: BIS, S. 30-89.
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Soziale Netzwerke im Internet Kommunikationswissenschaftliche Einordnung und Forschungsüberblick1 Christoph Neuberger
1 Einführung Der Film „The Social Network“, der im Oktober 2010 in den deutschen Kinos anlief, erzählt den Gründungsmythos von Facebook: die Geschichte des HarvardStudenten Mark Zuckerberg, der – ausgehend von seiner Idee, das Freizeitleben auf dem Campus zu virtualisieren – ein weltweites Netzwerk geschaffen hat, das ihn zum jüngsten Milliardär gemacht hat. Wie wenige andere Angebote versinnbildlicht Facebook den Erfolg des Internets. Spätestens mit der Verfilmung sind soziale Netzwerke im Internet als wichtiger Bestandteil der Gegenwartskultur anerkannt.2 Zugleich löste der Film eine Diskussion über die Motive seines Gründers und die Macht von Facebook aus.3 Am Ende des gleichen Jahres kürte das „Time Magazine“ Mark Zuckerberg zur „Person of the Year“.4 Die Reihe der Superlative lässt sich fortsetzen: Im Juli 2010 erreichte Facebook die Marke von 500 Millionen Mitgliedern.5 Erstmals war Facebook im Jahr 2010 in den USA die meist genutzte Website vor Google.com: Knapp 9% aller „Visits“ konnte das Angebot (nach Angaben von Hitwise) verbuchen. Im zweiten Jahr in Folge war Facebook das am häufigsten in Google eingegebene Suchwort.6 Der Marktwert des Unternehmens
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Für hilfreiche Vorschläge zur Verbesserung des vorliegenden Textes danke ich Dr. Nina Haferkamp, Dr. Sonja Kretzschmar, Stefanie Letschert M. A. und Julia Neubarth M. A. C. N. – Die im Text genannten Internetadressen wurden zuletzt im Dezember 2010 auf ihre Richtigkeit überprüft. Vgl. z. B. Denby (2010); Hamann (2010a); Seidl (2010). Vgl. z. B. Borcholte (2010); Schultz (2010); Vargas (2010). Vgl. Grossman (2010/11). Vgl. Zuckerberg (2010). Vgl. Hitwise (2010).
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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wurde Anfang 2011 mit rund 50 Milliarden Dollar beziffert;7 die Rendite lag in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 bei etwa 30%.8 Die so genannten „sozialen Netzwerke“, zu denen neben Facebook auch Angebote wie MySpace, Friendster, StudiVZ und Xing zählen, sind zu einem bestimmenden Faktor des Internets geworden.9 Im öffentlichen Metadiskurs, der in den Massenmedien und im Internet geführt wird, wurden und werden die Chancen und noch öfter die Risiken des nur schwer fassbaren, amorphen Phänomens breit diskutiert.10 Soziale Netzwerke entziehen sich der raschen Einordnung, weil sie weder die Reihe der traditionellen Massenmedien noch die Reihe der Medien für interpersonale Kommunikation einfach fortsetzen. Sie zählen zu den partizipativen Angeboten („Social Media“), welche die Entwicklung des Internets in jüngerer Zeit vorangetrieben haben. Formaten wie Weblog, Podcast, soziales Netzwerk, kollaborative Website (wie Wikipedia), Video- und Fotoplattform (wie YouTube und Flickr), „Social Bookmarking“-Dienst (wie Digg) und „Microblogging“-Dienst (wie Twitter) ist gemeinsam, dass sich Laien mit ihrer Hilfe sehr weitreichend an der öffentlichen Kommunikation beteiligen können.11 Blieb ihre Rolle in den traditionellen Massenmedien bislang auf jene des Nutzers und Rezipienten beschränkt, können sie im „Social Web“ sowohl die Rolle des Anbieters als auch jene des Kommunikators übernehmen. Im vorliegenden Beitrag sollen soziale Netzwerke als kommunikationswissenschaftliches Forschungsobjekt erschlossen werden.12 Dafür ist zunächst eine Defini7 8 9
Vgl. Bernau (2011); Spiegel Online (2011a). Vgl. Schmidt (2011a). Zu den deutschsprachigen Angeboten im Bereich der sozialen Netzwerke und ihren Merkmalen vgl. Wagner/Brüggen/Gebel (2009: 18-38). 10 Vgl. z. B. Moorstedt (2006); Dworschak (2007); Blech et al. (2009); Hutt (2009); Pham (2010). Unter negativem Vorzeichen wurden Fragen des Datenschutzes (vgl. z. B. Hamann 2010b; Haupt 2010; von Kittlitz 2010) und anderer Formen des Missbrauchs wie „Identitätsdiebstahl“ (vgl. z. B. Meusers 2007; sueddeutsche.de 2009a) und „Cyberbullying“ (vgl. z. B. Padtberg 2009; Steinberger 2010), die öffentliche Selbstentblößung der Teilnehmer (vgl. z. B. Bernau 2008; Kutter 2008; von Gehlen 2010) sowie die Verarmung sozialer Beziehungen (vgl. z. B. Stout 2010) diskutiert. Diese öffentliche Beobachtungs- und Deutungsperspektive ist, der Medienlogik entsprechend, oft spekulativ, anekdotisch und fragmentarisch (vgl. Neuberger 2005a). Gleichwohl werden im Metadiskurs dadurch Themen gesetzt und Risiken definiert, auf die sich auch die Forschung bezieht. Außerdem lassen sich relevante Einzelhandlungen von Betreibern, Investoren, Regulierern, Verbraucherschützern oder Nutzern kaum anders als durch Medienberichte erfassen, weshalb sich auch eine Gesamtdarstellung auf sie stützen muss. 11 Vgl. Alby (2007); Ebersbach/Glaser/Heigl (2008); Schmidt (2009). 12 Dieser Beitrag ist als aktuelle Standortbestimmung aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht gedacht, die über die in diesem Band nachfolgenden, zeitlich aber vorausgehenden Studien hinausreicht. Die Kommunikationswissenschaft droht in der wachsenden Konkurrenz wissenschaftlicher
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tion und grundlegende Einordnung des Formats aus der Sicht des Faches notwendig (vgl. Abschnitt 2), bevor anschließend ein Forschungsüberblick gegeben wird: Daten zur Diffusion sozialer Netzwerke und zu Nutzermerkmalen sind aus der Marktforschung in großem Umfang verfügbar (vgl. Abschnitt 3). In der akademischen Forschung bestehen dagegen offensichtlich Lücken, auf die in Abschnitt 4 eingegangen wird: Soziale Netzwerke sind bislang vor allem aus sozialpsychologischer und pädagogischer Sicht empirisch untersucht worden, wobei sich die Studien auf die einzelnen Nutzer, also die Profileigner und -besucher konzentrieren, die isoliert oder im Kontext ihrer direkten Freunde betrachtet werden.13 Die Analyse von Netzwerkstrukturen, welche in größerem Zusammenhang die Beziehungen zwischen den Mitgliedern verdeutlichen,14 ist dagegen noch kaum Teil der Forschung, also z. B. die Frage, wie das Netzwerk die Entscheidungen seiner Mitglieder beeinflusst,15 welche Akteure besonders einflussreich sind,16 wie Informationen diffundieren und Mitglieder mobilisiert werden, sich egozentrierte Netzwerke bilden oder implizite Normen entstehen. Soziale Netzwerke in ihrer Gesamtheit, ihre innere Dynamik, ihre Regulierung und Steuerung sowie die Evolution des Formats sind bisher vernachlässigte Themen. Außerdem betrachtet die Forschung soziale Netzwerke bisher fast ausschließlich als „Treffpunkt“ von Freunden und Bekannten, also als „persönliche Öffentlichkeit“. Unterbelichtet bleibt die Rolle der Netzwerk-Betreiber und jener Akteure, die soziale Netzwerke professionell für das Erreichen partikularer Persuasionsziele (Werbung, „Public Relations“) oder publizistischer Ziele (Journalismus, Unterhaltung etc.) verwenden. Dadurch kommt es zur Amalgamierung von Kommunikation mit privater Relevanz mit jener Kommunikation, die bislang für die massenmediale Öffentlichkeit typisch war. Die Darstellung des Forschungsstands wird durch die folgenden Fragen gegliedert, die jeweils in der Kommunikationswissenschaft verwurzelt sind:
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Beobachtungs- und Deutungsperspektiven ins Hintertreffen zu geraten. Das Konvergenzmedium Internet bietet sämtlichen Disziplinen, die sich mit Kommunikation befassen, Ansatzpunkte. Momentan scheint die Kommunikationswissenschaft noch weit davon entfernt zu sein, ihrem transdisziplinären Anspruch bei der Analyse des Internets und auch speziell im Fall der sozialen Netzwerke gerecht zu werden. Vgl. Harrer et al. (2008: 308f.). Netzwerkanalysen haben in der Soziologie und Informatik eine längere Tradition. Zur sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung vgl. Stegbauer/Rausch (2006); Stegbauer (2008). Zur Anwendung der Methode der Netzwerkanalyse in der Kommunikationswissenschaft sowie ihrer Verbindung mit der Inhaltsanalyse vgl. Nuernbergk (2011, i. E.). Vgl. Onnela/Reed-Tsochas (2010). Vgl. i-cod (2010); Huffaker (2010).
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x In welchem (Konkurrenz- oder Ergänzungs-)Verhältnis stehen soziale Netzwerke zu anderen Kommunikationskanälen (vgl. Abschnitt 5)? x Was motiviert zur Teilnahme an sozialen Netzwerken (vgl. Abschnitt 6)? Wer erbringt die Gratifikationen? x Wie ändert sich in sozialen Netzwerken das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit (vgl. Abschnitt 7)? x Wie und mit welchem Erfolg betreiben Profileigner Selbstdarstellung (vgl. Abschnitt 8)? Die raschen Veränderungen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nutzerseite sowie kulturelle Differenzen bei der Diffusion und Aneignung sozialer Netzwerke führen dazu, dass die Aussagekraft empirischer Befunde zu relativieren ist. Längsschnittstudien und international vergleichende Studien sind bislang rar. 2 Definition und Einordnung des Formats Soziale Netzwerke im Internet sind ein Format, also eine verfestigte, institutionalisierte Gebrauchsweise eines technischen Mediums. Formate sind das Ergebnis der sozialen Aneignung eines Mediums; sie leiten an, wie das technische Potenzial eines Mediums selektiv genutzt werden kann, und rahmen das Handeln der beteiligten Akteure.17 Boyd/Ellison (2008: 211) definieren soziale Netzwerke im Internet („social network sites“) als … „web-based services that allow individuals to (1) construct a public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list of other users with whom they share a connection, and (3) view and traverse their list of connections and those made by others within the system. The nature and nomenclature of these connections may vary from site to site.”
Es ist durchaus fraglich, ob das in dieser oft zitierten Definition erfasste Alltagsverständnis auch wissenschaftstauglich ist. Eine inhaltliche Interpretation des Netz17 Vgl. Neuberger (2005b); von Kardorff (2008: 34f.). Gerade im Fall des multioptionalen und heterogen gebrauchten Internets ist es unzulässig, dem Medium in seiner Gesamtheit bestimmte Kommunikationsmöglichkeiten und -restriktionen technikdeterministisch zuzuschreiben, wie dies in seiner Frühphase geschehen ist (zur Kritik vgl. Höflich/Gebhardt 2001: 29-37; Scherer/Wirth 2002: 341f.; Döring 2003: 149-157; Misoch 2006: 56-62). Damals wurde – orientiert an älteren partizipativen Formaten (E-Mail, Chat, Usenet etc.) – angenommen, dass Internetkommunikation eine Kanalreduktion auf Textmitteilungen und das Fehlen sozialer, d. h. nonverbaler Hinweisreize, das Agieren unter falschen bzw. konstruierten Medienidentitäten sowie eine Unverbindlichkeit und Flüchtigkeit der Kontakte kennzeichnet. Die Kritik daran richtete sich nicht nur gegen die Pauschalisierung dieser Merkmale, mit der die Vielfalt der Aneignungsformen der technischen Optionen des Internets vernachlässigt wurde, sondern auch dagegen, darin ausschließlich negative Aspekte des Internets zu sehen. Die Weiterentwicklung des Internets lässt solche Gesamtcharakterisierungen noch weniger zu; im Speziellen gilt dies für soziale Netzwerke, die ein besonders hohes Maß an Formbarkeit und sozialer Offenheit besitzen (vgl. Abschnitt 5).
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werkbegriffs als eine besonders fluide Sozialform hält Stegbauer (2005: 205) für ungeeignet, weil der abstrakte Begriff und die Methode der Netzwerkanalyse im sozialwissenschaftlichen Verständnis für alle möglichen sozialen Phänomene offen sind, soweit sie durch Knoten und Kanten beschrieben werden können. Aus diesem Grund wird auch in diesem Beitrag und in diesem Band „soziales Netzwerk“ nur als die in der Praxis gebräuchliche Bezeichnung für das Angebotsformat im Internet verwendet.18 Die Besonderheit des Formats „soziales Netzwerk“ liegt im Abbilden und Sichtbarmachen der sozialen Beziehungen seiner Mitglieder.19 Nach Döring (2003: 43) besteht eine soziale Beziehung, wenn zwei Personen … „wiederholt miteinander Kontakt haben, also mehrfach zeitversetzt kommunizieren oder zeitgleich interagieren. Im Unterschied zum sozialen Kontakt als Einzelereignis erstrecken sich soziale Beziehungen über mehrere Zeitpunkte, so dass jeder einzelne Kontakt sowohl von den vorausgegangenen als auch von der Erwartung zukünftiger Kontakte beeinflusst wird.“
Durch die Abstimmung der Erwartungen entsteht eine gemeinsame „Beziehungsdefinition“ (ebd.). Einzelne Beziehungen lassen sich nach ihrer Qualität und Stärke charakterisieren (vgl. ebd.: 405-409). Die Gesamtheit der sozialen Beziehungen einer Person bildet das egozentrierte Netzwerk (vgl. ebd.: 409-413), das sich nach 18 In der Literatur wird häufig nicht klar zwischen „sozialen Netzwerken“, „virtuellen Gemeinschaften“, „Online-Communities“ und „Online-Gruppen“ unterschieden. Als wissenschaftliche Kategorie wird „virtuelle Gemeinschaft“ („Virtual Community“) aus soziologischer Sicht als wenig geeignet zurückgewiesen. Den so bezeichneten Angeboten mangele es zumeist an einer kollektiven Identität und sozialen Ordnung, die dafür notwendig wären. Darüber hinaus sei für tatsächlich im Internet existierende Gemeinschaften das Kriterium des „Virtuellen“ unnötig, weil das Internet keine spezifische soziale Ordnung erzeuge, argumentiert Gläser (2005). Auch nach Stegbauer (2005) sind der Gemeinschafts- und der Gruppenbegriff nicht geeignet; er zieht den abstrakten, universellen Netzwerkbegriff vor (so auch Stegbauer 2001: 67-93; von Kardorff 2008: 40f.). Eine ähnliche Position nimmt Haythornthwaite (2007: 128, 133) ein: Erst über eine Netzwerkanalyse der Beziehungen zwischen den Beteiligten ließe sich entscheiden, ob die Merkmale einer Gemeinschaft vorliegen (emotionale und soziale Unterstützung, kleinere und größere Dienstleistungen, Einhalten und Überwachen von gemeinsamen Normen, gemeinsame[r] Sprache, Zweck und Geschichte). Unter diesen Bedingungen lässt sich soziales Kapital leichter bilden; dieses besteht u. a. in generalisierter Reziprozität, Verhaltenssanktionen der Gemeinschaft und einem reduzierten Beteiligungsrisiko für Mitglieder. Zur Frage der soziologischen Einordnung vgl. auch Thiedeke (2003); Katz et al. (2004); In der Smitten (2007: 113-124). 19 Vgl. Boyd/Ellison (2008: 211-214); Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 68-82). Zweifelsfälle bei der Zuordnung konkreter Angebote zum Format „soziales Netzwerk“ ergeben sich dort, wo – wie in den traditionellen Massenmedien – einseitige Kontakte (z. B. bei der Rezeption von YouTube-Videos) und Beziehungen (z. B. „Follower“ in Twitter) dominieren. Ausgeschlossen werden müssten auch stärker aufgaben- als beziehungsorientierte „Communities“ (vgl. von Kardorff 2008: 40) wie z. B. „Communities of Practice“, in denen primär (professionelles) Wissen ausgetauscht wird (vgl. Johanning 2009). – Fragt man nach dem Ursprung des Formats „soziales Netzwerk“, so wird man einerseits in „virtuellen Gemeinschaften“, andererseits in personenzentrierten Individualformaten (wie privaten Homepages und Weblogs) Vorläufer entdecken können.
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Größe, Dichte, Heterogenität und Variabilität beschreiben lässt. Im Netzwerk wird Egos Handeln beobachtet und bewertet, was seine soziale Identität beeinflusst. Außerdem stellt es soziales Kapital dar, weil die Teilnehmer Ressourcen für Ego bereithalten (Wertschätzung, Liebe, Fürsorge, Hilfeleistungen) (vgl. Abschnitt 6.3). Nach Boyd (2006) kennzeichnet soziale Netzwerke, dass nicht ein bestimmtes Interesse, sondern Personen den Kristallisationspunkt bilden. Die Mitglieder können (im Rahmen festgelegter Optionen) ein persönliches Profil gestalten, in dem sie nicht nur Auskunft über sich selbst, sondern auch über ihre sozialen Beziehungen geben. Zur Teilnahme soll deshalb in erster Linie die Möglichkeit motivieren, bestehende Beziehungen zu pflegen oder neue Beziehungen aufzubauen (vgl. ebd.: 428-478). Die Mitgliederprofile sind die Knoten des Netzes, während die Beziehungen zwischen den Mitgliedern die Kanten bilden. Um eine Beziehung zwischen zwei Mitgliedern herzustellen, ist entweder eine beiderseitige Einwilligung („Friends“, „Contacts“) oder eine einseitige Verbindungsaufnahme („Followers“, „Fans“) erforderlich. Soziale Netzwerke bündeln unterschiedliche Kommunikationskanäle; dadurch ermöglichen sie Kommunikation, die sich nach Zugänglichkeit und Relevanz (öffentlich, privat), Teilnehmerzahl und Rollenverteilung („one-toone“, „one-to-many“, „many-to-one“, „many-to-many“), zeitlicher Struktur (synchron, asynchron) sowie Codes (Text, Bild, Video etc.) differenzieren lässt. Auf den persönlichen Seiten können auch Profilbesucher Mitteilungen hinterlassen. Außerdem beinhalten sie technisch generierte Daten, z. B. über die Zahl der Freunde. Der Grad der Zugänglichkeit eines Profils für Netzwerkmitglieder und Außenstehende ist variabel; sie kann vom Profileigner begrenzt werden. Soziale Netzwerke im Internet kommen dem in der modernen Gesellschaft gewachsenen Bedürfnis nach individueller und aktiv betriebener Beziehungspflege entgegen. Dieses ist ein Ergebnis der Individualisierung, eines „Gesellschaftswandels innerhalb der Moderne […], innerhalb dessen Verlauf die Menschen aus den Sozialformen der industriellen Gesellschaft – Klasse, Schicht, Familie, Geschlechtslagen von Männern und Frauen – freigesetzt werden“ (Beck 1986: 115; H. i. O.). Die steigende räumliche und soziale Mobilität haben den Radius und die Zahl der Beziehungen erhöht. Außerdem sind Beziehungsmodelle weniger stark normiert als in der Vergangenheit.20 Das Herstellen und der Erhalt sozialer Beziehungen werden
20 Vgl. Döring (2003: 403). „Die entscheidende Komponente des Gemeinschaftsverlusts besteht darin, daß das einzelne Individuum beim Aufbau verläßlicher, stabiler Unterstützungsbeziehungen zunehmend auf sich selbst zurückgeworfen ist, daß es seine soziale Einbindung mehr selbst bewerkstelligen muß als in sie selbstverständlich hineinzuwachsen, und daß es auch zunehmend weniger
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nun zu einer „individuell zu erbringenden Leistung“ (Diewald 1991: 252),21 wobei die „Zunahme von Freundschaftsbeziehungen einen gewissen Ausgleich für die teilwiese Erosion vorgegebener Sozialbeziehungen“ (ebd.: 256) schafft.22 Das Internet fördert einen solchen „vernetzten Individualismus“.23 Soziale Netzwerke als Vermittler des Beziehungsgeschehens sind ein Beispiel für die mit der Individualisierung wachsende Abhängigkeit von gesellschaftlichen Institutionen, durch die Optionen vorstrukturiert und standardisiert werden.24 Für die Einordnung in die Kommunikationswissenschaft bietet es sich an, soziale Netzwerke zunächst dem bisherigen Fachgegenstand gegenüberzustellen. Die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich in erster Linie mit medial vermittelter, öffentlicher Kommunikation. In der Vor-Internet-Ära dominierte dabei die „große“, durch Presse und Rundfunk hergestellte Öffentlichkeit. Kennzeichen dieser traditionellen (aktuell-universellen) Massenmedien sind u. a.:25 x die publizistische, öffentliche Relevanz der Angebote, die für ein anonymes Massenpublikum geschaffen werden und auch gesellschaftliche Erwartungen erfüllen sollen, x die professionellen Leistungserbringer, die in Redaktionen organisiert sind und öffentliche Kommunikation vermitteln, x die Einstufigkeit und Einseitigkeit der Beziehung zwischen den Medienanbietern und dem Publikum (d. h., dass die Mitglieder des Publikums einen di-
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solche verbindlichen Verhaltensmodelle wie die Ehe und die Familie gibt, die den Aufbau von Netzwerken anleiten und vorstrukturieren.“ (Diewald 1991: 252) Von formalen Beziehungen im Kontext gesellschaftlicher Teilsysteme, die z. B. zwischen Arbeitskollegen innerhalb einer Organisation oder zwischen Trägern von Leistungs- und Publikumsrollen eines Teilsystems bestehen (Verkäufer und Kunde, Arzt und Patient, Politiker und Bürger usw.), lassen sich persönliche Beziehungen abgrenzen, die sich im lebensweltlichen Kontext (Eltern-KindBeziehung, Liebesbeziehung, Freundschaft, Nachbarschaft usw.) herausbilden; hier dominiert die Beziehungs- gegenüber der Sachebene (vgl. Diewald 1991: 105-112; Döring 2003: 405f.). Starke, persönliche Beziehungen kennzeichnen Qualitäten wie ein hohes Maß an Emotionalität und Intimität, eine Vielfalt gemeinsamer Interessen und Aktivitäten (multiplexe Beziehungen), ein hoher Zeitaufwand sowie ein dauerhaftes, stabiles Engagement (vgl. Döring 2003: 407). Beziehungen lassen sich außerdem in zeitlicher Hinsicht nach Aufbau-, Bestands-, Krisen- und Auflösungsphase gliedern (vgl. ebd.: 413-418). Die Pluralisierung der Beziehungsoptionen und die Individualisierung von Beziehungsentscheidungen haben zu einer verstärkten, auch öffentlichen Reflexion, d. h. zu einer „Psychologisierung und Pädagogisierung von zwischenmenschlichen Beziehungen“ (Döring 2003: 404; H. i. O.) geführt. Dies mag auch den großen Widerhall von Beziehungsfragen im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken in den Medien erklären. Vgl. von Kardorff (2008: 41f.). Vgl. Beck (1986: 119); Beck/Beck-Gernsheim (1994: 21). Zum Folgenden vgl. Neuberger (2009).
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rekten Kontakt zu den Medien haben und auf die Rezipientenrolle beschränkt sind), x die Rolle der wenigen Medienanbieter als „Gatekeeper“, die den Zugang zur Öffentlichkeit kontrollieren, x die Flüchtigkeit der Publika, die nach der Rezeption eines Angebots (Fernsehsendung, Zeitungsausgabe etc.) wieder zerfallen, x die Isoliertheit der einzelnen Rezipienten (Dispersheit) sowie x die durchschnittlich hohe Reichweite der Angebote (Massenpublikum). Diese Merkmale von Presse und Rundfunk finden sich teilweise auch im Internet wieder, das als Konvergenzmedium auch diese Optionen umfasst. Soziale Netzwerke unterscheiden sich allerdings in wesentlichen Punkten: x Es überwiegt die lebensweltliche, private Relevanz der Mitteilungen für kleinere Kreise von Personen („persönliche Öffentlichkeit“) (vgl. Abschnitt 6.2),26 die zumeist untereinander bekannt sind und als Laien kommunizieren. Soziale Netzwerke sind daneben aber auch ein Ort der professionell betriebenen, publizistischen und persuasiven Kommunikation (vgl. Abschnitt 4). x Die Mitgliederprofile und andere Bereiche in sozialen Netzwerken besitzen durchschnittlich nur eine geringe Reichweite („Long Tail“).27 x Statt der einstufigen Kommunikation der traditionellen Massenmedien besitzen Netzwerke eine dezentrale, vielstufige Struktur. Durch die Diffusion von Informationen über viele Knoten hinweg können indirekte Wirkungen erzielt werden. x Außerdem ist die technisch erzwungene Einseitigkeit aufgehoben, weil allen Teilnehmern der flexible Wechsel zwischen der Kommunikator- und Rezipientenrolle und damit zweiseitige Kommunikation möglich ist (Interaktivität).28 x Die Rolle des Leistungserbringers und -empfängers ist nicht mehr eindeutig zwischen professionellen Redaktionen und Publikum aufgeteilt: Laien können wechselseitig füreinander Leistungen erbringen (Reziprozität); sie sind gleichzeitig Konsumenten und Produzenten („Produsage“) (vgl. Abschnitt 6.1).29
26 27 28 29
Vgl. Schmidt (2009: 105-115). Vgl. Anderson (2007). Vgl. Neuberger (2007a). Vgl. Bruns (2008).
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x Die Beteiligungsmöglichkeiten für Laien an der öffentlichen Kommunikation erweitert sich sowohl in der Kommunikator- als auch in der Anbieterrolle (Partizipation). Diese Rollen bleiben nicht mehr wenigen Medienvertretern und professionellen Sprechern vorbehalten. Selbstdarstellung wird nun auch von Laien betrieben (vgl. Abschnitt 8). x Öffentliche und private Kommunikation sind oft innerhalb eines sozialen Netzwerks vereint, wobei die Grenzlinie von den Netzwerk-Betreibern und den Profileignern durch Privatsphäre-Einstellungen festgelegt werden. Teilnehmer können zwischen allgemein zugänglicher und nur für festgelegte Adressaten bestimmter Kommunikation hin und her wechseln (vgl. Abschnitt 7). x Die Profileigner in sozialen Netzwerken können sich zeitlich stabil vernetzen. An die Stelle kurzzeitiger Kontakte treten andauernde Beziehungen, aus denen sich auch ein langfristiger Nutzen ziehen lässt (soziales Kapital) (vgl. Abschnitt 6.3). Die hier getroffene Unterscheidung zwischen einer professionell hergestellten, massenkommunikativen Öffentlichkeit, die auch im Internet anzutreffen ist, und einer partizipativen, von Laien bestimmten Öffentlichkeit ist idealtypisch, denn tatsächlich gehen beide oft ineinander über (vgl. Abschnitt 4). Eine vorschnelle Dichotomisierung, das Ziehen von nur scheinbar klaren Grenzlinien („Web 1.0“ vs. „Web 2.0“) gilt es hier also zu vermeiden. Diese Einordnung sozialer Netzwerke wird unten um eine zweite Einordnung ergänzt werden: Es stellt sich nämlich darüber hinaus die Frage, welche Kanäle bisher für Kommunikation im Freundschaftsnetzwerk verwendet wurden und in welchem Verhältnis dazu soziale Netzwerke stehen (vgl. Abschnitt 5). 3 Nutzung sozialer Netzwerke Aus der Marktforschung liegt mittlerweile eine Vielzahl von Ergebnissen über die Nutzung einzelner sozialer Netzwerke und des gesamten Formats vor. Nach der ARD/ZDF-Online-Studie 2010 verfügten 39% aller Internetnutzer ab 14 Jahren in Deutschland mindestens über ein Profil in einem privaten Netzwerk (vgl. Busemann/Gscheidle 2010: 364). Dies war gegenüber 2009 eine Steigerung um zehn Prozentpunkte (vgl. Busemann/Gscheidle 2009: 360).30 Die Nutzungsfrequenz ist 30 Nach der repräsentativen ACTA-Befragung verwendeten 2010 41% der Internetnutzer zwischen 14 und 69 Jahren „Community-Plattformen“ wie Facebook, Xing oder StudiVZ, davon griffen 51% „häufiger, regelmäßig“ darauf zu (vgl. Faehling 2010). Nicht-repräsentative Ergebnisse liefert dazu auch die Studie „Social Media Effects 2010“ (vgl. Tomorrow Focus Media 2010).
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vergleichsweise hoch: 45% der Nutzer mit eigenem Profil besuchten täglich ein privates Netzwerk (vgl. Busemann/Gscheidle 2010: 365). Im internationalen Vergleich ist Deutschland offenbar ein Nachzügler:31 Unter neun Ländern, in denen Nielsen (2009: 2) Online-Panels betreibt, besaß Deutschland Ende 2007 und 2008 die geringste Reichweite in der Kategorie „Member community websites“ (die „Social networking“ und „Blogging websites“ umfasst). Im Dezember 2007 lag die Reichweite („Active reach“) unter den Internetnutzern bei 39%, im Dezember 2008 bei 51%. Damit erzielte Deutschland zwar binnen Jahresfrist den größten Zuwachs, lag aber nach wie vor – gemeinsam mit der Schweiz – auf dem letzten Platz. Die globale Reichweite (gemessen in neun Ländern) gab Nielsen für 2008 mit 67% an. Brasilien, Spanien und Italien erzielten die höchsten Werte.32 Betrachtet man die Reichweite der einzelnen sozialen Netzwerke, so stieg diese weltweit bei Facebook sprunghaft an (2007: 11%, 2008: 30%), während das bis dato erfolgreichste Netzwerk MySpace einen Verlust hinnehmen musste (2007: 23%, 2008: 22%). Eine Aufschlüsselung nach Ländern zeigt, dass Facebook und MySpace nicht überall die höchste Reichweite erzielten, sondern dass in einigen Fällen länderspezifische soziale Netzwerke vor ihnen an der Spitze lagen. Als reichweitenstärkstes soziales Netzwerk in Deutschland wies Nielsen (vgl. ebd.: 8) für Dezember 2008 Wer-kennt-wen vor StudiVZ und MySpace aus. Während StudiVZ im Dezember 2008 mit 4,1 Millionen Besuchern („Unique Users“) noch vor Facebook lag, verlor das Angebot binnen Jahresfrist 14% der Besucher, während Facebook um 184% zulegte und im Dezember 2009 mit 6,9 Millionen Besuchern Rang drei unter den deutschen Netzwerken belegte (vgl. Nielsen 2010a). Bereits im März 2010 lag Facebook unangefochten an der Spitze (vgl. Tab. 1). Im September 2010 verzeichnete Facebook nach Nielsen (2010b; vgl. Schmidt 2011c) 16,2 Millionen Besucher und erreichte damit Platz neun unter allen deutschen
31 Die international tätigen Marktforschungsinstitute Nielsen und comScore erfassen in ihren OnlinePanels auch die Internetnutzung in Deutschland. Sie veröffentlichen für Deutschland und andere Länder allerdings nur selten Einzelergebnisse über soziale Netzwerke, sodass sich die Entwicklung nicht kontinuierlich nachvollziehen lässt. 32 Nach comScore (2010a) erreichte im Juli 2010 die Besucherzahl („Unique Visitors“) sozialer Netzwerke in Deutschland den Wert von 37,9 Millionen, was einen Anstieg um 47% gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Nach der absoluten Besucherzahl lag Deutschland damit hinter den USA und China auf dem dritten Platz. Weltweit wurden 945 Millionen Besucher erreicht (+23%).
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Websites. StudiVZ scheint (ebenso wie MySpace) in der Konkurrenz mit Facebook unterlegen zu sein.33 Tab. 1:
Am häufigsten genutzte soziale Netzwerke im März 2010 in Deutschland (zu Hause und am Arbeitsplatz) (vgl. Nielsen 2010c) Soziales Netzwerk
„Unique Audience“ (in 1000)
Zeit pro Person (hh:mm:ss)
Facebook
12.072
Stayfriends
6.954
03:31:52 00:20:55
Wer-kennt-wen
6.135
02:19:55
StudiVZ
4.009
01:37:00
MeinVZ
3.662
02:02:34
Eine besonders starke Nutzung privater Netzwerke ist unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen festzustellen (2010, tägliche Nutzung: 14-19 Jahre: 59%, 20-29 Jahre: 54%; vgl. Busemann/Gscheidle 2010: 365), die deshalb auch vorrangig Gegenstand empirischer Untersuchungen geworden sind.34 4 Struktur und Evolution sozialer Netzwerke Da bisher die Mikroebene der einzelnen Teilnehmer in der sozialpsychologischen und pädagogischen Forschung im Vordergrund stand, können Fragen zur Mesound Makroebene sozialer Netzwerke noch kaum beantwortet werden. Auf der Mesoebene, auf der das Netzwerk insgesamt oder in Teilen in den Blick genommen wird, wird die Akteurkonstellation (vgl. Abb. 1) zwischen den Betreibern des Netzwerks und den verschiedenen Nutzertypen analysiert. Dazu zählen die Profilbesitzer (Mitglieder), Profilbesucher und Werbetreibenden.35 Die Rolle des NetzwerkBetreibers ist ein neues Phänomen, da sie als Intermediäre das – bisher weitgehend ohne eine solche Hilfe ablaufende – Beziehungs- und Identitätsmanagement der 33 Vgl. Müller (2010); Schneller (2010) und den Beitrag „StudiVZ als Forschungsgegenstand“ in diesem Band. 34 Vgl. z. B. Ito et al. (2008); Gapski/Gräßer (2009); Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009); Herzig et al. (2010); Wagner/Brüggen/Gebel (2009); Wagner/Brüggen/Gebel (2010). 35 Akteure verfügen über jeweils eigene Einflusspotenziale, Interessen und Handlungsstrategien. Eine Akteurkonstellation entsteht, sobald Intentionen von mindestens zwei Akteuren interferieren (vgl. Schimank 2000: 81-85, 173-190). D. h., dass sich Akteure beim Erreichen ihrer Interessen beeinflussen, also behindern oder unterstützen. Für die dauerhafte Bewältigung solcher Interdependenzen entstehen soziale (Erwartungs-, Deutungs- und Konstellations-)Strukturen, die intentional gestaltet oder sich transintentional ergeben können. Ob Interessen realisierbar sind, hängt vor allem von den Einfluss- und Interessendifferenzen zwischen Akteuren ab.
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Mitglieder unterstützen.36 Als „Vermittlungsakteure“ (Schimank 2000: 271) müssen sie die eigenen ökonomischen Interessen und jene ihrer Werbekunden mit den in Teilen widersprechenden Interessen der Nutzer ausbalancieren, die z. B. ihre Privatsphäre nur beschränkt und kontrolliert öffnen oder „unzensiert“ schreiben und auf andere Websites verlinken wollen.37 Die Akteurkonstellation in sozialen Netzwerken weicht deutlich von jener in der Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien ab, in der Redaktionen über eine zentrale „Gatekeeper“-Rolle verfügen und sich das Publikum kaum exponiert.38 Abb. 1: Akteurkonstellation in sozialen Netzwerken Soziales Netzwerk im Internet
Mitglied (Profileigner)
Mitglied
Mitglied
Feste Beziehung im Netzwerk
Mitglied
WebsiteBetreiber
Mitglied
Profilbesucher
Mitglied
Werbekunden
Andere Websites
Massenmedien
Soziale Netzwerke kennzeichnet eine starke Personenzentrierung und hohe Stabilität; darin unterscheiden sie sich besonders von solchen publizistischen Medien, die sich primär über bestimmte Inhalte, Funktionen und Zielgruppen definieren. Ihre Massenpublika sind dispers (d. h., dass die Mitglieder isoliert sind und sich 36 Vgl. Voirol (2010). 37 Vgl. z. B. Wauters (2010). 38 Vgl. Neuberger (2007b: 145-151).
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wechselseitig nicht wahrnehmen können) und flüchtig (sie bilden sich nur kurzzeitig und zerfallen wieder). Die andauernde Präsenz der Mitglieder durch die Einrichtung von Profilen macht diese zu Fixpunkten und Knoten eines Netzwerks, dessen ebenfalls relativ stabile Verbindungen durch Listen und Hyperlinks für Besucher manifest werden. Bei der Gestaltung der Profile und der Bildung von Beziehungen verfügen die Mitglieder über einen relativ großen Spielraum.39 Diese Formbarkeit wird durch eine Vielzahl von Optionen unterstützt, die im jeweiligen Angebot zur Verfügung gestellt werden. Zwar gibt es neben universellen Netzwerken auch spezialisierte Netzwerke, z. B. Business-Netzwerke (wie Xing und LinkedIn) oder Netzwerke für bestimmte Lebensphasen (wie StudiVZ und SchülerVZ);40 die Steuerungsfähigkeit der Betreiber zur Durchsetzung solcher Zweckbestimmungen ist aber begrenzt.41 Das soziale Netzwerk rahmt das Handeln der Akteure also nur relativ schwach, sodass ein fortlaufender „Regelungsbedarf“ (Höflich 1997: 210) besteht, der sich nicht auf die Frühphase beschränkt. Diese Regulierung geschieht implizit durch Beobachtung und Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern, aber auch explizit durch die Mitgliedschaftsregeln der Betreiber. In öffentlichen „Netzdiskurse[n]“ (Höflich 1998: 155) werden solche Regeln ebenfalls ausgehandelt.42 Wagner/Brüggen/Gebel (2010: 45-54) haben in Einzel- und Gruppeninterviews mit Jugendlichen implizite und explizite Regeln in sozialen Netzwerken ermittelt. Sie betreffen den Grad der Authentizität der Selbstdarstellung, das Eingehen von Freundschaftsbeziehungen, das Streben nach Popularität, das Einmischen bei der Beobachtung von Normverstößen und die Beachtung formaler Normen des Netzwerk-Betreibers. Besonders die Ökonomisierung und Kolonialisierung privater Beziehungen durch Werbung, gestützt auf die Sammlung und Auswertung persönlicher Informationen der Nutzer, ist neu.43 Die Akzeptanz seitens der Netzwerk-Mitglieder soll dadurch erhöht werden, dass ihnen zusätzlich zu den Werbebotschaften attraktiver Content 39 Wie der Einfluss der Mitglieder sozialer Netzwerke bewertet wird, ist auch eine Frage des Vergleichsgegenstands: Gegenüber den traditionellen Massenmedien ist er größer, gegenüber der „Faceto-face“-Kommunikation und medialer Individualkommunikation (Telefon, Brief etc.), die bisher der Fremdregulierung weitgehend entzogen war, ist er eher geringer, da sich zwischen die Kommunikationspartner der Betreiber als Intermediär „schiebt“ und Nutzeraktivitäten vorstrukturiert. 40 Zur Typisierung sozialer Netzwerke vgl. Faber Novel (2007: 14-17). 41 So wird z. B. das Business-Netzwerk Xing für private Beziehungen „zweckentfremdet“ (vgl. Stradner 2005; Renz 2007: 91f.). 42 Allgemein zur wechselseitigen Bedingtheit von Handeln und Strukturen vgl. Schimank (2000). 43 Vgl. z. B. Beer (2008); Ritzer/Jurgenson (2009); werben & verkaufen (2009); Mejias (2010).
46
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(Unterhaltung, Beratung, „Community“ etc.) als Mehrwert geboten wird.44 Außerdem ist die Nutzung des Netzwerks gratis. Deren Betreiber geraten jedoch immer wieder in den Verdacht, beim Zugänglichmachen und Verwerten persönlicher Informationen vorsätzlich intransparent zu sein.45 Grundsätzlich haben Mitglieder die Sanktionsmöglichkeiten „Widerspruch“ („Voice“) und „Abwanderung“ („Exit“), um Unzufriedenheit gegenüber dem Betreiber auszudrücken. „Lock In“-Effekte dürften sie davon abhalten, Netzwerke allzu schnell zu verlassen. Andernfalls würde die in die Profilgestaltung und Netzwerkbildung investierte Zeit verloren gehen. Vor der Abwanderung wird es deshalb eher zur öffentlichen Kritik kommen, um den Betreiber zum „Einlenken“ zu bewegen. Das Internet vereinfacht die Koordination des Widerspruchs zwischen den Nutzern. Bei den Netz-Betreibern haben Proteste der Mitglieder, von Politkern und Datenschützern durchaus Wirkung gezeigt und zur Rücknahme einzelner Maßnahmen geführt.46 In sozialen Netzwerken entstehen Formen der Selbstregulierung („Governance“). Dazu gehören Proteste und subversive Gegenmaßnahmen wie die Anonymisierung des eigenen Profils,47 das Diskutieren und Mitformulieren von Richtlinien und Verhaltenskodizes sowie das Melden problematischer Inhalte.48 Darüber hinaus wurden auch rechtliche Schritte unternommen.49 Die Architektur eines sozialen Netzwerks, das der Betreiber vorgibt, sowie die Selbstgestaltung durch die Netzwerk-Mitglieder rahmen also das konkrete Handeln der Beteiligten,50 wobei vergleichende Studien zum Einfluss spezifischer Rahmensetzungen erst spärlich vorliegen: Papacharissi (2009) verglich diskursanalytisch die Architektur von Facebook mit jener des Business-Netzwerks LinkedIn und jener des privaten Netzwerks ASmallWorld. „Architektur“ definierte sie als „composite result of structure, design and organization“ (ebd.: 205), wodurch Rahmenbedingungen für das Nutzerverhalten gesetzt werden. Facebook ist offener gestaltet als die beiden anderen Netzwerke, was Zutritt, Normen und Gestaltungsoptionen betrifft. Dies erfordert einer44 45 46 47 48 49
Vgl. z. B. R. Fischer (2010); Pankratz (2010). Zu Facebook vgl. Richter (2010a, b, c); Spiegel Online (2011b); vgl. Abschnitt 7.4. Vgl. z. B. Lischka (2007); netzeitung.de (2009); S. Fischer (2010); Reißmann (2010). Vgl. Richter (2010d). Vgl. Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 282-284). So verklagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen Facebook im November 2010 wegen der Nichteinhaltung von Verbraucher- und Datenschutzstandards (vgl. faz.net 2010). Im Januar 2011 machte Facebook Zugeständnisse beim Umgang mit dem „Friend Finder“, nachdem der Hamburger Datenschutzbeauftragte ein Bußgeldverfahren eingeleitet hatte (vgl. Spiegel Online 2011c). 50 Vgl. Scherer/Wirth (2002: 355); Mejias (2010).
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seits mehr Aufwand der Mitglieder bei der Entwicklung und Abstimmung von Normen, bietet andererseits aber mehr Flexibilität bei der Normierung, Selbstdarstellung, der Information über kulturelle Präferenzen sowie der Wahl zwischen öffentlicher und privater Kommunikation. Davis (2010) befasste sich mit der Architektur des persönlichen Profils in MySpace, die einen nicht-anonymen und interaktiven Kontext für Selbstdarstellung bildet. Sie erlaubt den Mitgliedern eine relativ kontrollierte Darstellung ihrer „Real Life“-Identität und bietet ein Interaktionsforum für die Aushandlung der Identität mit den Profilbesuchern. Das Fehlen einer fixen Zweckbestimmung und Struktur sowie die Rolle der Mitglieder als wesentliche Mitgestalter sozialer Netzwerke zeigen auch die von Boyd/Ellison (2008: 214-219) skizzierten Entwicklungspfade einzelner Angebote: Auf frühe, aber längerfristig erfolglose Netzwerke (1997-2001) folgten mit Friendster (2002), MySpace (2003) und Facebook (2004) Vertreter, die das Format wesentlich prägten (vgl. ebd.: 215-219).51 x Friendster scheiterte in der englischsprachigen Version an der wachsenden Heterogenität und Abwanderung der frühen Mitglieder. In asiatischen Ländern hatte Friendster allerdings einen anhaltenden Erfolg.52 x MySpace profitierte anfangs von Bands, die ihre Fans „mitbrachten“, musste seine Führungsrolle aber an Facebook abtreten und einen großen Mitgliederverlust hinnehmen. Mittlerweile hat MySpace den Wettbewerb aufgegeben und will sich zu einer konsumorientierten Musik- und Video-Plattform wandeln.53 x Facebook öffnete sich in mehreren Schritten vom geschlossenen Netzwerk einer Universität (Harvard) zum allgemein zugänglichen Netzwerk, das unangefochtener Marktführer geworden ist. Netzeffekte, die zur Monopolisierung führen können, scheinen auch bei diesem Format zu greifen: Je größer die Teilnehmerzahl ist, desto wertvoller ist das soziale Netzwerk für das einzelne Mitglied und desto höher sind seine Wechselkosten.54 51 Zur Diffusion von StudiVZ vgl. den Aufsatz „StudiVZ als Gesprächsstoff“ in diesem Band. 52 Vgl. Spiegel Online (2009). 53 Vgl. z. B. Hofmann (2010a); Neumann (2010); Schmidt (2011b); Spiegel Online (2011d). Zum Verhältnis zwischen Bands und Fans auf MySpace vgl. Steinkamp (2009). 54 Ökonomen sprechen hier von „Lock In“-Effekten (vgl. Zerdick et al. 1999: 155-160; Faber Novel 2007: 9). Rushkoff (2011) vermutet eine geringe Nutzerbindung an soziale Netzwerke, weil soziale „Treffpunkte“ von Trends abhängig seien: „So when the trend leaders of one social niche or another decide the place everyone is socializing has lost its luster or, more important, its exclusivity, they move on to the next one, taking their followers with them. (…)We will move on, just as we did
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Kriterien einer erfolgreichen Diffusion und die Motivlagen der aufeinander folgenden Adaptorengruppen wären ebenfalls zu erhellen. Anfangs dürfte ein selbstzweckhafter, wenig zielgerichteter Umgang verbreitet gewesen sein, während in späteren Nutzergruppen eine pragmatische Haltung wichtiger wurde.55 Die Formbarkeit sozialer Netzwerke zeigt sich auch an ihrer Massenmedialisierung: x Durch die wachsende Präsenz von Presse- und Rundfunkanbietern56 sowie Publikumsaktivitäten, z. B. in Fan-Communities zu TV-Serien,57 vermischen sich partizipative und professionell-publizistische Angebots- und Nutzungsformen.58 In wachsendem Umfang werden in soziale Netzwerke standardisierte Unterhaltungsangebote (z. B. Web-Soaps wie die „Pietshow“ auf StudiVZ59 und Online-Spiele wie „FarmVille“ auf Facebook60) und journalistische Angebote61 eingebunden.62 Soziale Netzwerke sind durch Link-Empfehlungen im Freundeskreis auch für die Lenkung von Aufmerksamkeit auf publizistische Angebote wichtig geworden; dies gilt besonders für Facebook.63 x Darüber hinaus werden soziale Netzwerke für professionell-partikulare Kommunikation eingesetzt, z. B. für Kampagnen im Kontext von Wirtschaft und
55 56 57 58 59 60 61 62
63
from the chat rooms of AOL, without even looking back. When the place is as ethereal as a website, our allegiance is much more abstract than it is to a local pub or gym. We don't live there, we don't know the owner, and we are all the more ready to be incensed by the latest change to a privacy policy, or to learn that every one of our social connections has been sold to the highest corporate bidder.” Vgl. Scherer/Wirth (2002: 355f.). Vgl. Langer (2008). Vgl. Booth (2008). Dies gilt auch für die Videoplattform YouTube, die sowohl aus Gründen, die vom Fernsehen bekannt sind, als auch aus sozialen Motiven (soziale Interaktion, „Co-viewing“) genutzt wird (vgl. Haridakis/Hanson 2009). Vgl. Moorstedt (2008); Neubarth (2009). Vgl. Kontakter (2010). Vgl. Baume (2010); BDZV (2010). Nach einer Befragung deutscher Internetredaktionen waren im Mai/Juni 2010 unter den Tageszeitungen 96% in Twitter, 85% in Facebook, 64% in StudiVZ/MyVZ und 62% in MySpace aktiv, um zu publizieren und/oder mit den Nutzern zu interagieren (vgl. Neuberger/vom Hofe/Nuernbergk 2010: 64). Die höchste Bedeutung maßen die Redaktionsleiter Facebook und Twitter bei (vgl. ebd.: 65f.). In der repräsentativen Befragung von Purcell et al. (2010: 26) in den USA gaben 30% der Internetnutzer im Dezember 2009/Januar 2010 an, dass sie in einem sozialen Netzwerk wie Facebook ein nicht-journalistischen Anbietern folgen, um Nachrichten zu beziehen. 25% hielten es für wichtig, Nachrichten-Websites über soziale Netzwerke folgen zu können (vgl. ebd.: 42); dies galt vor allem für die 18- bis 29-Jährigen (39%). 17% der Internetnutzer hatten in sozialen Netzwerken Links auf Nachrichten gepostet oder solche kommentiert (vgl. ebd.: 44). Empirische Ergebnisse im Überblick bei Neuberger/vom Hofe/Nuernbergk (2010: 19).
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Politik.64 Werbetreibenden bieten soziale Netzwerke die Möglichkeit der genauen Anpassung an Konsumentenbedürfnisse, was sie als Werbeträger attraktiv macht.65 Nach comScore (2010c) war Facebook im dritten Quartal 2010 der mit weitem Abstand größte Träger für „Display Ads“ in Deutschland mit einem Marktanteil von 8,3% an allen „Ad Impressions“. Durch Marken-Communities können Unternehmen Kunden als „Fans“ oder „Followers“ binden und mit ihnen interagieren.66 Auch hier ist die Kontrolle des Anbieters begrenzt, d. h., dass Nutzer opponieren oder Profile zweckentfremden können.67 Kulturschaffenden dienen soziale Netzwerke als Plattform, über die sie ohne Intermediäre (wie Verlage und Plattenfirmen) einen direkten Zugang zu ihrem Publikum erhalten.68 Tab. 2:
Nutzungshäufigkeit von Funktionen innerhalb privater Communities/Netzwerke unter dem eigenen Profil, in % (ARD/ZDF-Online-Studie 2010, vgl. Busemann/Gscheidle 2010: 365) wöchentlich
täglich
Chatten Informieren, was im eigenen Netzwerk oder Freundeskreis passiert ist persönliche Nachrichten an CommunityMitglieder verschicken Beiträge und Kommentare innerhalb der Community schreiben Mitteilen, was ich gerade mache Suche nach Informationen Suche nach Kontakten, Bekannten Posten von Links und Informationen Anwendungen wie z. B. Quiz, Spiele oder Horoskope nutzen Fanseiten nutzen Hochladen von eigenen Bildern Hochladen von eigenen Videos
64 65 66 67 68
monatlich
seltener
nie
28
26
8
9
29
27
39
11
6
17
26
39
15
8
11
12
30
12
15
31
11 9 9 8
17 18 28 16
9 13 29 13
10 12 16 13
53 47 18 50
5
8
5
11
72
2 2 1
9 11 2
8 28 3
12 28 9
69 31 85
Zum US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 vgl. Kersting (2009); Zhang et al. (2010: 80f.). Vgl. z. B. Lischka (2010a); Spiegel Online (2010b); Städele (2010). Vgl. eMarketer (2010a, b); Pankratz (2010). Zu Verbänden im „Social Web“ vgl. Schmidt (2010). Vgl. z. B. Ewald (2010). Vgl. z. B. Steinkamp (2009); Suhr (2009).
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Soziale Netzwerke entwickeln sich also immer mehr zu Hybriden, die nicht auf die Pflege und das Knüpfen privater Beziehungen beschränkt sind.69 Deshalb ist es nicht angemessen, sie pauschal der „persönlichen Öffentlichkeit“ zuzuschlagen, auch wenn diese den Schwerpunkt bildet. Vielmehr ist es das Durchdringen der verschiedenen Ebenen und Bereiche von Öffentlichkeit, die soziale Netzwerke kennzeichnet. Die Fülle der möglichen Aktivitäten und Gratifikationen, die sich daraus ergeben, werden in der empirischen Forschung bisher nur begrenzt eingefangen. Relativ umfassend ist die Abfrage im Rahmen der ARD/ZDF-OnlineStudie (vgl. Tab. 2).70 Soziale Netzwerke können als Makroeffekt zur horizontalen und vertikalen Integration von Kommunikation im Internet beitragen (vgl. Abschnitt 7.1). Das Internet verfügt über das technische Potenzial, dass die politische Meinungsbildung nicht mehr auf verschiedene Öffentlichkeitsebenen („Encounter“-, Versammlungs-/ Themen- und Medienöffentlichkeit) verteilt sein muss, die vor allem „nach oben“, zu den reichweitenstarken Massenmedien hin weitgehend undurchlässig sind. Auf jeder Ebene gab es bislang eigenständige Kommunikations- und Medientypen, Formate und Angebote. Diese Fragmentierung lässt sich im Internet überwinden, weil hier alle Ebenen in einem Medium vereint sind, ja sogar in einem Angebot wie einem sozialen Netzwerk vereint sein können.71 Vor allem der Zugang zur „großen“ 69 Soziale Netzwerke beleben damit die Portal-Idee der neunziger Jahre wieder, nach der im Internet ein Universaldienst eine Vielzahl von Kommunikationsoptionen und Angeboten bündelt (vgl. auch Abschnitt 5) sowie als Navigator für den Rest des Internets fungiert. Dadurch sollen Nutzerzahlen und -bindung maximiert werden. Facebook ist z. B. im Juli 2010, gemessen nach „Unique Visitors“, die sechstgrößte Online-Videoplattform in Deutschland gewesen (vgl. comScore 2010b). Im November 2010 hat Facebook einen neuen E-Mail-Dienst („Messages“) angekündigt, der mit SMS, Instant Messaging und Facebook-Mitteilungen gebündelt werden soll, was Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz geweckt hat, weil so auch eine zentrale Sammelstelle für persönliche Informationen entsteht (vgl. z. B. Knop 2010; Stöcker 2010; sueddeutsche.de 2010). Im Unterschied zu den älteren Portalen (wie AOL, Yahoo, GMX und Web.de) sind soziale Netzwerke keine zentral organisierten, redaktionell betreuten Websites. Durch die Erweiterung der Dienste und Kanäle (derzeit besonders im Bereich der Mobilkommunikation) nähern sich die Portfolios der großen Anbieter (wie Facebook, Google, Yahoo, Amazon, Apple und Microsoft) einander an, und sie konkurrieren auf immer mehr Märkten. 70 Vgl. Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 112). 71 Vgl. Neuberger (2009: 41-50). Der Ausgangspunkt öffentlicher Meinungsbildungsprozesse soll nach Habermas (1992: 429-439) in der (zivil-)gesellschaftlichen Peripherie liegen, in der nicht-organisierte Bürger ihre lebensweltlich erfahrenen Probleme artikulieren. Ein Beispiel für die Moderation politischer Diskussionen mit Hilfe sozialer Netzwerke ist die im November 2010 gestartete Kooperation zwischen dem ZDF.infokanal und StudiVZ im Rahmen der Sendung „ZDF log“ (http://login.zdf.de/). Jugendliche können über StudiVZ Fragen an Politiker vorschlagen. Zum Einfluss sozialer Netzwerke auf politische Einstellungen und Partizipation vgl. Zhang et al. (2010). Zur Qualität politischer Diskussionen auf Facebook vgl. Kushin/Kitchener (2009). Zur Nutzung
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Öffentlichkeit wird nicht mehr alleine von wenigen journalistischen „Gatekeepern“ kontrolliert. Dies könnte zu einer weiteren Öffnung politischer Diskurse für einzelne Bürger und zivilgesellschaftliche Protestgruppen führen, die etwa via Facebook Anhänger gewinnen und mobilisieren können, wie das Beispiel „Stuttgart 21“ zeigt.72 Auch Karrieren von Akteuren und die Diffusion inhaltlicher Elemente (Themen, Meinungen, Informationen) können durch die größere Durchlässigkeit andere Verläufe nehmen. Im „viralen Marketing“ sollen derartige „Schneeball“-Effekte gesteuert werden.73 Zwar wird die Möglichkeit der erweiterten Partizipation und von „Bottom up“-Prozessen häufig thematisiert, sie ist aber empirisch noch kaum nachgewiesen.74 Die Bedeutung von Facebook und Twitter für die Proteste der politischen Opposition im Iran, in Moldawien, Tunesien und Ägypten wird z. B. kontrovers diskutiert.75 Rainie/Purcell/Smith (2011) haben im Rahmen einer repräsentativen Nutzerbefragung in den USA die hohe und vielfältige Beteiligung an zivilgesellschaftlichen Gruppen, Verbänden und Parteien über soziale Netzwerke im Internet belegt. Im Hinblick auf die Meso- und Makroebene stellen sich die folgenden Fragen, zu deren Beantwortung nur erste Hinweise gegeben werden können: x Wie und wozu werden Regeln zwischen Betreibern und Mitgliedern in sozialen Netzwerken ausgehandelt? Welche informellen und formellen Regeln gelten? Wie wird die Akzeptanz und Einhaltung der Regeln durchgesetzt? x Wie groß sind die Einflusspotenziale von Betreibern und Profileignern, ihre jeweiligen Interessen, z. B. in Konflikten über die Verwendung persönlicher Daten der Mitglieder, durchzusetzen? Werden Ansprüche der Mitglieder zugunsten ökonomischer Interessen beschnitten? Wie reagieren diese darauf? x Welche Struktur besitzt das Gesamtnetzwerk? Welche Dynamiken lassen sich innerhalb eines sozialen Netzwerks beobachten, z. B. die Diffusion von Themen, Diskursverläufe oder Popularitätszuwächse von Mitgliedern?
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politischer Informationen, die in sozialen Netzwerken verbreitet werden, vgl. Neuberger/vom Hofe/ Nuernbergk (2010: 17f.). Vgl. z. B. Bühler (2010); Ewald (2010). Im VZ-Netzwerk wurde eine Abstimmung zu „Stuttgart 21“ mit 1,2 Millionen Teilnehmern durchgeführt, außerdem wurden zum Thema rund 185 Gruppen gegründet (vgl. VZblog 2010). Auch zu Spaßaktionen und Facebook-Partys lassen sich Netzwerk-Mitglieder mobilisieren (vgl. z. B. Breer 2010; Kufer 2010; Neudecker 2010). Vgl. z. B. Pankratz (2010: 46-49). Vgl. Oetting et al. (2010). Die Rezeption politischer Informationen in sozialen Netzwerken ist im Vergleich zu anderen Internetangeboten, vor allem zu professionell-journalistischen Websites, so gering, dass hier noch kein wesentlicher Einfluss zu vermuten ist (vgl. Zubayr/Geese/Gerhard 2009: 638; von Pape/Quandt 2010: 394-397). Vgl. z. B. Gladwell (2010); Schmitt (2011); Staun (2011).
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x Welche Faktoren bestimmen die Netzwerk-Evolution, welche Pfadabhängigkeit entsteht? Wie bilden und ändern sich etwa Images sozialer Netzwerke? Wie tragen sie zur Selbstselektion von Mitgliedern und zum (sich selbst verstärkenden) Gebrauch des Angebots bei? Wie verändert das Größenwachstum die Struktur sozialer Netzwerke und die Eigenschaften ihrer Mitglieder?76 x Lassen sich individuelle und kollektive Lernprozesse beobachten, etwa im Umgang mit persönlichen Informationen? Welche Bedeutung spielen dabei der öffentliche Metadiskurs sowie die wechselseitige Beobachtung und Kommunikation? x Wie fügen sich soziale Netzwerke in das gesamte Internet ein? Tragen sie zur Integration der Netzwerköffentlichkeit bei, und zwar durch eine horizontale und vertikale „Entgrenzung“ (vgl. Abschnitt 7.1)? 5 Ersetzen oder Ergänzen anderer Kommunikationskanäle? Soziale Beziehungen werden über eine Vielzahl von Kanälen inner- und außerhalb des Internets aufgebaut und gepflegt.77 Neben Medien der Individual- und Gruppenkommunikation dient dazu die „Face-to-Face“-Kommunikation. Während das Identitäts- und Beziehungsmanagement78 bislang vornehmlich über private Kanäle ablief, verlagert es sich in den sozialen Netzwerken nun weiter in die Öffentlichkeit. Diese und andere Besonderheiten werfen Fragen nach dem Verhältnis zwischen den Kanälen auf: Wie beeinflussen soziale Netzwerke im Internet andere Kommunikationskanäle? Werden sie bevorzugt, und verdrängen sie andere, möglicherweise „wertvollere“ Beziehungswege?79 Führen sie zu einem „Beziehungsverlust“, oder aber zu einem quantitativen und qualitativen Zugewinn?80 Wie ergänzen die Kanäle einander im Verlaufe einer Beziehung81 oder in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation? Im Unterschied zur traditionellen Gratifikationsforschung, in der vor allem die Qualitäten der Massenmedien aus der Rezipientensicht ermittelt werden,82 geht es im vorliegenden Fall auch um Kanäle der interpersonalen Kommunikation, d. h.
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Vgl. Golbeck (2007). Vgl. Döring (2003: 421-427). Vgl. Schmidt (2009: 74-94). Vgl. Döring (2003: 435-438). Eine Verdrängung von „Face-to-Face“-Kommunikation durch das Internet generell ließ sich nicht nachweisen (vgl. Rice et al. 2007: 20). 80 Vgl. Döring (2003: 478-484). 81 Vgl. Döring (2003: 470-475). 82 Vgl. Schenk (2007: 681-757); Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 253f.).
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der interaktiven, überwiegend privaten Individual- und Gruppenkommunikation.83 Hier lässt sich an Modelle der Medienwahl anknüpfen, die Entscheidungen über die Nutzung von Kommunikationskanälen entweder rational, orientiert an Eigenschaften der Kanäle, oder durch soziale Faktoren zu erklären versuchen.84 Auch Substitutionseffekte des Internets müssen sowohl im Verhältnis zu den traditionellen Massenmedien als auch zu Kanälen der interpersonalen Kommunikation gemessen werden.85 Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 107f.) kamen in ihrer repräsentativen Befragung von 12- bis 24-jährigen Internetnutzern zum Ergebnis, dass die Nutzungshäufigkeit von „Online-Communities“ mit anderen Internetaktivitäten ausschließlich positiv korreliert. Dies galt in höchstem Maße für die Kanäle E-Mail und Instant Messaging. Lediglich mit der Nutzung von Online-Spielen bestand kein Zusammenhang. Kommunikationsaktivitäten konzentrieren sich also nicht auf einen Kanal, sondern werden über mehrere Kanäle gestreut. Die Frage, ob es zu einer Verdrängung gekommen ist, lässt sich auf dieser Basis allerdings noch nicht beantworten; dafür wäre eine direkte Abfrage von Nutzungsänderungen oder ein Zeitvergleich in einem Panel auf der Mikroebene erforderlich. Im Hinblick auf die Eignung von acht Kanälen der interpersonalen Kommunikation für zehn verschiedene soziale Situationen ergab sich in der Studie eine deutliche Überlegenheit des persönlichen Treffens für neun Situationen (Ausnahme war nur das „Sich-Verabreden“ als notwendige Voraussetzung für ein persönliches Treffen) (vgl. ebd.: 259-262). Danach folgten Telefon, Instant Messaging und SMS. Soziale Netzwerke wiesen relative Stärken beim Kennenlernen neuer Leute und Schließen neuer Freundschaften auf. Dies überrascht nicht, da die meisten interpersonalen Vergleichskanäle nicht-öffentlich sind, also eine Erweiterung des Freundes- und Bekanntenkreises kaum zulassen. Soziale Netzwerke besitzen ein „breites Funktionsspektrum“ (ebd.: 261), da sie von relativ wenigen Befragten für die verschiedenen Situationen als ungeeignet betrachtet wurden. Dies bestätigt die Annahme ihrer Multifunktionalität, die sich aus der breiten Palette der Kommunikationsoptionen ergibt. Dass die Nutzungshäufigkeit eine andere Rangordnung als die Stärken- und Schwächen-Bewertung aufweist – hier liegen persönliche Treffen 83 Vgl. Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 254-262). 84 Vgl. Misoch (2006: 95-113). Zur Bestimmung von Repertoire-Nischen interpersonaler Medien vgl. Feaster (2009). 85 Dies geschieht bisher aber nur ausnahmsweise wie z. B. in der Längsschnittstudie von Nam/Barnett (2010), in der für Korea die Nutzungsverschiebung zwischen Internet, Briefpost, Telefon, Mobiltelefon, Bildschirmtext und Fernsehen analysiert wurde.
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nur auf dem sechsten Rang der täglich ausgeübten Tätigkeiten (vgl. ebd.: 256) –, dürfte in erster Linie daran liegen, dass bei der Wahl eines Kanals auch die Kosten eine Rolle spielen, die bei Treffen besonders hoch sind, bei sozialen Netzwerken dagegen sehr gering.86 Zur Kanalwahl liegen nur wenige weitere Studien vor, in denen soziale Netzwerke berücksichtigt worden sind:87 x Kneidinger (2010: 98-108) hat die Verwendung von Kommunikationskanälen für Situationen untersucht, die sich „Strong Ties“ und „Weak Ties“ zuordnen lassen. Facebook spielte hier durchgehend nur eine geringe Rolle im Vergleich zu Telefon, SMS/MMS und persönlichem Treffen. Zwar gaben 44% der Befragten an, durch Facebook ihr Kommunikationsverhalten „eher schon“ geändert zu haben, doch blieben die Auswirkungen auf die anderen Kanäle relativ gering (vgl. ebd.: 110-112). x Nach einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung, die 2008 vom Institut für Demoskopie (2009) durchgeführt wurde, bevorzugten 14- bis 19-Jährige Internetchats, SMS und Telefon als Kommunikationskanäle. In allen anderen Altersgruppen war dagegen das persönliche Gespräch die beliebteste Form der interpersonalen Kommunikation. x Dutta-Bergmann (2006) bestätigte für die Kommunikation über die Anschläge des 11. September 2001 die Theorie der Kanal-Komplementarität. Danach konkurrieren funktional ähnliche Kanäle nicht, sondern werden gleichzeitig genutzt. Dies galt im vorliegenden Fall für die Beteiligung an Online-Communites sowie an der lokalen „Face-to-Face“-Kommunikation. x Westerman et al. (2008) kamen in einer Studie über die Kanalwahl bei der Suche nach Personeninformationen zum Ergebnis, dass soziale Netzwerke eine sehr große Bedeutung als Quelle für weniger bekannte Personen haben. Soziale Netzwerke haben gegenüber anderen Kommunikationskanälen eine Reihe potenzieller Vorteile: Die große Mitgliederzahl, Suchhilfen und Mitgliederprofile vereinfachen das Wiederfinden und die Auswahl neuer Beziehungspartner. Man bleibt nicht auf die Gelegenheiten beschränkt, die sich in der „Face-to-Face“-Kommunikation im näheren Umfeld ergeben, und man kann sich ohne langes „Abtas86 Tilema/Dijst/Schwanen (2010) analysierten das Verhältnis zwischen „Face-to-Face“-Kommunikation und elektronischen Kanälen (Telefon, E-Mail, SMS, Internet) für die Kommunikation mit Verwandten und Freunden. Die Befragung ergab u. a., dass direkte und elektronisch vermittelte Kommunikation positiv korrelieren. Für dringende Angelegenheiten wurden synchrone Kanäle bevorzugt, für weniger dringende asynchrone Kanäle. 87 Vgl. dazu auch den Aufsatz „Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne“ in diesem Band.
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ten“ über andere Personen informieren. Die Vielfalt der Kommunikationstypen sowie die raumzeitliche Unabhängigkeit der Kommunikation ermöglichen außerdem die zentrale und effiziente Verwaltung einer Vielzahl von Beziehungen. Die Annahme liegt nahe, dass soziale Netzwerke spezialisierte Kanäle verdrängen, die jeweils separat verwaltet werden müssen. Nach den Ergebnissen der repräsentativen ARD/ZDF-Online-Studie 2010 entwickeln sich private Netzwerke zu einem „Allin-One-Medium“ (Busemann/Gscheidle 2010: 366). Die in Netzwerke eingebetteten Funktionen werden dort stärker genutzt als in den spezialisierten Angeboten. Dies gilt z. B. für das Hochladen von Videos und Bildern sowie das Schreiben von Kommentaren und Beiträgen (vgl. ebd.: 366). Eine empirische Klärung müsste die subjektive Nutzereinschätzung der genannten Eigenschaften als relative Vorteile sozialer Netzwerke als Grund für den Kanalwechsel berücksichtigen.88 Die Unterschiede zwischen den Kanälen dürften bei weitem nicht so groß sein, wie es die „Zwei-Welten-Lehre“ behauptet: Vor allem in der Frühzeit des Internets war die Vorstellung einer abgekapselten „virtuellen Welt“ mit völlig anderen Kommunikationsbedingungen verbreitet, der in Cyberspace-Visionen ein erheblicher gesellschaftlicher Einfluss zugeschrieben wurde.89 Das Internet wurde als homogener Raum betrachtet, in dem Kommunikation – vor allem im Unterschied zur „Face-to-Face“-Kommunikation – geprägt sei durch Anonymität, fehlende persönliche Hinweise und Entkörperlichung (wegen der Textdominanz), virtuelle Identitäten, welche die Flucht aus sozialen Kategorien und Identitäten ermöglichen, eine soziale, zeitliche und räumliche Entkontextualisierung gegenüber der „Realwelt“ sowie die Unverbindlichkeit der Beteiligung.90 Diese Eigenschaften als Gesamtbeschreibung des Internets auszugeben, ging fehl.91 Auch soziale Beziehungen werden im multioptionalen Medium unter
88 Vgl. Mögerle (2009: 152-155). 89 Das folgende Zitat ist ein treffendes Beispiel dafür, wie in der journalistischen Berichterstattung mit anscheinend großer Gewissheit, aber empirisch unbelegt vom anekdotisch geschilderten Einzelfall auf eine ganze Generation und schließlich die gesamte Gesellschaft geschlossen wird: „Während sie mit ihren Eltern kaum noch redet, verbringt Sophie mehrere Stunden täglich vor dem Computer, um mit ihren ‚Freunden’ zu chatten. Die meisten Sozialkontakte spielen sich für das Mädchen im Netz ab, sie kommuniziert mit ihren Internet-Bekannten in der virtuellen Welt jedenfalls mehr als mit ihrer Familie. Die Generation der Zehn- bis Zwanzigjährigen lebt längst in einer Parallelwelt. Freunde finden, flirten, Beziehungen pflegen – das findet mittlerweile hauptsächlich per Chat und E-Mail statt, die wichtigsten Sozialkontakte sind virtualisiert. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Psyche – und möglicherweise auf lange Sicht für die Gesellschaft.“ (Arnu 2007) 90 Vgl. Misoch (2006: 59f., 115-123); von Kardorff (2008: 31f., 34). 91 Zur Kritik vgl. Parks/Floyd (1996); Höflich/Gebhardt (2001: 29-37); Scherer/Wirth (2002: 341f.); Slater (2002); Döring (2003: 149-157); Spears/Lea/Postmes (2007); Schmidt (2009: 73); Döring
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differenten Bedingungen gepflegt, und sie bleiben nicht auf das Internet beschränkt.92 Gerade in sozialen Netzwerken ist die Verwendung der realen Identität notwendig, weil nur so vorhandene, über andere Kanäle aufgebaute Beziehungen weitergeführt oder neue Beziehungen in andere Kanäle bis hin zur „Face-to-Face“Kommunikation transferiert und dort vertieft werden können.93 Online- und Offline-Kanäle der Beziehungskommunikation stehen also nicht isoliert nebeneinander, sondern kreuzen sich vielfach. Das Internet kann, z. B. in lokalen Gemeinschaften, die „Face-to-Face“-Kommunikation ergänzen und fördern.94 Die soziale Einbettung von Online-Gruppen in die „Realwelt“ kann auch dabei helfen, Interaktionsprobleme im Internet (wie mangelndes Vertrauen und Trittbrettfahrer) zu bewältigen.95 Die Pflege von Freundschaften im Internet spiegelt unter Jugendlichen weitgehend wider, was auch im Offline-Kontext als sozial angemessen gilt.96 6 Gratifikationen Die Beschäftigung mit der Frage nach den Gratifikationen, die das Publikum sucht und erhält, hat eine lange Tradition in der Kommunikationswissenschaft.97 Antworten darauf müssen den Gegebenheiten im Internet angepasst werden. Im Gratifikationsansatz wird vom (begrenzt) rationalen, Kosten und Nutzen abwägenden Rezipienten ausgegangen, der auf dieser Grundlage Medienangebote auswählt.98 Gratifikationen sozialer Netzwerke besitzen fünf Besonderheiten: x Bereits in Abschnitt 5 wurde ausgeführt, dass nicht mehr (nur) Gratifikationen traditioneller Massenmedien gemessen werden dürfen, sondern dass im Fall der sozialen Netzwerke Kanäle der interpersonalen Kommunikation funktionale Alternativen darstellen, die in einem Vergleich mitberücksichtigt werden müssen.
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(2010: 161). Als umfassende Kritik „populärer Enstrukturierungsfiktionen“ über das Internet vgl. Stegbauer (2001: 38-66). Vgl. Döring (2003: 424f.). Vgl. Döring (2003: 470-475). Vgl. Haythornthwaite (2007: 130f.). Diese Probleme können auch durch die Multiplexität von Beziehungen und der Ausübung sozialer Kontrolle durch Administratoren gelöst werden (vgl. Matzat 2005; Matzat 2009: 384f.). Vgl. Ito et al. (2008: 18). Vgl. Schenk (2007: 681-757). Vgl. Mögerle (2009: 128-139, 401f.). In der in Abschnitt 5 behandelten Frage der Kanalwahl sind die Gratifikationserwartungen bereits eingeflossen. Zum „Homo oeconomicus“ und seiner Kritik vgl. Schimank (2000: 71-106).
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x Im Unterschied zu den Gratifikationen der traditionellen Massenmedien, in denen eine klare Rollentrennung zwischen den professionellen Leistungserbringern und dem Publikum als Leistungsempfänger herrscht (das Publikum erhält Gratifikationen, die einseitig von den dafür bezahlten Redaktionen erbracht werden), entstehen Gratifikationen in sozialen Netzwerken zumeist erst aus der Interaktion ihrer Mitglieder und dem wechselseitigen Austausch von Leistungen (Reziprozität). Der Betreiber der Website stellt lediglich den Rahmen bereit, der dieses Vorhaben unterstützt (vgl. Abschnitt 6.1). x Gratifikationen ergeben sich nicht mehr allein aus der Rezeption standardisierter Medienangebote für ein Massenpublikum. Neben rezeptiven Gratifikationen sind auch kommunikative Gratifikationen möglich (Gewinnen von Aufmerksamkeit und Reputation etc.) und auch solche, die sich aus der Interaktion zwischen Mitgliedern ergeben (vgl. Abschnitt 6.2). Das Beziehungs- und das Identitätsmanagement sind die zentralen Gratifikationen in sozialen Netzwerken.99 Die Selbstdarstellung der Mitglieder im eigenen Profil ist auf die Teilnahmemotive abgestimmt (vg. Abschnitt 8).100 x Gratifikationen werden nicht nur zeitlich punktuell empfangen wie in Presse und Rundfunk, sondern es werden auch längerfristige Gratifikationen möglich, die den Erwerb von sozialem Kapital erfordern (vgl. Abschnitt 6.3). x In der Gratifikationsforschung wurden bisher die (finanziellen, zeitlichen, kognitiven etc.) Kosten der Medienrezeption (bzw. deren subjektive Wahrnehmung durch die Nutzer) nur selten berücksichtigt.101 Daneben müssen auch die potenziellen Kosten in das Kalkül einbezogen werden, die sich aus den Risiken der Nutzung (bzw. der Risikowahrnehmung) ergeben (vgl. Abschnitt 6.4). Besonders im Fall des Privatsphären-Schutzes sind die Netzwerk-Mitglieder zu sehr differenzierten Entscheidungen über den Grad der Offenlegung aufgefordert, der auch die Möglichkeit des Gratifikationserwerbs beeinflusst (vgl. Abschnitt 7.4). Kosten-und-Nutzen-Erwägungen beim Streben nach Gratifikationen („Homo oeconomicus“) können das Handeln der Netzwerk-Mitglieder alleine nicht erklä-
99 Vgl. Meister/Meise (2009); Schmidt (2009: 74-94); Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 210-217, 259-262). 100 Ein Schwachpunkt der vorliegenden Studien besteht darin, dass massenmediale, d. h. publizistische und politische Nutzungsmotive zumeist ausgespart bleiben oder zu ungenau abgefragt werden, etwa mit den unspezifischen Begriffen „Information“ und „Unterhaltung“ (vgl. z. B. i-cod 2010: 14). 101 Vgl. Mögerle (2009: 135-137, 276f.).
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ren. Darüber hinaus ist die Orientierung an Normen („Homo sociologicus“) zu berücksichtigen.102 6.1 Wechselseitiges Erbringen von Gratifikationen (Reziprozität)
Ob die Gratifikationserwartungen erfüllt werden, hängt in sozialen Netzwerken stark von der Bereitschaft der anderen Mitglieder zur freiwilligen Mitwirkung ab. Dabei wird oft die Wechselseitigkeit äquivalenter Austauschleistungen als Handlungsprinzip unterstellt, wobei zwischen einer direkten (zeitlich unmittelbaren oder aufgeschobenen) Reziprozität und einer generalisierten (indirekten) Reziprozität unterschieden werden kann.103 Beziehungsanbahnung und -pflege in sozialen Netzwerken, d. h. die Bildung sozialen Kapitals ist ein privates Gut. In anderen partizipativen Angeboten wie in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia,104 auf Verbraucherportalen oder in „Communities of Practice“105 geht es dagegen primär um die kollaborative Herstellung öffentlicher Güter, die durch Nicht-Rivalität im Konsum und Nicht-Ausschließbarkeit gekennzeichnet sind, d. h., dass auch Trittbrettfahrer, die nichts dazu beitragen, davon einen Nutzen haben.106 Soziale Netzwerke haben dieses Motivationsproblem in weitaus geringerem Maße: In eine „One-to-one“-Beziehung müssen in der Regel beide Seiten investieren, und nur sie profitieren davon; es kommt also eher zu einer direkten Reziprozität. Dieser Unterschied erklärt, weshalb – im Gegensatz zu anderen partizipativen Formaten, in denen die Nutzer mehrheitlich nicht selbst publizieren, sondern nur rezipieren – in sozialen Netzwerken die aktive und passive Beteiligung ausgeglichen ist. Nach der ARD/ZDF-Online-Studie 2010 beträgt die Gesamtnutzung („zumindest selten“) privater Netzwerke unter den Internetnutzern in Deutschland 39%; ebenfalls 39% der Befragten gaben an, ein eigenes 102 Dies zeigt sich etwa daran, dass sich Nutzer am Privatsphären-Schutz ihrer Freunde als impliziter Norm orientieren (vgl. Lewis/Kaufman/Christakis 2008; Utz/Krämer 2009). Zum „Homo sociologicus“ vgl. Schimank (2000: 37-69). 103 Vgl. Diewald (1991: 117-124). 104 Vgl. Stegbauer (2009). 105 Vgl. Johanning (2009). 106 Die Unterstellung einer generalisierten Reziprozität wird dann zweifelhaft, wenn ein erheblicher Anteil an Nur-Rezipienten („Lurker“) auf die Seiten zugreift oder an Nur-Fragenden (die selbst keine Antworten geben) auftritt (vgl. Matzat 2005: 179f.). Wenn die Mitglieder nicht in gleichem Maße am gemeinschaftlichen Werk mitarbeiten und es keine ökonomische Vergütung gibt, müssen andere Motive hinzukommen, damit Wissen und andere Leistungen „verschenkt“ werden, nämlich eine altruistische Haltung, das Streben nach Status und Reputation, dessen Erfolg durch „Reputationssysteme“ transparent gemacht werden kann, oder die Befolgung von Normen, deren (Nicht-) Einhaltung sanktioniert wird (vgl. Matzat 2005; Lampel/Bhalla 2007; Utz 2009; allgemein zu nicht-instrumentellen Handlungsantrieben vgl. Schimank 2000: 240-243).
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Profil zu besitzen (vgl. Fisch/Gscheidle 2010: 361f., 364). Den extremen Gegensatz dazu bildet die Internet-Enzyklopädie Wikipedia: Hier griffen zwar 73% aller Internetnutzer auf das Angebot zu, nur 3% davon waren aber aktiv Schreibende (vgl. ebd.: 363).107 6.2 Beziehungsmotive und -handeln
Hauptmotive für die Teilnahme an sozialen Netzwerken sind die Kommunikation mit Personen, zu denen bereits ein Kontakt besteht, der online ergänzt wird, und das Wiederauffrischen abgebrochener Kontakte. Die Suche nach neuen Kontakten und Flirten bzw. Dating sind nur nachrangige Motive. Dieser Befund lässt sich durch zahlreiche Studien stützen.108 Gemessen wurde dies durch die Abfrage von Nutzungsmotiven und des Nutzungsverhaltens sowie die Charakterisierung der geknüpften Beziehungen. Es sind nach Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 111) eher junge Nutzer, die ein weit verzweigtes Netzwerk spannen, in dem ihnen viele Nutzer nicht persönlich bekannt sind.109 Häufig dienen soziale Netzwerke zur Kommunikation mit Freunden, denen man regelmäßig auch „face-to-face“ begegnet, etwa an der Hochschule.110 Hier spielt die Raumüberwindung keine allzu große Rolle. Diese ist aber wichtig, wenn in einer neuen Lebensphase durch räumliche Mobilität „Face-to-Face“-Kommunikation mit Freunden schwieriger wird, also z. B. dann, wenn man zum Studium den Heimatort verlässt.111
107 Vgl. auch Haas/Trump/Gerhards/Klingler (2007: 219). 108 Vgl. z. B. Jones/Soltren (2005: 20); Lenhart/Madden (2007: 2, 5); Renz (2007: 92-95); Ito et al. (2008: 19); Kleimann/Özkilic/Göcks (2008: 6, 26f.); Köcher (2008); Livingstone (2008: 395); Luhmann (2008: 62f., 71); Maurer/Alpar/Noll (2008: 225); Raacke/Bonds-Raacke (2008: 171); Utz (2008: 240f.); Kreutzmann (2009: 64f.); Lenhart (2009: 6); Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 109-111); Schorb et al. (2010: 24f.) sowie die Aufsätze „Freundschaftspflege statt Kontaktsuche“ und „Oberflächlich und folgenlos?“ in diesem Band. Zu den Nutzungsmotiven vgl. auch Haferkamp (2010: 95f.); Kneidinger (2010: 92-98). 109 Nutzertypologien verdeutlichen das Mischungsverhältnis zwischen Risikowahrnehmung und Gratifikationserwartungen (vgl. Haas/ Trump/Gerhards/Klingler 2007: 219-222; Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009: 116-119, 154-202). – Den Unterschied zwischen gesuchten und erhaltenen Gratifikationen hat Luhmann (2008: 62f.) berücksichtigt: Sie hat die ursprünglichen Gründe für die Mitgliedschaft und die Gründe für die letzten fünf Besuche getrennt erhoben, ausgehenden von der Annahme, dass sich die Erwartungen den tatsächlich erzielbaren Gratifikationen anpassen. Die Mittelwertdifferenz zeigt, dass die Bedeutung von allen acht vorgegebenen Gründen zurückgeht. Am stärksten ist die Abnahme bei den Gründen „Neue Leute kennen lernen“ und „Alte Freunde wiederfinden“, wohl deshalb, weil nach einiger Zeit (fast) alle alten Freunde gefunden sind. 110 Vgl. Ellison/Steinfield/Lampe (2007); Lenhart/Madden (2007: 2). 111 Zur „Friendsickness“ beim Wechsel von der „High School“ zum „College“ vgl. Ellison/Steinfield/Lampe (2007).
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Lassen sich Unterschiede im Erfolg der Teilnehmer ausmachen? Kommt es eher zu einer Kompensation von Defiziten im Kontaktverhalten mit Hilfe sozialer Netzwerke („poor get richer“) oder zu einer Verstärkung vorhandener Vorteile („rich get richer“)? Zywica/Danowski (2008: 19) konnten in einer Befragung zu Facebook beide Thesen für unterschiedliche Nutzergruppen bestätigen: „Those more sociable (extroverted) and with higher self-esteem are more popular both offline and on Facebook supporting the Social Enhancement hypothesis. […] At the same time, another subset of users who are less sociable (introverted), have lower self-esteem, and are less popular offline, support the Social Compensation hypotheses because they are – and strive more to look – popular on Facebook and think that is important.” (ebd.: 19)
Eine andere Studie stützt die Kompensations-These: Nach Ellison/Steinfield/Lampe (2007) können Studierende mit geringem Selbstwertgefühl und geringer Zufriedenheit mit dem Hochschulleben Vorteile aus der Nutzung von Facebook ziehen.112 Nach romantischen Beziehungen suchen in MySpace vor allem Nutzer mit geringem Selbstwertgefühl. Jene mit hoher „emotionaler Intelligenz“ verzichten eher darauf (vgl. Dong/Urista/Gundrum 2008).113 6.3 Soziales Kapital
Aus sozialen Beziehungen können sich verschiedene Formen der sozialen Unterstützung ergeben, die unter dem Sammelbegriff „soziales Kapital“ als weiterer Gratifikationskategorie analysiert werden.114 Williams (2006), der Skalen für die Mes112 Bezogen auf die gesamte Internetkommunikation, finden sowohl die Kompensationsthese (vgl. Mesch/Talmud 2006) als auch die „Rich-get-richer“-These (vgl. Lee 2009) Unterstützung. 113 Soziale Netzwerke werden von Profilbesuchern auch zum sozialen Vergleich mit den Profileignern genutzt. Haferkamp (2010) hat experimentell die Wirkung der physischen Attraktivität anhand des Profilfotos und des beruflichen Erfolg, wie ihn der Lebenslauf ausweist, untersucht. Daneben werden in der Literatur weitere Formen des individuellen und gesellschaftlichen Nutzens sozialer Netzwerke angeführt, etwa soziales Lernen im Schulalter, der Erwerb von Medienkompetenz (vgl. Greenhow/Robelia 2009) und soziale Inklusion (vgl. Notley 2009), wie qualitative Fallstudien ergeben haben. Außerdem wird eine Wiederbelebung des Gemeinschaftslebens erwartet. Schon Rheingold (1994: 39-41) erhoffte die Entstehung „dritter Räume“ jenseits von Familie und Arbeit, in denen das informelle öffentliche Leben stattfinden kann, nachdem sie aus der Präsenzöffentlichkeit weitgehend verdrängt wurden: „Vielleicht ist [der, C. N.] Cyberspace einer der informellen öffentlichen Räume, in denen die Menschen den Wiederaufbau derjenigen Aspekte ihrer Gemeinschaft betreiben können, die verlorengingen, als die Tante-Emma-Läden durch Einkaufszentren verdrängt wurden.“ (ebd.: 41) 114 Diewald (1991: 70-83) unterscheidet in seiner allgemeinen Typologie der sozialen Unterstützung, die sich aus Beziehungen ergeben kann, zwischen konkreten Interaktionen sowie der Vermittlung von Kognitionen und Emotionen. Er trennt weiterhin zwischen direkten Effekten, die sich aus dem bloßen Bestehen der Beziehung ergeben (Befriedigung von Solidaritäts-, Zugehörigkeits- und Rückzugsbedürfnissen, Ausbildung und Stützung individueller Orientierungs- und Handlungskompetenzen), sowie Puffereffekten, d. h. positiven Wirkungen in Situationen, in denen ein spezifisches Problem zu bewältigen ist (vgl. ebd.: 91-100).
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sung von sozialem Kapital in Online- und Offline-Beziehungen entwickelt hat, unterscheidet zwei Arten sozialen Kapitals: x Überbrückendes („bridging“) soziales Kapital ergibt sich aus inklusiven, sporadischen Verbindungen, die zwischen sozialen Netzwerken hergestellt werden („weak ties“), d. h. aus Beziehungen zwischen Personen mit unterschiedlichem Hintergrund. Dieses „überbrückende“ Kapital fördert die Diffusion von Informationen, z. B. bei der Jobsuche, eine weiter gefasste Identität und eine generalisierte (indirekte) Reziprozität. x Gebundenes („bounding“) soziales Kapital resultiert dagegen aus exklusiven, engen Verbindungen innerhalb eines sozialen Netzwerks („strong ties“); es verschafft emotionale Unterstützung, den Zugang zu knappen Ressourcen (Geld, Reputation etc.) und die Möglichkeit, Solidarität zu mobilisieren; es fördert aber auch Gruppen-Antagonismen. Gemeinschaften benötigen „starke“ Beziehungen für das interne Management sowie „schwache“ Außenbeziehungen für die Umweltbeobachtung und –anpassung.115 Dem Internet wird sowohl die Zunahme als auch die Abnahme von sozialem Kapital zugeschrieben. Vor allem in der Frühphase der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurde ihm unterstellt, durch das Verdrängen von „Face-to-Face“Kommunikation soziales Kapital zu zerstören.116 Daran kritisiert Williams (2006), dass nur zeitliche Verschiebungen betrachtet wurden. Übersehen wurde das besondere Potenzial des Internets zur Bildung von sozialem Kapital, das sich – im Unterschied zum Fernsehen, das nur einseitige Kommunikation erlaubt – aus seinen Beteiligungs- und Interaktionsmöglichkeiten ergibt.117 Mittlerweile liegt eine Reihe von Studien vor, die eher dafür sprechen, dass das Internet die Bildung von sozialem Kapital fördert: In einer Regressionsanalyse der Daten des sozio-ökonomischen Panels in Deutschland kamen Bauernschuster/ Falck/Wosmann (2010: 15) zu folgendem repräsentativen Befund:118 „Die Nutzung von (schnellem) Internet hat einen positiven Einfluss auf das Sozialkapital. Insbesondere zeigt sich ein signifikanter Effekt bei der Anzahl der Freunde, dem Besuch von kulturellen Veranstaltungen und Sportveranstaltungen sowie beim politischen Engagement. Besonders starke Effekte finden wir für die Ergebnisvariable ‚Anzahl der Freunde’. Gleichzeitig ist aber der Koeffizient für die Ergebnisvariable ‚Freunde treffen’ klein und statistisch insignifikant. (…) Offenbar erleichtert das Internet zwar die Kontaktaufnahme mit potentiellen Freunden bzw. Auf-
115 Vgl. Haythornthwaite (2007: 130). 116 Vgl. von Kardorff (2008: 43f.). 117 Ein offensichtliches Beispiel dafür sind virtuelle Selbsthilfegruppen von Patienten (vgl. von Kardorff 2008: 44-46). 118 Vgl. auch Vergeer/Pelzer (2009).
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rechterhaltung des Kontaktes mit Freunden, erhöht aber nicht signifikant die Anzahl von so genannten face-to-face-Kontakten (verringert diese allerdings auch nicht). Daher liegt die Vermutung nahe, dass durch das Internet die Anzahl diverserer, schwacher Kontakte (weak ties) zunimmt, nicht aber starke Kontakte (strong ties), die häufiger face-to-face-Kontakte bedürfen.“
Norris (2004: 36f.) gelangte – vor dem Aufkommen sozialer Netzwerke – auf der Basis einer repräsentativen Nutzerbefragung zum Ergebnis, dass Online-Gruppen die Bildung von „überbrückendem“ und noch etwas mehr von „gebundenem“ sozialem Kapital fördern; diese Fähigkeit hing stark von der Art der Gruppe ab: Ethnische Gruppen und Lifestyle-Gruppen waren für beide Kapitalsorten am besten geeignet, Sport-Gruppen am wenigsten.119 Auch speziell soziale Netzwerke fördern vor allem die Bildung von „überbrückendem“ sozialem Kapital.120 Ellison/Steinfield/Lampe (2007) haben die Bildung von sozialem Kapital in Facebook mit Hilfe der Skalen von Williams (2006) untersucht: Neben „bridging“ und „bonding social capital“ haben sie zusätzlich „maintained social capital“ erfasst, das aus der Wiederherstellung unterbrochener Beziehungen resultiert. Nach ihren Ergebnissen gibt es eine positive Korrelation zwischen der Facebook-Nutzung sowie der Bildung und Behauptung von sozialem Kapital. Facebook fördere die Umwandlung latenter Beziehungen, die nicht aktiv betrieben werden, in schwache Beziehungen. Die Website sei dagegen weniger gut zur Bildung von „gebundenem“ sozialem Kapital geeignet. Facebook trage aber dazu bei, schon existierende (und zeitweise unterbrochene) enge Beziehungen aufrechtzuerhalten.121 Valenzuela/Park/Kee (2009) ermittelten in einer repräsentativen Studierendenbefragung einen (geringen) positiven Zusammenhang zwischen der Intensität der Facebook-Nutzung und der Bildung von sozialem Kapital, das sie mehrdimensional über Lebenszufriedenheit, soziales Vertrauen, bürgerschaftliches Engagement und politische Partizipation operationalisierten.122
119 Lee/Lee (2010) ermittelten einen positiven Einfluss einzelner Dimensionen von sozialem Kapital („Sociability“, „Generalized Norm“) auf die Nutzung von Online-Communities. 120 Vgl. Steinfield/Ellison/Lampe (2008); Zhang et al. (2010: 79f.). Allgemein zu dieser Frage vgl. Castells (2004: 406-410). 121 Rice et al. (2007: 25) vermuten, gestützt auf repräsentative Nutzerbefragungen in den USA und Großbritannien, dass durch das Internet lokales soziales Kapital eher reduziert wird, während allgemeineres, vielfältigeres und verwandtschaftsbezogenes Kapital eher anwächst. 122 Fundamental setzt die soziologische Kritik von Bauman (2009: 32) an: Soziale Netzwerke und Dating-Plattformen im Internet dienen ihm als Beispiel für die „Übertragung [der] Gesetzmäßigkeiten des Warenmarktes auf den Bereich zwischenmenschlicher Bindungen“.
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6.4 Risiken
Die Risiken des Internets sind sehr vielfältig.123 Hogben (2007: 8-16) unterteilt die speziellen Risiken sozialer Netzwerke im Hinblick auf die Privatheit (Sammlung persönlicher Informationen, Auswerten von „Datenspuren“ etc.), Sicherheit (Spam, Viren etc.), Identität („Phishing“, Freundschaftsbeziehung unter falschen Bedingungen) und soziale Bedrohungen („Stalking“, „Bullying“, Unternehmensspionage). Diese Risiken können auf verschiedenen Wegen reduziert werden: Neben Strategien der Nutzer selbst, deren Kompetenz durch Medienerziehung verbessert werden kann, können rechtliche Normen, die „Policy“ des Betreibers oder Providers, technische Maßnahmen sowie Forschung und Standardisierung dazu beitragen (vgl. ebd.: 17-24).124 Die Risikowahrnehmung der Nutzer wird durch das soziale Umfeld („Peergroup“, andere Nutzer, Eltern), Informationen der Plattformbetreiber, Medienberichte und pädagogische Angebote beeinflusst und geschärft.125 Fehleinschätzungen von Risiken können sich auf der Nutzerseite aus einem Mangel an Medienkompetenz und sozialer Kompetenz, auf der Anbieterseite aus zu geringer Transparenz ergeben.126 Nach der repräsentativen Befragung von Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 101f.) wurden 28% der Internetnutzer zwischen 12 und 24 Jahren schon belästigt, von 13% hatten andere Personen Fotos oder Informationen ins Internet gestellt, mit denen sie nicht einverstanden waren; 9% hatten selbst Dinge im Internet verbreitet, über die sich andere beschwerten.127 Die Studie zeigt weiterhin,
123 Sie lassen sich nach Inhalt, Personen und Verhalten gliedern (vgl. Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009: 276-282). 124 Zu Risiken sozialer Netzwerke und ihrer Bewältigung vgl. auch Wagner/Brüggen/Gebel (2009: 8195). In Deutschland haben sich Netzwerkbetreiber im Rahmen der FSM (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter) auf einen Verhaltenskodex zum Jugend- und Datenschutz geeinigt (vgl. FSM 2009). Der Deutsche Knigge-Rat hat sogar Höflichkeitsregeln für den Umgang in sozialen Netzwerken formuliert (vgl. Spiegel Online 2010a). 125 Vgl. Lewis/Kaufman/Christakis (2008); Gaidies (2009); Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 205f.); Utz/Krämer (2009); MPFS (2010: 46f.); Voirol (2010); Wagner/Brüggen/Gebel (2010: 24-27). 126 Vgl. Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 281f.). Zur Risikoverminderung durch die Unterbindung von Kontakten und das Melden beim Betreiber vgl. Schorb et al. (2010: 51-55). 127 Zu ähnlichen Befunden aus weiteren Befragungen von Jugendlichen in Deutschland vgl. MPFS (2010: 48-50); Schorb et al. (2010: 43-51). In der international vergleichend angelegten Studie „EU Kids Online II“ (vgl. EU Kids Online 2010), in der 2010 repräsentativ Kinder zwischen neun und 16 Jahren befragt wurden, wurden u. a. die Risikowahrnehmung und Erfahrungen mit problematischen Inhalten erfasst. Kinder aus Deutschland hatten relativ selten solche Erfahrungen gemacht. Für Ergebnisse aus den USA vgl. Madden/Smith (2010: 21-33).
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dass jene, die bereits belästigt wurden, dem Internet misstrauischer gegenüberstehen sowie eher unsicher und leichtfertig sind. „Diese Befunde deuten auf ein komplexes Wechselverhältnis zwischen Einstellungen, Nutzungsweisen und Erfahrungen hin: So kann eine leichtfertigere Haltung zu entsprechenden Nutzungsweisen führen, die die Wahrscheinlichkeit negativer Erfahrungen und ein Gefühl der Belästigung erhöhen. Verunsicherung geht eher mit eingeschränkten Formen der Nutzung einher, wodurch sich mögliche Risiken vermindern, viele Erfahrungen subjektiv aber dennoch als Belästigung empfunden und zugleich potenzielle Chancen der Internetnutzung nicht genutzt werden.“ (ebd.: 103f.)
Vor allem eine hohe formale Bildung, eine intensive Nutzung und hohe Relevanzeinschätzung des „Social Web“ schärfen den Blick für Risiken (vgl. ebd.: 204-206). Die bewusste Inkaufnahme von Risiken kann notwendig sein, um Chancen sozialer Netzwerke nutzen zu können, wie die Gruppendiskussionen mit Jugendlichen von Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink bestätigen: „Um (wieder)erkennbar zu sein, geben die meisten jungen Menschen mehr oder weniger sorglos eine Fülle von Angaben zu ihrer Person preis. Auch wenn sie wissen, dass sie sich damit als private Person veröffentlichen, müssen sie es dennoch tun, um die gewünschten Vorteile der Social Web-Nutzung erreichen zu können.“ (ebd.: 203f.)
In der Facebook-Befragung von Debatin/Horn/Hughes (2009: 94) übertraf der erzielte Nutzen die Risiken der Offenlegung persönlicher Informationen. Netzwerk-Mitglieder scheinen also zwischen dem Erreichen von Gratifikationen und dem Bedürfnis nach Schutz der Privatsphäre, also zwischen Chancen und Risiken abzuwägen (vgl. Abschnitt 7.3). Die Befragungsergebnisse von Utz/Krämer (2009) bestätigen eine solche Haltung: Waren „Impression Management“ und Narzissmus starke Motive für die Teilnahme, so wurde die Privatsphäre relativ wenig geschützt; war aber das Schutzmotiv groß, war auch der Umgang damit eher restriktiv. Im folgenden Abschnitt wird ausführlicher auf den Umgang mit Risiken eingegangen, die sich für die Privatsphäre der Nutzer in sozialen Netzwerken ergeben. 7 Öffentlichkeit und Privatheit in sozialen Netzwerken 7.1 Exkurs: Medien- und Öffentlichkeitswandel als Wandel von Beobachterverhältnissen
Fragen zur Privatheit wurden in der Kommunikationswissenschaft bisher recht selten behandelt.128 Deshalb soll das Thema hier in einem kurzen Exkurs zunächst eingeführt werden: Neu am Internet ist, dass viele Beteiligte Persönliches in der 128 Sie wurden vorrangig aus juristischer Sicht gestellt und konzentrierten sich auf Prominente als Gegenstand der Medienberichterstattung (vgl. z. B. Wanckel 2004). Burgoon (1982) hat Fragen zur Privatheit aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht systematisiert.
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Öffentlichkeit preisgeben und auch Dritte thematisieren; außerdem hinterlässt die Nutzung „Datenspuren“. Im Internet erweitert sich nicht nur die Menge an persönlichen Informationen, sondern diese sind auch leichter erfassbar. Insgesamt werden dadurch im Vergleich zu den traditionellen Massenmedien „Sichtbarrieren“ abgebaut. Medienhistorisch betrachtet, ist dies allerdings nicht außergewöhnlich: Der Medienwandel lässt sich nach Meyrowitz (1994) als eine Geschichte von Grenzziehungen und -aufhebungen beschreiben. Grenzen behindern die Beobachtung sozialer Situationen. Seine Grundannahme lautet: Je mehr Situationen getrennt sind, desto größer ist die Differenzierung von Rollen und Status (und umgekehrt), wobei Medien die Grenzen des Zugangs und der geteilten Erfahrung (als „Informationssphären“) wesentlich bestimmen.129 Jedes wichtige technische Medium setzt ihm zufolge eigene Bedingungen;130 insofern beschreibt er medienspezifische Formen gesellschaftlicher Medialisierung: Während die Presse eher trennend gewirkt habe, habe das Fernsehen Grenzen durchlässiger gemacht: Durch Bewegtbild und Ton konnte man Augenzeuge werden, ohne physisch präsent zu sein. Soziale Grenzen, die durch physische Distanzen verstärkt werden und räumlich markiert sind, verloren an Bedeutung. Informations-Netzwerke wurden integriert: Kinder erhielten Einblick in die Erwachsenenwelt, (Haus-)Frauen in die Männerwelt, die Autorität politischer Führer wurde durch mediale Nähe untergraben, die Grenze zwischen privater und öffentlicher Sphäre aufgeweicht (vgl. Meyrowitz 1990a: 218). Das Fernsehen integriere alle Gruppen in einer allgemeinen Sphäre.131 Dadurch habe es zwar eine Homogenisierung auf der Makroebene herbeigeführt (weil durch das Fernsehen alle die gleichen Optionen kennen), aber eine Fragmentierung auf der Mikroebene (weil durch die
129 Meyrowitz unterscheidet Rollen nach Gruppenidentität (nach Geschlecht, Nation u. a.), Sozialisationsstufen (Kinder vs. Erwachsene) und dem Autoritätsgrad in Hierarchien (Politiker vs. Bürger), wobei die Abgrenzung der überlegenen Rollen auf dem beschränkten Zugang zu Informationen beruhe. „Roles should therefore be thought of as fluid information-networks that are susceptible to restructuring through changes in media use. Different media enhance and reduce the amount of shared experience for different people. Media also alter the extent to which we have a private, backstage area where we can relax from and rehearse for our onstage roles. In general, media that segregate access to social situations will work to segregate roles; media that blur access to social situations will foster less distinct roles.” (ebd.: 60; H. i. O.) 130 Vgl. Neuberger (2009). 131 Dass diese Annahme zu relativieren ist und das Fernsehen nicht nur positive, egalisierende Folgen hat, diskutiert auch Meyrowitz (1990b: 223, 235-242), dessen mediumtheoretische Perspektive nicht als technikdeterministisch und naiv-optimistisch kritisiert werden kann. Zu den Anpassungsstrategien der Politik an das Fernsehen gehören etwa das Hervorbringen „’expressive[r]’ Superstars“ (Meyrowitz 1990a: 219) und die TV-gerechte Ereignisinszenierung.
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individualisierten Wahlmöglichkeiten viele Subkulturen und kurzzeitige Moden entstehen) (vgl. ebd.: 258f.; Meyrowitz 1994: 69). Wie ändern sich die Beobachterverhältnisse im Übergang von den traditionellen Massenmedien zum Internet? Presse und Rundfunk besitzen den Nachteil einer beschränkten technischen Speicher- und Verbreitungskapazität. Zwar erreichen sie ein Massenpublikum, doch ist ihr Publikationsvolumen begrenzt. Die Verwaltung dieser knappen Ressource wurde an professionelle „Gatekeeper“ delegiert, die über den Zugang zur Öffentlichkeit entscheiden. Die Mediendarstellungen gewähren nur einen begrenzten Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt, und zwar entweder in der Fiktion oder durch sehr wenige „echte“ Fälle, die z. B. in Talkshows oder Reality-Formaten vorgestellt werden. Mitglieder des Massenpublikums hatten bislang kaum die Chance, sich kommunikativ zu beteiligen und sich selbst öffentlich darzustellen. Massenkommunikation verläuft nicht nur indirekt (raum-zeitliche Distanz), sondern in der Regel auch einseitig von der Redaktion zum Publikum. Ihr Verhältnis ist distanziert und anonym, die Beobachtungsmöglichkeiten sind beschränkt: Das Journalistenbild des Publikums ist ebenso vage wie das Publikumsbild der Journalisten. Auch untereinander können sich die Glieder des dispersen Publikums nur in einem engen Radius wahrnehmen. Merten (1978: 578; H. i. O.) bezeichnet Massenkommunikation deshalb als „virtuelles Sozialsystem“, in dem nicht geprüfte, sondern unterstellte Annahmen wirksam sind. In der Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien herrschen also „schlechte Sichtverhältnisse“. Im Vergleich dazu verbessern sich im Internet die Rezeptions- und Beobachtungsmöglichkeiten: Mit dem Internet wird das technische „Nadelöhr“ beseitigt, das Presse und Rundfunk bislang bildeten. Im Prinzip kann nun jeder ohne allzu großen Aufwand publizieren. Die breite kommunikative Beteiligung und die Bereitschaft zur Selbstdarstellung vergrößern die Menge an persönlichen Informationen.132 Ohne die Filterung und Inszenierung durch professionelle Vermittler wirken diese außerdem authentischer. Neben der freiwilligen Preisgabe und der Thematisierung durch andere Nutzer verursacht der Gebrauch des Internets selbst „Datenspuren“, d. h., dass auch kommunikative Aktivitäten im Internet besser beobachtbar sind. Das Internet vereinfacht damit nicht nur die Rezeption publizierter Mitteilungen, sondern erleichtert auch deren (Meta-)Beobachtung:133 Es ist oftmals
132 Joinson/Paine (2007: 246) nennen folgende Besonderheiten des Internets für persönliche Informationen: Permanenz, große Menge, Unerreichbarkeit und (teilweise) Unsichtbarkeit für die Betroffenen, Kontextlosigkeit, Zugänglichkeit und Auswertbarkeit für andere Personen. 133 Vgl. Wehner (2008).
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transparent, wer an welcher Stelle etwas geschrieben hat oder wer und wie viele etwas gelesen und bewertet haben. Verschleierungstechniken (Anonymisierung, virtuelle Identitäten, Kryptografie etc.) können das Entstehen solche Spuren nur bedingt verhindern. Nicht nur die Menge an persönlichen Informationen steigt im Internet, sondern auch deren Sichtbarkeit. Das Internet ist ein in räumlicher, zeitlicher und sozialer Hinsicht sehr „mächtiges“ Medium: Es ist global zugänglich, verfügt über eine große Speicherfähigkeit und besitzt eine hohe Reichweite in der Bevölkerung. Persönliche Informationen lassen sich durch technische Selektionsund Aggregationshilfen komfortabel auffinden und auswerten.134 Als Folge der verbesserten Beobachterverhältnisse findet im Internet eine „Entgrenzung“ in horizontaler und vertikaler Richtung statt: x Horizontale „Entgrenzung“: Die Kommunikation in unterschiedlichen Lebensbereichen (Arbeit, Freizeit, Familie), die bisher über verschiedene, weniger „mächtige“ Kanäle separat verwaltet und kontrolliert wurde, fließt ineinander. Im Internet fällt es schwerer, in verschiedenen Kontexten spezifische Identitäten zu entwickeln und Adressatenkreise zu trennen.135 Auch unterschiedliche Typen des (publizistischen und persuasiven) Wirklichkeitszugangs (Journalismus, Bildung, Beratung, Unterhaltung, Werbung, „Public Relations“, Hoch- und Populärkultur) werden im Internet nicht mehr so klar in verschiedenen Formaten und Angeboten präsentiert, wie dies in den traditionellen Massenmedien der Fall war.136 x Vertikale „Entgrenzung“: Durch die Integration verschiedener Ebenen von Öffentlichkeit im Internet, besonders in sozialen Netzwerken, kann das, was für die „persönliche Öffentlichkeit“ und den „Long Tail“ des Internets bestimmt war, auch unbeabsichtigt in die „große“, reichweitenstarke und anonyme Öffentlichkeit hinauskatapultiert werden (vgl. Abschnitt 4).137 In
134 Vgl. Baker (2009); Schirrmacher (2009: 99-111); Spiegel Online (2010c); Hofmann (2011). 135 Vgl. Schmidt (2009: 108, 112f., 119). Als Beispiele werden hier oft über ihren Chef lästernde Arbeitnehmer und untreue Partner angeführt, die leichter in den Blick ihrer Vorgesetzten und Ehepartner geraten (vgl. z. B. Budras 2010; ksta.de 2010). Kaube (2010) hat die Aussage von Facebook-Gründer Zuckerberg, dass die Zeit getrennter „Identitäten“ zu Ende ginge, aus Sicht der soziologischen Rollentheorie kritisiert. Die Vielzahl der Rollen erfordere die Anpassung an unterschiedliche Erwartungen und damit auch eine „selektive Informationspolitik für unterschiedliche Bezugsgruppen“ (ebd.; zu Inter-Rollenkonflikten vgl. Schimank 2000: 58f.). 136 Vgl. Castells (2004: 424f.). 137 Öffentliche Aufmerksamkeit beschränkte sich bislang weitgehend auf einen kleinen Kreis von Prominenten, der Erfahrung darin besitzt, einerseits seine Intim- und Privatsphäre rechtlich zu schützen, andererseits diesen privilegierten Zugang strategisch zu nutzen.
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umgekehrter Richtung dringen von dort Kommerzielles138 und Publizistisches in die „persönliche Öffentlichkeit“ ein, entweder durch die professionellen Anbieter selbst („virales Marketing“, Marken-Communities etc.) oder dadurch, dass ihre Inhalte vom Publikum aufgegriffen und weiterverbreitet werden (Anschlusskommunikation).139 Diese technisch bedingte „Entgrenzung“ sozialer Situationen ist sowohl für den einzelnen Nutzer als auch für die Gesellschaft neuartig; deshalb müssen gegenwärtig erst individuell und kollektiv Erfahrungen im Umgang mit den veränderten Beobachterverhältnissen im Internet gesammelt werden.140 Das Ergebnis können auch neue Differenzierungen und Grenzziehungen sein. Bevor der Frage weiter nachgegangen werden kann, wie das Internet Grenzverläufe verschiebt, sind zunächst die Grundbegriffe „Öffentlichkeit“ und „Privatheit“ zu klären. 7.2 Begriffe „Öffentlichkeit“ und „Privatheit“
Oft werden zur Beschreibung der Veränderungen im Internet und speziell im „Social Web“ die Kategorien „Öffentlichkeit“ und „Privatheit“ verwendet. Der vielfältige Gebrauch dieser Begriffe macht zunächst ihre Klärung notwendig. Nach Peters (1994: 42-45) besitzt „Öffentlichkeit“ drei grundlegende Bedeutungen: x Im Unterschied zum Privaten, in dem „die Gesellschaftsmitglieder ihre Ziele und Lebensprojekte verfolgen können, ohne sich kollektiven Entscheidungen zu unterwerfen oder sich gegenüber dem Kollektiv rechtfertigen zu müssen“ (ebd.: 43; H. i. O.), besteht an öffentlichen Angelegenheiten ein gemeinsames oder allgemeines Interesse; über diese werden kollektive Entscheidungen getroffen, die für alle verbindlich sind. x Zweitens bezeichnet „öffentlich“ (im Gegensatz zu „privat“, „vertraulich“ oder „geheim“) Möglichkeiten der Kommunikation, der Beobachtung und des Wissens: „Öffentlich sind Wissensbestände, die frei zugänglich sind, und 138 Neben kommerziellen Zielen werden auch ideelle Ziele verfolgt. So berichten 10% der Jugendlichen in der JIM-Studie 2010, dass sie bereits in einer Community von einer politischen oder religiösen Gruppe angesprochen worden sind (vgl. MPFS 2010: 51f.). 139 Vgl. Neuberger (2009) und den Aufsatz „Team oder Gegner?“ in diesem Band. – Die Integration vorher getrennter Bereiche findet einerseits innerhalb von Facebook statt, andererseits aber auch extern, da Facebook durch den „Like“-Button (früher: „Fan“-Button) und die „Like“-Box, die 2010 eingeführt wurden („Open Graph“), seine Mitglieder auch auf fremde Websites begleitet; dort können sie einander Empfehlungen geben. Hier ist das Ausgreifen von Facebook auf das gesamte „World Wide Web“ beobachtbar (vgl. Lischka 2010b; Moorstedt 2010). Ähnliches geschieht im Affiliate-Marketing, z. B. bei Google AdWords. 140 Das zeigen auch die aktuellen Debatten über WikiLeaks, Google Street View und die Vorratsdatenspeicherung.
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Kommunikationen, die jeder verfolgen oder an denen sich jeder beteiligen kann.“ (ebd.: 44) Hier geht es um eine soziale Handlungssphäre mit einem unabgeschlossenen Publikum. x Die dritte, emphatische Bedeutung kombiniert die ersten beiden Bedeutungen und fügt ihnen normative Bestimmungen hinzu: Sie meint „eine Sphäre öffentlicher, ungezwungener Meinungs- und Willensbildung der Mitglieder einer demokratischen politischen Gemeinschaft über die Regelung der öffentlichen Angelegenheiten“ (ebd.: 45). Strukturmerkmale dieses normativen Modells sind Gleichheit, Offenheit und Diskursivität (vgl. ebd.: 51). Rössler (2001: 23) nennt ebenfalls drei Bedeutungen für „Privatheit“:141 „[A]ls privat gilt etwas dann, wenn man selbst den Zugang zu diesem ‚etwas’ kontrollieren kann.“ Gemeint ist die Kontrolle über den Zugang, der Schutz vor unerwünschtem Zutritt und das Wissen darüber, wer Zugang erlangt hat, d. h., ob das Beobachten selbst beobachtet werden kann.142 Individuelle Privatheit hat in dieser liberalen Sicht die Funktion, ein autonomes Leben zu ermöglichen und zu schützen (vgl. ebd.: 10). Rössler unterscheidet drei Dimensionen der Privatheit: x dezisionale Privatheit (Autonomie von Entscheidungen und Handlungen), x informationelle Privatheit (Zugang zu Wissen) und x lokale Privatheit (Zugang zu Räumen).143 Gleicht man die genannten Bedeutungen für die beiden Begriffe ab, so gelangt man zu folgender Gegenüberstellung: x Die Frage der (Nicht-)Zugänglichkeit (bezogen auf Wissen, Gegenstände der Beobachtung oder der Beteiligungsmöglichkeit für Akteure) wird einerseits im Fall der informationellen und lokalen Privatheit, andererseits im Fall der Öffentlichkeit als sozialer Handlungssphäre angesprochen. x Die dezisionale Privatheit bildet einen Gegenpol zu den öffentlichen Angelegenheiten. Hier wird zwischen der privaten und öffentlichen Relevanz von Lebensbereichen unterschieden. Im Fall der dezisionalen Privatheit geht es um jenen Bereich, in dem eine Person die „Interpretations- und Entscheidungshoheit über ihr eigenes Leben“ (ebd.: 153) besitzt, die von anderen durch „zivile Distanz“ (ebd.: 158) und Respekt gewahrt werden soll. Symbo-
141 Vgl. auch Joinson/Paine (2007: 242-245). 142 Vgl. Meyrowitz (1990b: 243). 143 Burgoon (1982) unterscheidet ähnliche Dimensionen: Physische (= lokale) und informationelle Privatheit finden sich auch bei Rössler. Die dezisionale Privatheit wird dagegen in eine soziale und psychische Dimension unterteilt.
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lische Nichtbeachtung und -einmischung sind auch dann verlangt, wenn das Handeln selbst in der Öffentlichkeit stattfindet.144 x Die normative Bedeutung des Öffentlichkeitsbegriffs bezieht sich auf den Bereich der politischen Öffentlichkeit und die dort ablaufenden Diskurse. Hier wird definiert, was öffentlich zugänglich gemacht werden soll, weil es das Gemeinwesen betrifft. Umgekehrt definiert der Schutz der Privatheit normativ, was nicht öffentlich zugänglich gemacht werden darf. Zwischen den beiden normativen Grenzen, die veränderlich und umstritten sind, gibt es eine breite Zwischenzone, in der weder öffentliche Thematisierung noch der Schutz der Privatsphäre geboten ist. Hier können auch Themen privater Relevanz öffentlich zugänglich gemacht werden, was offenbar dem (Unterhaltungs-)Bedürfnis des Publikums entgegenkommt.145 Dabei liegt es auch in der Autonomie des Einzelnen, inwieweit er seine eigene, eigentlich geschützte informationelle Privatheit aufgibt und sich der Öffentlichkeit preisgibt (vgl. ebd.: 232f.). Die im Internet auftauchenden Probleme fallen wesentlich in den Bereich der informationellen Privatheit (Datenschutz), soweit die Kontrolle über die Weitergabe und die Zugänglichkeit persönlicher Informationen verloren geht.146 Ebenfalls tan144 Schmidt (2009: 127) argumentiert im Fall der „persönlichen Öffentlichkeit“, dass eine Nichtbeachtung von jenen gefordert ist, an die Mitteilungen nicht gerichtet sind. Damit würde die Verantwortung für die Wahrung der Privatsphäre von jenen, die freiwillig über sich selbst publizieren, auf die Rezipienten übertragen, die auf die Kenntnisnahme von allgemein Zugänglichem verzichten sollen. Diese Erwartung ist nicht nur vage bestimmt (Wer zählt zum intendierten Publikum? Wo verläuft die Grenze zu anderen Typen von Öffentlichkeit, in denen diese Erwartung nicht mehr gilt?) und kaum durchsetzbar, sondern dürfte auch mit dem Grundrecht kollidieren, das jedem einräumt, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Um die angemessene zivile Distanz zu bestimmen, wird man abstufen müssen zwischen der bloßen Rezeption und Beobachtung, die punktuell, aber auch systematisch erfolgen können, sowie verschiedenen Formen des kommunikativen Reagierens, die bis zur Autonomieverletzung reichen können (Extremformen stellen „Cyberstalking“, „Cybermobbing“ und „Cyberbullying“ dar). Angemessen ist oft das höfliche Nichtreagieren, das „Hinwegsehen“ und „stillschweigende“ Respektieren des Privaten in der Öffentlichkeit (vgl. Burgoon 1982: 239). Auch wer sich in der Präsenzöffentlichkeit aufhält, kann sich den (auch dort anonymen und unbemerkten) Blicken der anderen kaum entziehen und wird dies im Regelfall auch antizipieren und akzeptieren. Gleiches gilt für die Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien, in der ebenfalls der Rezipientenkreis nicht transparent ist. Deshalb reicht die Forderung, dass jeder Besucher eines öffentlichen Profils in einem sozialen Netzwerk wiederum für den Profileigner identifizierbar sein muss, sehr weit (vgl. Schmidt 2009: 124). 145 Das „öffentlich gemachte Private“ ist also kein Widerspruch in sich, sondern ergibt sich lediglich aus den beiden unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffspaars. 146 „[E]ine Person reguliert mit den Informationen, die sie anderen über sich mitteilt oder die andere über sie, wie sie weiß, immer schon haben, zugleich die ganz unterschiedlichen sozialen Beziehun-
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giert ist die dezisionale Privatheit einer Person. Solche Verletzungen stellen z. B. „Cybermobbing“, „Cyberbullying“147 und „Cyberstalking“148 dar. Die Beseitigung von Sichtbarrieren im Internet wirft die Frage auf, wo und von wem zum Schutz der Privatsphäre „künstliche“ Grenzen technisch und normativ gezogen werden. 7.3 „Self-Disclosure“ und „Privacy“
Das Öffentlichmachen persönlicher Informationen ist keine neue Erscheinung: In Talkshows des Fernsehens und im „Reality-TV“ wird ihr Unterhaltungswert seit den neunziger Jahren intensiv ausgewertet. Im Boulevardjournalismus haben Geschichten mit „Human Touch“ eine lange Tradition. Sennett (1986) datiert den Verfall der Öffentlichkeit durch Intimisierung, das Aufkommen einer Persönlichkeitskultur bereits ins 19. Jahrhundert. Zum Massenphänomen ist die freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen allerdings erst in den sozialen Netzwerken des Internets geworden. In Medienberichten ist diese Entwicklung mit erheblicher Besorgnis registriert worden.149 Vielfach wurde vermutet, dass sich der „DatenExhibitionismus“ (Graff 2009) für junge Menschen nachteilig auswirkt. Im öffentlichen Auftritt ungeübte Laien, besonders Kinder und Jugendliche, könnten die möglichen Folgen ihres Handelns nicht richtig einschätzen.150 Wie groß ist das Bedürfnis der Mitglieder sozialer Netzwerke nach informationeller Privatheit? Oder umgekehrt: Wie hoch ist ihre Bereitschaft zur Offenlegung persönlicher Informationen („Self-Disclosure“)? In welchem Maße sind sie in der Lage, die fremde Beobachtung zu kontrollieren und Folgen abzuschätzen? In der „eigenen Hand“ liegt die Selbstdarstellung, vor allem im eigenen Profil (vgl. Abschnitt 8). Anders verhält es sich dagegen mit sonstigen Nutzern, die über eine Person schreiben oder Fotos von ihr veröffentlichen,151 sowie dem unkontrollierten Entstehen von „Datenspuren“. Die Privatsphäre kann durch Software-Codes (Privatsphäre-Einstellungen etc.) und Normen, die auch kontextspezifisch gebildet werden, geschützt werden.152 gen, in denen sie lebt. Ohne diese Form der selbstbestimmten Kontrolle darüber, wen man was über sich wissen lassen möchte, ohne diese Form der ‚kontrollierten Selbstöffnung’ wäre die selbstgewählte Unterschiedlichkeit von Beziehungen nicht möglich, damit auch nicht das selbstbestimmte, kontextuell je unterschiedliche authentische Verhalten anderen gegenüber […].“ (Rössler 2001: 209) 147 Vgl. Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 204f.); Middelhoff (2010). 148 Vgl. z. B. Don Alphonso (2006). 149 Vgl. z. B. Hamann (2007); Kutter (2008); von Gehlen (2009). 150 Vgl. Brüggen (2009: 28). 151 Vgl. Brüggen (2009: 30); Wagner (2009: 29). 152 Vgl. Schmidt (2009: 117-124).
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Bei der Frage, ob ein Teilnehmer etwas über sich preisgibt, muss das Verhältnis zu verschiedenen Akteuren abgewogen werden: x Das „Networking“ der Teilnehmer untereinander kann als eine Art Tauschverhältnis betrachtet werden (vgl. Abschnitt 6.1). Wenn sie Beziehungen pflegen oder knüpfen wollen, müssen sie Persönliches preisgeben. x Die Mitglieder eines Netzwerkes gehen ein zweites Tauschverhältnis mit dessen Betreiber ein: Für die kostenlose Nutzung müssen sie dessen Finanzierung durch Werbung hinnehmen. Die Frage, ob für deren Personalisierung persönliche Informationen verwendet werden dürfen, hat wiederholt zu Konflikten zwischen Nutzern und Betreibern geführt, etwa in StudiVZ und Facebook.153 Bemängelt wird u. a. die zu geringe Klarheit und Reichweite der AGBs und der „Privacy Statements“.154 So geriet Facebook in die Kritik, als im Dezember 2009 und April 2010 Standardeinstellungen beim Privatsphärenschutz verändert sowie persönliche Informationen verwertet und Dritten zugänglich gemacht wurden, ohne dass dies für die betroffenen Nutzer ohne Weiteres erkennbar gewesen wäre.155 Zugunsten einer möglichst großen Zugänglichkeit der Profile verhindere Facebook die Bildung spezifischer Identitäten in unterschiedlichen Kontexten.156 153 Vgl. Busch (2008: 27f.); sueddeutsche.de (2009b). 154 Vgl. Papacharissi/Fernback (2005); Schmidt et al. (2009: 20); Wagner (2009: 29); als Überblick vgl. Lischka (2009). In einer Inhaltsanalyse sozialer Netzwerke kam Fraunhofer SIT (2008: 117) zum Fazit: „Hinsichtlich des Privatsphärenschutzes konnte keiner der getesteten Dienste überzeugen.“ In der Liste „typischer Mängel“ (ebd.: 118) tauchen die fehlende oder mangelnde Verschlüsselung, schwer auffindbare oder umständliche Abmeldefunktionen sowie eine eigenwillige Nutzerführung und Inkonsistenzen bei den Privatsphären-Optionen auf. Als weiteren Test vgl. Stiftung Warentest (2010). Palfrey/Gasser (2008: 84-101) schlagen für den Schutz der Privatsphäre im Internet eine gestufte Regulierung vor, die bei den „Digital Natives“ beginnt, aber auch Eltern und Lehrer, die Betreiberfirmen und letztlich auch den Staat einbezieht. Der Gesetzgeber wird auch von anderen Autiren aufgefordert, aktiv zu werden (vgl. Krotz 2009: 19f.; Liesching 2009: 26). Die Überarbeitung der EU-Datenschutzrichtlinie wird im Jahr 2011 erwartet (vgl. Maisch 2010). Darin soll geregelt werden, dass die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten in sozialen Netzwerken auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt wird. Über die gesammelten Daten sollen Nutzer transparent informiert werden, und für die Verwertung soll ihre Zustimmung eingeholt werden. 155 Vgl. Richter (2010a, b, c, d). Für neuere Fälle vgl. auch Kuhn (2010); Moorstedt (2010); Tomik (2010). 156 „Das Modell von einer einzigen Online- und (Offline-)Identität deckt sich mit dem Ziel Facebooks, das Zentralregister universeller Web-IDs von Usern im Netz zu werden – hat jeder User mehrere verschiedene davon und nähert sich das virtuelle soziale Netz nicht immer besser dem echten sozialen Netz echter Menschen an, dann sinkt der wirtschaftliche Wert dieser Informationen, da sie weniger verwertbare Aussagekraft über das Verhalten von echten Konsumenten vermitteln.“ (Richter 2010c) Die ständigen Hinweise auf Aktivitäten der Freunde, z. B. die im „News Feed“ eingehenden
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x Neben Netzwerk-Teilnehmern und Betreiber kommen Dritte hinzu. Als Profilbesucher können sie ebenfalls ein Verwertungsinteresse haben:157 Banken und Versicherungen können Personen ebenso „ausspähen“ wie Personalverantwortliche, die sich im Internet über Stellenbewerber informieren. Befragungen von Personalverantwortlichen belegen die weite Verbreitung dieser Praxis,158 weshalb auch die optimierte Selbst- und Fremddarstellung von Einzelpersonen im Internet als professionelle Dienstleistung angeboten wird.159 Auch Journalisten und Wissenschaftler werten Profile in sozialen Netzwerken aus. Hier lässt sich zwischen unbekannten sowie bekannten, aber unerwünschten Besuchern (wie Eltern und Lehrer) unterscheiden.160 Die vielfältigen Relationen und Interessen verlangen ein reflektiertes und aktives Ziehen von Grenzen durch die Profileigner161 sowie eine fortlaufende „Aushandlung“ (Wagner/Brüggen/Gebel 2010: 9) der Grenzverläufe zwischen den Beteiligten. Ein Schwachpunkt sozialer Netzwerke liegt offenbar in der meist nur binären Unterscheidung von (Nicht-)Freundschaft; diese reicht nicht aus, um differenziert Beziehungen zu klassifizieren und Freundeskreise gegeneinander abzugrenzen.162 Im Internet ist die Bereitschaft zur Offenlegung persönlicher Informationen im Vergleich zur „Face-to-Face“-Kommunikation größer.163 Allerdings belegen Befragungen durchaus eine geschärfte Risikowahrnehmung: Nach den Ergebnissen der Statusmeldungen, oder Empfehlungen für neue Freunde sollen immer wieder das Interesse wecken und eigene Aktivitäten veranlassen, quasi einen andauernden Sog schaffen. 157 Den einfachen Download aller öffentlich zugänglichen Profildaten von Facebook demonstrierten Jones/Soltren (2005) und wiesen damit auf eine Sicherheitslücke hin. 158 Vgl. dimap (2009); Horizont (2009); BITKOM (2010). 159 Vgl. Wurster (2010). 160 Vgl. Ito et al. (2008: 19); Livingstone (2008: 405); Schmidt (2009: 116, 125f.). 161 Lange (2008) hat in einer ethnographischen Studie gezeigt, wie Hybridformen der Privat/Öffentlich-Differenz in YouTube entstehen, wenn die Zugänglichkeit der Identitätsinformationen des Videoproduzenten, die Relevanz des Videoinhalts und die technische Zugänglichkeit des Videos (wenige oder kryptische Tags, „Friends-only“-Option) unterschiedlich kombiniert werden. Allgemein unterscheidet sie zwischen „publicly private“ (privater Inhalt, bekannte Identität, limitierter technischer Zugang) und „privately public“ (unbekannte Identität, unbeschränkter technischer Zugang), wobei es zahlreiche Abstufungen von Privatheit und Öffentlichkeit gibt, die zu einer „Fraktalisierung“ führen. Im Internet kann Zugänglichkeit nicht nur durch technischen Ausschluss (Notwendigkeit der Registrierung, explizite Adressierung) verhindert werden, sondern sie kann auch durch eine behinderte Auffindbarkeit zumindest erschwert werden (Verzicht auf Tags, Sperren einer Seite für Suchmaschinen). 162 Vgl. Boyd (2006); Livingstone (2008: 405f.). 163 Vgl. Reinecke/Trepte (2008: 207). Auch die Offenlegung von internen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen in sozialen Netzwerken durch eigene Mitglieder wird für Organisationen wie Unternehmen (vgl. z. B. Budras 2010; Cohen 2010; Kerkmann 2010) und das Militär (vgl. Münch 2010) zum Problem.
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ARD/ZDF-Online-Studie 2010 befürchten 86% der Internetnutzer den Missbrauch von persönlichen Daten, die über das Internet weitergegeben werden. 29% gaben an, schon einmal persönliche Daten weitergegeben zu haben (vgl. Busemann/Gscheidle 2010: 367). Nach der Befragung von 12- bis 24-jährigen Internetnutzern von Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 113-115) ist das Vermeiden von Risiken durch Zurückhaltung beim Publizieren und bei der Beschränkung des Zugangs von großer Bedeutung, wobei dies für weibliche Befragte ein wichtigeres Anliegen war als für männliche. Jugendliche nennen in Interviews viele Gründe für einen Schutz persönlicher Informationen wie die Auffindbarkeit, der Verlust der Kontrolle über die Interaktion, die soziale Asymmetrie im Wissen über die eigene Person, die Trennung verschiedener Lebensbereiche, das Schaffen einer Angriffsfläche für andere, Datenmissbrauch sowie Kontrolle und Überwachung durch Dritte.164 Lewis/Kaufman/Christakis (2008) ermittelten, dass Studierende eher Privatsphäre-Einstellungen in Facebook verwenden, wenn dies auch Freunde tun, sie Facebook besonders aktiv nutzen, sie weiblich sind oder populäre Musik präferieren. In den Netzwerken gibt es Möglichkeiten, die Sichtbarkeit des eigenen Profils einzuschränken. Die Mehrzahl der Mitglieder macht von den Privatsphäre-Einstellungen Gebrauch, wie mehrere Studien zeigen.165 Außerdem kann die Identifizierbarkeit und die Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch den Verzicht auf (reale) Angaben zur Person beschränkt werden, was ebenfalls geschieht.166 So hat Kreutzmann (2009: 68) in ihrer StudiVZ-Nutzerbefragung eine starke Differenzierung bei den veröffentlichten Profilangaben festgestellt. Nur in 57% der Fälle wurden Vor- und Nachnamen vollständig mitgeteilt (vgl. ebd.: 69). Dies entspricht dem Ergebnis der repräsentativen ARD/ZDF-Online-Studie 2010, nach der ebenfalls nur etwa die Hälfte der Befragten ihren vollständigen Namen in sozialen Netzwerken verwendet hat (vgl. Busemann/Gscheidle 2010: 367).
164 Vgl. Wagner/Brüggen/Gebel (2010: 21-24). 165 Vgl. z. B. Lenhart/Madden (2007: 2); Utz (2008: 244); Debatin/Horn/Hughes (2009: 93); Lenhart (2009: 9f.); Schorb at al. (2010: 57-66). Die Beschränkung des Zugangs ist allerdings dann wenig restriktiv, wenn die Zahl der Freunde sehr groß ist (vgl. Debatin/Horn/Hughes 2009: 94). 166 Zu den veröffentlichten persönlichen Informationen vgl. z. B. Acquisti/Gross (2006: 48f.); Jones et al. (2008); Madden/Smith (2010: 12-19); MPFS (2010: 44); Patchin/Hinduja (2010) sowie den Aufsatz „Preisgabe des Privaten?“ in diesem Band. Qian/Scott (2007) stellten bei Bloggern fest, dass der Grad der Anonymisierung von der Zielgruppe abhängt: Wer mit Offline-Bekanntschaften kommunizieren will, gibt mehr von sich preis, um identifizierbar zu sein, als jene, die ein ihnen unbekanntes Publikum erreichen wollen.
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Gleichwohl wird in Studien immer wieder auf das „Privacy“-Paradox hingewiesen, nämlich den Widerspruch zwischen einem angeblich hohen Bedürfnis, die eigene Privatsphäre zu schützen, und der großen Bereitschaft, persönliche Informationen zu veröffentlichen.167 Reinecke/Trepte (2008: 223) können als Ergebnis ihrer Befragung „keineswegs ein Bild der Web 2.0-Nutzer als unreflektierte Exhibitionisten“ zeichnen. Besonders sticht die Gruppe der „Produzenten“ heraus, bei denen die Abwägung zwischen den widersprüchlichen Interessen besonders deutlich wird: „Zwar weisen sich die Produzenten im Vergleich zu weniger Web 2.0-affinen Nutzern durch eine höhere Bereitschaft zu Preisgabe privater Informationen aus, dies geht aber nicht mit einem niedrigeren Bewusstsein für die Wichtigkeit des Schutzes der Privatsphäre einher.“
Vielmehr zeige sich hier der „Spagat zwischen ihrem Bedürfnis nach Mitteilung auf der einen Seite und ihrem Bedürfnis nach Privatsphäre auf der anderen Seite“ (ebd.). Auch Kreutzmann (2009: 84-86) konnte in ihrer StudiVZ-Nutzerbefragung einen engen Zusammenhang zwischen Motiven und „Self-Disclosure“ feststellen; außerdem bestätigten die von ihr Befragten, dass sie die Preisgabe persönlicher Informationen als Tauschbeziehung auffassen (vgl. ebd.: 89f.).168 Eine weitere Erklärung für das „Privacy“-Paradox dürfte in der Unkenntnis über die Sichtbarkeit der eigenen Informationen169 und im Umgang mit den Privatsphäre-Einstellungen liegen.170 Die Nutzer werden zurückhaltender bei der Preisgabe persönlicher Informationen in sozialen Netzwerken, wie mehrere Studien belegen.171 Die Paradoxie ver167 Vgl. Acquisti/Gross (2006: 50f.); Utz/Krämer (2009). Dagegen versteht Barnes (2006) unter dem „Privacy”-Paradox den Widerspruch aus der Kritik von Erwachsenen am Sammeln persönlicher Informationen durch Regierung und Unternehmen sowie der freigiebigen Weitergabe persönlicher Informationen durch Jugendliche. 168 Vgl. dazu auch den Aufsatz „Preisgabe des Privaten?“ in diesem Band. Auch in der (nicht-repräsentativen) Befragung von Jugendlichen (12-19 Jahre), die Schorb at al. (2010: 59f.) im Winter 2008/2009 durchgeführt haben, zeigte sich eine Abhängigkeit von den Nutzungsmotiven: Wer z. B. neue Leute kennenlernen, sich die Zeit vertreiben oder sich selbst darstellen wollte, beschränkte den Zugriff relativ selten. Madden/Smith (2010: 20) kamen 2009 in einer repräsentativen Internetnutzer-Befragung in den USA zum Ergebnis, dass jene, die mehr persönliche Informationen veröffentlicht hatten, auch häufiger von jemandem aus ihrer Vergangenheit kontaktiert wurden. 169 Dies ergab die (nicht-repräsentative) Facebook-Befragung von Acquisti/Gross (2006: 52f.). Darüber hinaus schätzen die Profileigner die Risiken für andere Teilnehmer als höher ein als für sich selbst (vgl. ebd.: 54). Zu diesem Ergebnis kamen auch Debatin/Horn/Hughes (2009: 93f.). Zur Unsicherheit über die Zugänglichkeit persönlicher Informationen vgl. Madden/Smith (2010: 16). 170 Vgl. Livingstone (2008: 406f.). 171 Vgl. Caverlee/Webb (2008: 8); Utz/Krämer (2009); Hargittai (2010); Patchin/Hinduja (2010: 208f.) sowie den Aufsatz „Preisgabe des Privaten?“ in diesem Band. Die repräsentative JIM-Studie ergab, dass 2009 erst 46% der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland die „Privacy“-Optionen in On-
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schwindet damit tendenziell. Es könnte sich, so vermuten Lewis/Kaufman/Christakis (2008: 96), eine Art selbst regulierendes System herausbilden: Die Wahrnehmung der Probleme und die Vorsicht könnten unter den Mitgliedern allgemein wachsen, wenn einzelne Mitglieder schlechte Erfahrungen sammeln, über die anschließend im Netzwerk oder in den Medien berichtet wird. Busch (2008: 27) zeigt mit Hilfe von Daten der repräsentativen „Eurobarometer“-Befragungen, dass sich die oft aufgestellte „Generationenhypothese“ nicht bewährt: Jüngere Menschen sind nicht weniger um ihren Datenschutz besorgt als ältere.172 Das Bedürfnis nach Privatheit ist kulturabhängig: In Kulturen, in denen der Individualismus ein zentraler Wert ist, ist es offenbar stärker ausgeprägt (vgl. Cho/Rivera-Sánchez/Lim 2009). 8 Selbstdarstellung Öffentliche Selbstdarstellung hat die Kommunikationswissenschaft bislang nur in ihrer professionellen und organisierten Form untersucht, nämlich in Gestalt von „Public Relations“ und Werbung. Wie betreiben Laien Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken, welche Strategien verfolgen sie? Wie authentisch ist das Bild, das sie von sich selbst zeichnen? Wie erfolgreich sind sie damit? Und woran orientieren sich Besucher bei der Bewertung eines Profileigners? Zu diesen Fragen liegt mittlerweile eine größere Zahl von Studien vor, auf die hier nur exemplarisch eingegangen werden kann.173 Selbstdarstellung („Self-Presentation”) wird definiert als „individuals attempts to control the impressions others form of them“ (Leary/Kowalski 1990: 34).174 Der Ausdruck „Impression Management“ wird zumeist synonym verwendet (vgl. ebd.). Zur individuellen Selbstdarstellung motivieren das Selbstwertgefühl, die Identitätsbildung sowie soziale und materielle Ziele (vgl. ebd.: 37f.). Die Selbstdarstellung ist kontextabhängig: Im Unterschied zur „Face-to-Face“-Kommunikation fehlen im Internet nonverbale, affektive Hinweise auf Personen, zumindest gilt dies für textbasierte Formate (E-Mail, Diskussionsgruppen, IRC).175 An ihrer Stelle können verbale Äquivalente treten. Die Selbstdarstellung im Internet ist außerdem besser line-Communities aktiviert hatten. Ein Jahr später lag der Anteil bereits bei 67% (vgl. MPFS 2010: 44f.). Abgenommen hat auch die Bereitschaft, persönliche Informationen im eigenen Profil mitzuteilen (vgl. ebd.: 44). Utz/Krämer (2009) verweisen auf das Problem, dass eine weitgehende Beschränkung des Zugangs zu Profilen auch zu Frustration führen könnte und den Wert sozialer Netzwerke mindern würde. 172 Zur Sicht von Jugendlichen vgl. auch Wagner/Brüggen/Gebel (2010: 55-67). 173 Im Überblick bei Chester/Bretherton (2007); McKenna (2007); Döring (2010: 163-171). 174 Vgl. auch Zywica/Danowski (2008: 6). 175 Vgl. Walther et al. (2008: 31-33); Haferkamp (2010: 120-125).
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kontrollierbar. Dies macht sie zugleich suspekt, weil dadurch die Erwartung geweckt wird, dass die Elemente der Selbstdarstellung strategisch selektiert oder gar manipuliert werden. Welche Strategie verfolgen die Profilbesitzer bei der Selbstdarstellung?176 Wie authentisch oder „verzerrt“ ist das Bild, das sie von sich geben?177 Scherer/Wirth (2002: 341f.) bestreiten, dass die Annahme einer weiten Verbreitung von Täuschung und spielerischem Umgang mit Identitäten zutrifft. Die in der Literatur angeführten Einzelbeispiele seien nicht verallgemeinerbar. Vielmehr sei von einem Streben nach Kohärenz und Struktur in den Erfahrungen sowie Interpretationssicherheit in der Alltagswelt auszugehen, das sich im Internet fortsetzt. Deshalb spiele in langfristigen Kommunikationsbeziehungen Authentizität eine große Rolle. Scherer/Wirth definieren „authentisch“ als eine Selbstdarstellung, die „im Kern mit dem wahrgenommenen Selbst übereinstimmt“. Authentizität bedeute deshalb … „nicht unbedingt die intersubjektiv nachprüfbare Offenlegung aller Identitätsaspekte, sondern dass vom Individuum selbst keine Kluft zwischen der Selbstdarstellung und den im Augenblick wichtigen Aspekten der Identität empfunden wird“ (ebd.: 342).
Scherer/Wirth unterscheiden entsprechend drei Strategien der Selbstdarstellung im Internet (vgl. ebd.: 342-344): x Die „Real Life“-Beziehungsorientierung mit einer „objektiv“-authentischen Selbstdarstellung wird auch offline gepflegt oder wird dorthin übertragen und muss deshalb nachprüfbar sein.178 x Die „Virtual Life“-Beziehungsorientierung mit „quasi“-authentischer Selbstdarstellung muss im Internet über Kontinuität und Konsistenz verfügen. Die partielle Abweichung von der objektiven Identität erhöht die innere Konsistenz. Die Täuschung „passt zur eigenen Identität, sie korrigiert lediglich kleine Unstimmigkeiten“ (ebd.: 344).
176 In ihr „Impression Management“ investieren die Profileigner viel Zeit: Rund ein Viertel der Nutzer privater Netzwerke und Communities gab in der ARD/ZDF-Online-Studie 2008 an, zumindest wöchentlich (täglich: 3%, wöchentlich: 21%) eine „Aktualisierung des eigenen Profils“ vorzunehmen (vgl. Fisch/Gscheidle 2008: 363). 177 Rudder (2010a) hat Angaben von etwa 1,5 Millionen aktiven Teilnehmern des Online-DatingDiensts OkCupid zu Körpergröße und Einkommen mit der Gesamtbevölkerung in den USA verglichen und dabei für beide Variablen Abweichungen „nach oben“ festgestellt. Weiterhin ergab sich, dass die Attraktivität der auf den Fotos abgebildeten Personen mit dem Alter der Fotos zusammenhing. 178 Nach den Ergebnissen der JIM-Studie 2010, in der repräsentativ 12- bis 19-Jährige befragt wurden, haben 26% der Jugendlichen schon einmal ein persönliches Treffen mit Bekanntschaften aus dem Internet gehabt (vgl. MPFS 2010: 50f.). Davon empfanden 13% die vorher nur online bekannten Personen als unangenehm.
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x Bei einer nicht-authentischen Selbstdarstellung, in der die eigene Identität umfassend verändert wird, stehe nicht die Anbahnung und Pflege dauerhafter Beziehungen im Zentrum, sondern die Arbeit an der eigenen Identität. In einer Online-Befragung unter Chat-Teilnehmern konnte der Zusammenhang zwischen Orientierung und Selbstdarstellung bestätigt werden: Eine deutliche Mehrheit ordnete sich der quasi-authentischen (42%) und objektiv-authentischen (23%) Selbstdarstellung zu. Wer nach quasi-authentischer Selbstdarstellung strebte, wollte eher kommunikative Schranken des Alltags überwinden und schummelte deshalb gelegentlich. Dagegen hatten jene mit einer objektiv-authentischen Orientierung eher Interesse an Treffen im „Real Life“ und legten mehr Wert auf Authentizität (vgl. ebd.: 347-353). Dass die authentische Selbstdarstellung von Jugendlichen in Online-Communities generell wichtiger ist als das Erzielen eines möglichst guten Eindrucks und dass das Spielen mit der eigenen Identität kaum von Bedeutung ist, belegen auch die repräsentativen Befragungsergebnisse von Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink (2009: 113f.).179 Außerdem zeigte eine Clusteranalyse einen engen Zusammenhang zwischen der Selbstdarstellung und den Teilnahmemotiven (vgl. ebd.: 116-119). Auch die qualitativen Einzelfallstudien von Wagner/Brüggen/Gebel (2010: 2730) lassen erkennen, dass die Präsentationsstrategien von Jugendlichen in sozialen Netzwerken auf ihre Nutzungsmotive abgestimmt sind. Unterschieden werden die Strategie der sozialen Einbettung, um den Offline-Bekanntenkreis zu pflegen und zu erweitern, die interessenorientierte Strategie, um den inhaltlichen Austausch zu fördern, sowie die spielerisch-experimentelle Strategie, um inkognito unbehelligt Erfahrungen machen zu können. Haferkamp (2010) untersuchte den Einfluss von Persönlichkeitsvariablen auf die Selbstdarstellung: Personen mit einer hohen öffentlichen Selbstaufmerksamkeit neigten zu einer verzerrenden, bewussten Selbstdarstellung und waren besonders darauf bedacht, einen guten Eindruck zu hinterlassen (vgl. ebd.: 163f., 197f.). Dagegen führt eine hohe private Selbstaufmerksamkeit zu einer individualisierten Selbstdarstellung. Überraschenderweise neigten auch sie zu einer verzerrenden, bewussten Selbstdarstellung (vgl. ebd.: 165, 199). Selbstüberwachung korrelierte positiv mit der Betonung von physischer Attraktivität, einer Präsentation des Lebenswegs und einer hohen Zahl von Freunden (vgl. ebd.: 200-202). Wer von der Wirksamkeit der Selbstdarstellung überzeugt war, favorisierte eine realitätsnahe Selbst-
179 Vgl. dazu auch den Aufsatz „Freundschaftspflege statt Kontaktsuche“ in diesem Band.
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darstellung (vgl. ebd.: 202f.).180 Auch Persönlichkeitsmerkmale wie Narzissmus,181 Extraversion, Selbstwertgefühl („Self-Esteem“) und Selbstwirksamkeit („SelfEfficacy“)182 prägen die Selbstdarstellung. Außerdem spielen kulturelle Faktoren eine Rolle.183 Aus der Sicht der Profilbesucher stellen sich weitere Fragen: Wie beeinflusst die Selbstdarstellung ihr Urteil über den Profileigner? Wie authentisch ist der Eindruck, den sie von der dargestellten Person gewinnen?184 Evans/Gossling/Carroll (2008; vgl. Green/Evans/Gosling 2007) verglichen hinsichtlich 40 Merkmalen die Selbsteinschätzung der Profilbesitzer mit der Fremdeinschätzung von zufällig ausgewählten Seitenbesuchern (auf einer selbst gestalteten Website) sowie von tatsächlichen Facebook-Profilnutzern, um den Grad der Übereinstimmung zu bestimmen („impression agreement“). Die Korrelationen betrugen r=.29 bzw. r=.42, wobei Frauen eher richtig einschätzten und eingeschätzt wurden. Wenn bestimmte Profilmerkmale vorhanden waren („spirituality, beliefs, joys, embarrassing moments, heroes, and when they gave links to funny videos“ [Evans/Gossling/Carroll 2008]), dann führte dies zu einer besseren Einschätzung. Gosling/Gaddis/Vazire (2007) untersuchten, ob sich in fünf Persönlichkeitsdimensionen („Extraversion“, „Agreeableness“, „Conscientiousness“, „Emotional Stability“, „Openness to Experience“) die Urteile von Facebook-Profilen mit der Selbsteinschätzung der Profilbesitzer und jenen enger Freunde decken. Die Übereinstimmung zwischen den Facebook-Nutzern war in allen fünf Dimensionen positiv und signifikant (r=.15). Gleiches gilt für die Übereinstimmung zwischen den Facebook-Nutzern einerseits sowie dem Profilbesitzer und seinen Freunden andererseits (r=.23) – mit einer Ausnahme („Emotional Stability“). Die Annahme des Profilbesitzers darüber, wie er von Facebook-Nutzern eingeschätzt wird, stimmte mit deren tatsächlicher Einschätzung jedoch nur in einer Dimension überein („Extraversion“). Die Studie von Back et al. (2010) bestätigte für Fälle aus
180 Vgl. dazu auch den Aufsatz „Authentische Selbstbilder, geschönte Fremdbilder“ in diesem Band. 181 Vgl. Buffardi/Campbell (2008). 182 Vgl. Krämer/Winter (2008). 183 In der Konsumgesellschaft hängt die soziale Identität in hohem Maße von Geschmacksurteilen ab, also von Vorlieben für bestimmte Bücher, Musikstile, Filme und andere Kulturgüter. Liu (2008: 262) kam in einer Auswertung von MySpace-Profilen zum Ergebnis, dass mit den publizierten Präferenzen vor allem Prestige und Differenzierung angestrebt werden. Auch in einem internationalen Vergleich von Facebook-Profilen und -Nutzern zeigte sich eine starke kulturelle Prägung (vgl. Grasmuck/Martin/Zhao 2009). Zur kulturellen Verortung der Selbstdarstellung Jugendlicher vgl. Wagner/Brüggen/Gebel (2009: 69-72). 184 Vgl. dazu auch den Aufsatz „Authentische Selbstbilder, geschönte Fremdbilder“ in diesem Band.
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Deutschland und den USA in den gleichen Dimensionen den Befund, dass die Profile keine Selbst-Idealisierung darstellen, wenn man die Persönlichkeit der Profileigner mit der Fremdeinschätzung durch Profilbesucher vergleicht. Informationen über den Profilbesitzer stammen nicht nur von ihm selbst, sondern werden auch von Besuchern hinterlassen. Nach der „Warranting“-Hypothese besitzen Hinweise Dritter eine höhere Glaubwürdigkeit als Selbstauskünfte.185 In sozialen Netzwerken kann man sich außerdem über den Freundeskreis einer Person informieren. Hier kann man mit einem „’Abfärbe-Mechanismus’“ (Hollstein 2007: 68) rechnen. Walther et al. (2008: 35f.) sprechen von Kontexteffekten, soweit Besucher davon Schlüsse auf den Profileigner ziehen. Sie untersuchten experimentell den Einfluss der physischen Attraktivität von Freunden, die auf Fotos im Profil abgebildet sind, und der verbalen Statements von Profilbesuchern auf die Einschätzung des Profileigners.186 Donath/Boyd (2004) haben, ausgehend von der Signaltheorie, die öffentliche Darstellung sozialer Beziehungen als Mittel interpretiert, mit dem mit hohen Kosten und deshalb auch mit hoher Validität Auskünfte über die eigene Identität bestätigt werden können. Der sichtbare Freundeskreis bekräftigt implizit die Richtigkeit der Selbstdarstellung. Das öffentlich gemachte Ego-Netzwerk signalisiert nämlich die Bereitschaft des Profileigners, seine Reputation zu riskieren, denn jeder hat so die Gelegenheit, mit seinen Freunden Kontakt aufzunehmen, um Fehlverhalten mitzuteilen oder Informationen zu verifizieren.187
185 Vgl. Walther et al. (2008: 33-35, 45f.). 186 Die physische Attraktivität von Freunden übertrug sich auf die Einschätzung der Attraktivität der Profileigner. In normativer Hinsicht negativ bewertete „Wall Postings“ wirkten sich geschlechtsspezifisch aus: Männer gewannen an Attraktivität, Frauen verloren hingegen. Utz (2010) hat die Bedeutung von Hinweisen auf Extraversion, die vom Profileigner selbst stammen oder die sich aus Fotos von Freunden im Profil ergeben, sowie von systemgenerierten Angaben über die Zahl der Freunde auf die Eindrücke von Profilbesuchern experimentell geprüft. 187 Kosten entstehen beim Aufbau des Netzwerks, durch die Reduzierung der Privatsphäre und die Risikobereitschaft. Begrenzt wird dieser Mechanismus der Verifizierung durch die Möglichkeit, durch falsche Profile ein Freundesnetzwerk vorzutäuschen, das weite Freundschaftsverständnis in sozialen Netzwerken, das nicht sicherstellt, dass der Profileigner überhaupt näher bekannt ist, sowie die Unsicherheit, ob bei anderen die Bereitschaft besteht, Sanktionen zu ergreifen (vgl. Donath/Boyd 2004: 74f.). Auch die Bereitschaft, viel Zeit in die Überarbeitung des Profils zu investieren und Trends früh aufzugreifen, ist ein kostenintensives Signal von großer Aussagekraft: „Being in fashion – whether via physical clothing or online linking – signals fitness in the continuously changing information world.“ (Donath 2008: 243) Gleiches gilt für die Risikobereitschaft bei der Veröffentlichung persönlicher Informationen (vgl. ebd.: 243f.).
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Schließlich können persönliche Informationen in sozialen Netzwerken auch technisch generiert sein; das gilt z. B. für den Hinweis auf die Zahl der Freunde.188 Zur Selbstdarstellung zählt als Meta-Information auch der Erfolg, der im Netzwerk selbst erzielt wird. Soziale Netzwerke machen das egozentrierte Netzwerk und damit das angesammelte soziale Kapital transparenter, als dies in anderen Kanälen möglich ist: Die Zahl der Freunde wird exakt gemessen und ist einsehbar (soziometrische Popularität).189 Der Grad der Popularität hängt vom Selbstwertgefühl („Self-Esteem“) und der Extra- oder Introvertiertheit („Sociability“) ab: Extrovertierte Facebook-Mitglieder mit hohem Selbstwertgefühl erzielen die höchste Popularität, Introvertierte mit geringem Selbstwertgefühl die geringste (vgl. Zywica/Danowski 2008: 18). Auch eine hohe Einschätzung der Selbstwirksamkeit („SelfEfficacy“) beeinflusst die Zahl der Freunde positiv (vgl. Krämer/Winter 2008: 113).190 Die Vermutung, dass zwischen der Zahl der Freunde und der Attraktivität eine lineare Beziehung besteht, ist allerdings in sozialen Netzwerken zweifelhaft: Technisch sind weitaus größere Freundeskreise als bisher möglich, und die Bezeichnung „Freund“ stimmt nicht mehr mit der eng gefassten Bedeutung überein, die sie in Offline-Beziehungen besitzt. Ab einem bestimmten Punkt wird eine Vielzahl von Beziehungen negativ bewertet. Tong et al. (2008: 537-539) ermittelten experimentell, dass dieser Punkt im Falle von Facebook bei 300 Freunden liegt. Danach fiel die Einschätzung der sozialen Attraktivität ab: „Individuals with too many friends may appear to be focusing too much on Facebook, friending out desperation rather than popularity, spending a great deal of time on their computers ostensibly trying to make connections in a computer-mediated environment where they feel more comfortable than in face-to-face social interaction […].” (ebd.: 542)
188 Vgl. Tong et al. (2008: 532-534). 189 Vgl. Tong et al. (2008: 535-537); Zywica/Danowski (2008: 2-4). 190 Zu den Gründen für den Verlust von Facebook-Freunden vgl. Kelly (2010). – Rudder (2010b) hat im Online-Dating-Dienst OkCupid etwa 7000 Fotos von Teilnehmern zufällig ausgewählt, analysiert und den Erfolg der Selbstdarstellung gemessen, und zwar anhand der Zahl der Kontaktaufnahmen und der sich anschließenden Konversationen. Danach ist z. B. bei Frauen ein flirtender Blick in die Kamera am erfolgreichsten, gefolgt von einem lachenden Blick in die Kamera. Bei Männern ist der lachende oder nicht-lachende Blick ohne Augenkontakt erfolgreicher als der Blick in die Kamera. Ein flirtender Blick an der Kamera vorbei ist unabhängig vom Geschlecht am ungünstigsten. Dating-Dienste bieten sich für die Evaluation der Selbstdarstellung an, weil hier die Teilnehmer sehr viele Angaben über sich selbst machen, die mit der Selbstdarstellung verbundene Absicht eindeutig und der Erfolg leicht messbar ist. Die hier gewonnenen Erkenntnisse sind aber kaum auf soziale Netzwerke übertragbar. Weitere Befunde im Blog von OkCupid „oktrends“ (blog. okcupid.com).
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9 Fazit Das Internet ist ein multioptionales Medium, das im Vergleich zu früheren Einzelmedien deutlich mehr Gebrauchsmöglichkeiten bietet und eine breitere Beteiligung von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen erlaubt. Das enorme technische Potenzial und die soziale Offenheit erschweren jedoch die sinnvolle Selektion von Handlungsoptionen (Kontingenzproblem) sowie die wechselseitige Abstimmung von Handeln und Erwartungen zwischen den Akteuren (Interdependenzproblem). Die Unsicherheit, die aus der Vielzahl der Optionen und Beteiligten entsteht, soll durch Formate und Angebote auf ein handhabbares Maß reduziert werden. Der so vorstrukturierte Rahmen ist unterschiedlich weit: Während bei einigen Formaten – wie in den traditionellen Massenmedien – die Anbieter dominieren und den Nutzern nur wenige Möglichkeiten lassen (wie z. B. auf redaktionellen Websites und in Online-Shops), legen partizipative Formate ihre Verwendung und die Rollen der Beteiligten kaum fest. Soziale Netzwerke – ganz besonders Facebook als wichtigster Vertreter des Formats – sind der ambitionierte Versuch, das Handeln einer großen Teilnehmerzahl mit möglichst wenigen Regeln und einem komfortablen Zugriff auf viele Kommunikationsoptionen zu rahmen. Soziale Netzwerke stehen damit paradigmatisch für das Internet: als Ort für alles und für alle. Als Hybride sind sie durch ein hohes Maß an Heterogenität und Dynamik gekennzeichnet. Diese Unterbestimmtheit dürfte wesentlich ihren Erfolg ausmachen. Allerdings ist sie auch die Ursache für Missverständnisse, Manipulationen und Konflikte, für deren Bewältigung spezifischere Regeln und Grenzziehungen innerhalb sozialer Netzwerke entwickelt werden müssen. Soziale Netzwerke können einerseits zu einer stärkeren Differenzierung führen, wenn sich Freundes- und Interessenkreise absondern.191 Sie können aber auch zu einem gemeinsamen Informationsraum führen, in dem Kommunikation in der Vertikalen und Horizontalen integriert wird. Damit würden sie eine Art „Klammer“ für die Netzwerköffentlichkeit und Netzwerkgesellschaft bilden.192 Diese
191 Eine interne Differenzierung entspricht nicht den ökonomischen Motiven der Netzwerk-Betreiber: Einerseits wollen sie innerhalb des Angebots möglichst wenige Barrieren zulassen und eine möglicht dichte Vernetzung erreichen. Andererseits versuchen sie, ihr Angebot vom Rest des Internets abzuschotten, Zumindest wollen sie das Verlassen des Netzwerkes verhindern. Kritiker wie der „Erfinder“ des „World Wide Web“, Tim Berners-Lee (2010; vgl. Hofmann 2010b), verfolgen mit Sorge, dass soziale Netzwerke und Anbieter wie Apple die Offenheit des Webs einschränken, weil sie z. B. die externe Verlinkung ihrer Seiten nicht zulassen. 192 Vgl. Castells (2004: 406-415).
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Beseitigung von Sichtbarrieren kann sich positiv auswirken, z. B. auf die öffentliche Meinungsbildung; sie kann aber auch negative Folgen haben, etwa für den Schutz der Privatsphäre. Dieser besondere Charakter sozialer Netzwerke ist bisher in der Forschung noch kaum aufgearbeitet worden. Bisher liegen vor allem sozialpsychologische und pädagogische Arbeiten zu Fragen des Beziehungs- und Identitätsmanagements auf der Mikroebene vor, während die Meso- und Makroebene weitgehend ausgeklammert geblieben ist. Als neues Phänomen im Bereich der öffentlichen Kommunikation fallen soziale Netzwerke in den Kernbereich der Kommunikationswissenschaft. In diesem Beitrag wurde der Versuch einer breiteren Erschließung aus der Sicht des Faches unternommen. Dafür konnte an Ansätze u. a. aus der Rezipientenforschung (Gratifikationsansatz, Medienwahl) und der Kommunikatorforschung (Strategien öffentlicher Selbstdarstellung) angeknüpft werden.193 Künftige Forschung sollte sich sozialen Netzwerken in ihrer Gesamtheit, ihrer Struktur und inneren Dynamik, ihrer Regulierung und Steuerung sowie der Evolution des Formats zuwenden. Wenn die Kommunikationswissenschaft dem an sich selbst gestellten Anspruch als transdisziplinäres Fach gerecht werden will, so ist es auch ihre Aufgabe, einen übergreifenden Rahmen für die Forschung in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zu entwickeln. Literatur: Acquisti, Alessandro/Gross, Ralph (2006): Imagined Communities: Awareness, Information Sharing, and Privacy on the Facebook. In: Privacy Enhancing Technologies. Lecture Notes in Computer Science. Vol. 4258/2006, S. 3658. http://www.springerlink.com/content/gx00n8nh88252822/fulltext.pdf (25.11.2010). Alby, Tom (2007): Web 2.0. Konzepte, Anwendungen, Technologien. München/Wien: Hanser. Anderson, Chris (2007): The Long Tail. Der lange Schwanz. Nischenprodukte statt Massenmarkt. Das Geschäft der Zukunft. München: Hanser. Arnu, Titus (2007): Meine virtuellen Freunde. Reden, Flirten, Leute treffen – aber nur im Netz: Viele Jugendliche sind süchtig nach Internet-Kontakten. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 272 v. 26.11.2007, S. 10. Back, Mitja D./Stopfer, Juliane M./Vazire, Simine/Gaddis, Sam/Schmukle, Stefan C./Egloff, Boris/Gosling, Samuel D. (2010): Facebook Profiles Reflect Actual Personality, Not Self-Idealization. In: Psychological Science. 21. Jg., H. 3, S. 372-374. Baker, Stephen (2009): Die Numerati. Datenhaie und ihre geheimen Machenschaften. Aus dem Amerikanischen von Karsten Petersen. München: Hanser. Barnes, Susan B. (2006): A privacy paradox: Social networking in the United States. In: First Monday. 11. Jg., H. 9. http://firstmonday.org/htbin/cgiwrap/bin/ojs/index.php/fm/article/view/1394/1312 (26.11.2010). Bauernschuster, Stefan/Falck, Oliver/Wosmann, Ludger (2010): Schadet Internetnutzung dem Sozialkapital? In: ifo Schnelldienst. 63. Jg., H. 21, S. 11-17. http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoContent/N/pr/pr-PDFs/ Schnelldienst2010PDF/ifosd_2010_21_2.pdf (17.11.2010).
193 Die gängige Zweiteilung des Faches in Kommunikator- und Rezipientenforschung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten, wenn Medienanbieter und Publikum nicht mehr so klar getrennt werden können, wie es unter den Bedingungen der traditionellen Massenmedien bisher möglich war.
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StudiVZ als Gesprächsstoff
Nutzerbefragung I: Die Bedeutung interpersonaler Kommunikation für die Diffusion des StudiVZ Hanna Jo vom Hofe/Simone Nebelsieck/Stella Paschen/Nicole Stecha
Das soziale Netzwerk StudiVZ hatte anfangs einen beeindruckenden Erfolg:1 Nach der Markteinführung im Oktober 2005 hatten sich innerhalb eines halben Jahres zunächst knapp 3.000 User angemeldet. Bis zum Zeitpunkt der Studie im März 2007 war die Mitgliederzahl bereits auf über 1,8 Millionen angestiegen (vgl. IVW 2008). Außergewöhnlich am Erfolg des StudiVZ war allerdings nicht alleine der schnelle Mitgliederanstieg selbst, sondern wie die heutigen Nutzer überhaupt von der Plattform erfahren haben und welcher Kommunikationskanal zu ihrem Beitritt geführt hat. Denn im Vorfeld und während der Markteinführung des StudiVZ wurden keine Werbemaßnahmen durchgeführt, und es hat keine nennenswerte mediale Berichterstattung stattgefunden. Umso erstaunlicher ist es demzufolge, dass sich das StudiVZ in kürzester Zeit gegenüber bereits bestehenden sozialen Netzwerken im Internet durchsetzen konnte. Es kann also vermutet werden, dass die Verbreitung des StudiVZ auf anderen Kommunikationswegen vollzogen wurde. Die naheliegende Annahme ist daher, dass der Austausch von Informationen über das StudiVZ durch interpersonale Kommunikation stattgefunden hat. Inwiefern sich diese Annahme bestätigt und aufgrund welcher Faktoren sich die rasche Verbreitung der Innovation StudiVZ vollziehen konnte, ist Gegenstand der nachfolgenden Studie. 1
Die vorliegende Studie entstand im Rahmen des von Volker Gehrau geleiteten Projektseminars „Gespräche über Medieninformationen“ im Wintersemester 2006 und Sommersemester 2007 am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster unter Mitarbeit von Bärbel Gröne, Daniela Holtkamp, Henrike Schelling, Kathrin Bramkamp, Luise Schlächter, Magdalena Pieczynska, Mareike Hermes, Miriam Crone, Nicole Schreiber, Ren Jian und Robert Kahr.
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Hanna Jo vom Hofe/Simone Nebelsieck/Stella Paschen/Nicole Stecha
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Verbreitung des StudiVZ: Erklärung auf der Basis der Diffusionsforschung Mit der Verbreitung und den Erfolgsfaktoren von Innovationen (Produkten, Dienstleistungen und Nachrichten) beschäftigt sich die Diffusionsforschung. Sie dient daher als theoretische Grundlage der weiteren Auseinandersetzung mit dem Nutzeranstieg des StudiVZ. Mit Hilfe empirischer Analysen versucht sie die Faktoren zu identifizieren, die für die Verbreitung und den Erfolg der Innovationen verantwortlich sind. Dabei definiert Rogers2 den Terminus „Diffusion“ wie folgt: „Diffusion is the process by which an innovation is communicated through certain channels over time among the members of a social system. Diffusion is a special type of communication concerned with the spread of messages that are new ideas.” (Rogers 1983: 34)
Die Begriffe der Innovation, der Kommunikation, des sozialen Systems und des Zeitverlaufs bilden grundlegende Aspekte der Diffusionsforschung, die im Folgenden erläutert werden sollen. Die Innovation
Eine Innovation kann sowohl eine neue Information, aber auch ein neues Produkt, eine neue Technologie oder Dienstleistung sein. Alle Innovationen werden über fünf Eigenschaften charakterisiert: Sie haben einen relativen Vorzug oder zusätzlichen Nutzen gegenüber bekannten Ideen oder Techniken. Zudem müssen sie sich mit den bestehenden Werten, Erfahrungen und Bedürfnissen der Übernehmer vertragen. Die Innovation ist in der Regel relativ komplex in Handhabung und Verstehen und bietet die Möglichkeit zum Ausprobieren. Außerdem müssen die Ergebnisse beobachtbar sein. Je intensiver die Ausprägung dieser Attribute ist (außer bei der Komplexität – hier verhält es sich umgekehrt), desto eher kommt es zu einer Entscheidung für die Innovation (vgl. Schenk et al. 1996: 32). Die Kommunikation
Kommunikation wird als treibende Kraft im Diffusionsprozess gesehen. Die Kommunikationskanäle gelten als Verbindung zwischen einem Sender und einem Empfänger. Das Kommunikationsverständnis orientiert sich an dem S-R-Modell nach Lasswell (1927). Dabei wird der Diffusionsprozess in dem S-M-C-R-E-Kommunikationsmodell3 nach Rogers (1983) beispielhaft als sozialer Prozess zwischen einem
2 3
Aufgrund der großen Bedeutung der Arbeiten von Rogers für die Diffusionsforschung wird im Folgenden – falls nicht anders gekennzeichnet – auf die von ihm begründete Theorie Bezug genommen. S= „Source“ (Quelle); M= „Message“ (Nachricht); C= „Channel“ (Kanal); R= „Receiver“ (Empfänger); E= „Effects“ (Wirkungen).
StudiVZ als Gesprächsstoff
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Erfinder und einem Empfänger betrachtet. Dieser Empfänger ist dabei Mitglied eines sozialen Systems und wird durch den Kommunikationsprozess zu einem Wissenszuwachs, einer Einstellungs- oder Verhaltensänderung gebracht (vgl. Schenk 1987: 283). Unter Kommunikation werden dabei sämtliche Formen der Informationsübermittlung von Massenkommunikation bis zu interpersonaler Kommunikation gefasst. Nach einer Studie von Lin (1971) haben beide Ausprägungen von Kommunikation im Diffusionsprozess allerdings eine unterschiedliche, komplementäre Wirkweise. Während Massenkommunikation der Informationsvermittlung an die breite Masse dient, trägt die interpersonale Kommunikation dazu bei, die Meinung der Empfänger zu beeinflussen. Die Massenmedien liefern also den Inhalt für interpersonale Gespräche, welche dann vermehrt persuasiv wirken (vgl. Rogers 1983: 35f.; Schenk 1987: 295f.). Das soziale System
Ein soziales System kann den Diffusionsprozess sowohl antreiben als auch hemmen. Aus diesem Grund stellt es eine wichtige Variable bei der Verbreitung von Innovationen dar. Es greift insbesondere auf der Ebene der interpersonalen Kommunikation, denn hier werden die Informationen anhand des kulturellen Hintergrunds „bewertet, legitimiert, angenommen oder zurückgewiesen und/oder modifiziert, bis sie in die existierende Kultur hineinpassen“ (Schenk 1987: 298). Dabei kann ein soziales System als eine Zusammensetzung von Personen verstanden werden, die miteinander in Beziehung stehen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das System liefert durch diese Gemeinsamkeiten den Einzelpersonen Stabilität (vgl. Rogers 1983: 37). Allgemein kann auf der Grundlage der Diffusionsforschung zwischen modernen und traditionalen sozialen Systemen unterschieden werden. Soziale Systeme mit modernen Normen, in denen die Innovationsdiffusionen schneller verlaufen, sind durch eine große Wandelbereitschaft und eine erhebliche Entwicklung in den technischen Bereichen charakterisiert. Systeme mit traditionalen Normen besitzen entgegengesetzte Merkmale. Das Individuum wird immer im Kontext seines sozialen Systems betrachtet und hat einen intrinsischen Wunsch nach sozialer Absicherung, welcher sich auch in seiner Adoptionsentscheidung niederschlägt.
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Der Zeitverlauf
Eine weitere relevante Variable in der Diffusionsforschung stellt der zeitliche Prozess dar, der eine Neuerung bis zur Adoption4 bei den Empfängern durchläuft. Die Forschung untersucht dabei die Tatsache, dass spezifische Innovationen mehr oder weniger Zeit zur Ausbreitung benötigen als andere. Als Adoption wird die Übernahme der Neuigkeit durch Individuen oder Einheiten oder auch die „psychische Einstellung der Individuen zu dieser Innovation im Sinne der freiwilligen Annahme“ (Schenk 1987: 286) bezeichnet. Die Zeit wird dabei aus drei Perspektiven untersucht: „(1) the innovation-decision process, (2) innovativeness, and (3) an innovation’s rate of adoption“ (Rogers 1983: 36). Im Hinblick auf den „innovation-decision process“ wird die Zeit untersucht, die ein Individuum benötigt, um sich für oder gegen eine Innovation oder Meinung zu entscheiden. Dabei wird ein Adoptionsprozess durchlaufen, in dem alle fünf Phasen durch interpersonale und Massenkommunikation beeinflusst werden (können) (vgl. Rogers 1983: 165). x Wissen („Knowledge“): Das Individuum erfährt von der Existenz der Innovation und gewinnt ein gewisses Verständnis für deren Funktionsweise. Dieser Prozess wird häufig durch die Rezeption der Massenmedien unterstützt. x Persuasion: In dieser Phase sucht das Individuum Informationen über die Innovation, um sich eine Meinung zu bilden. Vor- und Nachteile der Neuerung werden in Erfahrung gebracht und unter Umständen sogar ausprobiert. x Entscheidung („Decision“): Diese Phase endet mit der Entscheidung des Individuums über Annahme oder Ablehnung der Innovation. Auf dem Weg dahin übt es Aktivitäten aus, um letzte Unsicherheiten in Bezug auf die Nutzung auszuschließen. x Einführung („Implementation“):5 In dieser Phase hat sich das Individuum zur Nutzung der Innovation entschlossen, es ist zu einem Adopter geworden. Der Adopter versucht nun, die Innovation an seine Bedürfnisse anzupassen sowie Probleme der Nutzung zu überwinden, und stellt die Nutzungsintensität und -frequenz fest. x Bestätigung („Confirmation“): In dieser Phase des Adoptionsprozesses sucht der Adopter Bestätigungen für seine Entscheidung. Es kann passieren, dass er 4 5
Es ist jedoch anzumerken, dass der Adoptionsbegriff vermehrt in der Untersuchung von technischen Innovationen Anwendung findet. Bei Nachrichten ist es problematisch von Adoption zu sprechen, da sie kaum adoptiert werden, sondern maximal geglaubt werden können. Die Implementierungsphase hat Rogers seinem Modell erst 1983 nachträglich hinzugefügt.
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diese aufgrund des Auftretens von besseren Alternativen oder einer Enttäuschung in der Implementierungsphase wieder rückgängig macht. Die zweite Perspektive der Zeitbetrachtung ist die Innovationsbereitschaft („Innovativeness“). Diesbezüglich können fünf Adoptions-Kategorien unterschieden werden (vgl. Rogers 1983: 36f.). Sie stellen Idealtypen dar, deren sozioökonomische und demografische Eigenschaften empirisch belegt worden sind: x „Innovatoren“ sind mit den Begriffen Meinungsführer oder Trendsetter zu umschreiben. Sie sind die Ersten, die die Neuigkeit übernehmen. x Die Gruppe der „Frühen Übernehmer“ umfasst eine hohe Anzahl von Meinungsführern. Diese Personen werden im sozialen System als Vergleichspersonen wahrgenommen. Sie nutzen die Massenmedien und offizielleren Kanäle. x Die „Frühe Mehrheit“ wartet zunächst die Erfahrungen der anderen ab. Sie steht in Interaktion mit Personen in ihrer sozialen Umgebung und ihre Mitglieder wollen im Diffusionsprozess weder die Letzten, noch die Ersten sein. x Die „Späte Mehrheit“ zeichnet sich durch eine größere Skepsis gegenüber Veränderungen aus. Die Vertreter dieser Gruppe reagieren hauptsächlich auf den sozialen Druck ihres sozialen Systems, wenn sie die Innovation adoptieren. Sie gelten als finanziell schlechter gestellt und weniger informiert als die vorherigen Gruppen. x Die „Nachzügler“ übernehmen die Innovation als letzte Gruppe. Sie sind traditionsgebunden, in ihrer sozialen Umgebung isoliert und treffen Entscheidungen in der Regel auf Basis vorheriger Erfahrung (vgl. Schenk 1987: 292f.). Die Adoptionsrate („the innovation’s rate of adoption“) erklärt die relative Geschwindigkeit, mit der die Mitglieder eines sozialen Systems eine Neuigkeit übernehmen. In den meisten Fällen steigt die Adoptionsrate zunächst schwach an, „bevor sie sich dann maximal steigert, um schließlich, nachdem die Hälfte der Systemteilnehmer bereits adoptiert hat, bei wieder schwächerem Anstieg die vollständige Marktsättigung zu erreichen“ (Schenk et al. 1996: 26).
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Fragestellung Zwei entscheidende Merkmale kennzeichnen den Diffusionsprozess des StudiVZ: erstens die Geschwindigkeit der Verbreitung und zweitens die Tatsache, dass diese ohne nennenswerte mediale Berichterstattung stattgefunden hat. Der enorme Anstieg von Nutzerzahlen innerhalb eines Jahres stellt das Ausgangsproblem der Untersuchung dar. Während im März 2006 erst knapp 3.000 User den Dienst nutzten, waren es zum Zeitpunkt der Untersuchung im März 2007 bereits über 1,8 Millionen (vgl. Schmidt 2007). Das Erstaunliche an diesem hohen Mitgliederanstieg ist, dass im Vorfeld und während der Einführung des Netzwerks (im Oktober 2005) keinerlei Werbung geschaltet wurde und es fast keine mediale Berichterstattung gegeben hat. Massenmediale Kommunikation hat bei der Diffusion offenbar kaum eine Rolle gespielt, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die Verbreitung von Informationen über das StudiVZ auf anderen Kommunikationswegen stattgefunden hat. Die Annahme liegt nahe, dass interpersonale Kommunikation einen entscheidenden Faktor in diesem Diffusionsprozess darstellt. Ziel war es deshalb, im Rahmen einer empirischen Untersuchung herauszufinden, welchen Anteil die persönlichen Gespräche an der schnellen Verbreitung und Etablierung des StudiVZ haben. Wie kommt es zu diesem raschen Mitgliederanstieg? Und welche Rolle spielt interpersonale Kommunikation bei diesem Prozess? Aus diesem Problemfeld ergibt sich die forschungsleitende Frage der Untersuchung: Haben Gespräche über die Innovation StudiVZ zum Erfolg dieses sozialen Netzwerks beigetragen? Die Hypothesen und daraus generierten Fragen orientieren sich an den vorgestellten fünf Phasen der Diffusionsforschung (Knowledge, Persuasion, Decision, Implementation, Confirmation). Durch die Abfrage bestimmter Merkmale, die sowohl den ersten Kontakt mit dem StudiVZ als auch die darauf folgende Informationsbeschaffung und die Nutzung betreffen, soll erhoben werden, ob und in welchem Ausmaß interpersonale Kommunikation zur raschen Verbreitung und so zum Erfolg vom StudiVZ beigetragen hat. Es wird angenommen, dass die Mehrzahl von Personen über Gespräche und nicht über Medieninformationen vom StudiVZ erfahren hat. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass auch der nächste Schritt – die bewusste Informationsbeschaffung vor der Entscheidung über Mitgliedschaft oder Nicht-Mitgliedschaft im StudiVZ – hauptsächlich über interpersonale Kommunikation stattgefunden hat und darüber hinaus bei Mitgliedern ein Zusammen-
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hang zwischen der Nutzungsintensität und der Häufigkeit von Gesprächen über das StudiVZ besteht. Das Erhebungsverfahren Es wurde ein Online-Fragebogen für StudiVZ-Mitglieder und eine „Paper-andPencil“-Befragung für Nicht-Mitglieder konzipiert. Die Online-Befragung sollte Erkenntnisse darüber liefern, welche Rolle interpersonale und/oder massenmediale Kommunikation beim Eintritt in das StudiVZ gespielt haben. In diesem Zusammenhang lag das Forschungsinteresse darin, die Richtung (positiv/negativ/neutral) und die Art der Kommunikation (interpersonal/massenmedial) zu ermitteln, die ausschlaggebend für die Beitrittsentscheidung war. Da zu erwarten war, dass positive Kommunikation die Entscheidung für eine Mitgliedschaft unterstützt, wurden als Vergleichsgruppe auch Nicht-Mitglieder befragt. Die Stichprobe
Für beide Methoden, Online-Fragebogen und „Paper-and-Pencil“-Befragung, wurden zwei unterschiedliche Stichproben gezogen. Die genaue Vorgehensweise für die Auswahl der Stichproben wird im Folgenden erläutert. Da ein Großteil der StudiVZ-Mitglieder Studierende sind, wurde diese Personengruppe für die Untersuchung ausgewählt. Eine Befragung der Grundgesamtheit, zu der alle StudiVZ-Mitglieder gehören (über 1,8 Millionen6), wäre aus forschungsökonomischen Gründen nicht realisierbar gewesen. Aus diesem Grund war es für die vorliegende Untersuchung notwendig, eine Zufallsstichprobe zu ziehen. Sie umfasst Studierende der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die zum Zeitpunkt der Online-Befragung im StudiVZ angemeldet waren bzw. in ihrem Profil den Status „Student“ ausgewählt hatten und zwischen 18 und 32 Jahren alt waren (Jahrgänge 1975 bis 1989). Die Universität Münster wurde zum einen aus forschungspraktischen Gründen ausgewählt (geografische Nähe). Zum anderen hatte die Hochschule, nach Angabe der damaligen StudiVZ-Betreiber eine „Vorreiter“-Stellung in Bezug auf das Eintrittsdatum der Mitglieder in das Netzwerk. Die Befragten wurden für die Stichprobe im StudiVZ zufällig anhand ihres Geburtsdatums (Tag, Monat, Jahr) ausgewählt. Per Zufallsverfahren wurde ein Datum zwischen dem 01. Januar 1975 und dem 31. Dezember 1989 bestimmt. Daraus ergab sich als Ausgangsdatum der 24. August 1982. Ausgehend von diesem Datum, wurde in 20 Tage-Schritten nach vorn und nach hinten gezählt, bis die 6
Stand der Mitgliederzahl: März 2007 (vgl. Schmidt 2007).
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oben genannten Eckdaten erreicht waren. Die Geburtsdaten wurden anschließend in die Super-Suchmaske des StudiVZ eingegeben, die alle ausgewählten Studierenden an der Universität Münster an den jeweiligen Tagen herausfilterte. Ein wichtiger Vorteil dieser Stichproben-Auswahl lag darin, dass es keine Fächerkonzentration unter den Befragten gab. So konnten Studierende mit verschiedenen Studiengängen in der Untersuchung berücksichtigt und untersucht werden. Um Probanden für die Teilnahme an der Befragung zu gewinnen, wurde eine StudiVZ-Gruppe „Uni Münster − wir sind das StudiVZ“ gegründet, die ausführliche Informationen über die Untersuchung und deren Vorgehensweise enthielt. Ein Link führte die Studierenden weiter zu der Fragebogen-Maske. Im Zeitraum vom 8. bis 15. Juni 2007 wurden Einladungen zur Befragung an die ausgewählten Personen verschickt. Von den insgesamt 1.300 Studierenden füllten 284 den OnlineFragebogen aus. Das entspricht einer Rücklaufquote von 22%. Auch bei der Offline-Befragung erwies sich eine Vollerhebung aller Nicht-Mitglieder des StudiVZ im Rahmen der Studie als nicht durchführbar. Zu der Grundgesamtheit gehören alle aktuellen und ehemaligen Studierenden, Schüler, Auszubildende, Berufstätige und sonstige Gruppen. Einen genauen Wert in absoluten Zahlen über die Grundgesamtheit zu erhalten, ist anhand eines einzigen Merkmals, nämlich der Nicht-Mitgliedschaft im StudiVZ, nicht auszumachen. Damit ein Vergleich zu der Online-Befragungsgruppe gezogen werden konnte, bestand die Auswahl der Personen für die Offline-Befragung auch aus Studierenden und ehemaligen Studierenden der Münsteraner Hochschulen, Schülern, Auszubildenden, Zivildienstleistenden und Berufstätigen aus Münster. Eine weitere Voraussetzung für die Teilnahme an der Offline-Befragung stellte das Kriterium der Nicht-Mitgliedschaft im StudiVZ zum Zeitpunkt der Erhebung dar, anhand dessen die Probanden ausgesucht wurden. Eine systematische Stichprobenziehung, zum Beispiel die Auswahl jedes Zehnten, war nicht möglich, da die Räumlichkeiten dieses Verfahren nicht zuließen. Die „Paper-and-Pencil“-Befragung fand in diversen Mensen der Universität und der Fachhochschule Münster vom 18. bis 31. Mai 2007 statt. Damit sich ein möglichst breiter Querschnitt der Münsteraner Studierenden rekrutieren ließ, wurden Mensen ausgesucht, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt waren. Somit wurde verhindert, dass gewisse Studiengänge und -fächer bei der Befragung überrepräsentiert waren und stattdessen möglichst viele verschiedene Gruppen untersucht werden konnten. Insgesamt füllten 314 Nicht-Mitglieder den Offline-Fragebogen aus.
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Die Kontrollgruppe ähnelt den Befragten der ersten Stichprobe im Hinblick auf soziodemografische Merkmale (Alter, Geschlecht und Status) und Fallzahl. Methodische Vorbemerkungen
Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf der Befragung von Mitgliedern des StudiVZ. Die Online-Erhebung wurde mit standardisierten Fragebögen mit je 20 Fragen durchgeführt. Die Zusammenstellung der Frageblöcke bei den Online- und Offline-Bögen war zum größten Teil deckungsgleich. Sie ergab sich aus den aufgestellten Hypothesen und den fünf Phasen der Diffusionsforschung (Knowledge, Persuasion, Decision, Implementation, Confirmation). Um herauszufiltern, welche Gründe es für die rasche Verbreitung des StudiVZ gab, wurden verschiedene Merkmale erhoben, die nachfolgend beschrieben werden. Zunächst wurde abgefragt, wie die Personen vom StudiVZ erfahren haben (über Freunde, Medien etc.). Es folgten Fragen zur Informationssuche über das StudiVZ, die im Vorfeld der Entscheidung über die eigene Mitgliedschaft stattfand. Damit wurde überprüft, über welche Kommunikationswege dies stattgefunden hat (medial oder interpersonal). Mit den Fragen nach der Intensität, Bewertungsrichtung (positiv, negativ, neutral) und den Inhalten der persönlichen Gespräche sollte deren Einfluss auf mögliche Veränderungen des Nutzungsverhaltens der User ermittelt werden. Das Eintrittsdatum war bei der Studie von großem Interesse, denn es kann als Indikator für die Wirkung von interpersonaler und massenmedialer Kommunikation gelten. Darauf basiert folgende Annahme: Je größer der Einfluss positiver, interpersonaler Gespräche über das StudiVZ war, desto schneller kam es zu einer Anmeldung. Im nächsten Schritt wurde die Wichtigkeit der Kommunikationswege, über die sich die Mitglieder über das StudiVZ informiert haben, erfragt: Haben sich die Mitglieder eine Bestätigung ihrer Meinung eingeholt? Im folgenden Frageblock wurden Motive für die Mitgliedschaft erhoben: War der soziale Druck, also das Gefühl, dazuzugehören und mitreden zu können, ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Entscheidung zur Mitgliedschaft? Eine Abfrage der Freundesanzahl sollte dies zusätzlich überprüfen. Und wenn der soziale Druck eine Rolle gespielt hat: Welchen Einfluss hatte er auf das Nutzungsverhalten der Mitglieder? Abschließend erfasste sowohl die Online- als auch die Offline-Variante des Fragebogens soziodemografischen Daten wie Alter, Geschlecht, Status, Studiengang und Fachsemester der Teilnehmer. Insgesamt wurden 598 Personen befragt. Der
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Anteil der männlichen Probanden lag bei 51%, der Anteil weiblicher Befragter bei 49%. Durchschnittlich waren die Befragten 25 Jahre alt. Die Mehrheit aller Untersuchungsteilnehmer (72%) gab an, zu studieren und zum Zeitpunkt der Studie mindestens im sechsten Semester an der Universität Münster eingeschrieben zu sein. Ergebnisse Zeitpunkt des Beitritts in das StudiVZ
Die Vorreiterrolle, die der Universität Münster in Bezug auf die hohe Mitgliederzahl zugesprochen wird, kann durch die Ergebnisse der Befragung bestätigt werden. Bereits im Oktober 2006, ein Jahr nach Gründung des Netzwerks, waren über drei Viertel der befragten Studierenden der Universität Münster im StudiVZ angemeldet. Traten kurz nach der Gründung nur wenige Studierende (1% im Dezember 2005) dem StudiVZ bei, so verzeichnete die Plattform zwischen Juni und Oktober 2006 die höchsten Beitrittszahlen. Von den fünf Monaten dieser Hauptbeitrittsphase war der Monat August mit 15% der beitrittsstärkste Monat. Zeitspanne zwischen Erstinformation und Beitritt
Die Anmeldung im Netzwerk erfolgte insgesamt relativ schnell, nachdem die Studierenden auf die Innovation StudiVZ aufmerksam geworden waren: Bei über der Hälfte der Befragten betrug die Zeitspanne zwischen „Aufmerksamwerden“ und Anmeldung nur bis zu einer Woche. Im Vergleich dazu warteten nur 7% der Studierenden über drei Monate bis zu einem Beitritt in das Netzwerk (vgl. Tab. 1). Tab. 1:
Zeitspanne zwischen der Erstinformation über die Innovation StudiVZ und dem Beitritt in das soziale Netzwerk abs.
bis zu einer Woche bis zu einem Monat bis zu drei Monaten über drei Monate gesamt
in % 148 78 37 21 284
52,1 27,5 13,0 7,4 100
in % (kumuliert) 52,1 79,6 92,6 100
Die Übertragung der erhobenen Daten auf ein Linien-Diagramm ermöglicht differenziertere, über die reine Betrachtung der Häufigkeitsverteilung der Zeitspanne hinausgehende Rückschlüsse: Anhand der Grafik lassen sich Adoptionstypen und ihre jeweilige Innovationsbereitschaft unterscheiden.
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Abb. 1: Diffusion von StudiVZ im Zeitverlauf: Erstinformation und Beitritt in das soziale Netzwerk (kumulierte Anteile pro Monat, in %) von StudiVZ erfahren
Beitritt in StudiVZ
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr 2005 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2006 2007 2007 2007 2007
Die durchgezogene Kurve der Abbildung 1 zeigt, wann die Studierenden der Universität Münster von der Innovation StudiVZ erfahren haben, die gestrichelte Kurve kennzeichnet den Zeitpunkt des Beitritts. Anhand des Verlaufs lassen sich klassische Adoptionstypen mit unterschiedlicher Innovationsbereitschaft erkennen. Die Zuordnung der Übernehmertypen zu den Monaten erfolgt entsprechend der idealtypischen Verteilung bei Rogers, die auch eine prozentuale Stärke der Gruppen beinhaltet (vgl. Schenk 1987: 292). Die „Innovatoren“ (Dezember 2005 bis April 2006) treten relativ schnell nach Erfahren vom StudiVZ dem Netzwerk bei. Damit werden sie ihrem Trendsetter-Ruf gerecht. Die „Frühen Übernehmer“ (April bis Juni 2006) warten zwar etwas länger, sind aber durch das schnelle Annehmen der Innovation ebenfalls Vergleichspersonen für die nachfolgenden Gruppen. Die große Gruppe der „Frühen Mehrheit“ (Juni bis September 2006) wartet zunächst die Erfahrungen der anderen ab, was sich auch in der Zeitspanne bis zum Beitritt widerspiegelt. Sie wartet – relativ gesehen – am längsten, bis sie sich für die Innovation entscheidet. Die „Späte Mehrheit“ (September 2006 bis April 2007) ver-
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ringert die Zeitspanne zwischen Erfahren und Beitritt abermals: Sie scheint gekennzeichnet durch größere Skepsis, aber gleichermaßen geprägt vom sozialen Druck ihres sozialen Systems. Die Kurve weist einen typischen Verlauf der Adoptionsrate einer Innovation auf. Dem zunächst schwachen Anstieg der Adoptionsrate folgt eine enorme Steigerung durch „Frühe Übernehmer“ und „Frühe Mehrheit“, bis dann nach dem Beitritt der „Späten Mehrheit“ die Marktsättigung beinahe erreicht ist. Die Gruppe der „Nachzügler“ findet in dieser Darstellung und Auswertung keine Berück-sichtigung, da nach dem Zeitpunkt der Studie weitere Studierende dem StudiVZ beigetreten sind. Bedeutung von Kommunikationstypen
Doch wie ist es zu dieser schnellen Verbreitung des StudiVZ in Münster gekommen? Wie bereits angesprochen, liegt die Annahme nahe, dass interpersonale Kommunikation entscheidend dazu beigetragen hat. Im Folgenden werden die Ergebnisse dargestellt, anhand derer der Beitrag von interpersonaler und massenmedialer Kommunikation zum Diffusionsprozess des StudiVZ bewertet werden kann. Aus den Daten der Befragung geht deutlich hervor, dass die Studierenden in erster Linie über interpersonale Kommunikation vom StudiVZ erfahren haben (vgl. Tab. 2). Über drei Viertel der Befragten gaben an, in persönlichen Gesprächen zum ersten Mal vom StudiVZ gehört zu haben. Im Gegensatz dazu sind nur 16% der Studierenden aufgrund der Einladungsfunktion und nur 6% durch Medienberichterstattung auf das Netzwerk aufmerksam geworden. Tab. 2:
Erstinformation über das StudiVZ nach Kommunikationstypen abs.
persönliche Gespräche Einladungsfunktion Medienberichterstattung gesamt
in % 416 85 29 530
78,5 16,0 5,5 100
in % (kumuliert) 78,5 94,5 100,0
Vor dem Beitritt in das Netzwerk hat sich nur knapp mehr als ein Viertel (27%) der Studierenden gezielt über das StudiVZ informiert. Die Ergebnisse belegen, dass zur Informationsbeschaffung Gespräche mit Freunden, Arbeitskollegen oder Familienangehörigen intensiver genutzt wurden als die mediale Berichterstattung (vgl. Tab. 3).
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Tab. 3:
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Typen der Beschaffung von Informationen über das StudiVZ
Gespräche (n=158) von jemand anderem zeigen lassen (n=153) Recherche im Internet (n=153) Zeitung/Zeitschrift (n=157) Einrichtung „Test-/Fake-Account“ (n=154) Fernsehen/Radio (n=153)
Mittelwert 2,53 2,18 1,49 1,38 1,17 1,10
Standardabweichung 0,835 0,956 0,787 0,721 0,558 0,400
Vierstufige Skala (1=„gar nicht“, 2=„etwas“, 3=„viel“, 4=„sehr viel“).
Die Gespräche ermöglichten den Studierenden, Erfahrungen mit Freunden und Bekannten auszutauschen, die eventuell schon Mitglied waren oder beabsichtigten, Mitglied zu werden. So konnten sich die Studierenden in der Diffusionsphase der Persuasion mit den gewonnenen Informationen eine Meinung über die Innovation StudiVZ bilden. Erwartungsgemäß haben Mitglieder in diesen Gesprächen mehr positive Informationen über das StudiVZ erhalten als Nicht-Mitglieder (vgl. Tab. 4). Nur 6% der befragten Mitglieder gaben an, negative Informationen über das StudiVZ erhalten zu haben. Bei den Nicht-Mitgliedern lag der Anteil negativer Informationen bei 22%. Tab. 4:
negativ neutral positiv
Wertungen über das StudiVZ in Gesprächen zur Informationsbeschaffung (Angaben in %) Nicht-Mitglieder (n=100) 22,0 45,0 33,0
Mitglieder (n=72)
gesamt (n=172) 5,6 30,6 63,9
15,1 39,0 45,9
Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass die interpersonale Kommunikation nicht nur einen positiven Einfluss auf die Verbreitung des StudiVZ hatte. Aufgrund der negativen Informationen, die Studierende in Gespräche erhalten haben, hat die interpersonale Kommunikation auch dazu beitragen, dass sich Studierende nicht angemeldet haben. In der Entscheidungsphase für oder gegen einen Netzwerk-Beitritt bewerteten sowohl Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder die mediale Berichterstattung als unwesentlich. Im Gegensatz dazu war die interpersonale Kommunikation für Mitglieder bei ihrer Entscheidung für das StudiVZ wichtiger als für Nicht-Mitglieder bei der Entscheidung gegen das StudiVZ. In Gesprächen mit Freunden erhielten die
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Studierenden Bestätigung bei der Entscheidung für einen Netzwerk-Beitritt und konnten letzte Unsicherheiten im Bezug auf die Nutzung dadurch ausschließen. Darüber hinaus wurde im Vorfeld angenommen, dass sozialer Druck im Freundeskreis der Studierenden die Phase der Entscheidung mit beeinflusst hat. Über zwei Drittel der Mitglieder gaben an, dass mehr als die Hälfte ihrer Freunde im StudiVZ angemeldet sind. Hingegen war von 26% der Nicht-Mitglieder weniger als die Hälfte der Freunde im StudiVZ angemeldet. Die Ergebnisse verweisen in der Tendenz darauf, dass Studierende aufgrund des sozialen Drucks im Freundeskreis Mitglied geworden sind. Zwar wurde dies nicht explizit bei der Abfrage der Motive für eine Mitgliedschaft von den Befragten angegeben, doch spielte hierbei sicherlich soziale Erwünschtheit eine Rolle. Auffällig ist, dass das Motiv der „Kommunikation mit anderen Mitgliedern über StudiVZ“ (z. B. Nachrichten versenden und empfangen, Pinnwandeinträge schreiben) als Hauptgrund für den Beitritt genannt wurde, während Motive wie Selbstpräsentation oder Informationenbeschaffung über andere Mitglieder weniger häufig genannt wurden (vgl. Tab. 5), was wiederum auf soziale Erwünschtheit zurückgeführt werden kann. Tab. 5:
Motive für eine Mitgliedschaft im StudiVZ (Angaben in %, n=284) trifft überhaupt nicht zu
Kommunikation mit anderen Mitgliedern alte Freunde zu suchen Neugier Informationen über andere Mitglieder Selbstpräsentation mitreden können/um dazu zu gehören
trifft eher nicht zu
trifft eher zu
trifft voll zu
4,6
6,3
43,7
45,4
3,9 9,9
7,4 18,0
49,3 40,8
39,4 31,3
9,2
19,4
54,6
16,9
24,6
45,5
24,6
5,3
26,8
36,3
32,0
4,9
Anhand der vorgestellten Ergebnisse wird deutlich, dass interpersonale Kommunikation auch in der Entscheidungsphase der Diffusion des StudiVZ maßgeblich zur Verbreitung beigetragen hat. Wirkung von Kommunikation
Wird allerdings die Geschwindigkeit des Beitritts der Studierenden untersucht, so lässt sich kein sonderlich großer Einfluss der interpersonalen Kommunikation auf die Eintrittsgeschwindigkeit der Studierenden in das Netzwerk beobachten. Je nach Betrachtung der Zeitspanne haben interpersonale Kommunikation, die medial
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vermittelte interpersonale Kommunikation und die mediale Kommunikation einen unterschiedlichen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Beitritts. 53% der Studierenden, die über die Einladungsfunktion vom StudiVZ erfahren haben, sind innerhalb einer Woche Mitglied geworden (vgl. Tab. 6). Nur eine geringe Anzahl (53%) ist aufgrund persönlicher Gespräche innerhalb des gleichen Zeitraums beigetreten. 43% der Studierenden, die über mediale Berichterstattung vom StudiVZ erfahren haben, traten ebenfalls innerhalb einer Woche bei. Demnach sind Studierende, die in persönlichen Gesprächen vom StudiVZ erfahren haben, fast genauso schnell beigetreten wie Studierende, die über die generierte Einladungsfunktion auf das StudiVZ aufmerksam geworden sind. Auch im Vergleich zu späteren Zeiträumen lässt sich keine auffallende Rolle von interpersonaler Kommunikation in Bezug auf die Geschwindigkeit des Beitritts erkennen. Im Zusammenhang mit dieser Auswertung bleibt jedoch zu berück-sichtigen, dass insgesamt wesentlich mehr Studierende (79%) über persönliche Gespräche vom StudiVZ erfahren haben als über die Einladungsfunktion (16%) bzw. die Medienberichterstattung (6%). Die Ergebnisse bezüglich dieser beiden Erfahrungswege sind also weniger stark zu bewerten als diejenigen, die sich auf interpersonale Kommunikation beziehen. Tab. 6:
Geschwindigkeit des Beitritts nach dem Typ der Kommunikation für die Erstinformation (Angaben in %, n=280)
Zuerst von StudiVZ erfahren über … Einladungsfunktion persönliche Gespräche Medienberichterstattung gesamt
Zeitspanne zwischen der Erstinformation und dem Beitritt bis zu einer bis zu einem bis zu drei über drei Woche Monat Monaten Monate 53,1 35,9 7,8 3,1 52,5 24,3 14,9 8,4 42,9 35,7 7,1 14,3 52,1 27,5 12,9 7,5
In der nächsten Phase des Diffusionsprozesses des StudiVZ, der Einführungsphase, haben Studierende sich für eine Mitgliedschaft im StudiVZ entschlossen. Es wurde vermutet, dass in dieser Phase die Nutzungsintensität einen Zusammenhang mit der Häufigkeit von persönlichen Gesprächen aufweist. Anhand einer Korrelation konnte diese Annahme bestätigt werden. Tatsächlich weisen die Ergebnisse einen starken Zusammenhang (Spearman‘s r=0,491, p<0,01) zwischen der Häufigkeit von Gesprächen über das StudiVZ und der Nutzungsintensität auf. Demnach steigt die Nutzungsintensität vom StudiVZ, je mehr die Studierenden darüber spre-
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chen. Oder es führt umgekehrt auch die häufige Nutzung zur häufigeren Kommunikation über das StudiVZ. In der letzten Phase des Adoptionsprozesses suchen Studierende über interpersonale Kommunikation Bestätigung für ihre Beitrittsentscheidung. Die Auswertung der Mediane zeigt, dass Mitglieder sich häufiger mit Freunden und Bekannten über das Thema bzw. die Inhalte des StudiVZ unterhalten als Nicht-Mitglieder: Gespräche über das StudiVZ finden unter Nicht-Mitgliedern am häufigsten „monatlich“ statt, während Mitglieder vor allem „mehrmals pro Woche“ über das StudiVZ reden. Diese Ergebnisse belegen, dass Nicht-Mitglieder ebenfalls über das StudiVZ sprechen, auch wenn dies weniger häufig geschieht. Deshalb wird vermutet, dass die Nicht-Mitglieder in diesen Gesprächen Informationen erhalten, die sie weiterhin davon abhalten, dem StudiVZ beizutreten. Der Vergleich der Mittelwerte bestätigt diese Annahme. Wird die Bewertung der Gespräche (negativ, neutral, positiv) über das StudiVZ näher betrachtet, so beurteilen sie Nicht-Mitglieder auf einer Skala von -1 bis +1 im Durchschnitt mit -0,33 und Mitglieder mit +0,37. Nicht-Mitglieder äußern sich demzufolge tendenziell eher negativ und Mitglieder eher positiv über das StudiVZ. Positive interpersonale Kommunikation bestärkt demnach Mitglieder, weiterhin im StudiVZ angemeldet zu bleiben, während negative interpersonale Kommunikation Nicht-Mitglieder dazu bewegt, sich nicht bei dem Netzwerk anzumelden. Die Darstellung der Ergebnisse zeigt, dass der Adoptionsprozess vom StudiVZ durch interpersonale Kommunikation erheblich beeinflusst wurde. Während die massenmediale Kommunikation keine ausschlaggebende Rolle bei den fünf Diffusionsphasen des StudiVZ spielte, trug die interpersonale Kommunikation erheblich zur Verbreitung der Plattform bei. Im Hinblick auf die forschungs-leitende Frage der Untersuchung wird abschließend gefolgert, dass Gespräche über das StudiVZ zum enormen Erfolg des StudiVZ beigetragen haben. Diskussion Interpersonale Kommunikation hat in erheblichem Maße zum Erfolg des StudiVZ beigetragen. Die im Vorfeld getroffenen grundlegenden Annahmen zeigen sich somit bestätigt. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie werden im Folgenden anhand der fünf Phasen der Diffusionsforschung dargestellt. x Wissen („Knowledge“): Tatsächlich hat die Mehrzahl der Personen über Gespräche vom StudiVZ erfahren. Interpersonale Kommunikation war eindeu-
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tig die entscheidende Komponente im Diffusionsprozess, während mediale Berichterstattung kaum eine Rolle gespielt hat. x Persuasion: Die Einstellung zur Innovation, die letztlich ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen die Mitgliedschaft war, hängt maßgeblich von der Ausprägung der Gespräche ab. Die Informationsflüsse und Bewertungen, die in sozialen Systemen stattfinden, beschleunigen oder bremsen folglich die Adoption. x Entscheidung („Decision“): Bei überwiegend positiven Gesprächen über das StudiVZ war die Beitrittswahrscheinlichkeit höher als bei negativen Unterhaltungen. Dieses Ergebnis bestätigt die Vermutung, dass interpersonale Kommunikation ein Erfolgsfaktor sein kann, zeigt aber ebenso auf, dass negative Kommunikation den Erfolg gleichermaßen mindern kann. In diesem Fall überwiegt jedoch die positive Kommunikation gegenüber der negativen bei weitem, sodass im Hinblick auf die Forschungsfrage bestätigt werden kann, dass im Fall von StudiVZ interpersonale Kommunikation zum Erfolg des Netzwerks beigetragen hat. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass auch sozialer Druck im Rahmen der Beitrittsentscheidung eine Rolle gespielt hat. x Einführung („Implementation“): Zwischen Nutzungsverhalten und Gesprächen über das StudiVZ besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Mitglieder sprechen häufiger über das StudiVZ als Nicht-Mitglieder. Darüber hinaus bestimmt ihre Nutzungsintensität die Häufigkeit der Kommunikation über das Netzwerk. x Bestätigung („Confirmation“): Gespräche über das StudiVZ haben Einfluss darauf, ob der Nutzer bei seiner Entscheidung für oder gegen das StudiVZ bleibt oder diese langfristig revidiert. Bei ansteigend negativer interpersonaler Kommunikation kann es sein, dass Mitglieder wieder austreten und damit ihre Entscheidung wiederum aufgrund von Gesprächen rückgängig machen. Interpersonale Kommunikation war der Erfolgsfaktor im Diffusionsprozess der Innovation StudiVZ und hat die allgemeinen Mediennutzungsgewohnheiten der Nutzergruppe in hohem Maß verändert. Die Tatsache, dass sich das StudiVZ innerhalb kurzer Zeit neben bereits bestehenden sozialen Netzwerken im Internet etablieren konnte, rechtfertigt diese wissenschaftliche Auseinandersetzung und auch eine zukünftige Beobachtung des StudiVZ aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive.
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Fazit Die Ergebnisse werfen Fragen auf, die eine weiterführende Beschäftigung mit dem Thema interpersonaler Kommunikation in Diffusionsprozessen von Innovationen fordern. Im untersuchten Fall hat sowohl die Erstinformation über die Innovation via interpersonaler Kommunikation stattgefunden als auch die anschließende Bewertung. Ein Medieninhalt hat also über interpersonale Kommunikationskanäle Verbreitung gefunden. Dieser Diffusionstyp unterscheidet sich klar von der medialen Diffusion von Innovationen. Informationen werden nicht weitergegeben, indem Massen-medien über die Innovation berichten, sondern es findet ein interpersonaler Austausch statt, von dem die eigentliche Akzeptanz der Neuerung in besonderem Maße abhängt, und zwar eventuell stärker, als bisher im Marketingbereich angenommen wurde. Da offensichtlich die Diffusion von Innovationen durch interpersonale Kommunikation in sozialen Netzwerken erheblich unterstützt bzw. gebremst werden kann, gilt es zu hinterfragen, ob mediale Berichterstattung über Innovationen und Marketingstrategien überdacht werden und stärker auf interpersonale Kommunikation ausgerichtet werden müssen. Inwieweit können zum Beispiel Personen erfolgreich als Meinungsführer bewusst in Gruppen eingebracht werden und den Erfolg einer Innovation lenken? Trotz des eigentlichen Nachlassens der klassischen Meinungsführertheorie, und zwar sowohl für Informationsübermittlung als auch für die Meinungsbildung, beweisen doch die Ergebnisse, dass über den klassischen Weg der „Face-to-Face“-Kommunikation durchaus erfolgreich Diffusionsprozesse in Gang gesetzt werden können. Vielleicht sind es nicht die „Opinionleader“ im ursprünglichen Sinne, sondern größere soziale Netzwerke oder zumindest Primärgruppen, die Informationen verbreiten und Einstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder beeinflussen und damit den Erfolg einer Innovation lenken. In den letzten Jahren galten vornehmlich technische Lösungen als Schlüssel gelungener Kommunikation. Gerade das Internet mit seiner globalen Erreichbarkeit sowie seiner zeitlich und räumlich erhöhten Zugänglichkeit sollte als Werbeträger und Verbreitungsmedium die Kommunikationsverhältnisse revolutionieren. Die Studie gibt Anlass zu der Frage, inwieweit wieder auf Ideen jenseits dieser Kommunikationstechnik zurückgegriffen werden sollte, wenn es darum geht, Neues oder Unbekanntes zu verbreiten und positiv bewertbar zu machen. Ist der Erfolg interpersonaler Kommunikation im untersuchten Fall so groß, weil das StudiVZ private, halb öffentliche und massenmediale Kommunikation vereint? Spielt die interpersonale Komponente der Innovation eine Rolle bezüglich der Empfänglich-
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keit interpersonaler Verbreitungsoptionen? Oder ist diese Überlegung auch für Produkte materieller Art, Fernsehinhalte oder andere Innovationen relevant? Sind überhaupt die Ergebnisse der Studie universell anwendbar und übertragbar? Wie erfolgreich haben sich ähnliche Online-Portale verbreitet, die Werbung geschaltet haben? Um die Effizienz beider Strategien vergleichbar zu machen, wäre eine Folgeuntersuchung im Rahmen dieser Fragestellung interessant, ohne dass jedoch interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation als Gegensatzpaar begriffen werden sollten. Schließlich stehen beide Formen nicht in einem Konkurrenzverhältnis, sondern es gilt vielmehr auszuloten, in welchem Rahmen welche Art der Kommunikation effektiver den Weg der Innovation zum Empfänger leisten kann. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass die Wirkung interpersonaler Kommunikation zukünftig im Kontext der Innovationsdiffusion stärker berücksichtigt werden sollte. Literatur: IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.) (2008): Online-Nutzungsdaten für das Angebot StudiVZ. http://ivwonline.de/ausweisung2/search/angebot.php (24.06.2008). Lasswell, Harold Dwight (1927): Propaganda Technique in the World War. London: Kegan. Lin, Nan (1971): Information Flow, Influence Flow and the Decision-Making Process. In: The Journalism Quarterly. 48. Jg., H. 1, S. 33-40. Rogers, Everett M. (1983): Diffusion of Innovations. New York: Free Press. Schenk, Michael (1987): Medienwirkungsforschung. Tübingen: Mohr. Schenk, Michael/Dahm, Hermann/Deziderio, Šonje (1996): Innovationen im Kommunikationssystem. Eine empirische Studie zur Diffusion von Datenfernübertragung und Mobilfunk. Münster: Lit. Schmidt, Holger (2007): StudiVZ will am Jahresende Geld verdienen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 190 v. 17.08.2007, S. 16. http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC2749 93E94C1/Doc~E3500B1C9E 7444FAC89C4151FA7E0CC30~ATpl~Ecommon~Scontent.html (03.03.2009). Sievers, Björn/Seitz, Josef (2007): 85 Millionen für Kontaktbörse. In: Focus.de. 03.01.2007. http://www.focus.de/ finanzen/news/studivz_aid_121976.html (03.03.2009).
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
Nutzerbefragung II: Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ Meike Flöck/Ilona Schäfer/Tobias Steinkamp
Die im Folgenden dargestellt Studie1 war der Nutzung und den Motiven der Mitglieder des sozialen Netzwerks StudiVZ gewidmet. Im vorliegenden Aufsatz wird zunächst das Design der Online-Befragung von StudiVZ-Nutzern vorgestellt, außerdem wird auf der Basis von Häufigkeitsauszählungen ein erster Überblick über die Ergebnisse gegeben. Im nachfolgenden Aufsatz „Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne“ wird analysiert, welche Kommunikationskanäle die Befragten wählen, um ihre Beziehungen in den unterschiedlichen Freundeskreisen zu pflegen. Dabei wird auch untersucht, ob das StudiVZ andere Kommunikationskanäle verdrängt. Methodische Vorbemerkungen Explorative Vorstudie
Der quantitativen Hauptuntersuchung ging eine qualitative Vorstudie voraus: Zunächst wurde der Untersuchungsgegenstand StudiVZ mit Hilfe von Leitfadeninterviews explorativ erschlossen, wobei die Befragten aus dem Bekanntenkreis der Projektmitglieder rekrutiert wurden. Bei der Auswahl wurde auf eine heterogene Zusammensetzung der Gruppe geachtet. Insgesamt sind zehn Personen interviewt worden, wobei die Geschlechter gleich stark vertreten waren. Die in den Leitfadeninterviews gewonnenen Erkenntnisse trugen zur Konkretisierung der For1
Die Studie wurde im Rahmen eines Projektseminars am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster unter der Leitung von Christoph Neuberger unter Mitarbeit von Birte Blömers, Meike Flöck, Stefanie Letschert, Hannah Lohmann, Ilona Schäfer, Tobias Steinkamp und Tobias Winkler durchgeführt.
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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schungsfragen bei. Da sich die Antworten zu den Themenblöcken „Art der Nutzung/Nutzungsverhalten“ und „Kontakte“ als besonders aufschlussreich erwiesen, wurde entschieden, die Hauptbefragung darauf zu fokussieren. Im Themenblock „Art der Nutzung/Nutzungsverhalten“ ging es vorrangig um die Frage, wie sich die Nutzung des StudiVZ auf die Verwendung anderer Kommunikationskanäle auswirkt, nämlich auf den Gebrauch anderer Medien und Internetformate sowie die „Face-To-Face“-Kommunikation. Zudem spielten Art und Motive der Nutzung eine Rolle. Innerhalb des Themenblocks „Kontakte“ war vor allem von Interesse, welche Bedeutung „realen“ und den im StudiVZ geschlossenen „virtuellen“ Kontakten zukommt, wie Nutzer mit unterschiedlichen Freundeskreisen (enge Freunde, frühere Freunde, flüchtige Bekannte und neue Kontakte) in Verbindung treten und welche Auswirkung die Art der Freundschaft auf die Wahl des Kommunikationskanals hat. Weitere Aspekte waren die Auswirkungen der im StudiVZ verzeichneten Freundeszahl auf die Reputation sowie die Auswirkungen des StudiVZ auf die Beziehungsintensität. Mit der Befragungssoftware „umfragecenter 5.0“ von Globalpark wurde ein standardisierter Online-Fragebogen entworfen, der 27 Erhebungsfragen enthielt.2 Mit den ersten sieben Fragen wurde der Themenbereich „Nutzung/Nutzungsverhalten“ abgedeckt. Daran schlossen sich Fragen zum Themenbereich „Kontakte“ an: Die ersten sechs Fragen bezogen sich auf die Art der Kontakte im StudiVZ. Weitere sechs Fragen beschäftigten sich mit Wegen der Kontaktaufnahme innerhalb der Community. Daran schloss sich ein Teil an, in dem die Gründe für und die Bedeutung des „Gruschelns“, einer speziellen Art der Kontaktaufnahme im StudiVZ, behandelt wurden. Im Anschluss folgten Statements zu allgemeinen Aspekten des StudiVZ. Abschließend wurden demografische Angaben erhoben. Mit Ausnahme zweier Hybridfragen bestand der Fragebogen ausschließlich aus geschlossenen Fragen. Die Befragung war so angelegt, dass eine maximale Beantwortungsdauer von 15 Minuten nicht überschritten wurde. Durch die kurze Bearbeitungszeit sollten frühzeitige Abbrüche minimiert werden. Durchführung der Hauptuntersuchung
Um eine möglichst hohe Teilnehmerzahl zu erreichen, wurde das im Rahmen von Online-Befragungen verbreitete und bewährte „Schneeballverfahren“ gewählt, mit dem hohe Teilnehmerzahlen erreicht werden können, das aber den Nachteil hat, dass aufgrund der Selbstrekrutierung keine repräsentative Zufallsstichprobe zu2
Der vollständige Fragebogen ist am Ende dieses Aufsatzes dokumentiert.
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Meike Flöck/Ilona Schäfer/Tobias Steinkamp
stande kommt. In einem ersten Schritt verschickten die am Projekt beteiligten Studierenden per E-Mail einen Link zum Fragebogen an Personen aus ihrem privaten Netzwerk (Freunde, Bekannte, Kommilitonen). Die auf diesem Wege erreichten Personen wurden um Mithilfe bei der Verbreitung des Anschreibens und des Befragungs-Links gebeten. Um weitere Teilnehmer zu gewinnen, wurde zudem ein Aufruf zur Teilnahme an der Befragung auf den Websites des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster sowie der Fachschaft Kommunikationswissenschaft platziert. Die Befragung wurde im Zeitraum vom 4. Juni bis zum 11. Juli 2007 durchgeführt. Mindestens die Startseite der Umfrage besuchten insgesamt 2.409 Personen. Vollständig ausgefüllt wurden 1.600 Fragebögen. 81 Personen gaben bei der ersten Frage an, keine Nutzer des StudiVZ zu sein. Da es nicht Ziel der Untersuchung war, Unterschiede zwischen Nutzern und Nicht-Nutzern herauszuarbeiten, werden diese Nicht-Nutzer im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich deshalb grundsätzlich, d. h., wenn keine Fallzahl („n“) ausgewiesen wird, auf jene 1.519 befragten Teilnehmer, die angaben, StudiVZ-Mitglieder zu sein. Beziehen sich Prozentangaben auf Teilgesamtheiten, wird darauf explizit hingewiesen. Teilnehmer der Befragung
Die Studie basiert nicht (wie schon erwähnt) auf einer Zufallsstichprobe. Da zum Zeitpunkt der Befragung keine Strukturdaten über die Gesamtheit der StudiVZNutzer verfügbar waren, schied auch eine Quotierung der Teilnehmer aus. Alternativ zu den Strukturdaten des StudiVZ kommen für die Beurteilung der Repräsentativität nur die Strukturdaten der gesamten Studierendenschaft in Deutschland in Frage. Allerdings unterstellt ein solcher Vergleich, dass sich die Verteilung der StudiVZ-Nutzer im Zeitraum der Befragung proportional zur bundesweiten Fachbereichs-Verteilung der Studierenden verhielt. Dies kann aufgrund der fehlenden Strukturdaten jedoch nicht belegt werden. Vergleicht man die Stichprobe mit den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten, so lassen sich Ähnlichkeiten mit der gezogenen Stichprobe feststellen (vgl. Tab. 1). Studierende der Sozialwissenschaften machen mit rund 26% einen besonders hohen Teil der Stichprobe aus. Dieser Umstand erklärt sich vermutlich vor allem über den Ausgangspunkt des Schneeballverfahrens, den die Kontaktlisten der Projektmitglieder bildeten, bei denen es sich durchgängig um Sozialwissenschaftler handelte.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
Tab. 1:
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Vergleich der Grundgesamtheit aller Studierenden im Wintersemester 2007/ 2008 (vgl. Statistisches Bundesamt 2008: 7) mit der Stichprobe (Angaben in %)
Studiengang/Fachrichtung Sprach- und Kulturwissenschaften Sport Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Mathematik und Naturwissenschaften Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften Veterinärmedizin Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften Ingenieurwissenschaften Kunst und Kunstwissenschaften sonstige Fächer kein/-e Student/-in gesamt
Wintersemester 2007/08 20,9 1,4 30,8 18,0 5,6 0,4 2,0 16,7 3,4 0,2 100,0
StudiVZStichprobe (n=1.519) 21,8 1,8 40,0 6,2 4,0 0,0 0,4 5,7 1,3 11,6 7,5 100,0
Mathematiker und Naturwissenschaftler sind hingegen in der Erhebung unterrepräsentiert. Gleiches gilt für Studierende der Ingenieurwissenschaften. Es ist außerdem zu vermuten, dass ein Teil der Befragten das eigene Fach nicht eindeutig zuordnen konnte und deshalb auf die Angabe „sonstige Fächer“ auswich. Mit rund 12% liegt dieser Wert deutlich über dem der Grundgesamtheit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verteilung der Befragungsteilnehmer auf die unterschiedlichen Fachbereiche, von einigen Ausnahmen abgesehen, annähernd mit den Daten der Grundgesamtheit aller Studierenden übereinstimmt. Über die Repräsentativität der Stichprobe lassen sich dennoch keine genauen Aussagen treffen, da diese nicht aus der Gesamtheit aller Studierenden, sondern aus der Gesamtheit der Nutzer des StudiVZ gezogen wurde. Erst nach Beendigung der Studie veröffentlichten die Betreiber des StudiVZ demografische Daten ihrer Nutzer. Während sich die Altersstruktur der StudiVZ-Grundgesamtheit tendenziell mit der Altersstruktur der Stichprobe deckt, gibt es einen relativ großen Unterschied im Geschlechterverhältnis. Dieses ist im StudiVZ recht ausgeglichen, in der Stichprobe jedoch sind männliche Befragte deutlich unterrepräsentiert (vgl. Tab. 2).
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120 Tab. 2:
Vergleich des Geschlechterverhältnisses in der Stichprobe der Befragung und in der Grundgesamtheit der StudiVZ-Mitglieder (vgl. StudiVZ 2007; GWP 2007: 6) (Angaben in %)
Studiengang/Fachrichtung Stichprobe (n=1.519) Grundgesamtheit StudiVZ 2007 Grundgesamtheit StudiVZ 2008
männlich 36,9 49,0 47,0
weiblich 63,1 51,0 53,0
gesamt 100,0 100,0 100,0
Es ist zu vermuten, dass auch dieses Ungleichgewicht aus der Zusammensetzung der Projektgruppe resultiert (Verhältnis Frauen zu Männern: 5:2). Eine weitere Ursache kann im sozialwissenschaftlichen Hintergrund der Projektmitglieder liegen, da in diesem Fachbereich der Frauenanteil vergleichsweise hoch ist. Da im Rahmen der Studie die Altersstufen anders abgegrenzt wurden als in den später veröffentlichten Daten des StudiVZ (2007), lässt sich die Altersstruktur lediglich grob vergleichen: Dort lag das Alter von 97% der Mitglieder zwischen 18 und 29 Jahren. Dieser Wert entspricht ziemlich genau dem in der Stichprobe der Befragten (98%). Nutzungsmotive und Nutzungsverhalten Dauer der Mitgliedschaft
Die Mehrheit der Befragten (62%) ist dem StudiVZ sechs bis zwölf Monate vor der Erhebungsphase (Juni bis Juli 2007) beigetreten. Aus diesem Grund kann eine gewisse Vertrautheit mit den Funktionen und Möglichkeiten der Plattform unterstellt werden. Die Ergebnisse weisen auf einen regelrechten Boom an Neumitgliedern in diesem halben Jahr hin. Anschließend flachte der Mitgliederzustrom deutlich ab. Außerdem sind unter den neuen Mitgliedern, die erst nach dieser Phase beitraten, 22% Nicht-Studierende (n=237). Daraus lässt sich ableiten, dass das StudiVZ mittlerweile über die Hauptzielgruppe „Studierende“ hinaus von zunehmendem Interesse ist.3 Nutzungshäufigkeit
Wie häufig wird das StudiVZ genutzt (vgl. Tab. 3)? Insgesamt 62% der Befragten geben an, sich „mehrmals täglich“ oder „täglich“ einzuloggen. „Mehrmals wöchent-
3
Die 2008 vollzogene Erweiterung der Plattform um MeinVZ, welches sich ausdrücklich an NichtStudierende richtet, trägt dieser Entwicklung Rechnung.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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lich“ wird die Plattform von 27% der Befragten genutzt. Lediglich 11% der Mitglieder nutzen das Netzwerk seltener als „mehrmals wöchentlich“. Tab. 3:
Durchschnittliche Nutzungshäufigkeit des StudiVZ (n=1.519) abs.
mehrmals täglich täglich mehrmals wöchentlich wöchentlich mindestens monatlich weniger gesamt
in % 508 435 409 115 43 9 1.519
33,4 28,6 26,9 7,6 2,8 0,6 100,0
in % (kumuliert) 33,4 62,1 89,0 96,6 99,4 100,0
Die Dauer der Mitgliedschaft im StudiVZ steht in einem positiven Zusammenhang mit der Nutzungshäufigkeit: Die Befragten, welche bereits länger Mitglied des StudiVZ sind, nutzen die Plattform häufiger als vergleichsweise neuere Mitglieder (Gamma=0,217).4 Der Stellenwert des StudiVZ im Alltag seiner Nutzer, so lässt sich vermuten, nimmt mit der Dauer der Mitgliedschaft zu. Es könnte aber auch so sein, dass später hinzugestoßene Mitglieder generell eher Wenignutzer sind. Betrachtet man den Zusammenhang der Nutzungshäufigkeit mit den demografischen Merkmalen, so erhält man folgende Befunde: Während Geschlecht und Studienfach keinen Einfluss auf die Nutzungshäufigkeit haben, lässt sich ein Zusammenhang zwischen Alter und Nutzungshäufigkeit feststellen (Eta=0,217): Die jüngeren Mitglieder nutzen das StudiVZ tendenziell häufiger als ältere.5 Ebenso lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen dem Beziehungsstatus und der Nutzungshäufigkeit der Mitglieder erkennen (Eta=0,207). Die befragten Singles zeichnen sich ebenfalls durch eine verstärkte Nutzung der Plattform aus. Nutzungsdauer pro Login
Die Nutzungsdauer pro Login vermittelt einen Eindruck davon, wie viel Zeit die Mitglieder auf der Plattform verbringen, und lässt erste Aussagen über die Nutzungsgewohnheiten der Befragten zu. Bei der Betrachtung der mittleren Verweildauer pro Login fallen die insgesamt sehr kurzen Nutzungszeiten auf (vgl. Tab. 4): Fast 50% der Befragten geben an, bis zu zehn Minuten pro Login im StudiVZ zu
4 5
Die im Folgenden genannten Zusammenhänge sind in der Regel hoch signifikant (p<0,001). In abweichenden Fällen wird der Signifikanzwert angegeben. Der Grund für den Zusammenhang könnte auch eine generell intensivere Nutzung des Internets durch die jüngeren Befragten sein. Darüber wurden jedoch keine Daten erhoben.
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verweilen. Die andere Hälfte nutzt die Plattform im Durchschnitt mehr als zehn Minuten und bis zu einer halben Stunde. Eine Verweildauer von über einer halben Stunde wurde kaum angegeben. Die kurze Verweildauer spricht gegen eine intensive Suche nach z. B. neuen Kontakten, aber für die habitualisierte Verwendung der Plattform, um schnell Neuigkeiten in Form von Nachrichten, Pinnwandeinträgen oder Fotos abzurufen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse zu Nutzungsdauer und häufigkeit, dass das StudiVZ zwar im Tages- und Wochenverlauf häufig frequentiert wird, die Mitglieder jedoch jeweils nur eine kurze Zeitspanne damit beschäftigt sind.6 Tab. 4:
Durchschnittliche Nutzungsdauer pro Login (n=1.519) abs.
bis zu 10 Minuten >10 bis 30 Minuten > 30 bis 60 Minuten > 60 bis120 Minuten >120 Minuten gesamt
Tab. 5:
748 691 64 9 7 1.519
in % 49,2 45,5 4,2 0,6 0,5 100,0
in % (kumuliert) 49,2 94,7 98,9 99,5 100,0
Statements der StudiVZ-Mitglieder zu ihrem selbst beobachteten Nutzungsverhalten (Angaben in %, n=1.519) trifft zu
Ich werde häufiger als Freund eingeladen, als dass ich Freundschaftseinladungen verschicke. Ich werde häufiger gegruschelt, als dass ich andere gruschele. Ich schreibe mehr Nachrichten als Pinnwandeinträge. Ich werde häufiger von Unbekannten angeschrieben/gegruschelt, als dass ich selber den ersten Schritt mache.
hält sich ungefähr die Waage
trifft nicht zu
gesamt
46,7
49,1
4,2
100,0
51,2
41,7
7,0
100,0
64,0
21,8
14,2
100,0
44,2
26,0
29,8
100,0
Aktive oder passive Rolle bei der Interaktion
Wie aktiv oder passiv verhalten sich die StudiVZ-Nutzer bei der Interaktion zwischen den Mitgliedern? Mit Hilfe mehrerer Statements wurde ermittelt, ob eher die Befragten selbst oder andere StudiVZ-Mitglieder die Initiative ergreifen (vgl. Tab.
6
Verweilzeiten für andere soziale Netzwerke im Internet als Vergleichswerte liegen nicht vor.
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5).7 Knapp die Hälfte der Befragten (49%) gibt für sich ein ausgewogenes Verhältnis hinsichtlich aktiver und passiver Anbahnung von Freundschaften an. Sehr wenige behaupten, dass sie überwiegend aktiv sind, fast die Hälfte (47%) hingegen lässt sich häufiger als Freund „einladen“. Die Ergebnisse für die „Gruschelfunktion“ fallen ähnlich aus wie jene für die Freundschaftseinladungen: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, häufiger „gegruschelt“ zu werden als selbst andere zu „gruscheln“. 42% erklären dagegen, in gleichem Maße zu „gruscheln“ wie sich „gruscheln“ zu lassen. Lediglich eine kleine Gruppe gibt an, die Funktion überwiegend aktiv zu nutzen.8 Fast die Hälfte gibt an, häufiger von Unbekannten angeschrieben oder „gegruschelt“ zu werden, als dies umgekehrt der Fall ist. 30% wenden sich eher aktiv an Unbekannte. Beim Kontaktieren von Unbekannten zeigen sich starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männer wagen häufiger den ersten Schritt, während die Mehrheit der weiblichen Mitglieder eher kontaktiert wird: 77% (n=959) stimmen der Aussage zu: „Ich werde häufiger von Unbekannten angeschrieben/gegruschelt, als dass ich selber den ersten Schritt mache.“ Knapp zwei Drittel der Befragten (64%) bevorzugen die nicht-öffentliche Nachrichtenfunktion im Vergleich zur öffentlichen Pinnwand. Knapp ein Viertel nutzt beide Funktionen gleichermaßen. Nutzungsmotive
Die spezifischen Motive für die Verwendung des StudiVZ sind sehr heterogen (vgl. Tab. 6).9 Besonders häufig werden die Nutzungsmotive „Kontakte pflegen“, „alte Bekannte wieder finden“, „Neugier“ und „Zeitvertreib“ genannt. Weniger wichtig sind die Funktionen „Adressbuchfunktion“, „Uni-Angelegenheiten“, „Informationsplattform“, „Zusammenschluss mit Gleichgesinnten“, „neue Leute kennen lernen“ und „Dating“. Insgesamt sprechen die Ergebnisse dagegen, dass die Suche nach neuen Kontakten ein ausschlaggebendes Nutzungsmotiv ist. Die Pflege bestehender oder das Wiederauffrischen abgebrochener Kontakte sind die wichtigsten Nutzungsmotive. Damit weisen die Ergebnisse auf eine deutlich andere Ausrich-
7 8 9
Um im StudiVZ Kontakte in seine Freundschaftsliste aufnehmen zu können, müssen „Freundschaftseinladungen“ verschickt und bestätigt werden. Eine Verzerrung der Antworten durch das Phänomen der sozialen Erwünschtheit ist hier denkbar, denn Freundschafts- und „Gruschel“-Angebote sind auch ein Indikator für die Beliebtheit eines Mitglieds. Darüber hinaus gibt es eine Bejahungstendenz bei Statements. Zum Forschungsstand vgl. den Aufsatz „Soziale Netzwerke im Internet“ (Abschnitt 6) in diesem Band.
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tung des StudiVZ im Vergleich zu anderen Online-Communities (Chatrooms, Datingplattformen) hin, bei denen die Aufnahme von Kontakten zu fremden Personen im Vordergrund steht. 86% der Befragten beurteilen das Motiv „Kontakte pflegen“ als „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Das StudiVZ unterstützt mit seinen Funktionen besonders die Beziehungspflege: Es erleichtert seinen Mitgliedern, auch über ihren Studienort hinaus den regelmäßigen Kontakt zu Freunden und Bekannten aufrechtzuerhalten und auf dem Laufenden zu bleiben. Die verbreitete Annahme, im StudiVZ gehe es primär um das Knüpfen neuer Kontakte sowie um Dating, wird durch diese Befunde deutlich widerlegt. Das Nutzungsmotiv „neue Leute kennen lernen“ besitzt für die Mehrheit der Befragten einen sehr geringen Stellenwert: 30% geben sogar an, dass ihnen dieses Motiv „gar nicht wichtig“ ist. Noch deutlicher ist der Befund für das Motiv „Dating“, welches für zwei Drittel (66%) der Befragten ein „gar nicht“ wichtiges Motiv bei der Nutzung des StudiVZ ist. Tab. 6:
Motive für die Nutzung des StudiVZ (Angaben in %, n=1.519)
Nutzungsmotive Kontakte pflegen alte Bekannte wiederfinden Neugier Zeitvertreib/Langeweile Adressbuchfunktion Uni-Angelegenheiten Informationsplattform Zusammenschluss mit Gleichgesinnten/Gruppen neue Leute kennen lernen Dating gesamt
Ausprägung „sehr wichtig“ 42,1 34,5 21,9 16,8 7,0 5,6 4,3 3,9 2,9 0,9 100,0
Fünfstufige Skala (1=„sehr wichtig“, 5=„gar nicht wichtig“).
Die Motive „Neugier“ sowie „Zeitvertreib/Langeweile“ stellen nach der Beziehungspflege ebenfalls wichtige Motive der StudiVZ-Nutzung dar. Sie verweisen auf Gratifikationen im Bereich Unterhaltung. Das StudiVZ bietet Möglichkeiten des Entdeckens und des Zeitvertreibs: Man kann sich die Profile anderer Mitglieder ansehen, deren Pinnwandeinträge lesen oder Fotos betrachten. Die Organisation von „Universitäts-Angelegenheiten“ wird als eher unwichtiges Nutzungsmotiv eingestuft: Nur 22% messen der Klärung universitärer Angelegenheiten über das StudiVZ einen hohen Stellenwert bei.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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Bei den Nutzungsmotiven zeigen sich demografische Besonderheiten. So nimmt beispielsweise das Geschlecht Einfluss auf einige Nutzungsmotive. Auch der Beziehungsstatus spielt eine Rolle: Die Motive „neue Leute kennen lernen“ und „Dating“ werden relativ häufig von Singles (Eta=0,244 bzw. Eta=0,303) und männlichen Nutzern (Eta=0,202 bzw. Eta=0,247) angegeben. Spezifische Nutzung des StudiVZ
Wie oft werden die Funktionen des StudiVZ genutzt (vgl. Tab. 7)? Insgesamt spiegeln sich in der Häufigkeit ihres Gebrauchs die Nutzungsmotive wider: Jene Funktionen werden am häufigsten genutzt, die hauptsächlich der Beziehungspflege dienen, beispielsweise „Nachrichten schreiben/lesen“ und „Pinnwandeinträge schreiben/lesen“. Auch die „Gruschelfunktion“ und die Kommunikation in Gruppen spielen „täglich“ oder „mindestens wöchentlich“ eine Rolle bei der StudiVZ-Nutzung. Eine untergeordnete Rolle spielen dagegen Funktionen, die überwiegend zur Aufnahme neuer Kontakte dienen wie die „Kennst du schon“-Funktion oder die „SuperSuche“. Auch die Funktionen „Zusammenarbeiten in Lern- und Arbeitsgruppen“ und „Lehrveranstaltungen“ sind von nachrangiger Bedeutung. Bedenkt man die vielfältigen Möglichkeiten des StudiVZ auch in diesem Bereich,10 so überrascht dieses einseitige Ergebnis: Das StudiVZ ist hauptsächlich eine Freizeit- und keine Arbeitsplattform. Am häufigsten wird die Funktion „Nachrichten schreiben und lesen“ genutzt, nämlich von fast drei Viertel (73%) der Befragten mindestens wöchentlich. Das lässt die Vermutung zu, dass das StudiVZ zunehmend Funktionen der E-Mail übernimmt (vgl. den Aufsatz „Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne“ in diesem Band).
10 In der Rubrik „auf der Suche nach“ gibt es z. B. die Voreinstellung „Lern- und Arbeitsgruppen“. Hier haben die Mitglieder die Möglichkeit, unkompliziert mit Kommilitonen Lern- und Arbeitsgruppen zu bilden. Außerdem gibt es die Option, Lehrveranstaltungen auf der eigenen Profilseite einzutragen und auf diese Weise mit anderen Teilnehmern in Kontakt zu treten.
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Tab. 7:
Nutzung von Funktionen des StudiVZ (Angaben in %, n=1.519)
StudiVZ-Funktionen Nachrichten schreiben/lesen Fotos ansehen Pinnwandeinträge schreiben/lesen Gruscheln Gruppen suchen/gründen/diskutieren „Kennst du schon“-Funktion Freundschaftseinladungen verschicken Fotoalben erstellen/verlinken „SuperSuche“ Zusammenarbeit in Lern- und Arbeitsgruppen Lehrveranstaltungen
„täglich“/ „mindestens wöchentlich“ 72,9 61,9 53,6 20,0 19,2 11,1 10,1 7,6 6,6 3,2 2,9
Fünfstufige Skala. Addierte Anteile für die Antworten „täglich“ und „mindestens wöchentlich“. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „mindestens monatlich“, „seltener“ und „nie“.
Auch die oft genutzte Pinnwand könnte ein Indiz für eine Verdrängung der E-Mail sein. Die Pinnwandfunktion unterscheidet sich von der Nachrichtenfunktion, weil hier die Einträge von jedem Besucher eines Profils gelesen werden können.11 Die Privatheit, die E-Mail und Nachrichtenfunktion auszeichnet, fehlt hier. Der Schluss liegt nahe, dass mit der Pinnwand noch weitere Gratifikationen verbunden sind. Sie bietet sich auch für kurze Statements und Grüße an, Funktionen also, die auch die Kommunikation via SMS auszeichnet. Selbstdarstellung im StudiVZ
Nach Goffman (1969: 5) versucht jedes Individuum, ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln, weil es sich der Beobachtung durch andere bewusst ist. Für die Selbstdarstellung der Mitglieder bietet das StudiVZ vielfältige Möglichkeiten.12 Dazu gehören das eigene Profilfoto, der Steckbrief mit Informationen über die Person und die Mitgliedschaft in den verschiedenen Gruppen.
11 Dieser Unterschied bestand zum Untersuchungszeitpunkt. Mittlerweile steht es den Nutzern frei, ihre Pinnwand nur für eine eingeschränkte Mitgliedergruppe (Freunde/Kontakte) sichtbar zu machen. 12 Zum Forschungsstand vgl. den Aufsatz „Soziale Netzwerke im Internet“ (Abschnitt 8) in diesem Band.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
Tab. 8:
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Wichtigkeit von Attributen der Profilgestaltung (Angaben in %, kumulierte Werte, n=1.519)
sehr wichtig (=1) 2 3 4 gar nicht wichtig (=5)
Witzigkeit/ Originalität 13,2 51,1 81,4 93,6 100,0
Information
Authentizität
5,9 40,2 76,5 93,5 100,0
24,6 67,2 89,3 95,9 100,0
Aktualität
Attraktivität
10,8 44,2 75,2 92,6 100,0
9,5 47,9 79,3 93,1 100,0
Fünfstufige Skala.
Untersucht wurde, worauf Nutzer bei der Gestaltung ihres Profils besonderen Wert legen (vgl. Tab. 8). Authentizität ist das wichtigste Attribut bei der Profilgestaltung: Fast 70% messen diesem Faktor besondere Bedeutung bei (Ausprägungen 1 und 2 auf der fünfstufigen Skala). Daneben spielen auch die Attribute Witzigkeit, Attraktivität und Aktualität eine große Rolle. Das bestätigen jeweils ungefähr 50% der Befragten. Weder Geschlecht, noch Alter oder Beziehungsstatus haben einen starken Einfluss auf die Profilgestaltung. Tab. 9:
Häufigkeit der Änderung von Profilelementen (Angaben in %, n=1.519) Profilfoto
täglich mindestens wöchentlich mindestens monatlich seltener noch nie gesamt
0,3 1,9 20,7 62,0 15,1 100,0
Steckbrief 0,3 2,6 20,5 69,2 7,3 100,0
Gruppen 0,5 9,4 34,5 49,7 5,9 100,0
Wie häufig werden Profilelemente aktualisiert? Hier zeigt sich eine relativ hohe Stabilität bei Profilbild, Steckbrief und Gruppenmitgliedschaft (vgl. Tab. 9). Personen, denen der Faktor „Witzigkeit/Originalität“ bei der Gestaltung ihres Profils besonders wichtig ist, ändern insgesamt häufiger die diversen Profilelemente (Gamma=0,27). Ebenso verhält es sich mit dem Faktor „Attraktivität“ (Gamma=0,31). Das Kontaktverhalten im StudiVZ Um Aussagen über das Kontaktverhalten im StudiVZ treffen zu können, wurden die Unterschiede zwischen „realen“ und „virtuellen“ Kontakten untersucht. Reale Kontakte sind als direkte, nicht medial-vermittelte Beziehungen definiert, in denen Kommunikation „Face-To-Face“ stattfindet, während virtuelle Kontakte auf die Kommunikation im Internet beschränkt sind. Die Variable „Freund“ wurde nach
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der Kontaktqualität differenziert in „enge Freunde“, „frühere Freunde, die über das StudiVZ wieder gefunden wurden“, „(flüchtige) Bekannte“ und „neue Kontakte, die über das StudiVZ kennen gelernt wurden“. Die Fragen, denen dabei nachgegangen wurde, lauten: Wie wichtig ist das StudiVZ für die Beziehungspflege mit den verschiedenen Typen von Freunden? Welchen Einfluss hat das StudiVZ auf die Qualität der Freundschaftsbeziehungen? Und haben sich im StudiVZ bereits Nutzungsmuster für die Kontaktaufnahme etabliert? Reale und virtuelle Freundschaften
Wie bereits gezeigt, nimmt die Authentizität der Profile einen hohen Stellenwert bei der Selbstdarstellung auf der Studierendenplattform ein. Es geht im StudiVZ nicht darum, sich eine neue Internet-Identität „zu basteln“, sondern vielmehr darum, sich als „reale“ Person zu präsentieren. Zu starke Abweichungen zwischen der realen Identität und der Internet-Identität wären für viele offensichtlich, wenn 86% der Befragten ihre Kontakte im StudiVZ „gewöhnlich“ bereits persönlich kennen gelernt haben, bevor diese auch zu Kontakten im StudiVZ wurden. Die Unterscheidung von realen und virtuellen Freunden ist im StudiVZ deshalb weitgehend obsolet: Es handelt sich um reale Freunde, mit denen man auch im virtuellen Raum kommuniziert. Bedeutung der verschiedenen Freundestypen im StudiVZ
Der Begriff „Freund“ ist im StudiVZ für alle Kontakte vorgegeben. Allerdings trifft diese Bezeichnung sicher nicht gleichermaßen und undifferenziert auf alle Kontakte zu. Das zeigt schon der Befund, dass mit einem Teil der „Freunde“ überhaupt nicht kommuniziert wird: 54% der Befragten geben an, „in meiner Freundesliste befinden sich viele Karteileichen“. Die am häufigsten vertretene Gruppe in den Freundeslisten des StudiVZ sind enge und frühere Freunde (vgl. Tab. 10). Dann folgen (flüchtige) Bekannte. Erst weit abgeschlagen finden sich die über das StudiVZ kennen gelernten Kontakte.
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Tab. 10: Anteil von Freundestypen in den Kontaktlisten (Angaben in %, n=1.519) enge Freunde sehr viele (=1) 2 3 4 gar keine (=5)
24,2 39,3 24,0 11,8 0,8
frühere Freunde 11,8 40,0 32,3 13,8 2,3
(flüchtige) Bekannte 16,4 31,3 28,6 20,5 3,2
neue Kontakte 1,1 3,4 7,7 24,0 63,8
Fünfstufige Skala.
Eine der forschungsleitenden Fragen der Studie galt dem Beitrag des StudiVZ zur Pflege bestehender oder zur Etablierung neuer Kontakte. Tabelle 11 dokumentiert die große Bedeutung, die der Pflege von Kontakten bei der StudiVZ-Nutzung zukommt. Tab. 11: Bedeutung des Nutzungsmotivs „Kontaktpflege“ bei der StudiVZ-Nutzung (Angaben in %, n=1.519) sehr wichtig (=1) 2 3 4 gar nicht wichtig (=5)
42,1 43,4 10,5 2,5 1,5
Fünfstufige Skala.
Das Generieren neuer Kontakte spielt im StudiVZ dagegen (wie bereits ausgeführt) nur eine untergeordnete Rolle. Wenn die Befragten ihre Freundesliste im StudiVZ beschreiben, geben 64% an, dort keine neuen, erst über das StudiVZ geknüpften Kontakte gelistet zu haben. Damit handelt es sich beim StudiVZ eher um ein Medium zur Beziehungspflege als um eine Plattform zur Erweiterung des Bekanntenkreises. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen, die Florian Renz (2006: 91) im Jahr 2006 im Business-Netzwerk OpenBC (heute Xing) machte. Auch dort kam dem Kennenlernen nur eine nachgeordnete Bedeutung zu, die Mitglieder pflegten eher bereits bekannte Kontakte. Einfluss des StudiVZ auf Freundschaftsbeziehungen
Durch das StudiVZ ändert sich teilweise die Kontakthäufigkeit mit den verschiedenen Freundschaftstypen: Während nur 13% angeben, der Kontakt zu engen Freunden sei dadurch intensiver geworden, sagen dies mit Bezug auf den Kontakt mit (flüchtigen) Bekannten 29% und bei früheren Freunden, die über das StudiVZ wieder gefunden wurden, sogar 57%. Insgesamt ist also eine Intensivierung des
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Kontakts zu verzeichnen. Die Mehrheit der Befragten beschreibt den Kontakt zu den verschiedenen Freundschaftypen allerdings als unverändert ([flüchtige] Bekannte: 68%, neue Kontakte: 67%). Bei den engen Freunden sagen dies sogar 87%. Überraschend ist die Tatsache, dass einige der Befragten angeben, der Kontakt zu bestimmten Arten von Freunden habe sich durch das StudiVZ verringert. Während dieser Effekt bei engen Freunden, früheren Freunden und (flüchtigen) Bekannten nur marginal ist, sind es bei neuen Kontakten immerhin 13% der Befragten, die dies angeben. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass im StudiVZ der Kontakt zu dort neu kennengelernten Personen, häufig wieder einschläft. Diese Vermutung wird durch den (oben erwähnten) hohen Anteil an Karteileichen in den Freundschaftslisten bekräftigt. Kontaktsuche, Auskundschaften und „Gruscheln“
Zum Auffinden von Personen nutzen die befragten StudiVZ-Mitglieder vor allem Profile gemeinsamer Bekannter (75%) und die „SuperSuche“ (68%). Außerdem scheint es üblich zu sein, neue Bekanntschaften nach dem ersten Zusammentreffen in der Realwelt – sei es auf einer Party oder im Seminar – im StudiVZ zu suchen. 80% der Befragten bestätigen die Aussage: „Lerne ich neue Leute kennen (z. B. auf Partys, in Seminaren), suche ich danach umgehend nach deren Profil.“ Das „Auskundschaften“ einer Person wird durch das StudiVZ einfacher und wohl auch selbstverständlicher. Gleichzeitig wird mehrheitlich bestätigt (71%), dass man selbst lieber anonym bleibt und nicht als Besucher anderer Seiten angezeigt werden möchte. Rund ein Drittel (34%) der Befragten bestätigt auch die folgende Aussage: „Habe ich mich über die Profile anderer im StudiVZ informiert, vermeide ich, dies im persönlichen Kontakt preiszugeben.“ Vereinfacht gesagt: Alle tun es, alle wissen, dass alle es tun, aber keiner will dabei gesehen werden oder es zugeben. Offensichtlich hat das „Auskundschaften“ für viele Nutzer einen negativen Beigeschmack. Das „Gruscheln“ ist eine exklusive Funktion des StudiVZ. Hier stellt sich die Frage, ob es unter den Nutzern ein einheitliches Verständnis über diese StudiVZeigene „Grußtechnik“ gibt. Über die Bedeutung des „Gruschelns“ herrscht über die Grenzen der Freundesarten hinweg relativ große Einigkeit (vgl. Tab. 12). Einschränkend muss allerdings bemerkt werden, dass (flüchtige) Bekannte (61%) und neue Kontakte (68%) mehrheitlich nicht gegruschelt werden und deshalb kaum in die Interpretation einbezogen werden können.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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„Gruscheln“ wird vornehmlich als Gruß interpretiert. In der Kommunikation mit engen Freunden geben dies rund zwei Fünftel (41%) der Nutzer als wichtigsten „Gruschelgrund“ an, bei den früheren Bekannten sind es 30%. Darüber hinaus wird das „Gruscheln von einem Viertel (25%) der Nutzer im Kontakt mit früheren Bekannten auch als kleines „Lebenszeichen“ verstanden. Bei engen Freunden kann es auch eine intimere Bedeutung haben. So wird es von 35% der Befragten als „Hab-dich-lieb“-Sagen“ verstanden. Tab. 12: Der jeweils wichtigste Grund für das „Gruscheln“ von Freundestypen (Angaben in %, n=1.256)* enge Freunde erste Kontaktaufnahme Flirten Gruß Lebenszeichen geben Anmachen „Hab-dich-lieb“-Sagen gruschel ich nicht
1,0 1,4 40,7 12,8 0,2 35,0 8,9
frühere Bekannte 2,9 1,2 30,3 25,3 0,2 0,8 39,3
(flüchtige) Bekannte 2,2 3,8 22,2 9,1 1,0 0,3 61,4
neue Kontakte 6,1 7,3 12,7 4,1 1,2 0,4 68,2
* Hier wurden nur diejenigen Nutzer befragt, die zuvor bereits eine generelle Nutzung der Gruschelfunktion angegeben hatten.
Insgesamt zeigt sich, dass das „Gruscheln“ mit abnehmender Freundschaftsintensität an Häufigkeit abnimmt. Tendenziell kann man hier aufgrund der recht eindeutigen Bedeutungszuschreibung bei bestimmten Adressatengruppen von der Herausbildung eines intersubjektiven Nutzungsmusters ausgehen. Dafür spricht auch der Befund, dass 87% der Befragten nicht verunsichert sind, wenn sie „gegruschelt“ werden. Zunächst wurde vermutet, „Gruscheln“ könnte eine Bedeutung in der Kontaktaufnahme zwischen den Geschlechtern haben. Flirten und Anmachen spielen als „Gruschelgrund“ aber nur eine untergeordnete Rolle. Fazit Insgesamt lässt sich für die Nutzung des StudiVZ, die Motive und das Kontaktverhalten festhalten: x Das StudiVZ ist zu einer wichtigen Kommunikationsplattform geworden, die von fast zwei Drittel der Befragten täglich besucht wird. x Die Mitglieder sind weitaus mehr daran interessiert, bereits bestehende Kontakte im StudiVZ weiterzuführen oder abgebrochene Kontakte wiederaufleben zu lassen, als dort neue Leute kennen zu lernen. Kontaktpflege ist ihnen eindeutig wichtiger als Kontaktsuche. 86% der Befragten kennen für „ge-
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wöhnlich“ die Personen bereits, die sie im StudiVZ kontaktieren. In den Freundschaftslisten finden sich vor allem enge und frühere Freunde. x Die befragten StudiVZ-Mitglieder machen überwiegend nicht den ersten Schritt bei der Anbahnung virtueller Beziehungen, sondern lassen sich eher von anderen Mitgliedern gruscheln und als Freunde einladen oder von Unbekannten anschreiben. x Daneben wird das StudiVZ häufig zu Unterhaltungszwecken genutzt, kaum dagegen als Arbeitsplattform. x Bei der Selbstdarstellung im eigenen Profil besitzt die Authentizität den höchsten Stellenwert. Da die Mitglieder einander häufig bereits kennen, wäre eine manipulative Selbstdarstellung auch leicht durchschaubar. x Eine Intensivierung der Kontakthäufigkeit zeigt sich am ehesten bei den früheren Freunden, die sich im StudiVZ wieder getroffen haben, und den flüchtigen Bekannten. x Der Gebrauch und die Interpretation des „Gruschelns“, einer spezifischen Form der Kommunikation im StudiVZ, sind bereits in hohem Maße konsentiert. Es hat sich bereits ein intersubjektives Nutzungsmuster herausgebildet. Eine grundlegende Veränderung des Kontaktverhaltens lässt sich im StudiVZ nicht beobachten. Vielmehr zeigen die Mitglieder eine relativ große Zurückhaltung und beschränken sich weitgehend darauf, das soziale Netzwerk zur Vereinfachung der Kommunikation mit bestehenden oder abgebrochenen Kontakten zu nutzen. Literatur: Goffman, Erving (1969): Wir spielen alle Theater. München: Piper. GWP media-marketing (2008): Mediadaten studiVZ. http://www.gwp.de/gwpwwwangebot/fn/gwp/sfn/buildpage/ cn/bp_show_page/page/A18B310/root/PAGE_31723/strucid/PAGE_31723/subnav/1/ssubnav1/PAGE_32288/in dex.html (10.06.2008). Renz, Florian (2006): Praktiken des online-gestützen Netzwerkens am Beispiel von OpenBC. Boizenburg: Werner Hülsbusch. Statistisches Bundesamt (2008): Bildung und Kultur: Studierende an Hochschulen. Fachserie 11, Reihe 4.1. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. https://wwwec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?cmspath= struktur,vollanzeige.csp&ID=1021729 (10.06.2008). StudiVZ (2007): studiVZ-Faktenblatt. http://static.ak.studivz.net/lp/svz_de/press/download/img/studiVZ-Faktenblatt. pdf (26.07.2007).
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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Anhang: Online-Fragebogen Zunächst möchten wir etwas über deinen Umgang mit dem StudiVZ wissen. Dazu starten wir mit einigen Fragen zu deinen Nutzungsgewohnheiten.
1) Seit wann bist du Mitglied im StudiVZ? a) ≤ 3 Monate b) 3 Monate > 6 Monate c) 6 Monate > 12 Monate d) ≥ 12 Monate e) ich bin kein Mitglied 2) Wie häufig nutzt du das StudiVZ (Login)? a) mehrmals täglich b) täglich b) mehrmals wöchentlich d) wöchentlich e) mindestens monatlich e) weniger 3) Wie lange nutzt du das StudiVZ im Durchschnitt pro Login? a) ≤ 10 Minuten b) 10 > 30 Minuten c) 30 > 60 Minuten d) 60 > 120 Minuten e) ≥ 120 Minuten 4) Wie häufig veränderst du seit der Anmeldung durchschnittlich die unterschiedlichen Elemente deiner Seite? Fünfstufige Skala: täglich, mindestens wöchentlich, mindestens monatlich, seltener, noch nie a) Profilfoto b) Informationen über mich c) Gruppen 5) Auf was legst du bei der Gestaltung deines Profils besonderen Wert? Fünfstufige Skala: 1=sehr wichtig, 5=gar nicht wichtig a) Witzigkeit, Originalität b) Information c) Authentizität d) Aktualität e) Attraktivität
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6) Wie wichtig sind dir die folgenden Gründe für die Verwendung des StudiVZ? Fünfstufige Skala: 1=sehr wichtig, 5=gar nicht wichtig a) alte Bekannte wieder finden b) neue Leute kennen lernen c) Kontakte pflegen d) Zeitvertreib/Langeweile e) Zusammenschluss mit Gleichgesinnten (Gruppen) f) Informationsplattform („Schwarzes Brett“) g) Dating h) Neugier (Ich schaue mir Seiten anderer an) i) Kontaktdaten sammeln und sichern j) Uniangelegenheiten koordinieren 7) Wie häufig nutzt du die folgenden Funktionen des StudiVZ? Fünfstufige Skala: täglich, mindestens wöchentlich, mindestens monatlich, seltener, nie a) Pinnwandeinträge schreiben/lesen b) Nachrichten schreiben/lesen c) Gruppen suchen/gründen/diskutieren d) Fotoalben erstellen, Fotos verlinken e) Fotos ansehen f) Gruscheln g) Zusammenarbeit in Lern-/Referatsgruppen h) SuperSuche i) Lehrveranstaltungen j) Freundschaftseinladungen verschicken k) „Kennst du schon?“ 8) Wenn du an dein Verhalten im StudiVZ denkst, was trifft auf dich zu? Dreistufige Skala: trifft zu, hält sich ungefähr die Waage, trifft nicht zu a) Ich werde häufiger als Freund eingeladen, als dass ich Freundschaftseinladungen verschicke. b) Ich werde häufiger gegruschelt, als dass ich andere gruschele. c) Ich schreibe mehr Nachrichten als Pinnwandeinträge. d) Ich werde häufiger von Unbekannten angeschrieben/gegruschelt, als dass ich selber den ersten Schritt mache.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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Im folgenden Block geht es um die Art deiner Kontakte im StudiVZ. 9) Wie viele Freunde hast du derzeit ungefähr im StudiVZ? (2 Tabellen: uniintern, uniextern) a) ≤ 10 b) 10 > 30 c) 30 > 60 d) 60 > 90 e) 90 > 120 f) 120 > 150 g) ≥ 150 10) Wenn du an deine Freundesliste im StudiVZ denkst: Welcher „Art“ sind diese Freundschaften? Intervalle: 0-25 %, 25-50 %, 50-75%, 75-100% a) Enge Freunde b) Frühere Freunde, die ich über das StudiVZ wieder gefunden habe c) (Flüchtige) Bekannte d) Neue Kontakte, die ich über das StudiVZ kennen gelernt habe 11) Welche Funktionen nutzt du, um bestimmte Kontakte zu finden? (Kreuze bis zu drei Antworten an.) zwei Tabellen: alte Bekannte, neue Kontakte a) Gemeinsame Lehrveranstaltungen b) Profile gemeinsamer Bekannter c) (Super-)Suche d) Gruppen e) „Kennst du schon?“ f) Sonstiges [Textfeld] 12) Wie hat sich durch das StudiVZ generell die Kontakthäufigkeit zu anderen Personen verändert? Dreistufige Skala: intensiverer Kontakt, unveränderter Kontakt, weniger Kontakt a) Enge Freunde b) Frühere Freunde, die ich über das StudiVZ wieder gefunden habe c) (Flüchtige) Bekannte d) Neue Kontakte, die ich über das StudiVZ kennen gelernt habe
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Die folgenden 5 Fragen beziehen sich alle auf die Wege, die du nutzt, um mit deinen „Freunden“ in Verbindung zu treten: 13) Wie häufig nutzt du die folgenden Wege, um mit engen Freunden in Verbindung zu treten? Fünfstufige Skala: 1= sehr häufig, 5= nie a) (Mobil-)Telefon b) SMS c) Instant Messenger (z. B. ICQ, MSN) d) Internettelefonie (Skype) e) E-Mail f) StudiVZ g) Andere Communities (z. B. Xing) h) Persönliche Treffen 14) Wie häufig nutzt du die folgenden Wege, um mit früheren Freunden, die du über das StudiVZ wieder gefunden hast, in Verbindung zu treten? Fünfstufige Skala: 1=sehr häufig, 5=nie a) (Mobil-)Telefon b) SMS c) Instant Messenger (z. B. ICQ, MSN) d) Internettelefonie (Skype) e) E-Mail f) StudiVZ g) Andere Communities (z. B. Xing) h) Persönliche Treffen 15) Wie häufig nutzt du die folgenden Wege, um mit (flüchtigen) Bekannten in Verbindung zu treten? Fünfstufige Skala: 1=sehr häufig, 5=nie a) (Mobil-)Telefon b) SMS c) Instant Messenger (z. B. ICQ, MSN) d) Internettelefonie (Skype) e) E-Mail f) StudiVZ g) Andere Communities (z. B. Xing) h) Persönliche Treffen
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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16) Wie häufig nutzt du die folgenden Wege, um mit neuen Kontakten, die du über das StudiVZ kennen gelernt hast, in Verbindung zu treten? Fünfstufige Skala: 1=sehr häufig, 5=nie a) (Mobil-)Telefon b) SMS c) Instant Messenger (z. B. ICQ, MSN) d) Internettelefonie (Skype) e) E-Mail f) StudiVZ g) Andere Communities (z. B. Xing) h) Persönliche(s) Treffen 17) Wie häufig nutzt du die folgenden Wege, um mit Kommilitonen am Studienort in Verbindung zu treten? Fünfstufige Skala: 1=sehr häufig, 5=nie a) (Mobil-)Telefon b) SMS c) Instant Messenger (z. B. ICQ, MSN) d) Internettelefonie (Skype) e) E-Mail f) StudiVZ g) Andere Communities (z. B. Xing) h) Persönliche Treffen 18) Weil ich das StudiVZ nutze, verwende ich generell … Dreistufige Skala: mehr, etwa gleich viel, weniger a) (Mobil-)Telefon b) SMS c) Instant Messenger (z. B. ICQ, MSN) d) Internettelefonie (Skype) e) E-Mail f) Andere Communities (z. B. Xing) 19) Bitte prüfe, ob die folgenden Statements auf dich zutreffen: a) Das StudiVZ hat mein Kontaktverhalten generell verändert. b) Lerne ich neue Leute kennen (z. B. auf Partys, in Seminaren), verweise ich häufig auf mein Profil im StudiVZ. c) Lerne ich neue Leute kennen (z. B. auf Partys, in Seminaren), suche ich danach umgehend nach deren Profil. d) Ich werde häufig von Leuten angeschrieben/gegruschelt, die ich flüchtig getroffen habe (z. B. auf Partys, in Seminaren).
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e) Gewöhnlich lerne ich jemanden erst persönlich kennen, bevor ich ihn im StudiVZ kontaktiere. f) Wenn ich bereits engen persönlichen Kontakt zu jemandem habe, spielt das StudiVZ für die Kommunikation nur eine geringe Rolle. g) Ich habe im StudiVZ interessante Kontakte geknüpft, die ich auch außerhalb des StudiVZ weitergeführt habe. Wir sind fast am Ende, noch kurz zur Gruschelfunktion: 20) Wie häufig gruschelst du andere StudiVZ-Mitglieder? a) täglich b) mindestens wöchentlich c) mindestens monatlich d) seltener e) nie (FILTER) 21) Welches sind für dich die wesentlichen Gründe, unterschiedliche Freunde zu gruscheln? Ausprägungen: a) Erste Kontaktaufnahme, b) Flirten, c) Gruß, d) auf sich aufmerksam machen (kleines Lebenszeichen), e) Anmachen (unmoralisches Angebot), f) Kuscheln (Hab-dich-liebSagen) a) Enge Freunde b) Frühere Freunde, die ich über das StudiVZ wieder gefunden habe c) (Flüchtige) Bekannte d) Neue Kontakte, die ich über das StudiVZ kennen gelernt habe 22) Wer gruschelt dich? (Mehrfachantworten möglich) 2 Tabellen: männlich, weiblich a) Enge Freunde b) Frühere Freunde, die ich über das StudiVZ wieder gefunden habe c) (Flüchtige) Bekannte d) Neue Kontakte, die ich über das StudiVZ kennen gelernt habe 23) Bitte prüfe, ob die folgenden Statements auf dich zutreffen? Antworten: trifft zu – trifft nicht zu a) Ich bleibe anonym und lasse mich nicht als Besucher anderer Profile anzeigen. b) Habe ich mich über die Profile anderer im StudiVZ informiert, vermeide ich, dies im persönlichen Kontakt preiszugeben. c) Der Höhepunkt meiner StudiVZ-Nutzung ist überschritten, und mittlerweile nutze ich das StudiVZ seltener. d) Ich bin häufig verunsichert, wenn mich jemand gruschelt.
Freundschaftspflege statt Kontaktsuche
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e) Das StudiVZ spielt in meinem Alltag eine zunehmend wichtigere Rolle. f) Hohe Freundeszahlen wirken auf mich negativ. g) In meiner Freundesliste befinden sich viele „Karteileichen“. h) Mir fällt häufig auf, dass Informationen aus einem Profil nicht mit der tatsächlichen Person übereinstimmen. Fast geschafft! Bitte mache noch einige Angaben zu deiner Person. Alter: < 18 Jahre 18 – 21 Jahre 22 – 25 Jahre 26 – 29 Jahre > 29 Jahre Geschlecht: männlich weiblich Beziehungsstatus: Single, feste Beziehung Studiengang: (Fachrichtung) a) kein Student b) Sprach- und Kulturwissenschaften c) Sport d) Rechtswissenschaften e) Wirtschaftswissenschaften f) Sozialwissenschaften g) Mathematik, Naturwissenschaften h) Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften i) Veterinärmedizin j) Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaft k) Ingenieurwissenschaften l) Kunst, Kunstwissenschaft m) Sonstige Fächer Vielen Dank für deine Teilnahme!
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
Nutzerbefragung III: StudiVZ im Vergleich mit anderen Kommunikationskanälen Birte Blömers/Stefanie Letschert
Nachdem im voranstehenden Aufsatz die Ergebnisse der Online-Befragung von 1.519 StudiVZ-Mitgliedern im Überblick dargestellt worden sind,1 wird im vorliegenden Text einigen speziellen Fragen nachgegangen: Die rasche Verbreitung des StudiVZ hat – wie es bei neuen Phänomenen im Internet oft der Fall ist – Besorgnis ausgelöst. In kritischen Feuilleton-Beiträgen werden das Abdriften der Nutzer in eine virtuelle Scheinwelt sowie negative Einflüsse auf bisherige Kommunikationskanäle und das Kontaktverhalten der Nutzer befürchtet. Doch wie begründet sind solche Ängste? In diesem Aufsatz stehen deshalb die folgenden Fragen im Mittelpunkt: Wie stark ist das Netzwerk im (Online-)Leben seiner meist jungen Nutzer verankert? Wie beeinflusst es ihr Kontaktverhalten? Um dies differenziert erfassen zu können, wurden fünf unterschiedliche Gruppen von Freunden unterschieden,2 die sich wiederum in einen „engen Freundeskreis“ (enge Freunde, Kommilitonen am Studienort) und einen „weiten Freundeskreis“ (frühere Freunde, flüchtige Bekannte, neue Kontakte) unterteilen lassen.
1
2
Die Studie wurde im Rahmen eines Projektseminars am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster unter der Leitung von Christoph Neuberger unter Mitarbeit von Birte Blömers, Meike Flöck, Stefanie Letschert, Hannah Lohmann, Ilona Schäfer, Tobias Steinkamp und Tobias Winkler durchgeführt. Die fünf untersuchten Freundesgruppen unterscheiden sich hinsichtlich der Beurteilung der Beziehung durch die Mitglieder. Untersucht wurden Unterschiede im Kontakt mit engen Freunden, Kommilitonen am Studienort, flüchtigen Bekannten, früheren Freunden, die über das StudiVZ wiedergefunden wurden, und neuen Kontakten, die über das StudiVZ kennen gelernt wurden.
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
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Um Veränderungen im Kommunikationsverhalten der Nutzer beurteilen zu können, interessierte weiterhin die Bedeutung des StudiVZ im Vergleich mit anderen Kommunikationskanälen:3 Wird die Nutzung dieser Kanäle durch das StudiVZ beeinflusst? In welchem Verhältnis steht das StudiVZ dabei zu internetfernen und internetbasierten Verbindungswegen? Es ist anzunehmen, dass das StudiVZ andere Kontaktmöglichkeiten nicht marginalisiert, sondern es vielmehr in das Repertoire der Kommunikationskanäle eingeordnet wird. Diese Einordnung geschieht vermutlich nicht reibungslos, d. h. ohne Verdrängungseffekte. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass kein Kanal bedeutungslos wird, sondern jeder seine spezifischen Stärken und Schwächen besitzt. Die im Folgenden präsentierten Ergebnisse basieren auf der bereits vorgestellten standardisierten Online-Befragung von 1.519 StudiVZ-Mitgliedern.4 Das StudiVZ im Vergleich mit anderen Kommunikationskanälen Insgesamt wurde die Häufigkeit der Nutzung von acht – mehr oder weniger – unterschiedlichen Kontaktmöglichkeiten erfragt. Die Verbindungswege zeichnen sich dadurch aus, dass sie überwiegend zu interpersonaler „One-To-One“-Kommunikation genutzt werden. Neben der Verwendung des StudiVZ zur Kommunikation mit unterschiedlichen Typen von Freunden wurden Nutzungs-gewohnheiten gleichermaßen für internetbasierte und internetferne Kontaktformen erfragt. Erstere umfassen (neben dem StudiVZ) E-Mail, Instant Messenger, Internettelefonie und andere Communities. Die (überwiegend5) internetfernen Kommunikationskanäle sind SMS und (Mobil-)Telefon. Neben diesen medial vermittelten Typen der Kommunikation wurde das persönliche Treffen als Präsenzkommunikation abgefragt. Ausgewählt wurden damit zum einen Kommunikationskanäle, die eine Ähnlichkeit mit dem StudiVZ im Hinblick auf einzelne Funktionen (E-Mail, SMS, Instant Messenger) oder das gesamte Format (andere Communities) besitzen, zum anderen aber auch solche, die – aufgrund der synchronen und gesprochenen Kommunika-
3 4
5
Zum Forschungsstand vgl. den Aufsatz „Soziale Netzwerke im Internet“ (Abschnitt 5) in diesem Band. Vgl. den Aufsatz „Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ“ in diesem Band, in dessen Anhang auch der Fragebogen abgedruckt ist. Die nachfolgenden Ergebnisse beziehen sich im Normalfall, d. h., wenn keine Fallzahl (n) genannt ist, auf jene 1.519 StudiVZ-Mitglieder, die an der Befragung teilgenommen haben. Eine kleine Einschränkung ist hier bezüglich der SMS zu machen, da auch die Möglichkeit besteht, diese via Internet zu versenden.
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Birte Blömers/Stefanie Letschert
tion – Unterschiede ([Mobil-]Telefon, Internettelefonie) aufweisen. Bereits betont wurde die Sonderstellung des „persönlichen Treffens“ als Form des unvermittelten Austauschs. Differenziert man nach dem persönlichen Charakter der Kommunikation, so könnte man von der folgenden Abstufung ausgehen: persönliches Treffen, (Mobil-)Telefon, Internettelefonie, SMS, Instant Messenger, E-Mail, andere Communities.6 Damit sollten die gängigen Kommunikationswege junger Erwachsener erfasst werden.7 Das StudiVZ in der Kommunikation mit unterschiedlichen Typen von Freunden Für jeden Kommunikationskanal sollten die Befragten auf einer fünfstufigen Skala mit den Extremwerten „sehr häufig“ (1) und „nie“ (5) angeben, wie oft sie diesen im Kontakt mit einem bestimmten Typ von Freunden verwenden. Die folgenden Mittelwertvergleiche sind sämtlich hoch signifikant (p<0,001). Es zeigt sich eine klare Zweiteilung zwischen dem „engen Freundeskreis“ (enge Freunde und Kommilitonen am Studienort8) und dem „weiten Bekanntenkreis“ (frühere Freunde, flüchtige Bekannte und neue Kontakte)9 (vgl. Tab. 1). Deutlich wird vor allem der unterschiedliche Stellenwert, den das StudiVZ in der Kontaktaufnahme mit verschiedenen Typen von Freunden im Repertoire der Kommunikationskanäle einnimmt: Während der Kontakt zu engen Freunden und Kommilitonen am Studienort bevorzugt über internetferne Wege, wie das persönliche Treffen sowie SMS oder per Mobiltelefon, hergestellt wird, führt das StudiVZ in der Kommunikation mit früheren Freunden, flüchtigen Bekannten und neuen Kontakten die Rangreihe der Kanäle an. Danach folgen überwiegend internetbasierte Kommunikationswege (E-Mail, Instant Messenger). Generell „sehr selten“ bis „nie“ werden die Internettelefonie und andere Communities verwendet. Letztere weisen über alle Freundschaftstypen hinweg einen Mittelwert größer als 4,5 auf, der damit im Bereich der Ausprägung 5 („nie“) liegt.
6 7 8 9
Dies ist eine nur grobe Zuordnung der Kommunikationskanäle; sie basiert nicht auf einer empirischen Untersuchung der Kanaleigenschaften. Die Auflistung wurde auch auf der Grundlage der im Vorfeld in Leitfadeninterviews gewonnenen Erkenntnisse zum Kontaktverhalten der Nutzer gebildet. Die Unterscheidung zwischen „engen Freunden“ und „Kommilitonen am Studienort“ ist nicht völlig trennscharf. Diese Abstufung wird durch die ansteigende allgemeine Kontakthäufigkeit bestätigt: Die Befragten treten über alle Kommunikationskanäle hinweg wesentlich häufiger mit engen Freunden (MW=2,6) in Kontakt als mit früheren Freunden (MW=3,7), flüchtigen Bekannten (MW=4,0) und neuen Kontakten (MW=4,5).
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
Tab. 1:
143
Häufigkeit der Nutzung des StudiVZ im Vergleich zu anderen Kommunikationskanälen (Mittelwerte, n=1.519) Freundschaftstyp
Rang
enge Freunde
Kommilitonen am Studienort SMS (2,3)
StudiVZ (2,3)
flüchtige Bekannte StudiVZ (2,8)
frühere Freunde
1.
persönliche Treffen (1,5)
2.
SMS (1,6)
persönliche Treffen (2,4)
E-Mail (3,1)
E-Mail (3,6)
3.
(Mobil-) Telefon (1,7)
E-Mail (2,5)
Instant Messenger (3,5)*
SMS (3,7)
4.
E-Mail (2,3)
(Mobil-) Telefon (2,6)
SMS (3,5)*
StudiVZ (2,5) Instant Messenger (2,6)
StudiVZ (3,4) Instant Messenger (3,4) Internettelefonie (4,5) andere Communities (4,8)
5. 6.
7.
Internettelefonie (3,9)
8.
andere Communities (4,5)
neue Kontakte StudiVZ (3,4) Instant Messenger (4,3) E-Mail (4,3)
persönliche Treffen (3,7)
Instant Messenger (3,8) persönliche Treffen (4,1)
persönliche Treffen (4,4)
(Mobil-) Telefon (3,8)
(Mobil-) Telefon (4,1)
(Mobil-) Telefon (4,5)
Internettelefonie (4,5) andere Communities (4,7)
andere Communities (4,7)
Internettelefonie (4,8) andere Communities (4,8)
Internettelefonie (4,7)
SMS (4,3)
Fünfstufige Skala (1=„sehr häufig“, 5=„nie“). * Reihenfolge entsprechend der kumulierten Prozentwerte.
Weiterhin wurde in der Studie der Frage nachgegangen, ob das StudiVZ die Nutzung anderer Kanäle verändert hat. Die Ergebnisse werden unten vorgestellt. Dabei könnte es auch (was allerdings im Rahmen dieser Studie nicht genauer untersucht werden konnte) zu einer Funktionsverlagerung gekommen sein, wie sie das „Rieplsche Gesetz“ für die Beziehung zwischen alten und neuen Massenmedien vermutet. Erkenntnisse darüber könnte eine Panel-Erhebung liefern, die als Vergleich vor und während der StudiVZ-Nutzung angelegt sein müsste, oder auch der Vergleich der Nutzer mit den Nicht-Nutzern des StudiVZ. Die Kommunikation mit engen Freunden besitzt in zweierlei Hinsicht eine herausragende Stellung im Vergleich zu den anderen Typen von Freunden: Zum einen ist hier die Kontakthäufigkeit auf fast allen Kanälen am höchsten (vgl. Tab. 2), zum anderen werden persönliche Kontaktformen favorisiert. Unter engen Freunden dominiert das persönliche Treffen als Kommunikationsweg: Knapp 93%
Birte Blömers/Stefanie Letschert
144
der Befragten geben an, diesen Kontaktweg sehr häufig oder vergleichsweise häufig zu nutzen (Skalenpunkte 1 und 2). Tab. 2:
Häufigkeit der Nutzung von Kanälen zur Kommunikation mit engen Freunden (n=1.519)
persönliche Treffen SMS (Mobil-)Telefon E-Mail StudiVZ Instant Messenger (ICQ, MSN etc.) Internettelefonie (Skype etc.) andere Communities (MySpace, Friendster, Xing etc.) Gesamtdurchschnitt*
sehr häufig/ häufig (in %) 92,8 85,5 82,4 59,6 55,3 57,0 19,9
Standardabweichung
Mittelwert 1,5 1,6 1,7 2,3 2,5 2,6 3,9
0, 7 0,9 0,9 1, 1,1 1,6 1,4
6,7
4,5
1,0
57,4
2,6
0,6
Fünfstufige Skala (1=„sehr häufig“, 5= „nie“). Addierte Anteile für die Antworten „sehr häufig“ und „häufig“. * Durchschnittliche Nutzung aller Kommunikationskanäle im Kontakt mit engen Freunden.
Es sind die internetfernen Kommunikationskanäle, die am häufigsten zum Kontakt mit engen Freunden eingesetzt werden (persönliche Treffen, SMS, [Mobil-]Telefon). Gemeinsam ist diesen Kommunikationswegen – gegenüber den Alternativwegen – der hohe Grad zeitlicher Unmittelbarkeit des Austauschs, die Möglichkeit der unverzüglichen Reaktion (synchrone Kommunikation). Während der persönliche Kontakt die volle körperliche Präsenz erfordert, ist bei der telefonischen Kommunikation – im Unterschied zur reinen Textkommunikation – immerhin noch eine stimmliche Präsenz gegeben. Auch die internetspezifischen Kommunikationswege E-Mail, Instant Messenger und StudiVZ werden noch von rund der Hälfte aller Befragten „häufig“ zur Kontaktaufnahme mit engen Freunden verwendet. Die größte Ähnlichkeit mit diesem Freundschaftstyp weisen die Kommilitonen am Studienort auf, die lokal verfügbar sind, was bei engen Freunden nicht unbedingt gegeben sein muss. Spiegelverkehrt zur Kanalnutzung im Fall der engen Freunde stellt sich in etwa das Kontaktverhalten gegenüber Personen des weiten Freundeskreises dar, wozu frühere Freunde, flüchtige Bekannte und neue, erst über das StudiVZ gewonnene Kontakte zählen: Hier ist die Kontakthäufigkeit niedriger, und es werden eher unpersönliche Kontaktwege im Internet bevorzugt. Hier steht das StudiVZ generell an erster Position. Es folgen internetbasierte Kommunikationswege; „weniger häufig“ wird auf internetferne und insbesondere persönliche Kontaktwege zurückge-
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
145
griffen. Jenseits dieser augenscheinlichen Gemeinsamkeiten lassen sich einige Besonderheiten der Freundschaftstypen feststellen. Tab. 3:
Häufigkeit der Nutzung von Kanälen zur Kommunikation mit früheren Freunden, die über das StudiVZ wieder gefunden wurden (n=1.519)
Rangreihe nach Mittelwerten StudiVZ E-Mail Instant Messenger SMS (Mobil-)Telefon persönliche Treffen Internettelefonie andere Communities Gesamtdurchschnitt*
sehr häufig/ häufig (in %) 64,8 35,6 28,6 22,8 13,4 12,0 5,8 4,1 23,4
Mittelwert 2,3 3,1 3,5 3,5 3,8 3,7 4,5 4,7 3,7
Standardabweichung 1,0 1,3 1,4 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,8
Fünfstufige Skala (1=„sehr häufig“, 5= „nie“). Addierte Anteile für die Antworten „sehr häufig“ und „häufig“. * Durchschnittliche Nutzung aller Kommunikationskanäle im Kontakt mit früheren Freunden.
In der Kommunikation mit früheren Freunden steht das StudiVZ an erster Stelle, und zwar nicht nur im Vergleich mit den anderen Kontaktwegen innerhalb dieses Freundschaftstyps, sondern auch im Vergleich mit den anderen Freundschaftstypen: Nirgendwo sonst wird das StudiVZ so häufig eingesetzt wie für die Wiederaufnahme abgebrochener Beziehungen. Die generelle Kontakthäufigkeit fällt hier eher gering aus (MW=3,70) (vgl. Tab. 3). Zum Teil lässt sich der hohe Stellenwert des StudiVZ sicherlich dadurch erklären, dass hier explizit nach „über das StudiVZ wieder gefundenen Freunden“ gefragt wurde. Alle anderen Kommunikationskanäle werden dagegen wesentlich seltener verwendet, vor allem die persönlichen Kanäle, d. h. die „Face-to-Face“-Kommunikation und das Telefongespräch. Eine (fast) identische Rangfolge der unterschiedlichen Kanäle ergibt sich beim Kontakt mit flüchtigen Bekannten, wobei die Kontakthäufigkeit generell noch geringer ausfällt. Auch hier dominiert das StudiVZ als Verbindungsweg. Der Mittelwert liegt mit 2,80 nur nahe der Mitte der fünfstufigen Skala. Die anderen Kommunikationswege fallen dagegen deutlich ab.
Birte Blömers/Stefanie Letschert
146
Tab. 4:
Häufigkeit der Nutzung von Kanälen zur Kommunikation mit neuen Kontakten (n=1.519)
Rangreihe nach Mittelwerten StudiVZ Instant Messenger (ICQ, MSN etc.) E-Mail SMS persönliche Treffen (Mobil-)Telefon Internettelefonie (Skype etc.) andere Communities (MySpace, Friendster, Xing etc.) Gesamtdurchschnitt*
sehr häufig/ häufig (in %) 31,8 12,8 10,2 10,9 7,1 5,7 1,7
Mittelwert 3,4 4,3 4,3 4,3 4,4 4,5 4,8
Standardabweichung 1,5 1,2 1,1 1,1 0,9 0,9 0,6
2,0
4,8
0,6
10,3
4,5
0,8
Fünfstufige Skala (1=„sehr häufig“, 5= „nie“). Addierte Anteile für die Antworten „sehr häufig“ und „häufig“. * Durchschnittliche Nutzung aller Kommunikationskanäle im Kontakt mit neuen Kontakten.
Generell am niedrigsten fällt die Kontakthäufigkeit zu den im StudiVZ neu gewonnenen Kontakten (MW=4,46) aus (vgl. Tab. 4). Das StudiVZ spielt in der Kommunikation mit dieser Freundesart zwar noch die wichtigste Rolle, generell kommt der Generierung neuer Kontakte bei der StudiVZ-Nutzung jedoch nur eine sehr geringe Bedeutung zu (vgl. den Aufsatz „Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ“ in diesem Band). Der Kanalvergleich lässt einen weiteren Schluss zu: Ist der Kontakt über das StudiVZ erst einmal hergestellt, findet nur selten ein Kanalwechsel statt. Denn die ohnehin schon geringe Kontakthäufigkeit über das StudiVZ wird von allen anderen Kommunikationsmöglichkeiten noch unterboten. Beginnt der Kontakt über das StudiVZ, scheinen die Nutzer dieser Form der Kontaktaufnahme auch treu zu bleiben. Bei der Reihenfolge der nachrangigen Kommunikationswege gilt auch hier: Je persönlicher die Kontaktart, desto seltener wird sie zur Kommunikation mit neuen Kontakten verwendet. Damit stellt die Kommunikation mit diesem Typ von Freunden das genaue Gegenteil zu jener mit engen Freunden dar. Allgemeine Kontakthäufigkeit Dass tendenziell ein Zusammenhang zwischen der Qualität des Kontakts (Nähe oder Distanz zu Freunden) und seiner Quantität besteht, lässt sich im Vergleich der Mittelwerte für fast alle Kommunikationskanäle noch einmal deutlich aufzeigen (vgl. Tab. 5). Betrachtet man den Durchschnitt der Kontakthäufigkeit über alle Kanäle hinweg, so nehmen die Werte entsprechend der Kontaktqualität ab: Die Befragten treten am häufigsten mit engen Freunden in Verbindung, danach folgen
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
147
Kommilitonen am Studienort, frühere Freunde, flüchtige Bekannte und neue Kontakte. Diese Abstufung lässt sich einzeln auch in der Nutzung fast sämtlicher Kommunikationskanäle feststellen: Für alle internetfernen Kontaktwege (persönliches Treffen, SMS, [Mobil-]Telefon) sowie für die Verwendung eines Instant Messengers und von Internettelefonie lässt sich bei den einzelnen Freundschaftstypen eine Zunahme der Mittelwerte, also eine Abnahme der Nutzungshäufigkeit feststellen. Vereinfacht ausgedrückt: Diese Kommunikationskanäle werden umso häufiger verwendet, je enger das Freundschaftsverhältnis ist. Tab. 5:
Rangreihen nach Kommunikationskanal und Freundschaftstyp (Mittelwerte, n=1.519) Freundschaftstyp
Kommunikationskanal StudiVZ SMS E-Mail persönliche Treffen (Mobil-)Telefon Instant Messenger Internettelefonie andere Communities Gesamtmittelwert*
2,45 1,60 2,32 1,47 1,68 2,56 3,90
Kommilitonen am Studienort 3,44 2,34 2,54 2,38 2,58 3,37 4,49
4,51 2,64
enge Freunde
2,28 3,48 3,11 3,65 3,79 3,48 4,51
2,77 3,72 3,58 4,07 4,13 3,83 4,70
3,44 4,33 4,32 4,44 4,53 4,27 4,81
Gesamtmittelwert** 2,72 3,08 3,18 3,19 3,35 3,51 3,61
4,75
4,66
4,68
4,82
4,70
3,21
3,70
4,01
4,46
frühere Freunde
flüchtige Bekannte
neue Kontakte
Fünfstufige Skala (1=„sehr häufig“, 5=„nie“). Addierte Anteile für die Antworten „sehr häufig“ und „häufig“. Sortierung nach Gesamtmittelwert.en. * Durchschnittliche Nutzung aller Kommunikationskanäle durch den jeweiligen Freundschaftstyp. ** Durchschnittliche Nutzung eines Kommunikationskanals für alle Freundschaftstypen.
Von dieser Regel gibt es zwei Ausnahmen: Während die anderen Communities aufgrund der verschwindend geringen Nutzung vernachlässigt werden können, fällt die Abweichung hinsichtlich der Nutzung des StudiVZ ins Auge. Obwohl insgesamt die Kontakthäufigkeit zu früheren Freunden niedriger ist als jene zu engen Freunden und Kommilitonen am Studienort, übersteigt die Nutzung des StudiVZ für den Kontakt mit früheren Freunden jene der beiden anderen Typen von Freunden. Dieses Ergebnis erscheint plausibel, da das Internet und besonders soziale Netzwerke wie das StudiVZ ein Wiederfinden „alter Freunde“ vereinfachen. Bestätigt wird dieser Befund durch die Auswirkungen der Online-Plattform auf die Intensität des Kontakts: 57% der Befragten geben an, seit der Nutzung des StudiVZ einen intensiveren Kontakt mit früheren Freunden zu pflegen (vgl. den
148
Birte Blömers/Stefanie Letschert
Aufsatz „Freundschaftspflege statt Kontaktsuche“ in diesem Band). Die Bedeutung des StudiVZ scheint bei diesem Typ von Freunden am größten zu sein. Zwar wird das StudiVZ auch im Kontakt mit engen Freunden häufig, teils sogar häufiger verwendet; hier stellt es aber nur einen Kanal unter vielen dar. Im Kontakt mit dem weiten Freundeskreis – insbesondere in der Kommunikation mit früheren Freunden und flüchtigen Bekannten – nimmt es eine zentrale Stellung ein. Der Einfluss des StudiVZ auf die Verwendung anderer Kommunikationskanäle Welchen Einfluss hat das StudiVZ auf die Nutzung der anderen Kommunikationskanäle? Die Zusammenhänge, die hier zu finden sind, sind in der Regel hoch signifikant (p<0,001). Aus diesem Grund werden nur in abweichenden Fällen Hinweise auf die (geringere oder fehlende) Signifikanz gegeben. Betrachtet man die Nutzung des StudiVZ innerhalb der einzelnen Freundschaftstypen im Vergleich mit der Verwendungshäufigkeit aller anderen Kommunikationskanäle mit dem jeweiligen Freundschaftstyp (vgl. Tab. 6), fällt auf, dass keine signifikanten Korrelationen auftreten, die einen negativen Zusammenhang zwischen der Nutzung des StudiVZ und der Nutzung eines anderen Kommunikationsweges innerhalb eines Freundschaftstyps beschreiben würden. Vielmehr sind hohe positive Korrelationen feststellbar, die vermuten lassen, dass sich das StudiVZ in den Kommunikationsalltag der Nutzer einfügt. Ein solches Bild ergibt sich bereits beim Vergleich der kumulierten Verteilungen hinsichtlich sämtlicher Freundschaftstypen. Es zeigt sich: Je häufiger das StudiVZ verwendet wird, umso häufiger kommen auch die anderen Kontaktwege zum Einsatz. Dies legt die Vermutung nahe, dass diejenigen Nutzer, die generell häufig mit einem bestimmten Typ von Freunden in Verbindung treten, dies über alle Kanäle vergleichsweise häufig tun (und umgekehrt). Zusammenhänge zeigen sich insbesondere zwischen der Nutzung des StudiVZ und der Kontaktwege SMS, E-Mail und Instant Messenger. Diese lassen sich für alle drei Kommunikationskanäle vor allem für Kontakte mit neuen und flüchtigen Bekannten feststellen. So ergeben sich besser erkennbare Korrelationen zwischen der Häufigkeit der StudiVZ-Nutzung im Kontakt mit flüchtigen Bekannten und der Kommunikationshäufigkeit via SMS (Spearman‘s r=0,35), E-Mail (Spearman‘s r=0,38) und Instant Messenger (Spearman‘s r=0,33). Insgesamt am höchsten fallen die Zusammenhänge zwischen der StudiVZ-Nutzung und der Verwendung aller anderen Kommunikationskanäle im Kontakt mit neuen Bekannten aus.10 Hier gilt: 10 Detailliert ergeben sich die folgenden Korrelationswerte für den Zusammenhang zwischen der StudiVZ-Nutzung und der Verwendung folgender Kommunikationskanäle: (Mobil-)Telefon:
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
149
Das Kontaktverhalten gegenüber neuen Bekanntschaften wird gewissermaßen vom StudiVZ auf andere Kanäle übertragen. Wer generell selten oder häufig mit neuen Kontakten in Verbindung tritt, tut dies in gleicher Weise über alle verwendeten Kanäle ähnlich oft wie im StudiVZ. Recht deutliche Zusammenhänge ergeben sich außerdem zwischen der StudiVZ-Nutzung und dem SMS-Versand an Kommilitonen (Spearman‘s r=0,37) sowie dem E-Mail-Kontakt mit früheren Freunden (Spearman‘s r=0,37). Tab. 6:
Zusammenhang zwischen der Nutzung des StudiVZ und anderer Kommunikationskanäle beim Kontakt mit Freundschaftstypen (Spearman‘s r, n=1.519) Freundschaftstyp
Kommunikationskanal SMS E-Mail persönliche Treffen (Mobil-)Telefon Instant Messenger Internettelefonie andere Communities
enge Freunde 0,19 0,13 -0,02 0,21+ 0,93 -0,36+ 0,07**
Kommilitonen am Studienort 0,37 0,27 0,27 0,25 0,25 0,09** 0,09
frühere Freunde
flüchtige Bekannte
0,26 0,37 0,26 0,20 0,25 0,12 0,07*
0,35 0,38 0,30 0,25 0,33 0,11 0,09**
neue Kontakte 0,57 0,59 0,51 0,48 0,58 0,30 0,20
+
nicht-signifikant, *p<0,05, **p<0,01. Alle anderen Korrelationen sind hoch signifikant (p<0,001).
Insgesamt lassen sich keine stark negativen Zusammenhänge mit der StudiVZNutzung beobachten. Dies gilt auch für den Kontaktweg „persönliche Treffen“. Die oftmals geäußerte Sorge, das Internet könnte das als besonders wertvoll eingeschätzte Gespräch von Angesicht zu Angesicht ersetzen, ist nicht begründet. Ein negativer Zusammenhang mit der Nutzungshäufigkeit dieses Kontaktweges lässt sich bei sämtlichen Freundschaftstypen verneinen. Insbesondere der Kontakt zu neuen und flüchtigen Bekanntschaften steht in hohem positiven Zusammenhang mit der StudiVZ-Nutzung (Spearman‘s r=0,51 bzw. Spearman‘s r=0,30). Ein ähnliches Bild ergibt sich, setzt man die allgemeine Nutzungshäufigkeit in Beziehung zur Verwendung der anderen Kommunikationskanäle. Auch hier sind die Zusammenhänge fast durchweg positiv, liegen allerdings unter den bereits genannten Werten. Lediglich hinsichtlich der Verwendung von E-Mails ergeben sich leicht ne-
Spearman‘s r =0,480; SMS: Spearman‘s r =0,566; Instant Messanger: Spearman‘s r =0,578; Internettelefonie: Spearman‘s r =0,301; E-Mail: Spearman‘s r =0,588; andere Communities: Spearman‘s r =0,201; persönliche Treffen: Spearman‘s r =0,513.
150
Birte Blömers/Stefanie Letschert
gative Zusammenhänge.11 Diese fallen jedoch verschwindend gering aus. Positive Zusammenhänge lassen sich hingegen zwischen der Nutzungshäufigkeit des StudiVZ und des Instant Messengers im Kontakt mit allen Freundschaftstypen feststellen.12 Unklar bleibt jedoch, ob hier von einem direkten Einfluss des StudiVZ ausgegangen werden kann oder ob sich diese Zusammenhänge durch eventuelle Drittvariablen erklären lassen. Denkbar ist beispielsweise, dass sich die häufige Nutzung zweier Kommunikationswege auf eine ohnehin hohe Frequentierung des Internets durch einen Nutzer zurückführen lässt. Verwendung anderer Kommunikationskanäle seit Nutzung des StudiVZ
Um direkte Auswirkungen des StudiVZ auf die Verwendung anderer Kommunikationskanäle zu ermitteln, sollten die Nutzer auch einschätzen, ob sie seit Beginn ihrer StudiVZ-Nutzung die Kontaktwege (Mobil-)Telefon, SMS, Instant Messenger, Internettelefonie, E-Mail und andere Communities „weniger“, „gleich viel“ oder „mehr“ verwenden. Aufgrund der bisherigen Forschung zum Medienwandel lassen sich folgende drei Effekte unterscheiden, die ein neues Medium bei den bereits etablierten haben kann: Verdrängung, Neutralität und Stimulation (vgl. Neuberger 2003: 36-40). Inwieweit solche Effekte auch in der Beziehung des StudiVZ zu anderen Kommunikationskanälen feststellbar sind, soll im Folgenden diskutiert werden. Auf den ersten Blick scheint das StudiVZ keine gravierenden Auswirkungen auf die Nutzung anderer Kanäle zu haben. Von jeweils mehr als der Hälfte aller Befragten werden seit der Nutzung des StudiVZ die bereits vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten unverändert („etwa gleich viel“) genutzt. Allen voran können die Telefonangebote ([Mobil-]Telefon: 87%, Internettelefonie: 74%) ihre Stellung im Kommunikationsrepertoire der Nutzer behaupten (vgl. Tab. 7).
11 Negative Zusammenhänge lassen sich bei den folgenden Freundschaftstypen feststellen: enge Freunde (Spearman‘s r=-0,13), frühere Freunde (Spearman‘s r=-0,07, p<0,01), flüchtige Bekannte (Spearman‘s r=-0,07, nicht-signifikant), Kommilitonen (Spearman‘s r=-0,05, nicht-signifikant). 12 So ergeben sich folgende Werte für den Kontakt mit engen Freunden (Spearman‘s r =0,236), neuen Kontakten (Spearman‘s r=0,196), Kommilitonen (Spearman‘s r=0,199), früheren Freunden (Spearman’s r=0,193) und flüchtigen Bekannten (Spearman‘s r=0,204).
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
Tab. 7:
151
Veränderung der Nutzung anderer Kommunikationskanäle seit der Verwendung des StudiVZ (Angaben in %, n=1.519) mehr
E-Mail
9,0
weniger 36,2
etwa gleich viel 54,8
andere Communities (MySpace, Friendster, Xing etc.)
1,8
30,3
67,9
Instant Messenger (ICQ, MSN etc.)
11,4
17,4
71,2
SMS
4,7
24,2
71,1
Internettelefonie (Skype etc.)
2,2
23,6
74,1
(Mobil-)Telefon
3,7
9,4
86,9
Dreistufige Skala.
Doch auch wenn die Mehrheit der Befragten eine unveränderte Nutzung angibt, ist der Anteil derer, die eine Mehr- oder Weniger-Nutzung bejahen, nicht zu unterschätzen. Addiert man die Mehr- und Weniger-Nutzung, so stellt in Bezug auf fast jeden abgefragten Kommunikationsweg mehr als ein Viertel der Befragten eine Veränderung im eigenen Kommunikationsverhalten fest.13 Generell sind es vorrangig die internetbasierten Kommunikationswege, die die größten Veränderungen aufweisen: 45% der Befragten geben an, E-Mails aufgrund der StudiVZ-Nutzung „mehr“ oder „weniger“ häufig zu verwenden. Bei knapp einem Drittel (32%) der Befragten zeigt sich eine veränderte Nutzung anderer Communities; und auch die Kommunikationswege Instant Messenger (29%), SMS (27%)14 und Internettelefonie (26%) sehen mehr als ein Viertel der Befragten beeinflusst. Betrachtet man die Richtung der Veränderung, dann lässt sich feststellen, dass für ausnahmslos jedes Medium der Anteil der Weniger-Nutzer den der MehrNutzer übersteigt. So gibt mehr als ein Drittel (36%) an, seit Nutzung des StudiVZ weniger E-Mail-Verkehr zu pflegen, und immerhin 30% der Befragten kommunizieren weniger über andere Communities. Auch die Kommunikation per SMS und Internettelefonie (beide 24%) ist aufgrund der Verwendung des StudiVZ reduziert. Doch nicht nur Substitutionsvorgänge, sondern auch schwache Stimulationsprozesse lassen sich beobachten: Während die Nutzung „anderer Communities“ beinahe ausschließlich abnimmt (30% gegenüber 2% Mehr-Nutzung), geben immerhin 9% der Befragten an, E-Mails häufiger zu verwenden. Im Vergleich zur Zahl der 13 Einzig bei der Verwendung des (Mobil-)Telefons geben nur 13% der Befragten eine veränderte Nutzung an. 14 Hier lässt sich nur vermuten, dass einige Nutzer aus Kostengründen anstelle des Mobiltelefons das StudiVZ für kurze Nachrichten nutzen, wenn auf eine schnelle Reaktion verzichtet werden kann.
152
Birte Blömers/Stefanie Letschert
Weniger-Nutzer (36%) fällt dieser stimulierende Einfluss jedoch ebenfalls nur gering aus. Ähnlich stellt sich das Verhältnis bei der Verwendung von SMS dar. Zwar geben 24% der Befragten an, seltener auf diesen Dienst zurückzugreifen, 5% nutzen ihn aber auch häufiger. Trotz einiger Ausnahmen sind die Angaben zur MehrNutzung anderer Kommunikationskanäle insgesamt gesehen aber so gering, dass als Nettoeffekt von einer leichten Verdrängung ausgegangen werden muss. Einzig die Kommunikation via Instant Messenger weicht deutlich von dieser Tendenz ab. Hier übersteigt der Anteil der Mehr-Nutzer den anderer Kanäle: 11% geben an, diesen Dienst häufiger zu verwenden, während 17% seltener darauf zurückgreifen. Damit fällt der stimulierende Einfluss des StudiVZ hier am größten aus. Wodurch die beschriebenen Veränderungen ausgelöst werden, konnte in der Studie nicht ermittelt werden, doch lassen sich vor allem zwei Ursachen vermuten: Zum einen ist vorstellbar, dass alleine der zeitliche Umfang der StudiVZ-Nutzung andere Kommunikationsaktivitäten reduziert. Zum anderen wäre weiter zu analysieren, inwieweit das StudiVZ Funktionen der anderen Kommuni-kationskanäle übernimmt. Nicht aus dem Blick geraten sollte der positive Einfluss, den das StudiVZ auf die Nutzung einiger Kommunikationswege ausübt. Auch für diese Stimulation müsste eine Erklärung gefunden werden.15 Einfluss des StudiVZ in zeitlicher Hinsicht
Um den Einfluss des StudiVZ auf die veränderte Nutzung anderer Kontaktwege differenziert betrachten zu können, wird im Folgenden der Zusammenhang mit der generellen Nutzungsdauer, der spezifischen Kontakthäufigkeit mit unterschied-lichen Freundschaftstypen und der Verweildauer pro Login geprüft. Nutzungshäufigkeit
Der Vergleich der Nutzungshäufigkeit des StudiVZ mit der veränderten Nutzung anderer Kommunikationskanäle deutet auf eine partielle Verdrängung hin. Für fast alle Kommunikationskanäle gilt tendenziell: Je häufiger das StudiVZ im Alltag genutzt wird, desto weniger wird der jeweils andere Kanal verwendet. Hier zeigt sich ein leichter Trend zur Verdrängung durch die StudiVZ-Nutzung. Unterschiede ergeben sich lediglich bei der Stärke des negativen Zusammenhangs. Hier sind die Korrelationen bei der Verwendung von E-Mail und (Mobil-)Telefon
15 Ein solcher Einfluss könnte zum einen durch eine stärkere „Bindung“ ans Internet, zum anderen durch eine Kontaktintensivierung bewirkt werden, die eine erhöhte Kanalverwendung begünstigt.
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
153
(Spearman‘s r=-0,14 bzw. Spearman‘s r=0,86, p<0,01) sowie von Internettelefonie und SMS (Spearman‘s r=-0,12 bzw. Spearman‘s r=-0,13) nahezu gleich groß. Lediglich die Nutzung anderer Communities weist im direkten Vergleich mit der Nutzungshäufigkeit des StudiVZ einen geringfügig höheren negativen Zusammenhang auf (Spearman‘s r=-0,17) (vgl. Tab. 8).16 Aufgrund dieses Zusammenhangs lässt sich vermuten, dass die Studierendenplattform die größten Verdrängungseffekte gegenüber der Nutzung anderer Communities bewirkt. Generell zeigt sich, dass die häufigere Verwendung des StudiVZ zur Weniger-Nutzung der anderen Kommunikationskanäle führt. Es stellt sich heraus, dass vor allem diejenigen Nutzer, die das StudiVZ mehr als einmal die Woche verwenden, angeben, seither weniger über andere Kanäle zu kommunizieren. Tab. 8:
Veränderte Nutzung des Kommunikationskanals „andere Communities (MySpace, Friendster, Xing etc.)“ seit der Verwendung des StudiVZ in Abhängigkeit von der Nutzungshäufigkeit des StudiVZ (Angaben in %)
Weil ich das StudiVZ nutze, verwende ich andere Communities … mehr etwa gleich viel weniger
Nutzungshäufigkeit des StudiVZ mehrmals täglich (n=508) 2,2 59,4 38,4
täglich (n=435) 1,8 64,4 33,8
wöchentlich (n=115) 3,5 80,9 15,7
gesamt (n=1.519) 1,8 67,9 30,3
Dreistufige Skala. Spearman‘s r=-0,17, nicht-signifikant.
Bezogen auf die Nutzung anderer Communities ergibt sich, dass von den Befragten, die angeben, das StudiVZ mehrmals täglich zu verwenden, 38% seither seltener andere Plattformen nutzen. Bei jenen, die auf das StudiVZ nur wöchentlich zugreifen, fällt dieser Anteil mit 16% wesentlich geringer aus. Hier wird ein Zusammenhang zwischen der Mehr-Nutzung des StudiVZ und der Weniger-Nutzung anderer Communities deutlich. Vergleicht man den Anteil derer, die Communities unverändert häufig nutzen, so zeigt sich der gleiche Zusammenhang in umgekehrter Richtung: Eine unveränderte Nutzung geben 81% der Befragten an, die nur wöchentlich auf das StudiVZ zugreifen; bei den „mehrmals täglich“-Nutzern liegt dieser Wert mit 59% weitaus niedriger. Alles in allem verdeutlichen diese relativen Häufigkeiten aber auch noch einmal, den nur schwachen Charakter dieser Einflüsse. Das kommt vor allem in den nur niedrigen Korrelationen zum Ausdruck 16 Unter diesem Gesichtspunkt sind die niedrigen Häufigkeiten, die der Verwendung anderer Communities innerhalb der generellen Kanalnutzung zukommen, erneut zu bedenken.
154
Birte Blömers/Stefanie Letschert
und lässt sich darauf zurückführen, dass die Mehrzahl der Nutzer eine unveränderte Kanalnutzung angibt. Ein ähnliches Bild erhält man, wenn man den Einfluss des StudiVZ differenziert nach unterschiedlichen Freundesgruppen betrachtet. Bedenkt man die teils deutlichen Unterschiede, die sich bei der Kanalverwendung im Kontakt mit unterschiedlichen Typen von Freunden feststellen ließen, ergibt sich die Frage, ob sich solche Besonderheiten auch im Einfluss auf Veränderungen in der Kanalnutzung manifestieren. Der Einfluss der StudiVZ-Nutzung auf die veränderte Verwendung anderer Kommunikationskanäle beschränkt sich fast ausschließlich auf den Kontakt mit engen Freunden und Kommilitonen am Studienort. Schwache negative Zusammenhänge ergeben sich in Abhängigkeit zur StudiVZKommunikation mit engen Freunden hinsichtlich der Verwendung von (Mobil-) Telefon (Spearman‘s r=-0,12), Internettelefonie (Spearman‘s r=-0,21) und SMS (Spearman‘s r=-0,17). Letztere wird ebenfalls durch die Häufigkeit des StudiVZKontakts zu Kommilitonen am Studienort leicht negativ beeinflusst (Spearman‘s r=0,14). Ebenfalls leicht negativen Einfluss nimmt das StudiVZ auf die Kommunikation in anderen Communities bei drei Freundschaftstypen; bei engen Freunden (Spearman‘s r=-0,21), früheren Freunden (Spearman‘s r=-0,14) und Kommilitonen am Studienort (Spearman‘s r=-0,14). Dass die Zusammenhänge in Bezug auf enge Freunde und Kommilitonen am Studienort vergleichsweise hoch ausfallen, erklärt sich durch die generell recht hohe Kontakthäufigkeit. Im Umkehrschluss fällt aber auf, dass – obwohl das StudiVZ im Kontakt mit diesen Typen von Freunden am häufigsten genutzt wird – beim Kontakt mit wieder gefundenen Freunden lediglich hinsichtlich der Verwendung anderer Communities ein signifikanter Zusammenhang auftritt. Negative Einflüsse waren aufgrund der Item-Formulierung „frühere Freunde, die über das StudiVZ wieder gefunden wurden“ auch nicht erwartbar, weil damit eine vorhergehende Kommunikation über andere Kanäle praktisch ausgeschlossen war. Der Mangel an positiven Zusammenhängen gibt Anlass zu der Annahme, dass hier keine – oder nur wenige – Kanalwechsel stattfinden. Die bereits beobachtete Sonderstellung dieses Freundschaftstyps wird hier noch einmal deutlich: Das StudiVZ spielt in der Kommunikation mit früheren Freunden auch insofern eine besondere Rolle, als nach dem Wiederfinden des Kontaktes die weitere Kommunikation hauptsächlich im sozialen Netzwerk stattfindet. Leicht positive Zusammenhänge lassen sich einzig zwischen der Kontaktaufnahme über das StudiVZ und der Verwendung des Kanals Instant Messenger fest-
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
155
stellen. Hier zeigt sich, dass die häufigere Verwendung des StudiVZ im Austausch mit neuen Kontakten mit der Mehr-Nutzung des Instant Messengers (Spearman‘s r=0,12) einhergeht. Dies bestätigt den bereits festgestellten positiven Einfluss des StudiVZ auf diesen Kontaktweg.17 Eine Erklärung für die besondere Rolle des Instant Messengers könnten die StudiVZ-Profile geben. Hier besteht die Möglichkeit, neben Kontaktdaten wie Postanschrift und Telefonnummer auch E-Mail-Adresse, Skype-Name und ICQ-Nummer publik zu machen. Diese Hinweise könnten die Nutzung dieser Kommunikationswege anregen. Allerdings lassen sich nennenswerte positive Veränderungen der Kontakthäufigkeit nur bei den Kontaktwegen EMail und Instant Messenger beobachten, nicht aber in Bezug auf Internettelefonie. Erklären lässt sich dies möglicherweise über den Grad der „Persönlichkeit“ des jeweiligen Kanals.18 Es scheint schlüssig, dass die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme via Internettelefonie höher ist als in Bezug auf schriftliche Kommunikationskanäle wie ICQ und E-Mail. Textmitteilungen eignen sich besonders für die Kommunikation mit Personen des weiten Freundeskreises.19 Nutzungsdauer
Während die Ermittlung der Nutzungshäufigkeit vorrangig die Etablierung des StudiVZ im Alltag erkennen lässt, beleuchtet die durchschnittliche Verweildauer pro Login die Zeit, die zur Nutzung des StudiVZ aufgewendet wird. Geht man von einem festen Zeitbudget der Mediennutzer aus, so lässt sich vermuten, dass eine gesteigerte Nutzung des StudiVZ zu einer Weniger-Nutzung anderer Kanäle führt. So verwundert es nicht, dass sich auch zwischen der Nutzungsdauer und der veränderten Nutzung anderer Kommunikationskanäle signifikante Zusammenhänge feststellen lassen: Schwache Einflüsse zeigen sich hier bei der Verwendung des (Mobil-)Telefons (Spearman‘s r=-0,09), der Internettelefonie (Spearman‘s r=-0,12) und – erneut – bei der Nutzung anderer Communities (Spearman‘s r=-0,11). Auch 17 Zudem zeigt sich hier ein möglicher Erklärungsansatz für die bei diesem Kommunikationskanal sehr stark ausgeprägte Gleichzeitigkeit von Angaben zur „Mehr“- und „Weniger“-Nutzung. So ergeben sich bei den Korrelationen der StudiVZ-Nutzung im Kontakt mit unterschiedlichen Freundschaftstypen und der veränderten Nutzung des Instant Messengers – je nach Typ – sowohl negative als auch positive Zusammenhänge. 18 So wurde nach der Verwendung von Skype als Kontaktmittel zur Internettelefonie und nicht als Messenger gefragt. 19 Dass der Anteil der Mehr-Nutzer von E-Mails im Vergleich mit dem des Instant Messengers geringer ausfällt, lässt sich möglicherweise durch die größere Ähnlichkeit mit dem StudiVZ erklären. Einen synchronen schriftlichen Nachrichtenverkehr bot die Nutzerplattform zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht. Mittlerweile haben die Betreiber der Plattform mit der „Plauderkasten“-Funktion eine ähnliche Einrichtung geschaffen.
156
Birte Blömers/Stefanie Letschert
hier verlaufen die Zusammenhänge ausschließlich in eine Richtung: Je länger das StudiVZ pro Login genutzt wird, desto höher ist der Anteil derer, die angeben, die jeweils andere Kommunikationsmöglichkeit weniger häufig zu verwenden. Von der Nutzungsdauer beeinflusst wird besonders der Kanal mit der geringsten strukturellen Ähnlichkeit gegenüber dem StudiVZ: das (Mobil-)Telefon. Der Einfluss der Studierenden-Plattform ergibt sich hier wohl aus der generellen Beanspruchung von Nutzerzeit, welche die Verwendung dieses Kanals einschränkt. Auch bei den „persönlicheren“ Kommunikationsformen lassen sich also leichte negative Einflüsse durch die Hinwendung zum StudiVZ feststellen. Diese beschränken sich allerdings auf die Nutzungsdauer.20 Interessant erscheint weiter, dass trotz der auf den ersten Blick so offensichtlichen Veränderung der Kommunikation via E-Mail hinsichtlich der zeitlichen Verwendung des StudiVZ keine hohen Zusammenhänge feststellbar sind. Die Datenlage lässt deshalb vermuten, dass der negative Einfluss des StudiVZ auf die Verwendung anderer Kommunikationskanäle nicht alleine auf zeitliche Aspekte zurückzuführen ist. Ohne an dieser Stelle die Gratifikation beider Kommunikationskanäle näher beleuchten zu können, erscheint es nichtsdestotrotz plausibel, dass die zentrale Funktion der E-Mail im Verfassen von Nachrichten besteht, die zwar (nahezu) synchron übermittelt, nicht aber zwingend zeitnah gelesen werden müssen. Eine ebensolche „Nachrichten“-Funktion bietet auch das StudiVZ. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, via „Pinnwandeinträgen“ verschriftlichte Kurznachrichten zu übermitteln. Wie bereits beschrieben, kommt beiden Funktionen (sowohl im Kanon anderer Funktionen als auch im Hinblick auf die Nutzungshäufigkeit) eine herausragende Bedeutung zu.21 Es lässt sich also mit einiger Berechtigung vermuten, dass das StudiVZ – zumindest in Teilen – die Aufgabe der E-Mail übernimmt und deren Weniger-Nutzung bewirkt. Im Zuge der Diskussion um die Faktoren, die für einen Einfluss des StudiVZ auf die Verwendung anderer Kommunikationskanäle „verantwortlich“ sind, gilt es deshalb, neben dem zeitlichen auch den funktionalen Aspekt zu beleuchten. 20 Zudem bleibt zu betonen, dass hier nur der Zusammenhang als solcher beschrieben wird. Da hier insbesondere solche Kommunikationskanäle betroffen sind, die generell die geringsten ([Mobil-]Telefon: 13%, Internettelefonie: 26%) Veränderungen aufweisen, können drastische Auswirkungen verneint werden. 21 So nutzen 73% der Befragten sehr häufig oder vergleichsweise häufig (kumulierte Ausprägungen von 1 [„häufig“] und 2, fünfstufige Skala) die Funktion „Nachrichten schreiben/lesen“, in Bezug auf „Pinnwandeinträge schreiben/lesen“ sind es immerhin noch 54%. Damit belegen die beiden Funktionen im Vergleich mit anderen Nutzungsmöglichkeiten die Rangplätze 1 und 3 (vgl. den Aufsatz „Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ“ in diesem Band).
Flüchtige Bekannte, Freunde in der Ferne
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Einfluss des StudiVZ in funktionaler Hinsicht
Generell scheint es vorstellbar, dass die Weniger-Nutzung anderer Kommunikationskanäle dadurch hervorgerufen wird, dass zur Erfüllung bestimmter Funktionen nunmehr das StudiVZ zum Einsatz kommt, weil es anderen Kanälen überlegen erscheint.22 Im Folgenden wird geprüft, welcher Zusammenhang zwischen der Nutzungshäufigkeit einzelner StudiVZ-Funktionen und der anderer Kanäle besteht. Die feststellbaren Zusammenhänge beschreiben ausnahmslos Verdrängungstendenzen für die Nutzung anderer Kommunikationswege. Aufgrund der bereits getroffenen Vermutungen verwundert es nicht, dass diese die StudiVZ-Funktionen „Pinnwand schreiben/lesen“ sowie „Nachrichten schreiben/lesen“ betreffen. Sie fallen bei der Funktion „Pinnwand schreiben/lesen“ allerdings wesentlich geringer aus als bei der Funktion „Nachrichten schreiben/lesen“. Tab. 9:
Veränderte Nutzung des Kommunikationskanals „andere Communities“ seit der Verwendung des StudiVZ in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Funktionsnutzung „Pinnwand schreiben/lesen“ (Angaben in %, n=1.519)
Weil ich das StudiVZ nutze, verwende ich andere Communities … zum Nachrichten schreiben/lesen mehr etwa gleich viel weniger
täglich (n=216) 4,2 51,4 44,4
Pinnwandeinträge schreiben/lesen mindesmindestens tens seltener noch nie wöchentmonat(n=251) (n=33) lich lich (n=598) (n=421) 1,5 1,0 1,6 3,0 64,4 76,2 75,3 78,8 34,1 22,8 23,1 18,2
gesamt (n= 1.519) 1,8 67,9 30,3
Spearman‘s r=-0,15, p<0,001.
Geringfügige negative Einflüsse ergeben sich hier für den Kommunikationskanal „andere Communities“ (Spearman‘s r=-0,15) (vgl. Tab. 9). Aber auch die Verwendung von E-Mail (Spearman‘s r=-0,12) und SMS (Spearman‘s r=-0,10) steht in leicht negativem Zusammenhang zur Funktion „Pinnwand schreiben/lesen“. Vereinfacht gesprochen zeigt sich: Je häufiger Pinnwandeinträge verfasst oder gelesen werden, desto seltener werden andere Communities, SMS und/oder E-Mail verwendet. So geben von den Nutzern, die täglich Pinnwandeinträge schreiben oder
22 Hier müsste das Gratifikationsprofil der einzelnen Kommunikationskanäle der lebensweltlichen Laienkommunikation ermittelt werden. Zu den erwarteten Gratifikationen gehören auch die hier genauer untersuchten Aspekte Kontaktsuche und -pflege. Der „Uses-and-Gratifications“-Ansatz ist in der Auseinandersetzung mit Massenmedien entwickelt worden (vgl. Blumler/Katz 1974), lässt sich aber auf andere Kommunikationstypen übertragen.
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lesen, 44% an, weniger häufig andere Communities zu besuchen; von denjenigen, die nur mindestens monatlich auf diese Funktion zugreifen, stellen das nur etwa 23% der Nutzer fest. Eine solche teilweise Funktionsübernahme erscheint aufgrund der ähnlichen Angebotsstruktur verschiedener Communities relativ offensichtlich.23 Hinsichtlich der Weniger-Nutzung von E-Mails und SMS besteht die Ähnlichkeit darin, dass es hier jeweils um den Austausch von schriftlichen Mitteilungen zumeist in privater „OneTo-One“-Kommunikation geht. Der generell feststellbare negative Einfluss des StudiVZ auf die Verwendung von E-Mails ist vermutlich auf die hohe Bedeutung zurückführen, die der Übermittlung von Nachrichten innerhalb der StudiVZ-Nutzung zukommt.24 Ein solcher Zusammenhang deutet sich bezüglich der PinnwandNutzung bereits an, lässt sich aber für die Funktion „Nachrichten schreiben/lesen“ noch wesentlich stärker feststellen: Die Häufigkeit der Verwendung dieser „wichtigsten“ StudiVZ-Funktion beeinflusst neben den Kanälen SMS (Spearman‘s r=0,14) und E-Mail (Spearman‘s r=-0,15) auch die Nutzung anderer Communities (Spearman‘s r=-0,18) und der Internettelefonie (Spearman‘s r=-0,15) geringfügig negativ.25 Die Funktionen des StudiVZ scheinen damit insbesondere eine Konkurrenz zu solchen Kommunikationskanälen darzustellen, die der schriftlichen und mündlichen Individualkommunikation dienen, die privat stattfindet. Wie gravierend dieser Einfluss sein kann, zeigen besonders die Daten zur veränderten Nutzung der E-Mail. Insgesamt geben immerhin 36% der Nutzer an, seit der Verwendung des StudiVZ weniger E-Mail-Verkehr zu pflegen (vgl. Tab. 10).
23 Auch Nutzerplattformen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Angebots, der Nutzeroberfläche und Zielgruppe z. T. stark. Dennoch dürfte hier generell im Vergleich mit den anderen Kommunikationskanälen die größte Ähnlichkeit mit dem StudiVZ bestehen. Sie verfügen in der Regel auch über eine der Pinnwand vergleichbare Funktion. 24 In der Rangreihe der wichtigsten Funktionen belegt sie den ersten Platz (vgl. den Aufsatz „Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ“ in diesem Band). 25 Und auch die Nutzung der Kontaktwege (Mobil)-Telefon und Instant Messenger weist schwache negative Korrelationen auf. Dass die Nutzungshäufigkeit der Option „Nachrichten schreiben/lesen“ damit negativen Einfluss auf die Verwendung sämtlicher anderer Kommunikationswege hat, erscheint in Anbetracht der Wichtigkeit dieser Funktion im Alltag der StudiVZ-Nutzer kausal schlüssig.
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Tab. 10: Veränderte Nutzung des Kommunikationskanals „E-Mail“ seit Verwendung des StudiVZ in Abhängigkeit zur Häufigkeit der Funktionsnutzung „Nachrichten schreiben/lesen“ (Angaben in %) Weil ich das StudiVZ nutze, verwende ich E-Mail … zum Nachrichten schreiben/lesen mehr etwa gleich viel weniger
täglich (n=259) 10,0 40,9 49,0
mindestens wöchentlich (n=848) 9,4 51,9 38,7
Nachrichten schreiben/lesen mindestens seltener noch nie monat(n=60) (n=3) lich (n=349) 8,0 5,0 0 66,2 86,7 100,0 25,8 8,3 0
gesamt (n= 1.519) 9,0 54,8 36,2
Spearman‘s r=-0,15, p<0,001.
Diejenigen Nutzer, die täglich Nachrichten über das StudiVZ verfassen oder lesen, übertreffen bei diesem Anteil sogar diejenigen, welche eine unveränderte Nutzung angeben (49% zu 41%). Deutliche Unterschiede zeigen sich zu den Befragten, die die StudiVZ-Funktion seltener als einmal monatlich nutzen: Hier greifen nur 8% weniger häufig auf E-Mails zurück. Im Gegenzug verwenden solche Mitglieder, die diese Funktion seltener als monatlich nutzen, E-Mails zu 87% gleichbleibend . Bei jenen 10%, die sowohl häufig („täglich“) Nachrichten als auch mehr E-Mails schreiben/lesen, trifft die „The more, the more“-Tendenz zu. Ein möglicher Grund wurde bereits in Bezug auf die stimulierende Wirkung des StudiVZ auf die Nutzung des Instant Messengers diskutiert. Zum einen lässt sich eine Stimulation durch die Bereitstellung von Kontaktdaten, zum anderen durch eine generelle Bindung der Nutzer ans Internet vermuten.26 Darüber hinaus kann auch vermutet werden, dass die durch das StudiVZ bewirkte generelle Kontaktintensivierung (vgl. den Aufsatz „Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ“ in diesem Band) ebenfalls zu einer Steigerung des Kontakts über andere Kanäle führt. Fazit Alles in allem zeigen sich sowohl in zeitlicher als auch in funktionaler Hinsicht Zusammenhänge zwischen der Nutzung des StudiVZ und der Verwendung anderer Kommunikationskanäle im Alltag der Nutzer. Die auffälligsten Nutzungsveränderungen werden bei Kanälen sichtbar, welche die größte Ähnlichkeit mit dem StudiVZ aufweisen: Entweder der Ort der Kontaktaufnahme (Internet) und/oder
26 Beide Aspekte konnten im Rahmen dieser Studie nicht näher untersucht werden, bieten aber mögliche Ansatzpunkte für nachfolgende Untersuchungen.
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die Kontaktform (schriftlich, asynchron) entspricht den Modalitäten im StudiVZ. Es zeigt sich eine Abstufung hinsichtlich des „Persönlichkeitsgrads“ der Kontaktkanäle. Die eingangs vorgenommene Klassifizierung verdeutlicht, dass insbesondere solche Kanäle einer veränderten Nutzung unterliegen, die als eher unpersönlich einzuschätzen sind. Wenig Konkurrenz besteht bei Kontaktwegen, die wenig Ähnlichkeit mit dem StudiVZ besitzen. Dies gilt insbesondere für persönliche Kanäle wie das Telefon, über das mündlich und synchron kommuniziert wird.27 Daraus ergibt sich die Vermutung, dass die feststellbaren Verdrängungstendenzen auf einzelne Funktionen des StudiVZ zurückzuführen sind. Negative Einflüsse der StudiVZ-Nutzung zeigen sich z. B. auf die Kommunikation via E-Mail und auch SMS in Abhängigkeit von der Wichtigkeit der Funktion „Nachrichten schreiben/lesen“. Es versteht sich von selbst, dass davon nur der Kontakt zu StudiVZMitgliedern betroffen ist, nicht aber gegenüber sämtlichen Kontaktpartnern. Aus diesem Grund und auch deshalb, weil die Mitgliederzahl des StudiVZ zwar stetig, aber nicht ins Unermessliche wachsen wird, erscheinen Diskussionen um eine Verdrängung „höherwertiger“ Kommunikationskanäle, besonders der persönlichen Begegnung, unangebracht. Die beobachteten Einflüsse sind in Bezug auf alle Kommunikationswege nicht so gravierend, als dass sich bedeutsame Verdrängungen feststellen ließen. Vielmehr scheint sich das StudiVZ in das Kommunikationsrepertoire der Nutzer einzufügen. Dies und die gesteigerte Kontakthäufigkeit sprechen indirekt auch für einen Mehrwert, den das StudiVZ seinen Nutzern bietet und der sich in spezifischen Funktionen zeigt, die in dieser Form keiner der anderen untersuchten Kontaktwege besitzt. Eine solche Funktion scheint darin zu bestehen, dass das StudiVZ gerade die Kontaktbereiche bedient, die von keinem anderen Kanal „versorgt“ werden. Diese Vermutung legt die Gegenüberstellung der Kanalnutzung im Kontakt mit unterschiedlichen Freundschaftstypen nahe: Das StudiVZ wird vor allem zur Kommunikation mit den Freunden verwendet, bei denen die Kontakthäufigkeit ansonsten recht niedrig ausfällt. Hier nimmt das StudiVZ in der Kommunikation eine zentrale Bedeutung ein und besitzt eine stimulierende Wirkung. Einzig in Bezug auf die Nutzung anderer Communities lassen sich Tendenzen für eine komplette Funktionsübernahme erkennen. Aber auch hier ist keine vollständige Verdrängung gemeint, sondern vielmehr der Verzicht einiger StudiVZ-
27 Bei diesen Kommunikationskanälen findet eine Verdrängung, wenn überhaupt, nur in zeitlicher Hinsicht statt.
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Mitglieder auf die aktive Nutzung anderer Angebote.28 Den überwiegend negativen Trends bei der Nutzung anderer Kommunikationskanäle entgegen steht eine durch das StudiVZ erhöhte generelle Kontakthäufigkeit. So lassen sich zwar leichte Verdrängungstendenzen in Bezug auf einige Kommunikationskanäle fest-stellen, auf die im StudiVZ gepflegten Beziehungen scheint die Plattform jedoch einen positiven Einfluss zu haben.29 Dies erscheint auch nur logisch, bedenkt man, dass die Hauptmotivation der StudiVZ-Nutzung in der Beziehungspflege besteht. Generell sind aufgrund der Datenlage eher keine negativen Einflüsse auf persönliche Kontakte außerhalb der „virtuellen Welt“ zu erwarten. Vielmehr scheint das StudiVZ positiven Einfluss auf Beziehungen des „realen Lebens“ zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn man das Statement „Das StudiVZ spielt in meinem Alltag eine zunehmend wichtige Rolle“ in Zusammenhang mit der Frage nach der veränderten Kontaktintensität gegenüber engen Freunden stellt: Wer dieses Statement bejaht (n=421), dessen Kontakt zu engen Freunden ist entweder unverändert (76%) oder hat sich intensiviert (23%).30 Die Studie zeigt, dass der Hauptgrund für die Nutzung des StudiVZ eher im Wiederfinden alter Kontakte und der Pflege flüchtiger Bekanntschaften, denn in der Neugenerierung von Beziehungen liegt. Aus diesem Grund muss auch der verbreiteten These widersprochen werden, dass virtuelle Beziehungen einen pauschal negativen Einfluss auf bestehende reale Beziehungen ausüben. Vielmehr scheint mit Nutzerplattformen wie dem StudiVZ eine Generation von Plattformen im Internet Einzug gehalten zu haben, die eine Verbindung zwischen der Beziehungspflege innerhalb und außerhalb des Internets herstellt. Literatur: Blumler, Jay G./Katz, Eliuh (1974): The uses of mass communications. The current perspectives in gratification research. Beverly Hills: Sage Publications. Neuberger, Christoph (2003): Zeitung und Internet. Über das Verhältnis zwischen einem alten und einem neuen Medium. In: Neuberger, Christoph/Tonnemacher, Jan (Hrsg.): Online – Die Zukunft der Zeitung? Das Engagement deutscher Tageszeitungen im Internet. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 16-109.
28 Die extrem niedrige Nutzungshäufigkeit in Bezug auf andere Communities wirft die Frage auf, ob sich diese Angaben alleine auf eine Weniger-Nutzung aufgrund des StudiVZ zurückführen lassen oder ob das StudiVZ vielleicht auch eine Zielgruppe anspricht, die ansonsten im Internet kaum aktiv ist oder es vor der StudiVZ-Nutzung nicht war. 29 Dies gilt zumindest, insoweit man unterstellen kann, dass von der Kontakthäufigkeit auf die Pflege und damit Stabilisierung der Beziehung geschlossen werden kann. 30 Die beiden verbleibenden Nutzer können vernachlässigt werden.
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Nutzerbefragung IV: Kommunikationshemmnisse, Selbstdarstellung und das Knüpfen neuer Kontakte im StudiVZ Lena Rütten
„Social Networking“ – nie war es so einfach und unkompliziert wie im „Web 2.0“. Soziale Netzwerke wie StudiVZ, in denen jedes Mitglied sein persönliches Profil gestaltet und sofort per Mausklick erreichbar ist, heben die Kommunikation im persönlichen Umfeld auf ein neues Niveau. Die Nutzung des Internets zur Kontaktaufnahme und Beziehungspflege ist freilich kein neues Phänomen. Bereits in den neunziger Jahren – in denen sich das Internet vom elitären Medium der Wissenschaft zum massentauglichen Beziehungsmedium entwickelte – wurde das Phänomen der Internet-Kommunikation und die soziale Interaktion im Internet untersucht. Hierbei dominierten zwei Perspektiven: x Von den Netzoptimisten wurden vor allem die neuen Möglichkeiten der Kommunikation betont. Kommunikation war nun losgelöst von Raum- und Zeitrestriktionen. Auch der in der Internet-Kommunikation gesteigerten Anonymität der Kommunikationspartner wurde vor allem eine positive Wirkung auf die Kommunikation zugesprochen: Menschen könnten im Internet miteinander ins Gespräch kommen, die in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht – auch „Face-to-Face“-Kommunikation (FTF) genannt – möglicherweise nie in Kontakt getreten wären. x Netzkritiker betonten dagegen die Gefahren, die von der Internetnutzung ausgehen sollten: Sie fürchteten, Internetnutzer würden zunehmend ihre sozialen Kompetenzen verlieren und sich von ihrer Umwelt abschotten. Sie würden sich der Illusion einer Gemeinschaft im Cyberspace hingeben, wähC. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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rend sie im wirklichen Leben immer stärker in die soziale Isolation abrutschten. Beide Perspektiven – sowohl die optimistische als auch die pessimistische – haben zu einer Vielzahl von Studien über Internet-Kommunikation und soziale Beziehungen im Internet geführt. Es ist jedoch fraglich, ob sich die Erklärungsmodelle dieser Studien auf Internetangebote im „Web 2.0“ übertragen lassen, zu denen auch das StudiVZ gehört, da viele dieser Modelle von einem hohen Anonymitätsgrad bei der Kommunikation im Internet ausgehen. Das StudiVZ mit seinen umfangreichen Nutzerprofilen ist dagegen ein Internetangebot, das von seinen Nutzern die Preisgabe einer Vielzahl persönlicher Informationen verlangt, damit die Nutzungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden können. Ziel der vorliegenden Untersuchung1 ist es daher, zu überprüfen, inwiefern die Thesen der Internetforschung der neunziger Jahre auf eine „Web 2.0“-Community wie StudiVZ übertragbar sind. Theorien der computervermittelten Individualkommunikation Die Annahmen, die in Untersuchungen zum Thema „Computer-mediated communication“ (CMC) während der ersten Jahre der Entwicklung des Internets zu einem Medium der interpersonalen Kommunikation angestellt wurden, können in Anlehnung an Nicola Döring (2003: 149-161) unter drei Aspekten zusammengefasst werden: Kanalreduktion, Herausfiltern sozialer Hinweisreize sowie das Überwinden von Grenzen in Raum und Zeit. Traditionell wird in diesen Untersuchungen die „Face-to-Face“-Kommunikation zum Vergleich herangezogen, um an diesem Kommunikationsideal die CMC zu messen (vgl. Baym 2002: 63). Kanalreduktion
Unter dem Stichwort „Kanalreduktion“ werden alle Annahmen zu CMC zusammengefasst, die darauf basieren, dass bei der Kommunikation im Internet keine körperliche Kopräsenz zwischen den Kommunikationspartnern besteht, die Kanäle der Kommunikation also stark reduziert sind. CMC basiert auf Schriftlichkeit, Hinweise zur Interpretation von Kommunikationsinhalten durch Mimik und Ges-
1
Die Studie wurde im Rahmen der Magisterarbeit der Verfasserin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster durchgeführt („Freundschaft 2.0? Eine Nutzerbefragung in der Online-Community ‚StudiVZ’“). Betreuer der Arbeit war Christoph Neuberger.
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tik entfallen, para- und nonverbale2 Botschaften können nicht übertragen werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass CMC aus dieser Perspektive im Vergleich zu FTF als defizitär betrachtet wird. So lautet ein häufiger Vorwurf der Netzpessimisten, die Reduktion der Kommunikationskanäle führe zu einer „Verarmung der Kommunikation“ (Döring 2003: 149). Der Wegfall nonverbaler Kommunikationskanäle ist auch für den Aufbau und die Pflege von Beziehungen im Internet mit Konsequenzen verbunden. So wurde in den Anfängen der CMC-Forschung häufig die Position vertreten, CMC sei stärker informationsorientiert und weniger emotional als „Face-to-Face“-Kommunikation (vgl. Thurlow/Lengel/Tomic 2004: 48), was zu einer „Ent-Menschlichung“ (Döring 2003: 149) des Kommunikationsprozesses führe. Diese Sichtweise stellt einen Zusammenhang zwischen der Anzahl und der Art der zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle und der Emotionalität der Kommunikation her, der durchaus kritisch betrachtet werden kann (vgl. Parks/Floyd 1996). Denn diese Sichtweise lässt außer Acht, dass auch bei CMC durchaus die Möglichkeit besteht, Emotionen durch eingegebenen Text auszudrücken. Durch „paralinguistic features“ (Parks/Floyd 1996), beispielsweise Emoticons (z. B. Smileys - oder Zeichenkombinationen wie :’-( für ein weinendes Gesicht) lassen sich fehlende nonverbale Hinweise kompensieren. Fehlen sozialer Hinweisreize
Der „Cues-filtered-out-approach“ betont, dass im Internet weniger Hinweise über den sozialen Hintergrund eines Kommunikationspartners verfügbar sind als in der FTF-Kommunikation. Informationen über Namen, Alter, Geschlecht, Aussehen und den sozialen Status der Kommunikationsteilnehmer sind im Internet praktisch unsichtbar, wenn sie nicht ausdrücklich mitgeteilt werden. Der hohe Grad an Anonymität kann Vor- und Nachteile für die interpersonale Kommunikation haben: Er kann zum Abbau von Kommunikationshemmnissen führen und dazu, dass Kommunikationspartner nicht aufgrund von Äußerlichkeiten oder Unsicherheiten bei der Interaktion mit anderen vorzeitig stigmatisiert und damit von der Kommunikation ausgeschlossen werden. Schüchternen und zurückhaltenden Menschen kann das Internet dabei helfen, im Kontakt mit anderen aktiver und offensiver zu agieren (vgl. Parks/Floyd 1996). Außerdem können räumliche Distanz und Anonymität dazu führen, dass Menschen bei der Kommunikation im Netz offener sind
2
Paraverbale Ausdrucksmittel sind beispielsweise die Lautstärke der Stimme oder die Art und Weise des Sprechens (Pausen, Dazwischenreden usw.). Nonverbale Botschaften können auditiver, visueller, olfaktorischer, gustatorischer oder taktiler Natur sein (vgl. Döring 2003: 151).
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und eher dazu neigen, intime Dinge von sich preiszugeben als im persönlichen Gespräch (vgl. Thurlow/Lengel/Tomic 2004: 62). Als negative Folgen gesteigerter Anonymität bei interpersonaler Kommunikation im Internet werden oft ein höheres Maß an Aggressivität oder respektlosem und antisozialem Verhalten („Flaming“3, „Cyberstalking“4) genannt. Beim „Cues-filtered-out-approach“ zeigt sich ganz deutlich, dass dieser Ansatz für die heutigen Möglichkeiten in der CMC nicht mehr allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. Gerade auf in sozialen Netzwerken wie dem StudiVZ sind oftmals eine Vielzahl persönlicher Informationen wie Foto, Alter, Beziehungsstatus und Herkunft direkt abrufbar und müssen nicht – wie z. B. bei den in den neunziger Jahren sehr beliebten Chat-Foren – erst durch mühsames Erfragen gewonnen werden. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die Kommunikationssituation im Internet einen oft gesteigerten Anonymitätsgrad aufweist. Es ist auch fraglich, ob die Anonymität ausreicht, um Kommunikationshemmnisse abzubauen und um eine größere Offenheit und gesteigerte Intimität der Kommunikation zu fördern. Überwinden von Grenzen in Raum und Zeit
Durch das Internet wird Kommunikation – gerade bei Kommunikationspartnern, zwischen denen eine größere räumliche Distanz besteht – kostengünstiger und schneller. Kontakte zu entfernt lebenden Bekannten und Freunden können einfacher gehalten werden, neue Kontakte können leicht und bequem von zu Hause aus geknüpft werden. Das digitale Datenformat hat zudem Konsequenzen für den Umgang mit Kommunikationsinhalten: Das Kommunizierte existiert nicht nur für den Augenblick, sondern bleibt darüber hinaus bestehen. „[C]omputer-mediated messages can be stored in memory, replicated, retrieved at later dates, and edited prior to sending, which has also been taken to have interpersonal consequences.“ (Baym 2002: 65) Diese neue Schnelligkeit und Speicherung birgt aber auch das Problem des „information overload” (vgl. Kimble/Grimshaw/ Hildreth 1998). Ein weiteres Risiko der Digitalisierung besteht im Kontrollverlust: Einmal im Internet veröffentlichte Daten können von Dritten zu Zwecken verwendet werden, die vom Nutzer nicht intendiert worden sind (z. B. die Nutzung von Profildaten durch Personalabteilungen beim Recruiting); die Möglichkeit des Datenmissbrauchs ist im Internet stets vorhanden. Ob die Digitalisierung der Kommunikation für den
3 4
Unter dem Ausdruck „Flaming“ wird feindliches Verhalten im Netz wie z. B. Beschimpfungen in Chatrooms verstanden. Mit „Cyberstalking“ ist das Verfolgen und Belästigen anderer Personen im Internet gemeint.
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Nutzer letztendlich eher ein Risiko oder eine Chance darstellt, hängt in erster Linie von der Herausbildung von Nutzungskompetenzen ab (vgl. Dorta 2005: 38). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Entscheidung darüber, ob CMC oder FTF-Kommunikation als besser zu betrachten ist, wenig sinnvoll erscheint. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich Prozesse der Beziehungsanbahnung und -vertiefung im Internet von denen in Präsenzsituationen in mancherlei Hinsicht unterscheiden. Allerdings lassen sich auch über das Internet kaum pauschal Aussagen treffen. Hier kommt es (wie in der FTF-Kommunikation) auf die spezifischen Arrangements an, die sich im „Web 2.0“ geändert haben. Im Folgenden sollen die Annahmen zur Selbstdarstellung, Beziehungsanbahnung und -pflege im Internet der neunziger Jahre zunächst kurz skizziert werden, um anschließend überprüfen zu können, inwiefern sich diese Annahmen auf das StudiVZ als „Web 2.0“-Angebot übertragen lassen. Selbstdarstellung und Kontaktaufnahme im Internet Im Prozess des Kennenlernens im Internet spielt die Selbstdarstellung der einzelnen Nutzer eine große Rolle.5 In den neunziger Jahren, in denen sich User hauptsächlich in Chatrooms trafen und soziale Netzwerke im Internet noch gar nicht existierten, war das Kennenlernen im Netz von einem hohen Anonymitätsgrad der Nutzer geprägt. Die Anonymität und die Verwendung eines Pseudonyms (Nickname) entsprachen damals der wechselseitigen Erwartung. Unter dem Deckmantel der Anonymität hatte der Internetnutzer bei der Kontaktaufnahme im Vergleich zum „Real Life“ einen wesentlich größeren Spielraum bei der Gestaltung seiner Identität (vgl. Baym 2002: 67) und ein hohes Maß an Kontrolle über den Eindruck, den er bei anderen erweckt (vgl. Döring 2003: 343). Die Anonymität der Kommunikation im Internet kann man zum einen als Chance betrachten, da gerade dadurch Menschen, die im wirklichen Leben im Umgang mit anderen Menschen eher gehemmt und schüchtern sind, die Möglichkeit erhalten, unbefangener auf andere Nutzer zuzugehen und entspannter auf Kontaktversuche zu reagieren. Andererseits birgt sie auch das Risiko der Konstruktion von nicht-authentischen Identitäten (vgl. Schneider et al. 2004: 113), die von anderen Nutzern bei der Entdeckung der Diskrepanz zwischen On- und Offline-Identität als Manipulation oder Täuschung empfunden werden können.
5
Zum Forschungsstand vgl. den Aufsatz „Soziale Netzwerke im Internet“ (Abschnitt 8) in diesem Band.
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Es ist fraglich, ob das Internet als Medium der interpersonalen Kommunikation den Aufbau und die Intensivierung von Kontakten eher erleichtert oder erschwert. Zunächst einmal ist anzumerken, dass das Internet sehr viele Möglichkeiten bietet, um mit anderen Menschen unkompliziert und unter geringem Aufwand in Kontakt zu treten (vgl. Herlyn 2001), wobei der physische Aufenthaltsort zunächst eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. Bahl 1997: 92). Bisher unbekannte Menschen lassen sich so bequem und zeitsparend von zu Hause aus kontaktieren. Auch Menschen, die im wirklichen Leben aufgrund von Handicaps oder ihrer Schüchternheit von anderen bei der Kontaktsuche oftmals nicht wahrgenommen werden, haben im Internet die Möglichkeit, sich so zu präsentieren, dass sie angesprochen werden. Fraglich ist allerdings, unter welchen Voraussetzungen aus einem ersten Kennenlernen im Netz eine enge persönliche Beziehung werden kann. Das Anfangsstadium einer zwischenmenschlichen Beziehung zeichnet sich durch eine schwache Bindung – auch „weak tie“ genannt – aus. Diese schwache Bindung kann sich jedoch im Laufe der Zeit zu einer starken Bindung („strong tie“) entwickeln, welche durch Emotionalität und Intimität, Multiplexität und Verbindlichkeit gekennzeichnet ist (vgl. Diewald 1991: 102). Bei diesem Beziehungstypus besteht ein hohes Maß an Offenheit und Selbstoffenbarung, gemeinsame Interessen und Aktivitäten sind vielfältiger Natur, und beide Personen investieren viel Zeit und Engagement in die Beziehung. Im Internet kann es zwar aufgrund der gesteigerten Anonymität zu einer rascheren Selbstoffenbarung der Kommunikationspartner kommen (vgl. Hinde 1993: 22), allerdings besteht hier auch im Allgemeinen ein geringeres Maß an Verbindlichkeit (vgl. Höflich 1999: 148). Das Risiko, dass der Beziehungspartner nicht mehr antwortet und es keine Möglichkeit mehr gibt, ihn im Cyberspace aufzuspüren, war – zumindest in der Zeit des Web 1.0 – stets präsent (vgl. Höflich/Gebhardt 2001: 35). Die einzige Möglichkeit, Unsicherheit und Unverbindlichkeit abzubauen, bestand hier im mühsamen Erfragen und Aufgreifen von persönlichen Informationen im Kommunikationsverlauf, auch „Social information processing“ (Walther/Burgoon 1992: 80) genannt. In den heutigen sozialen Netzwerken im Internet wird eine Vielzahl persönlicher Informationen bereits durch das Nutzerprofil präsentiert. Durch den Zweck, beständige Kontakte über das Internet hinaus zu knüpfen, erscheint die Möglichkeit des Missbrauchs weniger groß. Dennoch bleibt auch hier fraglich, inwiefern solche Profile tatsächlich dazu dienen können, sich ein realitätsgetreues Bild von einem anderen Nutzer zu machen, da auch diese manipulierbar sind. Um von einer Online-Bekanntschaft zu einer stabilen sozialen Beziehung mit fester Bindung zu ge-
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langen, ist meist ein Medienwechsel unabdingbar (vgl. Herlyn 2001). Mit dem Übergang zu anderen Kontaktkanälen, z. B. zum Telefon oder einem persönlichen Treffen, steigt der Grad der Verbindlichkeit zwischen den Kommunikationspartnern. Zuvor ausgetauschte persönliche Informationen werden überprüfbar, das Bild, welches man sich während der Phase der Netzkommunikation vom anderen gemacht hat, kann mit dessen „Real Life“-Identität abgeglichen werden. Hierbei kann es zu Enttäuschungen und Unsicherheiten kommen, da die Vorstellung vom Kommunikationspartner beim Kennenlernen im Netz oftmals idealisiert ist (vgl. Döring 2000: 56). Beziehungen, bei denen kein Medienwechsel stattfindet, sondern die sich bei reinem Online-Kontakt zu starken Bindungen entwickeln, sind zwar sicher auch möglich, dürften aber eher die Ausnahme bilden (vgl. Piotrowski 2006: 58). Methodische Vorbemerkungen Die im Folgenden vorgestellte Untersuchung soll zeigen, inwiefern sich die Theorien computervermittelter Individualkommunikation und sozialer Beziehungen auf das soziale Netzwerk StudiVZ als typisches „Web 2.0“-Angebot übertragen lassen. Sie orientierte sich an drei forschungsleitenden Fragen: x Wie bewerten die Mitglieder des StudiVZ die Kommunikation im StudiVZ im Vergleich zur „Face-to-Face“-Kommunikation? x An welchen Kriterien orientieren sich die Nutzer bei der Selbstdarstellung im StudiVZ? x Welche Auswirkungen hat das StudiVZ auf die Beziehungsnetzwerke seiner Mitglieder? Wie werden neue Kontakte geknüpft und weitergeführt? Als Erhebungsinstrument wurde ein standardisierter Online-Fragebogen verwendet. Der Fragebogen konnte von den StudiVZ-Nutzern über einen Link erreicht und ausgefüllt werden. Dieser Link wurde in eine Nachricht eingefügt und über die Nachrichtenfunktion des StudiVZ an ausgewählte StudiVZ-Nutzer verschickt. Diese hatten über einen Zeitraum von vier Wochen (3. September bis 1. Oktober 2007) die Gelegenheit, an der Befragung teilzunehmen. Die Stichprobe der Befragten wurde durch ein bewusstes Auswahlverfahren gezogen. Statistische Daten über die Zusammensetzung der Grundgesamtheit aller StudiVZ-Nutzer ließen sich den veröffentlichten Mediadaten entnehmen (vgl. StudiVZ 2007). So waren Geschlechterverteilung, Altersstruktur und Nutzungshäufigkeit der Community bekannt und konnten zur Bildung einer Quotenstichprobe herangezogen werden. Die realisierte Stichprobe von 218 StudiVZ-Nutzern, die den Fragebogen zumindest
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teilweise ausgefüllt haben (darunter 159 vollständig ausgefüllte Fragebögen), spiegelt die Grundgesamtheit der StudiVZ-Nutzer im Hinblick auf die Merkmale Alter und Geschlecht zwar – von kleinen Abweichungen abgesehen6 – gut wider (vgl. Tab. 1);7 eine Repräsentativität der Ergebnisse kann jedoch – schon aufgrund der geringen Größe der realisierten Stichprobe – nicht beansprucht werden. Tab.1:
Vergleich der Altersverteilung nach Geschlechtern zwischen der realisierten Stichprobe (n=159) und der Grundgesamtheit der StudiVZ-Mitglieder (vgl. StudiVZ 2007) (Angaben in %)
18 bis 29 Jahre, männlich 18 bis 29 Jahre, weiblich 30 Jahre und älter, männlich 30 Jahre und älter, weiblich
StudiVZ-Mitglieder 96 98 4 2
realisierte Stichprobe 93 96 7 4
Kommunikation im StudiVZ im Vergleich zur „Face-to-Face“-Kommunikation Ein Merkmal der CMC, das in der Forschung häufig erwähnt wird, ist das der „Ent-Emotionalisierung“. Kommunikation im Internet beziehe sich – so die These – eher auf die Sachebene. Die Beziehungsebene werde hingegen ausgeblendet, da aufgrund fehlender nonverbaler Kommunikationskanäle die Ausdrucksmöglichkeiten für Emotionen eingeschränkt seien (vgl. Döring 2003: 149). Die Bewertung der Kommunikation im StudiVZ im Vergleich zur Ftf wurde im Rahmen der vorliegenden Untersuchung anhand von Statements abgefragt. Dass das StudiVZ eher zur sachlichen als zur emotionalen Kommunikation geeignet ist, bestätigen 38% (n=185, Skalenpunkte 1 [„trifft voll und ganz zu“] und 2, fünfstufige Skala) der Befragten, wohingegen 27% (Skalenpunkte 4 und 5 [„trifft überhaupt nicht zu“]) dem nicht zustimmen. Die Mehrheit der Befragten würde die Kommunikation im StudiVZ somit eher als sachlich bezeichnen, ein deutliches Meinungsbild liegt jedoch nicht vor. Es wurde auch bereits darauf hingewiesen, dass bei CMC durch Parasprachen Kompensationsmöglichkeiten für den Wegfall nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten bestehen. Die Befragten waren geteilter Auffassung darüber, ob dies möglich sei: Die Verwendung von Smileys wurde von 40% (n=187, Ska6 7
Leichte Abweichungen wurden festgestellt im Hinblick auf den erhöhten Männeranteil und den erhöhten Altersdurchschnitt der realisierten Stichprobe im Vergleich zur Grundgesamtheit. In die Auswertung sind sämtliche 218 Fragebögen eingegangen – im Unterschied zur Online-Befragung, die in den Aufsätzen „Nutzung, Motive und Kontaktverhalten im StudiVZ“ und „Kontaktverhalten und Kommunikationskanäle“ in diesem Band vorgestellt wird. Dort wurden nur die vollständig ausgefüllten Fragebögen berücksichtigt.
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lenpunkte 4 und 5) nicht als Kompensationsmöglichkeit für Mimik, Gestik und Stimme eingeschätzt, 34% (Skalenpunkte 1 und 2) dagegen sehen in Smileys durchaus einen Ersatz für nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten. Eine weitere These im Kontext von CMC, die in der Vergangenheit aufgestellt wurde, ist die des Abbaus von Kommunikationshemmnissen aufgrund des Wegfalls sozialer Hinweisreize. Allerdings ist das Maß an Anonymität, welches die StudiVZMitglieder besitzen, z. B. im Vergleich zur Chat-Kommunikation, aufgrund der Vielzahl von Profilinformationen als relativ gering einzustufen. In dieser Studie sollte daher die Gültigkeit dieser These für die Kommunikation im StudiVZ untersucht werden. Drei Viertel (75%, n=186, Skalenpunkte 4 und 5) der Befragten beurteilen die Aussage „Im ‚StudiVZ’ fällt es mir leichter, über private bzw. intime Dinge zu schreiben als in einem persönlichen Gespräch“ als eher unzutreffend. Die These der gesteigerten Selbstoffenbarung im Netzkontext kann für die Kommunikation im StudiVZ also nicht bestätigt werden. Dieses Ergebnis lässt sich möglicherweise auf das geringe Maß an Anonymität zurückführen, welches bei der Kommunikation im StudiVZ herrscht. Andere Nutzer sind im StudiVZ eben nicht „strangers on the train“ (Bargh/McKenna/Fitzsimons 2002: 35), denen man intime Dinge anvertrauen kann, ohne befürchten zu müssen, dass man ihnen noch einmal begegnet oder dass Gesprächsinhalte an gemeinsame Bekannte weitergereicht werden. Außerdem beruht die These der gesteigerten Selbstoffenbarung auf der Annahme, dass die beteiligten Kommunikationspartner sich ausschließlich aus dem Internet kennen. Da das StudiVZ häufiger zur Kommunikation mit Menschen genutzt wird, die man schon aus dem wirklichen Leben kennt, spielt hier der Faktor „Anonymität“ wahrscheinlich nur eine sehr geringe Rolle. Das Statement „Im ‚StudiVZ’ fällt es mir leichter, mit neuen Leuten in Kontakt zu treten als im persönlichen Gespräch“ beurteilt nur knapp ein Viertel (24%, n=194) der Befragten als voll zutreffend oder eher zutreffend (Skalenpunkte 1 und 2), 22% wählen die Mittelkategorie, und mehr als die Hälfte (54%, Skalenpunkte 4 und 5) beurteilt das Statement als eher nicht zutreffend. Die These des Abbaus von Kommunikationshemmnissen kann für das StudiVZ im Rahmen dieser Untersuchung nicht bestätigt werden. Andererseits wurde in der CMC-Forschung auch oftmals darauf hingewiesen, dass CMC vor allem für schüchterne, introvertierte Menschen, denen es in Präsenzsituationen schwer fällt, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, eine Erleichterung bei der Kontaktaufnahme darstellt. Dieser Zusammenhang konnte für das StudiVZ als Kommunikationsraum bestätigt wer-
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den: Zwischen den beiden Statements „Mir fällt es leicht, auf andere zuzugehen und neue Leute kennen zu lernen“ (n=194) und „Im ‚StudiVZ’ fällt es mir leichter, mit neuen Leuten in Kontakt zu treten als im persönlichen Gespräch“ (n=194) konnte eine negative Korrelation nachgewiesen werden (Spearman‘s r=-0,118, p<0,05). Selbstdarstellung im StudiVZ An welchen Kriterien orientieren sich die Nutzer bei der Selbstdarstellung im StudiVZ? Wie viel Wert legen sie bei der Gestaltung ihres Profils auf Authentizität? Und wie gehen die Nutzer mit dem Risiko des Datenmissbrauchs um? Inwiefern beeinflusst dessen Wahrnehmung die Gestaltung des eigenen Nutzerprofils? Ein wichtiges Kriterium für die Authentizität des Profils ist die Wahl des Profilbildes. Deshalb wurde im Fragebogen danach gefragt, was das eigene Profilbild im StudiVZ zeigt. Welchen Eindruck wollen also die Befragten von sich selbst bei anderen Nutzern vermitteln (vgl. Tab. 2)? Tab. 2:
Gestaltung des eigenen Profilbildes im StudiVZ: „Was zeigt Dein Profilbild im ‚StudiVZ’?“ (n=160, Mehrfachnennungen möglich) abs.
Es ist ein Foto, auf dem ich besonders gut aussehe. Es ist ein Foto, auf dem ich besonders schlecht aussehe. Es ist ein lustiges Foto von mir. Es ist ein Foto von mir, das viel Aufmerksamkeit erregt. Es ist ein ganz normales Foto von mir. Es ist kein Foto von mir, sondern ...
in % 33 6 40 11 84 11
20,6 3,8 25,0 6,9 52,5 6,9
Der Großteil der Befragten ist bei seinem Profilbild um eine authentische Selbstdarstellung bemüht, ferner ist eine Tendenz hin zu einer positiven Selbstdarstellung erkennbar. Bestätigt wird der Eindruck einer Bemühung um authentische Selbstdarstellung dadurch, dass auf die Frage „Versuchst Du, durch Dein Profil einen möglichst wahrheitsgetreuen Eindruck von Dir zu vermitteln?“ 85% (n=160) der Befragten mit „ja“ antworten. Wie bereits erwähnt, geht mit Aktivitäten im Internet stets das Risiko des Datenmissbrauchs einher. Es ist umso größer, je mehr Nutzer – wie im Falle des StudiVZ – unter ihrem wirklichen Namen im Internet agieren und unter diesem Namen eine Vielzahl persönlicher Informationen ins Netz stellen. Deshalb sollte untersucht werden, inwiefern sich die befragten StudiVZ-Nutzer der Gefahr des Datenmissbrauchs bewusst sind und wie sie sich davor schützen.
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Wie gehen die Nutzer mit den eigenen persönlichen Daten im StudiVZ um? Hier interessierte vor allem der Sichtbarkeitsstatus des eigenen Profils für andere Nutzer. Im StudiVZ gibt es verschiedene Einstellungen, um die Sichtbarkeit und damit den Zugang zu persönlichen Daten für andere Nutzer einzuschränken. Erstaunlicherweise machen von dieser Möglichkeit des Datenschutzes nur sehr wenige der befragten Nutzer Gebrauch: 93% (n=160) geben an, ihr Profil sei für alle StudiVZ-Nutzer sichtbar. Bei der Festlegung der Sichtbarkeit von eigenen Besuchen auf fremden Profilen zeigen die Befragten jedoch ein größeres Interesse am Schutz persönlicher Daten: Die Hälfte (50%, n=160) aller Befragten stellt den Status hier auf „unsichtbar“, sie hinterlassen somit keine Spuren beim Abruf anderer Profile. 34% der Befragten haben ihren Status auf „sichtbar“ eingestellt, und 14% von ihnen geben an, ihr Status sei nicht immer derselbe, d. h., sie passen ihre Statuseinstellung der jeweiligen Situation an. Bei der direkten Abfrage des Bewusstseins über die Risiken des Datenmissbrauchs antwortet auf die Frage „Gehst Du davon aus, dass die Informationen, die über Dich im ‚StudiVZ’ stehen, für Zwecke gebraucht werden könnten, die nicht Deinen Erwartungen entsprechen?“ nahezu die Hälfte (46%, n=160) mit „ja, deshalb halte ich bestimmte Informationen zurück“. 29% der Befragten antworten „ja, aber das ist mir egal“, und 16% verneinen die Frage. Ein Risikobewusstsein scheint also bei drei Viertel der Befragten durchaus zu bestehen, und für viele verbindet sich damit auch eine Zurückhaltung bei den ins StudiVZ gestellten persönlichen Daten. Erstaunlich ist allerdings, dass fast ein Drittel der Nutzer zwar angibt, sich des Risikos des Datenmissbrauchs bewusst zu sein, daraus jedoch keine Konsequenzen zieht. Eine mögliche Erklärung dieses Ergebnisses könnte sein, dass die StudiVZNutzer großen Wert darauf legen, sich und ihr Leben nach außen hin zu präsentieren und dafür den potenziellen Missbrauch ihrer persönlichen Daten von Seiten Dritter in Kauf nehmen. Neue Kontakte im StudiVZ Offensichtlich bietet das StudiVZ seinen Nutzern einen Kommunikationsraum, in dem sie ihre sozialen Netzwerke schnell und unkompliziert erweitern können. Fraglich ist allerdings, ob die Mitglieder tatsächlich die Möglichkeit nutzen, neue Bekanntschaften zu machen, oder ob hier lediglich bereits bestehende Kontakte vertieft und gepflegt werden. In der Untersuchung gibt gut ein Viertel (26%, n=183) der Befragten an, im StudiVZ schon einmal neue Leute kennen gelernt zu haben, wobei sich die Anzahl dieser neuen Kontakte bei knapp drei Viertel (72%, n=47)
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derjenigen, die Bekanntschaften im StudiVZ geschlossen haben, auf bis zu vier neue Kontakte beschränkt. Des Weiteren wurde nach dem Typ von Kontakten gefragt, den die Befragten im StudiVZ suchen. Hintergrund dieses Untersuchungsaspektes ist die Frage, für welchen Beziehungstyp das StudiVZ als virtueller Treffpunkt geeigneter ist. Als Platzhalter für eine persönliche, emotional gefärbte Beziehung wurde der Kontakttyp „guter Freund“ („jemand, der mir sympathisch ist, dem ich vertrauen kann und mit dem ich eine gute Freundschaft aufbauen könnte“), für eine sachlich orientierte Beziehung der Kontakttyp „Interessenteiler“ („jemand, mit dem ich eine oder mehrere Gemeinsamkeiten teile, beispielsweise das gleiche Seminar besuche oder das gleiche Hobby habe“) gewählt. Nur 2% (n=164) der Befragten geben an, im StudiVZ nach einem Kontakt vom Typ „guter Freund“ zu suchen, 15% der Befragten suchen im StudiVZ nach einem Kontakt vom Typ „Interessenteiler“, 14% suchen nach beiden Kontakttypen, und mehr als die Hälfte der Befragten (58%) gibt an, im StudiVZ überhaupt nicht nach neuen Kontakten zu suchen. Die befragten Nutzer suchen im StudiVZ somit eher nach Leuten, die ihre Interessen teilen, als nach persönlichen Beziehungen. Bei der Kontaktsuche empfindet es fast die Hälfte (47%, n=174, Skalenpunkte 1 [„trifft voll und ganz zu“] und 2, fünfstufige Skala) der befragten Personen als Vorteil, im StudiVZ einen anderen Nutzer schon vor der ersten Kontaktaufnahme anhand seiner Profilangaben einschätzen zu können. Allerdings können sich bei der Kommunikation im StudiVZ durch den Wegfall von Informationen über Mimik, Gestik und Stimme Unsicherheiten ergeben, die den Identifikationsprozess beeinträchtigen. So stimmen 69% (n=174, Skalenpunkte 1 und 2) der Befragungsteilnehmer dem Statement zu: „Ich finde es im ‚StudiVZ’ schwieriger, jemanden einzuschätzen, weil ich keine Informationen über Mimik, Körpersprache oder Tonfall habe.“ Dazu passt es, dass 38% (n=174, Skalenpunkte 1 und 2) finden, dass es im StudiVZ auch schwieriger ist, auf jemanden sympathisch zu wirken, weil Gestik, Mimik und Stimme bei der Kommunikation nicht eingesetzt werden können. Unentschlossen (Skalenpunkt 3) bei der Beurteilung dieses Statements sind 35%. Der Wegfall nonverbaler Informationen wird also von den Befragten durchaus als Erschwernis des Identifikationsprozesses aufgefasst. Wie bereits erläutert, ist es eher ungewöhnlich, dass sich Beziehungen, die auf reiner Netzkommunikation beruhen und in denen kein Medienwechsel stattgefunden hat, sich zu starken Bindungen entwickeln. Für das StudiVZ sollte nun untersucht werden, inwiefern Beziehungen, die im StudiVZ begonnen werden, in anderen
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Medien weitergeführt werden und eventuell sogar in eine „Face-to-Face“-Beziehung münden. Dazu wurden diejenigen Nutzer, die angeben, im StudiVZ bereits neue Leute kennen gelernt zu haben, gefragt, wie sie diese Kontakte fortgeführt haben.8 Hierbei ergab sich folgendes Ergebnis (vgl. Tab. 3): Tab. 3:
Fortführung der neuen StudiVZ-Kontakte: „Wie hast Du diese (im StudiVZ begonnenen) Kontakte fortgeführt?“ (n=47, Mehrfachnennungen möglich) abs.
Wir haben nur über das StudiVZ kommuniziert. Wir haben E-Mails geschrieben. Wir haben gechattet (über ICQ, Skype, MSN etc.). Wir haben telefoniert. Wir haben uns getroffen. Ich habe diese Kontakte nicht fortgeführt.
in % 39 11 10 5 12 8
83,0 23,4 21,3 10,6 25,5 17,0
83% der Befragten geben an, im StudiVZ begonnene Kontakte nur über das StudiVZ weitergeführt und kein anderes Medium zur Kommunikation heran-gezogen zu haben. Es scheint also üblich zu sein, mit Leuten, die man im StudiVZ kennen gelernt hat, auch nur mit Hilfe des StudiVZ weiter zu kommunizieren. Mehr als jeder fünfte Befragte gibt jedoch an, mit StudiVZ-Kontakten auch schon gechattet zu haben, häufiger noch kommt es zum Austausch von E-Mails, und gut ein Viertel der Befragten gibt an, sich mit Bekanntschaften getroffen zu haben, die er oder sie im StudiVZ kennen gelernt hat. Das Telefon als mediale Zwischenstufe zum persönlichen Treffen scheint eher selten genutzt zu werden. 17% der Befragten geben an, im StudiVZ begonnene Kontakte überhaupt nicht fortgeführt zu haben. Ferner wurde mit Hilfe von Statements untersucht, wie die im StudiVZ entstandenen Kontakte von den Nutzern bewertet werden. Hintergrund für die Bildung der folgenden Statements war die Vermutung, dass im StudiVZ aufgebaute soziale Beziehungen eher schwach bleiben und eine starke Bindung erst dann aufgebaut werden kann, wenn ein Medienwechsel stattgefunden hat (vgl. Tab. 4).
8
Im Rahmen dieser Befragung war es nicht möglich, für jeden einzelnen neuen StudiVZ-Kontakt abzufragen, wie dieser fortgeführt wurde. So kann dieses Ergebnis keine Erkenntnisse darüber liefern, wie oft der Wechsel zu einem bestimmten Medium stattgefunden hat, sondern nur, wie viele Nutzer ihre Kontakte überhaupt schon einmal in das entsprechende Medium überführt haben.
Oberflächlich und folgenlos?
Tab. 4:
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Statement zur Oberflächlichkeit von neuen Kontakten im StudiVZ: „Die meisten dieser (im StudiVZ kennen gelernten) Freunde sind oberflächliche Kontakte.“ (n=47) abs.
trifft voll und ganz zu (=1) 2 3 4 trifft überhaupt nicht zu (=5)
in % 20 10 11 6 0
42,6 21,3 23,4 12,8 0
Fünfstufige Skala.
Tab. 5:
Statement zur Vertrauensbasis für neue Kontakte im StudiVZ: „Um mit diesen (im StudiVZ kennen gelernten) Freunden ein Vertrauensverhältnis aufbauen zu können, muss man sie erst von Angesicht zu Angesicht getroffen haben.“ (n=47) abs.
trifft voll und ganz zu (=1) 2 3 4 trifft überhaupt nicht zu (=5)
in % 22 10 11 2 2
46,8 21,3 23,4 4,3 4,3
Fünfstufige Skala.
Die Ergebnisse bestätigen die Vermutung, dass im StudiVZ geknüpfte Kontakte oftmals auf einer oberflächlichen Ebene verbleiben und eher selten zu engen Bindungen vertieft werden. 68% der Befragten finden die Aussage zutreffend, dass zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses mit Leuten, die man im StudiVZ kennen gelernt hat, ein persönliches Treffen notwendig ist (vgl. Tab. 5). Die Feststellung, dass reine Online-Beziehungen sich nur sehr selten zu starken Bindungen entwickeln, lässt sich also auch auf das StudiVZ – trotz des relativ geringen Grades an Anonymität – übertragen. Obwohl es aufgrund der großen Menge persönlicher Informationen des Nutzerprofils bereits ohne ein persönliches Treffen möglich ist, sich ein Bild von einem anderen StudiVZ-Nutzer zu machen, scheinen diese Informationen bei der Beziehungsvertiefung ein „Face-to-Face“-Treffen nicht ersetzen zu können. Fazit Worin sich das soziale Netzwerk StudiVZ als „Web 2.0“-Applikation vom Kontakteknüpfen im Internet der neunziger Jahre unterscheidet, ist das geringe Maß an
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Anonymität, das der Nutzer hier genießt. Dieser geringe Anonymitätsgrad hat verschiedene Konsequenzen für Kommunikation, Selbstdarstellung sowie Prozesse der Beziehungsanbahnung und -pflege. x Die These der gesteigerten Selbstoffenbarung in der Internetkommunikation lässt sich auf das StudiVZ nicht übertragen, da hier die Nutzer keinen Schutz durch Anonymität genießen. Ebenso kommt es in der Regel nicht zum Abbau von Kommunikationshemmnissen, da im StudiVZ soziale Hinweisreize nicht ausgeblendet, sondern durch das Nutzerprofil oftmals noch schneller verfügbar sind als bei der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Pauschale Annahmen über das Internet und die dortige Kommunikation im Vergleich zur „Face-to-Face“-Kommunikation werden also durch die Befunde der vorliegenden Studie infrage gestellt. x Aufgrund der geringen Anonymität bemühen sich die meisten Nutzer um eine authentische Selbstdarstellung bei der Gestaltung ihres Profils. Diskrepanzen zwischen „virtueller“ StudiVZ-Identität und „realer“ Identität können von anderen Nutzern schnell erkannt und sanktioniert werden. Dass mit dieser Bereitstellung von wahrheitsgemäßen persönlichen Daten ein hohes Risiko des Datenmissbrauchs einhergeht, ist fast allen Nutzern bewusst, aber nur knapp die Hälfte von ihnen zieht daraus Konsequenzen und hält bestimmte Informationen zurück. Im Gegensatz zu den Internetnutzern der neunziger Jahre scheint sich das Bedürfnis nach Anonymität in ein Bedürfnis nach Präsentation der eigenen Person – und zwar auf authentische Weise – gewandelt zu haben. x Trotz der guten Bedingungen zur Beziehungsanbahnung gibt nur ein Viertel der Befragten an, schon einmal neue Kontakte im StudiVZ geknüpft zu haben. Das StudiVZ scheint die sozialen Netzwerke der meisten seiner Nutzer also nicht zu vergrößern. Zudem gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, im StudiVZ überhaupt nicht nach neuen Kontakten zu suchen. Diejenigen, die im StudiVZ nach neuen Bekanntschaften suchen, sind eher an sachlichen Beziehungen interessiert als an persönlichen Kontakten. Auch im „Web 2.0“ gilt für die meisten der befragten StudiVZ-Nutzer: Um ein Vertrauensverhältnis zu einem anderen Nutzer aufbauen zu können, muss man sich von Angesicht zu Angesicht treffen. Dass sich zwei Nutzer, die sich im StudiVZ kennen gelernt haben, im „Real Life“ treffen, bleibt allerdings die Ausnahme.
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Nutzerbefragung V: Selbstdarstellung im StudiVZ Nina Haferkamp
Dieser Beitrag ist der Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken im Internet gewidmet.1 Zwölf leitfadengestützte Interviews mit Nutzern der deutschen Website StudiVZ sollten zeigen, wie bewusst die individuelle Selbstdarstellung bei der Gestaltung von Online-Profilen praktiziert wird, welcher Eindruck bei anderen Nutzern erzeugt werden soll und welche Profilelemente dafür explizit eingesetzt werden. Darüber hinaus wurde analysiert, wie Online-Profile anderer Nutzer von den Profilinhabern wahrgenommen werden. Die Ergebnisse deuten an, dass Nutzer durchaus reflektiert bei der Gestaltung ihres Profils vorgehen. Weibliche Nutzer legen bei der Selbstdarstellung einen besonderen Schwerpunkt auf visuelle Informationen (z. B. das Profilbild), während männliche Nutzer stärker Informationen zum beruflichen Lebenslauf fokussieren. Angestrebt wird von den Nutzern eine möglichst realitätsnahe Selbstdarstellung, die jedoch im Widerspruch zur Einschätzung steht, dass andere Profilinhaber häufig zu einer verfälschten Selbstdarstellung tendieren. Als der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Joseph B. Walther erstmals 1996 mit seinen Überlegungen zur selektiven Selbstpräsentation im Internet auf die Besonderheiten der virtuellen Selbstdarstellung hinwies, ahnte er vermutlich nicht, welche Bedeutung seine Aussagen für das Nutzungsverhalten und die Selbstdarstellungsmöglichkeiten in sozialen Netzwerken haben sollten. Walther postu1
In diesem Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse der Dissertation der Verfasserin vorgestellt (vgl. Haferkamp 2010). Sie ist im Kohlhammer-Verlag unter dem Titel „Sozialpsychologische Aspekte im Web 2.0: Impression Management und sozialer Vergleich“ erschienen.
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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lierte, dass in der computervermittelten Kommunikation die Selbstdarstellung einer Person präziser als in der „Face-to-Face“-Kommunikation ausfällt, da der Nutzer eigenständig auswählen kann, welche Teilinformationen zu seiner Person vom Kommunikationspartner wahrgenommen werden sollen. Verantwortlich dafür ist nach Walther die reduzierte Übertragung von Kommunikationssignalen, die eine bewusste Steuerung der individuellen Selbstinszenierung unterstützt (vgl. Walter/Parks 2002: 529-533). Mit dem Einzug des „Web 2.0“ in den Kommunikationsalltag ergeben sich neue Voraussetzungen für die Selbstdarstellung im Internet. Im Spezifischen kann bei der Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook oder StudiVZ eine wesentlich differenziertere Beschreibung der eigenen Person mit Hilfe von dynamischen und statischen Profilfeatures vorgenommen werden: Nutzer können ohne Programmierkenntnisse Fotos oder Videos auf ihr Online-Profil hochladen, private Informationen eintragen, sich mit anderen Nutzern verlinken, Gruppen beitreten sowie Geschmack, Vorlieben und Interessen durch Angaben zu Lieblingsbüchern, Lieblingsmusik etc. artikulieren (vgl. Boyd/Ellison 2007). Zwar wird die Selbstpräsentation weiterhin durch eine überwiegend asynchrone, vorwiegend verbal und visuelle Kommunikationssituation beschränkt (vgl. Ellison/Heino/Gibbs 2006: 416418), dennoch muss vor dem Hintergrund der Bereitschaft zur Preisgabe vielfältiger privater Informationen gefragt werden, wie bewusst und kontrolliert die Auswahl der Informationen noch ablaufen kann. Walther (1996: 20) hatte in Bezug auf die computervermittelte Selbstdarstellung argumentiert, dass das Verhalten im Internet einer stärkeren individuellen Zensur des Nutzers unterliegt und man deshalb mit den Worten Erving Goffmans (1959: 1-6) von so genannten „expressions given“ (ebd.: 6) sprechen kann. Es ist jedoch fraglich, ob durch die vielfältigeren Möglichkeiten sozialer Netzwerke wirklich noch von einer eigenhändig kontrollierbaren und reflektierbaren Selbstdarstellung auszugehen ist. Dies ist anzuzweifeln, wenn bspw. Freunde eines Nutzers durch Pinnwand-Kommentare den Eindruck, den eine Person über das Profil vermittelt, beeinflussen zu vermögen (vgl. Walther/Van Der Heide/Kim/ Westerman/Tong 2008: 28-30). „Expressions given off“ (Goffman 1959: 6) können demzufolge im „Web 2.0“ auch Informationen sein, die andere Nutzer zur Selbstpräsentation einer Person beitragen. Im Zuge dessen muss diskutiert werden, ob Nutzer der Selbstdarstellung im Internet eine vergleichbare Bedeutung beimessen wie der in der „Face-to-Face“-Situation (z. B. während eines Bewerbungsge-
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Nina Haferkamp
sprächs). Wie wichtig ist es demnach Nutzern, in sozialen Netzwerken einen bestimmten Eindruck zu erzeugen und wie soll dieser Eindruck beschaffen sein? Selbstdarstellungstheorien gehen allgemein davon aus, dass ein stets vorteilhafter Eindruck angestrebt wird (vgl. Mummendey 1995: 15). Dabei wird häufig auf den Begriff des „Impression Managements“ verwiesen, der den gezielten Versuch einer Person beschreibt, den Eindruck, den andere Menschen von ihr bekommen, zu kontrollieren und zu formen. Damit einher geht die Vermutung, dass Selbstdarstellung gleichzeitig auch die Täuschung des Kommunikationspartners meint. Dies bleibt jedoch zumindest für die nicht-mediale Alltagskommunikation umstritten, denn zahlreiche Sozialpsychologen – unter ihnen auch Schlenker (1980) – argumentieren, dass Menschen vielmehr Teilidentitäten für spezifische Empfänger aufbereiten und damit entlang des packaging-Konzeptes nicht zwangsläufig zu Falschinformationen greifen müssen. Im vorliegenden Beitrag wurde durch den Einsatz qualitativer Interviews ein explorativer Zugang zur Analyse der Selbstdarstellung im „Web 2.0“ gewählt. Es soll mit Hilfe von Leitfadeninterviews erörtert werden, wie bewusst die virtuelle Selbstdarstellung vollzogen wird, welcher Eindruck mit einem Online-Profil generiert werden soll und welche Profilelemente dafür von Bedeutung sind. Darüber hinaus wird untersucht, wie die Selbstdarstellung anderer Person im Internet bewertet und wahrgenommen wird. Selbstdarstellung im Internet Selbstdarstellung ist ein allgegenwärtiges Phänomen menschlicher Kommunikation. Der Soziologe Erving Goffman (1959: 1-6) postuliert, dass es für Menschen von besonderer Bedeutung ist, bei anderen Personen einen vorteilhaften Eindruck hinterlassen. Es wird vom Individuum das Ziel verfolgt „to convey an impression to others which it is in his interests to convey“ (ebd.: 4). Aus diesem Grund verhalten sich Menschen wie Schauspieler, die eine Rolle darstellen, und beeinflussen die Wahrnehmung ihrer Kommunikationspartner (vgl. Schlenker 1980: 5-8). Dabei erscheint die Selbstdarstellung einer Person stetiger Bestandteil ihrer interpersonalen Kommunikation zu sein. Wann immer Menschen miteinander kommunizieren, präsentieren sie sich auf eine bestimmte Art ihrem Gegenüber. Ein vorteilhafter Eindruck muss jedoch nicht notwendigerweise ein Guter sein: Selbstdarstellungsverhalten liegt auch vor, wenn man sich absichtlich ungeschickt anstellt, um inkompetent zu wirken und sich damit einer unangenehmen Aufgabe zu entziehen. Es ist dabei umstritten, inwiefern Selbstdarstellung stets ein bewusst vollzogener
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Prozess ist. Goffman (1959) weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass der Mensch aufgrund begrenzter kognitiver Kapazitäten nicht in der Lage sei, sämtliche nonverbalen und verbalen Kanäle in einer Kommunikation zu kontrollieren. Schlenker (1980: 5-8) sowie Leary/Kowalski (1990: 34-38) bzw. Leary (1995: 3741) räumen in ihren Arbeiten beide Möglichkeiten der Selbstdarstellung ein und benennen u. a. den Grad der Selbstaufmerksamkeit als einen entscheidenden Faktor für das Ausmaß der Bewusstheit der Selbstdarstellung. Tedeschi/Riess (1981: 17) argumentieren in diesem Zusammenhang, dass Selbstdarstellung selbst einer Intention unterliegt, dass aber die Durchführung der Selbstpräsentation nicht bewusst ablaufen müsse. Ob diese Argumentation jedoch auch für die medienvermittelte Selbstdarstellung zutrifft, muss im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Eigenschaften des jeweiligen Mediums geprüft werden. Soziale Netzwerke bieten verschiedene Möglichkeiten, sich mit Hilfe von dynamischen und statischen Features, auszudrücken. Videos oder Online-Games, die direkt in das Profil hochgeladen werden, beschreiben den eigenen Musikgeschmack oder das Privatleben einer Person (vgl. Boyd/Ellison 2007: 1-3). Zudem können durch Gruppennamen, Interessen, Einstellungen und Meinungen kommuniziert werden (vgl. Haferkamp/ Krämer 2009). Vergleicht man nun die Voraussetzungen der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken mit jenen der „Face-to-Face“-Kommunikation, werden Unterschiede deutlich: Augenscheinlich ist dies zunächst die Kontrolle der kommunizierten Informationen. Während in der „Face-to-Face“-Kommunikation durch nonverbale Signale unbeabsichtigte Selbstdarstellungseffekte („expressions given off“, Goffman [1959: 5]) auftreten können, obliegt es bei der anonymeren Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken dem Nutzer selbst, zu entscheiden, welche Informationen er über sich veröffentlichen will („expressions given“). Der Nutzer entscheidet über das Profilbild, das er einstellt, er wählt die Gruppen aus, die seine Interessen beschreiben, und er entscheidet, welche privaten Informationen er auf dem Profil präsentieren will. Die vom Nutzer gesendeten Signale können zeitunabhängig kontrolliert werden. Darüber hinaus besteht jederzeit die Möglichkeit, Informationen der virtuellen Selbstdarstellung zu verändern, während einmal kommunizierte Signale in der synchronen „Face-to-Face“-Kommunikation nicht mehr revidiert werden können. Bei der Vielzahl an genannten Optionen muss jedoch hinterfragt werden, inwiefern der Nutzer die Wirkungen einzelner Profilelemente auf die Selbstdarstellung antizipieren kann. Gerade bei fremdgenerierten Informationen, wie den Pinnwandkommentaren oder den Bildverlinkungen, sowie in Bezug auf
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die dynamische Freundesliste sind unkalkulierbare Einflüsse auf die individuelle Selbstdarstellung nicht auszuschließen (vgl. Walther et al. 2008). Es bleibt demnach zu fragen, wie bewusst mit der Selbstdarstellung umgegangen wird und ob vom Nutzer berücksichtigt wird, dass das Konglomerat an präsentierten Informationen auf seinem Profil den Eindruck zu seiner Person maßgeblich beeinflussen kann. Auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion um die bedenkenlose Preisgabe privater Informationen (vgl. Reinecke/Trepte 2008: 205-208) in sozialen Netzwerken muss zumindest angezweifelt werden, ob deren Nutzer wirklich reflektieren, wie bestimmte Profilinformationen von Betrachtern wahrgenommen werden. Da zu dieser Frage bislang keine gesicherten empirischen Erkenntnisse vorliegen, postuliert der Beitrag als erste Forschungsfrage: Wie bewusst vollziehen Profilinhaber ihre Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken? Eine Frage, die unmittelbar an die erste Forschungsfrage anschließt, bezieht sich auf die Art des Eindrucks, den die Profilinhaber erzeugen wollen. Entlang der grundlagenorientierten Annahmen aus der Sozialpsychologie kann vermutet werden, dass Personen einen möglichst vorteilhaften Eindruck (vgl. Mummendey 1995: 223) hinterlassen möchten. Doch ist dieses Ergebnis bislang nur für „Faceto-Face“-Interaktionen bestätigt, in denen sich eine Person vor einer anderen Person präsentiert. Zur Art der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken existieren bislang nur wenige empirische Untersuchungen. Eine Studie von Gosling/Gaddis/ Vazire (2007) gibt einen Hinweis darauf, dass die Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken im Internet relativ eng an die Selbstdarstellung in der Alltagskommunikation angelehnt ist. Sie konnten zeigen, dass Betrachter von Online-Profilen ihnen fremder Nutzer in der Lage waren, diese Personen ähnlich gut hinsichtlich ihrer Persönlichkeit einzuschätzen wie Freunde der Profilbesitzer. Es wurde geschlussfolgert, dass die Profilseiten stark die ‚reale‘ Persönlichkeit der Nutzers wiedergeben, denn andernfalls wären Überschneidungen zwischen den Einschätzungen der Freunde und der Fremden nicht denkbar gewesen. Auf der anderen Seite beschreibt Boyd (2006: 132-157) in ihrer Forschung den so genannten „Fakester“, der bewusst Informationen in seinem Profil verfälscht, um damit die Eindrucksbildung anderer Personen in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Auch Jung/Youn/McClung (2007: 39-41) kommen in ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass man zwischen dem echten Selbst im Alltag und dem anderen Selbst in Internet-Netzwerken unterscheiden muss. Marwick (2005) sieht in dieser Unterscheidung jedoch keinen Widerspruch, denn er postuliert, dass das Internet eben dazu eingesetzt würde, verschiedene Facetten der eigenen Persönlich-
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keit zu präsentieren und unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Da aufgrund dieser inkonsistenten Forschungsergebnisse Unklarheit über die Art der Selbstdarstellung besteht, wird folgende zweite Forschungsfrage gestellt: Welchen Eindruck wollen Nutzer von Online-Profilen in sozialen Netzwerken von sich erzeugen? In Bezug auf die Unterschiedlichkeit der Selbstdarstellung im Internet und in der „Face-to-Face“-Kommunikation muss auch auf die Art des Publikums der Selbstdarstellung abgehoben werden (vgl. Krämer/Winter 2008: 106-107). In den meisten nicht-medialen Kommunikationssituationen kann eine Person den Adressat ihrer Selbstdarstellung direkt wahrnehmen und einschätzen. Häufig zeichnet sich das Publikum sogar durch einen recht homogenen Charakter aus, d. h., die teilhabenden Interaktionspartner haben einen ähnlichen sozialen Hintergrund, eine gemeinsame Wissensbasis oder Interessen. Oder es handelt sich bei dem Adressaten nur um eine einzelne Person, was die Selbstdarstellung wiederum erleichtert, da sie nur auf eine einzige Person zugeschnitten sein muss. Im Kontrast dazu steht die Selbstdarstellung im Internet: Hierbei handelt es sich um eine Präsentation vor einem großen und größtenteils unbekannten Publikum. Betrachter eines Profils variieren hinsichtlich ihres Alters, Geschlechts sowie den für wichtig erachteten sozialen Normen, Motiven und Interessen (vgl. Krämer/Winter 2008: 107). Die Tatsache, dass die virtuelle Selbstdarstellung nur unzureichend an einem Adressaten ausgerichtet werden kann, zieht die Vermutung nach sich, dass sie deshalb wesentlich mehr von stabilen Persönlichkeitseigenschaften (Bedürfnissen, Einstellungen, Werten, Motiven, Zielen und Interessen) oder soziodemographischen Variablen abhängig ist als die Selbstdarstellung in „Face-to-Face“-Situationen. Auf diese Determinanten und die sich daraus ableitenden Forschungsfragen soll im Folgenden näher eingegangen werden. Determinanten der Selbstdarstellung im „Web 2.0“ Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken bedeutet für Profilnutzer zugleich auch Selbstoffenbarung. Informationen zum Privatleben müssen preisgegeben werden, um eine umfassende Selbstbeschreibung vollziehen zu können. Dass diese Preisgabe jedoch nicht von allen Nutzern wahrgenommen wird, zeigt die steigende Anzahl an zugriffsbeschränkten Online-Profilen. Somit ergibt sich ein problematisches Verhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Privatsphäre einerseits und dem Bedürfnis nach Selbstdarstellung andererseits. Diese Problematik wird mit dem Begriff „’Privacy’-Paradox“ bezeichnet. Wie Utz/Krämer (2009) zeigen, reduziert ein gesteigertes Bedürfnis nach Selbstdarstellung die Bedenken zur Privatsphäre. Nutzer, die
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über das Bedürfnis, sich selbst darzustellen, berichten, gaben in einer Befragung an, mehr Informationen auch an ein unbekanntes Publikum zu veröffentlichen als Personen, für die das Selbstdarstellungsmotiv weniger stark zutraf. Es zeigt sich, dass individuelle Unterschiede innerhalb der Nutzergruppe Aufschluss über das Selbstdarstellungsverhalten im „Web 2.0“ geben. In diesem Zusammenhang haben sich auch Persönlichkeitsvariablen für die „Face-to-Face“-Selbstdarstellung als stabile Prädiktoren herausgestellt (vgl. Krämer/Winter 2008: 108110). Ein relevanter Faktor scheint nach Buffardi/Campbell (2008: 1003-1005) Narzissmus zu sein. Personen mit höheren Narzissmus-Werten tendieren zu einer ausführlicheren Selbstdarstellung und legen eine besonders hohe Priorität auf die physische Attraktivität auf dem Profilfoto. Auch der Selbstwert einer Person stellt sich in einer Untersuchung von Banczyk/Krämer/Senokozlieva (2008) als ein Prädiktor heraus: Personen mit einem hohen Selbstwert tendieren nicht nur zu einer ausgefalleneren Selbstdarstellung; sie präsentieren auch signifikant mehr Bilder und Animationen und produzieren mehr Wörter auf ihren Netzwerk-Profilen. Selbstwirksamkeit in Bezug auf Selbstdarstellung scheint ebenso zu einer ausführlicheren Selbstdarstellung zu führen. Wie Krämer/Winter (2008: 113) in einer multimethodologischen Untersuchung berichten, präsentieren Personen mit einer hohen Ausprägung an Selbstwirksamkeit mehr Freunde und mehr Wörter auf ihren Profilen. Neben Persönlichkeitsfaktoren können auch soziodemografische Variablen zur Beschreibung der Selbstdarstellung herangezogen werden. Besonders das Geschlecht und die Kultur erweisen sich dabei als Prädiktoren für die gewählten Informationen im Profil. Allgemein berichten Hargittai/Shafer (2006: 432), dass männliche Nutzer mehr Zeit im „Web 2.0“ verbringen und dieses auch elaborierter nutzen als Frauen. Letztere sind wiederum besorgter um ihre Privatsphäre (vgl. Tufekci/ Spence 2007), was dazu führt, dass sie eher zurückhaltend mit Informationen umgehen. In Bezug auf die Kultur konnte in einer Untersuchung deutlich gemacht werden, dass amerikanische Facebook-Nutzer eine stärkere Priorität auf ein individuell gestaltetes Profil legen als deutsche Facebook-Nutzer (vgl. Haferkamp 2009: 193-233). Darüber hinaus wurde deutlich, dass amerikanische MySpace-Profilbesitzer mehr Informationsbausteine auf ihren Seiten präsentieren als deutsche MySpace-Nutzer (vgl. Banczyk et al. 2008). Die genannten Befunde verdeutlichen die Bedeutsamkeit von Nutzervariablen für die Analyse der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken. Darüber hinaus deutet sich an, dass nicht jedes Profilelement gleichermaßen bedeutsam für die virtuelle Selbstdarstellung zu sein scheint. Als Ergänzung bisheriger Befunde wird daher in
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der vorliegenden Untersuchung analysiert, welche Informationen in der Wahrnehmung der Profilbesitzer am wirksamsten für die Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken sind. Dazu wird hier die dritte Forschungsfrage formuliert: Welche Profilelemente sind besonders wichtig für die Selbstdarstellung in Online-Profilen? Rezeption der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken Neben der Möglichkeit, sich selbst mit einem Online-Profil vorzustellen, besteht des Weiteren die Option, andere Profilbesitzer bzw. deren Profile zu betrachten. Die Rezeption ist dabei mit der Suchfunktion einer Seite verbunden. Wird ein Name in das Suchfeld eingegeben, erscheint eine Kurzübersicht des Profils, die bei erneutem Anklicken dann eine Vollansicht der Webseite der Person ermöglicht. Bei der Rezeption der Profilseiten werden unweigerlich auch Eindrücke zu den Personen generiert. Wie bspw. Walther et al. (2008: 28-30) zeigen konnten, werden einzelne Profilelemente (z. B. die Pinnwand) von den Betrachtern herangezogen und anhand ihrer Ausprägungen Einstellungen und Bewertungen zu der jeweiligen Person entwickelt. Auch die Forschungsergebnisse von Kleck/Reese/Behnken/Sundar (2007) deuten darauf hin, dass beispielsweise die Anzahl der verlinkten Freunde einen Einfluss auf die Bewertung der Person nimmt. Basierend auf grundlagenorientierten Untersuchungen (vgl. Eagly et al. 1991: 110-111) kann des Weiteren angenommen werden, dass die physische Attraktivität der Personen auf ihrem Profilfoto eine zentrale Rolle bei der Eindrucksbildung spielt. Da bislang noch keine gesicherte empirische Basis zur Rezeption von Online-Profilen existiert, muss auch hier eine explorative Fragestellung gewählt werden. Die vierte Forschungsfrage lautet: Wie bewerten Personen andere Profilbesitzer und welche Profilelemente sind dafür entscheidend? Methodische Vorbemerkungen Stichprobe
Insgesamt wurden im Mai 2008 zwölf qualitative Leitfaden-Interviews mit sechs weiblichen und sechs männlichen Probanden durchgeführt. Alle Teilnehmer waren Studierende des Studiengangs „Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft“ an der Universität Duisburg-Essen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 23 Jahre (SD=0,90). Die Gespräche fanden in einem Büro an der Universität Duisburg-Essen statt. Bei der Rekrutierung wurde sichergestellt, dass jeder Teilnehmer über ein eigenes Online-Profil im deutschen Netzwerk StudiVZ verfügt, damit der
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Teilnehmer über die eigene Wahl der Profilelemente Auskunft geben konnte. Die Interviews wurden mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend in ein Word-Textdokument transkribiert. Der Interview-Leitfaden
Wie bereits angesprochen, nutzten die Interviewer einen Gesprächsleitfaden, der die im Folgenden genannten Inhalte thematisierte: Der erste Teil des Interviews beschäftigte sich mit allgemeinen Fragen zur Nutzung von sozialen Netzwerken. Es sollte ermittelt werden, wie oft die Interviewten diese nutzen und aktualisieren sowie, welche Profilelemente am häufigsten genutzt werden. Der zweite Teil des Interviews beschäftigte sich konkreter mit dem Aspekt der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken. Dabei sollte sowohl die eigene Selbstdarstellung beschrieben als auch die Selbstbeschreibung anderer Profilnutzer beurteilt werden. Es sollte ermittelt werden, was den Teilnehmern bei der Erstellung des eigenen Profils besonders wichtig gewesen ist. Um einen möglichst umfassenden Eindruck von der Selbstdarstellung der Teilnehmer zu erhalten, wurden diese dazu aufgefordert, das Design ihres Online-Profils genau zu beschreiben. Dabei wurden konkret folgende Profilelemente fokussiert: x Profilfoto: Die Nutzer sollten angeben, nach welchen Kriterien sie das Profilfoto auswählt hatten und was für sie ein gutes und was ein schlechtes Profilfoto ist. x Persönliche Informationen: Die Teilnehmer sollten angeben, welche Informationen auf ein Online-Profil gehören und welche sie eher nicht präsentieren würden. Dazu wurden die Nutzer aufgefordert, Begründungen für die Auswahl anzugeben. x Anzahl der Freunde: Die Teilnehmer wurden befragt, welche Relevanz die Anzahl an Freunden für die Selbstdarstellung auf dem Online-Profil hat. x Gruppen: Die Teilnehmer wurden gefragt, nach welchen Kriterien sie Gruppen ausgesucht hatten und in welchen Gruppen sie sich vornehmlich aufhalten. Die Befragung zur eigenen Selbstdarstellung endete mit Fragen, die den Reflektionsgrad der Interviewten offen legen sollten. Sie wurden explizit danach gefragt, wie viel sie über ihre Selbstdarstellung bei der Erstellung ihrer Profilseite nachgedacht hatten, welche Intentionen sie dabei verfolgt hatten und wie genau sie bei der Auswahl der einzelnen Profilelemente vorgegangen waren. Abschließend wurden sie befragt, welchen Eindruck sie mit ihrem Online-Profil von ihrer Person erzeugen
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wollten. Dabei sollten sie auch angeben, welche Relevanz eine positive und vertrauenswürdige Selbstdarstellung zum einen für den Nutzer selbst und zum anderen für die Betrachter eines Online-Profils hat. Außerdem wurde gefragt, ob die Erstellung des Online-Profils die Interviewten dazu gebracht hatte, mehr über ihre eigene Person und ihre Außenwirkung nachzudenken. Um zu erfahren, ob die Interviewten für eine wahrheitsgemäße Selbstdarstellung plädieren oder durchaus dazu neigen, Informationen zu beschönigen bzw. sogar zu verfälschen, wurden die Teilnehmer explizit auf die Korrektheit ihrer publizierten Informationen angesprochen. Des Weiteren wurden sie gefragt, ob sie von anderen Teilnehmern eine wahrheitsgemäße Selbstdarstellung erwarten. Der dritte Teil des Interviews beschäftigte sich mit der Bewertung fremder Online-Profile. Diesbezüglich wurden die Interviewten gefragt, welche Profilelemente für sie zur Eindrucksbildung wichtig sind. Um den Prozess der Rezeption fremder Online-Profile möglichst umfassend abbilden zu können, bekamen die Versuchspersonen zwei verschiedene Online-Profile der Site StudiVZ vorgelegt. Männliche Interviewte betrachteten dabei Online-Profile männlicher Nutzer und weibliche Probanden die von weiblichen Internetnutzern, um vor dem Hintergrund möglicher Vergleichsprozesse bei der Eindrucksbildung eine hohe Zugänglichkeit zu gewährleisten. Bei der Auswahl der zwei Profile wurde darauf geachtet, dass diese hinsichtlich der Nutzung diverser Profilelemente recht unterschiedlich ausfielen: Das erste Profil zeigte eine sehr attraktive Person, die eine besonders hohe Anzahl an Freunden hatte und zudem in viele Gruppen eingetreten war (vgl. Abb. 1). Das zweite Profil war hinsichtlich des Profilfotos, der Freundesliste sowie der Anzahl der Gruppen relativ unauffällig und präsentierte lediglich durchschnittliche Informationen. Hier zeigte sich jedoch deutlich anhand der Beschreibung der privaten Informationen, dass die beschriebene Person bereits eine sehr erfolgreiche Karriere hinter sich gebracht hatte. Beispielsweise arbeitete der männliche Profilinhaber bereits als Pilot bei einer großen Luftfahrtgesellschaft, während die weibliche Nutzerin eine erfolgreiche Karriere als Journalistin vorzuweisen hatte. Die Versuchspersonen wurden gebeten, laut über diese Profile und die damit beschriebenen Personen nachzudenken.
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Abb. 1a: Beispiel-Profil auf der Website StudiVZ (Privatdaten wurden aus Anonymitätsgründen unkenntlich gemacht)
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Abb. 1b: Beispiel-Profil auf der Website StudiVZ (Privatdaten wurden aus Anonymitätsgründen unkenntlich gemacht)
Ergebnisaufbereitung
Die Analyse der transkribierten Text-Dokumente wurde mit Hilfe der Auswertungssoftware ATLAS.ti durchgeführt. Im Zentrum der Auswertung stand dabei zunächst eine zusammenfassende Interpretiertechnik. Ziel der Analyse war es, das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten blieben, aber dennoch ein überschaubarer Korpus geschaffen wurde, der immer noch in der Lage war, das Grundmaterial umfassend abzubilden. Bei den Fragen zur Selbstdarstellung wurden bspw. jene Aussagen zusammengefasst und unter eine Oberkategorie geordnet, die sich inhaltlich mit einem ähnlichen Aspekt beschäftigen (z. B. der Bewusstheit der Selbstdarstellung). So konnten nach und nach einzelne Bausteine mit verschiedenen Textelementen entwickelt werden, die in der Rückprüfung des gesamten Materials eine Zusammenfassung des gesamten Textkorpus abbildeten. Nachdem das Material innerhalb von ATLAS.ti reduziert wurde, wurde eine zweite
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qualitative Technik angewendet, die Mayring (1997) als Explikation beschreibt. Der Grundgedanke der Explikation besteht darin, zusätzliches Material zu den einzelnen bereits reduzierten Textauszügen hinzuzufügen, um diese besser erklären zu können und deutlich zu machen. Dies wurde jedoch nur an Stellen durchgeführt, bei denen die bisher gesammelten Textbausteine nicht in der Lage waren, die Kategorie inhaltlich zu erklären. Abschließend wurde mit der letzten qualitativen Technik, der Strukturierung, ein Kategoriensystem entwickelt. Dabei wurde vornehmlich auf eine induktive Kategorienbildung zurückgegriffen, denn sie ermöglichte eine gegenstandsnahe Abbildung des Materials ohne Verzerrungen durch Vorannahmen des Forschers. Einschränkend muss jedoch auch betont werden, dass durch die vorformulierten Fragen des Interviewleitfadens die inhaltliche Ausrichtung der Kategorien geleitet wurde. Dennoch war die Auswertung gegenüber neuer Thematiken offen und so konnten auch Inhalte berücksichtigt werden, die zuvor vom Interviewer nicht erwartet wurden. Nachdem erste Kategorien herausgearbeitet wurden, wurden dann im Folgenden die Textstellen im Material gekennzeichnet, in denen eine bestimmte Kategorie erneut angesprochen wurde. Diese Fundstellen wurden durch Notierung der Kategoriennummer am Rand des Textes markiert. Die Erstellung des Kategoriensystems diente der abschließenden inhaltlichen Strukturierung des Datenmaterials, deren Ziel es ist, bestimmte Themen, Inhalte und Aspekte aus dem Textkorpus herauszufiltern und zusammenzufassen. Für die vorliegende Untersuchung ließen sich vier große Kategorien ermitteln: 1. Bewusstheit der Selbstdarstellung: Dieser Kategorie wurden alle Aussagen zugeordnet, die sich mit der Bewusstheit der Selbstdarstellung in OnlineProfilen von sozialen Netzwerken beschäftigen. Berücksichtigt wurden sämtliche Passagen, die Aufschluss darüber gaben, wie bewusst oder unbewusst sich Menschen darüber sind, was sie auf der Profilseite über sich und ihre Persönlichkeit publizieren. 2. Art der Selbstdarstellung: Diese Kategorie umfasst all jene Aussagen, die beschreiben, was für einen Eindruck die Interviewten über ihr Online-Profil vermitteln wollen. Hierbei wurde auch berücksichtigt, wie nahe die virtuelle Selbstbeschreibung an der Realität ist, d. h., ob Personen dazu tendieren, die Selbstdarstellung auf dem Online-Profil von der „Face-to-Face“-Selbstdarstellung abzuheben und Informationen zu beschönigen oder zu verfälschen.
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Elemente der Selbstdarstellung: Diese Kategorie schließt all jene Aussagen ein, die sich damit auseinandersetzen, welche Profilelemente für die eigene Selbstdarstellung als besonders wichtig erachtet werden und wie sie beschaffen sein müssen, um die gewünschte Wirkung gemäß der Angaben der Interviewten zu erreichen. Eindrucksbildung bei anderen Online-Profilen: Diese Kategorie fokussiert nicht die individuelle Selbstdarstellung der Interviewten, sondern deren Bewertung anderer Profile. In diese Kategorie wurden vor allem die Aussagen aus den „Denk-laut“-Protokollen einbezogen. Berücksichtigt wurden zudem Aussagen zu den Profilelementen, die bei der Eindrucksbildung eingesetzt werden.
Ergebnisse Allgemeine Nutzungsmuster und Motivationen
Die Interviewten berichteten durchweg, dass andere Studierende sie darauf aufmerksam gemacht haben, sich ein Online-Profil im sozialen Netzwerk StudiVZ anzulegen. Zehn der Befragten aktualisierten dieses Profil häufiger als vierteljährlich, sieben der Teilnehmer veränderten die Informationen auf ihrem Profil sogar häufiger als einmal im Monat. Die Gründe für die Aktualisierung lassen erste Schlüsse auf eine weitere relevante Kategorie zu: die Bewusstheit der Selbstdarstellung. Denn bereits bei der Frage nach den Gründen der regelmäßigen Aktualisierung wurde deutlich, dass die Teilnehmer sehr reflektiert mit der Profilgestaltung umgehen: „Einmal, weil ich denke, dass mein (Profil-)Foto scheiße aussieht. Und das Andere: ich aktualisiere auch meine Hobbies. Momentan habe ich da gar nichts drin stehen. Aber vielleicht wird es ja noch mal wichtig und dann ändere ich das wieder. Dann passt das wieder besser zu mir. Was immer aktuell sein sollte, ist das Foto und der Beziehungsstatus. Die Leute müssen schließlich wissen, was eigentlich mit mir los ist und wie ich gerade aussehe.“ (weiblich, 22 Jahre)
Die am häufigsten genutzten Profilelemente sind nach Aussagen der Teilnehmer die Nachrichtenfunktion (d. h. die Möglichkeit, Privatnachrichten an andere Profilinhaber zu schicken [acht Nennungen]) sowie die Möglichkeit, private Fotoalben (sechs Nennungen) anzulegen. Bewusstheit der Selbstdarstellung und Art der Selbstdarstellung
Die Ergebnisse zu den beiden Kategorien werden in einem Abschnitt präsentiert, da Fragen und Antworten zu diesen Thematiken unmittelbar verbunden werden können. Antworteten Probanden auf die Frage nach der Bewusstheit der Selbstin-
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szenierung (Forschungsfrage 1), gaben sie stets auch an, welchen Eindruck sie mit ihrem Online-Profil erzeugen wollen (Forschungsfrage 2). Denn eine bewusste Reflektion der Selbstdarstellung ermöglicht auch erst die Darstellung der Selbstdarstellung, die für ein Online-Profil ausgewählt wurde. Zunächst wurden die Interviewten gefragt, wie wichtig es für sie ist, einen guten Eindruck über ihr Online-Profil zu vermitteln und ob sie mit dem Eindruck, den sie aktuell mit ihrem Profil erzeugen, wirklich zufrieden sind. Acht von zwölf Teilnehmern antworteten, dass sie bewusst versuchen, sich in ein positives Licht zu setzen, aber dass diese Selbstdarstellung stets realistisch sein sollte. Sie gaben zudem an, sich viel Gedanken über die eigene Selbstdarstellung zu machen. „Also, ich will schon einen Eindruck erzeugen, dass man weiß, wer ich wirklich bin, deshalb auch die vielen Informationen und so, und im Grunde sind das ja auch wirklich alle meine Interessen, und da ist eben zu sehen, was mich eben so ausmacht. Ich versuche Leuten auf jeden Fall nicht etwas vorzugaukeln, was ich nicht wirklich bin.“ (weiblich, 24 Jahre)
Dabei war auffällig, dass von den acht Teilnehmern sechs Personen weiblich waren. Sie betonten, dass sie es sich nicht zum Ziel gemacht haben, andere Nutzer mit den ausgewählten Informationen zu täuschen, wobei sie sich der Möglichkeit durchaus bewusst waren. Besonders Gruppennamen böten sich an, falsche Eindrücke von einer Person zu erzeugen. Eine 22-jährige Frau gab an, dass sie ein „realistisches Bild abgeben will, nichts Übertriebenes. Ich würde zum Beispiel keine Fotos veröffentlichen, die jemanden auf falschen Gedanken kommen lassen.“ Die anderen vier Teilnehmer, die weniger reflektiert über ihre Selbstdarstellung Auskunft gaben, waren männliche Interviewte. Entlang ihrer Aussagen konnte festgestellt werden, dass sie eine wesentlich geringere Priorität auf eine bewusst inszenierte Selbstdarstellung legten: „Wenn man meine ganzen Alkoholiker-Fotos sieht, dann ist das eigentlich nicht möglich [einen guten Eindruck zu bekommen, N. H.]. Also, die sind jetzt nicht kriminell oder so. Ich habe da Fotos von Mallorca drin, also, nicht ich selber, sondern ich bin auf diesen Fotos verlinkt, und da mache ich trotzdem die Verlinkung nicht weg extra. Warum auch? Ist doch eigentlich egal. Ja, also, das bin ich halt eben so, glaube ich.“ (männlich, 24 Jahre).
Auch die Antworten der männlichen Teilnehmer zeigen, dass Authentizität für die eigene Selbstdarstellung als sehr relevant erachtet wurde, auch wenn bei ihnen deutlich wurde, dass sie weniger zielgerichtet die eigene Selbstdarstellung planten. Ein 23-jähriger männlicher Teilnehmer ergänzte, dass er keinen „speziellen Eindruck erzeugen will. Wenn Leute sich für mein Profil interessieren, dann tun sie es. Wenn nicht, dann nicht. Ich kümmere mich nicht um ihre Kommentare.“ Für diese interviewten Männer stand das kommunikative Element des Online-Profils im Vordergrund der Nutzung, was dadurch deutlich wurde, dass drei der vier Män-
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ner angaben, das Netzwerk vornehmlich für den Austausch mit anderen Personen zu nutzen (was gleichzeitig dem zweithäufigsten Motiv entsprach, das genannt wurde). Zwei Teilnehmer gaben an, dass sie auch nur wenige Profilelemente wirklich nutzen würden, sondern lediglich die Grundeinstellungen wählten, um dann das Profil zur Kommunikation zu nutzen. Die Interviewten wurden des Weiteren gefragt, ob die Erstellung ihres OnlineProfils sie dazu gebracht habe, mehr über sich und ihre Persönlichkeit nachzudenken. Diese Frage diente vor allem der Ergründung der Grenzen der Selbstreflektion während der Selbstbeschreibung. Dabei zeigte sich, dass die sechs Teilnehmer (fünf Frauen, ein Mann), die schon bei den vorherigen Fragen angaben, sehr intentional und reflektiert bei der Selbstinszenierung vorgegangen zu sein, auch diese Frage unmittelbar bejahten. Vier Frauen gaben an, dass sie längere Zeit dafür benötigt hätten, die Informationen zusammenzustellen. Eine 23-jährige Frau gab sogar an, dass sie die Profilerstellung dazu gebracht habe, mehr über ihr eigenes Leben nachzudenken sowie darüber, welche Informationen sie von anderen Personen abheben könnten: „Ich hab geistig mein Leben vor mir abgespielt und mich gefragt: Wer bin ich eigentlich? Und was macht mich eigentlich aus? Welche Informationen beschreiben meinen Charakter am besten?“
Die Aussagen dokumentieren, dass die Teilnehmer sehr reflektiert bei der Gestaltung des eigenen Online-Profils agieren, jedoch muss einschränkend darauf aufmerksam gemacht werden, dass die vier bereits oben beschriebenen Männer diese Frage verneinten. Sie sagten aus, dass sie „einfach schnell die Informationen zusammenstellten und online stellten“ (männlich, 22 Jahre). Elemente der Selbstdarstellung
Die dritte Forschungsfrage bezog sich konkret auf die wichtigsten Profilelemente für die eigene Selbstdarstellung. Um zwischen der Bedeutung unterschiedlicher Profilelemente für die Selbstdarstellung abzuwägen, wurden die Probanden nach der Bedeutung von Fotos, der Freundesliste, privaten Informationen und den Gruppennamen befragt. Sechs Frauen gaben bezüglich des Profilfotos an, dass sie dieses sehr genau aussuchen und dass es einen positiven, aber realistischen Eindruck von ihrer Person vermitteln sollte. Fünf von ihnen betonten zusätzlich, dass sie insgesamt Fotos, auf denen sie im Internet erscheinen, kontrollieren wollen und dass es ihnen sehr unangenehm ist, wenn private Fotos von ihnen durch fremde Personen ins Netz gestellt werden bzw. wenn sie einfach auf Fotos verlinkt werden.
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„Ich hab schon bewusst ein Foto ausgewählt, und zwar so, dass ich gut drauf aussehe. Das ist doch klar. Es ist zwar kein professionelles Foto, aber auch keins, auf dem ich scheiße aussehe. Sonst würde ich es auch nicht anderen Leuten zeigen. Das macht doch niemand.“ (weiblich, 24 Jahre)
Es zeigte sich erneut, dass Männer und Frauen bezüglich der Selbstinszenierung unterschiedliche Positionen beziehen. Drei Männer gaben an, dass sie sich keine Sorgen machen, auf Online-Fotos einen schlechten Eindruck zu erzeugen. Gerade auch bei verlinkten Fotos gaben männliche Teilnehmer an, keine Bedenken zu haben, da „niemand weiß, dass ich die Person auf dem Foto bin. Was soll da schon passieren?“ (männlich, 26 Jahre) Vor dem Hintergrund einer Bewertung des Profilfotos wurde von den Interviewten häufig das Thema „Verlinkung auf Fotos“ angesprochen, obgleich dies nicht explizit im Leitfaden thematisiert wurde. Diesbezüglich wurde deutlich, dass besonders weibliche Interviewte es als sehr unangenehm empfinden, auf Fotos von anderen Profilinhabern verlinkt zu werden, während die männlichen Teilnehmer das Thema nicht direkt ansprachen. Besonders der Kontrollverlust wurde von den Teilnehmerinnen negativ bewertet. „Ich habe Verlinkungen weggenommen oder habe ich die Leute gebeten, diese Fotos rauszunehmen. Ich empfinde dabei echt Ärger, naja, fast auch Scham. Ich möchte das eigentlich nicht. Teilweise dachte ich: Muss das jetzt sein? Und teilweise fand ich das ganze Foto einfach nur unangenehm. Das ist mir echt peinlich.“ (weiblich, 23 Jahre)
Das nächste relevante Profilelement, welches hinsichtlich der Bedeutung für die eigene Selbstdarstellung untersucht wurde, war die Freundesliste. In der bisherigen Forschungsliteratur (vgl. Boyd/Ellison 2007: 220) wurde stets die Bedeutung der Freundesliste für die Selbstdarstellung betont. In den qualitativen Interviews zeigte sich, dass die Interviewten sehr kritisch zur Freundesliste Position bezogen: Sieben der Interviewten gaben an, dass die Zahl an Kontakten, die eine Person auf ihrem Profil präsentiert, relativ wenig Bedeutung hat und keine Aussagen über die soziale Integration einer Person zulässt. Ein Grund für diese geringe Bedeutung wurde von den Interviewten darin gesehen, dass man als Betrachter eines Online-Profils nicht einschätzen kann, ob es sich bei den Freunden in der Liste um ‚echte‘ Freunde oder nur um flüchtige Bekannte handele. „Es heißt ja, StudiVZ missbraucht den Begriff einer Freundschaft, und das ist auch wohl so. Also, ich lehne viele Freundschaften ab, von Leuten, die ich jetzt nur so aus der Grundschule kenne. Ich hab 99 Freunde, aber davon kenn ich 20 noch richtig persönlich. Am Anfang habe ich eben jeden angenommen, mittlerweile ist das anders. Ich muss nicht 200 Freunde haben.“ (männlich, 23 Jahre)
Zudem bezeichneten vier Teilnehmer diejenigen Personen, die besonderen Wert auf eine hohe Zahl an Freundschaften im StudiVZ legen, als „Freunde-Sammler“. Sie nannten diesen Ausdruck im Zusammenhang mit der Frage nach dem Wert der
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Freundesliste für die eigene Selbstdarstellung. Es war auffällig, dass niemand der Interviewten angab, die Zahl der bestätigen Kontakte aktiv erhöhen zu wollen: „Die Anzahl der Freunde sollte nicht überbewertet werden. Man kann nicht kontrollieren, welche Verbindung im realen Leben zwischen den Personen besteht.“ (männlich, 32 Jahre) Dennoch gab es zwei Frauen, die aussagten, sich unwohl bei dem Gedanken zu fühlen, lediglich eine kleine Anzahl an Freunden auf der Liste führen zu müssen. „Klar möchte man nicht nur 10 bis 20 Freunde haben, weil dann sieht es ja so aus, als wäre man ein Außenseiter und hätte gar keine Freunde. Das ist dann auch wieder doof und auch ein bisschen peinlich irgendwie, aber naja, ist halt schwer zu bewerten, was das richtige Maß an Freunden ist.“ (weiblich, 23 Jahre)
Die beiden Teilnehmerinnen gaben zwar an, dass es ihnen peinlich wäre, dann als ein Außenseiter verstanden zu werden, schränkten diese Befürchtung aber insofern ein, als dass beide erkannten, dass man aus der bloßen Zahl an Freunden keine weitergehenden Rückschlüsse über eine Person ziehen kann. Die Teilnehmer wurden außerdem zur Bedeutung der privaten Informationen befragt, die auf einem Online-Profil angegeben werden können (z. B. der Name, die Adresse, den bisherigen Lebenslauf, Lieblingsmusik, Lieblingsfilm, Hobbies und Beziehungsstatus). Vier männliche Interviewte gaben an, dass es sehr wichtig für sie wäre, diese Informationen ausführlich zu nutzen, denn „diese Sachen erzählen ja am meisten über eine Person“ (männlich, 32 Jahre). Ein Großteil der weiblichen Interviewteilnehmer maß den persönlichen Informationen eher eine untergeordnete Rolle bei (fünf Teilnehmerinnen). Sie argumentierten, dass die „bloßen Fakten eh nichts aussagen“ (weiblich, 22 Jahre). Für sie seien Profilelemente wie Fotos oder sogar die Anzahl der Freunde aussagekräftiger. Die männlichen Teilnehmer gaben hingegen an, dass gerade der Lebenslauf Rückschlüsse auf die Karriere einer Person zulässt, was sie als wichtig empfanden. Abschließend wurden die Teilnehmer nach der Wahl ihrer Gruppen befragt. Neun der zwölf Befragten erklärten, dass es sehr wichtig wäre für die eigene Selbstdarstellung, die Auswahl der Gruppen genau zu überdenken. Die Bedeutung von Gruppen für die Selbstdarstellung wurde sogar von allen Teilnehmern – unabhängig vom Geschlecht – genannt. Dabei ist auffällig, dass die eigentliche Gruppenfunktion, d. h. die Interaktion mit Personen zu einem bestimmten Thema bzw. das Austauschen von Erfahrungen, Meinungen und Ansichten zu einer bestimmten Thematik, nicht als zentral verstanden wird. Vielmehr gehe es bei der Nutzung von Gruppen darum, den Namen der Gruppe zu nutzen, um Vorlieben, Interessen und Meinungen auf dem eigenen Profil darzustellen. Drei der Befragten gaben sogar an,
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dass ein Gruppenname mehr über eine Person aussagt als die privaten Informationen auf dem Online-Profil. Dies erklärt zugleich auch, warum die Teilnehmer sehr besorgt sind, in den ‚richtigen‘ Gruppen zu sein: „Es gibt ein paar Gruppen, die zeigen, in welchen Bereichen ich mich im Alltag bewege, eine Studiengangs-Gruppe zum Beispiel. Das nutze ich dann, um mich auszutauschen. Und dann gibt’s da noch Gruppen, die ich einfach lustig finde, also so nach ‚Spaß und Fun’-Faktor aussehen. Wenn man dann eine Gruppe hat wie ‚Alleine Duschen ist doof‘ oder so, dann macht man sich doch schon so ein sehr konkretes Bild von dem Menschen.“ (weiblich, 24 Jahre) „Der Titel der Gruppe sagt viel aus, wie originell der ist, wie sehr der mir entspricht, und auch die Beschreibungen der Gruppe sind wichtig für mich. Teilweise spiegeln eben die Gruppen den Charakter einer Person wider.“ (männlich, 22 Jahre)
Eindrucksbildung bei anderen Online-Profilen
Nach der Beschreibung der Selbstdarstellung im eigenen Online-Profil wurden die Interviewten abschließend zur Rezeption fremder Profile befragt. Die vierte Forschungsfrage fokussierte vor diesem Hintergrund, wie Personen andere Profilbesitzer bewerten und welche Profilelemente dafür entscheidend sind. Zehn der zwölf Interviewten nahmen an, dass andere Nutzer von sozialen Netzwerken nicht davor zurückschrecken, falsche oder verzerrende Informationen auf ihre Profilseite zu laden. Es wurde angenommen, dass „Personen sich besser präsentieren, als sie in Wirklichkeit sind“ (weiblich, 22 Jahre), und dass Personen bei Informationen zu ihrem Lebenslauf überdurchschnittlich häufig übertreiben. Ein männlicher Teilnehmer (23 Jahre) gab an, dass viele Leute sehr bewusst StudiVZ nutzen, um „Impression Management mit viel Verzerrung und Fake-Information“ zu betreiben. Aus diesem Grund könne man den dort dargebotenen Informationen auch nur bedingt vertrauen. „Die Infos sind eben nur teilweise mit der Realität zu vergleichen.“ (weiblich, 24 Jahre) Um mögliche Verfälschungen aufzudecken, vertrauen die Interviewten auf weitere Informationen aus dem Internet über die jeweilige Person. Dabei könnten unter anderem auch die verlinkten Fotos hilfreiche Informationen liefern: „Die verlinkten Fotos zeigen mal so richtig die Wahrheit. Da kann man sehen, wie die Person in Realität ist. Da kommt schon mal die Wahrheit mehr rein, und oft wird deutlich, dass der Schein auf dem eigenen Profil doch trügt.“ (weiblich, 23 Jahre)
In allen Interviews wurde deutlich, dass – trotz der generell geäußerten Skepsis bezüglich der Korrektheit der publizierten Informationen – Fotos und Gruppennamen die wichtigsten Informationen zur Beurteilung einer fremden Person liefern. Allgemein betonten die Interviewten, dass dieselben Profilelemente, die für die eigene Selbstdarstellung wichtig sind, auch für die Eindrucksbildung bei fremden Profilen herangezogen werden. Es wurde erneut deutlich, dass Männer einen höhe-
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ren Stellenwert auf die persönlichen Informationen zu einer Person und speziell zur Karriere der Person legen („besonders der gezeigte Lebenslauf sagt viel über die Person aus“ [männlich, 24 Jahre]), während die weiblichen Teilnehmer angaben, dass Fotos und die Gruppennamen für die Eindrucksbildung am bedeutsamsten wären. Auf die Frage „Welche Profilelemente sind für die Beurteilung einer Person wichtig?“ wurde bspw. die Antwort gegeben: „Erstens die Fotos, die man sich dann auch angeschaut hat, vor allem die verlinkten Fotos und die Alben. Die Gruppen sind auch wichtig. Wenn ich sehe, dass ich bis ganz unten scrollen muss, um nach unten auf das Profil zu kommen, dann fällt das schon auf.“ (weiblich, 23 Jahre) „Das sind zum einen die Bilder, aber vor allem die Gruppen. Mittlerweile ist es doch schon so, dass die Leute mehr über die fremden Gruppen preisgeben. Ich hab den Eindruck, dass man über Gruppen mehr über den Geschmack einer Person erfährt, als wenn die Person selber Text verfasst. Profilfotos sind dann auch noch oft geschönt, da erfährt man dann ja gar nichts.“ (weiblich, 22 Jahre)
Um eine direkte Bewertung von fremden Online-Profilen erfassen zu können, wurden den Teilnehmern jeweils zwei verschiedene Profile ihnen vollkommen fremder Personen vorgelegt. Sie sollten diese Person in Form des lauten Denkens bewerten und hinsichtlich ihrer Persönlichkeit einschätzen. Bei der Darbietung der Profile, deren Profilfotos auf ausgesprochen attraktive Profilinhaber schließen ließen (vgl. Abb. 1), konnte anhand der Aussagen der weiblichen Teilnehmer eine allgemeine Skepsis bezüglich der Korrektheit der dort abgebildeten Informationen festgestellt werden. Eine 23-jährige Interviewte sagte beispielsweise, dass sie nicht daran glaube, dass die abgebildete Frau auch in der Realität so attraktiv ist: „Ich glaube, da ist vieles übertrieben. Wer posiert denn so schon in eine Kamera?“ Auch andere weibliche Teilnehmerinnen waren sich sicher, dass das Profilfoto nicht die Person wahrheitsgemäß abbilde und dass auch andere Angaben des Profils unstimmig seien: „Die ist eine Partymaus und gibt sich auf eine sehr extreme, fast schon merkwürdige Art preis. Es scheint ihr gar nichts auszumachen, was da drin steht. Schon allein der Fake-Name ‚Sternchen’ ist doch total drüber. Die will sich sicher nur präsentieren. (weiblich, 24 Jahre)
Auffällig war, dass die Einschätzung der Person über das Profil von allen sechs Teilnehmerinnen in einem negativen Eindruck endete. Zwei Teilnehmerinnen (23 und 24 Jahre) gaben an, das Mädchen als „unsympathisch“, „oberflächlich“ und „billig“ einzuschätzen; eine weitere Interviewte bezeichnete die Profilinhaberin sogar als „billiges Flittchen, die leicht zu haben ist“ (22 Jahre). Die männlichen Teilnehmer waren bei der Betrachtung des sehr attraktiven männlichen Profils mit ihren Einschätzungen deutlich zurückhaltender. Ein 32-jähriger Teilnehmer gab an, schon davon auszugehen, dass „der Typ so attraktiv ist”. Dennoch zeigte sich auch bei
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zwei Teilnehmern eine deutliche Skepsis bezüglich der dargebotenen Informationen: „Also, von meinen Freunden würde ich sagen, dass sie sich jetzt so präsentieren, wie sie wirklich sind. Von anderen kann man aber sagen, dass sie alles verfremden. Es gibt Typen, die schreiben, die sind solo, dabei weiß man ganz genau, die haben eine Freundin.“ (männlich, 23 Jahre)
Generell waren die männlichen Teilnehmer unkritischer bei der Einschätzung des attraktiven Profilinhabers. Drei von sechs Männern schätzten, dass der Profilinhaber „sehr sportlich“ (23 Jahre) sei bzw. „viel Sport macht, um so auszusehen“ (32 Jahre), was aber von den Beurteilern nicht als negatives Kriterium gesehen wurde. Bei der Beurteilung des zweiten Profils zeigte sich bei den weiblichen Teilnehmerinnen eine deutlich positivere Einschätzung der Profilinhaberin: Die gezeigte Frau wurde als „nett“, „schüchtern“ und als „ganz normal“ eingeschätzt. Es wurde deutlich, dass die geringere physische Attraktivität, die durch das Profilfoto deutlich wurde, gleichzeitig auch mit einer wahrheitsgemäßen Selbstdarstellung auf Seiten der Profilbesitzerin assoziiert wurde. „Die ist ’ne ganz Liebe, da bin ich sicher. Da gibt‘s keinen Schnick-Schnack drum herum. Die ist so, wie sie ist. Eben ein wenig schüchtern, vielleicht auch eher zurückhaltend, aber sicher nett und freundlich. Das sieht man schon am Foto.“ (weiblich, 23 Jahre)
Die Tatsache, dass die Profilinhaberin eine geringere Anzahl an Freunden in ihrer Freundesliste hatte und dass sie nur wenige aussagekräftige Gruppen aufwies, führte ebenfalls nicht zu einer negativen Bewertung. Sie wurden als weitere Indizien aufgefasst, dass es sich bei diesem Profil „um kein Fake-Profil, sondern um die Wahrheit, so wie sie nun halt ist“ (weiblich, 23 Jahre), handelte. Dass die zweite Teilnehmerin bereits eine ausgewiesene Journalistin war, die schon in jungen Jahren über eine hohe Anzahl an Zusatzqualifikationen verfügte, wurde dagegen von keiner der sechs Teilnehmerinnen thematisiert. Die Einschätzungen zur Person der Profilinhaberin basierten in erster Linie auf dem Profilfoto und den Gruppenmitgliedschaften. Dies bestätigt die Relevanz bestimmter Profilelemente bei der Selbstdarstellung. Diskussion Bezüglich der Art der Selbstdarstellung zeigte sich, dass die Interviewten durchaus reflektiert über die eigene Selbstdarstellung im Online-Profil Auskunft geben können und die Auswahl einzelner Profilelemente auch als intentional getroffene Auswahlentscheidungen kommunizieren (Forschungsfrage 1). Dieses Ergebnis bestätigt Studien, die im Rahmen von Selbstauskünften die Motive der Nutzung sozialer Netzwerk eruieren, wie bspw. die Studie von Raacke/Bonds-Raacke (2008: 169).
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Diese Untersuchungen gehen davon aus, dass Netzwerk-Nutzer über ihre Motivation zur Nutzung der jeweiligen Site reflektiert Stellung beziehen können, und argumentieren damit entlang des Uses-and-Gratification-Ansatzes. Sie verstehen den Nutzer als aktives, zielorientiertes Subjekt, welches entsprechend seiner Bedürfnisse bestimmte Inhalte auswählt. Die Selbstdarstellung in Online-Profilen ist ein zentrales Motiv der Nutzung von sozialen Netzwerken, wie diverse Studien zeigen (vgl. Krämer/Winter 2008: 96). Der in den Interviews geäußerte intentionale Umgang ist eine Bestätigung all jener Studien ist, die unter diesem Paradigma das Nutzungsverhalten von Internetnutzern erklären wollen. Dabei fiel außerdem auf, dass weibliche Teilnehmer besonders selektiv bei der Auswahl des eigenen Profilfotos und der Gruppennamen vorgehen, während Männer der Beschreibung persönlicher Informationen und des eigenen Lebenslaufs einen größeren Stellenwert beimessen. Insgesamt artikulierten Männer weniger Reflektion und strategische Selbstinszenierung, als dies für die Frauen im Rahmen der qualitativen Interviews der Fall war. Die unterschiedlichen Befunde können hier vor allem durch die unterschiedliche Motivation, ein Profil zu führen, erklärt werden. Männliche Teilnehmer betonten, ihre eigenen Profile primär für den kommunikativen Austausch mit anderen Nutzern einzusetzen, was einen Erklärungsansatz dafür liefert, dass sie unbekümmerter mit der eigenen Selbstdarstellung umgehen als dies für Frauen zutrifft. Eine neuartige Erkenntnis bezieht sich konkret auf die Art des Eindrucks, den die Nutzer mit Hilfe ihres Profils anderen Profilbetrachtern vermitteln wollen (Forschungsfrage 2): Unter den Teilnehmern der qualitativen Interviews bestand relative Einigkeit darüber, dass ein realistischer Eindruck präferiert wird. Dies mag vor dem Hintergrund der absoluten Kontrolle über die Profilelemente verwundern – bestünde doch die Möglichkeit, durch die manuelle Eingabe jedwedes Profilelement nach Belieben zu variieren (vgl. Gosling et al. [2007: 354-355]). Allerdings muss auf den Aspekt der sozialen Erwünschtheit in der Interviewsituation verwiesen werden: Die Interviewten dürften in Gegenwart einer fremden Person nur ungern eingestehen, in ihre Profile Falschinformationen hochzuladen. Die nächste Kategorie beschäftigte sich mit den Elementen der Selbstdarstellung in Online-Profilen (Forschungsfrage 3). Es stellte sich heraus, dass, unabhängig vom Geschlecht, Gruppennamen für die eigene Selbstpräsentation eine außerordentliche Rolle einnehmen. Wie schon in einer quantitativen Befragung von Haferkamp/ Krämer (2009) nachgewiesen werden konnte, sind Gruppennamen weniger Instrument interpersonaler Kommunikation als vielmehr Baustein einer kreativen Selbst-
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beschreibung. In Bezug auf den Geschlechtervergleich wurde außerdem deutlich, dass besonders für Frauen neben Gruppennamen auch Fotos für die eigene Selbstdarstellung bedeutsam sind. Männer präferieren hingegen private Informationen und Informationen über die eigene Karriere. Die Anzahl der Freunde wurde von einem Großteil der Probanden als weniger wichtig erachtet – lediglich zwei Frauen gaben an, dass eine geringe Anzahl an Freunden einen ungünstigen Eindruck erzeugen würde. Dieses Ergebnis ist insofern verwunderlich, als dass bisherige Studien eher einen gegenläufigen Trend dokumentieren. So zeigen Kleck et al. (2008), dass die Freundesliste ein essentieller Bestandteil der sozialen Beurteilung von Profilinhabern ist. Auch Tong/Van Der Heide/Langwell/Walther (2008: 531) berichten, dass die positive Beurteilung einer Person mit der Anzahl ihrer Freunde in der Freundesliste korreliert. Darüber hinaus wurde in dieser Untersuchung deutlich, dass eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Freunden Zweifel an der Popularität und der sozialen Attraktivität des Nutzers aufkommen lässt, was wiederum übereinstimmt mit den in den Interviews erzielten Erkenntnissen. Denn auch hier legen die Aussagen der Interviewten ein generelles Misstrauen bezüglich der Freundesliste nahe. Diese gaben an, dass nicht ersichtlich sei, ob es sich bei den abgebildeten Freunden nun um Freunde aus dem Alltag handelt oder um solche, die man ausschließlich über soziale Netzwerke kennt. Diese Tatsache veranlasst die Nutzer allgemein dazu, der Freundesliste eine geringere Bedeutung für die Selbstdarstellung beizumessen. Bezüglich der Bewertung anderer Profile zeigte sich, dass die Interviewten wenig Vertrauen in die dargebotenen Informationen auf fremden Profilseiten haben (Forschungsfrage 4). Sie vermuteten, dass andere Nutzer durchaus Daten verfälschen, zu Übertreibungen neigen und ihre Selbstdarstellung beschönigen. Es wurde ausgesagt, dass Nutzer bewusst Profilfotos hochladen, die sie attraktiver wirken lassen. Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, weil die Interviewten sagten, dass sie selbst eine realitätsnahe Selbstdarstellung bevorzugen. Zudem widerspricht das Ergebnis den bereits beschriebenen Befunden von Gosling et al. (2007), nach denen die Betrachtung eines Profils dazu befähigt, realistische Einschätzungen über eine Person abzugeben. Die Annahme, dass andere Netzwerk-Nutzer stärker zur verfälschten Selbstdarstellung neigen als die Interviewten selbst, erinnert an den Dritt-PersonenEffekt, der von Davison (1983) im Kontext der Nutzung von klassischen Massenmedien formuliert wurde. Dieser Effekt besagt, dass Menschen häufig der Ansicht sind, dass andere Personen wesentlich stärker von den Effekten der Medien beeinflusst werden als sie selbst (z. B. bei der Rezeption von Fernsehnachrichten). Auch
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wenn die Hypothesen zum Dritt-Personen-Effekt nicht ganz passgenau sind (denn bei der hier vorliegenden Untersuchung handelt es sich mehr um die Einschätzung der Nutzungsmuster und nicht um mediale Wirkeffekte), so zeigt sich doch auch hier, dass die Interviewten eher anderen Personen eine geschönte Selbstdarstellung unterstellen als sich selbst. Dieses Misstrauen in die gebotenen Informationen anderer Personen belegt aber auch, dass sich die Nutzer der Kontrolle der jeweiligen Elemente überaus bewusst sind und Verfälschungen anderer Nutzer antizipieren. Abschließend soll kurz auf die Grenzen der Interviews eingegangen werden. Bezüglich der externen Validität muss festgehalten werden, dass die Teilnehmerzahl im Rahmen der teilstrukturierten Interviews durchaus als klein, aber im üblichen Rahmen von qualitativen Studien zu bezeichnen ist. Dennoch ist der qualitativen Vorgehensweise eine mangelnde Verallgemeinerbarkeit vorzuwerfen, die die Aussagekraft der Ergebnisse begrenzt. Des Weiteren muss kritisch betrachtet werden, dass der Leitfaden die Inhalte der Interviews mitunter stark beeinflusst und den Freiraum für Gedankengänge der Teilnehmer eingeengt haben könnte. Darüber hinaus waren die gezeigten Profile keiner systematischen Selektion (z. B. durch einen Vortest) unterzogen worden, was jedoch vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Reizmaterial lediglich um eine zusätzliche Stütze handeln sollte und nicht Teil einer z. B. experimentellen Bedingung war, in Kauf genommen wurde. Fazit
Soziale Netzwerke im Internet erlauben eine vielfältige Darstellung der eigenen Person. Verschiedene Features können eingesetzt werden, um den Eindruck, den Betrachter von einem Nutzer bekommen sollen, zu beeinflussen. Der vorliegende Beitrag zeigt im Rahmen qualitativer Leitfadeninterviews die Tendenz, dass Nutzer sehr absichtsvoll bei der Auswahl der veröffentlichten Informationen umgehen, zugleich aber auch misstrauisch gegenüber den Informationen sind, die sie bei der Betrachtung der Seiten anderer Profilbesitzer wahrnehmen. Ein vorteilhafter und positiver Eindruck wird dabei als erstrebenswert angesehen, wobei weibliche Nutzer besonders darauf achten, angemessene Gruppennamen und Fotos für die Selbstdarstellung auszuwählen, während männliche Nutzer dem beruflichen Lebenslauf eine besonders hohe Bedeutung beimessen. Für zukünftige Forschungsbemühungen lässt sich aus den gewonnenen Ergebnissen die Forderung ableiten, weiteren systematischen Zusammenhängen zwischen soziodemografischen Variablen und dem Selbstdarstellungsverhalten nachzugehen. Darüber hinaus sollte auch der Aspekt der Wirkung und Einschätzung von virtuel-
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ler Selbstdarstellung berücksichtigt werden. Gerade vor dem Hintergrund des in den Interviews artikulierten Misstrauens gegenüber fremden Online-Profilen scheint es sinnvoll, zu erforschen, welche Determinanten die Eindrucksbildung bei der Betrachtung von Profilen in sozialen Netzwerken maßgeblich leiten. Literatur: Banczyk, Barbara/Krämer, Nicole/Senokozlieva, Maria (2008): „the wurst“ meets „fatless“ in MySpace. The relationship between personality, nationality and self-presentation in an online community. Vortrag auf der Jahrestagung der International Communication Association (Montreal, Canada, 20.05-26.05.2008). Boyd, Danah/Ellison, Nicole B. (2007): Social Network Sites: Definition, History, and Scholarship. In: Journal of Computer-Mediated-Communication. 13. Jg., H. 1. http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/-boyd.ellison.html (14.10.2009). Boyd, Danah (2006): Friends, friendsters, and top 8: Writing community into being on social network sites. In: First Monday. 11. Jg., H. 12. http://firstmonday.org/issues/issue11_12/-boyd.html (14.10.2009). Buffardi, Laura/Campbell, Keith (2008): Narcissism and Social Networking Web Sites. In: Personality and Social Psychology Bulletin. 34. Jg., S. 1303-1314. Davison, W. Phillips (1983): The third-person effect in communication. In: Public Opinion Quarterly. 47. Jg., H. 1, S. 1-15. Eagly, Alice H./Ashmore, Richard D./Makhijani, Mona G./Longo, Laura C. (1991): What is beautiful is good, but…: A meta-analytic review of the physical attractiveness stereotype. In: Psychological Bulletin. 110. Jg., S. 109-128. Ellison, Nicole B./Heino, Rebecca. D./Gibbs, Jennifer L. (2006): Self-presentation processes in the online dating environment. In: Journal of Computer-Mediated Communication. 11. Jg., H. 2. http://jcmc.indiana-.edu/vol11/ issue2/ellison.html (14.10.2009). Goffman, Erving (1959): The presentation of self in everyday life. Garden City, NY: Double Day. Gosling, Samuel/Gaddis, Sam/Vazire, Simine (2008): First impressions from the environments that we create and inhabit. In: Skowronski, John/Ambady, Nalini (Hrsg.): First Impressions. New York: Guilford, S. 334-356. Haferkamp, Nina (2010): Sozialpsychologische Aspekte im Web 2.0. Impression Management und sozialer Vergleich. Stuttgart: Kohlhammer. Haferkamp, Nina/Krämer, Nicole (2009): “When I was your age, Pluto was a planet”: Impression Management and Need to belong as motives for joining groups on social networking sites. Vortrag auf der Jahrestagung der International Communication Association (Chicago, USA, 21-25.05.2009). Hargittai, Eszter/Shafer, Steven (2006): Differences in Actual and Perceived Online Skills: The Role of Gender. In: Social Science Quarterly. 87. Jg., H. 2, S. 432-448. Jung, Taejin/Youn, Hyunsook/McClung, Steven (2007): Motivations and self-presentation strategies on Korean-based „Cyworld“ weblog format personal homepages. In: CyberPsychology & Behavior. 10. Jg., H. 1, S. 24-31. Kleck, Christine A./Reese, Christen A./Behnken, Dawn Z./Sundar, Shyam. S. (2007): The company you keep and the image you project: Putting your best face forward in online social networks. Vortrag auf der Jahrestagung der International Communication Association (San Francisco, USA, 21.-25.05.2007). Krämer, Nicole/Winter, Stephan (2008): Impression Management 2.0. The relationship of Self-Esteem, Extraversion, Self-Efficacy, and Self-Presentation within Social network sites. In: Journal of Media Psychology. 20. Jg., H. 3, S. 96-106. Leary, Marc R./Kowalski, Robin M. (1990): Impression management: A literature review and two-component model. In: Psychological Bulletin. 107. Jg., H. 1, S. 34-47. Leary, Marc R. (1995): Self presentation. Impression management and interpersonal behavior. Madison, Wis.: Brown & Benchmark Publishers. Marwick, Alice (2005): "I'm a lot more interesting than a Friendster profile:" Identity presentation, authenticity, and power in social networking services. Vortrag auf der Internet Research 6.0 Konferenz, (Chicago, USA, 06.108.10.2005). Mayring, Philipp (1997): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Deutscher StudienVerlag.
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Nutzerbefragung V: „Privacy“ und „Self-Disclosure“ im StudiVZ Jessica Kreutzmann
Eines der wichtigsten Merkmale sozialer Netzwerke im Internet sind die Profile, in denen sich die Mitglieder mit Textangaben und Fotos selbst darstellen. Das hohe Maß an Offenheit und die damit verbundenen Risiken für die Privatsphäre haben zu einer breiten öffentlichen Diskussion geführt, in der immer wieder Unverständnis über die bedenkenlose Preisgabe privater Informationen geäußert wird. Mit der folgenden Studie1 sollte ermittelt werden, welche Arten von Informationen StudiVZ-Mitglieder veröffentlichen, wie die Möglichkeiten des PrivatsphärenSchutzes genutzt werden und wie die Preisgabe persönlicher Informationen von den Mitgliedern selbst wahrgenommen wird. „Das Mitteilen von Informationen über sich selbst“ (Ott 1976: 25), in der Sozialpsychologie als „Self-Disclosure“ bezeichnet, findet im Zeitalter von Chats, Blogs und sozialen Netzwerken zunehmend in virtuellen Räumen statt. Dadurch kann der User z. B. Unterstützung von Gleichgesinnten erfahren, sich selbst präsentieren oder neue Kontakte knüpfen und intensivieren (vgl. Derlega 1984: 4). Die bisherige Forschung konnte bestätigen, dass der Online-Kontext im Gegensatz zur „Face-to-Face“-Situation die „Self-Disclosure“ einer Person erleichtert und fördert (vgl. Joinson 2001; Tidwell/Walther 2002; Misoch 2004). Erklärt wird dies zum einen mit der höheren Anonymität und der damit verbundenen mangelnden
1
Die Studie wurde im Rahmen der Magisterarbeit der Verfasserin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster durchgeführt („Privacy und Self-Disclosure im StudiVZ – Eine Nutzerbefragung zur Veröffentlichung persönlicher Informationen“). Betreuer der Arbeit war Christoph Neuberger.
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Identifizierbarkeit (vgl. Misoch 2006: 138f.), aber auch mit der erhöhten Selbstaufmerksamkeit im Rahmen der computervermittelten Kommunikation (vgl. Joinson 2001: 180). Kritikwürdig an dieser Annahme ist, dass nicht jede Art von computervermittelter Kommunikation und jede Art von sozialer Beziehung gleich zu bewerten ist. So ist davon auszugehen, dass sich Akteure bereits aus dem realen Leben kennen und das Argument der Anonymität somit hinfällig wird. Zudem entstanden gerade im Rahmen von Social Software viele Anwendungen, die nicht auf Anonymität bauen. Dazu gehören auch die sozialen Netzwerke. Anstatt sich hinter Pseudonymen zu verstecken, treten die User zumeist unter ihrem realen Namen auf, laden Bilder vom letzten Urlaub oder der letzten Party hoch und plaudern auf der „Pinnwand“ aus dem Nähkästchen. Doch der hohe Grad der Identifizierbarkeit birgt Risiken. So können auch Außenstehende wie potenzielle Arbeitgeber auf die Daten zugreifen. Vielen ist die Öffentlichkeit nicht bewusst, in der sie sich präsentieren. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass der Eindruck, sich in einer Community zu befinden, in der man von Freunden umringt ist, Sicherheit schafft. Soziale Netzwerke werden daher gern als „digital cocktail-party“ (ENISA 2007: 6) bezeichnet, in der die Mitglieder über die Stränge schlagen und am nächsten Tag mit einem Kater aufwachen. Möglicherweise bleibt dies nicht ohne Folgen. In den letzten Jahren wird zunehmend diskutiert, inwieweit das Internet die Privacy2 einer Person auflöst oder zumindest angreifbar macht: „There are concerns that the internet seems to erode privacy […] and that online privacy concerns are magnified […].“ (Joinson/Paine 2007: 20) Privacy wird in der klassischen Forschung insbesondere als Kontrolle über persönliche Informationen verstanden.3 Doch gerade die Kontrolle über die eigene Information scheint im Internet und dort speziell in sozialen Netzwerken verloren zu gehen. So können Mitglieder nicht mehr nachvollziehen, wer in welchem Umfang Daten über sie sammelt und möglicherweise ohne ihr Einverständ2
3
Der Begriff „Privacy“ wurde gewählt, weil er weitaus umfassender ist und der Komplexität des Sachverhalts mehr Rechnung trägt: „Privacy ist mehr als nur das Private, mehr als nur der Privatbereich und auch nicht durch Datenschutz vollständig abgedeckt.“ (Kuhlen 2004: 177) Zudem hat sich der englische Begriff auch in der deutschsprachigen Literatur mittlerweile durchgesetzt, speziell wenn es um den Bereich der Internetforschung geht (vgl. ebd.). So definiert z. B. Westin (1967: 7): „Privacy is the claim of individuals, groups, or institutions to determine for themselves when, how, and to what extent information about them is communicated to others […].” Oder nach Moore (2005: 182): „It is the right to limit public access to the ‘core self’-personal information that one never discloses- and information that one only discloses to family and friends.”
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nis verwendet. Das Mitglied ist auch nicht davor gefeit, dass seine Daten eines Tages in einem völlig anderen Kontext im Internet erscheinen (vgl. Dwyer/ Hiltz/Passerini 2007: 2). Auf der einen Seite scheinen soziale Netzwerke zwar dem Mitglied mehr Kontrolle über seine Selbstpräsentation zu geben als in der „Face-toFace“-Situation (vgl. Krämer/Winter 2008: 106). Auf der anderen Seite verliert das Mitglied jedoch die Kontrolle darüber, was mit seinen persönlichen Angaben geschieht. „Privacy“ und „Self-Disclosure“ in sozialen Netzwerken im Internet In der amerikanischen Forschung liegen – im Unterschied zum deutschsprachigen Raum – bereits mehrere Studien zu „Privacy“ und „Self-Disclosure“ in sozialen Netzwerken vor.4 Allerdings sind die Ergebnisse eher deskriptiver Natur; selten wird nach den Motiven und Einflüssen der Nutzer beim Veröffentlichen privater Informationen gefragt. Die Nutzer von sozialen Netzwerken wählen ein differenziertes „Self-Disclosure“-Verhalten, und zwar je nach Art der Information und Netzwerkzugehörigkeit. So gaben in einer Befragung von Dwyer/Passerini/ Hiltz (2007: 6) 99% der Facebook-User an, ein Foto von sich in ihrem Profil zu haben, 100% verwenden ihren realen Namen, und 94% geben sogar ihre E-Mail-Adresse preis. Auf der Seite der MySpace-Nutzer haben 100% ein Foto von sich eingestellt, jedoch nutzen lediglich 67% ihren wahren Namen und stellen nur zu 40% ihre EMail-Adresse online. Zurückhaltend waren beide Nutzergruppen jedoch bei der Herausgabe der eigenen Handynummer. So teilten lediglich 38% der Facebookund 6% der MySpace-User ihre Handynummer mit. Aquisti/Gross (2006: 10) kamen in ihrer Befragung von Facebook-Nutzern ebenfalls zu dem Ergebnis, dass zwar 84% ihr Geburtsdatum, aber nur 39% ihre aktuelle Handynummer und 10% ihre Festnetznummer nennen. Offensichtlich erscheinen Kontaktdaten eher schützenswert als andere Informationen. Interessanterweise geben Mitglieder trotz hoher Privacy-Bedenken Informationen von sich preis. Aquisti/Gross (2006: 11) deuten dies als „Privacy Paradox“, welches bedeutet, dass die Einstellung zur Privacy nicht mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmen muss. Jones/Soltren (2005: 20) fanden dagegen heraus, dass Undergraduate-Studierende bei Facebook mehr Informationen veröffentlichen als Graduate-Studierende, was einerseits dadurch erklärt werden kann, dass Undergraduates durch die erhöhte 4
Zum Forschungsstand vgl. den Aufsatz „Soziale Netzwerke im Internet“ (Abschnitt 7.3) in diesem Band.
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Offenheit hoffen, leichter Anschluss zu finden. Vielleicht sind sie auch nur weniger erfahren im Umgang mit Netzwerken und sich der möglichen Konsequenzen weniger bewusst. Eine etwas andere Methode um die Offenheit in Internet-Netzwerken zu erklären, nutzten Swinth/Farnham/Davis (2002: 7f.). Sie luden 417 Personen zu einem Experiment ein und teilten die Versuchsteilnehmer in verschiedene Online-Community-Formen (Gaming, Business, Hobby, Dating) ein. Daraufhin sollten die Teilnehmer ein eigenes Profil erstellen. Das Ergebnis war, dass die Probanden der Dating-Gruppe am meisten preisgaben. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass User eher bereit sind, etwas von sich preis zu geben, wenn sie sich davon tiefere, bedeutungsvollere Verbindungen erhoffen. Der bisherigen Forschung ist also zu entnehmen, dass nicht jede Art von Profilinformation gleich bewertet wird, dass Privacy-Bedenken die Mitglieder nicht davon abhalten, Persönliches zu veröffentlichen, und dass die Art der Offenheit vom Nutzungsmotiv abhängt. Im Folgenden ist zu klären, in wieweit sich die Ergebnisse auf das im deutschsprachigen Raum genutzte StudiVZ übertragen lassen. Sicherung der Privatsphäre im StudiVZ Ein Aspekt, der bei der Diskussion um soziale Netzwerke häufig vergessen wird, ist jener, dass die Mitglieder durch administrative Einstellungen die Möglichkeit haben, private Informationen zu schützen und sie z. B. nur einem ausgewählten Kreis zugänglich zu machen. Im StudiVZ sind diese Einstellungen unter „Meine Privatsphäre-Einstellungen“ zu finden.5 Jeder Nutzer kann unter „Mein Profil“ festlegen, welche Personen seine Profilseite öffnen dürfen. Hierbei kann das Profil für alle, für Angehörige der gleichen Hochschule, für die eigenen Freunde und deren Freunde oder lediglich die direkten Freunde zugänglich gemacht werden. Hat der Nutzer seine Seite z. B. nur für Freunde geöffnet, ist das Profil für alle anderen gesperrt. Sie sehen dann nur das „eingeschränkte Profil“, welches aus dem Profilfoto und -namen sowie dem Namen der Hochschule besteht. Individuell kann das Mitglied auch weitere Informationen in dem eingeschränkten Profil öffentlich machen. Zudem können die Mitglieder entscheiden, wer sie auf Fotos verlinken darf.6 Hierbei kann zwischen „Freunden“, „Freunden mit Zustimmung“ oder „Niemand“
5 6
Im Folgenden werden nur einige wichtige Einstellungsmöglichkeiten vorgestellt. Bei mehreren Personen auf einem Foto können Verlinkungen zu den Profilen der dargestellten Personen gesetzt werden. Dafür muss das Einverständnis der verlinkten Person eingeholt werden. Diese kann die Verlinkung auch wieder löschen.
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gewählt werden. Eine weitere Einstellungsmöglichkeit betrifft den Status beim Besuchen anderer Seiten. So kann man regeln, ob man lieber unsichtbar beim Besuch anderer Profilseiten bleiben möchte oder nicht. Wenn man eine Profilseite besucht hat, wird dies dem anderen Mitglied normalerweise auf der Startseite unter „Wer zuletzt meine Seite gesehen hat“ angezeigt. Bleibt man unsichtbar, erscheint man dort nicht. Dem StudiVZ-Nutzer stehen also mehrere Einstellungen zur Verfügung, um die Zugänglichkeit der Profilseite und die eigene Beobachtbarkeit im StudiVZ zu steuern. Je nach gewünschtem Interaktions- und Kommunikationsbedürfnis können diese Einstellungen zu jeder Zeit individuell reguliert werden. Methodische Vorbemerkungen Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine teilstandardisierte Online-Befragung durchgeführt, da auf diese Weise die Motive und Einstellungen der Nutzer am besten abgebildet werden können. Zudem ist zu erwarten, dass die angestrebte Zielgruppe der Befragung mit der Benutzung des Internets sehr vertraut ist und auch gut über dieses Medium zu erreichen ist. Von daher kann zumindest ausgeschlossen werden, dass technische Barrieren, wie kein verfügbarer Internetzugang oder mangelnde Kenntnisse im Umgang mit dem Computer, die Auswahl verzerren. Der Online-Fragebogen
Der Fragebogen, der mit Hilfe der Software EFS-Survey von Unipark erstellt wurde, war im Zeitraum vom 10. November bis 10. Dezember 2008 auf einem dort abgelegten Server zu erreichen. Der teilstandardisierte Fragebogen bestand aus maximal 34 Fragen,7 von denen 33 geschlossen und eine offen gestellt wurden. Nach den einführenden Fragen zur Dauer der Mitgliedschaft sowie den Nutzungsgewohnheiten und -motiven des StudiVZ wurde nach positiven und negativen Vorerfahrungen sowie dem Vertrauen in das StudiVZ gefragt. Darauf folgten Fragen zum Umfang der Informationen in den Profilen der Befragten (Profilangaben, Profilnamen, Profilbild, Fotoalben) sowie ihren Privatsphäre-Einstellungen. Zudem sollte eingeschätzt werden, welche Gratifikationen und welchen Schaden sich das Mitglied durch die Veröffentlichung einzelner Informationen erhofft bzw. befürchtet. Abschließend wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie das Veröffentlichen persönlicher Informationen im StudiVZ als eine Art Tauschverhältnis mit anderen Nutzern betrachten und inwieweit sich die Offenheit in der Profilgestaltung im 7
Die Anzahl der Fragen war von der Filterführung abhängig.
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Laufe der Mitgliedschaft verändert hat. Mit einer offen gestellten Frage sollte hier ermittelt werden, warum sich das „Self-Disclosure“-Verhalten aus subjektiver Sicht verändert hat. Teilnehmer der Befragung
Da es keine verlässlichen Daten über die Zusammensetzung der Grundgesamtheit sowie kein vollständiges Verzeichnis aller Mitglieder gibt, wurde eine Stichprobe im Schneeballverfahren gezogen. Aus den Mediadaten 2008 des StudiVZ sind zwar Altersverteilung und Ausbildungsstand der Mitglieder bekannt, jedoch fehlen weitere Variablen wie z. B. das Studienfach und der Beziehungsstatus (vgl. GWP 2008: 6). Systematische Verzerrungen, die in der Regel durch das Schneeball-verfahren auftreten, wurden durch eine Optimierung zu umgehen versucht. So wurden anhand der Mediadaten des StudiVZ 2008 sieben weitere Personen mit unterschiedlichem sozialem und beruflichem Hintergrund gewonnen, die ebenfalls ihr Netzwerk kontaktierten. Durch eine größere Zahl und breite Streuung von „Seeding points“ sollte eine Verzerrung hinsichtlich des Netzwerks des Versuchsleiters vermieden werden. Der Fragebogen wurde von 254 Teilnehmern komplett ausgefüllt, wobei weitere sechs Fragebögen in der vorliegenden Auswertung berücksichtigt worden sind, die in weiten Teilen ausgefüllt worden waren. 60% der Befragten waren weiblich (n=257). Ein Großteil der Befragten befand sich in der Altersgruppe der 22- bis 29Jährigen (79%, n=257) und studierte (65%). Damit ist der Anteil der weiblichen Befragten etwas höher gewesen als er entsprechend der Mediadaten in der Grundgesamtheit ist.8 Auch der Anteil der Studierenden ist gegenüber den Mediadaten leicht erhöht.9 Ergebnisse Umfang der „Self-Disclosure“ und „Privatsphäre-Einstellungen“
Zunächst einmal erschien es wichtig, ein umfassendes Bild darüber zu erlangen, welche Informationen die Mitglieder überhaupt von sich preisgeben und inwieweit sie die „Privatsphäre-Einstellungen“ nutzen. Zunächst sollten die Befragten angeben, welche Informationen sie auf ihrer Profilseite veröffentlicht haben. In Tabelle 1 sind die Profilangaben aufgeführt: 8 9
Laut Mediadaten sind 52% der Mitglieder weiblich (vgl. IQ Media Marketing 2009: 6). Die Mediadaten besagen, dass sich 43% der Mitglieder in der Ausbildung befinden, wohingegen 45% berufstätig sind (vgl. GWP 2008: 6).
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210 Tab. 1:
„Welche Angaben hast du auf deiner Profilseite gemacht?“ 20 mögliche Profileinstellungen (Angaben in %, n=260)
Profilangabe Geschlecht Beschäftigungsstatus Geburtsdatum Studienrichtung Heimatort Letzte Schule Lieblingsfilme Interessen Musikrichtung/Bands Lieblingsbücher derzeitige Arbeit „Auf der Suche nach“ Beziehungsstatus Clubs/Vereine Lehrveranstaltungen ICQ/Skype-Nummer Politische Richtung Handynummer aktuelle Adresse Telefonnummer
Antwort „ja“ 97,3 93,1 81,5 78,8 72,3 62,3 53,5 53,5 52,3 50,4 46,5 45,0 44,2 36,2 31,2 31,2 20,0 6,5 6,2 3,1
Nicht angegeben sind „Nein“-Antworten und die Antwort „Weiß ich nicht“, wobei in der Regel 1-2% der Antworten bei „Weiß ich nicht“ gemacht wurden.
Es wird deutlich, dass Geschlecht und Beziehungsstatus nahezu von allen Befragten angegeben wurden. Weitaus zurückhaltender sind die Befragten bei der Preisgabe persönlicher Kontaktdaten wie der aktuellen Adresse oder der Telefonnummer. Offensichtlich scheint hier ähnlich wie in den amerikanischen Studien eine große Hemmschwelle zu bestehen. Relativ hoch ist die Auskunftsfreude beim persönlichen Geschmack, was Lieblingsfilme, -musik und -bücher betrifft. Obwohl im Zuge der AGB-Änderung Ende 200710 der Eindruck entstand, dass viele Mitglieder ihren vollen Vor- und Zunamen in ein Pseudonym änderten, nutzen nach wie vor 57% der Befragten ihren vollen Namen als Profilnamen (n=260). Lediglich 5% der Befragten gaben an, unter einem Pseudonym im StudiVZ aufzutreten, während ein weitaus größerer Anteil von 29% lediglich einen Teil des Namens verwendet. Die Ergebnisse überraschen nicht, weil der volle Vor- und Zuname die Kontaktaufnahme zu alten Bekannten wie z. B. Schulfreunden erleichtert. 10 Die AGB-Änderung beinhaltete, dass zukünftig Daten der Nutzer für zielgerichtete (personalisierte) Werbung aufbereitet werden können. Auf diese Weise würde laut Betreiber weiterhin die kostenlose Nutzung des StudiVZ gesichert werden. Studierende, die den neuen Bedingungen nicht zustimmten, konnten nicht weiter am StudiVZ teilnehmen.
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Der Profilname ist somit eher funktional und weniger ein Mittel der kreativen Selbstdarstellung. Beim Profilbild wählt ein Großteil der Befragten ein Bild, auf dem sie selbst zu sehen sind (n=260). So zeigen 56% nur ihr Gesicht, 24% entscheiden sich für ein Ganzkörperfoto, und 7% sind mit einer weiteren Person abgebildet. Den meisten ist es somit wichtig, auf dem Profilbild identifizierbar zu sein. Dies ist nicht verwunderlich, da das Bild als eine Art „Eyecatcher“ fungiert. Nach Rütten (2008: 96) achten 74% zuerst auf das Profilbild, wenn sie eine Seite besuchen. Es wird auch stark darauf geachtet, auf dem Foto gut auszusehen (wichtig: 52%, sehr wichtig: 26%, vierstufige Skala, n=227) und gut erkennbar zu sein (wichtig: 51%, sehr wichtig: 10%). Auch die Bereitschaft, Fotoalben einzustellen, wurde untersucht. Nur rund ein Drittel (32%, n=260) verzichtet darauf. Ein weiteres Drittel (31%) hat ein bis drei Alben eingestellt. Beachtlich ist, dass immerhin 18% sogar mehr als sechs Alben hochgeladen haben. Welche der vom Betreiber zur Verfügung gestellten Privatsphäre-Einstellungen werden im StudiVZ genutzt? Fast alle Befragten, nämlich 92% gaben an, dass sie ihre Privatsphäre durch solche Einstellungen in irgendeiner Form schützen (n=258). 8% schützen ihre Privatsphäre gar nicht, und 1% hat keine Kenntnis von dieser Möglichkeit. Häufig angewendet wird die Möglichkeit der „Unsichtbarkeit“: 86% der Befragten mit „Privatsphäre-Einstellungen“ gaben an, beim Besuch anderer Seiten unsichtbar zu bleiben (n=236). Auch der Umstand, dass man im StudiVZ eingeloggt ist, wird oft niemandem (28%, n=236) oder nur Freunden (26%) mitgeteilt. Beliebt ist auch das Sperren des Profils für andere Nutzer (vgl. Tab. 2): 59% der Befragten erlauben lediglich ihren Freunden, das gesamte Profil einzusehen. 11% gewähren auch den Freunden ihrer Freunde Einblick. Immerhin ein Viertel der Befragten (25%) haben ihr Profil für alle Mitglieder geöffnet. Tab. 2:
„Wer darf dein gesamtes Profil sehen?“ (Angaben in %, n=236) in %
nur meine Freunde meine Freunde/deren Freunde Leute an meiner Hochschule, meine Freunde, deren Freunde alle Leute im StudiVZ weiß nicht gesamt
58,5 11,4 3,0 24,6 2,5 100
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Bei Fotoverlinkungen greifen die Nutzer ebenfalls auf die „Privatsphäre-Einstellungen“ zurück: 49% der Befragten wollen nur von Freunden auf Fotos verlinkt werden (n=236); 33% erwarten, dass sie einer Verlinkung durch Freunde vorher zugestimmt haben. Lediglich 4% wollen gar nicht verlinkt werden. 14% waren sich nicht sicher, welche Angaben sie hier gemacht haben. Insgesamt ist also festzustellen, dass die Mitglieder zwar persönliche Informationen über sich veröffentlichen, diese aber zu einem Großteil nur einem begrenzten Publikum zugänglich machen. Einfluss der Nutzungsmotive auf das „Self-Disclosure“-Verhalten
Gibt es einen Zusammenhang zwischen „Self-Disclosure“ und den Motiven zur Nutzung des StudiVZ? Man könnte z. B. vermuten, dass jemand der im StudiVZ neue Kontakte knüpfen will, mehr über sich preisgibt als jemand, der lediglich bestehende Kontakte pflegen möchte. Wer das Motiv „Mit Freunden kommunizieren“ für wichtig erachtet (Addition der Skalenpunkte „sehr wichtig“ und „wichtig“ auf einer vierstufigen Skala, n=116), ist eher bereit, etwas von sich preiszugeben. Dann wird häufiger der volle Name als Profilname gewählt (59%), verglichen mit jenen, für die das Motiv unwichtig ist (35%). Auch beim Profilbild wurde weitaus häufiger ein Bild gewählt, welches die Person in irgendeiner Form abbildet, wenn dieses Motiv wichtig war. Ist das Motiv bei der Nutzung entscheidend, haben die Befragten auch deutlich mehr Fotoalben hochgeladen: Von ihnen haben 37% mindestens vier Fotoalben. Unter jenen, die das Motiv „Mit Freunden kommunizieren“ nicht für wichtig erachten, verfügen lediglich 9% über mehr als vier Fotoalben (n=144). Bei den „Privatsphäre-Einstellungen“ wirkt sich die Bewertung des Motivs nur auf die Foto-Verlinkungen aus. Wird das Motiv als wichtig eingeschätzt, werden Freunden häufiger Verlinkungen gestattet (54% gegenüber 26%, wenn das Motiv keine Rolle spielt). Beim Motiv „Alte Bekannte wieder finden“ gibt es erstaunlicherweise keine signifikanten11 Zusammenhänge (p<0,05) mit dem „Self-Disclosure“-Verhalten, außer bei der „Privatsphäre-Einstellung“ zu den Fotoverlinkungen. Diejenigen, die das Motiv als wichtig erachten, wollen bei Verlinkungen durch Freunde häufiger ihre
11 Da diese Stichprobe keine Zufallsstichprobe ist, kann der Chi-Quadrat-Test lediglich eine Aussage darüber treffen, ob Zusammenhänge signifikant wären, wenn es sich um eine Zufallsstichprobe handeln würde.
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Einwilligung geben (37%, n=207) als diejenigen, denen das Motiv nicht wichtig ist (28%, n=53). Eine Erklärung liegt dafür nicht auf der Hand. Beim Motiv „Neue Leute kennen lernen“ verwenden diejenigen, die dieses Motiv für wichtig halten, häufiger ein Pseudonym oder Initialen beim Profilnamen (22%, n=131) als diejenigen, für die es keine Rolle spielt (10%, n=129). Dies kann man damit erklären, dass diejenigen, die neue Leute kennen lernen möchten, zunächst einmal anonym bleiben möchten, um z. B. bei einem Flirtversuch nicht das Gesicht zu verlieren. Dies gilt im Gegenzug aber nicht für Personen, für die das Motiv „Leute mit gleichen Interessen finden“ wichtig ist: Sie sind seltener unsichtbar (60%, n=125) als Mitglieder, die das Motiv als unwichtig erachten (84%, n=135). Auch Befragte, die das StudiVZ zum Informations- und Meinungsaustausch nutzen, sind eher bereit, etwas über sich preiszugeben. Insgesamt betrachtet, lassen sich zwar Zusammenhänge zwischen „SelfDisclosure“ und Nutzungsmotiven feststellen, jedoch sind diese nicht so eindeutig wie erwartet und lassen teilweise keine schlüssige Erklärung zu. „Self-Disclosure“ im SudiVZ als Tauschprozess
Aus der Theorie der „Self-Disclosure“ ist bekannt, dass ein Individuum eher bereit ist, etwas von sich preiszugeben, wenn dies sein Gegenüber ebenfalls tut.12 Es sollte überprüft werden, ob dies auch für das StudiVZ gilt: Weckt die Preisgabe von Informationen die Erwartung, dass auch die anderen Mitglieder Persönliches mitteilen? Dies scheint nicht der Fall zu sein: Die Frage, ob es den Befragten störe, wenn andere Besucher seine Seite besuchen, über sich selbst aber nichts preisgeben, wurde zu 66% verneint (n=260), und zwar vor allem mit der Begründung, dass es jedem selbst überlassen bleibe, wie viel er von sich preisgibt (93%, n=171), und dass man nicht dazu verpflichtet sei, etwas offen zu legen, weil es andere tun (77%, n=171). Diejenigen 34%, die sich von dem Verhalten gestört fühlen, begründen dies insbesondere damit, dass jemand, der Informationen von anderen nutzt, auch selbst etwas offen legen sollte (82%, n=87). Diese Gruppe sieht das Geben und Nehmen von Informationen durchaus als implizite Norm. Ein weiterer Grund für die Ablehnung ist, dass solche Mitglieder das Netzwerk weniger interessant machen (66%, n=87).
12 Jourard (1971: 25f.) spricht hier von „dyadic effect“: „The dyadic effect suggests that disclosure proceeds on a quid pro quo basis – ‘you tell me and I tell you’.”
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Veränderung der „Self-Disclosure“ als Lernprozess
Ändert sich das „Self-Disclosure“-Verhalten im Laufe der Mitgliedschaft, weil Erfahrungen den Umgang mit persönlichen Daten beeinflussen? Nimmt also die Offenheit im StudiVZ im Laufe der Zeit eher zu oder ab?" Tab. 3:
„Denke an alle Informationen (Profilangaben, Profilname, Fotos), die du im StudiVZ veröffentlichen kannst, sowie an deine Privatsphäre-Einstellungen: Hast du im Laufe deiner Mitgliedschaft eher mehr oder weniger von dir preisgegeben?“ (Angaben in %, n=258) in %
eindeutig weniger weniger weder mehr, noch weniger mehr eindeutig mehr gesamt
19,4 28,7 36,0 14,3 1,6 100,0
Fünfstufige Skala.
Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, haben 48% der Befragten „eindeutig weniger“ oder „weniger“ preisgegeben. Bei 36% ist das „Self-Disclosure“-Verhalten gleich geblieben, und 16% haben entweder „mehr“ oder „eindeutig mehr“ von sich preisgegeben (n=258). Fast die Hälfte der Befragten hat also die Offenheit reduziert. Dies deutet auf eine Art Lernprozess im Umgang mit dem StudiVZ und eine wachsende Sensibilität für Risiken hin. Um genauer zu erfahren, was die Mitglieder zu einer Veränderung der „SelfDisclosure“ veranlasst hat, wurden sie in einer offenen Frage um Auskunft über ihre Gründe gebeten. Zwölf von jenen, bei denen sich die „Self-Disclosure“ erhöht hat (n=41), begründeten dies damit, mehr Informationen für ihre Freunde bereitstellen zu wollen. Dies war in dieser Gruppe der am häufigsten genannte Grund. Jene, die weniger preisgeben (n=124), nannten sehr unterschiedliche Gründe. Als Hauptgrund wurde angegeben, dass die persönlichen Informationen und Fotos im StudiVZ die anderen Nutzer nichts angehe (29 Nennungen). Am zweithäufigsten wurden der Schutz vor Datenmissbrauch bzw. die damit verbundene Angst genannt (23 Nennungen). Hier wurden Zweifel geäußert, dass die StudiVZ-Betreiber sorgsam mit den persönlichen Daten umgehen; auch die Möglichkeit, dass andere User die Daten speichern oder sie in einem völlig anderen Kontext ins Netz stellen, wurde genannt. Ebenfalls in 23 Fällen wurde angegeben, dass man nicht möchte,
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dass der potenzielle Arbeitgeber einen ausspioniert oder dass die Profilseite zu Nachteilen im Bewerbungsprozess führt.13 Immerhin in 19 Fällen wurden auch die Änderung der AGB und die damit einhergehende Umstellung zur personalisierten Werbung als Grund angeführt. Fazit Insgesamt kann man feststellen, dass die befragten StudiVZ-Mitglieder (ähnlich, wie es die amerikanischen Studien ergaben) sehr zurückhaltend bei der Herausgabe von Kontaktdaten sind. Zudem macht eine sehr hohe Anzahl von Mitgliedern von den „Privatsphäre-Einstellungen“ Gebrauch, welche bis zu einem bestimmten Grad die Kontrolle über die eigene Information ermöglichen. Weiterhin kann man erkennen, dass die Nutzungsmotive zum Teil mit der „Self-Disclosure“ zusammenhängen. In künftigen Studien müsste dieser Zusammenhang noch genauer geklärt werden. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die StudiVZ-Mitglieder das Einstellen persönlicher Informationen größtenteils nicht unter dem Aspekt des Tauschens von Informationen sehen, sondern es im Gegenteil mehrheitlich jedem selbst freistellen, wie viel er veröffentlichen möchte. Schließlich lässt sich als Ergebnis festhalten, dass nahezu die Hälfte aller Befragten ihre „Self-Disclosure“ im Laufe der Zeit verringert hat und dies mit einer gestiegenen Sensibilität für die persönlichen Daten und den möglichen Missbrauch begründet. Insofern lässt sich folgern, dass sich StudiVZ-Mitglieder weitaus intensiver Gedanken über Privacy machen, als gemeinhin angenommen wird, und dass sie auch selbst handeln, um die Sicherheit ihrer persönlichen Daten zu gewährleisten. Die Diskussion über den unbedachten Umgang der „Digital Natives“ mit ihrer Privatsphäre erhält dadurch einen anderen Akzent. Die Mitglieder müssen sich offenbar erst mit dem neuen Medium vertraut machen und Erfahrungen sammeln, bevor sie die angemessene Balance zwischen Offenheit und Schutz der persönlichen Informationen finden.
13 Diese Sorge ist nicht verwunderlich, weil sich viele der Befragten bereits in einem höheren Studiensemester befanden.
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Autorenverzeichnis Blömers, Birte, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudim im Jahr 2009 ab. Gegenwärtig ist sie Volontärin im Bereich Tourismuswirtschaft bei der Full-Service-Agentur RAIKE Kommunikation GmbH in Hamburg. Flöck, Meike, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2010 ab. Gegenwärtig ist sie Communications Managerin im Marketing der BASF Coatings GmbH in Münster. Gehrau, Volker, Dr. phil., ist Professor für Kommunikationswissenschaft (mit Schwerpunkt angewandte Kommunikations- und Medienforschung) am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Mediennutzung, Medienwirkung, Medien und interpersonale Kommunikation, Fernsehgenres, Fernsehqualität, empirische Forschungsmethoden. Haferkamp, Nina, Dr. phil., ist Juniorprofessorin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden. 2010/11 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Web 2.0, Virtuelle Realitäten, Unterhaltung. vom Hofe, Hanna Jo, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2010 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Kreutzmann, Jessica, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2009 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als Volontärin der Unternehmenskommunikation bei der IBM Deutschland GmbH in Ehningen bei Stuttgart. Letschert, Stefanie, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2010 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als wissenschaftliche Hilfskraft am
C. Neuberger, V. Gehrau (Hrsg.), StudiVZ, DOI 10.1007/978-3-531-93096-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Autorenverzeichnis
Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Nebelsieck, Simone, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2008 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als Redakteurin bei der Faktenkontor GmbH in Hamburg. Neuberger, Christoph, Dr. phil. habil., ist Professor für Kommunikationswissenschaft (Schwerpunkt Medienwandel) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2002-2011 Professor für Kommunikationswissenschaft (Schwerpunkt Journalistik) am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Internet, Journalismus, Öffentlichkeit, Medienwandel, Medienqualität. Paschen, Stella, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2009 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als Zeitschriftenredakteurin beim ipmMagazinverlag GmbH in München. Rütten, Lena, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2008 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als Corporate Affairs Officer bei Mars Petcare in Verden (Aller). Schäfer, Ilona, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium 2009 ab. Gegenwärtig arbeitet sie als Volontärin in der Unternehmenskommunikation. Stecha, Nicole, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss ihr Magisterstudium im Jahr 2010 ab. Steinkamp, Tobias, M. A., studierte im Hauptfach Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss sein Magisterstudium im Jahr 2009 ab. Gegenwärtig arbeitet er als Kundenberater bei der cyclos design GmbH in Münster.