Stefan Ulrich Radtke Strategisches Management von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter
GABLER RESEARCH
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Stefan Ulrich Radtke Strategisches Management von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter
GABLER RESEARCH
Stefan Ulrich Radtke
Strategisches Management von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter Ein ressourcen- und fähigkeitenbasierter Ansatz Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Horst M. Schellhaaß
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität zu Köln, 2010
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2503-9
Geleitwort
V
Geleitwort Die Digitalisierung der Übertragungstechnik könnte dereinst als eine bahnbrechende Innovation für den Mediensektor bezeichnet werden. Dennoch stehen ihre Wettbewerbswirkungen bislang in der öffentlichen Diskussion hinter ihren technischen und medienpolitischen Auswirkungen zurück. Dabei gefährden sie auf der einen Seite etablierte Geschäftsmodelle und bieten auf der anderen Seite Chancen für neue Ideen. In diesem von Unsicherheiten geprägten Marktumfeld lotet Stefan Ulrich Radtke die zukünftigen Chancen der etablierten Fernsehsender aus. Mit der Auflösung der Frequenzknappheit verlagert sich die Marktmacht aufgrund der erhöhten inter- und intramedialen Konkurrenz auf die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Aus Unternehmenssicht stellt sich dann die Frage, mit welchen erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten etablierte Fernsehsender auf Dauer noch supranormale Renten erwirtschaften können. Mit einem innovativen Ansatz, der den betriebswirtschaftlichen Ansatz des strategischen Managements mit den volkswirtschaftlichen Modellen der Medienökonomie verbindet, gibt der Autor hierauf überzeugende Antworten. Die vorliegende Arbeit verbindet eine an den Anforderungen der Praxis orientierte Sichtweise mit einer innovativen Herangehensweise sowie einer sehr sorgfältigen Bearbeitung. Ich wünsche ihr deshalb eine hohe Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Praxis.
Horst M. Schellhaaß
Vorwort
VII
Vorwort Die Motivation zur Promotion lag für mich vor allem darin begründet, sich der damit verbundenen Herausforderung zu stellen und mich fachlich mit etwas zu beschäftigen, das mich begeistert. Mein Interesse am Forschungsfeld des strategischen Managements entstand zum Ende meines Studiums der Volkswirtschaftslehre. Dabei kam dem resource-based view von Anfang an meine besondere Aufmerksamkeit zu. Es war mein Ziel im Rahmen dieser Arbeit, durch eine ökonomisch fundierte Theoretisierung zur Stärkung dieses Paradigmas des strategischen Managements beizutragen. Dadurch ist es mir gelungen, mich innerhalb der Dissertation im Grenzgebiet zwischen Volks- und Betriebswirtschaftslehre zu bewegen. Thematisch ist meine Wahl auf die Fernsehindustrie und insbesondere Fernsehsender gefallen. Erstens habe ich eine große Affinität zu dramaturgisch anspruchsvollen Serien und Filmen. Zweitens bietet die Medienwirtschaft eine Vielzahl spannender ökonomischer Herausforderungen. Und drittens befindet sich die Fernsehindustrie wegen der voranschreitenden Digitalisierung in einem grundlegenden Wandlungsprozess, der nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen verlangt. Durch Zusammenführen der Herausforderungen für das Management von etablierten Fernsehsendern und die existierenden Probleme innerhalb des resource-based view habe ich das ökonomische Problem meiner Dissertation formuliert. Für die Betreuung meiner Promotion möchte ich mich bei Prof. Dr. Horst M. Schellhaaß bedanken, der ein wissenschaftlich, arbeitstechnisch und zwischenmenschlich brillanter Chef ist. Es waren erkenntnis- und lehrreiche Jahre an seinem Lehrstuhl, an dem ich eine akademische Arbeitswelt vorgefunden habe, wie ich sie mir für die Promotionszeit gewünscht habe. Ebenso danke ich Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Delfmann über die Betreuung des Korreferats und Prof. Dr. Ulrich W. Thonemann für den Vorsitz der Disputation, welche mir für lange Zeit in sehr positiver Erinnerung bleiben wird. Prof. Dr. Franz Schober als Betreuer meiner Diplomarbeit bin ich zu besonderem Dank verpflichtet, weil ich ohne ihn wahrscheinlich nicht den Mut aufgebracht hätte, eine Promotion anzustreben. Die Zeit an der Universität zu Köln war für mich ein besonders schöner Lebensabschnitt – nicht zu letzt wegen meinen Arbeitskollegen Christoph Fritsch, Dr. Frank Christian May, Jan Lucas und Christian Schaarschmidt sowie Dr. Claudio Huyskens, Dr. Fabian Dittrich und Dr. Nils Kummer. Insbesondere werden mir die unzähligen hitzigen und kontroversen Diskussionen mit Christoph über den Fernsehmarkt, die Ökonomie und die Welt in guter Erinnerung bleiben. Bei Jan, Claudio und Nils möchte ich mich für ihre hilfreichen Kommentare nach kritischem Lesen dieser Arbeit
VIII
Vorwort
bedanken. Und natürlich gilt mein Dank Doris Lohmann, da sie in den letzten fast vier Jahren entscheidend dazu beigetragen hat, dass ich mich an unserem Lehrstuhl immer wohl gefühlt habe. Da ich Berufliches und Privates gerne trenne, möchte ich nur in aller Kürze meiner Familie danken. Meiner Mutter Sabine bin ich unendlich dankbar für ihre Unterstützung während Schule, Studium und Promotion – und vor allem deshalb, weil sie mich immer und bedingungslos bei dem unterstützt hat, was ich machen wollte. Meiner Oma Katharina und meinem verstorbenen Opa Ulrich danke ich für ihre Liebe und die Möglichkeiten, die sie mir im Leben geschaffen haben.
Stefan Ulrich Radtke
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. XIII Tabellenverzeichnis .................................................................................................. XV Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... XVII Variablen- und Parameterverzeichnis......................................................................XIX I.
Problemstellung ................................................................................................1
II.
Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile .........................................................................................7 1. Ressourcen und Fähigkeiten ..........................................................................8 2. Potenzial eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Heterogenität und Werthaltigkeit...................................................................13 3. Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Handelbarkeit oder eingeschränkter Handelbarkeit.............................15 4. Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit ...................................................20 4.1. Temporale Isolationsmechanismen........................................................23 4.2. Kognitive Isolationsmechanismen ..........................................................24 4.3. Strukturelle Isolationsmechanismen.......................................................27 5. Kernkompetenzen zur Strategiebildung ........................................................31 6. Zusammenfassung der Ergebnisse ..............................................................33
III.
Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie .............................................................................................37 1. Intensivierter Wettbewerb zwischen Fernsehsendern...................................41 2. Erhöhte Relevanz der Produktion .................................................................47 3. Vertikale Diversifikation durch Distributoren .................................................51 4. Fragmentierung des Zuschauermarktes .......................................................53 5. Effizientere Werbemöglichkeiten für werbetreibende Unternehmen .............57 6. Zusammenfassung der Ergebnisse ..............................................................59
IV.
Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile................................................63 1. Heterogenität von Fernsehsendern...............................................................63 1.1. Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren......................................64 1.2. Strategische Gruppen ............................................................................69
X
Inhaltsverzeichnis
2. Supranormales Rentenpotenzial von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender ............................................................................72 2.1. Ressourcen ............................................................................................73 2.1.1. Wirtschaftsstandort .......................................................................73 2.1.2. Informations- und Kommunikationstechnologie ............................80 2.1.3. Kapitalausstattung ........................................................................83 2.1.4. Reputation ....................................................................................87 2.1.5. Marke............................................................................................92 2.1.6. Senderechte .................................................................................98 2.1.7. Kundenbeziehungen ...................................................................102 2.2. Fähigkeiten...........................................................................................110 2.2.1. Managementfähigkeiten..............................................................110 2.2.2. Kreative Talente..........................................................................118 2.2.3. Lernfähigkeit ...............................................................................126 2.2.4. Produktentwicklungsfähigkeit......................................................132 2.2.5. Netzwerkfähigkeit........................................................................142 2.2.6. Strategische Flexibilität ...............................................................150 2.3. Zwei Zentralthesen zum Einfluss von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter................155 3. Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................156 V.
Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender ..............................................................................................161 1. Strategisches Markenmanagement ............................................................163 1.1. Umsetzung einer Markenstrategie .......................................................163 1.1.1. Zielgruppen, Markenarchitektur und Positionierung der Marke..........................................................................................163 1.1.2. Kommunikation des Markenversprechens zum Aufbau von Assoziationskapital...............................................................166 1.1.3. Umsetzung des Markenversprechens.........................................171 1.2. Diversifikationspotenzial des strategischen Markenmanagements ..........................................................................173 2. Strategisches Kundenbeziehungsmanagement..........................................175 2.1. Umsetzung einer Kundenbeziehungsstrategie.....................................176 2.1.1. Aufbau von Kundenbeziehungen ................................................176 2.1.2. Erhalt von Kundenbeziehungen ..................................................182 2.2. Diversifikationspotenzial des strategischen Kundenbeziehungsmanagements........................................................184 3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen ...........................186 3.1. Umsetzung einer kreativen Humanressourcenstrategie.......................187 3.1.1. Exklusive Verträge mit kreativen Talenten..................................187 3.1.2. Bildung eines kreativen Talentpools ...........................................195 3.1.3. Stufenmodell der Karriereentwicklung ........................................201
Inhaltsverzeichnis
XI
3.2. Diversifikationspotenzial des strategischen Managements kreativer Humanressourcen .................................................................204 4. Strategisches Innovationsmanagement ......................................................206 4.1. Umsetzung einer Innovationsstrategie .................................................207 4.1.1. Gestaltung des Projektportfolios durch Wissensmanagement .................................................................207 4.1.2. Projektkoordination durch Netzwerkmanagement innerhalb der latenten Organisation ............................................213 4.2. Diversifikationspotenzial des strategischen Innovationsmanagements unter besonderer Berücksichtigung der Internationalisierung.......................................................................218 5. Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................222 VI.
Fazit................................................................................................................229
Anhang ...................................................................................................................237 Empirischer Überblick über die deutsche Fernsehindustrie.....................238 1. Fernsehsender............................................................................................239 1.1. Öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten.................................................240 1.2. Werbefinanzierte Fernsehsender .........................................................242 1.3. Entgeltfinanzierte Fernsehsender ........................................................244 1.4. Übergreifende Daten der Fernsehsender.............................................244 2. Inhalteproduzenten .....................................................................................247 3. Distributoren ...............................................................................................248 3.1. Terrestrik ..............................................................................................250 3.2. Breitbandkabel .....................................................................................251 3.3. Satellit ..................................................................................................253 3.4. Breitbandtelefon und -internet ..............................................................254 3.5. Mobilfunk..............................................................................................254 3.6. Finanzielle Beziehungen zwischen Distributoren und Fernsehsendern ...................................................................................255 4. Zuschauer ...................................................................................................255 5. Werbetreibende Unternehmen....................................................................257 Literaturverzeichnis ..............................................................................................261
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis II.1.
The Cornerstones of Competitive Advantage..................................................11
II.2.
Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile ........................................................................................12
II.3.
Arten von Isolationsmechanismen...................................................................23
III.1. Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie aus Perspektive der Fernsehsender ................................................................................................39 III.2. Auswirkungen der Kapazitätsausweitung durch die Digitalisierung im Fernsehmarkt .............................................................................................45 IV.1. Strategische Gruppen des Fernsehmarktes ....................................................71 IV.2. Stärke des supranormalen Rentenpotenzials von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter .........................158 V.1.
Rentenpotenziale der Strategiealternativen des etablierten Fernsehsenders bei exklusiven Verträgen ....................................................192
V.2.
Erwartungsnutzenfunktion risikoscheuer kreativer Talente und Rentenpotenzial des etablierten Fernsehsenders durch das Versicherungssystem ....................................................................................197
V.3.
Nachfrageelastizitäten der Zielgruppen eines etablierten Fernsehsenders entsprechend den Zahlungsbereitschaften der Zuschauer .....................................................................................................202
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis III.1.
Zuschauer- und Werbemarktanteile deutscher Fernsehsenderfamilien im Jahre 2007...........................................................41
IV.1.
Zu untersuchende Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender...............................................................................................72
V.1.
Transferzahlungen und Rentenpotenziale der Strategiealternativen des etablierten Fernsehsenders bei exklusiven Verträgen des Zahlenbeispiels............................................................................................194
A.0.1. Gesamteinnahmen deutscher Fernsehsender nach Geschäftsmodellen ......................................................................................238 A.1.1. Angemeldete Rundfunkempfangsgeräte .....................................................241 A.1.2. Rundfunkgebührenhöhe und -einnahmen ...................................................242 A.1.3. Einnahmenstruktur von ARD und ZDF im Jahre 2007.................................242 A.1.4. Einnahmenstruktur von Sky im Jahre 2007 .................................................244 A.1.5. Zuschauer- und Werbemarktanteile deutscher Fernsehsender im Jahre 2007...................................................................................................245 A.1.6. Brutto- und Netto-Werbeeinnahmen deutscher Fernsehsender ..................246 A.1.7. Ausgabenstruktur deutscher Fernsehsender ...............................................247 A.2.1. Produktionsunternehmen in Deutschland ....................................................247 A.2.2. Produktionsvolumen nach Programmkategorien im Jahre 2006..................248 A.2.3. Produktionsvolumen nach Bundesländern im Jahre 2006...........................248 A.3.1. Fernsehempfangssituation und Grad der Digitalisierung in Deutschland.................................................................................................249 A.3.2. Technische Reichweiten ausgewählter entgeltfrei empfangbarer Fernsehsender im Jahre 2008 .....................................................................250 A.3.3. Fernsehempfangssituation der Terrestrik in Deutschland............................251 A.3.4. Einnahmen und Kunden der Breitbandkabeldistributoren auf Netzebene 3 im Jahre 2007.........................................................................252 A.3.5. Kundenstruktur des Breitbandkabels nach Netzebenen im Jahre 2008.............................................................................................................252 A.3.6. Fernsehempfangssituation des Breitbandkabels in Deutschland.................253
XVI
Tabellenverzeichnis
A.3.7. Fernsehempfangssituation des Satelliten in Deutschland ...........................254 A.3.8. Zu zahlende Weiterleitungsgebühren ausgewählter Fernsehsender im Jahre 2007 ..............................................................................................255 A.4.1. Fernsehzuschauer pro Tag, zeitliches Medien- und Fernsehbudget ...........256 A.4.2. Berechnung des monetären Medien- und Fernsehbudgets in Deutschland.................................................................................................256 A.4.3. Medienausstattung in Deutschland..............................................................257 A.5.1. Werbeeinnahmen und Fernsehwerbeeinnahmen ........................................257 A.5.2. Werbetreibende Unternehmen im Fernsehen im Jahre 2007 ......................258 A.5.3. Werbezeitenvermarkter im Fernsehen im Jahre 2007 .................................259
Abkürzungsverzeichnis
XVII
Abkürzungsverzeichnis AG
Aktiengesellschaft
AGF
Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung
ALM
Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
BR
Bayerischer Rundfunk
DVB-H
Digital video broadcasting handheld
DVB-T
Digital video broadcasting terrestric
DSF
Deutsches Sportfernsehen
EC
European Commission
EPG
Elektronischer Programmführer (electronic program guide)
EG
Europäische Gemeinschaft
EU
Europäische Union
GEZ
Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
GG
Grundgesetz
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GSDZ
Gemeinsame Stelle Digitaler Zugang
HGB
Handelsgesetzbuch
HR
Hessischer Rundfunk
i
Produktbreite
IKT
Informations- und Kommunikationstechnologie
Inc.
Incorporated
IPTV
Internet protocol television
KEF
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten
KEK
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich
KiKa
Kinderkanal
MDR
Mitteldeutscher Rundfunk
MSchG
Markenschutzgesetz
n
Marktbereite
NDR
Norddeutscher Rundfunk
PKS
Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfunk
RB
Radio Bremen
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
RBB
Rundfunk Berlin-Brandenburg
RBV
Ressourcen- und fähigkeitenbasierter Ansatz (resource-based view)
RFinStV
Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag
RStV
Rundfunkstaatsvertrag
RTL
Radio Television Luxemburg
SR
Saarländischer Rundfunk
SWR
Südwestrundfunk
VPRT
Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V.
WDR
Westdeutscher Rundfunk
Z
Zuschauer
ZAW
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft
ZB
Zahlungsbereitschaft
ZDF
Zweites Deutsches Fernsehen
Variablen- und Parameterverzeichnis
Variablen- und Parameterverzeichnis AP
Ausbildungsprämie
b
Back-drop Ertrag
c
Stückkosten
cw
Kosten des Wissenseinsatzes
D
Nachfrage
E
Etablierter Fernsehsender
EW
Erwartungseinkommen
G
Gewinn
HL
Humankapital
KR
Kapitalgüter
L
Präferenzheterogenität
M
Leistungsvolumen der Aktiva
m
Verbesserung des Produktes durch Assoziationskapital
MW
Mindesteinkommen
N / N1
Neuer Fernsehsender
N2
Neuer Fernsehsender mit zweithöchster Zahlungsbereitschaft
NW
Niedriges Einkommen
p
Preis
Q
Aufwendungen
RP
Rentenpotenzial
s
Superstarwahrscheinlichkeit
SA
Spezifische Ausbildungskompetenz
SW
Superstareinkommen
TE
Transferentschädigung
TP
Talentpool
TR
Gesamtertrag
U
Nutzen
Ue
Erwartungsnutzen
V
Verlust
VP
Versicherungsprämie
VS
Versicherungssystem
VRP
Verringertes Rentenpotenzial
W
Einkommen
WN
Wissen
XIX
XX
Variablen- und Parameterverzeichnis
WS
Wertschöpfung
x
Anteil am Rentenpotenzial
y
Anzahl der unter Vertrag stehenden kreativen Talente
ZB
Zahlungsbereitschaft
1
I.
Problemstellung
Fernsehen ist ein in den westlichen Ländern seit den 1950er Jahren aufkommendes Massenmedium und nimmt in unserer Gesellschafts- und Staatsform eine zentrale Rolle ein, da es mittels freier Meinungsäußerung, Ideenvielfalt und Repräsentation verschiedener Meinungen zur Sicherung demokratischer Systeme beiträgt. Es machte gemeinsam mit Radio und anderen audio-visuellen Medien im Jahre 2000 0,41% des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union und 0,62% des Bruttoinlandsprodukts der USA aus (vgl. EC 2003). Aufgrund geschichtlicher Entwicklungen hat Fernsehen in Deutschland Verfassungsrang und ist von starker Regulierung geprägt. Gleichzeitig gilt Technologie als treibende Kraft der Marktentwicklung. Aufgrund technologisch bedingter Frequenzknappheit war Fernsehen in Deutschland in seinen Anfangsjahren ausschließlich öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten vorbehalten. Innovationen in Form der Breitbandkabel- und Satellitendistribution veränderten Mitte der 1980er Jahre den Markt grundlegend, wodurch die heute aus öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten und privatwirtschaftlichen Fernsehsendern bestehende oligopolistische Marktstruktur entstand. Als Teil der Fernsehindustrie agieren Fernsehsender auf der Wertschöpfungsstufe der Programmerstellung, wobei ihnen drei Geschäftsmodelle zur Verfügung stehen. Während sich öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten größtenteils durch Rundfunkgebühren finanzieren, nutzen privatwirtschaftliche Fernsehsender Werbe- oder Entgeltfinanzierung. Dabei richten sie sich je nach Geschäftsmodell sowohl an Zuschauer der Programme als auch an werbetreibende Unternehmen, die mittels Fernsehen Güter bewerben. Die Gesamteinnahmen deutscher Fernsehsender aus diesen drei Geschäftsmodellen erreichten im Jahre 2007 einen Umfang von ca. 9,7 Mrd. €, weshalb der deutsche Fernsehmarkt als der zweitgrößte weltweit gilt (vgl. Messmer 2002, S. 246; ALM 2008, S. 61). Mit durchschnittlich über drei Stunden Nutzung pro Tag und aufgrund der Tatsache, dass ca. 99% aller Haushalte ein Fernsehempfangsgerät besitzen, galt Fernsehen aus Perspektive der Zuschauer im Jahre 2007 als eine der am häufigsten genutzten Freizeitaktivitäten in Deutschland (vgl. Media-Analyse, zitiert nach Reitze 2007, S. 72; Nielsen Media Research, zitiert nach IP Deutschland 2008a, S. 176). Die Digitalisierung mit ihren Merkmalen der Kapazitätsausweitung, Kostenreduktion und Rückkanalfähigkeit verändert die ökonomisch relevanten Rahmenbedingungen des stark regulierten und von nur wenigen Fernsehsendern beherrschten Fernsehmarktes in wesentlichen Zügen. Dabei bedeutet das aufkommende digitale Zeitalter keine abrupt stattfindende Revolution, sondern einen kontinuierlich fortschreitenden
2
I. Problemstellung
Veränderungsprozess, der in Deutschland bereits 1996 mit dem ersten digitalen Fernsehsender begann. Etablierte Fernsehsender des analogen Zeitalters sehen sich aufgrund der Digitalisierung zunehmend mit intensiviertem Wettbewerb, einer sich ändernden und fragmentierenden Nachfrage sowie dem Heranwachsen neuer Geschäftsmodelle konfrontiert. Als Unstetigkeit in der fortschreitenden Technologieentwicklung im Sinne von Tushman/Anderson (1986) stellt die Digitalisierung bestehende Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender in Frage (vgl. Rumelt 1984, S. 569; Barney 1991, S. 103). Da unter den vor der Digitalisierung gegebenen Bedingungen ein Gleichgewicht erreicht war, konzentrieren sich etablierte Fernsehsender hauptsächlich auf die Verteidigung gewachsener Marktstrukturen, was im digitalen Zeitalter zu Verharrungen und Wettbewerbsnachteilen führen kann (vgl. Hamel/Prahalad 1995, S. 231-243; Christensen/Overdorf 2000, S. 72-73; Schellhaaß 2003a, S. 947). Daher ist es in Anlehnung an die Forderung von Amit/Schoemaker (1993, S. 33) die Aufgabe der vorliegenden Arbeit, die für das strategische Management von etablierten Fernsehsendern entstehende Unsicherheit aufzulösen, wie im digitalen Zeitalter nachhaltige Wettbewerbsvorteile generiert werden können. Daraus leiten sich zwei anwendungsorientierte Zielsetzungen ab: Erstens sind die erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter zu ermitteln, durch die supranormale Renten erwirtschaftet werden können. Zweitens sind Kernkompetenzen zu entwickeln, durch welche Strategien zur Nutzung dieser Ressourcen und Fähigkeiten umgesetzt und Diversifikationspotenziale erschlossen werden können. Durch Erfüllung dieser Zielsetzungen trägt die vorliegende Arbeit zur Digitalisierungsagenda etablierter Fernsehsender und somit zur Forschung von Medienmanagement und Medienökonomie bei (siehe die Forderung von ChanOlmsted 2006, S. 2). Gleichzeitig ordnet sich die vorliegende Arbeit dem Forschungsfeld des strategischen Managements zu. Dieses setzt sich zum Ziel, Stimmigkeit zwischen der durch Ressourcen und Fähigkeiten repräsentierten internen Umwelt eines Unternehmens und den strategischen Erfolgsfaktoren eines Marktes herzustellen. Die Strategie eines Unternehmens dient der Verwirklichung der langfristigen Ziele, der Erreichung von Wettbewerbsvorteilen und der Generierung von supranormalen Renten (vgl. Andrews 1971, S. 28; Hofer/Schendel 1978, S. 4; Welge/Al-Laham 2003, S. 19). Die Forschung des strategischen Managements beschäftigt sich mit der Leistungsfähigkeit einzelner Unternehmen in einem Markt, wogegen Ökonomen die Funktionsfähigkeit des Marktes analysieren (vgl. R.R. Nelson 1991, S. 61). Während bis Anfang der 1980er Jahre die Verwendung ökonomischer Theorien innerhalb der
3
Strategieforschung unüblich war, nimmt seitdem die ökonomische Sprache und Logik die vorherrschende Stellung ein (vgl. Rumelt 1984, S. 557; Rumelt/Schendel/Teece 1991, S. 5).1 Dabei ist die Verbindung des strategischen Managements zur Industrieökonomik (siehe Caves 1980; Porter 1981) von besonderer Relevanz, wobei deren Argumentationen nicht im Hinblick auf wohlfahrtstheoretische Aspekte, sondern zum Schutz vor Wettbewerbskräften verwendet werden (vgl. Barney 1986b, S. 792; Bürki 1996, S. 10). Diese insbesondere durch Porter (1985; siehe auch Porter 1979; Porter 1981) populär gemachten industrieökonomisch geprägten Arbeiten des strategischen Managements betrachten entsprechend dem Struktur-Verhalten-PerformanceParadigma von Bain (1959, S. 421-423) Industrie- und Marktgegebenheiten, um Strategien für die als black box interpretierten Unternehmen abzuleiten. Der Rolle des Unternehmens wird dadurch eine zu geringe Aufmerksamkeit geschenkt, denn supranormale Renten werden durch Marktmacht begründet und Wettbewerb als Gleichgewichtszustand, nicht als Prozess betrachtet (vgl. Teece 1990, S. 50f.; McWilliams/Smart 1995, S. 310; Langlois 2003, S. 285). Dagegen ist der ressourcen- und fähigkeitenbasierte Ansatz (resource-based view; RBV) ein seit Anfang der 1990er Jahre aufkommendes Paradigma des strategischen Managements (siehe Wernerfelt 1984; Barney 1991), das Unternehmen in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt und diese als ein Bündel verschiedener Ressourcen und Fähigkeiten interpretiert (vgl. Penrose 1959, S. 24). Der RBV geht auf die Ökonomin Penrose (1959) zurück, wodurch die enge Verbindung der beiden Theorien deutlich wird (vgl. Foss/Knudsen 2003, S. 291). Als Erweiterung der industrieökonomischen Perspektive gedacht, greift der RBV explizit Aspekte davon auf, verwirft jedoch auch Elemente der Industrieökonomik, so dass zwischen beiden Theorien ein komplementäres Verhältnis besteht (vgl. Conner 1991, S. 138f.; Amit/Schoemaker 1993, S. 34-37; Foss/Eriksen 1995, S. 44; Collis/Montgomery 1995, S. 118f.; Bürki 1996, S. 24). Darüber hinaus verwendet der RBV auch andere Theorien und stellt somit eine multiparadigmatische Theorie dar (siehe Teece 1990; Freiling 2001, S. 62-76). Er gilt vor allem als eine Verbindung aus Industrieökonomik und Evolutionstheorien und inkorporiert Elemente des kompetenzbasierten Ansatzes (vgl. Barney/Wright/Ketchen jr. 2001, S. 626; Freiling 2001, S. 1). Als das Unternehmen fokussierende Theorie entspricht der RBV der Grundausrichtung des strategischen Managements und ist deshalb von zentraler Bedeutung für die Strategieforschung (vgl. Penrose 1959, S. 24; Rumelt et al. 1991, S. 12; Conner 1
Siehe zur Entwicklung der Strategieforschung: Hoskisson/Hitt/Wan/Yiu (1999). Siehe für einen Überblick der Verbindungen zwischen strategischem Management und ökonomischen Theorien: Teece (1990).
4
I. Problemstellung
1991, S. 122). Im Rahmen dieser Marktprozesstheorie wird Wettbewerb als ein dynamischer Prozess betrachtet und anders als in den industrieökonomischen Ansätzen auf Effizienzrenten abgestellt (vgl. Schumpeter 1934; Penrose 1959; Bürki 1996, S. 34-37; Teece/Pisano/Shuen 1997, S. 528; Freiling 2001, S. 85). Damit wird die Effizienz fördernde Funktion der Unternehmung betont, welche bis dato in ökonomischen Modellen nicht berücksichtigt wurde (siehe zu dieser Kritik Kreps 1990, S. 91). Dadurch überwindet der RBV die Schwächen der Industrieökonomik, wonach einerseits Unternehmen homogen sind und sich lediglich anhand ihrer Größe unterscheiden und andererseits Ressourcen- und Fähigkeitenheterogenität nur ein kurzfristiges Phänomen ist. Jedoch weisen die bestehenden Modelle des RBV aufgrund mangelnder ökonomischer Fundierung Unvollkommenheiten auf (vgl. Priem/Butler 2001a & 2001b; Kraaijenbrink/Spender/Groen 2010). Daraus leitet sich unabhängig vom Fernsehmarkt die dritte und wissenschaftstheoretische Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ab: Basierend auf ökonomischen Argumentationen ist ein ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell zu entwickeln, das Kriterien zur Generierung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils aufstellt. Durch Erfüllung dieses wissenschaftstheoretischen Ziels trägt die Arbeit zum strategischen Management und vor allem dessen ökonomischer Fundierung bei. Insgesamt folgt die vorliegende Arbeit der Empfehlung von Barney et al. (2001, S. 637), mit einem integrativen Ansatz verschiedener ökonomischer Theorien das strategische Management einer Industrie, in diesem Falle der Fernsehindustrie, zu erforschen. Dabei stellt die vorliegende Arbeit in ihrer Vorgehensweise pragmatischen Realismus über Abstraktion (siehe dazu die Forderung von Rumelt et al. 1991, S. 7) und verwendet aufgrund des evolutorischen Charakters des Wettbewerbs präskriptive Analysen (vgl. McWilliams/Smart 1995, S. 310; Welge/Al-Laham 2003, S. 34). Wissenschaftler innerhalb des strategischen Managements differenzieren sich nach Art und Weise der Argumentation mittels mathematischer Modelle oder durch verbalisierte Logikketten sowie nach ihrem Interesse an Theorie oder Empirie (vgl. Rumelt et al. 1991, S. 18; Welge/Al-Laham 2003, S. 34). Die vorliegende Arbeit verwendet ökonomisch fundierte und plausibilitätsgestützte Argumentationen und zielt auf einen theoretischen Beitrag mittels idealtypischer Handlungsempfehlungen ab. Gemäß der Kategorisierung von Grochla (1978, S. 67-78) wird eine sachlichanalytische Forschungsstrategie angewandt, die vor allem auf das Erreichen von interpretierend-deskriptiven Aussagen fokussiert. Zur Erfüllung der drei Ziele ist die vorliegende Arbeit wie folgt strukturiert: Im zweiten Kapitel wird das zur Analyse nachhaltiger Wettbewerbsvorteile verwendete ressour-
5
cen- und fähigkeitenbasierte Modell entwickelt. Zwei Voraussetzungen und drei Bedingungen werden aufgestellt und in einen chronologischen Ablauf gesetzt, die eine Ressource oder Fähigkeit erfüllen muss, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Durch Verknüpfung der drei Bedingungen mit den Rentenkonzepten von Pareto (1906), Schumpeter (1967) und Ricardo (1817) kann die Stärke des supranormalen Rentenpotenzials einer Ressource oder Fähigkeit analysiert werden. Das dritte Kapitel identifiziert anhand der Wertschöpfungskette die potenziell erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten von Fernsehsendern im digitalen Zeitalter. Aus Perspektive von Fernsehsendern wird der Einfluss der Digitalisierung auf Fernsehsender, vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen sowie Zuschauer und werbetreibende Unternehmen analysiert. Nach dieser Industrieanalyse wird im vierten Kapitel das ressourcen- und fähigkeitenbasierte Modell auf etablierte Fernsehsender angewandt. Es wird untersucht, ob Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren vorliegen und somit Heterogenität zwischen Fernsehsendern als erste Voraussetzung des Modells erfüllt wird. Anschließend werden sieben Ressourcen und sechs Fähigkeiten etablierter Fernsehsender entsprechend der zweiten Voraussetzung des Modells jeweils auf Werthaltigkeit überprüft. Im Falle des Vorliegens von Werthaltigkeit wird die jeweilige Ressource bzw. Fähigkeit auf die drei Modellbedingungen der Nicht-Handelbarkeit, der eingeschränkten Handelbarkeit sowie der Nicht-Imitierbarkeit und NichtSubstituierbarkeit untersucht. Basierend auf dieser Analyse wird jeweils die Stärke des supranormalen Rentenpotenzials anhand von Pareto-, Schumpeter- und Ricardo-Renten ermittelt. Zum Ende des Kapitels werden zwei Zentralthesen zum Einfluss von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter abgeleitet. Das fünfte Kapitel greift diese Zentralthesen auf und entwickelt Kernkompetenzen, durch die etablierte Fernsehsender Strategien zur effizienten Nutzung erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten ergreifen und Diversifikationspotenziale erschließen können.
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II.
Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Im ressourcen- und fähigkeitenbasierten Ansatz (resource-based view; RBV) wird ein Unternehmen anders als in der neoklassischen Theorie nicht als Produktionsfunktion, sondern als ein Bündel verschiedener Ressourcen und Fähigkeiten interpretiert (vgl. Penrose 1959, S. 24). Die interne Umwelt eines Unternehmens interagiert mit der externen, welche durch Technologie, Regulierung, vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen, Kunden und Wettbewerber bestimmt wird. Ziel eines Gewinn maximierenden Unternehmens muss es sein, zwischen der internen Umwelt – repräsentiert durch Ressourcen und Fähigkeiten – und der externen Umwelt – repräsentiert durch strategische Erfolgsfaktoren eines Marktes – Stimmigkeit herzustellen. Dieser Prozess ist die zentrale Aufgabe des strategischen Managements und erhält Ausdruck in Formulierung und Implementierung der Strategie eines Unternehmens. Die ökonomische Betrachtung der Strategie geht auf von Neumann/Morgenstern (1947, S. 79-84) zurück (vgl. Ansoff 1965, S. 118), welche den Strategieprozess als die Suche nach Vorteilspositionen beschreiben. Im Sinne einer ressourcen- und fähigkeitenbasierten Betrachtung wird die Strategie eines Unternehmens in Anlehnung an Andrews (1971, S. 28) und Welge/Al-Laham (2003, S. 19) als dessen grundsätzliche langfristige Verhaltensweise gegenüber seiner relevanten externen Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele definiert. Dabei legt die Strategie die zu bearbeitenden Tätigkeitsbereiche fest und gibt vor, durch Einsatz welcher Ressourcen und Fähigkeiten Stimmigkeit mit den strategischen Erfolgsfaktoren der jeweiligen externen Umwelt hergestellt werden soll (vgl. Learned/Christensen/Andrews/Guth 1965, S. 17-19; Schoemaker/Amit 1994, S. 57).2 Darüber hinaus zielt die Strategie darauf ab, durch erhöhte Effizienz oder Effektivität Wettbewerbsvorteile zu generieren und langfristig zu erhalten (vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 4; Aharoni 1993, S. 31-34).3 Unternehmen und deren Strategien erhalten demnach innerhalb des RBV eine andere, weitere Definition als in der ökonomischen theory of the firm (vgl. Coase 1937; Penrose 1959, S. 13-15). Unternehmen existieren anstelle von Märkten, um 2
3
Man kann zwischen Unternehmens- und Geschäftsbereichsstrategie differenzieren: Während die Unternehmensstrategie die Tätigkeitsbereiche auswählt und die Ausstattung an Ressourcen und Fähigkeiten bestimmt, legt die Geschäftsbereichsstrategie fest, wie man sich in den ausgewählten Bereichen verhält (vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 27f.; Welge/Al-Laham 2003, S. 326-408). Während Effektivität das Verhältnis von tatsächlichem zu gewünschtem Output angibt, beschreibt Effizienz das Input-Output-Verhältnis (vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 2f.; siehe auch Barnard 1958, S. 19-21).
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
von der erhöhten Effizienz aus den Interdependenzen verschiedener Ressourcen und Fähigkeiten zu profitieren (vgl. Teece/Pisano 1994, S. 540; Fahy 2000, S. 101). Strategie ist neben der Verteilung knapper Ressourcen und Fähigkeiten auch Ausdruck der Anstrengung eines Unternehmens, bestehende Knappheiten durch kreative Lösungen mittels eines Hebeleffekts, d.h. einer erhöhten Effizienz in der Nutzung bestehender Ressourcen, zu überwinden (vgl. Hamel/Prahalad 1995, S. 51f.). Der RBV stellt somit eine Mischung aus ökonomischer Exaktheit (rigor) und Managementrealität dar (vgl. Fahy 2000, S. 95). Er folgt gleichzeitig den Empfehlungen der frühen Literatur zum strategischen Management (siehe Ansoff 1965; Andrews 1971), in der auf die besondere Relevanz von Ressourcen und Fähigkeiten verwiesen wird (vgl. Lei/Hitt/Bettis 1996, S. 552). Anhand einer vorhergehenden, auf der Wertschöpfungskette basierenden Analyse einer Industrie kann mit Hilfe des folgenden Modells ermittelt werden, welche erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten Unternehmen aufweisen sollten, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren. Dazu wird zunächst das zugrunde liegende Modell des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Ansatzes diskutiert. 1.
Ressourcen und Fähigkeiten
Der ressourcen- und fähigkeitenbasierte Ansatz fokussiert Unterschiede auf Ebene der Unternehmen und gilt als komplementär zu strategischen Analysen auf Industrieebene bspw. mittels der fünf Wettbewerbskräfte oder der strategischen Gruppen (vgl. Barney 2007, S. 155). Dabei stellt der RBV nicht auf Monopol- bzw. Oligopolverhalten ab, unter welchem Unternehmen ihren Output verringern, um auf Marktmacht basierende Renten zu generieren, sondern auf die Effizienzvorteile einzigartiger Inputfaktoren, welche die Generierung von Renten auslösen (vgl. Peteraf/Barney 2003, S. 312-321). Diese Inputfaktoren sind Ressourcen und Fähigkeiten, wobei die Unterscheidung zwischen Ressourcen und Fähigkeiten auf Kreps/Spence (1985, S. 346) und Shapiro (1989, S. 127-129) zurückgeht, die zwischen materiellen und immateriellen Grundlagen des Erfolgs unterscheiden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit umfassen Ressourcen und Fähigkeiten alle Aktiva, die durch ein Unternehmen kontrollierbar sind und die auf Effizienz- und Effektivitätssteigerung ausgerichtet sind (vgl. Daft 1989, S. 98-104; Barney 1991, S. 101; Rasche/Wolfrum 1994, S. 502).4 4
In der Literatur werden die Begriffe Ressourcen (resources), Fähigkeiten (capabilities), immaterielle Aktivposten (intangible assets), Kompetenzen (capabilities), Fertigkeiten (skills) u.v.m. häufig
1. Ressourcen und Fähigkeiten
9
Ausgehend von Barneys' (1991) Unterscheidung in physische, humane und organisatorische Ressourcen existieren weitere Kategorisierungen von Grant (1991), Amit/Schoemaker (1993) und Collis/Montgomery (1995).5 Eine solche Kategorisierung dient dazu, nicht nur einzelne Ressourcen und Fähigkeiten hinsichtlich ihrer Relevanz, sondern vielmehr die grundlegenden Charakteristika von Ressourcen und Fähigkeiten beurteilen zu können. Jedoch haftet allen Kategorisierungen die Kritik an, dass diese nicht eindeutig sind, weil z.B. Wissen sowohl den humanen als auch den organisatorischen Ressourcen Barneys' zuzurechnen ist. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb keine stark einschränkende Kategorisierung verwendet. Vielmehr werden lediglich die beiden Begriffe 'Ressourcen' und 'Fähigkeiten' unterschiedlich definiert: Ressourcen beschreiben, was ein Unternehmen hat, während Fähigkeiten umschreiben, was ein Unternehmen kann; in Teilen wird dabei in Bezug auf Ressourcen zwischen materiellen und immateriellen, in Bezug auf Fähigkeiten zwischen individuellen und organisationalen differenziert. Ein Wettbewerbsvorteil beschreibt die Überlegenheit eines Unternehmens gegenüber den Konkurrenten, drückt sich in der Generierung einer über dem Gleichgewichtsniveau liegenden Rente aus und ist z.B. am Marktanteil oder an der Profitabilität eines Unternehmens messbar (vgl. Kay 1993, S. 30f.; Bharadwaj/Varadarajan/ Fahy 1993, S. 87). Auch wenn die Untersuchung von Wettbewerbsvorteilen auf Chamberlin (1965) zurückgeht, sind diese der Neoklassik nach von temporärer Natur, da Vorsprünge eines Unternehmens von Konkurrenten dupliziert werden, wodurch eine Rente erodiert. Dagegen ist es nach Argumentation des RBV einem Unternehmen möglich, durch eine einzigartige Ressourcen- und Fähigkeitenausstattung nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren (vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 25f.; Collis/Montgomery 1995, S. 120). Sie entstehen, wenn in einer Industrie Heterogenität herrscht, Ressourcen und Fähigkeiten unternehmensspezifisch und deshalb immobil sind, Marktunvollkommenheiten auf strategischen Faktormärkten vorliegen sowie Ressourcen und Fähigkeiten lediglich beschränkt imitier- und substituierbar sind (vgl. Barney 1991, S. 103-112; Bürki 1996, S. 74-154). Diese einen Wettbewerbsvorteil begründenden Ressourcen und Fähigkeiten gelten als erfolgskritisch. Demnach liegt ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil vor, "wenn es (…) gelingt[,] eine werterzeugende Strategie zu implementieren, die nicht simultan von einem gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerber implementiert wird und wenn die Mitbewerber die erfolgs-
5
synonym verwendet (siehe Rasche/Wolfrum 1994, S. 511). Siehe für einen Überblick verschiedener Definitionen: Freiling (2001, S. 14). Siehe für einen Überblick verschiedener Kategorisierungen: Fahy (2000, S. 96f.).
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
verursachenden Faktoren dieser Strategie nicht duplizieren können" (Bürki 1996, S. 44; Hervorhebungen weggelassen). Es sind keine auf Marktmacht basierenden Gründe, die zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil führen, sondern auf einzigartigen Ressourcen und Fähigkeiten basierende Effizienzvorteile, die sich in der Erzielung supranormaler Renten ausdrücken (vgl. Ansoff 1965, S. 111; Peteraf 1993, S. 180-182; Brumagim 1994, S. 84). Eine supranormale Rente gibt an, dass das Niveau über dem bei vollkommener Konkurrenz liegt, weshalb es sich um eine Differentialrente handelt. Es wird demnach der Überhang für die normale Rendite einer Ressource oder Fähigkeit (vgl. Lewin/Phelan 1999, S. 7) bzw. der Überschuss über die Opportunitätskosten betrachtet (vgl. Foss/Knudsen 2003, S. 292; Peteraf/Barney 2003, S. 315). Neben den in der Neoklassik bekannten, auf Marktmacht basierenden Monopol- und Oligopolrenten6 existieren drei verschiedene Arten von Effizienzrenten: Die auf Unternehmensspezifität zurückzuführende Pareto-Rente (vgl. Pareto 1906, S. 247-250; Marshall 1920, S. 71-82), die auf innovatorische Leistungen bei Unsicherheit zurückgehende Schumpeter-Rente (vgl. Schumpeter 1967, S. 896-898) sowie die wegen Knappheit entstehende Ricardo-Rente (vgl. Ricardo 1817, S. 49-76). Die Argumentationslogik des RBV geht somit auf Demsetz (1973) zurück, nach dem Effizienzunterschiede Leistungsdifferenzen zwischen Unternehmen besser erklären als vorhandene Marktmacht oder ausgeübte Kollusion. Die Leistungsunterschiede zwischen Unternehmen beruhen auf unterschiedlichen Effizienzniveaus der eingesetzten Ressourcen und Fähigkeiten wie der Organisationsstruktur, den Produktionsabläufen oder der Rentenaneignungsfähigkeit. Der RBV ist somit eine effizienzorientierte Theorie, die vor allem auf Hebelwirkungen zur Effizienzsteigerung ausgerichtet ist, d.h. auf die Steigerung des Zählers im Produktivitätsverhältnis, nicht auf die Verringerung des Nenners abzielt (vgl. Peteraf/Barney 2003, S. 311f.; siehe auch Hamel/Prahalad 1995, S. 244f.). Um die Quellen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zu erkunden, wird ausgehend von der Grundargumentation von Barney (1991) das Modell der Eckpunkte von Wettbewerbsvorteilen von Peteraf (1993) verwendet und in Teilen durch Aspekte von Dierickx/Cool (1989a; 1989b) ergänzt (siehe Barney 2001, S. 649). Peteraf (1993) vereint mit ihrem Modell der Eckpunkte von Wettbewerbsvorteilen die verschiedenen Ansätze des RBV. Dabei identifiziert die Autorin vier Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil generiert wird. Als erste Bedingung gilt die Grundannahme von Barney (1991, S. 103-105) zur Heterogenität der 6
Im weiteren Verlauf der Arbeit zusammenfassend als Marktmachtrenten bezeichnet.
1. Ressourcen und Fähigkeiten
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Ressourcen- und Fähigkeitenausstattungen von Unternehmen, wodurch Ricardooder Monopolrenten generiert werden. Ex post Beschränkungen des Wettbewerbs in Form unvollkommener Imitierbarkeit und Substituierbarkeit gelten als zweite Bedingung, wodurch die Nachhaltigkeit des Wettbewerbsvorteils bestimmt wird. Drittens führt Peteraf die unvollkommene Mobilität von Ressourcen und Fähigkeiten aufgrund von die Nutzung einschränkenden Rechten oder Idiosynkrasie auf, wodurch ParetoRenten entstehen. Die durch Unsicherheit bzgl. des Wertes von Ressourcen und Fähigkeiten begründeten ex ante vorliegenden Unvollkommenheiten des strategischen Faktormarktes gelten als letzte Bedingung für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Werden alle vier Bedingungen erfüllt, erzielt ein Unternehmen der Argumentation von Peteraf zufolge nachhaltig supranormale Renten (vgl. Peteraf 1993, S. 180-186; siehe Abb. II.1.). Abb. II.1.:
The Cornerstones of Competitive Advantage
Ex-post Limits to Competition
Heterogeneity
Rents (Monopoly or Ricardian)
Rents sustained
Competitive Advantage Rents sustained within the firm
Imperfect Mobility
Rents not offset by costs
Ex-ante Limits to Competition
Quelle: Peteraf 1993, S. 186.
In der vorliegenden Arbeit werden die Schwächen und Unvollkommenheiten des Modells von Peteraf (1993) überwunden. Zum einen werden die verschiedenen Kriterien, die für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erfüllt sein müssen, in zwei Voraussetzungen und drei Bedingungen unterschieden (siehe dazu die Empfehlung von Foss/Knudsen 2003, S. 292). Darüber hinaus werden die Bedingungen in einen chronologischen Ablauf gebracht, so dass die Gründe für einen Wettbewerbsvorteil ausgehend von dessen Potenzial über das Vorliegen bis hin zu seiner Nachhaltigkeit sukzessive analysiert werden können. Zum anderen wird die durch einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil generierte supranormale Rente entsprechend der verschiedenen Rentenkonzepte von Pareto (1906), Schumpeter (1967) und Ricardo (1817) in
12
II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
ihre Bestandteile untergliedert, so dass der jeweilige Beitrag einzelner Bedingungen zur Gesamtrente ersichtlich wird (siehe Abb. II.2.).
Potenzial Vorliegen
Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Ressource & Fähigkeit
Voraussetzung 1 Heterogenität
Strategische Erfolgsfaktoren
Voraussetzung 2 Werthaltigkeit
Bedingung 1a
Bedingung 1b
NichtHandelbarkeit
Eingeschränkte Handelbarkeit
Pareto-Renten
Schumpeter-Renten
Nachhaltigkeit
Status des Wettbewerbsvorteils
Abb. II.2.:
Bedingung 2 Nicht-Imitierbarkeit/ -Substituierbarkeit Ricardo-Renten
Bildung von Kernkompetenzen
Erzielung supranormaler Renten
Quelle: Eigene Darstellung.
2. Potenzial eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Heterogenität und Werthaltigkeit
2.
13
Potenzial eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Heterogenität und Werthaltigkeit
Heterogenität (Voraussetzung 1). Der neoklassischen Theorie zufolge stellen Unternehmen Produktionsfunktionen dar, deren Innovationen mit unendlich schneller Reaktionsgeschwindigkeit imitiert werden, so dass im Zustand des vollkommenen Wettbewerbs alle Unternehmen homogen sind. Demnach sammeln alle Unternehmen identische Informationen, setzen die gleichen Ressourcen und Fähigkeiten ein und wählen darauf basierend die gleichen Strategien aus (vgl. Makadok/Barney 2001, S. 1623). Diese realitätsferne Perspektive (vgl. Lewin/Phelan 1999, S. 10; siehe auch Mueller 1977) bedeutet den Verzicht auf die dynamischen Kräfte des Wettbewerbs hinsichtlich seiner Fähigkeit, durch Innovationen die Wohlfahrt zu erhöhen. Auf realen Märkten führt eine innovatorische Leistung eines Unternehmens zu unterschiedlichen Reaktionen der Konkurrenten, wobei sich Unternehmen aufgrund der entstehenden Heterogenität von Ressourcen und Fähigkeiten differenzieren und einzigartig werden (vgl. Penrose 1959, S. 74-76; Learned et al. 1965, S. 182). Der Lebenszyklus von Unternehmensressourcen und -fähigkeiten erklärt die fortschreitende Heterogenität von Unternehmen, welche in der Folge zu unterschiedlichen Erwartungen über den Wert der eigenen inneren Umwelt sowie über die inneren Umwelten anderer Unternehmen führt (vgl. Lewin/Phelan 1999, S. 11; Helfat/Peteraf 2003, S. 1000). Heterogenität entsteht auch, weil sich Individuen und Gruppen mit unterschiedlichen Ressourcen und Fähigkeiten zu einem Unternehmen zusammenschließen. Vor einem identischen Problem stehend werden Individuen und Gruppen im Unternehmen andere Handlungsalternativen als konkurrierende Unternehmen in der gleichen Situation ergreifen. Denn Entscheidungsträger in verschiedenen Unternehmen wählen unterschiedliche strategische Optionen, weil z.B. aufgrund von Erfahrungsmangel mit bestimmten Herausforderungen kausale Vieldeutigkeit bezüglich der verschiedenen Handlungsalternativen besteht (vgl. Lippman/Rumelt 1982, S. 419421; Dierickx/Cool 1989a, S. 1508f.; Reed/DeFillippi 1990, S. 90-94; Adner/Helfat 2003, S. 1020-1023). Aber wenngleich in einer bestimmten Situation die identischen Strategien formuliert werden, kann es in der Folge zu Effizienzunterschieden bei der Implementierung der Strategie z.B. aufgrund organisationaler Lernprozesse oder intensiverer Beziehungen zu Unternehmen der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe kommen (vgl. Helfat/Peteraf 2003, S. 1000-1003). Die Entwicklung von Ressourcen und Fähigkeiten
14
II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
ist demnach von Pfadabhängigkeiten geprägt. Darüber hinaus führen auch andere unter Isolationsmechanismen diskutierte Faktoren wie Ineffizienz der Zeitkompression, Netzwerkbeziehungen und Vorkaufsrechte, aber auch Ressourcenimmobilität, staatliche Regulierung und ungleich verteilte Verfügungsrechte zu Heterogenität (vgl. Schulze 1994, S. 131f.; Peteraf/Barney 2003, S. 311).7 Der RBV greift somit die Betrachtung der Heterogenität von Unternehmen aus den ökonomischen Modellen zu monopolistischem Wettbewerb auf (vgl. Chamberlin 1965, S. 213-218). Darauf basierend begründet er, wie es für ein oder mehrere Unternehmen möglich ist, auch ohne Monopolstellung oder Kollusion nachhaltig supranormale Renten zu generieren. Heterogenität gilt somit als Grundannahme für die Anwendung des RBV und ist gleichzeitig ein Mehrwert, den der Ansatz gegenüber anderen ökonomischen Theorien bietet (vgl. Barney 1991, S. 103-105; Peteraf/Barney 2003, S. 311). Werthaltigkeit (Voraussetzung 2). Allerdings begründet die reine Heterogenität – ausgedrückt in der Differenzierung eines Unternehmens vom Wettbewerb – kein Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil, sondern kann im Ergebnis zu gleichgewichtigen Renten oder einem Wettbewerbsnachteil führen. Vielmehr muss ein heterogenes Unternehmen zwischen den die Heterogenität begründenden internen Ressourcen und Fähigkeiten und den externen Gegebenheiten Stimmigkeit herstellen, um das Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil zu erschließen. Denn Ressourcen und Fähigkeiten sind nicht per se werthaltig, sondern dieser Wert entsteht durch Verknüpfung mit den strategischen Erfolgsfaktoren der Märkte, in denen ein Unternehmen tätig ist (vgl. Hofer/Schendel 1978, S. 148-150; Amit/ Schoemaker 1993, S. 39). Daher wird eine einzigartige Position eines Unternehmens nur dann werthaltig, wenn die Konsumenten diese auch direkt oder indirekt wertschätzen (vgl. Hall 1992, S. 135). Ist dies gegeben, besteht aufgrund der heterogenen und gleichzeitig werthaltigen Position eines Unternehmens das Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil. Deshalb kann man nur dann von einem potenziellen Wettbewerbsvorteil sprechen, wenn ein Unternehmen einen höheren ökonomischen Wert generiert als der marginale Konkurrent. Dieser ökonomische Wert ist die Differenz zwischen dem erfahrenen Wert der Konsumenten und den Kosten des Unternehmens. Diese Nettonutzenbetrachtung steht im Einklang mit ökonomischen Traditionen und stellt heraus, dass ein Unternehmen dann einen Wettbewerbsvorteil besitzt, wenn es entweder einen 7
Die in Unterkapitel II.4. diskutierten Isolationsmechanismen erklären nicht nur Nachhaltigkeit von Wettbewerbsvorteilen, sondern auch Heterogenität von Unternehmen (vgl. Mahoney 1995, S. 96).
2. Potenzial eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Heterogenität und Werthaltigkeit
15
höheren Wert bei gleichen Kosten oder einen gleichen Wert bei geringeren Kosten bieten kann (vgl. Peteraf/Barney 2003, S. 314f.). Die Werthaltigkeit einer Ressource oder Fähigkeit drückt sich somit in erhöhter Effizienz oder Effektivität eines Unternehmens aus. Die in den beiden folgenden Unterkapiteln zu diskutierenden Bedingungen des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells können sowohl Effekt eines Wettbewerbsvorteils sein als auch diesen begründen, während die in diesem Unterkapitel betrachteten Voraussetzungen ausschließlich Grund für einen Wettbewerbsvorteil sein können (vgl. Foss/Knudsen 2003, S. 298). 3.
Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Handelbarkeit oder eingeschränkter Handelbarkeit
Dem RBV liegt die Annahme zugrunde, dass strategische Faktormärkte (strategic factor markets) existieren (vgl. Barney 1986c, S. 1231-1233). Auf diesen können potenziell für eine Strategie relevante Ressourcen und Fähigkeiten gehandelt werden, wobei jede Ressource oder Fähigkeit zu einem strategischen Faktor werden kann. Neben dem direkten Kauf einer einzelnen Ressource oder Fähigkeit kann diese auch durch Akquisition eines anderen Unternehmens oder eines Teils davon, den Kauf der Nutzungsrechte oder durch einen Wissenstransfer erworben werden. Der Argumentation der Neoklassik folgend können auf einem strategischen Faktormarkt nur dann supranormale Renten generiert werden, wenn auf diesem Marktunvollkommenheiten vorliegen oder sich bestimmte Ressourcen und Fähigkeiten aufgrund ihrer Natur dem Handel auf diesem Markt entziehen.8 Während bspw. die Diskriminierung beim Zugang zum Kapitalmarkt oder Fähigkeitsdifferenzen auf Ebene des Managements bzgl. der Bildung von Erwartungswerten einzelner Ressourcen und Fähigkeiten Unvollkommenheiten des Marktes begründen, entsteht Nicht-Handelbarkeit einer Ressource oder Fähigkeit durch deren Idiosynkrasie und führt zur Unvollständigkeit des strategischen Faktormarktes (vgl. Dierickx/Cool 1989a, S. 1505f.). Nur wenn Faktormärkte unvollkommen oder unvollständig sind, können Unterschiede zwischen Unternehmen von Dauer sein und Unternehmen mit unterschiedlichen Effizienzniveaus innerhalb einer Industrie existieren (vgl. Wernerfelt/Montgomery 1986, S. 1224). Durch die Bedingung der Nicht- bzw. eingeschränkten Handelbarkeit auf den strategischen Faktormärkten stellt der RBV die Annahme 8
Auch wenn das elastische Angebot der Produktionsfaktoren eine der Grundannahme der Neoklassik darstellt, geht das Konzept der unvollkommenen Faktormärkte auf Ricardo (1817) und somit einen der Begründer der Neoklassik zurück (vgl. Barney 2001, S. 644-646).
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
der Neoklassik in Frage, nach welcher alle Faktoren von jedem Unternehmen erworben werden können und dort den gleichen Wert entfalten (vgl. Teece et al. 1997, S. 514). Nicht-Handelbarkeit (Bedingung 1a). Während materielle Ressourcen und individuelle Fähigkeiten handelbar sind, entziehen sich immaterielle Ressourcen und organisationale Fähigkeiten weitgehend den oben beschriebenen Aneignungsmechanismen auf dem strategischen Faktormarkt (vgl. zu Knyphausen 1993, S. 776). Diese müssen unter Aufwand monetärer und zeitlicher Investitionen selbständig aufgebaut werden. Idiosynkrasie, d.h. Unternehmensspezifität einer Ressource oder Fähigkeit, entsteht durch eine enge Verflechtung der Ressource oder Fähigkeit mit einem Unternehmen (vgl. Bürki 1996, S. 83). Der Grad der Idiosynkrasie wird durch die organisationale Einbindung und die Abhängigkeit vom spezifischen organisationalen Kontext der Ressource oder Fähigkeit bestimmt (vgl. Rumelt 1987, S. 143; Grant 1991, S. 126f.; Peteraf 1993, S. 183-185). Eine solche idiosynkratische Ressource oder Fähigkeit führt ausschließlich im angestammten Unternehmen zur maximalen Produktivität und verliert außerhalb des Unternehmens an Wert (vgl. Grant 1991, S. 126; Freiling 2001, S. 110). Dies bedeutet, dass die Opportunitätskosten höher sind als der Veräußerungswert und dementsprechend ein absoluter Kostenvorteil für das die Ressource oder Fähigkeit innehabende Unternehmen besteht. Deshalb werden idiosynkratische Ressourcen und Fähigkeiten wie unternehmensspezifisches Humankapital de facto immobil und nicht auf dem strategischen Faktormarkt gehandelt, sondern müssen über einen gewissen Zeitraum selbständig aufgebaut werden (vgl. Dierickx/Cool 1989a, S. 1506; siehe auch Telser 1961, S. 197).9 Neben dieser auf Opportunitätskosten basierenden Begründung können auch Verfügungsrechte und geographische Gegebenheiten zu Idiosynkrasie und somit Immobilität von Ressourcen und Fähigkeiten führen (vgl. Grant 1991, S. 126f.; Peteraf 1993, S. 183). Durch Idiosynkrasie entstehende Asymmetrie eines Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern kann auch dann einen Wettbewerbsvorteil begründen, wenn die zugrunde liegende Ressource oder Fähigkeit zwar immobil, jedoch nicht werthaltig im Sinne von Voraussetzung 2 ist. Vielmehr kann diese Ressource oder Fähigkeit durch die Kombination mit anderen mobilen, aber das Kriterium der Werthaltigkeit erfüllenden Ressourcen und Fähigkeiten zu einem Wettbewerbsvorteil führen.
9
Das Konzept der strategischen Faktormärkte berücksichtigt dies durch einen Vergleich der Kosten für die Entwicklung nicht handelbarer Ressourcen und Fähigkeiten mit dem durch Strategieimplementation freigesetzten Wert dieser Ressourcen und Fähigkeiten (vgl. Barney 1989, S. 1512).
3. Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Handelbarkeit oder eingeschränkter Handelbarkeit 17
Jedes Unternehmen wählt seine Strategie und daraufhin treten Wettbewerber mit substitutiven Gütern gegeneinander an, wobei der Markt erfolgreiche von weniger erfolgreichen Strategien selektiert. Falls eine Ressource oder Fähigkeit für ein Unternehmen einen höheren Wert aufweist als in allen anderen Verwendungen, liegt ein Wettbewerbsvorteil vor und das Unternehmen generiert Pareto-Renten10 (vgl. Pareto 1906, S. 247-250; Marshall 1920, S. 71-82; Peteraf 1993, S. 184). Diese Form der Rente entsteht durch erhöhte Effizienz, welche ein Unternehmen durch Spezialisierung mittels der Nutzung idiosynkratischer Ressourcen und Fähigkeiten erreicht, und setzt kein Monopolverhalten voraus (vgl. Wernerfelt/Montgomery 1986, S. 1226; zu Knyphausen 1993, S. 779; Winter 1995, S. 159-163). Eingeschränkte Handelbarkeit (Bedingung 1b). Alle nicht aufgrund von Idiosynkrasie immobilen Ressourcen und Fähigkeiten sind auf dem strategischen Faktormarkt handelbar. Zur Bestimmung der individuellen Zahlungsbereitschaft muss ein Unternehmen alle verschiedenen Transformationen einer Ressource oder Fähigkeit bedenken und miteinander vergleichen. Dabei dienen Preise zur Koordination der Marktteilnehmer, indem der Preis eines auf einem Markt gehandelten Faktors dessen wahren Wert in seiner besten Verwendungsmöglichkeit angibt (vgl. Koopmans 1957, S. 148). Liegen allerdings strategische Faktormarktunvollkommenheiten vor, ist das Preissignal gestört (vgl. Stiglitz 1994, S. 41-44) und die aus einer Ressource oder Fähigkeit erwachsenden strategischen Optionen können nicht eindeutig identifiziert werden. Als Folge herrscht Unsicherheit über den wahren Wert einer Ressource oder Fähigkeit (vgl. Schoemaker 1990, S. 1183; Makowski/Ostroy 1995, S. 809f.). Es entsteht Heterogenität der Erwartungswerte, falls diese Unsicherheit zwischen Unternehmen divergiert (vgl. Luce/Raiffa 1957, S. 13; Foss/Knudsen 2003, S. 300). Die Gründe für entstehende Unsicherheit liegen in der zuvor beschriebenen Unvollständigkeit strategischer Faktormärkte aufgrund von Idiosynkrasie, weil es dadurch keinem Unternehmen möglich ist, alle Verwendungsalternativen einer Ressource oder Fähigkeit zu kennen (vgl. Denrell/Fang/Winter 2003, S. 982-984). Dementsprechend handeln alle Unternehmen auf einem strategischen Faktormarkt unter unvollkommener und unvollständiger Information, was zu Asymmetrien in der Auswahl und Interpretation relevanter Informationen zur Verwendung einer Ressource oder Fähigkeit führt (vgl. Williamson 1975, S. 21-26; Makadok/Barney 2001, S. 1623). Diese Informationsasymmetrien entstehen einerseits, da bestimmte Unternehmen effizienter Informationen darüber generieren können, welchen Wert eine Ressource 10
Diese werden auch Marshall- oder Quasi-Renten genannt. Allerdings werden Pareto-Renten in der Literatur sehr uneinheitlich verwendet (vgl. Stonier/Hague 1953, S. 274-276; Lewin/Phelan 1999, S. 6).
18
II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
oder Fähigkeit innerhalb des Unternehmens selbst entwickelt. Andererseits entstehen diese, weil Unternehmen den Wert einer Ressource oder Fähigkeit für andere Unternehmen nur in Abhängigkeit von deren bestehenden Ressourcen- und Fähigkeitenausstattungen beurteilen können, diese aber nicht vollständig einsehbar sind (vgl. Makadok/Barney 2001, S. 1623f.). Darüber hinaus werden bestehende Informationsasymmetrien durch neue Technologien, ökonomische und politische Trends sowie Veränderungen in gesellschaftlichen Werten und Konsumentenpräferenzen beeinflusst. Die Strategieformulierung ist somit von der Unsicherheit über den wahren Wert strategischer Faktoren geprägt. Basierend auf Informationsasymmetrien entsteht für ein Unternehmen die Möglichkeit, durch erhöhte Prognosefähigkeit Wettbewerbsvorteile zu generieren, indem es eine höhere Qualität bzgl. der Erwartungswertbildung erreicht (vgl. Yao 1988, S. 67f.; Makadok/Barney 2001, S. 1622). Ein solches Unternehmen kann eine Ressource oder Fähigkeit aufgrund von entstehenden Kostenunterschieden unterhalb ihres wahren Wertes erwerben (vgl. Peteraf 1993, S. 185) oder den Kauf zu einem über dem Wert liegenden Preis vermeiden (vgl. Thaler 1992, S. 50-62). Neben der Unsicherheit über den wahren Wert entstehen strategische Faktormarktunvollkommenheiten auch durch die heterogenen Ressourcen- und Fähigkeitenausstattungen der Unternehmen. Aufgrund von historischen Entwicklungen stellt jedes Unternehmen ein Bündel unterschiedlicher Ressourcen und Fähigkeiten dar, welches die Effizienz des Einsatzes neuer Ressourcen und Fähigkeiten und somit deren wahren Wert determiniert (vgl. Cool/Schendel 1988, S. 209; Lei et al. 1996, S. 550; Teece et al. 1997, S. 515). Durch den Einsatz der auf dem strategischen Faktormarkt erworbenen Ressource oder Fähigkeit in Interaktion mit bereits vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten entstehen Komplementaritäten. Zum einen äußern sich diese Komplementaritäten in besseren Refinanzierungsmöglichkeiten im Falle des Ressourcen- und Fähigkeiteneinsatzes. Verfügt ein Unternehmen bspw. über bereits etablierte Marken und somit eine gewisse Marktmacht auf dem Absatzmarkt, kann ein Unternehmen höhere Umsätze generieren als ein Unternehmen, das eine solche Marke erst aufbauen muss. Daneben ist es vor allem die Flexibilität eines Unternehmens und die damit ermöglichte schnellere Erschließung neuer Güter und Märkte, wodurch sich getätigte Investitionen auf dem strategischen Faktormarkt schneller amortisieren (vgl. Lei et al. 1996, S. 564). Dieser Effekt wird vor allem dann verstärkt, wenn die spezifischen Investitionen versunkene Kosten darstellen.
3. Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Handelbarkeit oder eingeschränkter Handelbarkeit 19
Zum anderen kann ein Unternehmen im Falle des Ressourcen- und Fähigkeiteneinsatzes aufgrund von Komplementaritäten über eine bessere Kostenstruktur als Wettbewerber verfügen. Insbesondere in von Unsicherheit geprägten Absatzmärkten und fremdkapitalintensiven Industrien ermöglicht eine bessere Beziehung zum Kapitalmarkt eine erhöhte Liquidität oder günstigere Finanzierungskonditionen. Vorteilhafte Zugriffsrechte auf die auf dem strategischen Faktormarkt gehandelten oder dazu komplementären Ressourcen und Fähigkeiten können bspw. mittels besserer Konditionen aufgrund langjähriger Zusammenarbeit, durch vertikale Integration oder durch Reputation ein Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb besser stellen. Falls es also allen Unternehmen möglich ist, den für sie wahren Wert einer Ressource oder Fähigkeit zu ermitteln, führt die Heterogenität der Ressourcenund Fähigkeitenausstattungen von Unternehmen zu unterschiedlichen Erwartungswerten und somit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Unternehmen auf dem strategischen Faktormarkt. Aber auch wenn sowohl der Marktpreis den wahren Wert einer Ressource oder Fähigkeit vermittelt, wodurch Qualitätsunterschiede der Erwartungswertbildung obsolet werden, als auch dieser wahre Wert für alle Unternehmen gleich ist, kann Heterogenität bzgl. der Entfaltung dieses wahren Wertes bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn kausale Vieldeutigkeit bzgl. der verschiedenen Einsatzmöglichkeiten einer Ressource oder Fähigkeit besteht. Denn es ist nicht ausreichend, eine strategische Option zu erkennen, sondern es bedarf der komplementären Ressourcen und Fähigkeiten, um diese auch möglichst effizient implementieren zu können (vgl. Learned et al. 1965, S. 178f.; Lippman/Rumelt 1982, S. 420; Reed/DeFillippi 1990, S. 90f.; Teece et al. 1997, S. 514f.). Strategische Faktormarktunvollkommenheiten entstehen entsprechend den obigen Ausführungen entweder durch die Heterogenität der Erwartungswertbildung aufgrund von Informationsasymmetrien oder durch heterogene Erwartungswerte aufgrund von Komplementaritäten. Das strategische Management eines Unternehmens zielt darauf ab, solche Marktunvollkommenheiten zu schaffen bzw. bereits bestehende auszunutzen. Kann ein Unternehmen besser als der Markt die Zukunft bestimmen oder bestehen aufgrund der spezifischen Historizität eines Unternehmens die Voraussetzungen, dass eine gehandelte Ressource oder Fähigkeit in diesem Unternehmen einen höheren Wert als in jeder anderen Verwendung erzeugt, kann das Unternehmen Schumpeter-Renten11 generieren (vgl. Schumpeter 1967, S. 896-898; siehe auch Barney 1986c, S. 1231f.; Rumelt 1987, S. 143f.). Anders als Pareto-Renten, die 11
Diese werden auch Unternehmer-Renten genannt.
20
II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
auf Spezifität beruhen, entstehen diese durch innovative Leistungen eines Unternehmens. Dabei gilt, dass der Heterogenitätsgrad und die Höhe der SchumpeterRente positiv korreliert sind (vgl. zu Knyphausen-Aufseß 1997, S. 461). 4.
Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von NichtImitierbarkeit und -Substituierbarkeit
Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit (Bedingung 2). Ist ein auf Ressourcen oder Fähigkeiten basierender Wettbewerbsvorteil entweder aufgrund von Idiosynkrasie, Informationsasymmetrien oder Komplementaritäten auf dem strategischen Faktormarkt erarbeitet, besteht die Gefahr der Duplikation der Ressource oder Fähigkeit durch Konkurrenten, wodurch ein Wettbewerbsvorteil erodieren kann. Im Gegensatz zur Industrieökonomik unterstellt der RBV allerdings nicht, dass nur durch Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren, sondern auch durch Isolationsmechanismen Wettbewerbsvorteile nachhaltig aufrechterhalten werden können. Die dafür notwendigen ex post Limitationen des Wettbewerbs um Ressourcen und Fähigkeiten sind dabei häufig die direkte Folge der unter Bedingung 1b beschriebenen ex ante Limitationen auf dem strategischen Faktormarkt (vgl. Denrell et al. 2003, S. 987). Nachhaltigkeit ist nicht auf eine bestimmte Zeitspanne oder gar die Ewigkeit bezogen. Vielmehr ist der Zeitraum unternehmens-, industrie- und situationsabhängig zu definieren (vgl. Reed/DeFillippi 1990, S. 96f.). In der vorliegenden Arbeit liegt Nachhaltigkeit vor, wenn der Wettbewerbsvorteil auch nach Duplikationsversuchen durch Konkurrenten existiert (vgl. Barney 1991, S. 102). Dabei dient die Imitationszeit von Endgütern als Indikator dafür, wie schnell die zugrunde liegenden Ressourcen und Fähigkeiten duplizierbar sind (vgl. Bürki 1996, S. 147-152).12 Während Wettbewerbsvorteile entstehen, wenn die individuellen Stärken eines Unternehmens und die strategischen Erfolgsfaktoren des Marktes in Einklang miteinander sind, hängt deren Nachhaltigkeit von der Stärke der Isolationsmechanismen ab. Um die Gefahr der Erosion bestehender Wettbewerbsvorteile möglichst gering zu halten, verweist bereits Ansoff (1965, S. 110) auf Patente und einen hohen Innovationsgrad, um die einem Wettbewerbsvorteil zugrunde liegenden Faktoren vor Imitation und Substitution zu schützen.13 Denn davon ausgehend, dass ein Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil generiert hat, genießt es einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten. Dabei profitiert es aus Perspektive des RBV vor allem von der 12 13
Siehe zu Nachhaltigkeit: Beaver (1970); Mueller (1977); Jacobsen (1988). Siehe zu Definitionen von Imitations- und Substitutionsstrategien: Yoo/Choi (2005, S. 93f.).
4. Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit
21
Möglichkeit, sowohl bewusst Imitationsbarrieren aufbauen und kontinuierlich beibehalten als auch gleichzeitig Substitutionsbemühungen von Konkurrenten verzögern zu können (vgl. McEvily/Das/McCabe 2000, S. 294f.; Yoo/Choi 2005, S. 93f.). Die dafür verwendeten Instrumente nennt man Isolationsmechanismen. Diese wirken als Imitations- oder Substitutionsschutz für Ressourcen und Fähigkeiten und werden aus dem strategischen Management, der Organisationstheorie sowie der Industrieökonomik abgeleitet (vgl. Mahoney/Pandian 1992, S. 371-373).14 Isolationsmechanismen bezeichnen Verhaltensweisen und Strukturen von Unternehmen zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit der Imitation oder Substitution durch andere Unternehmen und gelten als entscheidende Voraussetzung für die Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils (vgl. Schellhaaß 1985, S. 269; Bürki 1996, S. 109; Freiling 2001, S. 64 & 101f.). Sie sind als ex post Beschränkungen des Wettbewerbs keine notwendige Bedingung zur Erzielung supranormaler Renten, stellen aber deren Nachhaltigkeit hinreichend in Aussicht. Im Falle des Schutzes eines Wettbewerbsvorteils durch Isolationsmechanismen kann ein Unternehmen Ricardo-Renten15 (vgl. Ricardo 1817, S. 49-76) generieren. Diese beruhen auf der Fähigkeit des Unternehmens, Seltenheit bzw. Knappheit der einem Wettbewerbsvorteil zugrunde liegenden Ressourcen und Fähigkeiten zu verursachen (vgl. Barney 1991, S. 106f.; Lewin/Phelan 1999, S. 6-9). Neben diesem positiven Effekt von Isolationsmechanismen gibt es allerdings auch trade-offs. Je komplexer die Wirkungsweise eines Isolationsmechanismus, desto schwerer ist eine geschützte Ressource oder Fähigkeit zu imitieren; allerdings steigt dadurch auch die Schwierigkeit, diese Ressource oder Fähigkeit zu managen (vgl. Schoemaker/Amit 1994, S. 8-10). Sehr stark wirkende Isolationsmechanismen setzen vor allem bei überdurchschnittlich erfolgreichen Ressourcen und Fähigkeiten den Anreiz für Konkurrenten, intensiviert Duplikationsbemühungen zu unternehmen (vgl. Lado/Boyd/Wright/Kroll 2006, S. 119-122). Die Marktdynamik gibt Aufschluss über die Intensität der Imitations- und Substitutionsversuche, welche bspw. im Grad des benchmarking einer Industrie gemessen werden kann (vgl. Oliver 1997, S. 708), und ist invers mit Nachhaltigkeit korreliert (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1113). Allerdings kann durch Isolationsmechanismen Imitation besser verhindert werden als Substitution, da diese weniger gut nachverfolgt werden kann und Isolationsmechanismen von Konkurrenten wirken können. Substitution ist allerdings dann für das den 14
15
Isolationsmechanismen werden in der Literatur unter unterschiedlichen Begriffen diskutiert (vgl. Fahy 2000, S. 97f.). Siehe für einen Überblick zu Isolationsmechanismen: Mahoney/Pandian (1992, S. 372f.). Diese werden auch Knappheits-Renten genannt.
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Wettbewerbsvorteil innehabende Unternehmen gefährlich, wenn das Substitut selbst nicht idiosynkratisch, mobil und leicht imitierbar ist (vgl. Bürki 1996, S. 152-154). In diesem Falle können weitere Unternehmen das Substitut durch Imitation erlangen, wodurch die originär den Wettbewerbsvorteil begründenden Ressourcen und Fähigkeiten ihre Relevanz hinsichtlich supranormaler Renten verlieren. In der Literatur existieren viele verschiedene Katalogisierungen und Aufzählungen bzgl. Isolationsmechanismen (siehe Rumelt 1984, S. 568; Dierickx/Cool 1989a, S. 1507-1509; zu Knyphausen-Aufseß 1995, S. 85f.; Bürki 1996, S. 116-146; Freiling 2001, S. 106-158; Hoopes/Madsen/Walker 2003, S. 891), wobei die meisten von Inkonsistenz und Unvollständigkeit geprägt sind. Rumelt (1984, S. 566-568) zählt bspw. neben klassischen ex post Beschränkungen auch Ressourcen und Fähigkeiten selbst auf, ohne die dahinter liegenden Mechanismen zu beleuchten.16 Er führt u.a. Teamfähigkeit als Isolationsmechanismus auf, wobei es vor allem der historischen Entwicklung einer bestimmten Unternehmenskultur und anderen Effekten geschuldet ist, dass diese Fähigkeit einen Wettbewerbsvorteil generieren kann und nicht ohne Weiteres von Wettbewerbern kopiert werden kann. Daneben führt er gesetzliche Eintrittsbarrieren auf, die auf der Ebene der Industrie bzw. auf der Ebene der strategischen Gruppen Wettbewerbsvorteile begründen, nicht auf der Ebene der Unternehmung. Dierickx/Cool (1989a, S. 1507-1509) identifizieren dagegen fünf Isolationsmechanismen: Kausale Vieldeutigkeit, Pfadabhängigkeiten, Ineffizienzen der Zeitkompression, Fragmentierung und Komplementaritäten sowie kontinuierliche Reinvestitionen aufgrund von Substanzverlust. Allerdings können die letzten vier genannten Isolationsmechanismen auf den Faktor Zeit zurückgeführt werden und weisen Überschneidungen auf, während andere die Imitation und Substitution einer Ressource oder Fähigkeit erschwerende Mechanismen keine Erwähnung finden. Die vorliegende Arbeit versucht deshalb keine endliche Liste zu erstellen, wie Unternehmen ihre Strategien vor Imitation und Substitution schützen können. Vielmehr werden in Anlehnung an Barney (1991, S. 107) die in der Literatur meist diskutierten Isolationsmechanismen den drei Kategorien 'Temporal', 'Kognitiv' und 'Strukturell' zugeordnet (siehe Abb. II.3.).17
16
17
Die Aufzählung von Rumelt (1984, S. 568) umfasst kausale Vieldeutigkeit, spezialisierte Aktivposten, Wechsel- und Suchkosten, Lernprozesse von Konsumenten und Produzenten, Teamfähigkeiten, einzigartige Ressourcen, spezielle Informationen, Patente, Marken, Reputation und gesetzliche Eintrittsbeschränkungen. Barney (1991, S. 107-111) führt einzigartige geschichtliche Gegebenheiten eines Unternehmens, kausale Vieldeutigkeit zwischen Ressourcenbasis und Unternehmenserfolg sowie soziale Komplexität im Zusammenhang mit Ressourcen und Fähigkeiten als Isolationsmechanismen auf.
4. Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit
Abb. II.3.:
23
Arten von Isolationsmechanismen Isolationsmechanismen
Temporale
Pfadabhängigkeit
Ineffizienz der Zeitkompression
Kognitive
Kausale Vieldeutigkeit
Soziale Komplexität
Strukturelle
Nachfrageseitig
Angebotsseitig
Quelle: Eigene Darstellung.
4.1.
Temporale Isolationsmechanismen
Der Neoklassik nach erodiert ein bestehender Wettbewerbsvorteil durch Imitation, indem Konkurrenten erfolgreiche Strategien etablierter Unternehmen adaptieren können. Der Auffassung des RBV zufolge besitzt jedes Unternehmen eine unverwechselbare Identität, da sich ein Unternehmen im Zeitablauf mittels seines strategischen Managements an externe Rahmenbedingungen anpasst und sich gleichzeitig durch interne Veränderungsprozesse zu einer Institution mit eigener Historizität entwickelt (vgl. Selznick 1957, S. 5-8 & 16; Penrose 1959, S. 22-24). Daraus erwachsen Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression (time compression diseconomies), die als temporale Isolationsmechanismen fungieren. Die Entwicklung eines Zustandes, in dem ein Unternehmen Pfadabhängigkeiten einsetzen kann, um bestehende Wettbewerbsvorteile zu schützen, ist ein mehrstufiger endogener Prozess. Ausgehend von Asymmetrie zwischen den am Markt tätigen Unternehmen und Unvollkommenheiten des strategischen Faktormarktes spielen bei der Wahl neuer Strategien die jeweils historisch akkumulierte Ressourcen- und Fähigkeitenausstattung eine entscheidende Rolle (vgl. Schellhaaß 1985, S. 269; Bürki 1996, S. 143). Neu erworbene oder selbst aufgebaute Ressourcen und Fähigkeiten treffen auf die bestehende Ausstattung des Unternehmens, wobei die Wertentwicklung von deren Interaktionen abhängt. War es etablierten Unternehmen in der Vergangenheit möglich, aufgrund von generierten Renten höhere Folgeinvestitionen zu tätigen, erzielen diese im Durchschnitt einen höheren Innovationserfolg und ein sich selbst verstärkender wechselseitiger Prozess zwischen Asymmetrie und Pfadabhängigkeiten setzt ein (vgl. Sylos-Labini 1962, S. 143-155; Lieberman/Montgomery 1988, S. 41). Dies entspricht dem Gibrat-Gesetz, welchem zufolge Unternehmen proportional zu ihrer absoluten, nicht zu ihrer relativen Größe wachsen (vgl. Gibrat 1931, S. 63f.). Es kommt nicht zu Konvergenz und eine einmal entstandene Heterogenität verstärkt sich. Pfadabhängigkeiten verzögern den Marktgleichgewichtspro-
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
zess und beruhen auf Unabänderlichkeiten, Unteilbarkeiten als auch strukturellem Verhalten der Marktteilnehmer (vgl. Antonelli 1997, S. 644), was auf Interaktionen der temporalen mit den strukturellen Isolationsmechanismen schließen lässt. Wenngleich Strategien und die diesen zugrunde liegende Ressourcen und Fähigkeiten replizierbar werden, können Unternehmen aufgrund der Dynamik von Beziehungen zwischen Bestands- und Flussgrößen (stock-flow relationships) einen Wettbewerbsvorteil nachhaltig aufrecht erhalten, wenn Konkurrenten den originären Vorsprung aufgrund von Ineffizienzen der Zeitkompression niemals aufholen können (vgl. Schellhaaß 1985, S. 269; Grant 1991, S. 127f.). Dazu bedarf es sowohl bestehender Ressourcen- und Fähigkeitenkomplementarität als auch kontinuierlicher Reinvestitionen. Falls diese Reinvestitionen in Bestandsressourcen und -fähigkeiten wie Produktionskapazitäten und Markenloyalität geschehen, kann dadurch glaubhaft Imitation verhindert werden (vgl. Dierickx/Cool 1989a, S. 1508). Kontinuierliche Prozesse der Ressourcen- und Fähigkeitenbewirtschaftung verringern die Substitutionsgefahr, da sie effizienter sind als Aufholprozesse, in denen Zeit durch die Höhe der Aufwendungen substituiert wird. Darüber hinaus können etablierte Unternehmen von strukturellen Faktoren durch das Erreichen einer kritischen Masse profitieren, was ebenfalls auf Interaktionen zwischen temporalen und strukturellen Isolationsmechanismen hinweist. Anpassungsverzögerungen von Konkurrenten schaffen die Möglichkeit, kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Die Fähigkeit des kontinuierlichen Aufrechterhaltens eines solchen temporären Wettbewerbsvorteils mittels Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression begründet einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil und führt zu supranormalen Renten. 4.2.
Kognitive Isolationsmechanismen
Die Entscheidungsträger eines Unternehmens versuchen mittels des Strategieformulierungs- und -implementierungsprozesses bestimmte Ziele zu setzen und diese durch gewählte Maßnahmen und Verhaltensweisen effizient zu erreichen. Das kausale System zwischen Ursache, d.h. der Strategie eines Unternehmens, und Wirkung, d.h. dem Ergebnis im Wettbewerb, umfasst drei Inputvariablen: Während Kontrollvariablen kurzfristig durch das Management eines Unternehmens veränderbar sind, ist dies bei Zustandsvariablen nur mittel- bis langfristig, bei Umweltvariablen überhaupt nicht oder nur langfristig und indirekt möglich (vgl. Winter 1987, S. 160169). Dabei ist die Bestimmung der Inputvariablen die erste Quelle für kausale Vieldeutigkeit (causal ambiguity). Es muss aber auch das Verhältnis zwischen
4. Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit
25
Ursache und Wirkung richtig analysiert werden, was die zweite Quelle für kausale Vieldeutigkeit in sich birgt (vgl. Mosakowski 1997, S. 415f.). Konkurrierende Unternehmen können lediglich das Marktergebnis beobachten und unterliegen deshalb bei der Ermittlung des Verhältnisses zwischen Ursachen und Wirkung eines bestehenden Wettbewerbsvorteils kausaler Vieldeutigkeit. Die Gründe dafür liegen in den Eigenschaften der einer Strategie zugrunde liegenden Ressourcen und Fähigkeiten. Sind diese von mangelnder Explizierbarkeit (tacitness), Komplexität und Idiosynkrasie geprägt, ist die Identifikation und Messung des Wirkungszusammenhangs zwischen Strategie und Wettbewerbsvorteil nur erschwert durchführbar (vgl. Reed/DeFillippi 1990, S. 91-94; Chi 1994, S. 276). Diese Effekte werden durch die eingeschränkte Fähigkeit von Entscheidungsträgern begünstigt, komplexe, multivariable Probleme zu lösen (vgl. Alchian 1950, S. 212). Als Reaktion darauf simplifiziert und abstrahiert ein Entscheidungsträger entsprechend dem Konzept der begrenzten Rationalität (bounded rationality) die Analyse der UrsacheWirkungszusammenhänge stark. Dadurch handeln konkurrierende Unternehmen unter Unsicherheit bzgl. der Nachahmung erfolgreicher Strategien, wodurch deren Imitierbarkeit und Substituierbarkeit verringert wird. Kausale Vieldeutigkeit beschreibt den Zustand, in dem sich sowohl das den Wettbewerbsvorteil innehabende Unternehmen als auch die Wettbewerber in Unklarheit über den Zusammenhang zwischen Ressourcen und Fähigkeiten auf der einen und dem Wettbewerbsvorteil auf der anderen Seite befinden (vgl. Lado/Boyd/Wright 1992, S. 84; Bürki 1996, S. 125; Powell/Lovallo/Caringal 2006, S. 175). Dabei wird das Konzept der kausalen Vieldeutigkeit als ein Kontinuum zwischen Unkenntnis, unter welcher kein Wirkungszusammenhang ausgeschlossen wird, und Risiko, unter welchem alle bis auf einen Wirkungszusammenhang ausgeschlossen werden, interpretiert (vgl. Einhorn/Hogarth 1986, S. S229f.). Der Grad kausaler Vieldeutigkeit gibt Auskunft über das Verständnis der Wirkungszusammenhänge seitens der Entscheidungsträger und die Anzahl der von ihnen ausgeschlossenen Alternativen (vgl. Lippman/Rumelt 1982, S. 420f.; Mosakowski 1997, S. 416; King 2007, S. 162). Annahmegemäß kann dieser Grad zwischen dem den Wettbewerbsvorteil innehabenden Unternehmen und den Konkurrenten sowie unter den Konkurrenten selbst divergieren (vgl. Reed/DeFilippi 1990, S. 90f.; im Widerspruch zu Barney 1991, S. 109). Diese Ungewissheit über Erfolg bringende Faktoren macht die Akkumulation neuer Ressourcen und Fähigkeiten zu einem stochastischen Prozess und bedingt unsichere Imitierbarkeit erfolgreicher Strategien. Das führt zu unterschiedlichen Entwicklungen von Unternehmen und verstärkt die Heterogenität innerhalb einer Industrie (vgl. Lippman/Rumelt 1982, S. 418; Bürki 1996, S. 133), was auf wechsel-
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
seitige Beziehungen zwischen kausaler Vieldeutigkeit und Heterogenität hindeutet (siehe King 2007, S. 157-171).18 Mosakowski (1997, S. 416-418) differenziert in Anlehnung an Koopmans (1957, S. 161-163) anhand des Wissens über die Inputvariablen und das kausale System vier Typen kausaler Vieldeutigkeit: Die erste Form liegt vor, wenn die kausale Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ex ante und ex post nicht bekannt ist. Falls die kausale Beziehung nur ex post bekannt sein kann, besitzt Wissen über die Inputvariablen ex ante keinen Wert und es liegt die zweite Form kausaler Vieldeutigkeit vor. Kann sowohl ex ante als auch ex post die kausale Beziehung bekannt sein, ist aber nur das Wissen über Inputvariablen ex post erlangbar, handelt es sich um die dritte Form. Außerdem führt Mosakowski den Fall auf, dass sowohl das kausale System als auch die Inputvariablen ex ante und ex post bekannt sein können. In den letzten beiden Fällen besteht die Möglichkeit zu einem Wissensvorsprung, wenn das tatsächliche Wissen über das kausale System und die Inputvariablen einem Unternehmen bekannt ist. Es trifft somit eine Entscheidung unter Risiko, während allen Wettbewerbern dieses Wissen nicht oder nur unvollständig bekannt ist und diese eine Entscheidung unter einem höheren Grad kausaler Vieldeutigkeit zu treffen haben.19 Ein Unternehmen kann die Imitation hemmende Wirkung kausaler Vieldeutigkeit durch vielschichtige Beanspruchung von Ressourcen und Fähigkeiten bspw. durch Diversifikation oder Produktdifferenzierung aktivieren (vgl. Rumelt 1984, S. 562; Reed/DeFillippi 1990, S. 96-99; Mosakowski 1997, S. 421). Da sich dadurch örtliche und temporale Entfernung von Ursache und Wirkung vergrößert (vgl. Hume 1964, S. 466), sind die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen nur schwer kausal begründbar. Daneben profitieren insbesondere in Zeiten relativer Stabilität oder nur inkrementaler Veränderungen etablierte Unternehmen von ihrem Alter und den damit verbundenen Erfahrungseffekten, da dadurch kausale Vieldeutigkeit im Akkumulationsprozess von Ressourcen und Fähigkeiten reduziert werden kann (vgl. Mosakowski 1997, S. 426). Falls also ein hoher Grad kausaler Vieldeutigkeit gegeben ist, kann ein Unternehmen den auf kognitiven Isolationsmechanismen beruhenden Wettbewerbsvorteil durch kontinuierliche Reinvestitionen aufrechterhalten (vgl. Reed/DeFillippi 1990, S. 97-99). Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass durch zur Reinvestition gebundene Ressourcen und Fähigkeiten die eigene kreative Leistung gehemmt wird, um selbst 18
19
Siehe für einen ausführlichen Literaturüberblick zu kausaler Vieldeutigkeit: King (2007, S. 157166). Eine alternative Differenzierung kausaler Vieldeutigkeit findet sich bspw. bei Powell et al. (2006, S. 177-184).
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Innovationsbemühungen und Substitutionsprozesse in anderen Bereichen durchzuführen. Darüber hinaus sind Ressourcen und Fähigkeiten nur schwer zu imitieren, wenn sie kaum zu identifizieren sind und ihr Einfluss auf den Wettbewerbsvorteil nur schwer messbar ist; sind sie das, sind sie allerdings auch nur schwer empirisch zu verifizieren (vgl. Lado et al. 2006, S. 119).20 Falls die kausale Beziehung zwischen Ursache und Wirkung vollständig begründbar ist, kann das Nachahmen einzelner Ressourcen und Fähigkeiten dennoch erschwert sein, da Unternehmen komplexe soziale Gebilde darstellen. Basiert ein Wettbewerbsvorteil auf Ideenvielfalt, Kreativität, informellen Beziehungen, Führungsstil, Kultur oder ähnlichem, sind die Ressourcen und Fähigkeiten sozial komplex. Zur Nachahmung erfolgreicher Strategien bedarf es der Rekonstruktion sozialer Gebilde (social engineering), was die Anstrengungen eines konkurrierenden Unternehmens zur Anpassung seiner organisationalen Strukturen bedeutet (in Anlehnung an Popper 2002, S. 23-27). Es sind demnach u.a. Unternehmenskultur, interpersonelle Beziehungen zwischen Entscheidungsträgern in einem Unternehmen, organisationale Routinen, Methoden der Qualitätssicherung, Beziehungen zu Stakeholdern und intraorganisationale Netzwerke, die von außen zwar als Ursache eines Wettbewerbsvorteils identifiziert, jedoch nicht ohne Weiteres dupliziert werden können (vgl. Rasche/Wolfrum 1994, S. 503-505; Barney 2007, S. 146). Gelingt es bspw. einen Vorstandsvorsitzenden abzuwerben, kann dieser ggf. aufgrund des Zusammenspiels mit anderen Entscheidungsträgern oder einem anderen Managementinformationssystem nicht den gleichen Wert entfalten wie im Ursprungsunternehmen. Denn es sind die Interdependenzen zwischen verschiedenen einzelnen Ressourcen und Fähigkeiten sowie deren Abhängigkeit von strukturellen und unternehmenseigenen Einflussfaktoren, die das Nachahmen einer erfolgreichen Strategie erschweren. 4.3.
Strukturelle Isolationsmechanismen
Neben den temporalen sind es auch strukturelle Isolationsmechanismen, die Unternehmen zugutekommen, die einen Wettbewerbsvorteil innehaben und bereits länger am Markt etabliert sind.21 Dabei ist zwischen nachfrage- und angebotsseitigen strukturellen Gegebenheiten zu differenzieren. Durch diese wird es potenziellen Nachahmern erfolgreicher Strategien erschwert, die gleichen Umsätze oder die gleiche Kostenstruktur wie das den Wettbewerbsvorteil innehabende Unternehmen 20
21
Neben negativen Folgen kausaler Vieldeutigkeit existiert auch Kritik am Konzept selbst (siehe Powell et al. 2006, S. 175-178). Die in der Folge genannten strukturellen Isolationsmechanismen können in Folge des Pionierstatus eines Unternehmens auftreten, dieser ist aber keine notwendige Voraussetzung dafür (vgl. Teece 1984, S. 107).
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
zu erreichen, auch wenn die einer Strategie zugrunde liegenden Ressourcen und Fähigkeiten dupliziert werden können. Auf der Nachfrageseite können Wechselkosten der Konsumenten aufgrund versunkener Kosten, Lerneffekte, Qualitätsunsicherheit und Netzwerkexternalitäten zu Unabänderlichkeiten im Verhalten der Konsumenten führen und diese an ein Unternehmen binden (siehe Klemperer 1987, S. 375f.; Lieberman/Montgomery 1988, S. 46-47). Setzt die Nutzung eines Gutes einmalige monetäre Kosten bspw. für eine bestimmte technologische Ausstattung voraus, welche von anderen Unternehmen nicht genutzt werden kann, wirken diese als versunkene Kosten für die Konsumenten. Dies erschwert den Wechsel zu einem potenziellen Nachahmer, da dieser durch die Setzung seines Preises für die technologische Ausstattung den Konsumenten den Kostennachteil eines Wechsels kompensieren muss. Eine ähnliche, den Konsumenten an ein Unternehmen bindende Wirkung geht von obstruierten Vertragskosten aus. Wechselkosten für Konsumenten entstehen auch durch spezifische Lernprozesse. Lerneffekte liegen vor, falls ein Konsument unter Investition von Zeit gewisse Lernprozesse durchlaufen muss, um ein Gut effektiv oder effizient nutzen zu können, diese aber nicht vollständig auf die Güter von anderen Unternehmen übertragbar sind. Das kann ein Unternehmen zu seinem Vorteil nutzen, indem es bspw. ein dominantes Design etabliert. Dadurch befinden sich die Konsumenten bei abnehmenden Grenzkosten des Konsums nach gewissen Zeitinvestitionen auf einer anderen Stufe der Kostenfunktion im Vergleich zu noch nicht konsumierten Gütern. Diese Kostendifferenz aufgrund von Lerneffekten erzeugt Wechselkosten der Konsumenten, welche neue Anbieter bspw. durch Preisabschläge kompensieren müssen. Handelt es sich um Erfahrungsgüter oder innovative Güter, ist deren Diffusionsprozess mit Qualitätsunsicherheit für die Konsumenten behaftet. Aufgrund des mangelnden Wissens über den entspringenden Nutzen entstehen Transaktionskosten in Form von Suchkosten für die Konsumenten, welche Unternehmen bspw. durch Reputationsaufbau überwinden können. Dabei beeinflusst ein Pionier das zukünftige Kaufverhalten der Konsumenten durch heutige Konsummöglichkeiten zu seinen Gunsten. Bietet er Güter mit hoher Qualität in den heutigen Perioden zu unter den Kosten liegenden Preisen an, können sich Konsumenten von der Qualität überzeugen und zahlen in den nachfolgenden Perioden Reputationsprämien, welche das Unternehmen für seine Verluste in den Anfangsperioden entschädigen (vgl. Shapiro
4. Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit
29
1983, S. 660). Bei beschränkt rationalen Konsumenten unterliegen nachahmende Unternehmen dem Problem, dass sie mit ihren Maßnahmen zum Reputationsaufbau das reputierliche Unternehmen signifikant übertreffen müssen, um wahrgenommen zu werden. Die Differenz der Kosten für den Reputationsaufbau repräsentieren die Wechselkosten der Konsumenten, welche ein nachfolgendes Unternehmen kompensieren muss, da es bei Aufwendung gleicher Kosten für den Reputationsaufbau weniger Umsatz generiert als der Pionier. Gelingt es einem Unternehmen im Falle von Gütern mit potenziellen Netzwerkexternalitäten eine kritische Masse zu erreichen, kann die Innovation zu einem QuasiStandard werden (vgl. M.L. Katz/Shapiro 1986, S. 822-824).22 Konsumenten profitieren von steigendem Grenznutzen in Abhängigkeit von der Anzahl der Konsumenten, welche beim Wechsel zu einem Nachahmer als Wechselkosten wirken. Der immanente Nutzen des Gutes des duplizierenden Unternehmens muss daher nicht nur den Nutzen des originären Gutes erreichen, sondern auch den Nutzenvorteil aufgrund des Netzwerkeffekts kompensieren. Als Resultat dieser auf den oben genannten Effekten beruhenden Wechselkosten setzt bei den Konsumenten ein ökonomisch begründetes träges Verhaltensmuster ein (vgl. Mueller 1997, S. 835-837). Diese Unabänderlichkeiten im Verhalten der Konsumenten wirken als strukturelle Isolationsmechanismen und beschreiben die Schwierigkeit, ein einmal gewähltes Verhalten zu ändern (vgl. Antonelli 1997, S. 644). Dadurch wird es konkurrierenden Unternehmen erschwert, die erfolgreiche Strategie eines etablierten Unternehmens zu duplizieren, da dieses auch nach Eintritt von Konkurrenten mit der identischen Strategie bei gleichen Kosten höhere Umsätze generiert. Neben der Nachfrageseite können auch auf der Angebotsseite strukturelle Isolationsmechanismen gegeben sein, wodurch ein duplizierendes Unternehmen nicht die gleiche Kostenstruktur wie das den Wettbewerbsvorteil innehabende Unternehmen erreicht. Divergierende Kostenstrukturen entstehen aufgrund von versunkenen Investitionskosten, Netzwerkbeziehungs- sowie Größen-, Verbund- und Erfahrungseffekten. In Analogie zur Nachfrageseite wirken einmalige Investitionen eines Unternehmens als versunkene Kosten, wenn keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten existieren. Die frühzeitige Investition eines etablierten Unternehmens bspw. in Produktions22
Dabei ist das vorhandene System von Eigentums- und Verfügungsrechten, d.h. Patente, Handelsgeheimnisse, Markenrechte, Designschutz u.ä., von hoher Relevanz (vgl. Teece et al. 1997, S. 526).
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II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
kapazitäten kann eine abschreckende Wirkung auf den potenziellen Wettbewerb besitzen (vgl. Schellhaaß 1985, S. 270; Lieberman/Montgomery 1988, S. 44-46). Denn potenzielle Wettbewerber müssen bei einem Markteintritt ebenfalls diese versunkenen Kosten aufwenden, wobei das etablierte Unternehmen die Investition bereits zumindest teilweise amortisieren konnte und deshalb eine andere Kostenfunktion besitzt. Potenzielle Wettbewerber haben deshalb keinen Anreiz zum Markteintritt, auch wenn das etablierte Unternehmen einen Preis über den Grenzkosten verlangt und somit Renten generiert. Ein Unternehmen kann durch Zugehörigkeit zu einem Netzwerk Beziehungseffekte nutzen, indem bspw. durch die mehrjährige Zusammenarbeit mit einem Unternehmen der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe Vertrauen aufgebaut wird. Ist dies der Fall, kann ein Unternehmen von geringeren Transaktionskosten und effizienterer oder effektiverer Implementierung der Vorprodukte profitieren. Solche Netzwerkbeziehungen können dazu genutzt werden, sich durch bindende Verträge das Vorkaufsrecht für bestimmte Ressourcen und Fähigkeiten zu sichern. So lange ein Unternehmen mit einem Wettbewerbsvorteil alleine am Markt tätig ist, kann es sowohl den Output einer Aktivität als auch die Anzahl der Aktivitäten, in denen es seine einzigartigen Ressourcen und Fähigkeiten einsetzt, über das Gleichgewichtsniveau hinaus ausdehnen. Im ersten Falle können dadurch Größeneffekte (economies of scale) vorliegen, falls der Output bei einem proportionalen Anstieg des Inputs überproportional ansteigt und dadurch die Durchschnittskosten mit steigendem Output sinken (siehe Stigler 1958). Im zweiten Falle handelt es sich um Verbundeffekte (economies of scope), falls ein Unternehmen mehrere Güter mit weniger Input produzieren kann als verschiedene Unternehmen bei individueller Produktion und deshalb die Durchschnittskosten mit der Anzahl der Güter sinken (siehe Panzar/Willig 1981). Gleichzeitig kann ein Unternehmen Erfahrungseffekte (experience curve) nutzen (vgl. Porter 1979, S. 139), wenn mit ansteigendem kumuliertem Output die Kosten pro Produktionseinheit gesenkt werden können und dadurch die Grenzkosten mit kumuliertem Output sinken (vgl. Itami/Roehl 1987, S. 22).23 Auf Ebene der Entscheidungsträger kann sich dies bspw. in effizienterer Verarbeitung der für die Strategieformulierung notwendigen Informationen äußern, wenn Erfahrung im Umgang mit Managementinformationssystemen aufgebaut wird. Die entstehenden Kostenvorteile durch Größen-, Verbund- und Erfahrungseffekte für das den Wettbe-
23
Angebotsseitige Lerneffekte sind mit Erfahrungseffekten auf der Angebotsseite verwandt, basieren allerdings nicht auf kumuliertem Output, sondern auf häufigen Wiederholungen in einer bestimmten Zeit. In der vorliegenden Arbeit werden beide unter Erfahrungseffekten subsumiert (vgl. Porter 1979, S. 139), um diese von nachfrageseitigen Lerneffekten abzugrenzen.
4. Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit
31
werbsvorteil innehabende Unternehmen können das Replizieren erfolgreicher Strategien erschweren. Neben den positiven Wirkungen struktureller Isolationsmechanismen können daraus aber auch Nachteile für das den Wettbewerbsvorteil innehabende Unternehmen erwachsen. Erstens können einem Pionier folgende Unternehmen als Trittbrettfahrer von der Forschungs- und Entwicklungsarbeit, der Präferenzbildung der Konsumenten sowie der Infrastrukturentwicklung profitieren. Als zweiter Nachteil kann sich das Entwickeln und Etablieren eines dominanten Designs unter Aufwendung einmaliger Kosten zur Überwindung von nachfrageseitigen Technologie- oder Marktunsicherheiten erweisen. In beiden Fällen generiert der Pionier positive Externalitäten für nachfolgende Unternehmen. Drittens können insbesondere in Zeiten technologischer oder marktlicher Unstetigkeiten versunkene Kosten, die Vermeidung der Kannibalisierung erfolgreicher Strategien sowie die Bindung von Ressourcen und Fähigkeiten zu politischen, kognitiven und strukturellen Rigiditäten auf Seiten eines Pioniers führen (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 47-49; Benner/Tushman 2003, S. 245247; Yoo/Choi 2005, S. 91 & 96). 5.
Kernkompetenzen zur Strategiebildung
Auch wenn ein Unternehmen im Besitz einer Ressource oder Fähigkeit ist, die einen nachhaltigen Wettbewerb generieren kann, bedarf es Kompetenzen eines Unternehmens, um diese Ressource oder Fähigkeit im Wettbewerb einsetzen zu können. Bspw. führt eine dem Wettbewerb überlegene Produkt- bzw. Prozessentwicklungsfähigkeit nur dann zu supranormalen Renten, wenn diese in Verbindung mit den Marketingfähigkeiten eines Unternehmens in am Markt verfügbaren Gütern Ausdruck findet bzw. aufgrund einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur zur Kostenreduktion führt. Daher umfasst das der Arbeit zugrunde liegende Verständnis des RBV in Abgrenzung zu Ressourcen und Fähigkeiten auch Kernkompetenzen eines Unternehmens (vgl. Grant 1991, S. 118f.). Kompetenzen gehen auf das Konzept der distinctive competencies von Selznick (1957, S. 42-56) und Penrose (1959, S. 24-26) zurück und entstehen aus dem Zusammenspiel verschiedener einzelner Ressourcen und Fähigkeiten. Generieren diese Ressourcen und Fähigkeiten nachhaltige Wettbewerbsvorteile, wird eine Kompetenz zur Kernkompetenz (vgl. Reed/DeFillippi 1990, S. 89; Thiele 1997, S. 71; Freiling 2001, S. 26).24 Kernkompetenzen sind selten auf einzelne Individuen konzentriert, sondern stehen einem Unternehmen als Ganzem zur Verfügung (vgl. 24
Siehe für einen Überblick zur Identifikation von Kernkompetenzen: Bouncken (2000, S. 871-880).
32
II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Hamel/Prahalad 1995, S. 307). In Anlehnung an Selznick (1957, S. 42-56) befähigen sie ein Unternehmen dazu, diverse Strategiealternativen zu bilden, und stellen das Unternehmen besser im relativen Vergleich zum Wettbewerb (vgl. Collis/Montgomery 1995, S. 123f.).25 Zwischen Kernkompetenzen auf der einen Seite und Ressourcen und Fähigkeiten auf der anderen Seite liegt eine rekursive Beziehung vor. Während Ressourcen und Fähigkeiten in disaggregierter Form einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil generieren können, bemächtigt erst die Bildung von Kernkompetenzen durch Kombination und Interaktion einzelner Ressourcen und Fähigkeiten ein Unternehmen dazu, die notwendigen Strategien zur Erzielung dieser nachhaltigen Wettbewerbsvorteile zu implementieren. Vor allem wenn zwischen einzelnen einen Wettbewerbsvorteil generierenden Ressourcen und Fähigkeiten Komplementaritäten vorliegen, entsteht Potenzial zur Verstärkung bestehender oder Entwicklung neuer nachhaltiger Wettbewerbsvorteile (vgl. Milgrom/Roberts 1990, S. 513-515). Durch erhöhte strategische Relevanz in mehreren Märkten determinieren Kernkompetenzen somit das Diversifikationspotenzial eines Unternehmens (vgl. R.R. Nelson/Winter 1982, S. 60; LeonardBarton 1992, S. 111; Thiele 1997, S. 72-77). Denn dadurch werden Wettbewerbsvorteil schaffende Ressourcen und Fähigkeiten in verschiedenen Märkten verwertbar und ein Unternehmen nutzt die Hebelwirkung eines marktübergreifenden Einsatzes von Ressourcen und Fähigkeiten (vgl. Prahalad/Hamel 1990, S. 83f.; Thiele 1997, S. 71). In diesem Zusammenhang stellen Ressourcen und Fähigkeiten das Handlungspotenzial eines Unternehmens dar, während Kernkompetenzen über die Nutzung dieser Potenziale Auskunft geben. Gleichzeitig verursacht die Einbettung einzelner Ressourcen und Fähigkeiten innerhalb einer oder mehrerer Kernkompetenzen Komplexität, wodurch Kernkompetenzen selbst eine den Isolationsmechanismen ähnliche Wirkung besitzen (vgl. Grant 1991, S. 125; Lei et al. 1996, S. 550f.). Ebenso sind komplette Strategien schwerer zu duplizieren als einzelne Ressourcen und Fähigkeiten, weshalb Kernkompetenzen von erhöhter Relevanz für ein Unternehmen sind (vgl. Demsetz 1973, S. 3; Grant 1991, S. 124). Andererseits sind es auf bestehenden Ressourcen und Fähigkeiten beruhende Kernkompetenzen und die daraus entstehenden organisationalen und strategischen Routinen, welche die zukünftige Ressourcen- und Fähigkeitenausstattung eines Unternehmens beeinflussen (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1107). Organisationale Lernprozesse sind dabei das Instrument zur Entwicklung und Beibehaltung von Kernkompetenzen, indem diese kontinuierlich fortentwickelt werden (vgl. 25
Siehe für einen Überblick zu verschiedenen Definitionen von (Kern)Kompetenzen: Freiling (2001, S. 23).
5. Kernkompetenzen zur Strategiebildung
33
Reed/DeFilippi 1990, S. 91). Dieser dynamische Prozess sowohl des Erschaffens, Integrierens und Rekonfigurierens von Ressourcen und Fähigkeiten als auch der Bildung neuer Kernkompetenzen gilt aus Perspektive des RBV als Erfolgsfaktor für ein Unternehmen (vgl. Learned et al. 1965, S. 180; Teece et al. 1997, S. 516; Helfat/Peteraf 2003, S. 998f.). Aus Sicht des strategischen Managements tragen Kernkompetenzen demnach dazu bei, bestehende Ressourcen und Fähigkeiten mittels der Hebelwirkung effizient zu nutzen und durch ihren komplexen Charakter vor Nachahmung zu schützen. Darüber hinaus stellen Kernkompetenzen das Instrument zur Erweiterung des zukünftigen Bündels aus Ressourcen und Fähigkeiten dar. 6.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Zur Analyse nachhaltiger Wettbewerbsvorteile fokussiert das sich in der Tradition des resource-based view (RBV) bewegende in diesem Kapitel entwickelte Modell des strategischen Managements auf die Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens. Dabei umfassen Ressourcen das, was ein Unternehmen hat, während Fähigkeiten darauf abstellen, was ein Unternehmen kann. Dazu stellt das ressourcen- und fähigkeitenbasierte Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zwei Voraussetzungen und drei Bedingungen auf, die eine Ressource oder Fähigkeit zur Generierung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erfüllen muss. Diese werden mit den Rentenkonzepten von Pareto (1906), Schumpeter (1967) und Ricardo (1817) verknüpft, so dass der Beitrag einer erfüllten Bedingung zur gesamten supranormalen Rente eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erkennbar wird. Ausgehend von Heterogenität der Unternehmen als erster Voraussetzung des Modells besitzt eine Ressource oder Fähigkeit das Potenzial zur Generierung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils, falls sie werthaltig ist. Werthaltigkeit als zweite Voraussetzung des Modells ist erfüllt, wenn die Ressource oder Fähigkeit direkt oder indirekt von den potenziellen Konsumenten des Unternehmens wertgeschätzt wird und das Unternehmen dadurch erhöhte Effizienz oder Effektivität erreicht. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, birgt eine Ressource oder Fähigkeit das Potenzial eines Wettbewerbsvorteils in sich. Für das Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils muss der Handel mit der das Potenzial eines Wettbewerbsvorteils in sich tragenden Ressource oder Fähigkeit auf dem strategischen Faktormarkt unvollständig oder unvollkommen sein. Unvollständigkeit des strategischen Faktormarktes liegt vor, falls die Ressource oder Fähigkeit NichtHandelbarkeit aufgrund von Idiosynkrasie als Bedingung 1a des Modells erfüllt.
34
II. Ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Idiosynkrasie entsteht durch eine enge Verflechtung der Ressource oder Fähigkeit mit einem Unternehmen, so dass sie ausschließlich im angestammten Unternehmen zur maximalen Produktivität führt. In diesem Falle generiert das Unternehmen mittels Spezialisierung eine supranormale Rente in Form von Pareto-Renten. Dagegen ist eingeschränkte Handelbarkeit als Bedingung 1b des Modells erfüllt, falls aufgrund von Informationsasymmetrien Heterogenität der Erwartungswertbildung oder aufgrund von Komplementaritäten Heterogenität der Erwartungswerte gegeben ist und der strategische Faktormarkt somit von Unvollkommenheiten geprägt ist. In diesem Falle genießt das Unternehmen einen innovatorischen Vorsprung und generiert supranormale Renten in Form von Schumpeter-Renten. Nachhaltigkeit eines vorliegenden Wettbewerbsvorteils wird erreicht, wenn die Ressource oder Fähigkeit mittels Isolationsmechanismen Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit als Bedingung 2 des Modells erreicht. Dabei identifiziert das Modell drei Arten von Isolationsmechanismen: Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression generieren temporale Isolationsmechanismen und basieren auf der Historizität des Wettbewerbsvorteil innehabenden Unternehmens. Kognitive Isolationsmechanismen liegen vor, wenn konkurrierende Unternehmen bei der Analyse der Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen Ressource oder Fähigkeit und Wettbewerbsvorteil kausaler Vieldeutigkeit unterliegen oder das Nachbilden komplexer sozialer Gebilde vorausgesetzt wird. Nachfrageseitig und angebotsseitig können strukturelle Isolationsmechanismen einen Wettbewerbsvorteil vor Imitation und Substitution bewahren, wenn im Zusammenhang mit der Ressource oder Fähigkeit Wechselkosten der Konsumenten oder unterschiedliche Kostenstrukturen zwischen Wettbewerbsvorteil innehabendem Unternehmen und Konkurrenten entstehen. In diesem Falle ist die Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils gegeben und das Unternehmen generiert aufgrund von Knappheit supranormale Renten in Form von Ricardo-Renten. Als letzten Schritt sieht das ressourcen- und fähigkeitenbasierte Modell das Zusammenführen verschiedener Ressourcen und Fähigkeiten zu Kernkompetenzen vor, zwischen denen allerdings eine rekursive Beziehung besteht. Zum einen ermöglichen die Kernkompetenzen einem Unternehmen, die notwendigen Strategien zur Erzielung der aus den einzelnen Ressourcen und Fähigkeiten entspringenden nachhaltigen Wettbewerbsvorteile zu implementieren. Sie verfügen somit über das Potenzial, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu nutzen und durch Erschließung anderer Märkte die Wirkung von Ressourcen und Fähigkeiten mittels Hebeleffekten zu verstärken. Zum anderen sind es die auf bestehenden Ressourcen und Fähigkei-
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
35
ten beruhenden Kernkompetenzen, welche die zukünftige Ressourcen- und Fähigkeitenausstattung eines Unternehmens durch Fortentwicklung determinieren. Innerhalb des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells werden somit einerseits die einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil generierenden Faktoren in Voraussetzungen und Bedingungen differenziert und in einen strukturierten chronologischen Ablauf gebracht. Andererseits werden die verschiedenen Bedingungen mit Rentenkonzepten verknüpft, so dass im Falle eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils die daraus erwachsende supranormale Rente entsprechend ihrem Ursprung differenziert werden kann. Damit erfüllt das in diesem Kapitel entwickelte Modell das wissenschaftstheoretische Ziel der vorliegenden Arbeit, ein mit ökonomischen Theorien und Argumentationen unterlegtes Modell des strategischen Managements zu entwickeln. Dadurch trägt dieses Kapitel zur Theoriebildung des RBV und somit zum Forschungsfeld des strategischen Managements bei.
37
III.
Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
Fernsehen hat in Deutschland aufgrund geschichtlicher Entwicklungen Verfassungsrang und ist von starker Regulierung26 geprägt. Aufgrund technologisch bedingter Frequenzknappheit war die Fernsehübertragung in Deutschland lange Zeit ausschließlich öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten vorbehalten. Erst technologische Innovationen wie die Breitbandkabel- und Satellitenübertragung ermöglichten ab Mitte der 1980er Jahre den Markteintritt privatwirtschaftlicher Fernsehsender, was Deregulierung nach sich zog und eine starke Angebotsausweitung zur Folge hatte. Dennoch ist der Fernsehmarkt wegen hoher Produktions- und Distributionskosten und dem damit verbundenen Anreiz zur Fixkostendegression von einer oligopolistischen Struktur geprägt. Gleichzeitig stellen Fernsehsendungen aus Inhalt und Distributionsmedium bestehende Komplementärgüter dar, die durch Diversifikation unter Ausnutzung von Verbundeffekten in anderen Märkten eingesetzt werden können. Darüber hinaus sind Fernsehsendungen kulturelle Güter, weshalb sich Fernsehsender an den Wertevorstellungen ihres jeweiligen Marktes zu orientieren haben. Programminhalte sind durch Sprache oder Humor und trotz Globalisierungsbemühungen stark an geographische Märkte gebunden (vgl. Chan-Olmsted 2006, S. 2-4). Die Digitalisierung des Fernsehens – verstanden als die Transformation analoger Daten in diskrete, informationstechnologisch verarbeitbare Daten in Verbindung mit erheblicher Datenkompression (vgl. Habann 1999, S. 80) – "induziert wesentliche Veränderungen auf dem bislang stark regulierten und von nur wenigen Unternehmen beherrschten Fernsehmarkt" (Messmer 2002, S. 16). Die durch die Digitalisierung veränderten und ermöglichten technologischen Anwendungen verursachen modifizierte Marktgegebenheiten. Im Sinne von Tushman/Anderson (1986) kann die Digitalisierung daher als Unstetigkeit in der fortschreitenden Technologieentwicklung eingeordnet werden, die nicht nur auf bestehenden Ressourcen und Fähigkeiten aufbaut, sondern diese auch in Frage stellt. Da alle Bereiche sowohl etablierter als auch neuer Fernsehsender von der Digitalisierung betroffen sind, müssen alle Ressourcen und Fähigkeiten auf Relevanz überprüft werden.
26
Die in Deutschland gültigen Gesetze mit höchster Relevanz sind neben dem Medienrecht, welches u.a. den Rundfunkstaatsvertrag, die Landesmediengesetze, das Telemediengesetz und das Telekommunikationsrecht umfasst, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und das Urheberrecht (vgl. Habann 1999, S. 101-106; Fischer 2008, S. 14-18). Siehe für einen Überblick zum Medienrecht: Fischer (2008).
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
Da die Entwicklung der Digitalisierung entscheidend davon abhängt, wie die einzelnen Marktteilnehmer damit umgehen, ist zunächst zu untersuchen, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Determinanten der Fernsehindustrie aus Perspektive der Fernsehsender hat. Deshalb wird in diesem Kapitel neben dem direkten Einfluss auf die Fernsehsender sowohl der Einfluss auf die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, d.h. Produktion und Distribution, als auch auf die beiden Nachfragegruppen, d.h. Zuschauer bzw. Konsumenten und werbetreibende Unternehmen, betrachtet (siehe Porter 1979, S. 138-143). Diese auf das Struktur-VerhaltenPerformance-Paradigma von Bain (1959, S. 421-423) zurückgehende industrieökonomische Betrachtung (market-based view) eignet sich mittels Transformation zur Bewältigung ihrer Limitationen für Untersuchungen betriebswirtschaftlich relevanter Aspekte (vgl. Porter 1981, S. 611-614). Allerdings kann eine Untersuchung der Umweltdynamik im Sinne der Industrieökonomik keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile offen legen, die nicht zu Marktmachtrenten führen (vgl. Barney 1986c, S. 1238f.). Deshalb dient sie lediglich als Voraussetzung für eine anschließende Analyse mittels des RBV (siehe Penrose 1959, S. 65-67; Amit/Schoemaker 1993, S. 40). In Zeiten einer zunehmend dynamischeren Umwelt und evolutionären Veränderungen ist es Aufgabe des strategischen Managements, einen Fernsehsender in der Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie strategisch sinnvoll zu platzieren. In der medienökonomischen Literatur existieren viele Darstellungen der Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie (siehe Owen 1975, S. 12f.; Owen/Wildman 1992, S. 5-16; Chan-Olmsted 2006, S. 7), welche die Industrie in die drei Ebenen Produktion, Programmerstellung und Distribution gliedern. Die daraus abgeleitete und der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Wertschöpfungskette27 der Fernsehindustrie aus Perspektive der Fernsehsender findet sich in Abb. III.1. Die erste Ebene umfasst die Produktion und somit den Markt für Programminhalte, die Fernsehsender durch Eigen- oder Auftragsproduktion selbst erstellen oder durch Beschaffung von unabhängigen Produktionsunternehmen erwerben können.
27
Innerhalb der Wertschöpfungskette aus Perspektive eines Unternehmens wird die unternehmensinterne Wertschöpfung des Unternehmens in die der Industrie eingereiht und die Perspektive der Konsumenten hinzugefügt (vgl. Schusser 1999, S. 59-67). Siehe zum Konzept der Wertschöpfungskette: Schusser (1999, S. 38-78).
39
Abb. III.1.:
Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie aus Perspektive der Fernsehsender
1. Ebene: Produktion
2. Ebene: Programmerstellung
3. Ebene: Distribution
4. Ebene: Konsum
Marketing & Vertrieb
Zusatzdienste
Programmablaufgestaltung
Produktion der Programminhalte durch Produktionsunternehmen
Inhaltebeschaffung und -erstellung
Aufmerksamkeit der Zuschauer
durch Fernsehsender
Technische Ausstrahlung durch Distributoren
Werbung durch werbetreibende Unternehmen Erlös Konsum der Programminhalte durch Zuschauer
Aufmerksamkeit gegenüber Programm bzw. Entgelt für Programm/Zusatzdienste Quelle: Eigene Darstellung.
Das Kerngeschäft von Fernsehsendern stellt die zweite Ebene dar und umfasst neben der Inhaltebeschaffung und -erstellung auch Programmablaufgestaltung, Zusatzdienste sowie Marketing und Vertrieb. Marketing und Vertrieb kann sich dabei sowohl an werbetreibende Unternehmen als auch an Zuschauer bzw. Konsumenten der Programme28 richten. Die Relevanz des Kontakts mit den jeweiligen Kunden variiert in Abhängigkeit vom Geschäftsmodell, welches von der Zuschauerentgeltfinanzierung über den Verkauf von Werbezeit an werbetreibende Unternehmen bis zu einer staatlich garantierten Finanzierung reicht. Entgeltfinanzierte Fernsehsender setzen einen positiven Preis und generieren direkte monetäre Rückflüsse von Abonnenten ganzer Programme bzw. Käufern einzelner Sendungen (pay-per-view). Dagegen bezahlen Zuschauer von werbefinanzierten Fernsehsendern keinen monetären Preis, sondern mit ihrer Aufmerksamkeit, welche sie einzelnen Sendungen und somit der davor, dazwischen und danach ausgestrahlten Werbung entgegenbringen. Monetäre Rückflüsse an diese Fernsehsender entstehen durch das Interesse von werbetreibenden Unternehmen, Werbezeiten zu nutzen, um Kontakt 28
Ein Programm umfasst einzelne Sendungen, die von einer Redaktion zu einem durch den Zuschauer nicht beeinflussbaren und zeitlich geordneten Block zusammengestellt werden (vgl. Messmer 2002, S. 56f.).
40
III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
zu den Zuschauern und somit ihren potenziellen Konsumenten herzustellen. Diese Fernsehsender agieren in einem zweiseitigen Markt. Öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten finanzieren sich durch staatlich garantierte Zuwendungen, was in Deutschland durch die nutzungsunabhängige Rundfunkgebühr29 geschieht, zu deren Entrichtung jeder Haushalt mit einem Fernsehgerät gesetzlich verpflichtet ist. Diese drei Geschäftsmodelle stellen Randlösungen dar, wobei es in der Realität zunehmend zu Mischfinanzierungen aus Werbe- und Entgeltfinanzierung kommt. Aber auch öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten generieren in geringem Umfang Werbeumsätze.30 Daneben existieren rein auf Zusatzdiensten wie Gewinnspielen oder dem Verkauf von Konsumgütern basierende Geschäftsmodelle. Die dritte Ebene der Wertschöpfungskette besteht aus der technischen Ausstrahlung der Programme durch Distributoren. Sie ermöglicht auf der vierten Ebene den Zuschauern den Konsum von Programminhalten und den werbetreibenden Unternehmen den Kontakt zu Zuschauern. Durch den Konsum der Zuschauer kommt es bei entgeltfinanzierten Fernsehsendern zu direkten, bei werbefinanzierten Fernsehsendern durch Zahlungen der werbetreibenden Unternehmen zu indirekten Einnahmen. Daneben kommt es auch teilweise zwischen Distributoren und Zuschauern zu monetären Rückflüssen als Gegenleistung für den Infrastrukturzugang. Der Tätigkeitsbereich eines Unternehmens gibt an, ob man sich auf übergreifende Aktivitäten konzentriert und demnach groß sein sollte oder man als relativ kleines Unternehmen mittels Kostenführerschaft oder Differenzierung einzelne Wertschöpfungsstufen besonders effizient anbietet (vgl. Porter/Millar 1985, S. 150f.). Damit ein Fernsehsender bestimmen kann, welche Wertschöpfungsaktivitäten er auf welche Art und Weise ausüben sollte, muss er sich über die dahinter liegenden Ressourcenund Fähigkeitenanforderungen bewusst werden. Somit ist die Wertschöpfungskettenanalyse der erste Schritt, um entsprechend der Positionierung in der Wertschöpfungskette und dem Verhalten der anderen Marktteilnehmer potenziell erfolgskritische Ressourcen und Fähigkeiten von Fernsehsendern im digitalen Zeitalter zu identifizieren (vgl. Lado et al. 1992, S. 85).
29
30
Auch öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten haben aufgrund des Ziels der Sozialisation den Anreiz, den Verlust potenzieller Werbeeinnahmen entsprechend der Preisbildung nach Ramsey (1927) zu minimieren, weshalb auch sie sich an den Zuschauerpräferenzen orientieren und Zuschauermaximierung betreiben (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 953f.). Im Folgenden wird nicht zwischen Fernsehsendern und -anstalten differenziert, weshalb beide unter dem Begriff 'Fernsehsender' zusammengefasst werden. Ausnahmen stellen Diskussionen um das Spannungsverhältnis zwischen Fernsehsendern und -anstalten dar, in denen explizit beide Begriffe verwendet werden.
1. Intensivierter Wettbewerb zwischen Fernsehsendern
1.
41
Intensivierter Wettbewerb zwischen Fernsehsendern
Aufgrund der technisch bedingten Frequenzknappheit analoger Distribution dominieren vor allem Vollprogrammsender31 den deutschen Fernsehmarkt. Neben den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD, welche sich aus neun Landesrundfunkanstalten zusammensetzt, und ZDF sind dies vor allem die werbefinanzierten Fernsehsender RTL, Sat.1 und ProSieben sowie der entgeltfinanzierte Fernsehsender Sky. Während RTL neben anderen Fernsehsendern zur RTL Group gehört, bilden Sat.1 und ProSieben zusammen mit weiteren Fernsehsendern die Fernsehsenderfamilie ProSiebenSat.1 Media AG (siehe Tab. III.1.).32 Tab. III.1.:
Zuschauer- und Werbemarktanteile deutscher Fernsehsenderfamilien im Jahre 2007
Fernsehsenderfamilie ARD/ZDF RTL Group ProSiebenSat.1 Media AG Andere
Zuschauermarktanteil (%)
Brutto-Werbemarktanteil (%)
Jahr des Sendestarts
43,6 25,3 20,8 10,6
4,7 42,6 43,2 9,5
1954/1963 1984 1984 -
Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung (zitiert nach Medien aktuell 2008); KEK 2009.
Die Markt beherrschende Stellung der beiden werbefinanzierten Fernsehsenderfamilien sowie der beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten drückt sich in einem Anteil von 89,7% des Zuschauermarktes und einem Werbemarktanteil in Höhe von 90,5% aus, welcher im Jahre 2007 ein Brutto-Volumen von 8,73 Mrd. € bzw. ein Netto-Volumen von 4,16 Mrd. € erreichte (vgl. S. 245f. im Anhang). Da diese die ersten vier bundesweit empfangbaren Fernsehsender in Deutschland waren, lassen diese Werte auf Pioniervorteile schließen. Entgeltfrei empfangbare Fernsehsender konkurrieren anhand von Produktattributen und somit vor allem anhand der Produktqualität (vgl. Liu/Putler/Weinberg 2004, S. 122). Aufgrund der durch das Urheberrecht eingeschränkten Imitierbarkeit von Endprodukten herrscht monopolistischer Wettbewerb bei einer oligopolistischen Marktstruktur, wodurch Fernsehsenderfamilien von Größeneffekten profitieren. Sie können durch mediale Mehrfachnutzung von Programminhalten Verbundeffekte generieren. Da beim Fernsehen Nicht-Rivalität im Konsum herrscht, entstehen nahezu keine Grenzkosten für zusätzliche Zuschauer, weshalb Fernsehsender Fixkostendegression betreiben. Die Digitalisierung verändert 31
32
Vollprogrammsender sind Fernsehsender, die eine breite Auswahl verschiedener Programmkategorien ausstrahlen (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 132). Siehe dazu auch: Empirischer Überblick über die deutsche Fernsehindustrie im Anhang, S. 239247.
42
III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
mit ihren Merkmalen der Kapazitätsausweitung, Kostenreduktion und Rückkanalfähigkeit die ökonomisch relevanten Rahmenbedingungen des Fernsehmarktes und stellt damit die bestehenden Vorteile etablierter Fernsehsender in Frage. Die prägnanteste Eigenschaft digitaler Distribution ist die Datenkompression, durch welche die Kapazitäten bis zu zehnmal größer sind als bei analoger Distribution. Kapazitätsausweitung vergrößert daher das Angebot des knappen Gutes der Sendezulassung, die in Deutschland notwendig ist, um Fernsehprogramme ausstrahlen zu dürfen (vgl. §20 RStV). Diese technischen Gegebenheiten kommen der Annahme unendlicher Kanalverfügbarkeit in Programmwahlmodellen sehr nahe (siehe Beebe 1977, S. 20f.; Noam 1987, S. 181), denen zufolge ein Monopol bei knappen Kapazitäten tendenziell bessere Befriedigung der Zuschauerinteressen sichert (vgl. Steiner 1952, S. 206; Beebe 1977, S. 15). War die starke Regulierung des deutschen Fernsehmarktes dadurch lange Zeit gerechtfertigt, werden die Zulassungsvergabe durch die Landesmedienanstalten und die dahinter stehenden Auflagen aus Koordinationsgründen obsolet. Der Abbau der politischen Marktzutrittsschranke verringert nicht nur die direkt damit verbundenen Kosten, sondern senkt auch notwendige Lobbyismusausgaben der Fernsehsender.33 Kapazitätsausweitung erleichtert somit den Einstieg in den Fernsehmarkt, verringert den Schutz etablierter Fernsehsender vor potenziellem Wettbewerb und intensiviert den Wettbewerb zwischen Fernsehsendern.34 Markteintritt ist neben neu gegründeten Fernsehsendern vor allem von Medienunternehmen zu erwarten, die bereits in der Fernsehindustrie tätig sind. Insbesondere Breitbandkabel- und Satellitendistributoren sowie ausländische Fernsehsender weisen notwendige Ressourcen und Fähigkeiten für einen Markteintritt auf und verfügen über weitere Ressourcen und Fähigkeiten, die im digitalen Zeitalter erfolgskritisch sein könnten (vgl. Rott 2003, S. 269; McGrail/Roberts 2005, S. 58). Fernsehsendungen sind Erfahrungsgüter, weshalb es zur Überwindung der Qualitätsunsicherheit Reputation eines Fernsehsenders gegenüber Zuschauern und werbetreibenden Unternehmen bedarf (vgl. P. Nelson 1970, S. 318f.; Schellhaaß/ Hafkemeyer 2002, S. 22-29). Der fehlende Preismechanismus gegenüber Zuschauern im werbefinanzierten Fernsehen erschwert den Aufbau von Reputation und somit den Markteintritt. Um das Risiko eines Fehlschlags des Marktzutritts zu verringern, tendieren neue Wettbewerber im Fernsehmarkt zu Imitation erfolgreicher Sendungen
33 34
Siehe zum Prozess der Sendezulassung: Fischer (2008, S. 51f.). Der Abbau politischer Marktzutrittsschranken wird durch die allgemeine Deregulierungstendenz seitens der Europäischen Union verstärkt.
1. Intensivierter Wettbewerb zwischen Fernsehsendern
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und Programmformate.35 Allerdings ist Imitation mittels eigenständiger Inhalteerstellung insbesondere für Fernsehsender mit geringer Kapitalausstattung aufgrund der hohen Fixkosten nur schwer durchführbar (vgl. Holtz-Bacha 1997, S. 40). Statt erfolgreiche Sendungen und Programmformate zu imitieren, können neue Fernsehsender bereits etablierte erwerben und somit den Reputationsaufbau anderer Fernsehsender zur eigenen Etablierung im Markt nutzen. Daher lässt die Kapazitätsausweitung intensivierten Wettbewerb der Fernsehsender in der Beschaffung bereits produzierter Programminhalte erwarten, der sich in erhöhter Nachfrage und steigenden Zahlungsbereitschaften ausdrückt. Neben der sich daraus ergebenden Kostenerhöhung hat ein Fernsehsender gleichzeitig – bei Gleichverteilung der Zuschauer – aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs ceteris paribus durchschnittlich weniger Zuschauer als vor der Digitalisierung. Dies führt zu geringeren Umsätzen, wodurch sich die Kapazitätsausweitung negativ auf die Fixkostendegression der Fernsehsender auswirkt. Die Verringerung von Größeneffekten infolge des erhöhten Wettbewerbs lässt eine Senkung der Zahlungsbereitschaften für bereits produzierte Programminhalte erwarten. Durch die Kapazitätsausweitung kommt es demnach zu zwei gegenläufigen Effekten auf die Nachfrage nach bereits produzierten Programminhalten: Der intensivierte Wettbewerb zwischen Fernsehsendern erhöht die Nachfrage und steigert die Zahlungsbereitschaften, die im Durchschnitt niedrigeren Zuschauerzahlen senken die Zahlungsbereitschaften. Falls der erste Effekt überwiegt, profitiert die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Produzenten von erhöhter Verhandlungsmacht und höheren Einnahmen. Der intensivierte Wettbewerb zwischen Fernsehsendern und das dadurch ausgebreitete Programmspektrum führen zu nahezu unbegrenzter Auswahl für Zuschauer. Imitation erfolgreicher Programmformate führt bei knappen Kapazitäten zur Verdrängung von Minderheitenprogrammen (vgl. Beebe 1977, S. 26-30) und stellt durch die Tendenz zum Massenprogramm eine Gefahr für etablierte Fernsehsender dar. Aus zunehmender Imitation erfolgreicher Programmformate erwächst deshalb der Anreiz für Fernsehsender, sich durch eine auf Qualität beruhende Produktdifferenzierung vom Wettbewerb abzuheben. Fernsehsender können dadurch ihre Rolle als Intermediäre stärken, so dass Angebot und Nachfrage leichter zueinander finden.36 Sie werden zu Fokalpunkten für gute Programminhalte und können als gatekeeper (vgl. 35
36
Imitation von Sendungen oder Programmformaten wird in der vorliegenden Arbeit aufgrund des Urheberrechts nicht als vollständige Imitation, sondern als nahes Substitut interpretiert. Im Widerspruch: Chan-Olmsted (2006, S. 6), die auf die Gefahr der Eliminierung von Intermediären hinweist.
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
Schelling 1960, S. 57; in Anlehnung an Caves 2002, S. 6) von erhöhter Verhandlungsmacht gegenüber der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe profitieren. Kapazitätsausweitung verursacht demnach das Entstehen heterogener Unternehmen und erhöhte Qualität. Gleichzeitig gelten Marktkonzentration und Programmvielfalt37 im Fernsehmarkt als invers verbunden, weshalb Kapazitätsausweitung auch zu erhöhter horizontaler Programmvielfalt führt (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 948; Alexander/Cunningham 2004, S. 176). Gleichzeitig stellt der Anreiz zur Produktdifferenzierung bestehende Vollprogrammsender in Frage (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 959), da Fernsehsender durch die Bildung von Spartenprogrammsendern38 ihr Programm zielgruppenspezifisch ausrichten können. Die dadurch erreichte Zuschauersegmentierung ermöglicht – ähnlich wie bei spezialisierten Zeitschriften – die Ausrichtung auf eine oder mehrere Zielgruppen. Dadurch können die Präferenzen sowohl der Konsumenten als auch der werbetreibenden Unternehmen besser befriedigt werden, was zu höheren Entgeltpreisen und Werbeeinnahmen pro Zuschauer führt. Durch die Fokussierung auf eine oder wenige Programmkategorien (genre)39 sinkt die vertikale Programmvielfalt pro Fernsehsender (vgl. Wildman/Lee 1989, S. 27f.). Mit der bei intensiviertem Wettbewerb im Durchschnitt geringeren Zuschauerzahl pro Fernsehsender geht allerdings der Anreiz bzw. die Notwendigkeit einher, Kosten und somit Qualität zu senken.40 Ein Fernsehsender kann zu diesem Zweck mediale Mehrfachnutzung bspw. durch Wiederholungen bereits ausgestrahlter Sendungen betreiben, was sich ebenfalls negativ auf die vertikale Programmvielfalt auswirkt. Durch die Kapazitätsausweitung kommt es demnach zu zwei gegenläufigen Effekten auf die Programmvielfalt des Fernsehmarktes: Der Anreiz zur Produktdifferenzierung führt zu heterogenen Unternehmen und erhöhter horizontaler Programmvielfalt,
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Programmvielfalt ist nur schwer messbar, da es einer genauen Definition bedarf und viele Einflussfaktoren existieren (vgl. Owen 1978, S. 44; Alexander/Cunningham 2004, S. 178). Aus gesellschaftlicher Perspektive gilt Programmvielfalt als Maß für die Leistungsfähigkeit eines Fernsehmarktes, wobei der Fokus nicht auf der Existenz eines vielfältigen Angebots, sondern auf dem tatsächlichen Konsum dieser Vielfalt liegen sollte (vgl. Napoli 1997, S. 59-63). Spartenprogrammsender sind Fernsehsender, die sich auf bestimmte Programmkategorien spezialisieren (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 132). Park (2005, S. 45) klassifiziert bspw. 15 Programmkategorien: Drama, Komödie, Animation und Zeichentrick, Kinderprogramm, Sport, Musik, Unterhaltung, Nachrichten, Gegenwartskunde, Informationen und Kultur, Bildung, Dokumentationen, Infotainment, Filme, Spiele. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Erkenntnis von Wiles (1963, S. 195), nach welcher zunehmender Wettbewerb im Fernsehmarkt Qualitätsreduktion verursacht.
1. Intensivierter Wettbewerb zwischen Fernsehsendern
45
allerdings senken die Anreize zur Bildung von Spartenprogrammsendern und zu medialer Mehrfachnutzung die vertikale Programmvielfalt.41 Gleichzeitig kommt es durch die Kapazitätsausweitung auch zu zwei gegenläufigen Effekten auf die Qualität von Fernsehsendern: Während der Anreiz zur Kostensenkung geringere Qualität verursacht, erhöhen Fernsehsender aufgrund des Anreizes zur Differenzierung ihre Qualität. Die Auswirkungen der Kapazitätsausweitung und die drei damit verbundenen gegenläufigen Effekte sind in Abb. III.2. zusammenfassend dargestellt. Abb. III.2.:
Auswirkungen der Kapazitätsausweitung durch die Digitalisierung im Fernsehmarkt Anreiz zur Bildung von Spartenprogrammsendern Durchschnittlich weniger Zuschauer pro Fernsehsender
Markteintritt
Intensivierter Wettbewerb
Nachfrage nach Programminhalten
+ Intensivierter Wettbewerb um bereits produzierte Programminhalte
Vielfalt + Anreiz zur Produktdifferenzierung
+ Qualität Anreiz zur Kostensenkung
Quelle: Eigene Darstellung.
Durch die Kapazitätsausweitung werden alle kostendeckenden Programminhalte ausgestrahlt, wodurch das Allokationsdefizit der Werbefinanzierung verringert wird (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 955). Gleichzeitig senkt die Digitalisierung die Kosten der
41
Unterstellt man eine in der Summe gestiegene Programmvielfalt, wird dadurch die Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten und deren Auftrag zu Grundversorgung und Sozialisation in Frage gestellt. Die meisten der Marktversagenstatbestände zur Rechtfertigung öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten werden durch die Digitalisierung weitestgehend aufgehoben (vgl. Rott 2003, S. 129-132; Armstrong/Weeds 2005, S. 31-37). Dennoch werden trotz zunehmenden Wettbewerbs sozialisierende Inhalte nicht von privatwirtschaftlichen Fernsehsendern ausgestrahlt. Dies muss aber nicht – wie Horwitz (2005, S. 196) unterstellt – zu einer Befürwortung öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten führen. Vielmehr können einzelne Sendungen, die Sozialisation enthalten, durch Rückwärtsauktionen an privatwirtschaftliche Fernsehsender unter bestimmten Auflagen verkauft werden. Dies würde nicht nur eine weitere Einnahmequelle für Fernsehsender eröffnen, sondern auch die in Deutschland von öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten belegten Marktsegmente freigeben.
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
technischen Programmproduktion und -distribution (vgl. Schusser 1999, S. 108).42 Die Kostenreduktion43 ermöglicht unter Annahme gleichverteilter Zuschauer zunehmend das Angebot von Minderheitenprogrammen, die bei analoger Übertragung ihre Kosten nicht amortisiert hätten, weshalb die Notwendigkeit regulativer Eingriffe in den Fernsehmarkt – in diesem Falle zum Schutz von Minderheitenprogrammen – an Relevanz verliert.44 Das dritte die Fernsehsender betreffende Merkmal der Digitalisierung ist die Rückkanalfähigkeit digitaler Distribution. Ein Rückkanal ermöglicht bidirektionale Kommunikationsflüsse zwischen Kommunikator und Rezipient. Die entstehende Form der Kommunikation mit dem bisher als anonym geltenden Zuschauer ermöglicht u.a. die Personalisierung von Programminhalten und Werbebotschaften sowie das Angebot neuer Zusatzdienste durch den Fernsehsender.45 Die ohnehin mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen im Wettbewerb zueinander stehenden Fernsehsender erhalten somit die Möglichkeit zur Erweiterung und Veränderung bestehender sowie zur Erschließung neuer Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung als radikale, Ressourcen und Fähigkeiten in Frage stellende Innovation steigert durch den Abbau von Marktzutrittsschranken auf der Angebotsseite des Fernsehmarktes signifikant die Unsicherheit durch die Umwelt, was zu nachhaltigen Veränderungen für Fernsehsender führt. Daraus resultieren veränderte und komplexere Ansprüche an das strategische Management von Fernsehsendern, dessen Aufgabe es ist, das Unternehmen flexibel innerhalb dieser sich dynamisch verändernden Strukturen zu positionieren (vgl. Porter 1981, S. 616; Chan-Olmsted 2006, S. 13). Da die Marktgegenseite als Voraussetzung für das Vorliegen potenzieller Wettbewerbsvorteile gilt, ist im Folgenden der Einfluss der Digitalisierung sowohl auf die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen als auch die beiden Nachfragegruppen der Zuschauer und der werbetreibenden Unternehmen zu untersuchen.
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Die jährlichen Distributionskosten eines Fernsehsenders via Satellit sinken von durchschnittlich ca. 6 Mio. € auf weniger als 1 Mio. € (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 83). In welchem Maße Fernsehsender oder Distributoren davon profitieren, hängt von der Verhandlungsmacht beider Seiten ab. Die Reduktion der technischen Produktions- und Distributionskosten soll nicht darüber hinweg täuschen, dass durch die Digitalisierung hohe Investitionskosten entstehen. Die mit einem technologischen Wandel verbundenen uneinheitlichen technischen Standards erhöhen die Unsicherheit und verursachen Kosten. Gleichzeitig entstehen bei Konsumenten Wechselkosten durch die Anschaffung digitaler Empfangsgeräte. Dies stellt zusätzlich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und deren Geschäftsmodell in Frage. Siehe für eine Übersicht der Möglichkeiten digitaler Fernsehangebote: Schenk/Döbler/Stark (2002, S. 38-44).
2. Erhöhte Relevanz der Produktion
2.
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Erhöhte Relevanz der Produktion
Die Produktion von audio-visuellen Programminhalten umfasst alle denkbaren Programmkategorien, wobei Art und Weise der Produktion stark variiert. Insbesondere differenziert sich Inhalteproduktion hinsichtlich der Intensität der Koordination zwischen kreativen und allgemeinen Produktionsfaktoren. Die Zusammenarbeit mit kreativen Talenten stellt besondere Ansprüche an Vertragsgestaltung und -umsetzung, da diese häufig intrinsisch motiviert sind. Es müssen nicht nur deren individuelle Ziele Berücksichtigung finden, sondern es besteht auch die Gefahr des moralischen Risikos (moral hazard) durch das Produktionsunternehmen (vgl. Caves 2003, S. 73-76) und somit mittel- bis langfristig die Gefahr der Unzufriedenheit bei kreativen Produktionsfaktoren. Neben der Fähigkeit zur Koordination kreativer Talente bedarf es je nach Programmkategorie der Kooperation mit anderen Produktionsunternehmen (vgl. Caves 2003, S. 74f.). Diese Zusammenarbeit dient einerseits der Senkung des Risikos von Einzelprojekten, andererseits der Erschließung selbst nicht vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten. Einem Film wird bspw. ein hohes Erfolgspotenzial zugeschrieben, wenn er spezifische humane und technologische Produktionsfaktoren verwendet, relevante Situationsfaktoren wie aktuelle gesellschaftliche Debatten und Kontroversen aufgreift und bereits in anderen Märkten erfolgreich ist (vgl. Boschetti/Marzocchi 1998, S. 42). Daher ist es sinnvoll, verschiedene Individuen und Unternehmen mit unterschiedlichen Stärken und verschiedenartigem Wissen zu vereinen. Dadurch erlangt die Produktion von Programminhalten – abgesehen von seriell produzierten Inhalten – Projektcharakter. Dieser drückt sich in der damit verbundenen Unsicherheit und den meist hohen versunkenen Kosten aus (vgl. Caves 2003, S. 74f.). Deshalb herrscht zwischen Fernsehsendern und Produktionsunternehmen als der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe häufig eine enge institutionelle Verbindung. Dadurch können sich Routinen und Regeln zwischen kooperativen Partnern etablieren, auf denen aufbauend Lernprozesse induziert werden. In Deutschland erreichte der Produktionsmarkt im Jahre 2006 ein Volumen von 717.700 Minuten, wovon die größten zehn Produktionsunternehmen mehr als 51% hergestellt haben. Von diesen zehn Produktionsunternehmen gehören vier den Fernsehsenderfamilien RTL Group und ProSiebenSat.1 Media AG sowie den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten an. Dennoch existierten im Jahre 2006 insgesamt 676 Produktionsunternehmen in Deutschland, was für einen Produktionsmarkt mit ausgeprägtem Wettbewerb spricht (vgl. Formatt-Institut 2007, S. 40).46 Als 46
Siehe dazu auch: Empirischer Überblick über die deutsche Fernsehindustrie im Anhang, S. 247f.
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
Folge weisen viele deutsche Film- und Fernsehproduzenten dauerhaft finanzielle Engpässe auf, die durch Filmfördergesellschaften und Kooperationen mit anderen Unternehmen ausgeglichen werden. Diese Situation wird durch die im internationalen Vergleich zunehmenden Qualitätsansprüche und die dadurch steigenden inhaltlichen Produktionskosten verstärkt (vgl. Pfänder 2000, S. 24-27). Die Digitalisierung wirkt dieser Entwicklung durch Verringerung technischer Produktionskosten via Anwendungen wie der broadcast file transmission entgegen, indem sie Flexibilität erhöht und Zeiteinsparungen ermöglicht (vgl. Barnatt 2001, S. 5; Nanobit 2008). Gleichzeitig können Produktionsunternehmen durch die digitale Distribution Kosten einsparen, da sowohl die mit der physischen Distribution von Datenträgern verbundenen Lagerund Transportkosten als auch Handelsmargen umgangen werden können. Diese gegenläufige Entwicklung der steigenden inhaltlichen Produktionskosten und der sinkenden technischen Produktions- und Distributionskosten wird begleitet von einer sich verändernden Nachfrage der Fernsehsender bei Inhaltebeschaffung und -erstellung (vgl. Pfänder 2000, S. 27). Die Nachfrage im Bereich der Inhaltebeschaffung47 ist in den ersten Jahren der Digitalisierung zunächst zurückgegangen. Etablierte Fernsehsender haben bei der Ausweitung ihrer Programmtätigkeiten auf bestehende Senderechte zurückgegriffen. Mittel- bis langfristig an etablierte Fernsehsender vergebene Senderechte attraktiver Programminhalte wirken als Marktzutrittsschranke für neue Marktteilnehmer. Diese wird dadurch verstärkt, dass Programminhalte häufig nicht einzeln, sondern lediglich im Bündel erworben werden können. Darüber hinaus müssen sich Fernsehsender oft mittel- bis langfristig zur Abnahme weiterer Senderechte verpflichten. Diese zur Risikodiversifikation der Produktionsunternehmen bekannte Vorgehensweise der Optionsverträge erhöht das programminhaltliche und finanzielle Risiko von Fernsehsendern. Dies trifft insbesondere neue Fernsehsender, die häufig nicht über die notwendige finanzielle Ausstattung verfügen, während etablierte Fernsehsenderfamilien das entstehende Risiko diversifizieren. Aufgrund der Kapazitätsausweitung und der damit verbundenen Intensivierung des Wettbewerbs zwischen Fernsehsendern ist der Nachfragerückgang nach bereits produzierten Programminhalten jedoch nur ein vorübergehendes Phänomen. Denn gegenüber der Inhalteerstellung kann bei der Inhaltebeschaffung die Qualität des bereits produzierten Programminhalts besser beurteilt werden. Im Falle der Verwendung eines Programminhalts in anderen Absatzkanälen oder geographischen Märkten ist die Erfolgsquote bekannt. Aufgrund der dadurch verbesserten Planungssicherheit erhöht sich die Relevanz der Inhalte47
Inhaltebeschaffung umschreibt aus Perspektive der Fernsehsender den Einkauf von Senderechten an von anderen produzierten Programminhalten.
2. Erhöhte Relevanz der Produktion
49
beschaffung für neue Fernsehsender und trägt somit zu einer steigenden Nachfrage in diesem Bereich bei. Senderechte an positionalen Programmgütern (vgl. Kruse 2000, S. 8-13) wie massenattraktiven Sportereignissen nehmen im Bereich der Inhaltebeschaffung eine Sonderstellung ein, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein großes Zuschauerinteresse generieren (vgl. Chan-Olmsted 2006, S. 82f.).48 Neben den Gütern selbst gelten auch eingesetzte Individuen, d.h. Sportler, Moderatoren, Schauspieler, Regisseure und Drehbuchautoren, als positionale Faktoren (vgl. Rott 2003, S. 113117). Bei intensiviertem Wettbewerb zwischen Fernsehsendern steigt die Nachfrage sowohl der neuen als auch der etablierten Fernsehsender nach diesen Programminhalten, da diese neben hohen Zuschauerzahlen aufgrund ihrer limitierten Verfügbarkeit auch Differenzierung gegenüber Wettbewerbern ermöglichen. In diesem Zusammenhang spielen neben Sportereignissen vor allem auch US-amerikanische Filme und Fernsehserien aufgrund ihrer hohen produktionstechnischen Qualität und der Verwendung bekannter Individuen eine bedeutende Rolle.49 Die erhöhte Nachfrage der Fernsehsender bringt Produktionsunternehmen gesteigerte Verhandlungsmacht ein, welche durch weitere Faktoren verstärkt wird. Erstens stellt werbefinanziertes Fernsehen aus Perspektive der Produktionsunternehmen einen nur wenig Umsatz bringenden Absatzkanal dar (vgl. Caves 2002, S. 8), während die digitale Fernsehdistribution die Qualitätsunterschiede im Vergleich zum umsatzstärksten Absatzkanal DVD verringert und dadurch diesen zunehmend bedroht. Da Produktionsunternehmen ihre Kosten so auf alle Absatzkanäle verteilen, dass die Grenzdeckungsbeiträge aller Absatzkanäle gleich sind (in Anlehnung an Schellhaaß 1982, S. 41f.; siehe auch Owen/Wildman 1992, S. 40f.), müssen Fernsehsender die durch die digitale Fernsehdistribution verursachten Mindereinnahmen anderer Absatzkanäle durch Preiserhöhungen ausgleichen. Zweitens besteht für Produktionsunternehmen die Möglichkeit, Fernsehsender als Intermediäre zur Vermittlung ihrer Programminhalte vollständig zu umgehen, indem sie direkt mit Distributoren bspw. durch Internet-basierte Videoplattformen oder video-on-demand Angebote kooperieren. Drittens erhöht sich für Fernsehsender, deren Reputation oder Marke auf eingekauften Senderechten basiert, die Abhängigkeit von Produktionsunternehmen. Bei Neuverhandlungen können Produktionsunternehmen den intensivierten Wettbewerb zwischen Fernsehsendern nutzen und höhere Preise 48 49
Dieser Bereich ist durch Schutzlisten für ausgewählte Sportereignisse stark reguliert. Die Nachfrage nach diesen meist nur im Bündel angebotenen Produkten nimmt seit der Digitalisierung entgegen dem allgemeinen Trend stark zu, was zu erhöhten Preisen geführt hat (vgl. Rott 2003, S. 115).
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
erzielen, da Fernsehsender eine einmal aufgebaute Reputation bzw. Marke erhalten und die Investitionskosten amortisieren möchten. Neben der Inhaltebeschaffung bietet die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe auch die Möglichkeit der Inhalteerstellung für Fernsehsender. Die in Form von Eigen- und Auftragsproduktionen50 durchgeführte Inhalteerstellung beschreibt unabhängig von Eigentümer-Besitzer-Verhältnissen kooperative Produktionen zwischen Produktionsunternehmen und Fernsehsendern. Inhalteerstellung stellt somit eine Form der Diversifikation von Fernsehsendern dar und ermöglicht das Erschließen weiterer Einnahmequellen der Fernsehindustrie, wodurch ein Fernsehsender erhöhte Unabhängigkeit vom Fernsehmarkt erreicht. Gegenüber der Inhaltebeschaffung erhöhen sich aus Perspektive des Fernsehsenders sowohl der Einsatz von humanen und finanziellen Faktoren als auch die Koordinationskomplexität. Außerdem kann man sich nicht wie bei der Inhaltebeschaffung vor dem Kauf über die Qualität des Gutes informieren, sondern diese lediglich anhand von Kriterien wie den Schauspielern, Autoren und Drehorten abschätzen (vgl. Rott 2003, S. 216f.). Dadurch erhöht sich das vom Fernsehsender zu tragende Risiko. Dafür kann dieser bspw. durch die Auswahl von Schauspielern die Ausrichtung eines Produktes bestimmen und somit einen höheren Einfluss auf die Produktion nehmen, wodurch die Unabhängigkeit des Fernsehsenders vom Inhaltebeschaffungsmarkt erhöht wird. Die Produktion kann besser auf die anvisierten Zielgruppen sowohl auf dem Zuschauer- als auch auf dem Werbemarkt ausgerichtet werden. Fernsehsender, deren Reputation bzw. Marke auf ausgewählten Programmkategorien basiert, können einen Programminhalt aktiv zur Profilbildung und zur Erhöhung ihrer Flexibilität nutzen.51 Die insbesondere für finanzkräftige Fernsehsender gegebene Vorteilhaftigkeit der Inhalteerstellung gegenüber der Inhaltebeschaffung, die von einem Nachfrageschub nach Programminhalten begleitet wird, erhöht die Relevanz der Inhalteerstellung im digitalen Zeitalter. Weil durch die Digitalisierung Produktionsunternehmen zunehmend auch intertemporal im Wettbewerb stehen (vgl. Owen/Wildman 1992, S. 3840), intensiviert sich somit der Wettbewerb zwischen Produktionsunternehmen um
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Eigen- und Auftragsproduktion umschreiben die gleiche Produktionsform, öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten verwenden den ersten, privatwirtschaftliche Fernsehsender den zweiten Begriff (vgl. Pfänder 2000, S. 17). Im Folgenden wird zusammenfassend der Begriff Eigenproduktion verwendet. Wegen diesen Vorteilen sind nahezu alle Produktionen in Deutschland Eigenproduktionen (vgl. Pfänder 2000, S. 27). Allerdings können produzierende Fernsehsender durch strategische Allianzen in Form von internationalen Co-Produktionen neue Märkte erschließen. Insbesondere durch Kooperationen mit US-amerikanischen Produktionsunternehmen besteht Zugang zu den beiden weltweit größten Fernsehmärkten.
2. Erhöhte Relevanz der Produktion
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Abnehmer in anderen geographischen Märkten, um Zuschauer und um kreative Talente als Produktionsfaktoren. 3.
Vertikale Diversifikation durch Distributoren
Fernsehen setzt zum Kontakt mit Zuschauern eine Infrastruktur zur technischen Übertragung der Fernsehsignale voraus. War es zu Anfang des Fernsehens der terrestrische Distributionskanal, versorgen Breitbandkabel- und Satellitendistributoren mittlerweile ca. 95% der deutschen Haushalte mit Fernsehsignalen. Distributoren übernehmen auch weitere technische und administrative Dienstleistungen wie Kundenverwaltung, Auswahl der Fernsehsender, Bereitstellung elektronischer Anwendungen und Vertrieb notwendiger Empfangsgeräte. Als Eintrittsvoraussetzung für den Distributionsmarkt gilt der Aufbau einer Infrastruktur, die nur unter sehr hohen Investitionskosten realisierbar ist und daher als Marktzutrittsschranke für potenzielle Marktteilnehmer gilt. Gleichzeitig erreicht man mit einer einmal installierten Infrastruktur eine große Menge an potenziellen Zuschauern zu vernachlässigbar geringen Grenzkosten. Bei den traditionellen Distributionskanälen Terrestrik, Breitbandkabel und Satellit gibt es deshalb kaum Wettbewerb zwischen den jeweiligen Distributoren, es besteht lediglich Wettbewerb zwischen Distributoren verschiedener Distributionskanäle (siehe Rott 2003, S. 119). Aufgrund des eingeschränkten Wettbewerbs generieren etablierte Distributoren durch Infrastrukturentgelte seitens der Zuschauer oder durch Weiterleitungsgebühren der Fernsehsender Marktmachtrenten.52 Zwischen Fernsehsendern und Distributoren besteht ein Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeiten. Verzichtet bspw. RTL auf einen Distributionskanal wie das Breitbandkabel, verliert der Fernsehsender 55% seiner technischen Reichweite in Deutschland (vgl. AGF/GfK Fernsehforschung, zitiert nach ARD 2009). Gleichzeitig sind Distributoren im Hinblick auf Attraktivität der von ihnen ausgestrahlten Programme und somit hinsichtlich ihrer Einnahmen auf Fernsehsender angewiesen. Ein Distributor kann deshalb kaum auf die großen, am Markt etablierten Fernsehsender verzichten, da diese aktiv von Zuschauern nachgefragt werden. Für kleine und neue Fernsehsender stellt der Distributor allerdings einen Engpass (bottleneck) dar, um mit den potenziellen Zuschauern in Kontakt treten zu können, weshalb ihre Verhandlungsposition schlechter ist als die der etablierten Fernsehsender (vgl. Knieps 2000, S. 10-12; Messmer 2002, S. 86f. & 114). Wie die Geschäftsverhältnisse und monetären Beziehungen zwischen Fernsehsendern und Distributoren gestaltet sind, hängt 52
In Deutschland verlangen lediglich Breitbandkabeldistributoren monatliche Infrastrukturentgelte von den Zuschauern, während sich Terrestrik- und Satellitendistributoren aus Weiterleitungsgebühren der Fernsehsender refinanzieren.
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
von bilateralen Verhandlungen ab (vgl. Chan-Olmsted/Li 2002, S. 154). Im deutschen Breitbandkabel ist es bspw. üblich, dass Fernsehsender für die Ausstrahlung ihres Programms dem Distributor eine Weiterleitungsgebühr entrichten, während in den USA die Distributoren in der Regel den Fernsehsendern eine Gebühr in Abhängigkeit von den angeschlossenen Haushalten bezahlen (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 113).53 In Deutschland ist der Distributionsmarkt von wenigen großen Unternehmen geprägt. Während Media Broadcast die terrestrische Ausstrahlung übernimmt, sind vor allem SES Astra und Eutelsat für die Satellitendistribution in Deutschland verantwortlich. Im geographisch aufgeteilten Breitbandkabelmarkt sind die Unternehmen Kabel Deutschland, Unity Media und Kabel Baden-Württemberg tätig. Allerdings operieren diese Unternehmen auf Netzebene 3 und übernehmen damit lediglich die regionale Signalverteilung, d.h Signallieferung bis zu den Häusern der Breitbandkabelnutzer. Daher verfügen sie lediglich über 38% direkte Kundenbeziehungen zu Breitbandkabelnutzern. Weitere 44% teilen sie sich mit bis zu 5.000 Unternehmen auf Netzebene 4 (vgl. Solon 2005, S. 6), welche die hausinterne Signalverteilung übernehmen. Die restlichen 18% der Breitbandkabelnutzer haben direkte Kundenbeziehungen zu Unternehmen der Netzebene 4.54 Durch die Eigentümerstruktur und die Trennung zwischen Netzebene 3 und 4 sind in Deutschland stark heterogene, räumlich getrennte Breitbandkabelnetze entstanden. Als Folge davon werden Signallieferung und Kundenverwaltung häufig von zwei verschiedenen Unternehmen betrieben. Die Zersplitterung innerhalb des Breitbandkabelnetzes führt zu unterschiedlichen Strategien der Netzbetreiber im Umgang mit der Digitalisierung (vgl. Beckert/Zoche 2006, S. 34f.). Dagegen ist die Digitalisierung via Terrestrik- und Satellitendistribution mit weniger Problemen versehen. Während Terrestrik durch eine politische Initiative in Deutschland zum Ende des Jahres 2008 flächendeckend auf digitale Distribution umgestellt wurde (vgl. Berner 1998; Task Force DVB-T Deutschland 2008), bedarf es bei der Satellitendistribution fast ausschließlich des Austauschs des Satelliten im Orbit. Allerdings müssen die Zuschauer – eine digitale Infrastruktur vorausgesetzt – über digitale Empfangsgeräte verfügen, wodurch für sie Kosten beim Wechsel von analoger zu digitaler Distribution entstehen.55
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Diese Einnahmequelle gewinnt auch für deutsche Fernsehsender an Relevanz (vgl. Haupert 2006, S. 167). Siehe dazu auch: Empirischer Überblick über die deutsche Fernsehindustrie im Anhang, S. 248255. Um während der Umstellung keine Zuschauer zu verlieren, erfolgt in dieser Phase simulcast, d.h. Simultanübertragung analoger und digitaler Fernsehsignale.
3. Vertikale Diversifikation durch Distributoren
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Durch die Digitalisierung entstehen neben den traditionellen, in der Umstellung auf digitale Distribution befindlichen Distributionskanälen auch neue Distributionskanäle. Neben Übertragungen über das Strom- und Mobilfunknetz spielt hier vor allem die Distribution via Breitbandtelefon- und -internetnetzen die zentrale Rolle. Diese neuen digitalen Distributionskanäle überwinden geographische Grenzen, da z.B. bei Internetprotokoll-basierter Übertragung via Internet jedes Individuum weltweit die Ausstrahlung nutzen kann. Sie stehen in einer Substitutionsbeziehung zu traditionellen Distributionskanälen und intensivieren somit den Wettbewerb auf der Ebene der Distributoren. Dadurch droht etablierten Distributoren und vor allem den Breitbandkabelnetzbetreibern, die Stellung als Engpass für Fernsehsender und somit Verhandlungsmacht gegenüber Fernsehsendern zu verlieren. Allerdings verfügen etablierte Distributoren über Ressourcen und Fähigkeiten wie die Infrastruktur und Kundenbeziehungen. Da Zuschauer beim digitalen Fernsehen über digitale Empfangsgeräte verfügen müssen, können Distributoren durch die Ausstattung der Zuschauer mit Empfangsgeräten eine Kundenbeziehung aufbauen bzw. eine bestehende intensivieren. Die dadurch erleichterte vertikale Diversifikation von Distributoren eröffnet die Möglichkeit des Markteintritts in die für sie vorgelagerte Wertschöpfungsstufe durch Gründung eigener Fernsehsender. Dadurch können Distributoren Größeneffekte, die sie mittels ihrer Infrastruktur generieren, durch Programmablaufgestaltung und Zusatzdienste verstärken (vgl. Messmer 2002, S. 185). Die Digitalisierung bietet allen Distributoren die Möglichkeit, ihre Geschäftsmodelle durch das Angebot von triple bzw. quadruple play auszuweiten, da digitale Distributionskanäle neben Fernsehen auch für Internet, Festnetztelefonie und ggf. Mobiltelefonie genutzt werden können (vgl. Beckert/Zoche 2006, S. 30). Da Zuschauer insbesondere die ersten 20 Sendeplätze beachten, ist die Platzierung innerhalb der Reihenfolge der Senderauswahl eines Distributors entscheidend für den Fernsehsender (vgl. Lange 2006, S. 52f.). Verstärkt durch zunehmenden Wettbewerb auf Ebene der Fernsehsender kann sich dadurch die Stellung der Distributoren als Engpass und somit deren Verhandlungsmacht verstärken. 4.
Fragmentierung des Zuschauermarktes
Das Verhalten der Zuschauer als Nachfrager des Fernsehmarktes eines Landes wird langfristig von der Bevölkerungsentwicklung, der Ausstattung mit Fernsehgeräten, der verfügbaren Freizeit, der biographischen Prägung, der Sozialisation und den Kosten des Fernsehens beeinflusst. Kurzfristig nehmen vor allem demographische Merkmale, das Wetter und das verfügbare Tageslicht entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Zuschauer (vgl. Rott 2003, S. 164-171).
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III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
Der Fernsehkonsum eines Individuums wird durch sein monetäres und zeitliches Medienbudget determiniert, wovon ein gewisser Anteil auf Fernsehen entfällt und ggf. verschiedene Medien zeitgleich genutzt werden. Da alle Medienunternehmen um das zeitliche Medienbudget eines Konsumenten konkurrieren, existiert neben intramedialem auch intermedialer Wettbewerb um die Aufmerksamkeit eines Zuschauers. Die Entwicklung des zeitlichen Fernsehbudgets – gemessen durch die durchschnittliche tägliche Fernsehdauer – deutet auf eine Sättigung der Nachfrageseite des deutschen Fernsehmarktes hin. Das induziert bei zunehmendem Wettbewerb zwischen Fernsehsendern Verdrängungswettbewerb. Im Jahre 2007 betrug das zeitliche Fernsehbudget des durchschnittlichen Zuschauers 192 Minuten pro Tag und machte somit 42,4% des zeitlichen Medienbudgets in Höhe von 453 Minuten pro Tag aus (vgl. AGF/GfK Fernsehforschung, zitiert nach Reitze 2007, S. 72-74). Aufgrund der auf 30% Zuschauermarktanteil festgelegten Obergrenze (vgl. §26-28 RStV) und der Digitalisierung liegt für etablierte Fernsehsender und insbesondere Fernsehsenderfamilien nur beschränktes Wachstumspotenzial bei wachsender Konkurrenz und stagnierenden Märkten vor. Auf der anderen Seite konkurrieren entgeltfinanzierte Fernsehsender um Anteile am monetären Medienbudget. Neben dem intermedialen Wettbewerb stehen sie dabei intramedial insbesondere in Konkurrenz zu Distributoren, die ein Infrastrukturentgelt erheben.56 Das monetäre Medienbudget wird vor allem durch volkswirtschaftliches Wachstum und die Arbeitsmarktentwicklung beeinflusst, weshalb entgeltfinanzierte Fernsehsender besonders sensitiv von Konjunkturschwankungen betroffen sind (vgl. Chan-Olmsted 2006, S. 77). Während das monatliche monetäre Medienbudget in Deutschland ca. 100 € pro Individuum beträgt, hat das monatliche monetäre Fernsehbudget, d.h. die Beträge, die an Fernsehsender für die Ausstrahlung von Inhalten gezahlt werden, lediglich einen Umfang von 5,62 € (vgl. Berechnung auf S. 256 im Anhang).57 An der Entwicklung der zeitlichen und monetären Budgets erkennt man, dass sich Medien und insbesondere Fernsehen als gesellschaftliches Phänomen etabliert haben. Dabei findet Fernsehen für viele Individuen im sozialen Kontext statt und stellt eine Routine des täglichen Lebens dar, mit der sie vor allem Ausspannen, Stressabbau, gute Stimmung, aktuelle Informationen und Neuigkeiten verbinden (vgl. Lee/Lee 1995, S. 12-16).
56
57
Daneben nimmt die Rundfunkgebühr eine Sonderrolle ein, da sie als unumgängliche Grundgebühr für die Nutzung privatwirtschaftlicher Fernsehsender interpretiert werden kann. Siehe dazu und zu den vorhergehenden empirischen Daten: Empirischer Überblick über die deutsche Fernsehindustrie im Anhang, S. 255-257.
4. Fragmentierung des Zuschauermarktes
55
Die Entscheidung für den Konsum eines bestimmten Fernsehprogramms ist ein zweistufiger Prozess: Nachdem sich ein Individuum für Fernsehen als Freizeitbeschäftigung entschieden hat, entscheidet die relative Attraktivität eines Programms über die Wahl des Fernsehsenders (vgl. Rott 2003, S. 184-186). Der relative Vergleich aller verfügbaren Fernsehsender führt zu erheblichen Transaktionskosten in Form von Suchkosten für den Zuschauer. Gleichzeitig sind Programminhalte Erfahrungsgüter, weshalb ein Zuschauer erst nach dem Konsum über den wahren Nutzen des Gutes entscheiden kann (vgl. P. Nelson 1970, S. 318f.). Um diesen Wissensmangel auszugleichen, müssen Zuschauer weitere Suchkosten aufwenden. Zur Optimierung des Suchprozesses schränken sich Zuschauer als beschränkt rationale Individuen (vgl. H.A. Simon 1955, S. 103-110) auf eine Vorauswahl (relevant set) weniger Fernsehsender ein und bleiben diesen treu (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 959).58 Aufgrund des Erfahrungsgutcharakters sind mit der Aufnahme eines neuen Fernsehsenders in die Vorauswahl Wechselkosten für die Zuschauer verbunden, die somit Einfluss auf die Programmwahl der Konsumenten nehmen. Während der Anfang der Digitalisierung von der binären Darstellung bei Produktion und Distribution geprägt war, ist die zweite Welle durch die Digitalisierung der Endgeräte gekennzeichnet. Technologische Anwendungen wie der digitale Videorekorder sind auf Personalisierung von Programminhalten ausgerichtet und lassen ähnlich wie der analoge Videorekorder in den 1980er Jahren eine Verhaltensbeeinflussung der Zuschauer erwarten (vgl. Henke/Donohue 1989, S. 22). Zuschauer können durch Nutzung der digitalen Speichertechnologie selbständig oder unterstützt durch präferenzorientierte Aufnahmesysteme bestimmen, zu welchem Zeitpunkt ausgewählte Inhalte angeschaut werden und dadurch die Programmablaufgestaltung der Fernsehsender redundant werden lassen.59 Durch die vereinfachte Möglichkeit des zeitversetzten Fernsehens erhöht sich die Kontrolle durch den Zuschauer und die Unabhängigkeit von Programmablaufplänen. Zusätzlich kann der Zuschauer beim zeitversetzten Fernsehen wirksamer als durch Umschalten (zapping), Vorspulen aufgenommener Inhalte (zipping) und Raumverlassen Werbevermeidung betreiben (vgl. Wilbur 2008). Komplementär dazu ermöglichen elektronische Programmführer (electronic program guide; EPG) personalisierte Programmablaufpläne, indem sie die Präferenzen eines Zuschauers durch Abfrage von Persönlichkeitsdaten oder Beobachtung des Fernsehverhaltens ermitteln (vgl. Chorianopoulos/Spinellis 2007, 58
59
Selbst im digitalen Zeitalter umfasst die Vorauswahl nur wenige Fernsehsender, da selbst bei 100 verfügbaren Fernsehsendern 90% des Fernsehkonsums von zehn Fernsehsendern befriedigt werden (vgl. Beisch/Engel 2006, S. 376). Siehe für einen Überblick über bisherige Ausprägungen der Personalisierung in Deutschland: Wilde/Hess (2008, S. 27-29).
56
III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
S. 50). Die aufgrund von Fernbedienungen existierende Flexiblilität der Nachfrage am Zuschauermarkt wird erhöht, indem Zuschauer mittels EPG Informationen über Fernsehsender außerhalb der Vorauswahl zu geringen Suchkosten erhalten. Neben Personalisierung der Programminhalte ermöglichen digitale Technologien wie das home entertainment center die gleichzeitige Nutzung diverser Medien sowie erhöhte Interaktivität des Fernsehzuschauers mit den Programminhalten (vgl. Habann 1999, S. 100f.; Armstrong/Weeds 2005, S. 5). Da aber Motive für Fernsehkonsum vor allem in Ausspannen und Stressabbau begründet sind, ist die Nutzung interaktiver Zusatzdienste, die den Zuschauer aktiv werden lassen, schwer zu beurteilen. Denn Fernsehzuschauer haben unterschiedliche Intensitäten, mit denen sie Programminhalte konsumieren (vgl. Lee/Lee 1995, S. 9), was sich auch auf deren Neigung gegenüber Interaktivität übertragen lässt und durch erste empirische Erkenntnisse unterstützt wird (vgl. Stipp 2004, S. 573-575). Mit diesen Personalisierungsmöglichkeiten unterstützt die Digitalisierung soziokulturelle und demographische Veränderungen und trägt zu einer Individualisierung der Gesellschaft bei (vgl. Schellhaaß 2003c, S. 4; Chan-Olmsted 2006, S. 78f.). Die dadurch ausgelöste Fragmentierung des Zuschauermarktes wird durch neu in den Markt eintretende Fernsehsender potenziell verstärkt, führt zu differenzierten Ansprüchen bzgl. der Programminhalte, begünstigt Nischenstrategien durch Spartenprogrammsender und verursacht erhöhte Unsicherheit der Fernsehsender. Die Programmablaufgestaltung der Fernsehsender verliert durch technologische Anwendungen, welche die Programmauswahl vornehmen oder dem Zuschauer personalisierte Programmablaufpläne bieten, an Relevanz. Aufgrund effizienterer Informationsmärkte entscheidet nicht die zeitliche Programmablaufgestaltung, sondern vielmehr die Qualität der Programminhalte über die Attraktivität von Fernsehsendern, weshalb diese als Intermediäre zwischen Zuschauern und werbetreibenden Unternehmen redundant werden (vgl. Picker 2003, S. 4). Als Folge dieser Effekte der Digitalisierung gewinnen Zuschauer gegenüber Fernsehsendern Verhandlungsmacht und können diese auch besser artikulieren. Allerdings erwachsen durch die Digitalisierung auch Potenziale für Fernsehsender gegenüber den Zuschauern. Entgeltfinanzierte Fernsehsender können bspw. durch Bündelung und Versionisierung von Angeboten Preisdiskriminierung gegenüber Konsumenten durchführen und somit ihre Produzentenrente erhöhen. Für werbefinanzierte Fernsehsender mit direktem Zugang zu Zuschauern ist es u.a. vorstellbar, durch innovative Werbemöglichkeiten die Attraktivität einzelner Werbebotschaften zu erhöhen oder Zuschauer für ihre Aufmerksamkeit gegenüber Werbung monetär zu entlohnen.
5. Effizientere Werbemöglichkeiten für werbetreibende Unternehmen
5.
57
Effizientere Werbemöglichkeiten für werbetreibende Unternehmen
Werbetreibende Unternehmen nutzen Medien zur Kommunikation mit potenziellen Konsumenten ihrer Güter, wodurch werbefinanzierte Medienunternehmen Umsätze generieren. Fernsehen verfügt als Werbeträger aufgrund der hohen absoluten Reichweite, der starken Wirkung audio-visueller Übertragungen, der hohen Bindung seitens der Zuschauer und der zeitlichen Flexibilität über spezifische Vorteile gegenüber anderen Medien (vgl. Rott 2003, S. 200; Schierl 2003, S. 31). Daher ist klassische Fernsehwerbung vor allem für Produzenten von Markenartikeln interessant, die ihre Güter dauerhaft und national bewerben möchten. Es entsteht ein Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeiten zwischen werbefinanzierten Fernsehsendern und werbetreibenden Unternehmen. Dabei ändert das Geschäftsmodell der Werbefinanzierung von Fernsehsendern den Charakter des Mediums, welches Mittel zum Zweck wird und nicht primär dem Konsum von Programminhalten dient (vgl. Wiles 1963, S. 191-193). Die Nachfrage nach Werbemöglichkeiten ist stark von der allgemeinen Konjunktur abhängig, weshalb werbefinanzierte Fernsehsender besonders sensitiv auf Konjunkturschwankungen reagieren (vgl. Chan-Olmsted 2006, S. 77). Gleichzeitig haben die Intensivierung des Wettbewerbs durch die Markteintritte privatwirtschaftlicher Fernsehsender seit Mitte der 1980er Jahre und das Aufkommen neuer Medien als substitutive Werbeträger zu einer horizontalen wie auch vertikalen Ausweitung der Werbemöglichkeiten geführt (vgl. Schierl 2003, S. 32). Als Folge davon gilt Fernsehwerbung zunehmend als störend und die Aufmerksamkeit pro Werbebotschaft sinkt (vgl. Schierl 2003, S. 33-36). Die daraus resultierende geringere Effizienz einzelner Werbebotschaften führte nach einem deutlichen Anstieg der Werbeausgaben bis Ende der 1990er Jahre zu einer Sättigung des deutschen Fernsehmarktes (vgl. Sjurts 2002, S. 306). Neben dem zunehmenden inter- und intramedialen Wettbewerb reduzieren die vereinfachten Werbevermeidungsmöglichkeiten seitens der Konsumenten aufgrund der Digitalisierung zusätzlich die Effizienz klassischer Fernsehwerbung.60 In Deutschland machte Fernsehwerbung mit Netto-Werbeeinnahmen in Höhe von 4,16 Mrd. € im Jahre 2007 20% des Gesamtwerbemarktes aus, welcher ein Volumen von 20,8 Mrd. € aufwies. Auch wenn im Jahre 2007 über 1.700 Unternehmen Fernsehwerbezeit nachfragten, machten die zehn größten werbetreibenden Unter60
Bzgl. Werbevermeidung und -rezeption existieren sehr unterschiedliche empirische Ergebnisse (vgl. Paukens 2000, S. 34). Deshalb wird für die vorliegende Arbeit eine Opportunitätskostenbetrachtung vorgenommen, d.h. Werbung als nicht-monetärer Preis interpretiert (vgl. Owen/Wildman 1992, S. 101).
58
III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
nehmen alleine 20% des Werbevolumens des Fernsehmarktes aus. Neben anderen Faktoren führt diese Marktstruktur auf der Nachfrageseite zu einem größer werdenden Unterschied zwischen Netto- und Brutto-Werbeeinnahmen. Nach 66% im Jahre 1995 liegt dieser Wert im Jahre 2007 bei 48% (vgl. Nielsen Media Research, zitiert nach SevenOne Media 2006, S. 3 & SevenOne Media 2008 & ALM 2008, S. 92).61 Diese Entwicklung zeigt die gestiegene Verhandlungsmacht der werbetreibenden Unternehmen und führt zu Anpassungsprozessen bei Fernsehsendern. Erstens richten sie ihre Programminhalte zunehmend nach denjenigen Konsumenten aus, die von werbetreibenden Unternehmen am meisten wertgeschätzt werden (vgl. Strömberg 2004, S. 266). Da aus Perspektive der werbetreibenden Unternehmen die Qualität der Zielgruppen das wichtigste Auswahlkriterium ist und ihre Zahlungsbereitschaft mit Größe und Homogenität der Zuschauergruppe ansteigt (vgl. Haupert 2006, S. 176f.), nutzen Fernsehsender die Kapazitätsausweitung der Digitalisierung, um durch auf ausgewählte Programmkategorien spezialisierte Spartenprogrammsender bestimmte Zuschauergruppen anzusprechen. Die dadurch einsetzende Selbstselektion der Zuschauer kann genutzt werden, um im Vergleich zu Vollprogrammsendern den werbetreibenden Unternehmen bessere Gelegenheiten hinsichtlich zielgruppenspezifischer Werbeansprachen zu bieten. Die Zuschauer profitieren von präferenzgerechteren Programminhalten, was ihre Aufmerksamkeit für das Programm und somit auch für die darin enthaltenen Werbebotschaften potenziell erhöht. Allerdings ist ein Spartenprogrammsender bzgl. seines Zuschauerpotenzials begrenzt, was sich aufgrund der Werbeeinnahmen-Reichweiten-Spirale negativ auswirkt (vgl. Messmer 2002, S. 114). Zweitens suchen Fernsehsender neue Werbemöglichkeiten, um die Effizienz von Werbebotschaften zu steigern. Da Werbeakzeptanz der Zuschauer vor allem von Menge und Qualität abhängig ist (vgl. Paukens 2000, S. 36f.), können Fernsehsender die Digitalisierung dazu nutzen, Werbebotschaften zu personalisieren. Mittels Rückkanalfähigkeit können Fernsehsender Informationen über das Sehverhalten, die Lebensstile, das Einkaufsverhalten und die Konsumgüterpräferenzen von Zuschauern gewinnen (vgl. Wildman 2001, S. 8; Picker 2003, S. 5). Einzelne Werbebotschaften können dadurch unterhaltender gestaltet und entsprechend den Interessen der Zuschauer adressiert werden, wodurch die Gesamtwerbezeit und somit die Opportunitätskosten der Zuschauer pro Programminhalt reduziert werden (vgl. Kim/Wildman
61
Siehe dazu auch: Empirischer Überblick über die deutsche Fernsehindustrie im Anhang, S. 245f. & 257-259.
5. Effizientere Werbemöglichkeiten für werbetreibende Unternehmen
59
2006, S. 66-68).62 Werbetreibende Unternehmen profitieren von einer erhöhten Effizienz ihrer Werbebotschaften durch Vermeidung von Streuverlusten sowie von einer Verkürzung des Werbeträger- und Werbezeitenauswahlprozesses. Um Werbebotschaften personalisieren zu können, bedarf es des Zugangs zu den Empfangsgeräten der Zuschauer. Ein solcher Zugriff kann u.a. durch den Vertrieb subventionierter Empfangsgeräte und die Zusammenarbeit mit Distributoren generiert werden. Erst die dadurch entstehende Kundenbeziehung ermöglicht einem Fernsehsender die Datenerhebung, die Bildung von in sich homogenen Zuschauergruppen und somit die Adressierbarkeit von Werbebotschaften. Da gleichzeitig die Fragmentierung des Zuschauermarktes zu Unübersichtlichkeit für werbetreibende Unternehmen führt, können drittens Fernsehsenderfamilien dem gleichzeitig erwachsenden Preiswettbewerb auf dem Werbemarkt durch gemeinsame Vermarktung ihrer Werbezeiten begegnen (vgl. Rott 2003, S. 120). Durch Bündelung ihres Angebots können sie nicht nur ihre Verhandlungsmacht gegenüber den werbetreibenden Unternehmen erhöhen und diesen effizientere Werbemöglichkeiten bieten, sondern auch Größen- und Verbundeffekte generieren. Dabei kann durch die Digitalisierung verstärkt Preisdiskriminierung gegenüber werbetreibenden Unternehmen durchgeführt werden. 6.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Dieses Kapitel untersucht aus Perspektive der Fernsehsender den Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungsstufen der Fernsehindustrie. Diese Industrieanalyse gilt als notwendiger vorbereitender Schritt für die Anwendung des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells auf Fernsehsender im vierten Kapitel. Auf Ebene der Fernsehsender verändern drei Merkmale der Digitalisierung signifikant die Wettbewerbssituation. Das erste durch die Digitalisierung ermöglichte Merkmal ist die Kapazitätsausweitung, die zu drei jeweils gegenläufigen Effekten führt: Intensivierter Wettbewerb zwischen Fernsehsendern erhöht die Nachfrage und steigert die Zahlungsbereitschaften für Programminhalte, während die im Durchschnitt niedrigeren Zuschauerzahlen die Zahlungsbereitschaften für Programminhalte senken. Der Anreiz zur Produktdifferenzierung führt zu heterogenen Unternehmen und erhöhter horizontaler Programmvielfalt, allerdings senken die Anreize zur 62
Bei innovativen Werbemöglichkeiten sind allerdings die starken Werberestriktionen in Deutschland zu beachten. Die vorhandenen Regulierungen bzgl. Werbezeiten und -frequenzen sind aus heutiger Perspektive nicht sinnvoll und die EU-Richtlinie 97/36/EG kommt Forderungen nach weniger Regulierung nach (vgl. EU 2007; siehe auch Chorianopoulos/Spinellis 2007, S. 56). Siehe für einen Überblick zur Regulierung der Fernsehwerbung in Deutschland: Fischer (2008, S. 53f.).
60
III. Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette der Fernsehindustrie
Bildung von Spartenprogrammsendern und zu medialer Mehrfachnutzung die vertikale Programmvielfalt. Zuletzt verursacht der Anreiz zur Kostensenkung geringere Qualität von Fernsehsendern, während der Anreiz zur Differenzierung die Qualität von Fernsehsendern erhöht. Die durch die Digitalisierung ermöglichten Merkmale der Kostenreduktion und Rückkanalfähigkeit führen zu vermindertem Regulierungsbedarf und dem Entstehen neuer Geschäftsmodelle. Auf der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion erhöht sich im Bereich der Programmbeschaffung die Verhandlungsmacht von Produktionsunternehmen gegenüber Fernsehsendern aufgrund steigender Nachfrage nach Programminhalten. Andererseits stellt die Inhalteerstellung eine Möglichkeit zur Diversifikation von Fernsehsendern dar und ermöglicht das Erschließen weiterer Einnahmequellen der Fernsehindustrie, wodurch ein Fernsehsender seine Unabhängigkeit vom Fernsehmarkt und von Produktionsunternehmen erhöhen kann. Von der in der Vergangenheit lediglich zur technischen Ausstrahlung dienenden nachgelagerten Wertschöpfungsstufe der Distribution geht für Fernsehsender im digitalen Zeitalter vor allem die Gefahr des Eintritts in den Fernsehmarkt und somit das Erwachsen neuer Konkurrenz aus. Distributoren verfügen über Ressourcen und Fähigkeiten wie die Infrastruktur und Kundenbeziehungen, durch die die vertikale Diversifikation in den Fernsehmarkt erleichtert wird. Die Digitalisierung führt auch bei den Zuschauern und den werbetreibenden Unternehmen zu Veränderungen. Entsprechend den Individualisierungstendenzen der Gesellschaft fragmentiert sich der Zuschauermarkt und es werden zunehmend personalisierte Angebote nachgefragt. Dieses Verhalten begünstigt Nischenstrategien durch Spartenprogrammsender und verursacht erhöhte Unsicherheit der Fernsehsender. Die Programmablaufgestaltung verliert durch technologische Anwendungen an Relevanz, da diese die Programmauswahl vornehmen oder dem Zuschauer personalisierte Programmablaufpläne bieten können. Im digitalen Zeitalter entscheidet vielmehr die Qualität der Programminhalte als deren zeitliche Ablaufgestaltung über die Attraktivität eines Fernsehsenders. Für werbetreibende Unternehmen bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, ihre Verhandlungsmacht gegenüber Fernsehsendern auszubauen. Denn aufgrund erhöhter inter- und intramedialer Konkurrenz müssen Fernsehsender ihre Programminhalte bspw. mittels Spartenprogrammsendern zunehmend nach denjenigen Konsumenten ausrichten, welche von werbetreibenden Unternehmen am meisten wertgeschätzt werden, um somit bessere Gelegenheiten hinsichtlich zielgruppenspezifischer Werbeansprachen zu bieten. Allerdings eröffnet die Digitalisierung auch die Möglichkeit, dass Fernsehsender neue
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
61
Werbemöglichkeiten schaffen, um die Effizienz von Werbebotschaften und vor allem die von Menge und Qualität abhängige Werbeakzeptanz der Zuschauer zu steigern. Insgesamt wird durch das Kapitel deutlich, dass die Komplexität des strategischen Managements eines Fernsehsenders ansteigt, da sich Fernsehsender im digitalen Zeitalter in einem intensivierten, von erhöhter Unsicherheit geprägten Wettbewerbsumfeld wiederfinden. Die Digitalisierung verlangt somit nach einer Analyse, welche Ressourcen und Fähigkeiten von Fernsehsendern nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können.
63
IV.
Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Die traditionelle Charakteristik des Fernsehens – hohe Produktions- und Distributionskosten auf der einen und Knappheit an verfügbaren Sendezulassungen auf der anderen Seite – wird durch die Digitalisierung verändert. Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung als technologische Innovation der Fernsehindustrie ein anderes Verhalten der verschiedenen Marktteilnehmer und stellt dadurch das Rentenpotenzial bisher erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten von Fernsehsendern in Frage. Deshalb wird in diesem Kapitel zunächst Voraussetzung 1 des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells – bestehende Heterogenität zwischen Fernsehsendern – überprüft. Dazu wird der Fernsehmarkt auf Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren untersucht, um anschließend strategische Gruppen anhand von Produktund Marktbreite von Fernsehsendern zu identifizieren. Im zweiten Unterkapitel werden 13 Ressourcen bzw. Fähigkeiten etablierter Fernsehsender entsprechend Voraussetzung 2 des Modells auf Werthaltigkeit überprüft. Falls die Voraussetzung erfüllt ist, werden jeweils anschließend die Nicht-Handelbarkeit, die eingeschränkte Handelbarkeit sowie die Nicht-Imitierbarkeit und Nicht-Substituierbarkeit der Ressource bzw. Fähigkeit analysiert. Erfüllt eine Ressource Bedingung 1a oder 1b und Bedingung 2 des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells, ist sie zur Generierung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter geeignet. In diesem Falle wird die Stärke des supranormalen Rentenpotenzials der jeweiligen Ressource bzw. Fähigkeit anhand der Pareto-, Schumpeter- und Ricardo-Renten ermittelt. 1.
Heterogenität von Fernsehsendern
Der Neoklassik nach entstehen keine supranormalen Renten, wenn in einem Markt vollkommener Wettbewerb herrscht und homogene Unternehmen miteinander konkurrieren. Ist der Marktzutritt beschränkt oder können einzelne Unternehmen bestimmte Handlungsalternativen nicht ergreifen, wird die Vollkommenheit des Wettbewerbs durch Marktzutrittsschranken oder Mobilitätsbarrieren eingeschränkt und Unternehmen sind unabhängig von individuellen Merkmalen heterogen. Deshalb werden in diesem Unterkapitel die Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren des Fernsehmarktes analysiert, um anschließend strategische Gruppen des Fernsehmarktes zu identifizieren.
64
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
1.1.
Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren
Das Konzept der Marktzutrittsschranken geht auf Bain (1954, S. 219-226; 1956) zurück, wonach diese durch absolute Kostenvorteilen, Größeneffekte und Produktdifferenzierung begründet werden. Jedoch erodieren die aus Größeneffekten und Produktdifferenzierungen erwachsenden Vorteile etablierter Unternehmen kurz- bis mittelfristig. Deshalb wird für die vorliegende Arbeit der Definition von Stigler (1968, S. 67-70; siehe auch von Weizsäcker 1980, S. 400) gefolgt, nach welcher Marktzutrittsschranken nur dann vorliegen, wenn ein potenzieller Marktneuling Kosten aufwenden muss, die ein etabliertes Unternehmen nicht zu tragen hat. Größeneffekte und Produktdifferenzierung sind Marktzutrittsschranken, wenn die zur Erreichung aufzuwendenden Kosten zwischen potenziellen Marktneulingen und etablierten Unternehmen vor deren jeweiligem Markteintritt divergieren. Darüber hinaus entstehen durch versunkene Kosten Marktaustrittsschranken, die ebenfalls als Marktzutrittsschranken wirken (vgl. Caves 1984, S. 129), weil diese von etablierten Unternehmen nicht mehr berücksichtigt werden, während potenzielle Wettbewerber sie beim Abwägen eines Markteintritts berücksichtigen. Marktzutrittsschranken sind allerdings nicht nur strukturell gegeben. Sie können zum Teil endogen durch etablierte Unternehmen oder durch staatliche Interventionen bspw. in Form von Regulierung oder Subventionen entstehen (vgl. Penrose 1985, S. 9; Caves/Porter 1977, S. 241). Allerdings erklären Marktzutrittsschranken lediglich den Unterschied zwischen potenziellen Marktteilnehmern und im Markt befindlichen Unternehmen, differenzieren jedoch die am Markt etablierten Unternehmen nicht. Deshalb werden auch Mobilitätsbarrieren des Fernsehmarktes betrachtet, die als strukturelle Marktkräfte das Verhalten von Unternehmen determinieren, indem das Erreichen bestimmter Teilmärkte nach Markteintritt beschränkt ist (vgl. Cool/Schendel 1988, S. 207f.).63 Der Fernsehmarkt ist vor der Digitalisierung durch seine technologisch beschränkte Kanalverfügbarkeit und einen deshalb eingeschränkten Wettbewerb gekennzeichnet. Supranormale Renten im analogen Zeitalter sind hauptsächlich durch die damit einhergehende oligopolistische Marktstruktur erklärt worden, was auf grundsätzliche Heterogenität zwischen etablierten Fernsehsendern im Vergleich zu potenziellen Wettbewerbern hindeutet (siehe Chan-Olmsted 1997, S. 39). Auch wenn die Kapazitätsausweitung der Digitalisierung zur Überwindung der Kanalknappheit beiträgt und somit keine technischen Limitationen mehr existieren, profitieren etablierte Fernseh63
Ohne der Analyse von Isolationsmechanismen vorzugreifen, entspringen aus den Rahmenbedingungen des Fernsehmarktes Mechanismen, die auf Ebene der Unternehmung als Isolationsmechanismen, auf Industrieebene aber als Marktzutrittsschranken oder Mobilitätsbarrieren wirken. In diesem Falle ist nicht nur ein Unternehmen, sondern sind alle oder mehrere im Markt befindliche Unternehmen vor potenziellem Wettbewerb geschützt.
1. Heterogenität von Fernsehsendern
65
sender gegenüber neuen von der vorherigen monopolähnlichen Marktabschottung. Denn dieser zeitliche Vorsprung begründet im Zusammenspiel mit anderen strukturellen und staatlichen Gegebenheiten Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren. Die den Zuschauern angebotenen Güter des Fernsehmarktes sind Erfahrungsgüter, weshalb die Reputation eines Fernsehsenders oder Programminhalts ein wichtiges Signal für die Qualität der Güter darstellt. Der Aufbau eines solchen Signals ist zeitintensiv und die dafür investierten Kosten sind teilweise versunken, da bspw. die Reputation eines Spartenprogrammsenders nur bedingt auch in anderen Bereichen einsetzbar ist. Etablierte Fernsehsender konnten vor der Digitalisierung Reputation günstiger aufbauen als potenzielle Marktneulinge nach der Digitalisierung, weshalb etablierte einen absoluten Kostenvorteil besitzen. Dieser entsteht, weil einerseits Senderechte an attraktiven Programminhalten zur Reputationsübertragung von Programminhalt auf Fernsehsender aufgrund des eingeschränkten Wettbewerbs günstiger waren. Andererseits lagen geringere Qualitätsansprüche der Nachfrageseite und technisch eingeschränkte Vielfaltsauswahl für die Konsumenten vor. Aufgrund des Erfahrungsgutcharakters besteht im Fernsehmarkt konsumentenseitige Anbietertreue. Bei Fernsehgütern, verstärkt bei werbefinanzierten Fernsehsendern aufgrund des zweiseitigen Marktes (vgl. Wildman 2006, S. 79), spielen direkte und indirekte Netzwerkeffekte eine besondere Rolle. Da sie einen völlig neuen Markt und eine zuvor nicht bediente Nachfrage befriedigen konnten, war es etablierten Fernsehsendern aufgrund des technisch eingeschränkten Wettbewerbs kostengünstiger möglich, zu einem Quasi-Standard zu werden und somit von Netzwerkeffekten zu profitieren (vgl. Farrell/Saloner 1985, S. 71). Nachfolgende Unternehmen müssen mit ihren Gütern nicht nur das Nutzenniveau der Güter etablierter Fernsehsender erreichen, sondern auch den Nutzen aus den Netzwerkeffekten kompensieren. Deshalb verlieren etablierte Fernsehsender keine Nachfrage, auch wenn ihre Güterqualität bis zu einem gewissen Grad unter der der neuen Konkurrenten liegt, weshalb diese einen absoluten Kostennachteil erleiden. Diese beiden aus dem Erfahrungsgutcharakter und den Netzwerkeffekten entspringenden Mechanismen werden durch das Konsumentenverhalten verstärkt, nach dem nur eine bestimmte Vorauswahl bei der Konsumentscheidung berücksichtigt wird. War es für etablierte Fernsehsender als Pioniere der Industrie aufgrund mangelnder Konkurrenz vereinfacht möglich, in diese Vorauswahl aufgenommen zu werden, müssen nachfolgende Fernsehsender durch ihre Güter den Nutzen dieser Suchkostenminimierung der Konsumenten kompensieren. Nur so kann das routinierte, sich in trägem Umschaltverhalten äußernde Konsumentenverhalten aufgebrochen werden (vgl. Schellhaaß 2003b, S. 5). Beide
66
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Mechanismen wirken insbesondere bei früh in den Fernsehmarkt eingetretenen Fernsehsendern, wodurch nicht nur der Marktzutritt, sondern auch die Mobilität beschränkt wird. Die im Fernsehmarkt eingesetzten Güter sind kreative Güter, welche niemals völlig identisch sind, sondern wegen der verwendeten Individuen und dem Urheberrecht eine unendliche Varietät aufweisen. Dieser Produktdifferenzierungseffekt wird verstärkt, da Fernsehsender wegen dem bei Werbefinanzierung fehlenden Preismechanismus Differenzierungs- statt Preiswettbewerb gegenüber Zuschauern betreiben. Konsumenten differenzieren kreative Güter sowohl vertikal, d.h. nach Nutzenerfahrung präferieren sie ein Gut mehr als das andere, als auch horizontal, d.h. auch der gleichen Programmkategorie zugehörige Inhalte werden unterschiedlich wertgeschätzt (vgl. Caves 2002, S. 6). Auch wenn Produktdifferenzierung selbst keine Marktzutrittsschranke und Mobilitätsbarriere darstellt, so weist sie auf Heterogenität im Fernsehmarkt hin, da verschiedene Güter nach unterschiedlichen Strategien verlangen. Allerdings kann Produktdifferenzierung im Zusammenhang mit Größen-, Verbundund Erfahrungseffekten dazu führen, dass einzelne Teilmärkte nur von einem oder wenigen Unternehmen effizient bedient werden können. Aufgrund der für Medienmärkte typischen Nicht-Rivalität im Konsum können etablierte Fernsehsender Größenvorteile generieren und durch horizontale oder vertikale Diversifikation die gleichen Güter unter Nutzung weiterer Größeneffekte sowie von Verbundeffekten in anderen Märkten einsetzen. Die entstehenden Subadditivitäten werden aufgrund der hohen Informationskosten durch Erfahrungseffekte verstärkt, da etablierte Fernsehsender von einer erhöhten Anzahl Konsumentenkontakte in der Vergangenheit und dadurch besseren Informationen über Konsumenten profitieren (vgl. Itami/Roehl 1987, S. 21-23). Etablierten Fernsehsendern war es vor der Digitalisierung möglich, ausgewählte Teilmärkte unter Aufwendung versunkener Kosten bspw. für Forschung und Entwicklung, Marketing, Eigenwerbung, Produktionskapazitäten, Infrastruktur und Erfüllung gesetzlicher Auflagen zu besetzen. Die versunkenen Kosten wirken in Verbindung mit Produktdifferenzierung, Subadditivitäten und Erfahrungseffekten Effizienz mindernd bzgl. des potenziellen Wettbewerbs im Fernsehmarkt. Die lange Existenz eines Unternehmens in Märkten mit hohen Informationskosten ermöglicht den Konsumenten Sicherheit bei ihren Entscheidungen, wovon etablierte Fernsehsender profitieren und durch Größen-, Verbund- und Erfahrungseffekte diese Sicherheit kostengünstiger anbieten können als neue Marktteilnehmer (vgl. Demsetz 1982, S. 50). Ebenso vertraut der Finanzmarkt bei Märkten mit hohen Informationskosten auf große, erfahrene Unternehmen, um Informationsbeschaffungskosten
1. Heterogenität von Fernsehsendern
67
gering zu halten. Neue Marktteilnehmer müssen diesen aus der Historizität etablierter Unternehmen erwachsenden Nutzen durch ihre Marktleistung kompensieren, weshalb etablierte Fernsehsender von einem absoluten Kostenvorteil in Form eines besseren Finanzmarktzugangs bei gleicher Leistung profitieren. Die zur Erzielung von Größen- und Verbundeffekten notwendige horizontale oder vertikale Diversifikation ermöglicht Quersubventionierung, was zur frühzeitigen Besetzung attraktiver Teilmärkte genutzt werden kann. Diversifizierte Fernsehsender können Gewinnverschiebung zur Erzielung von Steuervorteilen durchführen und gleichzeitig die Marktattraktivitätssignale für potenzielle Marktneulinge verschlechtern (vgl. Caves/Porter 1977, S. 243-245). Zugang zu Faktormärkten und der kostenminimalen Produktionstechnologie für alle etablierten und potenziellen Marktteilnehmer gilt als Anforderung für angreifbare Märkte. Etablierte Fernsehsender konnten durch den frühzeitigen Zugang zu Senderechten attraktiver Programminhalte oder zu dafür notwendigen Produktionsfaktoren durch vertragliche Bindungen oder langjährige Netzwerkbeziehungen Ressourcen und Fähigkeiten erlangen, welche die Werthaltigkeit erhöhen oder Kosten senken.64 Netzwerkbeziehungseffekte wirken demnach – insbesondere bei positionalen Gütern und Faktoren – als Marktzutrittsschranke und Mobilitätsbarriere, da etablierte Fernsehsender dadurch neuen Marktteilnehmern höhere Kosten als sich selbst auferlegen können. Denn etablierte Fernsehsender können bspw. beim Kauf einer US-amerikanischen Fernsehserie mit einem Superstar durch ihre Stellung als Meinungsführer auf dem deutschen Fernsehmarkt und der damit verbundenen Marktmacht den Preis unterhalb des Gleichgewichtsniveaus senken, um dadurch die durch den Superstar anfallenden Renten teilweise abzugreifen. Staatliche Regulierung eines Marktes wird notwendig, wenn der Markt unter Beachtung der ordnungspolitischen Spielregeln versagt (vgl. Eickhof 1993, S. 209). Da Fernsehen als Massenmedium eine besondere Hebelwirkung besitzt und damit Individuen die Normen und Werte einer Gesellschaft näher gebracht werden können, versagt der Fernsehmarkt im Hinblick auf die Generierung externer Effekte in Form sozialisierender Inhalte (vgl. Never 2002, S. 136-148). Die zur Finanzierung öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten in Deutschland und anderen Ländern erhobene Rundfunkgebühr wirkt wettbewerbsbehindernd (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 958), da sie wie eine nutzungsunabhängige Steuer auf das monetäre Medienbudget von
64
Pioniere verfügen über signifikant andere Ressourcen- und Fähigkeitenausstattungen als nachfolgende Unternehmen (vgl. Robinson/Fornell/Sullivan 1992, S. 616-620), weshalb sich häufig die ersten ein oder zwei Unternehmen zu Marktführern entwickeln (vgl. zu dieser empirisch ermittelten Gesetzmäßigkeit Mueller 1997, S. 828; siehe auch Mueller 1986, S. 33-39).
68
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Individuen einwirkt. Da die Höhe der Rundfunkgebühr inputorientiert anhand der Kosten der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten festgelegt wird, besitzen diese gegenüber privatwirtschaftlichen Fernsehsendern absolute Kostenvorteile.65 Als weitere Anforderung für angreifbare Märkte gilt, dass alle Unternehmen im Markt nach Gewinnmaximierung streben, was bei öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten aufgrund der Refinanzierung über die marktferne Rundfunkgebühr nicht gegeben ist. Sie bieten zur Erfüllung ihres Sozialisationsauftrags eine über dem Wettbewerbsniveau liegende Qualität an, da nur so beigemischte sozialisierende Inhalte konsumiert werden (vgl. Schellhaaß 2003a, S. 954). Öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten besetzen attraktive Teilmärkte und schotten diese gegenüber marktlich finanzierten Wettbewerbern ab (vgl. Rott 2003, S. 130). Außerdem existiert Marktregulierung auch durch medienpolitische Sendezulassung und Vorschriften zur Gestaltung von Werbebotschaften. Insbesondere Einschränkungen der Werbebotschaften erschweren es neuen Fernsehsendern, werbetreibende Unternehmen durch innovative Werbemöglichkeiten von etablierten Fernsehsendern abzuwerben. Somit wirken regulative Staatseingriffe aufgrund von Marktversagen als Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren des Fernsehmarktes. Im Fernsehmarkt gehen Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren auch vom Geschäftsmodell der Werbefinanzierung aus. Erstens spielt aufgrund des Zuschauerverhaltens im Umgang mit Erfahrungsgütern Reputation eines Fernsehsenders eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der Konsumenten. Während in anderen Märkten ein in der Investitionsphase nicht kostendeckender Preis zum Reputationsaufbau gegenüber Konsumenten genutzt werden kann, steht Fernsehsendern dieser monetäre Hebel gegenüber Zuschauern nicht zur Verfügung. Lediglich eine Reduktion des Werbevolumens käme diesem Mechanismus gleich, wobei eine Senkung des nicht-monetären Preises nur einen kleinen Effekt erzielt, wenn die Opportunitätskosten von Werbung für Zuschauer relativ gering ausfallen. Eine Reduktion des Werbevolumens muss darüber hinaus gegenüber den potenziellen Zuschauern kommuniziert werden. Allerdings gilt es als problematisch für neue Fernsehsender, die effizienteste Werbeform – Fernsehwerbung bei anderen Fernsehsendern – nutzen zu können. Zweitens ermöglicht die bei Fernsehwerbung bestehende, sich selbst verstärkende Wirkung zwischen Werbeeinnahmen und Reichweite etablierten Fernsehsendern, bei hohen Zuschauerzahlen einen höheren Werbepreis pro Zuschauer zu erzielen. Aber selbst bei gleichen Werbepreisen pro Zuschauer sind kleine Fernsehsender häufig 65
Siehe zum Prozess der Rundfunkgebührenfestlegung: §1-7 RFinStV.
1. Heterogenität von Fernsehsendern
69
unattraktiver als große. Denn bei Mehrfachausstrahlung einer Werbebotschaft zum Erreichen der gleichen absoluten Zuschauerzahl bei vielen kleinen Fernsehsendern besteht die Gefahr des Doppelkontakts mit gleichen Zuschauern. Drittens liefern die für die Werbefinanzierung in Deutschland maßgeblichen Erhebungen zur Zuschauerzahl eines Programms durch die GfK aufgrund der mangelnden Stichprobengröße keine verlässlichen Daten für kleine Fernsehsender. Wegen des Geschäftsmodells der Werbefinanzierung genießen große Fernsehsender absolute Kostenvorteile, wodurch Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren für neue und kleinere Fernsehsender entstehen. 1.2.
Strategische Gruppen
Die Existenz von Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren belegt, dass der Wettbewerb im Fernsehmarkt nicht vollkommen ist und deshalb heterogene Fernsehsender miteinander konkurrieren. Der durch die Digitalisierung ermöglichte Markteintritt sowohl für Unternehmen aus anderen Industrien wie der Telekommunikation oder aus anderen Wertschöpfungsstufen der Fernsehindustrie wie der Distribution als auch von neu gegründeten Unternehmen verstärkt potenziell diese Heterogenität. Aufgrund von Mobilitätsbarrieren und unterschiedlichen Ressourcenund Fähigkeitenausstattungen ergreifen diese Fernsehsender andere Strategien, weshalb die Heterogenität zwischen diesen und den etablierten, aber auch zwischen den etablierten Fernsehsendern selbst variiert, was auf die Existenz von strategischen Gruppen schließen lässt (vgl. Caves 1984, S. 129; R.R. Nelson 1991, S. 62). Strategische Gruppen segmentieren einen Markt anhand von Merkmalen wie Diversifikations- oder Integrationsgrad, Markenausprägung, Marktbreite und geographische Tätigkeit und ordnen diejenigen Unternehmen einer Gruppe zu, die relativ ähnliche Strategien verfolgen (vgl. Caves/Porter 1977, S. 249-252; siehe auch Caves/Ghemawat 1992). Die in einem Markt existierenden, durch Heterogenität begründeten Rentendifferenzen können zum Teil auf die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einer bestimmten strategischen Gruppe zurückgeführt werden (vgl. Rumelt 1991, S. 178f.; Hoopes et al. 2003, S. 890). Zwischen Unternehmen einer strategischen Gruppe herrschen Interdependenzen, so dass diese ähnlich auf Umwelteinflüsse reagieren, wodurch Wettbewerbsvorteile einer strategischen Gruppe nachhaltig bestehen (vgl. Cool/Schendel 1988, S. 208). So kann eine strategische Gruppe durch ihr Verhalten die Abschottung einzelner Teilmärkte betreiben. Bei Konsumgütermärkten kann häufig eine strategische Gruppe mit wenigen großen Unternehmen identifiziert werden, deren Mitglieder komplette Marktabdeckung betreiben, während andere strategische Gruppen mit vielen kleinen
70
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Unternehmen andere Produktstrategien verwenden oder lediglich einzelne Teilmärkte bedienen (vgl. Caves/Porter 1977, S. 257). Die Duplikationsgefahr erfolgreicher Strategien ist durch Unternehmen der gleichen strategischen Gruppe größer, da diese potenziell ähnlichere Ressourcen- und Fähigkeitenausstattungen besitzen als Unternehmen in anderen strategischen Gruppen. Um strategische Gruppen des Fernsehmarktes identifizieren und anschließend deutsche Fernsehsender zuordnen zu können, wird die Gesamtheit der Strategiealternativen durch eine am Idealtypus orientierte Typologie im Sinne von Weber (1992, S. 234) durchgeführt. Anders als bei Taxonomien werden durch analytischkonzeptionelle Überlegungen relevante Variablen ausgewählt, um fernsehmarktspezifische Strategietypologien abzuleiten (vgl. Wolf 2000, S. 27). Dadurch wird der Kritikpunkt von Ketchen jr./Thomas/Snow (1993, S. 1281) überwunden, nach dem Typologien häufig zu allgemein gehalten sind. Die Vorteile von Typologien gegenüber Taxonomien bestehen in geringerer Komplexität, höherer Prognosequalität und nachvollziehbarer Modellierung der Realität (vgl. Schwarz 2004, S. 182f.).66 In erster Instanz muss ein Fernsehsender einerseits seine Produktbreite festlegen, d.h. wie viele Programme er anbietet. Dabei besteht die hauptsächliche Unterscheidung in Fernsehsender, die lediglich ein Programm ausstrahlen, und Fernsehsenderfamilien, die mehr als ein Programm ausstrahlen. Mit steigendem horizontalen Diversifikationsgrad steigt die Produktbreite eines Fernsehsenders an. Andererseits muss ein Fernsehsender bestimmen, welche Marktsegmente – gemessen an der Anzahl der ausgestrahlten Programmkategorien – er mit seinen Programmen bedient und welche Marktbreite er somit erreicht. Die anhand von Produkt- und Marktbreite entstehenden sechs strategischen Gruppen des Fernsehmarktes sowie eine beispielhafte Zuordnung von in Deutschland tätigen Fernsehsendern sind in Abb. IV.1. dargestellt.
66
Siehe zum Unterschied zwischen Typologie und Taxonomie: Meyer/Tsui/Hinings (1993, S. 11821184); Ketchen jr. et al. (1993); Wolf (2000, S. 27-39); Schwarz (2004, S. 180-183).
1. Heterogenität von Fernsehsendern
Abb. IV.1.:
Strategische Gruppen des Fernsehmarktes
n=N
Marktbreite n
71
Vollständiger Fernsehsender
Vollständige Fernsehsenderfamilie
Bsp.: Tele 5
Bsp.: RTL Group
Selektiver Fernsehsender
Selektive Fernsehsenderfamilie
Bsp.: Das Vierte
Bsp.: Sky
Singulärer Fernsehsender
Singuläre Fernsehsenderfamilie
Bsp.: Sport1
Bsp.: MTV
i=1
i2
2n
n=1
Produktbreite i
Quelle: Eigene Darstellung.
In zweiter Instanz wählt ein Fernsehsender nach Positionierung in einer strategischen Gruppe einerseits das Geschäftsmodell aus, mit welchem er pro ausgestrahltem Programm Umsätze erzielen möchte. Andererseits sind die geographischen Märkte seiner Geschäftstätigkeit auszuwählen. In dritter Instanz bestehen weitere, über den Fernsehmarkt hinausgehende Strategiealternativen. Zum einen umfassen diese die Ausweitung der Geschäftstätigkeit in vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen durch vertikale Diversifikation. Auf der anderen Seite kann ein Fernsehsender durch laterale Diversifikation in andere, vom Fernsehmarkt losgelöste mediale oder non-mediale Märkte eintreten. Die Konzepte der Marktzutrittsschranken, Mobilitätsbarrieren und strategischen Gruppen sind alleine nicht in der Lage, supranormale Renten innerhalb eines Marktes vollständig zu erklären. Außerdem führt die Digitalisierung zum vollständigen oder zumindest teilweisen Erodieren von Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren. Deshalb sind es zunehmend die individuellen Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens, die über Aufbau, Nachhaltigkeit und Nutzung ökonomischer Renten entscheiden. Es ist Aufgabe des strategischen Managements, dass ein etablierter Fernsehsender über erfolgskritische Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, diese durch Isolationsmechanismen vor Duplizieren schützt und darauf aufbauend geeignete Strategien ergreift.
72
2.
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Supranormales Rentenpotenzial von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender
Ziel dieses Unterkapitels ist es, ausgewählte Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender mittels des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells im Hinblick auf die Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile sowie auf deren Stärke des supranormalen Rentenpotenzials im digitalen Zeitalter zu analysieren. Da es nicht möglich ist, ex ante eine eindeutige Liste aller erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten zu erstellen, erhebt die vorliegende Arbeit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Deshalb wird eine möglichst umfangreiche Liste potenziell erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten berücksichtigt, wobei durch Plausibilitätsüberlegungen nicht-erfolgskritische ausgeschlossen wurden (siehe Dierickx/Cool 1989a, S. 1508f.).67 Bei der Auswahl orientiert sich die vorliegende Arbeit sowohl an allgemeinen als auch an für den Fernsehmarkt spezifischen Aufzählungen potenziell erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten (siehe u.a. Chamberlin 1965, S. 56; Andrews 1971, S. 91-94; Itami/Roehl 1987, S. 18-21; Schoemaker/Amit 1994, S. 7; Mahoney 1995, S. 94; Habann 1999, S. 138-148; Landers/Chan-Olmsted 2004, S. 9f.).68 Die für die Analyse ausgewählten 13 Ressourcen und Fähigkeiten finden sich übersichtsartig in Tab. IV.1. wieder.69 Tab. IV.1.:
Zu untersuchende Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender
Ressourcen Wirtschaftsstandort Informations- und Kommunikationstechnologie Kapitalausstattung Reputation Marke Senderechte Kundenbeziehungen
Fähigkeiten Managementfähigkeiten Kreative Talente Lernfähigkeit Produktentwicklungsfähigkeit Netzwerkfähigkeit Strategische Flexibilität
Quelle: Eigene Darstellung.
67
68
69
Die folgenden Argumentationen gelten primär für privatwirtschaftliche Fernsehsender, sind aber – durch geringe Anpassungen – auf öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten übertragbar. Eine erste, für den Medienbereich maßgeblich relevante Kategorisierung im Sinne des RBV stammt von Miller/Shamsie (1996), welche bei Hollywood-Filmstudios zwischen eigentums- und wissensbasierten Ressourcen unterscheiden. Siehe zum Prozess der Auswahl potenziell erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten: Wernerfelt (1989). Weitere Ressourcen und Fähigkeiten können ebenfalls mittels des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells analysiert werden.
2. Supranormales Rentenpotenzial von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender
2.1.
73
Ressourcen
2.1.1. Wirtschaftsstandort Der Wirtschaftsstandort ist der geographische Ort der Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens, der sich als ein Bündel von Standortfaktoren darstellt. Diese umfassen vor allem die ökonomischen, politischen, infrastrukturellen, ökologischen, sozialen und kulturellen Bedingungen und unterliegen dynamischen Veränderungen. Deshalb sind Wirtschaftsstandorte heterogen, d.h. sie divergieren hinsichtlich der Industriedichte, der Funktionalität, dem hoheitsrechtlichen Status und weiteren relevanten Bedingungen wie der Lebensqualität oder dem Grad an Bildungs- und Forschungsaktivitäten. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftstandorts wird neben den Ausprägungen dieser Faktoren insbesondere durch Ansiedlung verwandter und unterstützender Industrien sowie die verwaltende Instanz bestimmt. Siedeln sich sowohl verschiedene Unternehmen der gleichen oder von verwandten Industrien als auch andere Organisationen mit spezifischer Industrieausrichtung an einem geographischen Ort an, entstehen Cluster. Das Konzept der Cluster geht zurück auf Porter (1990) und Krugman (1991) und betont die erwachsenden spezifischen Konfigurationen von Standortfaktoren. Cluster wie das Silicon Valley bestehen neben den industriespezifischen Unternehmen aus Unternehmen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufe, Anbietern komplementärer Produkte und von Produkten mit gleichen oder ähnlichen Ressourcen- und Fähigkeitenanforderungen sowie speziell auf die Industrie ausgerichteten Institutionen wie Universitäten, Forschungsinstitutionen, Standortagenturen und Regierungen. In der Kreativwirtschaft entstehen Cluster insbesondere aufgrund des Projektcharakters der Produktion, wodurch häufig externe Ressourcen und Fähigkeiten beschafft werden müssen und die Zusammenarbeit vieler verschiedener Unternehmen und Institutionen notwendig bzw. sinnvoll ist. Mediencluster umfassen typischerweise Theater-, Musik-, Spiele-, Film-, Fernseh- und Radioproduktion, das Druck-, Verlagsund Internetwesen, Designagenturen, Werbegestaltung und werbetreibende Unternehmen (vgl. Picard 2008, S. 4). Neben internationalen Medienclustern wie Hollywood existieren auch in Deutschland diverse Mediencluster, insbesondere in den Städten Berlin, Hamburg, Köln und München (vgl. Formatt-Institut 2007, S. 101-169). Während Köln als wichtigster Cluster bzgl. der Fernsehproduktion gilt, steht die Stadt hinsichtlich der Filmproduktion hinter Berlin und München zurück, was auf spezifische Unterschiede der Wirtschaftsstandorte hindeutet (vgl. Formatt-Institut 2007, S. 101-187). Aufgrund unterschiedlicher Ausprägungen der Mediencluster besitzen diese eine hohe Vielfalt und divergieren anhand von Intensität und Dichte (vgl. Picard
74
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
2008, S. 7f.). Deshalb kann die in der Vergangenheit getroffene Standortentscheidung bzgl. der Ansiedlung in einem bestimmten Mediencluster Vor- und Nachteile gegenüber in anderen Medienclustern angesiedelten Fernsehsendern bedeuten. Aus der Zugehörigkeit zu einem Mediencluster entspringt allerdings nur dann ein potenzieller Wettbewerbsvorteil für einen Fernsehsender, wenn daraus erwachsende Leistungen direkt oder indirekt vom Werbe- oder Zuschauermarkt wertgeschätzt werden. Vorteile aus der Zugehörigkeit zu einem Cluster resultieren vor allem aus besserem Humanressourcenzugang, erleichterten Kooperationen und besseren Informationsflüssen durch soziale Netzwerke sowie speziellen Infrastrukturen und Institutionen (vgl. Porter 1998, S. 81-83). Der erste aus der Zugehörigkeit zu einem Mediencluster erwachsende Vorteil ist die soziale Einbettung (social embeddedness) des Humanressourcenpools (vgl. Granovetter 1985). In der Kreativwirtschaft spielen für Mitarbeiter – vor allem für kreative Talente – allgemeine Lebensqualität und Möglichkeiten zur freien Entfaltung eine entscheidende Rolle bei der Orts- bzw. Arbeitgeberwahl. Durch Ansammlung verschiedener Medienunternehmen an einem geographischen Ort entstehen bspw. in der Freizeitgestaltung oder Berufsweiterbildung spezielle, auf Mitarbeiter von Medienunternehmen spezialisierte Angebote (vgl. Florida 2002, S. 220-234). Dadurch können sowohl die Qualität der Humanressourcen als auch die aufzuwendenden Such- und Transaktionskosten zwischen Medienclustern divergieren und sind Wirtschaftsstandorten ohne Mediencluster in der Regel überlegen. Bestehende Unterschiede müssen Fernsehsender durch monetäre oder nicht-monetäre Anreize kompensieren, was potenziell zu Nachteilen auf dem Werbe- und Zuschauermarkt führt. Mediencluster ermöglichen über die Arbeitsstätte hinausgehende soziale Interaktionen, welche die für die Kreativwirtschaft typischen Kooperationen zwischen Unternehmen und Institutionen erleichtern. Denn das entstehende Vertrauen zwischen Individuen innerhalb eines Medienclusters erleichtert Aufbau und Erhalt von für Kooperationen notwendigem Sozialkapital (vgl. Inkpen/Tsang 2005, S. 160). Mediencluster ermöglichen durch die Verfügbarkeit externer Ressourcen und Fähigkeiten Flexibilität in der Produktion, so dass ein Fernsehsender von besserem Zugang zu spezialisierten Unternehmen der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe, geringeren Transaktionskosten, Umgehung wettbewerbsrechtlich bedenklicher Kartelllösungen und Nutzung Kosten effektiverer Anbieter profitiert. Gleichzeitig können durch Kooperationen mit Anbietern komplementärer Produkte bspw. innovative crossmediale Werbeangebote oder Inhalte entwickelt werden, wodurch ein Fernsehsender Konkurrenten in anderen oder außerhalb von Medienclustern überlegen ist. Neben
2. Supranormales Rentenpotenzial von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender
75
verbesserten Kooperationsbedingungen ermöglicht soziale Interaktion die erleichterte Nutzung dezentraler Wissensquellen und somit einen schnelleren Informationsfluss (vgl. Uzzi 1996, S. 678), damit Fernsehsender kontinuierlich auf sich verändernde Rahmenbedingungen des Marktes reagieren können. Bessere Informationen über vorhandene Technologien und Markttrends sowie das Aufzeigen nicht bedienter Nachfragen steigern die Innovationsfähigkeit von Fernsehsendern. Bei der Produktentwicklung können auf diese Weise alle relevanten Perspektiven besser berücksichtigt werden, es entstehen geringere Versuchskosten und irreversible Investitionen können zeitlich verzögert werden (vgl. Krugman 1991, S. 70; Porter 1998, S. 83). Häufig bieten Cluster Infrastrukturen und Institutionen, die speziell auf die ansässige Industrie zugeschnitten sind (vgl. Mossig 2004, S. 156). So entstehen in Medienclustern – u.a. durch politische Initiativen – Hochschulen mit speziell auf Medienmärkte ausgerichteten Studiengängen und Forschungseinrichtungen (vgl. Picard 2008, S. 2). Fernsehsender profitieren neben spezifisch ausgebildeten Humanressourcen von Kooperationen und Ergebnissen in Forschung und Entwicklung in Form von innovativen Geschäftsmodellen und Technologien. Da in der Kreativwirtschaft insbesondere Kooperationen mit vielen kleinen und neu gegründeten Unternehmen Relevanz besitzen, werden diese durch Unternehmensgründerzentren und Risikokapitalgeber unterstützt. Des Weiteren bieten Mediencluster einen bereits mit der Industrie vertrauten Kapitalmarkt (vgl. Porter 1998, S. 84). So akzeptiert die Stadtsparkasse Köln standardmäßig immaterielle Ressourcen wie Senderechte und -zulassungen als Sicherheiten für die Fremdkapitalvergabe (vgl. Mossig 2004, S. 162). Da ein Wirtschaftsstandort veräußerbar ist bzw. auch in der Nähe befindliche Liegenschaften die Zugehörigkeit zu einem Mediencluster ermöglichen, gilt der Handel mit der Ressource Wirtschaftsstandort als gegeben. Das aus der Werthaltigkeit erwachsende Potenzial kann demnach nur in einen vorliegenden Wettbewerbsvorteil umgewandelt werden, wenn zwischen Unternehmen Heterogenität der Erwartungswertbildung oder Heterogenität der Erwartungswerte von Wirtschaftsstandorten vorliegt. Die Erwartungswertbildung ist entscheidend durch asymmetrische Informationen geprägt. Während bereits angesiedelte Fernsehsender den wahren Wert ihres Wirtschaftsstandorts besser abschätzen können, verfügen Marktneulinge oder an einem anderen Wirtschaftsstandort angesiedelte Fernsehsender über schlechtere Informationen bzgl. des wahren Werts des Wirtschaftsstandorts. Denn etablierte Fernsehsender wissen besser, wie die einen Mediencluster bestimmenden Standort-
76
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
faktoren miteinander interagieren und wie sie selbst davon am besten profitieren können. Die Handelbarkeit der Ressource Wirtschaftsstandort ist auch durch heterogene Erwartungswerte sowohl zwischen etablierten und neuen als auch zwischen großen und kleinen Fernsehsendern eingeschränkt. Weil sich verschiedene Regionen in einem intensiven globalen Wirtschaftsstandortwettbewerb mit spezifischen Standortprofilen befinden (vgl. Balderjahn 2000, S. 4), profitieren einzelne Regionen bei der Herausbildung eines Medienclusters insbesondere von sich früh ansiedelnden und großen Unternehmen. Da in der Kreativwirtschaft aufgrund kultureller Zielvorgaben viele Regionen den Aufbau lokaler Industrien bewusst planen bzw. geplant haben (vgl. Picard 2008, S. 27), ist und war es für sich ansiedelnde Fernsehsender in dieser Investitionsphase in erhöhtem Maße möglich, direkt von staatlichen Zuwendungen oder indirekt von Infrastrukturmaßnahmen zu profitieren. So werden bei Errichtung eines Medienclusters die Gebäude auf die spezifischen Bedürfnisse eines Fernsehsenders ausgerichtet, während für nachfolgende Unternehmen Knappheit an Gebäuden entsteht und somit für diese ein absoluter Kostennachteil erwächst. Ein erster sich an einem Wirtschaftsstandort ansiedelnder bedeutender Fernsehsender stellt den Schlüssel zum Aufbau eines Medienclusters dar, weil dadurch die Reputation des Medienclusters besonders stark verbessert wird und andere Unternehmen der Fernsehindustrie angezogen werden. Dies führt zu mehr Arbeitsplätzen und einem höheren Lohnniveau innerhalb des Wirtschaftsstandorts sowie erhöhten Steuereinnahmen für die verwaltende Instanz, was auf Externalitäten der Geschäftstätigkeit von Fernsehsendern schließen lässt. Von abnehmendem Grenznutzen dieser Externalitäten der Geschäftstätigkeit ausgehend besitzt ein Pionier eine größere Verhandlungsmacht gegenüber der verwaltenden Instanz des Medienclusters als nachfolgende Unternehmen. Deshalb kann ein sich frühzeitig ansiedelnder Fernsehsender z.B. Liegenschaften unterhalb des wettbewerblichen Niveaus oder positionale Werbemöglichkeiten wie den Namen der örtlichen Veranstaltungshalle erwerben. RTL war es durch die Ansiedlung des Hauptstandorts in Köln im Jahre 1988 möglich, der Stadt erhebliche Vorteilsgewährungen abzuverlangen (vgl. Mossig 2004, S. 161). Da die Externalitäten auch auf die Grundstückspreise innerhalb eines Medienclusters wirken, ist die Ansiedelung in einem bereits bestehenden und erfolgreichen Medienstandort für nachfolgende Fernsehsender teurer und der wahre Erwartungswert fällt zwischen Pionieren und nachfolgenden Unternehmen auseinander. Neben diesen auf Externalitäten beruhenden Vorteilen divergiert der wahre Erwartungswert zwischen sich früh und sich
2. Supranormales Rentenpotenzial von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender
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spät ansiedelnden Fernsehsendern, da Wirtschaftsstandortentscheidungen in hohem Maße versunkene Kosten beinhalten. Der wahre Wert eines Wirtschaftsstandorts divergiert auch zwischen großen und kleinen Fernsehsendern, da sich die Höhe der Externalitäten ihrer Geschäftstätigkeit unterscheiden. Große Fernsehsender schaffen mehr Arbeitsplätze, leisten aufgrund ihrer auf das Mediencluster abfärbenden positiven Anziehungskraft auf andere Unternehmen und Humanressourcen einen größeren Beitrag zur Reputation des Medienclusters und ermöglichen mehr Interaktionsmöglichkeiten für andere Unternehmen. Im globalen Wirtschaftsstandortwettbewerb können große Fernsehsender deshalb durch Abwanderungsdrohungen diese Externalitäten besser internalisieren, indem sie in Verhandlungen direkte monetäre Zuwendungen erwirken oder indirekt die Medienclusterentwicklungspolitik zu ihren Gunsten beeinflussen. Neben diesen auf Externalitäten beruhenden Vorteilen können große Unternehmen im Gegensatz zu kleinen ihre Wirtschaftsstandorte strategisch aufteilen und somit den über die verschiedenen Wirtschaftsstandorte kumulierten wahren Erwartungswert gegenüber dem Erwartungswert eines einzelnen Wirtschaftsstandort erhöhen. Somit ist die Handelbarkeit des Wirtschaftsstandorts eingeschränkt und ein etablierter Fernsehsender kann durch diese Ressource Schumpeter-Renten generieren. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Nachhaltigkeit des daraus entstehenden Wettbewerbsvorteils und somit, ob ein Wirtschaftsstandort nicht-imitierbar bzw. -substituierbar ist. Imitation ist gegeben, falls sich Konkurrenten am gleichen Wirtschaftsstandort ansiedeln können und daraus die gleichen Vorteile ziehen wie der bereits etablierte Fernsehsender. Substitution liegt vor, falls Konkurrenten unabhängig von ihrem Wirtschaftsstandort bspw. durch Ansiedlung in einem anderen Mediencluster die gleichen Vorteile ziehen können, welche dem etablierten Fernsehsender aus dessen Wirtschaftsstandort erwachsen. Mediencluster bringen neben spezifischen Infrastrukturen und Institutionen einen besseren Humanressourcenzugang und im Zeitablauf durch Interaktionen verschiedener Unternehmen und Institutionen erleichterte Kooperationsformen und bessere Informationsflüsse mit sich. Die rein geographische Zugehörigkeit bringt einem Fernsehsender jedoch nicht die Nutzung der aus einem Mediencluster erwachsenden Vorteile ein. Vielmehr basieren die stattfindenden kooperativen Prozesse auf in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen bzgl. der Fähigkeiten der Partner und die mit der sozialen Interaktion eines Medienclusters einhergehende Wissensteilung auf in der Vergangenheit aufgebautem Vertrauen. Beide Vorteile lassen auf erhebliche Pfadabhängigkeiten schließen, weshalb jüngere Fernsehsender systematisch gegenüber etablierten Fernsehsendern benachteiligt sind. Denn es bedarf der
78
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Entwicklung eines Sinns für gemeinsame Interessen innerhalb des Medienclusters und des Aufbaus persönlicher Kontakte. Deshalb ist die Erlangung der Medienclustermitgliedschaft für neue Fernsehsender sehr zeitintensiv (vgl. Porter 1998, S. 88) und die sozialen und kooperativen Interaktionen unterliegen Ineffizienzen der Zeitkompression. Aufgrund von Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression schützen temporale Isolationsmechanismen den Wirtschaftsstandort vor Duplikation. Neben Pfadabhängigkeiten bergen soziale Interaktionen und kooperative Prozesse innerhalb eines Medienclusters soziale Komplexität in sich. Wissen innerhalb eines Medienclusters diffundiert innerhalb von sozialen Netzwerken, welche durch informelle, häufig in der Freizeit der Mitarbeiter stattfindende Aktivitäten geprägt sind und ggf. nach einem Mentalitätswechsel der Mitarbeiter verlangen. Auch wenn diese Prozesse als Grund für die Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils identifiziert werden können, ist die für die Duplikation notwendige Kausalitätsbestimmung aufgrund von Multivariabilität komplexer sozialer Beziehungen nicht möglich. Der Projektcharakter der Medienproduktion, der bei Film- und Fernsehproduktionen bis zu 40 Unternehmen umfassende kooperative Prozesse bedeutet, verursacht kausale Vieldeutigkeit. Neben den aus Informationsflüssen und Kooperationen entspringenden Nachhaltigkeitseffekten sind es auch die spezifisch ausgebildeten Humanressourcen, der frühzeitige Zugang zu innovativen Technologien, maßgeschneiderte Infrastrukturen und industriespezifische Kapitalmarktbedingungen, welche durch ihr Zusammenspiel kausale Vieldeutigkeit erzeugen. Außerhalb eines Medienclusters ist nur schwer zu beurteilen, welche Kausalitäten zwischen den verschiedenen einen Mediencluster bestimmenden Standortfaktoren und dem Wettbewerbsvorteil eines etablierten Fernsehsenders bestehen. Aufgrund kausaler Vieldeutigkeit und sozialer Komplexität gelten somit kognitive Isolationsmechanismen als gegeben. Neben temporalen und kognitiven Isolationsmechanismen entstehen durch Kooperationen mit werbetreibenden Unternehmen Strukturen, welche als Isolationsmechanismen das Duplizieren der aus einem Wirtschaftsstandort erwachsenden Wettbewerbsvorteile auf der Nachfrageseite erschweren. Ausgehend von langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen den in einem Mediencluster angesiedelten Fernsehsendern und werbetreibenden Unternehmen generiert der Werbemarkt Lerneffekte in Bezug auf die Verlässlichkeit eines Fernsehsenders, bspw. mit einem gewissen Sendeinhalt bestimmte Zielgruppen in einer anvisierten Quantität zu erreichen. Es können langfristige Verträge abgeschlossen werden, um über Lerneffekte hinaus die Wechselkosten werbetreibender Unternehmen zu erhöhen. Dadurch entstehen Unabänderlichkeiten im Verhalten werbetreibender Unternehmen, welche zu Verhar-
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rungstendenzen und systematischen Vorteilen für etablierte Fernsehsender führen. Außerdem können Fernsehsender im Sinne von Netzwerkbeziehungseffekten durch intermediale Kooperationen innerhalb eines Medienclusters einzigartige Werbemöglichkeiten anbieten oder durch Produktionskooperationen innovative Sendeinhalte hervorbringen. Da Kooperationen von starken Erfahrungseffekten geprägt sind, entstehen dadurch angebotsseitig Isolationsmechanismen. Aufgrund von Lerneffekten und Konsumententreue auf der Nachfrageseite sowie Erfahrungseffekten und Netzwerkbeziehungseffekten auf der Angebotsseite wirken strukturelle Isolationsmechanismen zum Schutz des aus dem Wirtschaftsstandort entstehenden Wettbewerbsvorteils. Der Wirtschaftsstandort als Ressource etablierter Fernsehsender kann somit deren Effizienz und Effektivität erhöhen.70 Insbesondere große und früh in einem Mediencluster angesiedelte Fernsehsender können dadurch einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil im digitalen Zeitalter erlangen. Das supranormale Rentenpotenzial setzt sich aus Schumpeter- und Ricardo-Renten zusammen, wobei dessen Stärke als gering einzuschätzen ist. Das Ergebnis soll allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die einen Wettbewerbsvorteil nachhaltig erhaltenden Isolationsmechanismen auch zu einem Nachteil etablierter Fernsehsender werden können. Kooperationen innerhalb eines Wirtschaftsstandorts, die auf in der Vergangenheit aufgebautem Vertrauen basieren, stellen bspw. eine Gefahr des Verharrens dar, weil dadurch innovative Lösungsansätze durch Kooperationen mit anderen Partnern systematisch ausgeschlossen werden. Durch Kooperationen können Wissensbestände eines etablierten Fernsehsenders nach außen gelangen und somit Konkurrenten zugänglich gemacht werden. Außerdem können Fernsehsender durch die Globalisierung Produktionsfaktoren weltweit beschaffen und Lohnunterschiede durch geographische Diversifikation nutzen, wodurch die Nachteile eines Wirtschaftsstandorts bewältigt werden können (vgl. Porter 1994, S. 36). Der Wirtschaftsstandort kann demnach nur einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil einbringen, wenn er die Zugehörigkeit zu einem Mediencluster ermöglicht. Daran anknüpfend ist allerdings die Kombination mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten wie insbesondere Lern- und Netzwerkfähigkeit von besonderer Relevanz. Denn durch enge Netzwerke bspw. zu verwaltenden Institutionen kann die Ausweitung bestehender Mediencluster beschränkt werden und die Förderung bereits angesiedelter Unternehmen forciert werden. Durch Lernfähigkeit eines Fernsehsenders kann
70
Siehe zu dieser Analyse auch: Radtke (2009).
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IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
der zum Nachteil reichende Wissensabfluss innerhalb von Kooperationen vermieden werden. 2.1.2. Informations- und Kommunikationstechnologie Der große Datenumfang der Geschäftstätigkeit und das Streben nach effizienten Arbeitsabläufen sind bei Fernsehsendern mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) verbunden. Diese umfasst die Informations- und Datenverarbeitung sowie die dafür notwendige Hard- und Software. Obwohl mittlerweile für industrieunabhängige Anwendungen wie Datenbanken, Rechungswesen sowie Text- und Präsentationstechniken Standardsoftwarelösungen existieren, unterliegt IKT einer besonderen Innovationsdynamik. Deshalb wird dem effizienten IKT-Einsatz das Potenzial zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zugeschrieben (vgl. Schoemaker/Amit 1994, S. 7; Landers/Chan-Olmsted 2004, S. 9f.). In den Bereichen Programmbestandsverwaltung, Programm- und Sendeablaufplanung sowie Werbezeiten- und Motivdisposition existieren allerdings eigens für Fernsehsender konzipierte integrierte IKT-Lösungen.71 Auch wenn diese teilweise mit proprietären Merkmalen versehen sind, setzt aufgrund präzise beschreibbarer Anforderungen und Bedürfnisse seitens der Fernsehsender zunehmend Standardisierung ein. Dies drückt sich zusätzlich darin aus, dass Fernsehsender IKTLösungen an Konkurrenten verkaufen und sich in intensivem Datenaustausch mit werbetreibenden Unternehmen und Forschungsinstitutionen befinden (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 360-362). Durch den Einsatz von IKT können Werbe- und Zuschauermarkt sowohl direkt als auch indirekt profitieren. Bei der Werbezeitenbuchung profitieren werbetreibende 71
Programmbestandsverwaltung umfasst alle Senderechte sowie Eigenproduktionen eines Fernsehsenders und dient neben der Vertrags- und Materialverwaltung hauptsächlich als buchhalterische und redaktionelle Datenbank. Die Programm- und Sendeablaufplanung gliedert sich in zwei Hauptteile. Zum einen umfasst sie die lang- und mittelfristige Programmplanung, in der das zunächst abstrakt gehaltene Programmschema stufenweise konkretisiert wird. Hierbei werden mögliche Varianten auf rechtliche und finanzielle Zulässigkeit geprüft und frühzeitig werbetreibende Unternehmen mit relevanten Informationen versorgt. Zum anderen werden im Langablauf sowohl die genauen Programm- und Werbelängen als auch die Anfangszeiten von Programminhalten festgelegt und Anpassungen von Längen und Anfangszeiten vorgenommen. In der Sende- und Kurzablaufplanung werden Programminhalte in Segmente und Werbeblöcke in Werbespots gegliedert sowie reservierte Zeiten mit spezifischen Promotionevents versehen. Die Werbezeiten- und Motivdisposition reicht von der Jahresplanung über die Massenumplatzierung und Optimierung durch Agenturen bis hin zur Ausgestaltung abstrakter Werbebuchungen mit ausgewählten Werbespots. Dabei erreicht der Datenumfang einen hohen Komplexitätsgrad, da pro Fernsehsender weit über 100.000 Buchungen jährlich zu verwalten sind sowie pro Werbebuchung viele Angaben wie Rabatte oder das gewünschte Programmumfeld erfasst und berücksichtigt werden müssen. Die anschließende Verbuchung und Rechnungsstellung ist mit der Deckungsbeitragsberechnung gekoppelt (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 362-367).
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Unternehmen durch elektronische Schnittstellen mit Fernsehsendern von verminderten Transaktionskosten und geringerem Personaleinsatz. Der IKT-Einsatz ermöglicht eine effizientere Werbewirkung, indem die gebuchten Werbezeiten bspw. durch auf Erfahrungen basierende Algorithmen optimiert und Fehler vermieden werden. Analog können Zuschauer gegenüber telefonischen oder persönlichen Bestellprozessen bei der Abonnementverwaltung bspw. über das Internet Kosten- sowie Zeiteinsparungen generieren und gleichzeitig die Auswahl von zu buchenden Programmen oder einzelnen Programminhalten optimieren. Neben diesen direkten Effekten profitieren die beiden Konsumentengruppen von der internen Prozessoptimierung eines Fernsehsenders. Durch den Einsatz von IKT können sowohl die Kommunikationsstrukturen verbessert als auch bisher aufwendige Verfahren automatisiert werden. Gleichzeitig erlaubt sie Bürokratieabbau und schnellere Transaktionen innerhalb eines Fernsehsenders. IKT ermöglicht einem Fernsehsender somit ein effizienteres Arbeiten, wodurch bspw. Servicepersonal bei Werbezeitenbuchung und Abonnementverwaltung eingespart wird. Damit ist Werthaltigkeit und somit das Potenzial zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch IKT bei Fernsehsendern gegeben. Das Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils mittels IKT kann allerdings nicht durch Nicht-Handelbarkeit der Ressource erzielt werden. Denn mittlerweile existieren Unternehmen wie Solutions for Media, die sich auf das Anbieten von standardisierten IKT-Lösungen für das Betreiben eines Fernsehsenders spezialisiert haben (siehe Solutions for Media 2008). Unter Einsatz solcher IKT-Systeme lassen sich die Aufgaben eines Fernsehsenders vollständig und unter geringem Personalaufwand organisieren, weshalb eigens für Fernsehsender konzipierte IKT grundsätzlich erworben werden kann. Da diese Software zu Marktpreisen erhältlich ist und allgemein eine hohe Transparenz in diesem Bereich gegeben ist, kann ein Wettbewerbsvorteil auch nicht mittels eingeschränkter Handelbarkeit aufgrund heterogener Erwartungswertbildung argumentiert werden. Allerdings kann Heterogenität der Erwartungswerte vorliegen, falls Fernsehsender mit unterschiedlichen Startvoraussetzungen antreten, die den effizienten Einsatz standardisierter IKT beeinflussen. Denn alte IKT-Systeme können insbesondere bei Marktausweitungen die Effizienz- und Effektivitätsgewinne neuer komplementärer Systeme schmälern, wenn die alten Systeme nicht den neuen Ansprüchen genügen, zwischen den beiden Systemen aber Stimmigkeit herrschen muss (vgl. LeonardBarton 1992, S. 119; Reddy 2006, S. 20). Bei etablierten und neu gegründeten Fernsehsendern ist von solchen die Erzeugung von Komplementaritäten verhindernden alten IKT-Systemen nicht auszugehen. Allerdings können diese bei diversifizierenden Unternehmen aus anderen Wertschöpfungsstufen der Fernsehindustrie oder
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anderen Industrien vorliegen, die dem Fernsehmarkt fremde IKT-Lösungen miteinbringen. So wird bspw. bei einem Breitbandkabelnetzbetreiber die Effizienz aus der Abonnementverwaltung durch standardisierte IKT-Lösungen und somit dessen Erwartungswert verringert, falls die standardisierte IKT-Lösung mit der bisher eingesetzten IKT zur Kundenbestandsverwaltung inkompatibel ist und die für Fernsehsender konzipierte IKT-Lösung nicht die Ansprüche von Breitbandkabelnetzbetreibern erfüllt. Andererseits divergieren Erwartungswerte des IKT-Einsatzes mit unterschiedlichen Unternehmensgrößen der Fernsehsender. IKT verursacht typischerweise in der Anschaffungs- und Investitionsphase hohe Fixkosten, welche von abnehmenden Grenzkosten bzgl. der Unternehmensgröße gekennzeichnet sind. Das bedeutet, dass ein Fernsehsender unabhängig von seiner Produktbreite für das erste Programm relativ hohe IKT-Anschaffungs- und Investitionskosten aufbringen muss. Die Kosten zur Ausweitung der IKT auf das zweite und alle weiteren Programme fallen aber deutlich geringer aus. Somit generiert eine Fernsehsenderfamilie Verbundeffekte, indem sie die Werbezeiten- und Abonnementsysteme für alle Programme einsetzen kann. Da somit ein Wettbewerbsvorteil aufgrund von IKT vorliegen kann, stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit. Da standardisierte IKT-Lösungen erworben werden können, sind weder Pfadabhängigkeiten noch Ineffizienzen der Zeitkompression zu erwarten. Und selbst proprietäre IKT-Systeme können sich durch Arbeitskräftefluss verbreiten, so dass nicht von temporalen Isolationsmechanismen zum Schutz eines Wettbewerbsvorteils auszugehen ist. Im Zeitalter standardisierter IKT-Lösungen und spezialisierter Unternehmen zur Implementierung ist nicht davon auszugehen, dass sowohl bzgl. der Wirkungen aus IKT als auch bzgl. der Art und Weise des IKTEinsatzes kausale Vieldeutigkeit besteht. Dies kann lediglich bei proprietären Systemen der Fall sein, die aber die dargestellten Nachteile gegenüber Standardlösungen aufweisen. Außerdem können proprietäre Systeme durch reverse engineering nachgeahmt werden, was insbesondere durch die zunehmend technische Kommunikation unterstützt wird, welche kodifizierbares IKT-Wissen wie Programmiersprachen oder das Verständnis von Protokollen übertrag- und empfangbar macht (vgl. Mata/Fuerst/Barney 1995, S. 497f.). Somit liegen bei IKT auch keine kognitiven Isolationsmechanismen vor. Strukturelle Isolationsmechanismen auf der Nachfrageseite liegen vor, falls Fernsehsender durch den Einsatz von IKT werbetreibenden Unternehmen oder Zuschauern Wechselkosten auferlegen können. Allerdings sind die spezifischen Lernprozesse sowie die Qualitätsunsicherheit bzgl. der IKT-Systeme in einer zunehmend standar-
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disierten Welt gering. Es ist nicht davon auszugehen, dass entgeltfinanzierte Fernsehsender Zuschauer durch rein technische Wechselkosten binden können, da Zuschauer zunehmend absehen können, dass sie dadurch ausgebeutet bzw. ihnen zumindest Wechselkosten oktroyiert werden sollen (vgl. Mata et al. 1995, S. 489491). Analog ist auch nicht von strukturellen Isolationsmechanismen aufgrund von versunkenen Investitionskosten, Beziehungs- oder Erfahrungseffekten angebotsseitig auszugehen. Allerdings können die Verbundeffekte, welche auch die eingeschränkte Handelbarkeit verursachen, als strukturelle Isolationsmechanismen wirken. Informations- und Kommunikationstechnologie kann etablierten Fernsehsendern somit – abgesehen von Verbundeffekten – keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil einbringen. Das supranormale Rentenpotenzial setzt sich lediglich aus geringen Schumpeter-Renten zusammen. Auch wenn mittels IKT lediglich in geringem Maße supranormale Renten erwirtschaftet werden können, dienen Fehlervermeidung im Umgang mit IKT bspw. durch korrekte Abschreibungen und kontinuierliche Erneuerungen der Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen. Außerdem fließt nur ein geringer Anteil von IKT-Projektkosten in materielle Investitionen (vgl. Reddy 2006, S. 20), weshalb vermutet werden kann, dass IKT durch Verknüpfung mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten eines Fernsehsenders nachhaltige Wettbewerbsvorteile zumindest verstärken kann. Insgesamt kann die Fernsehindustrie aufgrund des hohen Informationsbedarfs vor allem durch die Digitalisierung in besonderer Art und Weise von IKT profitieren. Allerdings gilt der Einsatz von IKT eher als notwendige Voraussetzung für einen Fernsehsender, nicht als Mittel zur Differenzierung innerhalb des Wettbewerbs. Darüber hinaus liegen beim IKT-Einsatz insbesondere für Pioniere negative Wirkungen bzw. Gefahren vor (vgl. Mata et al. 1995, S. 495-497). 2.1.3. Kapitalausstattung Finanzmanagement ist eine der primären Aufgaben des strategischen Managements eines Fernsehsenders und umfasst vor allem das Eigen- und Fremdkapital, welches auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen wird. Da alle Industrien eine nach Marktsegmenten variierende anfängliche Mindestkapitalausstattung bspw. für die Anschaffung von Produktionskapazitäten besitzen, gilt Kapitalausstattung als Basis des Unternehmertums, wobei vor allem auf die mittel- und langfristige Finanzkraft eines Unternehmens abgestellt wird (vgl. Telser 1966, S. 270-276; Hofer/Schendel 1978, S. 145-147). Im Gegensatz zu vielen anderen Ressourcen und Fähigkeiten ist der strategische Faktormarkt durch den Finanzmarkt eindeutig gegeben, welcher sich in Geld-, Kapital- und Kreditmarkt aufteilen lässt. Entsprechend liegt Handelbarkeit der immateriellen Ressource Kapitalausstattung vor, allerdings wird Eigenkapital
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aufgrund von Finanzmarktunvollkommenheiten das Potenzial zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils zugeschrieben (vgl. Buchanan 1950, S. 315; Stigler 1968, S. 114-117). Zuschauer- und Werbemarkt profitieren von der Kapitalausstattung eines Fernsehsenders, weil es diesem grundsätzlich den Fernsehbetrieb ermöglicht, was Zuschauern Bedürfnisbefriedigung und werbetreibenden Unternehmen Werbemöglichkeiten eröffnet. Innovationen bspw. in Form neuer Fernsehsendungen oder personalisierter Werbemöglichkeiten sowie qualitative Verbesserungen wie der Einkauf hochwertiger US-amerikanischer Fernsehserien oder eine effizientere Werbezeitenablaufgestaltung können nur umgesetzt werden, wenn Fernsehsender über die notwendige Kapitalausstattung verfügen. Somit gilt die Voraussetzung der Werthaltigkeit der Kapitalausstattung von Fernsehsendern als erfüllt. Damit alle Investitionsentscheidungen von Fernsehsendern, welche sich unter Bedienung von Kapitalkosten refinanzieren, umgesetzt werden können, bedarf es eines vollkommenen Finanzmarktes. Auf diesem haben Kapitalanbieter und -nachfrager die gleichen Informationen bzgl. der geplanten Investitionsprojekte. Liegen allerdings Informationsasymmetrien zwischen Fernsehsendern und Kapitalgebern vor, kann es zu adverser Selektion und moralischem Risiko in Finanzmärkten kommen. Investitionsentscheidungen von Fernsehsendern unterliegen typischerweise einem hohen Grad kausaler Vieldeutigkeit. Sie erfordern einen hohen Mindestkapitaleinsatz insbesondere für Distribution, Programminhalte, Personal sowie IKT. Gleichzeitig sind diese Kosten versunken, was das Risiko erhöht, und es fallen lange Investitionszeiträume an, um bspw. Konsumkapital bei Zuschauern aufzubauen. Fremdkapitalgeber unterliegen deshalb bei der Beurteilung der Qualität bzw. Kreditwürdigkeit von Fernsehsendern und deren Projekten großen Problemen, weshalb die internen und externen Kosten der Finanzierung auseinander fallen (vgl. Keynes 1936, S. 144f.; Yao 1988, S. 66; Hubbard 1998, S. 194).72 Gleichzeitig ist das Überprüfen eines Fernsehsenders hinsichtlich der Vertragskonformität getätigter Investitionen und dem verantwortungsvollen Umgang mit anvertrautem Kapital besonders schwer, wenn dieses in immaterielle Ressourcen und Fähigkeiten investiert wird (vgl. Grant 1991, S. 119; Hubbard 1998, S. 195-197). Die damit verbundenen Anreizprobleme auf Seiten des Fernsehsenders und die hohen Überprüfungsund Kontrollkosten der Fremdkapitalgeber führen zum weiteren Auseinanderfallen der internen und externen Finanzierungskosten.73 72
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Siehe zu adverser Selektion in Fremdkapitalmärkten: Stiglitz/Weiss (1981). Analog gilt dies auch für Eigenkapitalmärkte (vgl. Myers/Majluf 1984). Siehe zu Prinzipal-Agenten-Problemen in Finanzmärkten: Jensen/Meckling (1976).
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Sind die im Zinssatz eines Fremdkapitalgebers Ausdruck findenden externen Finanzierungskosten für alle Fernsehsender gleich, ist die Handelbarkeit von Fremdkapital nicht eingeschränkt. Allerdings bestimmt die Höhe der Eigenkapitalausstattung Preis und Menge des verfügbaren Fremdkapitals, da sich Fremdkapitalgeber zumindest ab einer gewissen Fremdkapitalhöhe risikoscheu verhalten (vgl. Telser 1966, S. 261; Hubbard 1998, S. 195-198). Denn Eigenkapital hat nicht nur den Vorteil bedingungsloser Verfügbarkeit für einen Fernsehsender, sondern verbessert auch dessen Kreditwürdigkeit. Es fungiert als Sicherheit bzw. Risikopuffer, indem es erste Verluste auffängt, während die Ansprüche von Fremdkapitalgebern bedient werden. Dadurch sinken sowohl deren Risiken als auch deren Zinssätze. Die Eigenkapitalausstattung eines Fernsehsenders wird vor allem durch die in Vorperioden generierten Gewinne bestimmt. In der Vergangenheit konnten etablierte Fernsehsender aufgrund der Oligopolstrukturen Marktmachtrenten generieren, die ihnen im digitalen Zeitalter eine höhere Eigenkapitalausstattung verschaffen, welche neue Fernsehsender nicht auf gleiche Weise erreichen können. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die etablierten Fernsehsender in der Vergangenheit ebenfalls vergünstigt Fremdkapital aufnehmen und somit günstigere Kostenstrukturen erreichen konnten, weil die Möglichkeiten für Fremdkapitalgeber aufgrund der Oligopolstruktur eingeschränkt waren, am wachstumsintensiven Fernsehmarkt zu partizipieren. Neue Fernsehsender stehen dagegen mit etablierten in Konkurrenz um knappes Fremdkapital. Finanzstarke Fernsehsender sind dabei finanzschwachen überlegen, weshalb neue Fernsehsender bei unvollkommenen Finanzmärkten mehr Eigenkapital beim Markteintritt aufweisen müssen als etablierte Fernsehsender dies in der Vergangenheit mussten. Etablierte Fernsehsender können diesen von der Eigenkapitalausstattung ausgehenden Effekt verstärken, indem sie die Marktmachtrenten für interne Kapazitätserweiterungen und Unternehmensvergrößerungen einsetzen (vgl. Hoopes et al. 2003, S. 893). Denn wird die aus der Vergangenheit stammende hohe Eigenkapitalausstattung zu Investitionen genutzt, um die Aktivitäten eines typischen Fernsehsenders bspw. durch vertikale Integration von Produktionsunternehmen zu erweitern, vergrößert sich dadurch die Mindestkapitalausstattung eines Fernsehsenders (vgl. Stigler 1950, S. 33; Blake/Jones 1965, S. 392). Die durch hohe Unsicherheit verursachten Transaktionskosten führen bei Film- und Fernsehprojekten zu unternehmensinternen Lösungen. Große Unternehmen können dabei Eigen- und Fremdkapital über mehrere Projekte verteilen, so dass das Verlustrisiko minimiert wird, die Erfolgsaussichten durch den Einsatz von Produktionsfaktoren auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen
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steigen und Kostenreduktion durch verbesserte Auslastung der Produktionsfaktoren realisiert wird. Bei Medienunternehmen besteht das Problem, dass bestimmte Ressourcen und Fähigkeiten nicht vollständig in den Bilanzen erfasst werden dürfen. Deshalb ist der Finanzmarkt sehr zurückhaltend bei der Produktionsfinanzierung, welche bspw. spezialisierte Banken wie die Stadtsparkasse Köln bewältigen, indem sie immaterielle Güter wie Senderechte als Sicherheiten für Fremdkapital standardmäßig akzeptieren (vgl. Mossig 2004, S. 162). Da aber der Zugang zu spezialisierten Banken teilweise mit weiteren Kosten wie dem Einstieg in einen bestimmten Mediencluster verbunden ist, dieser Einstieg aber häufig nur durch Unternehmensakquisition möglich ist, besteht ein unterschiedlicher Eigenkapitalausstattungsbedarf zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern.74 Dadurch wird deutlich, dass die Erwartungswerte von Kapitalausstattung zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern divergieren, weshalb die Handelbarkeit eingeschränkt ist und Wettbewerbsvorteile für etablierte Fernsehsender vorliegen. Basierend auf den in der Vergangenheit generierten Marktmachtrenten und dadurch erzielten Eigenkapitalausstattungsvorteilen etablierter Fernsehsender liegen Pfadabhängigkeiten vor. Diese werden durch eine selbst verstärkende Wirkung zwischen Kapitalausstattung und Werbeeinnahmen intensiviert. Denn mittels einer umfangreichen Kapitalausstattung können bspw. qualitativ hochwertige Senderechte an positionalen Gütern erworben werden, wodurch werbetreibende Unternehmen angezogen werden und deren Zahlungsbereitschaft erhöht wird, wodurch ein Fernsehsender höhere Erträge generiert. Fremdkapitalgeber orientieren sich häufig an der aktuellen Ertragslage eines Unternehmens (vgl. Fudenberg/Tirole 1986, S. 374), wodurch bestehende Unterschiede zumindest teilweise systematisch fortgeschrieben werden. Neben diesen temporalen Isolationsmechanismen ist auch von kausaler Vieldeutigkeit bzgl. der Kapitalausstattung auszugehen. Denn eine bessere Kapitalausstattung ermöglicht das Ausprobieren verschiedener strategischer Optionen und somit die Reduktion der kausalen Vieldeutigkeit für große Fernsehsender. Etablierte Fernsehsender sind daher im Durchschnitt erfolgreicher als neue Fernsehsender, so dass auch kognitive Isolationsmechanismen gegeben sind. Auf der Angebotsseite existieren Erfahrungs- und Netzwerkbeziehungseffekte, da Kapitalgeber aus dem Verhalten und den Erfolgen der Vergangenheit extrapolieren und entsprechend – nach auf Erfahrung basierendem Vertrauen – Kapital vergeben. Verstärkt werden die strukturellen Isolationsmechanismen auf der Angebotsseite 74
Siehe zu unterschiedlichen Kapitalmarktzugängen in Abhängigkeit von der Rechtsform eines Fernsehsenders: Picard (1989, S. 84-93).
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durch die bereits thematisierten Größeneffekte. Denn etablierte Fernsehsender, die aufgrund ihrer Größe mehr Projekte pro Periode durchführen können, verringern die Varianz, streuen dadurch das Risiko und bekommen Kapital zu verbesserten Konditionen. Das supranormale Rentenpotenzial der Kapitalausstattung als immaterielle Ressource setzt sich aus Schumpeter- und Ricardo-Renten zusammen. Etablierte Fernsehsender können nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen, jedoch ist die Stärke vor allem hinsichtlich der Nachhaltigkeit beschränkt. Kapital führt nicht per se zu supranormalen Renten, sondern nur in Verbindung mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten wie der Produktentwicklung eines Fernsehsenders. 2.1.4. Reputation Reputation kommt in der Literatur eine bedeutende Rolle zur Differenzierung von Unternehmen im Wettbewerb zu (vgl. Chamberlin 1965, S. 57-64; Milgrom/Roberts 1982). Nach Hall (1993, S. 616) gelten Unternehmens- und Produktreputation als die beiden wichtigsten Ressourcen zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Da Reputation eines Unternehmens oder eines Gutes sehr unterschiedlich definiert werden (vgl. Helm 2007, S. 21-23) und insbesondere in Abgrenzung zur Unternehmens- bzw. Produktmarke als wenig trennscharf gelten, soll zunächst das Konzept der Reputation definiert und zur Marke abgegrenzt werden.75 Nach Shapiro (1983, S. 664) ist der Aufbau einer Reputation des Unternehmens oder eines Gutes dann sinnvoll, wenn in einem Markt Unsicherheit über die Qualität bzw. den Basisnutzen des Unternehmens oder des Gutes vorliegt, Sicherheit durch Nutzung erlangt werden kann und Informationen an andere weitergegeben werden können. Das ist insbesondere bei Erfahrungsgütern der Fall. Darüber hinaus erlangt Reputation vor allem aufgrund von Krisen, steigenden Erwartungen der Anspruchsgruppen, intensivierten und wachsenden Informationsflüssen, steigendem Wettbewerb und steigender Nachfrage nach sozial verantwortungsvollem Verhalten von Unternehmen Relevanz. Dabei bilden die Anspruchsgruppen – insbesondere potenzielle Konsumenten, andere Unternehmen in der Wertschöpfungskette, Humanressourcen und Kapitalgeber – ihre Reputationseinschätzung anhand von Informationen des Unternehmens sowie durch Medienberichte und Kommunikation. Daher gilt Reputation in Abgrenzung zur Marke als öffentliche Information und richtet sich an alle Anspruchsgruppen eines Unternehmens oder eines Gutes (vgl. Helm 75
Siehe für eine ausführliche Diskussion zum Unterschied zwischen Reputation und Marke: Herger (2006); Helm (2007, S. 371-378). Die Marke als Ressource von Fernsehsendern zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils wird im folgenden Unterabschnitt behandelt.
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2007, S. 20). Sie stellt anerkannte Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eines Unternehmens oder eines Gutes dar, gilt als ein Qualitätsversprechen, gibt Auskunft über die Verlässlichkeit des Basisnutzens und soll Vertrauen in das Unternehmen oder das Gut erzeugen (vgl. Shapiro 1983, S. 659 & 663; Helm 2007, S. 32). Aus der positiven Reputation eines Fernsehsenders oder einer einzelnen Sendung entspringt Wert, wenn Zuschauer oder werbetreibende Unternehmen direkt davon profitieren. Zuschauer haben Erwartungen hinsichtlich der Qualität der Inhalte und profitieren bei guter Reputation eines Fernsehsenders von geringeren Suchkosten und einer erhöhten Bedürfnisbefriedigung. Auch im digitalen Zeitalter können Zuschauer trotz technologischer Anwendungen wie dem EPG ex ante nicht feststellen, wie sehr ihnen ein Programminhalt gefällt. Deshalb senken dem Reputationsmodell von Shapiro (1983, S. 660) zufolge Anbieter in den Anfangsperioden ihre Preise, um in späteren Perioden eine Reputationsprämie für hohe Qualität zu erlangen. Da sich dieser Mechanismus im werbefinanzierten Fernsehen nicht in verringerten Preisen für die Zuschauer äußern kann, stiegen in der Vergangenheit vor allem die Preise für Senderechte an exklusiven Programminhalten wie der deutschen FußballBundesliga (vgl. Schellhaaß 2003c, S. 13f.). Aus Perspektive der Zuschauer verspricht die Reputation, dass ein Fernsehsender oder eine einzelne Sendung eine bestimmte erwartete Qualität in ausgewählten Bereichen wie dem Fußball zuverlässig liefert, was dem Fernsehsender eine erhöhte Einschaltquote einbringt. Werbetreibende Unternehmen haben Qualitätserwartungen bzgl. der von Fernsehsendern angekündigten Einschaltquote, zu erreichenden Zielgruppen und zugesagten Platzierungen von Werbebotschaften. Sie profitieren von erhöhter Effizienz ihrer Werbebotschaften, was sich in steigenden Absätzen ihrer Produkte und Dienstleistungen äußert. Ein reputierlicher Fernsehsender kann dadurch neue Nachfrage nach Werbezeiten generieren und Kunden anziehen, Loyalität bei bisherigen Kunden erzeugen oder Preisaufschläge durchsetzen. Indirekt profitieren Zuschauer- und Werbemarkt, wenn ein reputierlicher Fernsehsender im Vergleich zu Wettbewerbern Humanressourcen effizienter oder effektiver rekrutieren oder Inhalte günstiger einkaufen kann. Humanressourcen besitzen Erwartungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, weshalb eine gute Reputation eine erhöhte Qualität der Humanressourcenausstattung ermöglicht, was sich in operativen Kosteneinsparungen oder besseren Outputs äußern kann. Unternehmen der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe haben Erwartungen hinsichtlich der Zahlungszuverlässigkeit, des Einhaltens von Absprachen und der Präsentationsqualität ihrer Inhalte. Reputation eines Fernsehsenders ermöglicht dabei Transaktionskostenersparnisse, ggf. geringere Preise für zu beschaffende Inhalte oder erhöhte Verhand-
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lungsmacht. Außerdem kann Reputation Kapitalgeber anziehen, die Erwartungen hinsichtlich der Erfüllung gesetzter Ziele haben, wodurch ein reputierlicher Fernsehsender von geringeren Transaktionskosten und Risikoaufschlägen profitiert. Somit besitzt Reputation eines Fernsehsenders besondere Relevanz und gilt als werthaltig, weshalb das Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil durch die immaterielle Ressource gegeben ist. Der Aufbau von Reputation durch einen Fernsehsender erfolgt in zeitintensiven Prozessen durch screening und signaling, wobei die dabei getätigten Investitionen zum größten Teil versunkene Kosten darstellen. Denn investiert ein Fernsehsender in vertrauensbildende, die eigene Qualität betonende Maßnahmen gegenüber Konsumenten, Humanressourcen oder anderen Unternehmen, ist die erzeugte Reputation mit dem Fernsehmarkt verknüpft und kann im Falle eines Marktaustritts nicht ohne Weiteres auf einen anderen Markt übertragen werden. Die Reputation richtet sich an alle Anspruchsgruppen eines Fernsehsenders, weshalb sie von sozialer Komplexität und verringerter Transferierbarkeit gekennzeichnet ist (vgl. Grant 1991, S. 126). Dies gibt Reputation einen idiosynkratischen Charakter, der sich ferner darin ausdrückt, dass im Gegensatz zur Marke bei einer Reputation keine Eigentumsrechte bestehen, weshalb sie nicht handelbar ist (vgl. Hall 1993, S. 608). Daher gilt Reputation an einen Fernsehsender gebunden, wodurch dieser Pareto-Renten generiert. Lediglich die Akquisition eines reputierlichen Fernsehsenders oder einer Sendung mit eigenständiger Reputation inklusive aller daran beteiligten Wertschöpfungsstufen stellt einen Ausnahmefall dar, durch welchen Wettbewerber eine Reputation käuflich erwerben können. Dennoch ist es hierbei unwahrscheinlich, dass die Reputation vollständig übertragen wird (vgl. Grant 1991, S. 126; Carter/Ruefli 2006, S. 7), da Unternehmensübernahmen in der Presse sowie in der Öffentlichkeit diskutiert werden, wodurch sich die Reputation des Käufers mit der gekauften Reputation vermischt und ggf. die Verlässlichkeitsaussage verringert wird. So hat die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Finanzinvestoren Kohlberg Kravis Roberts & Co. und Permira im Jahre 2006 der Reputation des Fernsehsenders geschadet, da die Öffentlichkeit Finanzinvestoren – insbesondere hinsichtlich der Erfüllung nicht direkt ökonomischer Ziele – kritisch gegenüber steht. So ist auch in Teilen zu erklären, warum die zu dieser Zeit diskutierte Abschaffung von Nachrichtensendungen sowie die nach dem Ausstieg von ARD ad hoc durchgeführte Übertragung der Tour de France 2007 im Programm von Sat.1 in der Presse übermäßig negativ dargestellt wurden. Daher kann auch bei der Handelbarkeit von Reputation unterstellt werden, dass die Erwartungswerte zwischen innehabendem Unternehmen und potenziellen Käufern divergieren. Demnach kann Reputation auch im Ausnah-
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mefall der Reputationsakquisition Schumpeter-Renten generieren, weshalb in jedem Falle mittels Reputation ein Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann. Dieser Wettbewerbsvorteil ist nachhaltig, wenn konkurrierende Fernsehsender durch den Aufbau einer eigenen Reputation zu gleichen Kosten die Originalreputation nicht imitieren oder durch andere Instrumente wie Preisnachlässe oder Garantien substituieren können. Da Reputation auf historischen Entwicklungen basiert und von starken Unteilbarkeiten gekennzeichnet ist, ist von Pfadabhängigkeiten auszugehen. Tritt bspw. ein Telekommunikationsunternehmen in den Fernsehmarkt ein, so hat sich dieses auf anderen Märkten technologische Reputation erarbeitet, welche aber auf dem Fernsehmarkt von nachgelagerter Relevanz ist. So ist es für ein diversifizierendes Unternehmen aus einer stark technisch geprägten Industrie schwerer, sich eine Reputation für hohe Qualität von Inhalten zu erarbeiten, da dafür andere Fähigkeiten wie gute Kontakte zu Produzenten oder eigenständige Produktentwicklungsfähigkeiten notwendig sind. Der Aufbau von Reputation setzt zeitintensive Lernprozesse voraus, was auf Ineffizienzen der Zeitkompression hindeutet. So können etablierte Fernsehsender ihre gemachten Erfahrungen im Fernsehmarkt nutzen, um für zukünftige Handlungen Verlässlichkeit zu kommunizieren. So inszenierte RTL Ende des Jahres 2008 bzw. Anfang des Jahres 2009 den eigenen 25. Geburtstag, um die Unternehmenshistorie mit der Industrieentwicklung gleichzusetzen und durch diese herausragende Stellung Verlässlichkeitsaussagen für die Zukunft zu kommunizieren. Die Reputation eines Unternehmens kann vor allem durch Medienpräsenz gestärkt werden, welche bei etablierten Fernsehsendern systemimmanent gegeben ist und aufgrund der aus der Oligopolstruktur des analogen Zeitalters entspringenden hohen Einschaltquote über dem gleichgewichtigen Wettbewerbsniveau liegt. Aufgrund der Pfadabhängigkeiten und der Ineffizienzen der Zeitkompression gelten temporale Isolationsmechanismen bei Reputation demnach als gegeben. Kognitive Isolationsmechanismen liegen vor, weil Reputationsbildung auf dem Wechselspiel zwischen eigenen Erfahrungen und durch Kommunikation erhaltenen Informationen beruht (vgl. von Weizsäcker 1980, S. 412f.), viele divergente Anspruchsgruppen umfasst und ein vielschichtiges, nicht leicht zu durchdringendes Konstrukt darstellt. Deshalb herrscht für konkurrierende Unternehmen häufig Intransparenz, worin die besonderen Fähigkeiten im Reputationsaufbau bestehen, was auf kausale Vieldeutigkeit und soziale Komplexität zurückzuführen ist (vgl. Helm 2007, S. 119).
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Neben den temporalen Isolationsmechanismen entspringen aus den zeitintensiven Lernprozessen der Anspruchsgruppen eines Fernsehsenders auch nachfrageseitige strukturelle Isolationsmechanismen. Denn Anspruchsgruppen werden durch gemachte Erfahrungen vertraut mit einem Fernsehsender, verknüpfen bestimmte Ansprüche mit diesem und greifen bei zukünftigen Entscheidungen auf ihn zurück, wodurch sich z.B. in Teilen die starren Sehgewohnheiten der Zuschauer und das Entstehen einer Vorauswahl begründen. Dadurch besetzen bestimmte Fernsehsender ausgewählte Bereiche des Fernsehmarktes wie den der Vollprogramme. Denn Reputation wird nicht absolut, sondern relativ zu anderen bewertet, weshalb nur wenige Unternehmen die Spitzenposition innehaben können und insbesondere die beiden ersten Positionen innerhalb einer Industrie besonders beständig vergeben sind (vgl. Carter/Ruefli 2006, S. 7 & 21). Existiert noch kein Fernsehsender, ist es für einen Neuling einfach, sich eine Reputation aufzubauen, da er mit niemandem relativ verglichen wird. Nachfolgende Fernsehsender müssen allerdings bzgl. der Reputation eine der Spitzenpositionen erlangen, wobei bei diesen Knappheit herrscht. Sie müssen demnach höhere Kosten aufwenden als die Pioniere. Dies zeigt sich an einem Beispiel aus dem Mobilfunkmarkt, in dem es D2 als erstem privatwirtschaftlichen Anbieter neben dem früheren Monopolisten Telekom möglich war, sich durch die Vorzüge privatwirtschaftlicher Unternehmen eine Reputation zu erarbeiten, welche der zweite privatwirtschaftliche Anbieter E-Plus nicht mehr erlangen konnte (vgl. Jendges 1996, S. 112). Diese nachfrageseitigen strukturellen Isolationsmechanismen werden durch Netzwerkeffekte verstärkt, da beim Erfahrungsaustausch zwischen Konsumenten vergangener Perioden und potenziellen neuen Konsumenten Netzwerkeffekte vorliegen, was neue Fernsehsender benachteiligt. Die in den Reputationsaufbau investierten Kosten sind zum Großteil versunken (vgl. Shapiro 1983, S. 661f.). Auf der Angebotsseite generieren Fernsehsenderfamilien Verbund- und Größeneffekte durch eine bereits aufgebaute Reputation. Denn diese und die dahinter liegenden versunkenen Kosten setzen den starken Anreiz, die Reputation auch in anderen Bereichen zu nutzen. Etablierte Fernsehsenderfamilien können ihre Reputation entsprechend dem Generalisationsprinzip übertragen (vgl. H. Simon 1985, S. 33f.), wodurch sich die Marktzutritts- und Mobilitätsbarrieren für etablierte Fernsehsender zu anderen Märkten und Marktsegmenten verringern. Sie profitieren von einer besseren Kostenstruktur, wenn institutionelle Anbieter Eigen- und Fremdkapital investieren, da dadurch bessere Überprüfungsmechanismen suggeriert werden und die Reputation insbesondere gegenüber anderen Unternehmen positiv beeinflusst wird (vgl. Fombrun/Shanley 1990, S. 239). In der Fernsehindustrie unterliegt der
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Innovationserfolg großer Unsicherheit, wobei etablierte Fernsehsender Erfahrungseffekte besitzen. Die Stellung als Meinungsführer etablierter Fernsehsender drückt sich in deren Reputation aus, wodurch diese Unsicherheit verringert werden kann. Demnach liegen auch nachfrage- und angebotsseitige strukturelle Isolationsmechanismen bei der immateriellen Ressource Reputation zum Schutz vor Duplikation vor. Zusammenfassend kann Reputation auch im digitalen Zeitalter nachhaltige Wettbewerbsvorteile für etablierte Fernsehsender generieren. Da alle Bedingungen besonders prägnant erfüllt werden, können Pareto-, Schumpeter- und Ricardo-Renten erwirkt werden und es ist von einer robusten Stärke des supranormalen Rentenpotenzials auszugehen. Allerdings soll dadurch nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass insbesondere in Zeiten sich rasch verändernder Rahmenbedingungen sowie neuer Technologien und Geschäftsmodelle bestehende Reputationen von Fernsehsendern Verharrungstendenzen bei deren Entscheidungsträgern auslösen können (vgl. Carter/Ruefli 2006, S. 8f.; Helm 2007, S. 122f.). Auch wenn der Reputationsaufbau zeitintensiv ist, kann eine einmal aufgebaute Reputation sehr schnell vermindert oder ganz verloren werden (vgl. Hall 1993, S. 615; Carter/Ruefli 2006, S. 17). Deshalb sollte ein etablierter Fernsehsender Reputationsaufbau, -erhalt und -anpassung mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten wie einer Marke, den kreativen Humanressourcen oder der Unternehmenskultur verbinden. Unternehmenskultur gilt bspw. durch Vermittlung von Werten wie Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein als zentral für die erfolgreiche kontinuierliche Fortentwicklung einer Unternehmensreputation (vgl. Fombrun 1996, S. 110-117). Reputation für einzelne Programminhalte ist nur schwer erreichbar und in den meisten Fällen mit den darin verwendeten kreativen Talenten verknüpft (vgl. Habann 2000, S. 19). Schlussendlich sollte im Rahmen eines Reputationsmanagements auch zunehmend das sozial verantwortliche Handeln (corporate social responsibility) eines Fernsehsenders Beachtung finden (vgl. Fombrun/Shanley 1990, S. 239). 2.1.5. Marke In komplexen Märkten bedarf es gegenüber Konsumenten der Aufmerksamkeitserregung. Die Bildung einer Marke als Form der Produktdifferenzierung ist darauf ausgerichtet und ermöglicht einem Unternehmen das Erreichen eines monopolistischen Nachfragebereichs (vgl. Gude 2007, S. 21). Stellt ein Markt darüber hinaus ein Nullsummenspiel dar, zielt der Wettbewerb darauf ab, Konsumenten durch erhöhte Aufmerksamkeit von Konkurrenten abzuwerben (vgl. McDowell 2006, S. 232). Ähnlich wie die Reputation gilt daher die Marke in komplexen und ein Nullsummen-
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spiel darstellenden Märkten als eine der wichtigsten Unternehmensressourcen, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren (vgl. Chamberlin 1965, S. 5764; Aaker 1991, S. 14). Anders als Reputation ist die Marke ein perzeptives, individuelles Konstrukt, welches sich an ausgewählte Zielgruppen eines Unternehmens oder eines Gutes richtet (vgl. Breyer 1962, S. 20; Emler 1990, S. 171; Helm 2007, S. 27-30). Dabei umfasst eine Marke neben dem Namen, Symbolen und einem Slogan auch Ubiquität, Preis- und Qualitätsstabilität der damit verbundenen Güter, wodurch Überlappungen mit dem Konstrukt der Reputation, allerdings auch Unterschiede deutlich werden. Individuen assoziieren mit einer Marke Erwartungen hinsichtlich der Erfüllung spezifischer Bedürfnisse durch den Konsum. Die Marke liefert anders als die Reputation daher über den Basisnutzen hinaus einen emotionalen Wert, der Zusatznutzen für das Individuum generiert (vgl. Farquhar 1989, S. 25; Dowling 2001, S. 12; Helm 2007, S. 118). Sportschuhe von Nike, ein Auto von Ferrari oder ein hochpreisiges Mineralwasser spenden mehr Nutzen als dem Tragen der Schuhe, dem Fahren des Autos oder dem Trinken des Mineralwassers entspringt. Nike hat bspw. seine Produkte jahrelang mit dem Slogan 'Just do it' beworben, wodurch potenzielle Konsumenten Produktassoziationen wie Leichtigkeit im Umgang mit den Herausforderungen des Alltags und Bedenkenlosigkeit entwickelt haben (vgl. Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 179). Auch wenn das Unternehmen Ende der 1990er Jahre wegen dem Verdacht der Kinderarbeit und anderer Missstände in öffentliche Kritik geraten ist, haben sich die mit der Marke verbundenen Assoziationen nicht geändert. In Anlehnung an das Konzept des Konsumkapitals von Stigler/Becker (1977) erzeugt eine Marke Assoziationskapital, wodurch Markengüter von erhöhter Aufmerksamkeit in wettbewerbsintensiven Märkten profitieren. Zusammenfassend lässt sich deshalb definieren: Eine Marke richtet sich an ausgewählte Zielgruppen, stellt ein auf einem oder mehreren Symbolen basierendes verinnerlichtes und unverwechselbares Vorstellungsbild eines Unternehmens oder eines Gutes dar, dient der Bedienung einer differenzierten Nachfrage und soll durch Aufbau von Assoziationskapital Aufmerksamkeit erzeugen und einen Zusatznutzen stiften (siehe Helm 2007, S. 376). Die Marke eines Fernsehsenders oder eines Programminhalts ist die spezifische Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen bspw. durch Beschränkung auf ausgewählte Programmkategorien oder teure Senderechte (siehe Wolff 2006, S. 52-63). Dabei reicht das Markenspektrum von Fernsehsender übergreifenden Marken über singuläre Fernsehsender bis hin zu Programmformaten, einzelnen Sendungen sowie
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Individuen.76 So steht dem Vorstandsvorsitzenden der RTL Group zufolge die Marke RTL sowohl für Stärke im Fernsehmarkt, für Innovation, Mut und Dynamik im Bereich Unterhaltung als auch für Seriosität im Informationsbereich (vgl. Zeiler 2003, S. 283). Während die Reputation über die zu erwartende Qualität informiert, dient die Marke der Assoziation, stiftet Zusatznutzen und erregt Aufmerksamkeit. Denn um bei beschränkt rationalen Zuschauern konsumiert zu werden, muss ein Programm nicht qualitativ besser sein als das der Wettbewerber, es muss lediglich die Mindestansprüche erfüllen und gleichzeitig Aufmerksamkeit erregen. Daraus entspringt direkter Wert für die Zuschauer, die über den Basisnutzen hinausgehenden Nutzen und Suchkostenverringerungen generieren. Shachar/Anand (1998, S. 383f.) belegen diesen Wert für die Zuschauer, indem sie zeigen, dass Eigenwerbung von Fernsehsendern die Aufmerksamkeit für einzelne Sendungen signifikant erhöht. Werbetreibende Unternehmen profitieren davon, wenn sie nicht nur möglichst viele Zuschauer und die gewünschten Zielgruppen mit ihren Werbebotschaften erreichen, sondern gleichzeitig einen Imagetransfer erzielen können. Ein als jung und dynamisch geltender, aber durchaus mit niedriger Qualität versehener Fernsehsender kann für gewisse werbetreibende Unternehmen besonders attraktiv sein, falls diese selbst eine ähnlich charakterisierte Zielgruppe ansprechen wollen und dabei einen Imagetransfer vom Fernsehsender auf das beworbene Unternehmen oder Gut erreichen möchten. Da werbetreibende Unternehmen in der Regel Markenartikel vertreiben, finden industrieübergreifend gewisse Ähnlichkeiten zwischen werbetreibenden Unternehmen und markenorientierten Fernsehsendern bspw. in der Unternehmenskultur Ausdruck (siehe Karstens/Schütte 2005, S. 86f.). Als dritte Quelle der Werthaltigkeit dient, dass Fernsehsender ihre Rolle als gatekeeper behalten, wenn sie einen über dem Wettbewerbsniveau liegenden Anteil der Zuschauer auf sich ziehen. Denn aus Perspektive von Produktionsunternehmen gelten Fernsehsender als besonders attraktiv, wenn deren Aufmerksamkeitserregung dazu genutzt werden kann, weitere Verkäufe wie von DVDs oder Handelswaren (merchandise) zu verstärken. Diese Fernsehsender profitieren von einer erhöhten Verhandlungsmacht gegenüber den Produktionsunternehmen, die ihre Inhalte bei ihnen platzieren wollen. Falls eine Marke mit der Festlegung auf bestimmte Programmkategorien verbunden ist, kann ein etablierter Fernsehsender auch Größeneffekte in der Beschaffung generieren, wenn bspw. große Pakete gekauft oder langfristige Verträge abgeschlossen werden. Als Folge daraus können sich bestehende Kooperationen zwischen großen, etablierten Fernsehsendern und Produktionsunter76
Siehe zum Umfang einer Fernsehmarke: Bellamy jr./Traudt (2000, S. 128-132); Wolff (2006, S. 3947).
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nehmen im digitalen Zeitalter verstärken, wovon Zuschauer- und Werbemarkt indirekt profitieren können. Zuletzt gelten sowohl Zuschauer als auch werbetreibende Unternehmen als heterogen, weshalb Produktdifferenzierung mittels Markenbildung per se als Wert erzeugend gilt. Die Marke eines Fernsehsenders besitzt somit besondere Relevanz zur Erzielung des Potenzials eines Wettbewerbsvorteils. Allerdings ist der Markenwert im Gegensatz zur Reputation rechtlich geschützt77 und kann in der Bilanz eines Fernsehsenders ausgewiesen werden, wodurch die Marke die Bedingung der NichtHandelbarkeit nicht erfüllt. Ebenso ist nicht von eingeschränkter Handelbarkeit aufgrund von Heterogenität der Erwartungswertbildung auszugehen, da der aus einer Marke entspringende Wert durch den Ausweis in der Bilanz allgemein bekannt ist. Allerdings können Unterschiede der Erwartungswerte zwischen eine Marke innehabenden Fernsehsendern und potenziellen Käufern einen Wettbewerbsvorteil begründen, wenn die etablierten Fernsehsender effizienter im Herstellen des Zusatznutzens durch Aufbau von Assoziationskapital sind (vgl. P. Nelson 1974, S. 732). Aufgrund der beschränkten Rationalität von Individuen können nicht unendlich viele, sondern nur ausgewählte Fernsehsender die Spitzenpositionen innerhalb eines Marktsegments einnehmen, weshalb Knappheit in der Aufmerksamkeit von Zielgruppen besteht (vgl. Helm 2007, S. 118). Etablierte Fernsehsender konnten frühzeitig zu verringerten Kosten Assoziationen mit ihren Marken herstellen, dadurch Aufmerksamkeit erzeugen und sich Spitzenpositionen sichern. Da die Investitionen in eine Fernsehmarke größtenteils versunkene Kosten sind und das Erreichen dieser Spitzenpositionen das Verdrängen der Etablierten voraussetzt, müssen neue Fernsehsender höhere Investitionskosten als etablierte aufwenden (vgl. Comanor/ Wilson 1967, S. 425). Der Erwartungswert einer Marke eines etablierten Fernsehsenders ist dem eines neuen überlegen, wenn in der Vergangenheit Erfahrung im Markenaufbau erworben werden konnte und dadurch attraktive neue Marktsegmente frühzeitig besetzt werden können. Neben diesem Effizienzvorteil kann eine Fernsehsenderfamilie mittels einer Dachmarkenstrategie eine bestehende Marke durch Übertragung auf einen neuen Sender innerhalb der Familie erweitern und dadurch Verbundeffekte generieren. Durch diese Gesamtmarktstrategie können Risiken gestreut werden, so dass der Erwartungswert einer geringeren Volatilität als bei einem einzelnen neuen Fernsehsender unterliegt. Unterstellt man Risikoscheu von
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Das Markenschutzgesetz bezeichnet eine Marke als ein "Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Marken können insbesondere Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben sein" (Art. 1 MSchG).
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IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Fernsehsendern, begründet die Marke unterschiedliche Erwartungswerte und somit das Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils. Da nur eine Marke symbolische und emotionale Assoziationen ermöglicht, die über die Funktion des Gutes bzw. dessen Basisnutzen hinausgehen, ist ein Substitut für die Marke zum Aufbau von Assoziationskapital nicht vorstellbar. Nachhaltigkeit eines aufgrund einer Marke vorliegenden Wettbewerbsvorteils ist deshalb dann gegeben, wenn die Wirkungen einer Marke nicht vollständig zu gleichen Kosten imitierbar sind. Der Markenaufbau erfolgt durch langfristige Investitionen mittels des Einsatzes von Werbung und begleitenden Aktionen wie der Designtechnik, wobei die Fähigkeiten dazu als pfadabhängig gelten (vgl. Jenner 2007, S. 798f.). Davon ausgehend, dass Fernsehsender Wettbewerbern keine Werbezeiten verkaufen, profitieren etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter von aus der Oligopolstruktur des analogen Zeitalters erwachsenden hohen Einschaltquoten bei der Eigenwerbung zur Stärkung bestehender und dem Aufbau neuer Marken. Da der Umfang von Werbemaßnahmen und die Umsätze eines Unternehmens positiv korreliert sind (vgl. P. Nelson 1974, S. 734), ist – abgesehen von Positionierungsmaßnahmen neuer Fernsehsender – von einem höheren Werbevolumen etablierter Fernsehsender auszugehen. Da Marken in der Wahrnehmung potenzieller Konsumenten als umso besser gelten, je mehr sie beworben werden (vgl. P. Nelson 1974, S. 732; Fombrun/Shanley 1990, S. 241), profitieren etablierte Fernsehsender von Pfadabhängigkeiten. Marken beruhen auf Assoziationen, die potenzielle Konsumenten durch Werbung und andere Maßnahmen mit einem Gut verknüpfen. Diese Assoziationen können teilweise von den zeitlichen Rahmenbedingungen abhängig sein, welche nicht durch höhere monetäre Investitionen aufgeholt werden können. Zeitlich relativ können bestimmte Assoziationen bspw. nur in der Jugend eines Konsumenten geweckt werden, die sich für sein ganzes Leben konstatieren. Zeitlich absolut können bestimmte Umweltbedingungen wie die Terrorakte vom 11.09.2001 in New York genutzt werden, um in zeitlich nachgelagerten Werbemaßnahmen eine vertrauenswürdige Berichterstattung auch in Ausnahmesituationen zu suggerieren. Diese einmal gemachten Assoziationen potenzieller Konsumenten beeinflussen deren zukünftige Verhaltensweisen (vgl. Jenner 2007, S. 799). Dies ist vor allem für neue Fernsehsender aus anderen Industrien problematisch. So kann es bspw. für ein ehemals staatliches und als bürokratisch geltendes Unternehmen wie die Telekom ungleich schwerer sein, die damit verbundenen negativen Assoziationen nach Eintritt in den Fernsehmarkt bei ihren Fernsehmarken zu überwinden, wenn diese nicht vollständig von den Ursprungsmarken getrennt werden können. Aufgrund dieser
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Ineffizienzen der Zeitkompression und den zuvor aufgezeigten Pfadabhängigkeiten liegen bei der Marke starke temporale Isolationsmechanismen vor. Da Markenbildung auf dem Wechselspiel zwischen relativ gut einsehbaren Werbemaßnahmen der Fernsehsender und zum größten Teil im Verborgenen stattfindenden eigenständigen Assoziationen potenzieller Konsumenten beruhen, ist von kognitiven Isolationsmechanismen auszugehen. Weil die Marke nur einen Teil des Gesamtnutzens eines Gutes ausmacht, unterliegt sie kausaler Vieldeutigkeit im Hinblick auf die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Auf der Nachfrageseite bestehen durch Aufwendung versunkener Kosten zum Aufbau von Assoziationskapital in Form lernpsychologischer Erkenntnisprozesse Wechselkosten. Konsumenten von Marken akkumulieren Lerneffekte in Form spezifischer Fähigkeiten im Umgang mit einer Marke bspw. in der Kommunikation über eine bestimmte Sendung im Anschluss an ihre Ausstrahlung (vgl. Wernerfelt 1985, S. 384). Assoziationen mit Marken können positiv mit der Anzahl der assoziierenden Individuen korreliert sein, wenn durch das Anschauen einer bestimmten Fernsehsendung bspw. ein Gemeinschaftsgefühl oder Zugehörigkeit empfunden wird, also Netzwerkeffekte vorliegen. Aufgrund dieser Wechselkosten verharren viele Zuschauer bei den wenigen, zuerst konsumierten Marken, was nachfrageseitig auf starke strukturelle Isolationsmechanismen hinweist. Auf der Angebotsseite existieren sowohl gemäß den oben diskutierten versunkenen Kosten als auch entsprechend den zu generierenden Größen-, Verbund- und Erfahrungseffekten der etablierten Fernsehsender strukturelle Isolationsmechanismen. Anhand der Isolationsmechanismen wird deutlich, dass Nachhaltigkeit von auf Marken beruhenden Wettbewerbsvorteilen für etablierte Fernsehsender sehr gut erreichbar ist. Entsprechend der deutlich eingeschränkten Handelbarkeit der immateriellen Ressource ist von einem sich aus Schumpeter- und Ricardo-Renten zusammensetzenden starken supranormalen Rentenpotenzial der Marke auszugehen. Auch wenn Markenbildung für Medienunternehmen noch ein relativ junges Thema ist, bedürfen diese nachhaltigen Wettbewerbsvorteile eines sorgfältigen Markenmanagements. Denn sonst kann die auf dem Pionierstatus basierende Markenbindung etablierter Fernsehsender erodieren, wodurch Nachahmungen neuer Fernsehsender erfolgreich sein können. Dieses Markenmanagement ist nicht nur aufgrund der definitorischen Ähnlichkeiten, sondern auch wegen Verbundeffekten in der Generierung und Wechselwirkungen mit dem Reputationsmanagement eines Fernsehsenders zu verknüpfen, so dass Komplementaritäten zwischen Marke und Reputation genutzt werden können (siehe Helm 2007, S. 378). Das Markenmanagement sollte auch mit den Innovations- und Produktentwicklungsfähigkeiten eines Fernsehsen-
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ders verknüpft werden, da Marken nur auf diese Weise zum Eintritt in andere Märkte bspw. durch Auskopplungen (spin-offs) aus erfolgreichen Programmformaten, nachgelagerte Dienstleistungen oder das Anbieten von Handelswaren genutzt werden können. 2.1.6. Senderechte Die drei traditionellen Geschäftsmodelle von Fernsehsendern basieren auf der Vervielfältigung medialer Inhalte, weshalb diese notwendige Voraussetzung zum Betrieb eines Fernsehsenders darstellen. Neben der Inhalteerstellung durch Eigenproduktion, welche unter Produktentwicklungsfähigkeit in Unterabschnitt IV.2.2.4. diskutiert wird, können Programminhalte durch den Ankauf von Senderechten beschafft werden. Deshalb gelten Senderechte grundsätzlich sowohl für Zuschauer als auch für werbetreibende Unternehmen als werthaltig. Entsprechend dem Urheberrecht liegt das ausschließliche Recht zur Einräumung von Nutzungsrechten an medialen Inhalten beim Urheber, welcher der Schöpfer des Werkes und deshalb eine natürliche, keine juristische Person ist (vgl. Fischer 2008, S. 127-129). Fernsehsender erwerben Sende- und Nebenrechte wie das Recht zum Verkauf von Handelswaren von Urhebern.78 Dadurch sichern sich Fernsehsender das Recht zur medialen und non-medialen Verwertung von Programminhalten. Im Film- und Fernsehbereich beinhalten Senderechte umfangreiche Rechtekataloge, welche vor allem Art und Weise der Verwertung, Dauer der Nutzungszeit, Anzahl der Ausstrahlungen, Preis und Zahlungsbedingungen, Bearbeitungsrechte, geographische Abgrenzung, Grad der Exklusivität, Verpflichtungen, Urheberbezeichnungen, Garantien, Vorkaufsrechte bei Folgeproduktionen, Zugang zu weiteren Materialien und Sublizenzierung regeln (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 220-224; Fischer 2008, S. 147-151).79 Da die Handelbarkeit von Senderechten per definitionem gegeben ist, kann nur dann ein Wettbewerbsvorteil vorliegen, wenn der strategische Faktormarkt mit Unvollkommenheiten versehen ist. Neben den in einem Vertrag spezifizierten Bedingungen hängt der Wert eines Senderechts von vielen die Sendung begleitenden Faktoren ab. Diese umfassen u.a. Popularität bei Erstausstrahlung und im Zeitablauf, Anzahl der bisherigen Ausstrahlungen, Aktualität, Stimmigkeit mit Ausrichtung bzw. Marke eines Fernsehsenders, Zielgruppenaffinität, Sendeplatz bzw. Tageszeit, lead-in- und lead78
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Senderechte werden auch Sendelizenzen, Programmrechte oder Fernsehrechte genannt und umfassen eingeräumte oder abgeleitete Nutzungsrechte sowie schuldrechtliche Rechte und Pflichten. Siehe zum Urheberrecht und Senderechten: Fischer (2008, S. 121-156).
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out-Effekte, Konkurrenzprogramme und externe Effekte. Da sich dadurch die Berechnung des Erwartungswertes als ein multivariables Problem darstellt und entscheidend von dem Wissen eines Fernsehsenders abhängt, ist das Vorliegen unterschiedlicher Grade kausaler Vieldeutigkeit zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern wahrscheinlich. Denn auch wenn die Digitalisierung durch die ansteigende Fragmentierung der Zuschauer die Programmablaufgestaltung zunehmend obsolet werden lässt, besitzen etablierte Fernsehsender mehr und besseres Wissen über den Einfluss dieser Faktoren. Heterogenität der Erwartungswertbildung ist somit gegeben und deshalb gilt die Handelbarkeit von Senderechten im Sinne des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells als eingeschränkt. Inhalteanbieter sind in Substitutionskonkurrenz zueinander stehende Monopolisten, wobei der Grad der Substituierbarkeit von den eingesetzten Inputfaktoren abhängt (vgl. Müller 1998, S. 53f.). Diese Marktstellung ausnutzend können sich insbesondere die Anbieter populärer Inhalte die aus einem Inhalt erwachsenden Renten gegenüber kleinen Fernsehsendern vollständig aneignen. Große etablierte Fernsehsender besitzen mehr Verhandlungsmacht gegenüber Inhalteanbietern als kleine Fernsehsender, wodurch der Erwartungswert eines Senderechts divergiert. Gleichzeitig nutzen Anbieter populärer Inhalte aufgrund der Unsicherheit, die bei der Produktion von Medieninhalten inhärent gegeben ist, ihre Position aus, um populäre mit weniger populären Inhalten zu bündeln. Dies äußert sich in Paketverkäufen oder langfristigen Abnahmeverpflichtungen für noch nicht produzierte Inhalte, wodurch ein Fernsehsender pauschal das komplette Inhalteportfolio bzw. einen bestimmten Ausschnitt davon erwerben muss (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 205).80 Die dadurch entstehenden großen Lagerbestände an Senderechten induzieren Risiken für Fernsehsender, wobei vor allem Fernsehsenderfamilien die im Paket zu kaufenden Senderechte sowohl zeitlich als auch nach Zielgruppen verteilen können. Da kleine Fernsehsender dies nicht können und somit nicht auf gleiche Art und Weise wie etablierte Fernsehsender das Risiko aus Paketkäufen und Abnahmeverpflichtungen streuen können, divergieren die Erwartungswerte. Bei unpopulären und bisher unbekannten Inhalten wie Randsportarten kommt der Sonderfall hinzu, dass die Zuschauer zunächst an die Programminhalte herangeführt werden müssen, weil sie Sportler und Wettkampfregeln nicht kennen. Dieser Umstand macht den Aufbau von Reputation für die ausgewählte Sportart durch Anbieter und Nachfrager des Senderechts notwendig. Die für den Reputationsaufbau zu tätigenden Investitionskosten haben allerdings Auswirkungen auf die effiziente 80
Siehe für verschiedene Arten von Senderechtsverträgen: Karstens/Schütte (2005, S. 219f.).
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Vertragsdauer, die Aufteilung von Kosten, Erträgen und des Marktrisikos zwischen den Vertragspartnern sowie auf die Internalisierung externer Effekte (vgl. Hafkemeyer 2003, S. 125-178). Durch Verfügbarkeit verschiedener Fernsehsender können Fernsehsenderfamilien einen Programminhalt entsprechend seines Entwicklungspfades und seiner jeweils aktuellen Bekanntheit einsetzen. So können Zuschauer an neue Programminhalte wie Randsportarten oder auch Big Brother herangeführt werden, indem sich der Programminhalt von einem Sparten- zu einem Vollprogrammsender entwickeln kann. Singuläre Fernsehsender mit einem Spartenprogramm haben nach erfolgreichem Reputationsaufbau nicht die Möglichkeit, die externen Effekte durch Platzierung des Programminhalts in einem Vollprogrammsender zu internalisieren. Mit erhöhter Wahrscheinlichkeit unterliegen sie in einem weiteren Auktionsverfahren um die Senderechte einem großen Fernsehsender. Fernsehsenderfamilien können somit die externen Effekte aus Pionierarbeit besser internalisieren und generieren dadurch höhere Erwartungswerte als kleine Fernsehsender. Neben inhaltlichen Aspekten setzt der Erfolg auf dem Beschaffungsmarkt kostenintensive Präsenz bei Filmfestivals, Programmvorführungen, Fernsehmessen und anderen Veranstaltungen voraus, so dass ein Fernsehsender kontinuierlich im Kontakt mit potenziellen Inhalteanbietern steht (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 206). Zur Verringerung der Unsicherheit auf dem Beschaffungsmarkt entstehen häufig personelle und institutionelle Verflechtungen zwischen Fernsehsendern und Inhalteanbietern (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 202f.). Durch langfristige Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern werden Komplementaritäten erzeugt. Neben dem dadurch aufzubauenden Vertrauen gelingt Fernsehsendern auf diese Weise, kontinuierlich ihre Nachfrage durch Vorbringen eigener Ideen und Vorstellungen im Markt kundzutun und somit bessere, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebote zu erhalten. Auch dadurch divergieren die Erwartungswerte zwischen großen, finanzkräftigen und kleinen Fernsehsendern. Somit kann für etablierte Fernsehsender aufgrund von Senderechten ein Wettbewerbsvorteil vorliegen. Allerdings können neu in den Fernsehmarkt eintretende Fernsehsender durch Investitionen diesen Wettbewerbsvorsprung aufholen, ohne dass dabei Ineffizienzen der Zeitkompression vorliegen. Denn aufgrund des intensivierten Wettbewerbs zwischen Fernsehsendern im digitalen Zeitalter und den Auktionsverfahren um knapper werdende Senderechte entsprechen die von Inhalteanbietern zu erzielenden Preise zunehmend den wahren Erwartungswerten. Dadurch greifen Inhalteanbieter bspw. unter Androhung von vertikaler Integration
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oder durch Umgehung von Fernsehsendern die aus Inhalten entspringenden Renten vollständig ab. Solange Senderechte dem Rechteinhaber Exklusivität versprechen, können sie von anderen Fernsehsendern nicht imitiert bzw. substituiert werden.81 Ausgehend von einem Rattenrennen (rat race) um populäre Programminhalte (vgl. Akerlof 1976), die während der Gültigkeit von Senderechten externe Effekte bspw. auf die Marke eines Fernsehsenders erzeugen, liegen bei Senderechten Pfadabhängigkeiten als temporale Isolationsmechanismen vor. Insbesondere wenn etablierte Fernsehsender langfristige Verträge mit Inhalteanbietern in der Vergangenheit abschließen konnten, können einmal erreichte Wettbewerbsvorteile nachhaltig – gemessen an der Vertragslaufzeit – bestehen. Allerdings haben Pioniere in der folgenden Auktionsrunde auch dann einen Vorteil gegenüber neuen Fernsehsendern, wenn die externen Effekte auch über die Vertragslaufzeit hinaus wirken und sie somit von einer durch bestehende Senderechte generierten höheren Zuschauerbindung profitieren. Unabhängig von der Vertragslaufzeit liegen beim Erwerb von Senderechten kausale Vieldeutigkeit und soziale Komplexität vor. Erstere entsteht durch die Komplexität der Verträge und die Erfolgsabhängigkeit von Rahmenbedingungen. Durch die Vielzahl der größtenteils informellen Interaktionen auf verschiedenen Veranstaltungen wie Filmfestivals entsteht bei der Beschaffung von Senderechten soziale Komplexität. Somit ist zumindest von einem bedingten Schutz eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Senderechten durch kognitive Isolationsmechanismen auszugehen. Von Wechselkosten aufgrund von Senderechten und somit strukturellen Isolationsmechanismen auf der Nachfrageseite ist in Zeiten der Digitalisierung nicht auszugehen. Denn ein EPG und ähnliche Anwendungen können Zuschauer im Falle des Wechsels einer bestimmten Fernsehserie von einem etablierten zu einem neuen Fernsehsender informieren. Auf der Angebotsseite können allerdings unterschiedliche Kostenstrukturen bei der Nutzung von Senderechten zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern entstehen. Falls durch Netzwerkbeziehungseffekte eine höhere Verlässlichkeit bzgl. der Einhaltung von Vertragsvereinbarungen seitens der etablierten Fernsehsender bspw. in der qualitativen Darstellung der Olympischen Spiele zu erwarten ist oder etablierte Fernsehsender versunkene Kosten in den Aufbau einer Randsportart investiert haben, unterscheiden sich deren Entscheidungsparameter von denen neuer Fernsehsender. Fernsehsenderfamilien können bei Paketkäufen Größeneffekte bei der Bewertung der zu kaufenden Inhalte und 81
Imitierbarkeit bzw. Substituierbarkeit erfolgreicher Programmformate ist durch Verwendung anderer Inhalte oder Senderechte gegeben. Die Analyse bezieht sich daher auf die Senderechte eines bestimmten Inhalteanbieters.
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durch Streuung des Risikos über verschiedene Fernsehsender Verbundeffekte generieren. Allerdings besteht für neue bzw. kleinere Fernsehsender die Möglichkeit, bei der Programmbeschaffung zu kooperieren und somit Verbundeffekte einer Fernsehsenderfamilie zu verringern oder vollständig zu kompensieren. Nichtsdestotrotz liegen in diesen Fällen angebotsseitig strukturelle Isolationsmechanismen vor, die auch über die Vertragslaufszeit bestehender Senderechte hinaus wirken. Die sich ergebende Stärke des supranormalen Rentenpotenzials von Senderechten setzt sich aus Schumpeter-Renten und geringen Ricardo-Renten zusammen. Etablierte Fernsehsender können Wettbewerbsvorteile erzielen, jedoch ist das Nachhaltigkeitspotenzial als gering einzuschätzen. Um einen durch Senderechte generierten Wettbewerbsvorteil aufrechtzuerhalten, bedarf es daher Strategien zur Verknüpfung der Inhaltebeschaffung mit anderen Fähigkeiten eines Fernsehsenders. Während in Verbindung mit dem Markenmanagement externe Effekte auch über die Vertragslaufzeit hinaus realisiert werden können, bietet das Wissensmanagement die Möglichkeit, den Grad der kausalen Vieldeutigkeit von Senderechten zu verringern. Ein umfassendes Senderechtemanagement eines Fernsehsenders, welches von der Abwägung zwischen Eigen- und Fremdproduktion über Rechteerwerb und Inhalteerstellung bis hin zur Sublizenzierung reicht, sollte darüber hinaus mit dem Finanzmanagement und der Programm- und Sendeplanung verknüpft werden. 2.1.7. Kundenbeziehungen Ergänzend zu den zuvor analysierten Ressourcen Reputation und Marke erzielen Unternehmen eine erhöhte Kundenbindung durch Kundenbeziehungen. In diesem Falle zählen Erhalt, Aufbau und Beendigung von Kundenbeziehungen zu den Aufgaben eines Unternehmens. Entsprechend umfasst eine Kundenbeziehung mehr als die Rechnungsstellung durch ein Unternehmen. Sie ist durch Aufbau einer Kundendatenbank zur Durchführung von Auswertungen und Selektionen als Grundlage für Personalisierung von Angeboten, das Ergreifen von Beziehungsmaßnahmen und die Einhaltung des Datenschutzes gekennzeichnet. Beziehungsmaßnahmen setzen sich insbesondere aus Kundenbetreuung, Kundenzufriedenheits-, Beschwerde- und Qualitätsmanagement zusammen. Kundenbeziehungen werden als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile von Unternehmen diskutiert, da dadurch Wissen über Konsumentenpräferenzen erlangbar ist (vgl. Itami/Roehl 1987, S. 18-21; Schoemaker/Amit 1994, S. 7). Durch Ausrichtung der Güter eines Unternehmens an den Kundenpräferenzen erzielen Kundenbeziehungen eine erhöhte Zufriedenheit bei den Konsumenten. Diese führt zu erhöhter Loyalität bei verringerter Preiselastizität und gesteigerter Zahlungsbereit-
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schaft sowie zu Verringerungen der Produktgrenz- und Kundengewinnungskosten (vgl. die Übersicht bei Luo/Homburg 2007, S. 133-135). So zeigen Reichheld/Teal (1996, S. 59-61), dass bereits geringe Steigerungen der Kundenbindung zu einem überproportionalen Anstieg der Unternehmensgewinne führen. Kundenbeziehungen von Fernsehsendern zu werbetreibenden Unternehmen unterscheiden sich allerdings nur geringfügig von herkömmlichen Kundenbeziehungen zwischen Unternehmen. Zu diesem Zweck haben etablierte Fernsehsender in der Regel spezialisierte Werbezeitenvermarkter gegründet, weshalb sich die folgende Analyse auf Kundenbeziehungen zu Zuschauern beschränkt, was im analogen Zeitalter lediglich von entgeltfinanzierten Fernsehsendern betrieben wurde. Dass Kundenbeziehungen zu Zuschauern aber auch von anderen Fernsehsendern angestrebt wurden, verdeutlicht die Gründung von Kundenclubs wie dem RTL Club oder dem ProSieben Club. Allerdings gewinnen diese kaum relevante Informationen über Konsumenten, da dadurch Präferenzen und Fernsehgewohnheiten nur sehr beschränkt ermittelbar sind, weshalb der ProSieben Club im Jahre 2008 bereits wieder geschlossen wurde. Die Relevanz von Kundenbeziehungen von Fernsehsendern zu Zuschauern steigt aufgrund der Digitalisierung an. Denn auf der einen Seite kommt es durch die Digitalisierung zu intensiviertem Wettbewerb zwischen Fernsehsendern und somit zu erhöhter Auswahl für Zuschauer. Dies führt im Durchschnitt zu weniger Zuschauern pro Fernsehsender und aufgrund des Erfahrungsgutcharakters des Fernsehens zu erhöhter Unsicherheit bei Zuschauern. Gleichzeitig steigen die Werbevermeidungsmöglichkeiten an, weshalb sich werbetreibende Unternehmen tendenziell aus unspezifischen Massenmedien zurückziehen. Dadurch rückt zunehmend weniger die Quantität, sondern die Qualität der Zuschauer in den Fokus von Fernsehsendern. Auf der anderen Seite bietet die Digitalisierung durch Anwendungen wie den digitalen Videorekorder oder digitale Empfangsgeräte die Möglichkeit, mit dem bisher als anonym geltenden Zuschauer via Rückkanalfähigkeit in bidirektionalen Kommunikationsaustausch zu treten, was die Voraussetzung für eine Kundenbeziehung darstellt. Die Digitalisierung ermöglicht sowohl die Ermittlung der Fernsehgewohnheiten als auch der allgemeinen Präferenzen anhand des Fernsehkonsums (vgl. Spangler/GalOr/May 2003). Werthaltigkeit von Kundenbeziehungen im Sinne des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells entspringt demnach durch Kosteneinsparungen auf Anbieter- und Nachfragerseite, höhere Bedürfnisbefriedigung und effizientere Werbemöglichkeiten. Die Kosten zum Aufbau von Kundenbeziehungen fallen deutlich höher aus als die zum Erhalt (vgl. Meffert 2008, S. 160f.). Auch wenn die meisten Fernsehsender im
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analogen Zeitalter keine Kundenbeziehungen aufgebaut und gepflegt haben, sind durch die Digitalisierung Kosten einzusparen. Denn bei zunehmendem Wettbewerb ist von erhöhter Konkurrenz um die zeitlichen und monetären Fernsehbudgets der Zuschauer auszugehen. Dabei ist bemerkenswert, dass andere Industrien diejenigen Technologien für ein elektronisches Kundenbeziehungsmanagement heranziehen (siehe A. Kennedy 2005/2006, S. 59), welche für Fernsehsender im digitalen Zeitalter automatisch heranwachsen. Denn elektronische Kundenbeziehungen ermöglichen die kostengünstige Bereitstellung von Beziehungsmaßnahmen wie dem Beschwerdemanagement und erleichtern die Erfassung von Zuschauerpräferenzen. Gleichzeitig neigen loyale Kunden zu kostengünstiger Mundpropaganda (word of mouth), was die Kosten zur Gewinnung weiterer Kunden senkt (vgl. Iyer/Bejou 2003, S. 8). Werthaltigkeit für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen entsteht auf indirekte Art und Weise, falls diese Kosteneinsparungen der Fernsehsender zumindest teilweise an sie weitergegeben werden. Neben diesen indirekten Werthaltigkeitseffekten von Kundenbeziehungen ermöglichen diese auch direkte Kosteneinsparungen bei Zuschauern. Erstens sind Fernsehinhalte Erfahrungsgüter, weshalb Zuschauer Unsicherheit im Hinblick auf deren Qualität ausgesetzt sind. Durch zunehmenden Wettbewerb werden die Unsicherheit und somit die Transaktionskosten zur Behebung dieser Unsicherheit größer. Neben der dadurch ausgelösten grundsätzlichen Bindungstendenz der Zuschauer sind es in Anlehnung an Jeschke (1995, S. 184-187) vor allem die hohe Konsumbedeutung des Fernsehens, die intensive Nutzungsdauer und die aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs entstehende Servicebedürftigkeit zur Überwindung der Unübersichtlichkeit der Angebote, die dem Fernsehmarkt eine hohe Kundenbeziehungsaffinität zuschreiben. Dadurch verringern Zuschauer Nachfrageunsicherheit und Transaktionskosten (vgl. Iyer/Bejou 2003, S. 3). Zweitens ermöglichen bidirektionale Kommunikationsbeziehungen zwischen Fernsehsender und Zuschauer eine erhöhte Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer mittels Segmentierung. Anhand der durch Kundenbeziehungen ermittelten Präferenzen kann ein Fernsehsender seinen Zuschauern personalisierte Programminhalte anbieten. Besonders attraktiven Zuschauergruppen innerhalb der Kundendatenbank kann bspw. mittels Versionisierung (siehe Varian 2000) ein Film mit mehr oder variierten Szenen als in der Standardfassung offeriert werden und dafür weniger, aber ebenfalls personalisierte Werbung ausgestrahlt werden. Durch diese Differenzierung der Zuschauer und die Personalisierung der Inhalte wird die Bedürfnisbefriedigung gesteigert und somit eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaften der Zuschauer erzielt. Neben der Personalisierung ist eine erhöhte Bedürfnisbefriedigung
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und somit Werthaltigkeit aus Sicht der Zuschauer auch durch innovative Inhalte und zusätzliche Serviceleistungen erreichbar. Durch Ermittlung der Zuschauerpräferenzen werden nicht bediente Nachfragen aufgedeckt und zukünftige Nachfragen antizipiert, um die Innovationstätigkeit des Fernsehsenders anzupassen und neue Einnahmequellen frühzeitig aufzudecken. Drittens generiert eine Kundenbeziehung zu Zuschauern außer durch Kostenreduktion und erhöhte Bedürfnisbefriedigung durch effizientere Werbemöglichkeiten Werthaltigkeit für werbetreibende Unternehmen und Zuschauer. Zuschauerdatenbanken sind unter Einhaltung von Datenschutzbestimmungen mit den Datenbanken der werbetreibenden Unternehmen abzugleichen, wodurch personalisierte Werbung (siehe Kim/Wildman 2006) ausgestrahlt werden kann.82 Werbetreibende Unternehmen profitieren von geringeren Streuverlusten ihrer Werbebotschaften, wodurch deren Zahlungsbereitschaft pro Zuschauer gesteigert wird. Insbesondere im Vergleich mit anderen werbetreibenden Medien sind dadurch signifikante Steigerungen des Werbepreises pro Zuschauer möglich. Für Zuschauer erzeugt personalisierte Werbung Werthaltigkeit, da dadurch das Werbeleid, d.h. die Zeit der Werbeunterbrechungen, verringert und Inhalte der Werbebotschaften auf ihre Interessen zugeschnitten werden (vgl. Kim/Wildman 2006, S. 58-70). Somit weisen Kundenbeziehungen das Potenzial für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil auf. Allerdings können sie im Rahmen von Unternehmensakquisitionen oder als eigenständiges Gut von anderen Unternehmen erworben werden, weshalb die Bedingung der Nicht-Handelbarkeit nicht erfüllt ist. Ebenso divergieren Fernsehsender nicht bzgl. der Erwartungswertbildung. Denn auch wenn der Wert einer einzelnen Kundenbeziehung im Vorhinein nicht beurteilt werden kann, so ist der Wert von Kundenbeziehungen mittels Bildung homogener Gruppen und durch Anwendung statistischer Verfahren ermittelbar. Zahlungsbereitschaften der Konsumenten können erhoben werden, wodurch der Erwartungswert einer durchschnittlichen Kundenbeziehung errechnet werden kann. Allerdings divergieren die aus Kundenbeziehungen resultierenden Erwartungswerte zwischen Fernsehsendern. Zunächst ist das darauf zurückzuführen, dass der Aufbau von Kundenbeziehungen vor einem langfristigen Hintergrund erfolgt und die Zusammenarbeit vieler Individuen und Abteilungen innerhalb eines Fernsehsenders voraussetzt (vgl. Krafft/Götz 2003, S. 356). Daher stellt der Aufbau von Kundenbeziehungen ein großes finanzielles Risiko für Fernsehsender dar und der daraus entspringende Erwartungswert divergiert entsprechend der Risikoscheu von Fernsehsendern (vgl. Kotorov 2003, S. 567f.). 82
Das Datenschutzproblem kann insbesondere durch eine institutionalisierte Kundenbeziehung gelöst werden.
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IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Erwartungswerte divergieren auch aufgrund der Größe von Fernsehsendern. Denn bei Kundenbeziehungen kommt insbesondere der Personalisierung der Angebote und der Produktbreite eine bedeutende Rolle zu. Für Fernsehsenderfamilien mit einem breiten Programmspektrum ist es möglich, einem Kunden zu jedem Zeitpunkt ein passendes Programmangebot zu bieten. Singuläre Fernsehsender müssen diese Zusatzangebote noch schaffen und berücksichtigen somit bei der Entscheidung für den Aufbau von Kundenbeziehungen weitere versunkene Kosten, welche Fernsehsenderfamilien bereits getätigt haben. Wenn ein Fernsehsender das resultierende Wissen über Zuschauerpräferenzen auch in anderen Bereichen einsetzt, profitiert er verstärkt von einer Kundenbeziehung. Große Fernsehsender erhalten die Möglichkeit, sich an den im digitalen Zeitalter ändernden Präferenzen der Konsumenten zu orientieren und neu entstehende Geschäftsmodelle sowie Einnahmequellen zu erschließen. Kleinere Fernsehsender, denen die Nutzung dieses Wissens auf diese Art und Weise nicht ohne Weiteres offen steht, haben geringere Erwartungswerte aus der Bildung von Kundenbeziehungen. Einem großen Fernsehsender, welcher bereits in die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Produktion eingetreten ist, ist es anhand des besseren Wissens über die Präferenzen der Konsumenten möglich, nicht nur den Einkauf, sondern auch die Produktion von Programminhalten entsprechend den Zuschauerpräferenzen zu optimieren. So ist bspw. vorstellbar, dass unterschiedliche Verläufe innerhalb eines Films umgesetzt werden, um einzelnen Kundengruppen individuelle Versionen anzubieten. Somit erhöhen Fernsehsender den Erwartungswert des Wissens über Präferenzen durch Diversifikation. Neben Größe und Diversifikationsgrad variieren Erwartungswerte von Kundenbeziehungen auch zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern. Ist es für Zuschauer aus dem analogen Zeitalter noch nicht üblich, eine Kundenbeziehung mit einem Fernsehsender einzugehen, können etablierte Fernsehsender ihre Markt beherrschende Stellung nutzen, um im digitalen Zeitalter formale Kundenbeziehungen aufzubauen und bspw. durch Verträge oder technische Abhängigkeiten Wechselkosten zu implementieren. Denn die Digitalisierung bietet neben der Optimierung der Programminhalte vor allem Zusatznutzen durch spezifische Dienstleistungen, die mittels innovativer Anwendungen wie einem EPG oder einem elektronischen Bezahlsystem (t-commerce) umgesetzt werden können. Allerdings sind nicht alle Zusatzanwendungen ex ante bekannt und es werden voraussichtlich kontinuierlich weitere innovative Anwendungen entstehen. Zur Nutzung aktueller und in der Zukunft entstehender Anwendungen benötigen Zuschauer digitale Empfangsgeräte, welche diese Anwendungen ausführen können. Ein Fernsehsender, welcher möglichst frühzeitig Kundenbeziehungen aufbaut, kann die Funktion übernehmen, seine
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Kunden kontinuierlich mit aktuellen digitalen Empfangsgeräten auszustatten. Dadurch werden die Suchkosten nach alternativen Angeboten vergrößert und eine langfristige Zuschauerbindung gesichert. Auch wenn prinzipiell mehrere Kundenbeziehungen eines Zuschauers mit verschiedenen Fernsehsendern denkbar sind, ist es für nachfolgende Fernsehsender somit nur erschwert möglich, Aufmerksamkeit zu erlangen und Zuschauer in bestehenden Kundenbeziehungen von der Vorteilhaftigkeit weiterer Kundenbeziehungen zu überzeugen. Zusammenfassend liegt aufgrund von hohen finanziellen Risiken, Unternehmensgröße, Diversifikationsgrad und zeitlichem Vorsprung ein Wettbewerbsvorteil aufgrund von Kundenbeziehungen bei etablierten Fernsehsendern vor. Damit dieser auch nachhaltig erhalten bleibt, ist die Existenz von Isolationsmechanismen zu überprüfen. Dabei ist Imitation der Aufbau der gleichen Kundenbeziehungen, während Substitution die Erzielung der gleichen Vorteile – Wissen über Präferenzen – durch andere Instrumente beschreibt. Im analogen Zeitalter haben lediglich entgeltfinanzierte Fernsehsender Kundenbeziehungen zu Zuschauern aufgebaut, während dies bei werbefinanzierten und öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern nicht notwendig bzw. technisch schwer umsetzbar war. Insbesondere aufgrund der Neuartigkeit von Kundenbeziehungen im digitalen Zeitalter und der daraus erwachsenden Unsicherheit gelten Vertrauen und Zufriedenheit als Erfolg versprechende Voraussetzungen für den Aufbau von Kundenbeziehungen. Datenschutzbedenken bei der Ermittlung von Fernsehgewohnheiten und weiteren Präferenzen sowie die Unvollkommenheit schriftlicher Verträge, wodurch Nachverhandlungen bzw. implizite Ergänzungen notwendig werden, geben Vertrauen eine erhöhte Relevanz beim Aufbau von Kundenbeziehungen. Etablierte Fernsehsender, die dieses bereits im analogen Zeitalter aufbauen konnten, profitieren von ihrem zeitlichen Vorsprung und können dadurch glaubhaft versichern, sich nicht opportunistisch zu verhalten. Darüber hinaus führt Vertrauen bei potenziellen Kunden eher dazu, dass sie Informationen durch das Eingehen einer Kundenbeziehung zur Verfügung stellen (vgl. Halinen 1996, S. 328). Demnach liegen aufgrund von Vertrauen im Zusammenhang mit Kundenbeziehungen Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression vor, da sich der Aufbau von Vertrauen zeitintensiv gestaltet. Der Aufbau von Kundenbeziehungen setzt Zufriedenheit der Zuschauer mit den Gütern eines Fernsehsenders voraus, so dass diese von der Vorteilhaftigkeit einer Kundenbeziehung überzeugt werden. Bestehende Zufriedenheit basiert allerdings auf kumuliertem, in der Vergangenheit erfolgtem Konsum (vgl. Anderson/Fornell/ Lehmann 1994, S. 54). Geht man von einer sattelförmigen Korrelation zwischen
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Zufriedenheit und Tendenz zum Eingehen von Kundenbeziehungen aus (vgl. Homburg/Becker/Hentschel 2008, S. 119-121), liegen ebenfalls aufgrund der Zufriedenheit Pfadabhängigkeiten beim Aufbau von Kundenbeziehungen vor. Dieser Effekt von Pfadabhängigkeiten wird noch verstärkt, da Zufriedenheit erst nach Überschreitung einer gewissen Wahrnehmungsschwelle bei Kunden zum Eingehen von Kundenbeziehungen mit einem Unternehmen führt (vgl. Woodruff/Cadotte/Jenkins 1983, S. 299f.). Temporale Isolationsmechanismen entstehen allerdings nicht nur beim Aufbau, sondern auch bei bestehenden Kundenbeziehungen. Denn durch einmal aufgebaute Kundenbeziehungen gewinnt ein Fernsehsender die Möglichkeit, früher Wissen über Präferenzen von Zuschauern zu erlangen und somit zukünftige Fernsehprogramme und andere Güter nach diesen auszurichten. Dadurch wird die Zuschauerzufriedenheit gesteigert, so dass an Zuschauer mit einer bestehenden Kundenbeziehung weitere, durchaus komplexere Erfahrungsgüter im Sinne des cross-selling verkauft werden können (vgl. Bruhn 2009, S. 23). Das Vertrauen wird erhöht, wodurch ein Fernsehsender mit zunehmender Dauer einer Kundenbeziehung weniger signaling betreiben muss bzw. neue Fernsehsender diesen Effekt kompensieren müssen. Demnach ist es in Anlehnung an die Reichweiten-Werbeeinnahmen-Spirale durch den Aufbau von Kundenbeziehungen möglich, dass ein sich selbst verstärkender Prozess im Sinne einer Kundenbeziehung-Einnahmen-Spirale entsteht. Da dies ebenfalls auf Pfadabhängigkeiten deutet, liegen insgesamt sowohl beim Aufbau von Kundenbeziehungen als auch bei bestehenden Kundenbeziehungen starke temporale Isolationsmechanismen vor, welche das Erodieren eines Wettbewerbsvorteils nachhaltig erschweren. Neben temporalen liegen auch kognitive Isolationsmechanismen vor. Denn einerseits begründen die von Multivariabilität gekennzeichneten Ursachen, die das für den Aufbau von Kundenbeziehungen notwendige Vertrauen erzeugen, kausale Vieldeutigkeit. Andererseits erfordert der Aufbau von Kundenbeziehungen eine große und zeitintensive Reorganisation bei Fernsehsendern, welche die Teilnahme des Managements voraussetzen und viele Mitarbeiter involvieren. Dadurch erreichen Kundenbeziehungen neben kausaler Vieldeutigkeit hinsichtlich des organisationalen Aufbaus und Reorganisationsprozesses auch soziale Komplexität. Daher ist das Duplizieren von Kundenbeziehungen für Wettbewerber durch kognitive Isolationsmechanismen erschwert. Zuletzt wird ein Wettbewerbsvorteil aufgrund von Kundenbeziehungen durch strukturelle Isolationsmechanismen nachhaltig geschützt. Nachfrageseitig ist dies damit zu begründen, dass Individuen vor allem dann eine Kundenbeziehung mit einem
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Fernsehsender eingehen, wenn sie dadurch ihr subjektives Kauf- und Konsumrisiko in Form von Fehlentscheidungen verringern, Lerneffekte erzielen und kognitive Dissonanzen vermeiden (vgl. Festinger 1957; Bauer 1967, S. 25f.; Heitmann/ Herrmann 2007, S. 536f.; Bruhn 2009, S. 32). Erstens geht der erwachsende Vorteil für Zuschauer durch Reduktion von funktionalen, finanziellen, physischen, psychologischen und sozialen Kauf- und Konsumrisiken mit dem Aufkommen von Wechselkosten einher. Monetäre Wechselkosten entstehen, wenn eine Kundenbeziehung durch formale Vertragsbindungen wie Abonnements oder die Bereitstellung proprietärer digitaler Empfangsgeräte fixiert wird und Zuschauer somit versunkene Kosten aufwenden (siehe Williamson 1985, S. 61-63). Die dadurch entstehenden monetären Wechselkosten müssen von konkurrierenden Fernsehsendern beim Aufbau einer Kundenbeziehung kompensiert werden. Zweitens generieren Zuschauer mit zunehmender Dauer einer Kundenbeziehung Lerneffekte im Umgang mit den Gütern des Fernsehsenders, wodurch nichtmonetäre Wechselkosten erzeugt werden. Neben Konsumkapital bzgl. der Programminhalte des Fernsehsenders entstehen diese Lerneffekte vor allem zum Abbau der Qualitätsunsicherheit im Umgang mit neuen, durch die Digitalisierung ermöglichten Anwendungen und Gütern, mit welchen die Zuschauer bislang nicht vertraut sind. Drittens ermöglicht eine Kundenbeziehung die Vermeidung kognitiver Dissonanzen. Individuen streben nach einem Gleichgewicht ihres kognitiven Systems, so dass Individuen dazu neigen, sich gegenüber bisherigen Transaktionspartnern loyal zu verhalten und dadurch kognitive Dissonanzen zu vermeiden (vgl. Festinger 1957, S. 3; von Rosenstiel/Ewald 1979, S. 132-136). Kundenbeziehungen anstrebende Konkurrenten müssen anders als der etablierte Fernsehsender den Konsumenten für die Störung seines kognitiven Systems kompensieren. Über diese im Verhalten der Konsumenten liegenden Isolationsmechanismen hinaus werden durch die Gestaltung von Kundenbeziehungen Netzwerkeffekte generiert, wenn die Zuschauer dadurch miteinander in Kommunikation treten können, um sich über Programminhalte auszutauschen. Diese Netzwerkexternalitäten wirken gleichzeitig der Fragmentierung von Zuschauern entgegen und bringen somit weitere Kosteneinsparungen ein. Insgesamt zielen Kundenbeziehungen auf der Nachfrageseite durch den Aufbau von Wechselkosten somit auf die Errichtung von Austrittsbarrieren ab, welche als strukturelle Isolationsmechanismen wirken. Auf der Angebotsseite entstehen strukturelle Isolationsmechanismen im Zusammenhang mit Kundenbeziehungen, da große Fernsehsender basierend auf einem breiten Programmspektrum und weiteren Angeboten mehr Leistungen pro Kunde absetzen. So generieren Fernsehsenderfamilien Größen- und Verbundeffekte und erreichen
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dadurch bessere Kostenstrukturen als Fernsehsender, welche keine Kundenbeziehungen besitzen. Im Falle bereits aufgebauter Kundenbeziehungen generieren Fernsehsender Größeneffekte bei der Gewinnung neuer Kunden. Denn zur Vermeidung kognitiver Dissonanzen in ihrem Umfeld empfehlen Individuen Kundenbeziehungen zu Fernsehsendern weiter, mit denen sie zufrieden sind (vgl. Richins/RootShaffer 1988, S. 34). Diese Mundpropaganda senkt die Kostenstrukturen durch Verringerung der Transaktionskosten beim Aufbau von Kundenbeziehungen im Vergleich zu konkurrierenden Fernsehsendern, welche nicht auf bereits aufgebaute Kundenbeziehungen zurückgreifen können. Die Kostenstruktur wird weiter durch die bereits dargestellten hohen versunkenen Investitionskosten gegenüber neuen Fernsehsendern verändert. Somit liegen auch angebotsseitig strukturelle Isolationsmechanismen zum Schutz von Wettbewerbsvorteilen aus Kundenbeziehungen vor. Insgesamt sind somit Kundenbeziehungen als Ressource von Fernsehsendern aufgrund starker Isolationsmechanismen mit einem langen Lebenszyklus versehen. Etablierte Fernsehsender generieren demzufolge einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch Aufbau und Erhalt von Kundenbeziehungen im digitalen Zeitalter. Das sich aus Schumpeter- und Ricardo-Renten zusammensetzende supranormale Rentenpotenzial ist entsprechend als außerordentlich stark einzuschätzen. Allerdings deutet das auch auf eine Gefahr für etablierte Fernsehsender hin. Denn neu in den Fernsehmarkt eintretende Unternehmen aus der Telekommunikationsindustrie oder auch Breitbandkabeldistributoren verfügen bereits über direkte Kundenbeziehungen, die sie auf den digitalen Fernsehmarkt übertragen können. Entsprechend ist es für etablierte Fernsehsender besonders wichtig, frühzeitig mit dem Aufbau von Kundenbeziehungen im digitalen Zeitalter zu beginnen. Ein Kundenbeziehungsmanagement sollte mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten eines Fernsehsenders verknüpft werden. So sind die Vorteile aus einer Kundenbeziehung mittels Hebeleffekt bspw. auf die Marke, die Produktentwicklung oder die Lernfähigkeit übertragbar. 2.2.
Fähigkeiten
2.2.1. Managementfähigkeiten Entsprechend der Humankapitaltheorie von Becker (1964) gelten Mitarbeiter bzw. Humanressourcen sowie die unternehmensinternen Systeme zu deren Entwicklung als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile (vgl. Pfeffer 1994, S. 14-16; Lado/ Wilson 1994). Da das Management eines Unternehmens die langfristigen Ziele und adäquaten Strategien in Abstimmung mit den Rahmenbedingungen entwirft und umsetzt, kommt diesen hinsichtlich der Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile besondere Relevanz zu (vgl. R.L. Katz 1955; Chandler 1962, S. 383f.). Innerhalb des
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RBV sind es vor allem Castanias/Helfat (1991; 2001) und Adner/Helfat (2003), welche die Fähigkeiten des Managements als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile identifizieren. Dabei umfasst das Management eines Unternehmens neben Vorständen auch Aufsichtsräte, das mittlere und untere Management.83 Es übernimmt innerhalb eines Unternehmens hauptsächlich die Funktionen Planung, Organisation, Aufsicht, Koordination, Controlling, Kommunikation, Analyse, Bewertung und Entscheidungsfindung. In Anlehnung an Yukl (1981, S. 70) setzen sich Managementfähigkeiten aus drei Komponenten zusammen: Managementhumankapital umfasst die einem Individuum immanente und erlernte Leistungsfähigkeit, seine Erfahrungen und sein Wissen. Dabei lässt es sich nach allgemeinen, industriespezifischen, industrieverwandten und unternehmensspezifischen Komponenten differenzieren (vgl. Castanias/Helfat 1991, S. 160; Castanias/Helfat 2001, S. 662f.). Managementsozialkapital beschreibt soziale interne und externe Beziehungen eines Managers, durch welche Informationen gewonnen, Vertrauen aufgebaut und Wohlwollen (goodwill) erreicht werden kann (vgl. Adner/Helfat 2003, S. 1021). Die Überzeugungen, mentalen Modelle und Wertesysteme, anhand derer ein Manager seine Entscheidungen trifft, werden unter Managementerkenntnissen (managerial cognition) subsumiert (vgl. Johnson/Hoopes 2003, S. 1059f.; Adner/Helfat 2003, S. 1021f.). Durch Art und Umfang der Aufgaben beeinflussen Managementfähigkeiten alle anderen Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens. Sie entscheiden darüber, in welchem Maße es einem Unternehmen gelingt, seine Ressourcen und Fähigkeiten kontinuierlich an neue Bedürfnisse anzupassen. Das Management ist auch dafür verantwortlich, verschiedene Ressourcen und Fähigkeiten durch Integration zu einer Kernkompetenz des Unternehmens zu entwickeln. Deshalb stellt das Management eines Fernsehsenders eine Metafähigkeit dar. Als solche ist sie für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen indirekt werthaltig, indem sie mittels anderer Ressourcen und Fähigkeiten die Qualität von Unternehmensleistungen erhöht oder Kosten senkt. Allerdings divergieren einzelne, für die gleichen Aufgaben in Frage kommenden Manager in Umfang und Qualität ihrer Fähigkeiten (vgl. Schoemaker 1990, S. 11851187; Wright/Snell 1991, S. 208-211; Castanias/Helfat 2001, S. 663).84 Unsicherheiten im Wettbewerbsumfeld, wie sie durch die Digitalisierung ausgelöst werden, 83
84
Es existieren je nach Rechtsform des Unternehmens abweichende Bezeichnungen bzw. Funktionen. Pfeffer (1994, S. 33) zufolge liegt die Standardabweichung der Leistungsfähigkeit von Humanressourcen bei 20% vom Durchschnitt.
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stellen Manager vor bisher unbekannte Probleme und Herausforderungen, was zu unterschiedlichen Reaktionen führt (vgl. Adner/Helfat 2003, S. 1012f.). Je größer die Unsicherheit, desto wertvoller sind Managementfähigkeiten für einen Fernsehsender. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Ansprüche an Medienprodukte muss das Management zudem einen effizienten Ausgleich zwischen strukturell-funktionalen Aufgaben und dem für Kreativität notwendigen Freiraum finden (vgl. Redmond 2006, S. 115 & 127). Vor dem Hintergrund dieser Aufgaben und der indirekten Werthaltigkeit für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen ist bei Managementfähigkeiten das Potenzial zur Erzeugung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils gegeben. Auch wenn Manager grundsätzlich einen Fernsehsender verlassen und zu einem Konkurrenten wechseln können, ist die Handelbarkeit von Managementfähigkeiten teilweise nicht gegeben. Denn bei einem Wechsel zwischen zwei Fernsehsendern muss das unternehmensspezifische Humankapital abgeschrieben werden, da es im neuen Fernsehsender keinen Nutzen stiftet. So verlieren bspw. die erhöhte Leistungsfähigkeit im Zusammenspiel mit einem Managementinformationssystem, Erfahrungen hinsichtlich Art und Weise zur Überwindung unternehmensinterner Hindernisse bei der Implementierung neuer Strategien oder das Wissen über verborgene Wissensquellen innerhalb des Fernsehsenders bei einem Unternehmenswechsel ihren Wert. Somit stellt die Verfügbarkeit von mit dem Unternehmen erfahrenen Managern eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Fernsehsenders dar, welche nicht kurzfristig auf dem strategischen Faktormarkt erworben werden kann (siehe Penrose 1985, S. 8). Somit liegt bei Managementfähigkeiten Idiosynkrasie vor, wodurch ein etablierter Fernsehsender Pareto-Renten generieren kann. Neben der Nicht-Handelbarkeit unternehmensspezifischer Komponenten des Managementhumankapitals ist die Handelbarkeit sowohl der restlichen Komponenten als auch von Managementsozialkapital und -erkenntnissen eingeschränkt. Dies liegt daran, dass etablierte Fernsehsender hinsichtlich Rekrutierung, Fortentwicklung, Nutzung und Bezahlung von Managern neuen Fernsehsendern überlegen sind. Erstens ist eingeschränkte Handelbarkeit von Managementfähigkeiten darauf zurückzuführen, dass Fernsehsender hinsichtlich der Bildung von aus daraus erwachsenden Erwartungswerten divergieren. Durch die Digitalisierung treten neben die herkömmlichen Anforderungen an die Manager eines Fernsehsenders neue Aufgaben hinzu. Aufgrund ihrer Erfahrungen sind etablierte Fernsehsender neuen darin überlegen, den produktiven Nutzen eines Managers sowie die in Zukunft nötigen Fähigkeiten eines Managers abzuschätzen (vgl. Castanias/Helfat 2001, S. 669f.). Dadurch sind etablierte Fernsehsender durch Informationsasymmetrien bei Rekrutierung neuer Manager überlegen.
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Zweitens divergieren Erwartungswerte zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern aufgrund besserer Entwicklungssysteme für Humanressourcen. Etablierte Fernsehsender können ihren zeitlichen Vorsprung nutzen, um Erfahrungen im Bereich der Entwicklung von Managern zu generieren. So kann ein neu in einen etablierten Fernsehsender eintretender Manager schneller das notwendige unternehmens- und ggf. auch industriespezifische Managementhumankapital aufbauen. Durch Kooperationsprogramme mit Unternehmen anderer Wertschöpfungsstufen kann er Aufsichtsratspositionen in diesen Unternehmen übernehmen und somit sein Managementsozialkapital erhöhen. Dadurch kann ein Manager sein Potenzial für einen etablierten Fernsehsender effizienter als bei einem neuen Fernsehsender entfalten, welcher solche Entwicklungssysteme noch nicht institutionalisiert hat. Auf diese Weise gelingt es einem etablierten Fernsehsender besser, Managementnachwuchskräfte zu gewinnen. Insbesondere durch strukturierte Karrierepfade, welche bspw. mit einem Traineeprogramm beginnen, einen Auslandsaufenthalt vorsehen und zu ersten Erfahrungen auf Ebene des Mittelmanagements führen, erleichtern die Rekrutierung von Nachwuchskräften. So können u.a. durch Kooperationen mit Universitäten spezielle auf das Management von Fernsehsendern zugeschnittene Fortbildungsprogramme installiert werden, durch welche Nachwuchskräfte schneller Aufgaben auf Ebene des Top-Managements übernehmen können. Drittens divergieren Erwartungswerte, wenn Fernsehsender Komplementaritäten mit hinzukommenden Managementfähigkeiten entfalten können, welche bei Konkurrenten nicht entstehen. Etablierte Fernsehsender, welche größer sind als neue Konkurrenten, bieten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass neu hinzukommende Managementfähigkeiten auf bestehende treffen, welche komplementär zueinander sind. Durch Zusammenführung entfaltet ein neuer Manager mittels Externalitäten einen höheren Erwartungswert als bei einem kleinen Fernsehsender. Etablierte Fernsehsender, welche diversifizierter sind als neue Konkurrenten, bieten hinzukommenden Managern mehr Möglichkeiten zur Entfaltung und Anwendung ihrer Fähigkeiten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Manager industrieverwandtes Managementhumankapital besitzt, welches ein kleiner Fernsehsender nur unter Aufwendung versunkener Kosten bspw. zum Aufbau einer Produktionsabteilung nutzen kann. In diesem Falle liegen Komplementaritäten zwischen der Breite des Fernsehsenders und den neu hinzukommenden Managementfähigkeiten vor. Viertens können Erwartungswerte von Managementfähigkeiten auch mittels Bezahlung von Managern zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern auseinander fallen. Grundsätzlich existieren Anreize für Manager, sich zumindest teilweise diejenigen Renten anzueignen, welche durch ihre Fähigkeiten erzeugt werden. Für
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Fernsehsender besteht der Anreiz, Manager an der Rentengenerierung des Unternehmens partizipieren zu lassen, so dass diese ihre individuellen Fähigkeiten vollständig zum Wohle des Unternehmens einsetzen. Dies geschieht bei Vertragsverhandlungen häufig durch variable Einkommensbezüge, die an den Unternehmenserfolg gekoppelt sind. Bei prozentual gleicher Beteiligung eines Managers am Erfolg eines Fernsehsenders ist das Einkommen des großen Fernsehsenders ceteris paribus höher. Diese Differenz kann der große Fernsehsender zu prozentual kleineren variablen Einkommensbezügen nutzen, ohne sich dadurch absolut schlechter zu stellen als der kleine Konkurrent. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung sind aus Sicht von Fernsehsendern insbesondere langfristige Anreizsetzungen gegenüber Managern wichtig, damit das Management zukunftsträchtige Entscheidungen trifft. Solche langfristigen Anreizsetzungen mittels variabler Einkommensbezüge setzen allerdings ein gutes Controlling voraus (vgl. Pfeffer 1994, S. 55-57), was vor allem bei großen etablierten Fernsehsendern bereits aufgebaut wurde. Durch valide Messung der Leistung eines Managers und darauf basierender leistungsbezogener Entlohnung zieht der etablierte Fernsehsender besonders leistungsstarke Manager an. Infolgedessen generiert der etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter einen höheren Erwartungswert als neue Konkurrenten. Zuletzt profitiert ein Manager von dem Arbeitsverhältnis mit einem etablierten Fernsehsender, falls dieser z.B. eine hohe Reputation als angesehener Arbeitgeber besitzt. Denn dadurch wird das Arbeitsverhältnis quasi zu einer Auszeichnung und somit einem nicht-monetären Einkommensbestandteil für den Manager, weshalb er in gleichem Maße auf monetäre Bezüge verzichten sollte, um zumindest indifferent gegenüber Alternativangeboten zu sein, bei welchen keine Reputationsübertragung vom Unternehmen auf seine Person stattfindet. Etablierte Fernsehsender, welche diese Reputation in der Vergangenheit bereits aufbauen konnten, profitieren von geringeren Kosten und somit höheren Erwartungswerten im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Managern. Somit liegen in Bezug auf Managementfähigkeiten aufgrund von Heterogenität der Erwartungswertbildung und vor allem aufgrund von heterogenen Erwartungswerten Wettbewerbsvorteile bei etablierten Fernsehsendern vor, welche zu SchumpeterRenten führen. Dieser Wettbewerbsvorteil kann nachhaltig beibehalten werden, falls Managementfähigkeiten durch Isolationsmechanismen vor Duplikation geschützt werden. Während Managementfähigkeiten allerdings per definitionem nicht imitiert werden können (vgl. Penrose 1959, S. 59), besteht die Möglichkeit zur Substitution der Fähigkeiten eines Managers durch Einsatz eines anderen, der die gleichen
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Fähigkeiten bereits besitzt und dem Unternehmen beitritt oder die notwendigen Managementfähigkeiten erlernt. Zum Aufbau der meisten Managementfähigkeiten müssen Manager Zeit investieren. Denn diese werden vor allem durch Anwendung (learning by doing) und persönliche Erfahrungen gebildet (vgl. R.L. Katz 1955, S. 40), was auf Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression deutet. Etablierte Fernsehsender können davon aufgrund ihres zeitlichen Vorsprungs profitieren, wenn sie frühzeitig bei der Rekrutierung von Managern auf die Bedienung von Ansprüchen wie den Fähigkeiten zum Veränderungsmanagement achten, die durch die Digitalisierung heranwachsen. Bindet ein etablierter Fernsehsender diese Manager frühzeitig durch langfristige Verträge, wirken die Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression beim Aufbau der Fähigkeiten als Schutzmechanismus des daraus erwachsenden Wettbewerbsvorteils. Konkurrierende Fernsehsender können die gleichen Managementfähigkeiten nur unter Investition von Zeit substituieren.85 Diesen Effekt der frühzeitigen Aneignung der besten Managementfähigkeiten kann ein etablierter Fernsehsender durch unternehmensinterne Systeme zur Entwicklung von Managementfähigkeiten verstärken. Durch Weiterbildungsangebote, welche zumindest teilweise auf den Aufbau unternehmensspezifischen Wissens spezialisiert sind, können Mitarbeiter an den Fernsehsender gebunden werden (vgl. Huselid 1995, S. 656f.). Im Zeitablauf werden somit Manager durch Spezialisierung im Umgang mit bestimmten Ressourcen und Fähigkeiten des Fernsehsenders effizienter oder effektiver. Somit werden Wettbewerbsvorteile etablierter Fernsehsender aus Managementfähigkeiten durch temporale Isolationsmechanismen geschützt. Kausale Vieldeutigkeit ist gegeben, da Managementfähigkeiten zum größten Teil implizites Wissen darstellen, welches aufgrund seines Charakters für Konkurrenten kaum einsehbar und nur erschwert duplizierbar ist (vgl. Castanias/Helfat 1991, S. 162). Darüber hinaus sind die Fähigkeitsbestandteile eines einzelnen Managers, d.h. Managementhumankapital, -sozialkapital und -erkenntnisse, interdependent verbunden (vgl. Adner/Helfat 2003, S. 1022f.): Das durch gemachte Erfahrungen angehäufte Humankapital prägt Erkenntnisse, während diese das Erlernen neuen Humankapitals positiv beeinflussen. Erkenntnisse erleichtern den Aufbau von zu Sozialkapital führenden sozialen Beziehungen, während die dadurch gewonnenen Informationen wiederum Erkenntnisse beeinflussen. Außerdem kann ein Manager mit hohem 85
Eine Sonderolle spielen in diesem Zusammenhang die Pfadabhängigkeiten bei innovativen Unternehmern im Sinne von Schumpeter (1934, S. 74-94) wie Steve Jobs von Apple Inc. oder Rupert Murdoch von News Corporation, welche über einen langen Zeitraum mit einem Unternehmen verbunden sind und deshalb als knapp gelten (vgl. Lado/Wilson 1994, S. 706).
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Bestand an Sozialkapital wertvolle Informationen erlangen, durch welche er sein Humankapital steigern kann, während ein originär hoher Humankapitalbestand bei der Bildung von sozialen Beziehungen hilfreich ist. Aufgrund des impliziten Charakters und den Interdependenzen des Wissens besteht bei Managementfähigkeiten kausale Vieldeutigkeit. Diese fällt umso größer aus, je größer der Unterschied zwischen den Managementfähigkeiten des etablierten Fernsehsenders und des konkurrierenden Fernsehsenders ist. Denn je höher die Fähigkeiten im etablierten Fernsehsender sind, desto besser kann ein Manager des Fernsehsenders die psychologischen und organisationalen Verzerrungen bewältigen, welchen er bei Informationsaufnahme und Entscheidungsfindung unterliegt (vgl. Shimizu/Hitt 2004, S. 45f.). Dadurch werden die Zusammenhänge zwischen strategischen Maßnahmen des Managers und dem Unternehmenserfolg für Außenstehende schwerer abschätzbar. Neben dieser aus den Fähigkeiten einzelner Manager entstehenden kausalen Vieldeutigkeit liegt aufgrund der Zusammenarbeit einzelner Manager in Gruppen wie dem Vorstand einer Aktiengesellschaft soziale Komplexität vor. Denn sind die innerhalb eines Fernsehsenders zusammengeführten Managementfähigkeiten komplementär, ist das Duplizieren der sozialen Beziehungen und somit das Erodieren des Wettbewerbsvorteils des etablierten Fernsehsenders für konkurrierende Unternehmen nur erschwert möglich. Insbesondere die in sozial komplexen Interaktionen stattfindenden kontinuierlichen Lernprozesse (double-loop learning) beeinflussen die Entwicklung unternehmensspezifischen Wissens, durch welches Manager Routinen und Grundannahmen in Frage stellen und kontinuierlich anpassen (vgl. Hamel/Prahalad 1993, S. 76; Lado/Wilson 1994, S. 706). Somit erzeugt neben kausaler Vieldeutigkeit auch soziale Komplexität im Zusammenhang mit Managementfähigkeiten kognitive Isolationsmechanismen, welche es Konkurrenten erschweren, den Wettbewerbsvorteil eines etablierten Fernsehsenders zu duplizieren. Strukturelle Isolationsmechanismen auf der Nachfrageseite zum Schutz vor Duplikation von Managementfähigkeiten liegen bei Zuschauern nicht vor, da sie in der Regel nicht mit einzelnen Managern oder dem Management in Kontakt treten, sondern mit ausgewählten Vertretern der operativen Unternehmensebene. Ausnahmen bestehen allerdings im Zusammenhang mit Managern wie Rupert Murdoch von News Corporation, welcher im Sinne der Theorie der Superstars (siehe Rosen 1981; Adler 1985) besondere Aufmerksamkeit genießt, da er für Zuschauer zur Unsicherheitsreduktion und zur Generierung von Lerneffekten dient. Bei werbetreibenden Unternehmen können allerdings spezifische Lernprozesse im Umgang mit bestimmten Managern des Fernsehsenders oder versunkene Kosten zum Aufbau von Vertrauen Wechsel-
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kosten induzieren. Dennoch sind die nachfrageseitigen strukturellen Isolationsmechanismen bei Managementfähigkeiten nur schwach ausgeprägt. Im Gegensatz dazu fungieren unterschiedliche Kostenstrukturen zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern auf der Angebotsseite als strukturelle Isolationsmechanismen für Managementfähigkeiten. Ein etablierter Fernsehsender und dessen Manager investieren durch Bereitstellung von und Partizipation an Entwicklungsmaßnahmen versunkene Kosten. Diese fallen für den Manager umso höher aus, je größer der Anteil des unternehmensspezifischen Wissens ausfällt, welches durch die Maßnahmen vermittelt wird. Aufgrund des Verlusts dieses unternehmensspezifischen Wissens im Falle eines Unternehmenswechsels müssen Fernsehsender, die einen Manager abwerben möchten, entsprechend der Risikoneigung von Managern Risikoprämien bezahlen, welche der etablierte Fernsehsender nicht aufwenden musste (vgl. Harris/Helfat 1997, S. 899f.). Neben diesem vor allem auf das Managementhumankapital zielenden Hebel führen auch Netzwerkbeziehungseffekte zu anderen Unternehmen der Fernsehindustrie, welche etablierte Fernsehsender durch in der Vergangenheit aufgebautes Vertrauen erringen konnten, zu unterschiedlichen Kostenstrukturen. Denn dadurch erleichtern etablierte Fernsehsender ihren Managern bspw. das Erlangen von Aufsichtsratsposten, wodurch diese Zusatzverdienstmöglichkeiten erlangen und ihr Managementsozialkapital erhöhen können. Aufgrund dieser Vorteile für den Manager erreicht der etablierte Fernsehsender eine bessere Kostenstruktur durch geringere zu zahlende Einkommen als ein Fernsehsender ohne Netzwerkbeziehungseffekte. Ein etablierter Fernsehsender erreicht auch dann eine bessere Kostenstruktur, wenn er aufgrund seiner Größe Arbeitsplatzgarantien aussprechen oder durch interne Arbeitsmärkte Möglichkeiten zur Veränderung eines Managers innerhalb des Unternehmens bieten kann. Denn dadurch sinkt der Anreiz für Manager, das Unternehmen zu verlassen. Der Fernsehsender profitiert von einem niedrigeren zu zahlenden Einkommen und einem geringeren Verlust unternehmensspezifischen Wissens. Ein etablierter Fernsehsender kann bei der Gestaltung variabler, mit dem Unternehmenserfolg verknüpfter finanzieller Anreize Größeneffekte generieren. Diese variieren anhand der Unternehmensgröße, weshalb große Fernsehsender durch prozentual geringere variable Einkommensbezüge das gleiche Einkommen wie ein kleiner Fernsehsender erreichen kann. Zuletzt fallen bei Managementfähigkeiten und deren Entwicklung innerhalb eines Fernsehsenders auch Erfahrungseffekte an, wodurch ein etablierter Fernsehsender die Kosten der Humanressourcenbeschaffung und -entwicklung gegenüber neuen Fernsehsendern senken kann (vgl. Koch/McGrath 1996, S. 340f.). Insgesamt wird somit deutlich, dass aus Managementfähigkeiten
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erwachsende Wettbewerbsvorteile durch angebotsseitige strukturelle Isolationsmechanismen nachhaltig vor Duplikation durch Wettbewerber geschützt werden. Managementfähigkeiten als Metafähigkeit etablierter Fernsehsender können zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil im digitalen Zeitalter führen. Davon profitieren vor allem Fernsehsender, welche frühzeitig mit dem Aufbau eines Systems zur Entwicklung von Humanressourcen beginnen. Die robuste Stärke des supranormalen Rentenpotenzials ergibt sich neben Pareto- und Schumpeter- auch aus RicardoRenten. Ein solches System zur Entwicklung von Humanressourcen sollte insbesondere auf die Vermittlung unternehmensspezifischen Wissens fokussieren, um die Gefahr zu senken, dass konkurrierende Fernsehsender als Trittbrettfahrer agieren. Die Bindung eines Managers kann neben der Bildung von unternehmensspezifischem Wissen auch durch andere Fähigkeiten wie die Unternehmenskultur erhöht werden. Bei etablierten Fernsehsendern besteht als große Unternehmen die Gefahr, dass interne Widerstände und Rigiditäten gegen Innovationen im Sinne Schumpeters' (1950, S. 134-142) vorliegen (vgl. Chadwick/Dabu 2009, S. 263). Im Vergleich zu einem kleinen neuen Fernsehsender können daher die Aufgaben des Managements in einem etablierten Fernsehsender erschwert sein bzw. erhöhte Managementfähigkeiten notwendig sein. Zur Lösung beider Probleme – mangelnde Bindung von Managern und erhöhte Komplexität der Managementaufgaben in einem großen Fernsehsender – bietet sich u.a. die Verknüpfung der Managementfähigkeiten mit der Lernfähigkeit eines Fernsehsenders an (vgl. Wright/Dunford/Snell 2001, S. 713f.). Denn während die Breite der Unternehmenstätigkeit eines Fernsehsenders eine erhöhte Breite der Manager und somit der Managementfähigkeiten erlaubt, kann die Vielfalt der Wissensquellen nur genutzt werden, wenn das Unternehmen mittels Wissensmanagement relevantes Wissen effizient zusammenführt. 2.2.2. Kreative Talente Auch wenn keine einheitliche Definition existiert, gilt Kreativität als notwendige Voraussetzung zum Betrieb eines Unternehmens, welches sich mit den Inhalten von Medien beschäftigt (vgl. Bryant/Throsby 2006, S. 510f.). Dabei herrscht Einigkeit dahingehend, dass Kreativität eine individuelle Aktivität ist, welche durchaus in gemeinsame Aktivitäten einfließt, und Originalität erzeugt (vgl. Towse 2006, S. 878). Dabei sind es ausgewählte Individuen, die Kreativität besitzen.86 Diese kreativen Talente umfassen im Kontext von Fernsehsendern neben Schauspielern wie Jennifer Aniston und Moderatoren wie Stefan Raab in erster Linie auch Regisseure, Kompo86
Alternativ kann man auch von einem Kreativitätskontinuum ausgehen, in welchem ein Individuum ab einem bestimmten Wert als kreatives Talent gilt.
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nisten und Drehbuchautoren. Diese als humane Inputfaktoren im Produktionsprozess von Programminhalten fungierenden kreativen Talente können mittels des medialen Hebels, welcher die Abhängigkeit von Raum- und Zeitgrenzen aufhebt, zu Superstars werden (vgl. Rosen 1981, S. 847; Franck 2001, S. 59). Rosen (1981, S. 846) geht von der Annahme objektiv messbarer Qualitätsunterschiede zwischen kreativen Talenten aus, welche das Entstehen von Superstars erklären. Im Gegensatz dazu müssen aufgrund der Berücksichtigung von Konsumkapital bei Adler (1985, S. 208) keine Unterschiede im Talent existieren, damit ein kreatives Talent gegenüber einem anderen mit gleichem Leistungsvermögen zu einem Superstar wird.87 Exorbitant hohe Einkommen signalisieren die Existenz von Renten im Zusammenhang mit Superstars. Es ist deshalb neben dem Rentenpotenzial von Superstars im digitalen Zeitalter auch zu analysieren, wie sich ein etablierter Fernsehsender durch Entwicklung eines kreativen Talents zum Superstar einen überdurchschnittlichen Anteil an diesen Renten aneignen kann. Anders als bei Managern und allgemeinen Humanressourcen eines Unternehmens lässt sich die Humankapitaltheorie von Becker (1964) nicht auf kreative Talente anwenden (siehe Towse 2006). Diese Andersartigkeit kreativer Talente drückt sich darin aus, dass sie wie andere Humanressourcen auch ein hohes Maß an Motivation zu produktivem Verhalten benötigen, sich die Art und Weise der Motivation allerdings signifikant von der bei anderen Mitarbeitern unterscheidet. Es müssen vielmehr intrinsische Ansprüche bspw. durch Zusicherung der Namensnennung an einer bestimmten Stelle im Abspann eines Films oder durch Gewährung eines gewissen Freiraums zur Entfaltung und Umsetzung eigener Ideen befriedigt werden (vgl. Caves 2002, S. 107; Redmond 2006, S. 119). Durch die Digitalisierung verändert sich das Verhältnis zwischen kreativen Talenten und Fernsehsendern. Einerseits werden aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs die ökonomischen Zwänge auf kreative Talente größer (vgl. Redmond 2006, S. 125). Andererseits sind die kreativen Talente anders als im analogen Zeitalter nicht mehr nur auf die wenigen großen Fernsehsender angewiesen, da im digitalen Zeitalter eine zunehmende Auswahl für kreative Talente entsteht. Durch den intensivierten Wettbewerb wird die Beschaffung kreativer Talente erschwert, weshalb Fernsehsender strategische Personalbeschaffung und -bindung betreiben sollten, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren und durch kreative Talente supranormale Renten zu generieren.
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Neben der Theorie der Superstars, die mittels eines gewissen kreativen Leistungsvermögens von Individuen das Entstehen von Superstars erklärt, können auch Berühmtheiten (celebreties) produziert werden, deren Leistungsfähigkeit jedoch trivial ist (vgl. Franck/Nüesch 2007, S. 211).
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Kreative Talente erzeugen im Fernsehen Wert, da Medienprodukte grundlegend auf humaner Kreativität basieren. Sie bringen Innovationen hervor und erzielen somit Bedürfnisbefriedigung bei Zuschauern und werbetreibenden Unternehmen. Neben dieser originären Werthaltigkeit von kreativen Talenten erzeugen diejenigen zusätzlichen Wert, welche mittels des medialen Hebels zu Superstars werden. Ex ante übernehmen Superstars mit Reputation für gute Qualität das screening zur Minderung der Qualitätsunsicherheit bei Medienprodukten. Sie sind in die Produktgestaltung involviert und übertragen dadurch ihre Reputation auf das zu erzeugende Produkt. Während der Produktion bringen sie ihre eigene Leistungsfähigkeit mit ein und übernehmen somit auch die Funktion des signaling. Die Popularität von Superstars erhöht im Sinne von Fokalpunkten (vgl. Schelling 1960, S. 57) ex post die Aufmerksamkeit für das Produkt und erleichtert somit Konsumenten den Aufbau von Konsumkapital (vgl. Franck 2001, S. 62f.). So ist durch den Einsatz von Superstars der größere Erfolg von Filmen gegenüber Filmen ohne Superstars zu erklären (vgl. Albert 1998). Auch wenn werbetreibende Unternehmen bereits indirekt von Superstars profitieren, indem sie durch die erhöhte Aufmerksamkeit für einen bestimmten Programminhalt weniger Streuverluste bei der Werbung erleiden, erzeugen Superstars auch direkten Wert für werbetreibende Unternehmen. So kann deren Reputation nicht nur durch Werbung während eines Programminhalts auf die Güter der werbetreibenden Unternehmen übertragen werden, sondern auch durch Einsatz eines Superstars als Werbeträger. Somit wird deutlich, dass kreative Talente grundsätzlich das Potenzial für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für Fernsehsender aufweisen. Dieses Potenzial kann allerdings nicht durch Idiosynkrasie dem Handel auf dem strategischen Faktormarkt entzogen und in einen Wettbewerbsvorteil umgemünzt werden. Denn kreative Talente können den Fernsehsender wechseln und ihre kreative Leistungsfähigkeit vollständig übertragen. Allerdings kann die Handelbarkeit eingeschränkt sein, da Fernsehsender sich hinsichtlich der Entfaltung des Kreativitätspotenzials einzelner Talente unterscheiden. Einerseits kann ein Wettbewerbsvorteil vorliegen, da die Erwartungswertbildung eines etablierten Fernsehsenders aufgrund von Erfahrungsvorsprüngen zur Verringerung der Informationsasymmetrien der eines neuen Fernsehsenders überlegen ist. Andererseits differieren die Erwartungswerte aus kreativen Talenten zwischen etablierten und neuen Fernsehsendern aufgrund von Risikoreduktion durch Unternehmensgröße und Talentpooling, Entwicklungssysteme, Komplementaritäten sowie Verhandlungsmacht aufgrund des Status als gatekeeper auf dem Arbeitsmarkt für kreative Talente.
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Bei kreativen Talenten sind wie generell bei Humanressourcen Differenzen in der Leistungsfähigkeit zu vermuten. Insbesondere in den frühen Lebensjahren eines Talents sind die Kreativitätspotenziale nicht vollständig absehbar. Einem Fernsehsender, welcher bereits Erfahrung in der Beurteilung und Entwicklung von kreativen Talenten erworben hat und durch langjährigen Umgang mit kreativen Talenten deren Popularitätspotenzial besser abschätzen kann, ist es möglich, von diesen Erfahrungen in Form von Reduktionen der Informationsasymmetrien zu profitieren. Dadurch sind Erwartungswerte genauer kalkulierbar, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Fehlgriffen im Vergleich zu neuen und im Umgang mit kreativen Talenten unerfahrenen Fernsehsendern gesenkt wird. Neben dieser Reduktion der Unsicherheit bei der Erwartungswertbildung profitieren etablierte Fernsehsenderfamilien von höheren Erwartungswerten, da sie aufgrund ihrer Unternehmensgröße mehr kreative Talente unter Vertrag nehmen können und diese besser entsprechend ihrer individuellen Stärken bzw. Kreativitätspotenzialen einsetzen können. Der Arbeitsmarkt für kreative Talente ist durch ein Überangebot gekennzeichnet, was einer empirischen Studie von Withers (1985, S. 292) zufolge in Australien zu einem im Durchschnitt 42% geringeren Einkommen eines kreativen Talents im Vergleich zum durchschnittlichen australischen Arbeitnehmer führt. Neben diesen geringen Erwartungswerten ist das zukünftige Einkommen kreativer Talente durch eine sehr hohe Varianz zwischen Superstareinkommen und dem eines durchschnittlichen kreativen Talents charakterisiert. Deshalb sehen sich kreative Talente einer sehr großen Unsicherheit über den zukünftigen ökonomischen Erfolg ausgesetzt. Diesen Umstand können sich große Fernsehsender in einer Art Versicherungssystem zugute machen. Denn aufgrund des hohen Grades intrinsischer Motivation gibt ein gewisses Grundeinkommen kreativen Talenten mehr Freiraum zur Entwicklung und Entfaltung ihrer Ideen (vgl. Throsby 1992, S. 205f.). Durch Pooling einer größeren Anzahl kreativer Talente kann ein etablierter Fernsehsender die Varianz senken und jedem kreativen Talent ein gewisses Grundeinkommen bieten. Bspw. nimmt der Fernsehsender zehn junge Schauspieler unter Vertrag, von denen ex ante nicht bekannt ist, wie sehr sie ihr Kreativitätspotenzial in ökonomischen Erfolg umwandeln können. Entwickelt sich nur einer von ihnen zu einem Superstar mit exorbitant hohem Einkommen, während die anderen lediglich den Status eines durchschnittlichen Schauspielers erlangen, kann der Fernsehsender durch Einbehalt eines gewissen Anteils des Superstareinkommens die Einkommen der durchschnittlichen Schauspieler erhöhen. Im Ergebnis besitzen die Schauspieler durch den Vertrag mit dem Fernsehsender einen geringeren Erwartungswert, wenn der Fernsehsender aus
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dem Anteil des einbehaltenen Superstareinkommens Renten generiert. Allerdings würde sich die Untergrenze des Einkommens erhöhen und sich das für den einzelnen Schauspieler mit geringer Wahrscheinlichkeit zu erreichende Superstareinkommen nur geringfügig verringern, aber dennoch im Vergleich zum Durchschnittseinkommen exorbitant höher ausfallen. Große Fernsehsender profitieren von der angebotenen Breite von Programminhalten. Durch das Angebot verschiedener Programmkategorien erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Potenzial eines kreativen Talents entfaltet. Entsprechend seiner Zielgruppenaffinität kann ein kreatives Talent eher in auf einzelne Zielgruppen ausgerichteten Spartenprogrammen oder in Vollprogrammen mit einer erhöhten Breite an Zielgruppen eingesetzt werden. Einer Fernsehsenderfamilie bietet sich die Möglichkeit, den kreativen Talenten auf den mit kleineren Zuschauerzahlen versehenen Sendern Freiraum zur Entfaltung innovativer Ideen zu geben. Dadurch erhöht sich – ebenso wie durch das Talentpooling – der aus einem kreativen Talent entspringende Erwartungswert für einen großen etablierten Fernsehsender gegenüber einem neuen Fernsehsender. Auch wenn kreative Talente ein gewisses Maß an Kreativitätspotenzial mitzubringen haben, hängt es von internen Entwicklungsmaßnahmen eines Fernsehsenders ab, wie sehr sich dieses Potenzial entfaltet. Dazu zählen neben der Entwicklung von Kreativitätsfähigkeiten auch der Auswahlprozess und die Erzeugung von individuellen Netzwerkbeziehungen (vgl. Blaug 1985, S. 18-23). Ein Fernsehsender mit mehreren unter Vertrag stehenden kreativen Talenten hat einen höheren Anreiz, professionelle Entwicklungsmaßnahmen anzubieten und bietet erhöhte Möglichkeiten zur Netzwerkbildung. In Kombination mit einem verbesserten Auswahlverfahren erzielt ein solches Entwicklungssystem eine höhere Effizienz bei kreativen Talenten, wodurch der Erwartungswert des etablierten Fernsehsenders den eines Fernsehsenders mit schlechteren Auswahlverfahren und Entwicklungssystemen übersteigt. Der Erwartungswert eines kreativen Talents hängt neben der Entwicklung seiner Fähigkeiten maßgeblich von dem bei den Zuschauern vorhandenen Konsumkapital ab. Lernprozesse zum Aufbau von Konsumkapital für ein kreatives Talent werden durch Konsum, Informationen und Kommunikation erzeugt (vgl. Adler 1985, S. 209; Adler 2006, S. 898). Bei der Nutzung eines kreativen Talents liegen somit Komplementaritäten sowohl zwischen verschiedenen kreativen Talenten eines Fernsehsenders als auch mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten des Fernsehsenders vor. Wird ein neuer Moderator mit einem erfahrenen Autor kombiniert, überträgt sich das Talent des im Hintergrund agierenden Autors auf den vor der Kamera stehenden Moderator. Kleinere Schauspielrollen an der Seite eines Superstars dienen einem
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neuen kreativen Talent dazu, erstmalig konsumiert zu werden. Andererseits kann ein Fernsehsender mit hohen Zuschauerzahlen auch durch lead-in- und lead-out-Effekte zwischen einem Programminhalt mit einem Superstar und einem Programminhalt mit einem neuen kreativen Talent den Konsum des kreativen Talents begünstigen. Durch Berichte in anderen Fernsehsendungen wie einem Starmagazin kann der Fernsehsender über das kreative Talent informieren oder durch spezifische Gruppen im Internet die Suche nach Kommunikationsgelegenheiten vereinfachen; letztere sind mittels Kundenbeziehung auch via Fernsehübertragung herzustellen. Somit kann ein etablierter Fernsehsender eine bereits etablierte Marke oder seine Produktentwicklungsfähigkeit zur Steigerung der Erwartungswerte verwenden, die aus neuen kreativen Talenten erwachsen. Da sich der zeitliche Vorsprung etablierter Fernsehsender zu Anfang der Digitalisierung auch in Variation des medialen Hebeleffekts zwischen großem und kleinem Fernsehsender niederschlägt, besitzt ein etablierter Fernsehsender den Status als gatekeeper auf dem Arbeitsmarkt für kreative Talente. Von einem solchen Fernsehsender versprechen sich kreative Talente einen Schub für ihre Karriere, welcher bei keinem anderen Fernsehsender möglich ist. Dieser Status führt zu einer verbesserten Verhandlungsposition des etablierten Fernsehsenders und einem ruinösen Wettbewerb zwischen kreativen Talenten (vgl. Adler 2006, S. 899). Dadurch kann der etablierte Fernsehsender im Vergleich zu anderen Fernsehsendern ein geringeres Einkommen bezahlen und sich dadurch die Renten aneignen, die aus der Nutzung des kreativen Talents entspringen. Der Erwartungswert des Fernsehsenders aus einem kreativen Talent hängt somit entscheidend von seiner Verhandlungsmacht ab. Aufgrund bereits aufgebauter Ressourcen wie der Reputation und bereits gesammelter Erfahrungen im Aufbau von Superstars ist der Erwartungswert bei etablierten Fernsehsendern größer als bei neuen Fernsehsendern (vgl. Franck/Nüesch 2007, S. 223f.). Insgesamt können somit kreative Talente einen Wettbewerbsvorteil etablierter Fernsehsender begründen. Imitierbarkeit kreativer Talente via Reproduktion ist ausgeschlossen, so dass der Wettbewerbsvorteil eines etablierten Fernsehsenders aufgrund von heterogenen Erwartungswertbildungen und Erwartungswerten nur dann durch einen Konkurrenten erodiert, wenn kreative Talente substituierbar sind. Vor diesem Hintergrund ist zu überprüfen, ob ein einmal aufgebauter Stock an kreativen Talenten durch temporale, kognitive und strukturelle Isolationsmechanismen geschützt ist. Temporal wird ein Wettbewerbsvorteil durch das mit dem kreativen Talent bzw. seinen Werken verbundene Konsumkapital geschützt (vgl. Stigler/Becker 1977). Es
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besteht aus Personalkapital, welches durch Konsum aufgebaut wird, und Sozialkapital, das ein Individuum durch Kommunikation mit anderen Individuen generiert (vgl. Pies 1998, S. 22-24). Der Nutzen eines kreativen Talents ist durch steigenden Grenznutzen des Konsums gekennzeichnet und erfordert daher die Investition von Zeit (vgl. Adler 1985, S. 210). Konsumkapital basiert auf in der Vergangenheit akkumuliertem Konsum, was auf Pfadabhängigkeiten deutet. Darüber hinaus ist das zeitliche Medienbudget eines Zuschauers beschränkt. Da der Konsum bereits bekannter kreativer Talente kurzfristig einen höheren Nutzen stiftet, verwendet ein Zuschauer zur langfristigen Nivellierung des Konsumnutzens nur einen relativ geringen Teil seiner knappen Zeitkapazitäten für unbekannte kreative Talente (vgl. Adler 1985, S. 208). Dadurch unterliegt ein neuer Fernsehsender selbst bei einem mit überlegener Leistungsfähigkeit ausgestatteten kreativen Talent und bei Verknüpfung mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten Ineffizienzen der Zeitkompression. Der Aufbau von Konsumkapital für ein kreatives Talent ist seitens des Fernsehsenders mit einem hohen finanziellen Risiko versehen. Da er diese Investitionen mindestens amortisieren möchte, schließt der Fernsehsender restriktive Verträge mit dem kreativen Talent (vgl. Franck/Nüesch 2007, S. 215). Auch wenn viele kreative Talente aufgrund des Status eines etablierten Fernsehsenders als gatekeeper dazu neigen, sich einem solchen Vertrag zu beugen, setzt dies Vertrauen voraus. Denn der Fernsehsender kann sich nach Vertragsabschluss opportunistisch verhalten. Fernsehsender, die Vertrauen in ihre Integrität in der Vergangenheit erzeugen konnten, profitieren von Ineffizienzen der Zeitkompression beim Aufbau dieses Vertrauens. Sie erlangen somit erleichterte Beschaffung und erhöhte Bleiberaten von kreativen Talenten. Diese temporalen Isolationsmechanismen schützen den auf einem kreativen Talent beruhenden Wettbewerbsvorteil nachhaltig.88 Neben diesem temporalen Schutz ist die Duplizierbarkeit durch die Vielschichtigkeit kreativer Talente erschwert. Kreativitätsfähigkeiten sind u.a. gekennzeichnet von Flexibilität, Denkfreiheit und Unsicherheitsakzeptanz (vgl. Bryant/Throsby 2006, S. 511). Für Außenstehende ist dadurch der Zusammenhang zwischen einzelnen Dimensionen eines kreativen Talents und einem erwachsenden Wettbewerbsvorteil nicht eindeutig. Entsprechend unterliegt ein konkurrierender Fernsehsender kausaler Vieldeutigkeit, wenn er entscheiden muss, welche Fähigkeiten eines kreativen Talents er entwickeln muss. Entwicklungsmaßnahmen zur Förderung der Kreativi88
Hinzu kommt, dass Kreativität einer extremen Form der Pfadabhängigkeiten unterliegt, da sie vor allem durch Familienabstammung und Training in frühen Jahren bestimmt wird. Wie in empirischen Beobachtungen belegt, ist deshalb die Nachhaltigkeit produzierter Berühmtheiten aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit bzw. Besonderheit nicht gegeben (vgl. Franck/Nüesch 2007, S. 217227).
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tätsfähigkeiten erzeugen im Zusammenspiel mit kreativen Talenten kausale Vieldeutigkeit, weil für Außenstehende unklar bleibt, wie sich der Erfolg des etablierten Fernsehsenders zusammensetzt (vgl. Wright et al. 2001, S. 706). Ein ähnlicher Effekt geht mit der Spezialisierung zwischen kreativem Talent und anderen Ressourcen und Fähigkeiten wie der Reputation einher (vgl. Chadwick/Dabu 2009, S. 256). So ist es für einen konkurrierenden Fernsehsender schwer zu bestimmen, in welchem Maße die Reputation einer Informationssendung oder die Moderatorin zu einer erhöhten Zuschauerzahl führen. Dieser Effekt der kausalen Vieldeutigkeit wird durch soziale Komplexität verstärkt, da alle Produktionen von Programminhalten aus dem Zusammenspiel vieler verschiedener kreativer Talente entstehen. Ein großer Fernsehsender erzeugt mit einem breiten Pool kreativer Talente ein erhöhtes Maß an sozialer Komplexität. Entsprechend werden Wettbewerbsvorteile durch kreative Talente auch durch kognitive Isolationsmechanismen nachhaltig geschützt. Der Konsumkapitalaufbau induziert neben Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen der Zeitkompression versunkene Kosten und Lerneffekte als strukturelle Isolationsmechanismen auf der Nachfrageseite. Denn er stellt einen Lernprozess dar und erfordert die Investition von Zeit, welche ein Konsument im Falle eines Wechsels auf ein anderes kreatives Talent vollständig abschreiben muss. Neben diesem Effekt des Personalkapitals erzeugt das Sozialkapital im Sinne des bandwagon effects von Leibenstein (1950) Netzwerkeffekte (vgl. Franck/Nüesch 2007, S. 226). Denn wenn kreative Talente zum Gegenstand von nachgelagerter Kommunikation von Zuschauern werden, fällt den Zuschauern die Suche nach Kommunikationspartnern umso leichter, je mehr Zuschauer sich auf den Konsum eines bestimmten kreativen Talents festlegen. Ein konkurrierender Fernsehsender muss Zuschauer beim Aufbau von Konsumkapital für ein neues kreatives Talent für diese Wechselkosten in Form von Abschreibungen der versunkenen Kosten und der Lerneffekte sowie für den Verlust von Kommunikationspartnern kompensieren. Auf der Angebotsseite führt der Konsumkapitalaufbau für Fernsehsender zu versunkenen Investitionskosten, die im Zusammenhang mit der Produktion von Programminhalten mit kreativen Talenten und durch die Bereitstellung von Sendezeit entstehen. Für einen etablierten Fernsehsender mit einem vorhandenen Pool an bekannten kreativen Talenten verändert sich somit die Kostenstruktur im Angebot von kreativen Talenten gegenüber einem neuen Konkurrenten. Etablierte Fernsehsender können ihren zeitlichen Vorsprung nutzen, indem sie Erfahrungen im Aufbau von Superstars akkumulieren. Vor allem in Verbindung mit dem als Größeneffekt wirkenden medialen Hebel ist es vereinfacht möglich, kreative Talente durch Auftritte in anderen, bereits etablierten Programminhalten wie einer Talkshow an Zuschauer heranzufüh-
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ren. Ebenso schaut sich ein Zuschauer nach einer Serie mit einem Superstar eine durch lead-in-Effekt verknüpfte Serie mit einem unbekannten Schauspieler in der Hauptrolle eher an als die zur gleichen Zeit startende Serie auf einem anderen Fernsehsender, dem eine Sendung ohne Superstar vorausgeht. Diese Erfahrung im Umgang mit Superstars erzeugt Macht in Verhandlungen, weshalb kreative Talente bei einem etablierten Fernsehsender ceteris paribus eine geringere Verhandlungsmacht besitzen und sich geringere Anteile ihrer Renten sichern können. Durch erhöhte Aneignung der Renten seiner Investition erreicht der etablierte Fernsehsender eine verbesserte Kostenstruktur im Vergleich zum neuen Fernsehsender. Neben temporalen und kognitiven Isolationsmechanismen entstehen demnach auch aus strukturellen Isolationsmechanismen heraus nachhaltige Wettbewerbsvorteile durch kreative Talente. Die Stärke des supranormalen Rentenpotenzials setzt sich aus Schumpeter- und Ricardo-Renten zusammen und ist als außerordentlich hoch einzuschätzen. Deshalb gilt der Aufbau eines strategischen Humanressourcenmanagements als vordringliche Aufgabe für etablierte Fernsehsender, um die Potenziale kreativer Talente durch Verknüpfung mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens wie der Marke zu entfalten. 2.2.3. Lernfähigkeit Wissen als Informationen, Kenntnisse und Fähigkeiten eines Akteurs gelten als Voraussetzung zur Erfüllung von Aufgaben und Lösung von Problemen. Ähnlich wie Managementfähigkeiten erlaubt Wissen den effizienten Einsatz anderer Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens. Allerdings ist das relevante Wissen dezentral verteilt, so dass dem Management eines Unternehmens die Nutzbarmachung dezentraler Wissensquellen obliegt (vgl. von Hayek 1945, S. 520f.; Itami/Roehl 1987, S. 18-21; Nonaka 1991, S. 98). Die Fähigkeit zu Lernen umschreibt den Prozess der Adaption und Verarbeitung von vorhandenem Wissen zur Kreation neuen Wissens. Das für Lernprozesse notwendige vorhandene Wissen kann dabei sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens dezentral verteilt sein. Lernfähigkeit eines Unternehmens entsteht deshalb durch effiziente Kommunikation innerhalb des Unternehmens sowie mit der externen Umwelt (vgl. Cohen/Levinthal 1990, S. 131f.). Wissen als Resultat eines Lernprozesses lässt sich anhand der Dimensionen Wissensart und Wissensträger differenzieren. Bei Wissensarten kann nach explizitem und implizitem Wissen unterschieden werden (vgl. von Hayek 1945, S. 521f.; Polanyi 1962; Polanyi 1966, S. 1-25). Explizites Wissen umschreibt objektives Wissen, welches mittels Kodifizierung in Trägermedien gespeichert und dokumentiert werden kann. Dagegen ist implizites Wissen (tacit knowledge) subjektiv, nur schwer
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formalisierbar und kontextgebunden. Die verschiedenen Wissensarten führen zu unterschiedlichen Lernprozessen und somit zu differenzierten Ansprüchen an die Lernfähigkeit. Es handelt sich um Kombination, wenn explizites Wissen durch einen Lernprozess in anderes explizites Wissen transformiert wird. Das Lernen aus explizitem Wissen mit dem Ziel, implizites Wissen hervorzubringen, beschreibt man als Internalisierung. Wird dagegen durch einen Lernprozess aus implizitem Wissen mittels Kodifizierung explizites Wissen hergestellt, handelt es sich um Explikation. Falls durch den Austausch zweier Wissensträger implizites Wissen in neues implizites Wissen umgewandelt wird, spricht man von einem Sozialisationsprozess. In Abhängigkeit von den angestrebten Lernprozessen bedarf es unterschiedlicher Arten der Lernfähigkeit und Instrumente innerhalb eines Unternehmens. Die zweite Dimension zur Differenzierung von Wissen sind die Wissensträger. Lernen ist eine individuelle Aktivität (vgl. Itami/Roehl 1987, S. 14f.; H.A. Simon 1991, S. 125f.; Grant 1996b, S. 112), welche allerdings in Gruppen ausgeführt werden kann. Daraus resultierendes Wissen kann deshalb sowohl individuell als auch kollektiv gespeichert werden. Abhängig davon, welches Wissen wem im Unternehmen zur Verfügung stehen soll, bedarf es unterschiedlicher Lernfähigkeiten der Individuen innerhalb des Unternehmens. Eine technologische Veränderung wie die Digitalisierung löst Veränderungen in den Rahmenbedingungen eines Marktes aus, wodurch sich Unsicherheit und der Grad an kausaler Vieldeutigkeit für die Wettbewerber erhöht. Lernfähigkeit eines Fernsehsenders ermöglicht die Verringerung der kausalen Vieldeutigkeit (vgl. Reed/DeFillippi 1990, S. 93f.; Szulanski 1996, S. 35-37; McEvily et al. 2000, S. 294), so dass einzelne Fernsehsender besser auf die sich ändernde Nachfrage reagieren können. Dadurch sind erhöhte Bedürfnisbefriedigung und Zeitersparnisse bei Innovationen erzielbar (vgl. Hansen/Nohria/Tierney 1999, S. 110). Dies äußert sich für Zuschauer in einer optimierten Programmauswahl oder einer verbesserten Auswahl der Schauspieler in Eigenproduktionen. Für werbetreibende Unternehmen entsteht Wert aus der Lernfähigkeit eines Fernsehsenders durch die Schaffung innovativer Werbemöglichkeiten wie dem von British Sky Broadcasting eingeführten red button zur Aktivierung interaktiver Werbung. So generieren Zuschauer und werbetreibende Unternehmen direkten Wert aus der Lernfähigkeit eines Fernsehsenders. Allerdings können radikale Umweltveränderungen wie die Digitalisierung auch bislang erfolgskritische Ressourcen und Fähigkeiten eines Fernsehsenders in ihr Gegenteil verwandeln (vgl. Leonard-Barton 1992, S. 118-121). Für etablierte Fernsehsender besteht somit die Gefahr des Verharrens und des Festhaltens an alten Erkenntnissen, Geschäftsmodellen und Produkten. Vielmehr müssen in solchen
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Zeiten Fernsehsender relevantes Marktwissen generieren, um strategische Optionen umfassend bewerten zu können. Eine gut ausgebildete Lernfähigkeit ermöglicht das und trägt zur Überwindung von Verharrungstendenzen bei, indem bestehende organisationale Routinen verworfen und neue adaptiert werden (vgl. Lieberman/ Montgomery 1988, S. 49; Grant 1996a, S. 382; Lei et al. 1996, S. 566). Denn insbesondere in turbulenten Zeiten bietet interne Lernfähigkeit eine bessere Basis zur Strategieformulierung als die rein externe Orientierung an Markttrends, weil dabei Wissen über Stärken und Schwächen des Unternehmens einfließen, welche den Konkurrenten nicht zur Verfügung stehen (vgl. Barney 1986c, S. 1238f.; Grant 1996a, S. 376). Dadurch kann ein Fernsehsender das langfristige Kosten-NutzenVerhältnis strategischer Optionen wie die Nutzung eines innovativen Distributionskanals oder den Erfolg eines in der Produktion befindlichen Films besser abschätzen. Zuschauer und werbetreibende Unternehmen profitieren von dieser Verbesserung, wenn der Fernsehsender zumindest teilweise die Kostenersparnisse durch Verringerung von Fehlentscheidungen an sie weitergibt. Ein Fernsehsender stellt sich durch überlegene Lernfähigkeit aufgrund des Projektcharakters der Produktion besser als die Konkurrenz. Durch Kooperation mit einem oder mehreren Unternehmen kann er mehr Wissen akkumulieren als er durch die Zusammenarbeit an diese Unternehmen verliert. Dieser kurzfristige Effekt der erhöhten Wissensakkumulation führt mittel- bis langfristig zu einer sich vergrößernden Verhandlungsmacht. Der Fernsehsender erzielt Kosteneinsparungen, die ggf. teilweise an Zuschauer und werbetreibende Unternehmen weitergegeben werden und wodurch diese indirekten Wert generieren. Aufgrund dieser und der beiden vorangegangen Ursachen bietet Lernfähigkeit im digitalen Zeitalter das Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil für Fernsehsender. Lernen basiert auf Adaption und Verarbeitung von vorhandenem Wissen. Adaption setzt voraus, dass das im Unternehmen vorhandene Wissen für Lernprozesse bereitgestellt wird. Dieses Wissen ist die organisationale Wissensbasis und wird vor allem durch Forschung und Entwicklung sowie externe Netzwerkbeziehungen fortentwickelt (vgl. Lei et al. 1996, S. 554-556). Die Verarbeitung von vorhandenem Wissen mit dem Ziel der Kreation neuen Wissens setzt die Bereitschaft zur Veränderung voraus, damit existierende Vorgehensweisen und Lösungsansätze weiterentwickelt bzw. verbessert werden (vgl. Lei et al. 1996, S. 559). Auch wenn Lernen eine individuelle Aktivität darstellt, hängt die Fähigkeit zu Lernen entscheidend von den organisationalen Rahmenbedingungen und Routinen ab (vgl. R.R. Nelson/Winter 1982, S. 14; Ghoshal 1987, S. 432). Bei deren Gestaltung sollte sich das Unternehmen daran orientieren, welche Wissensart hauptsächlich erzeugt werden soll. Da es
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sich bei Fernsehsendern in der Regel um kreative statt standardisierte und innovative statt reife Güter handelt und im Produktionsprozess vor allem implizites Wissen eingesetzt wird, sollten Fernsehsender nach einer Strategie zum Wissensaustausch zwischen Individuen streben (vgl. Hansen et al. 1999, S. 114-116). Diese richtet die organisationalen Rahmenbedingungen und Routinen so aus, dass Sozialisationsund Internalisierungsprozesse stattfinden können. Die organisationalen Rahmenbedingungen eines Fernsehsenders müssen Anreizstrukturen vorsehen, damit Unternehmensmitglieder bereit sind, ihr Wissen innerhalb des Unternehmens bereitzustellen und an Lernprozessen zu partizipieren. Unterstützt werden Anreize durch Schaffung notwendigen Freiraums innerhalb der Arbeitszeit, da Unternehmensmitglieder dadurch die Möglichkeit erhalten, intraorganisationale Netzwerke zu bilden (vgl. Hansen et al. 1999, S. 108f.). Zusätzlich sollte Kommunikation innerhalb des Unternehmens mittels Redundanzen gefördert werden (vgl. Nonaka 1991, S. 102-104). Das bedeutet, dass mehr Wissen im Fernsehsender vorhanden sein sollte als zur Erfüllung operativer Aufgaben notwendig ist. Neben den Rahmenbedingungen wird Lernfähigkeit durch organisationale Routinen gefördert. Diese beschreiben institutionalisierte und verselbständigte Verhaltensmuster eines Unternehmens und betreffen alle Unternehmensbereiche (vgl. R.R. Nelson/ Winter 1982, S. 14). Organisationale Routinen erleichtern die Koordination und Kommunikation zwischen Unternehmensmitgliedern durch eine gemeinsame Sprache, vertraute Symbole und ein geteiltes Grundverständnis (vgl. Grant 1996b, S. 115f.). So wird bei einem Fernsehsender bspw. die Kommunikation zwischen einem im Controlling tätigen Betriebswirt und einem Drehbuchautor erleichtert, indem beide ein besseres Verständnis für die verschiedenen fachlichen Hintergründe des jeweils anderen aufweisen. Durch Setzung von Regeln und Richtlinien zur Koordination von Wissensträgern und Lernenden kommt es zur sozialen Einbettung der Lernfähigkeit in einen etablierten Fernsehsender (vgl. Spender 1996, S. 58; Grant 1996b, S. 114f.; Al-Laham 2003, S. 162). Dabei beruht das organisationale Wissen auf dem individuellen, übertrifft jedoch dessen Summe (vgl. R.R. Nelson/Winter 1982, S. 63; Nonaka 1991, S. 97). Einzelne Unternehmensmitglieder können einen Fernsehsender verlassen und ihre Lernfähigkeit auf ein anderes Unternehmen übertragen. Demnach ist die Lernfähigkeit des Individuums handelbar. Der Fernsehsender verliert dadurch lediglich das individuelle implizite Wissen dieses einen Mitarbeiters. Im Unterschied zum Einfluss eines Managers auf die organisationalen Managementfähigkeiten ist der Effekt eines Abgangs eines Unternehmensmitglieds auf die Lernfähigkeit der Organisation
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marginal, so dass Handelbarkeit der organisationalen Lernfähigkeit nicht gegeben ist.89 Lernfähigkeit und daraus erwachsendes Wissen ist aufgrund der organisationalen Rahmenbedingungen und Routinen idiosynkratisch. Aus dem aus der Werthaltigkeit erwachsenden Potenzial eines Wettbewerbsvorteils aufgrund von Lernfähigkeit entsteht ein vorliegender Wettbewerbsvorteil, so dass ein Fernsehsender mit überlegenen organisationalen Rahmenbedingungen und Routinen Pareto-Renten generieren kann. Dieser Wettbewerbsvorteil besteht für einen etablierten Fernsehsender nachhaltig, wenn er durch Isolationsmechanismen vor Imitation und Substitution geschützt wird. Allerdings ist Imitation aufgrund des Charakters von Lernfähigkeit auszuschließen. Deshalb ist zu untersuchen, ob Substitution von Lernfähigkeit durch temporale, kognitive oder strukturelle Isolationsmechanismen erschwert wird. Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess, in dem Unternehmen durch Erfahrungen wie begangene Fehler oder durchstandene Krisen organisationales Wissen erzeugen (vgl. Sitkin 1992; Eisenhardt/Martin 2000, S. 1114f.; Al-Laham 2003, S. 170). Je höher der bestehende organisationale Wissensbestand, desto besser kann weiteres Wissen akkumuliert werden, weshalb sich Unternehmen nach Markteintritt zunächst ausgiebig mit den Grundproblemen einer Industrie beschäftigen sollten, um anschließend komplexere anzugehen. Etablierte Fernsehsender, welche bereits die Grundprobleme durchstanden und somit mehr gelernt haben, verfügen aufgrund ihres höheren Lebensalters über einen zeitlichen Vorsprung. Das in vergangenen Perioden kumulierte Wissen beeinflusst positiv die Lernfähigkeit in zukünftigen Perioden, so dass sich etablierte Fernsehsender auf einem unternehmenseigenen Pfad der Lernfähigkeit bewegen (vgl. Cohen/Levinthal 1990, S. 136; Lei et al. 1996, S. 552; Al-Laham 2003, S. 162). Hat ein Fernsehsender somit einmal spezifisches Wissen für einen bestimmten Bereich wie Kriminalserien aufgebaut, wird er diesen Wissensstock kontinuierlich verstärken. Lernen erzeugt somit Externalitäten, da durch Wiederverwendung von einmal generiertem Wissen neue Lernprozesse effizienter durchgeführt werden können. Dieser Erfahrungsvorsprung induziert Pfadabhängigkeiten bei Lernprozessen im digitalen Zeitalter. Bei einem Mangel an Lernfähigkeit im relativen Vergleich zu etablierten Fernsehsendern werden die mit späteren Aufholversuchen verbundenen Investitionen für neue Konkurrenten kostenintensiver als für etablierte Fernsehsender (vgl. Cohen/Levinthal 89
Es ist denkbar, dass eine ganze intraorganisationale Gruppe abgeworben wird, wodurch der negative Einfluss auf die organisationale Lernfähigkeit bedeutend größer wäre. Allerdings kommt dies in der Realität aufgrund von Arbeitsverträgen und sozialen Beziehungen in der Regel nicht vor.
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1990, S. 136f.; Al-Laham 2003, S. 161f.). Diese Ineffizienzen der Zeitkompression fallen umso höher aus, je spezifischer bzw. diversifizierter der Wissensstock des etablierten Fernsehsenders ist (vgl. Grant 1996a, S. 381). Vertrauen der Unternehmensmitglieder ist eine notwendige Voraussetzung für organisationale Lernfähigkeit, da nur so sichergestellt werden kann, dass geteiltes Wissen nicht zum eigenen Nachteil verwendet wird und adaptiertes Wissen korrekt ist. Der Aufbau dieses Vertrauens induziert ebenfalls Ineffizienzen der Zeitkompression. Lernfähigkeit eines Fernsehsenders basiert somit auf Erfahrungen und Vertrauen, weshalb Pfadabhängigkeiten für weitere Lernprozesse und Ineffizienzen der Zeitkompression beim Aufholen vorliegen. Deshalb wird ein auf Lernfähigkeit basierender Wettbewerbsvorteil durch temporale Isolationsmechanismen geschützt. Basierend auf den Strategien zum Wissensaustausch zwischen Individuen entsteht Lernen in Fernsehsendern vor allem durch soziale Interaktionen von Unternehmensmitgliedern. Somit spielen Art und Weise der Konversation sowie der Zusammenarbeit eine entscheidende Rolle beim Lernen. Zusätzlich weisen in kreativen Industrien wie dem Fernsehen Projektgruppen zur Lösung organisationaler Probleme oder zur Generierung von neuen Produkten meist eine hohe Diversität auf. Sie divergieren sehr stark hinsichtlich Altersstruktur, Bildungsstand, Nationalitäten sowie ethnischen, kulturellen und fachlichen Hintergründen (vgl. Milliken/Martins 1996, S. 403f.). Diversität stellt einerseits hohe Anforderungen an das Management dieser Gruppen, erzeugt andererseits aber auch soziale Komplexität für Außenstehende. Zur Substitution von Lernfähigkeit ist das Nachbilden der sozialen Strukturen notwendig, was Konkurrenten aufgrund der Komplexität vor nur schwer lösbare kognitive Herausforderungen stellt. Diese werden durch die vielschichtigen organisationalen Anforderungen zur Förderung von Lernfähigkeit verstärkt, welche u.a. die Infrastruktur, offene Organisationsstrukturen und Anreizsetzungen umfassen. Überwindet ein etablierter Fernsehsender diese multiplen Barrieren durch proprietäre Lernstrukturen, erzeugt die Vielfalt aus Instrumenten, Wissensträgern und Lernenden kausale Vieldeutigkeit für konkurrierende Fernsehsender, welche Wirkung von der jeweiligen Einheit auf den bestehenden Wettbewerbsvorteil ausgeht. Deshalb wird ein Wettbewerbsvorteil mittels der kognitiven Isolationsmechanismen der sozialen Komplexität und der kausalen Vieldeutigkeit vor Substitution bewahrt. Zuletzt profitieren etablierte Fernsehsender aufgrund der Breite des vorhandenen Wissensstocks und der Breite der Unternehmenstätigkeit bei Lernfähigkeit von strukturellen Isolationsmechanismen. Es erhöht sich die Produktivität des Lernens, da bei einem stärker diversifizierten Hintergrund das hinzukommende Wissen effizienter und effektiver mit bestehendem Wissen verknüpft werden kann (vgl.
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Cohen/Levinthal 1990, S. 131). Ein etablierter Fernsehsender generiert demnach Größen- und Verbundeffekte. Insgesamt wird Lernfähigkeit durch Isolationsmechanismen vor Substitution geschützt und erzeugt nachhaltige Wettbewerbsvorteile für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter. Davon profitieren vor allem diejenigen Fernsehsender, welche durch frühzeitige Entwicklung eines Wissensmanagements die Lernfähigkeit systematisch fördern. Mittels Idiosynkrasie und Isolationsmechanismen generieren diese vor allem Pareto- und Ricardo-Renten. Die ausgeprägte Stärke des supranormalen Rentenpotenzials soll aber nicht über die Gefahren im Zusammenhang mit Lernen hinwegtäuschen. Insbesondere Pfadabhängigkeiten, wonach Lernen auf Erkenntnissen der Vergangenheit beruht, können zum Verharren und Festhalten an unzeitgemäßen Verhaltensmustern führen. Ein hoher Grad kausaler Vieldeutigkeit erschwert nicht nur die Substitutionsbemühungen von Konkurrenten, sondern auch den unternehmensinternen Informationsfluss, wodurch eigene Substitutionsprozesse negativ beeinflusst werden. Deshalb bedarf die Steuerung des Lernens im Unternehmen einer Verknüpfung mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten eines Fernsehsenders. So sollte Lernfähigkeit als ein integraler Bestandteil der Innovationsfähigkeit eines Fernsehsenders aufgefasst und neben dem Humanressourcenmanagement mit der Produktentwicklungs- sowie der Netzwerkfähigkeit verknüpft werden. Lernfähigkeit ist als Voraussetzung zur Generierung von strategischer Flexibilität zu verstehen, damit ein etablierter Fernsehsender mit Innovationen und der Erschließung neuer Märkte auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagieren kann. 2.2.4. Produktentwicklungsfähigkeit Der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens kommt in der wissenschaftlichen Literatur große Bedeutung hinsichtlich der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zu (vgl. Andrews 1971, S. 91-94; Itami/Roehl 1987, S. 18-21; Schoemaker/Amit 1994, S. 7). Dabei umschreibt Innovationsfähigkeit die Instrumentarien eines Unternehmens, durch welche Produkt- und Prozessinnovationen entwickelt, produziert und vermarktet werden. Da in der wissenschaftlichen Literatur zum Fernsehmarkt allgemein die Auffassung herrscht, dass Inhalte bzw. Produkte einen Fernsehsender vom Wettbewerb differenzieren, wird in diesem Unterabschnitt lediglich die Fähigkeit zur Produktentwicklung als Teil der Innovationsfähigkeit analysiert. Da die Digitalisierung die Rahmenbedingungen gegenüber dem analogen Zeitalter ändert, so dass
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Fernsehsender differenzierte Ansprüche und Nachfragen zu befriedigen haben, ist die Relevanz der Eigenproduktion zu analysieren.90 Die Fähigkeit zur Produktentwicklung lässt sich nach Art der zu produzierenden Güter, nach Organisationsform und nach Phasen der Produktentwicklung differenzieren. Fernsehsender können innovative Produkte hervorbringen, welche inkrementeller, substanzieller oder transformatorischer Art sind (vgl. Mueller-Oerlinghausen/ Sauder 2003, S. 19). Inkrementelle (bspw. spin-offs) und substanzielle Produktentwicklungen erfassen alle bestehenden Programmkategorien. Dagegen ist die Entstehung einer neuen Programmkategorie durch ein innovatives Format wie Infotainmentsendungen in den 1990er Jahren oder die Entwicklung einer neuen Produktart eine Innovation transformatorischer Art. Neben diesen Produktentwicklungen mit Innovationscharakter können Fernsehsender durch die Fähigkeit zur Produktentwicklung auch erfolgreiche Formate anderer Fernsehsender – unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben – duplizieren. Organisatorisch können Produktentwicklungen eines Fernsehsenders unternehmensintern, über den Markt oder unternehmensübergreifend durchgeführt werden. Seit dem Markteintritt privatwirtschaftlicher Fernsehsender spielt in Deutschland ebenso wie in den USA nach dem Outsourcing von Hollywood-Studios in den 1950er und 1960er Jahren kooperative Produktentwicklung die vorherrschende Rolle (vgl. Robins 1993, S. 104; Windeler/Sydow 2001). Vor diesem Hintergrund kommt der Netzwerkfähigkeit, welche im anschließenden Unterabschnitt auf Erzeugung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile untersucht wird, hohe Relevanz zu. Neben Netzwerken mit Unternehmen der vorgelagertern Wertschöpfungsstufe der Produktion kommt auch Verbindungen zu Kapitalgebern und Distributoren eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Produktentwicklungsfähigkeit zu. Zuletzt lässt sich Produktentwicklung nach den zu durchlaufenden Phasen differenzieren. Dabei muss in der Phase der Ideengenerierung die Auswahl umzusetzender Projekte nach zu definierenden Maßstäben realisiert werden. So entwickelt ein Fernsehsender sein Projektportfolio. Anschließend dienen die Phasen der Vorproduktion, Produktion und Postproduktion der Umsetzung ausgewählter Projekte, in welchen es der effizienten Koordination der an der Produktion Beteiligten bedarf.91
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Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass auch Prozessinnovationen nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren können. Deshalb werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit einzelne zu Prozessinnovationen beitragende Fähigkeiten wie die Lernfähigkeit und die Netzwerkfähigkeit analysiert. Siehe zu einer detaillierten Darstellung des Produktentwicklungsprozesses: Cleve (2005).
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Für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen gilt Produktentwicklungsfähigkeit von Fernsehsendern ähnlich wie die in Unterabschnitt IV.2.1.6. diskutierten Senderechte als grundsätzlich werthaltig. Denn Inhalteerstellung durch Eigenproduktion sichert ebenso wie Programmbeschaffung die Versorgung mit Programminhalten.92 Vor dem Hintergrund zunehmenden Wettbewerbs, gesättigter Märkte, neuen Möglichkeiten, steigender Zuschauerfragmentierung und sich verkürzender Produktlebenszyklen kommt der Fähigkeit zur Entwicklung neuer Produkte von Fernsehsendern im digitalen Zeitalter strategische Relevanz zu. Denn Ressourcen und Fähigkeiten, welche aus Konsumentenperspektive ein Unternehmen bzw. dessen Produkte unverwechselbar machen, sollten nicht ausgelagert bzw. von anderen Unternehmen erzeugt werden. Wenn die Digitalisierung durch zunehmende Entlinearisierung die Fähigkeit zur Programmablaufgestaltung der etablierten Fernsehsender obsolet werden lässt, bedarf es vor allem attraktiver Programminhalte. Da aber der zunehmende Wettbewerb zwischen Fernsehsendern um attraktive Senderechte die Renten zunehmend auf die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion überträgt, ist die Auslagerung der Inhalteproduktion im Hinblick auf nachhaltige Wettbewerbsvorteile fragwürdig. Innovationen in Form neuer Programminhalte erzeugen für Fernsehsender eine vorübergehende Monopolstellung mit verringerter Substitutionselastizität. So können etablierte Fernsehsender bspw. interessante Produktnischen frühzeitig besetzen, geographische Märkte erschließen oder den Status als Meinungsführer erreichen, also angebotsinduzierte Nachfrage erzeugen. Etablierte Fernsehsender, die innovative Produkte vor konkurrierenden Unternehmen auf den Markt bringen, profitieren davon, dass sie die Risikoprämie, welche sie den Konsumenten aufgrund der Erfahrungsguteigenschaften zum Reputationsaufbau gewähren müssen, nicht vom Marktpreis, sondern von der Nachfragekurve abziehen können (vgl. Schmalensee 1982, S. 353-357). Allerdings rein auf Kreativität beruhende Wettbewerbsvorteile erodieren zumindest teilweise sehr schnell, da einzelne Programmformate von konkurrierenden Fernsehsendern dupliziert werden können. Werthaltigkeit für einen etablierten Fernsehsender – und deshalb indirekt für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen – kann deshalb bei kreativen Gütern nur dann erwachsen, wenn man im Sinne der dynamischen Marktschranken den Wettbewerbern immer einen Schritt voraus ist (vgl. Schellhaaß 1985, S. 272f.; Lieberman/Montgomery 1988, S. 54f.; Williams 1992, S. 40f.).
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Unter bestimmten Bedingungen wie der kreativen Einflussnahme entspricht der Einkauf von Sendelizenzen nahezu dem Erwerb der Produktentwicklungsfähigkeit anderer Unternehmen.
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Durch die Entwicklung von Produktentwicklungsfähigkeit treten Fernsehsender via Diversifikation in die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion ein. Produktionsprojekte bedürfen eindeutiger Entscheidungsstrukturen, die komplett von Fernsehsendern getragen werden können. Durch Professionalisierung des Prozesses unter Einsatz eigener kreativer Talente und Nutzung vorhandener Kundenbeziehungen können Fernsehsender Kosteneinsparungen generieren und die Anzahl von Fehlschlägen verringern. Da vor allem diejenigen Unternehmen, die den Zutritt von Beteiligten zu einem Projekt steuern, über Verhandlungsmacht innerhalb eines Projektes verfügen, eignen sich Fernsehsender neben den auf die Inhalteproduktion übertragenen Renten des Fernsehmarktes auch die Effizienzrenten des Produktionsmarktes an. War diese Position für etablierte Fernsehsender im analogen Zeitalter nicht notwendig, da sie ohnehin als gatekeeper galten, eröffnet die frühzeitige Diversifikation unter Ausweitung der Koordinationsaufgaben das Potenzial für nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Neben diesen aus dem Innovationsvorsprung erwachsenden Vorteilen von Fernsehsendern, die durch teilweise Weitergabe an Zuschauer und werbetreibende Unternehmen für diese indirekt werthaltig sind, bietet die Produktentwicklungsfähigkeit von Fernsehsendern weitere Quellen der Werthaltigkeit. Zuschauer fordern vor allem im Vergleich zu den Anfängen des privatwirtschaftlichen Fernsehens zunehmend nationale Charaktere, eigene Geschichten und geläufige Bildästhetik (vgl. Pfänder 2000, S. 27). Eigenproduktion kann zur optimierten Gestaltung der Produkte genutzt werden, so dass Programminhalte auf anvisierte Zielgruppen oder geplante Werbeunterbrechungen zugeschnitten werden können. Die Eigenproduktion eignet sich für einen etablierten Fernsehsender zur Markenbildung und Differenzierung gegenüber Konkurrenten durch Innovationsleistung. Pioniere setzen Mindeststandards, wodurch es nachfolgenden Fernsehsendern nur erschwert möglich ist, innovativ zu sein. Für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen entsteht durch präferenzgerechtere Ausgestaltung des Programms eines Fernsehsenders Wert. Außerdem kann ein etablierter Fernsehsender durch Eigenproduktion die Versorgung mit Programminhalten in einem von zunehmender Wettbewerbsintensität gekennzeichneten Fernsehmarkt sicherstellen. Die verringerte Unsicherheit und dadurch zu erzielende Kosteneinsparungen können zumindest teilweise an Zuschauer und werbetreibende Unternehmen weitergegeben werden. Über diese in der Gestaltung und in den Möglichkeiten zur Diversifikation in den Markt für Programminhalte liegenden Quellen der Werthaltigkeit entsteht für etablierte Fernsehsender durch Eigenproduktion die Möglichkeit zum Eintritt in weitere Märkte. Mitarbeiter von Fernsehsendern treten ihr Urheberrecht in der Regel über
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Arbeits- oder Tarifverträge ab, so dass sich ein Fernsehsender durch die Produktion die wirtschaftlichen Verwertungsbefugnisse aneignet (vgl. Fischer 2008, S. 133 & 158-163).93 Eigene Sendungen oder Sendungsformate wie Pop Idol (deutsch: Deutschland sucht den Superstar) und Schlag den Raab führen durch internationale Vermarktung und Verkauf von Handelswaren zu horizontaler und lateraler Diversifikation von Fernsehsendern. Etablierte Fernsehsender können somit durch Eigenproduktionen von der kompletten Verwertungskette eines Programminhalts profitieren, was für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen direkte und indirekte Werthaltigkeit erzeugt. Ein etablierter Fernsehsender mit Produktentwicklungsfähigkeit wandelt einen potenziellen in einen vorliegenden Wettbewerbsvorteil aufgrund des idiosynkratischen Charakters der Produktentwicklung um. Sie setzt effizientes internes und externes Lernen voraus, auf denen basierend die beiden Phasen Projektportfolio und -koordination durchlaufen werden können (vgl. Teece et al. 1997, S. 519; Sammerl 2006, S. 202-209). Projektportfolio umfasst die Selektion der strategisch relevanten Projekte anhand der verfügbaren knappen Ressourcen und Fähigkeiten. Hier bedarf es seitens eines Fernsehsenders der kontinuierlichen Planung, welche Projekte in welchem Umfang und mit welcher Priorität umgesetzt werden sollen. Geht bspw. aus der Langzeitprogrammplanung hervor, dass ein Fernsehsender ein neues Boulevardmagazin für Frauen im Alter zwischen 14 und 39 Jahren benötigt, muss der Fernsehsender geeignete Ideen begutachten, fortentwickeln, bewerten und auswählen. Im Sinne eines strategischen Koordinationsprozesses dient das Projektportfolio demnach der Planung der Entwicklungsvorhaben eines Fernsehsenders. Dagegen ist die Projektkoordination auf die effiziente und effektive Umsetzung der ausgewählten Projekte ausgerichtet und umfasst die operativen Koordinationsprozesse. Innerhalb der Projektkoordination, welche sich von der Vorproduktion über die Produktion bis zur Postproduktion erstreckt, kommt es zu einer Vielzahl aufeinander folgender Aktivitäten zwischen einer großen Anzahl an Individuen, bei denen auf Erfahrung basierende Routinen zum Einsatz kommen (vgl. Sammerl 2006, S. 205). Projektkoordination umfasst die Zusammenarbeit von verschiedenen Gruppen, die unterschiedliche Wissensstände und Erfahrungen haben, weshalb insbesondere auf gelernten Verhaltensmustern basierende effiziente Kommunikationsstrukturen von hoher Relevanz sind (vgl. Winter 1995, S. 152; Eisenhardt/Martin 2000, S. 1108f.). Wird das Boulevardmagazin bis zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt, da die Senderechte am bisher zu dieser Sendezeit ausgestrahlten Programminhalt auslau93
Siehe zum Film- und Fernsehrecht: Fischer (2008, S. 157-170).
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fen, bedarf es einer schnellen und zuverlässigen projektbezogenen Organisation, so dass je nach Bedarf bspw. einzelne Arbeitsgruppen gebildet werden können. Projektkoordination stellt somit einen komplexen Prozess dar und erfordert ein hohes Maß an Flexibilität. Dabei liegen starke Interdependenzen sowohl mit Lern- und Netzwerkfähigkeit als auch mit der Programmplanung und dem Qualitätsmanagement eines Fernsehsenders vor. Dadurch erreicht die Fähigkeit zur Produktentwicklung den Status einer idiosynkratischen Fähigkeit, da konkurrierende Fernsehsender diese Fähigkeit nicht auf dem strategischen Faktormarkt erwerben können. Der idiosynkratische Charakter der Produktentwicklungsfähigkeit wird zusätzlich durch die Spezifität der audio-visuellen Produktion in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrien und geographischen Programminhaltsmärkten verstärkt. Der grundlegende Unterschied ist, dass Programminhalte immer eine Innovation darstellen, also nicht wie bei Automobilen das exakt Gleiche immer wieder produziert wird, sondern jede einzelne Sendung eines Nachrichtenformats oder einer Kriminalserie eine Innovationsleistung voraussetzt. Die kreative Grundnatur des Fernsehens verlangt daher kontinuierlich nach Innovationsprozessen, weshalb Konzepte zur effizienten Gestaltung der Produktentwicklungsfähigkeit als Teil der Innovationsfähigkeit nicht ohne Weiteres aus der wissenschaftlichen Literatur oder anderen Industrien adaptiert werden können. Der Markt für Programminhalte ist vor allem durch die Förderungsmaßnahmen in Deutschland fundamental anders geprägt als der US-amerikanische Produktionsmarkt. Möchte ein Fernsehsender von dem Fördersystem profitieren, wird das Herstellungsbudget entsprechend den Regeln nach oben begrenzt (vgl. Cleve 2005, S. 79). Dadurch wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit von in Deutschland produzierten Programminhalten beschränkt. Um ohne Nutzung des Förderungssystems international erfolgreich zu produzieren, müssen deutsche Fernsehsender mit dem Ziel der Produktentwicklung sprachliche und kulturelle Aspekte entsprechend einsetzen, internationale Bekanntheit ihrer kreativen Talente erzielen, transnationale Kooperationen anstreben, Transparenz der Gewinnerzielung erreichen und über gute Netzwerkbeziehungen für Vorverkäufe verfügen (vgl. Klimsa/Krömker 2005, S. 41). Aufgrund beider Aspekte – mangelnde Übertragbarkeit wissenschaftlicher und in anderen Industrien erprobter Konzepte sowie den traditionell anders geprägten Strukturen des deutschen Produktionsmarktes – bedarf es individueller Ansätze zur Erzeugung von Produktentwicklungsfähigkeit durch Fernsehsender, wodurch proprietäre Lösungen entstehen und Idiosynkrasie verstärkt wird. Handelbarkeit der Produktentwicklungsfähigkeit ist demnach nur durch Akquisition eines Fernsehsenders gegeben, welche bspw. durch die Notwendigkeit zur Integrati-
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on von anderen Ressourcen und Fähigkeiten mittels Restrukturierungsprozessen Restriktionen und Problemen unterliegt. Konkurrierende Fernsehsender können auch das Ergebnis der Produktentwicklungsfähigkeit eines Fernsehsenders, d.h. die Programminhalte, durch Kauf von Senderechten erwerben. Dadurch gehen aber entsprechend der Argumentation in Unterabschnitt IV.2.1.6. die Renten der Inhalteproduktion auf den Produzenten bzw. den verkaufenden Fernsehsender über. Daher dient die Produktentwicklungsfähigkeit eines Fernsehsenders der Generierung von Pareto-Renten, welche durch Absicherung in Form von Isolationsmechanismen durch Ricardo-Renten verstärkt werden können. Während der Kauf von Senderechten eine Form der Substitution darstellt, bietet sich einem Fernsehsender auch die Substitutionsmöglichkeit, mit externen Partnern zusammenzuarbeiten, die die Aufgaben des Projektportfolios und der Projektkoordination übernehmen. Allerdings gelten kreative Talente als knappe Faktoren für die Produktion von qualitativ hochwertigen Programminhalten, so dass die Substitutionswirkung durch Faktoren wie die Gefahr des opportunistischen Verhaltens in Prinzipal-Agenten-Beziehungen eingeschränkt wird. Reine Imitation von entwickelten Produkten ist durch ausschließliche Nutzungsrechte verboten. Deshalb ist im Folgenden als Imitation die eigene Entwicklung von Instrumenten zur Gestaltung des Projektportfolios und zur Koordination von Projekten hinsichtlich des Vorliegens von Isolationsmechanismen zu untersuchen. Die innerhalb des Projektportfolios getroffenen Entscheidungen der Vergangenheit determinieren die zukünftigen Erfolgsaussichten und fungieren demnach als temporale Isolationsmechanismen. Zum einen liegt dies daran, dass Eigenproduktionen von unsicherer Nachfrage, fixen und zum größten Teil versunkenen Herstellungskosten sowie einem – abhängig von der Programmkategorie – kurzen Produktlebenszyklus gekennzeichnet sind (vgl. Heinrich 2000, S. 99). Gleichzeitig erfordern sie eine hohe Kapitalausstattung, so dass eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen der in der Vergangenheit durch erfolgreiche Produkte aufgebauten Kapitalausstattung und der Produktentwicklungsfähigkeit eines Fernsehsenders entsteht. Zum anderen wird einem Fernsehsender mit Erfolg aus Produktentwicklung in der Vergangenheit auch in der nächsten Periode eine erfolgreiche, den Präferenzen entsprechende Entwicklung zugetraut. Das ist dadurch zu begründen, dass die Qualität eines Programminhalts durch den Zuschauer bestimmt wird und somit durch bereits aufgebautes Konsumkapital hohe Qualität eines Programminhalts leichter erreichbar ist. Durch die erzielte Reputation wird zukünftigen Produkten eine höhere Aufmerksamkeit zuteil und es entstehen Pfadabhängigkeiten.94 94
Allerdings bergen diese Pfadabhängigkeiten in Deutschland auch ein hohes Gefahrenpotenzial in sich: Während in Deutschland einmal erzielte Misserfolge als generelle Unfähigkeit zur Produkt-
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Allerdings können Produktinnovationen relativ leicht von konkurrierenden Fernsehsendern mit eigenen Produktentwicklungsfähigkeiten dupliziert werden, weshalb die Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils aus einem einzelnen innovativen Produkt tendenziell beschränkt ist. Jedoch wird innovativen Produkten wie Deutschland sucht den Superstar eine überproportionale Aufmerksamkeit im Vergleich zu duplizierenden Formaten wie Star Search zuteil, so dass Pioniere die Privilegien eines höheren Preises und höheren Marktanteils genießen (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 46f.; Makadok 1998, S. 685; siehe zum angeführten Bsp. Karstens/Schütte 2005, S. 185). Denn aufgrund von Konsumkapital und Passivität von Zuschauern haben innovative Fernsehsender die Möglichkeit, durch kontinuierliche Entwicklung innovativer Produkte Meinungsführer zu werden und dadurch eine erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit für weitere Innovationen zu erzielen (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1116). Die Position als Meinungsführer unterliegt neben Pfadabhängigkeiten auch Ineffizienzen der Zeitkompression, falls konkurrierende Fernsehsender versuchen, diese Position dem etablierten Fernsehsender streitig zu machen. Sie liegen vor, wenn die Produktentwicklung in Netzwerkbeziehungen mit anderen Unternehmen stattfindet. Da die Rechtsprechung keine Urheberrechtsfähigkeit bei Konzepten und Sendeformaten vorsieht (vgl. Fischer 2008, S. 125), bedarf es einem über die Zeit aufgebauten Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnern. Wettbewerbsvorteile durch Produktentwicklungsfähigkeit werden somit durch temporale Isolationsmechanismen vor Imitation und Substitution geschützt. Als zweites werden die aus Produktentwicklung entstehenden Wettbewerbsvorteile durch kognitive Isolationsmechanismen vor Duplikation bewahrt. Auf der einen Seite benötigen kreative Produkte spezifische Inputs und haben deshalb multiplikative Produktionsfunktionen (vgl. Caves 2002, S. 5). Dies äußert sich bei der Projektauswahl in Kriterien wie dem Aufmerksamkeitspotenzial, der Konsistenz im Aufbau, der zu erwartenden Kosten-Nutzen-Relation, der Stimmigkeit zwischen Programmformat und Marke des Fernsehsenders, der Zielgruppenaffinität und der zu erwartenden Konkurrenzsituation in der anvisierten Programmkategorie. Die Entscheidungsprozesse, in welchen eine Konzeptskizze die Besonderheiten eines Projekts herausstellt, Papierpiloten produziert werden sowie Konzepttests und interne Expertendiskussionen stattfinden, sind von komplexer Natur (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 190194). Kausale Vieldeutigkeit im Hinblick auf den Erfolg einzelner Sendungen und Programmformate entsteht daher durch die verwendeten Instrumente zur Auswahl umzusetzender Projekte. Außenstehende Konkurrenten kennen nicht die detaillierten entwicklung aufgefasst werden, werden in den USA solche Misserfolge als Teil des Unternehmertums akzeptiert (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 188).
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Selektionskriterien und unterliegen deshalb bei eigenen Entscheidungsprozessen erhöhter Unsicherheit bei der Gestaltung des Projektportfolios. Auf der anderen Seite zeigen sich die multiplikativen Produktionsfunktionen innerhalb der Projektkoordination durch die Notwendigkeit zum Koordinieren der vielen an der Produktion beteiligten Individuen. So erstreckt sich bspw. die Vorprojektphase häufig über mehrere Jahre, in welchen eine Idee zunächst in Kurzform des eigentlichen Drehbuchs (treatment) beschrieben wird, bevor dann das Drehbuch entwickelt, die kreativen und handwerklichen (humdrum) Humanressourcen zusammengebracht und die Finanzierung aufgestellt wird (vgl. Caves 2002, S. 4; Cleve 2005, S. 73-80). Aber auch Produktion und Postproduktion, in welchen u.a. Dramaturgie, Zuschauerführung, Musikkonzeption, Akustik, Optik und Formensprache einer Fernsehsendung bestimmt werden (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 194-196), erzeugen ein vieldeutiges Verhältnis zwischen den Inputs und dem Wettbewerbsvorteil als Output des Prozesses. Der Produktentwicklungserfolg wird darüber hinaus von nachgelagerten Maßnahmen wie dem Marketing sowie durch die Reaktionen von Filmkritikern und zu erlangende Auszeichnungen beeinflusst. Bei substanziellen oder transformatorischen Innovativen kommt hinzu, dass das richtige Maß zwischen innovativen und anschlussfähigen Elementen gefunden werden muss, so dass Zuschauer mit neuen Sendungen bzw. Programmformaten umgehen können (vgl. Karstens/Schütte 2005, S. 246f.). Neben der kausalen Vieldeutigkeit erzeugt Produktentwicklung durch die Mitwirkung vieler verschiedener Individuen sozial komplexe Strukturen, welche von Konkurrenten nicht ohne Weiteres dupliziert werden können. Projekte umfassen in der Regel 20 bis 40 Unternehmen und 50 bis 150 Individuen (vgl. Mossig 2004, S. 167). Dabei ist die besondere Herausforderung, kreative Talente und handwerkliche Mitarbeiter effizient zusammenzubringen und zu koordinieren. Kognitive Isolationsmechanismen sind daher sowohl durch kausale Vieldeutigkeit als auch durch soziale Komplexität gegeben. Zusätzlich wirken bei der Produktentwicklungsfähigkeit strukturelle Isolationsmechanismen. Nachfrageseitig stellt das Konsumkapital der Zuschauer für die Inhalte eines Fernsehsenders Lerneffekte dar und ermöglicht Netzwerkeffekte. Dadurch überwinden Zuschauer die Qualitätsunsicherheit aufgrund des Erfahrungsgutcharakters. Etablierte Fernsehsender können ihren zeitlichen Vorsprung nutzen, um durch Preisabschläge in den ersten Perioden Reputation für die Qualität ihrer Eigenproduktion aufzubauen. Dadurch entstehen Wechselkosten für Zuschauer und ggf. auch für werbetreibende Unternehmen, welche auf eine aus der Vergangenheit bekannte Qualität der Produktentwicklung auch bei zukünftigen Neuprodukten vertrauen.
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Auf der Angebotsseite entstehen für Fernsehsender bei der Bildung von Produktentwicklungsfähigkeit versunkene Kosten. Zum einen entstehen diese durch den Aufbau von Prozessen und Ausstattungen wie einem Filmstudio. Zum anderen ermöglichen innovative Produkte das frühzeitige Besetzen von Produktnischen und somit die Erlangung von Pioniervorteilen, die vor allem durch versunkene Investitionskosten in spezifisches Wissen für den Nischenmarkt sowie Werbekosten verstärkt werden (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 44f.). Der für den Reputationsaufbau notwendige Abzug der Risikoprämie vom Marktpreis statt von der Nachfragekurve induziert versunkene Kosten für nachfolgende Unternehmen, die der Pionier nicht aufzuwenden hatte (vgl. Schmalensee 1982, S. 353-357). Netzwerkbeziehungseffekte erlauben bspw. den Zugang zu ausreichendem Kapital, was für die Produktentwicklung zwingend notwendig ist, und verringern Unsicherheit und Komplexität innerhalb von Projektportfolio und -koordination. Die Produktion wird spezifisch auf die Ansprüche des Fernsehsenders ausgerichtet und die Versorgung mit Programminhalten gesichert.95 Verstärkt werden diese angebotsseitigen Isolationsmechanismen durch Größen-, Verbund- und Erfahrungseffekte, welche bspw. durch die gemeinsame Nutzung von Studios oder die Spezialisierung des Personals auf bestimmte Programmkategorien erreicht werden. Insgesamt bewahren somit auch strukturelle Isolationsmechanismen Wettbewerbsvorteile aus Produktentwicklungsfähigkeit vor Imitation und Substitution. Produktentwicklungsfähigkeit ermöglicht einem etablierten Fernsehsender die Generierung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die reine Produktentwicklung – d.h. Gestaltung von Projektportfolio und Koordination von Projekten – leichter duplizierbar ist als die Fähigkeit zur Entwicklung innovativer Produkte (vgl. R.F. Kennedy 2002). Diese basiert auf Lern- sowie ggf. Netzwerkfähigkeit und setzt anschließende Marketingfähigkeiten eines Fernsehsenders voraus. Die Stärke des supranormalen Rentenpotenzials der Produktentwicklungsfähigkeit wird deshalb als sehr hoch eingeschätzt und setzt sich aus Pareto- und Ricardo-Renten zusammen. Dennoch entstehen im Zusammenhang mit der Produktentwicklungsfähigkeit Risiken für einen etablierten Fernsehsender. Durch die zunehmende Industrialisierung der Produktion und Ausrichtung an ökonomischen Kennziffern droht der Verlust intrinsischer Motivation kreativer Talente und somit ein quasi-künstlerischer Qualitätsverlust (vgl. Benedict 2008, S. 21). Diese Gefahr kann durch Verknüpfung von Produktentwicklungs- und Humanressourcenmanagement 95
In Deutschland entsteht durch Fördergesellschaften, in denen etablierte Fernsehsender als Gesellschafter vertreten sind (vgl. Cleve 2005, S. 79), eine besondere Form des Netzwerkbeziehungseffekts: Auf diese Weise wird etablierten Fernsehsendern frühzeitig der Zugang zu neuen Produktideen ermöglicht.
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verhindert werden. Die interne Gestaltung der Produktentwicklungsfähigkeit kann sich zu einem strategischen Nachteil entwickeln, wenn sich die Rahmenbedingungen des Fernsehmarktes abrupt ändern. Generell wird eher kleinen Unternehmen aufgrund geringerer unternehmensinterner Bürokratie eine höhere Innovationskraft zugeschrieben (vgl. Robins 1993, S. 106f.), weshalb große etablierte Fernsehsender vor der Notwendigkeit stehen, effiziente Lösungen zur Behebung der aus der Unternehmensgröße erwachsenden Probleme zu finden. Der Aufbau strategischer Flexibilität kann solche unternehmensinternen Rigiditäten überwinden und zur rechtzeitigen Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen beitragen. 2.2.5. Netzwerkfähigkeit Fernsehprodukte besitzen hohe Fixkosten und unterliegen Nicht-Rivalität im Konsum, wodurch sie inter- und intramedial mehrfach nutzbar sind. Die Digitalisierung löst bestehende Marktgrenzen auf und lässt neue Märkte entstehen, so dass die gleichen Produkte zunehmend auf weiteren Märkten eingesetzt werden können. Da Netzwerke genutzt werden, um neue Märkte schneller betreten zu können und sich schneller sowohl an veränderte Konsumentenpräferenzen als auch an technologische Neuerungen auf bestehenden Märkten anpassen zu können, kommt der Fähigkeit zur Bildung von Netzwerkbeziehungen für Fernsehsender im digitalen Zeitalter besondere Relevanz zu. Netzwerkfähigkeit von Unternehmen wird in der wissenschaftlichen Literatur als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile diskutiert (vgl. Chamberlin 1965, S. 303; Jarillo 1988, S. 32) und wurde in der vorliegenden Arbeit beim Wirtschaftsstandort, der Lernfähigkeit und der Produktentwicklungsfähigkeit als komplementäre Fähigkeit von Fernsehsendern angeführt. Der Definition von Teece (1992, S. 19) entsprechend werden Netzwerke als Vereinbarungen von zwei oder mehreren Unternehmen aufgefasst, um durch Zusammenführung von Ressourcen und Fähigkeiten gemeinsame Ziele zu erreichen.96 Dabei können Fernsehsender horizontale, vertikale und laterale Netzwerkbeziehungen eingehen. Dementsprechend können neben Netzwerken mit anderen Fernsehsendern auch Netzwerke mit Inhalteproduzenten, Distributoren, Unternehmen anderer Medienmärkte oder non-medialer Märkte gebildet werden. Anders als in anderen Märkten bringt der Fernsehmarkt aufgrund seiner Charakteristik der Inhalteproduktion eine besondere Form der Netzwerke hervor. Während bspw. in der Automobilindustrie kooperative Innovationsprojekte auf ein eindeutiges Ziel ausgerichtet werden und sich meist über einen langen Zeitraum erstrecken, verläuft die Zusammenarbeit 96
Netzwerke werden auch als Kooperationen oder strategische Allianzen bezeichnet.
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in einem Produktionsnetzwerk des Fernsehmarktes nur über wenige Wochen oder Monate. Dadurch bringt der Fernsehmarkt das Phänomen der latenten Organisation hervor, nach welchem sich einzelne Kooperationen von Projekt zu Projekt neu ergeben, aber die gleichen Individuen bzw. Unternehmen involviert sind (vgl. Starkey/Barnatt/Tempest 2000, S. 299; Windeler/Sydow 2001, S. 1049). Hinzu kommt durch den Einsatz digitaler Technologien, dass Netzwerke auch die Beteiligung geographisch weit entfernter Individuen und Unternehmen in den Produktionsprozess ermöglichen. Deshalb spielt neben dem lokalen auch zunehmend das globale Netzwerk eine entscheidende Rolle für Fernsehsender (vgl. Nachum/Keeble 2003, S. 461; Picard 2008, S. 5 & 11). Bei der Gestaltung von Netzwerkbeziehungen kommt es vor allem durch Divergenzen der Vorteile für die verschiedenen Netzwerkpartner sowie mangelhafte Kommunikation zwischen den Netzwerkpartnern zu Ineffizienzen im Vergleich zu den Alternativen der hierarchischen und marktlichen Lösung (vgl. Das/Teng 2000, S. 51f.). Hinzu kommt die Herausforderung für einen Fernsehsender, den oder die richtigen Netzwerkpartner auszuwählen. Bspw. ist der Markt für Programminhalte im Vergleich zum Fernsehmarkt weniger stark konzentriert, so dass potenzielle Netzwerkpartner hinsichtlich der Erfüllung von Ansprüchen des Fernsehsenders stark divergieren (vgl. Windeler/Sydow 2001, S. 1047). Vor diesem Hintergrund umfasst die Netzwerkfähigkeit eines Fernsehsenders neben der Auswahl der Netzwerkpartner die rechtliche Gestaltung der Netzwerkbeziehung wie auch die Organisation und Koordination innerhalb der Netzwerkbeziehung unter Beachtung der kurz- und langfristigen Ziele des Fernsehsenders. Netzwerkfähigkeit erzeugt das Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil eines Fernsehsenders, indem sie den hierarchischen und marktlichen Alternativen überlegen ist. Das/Teng (2000, S. 34) liefern einen Ansatz, bei welchem Netzwerkbildungen durch Ressourcen und Fähigkeiten begründet werden.97 Dabei betrachtet der RBV Netzwerke als Organisationsform, durch welche Zugang zu Ressourcen und Fähigkeiten anderer Unternehmen erlangt wird oder die eigenen fortentwickelt werden, um Wettbewerbspositionen einzunehmen, welche über den Markt oder durch interne Prozesse nicht ohne Weiteres erreichbar sind (vgl. Eisenhardt/Schoonhoven 1996, S. 137; Grant/Baden-Fuller 2004, S. 65). Entsprechend der eigenen Ressourcenund Fähigkeitenausstattung sowie der anvisierten Ressourcen und Fähigkeiten der Netzwerkpartner identifizieren Das/Teng (2000, S. 43-47) vier Möglichkeiten zur Gestaltung von Netzwerkbeziehungen: Ein Fernsehsender sollte eine einseitige 97
Im Gegensatz zur Transaktionskostentheorie, die Kooperationen durch Minimierung von Transaktionskosten erklärt, betont der RBV die zu erzielende Wertmaximierung (vgl. Das/Teng 2000, S. 36).
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Vertragsbeziehung anstreben, falls er vor allem Ressourcen in das Netzwerk einbringt und andere von seinen Netzwerkpartnern erlangen möchte. Dagegen bietet sich ein eigenkapitalbasiertes Joint Venture an, falls Fähigkeiten anvisiert werden. Bringt jedoch ein Fernsehsender vor allem Fähigkeiten in das Netzwerk ein und strebt das Erlangen von Ressourcen der Netzwerkpartner an, schlagen die Autoren eine mit Minderheitskapital unterlegte Allianzlösung vor. Im Falle eingebrachte und zu erlangender Fähigkeiten bietet sich dagegen eine zweiseitige Vertragsbeziehung an. Fernsehsender können durch Netzwerkbildungen – mitunter sich dem strategischen Faktormarkt entziehende – Ressourcen und Fähigkeiten anderer Unternehmen erlangen und dadurch ihre eigenen Ressourcen und Fähigkeiten effizienter oder effektiver einsetzen (vgl. Oliver 1997, S. 707; Inkpen 1998). Zur Erschließung der im digitalen Zeitalter entstehenden neuen Distributionskanäle und Märkte bedarf es der kontinuierlichen Diversifikation eines Fernsehsenders. Dies ist häufig unter Risikogesichtspunkten nur durch Netzwerke und die darin umsetzbare Verknüpfung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten mit denen eines in diesem Marktsegment bereits etablierten oder erfahrenen Unternehmens möglich ist (vgl. Grant/BadenFuller 2004, S. 70-73). Etablierte Fernsehsender können innerhalb von Netzwerken bspw. ihre Managementfähigkeiten hinsichtlich des Aufbaus von Reputation und Marke anderen Unternehmen zur Verfügung stellen, welche lediglich über Technologiekompetenz verfügen, und durch diesen Hebeleffekt die Wettbewerbsvorteile anderer Ressourcen und Fähigkeiten verstärken. So kann sich ein Fernsehsender mit dem nach Marktanteilen größten Mobilfunkunternehmen zusammenschließen, um den mobilen Distributionskanal zu erschließen. Während der Aufbau eines eigenen Mobilfunknetzes exorbitant hohe Kosten für den Fernsehsender verursachen würde, entwickelt die Netzwerkbildung ein stärkeres Eigeninteresse des Mobilfunkunternehmens und ggf. eine Abschottung dieses Distributionskanals gegenüber anderen Fernsehsendern im Vergleich zur Marktlösung. Demnach dienen Netzwerke mit Distributoren im digitalen Zeitalter der schnellen Erschließung neuer Märkte und dem Risiko minimierenden Umgang mit unsicheren Umweltbedingungen. Netzwerke erlauben die für die Produktion von Programminhalten notwendige Zusammenführung unterschiedlicher Aktivitäten und damit den Zugang zu erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten anderer Unternehmen (vgl. Ritter/Gemünden 2004, S. 553). Durch enge Beziehungen zu Inhalteproduzenten wird die Lern- und Innovationsfähigkeit eines Fernsehsenders positiv beeinflusst, weil man dadurch mehr über die jeweiligen Stärken dieser Netzwerkpartner weiß und man diese entsprechend nutzen kann. Fernsehsender können dadurch die eigenen Fixkosten
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der Produktion gering halten, Risiko teilweise auslagern und je nach Produktionserfordernissen notwendige Ressourcen und Fähigkeiten von anderen günstig beschaffen (vgl. Starkey/Barnatt 1997, S. 275; Mossig 2004, S. 164). Dadurch profitiert ein Fernsehsender gegenüber der alleinigen Produktion von einem höheren Budget, einer dadurch höheren Qualität und einer größeren Auswahl an kreativen Talenten. Neben Erschließung neuer Märkte und Optimierung der Produktentwicklung ermöglichen Netzwerke durch den Zugang zu Ressourcen und Fähigkeiten anderer Unternehmen das Überwinden von Rigiditäten durch negativ wirkende Pfadabhängigkeiten (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 49; Quelin 1997, S. 147f.). Durch Zugang zu externem Wissen unterstützen Netzwerke auch die Lernprozesse innerhalb eines Unternehmens und tragen somit zur Entwicklung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten bei (vgl. Quelin 1997, S. 146). Insbesondere in Netzwerken mit unterschiedlichen kulturellen und fachlichen Hintergründen sowie kognitiven Modellen entstehen neue Nutzungsmöglichkeiten für bestehende Ressourcen und Fähigkeiten (vgl. Hitt/Hoskisson/Nixon 1993, S. 170f.). So kann ein Fernsehsender durch Kooperation mit einem Distributor, welcher vor allem seine bereits aufgebaute Reputation im Hinblick auf einen Distributionskanal in das Netzwerk einbringt, durch Abstraktion Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Reputation bspw. im Hinblick auf internationale Märkte ergreifen. Auch wenn die Stärkung der internationalen Reputation des Fernsehsenders kein Ziel des Netzwerks darstellt, so kann der Fernsehsender durch einen das Reputationsmanagement des Distributors umfassenden Lernprozess Rückschlüsse auf das eigene Verhalten in einem anderen Tätigkeitsbereich ziehen. Sowohl durch Erlangung anderer als auch durch Fortentwicklung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten entsteht für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen Wert. Einerseits können die Netzwerke eines Fernsehsenders durch Erschließung neuer Märkte oder innovative Produkte für beide Kundengruppen direkt werthaltig sein. Durch generierte Kosteneinsparungen gegenüber hierarchischen oder marktlichen Lösungen, welche zumindest teilweise weitergegeben werden, können Zuschauer und werbetreibende Unternehmen auch indirekt von der Netzwerkfähigkeit eines Fernsehsenders profitieren. Das Potenzial zu einem Wettbewerbsvorteil durch die Fähigkeit zur Bildung von Netzwerken ist somit gegeben. Während sich Unternehmen bei der Gestaltung von Netzwerkfähigkeit an wissenschaftlichen Konzepten und anderen Industrien orientieren können, stellt die latente Organisation in der Fernsehindustrie eine besondere Herausforderung für Fernsehsender dar. Aufgrund des Mangels an wissenschaftlichen Abhandlungen zur Gestaltung von Netzwerken in der Fernsehindustrie ist die Netzwerkfähigkeit von Fernsehsendern durch Proprietät und somit Idiosynkrasie geprägt. Auf der einen Seite muss
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ein Fernsehsender bei der Bildung eines Netzwerks die Auswahl der Netzwerkpartner optimieren und Zielkongruenz für eine effiziente Zusammenarbeit herstellen. Dazu müssen Fernsehsender mittels geeigneter Instrumente und Entscheidungsvariablen die Ressourcen und Fähigkeiten potenzieller Partner bewerten. Da die relevanten Kennzahlen zur Entscheidungsfindung von Projekt zu Projekt divergieren, stellt der Auswahlprozess ein komplexes und kausal vieldeutiges Verfahren dar. Nach erfolgter Auswahl der Netzwerkpartner bedarf es der Herstellung von Zielkongruenz innerhalb des Netzwerks. Aufgrund des kurzfristigen Projektcharakters ist der Spielraum für lange Verhandlungen und umfassende Verträge in den meisten Fällen nicht gegeben. Aus diesem Grund können Fernsehsender nur durch kontinuierliche Beziehungen zu anderen Unternehmen kurzfristig effizient Netzwerke bilden. Beide Bestandteile der Netzwerkfähigkeit – Auswahl und Zielkongruenz – weisen somit einen idiosynkratischen Charakter auf, so dass die Handelbarkeit von Netzwerkfähigkeit eines Fernsehsenders nicht gegeben ist. Auf der anderen Seite zählen auch interorganisationale Kommunikationsstrukturen und Routinen, durch welche effiziente Koordination trotz kurzfristiger Projektdauer sichergestellt wird, zur Netzwerkfähigkeit eines Fernsehsenders (vgl. Quelin 1997, S. 154; Windeler/Sydow 2001, S. 1041; Grant/Baden-Fuller 2004, S. 67-69). Diese Netzwerkinstrumente sind vor allem dann von idiosynkratischem Charakter geprägt, wenn der Fernsehsender die Rolle des Produzenten in Projektnetzwerken übernimmt und somit für Zusammenstellung und Koordination der Projektgruppen verantwortlich ist (vgl. Starkey/Barnatt 1997, S. 278; Windeler/Sydow 2001, S. 1050).98 In der Regel interagieren in den Projektnetzwerken der Fernsehindustrie viele kleine Unternehmen, wobei der Fernsehsender als größtes Unternehmen die Führungsposition übernehmen kann. Dadurch weitet der Fernsehsender seine Unternehmensgrenzen innerhalb der Wertschöpfungskette aus und eignet sich vermehrt die Renten des Netzwerks an. Dennoch darf ein Fernsehsender sowohl aufgrund des begrenzten Zeitrahmens als auch aufgrund des kreativen Charakters der Produktion nicht zu viele Regeln für die Koordination aufstellen. Denn dies kann als ein Ausdruck von Misstrauen gewertet werden und intrinsische Motivationsbefriedigung kreativer Talente behindern. Deshalb bedarf es eines Netzwerkmanagements, das notwendige Regeln setzt und durch vertrauensbildende Maßnahmen ergänzt. Netzwerke beruhen auf den sozialen Interaktionen einzelner Mitarbeiter und deren Sozialkapital (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1109; Tempest/McKinlay/Starkey 2004, S. 1524). Sie erzeugen wechselseitige Interaktionsbeziehungen, welche von den 98
Siehe für eine Darstellung solcher Netzwerkinstrumente: Windeler/Sydow (2001, S. 1051f.).
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involvierten Unternehmen als reflexive statt als einmalige Kommunikation aufgefasst werden (vgl. Mildenberger 2000, S. 400f.). Durch kontinuierliche Interaktionen zwischen Individuen oder Gruppen von Individuen entstehen eigenständige Kommunikationsstrukturen und Routinen, die für Außenstehende kausaler Vieldeutigkeit unterliegen (vgl. Polanyi 1962, S. 53; Lippman/Rumelt 1982, S. 420). Basierend auf diesem gruppenspezifischen bzw. interorganisationalen Wissen entsteht somit Vertrauen, durch das sich eine über das Einzelprojekt hinausgehende Netzwerkidentität entwickelt. Die interorganisationalen Kommunikationsstrukturen und Routinen tragen zur Überwindung intraorganisationaler Barrieren bei, erzeugen eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Netzwerk und sorgen für Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen und Methoden, die innerhalb des Netzwerks generiert werden (vgl. Ritter/Gemünden 2000, S. 344). Insgesamt erzeugt die Netzwerkfähigkeit eines Fernsehsenders somit kooperative Spezialisierung (vgl. Chi 1994, S. 276), so dass auch die Bestandteile der Netzwerkfähigkeit – interorganisationale Kommunikationsstrukturen und Routinen – nicht gehandelt werden können. Netzwerkfähigkeit, welche aufgrund des zeitlichen Vorsprungs etablierter Fernsehsender bei diesen eher gegeben ist, ist demnach nicht auf dem strategischen Faktormarkt handelbar. Dadurch führt sie zu einem Wettbewerbsvorteil und generiert Pareto-Renten für etablierte Fernsehsender. Ob deshalb aber auch ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil vorliegt, ist anhand von Isolationsmechanismen zum Erreichen von Nicht-Duplizierbarkeit zu überprüfen. Dabei steht die Betrachtung der Nicht-Imitierbarkeit im Vordergrund, denn Substitute zur Netzwerkfähigkeit sind durch hierarchische Organisation und die Marktlösung gegeben. Allerdings ist die Bildung von Netzwerken spezifisch durch die Vorteilssuche gegenüber diesen beiden Alternativen motiviert. Ist demnach eine hierarchische oder marktliche Lösung genauso effizient wie die Netzwerkbildung, ist kein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erlangbar. Ein Sonderfall der hierarchischen Organisation stellt die Unternehmensakquisition dar. Akquisitionsfähigkeit ist dann ein vollständiges Substitut, wenn ein Fernsehsender die Herausforderungen einer Akquisition wie das Management von Aktivitäten, welche keine Verbindungen zu den eigenen aufweisen, bewältigt und diese Lösung die gleiche Effektivität wie die Netzwerkfähigkeit erreicht. In diesem Falle ist ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil durch Netzwerkfähigkeit nicht erlangbar. Imitation wird durch drei Quellen von Pfadabhängigkeiten erschwert. Erstens bilden diejenigen Fernsehsender, welche bereits erfolgskritische Ressourcen und Fähigkeiten wie die Kapitalausstattung aufgebaut haben, tendenziell eher ein Netzwerk. Denn so erzielen die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten mittels Hebeleffekt eine höhere
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Wirkung und der Fernsehsender kann einen bestehenden Wettbewerbsvorteil durch andere Ressourcen und Fähigkeiten verstärken. Zweitens kooperieren diejenigen Unternehmen, welche in der Vergangenheit bereits ein Netzwerk gebildet haben, auch in zukünftigen Perioden miteinander. Denn Fernsehsender verlassen sich auf diejenigen Netzwerkpartner, mit welchen sie bereits positive Erfahrungen bzgl. ihrer Zuverlässigkeit gemacht haben (vgl. Windeler/Sydow 2001, S. 1050). Ebenso präferieren Individuen zur Vermeidung kognitiver Dissonanzen die Zusammenarbeit in gleichen sozialen Strukturen über eine gewisse Zeit hinweg (vgl. Starkey et al. 2000, S. 302). Besonders starke Pfadabhängigkeiten bei der Netzwerkbildung entstehen, wenn in der Vergangenheit Netzwerke zur Erschließung neuer Märkte oder Distributionskanäle gebildet wurden. Für neue Fernsehsender ist es deshalb nur erschwert möglich, Netzwerke mit Unternehmen zu bilden, welche bereits über einen langen Zeitraum mit etablierten Fernsehsendern kooperieren. Die dritte Quelle für Pfadabhängigkeiten entsteht aus der institutionellen Gestaltung des Netzwerks. Da Netzwerke – insbesondere bei der latenten Organisation – mittel- bis langfristig ausgelegt sind, kommt es zu eigenkapitalbasierten Verflechtungen zwischen Fernsehsendern und anderen Unternehmen. Zusätzlich zu diesen Pfadabhängigkeiten entstehen durch das für Netzwerke notwendige Vertrauen Ineffizienzen der Zeitkompression, da neue Fernsehsender dieses nicht unter zeitlich komprimiertem Einsatz der gleichen monetären Mittel kurzfristig aufbauen können. Wechselseitiges Vertrauen erleichtert die Bildung von Projektgruppen, indem auf formale Verträge verzichtet werden kann und somit die mit einem Projekt verbundenen Transaktionskosten gesenkt werden (vgl. Sydow/ Staber 2002, S. 219f.). Es verringert die Gefahr von opportunistischem Verhalten durch die Netzwerkpartner und bildet Anreize zur Wissensteilung als Voraussetzung für Lernprozesse. Somit sind die durch Netzwerkfähigkeit vorliegenden Wettbewerbsvorteile durch temporale Isolationsmechanismen geschützt. Netzwerkfähigkeit ist per definitionem auf die Erzeugung von sozialen Interaktionen und deren effiziente Organisation ausgerichtet. Bei Fernsehsendern umfassen Produktionsprojekte neben dem Produzenten u.a. Autoren, Kameramänner, Schauspieler, Experten für Spezialeffekte, Drehbuchberater und erreichen damit einen hohen Grad sozialer Komplexität. Der Koordinator eines Netzwerks muss durch Netzwerkinstrumente sowohl die kulturellen und fachlichen Differenzen als auch die unterschiedlichen Kommunikationsstrukturen zwischen involvierten Unternehmen und Individuen überwinden. Das Resultat eines solchen Netzwerks und dessen Einfluss auf einen bestehenden Wettbewerbsvorteil sind daher für Außenstehende von kausaler Vieldeutigkeit geprägt. Denn es existiert eine Vielzahl von Einflussfakto-
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ren, welche innerhalb eines Netzwerks dessen Effizienz beeinflussen, und die Wirkung des Netzwerks sowie seiner Einzelbestandteile auf den Wettbewerbserfolg ist nicht eindeutig messbar. Wettbewerbsvorteile aufgrund von Netzwerkfähigkeit sind somit auch durch kognitive Isolationsmechanismen vor Imitation geschützt. Auf der Nachfrageseite können die im Zusammenhang mit dem Erfahrungsgutcharakter entstehenden Qualitätsunsicherheiten von Zuschauern und werbetreibenden Unternehmen zum Aufbau von Reputation für das Netzwerk führen. Die entstehenden Wechselkosten erzeugen einen strukturellen Vorteil für das etablierte Netzwerk und erschweren sowohl den Wechsel der Konsumenten zu einem anderen Netzwerk als auch die Kooperation eines Netzwerkteilnehmers mit einem anderen Unternehmen. Angebotsseitig erreichen etablierte Fernsehsender bei der Bildung von Netzwerken aufgrund von versunkenen Kosten unterschiedliche Kostenstrukturen im Vergleich zu neuen Fernsehsendern. Diese entstehen durch Investitionen in gemeinsame Technologien und in die Entwicklung gemeinsamer Kommunikationsstrukturen und Routinen. Falls zusätzlich auch langfristig bindende Verträge zwischen den Netzwerkpartnern abgeschlossen werden, wirken die Kosten zur Vertragsauflösung ebenfalls als versunkene Kosten der Netzwerkbeziehung. Größeneffekte entstehen durch den Einsatz der gleichen Produkte eines Fernsehsenders in anderen Märkten. Verbundeffekte werden durch Nutzung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten in bisher nicht erschlossenen Märkten mittels Verknüpfung mit den Ressourcen und Fähigkeiten der Netzwerkpartner generiert. Erfahrungseffekte werden innerhalb eines Netzwerks gemeinsam erzeugt, so dass eine interorganisationale Wissensbasis entsteht (vgl. Starkey et al. 2000, S. 300). Alle drei Effekte beeinflussen die Kostenstruktur eines etablierten Fernsehsenders positiv im Vergleich zu einem Konkurrenten. Demnach werden Wettbewerbsvorteile aus Netzwerkfähigkeit sowohl durch nachfrageseitige als auch durch angebotsseitige strukturelle Isolationsmechanismen vor Imitation geschützt. Anhand dieser drei Isolationsmechanismen und der Idiosynkrasie erzeugt Netzwerkfähigkeit eines etablierten Fernsehsenders nachhaltige Wettbewerbsvorteile im digitalen Zeitalter. Allerdings ist die Stärke des aus Pareto- und Ricardo-Renten bestehenden supranormalen Rentenpotenzials bspw. verglichen mit der Produktentwicklungsfähigkeit als weniger ausgeprägt einzuschätzen. Denn es besteht erhöhte Substitutionsgefahr durch die Alternativen der Hierarchie und des Marktes. Aufgrund der in der Regel bei Fernsehsendern vorliegenden dezentralen Organisationsstruktur, welche auf oberster Ebene funktional und im Programmbereich divisional nach Programmkategorien gegliedert ist, besteht die Gefahr, dass die Potenziale eines
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Netzwerks nicht vollständig genutzt werden (vgl. Hess/Köhler 2003, S. 51). Risiken wie z.B. der Verlust wettbewerbsrelevanten Wissens an Konkurrenten legen nahe, Netzwerkfähigkeit mit den Instrumenten der Lernfähigkeit zu verknüpfen. 2.2.6. Strategische Flexibilität Strategische Flexibilität eines Unternehmens wird bereits in den Arbeiten von Lange (1936) und von Hayek (1945) als Wettbewerbsparameter eines Unternehmens diskutiert. Während ersterer die Zentralisierung der Entscheidungen als konstituierendes Merkmal eines Unternehmens bezeichnet (vgl. Lange 1936, S. 60-68), verweist von Hayek (1945, S. 524-526) auf die Wichtigkeit dezentraler Entscheidungen zur Nutzung des innerhalb eines Unternehmens verteilten Wissens. Ansoff (1980, S. 131f.) führt surprise management als eine Fähigkeit von Unternehmen auf, um auf nicht vorhersehbare Veränderungen der Rahmenbedingungen adäquat reagieren zu können. Demnach ist strategische Flexibilität eines Unternehmens die Fähigkeit, externe Veränderungen zu erkennen, frühzeitig durch Ergreifen strategischer Optionen darauf zu reagieren und die ergriffenen strategischen Optionen beizubehalten oder zu beenden, sobald weitere relevante Informationen zur Verfügung stehen (vgl. Aaker/Mascarenhas 1984, S. 74; Nayyar/Bantel 1994, S. 194; Sanchez 1997, S. 73 & 81f.; Shimizu/Hitt 2004, S. 45). Somit ist strategische Flexibilität auf die Verringerung der aus den Rahmenbedingungen erwachsenden Unsicherheit gerichtet und beschreibt die Fähigkeit zum langfristig effizienten Ausgleich zwischen langfristiger Planung und kurzfristiger Reaktion auf unvorhergesehene Unsicherheitssituationen. Aufgrund der Digitalisierung nimmt in Anlehnung an Nayyar/Bantel (1994, S. 205209) die Relevanz von strategischer Flexibilität für Fernsehsender zu, da dadurch Wettbewerbsintensität, Umweltdynamik und -komplexität ansteigen, gleichzeitig aber Umweltstabilität abnimmt. Fernsehsender sehen sich im digitalen Zeitalter erhöhter Nachfrage- und Technologieunsicherheit ausgesetzt. Denn es bleibt unsicher, wie groß der digitale Fernsehmarkt und seine einzelnen Marktsegmente werden, wie hoch die Zahlungsbereitschaft innerhalb neuer Geschäftsmodelle und für neue Güter ist oder auch welchen Markttrend man bedienen sollte und welchen nicht. Da der originäre Fernsehmarkt gesättigt ist, können Fernsehsender nur mittels strategischer Flexibilität neu entstehende Nachfragen bspw. durch neue Geschäftsmodelle in bestehenden Märkten oder mediale und geographische Marktausweitungen bedienen und somit Wachstum generieren. Entsprechend ist die Werthaltigkeit aus strategischer Flexibilität für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen durch das Überwinden von Verharrungen innerhalb eines Fernsehsenders zu begründen, da
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dadurch Marktausweitungen und die schnelle Bedienung neuer Nachfragen erreicht werden. Für etablierte Fernsehsender besteht bei ansteigender Unsicherheit die Gefahr, zum Beibehalten des status quo zu tendieren (vgl. Chattopadhyay/Glick/Huber 2001). Denn vor allem kognitive versunkene Kosten, d.h. Kosten, die mit der Veränderung organisationaler Routinen verbunden sind, verhindern Aufbau und Akquisition neuer Ressourcen und Fähigkeiten, was zu Verharrungen des Unternehmens führt (vgl. Oliver 1997, S. 702). Hinzu kommt, dass ein etablierter Fernsehsender als Pionier insbesondere bei intensivem Wettbewerb mehr darum bemüht ist, einen bestehenden Wettbewerbsvorteil aufrechtzuerhalten als einen neuen zu entdecken (vgl. Yoo/Choi 2005, S. 95f.). Durch diese Rigiditäten wird organisationales Verharren verursacht und die strategische Flexibilität des den Wettbewerbsvorteil innehabenden Unternehmens gefährdet, so dass sich ein Fernsehsender in eine falsche Richtung entwickelt. Dieses Verhalten kann sich im Festhalten an einer zweitbesten Alternative, im Aufbau von den Informationsfluss behindernder Bürokratie, in mangelnder Akzeptanz fremder Innovationen und in nicht auf Effizienzsteigerung des Unternehmens gerichteten Interessen des Managements äußern (vgl. Mueller 1997, S. 840f.). Daher sind es häufig schnell erfolgreiche Strategien nachahmende Unternehmen, die bessere Ergebnisse als ein Pionier erzielen (vgl. Baldwin/Childs 1969; Lee/Smith/Grimm/Schomburg 2000). Da sich ein Unternehmen vor allem dann gegen neue Ressourcen und Fähigkeiten verschließt, wenn diese weit von der aktuellen Vorgehensweise entfernt sind (vgl. Cohen/Levinthal 1990, S. 137), kommt strategischer Flexibilität die Aufgabe zu, bestehende organisationale Routinen aufzubrechen, ohne gleichzeitig die Identität des Unternehmens in Frage zu stellen. Nur diejenigen etablierten Fernsehsender, welche mittels Koordinationsflexibilität sowie flexiblen Ressourcen und Fähigkeiten strategische Flexibilität erreichen, können sich im von hoher Unsicherheit geprägten digitalen Zeitalter behaupten. Durch strategische Flexibilität kann ein Fernsehsender mit erhöhter Effizienz geographische Märkte erschließen, neue technologische Prozesse entwerfen und neue Produktsegmente betreten. Man kann schnell auf sich verändernde Nachfragen reagieren und entsprechend entspringt aus strategischer Flexibilität Wert für Zuschauer und werbetreibende Unternehmen. Zusätzlich entsteht indirekt Werthaltigkeit für die Kunden eines Fernsehsenders, wenn dieser durch Senkung der Unsicherheit mittels strategischer Flexibilität größere Erfahrungs- und Verbundeffekte generieren kann und die daraus entstehenden Kosteneinsparungen zumindest teilweise an sie weitergibt. Somit besteht für etablierte Fernsehsender das
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Potenzial, durch strategische Flexibilität einen Wettbewerbsvorteil im digitalen Zeitalter zu erreichen. Nach Nayyar/Bantel (1994, S. 195-201) umfasst strategische Flexibilität die Geschwindigkeit und Vielfalt eines Unternehmens im Wettbewerb. Dabei wird Vielfalt als zeitgleicher Aufbau diverser Stärken in verschiedenen Wettbewerbsbereichen betrachtet und ist vor allem durch ein diversifiziertes Unternehmensspektrum erreichbar. So erzielt ein Unternehmen durch Unternehmensbreite Koordinationsflexibilität, durch welche es vorhandene Ressourcen und Fähigkeiten vielseitig einsetzen kann (vgl. Sanchez 1997, S. 75f.). Große Fernsehsender und vor allem Fernsehsenderfamilien erreichen im Vergleich zu singulären Fernsehsendern eine größere Unternehmensbreite. Konfrontiert mit Unsicherheit bspw. im Zusammenhang mit Entwicklung eines neuen Programmformats, das speziell auf die Zielgruppe der Frauen im Alter von 50 Jahren und älter ausgerichtet sein soll, können Fernsehsenderfamilien mehrere Formate entwickeln und deren Erfolgspotenzial durch Ausstrahlung auf kleineren Sendern ermitteln. Ein singulärer Fernsehsender müsste im Falle eines Misserfolgs aufgrund höherer Opportunitätskosten mit negativeren Konsequenzen rechnen. Ebenso können Fernsehsenderfamilien vorhandene Humanressourcen aufgrund vielseitigerer Verwendungsmöglichkeiten besser entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten einsetzen. Deshalb sind diversifizierte Fernsehsender innovativer. Sie besitzen mehr Ressourcen und Fähigkeiten und verfügen über potenziell bessere Einsatzmöglichkeiten für diese. Unternehmensbreite erlaubt den Aufbau von Überkapazitäten wie z.B. Kundenloyalität, die ohne oder durch geringe zusätzliche Investitionen auf andere, bisher unbekannte Märkte übertragen werden können (vgl. Aaker/Mascarenhas 1984, S. 76). Strategische Flexibilität wird also durch Unternehmensbreite erzeugt, ist allerdings idiosynkratisch, so dass dieser Bestandteil der strategischen Flexibilität nicht handelbar ist. Als zweites Element der strategischen Flexibilität zählt die Geschwindigkeit im Wettbewerb. Diese beschreibt, wie schnell ein Unternehmen auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren kann, und ist durch flexible Organisationsstrukturen und Flexibilität anderer Unternehmensressourcen und -fähigkeiten zu erzeugen. Demnach sollte ein Fernsehsender zur Erzielung strategischer Flexibilität eine modulare Organisationsstruktur aufbauen. In dieser ziel- statt inputorientierten Organisationsform werden Unternehmensbereiche abgesteckt, in denen die Verantwortlichen – unter Einhaltung von Zielvorgaben – freie Handhabung besitzen. Mittels individueller Zielvereinbarungen ist der zur Befriedigung intrinsischer Motivation notwendige Freiraum zur Förderung kreativer Talente erreichbar. Durch diese dezentrale Organi-
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sation entsteht in den einzelnen Unternehmensbereichen der kontinuierliche Anreiz, sich fortzuentwickeln, wodurch Innovationen gefördert werden und sich einzelne Bereiche unter geringerem Koordinationsaufwand schneller an relevante Veränderungen der Rahmenbedingungen anpassen (vgl. Sanchez 1997, S. 84-87). Diese Organisationsstruktur sollte durch eine Unternehmenskultur unterstützt werden, in welcher das Eingestehen und Revidieren von Fehlentscheidungen möglich ist, ohne dass deshalb negative Folgen drohen (vgl. Shimizu/Hitt 2004, S. 46f.). Innerhalb der Entscheidungsfindung sollte sie kontroverse Meinungen zulassen und ggf. fördern. Zusätzlich sind weitere Maßnahmen wie ein Qualitätscontrolling notwendig, durch das in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen hinsichtlich ihrer Ergebnisse überprüft werden können (vgl. Shimizu/Hitt 2004, S. 52). Da die Organisationsstruktur sowie unterstützende Maßnahmen wie Unternehmenskultur und Qualitätscontrolling eines Fernsehsenders idiosynkratisch sind, ist auch dieser Bestandteil zur Erzielung strategischer Flexibilität von Nicht-Handelbarkeit geprägt. Zusätzlich zur Koordinationsflexibilität, die durch Unternehmensbreite und Organisationsstruktur erreicht wird, bedarf es seitens eines Fernsehsenders auch der Flexibilität vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten, so dass diese in verschiedenen Unternehmensbereichen rasch eingesetzt werden können, ohne dass dabei exorbitant hohe Kosten anfallen. Erreichen kann ein Fernsehsender diese Flexibilität u.a. durch Netzwerkfähigkeit. Dadurch kann er nicht nur den Umfang spezifischer Investitionen reduzieren, sondern auch bei neu entstehenden Märkten oder Technologien eine bereits aufgebaute und breit angelegte Marke schnell auf diese ausweiten. Die Lernfähigkeit eines Fernsehsenders sollte Signale des Marktes frühzeitig auswerten, um neue Technologien und neu entstehende Nachfragen möglichst früh kennen zu lernen. Insgesamt wird deutlich, dass strategische Flexibilität durch effiziente Verknüpfung und Koordination der Ressourcen und Fähigkeiten eines Fernsehsenders entsteht. Als Metafähigkeit gilt strategische Flexibilität als komplex und idiosynkratisch, weshalb die Nicht-Handelbarkeit gegeben ist. Verfügt ein etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter über diese Fähigkeit, kann er Pareto-Renten generieren. Konkurrierende Fernsehsender müssen versuchen, Isolationsmechanismen zu überwinden und strategische Flexibilität zu imitieren oder zu substituieren, um die gleiche Wettbewerbsposition einzunehmen. Imitation strategischer Flexibilität bedeutet das Nachbilden der gleichen Prozesse innerhalb eines anderen Fernsehsenders. Dagegen stellt Substitution die Herausforderung dar, durch Aufbau alternativer Prozesse die gleiche strategische Flexibilität zu erreichen oder Anpassung an
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unsichere Rahmenbedingungen ohne strategische Flexibilität und deshalb nur durch langfristige Planung zu erreichen. Temporal wirkt vor allem das erfolgreiche Wettbewerbsverhalten in der Vergangenheit als Hürde für Duplikationsversuche. Fernsehsender, die in der Vergangenheit die ex post richtigen strategischen Optionen ergriffen haben, verfügen über bessere Ressourcen und Fähigkeiten wie überlegene Marken, Lernfähigkeit oder Kapitalausstattung, so dass ihre strategische Flexibilität in der nächsten Periode höher ist. Für Fernsehsender, welche bereits im analogen Zeitalter Diversifikation betrieben haben, ist es leichter möglich, auch im digitalen Zeitalter zu diversifizieren. Denn bereits generierte Größen-, Verbund- und Erfahrungseffekte bieten gegenüber neuen Konkurrenten einen Vorteil, um in neu entstehende Märkte einzutreten. Dabei ist es in der Regel günstiger und mit geringerem Risiko versehen, in verwandte Bereiche zu diversifizieren. Fernsehsender, die mit einer größeren Unternehmensbreite in das digitale Zeitalter starten, profitieren von einer erhöhten Anzahl verwandter Bereiche. Wegen des positiven Einflusses vergangener Erfolge auf die strategische Flexibilität eines Fernsehsenders liegen starke Pfadabhängigkeiten vor. Konkurrierenden Fernsehsendern ohne strategische Flexibilität fällt es schwerer, organisationale Fähigkeiten schnell nachzubilden, weshalb sie viele Jahre benötigen, um auf eine Veränderung der Rahmenbedingungen adäquat zu reagieren. Verstärkt durch die in Medienmärkten erzielbaren Pioniervorteile ist Geschwindigkeit im Wettbewerb als Teil der strategischen Flexibilität von hoher Relevanz für Fernsehsender und es wird deutlich, dass die Duplikation von strategischer Flexibilität Ineffizienzen der Zeitkompression unterliegt. Somit liegen insgesamt temporale Isolationsmechanismen vor, die das Duplizieren strategischer Flexibilität und damit das Erodieren der daraus entspringenden Renten erschweren. Strategische Flexibilität ist eine sowohl viele Individuen als auch Ressourcen und Fähigkeiten umspannende Metafähigkeit eines Fernsehsenders. Sie ist subjektiv und informell innerhalb des Unternehmens vorhanden und erreicht dadurch soziale Komplexität. Aufgrund der Verknüpfung interner Ressourcen und Fähigkeiten ist sie kaum beobachtbar oder messbar, was auf kausale Vieldeutigkeit hindeutet. Somit ist der Wettbewerbsvorteil aufgrund strategischer Flexibilität auch durch kognitive Isolationsmechanismen vor Erodieren geschützt. Nachfrageseitig ist strategische Flexibilität u.a. auf die Erzielung von Pioniervorteilen und somit die Errichtung von Wechselkosten für die Konsumenten ausgerichtet. Durch schnelle Markterschließung kann ein Fernsehsender günstiger Reputation zur Überwindung der Qualitätsunsicherheit aufbauen. Ein Fernsehsender mit strategischer Flexibilität kann im Falle von Netzwerkeffekten die kritische Masse schneller
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erreichen. Beide Effekte dienen dem Aufbau struktureller Isolationsmechanismen auf der Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite ermöglicht die frühere Markterschließung in Analogie zur Nachfrageseite das Aufwenden versunkener Kosten zum Aufbau notwendiger Kapazitäten, so dass die Kostenstruktur in zukünftigen Perioden zwischen etabliertem Fernsehsender und neuem Konkurrenten divergiert. Hinzu kommt, dass große etablierte Fernsehsender mit strategischer Flexibilität es sich erlauben können, die Erschließung eines neuen Marktes durch einen kleinen Konkurrenten abzuwarten. Denn mittels strategischer Flexibilität kann der etablierte Fernsehsender unter Nutzung von Größen- oder Verbundvorteilen die Vorgehensweise duplizieren und den originären Vorsprung des kleinen Konkurrenten überkompensieren (vgl. Nayyar/ Bantel 1994, S. 210f.). Dadurch ist es einem etablierten Fernsehsender auch als schneller Folger aufgrund der strategischen Flexibilität möglich, die marktbeherrschende Stellung einzunehmen. Somit liegen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite strukturelle Isolationsmechanismen vor. Insgesamt generiert somit strategische Flexibilität einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter. Das supranormale Rentenpotenzial setzt sich aus Pareto- und Ricardo-Renten zusammen, wobei dessen Stärke als durchaus hoch einzuschätzen ist. 2.3.
Zwei Zentralthesen zum Einfluss von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter
Um die wesentlichen Ergebnisse der vorhergehenden Analyse zum supranormalen Rentenpotenzial von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter pragmatisch zusammenzufassen, werden zwei Zentralthesen abgeleitet. Auf Seite der Ressourcen nimmt die Relevanz von Senderechten zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile aufgrund der Digitalisierung ab. Erschwert durch die innerhalb von Auktionsverfahren steigenden Preise können sich etablierte Fernsehsender durch Senderechte nicht per se vom intensivierten Wettbewerb des digitalen Zeitalters differenzieren. Dagegen führen neben der bereits vor der Digitalisierung als Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsvorteile erachteten Reputation vor allem die Marke eines Fernsehsenders und Kundenbeziehungen zu einem starken supranormalen Rentenpotenzial. Deshalb lautet die erste Zentralthese der vorliegenden Arbeit: Während die im analogen Zeitalter als erfolgskritisch geltende Ressource 'Senderechte' aufgrund des intensivierten Wettbewerbs des Fernseh-
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IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
marktes im digitalen Zeitalter an Relevanz zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile verliert, erreichen etablierte Fernsehsender neben der bereits im analogen Zeitalter erfolgskritischen Ressource 'Reputation' insbesondere durch 'Marke' und 'Kundenbeziehung' Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb und generieren dadurch nachhaltige Wettbewerbsvorteile im digitalen Zeitalter. Aus diesen Ausführungen zu den Ressourcen etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter wird deutlich, dass der intensivierte Wettbewerb des Fernsehmarktes dazu führt, dass die auf der Oligopolstruktur des analogen Zeitalters beruhenden Renten zunehmend auf die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion übergehen. Gleichzeitig sehen sich etablierte Fernsehsender auch mit einem beschränkten Wachstumspotenzial des Fernsehmarktes konfrontiert, so dass sie sich vor allem durch Aufbau und Übertragung ihrer Fähigkeiten sowohl die auf die Inhalteproduktion übertragenen Renten des Fernsehmarktes als auch die Effizienzrenten des Produktionsmarktes aneignen können. Dabei eröffnet insbesondere die frühzeitige Diversifikation in die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe das Potenzial für nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Daher lautet die zweite Zentralthese der vorliegenden Arbeit: Aufgrund des beschränkten Wachstumspotenzials des Fernsehmarktes und wegen des intensivierten Wettbewerbs um Programminhalte aufgrund der Digitalisierung ermöglichen die Fähigkeiten 'kreative Talente' und 'Innovationsfähigkeit' als Kombination von 'Lernfähigkeit', 'Produktentwicklungsfähigkeit' und 'Netzwerkfähigkeit' einem etablierten Fernsehsender die vertikale Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion und somit die Generierung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. 3.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Nach der Analyse des Einflusses der Digitalisierung auf die Wertschöpfungsstufen der Fernsehindustrie wendet dieses Kapitel das im zweiten Kapitel entwickelte ressourcen- und fähigkeitenbasierte Modell auf etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter an. Zur Überprüfung bestehender Heterogenität zwischen Fernsehsendern als erster Voraussetzung des Modells wird der Fernsehmarkt auf Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren überprüft. Dabei ist festzustellen, dass der Fernsehmarkt aufgrund der aus dem analogen Zeitalter stammenden Oligopolstruktur, der wegen des Erfahrungsgutcharakters gegebenen konsumentenseitigen Anbietertreue, der vorliegenden Netzwerkeffekte und der zur Suchkostenminimierung eingesetzten Vorauswahl der Zuschauer abgeschottet ist. Die für den Fernsehmarkt typische
3. Zusammenfassung der Ergebnisse
157
Produktdifferenzierung stellt zwar selbst keine Marktzutrittsschranke oder Mobilitätsbarriere dar, deutet aber auf Heterogenität im Fernsehmarkt hin. Darüber hinaus erzeugen Subadditivitäten, Erfahrungseffekte, Historizität etablierter Fernsehsender, Netzwerkbeziehungseffekte und staatliche Regulierung weitere Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren. Diese werden auch durch das Geschäftsmodell der Werbefinanzierung verstärkt, da neuen Fernsehsendern Fernsehwerbung bei Konkurrenten als effizienteste Werbeform nicht zur Verfügung steht. Es liegt somit nahe, dass der Wettbewerb im Fernsehmarkt nicht vollkommen ist und deshalb heterogene Fernsehsender miteinander im Wettbewerb stehen. Diese Heterogenität zwischen neuen und etablierten Fernsehsendern aufgrund von Marktzutrittsschranken und zwischen etablierten Fernsehsendern aufgrund von Mobilitätsbarrieren deutet auf die Existenz strategischer Gruppen hin. Diese lassen sich im Fernsehmarkt in erster Instanz nach Produkt- und Marktbreite und in zweiter Instanz nach Geschäftsmodellen abgrenzen. Anschließend wird das ressourcen- und fähigkeitenbasierte Modell auf 13 Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender angewendet, um die jeweilige Stärke des supranormalen Rentenpotenzials zu ermitteln. Dazu wird das Potenzial einer Ressource bzw. Fähigkeit zur Generierung eines Wettbewerbsvorteils anhand der Werthaltigkeit eruiert. Ist diese zweite Voraussetzung erfüllt, wird das Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils anhand der Nicht-Handelbarkeit als Bedingung 1a oder anhand der eingeschränkten Handelbarkeit als Bedingung 1b betrachtet. Aus der Analyse lässt sich – aufgeteilt nach Pareto- und Schumpeter-Renten – die jeweilige Stärke des supranormalen Rentenpotenzials bewerten. Durch die abschließende Analyse der Nicht-Imitierbarkeit und -Substituierbarkeit als zweiter Bedingung des Modells lässt sich die Stärke des supranormalen Rentenpotenzials anhand von RicardoRenten bewerten. Abb. IV.2. gibt die Ergebnisse überblicksartig wieder.99
99
Diese Darstellung der Stärke des supranormalen Rentenpotenzials einzelner Ressourcen und Fähigkeiten verdeutlicht die Robustheit des supranormalen Rentenpotenzials, stellt aber subjektive, auf den vorhergehenden Analysen beruhende Bewertungen des Autors dar.
158
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Abb. IV.2.:
Stärke des supranormalen Rentenpotenzials von Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter ParetoRente
SchumpeterRente
RicardoRente
Ressourcen Wirtschaftsstandort IKT Kapitalausstattung Reputation Marke Senderechte Kundenbeziehung Fähigkeiten Managementfähigkeiten Kreative Talente Lernfähigkeit Produktentwicklungsfähigkeit Netzwerkfähigkeit Strategische Flexibilität Pareto-Rente
Schumpeter-Rente
Ricardo-Rente
…wird generiert, falls eine idiosynkratische Ressource/Fähigkeit mittels Spezialisierung einen höheren Wert für das Unternehmen aufweist als in allen anderen Verwendungen (Unternehmensspezifität). …wird generiert, falls das Unternehmen die Zukunft besser als der Markt bestimmen kann oder eine gehandelte Ressource/Fähigkeit aufgrund seiner spezifischen Historizität einen höheren Wert als in jeder anderen Verwendung erzeugt (Innovationsleistung). …wird generiert, falls das Unternehmen mittels Isolationsmechanismen Seltenheit der einem Wettbewerbsvorteil zugrunde liegenden Ressource/ Fähigkeit verursacht (Knappheit).
Quelle: Eigene Darstellung.
3. Zusammenfassung der Ergebnisse
159
Von den sieben untersuchten Ressourcen lassen Wirtschaftsstandort, Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT), Kapitalausstattung und Senderechte kein bzw. nur ein relativ geringes nachhaltiges Rentenpotenzial erwarten. Dabei gehen die aus Senderechten zu generierenden Renten, welche im analogen Zeitalter aufgrund der Oligopolstruktur und des damit einhergehenden geringen Wettbewerbs innerhalb von Auktionsverfahren erfolgskritisch für Fernsehsender waren, zunehmend auf die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion über. Im digitalen Zeitalter besitzen daher vielmehr die Ressourcen Reputation, Marke und Kundenbeziehung erfolgskritischen Charakter, da sich etablierte Fernsehsender dadurch vom intensivierten Wettbewerb differenzieren. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde die erste Zentralthese der vorliegenden Arbeit wie folgt formuliert: Während die im analogen Zeitalter als erfolgskritisch geltende Ressource 'Senderechte' aufgrund des intensivierten Wettbewerbs des Fernsehmarktes im digitalen Zeitalter an Relevanz zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile verliert, erreichen etablierte Fernsehsender neben der bereits im analogen Zeitalter erfolgskritischen Ressource 'Reputation' insbesondere durch 'Marke' und 'Kundenbeziehung' Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb und generieren dadurch nachhaltige Wettbewerbsvorteile im digitalen Zeitalter. Dagegen fällt bei den untersuchten sechs Fähigkeiten etablierter Fernsehsender auf, dass sowohl kreative Talente als auch die Produktentwicklungsfähigkeit als Fähigkeiten der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion zu erfolgskritischen Fähigkeiten etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter werden. Dabei ist bei der Produktentwicklungsfähigkeit insbesondere dann von einem starken supranormalen Rentenpotenzial auszugehen, wenn dadurch innovative Produkte hervorgebracht werden. Innovationsfähigkeit erzielt ein etablierter Fernsehsender vor allem durch die Verknüpfung der Produktentwicklungsfähigkeit mit den ebenfalls als erfolgskritisch zu bewertenden Fähigkeiten Lernfähigkeit und Netzwerkfähigkeit. Die starken supranormalen Rentenpotenziale der Managementfähigkeiten und mit Abstrichen auch der strategischen Flexibilität als Metafähigkeiten eines Fernsehsenders deuten generell darauf hin, dass etablierte Fernsehsender insbesondere durch Ausweitung ihrer Tätigkeitsbereiche unter Anwendung ihrer Fähigkeiten in anderen Märkten nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren. Deshalb wurde folgende zweite Zentralthese formuliert: Aufgrund des beschränkten Wachstumspotenzials des Fernsehmarktes und wegen des intensivierten Wettbewerbs um Programminhalte aufgrund der Digitalisierung ermöglichen die Fähigkeiten 'kreative Talente' und 'Innovationsfähigkeit' als Kombination von 'Lernfähigkeit', 'Produktentwicklungsfähigkeit' und 'Netzwerkfähigkeit' einem etablierten Fernsehsender die vertikale Diversifikation in die
160
IV. Ressourcen und Fähigkeiten etablierter Fernsehsender zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion und somit die Generierung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Insgesamt erfüllt das Kapitel somit die erste anwendungsorientierte Zielsetzung der vorliegenden Arbeit. Es werden die erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten sowie die daraus erwachsenden supranormalen Rentenpotenziale für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter ermittelt.
161
V.
Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Basierend auf der Betrachtung des Einflusses der Digitalisierung auf die Determinanten der Fernsehindustrie und der Analyse erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten können Strategien für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter entwickelt werden. Um bei der Strategiebildung ihre Einzigartigkeit zu betonen, sollten Fernsehsender Kernkompetenzen in das Zentrum ihrer Überlegungen stellen (vgl. Hitt/Ireland 1985, S. 288; Barney 1986b, S. 793; Hamel/Prahalad 1995, S. 332). Diese zeichnen sich neben effizienter Nutzung erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten vor allem durch strategische Relevanz in mehreren Märkten aus. Sie determinieren somit das im RBV als zentral angesehene Diversifikationspotenzial eines etablierten Fernsehsenders, indem sie durch Nutzung von Hebeleffekten die Ausweitung von im Fernsehmarkt bestehenden Wettbewerbsvorteilen ermöglichen. Dabei ist Diversifikation von Fernsehsendern im digitalen Zeitalter insbesondere dann zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile geeignet, wenn Diversifikationspotenziale möglichst frühzeitig erschlossen werden (vgl. Tushman/Anderson 1986, S. 446; Barney 2007, S. 366). Zu diesem Zweck werden in diesem Kapitel Strategien zur Nutzung von Ressourcen und Fähigkeiten mit besonders stark ausgeprägtem supranormalem Rentenpotenzial entwickelt, welche die zwei Zentralthesen des vorangegangen Kapitels aufgreifen.100 Die ersten beiden Strategien greifen die erste Zentralthese auf, wonach neben der Reputation vor allem Marke und Kundenbeziehungen als Ressourcen eines etablierten Fernsehsenders nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können. Markenmanagement und Kundenbeziehungsmanagement als Kernkompetenzen sind dazu geeignet, Differenzierungsstrategien eines etablierten Fernsehsenders umzusetzen und somit nachhaltige Wettbewerbsvorteile innerhalb des Fernsehmarktes zu erschließen bzw. zu verstärken. Gleichzeitig dienen diese immateriellen Ressourcen der Erschließung von Diversifikationspotenzial (vgl. Itami/Roehl 1987, S. 13). Unter Bezug auf die zweite Zentralthese stellen die dritte und vierte Strategie vertikale Diversifikationsstrategien101 in die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion dar. Fasst man die Fernsehindustrie des digitalen Zeitalters als progressive 100
101
Siehe für eine Heuristik zur Bildung ressourcen- und fähigkeitenbasierter Strategien: Schoemaker/Amit (1994, S. 21-28). Siehe zu ähnlichen Strategieentwicklungen innerhalb des RBV: Börner (2000) bei Banken; Schwarz (2004) bei Briefpostunternehmen. Diese eigentlich als vertikale Integrationsstrategien zu bezeichnenden Strategien sind der Auffassung von Penrose (1959, S. 145-149) zufolge allerdings Sonderformen vertikaler Diversifikation.
162
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Industrie im Sinne von Weizsäckers' (1981, S. 358f.) auf, wonach sie von hohen Prozess- und Produktinnovationsraten geprägt ist, kommt ein etablierter Fernsehsender mit kreativem Humanressourcenmanagement und Innovationsmanagement als Kernkompetenzen der Forderung nach, kontinuierlich Produkte sowie Prozesse zu verbessern und Innovationen hervorzubringen. Gleichzeitig eröffnen diese beiden Strategien auch die Nutzung von Hebeleffekten und bieten über die vertikale Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion hinausgehendes Diversifikationspotenzial. Veränderungen der Rahmenbedingungen wie die Digitalisierung des Fernsehmarktes eröffnen nicht nur Potenziale innerhalb des Marktes, wie sie durch die vier Strategien erschlossen werden, sondern begründen auch die Notwendigkeit zur Diversifikation in andere Märkte (vgl. Chatterjee/Wernerfelt 1991, S. 41; Helfat/Lieberman 2002, S. 728). Um dadurch nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren, sollte die Diversifikationsrichtung eines Fernsehsenders auf dessen Kernkompetenzen basieren. Entsprechend werden Potenziale zu verbundener Diversifikation (related diversification) betrachtet, wobei Verbundenheit anhand der Stimmigkeit zwischen strategischen Erfolgsfaktoren des neuen Marktes und den Kernkompetenzen des Fernsehsenders, nicht anhand der Ähnlichkeiten der Güter zwischen Fernsehmarkt und neuem Markt interpretiert wird (vgl. Wernerfelt 1984, S. 178; Mahoney/Pandian 1992, S. 367f.; Hamel/Prahalad 1995, S. 345; Teece et al. 1997, S. 515 & 529). Nach Umsetzung der auf den Kernkompetenzen basierenden Strategien wird deshalb jeweils das Diversifikationspotenzial der Kernkompetenzen beleuchtet, wobei beim strategischen Innovationsmanagement insbesondere auf das Potenzial zur Internationalisierung als geographische Marktausweitung eingegangen wird. Dabei wird das Diversifikationspotenzial nach der Typologie von Ansoff (1958, S. 402f.) bewertet, welche nach horizontaler, vertikaler und lateraler Diversifikation differenziert. Dagegen wird allerdings nicht den vier Produkt-Markt-Strategien von Ansoff (1958, S. 393f.) gefolgt, wonach Diversifikation nur dann vorliegt, wenn neue Produkte auf neuen Märkten angeboten werden. Vielmehr wird im Sinne des RBV ein unternehmensspezifisches Diversifikationsverständnis zugrunde gelegt. Diesem zufolge umfasst Diversifikation auch die davon abgegrenzten Alternativen der Marktdurchdringung, Produktentwicklung und Marktentwicklung (vgl. Ansoff 1958, S. 393f.), da für den vorliegenden Fall des digitalen Zeitalters eine solche Differenzierung keine Relevanz besitzt bzw. eine immanente Unschärfe in sich trägt.102
102
Bspw. können personalisierte Programminhalte als Diversifikation, aber auch als ein altes Produkt im alten Fernsehmarkt (Marktdurchdringung), als innovatives Produkt im alten Fernsehmarkt
1. Strategisches Markenmanagement
1.
163
Strategisches Markenmanagement
Der intensivierte Wettbewerb führt zu zunehmender Ausdifferenzierung innerhalb des Fernsehmarktes und transformiert gleichzeitig in Verbindung mit innovativen technologischen Möglichkeiten den digitalen Fernsehmarkt zu einem informationsreichen Markt im Sinne von Falkinger (2008, S. 1615). Aufgrund der Substitutionskonkurrenz erfordert das digitale Zeitalter Differenzierung vom Wettbewerb mittels der Stiftung von Zusatznutzen. Vor diesem Hintergrund erlangt das Markenmanagement eines etablierten Fernsehsenders erhöhte Relevanz im digitalen Zeitalter, da durch Assoziationen zusätzlicher Nutzen über den Basisnutzen eines Gutes hinaus geschaffen werden kann. Ein strategisches Markenmanagement soll im Gegensatz zum informative advertising von Stigler (1961, S. 220-224) mittels persuasive advertising Aufmerksamkeit erzeugen, welche im digitalen Zeitalter als knappes Gut gilt (in Anlehnung an H.A. Simon 1971, S. 40-42). Durch frühzeitige Umsetzung einer Markenstrategie haben etablierte Fernsehsender in dieser neuen Form des Wettbewerbs um Aufmerksamkeit auf dem Fernsehmarkt die Möglichkeit, Pioniervorteile zu generieren und unter Nutzung von Hebeleffekten die aus einem strategischen Markenmanagement erwachsenden Potenziale auch in anderen Märkten einzusetzen. 1.1.
Umsetzung einer Markenstrategie
In Anlehnung an die auf S. 93 der vorliegenden Arbeit gegebene Definition einer Marke und an das Gestaltungsmodell von Wolff (2006, S. 39-181) erfolgt die Umsetzung einer Markenstrategie in fünf Schritten: Nach Auswahl der Zielgruppen verlangt ein unverwechselbares Vorstellungsbild der Marke nach Gestaltung der Markenarchitektur. Die Positionierung der Marke dient der Bedienung einer differenzierten Nachfrage. Anschließend muss die Kommunikationspolitik Assoziationen mit der Marke herstellen, um Assoziationskapital und somit Aufmerksamkeit zu erzeugen. Schließlich muss das aufgebaute Assoziationskapital durch Produkt-, Preis- und Distributionspolitik in tatsächlich generierbaren Zusatznutzen umgewandelt werden. 1.1.1. Zielgruppen, Markenarchitektur und Positionierung der Marke Eine Markenstrategie setzt zur effizienten Umsetzung einer differenzierten Marktansprache die Fokussierung ausgewählter Zielgruppen voraus, da Konsumenten unterschiedliche Präferenzen aufweisen und über unterschiedliche Strukturen bei der Herstellung von Markenassoziationen verfügen (vgl. Keller 2008, S. 99). Partielle (Produktentwicklung) oder als innovatives Produkt im neuen digitalen Fernsehmarkt (Marktentwicklung) betrachtet werden.
164
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Marktabdeckung durch einen etablierten Fernsehsender erlangt einerseits vor dem Hintergrund sich in Fragmentierung des Zuschauermarktes äußernden diversifizierenden Präferenzen der Zuschauer und intensiviertem Wettbewerb im digitalen Zeitalter Relevanz. Andererseits verleihen auch die gesetzliche Marktabdeckungsobergrenze von 30% des Zuschauermarktes und die im analogen Zeitalter geringen Umsätze pro Zuschauer partieller Marktabdeckung erhöhte Relevanz. Auch wenn die etablierten Fernsehsender in Deutschland bereits in Ansätzen Markenstrategien verfolgen, sind diese meist nicht an bestimmte Zielgruppen gerichtet. So zeigt sich, dass bspw. RTL entsprechend den Sinus-Milieus in fast allen nach den Ausprägungen der sozialen Lage und der Grundorientierung differenzierten Zielgruppen einen ähnlichen Affinitätsindex erzielt (vgl. Wolff 2006, S. 63).103 Ebenso gelten Sat.1 und RTL wie auch ARD und ZDF bzgl. ihrer Kultur- und Erlebnisorientierung als jeweils sehr ähnlich positioniert (vgl. Buß/Neuwöhner 2003, S. 111-115). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass deutsche Fernsehsender im Gegensatz zu US-amerikanischen Fernsehsendern (vgl. Chan-Olmsted 2006, S. 63) zwar eine Qualität signalisierende Reputationsstrategie verfolgen, diese allerdings nicht im Sinne einer Markenstrategie bestimmte Zielgruppen fokussiert, um durch Aufbau von Assoziationskapital Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Auswahl von Zielgruppen sollte sich sowohl an aktuellem sowie an potenziellem Wert pro Zuschauer, der Gruppengröße, den Verflechtungen und Ähnlichkeiten mit anderen Zuschauergruppen und den zur differenzierten Ansprache notwendigen Kosten orientieren. Dabei kann sich ein etablierter Fernsehsender auf soziodemographische Merkmale wie Alter, Geschlecht und Familienstand stützen. Es sollte aber – und das ist der fundamentale Unterschied zum bisherigen Verhalten deutscher Fernsehsender – zunehmend auch auf das durch die Digitalisierung besser erfassbare Nutzungsverhalten und die in den Sinus-Milieus beachteten psychographischen Merkmale wie Sozialstatus und Grundorientierung abgestellt werden. Insbesondere die als individuell und neuorientiert geltenden Milieus können als Grundlage für neue Geschäftsmodelle und innovative Programminhalte fungieren, wodurch Verknüpfungen des Markenmanagements mit dem Innovationsmanagement deutlich werden. Weil deutsche Fernsehsender noch keine im digitalen Zeitalter affirmative Auswahl von Zielgruppen vorgenommen haben, ist der Pionierstatus als Markenfernsehsender bei auszuwählenden Zielgruppen noch erlangbar. Damit die ausgewählten Zielgruppen ein konsistentes und absorbierbares Vorstellungsbild des Fernsehsenders entwickeln können, sollte sich die Markenarchitektur 103
Siehe zu einer Darstellung und Beschreibung der Sinus-Milieus: Wolff (2006, S. 58-63).
1. Strategisches Markenmanagement
165
eines Fernsehsenders am auf S. 55 beschriebenen zweistufigen Entscheidungsprozess der Zuschauer orientieren. Bislang verfolgen etablierte Fernsehsender in Deutschland tendenziell Einzelmarkenstrategien, wobei bspw. die RTL Group im Gegensatz zur ProSiebenSat.1 Media AG zumindest teilweise namentliche Verknüpfungen zwischen den zur Fernsehsenderfamilie gehörenden Einzelsendern herstellt. Im digitalen Zeitalter kommt dagegen einer Dachmarke aufgrund von personalisierten und von der Programmablaufgestaltung unabhängigen Programminhalten zunehmend die Aufgabe zu, generelle Aufmerksamkeit für die Angebotsvielfalt einer Fernsehsenderfamilie zu erzeugen. Dem Zuschauer muss durch die Dachmarke vermittelt werden, dass ihm dieser Fernsehsender zu jeder Zeit ein seine Präferenzen und Ansprüche befriedigendes Programm bieten kann. Dabei haben etablierte Fernsehsender gegenüber neuen Konkurrenten den Vorteil, sich bereits mit einem oder sogar mehreren Programmen in der Vorauswahl der Zuschauer zu befinden. Diese in der Vorauswahl befindlichen Fernsehsender eignen sich in erhöhtem Maße zur Nutzung als Dachmarke im digitalen Zeitalter. Entsprechend den technologischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters sollte eine Dachmarke auf verschiedenen Einzelsendern basieren. Dabei verlieren allerdings die in Deutschland im analogen Zeitalter üblichen Einzelmarken innerhalb einer Fernsehsenderfamilie an Relevanz. Denn in Anlehnung an Falkinger (2008, S. 1597) generiert die Dachmarke die notwendige Aufmerksamkeit für einen Fernsehsender, während Programminhalts- und Programmkategoriemarken um das monetäre und zeitliche Budget des Konsumenten konkurrieren. Die einzelnen Programminhaltsund Programmkategoriemarken müssen die von der Dachmarke erzeugte Aufmerksamkeit konkretisieren, indem sie ein auf die ausgewählten Zielgruppen zugeschnittenes, aber dennoch heterogenes Programm bieten. Es wird demnach zunehmend unwichtiger, ob ein Zuschauer RTL oder RTL II konsumiert, sondern dass er die RTL Group nutzt. Dabei ist für das strategische Markenmanagement von entscheidender Relevanz, dass zwischen Dachmarke, Programminhalts- und Programmkategoriemarken Kompatibilität herrscht. Dieser zweistufige Markenaufbau mit Dachmarke auf der ersten und Programminhalts- und Programmkategoriemarken auf der zweiten Stufe sollte zusätzlich von Personenmarken flankiert werden. Denn dadurch können bei Fernsehsendern besonders effizient Assoziationen erzeugt werden und gleichzeitig Potenziale für das Humanressourcenmanagement eines Fernsehsenders eröffnet werden. Als dritten Schritt einer Markenstrategie bedarf es der Positionierung der Marke, so dass eine differenzierte Nachfrage befriedigt wird. Um starke, positive und unverwechselbare Markenassoziationen auszulösen, muss die Position so gestaltet sein,
166
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
dass Mindestansprüche an eine Fernsehmarke durch points-of-parity erfüllt und gleichzeitig Alleinstellungsmerkmale durch points-of-difference kreiert werden (vgl. Keller 2008, S. 107-110). Dabei ist wichtig, sich auf wenige für die ausgewählten Zielgruppen relevante Merkmale zu fokussieren, um dadurch eine eindeutige Markenidentität zu entwickeln. Markenpositionierung setzt dabei das Definieren eines Soll-Zustandes als Markenidentität innerhalb eines Markenqualitätsmanagement voraus, durch welches mögliche Abweichungen zwischen Innen- und Außenperspektive offen gelegt werden können. Nur so ist kontinuierlich Stimmigkeit zwischen anvisierter Markenidentität des Unternehmens und der Kundenperspektive hinsichtlich einer Fernsehmarke herzustellen. Dabei bietet das Kundenbeziehungsmanagement aufgrund der erhöhten Datenqualität Potenziale zur besseren Umsetzung einer Markenstrategie. Insgesamt stellt die Positionierung einer Marke anhand der Markenidentität die Relevanz des Angebotsprofils heraus und differenziert die mit der Marke verbundenen Produkte vom Wettbewerb (vgl. Esch 2007, S. 90). 1.1.2. Kommunikation des Markenversprechens zum Aufbau von Assoziationskapital Es obliegt dem vierten Schritt einer Markenstrategie, das aus der Markenpositionierung entspringende Markenversprechen gegenüber Konsumenten zu kommunizieren. Ex ante entstehen durch Werbung und andere Marketingmaßnahmen Assoziationen eines Konsumenten mit einem Markengut, durch welche in Anlehnung an das Konzept des Konsumkapitals von Stigler/Becker (1977) Assoziationskapital innerhalb von Lernprozessen entsteht. Zielsetzung des strategischen Markenmanagements ist es, mit Hilfe der Kommunikationspolitik Markenversprechen abzugeben, um Assoziationen zu erzeugen und dadurch erhöhte Zahlungsbereitschaften und Aufmerksamkeit zu generieren. Dabei haben etablierte Fernsehsender gegenüber neuen Konkurrenten den Vorteil, dass Kommunikationspolitik zur originären Unternehmenstätigkeit von Fernsehsendern zählt und diese somit bereits über Erfahrung in diesem Bereich verfügen. Der Dachmarke kommt die Aufgabe zu, ein die ausgewählten Zielgruppen in besonderem Maße ansprechendes Kernversprechen abzugeben. Dieses thematisiert den zentralen Mehrwert der Dachmarke und sollte durch Satellitenversprechen begleitet werden, die Teilversprechen abgeben und das Kernversprechen konkretisieren (vgl. Wolff 2006, S. 114). Es müssen sowohl rationale als auch emotionale Versprechen abgegeben werden, um Assoziationen zu erzeugen, die über das grundsätzliche Programmangebot und dessen Basisnutzen hinausgehen (vgl. Esch 2007, S. 101115). Diese Erkenntnis geht auf D. Katz (1960, S. 170-176) zurück, welchem zufolge
1. Strategisches Markenmanagement
167
Markenprodukte neben Bedürfnisbefriedigung, Orientierung und Risikominderung auch die Möglichkeit zum persönlichen Ausdruck (self-expression) bieten sollten. Das rationale Markenversprechen kann durch ein Kompetenzversprechen kommuniziert werden. Ein solches verweist auf objektiv erfassbare Eigenschaften einer Marke wie deren Historie, Herkunft oder Rolle im Markt. So kann ein Konsument Assoziationen zu der Marke herstellen, indem er bspw. mit der über 25jährigen Historie der RTL Group eine Erfahrung mit der Bedienung audio-visueller Präferenzen verbindet. Das Kompetenzversprechen dient somit der Herstellung von Assoziationen zu zentralen Eigenschaften einer Marke wie deren Zuverlässigkeit oder Innovationsneigung (vgl. Esch 2007, S. 103). Ein rationales Markenversprechen kann auch durch ein Nutzenversprechen abgegeben werden, das den sachlich-funktionalen oder psychosozialen Nutzen des Gutes in den Vordergrund der Kommunikation rückt. Sachlich-funktionaler Nutzen entspringt bei Fernsehmarken bspw. aus der Besetzung eines Films mit bekannten Schauspielern, Aktualität der Nachrichten oder Anzahl der Serienepisoden. Dieser Nutzen kann aber nur dann glaubhaft kommuniziert werden, wenn dieser durch Eigenschaften der mit der Marke verbundenen Produkte belegt werden kann. So verknüpft ein Konsument bspw. mit einer einmal pro Stunde aktualisierten Nachrichtensendung Assoziationen wie hoher Aktualitätsgrad der darin präsentierten Nachrichten. Psychosozialer Nutzen von Fernsehmarken wie das Gefühl, bei einem Fernsehsender gut aufgehoben zu sein oder Menschlichkeit innerhalb der Medienwirtschaft zu erfahren, kann hingegen ebenfalls nur glaubhaft kommuniziert werden, wenn Eigenschaften wie Mitgefühl des Nachrichtensprechers bei besonders tragischen Ereignissen oder verständnisvoller Umgang mit sozial diffizilen Themen diesen Nutzen belegen. Da unterschiedliche Zuschauer aus verschiedenen Eigenschaften eines Produktes ein Nutzenversprechen ableiten können, bietet die Digitalisierung basierend auf einer Kundenbeziehung die Möglichkeit, kommunikationspolitische Nutzenversprechen zu personalisieren. So kann bspw. bei einem Filmdrama den weiblichen Zielgruppen psychosozialer Nutzen suggeriert werden, indem auf besonders sensiblen Umgang mit einem heiklen Thema verwiesen wird; dagegen kann man gegenüber den männlichen Zuschauern kommunikationspolitisch einen Hauptdarsteller wie John Travolta verwenden, um einen sachlich-funktionalen Nutzen wie die schauspielerische Qualität zu vermitteln. Sowohl das Kompetenzversprechen als auch das Nutzenversprechen weisen Überschneidungen mit dem Reputationsaufbau auf. Der Unterschied der Markenstrategie zum Reputationsaufbau entsteht daher vor allem durch Abgabe emotionaler Versprechen. Ein Fernsehsender gibt durch Werthaltungsversprechen ein emotionales Versprechen ab, durch das Konsumenten
168
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
eine Persönlichkeit, eine bestimmte Beziehung oder Erlebnisse mit der Marke verbinden. Wie auch Individuen können Marken Persönlichkeitsmerkmale zugeschrieben werden, so dass mit einem bestimmten Fernsehsender Assoziationen wie jung und modern oder auch seriös und nüchtern verknüpft werden (vgl. ChanOlmsted 2006, S. 63). Die Beziehung zwischen Fernsehsender und Konsument kann eine spezifische Natur erfahren, wenn sich diese durch ein besonderes Merkmal wie Freundlichkeit oder Formalität auszeichnet. Durch die Kommunikationspolitik können bestimmte Erlebnisse wie Geborgenheit mit einem Fernsehsender assoziiert werden. Dabei spielt Marktsegmentierung mittels Kundenbeziehung eine besondere Rolle, da durch übereinstimmende Einstellungen und Vorstellungsmuster umso besser Assoziationen zum emotionalen Nutzen einer Marke erzeugt werden (vgl. Wolff 2006, S. 24). Bei der Abgabe eines Werthaltungsversprechens nehmen Personenmarken eine Sonderrolle bei Fernsehsendern ein. Denn aus Perspektive der Zuschauer kann parasoziale Interaktion mit den in Programminhalten eingesetzten kreativen Talenten als Ersatz für soziale Interaktion dienen (vgl. Siegert 2001, S. 128) und einen Zusatznutzen durch Identifikation und Bestätigung stiften. Vor allem Schauspieler und Moderatoren können in besonderem Maße parasoziale Beziehungen zu Zuschauern entwickeln und die Persönlichkeit eines Fernsehsenders repräsentieren. Aber auch kreative Talente wie der für skurrile Filme bekannte US-amerikanische Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Quentin Tarantino können als Personenmarke Verwendung finden. Personen als Marken eines Fernsehsenders ermöglichen die Zuordnung von Programminhalten zu einem bestimmten Fernsehsender. Demnach weisen die Auswahl der Personenmarken und das kreative Humanressourcenmanagement eine besondere Relevanz für das strategische Markenmanagement auf. Insgesamt signalisieren Werthaltungsversprechen bestimmte Wertmaßstäbe und -haltungen einer Marke und zielen auf Erzeugung von Assoziationen subjektiv erlebbarer Wirkungen einer Marke ab. Für den Konsumenten entstehen ausgelöst durch die Kommunikationspolitik des Fernsehsenders ex ante Lernprozesse, durch welche der Konsument Assoziationskapital aufbaut. Dieses Assoziationskapital ermöglicht emotionalen, über den Basisnutzen des mit der Marke verbundenen Gutes hinausgehenden Zusatznutzen (vgl. Wolff 2006, S. 120; Esch 2007, S. 101). Durch Konsum der Marke können die Wertmaßstäbe und -haltungen nach außen getragen werden und die Assoziationen gehen auf den Konsumenten über. Bspw. erhält der Zuschauer eines bestimmten mit einer Marke versehenen Programminhalts Selbstbestätigung oder Prägung seines eigenen Lebensstils, erlangt Prestige
1. Strategisches Markenmanagement
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oder Anerkennung in seiner sozialen Gruppe oder genießt ein besonderes, sonst nicht erzeugbares Gefühl (vgl. Siegert 2001, S. 127). Fernsehsender können sich somit durch Emotionen profilieren und vom Wettbewerb differenzieren. Ökonomisch genießt der Fernsehsender dadurch eine höhere Zahlungsbereitschaft und generiert im intensivierten Wettbewerb des digitalen Zeitalters erhöhte Aufmerksamkeit. Schlussendlich müssen die rationalen und emotionalen Markenversprechen und somit das Markenimage transportiert werden. Dafür stehen einem Fernsehsender mediale und non-mediale kommunikationspolitische Instrumente zur Verfügung. Allerdings besitzt intramediale Kommunikation und somit Eigenwerbung besondere Relevanz. Denn diese unterliegt entsprechend §45, Abs. 3 RStV nicht den Werberichtlinien und gilt sowohl aufgrund ihres nahen Bezugs zum Endprodukt als auch aufgrund der aus dem analogen Zeitalter stammenden Markt beherrschenden Stellung etablierter Fernsehsender als effektivstes Instrument zur Markenbildung. Dabei ist durch Faktoren wie Senderlogo, Slogan, Musikunterlegung, Farben, Trailer, Design von Studios und Einsatz von Personen ein einheitliches, ansprechendes und differenzierendes Markenbild der damit kommunizierten Marken zu transportieren (vgl. Wolff 2006, S. 126-130). Um den Fernsehsender adäquat zu repräsentieren, sollte innerhalb des strategischen Markenmanagements bspw. bei der Gestaltung des Senderlogos darauf geachtet werden, dass dieses einzigartig, visuell identifizierbar und erkennbar ist, regelmäßig und konsequent eingesetzt wird und als Träger von Assoziationen fungiert (vgl. Holtmann 1999, S. 325f.). Insbesondere Medienereignisse wie Schlag den Raab besitzen im digitalen Zeitalter erhöhte Relevanz für die Markenbildung, weshalb Verbindungen zum kreativen Humanressourcen- wie auch Innovationsmanagement deutlich werden. Das strategische Markenmanagement muss mittels den im Markenbild ausgedrückten Markenversprechen einen konsistenten Marktauftritt generieren sowie das Markenbild kontinuierlich kommunizieren und fortentwickeln, um ein Markenimage des Fernsehsenders zu schaffen (vgl. Aaker 1991, S. 109f.; Wolff 2006, S. 96). Ökonomisch lassen sich die Investitionen eines etablierten Fernsehsenders in eine Markenstrategie mittels des Produktdifferenzierungsmodells von Gude (2007, S. 2846) argumentieren. Diesem zufolge koppelt ein etablierter Fernsehsender durch eine Marke Assoziationen als Monopolprodukt an sein wettbewerbliches Produkt. Durch frühzeitige Investitionen in eine Marke können Assoziationen erzeugt und mittels des entstehenden Zusatznutzens sowohl die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten erhöht als auch deren Preiselastizitäten verringert werden (vgl. Falkinger 2008, S. 1615).
170
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Durch Markeninvestitionen in der ersten Periode bzw. in der Zeit ohne Markteintritt eines neuen Fernsehsenders N wird die Gewinnfunktion des etablierten Fernsehsenders E verändert. Sie wird in der zweiten Periode bzw. nach Markteintritt eines neuen Fernsehsenders um die Aufwendungen Q(m) der Assoziationskapitalbildung und die Erhöhung der Zahlungsbereitschaft ZB(m) durch Assoziationskapitalbildung erweitert. Dabei bezeichnet der Parameter m die Verbesserung des Produktes durch die Investitionen des Fernsehsenders in Assoziationskapital; es gilt: Q'(m)>0; ZB'(m)>0. Die Gewinnfunktion G des etablierten Fernsehsenders stellt sich wie folgt dar: GE = (pE–c) DE [pE, pN, ZB(m), L] – Q(m).
(1)
Dabei bezeichnen c die Stückkosten und p den Preis des Produktes. Die Nachfragefunktion DE ist abhängig von ZB(m), den beiden Preisen und der Präferenzheterogenität L der Zuschauer im Sinne von Hotelling (1929), wobei ein hoher Wert von L starke Heterogenität suggeriert. Dabei gilt: DE'(pE)<0; DE'(pN)>0; DE'(ZB(m))>0; DE'(L)<0. Die Preisfunktion pE des etablierten Fernsehsenders ist abhängig von ZB(m), L und c, wobei gilt: pE'(ZB(m))>0; pE'(L)>0; pE'(c)>0. Aufgrund der strategischen Substitutionsbeziehung (vgl. Tirole 1988, S. 207f.) lautet die Gewinnfunktion des in der zweiten Periode in den Markt eintretenden neuen Fernsehsenders: GN = (pN–c) DN [pE, pN, ZB(m), L].
(2)
Es gilt: DN'(pE)>0; DN'(pN)<0; DN'(ZB(m))<0; DN'(L)<0. Die Preisfunktion pN ist abhängig von ZB(m), L und c, wobei gilt: pN'(ZB(m))<0; pN'(L)>0; pN'(c)>0. Dabei sei insbesondere darauf hingewiesen, dass zur Herausstellung des Assoziationskapitaleffekts im Modell keine Kostenunterschiede zwischen dem etablierten und neuen Fernsehsender existieren. Eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft in der ersten Periode durch Investitionen in den Assoziationskapitalaufbau erlaubt es einem etablierten Fernsehsender, eine Preis-Kosten-Differenz zur Generierung einer Rente zu erzeugen. Dabei ist die Höhe der Investitionen und somit der Wert des optimalen m positiv mit der Homogenität der Konsumenten bzw. der ausgewählten Zielgruppen korreliert.104 Dabei zeigt Gude (2007, S. 41-43), dass bei einem zunehmend von Heterogenität geprägten Markt wie dem Fernsehmarkt die optimale Strategie nicht in einer Verdrängung der potenziellen
104
Im Modell von Gude (2007) werden darüber hinaus auch der positive Einfluss der Leichtigkeit zur Erzeugung von Assoziationen und der Grad der Ausdifferenzierung des Marktes auf die optimale Investitionshöhe belegt.
1. Strategisches Markenmanagement
171
Wettbewerber, sondern vielmehr in einer Abschottung eines bestimmten Marktsegments durch den etablierten Fernsehsender besteht. Darüber hinaus kann Gude (2007, S. 43f.) belegen, dass Markteintritt auch ohne fixe Markteintrittskosten mittels einer Markenstrategie verhindert werden kann. Dies widerspricht der These von Schmalensee (1983; siehe auch Schmalensee 1974, S. 587), nach welcher Werbeinvestitionen den Markteintritt eines neuen Konkurrenten nicht verhindern können. Dies kann nach Auffassung des Autors der vorliegenden Arbeit und der zuvor geführten Diskussion um den Unterschied zwischen Reputation und Marke darauf zurückgeführt werden, dass Schmalensee Reputation und somit informative advertising und nicht Marke bzw. persuasive advertising modelliert. 1.1.3. Umsetzung des Markenversprechens Der fünfte und letzte Schritt der Markenstrategie umfasst die Umsetzung des Markenversprechens mittels Produkt-, Preis- und Distributionspolitik. Durch diese Instrumente müssen die per Kommunikationspolitik abgegebenen Markenversprechen erfüllt werden, um das erzeugte Assoziationskapital in generierbaren Zusatznutzen für die Konsumenten umzuwandeln. Dabei ist die Produktpolitik durch Erzeugung der Programmstruktur und Auswahl der Programminhalte bei Fernsehsendern von primärer Bedeutung. Ein Fernsehsender mit Dachmarke sollte die Optimierung des Zuschauerflusses (audience flow) durch Einsatz digitaler Technologien und horizontale, Einzelsender übergreifende Programmgestaltung erreichen. Digitale Technologien wie der EPG können eingesetzt werden, um einen Zuschauer unabhängig von seinem aktuellen Einzelsender auf die nach Ende des aktuellen Programminhalts folgenden Programmangebote der Dachmarke hinzuweisen. Im analogen Zeitalter werden diese Techniken des Zuschauerflusses lediglich innerhalb eines Einzelsenders verwendet. Dabei gehen andere Einzelsender einer Fernsehsenderfamilie mit den gleichen Voraussetzungen wie Konkurrenzsender in den Wettbewerb um Zuschauer in der nächsten Periode. Durch Überleitungstechniken kann der Zuschauer allerdings dazu bewegt werden, der Dachmarke treu zu bleiben, auch wenn er dabei einen anderen Einzelsender konsumiert. Dabei ist von entscheidender Wichtigkeit, dass auch die zeitlichen Programmstrukturen der Einzelsender übergreifend organisiert werden, so dass zum Ende eines Programminhalts einem Konsumenten eine möglichst breite Auswahl innerhalb der Dachmarke zur Verfügung steht. Überleitungen eines Zuschauers sollten innerhalb einer Fernsehmarke vor allem auch durch Techniken des repeated viewing erzielt werden. Bislang geschieht dies
172
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
innerhalb von Einzelsendern lediglich durch serielle Programminhalte und Moderatoren, die in verschiedenen Programminhalten des gleichen Einzelsenders eingesetzt werden. Es ist vorstellbar, dass mittels Technologien wie dem EPG nach Ausstrahlung eines seriellen Programminhalts ältere Episoden der gleichen Serie oder andere Programminhalte mit den gleichen kreativen Talenten dem Zuschauer als Folgeangebote unterbreitet werden. Diese Technik des repeated viewing kann insbesondere durch Personenmarken umgesetzt werden. Wenn bspw. Schauspieler in festen, aber Programminhalte übergreifenden Charakteren eingesetzt werden, kann der Zuschauer durch Folgen der Personenmarke zwar den Programminhalt ändern, jedoch nicht die Fernsehsenderfamilie. Abhängig von der relativen Stärke der eigenen Programminhalte ist darüber hinaus konkurrenzorientierte Programmgestaltung einzusetzen, um einen Zuschauer nach Ende des Programminhalts innerhalb der Dachmarke zu halten. Neben der Programmstruktur sind innerhalb der Produktpolitik die Programminhalte von entscheidender Bedeutung zur Umsetzung des Markenversprechens. Dabei ist aufgrund des Charakters des Fernsehens die Marke je nach Positionierung besonders stark mit dem Innovationsmanagement eines Fernsehsenders verknüpft. Das Programmportfolio sollte durch Innovation, Modifikation und Eliminierung entsprechend den Ergebnissen eines Qualitätsmanagements kontinuierlich fortentwickelt werden. Die Marke fungiert somit als Leitbild für das Innovationsmanagement. Dabei sind wie in der Kommunikation auch in der Umsetzung des Markenversprechens eigenproduzierte Medienereignisse im Sinne positionaler Güter im digitalen Zeitalter zunehmend wichtig, da sie der eigenen Differenzierung und somit der Markenstrategie dienen (vgl. Wolff 2006, S. 155f.). Durch den Bezug auf das Qualitätsmanagement wird auch die Verbindung zum Kundenbeziehungsmanagement deutlich, da dadurch Zufriedenheitsdaten mit der Marke besser erhoben werden können. Die Programminhalte werden vor allem durch die eingesetzten kreativen Talente geprägt, wodurch Superstars sowie virtuelle Medienhelden eine besondere Rolle spielen. So werden bspw. Johannes B. Kerner, einem Moderator des ZDF, von den Zuschauern die Eigenschaften Glaubwürdigkeit, Gruppenzugehörigkeit, emotionale Nähe und respektvoller Umgang zugeschrieben (vgl. Kerner/Hülsmann/Grapp/Tiedemann 2009, S. 346-348). Eigenproduzierte Programminhalte und kreative Talente dienen demnach der idealen Umsetzung der durch die Kommunikationspolitik abgegebenen Markenversprechen mittels der Produktpolitik. Innovationsmanagement und kreatives Humanressourcenmanagement stellen somit eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Markenstrategie dar, weil der Verlust der Markenidentität droht, falls Konkurren-
1. Strategisches Markenmanagement
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ten die gleichen Programminhalte ausstrahlen oder Personenmarken den Fernsehsender wechseln. Zuletzt muss das Markenversprechen durch adäquate Preis- und Distributionspolitik umgesetzt werden, wobei beide von nachgelagerter, aber zunehmender Wichtigkeit im digitalen Zeitalter sind. Die erfolgreiche Einführung von positiven monetären Preisen innerhalb von Kundenbeziehungen durch einen bislang werbefinanzierten Fernsehsender ist insbesondere am Anfang der Digitalisierung erreichbar. Der durch die Markenstrategie erzeugte Zusatznutzen kann dazu verwendet werden, Zuschauer in ein partiell entgeltfinanziertes Geschäftsmodell überzuleiten. Dieses Argument des Fernsehsenders verstärkend kann er gleichzeitig innerhalb einer Markenstrategie in Verbindung mit einer Kundenbeziehung Werbung nach den Interessen der Zuschauer personalisieren und somit den nicht-monetären Preis des Fernsehens verringern. Durch die Digitalisierung und die dadurch neu entstehenden Distributionskanäle sowie den Markteintritt von Distributoren in den Fernsehmarkt rückt auch die Distributionspolitik in den Fokus der Markenstrategie eines etablierten Fernsehsenders. So ist innerhalb des strategischen Markenmanagements sicherzustellen, dass ein Fernsehsender auf allen ökonomisch sinnvollen Distributionskanälen in der mittels Kommunikationspolitik versprochenen Art und Weise verfügbar ist. 1.2.
Diversifikationspotenzial des strategischen Markenmanagements
Strategisches Markenmanagement als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender ermöglicht neben der Differenzierung im Fernsehmarkt auch Diversifikationspotenzial. Dabei sollten sich Fernsehsender vor allem diejenigen Märkte heraussuchen, in denen die aufgebaute Fernsehmarke hohes Potenzial besitzt, Stimmigkeit mit den strategischen Erfolgsfaktoren zu erzeugen. Das Transferpotenzial einer Fernsehmarke hängt daher vor allem davon ab, ob das Assoziationskapital übertragen werden kann. Dies ist gegeben, wenn die abgegebenen rationalen und emotionalen Markenversprechen auch im neuen Markt Relevanz für die Konsumenten besitzen. Gemäß der Dachmarkenstrategie kann eine bestehende Fernsehmarke zur horizontalen Diversifikation genutzt werden. Einzelsender, Programmkategorien oder Programminhalte können durch Verknüpfung mit der Dachmarke aufgebaut werden, wodurch sich gegebene Assoziationen übertragen lassen. Dabei eignen sich Programmkategoriemarken besonders gut, um neue auf spezifische Zielgruppen ausgerichtete Spartenprogrammsender zu gründen. So kann bei einem Fernsehsender mit einer Marke für die Programmkategorie Infotainment das damit verbundene Assoziationskapital auf weitere, unter der Programmkategoriemarke subsumierte Einzelsendungen oder einen Infotainmentsender übertragen werden. Im zusammen-
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
wachsenden Binnenmarkt der Europäischen Union ermöglicht eine Dachmarke mittels einer einheitlichen und erkennbaren Markenidentität den Einsatz über nationale Grenzen hinweg. Aufgrund des strategischen Markenmanagements ist es möglich, in die für Fernsehsender vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen der Fernsehindustrie einzutreten. Eine für Innovation bekannte Fernsehmarke kann insbesondere unter Einbindung des strategischen Innovationsmanagements zur Produktion von innovativen Programminhalten genutzt werden. Dadurch verbessern sich nicht nur die Erfolgsaussichten auf dem Fernsehmarkt, sondern die Marke dient auch zum Vertrieb der Programminhalte gegenüber Kinobetreibern oder zum Verkauf von DVDs. Eine bestehende Fernsehmarke fungiert als Basis für den Eintritt in die Wertschöpfungsstufe der Distribution. Auch ohne Reputation für die technische Übertragungsleistung von Fernsehsignalen umgeht ein Fernsehsender durch Übertragung der Dachmarke bspw. auf eine Internetplattform die traditionellen Distributoren. In diesem Falle dient das Assoziationskapital der Fernsehmarke zur Kompensation für die bei technologischer Übertragung fehlende Reputation. Zuletzt kann das strategische Markenmanagement auch zur lateralen Diversifikation genutzt werden. Wie bereits aus dem analogen Zeitalter bekannt, können mittels Diversifikation Handelswaren vertrieben werden. Neben der Erschließung weiterer Einnahmequellen gehen von einer solchen lateralen Diversifikation auch positive Rückkopplungen auf die eigentliche Fernsehmarke aus, wenn die Zuschauer einer Programminhaltsmarke bspw. T-Shirts oder Poster konsumieren und damit Werbung für die Fernsehmarke betreiben. Allerdings kann der konsequente Aufbau einer Fernsehmarke auch über ausschließlich auf die Programminhalte oder Programmkategorie bezogene Handelswaren hinaus genutzt werden. Eine Programminhaltsmarke wie eine wöchentlich ausgestrahlte Reisesendung, die attraktive Urlaubsziele präsentiert, kann dazu genutzt werden, die entsprechenden Reisen – ggf. in Kooperation mit einem Reiseunternehmen – anzubieten. Es ist denkbar, dass ein Fernsehsender mit einer auf Finanznachrichten ausgerichteten Programmkategoriemarke – insbesondere in Verbindung mit einer Kundenbeziehung und somit dem Wissen über Präferenzen der Zuschauer – auch für die individuellen Präferenzen der Zuschauer adäquate Finanzprodukte vermittelt. Diese beiden lateralen Diversifikationsformen stellen somit jeweils eine Übertragung der Rolle von Fernsehsendern als Intermediäre auf neue, allerdings mit der Marke verknüpfte Märkte dar. Dabei wird die für die Produktion der Programminhalte notwendige spezifische Kompetenz – in den oben genannten Fällen die Auswahl attraktiver Reiseziele und die Empfehlung adäquater Finanzprodukte – auf die Vermittlung dieser Güter übertragen. In Abhängigkeit von
1. Strategisches Markenmanagement
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ihrer Ausgestaltung ermöglicht die Marke auch die Übertragung der Rolle von Fernsehsendern als Intermediäre auf andere Medieninhalte. So kann bspw. ein Musikfernsehsender den Vertrieb von Musiktiteln unter der etablierten Marke betreiben. Über Programminhalts- und Programmkategoriemarken hinaus lassen sich auch aufgebaute Personenmarken lateral diversifizieren. So können insbesondere Schauspieler und Moderatoren in festen Charakteren werbetreibenden Unternehmen bereitgestellt werden, wodurch Fernsehsender nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen, sondern auch ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber alternativen Werbeträgeranbietern wie Zeitungen oder Internetseiten aufbauen. 2.
Strategisches Kundenbeziehungsmanagement
Die Bemühungen des strategischen Markenmanagements, durch Marken Kundenbindung zu erzielen, können im digitalen Zeitalter durch den Aufbau von Kundenbeziehungen ergänzt werden. Im analogen Zeitalter versuchten Fernsehsender vor allem durch Optimierung von Programminhalten und Programmablaufgestaltung Bindung ihrer Zuschauer zu erzeugen. Aufgrund der im digitalen Zeitalter ansteigenden Wettbewerbsintensität wird es für etablierte Fernsehsender aber zunehmend notwendig, sich durch kundenbezogene Spezifizierung zu differenzieren. Dabei bietet die Digitalisierung mittels Rückkanalfähigkeit die Möglichkeit, Fernsehgewohnheiten und allgemeine Präferenzen der Zuschauer anhand des Fernsehkonsums zu ermitteln (vgl. Spangler et al. 2003). Es wird deshalb in diesem Kapitel unterstellt, dass ein Fernsehsender bspw. durch Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur über die traditionellen Distributionskanäle oder durch Betreiben von Internetplattformen Kundenbeziehungen aufbauen kann, die auf bidirektionalen Kommunikationsflüssen basieren.105 Durch Kundenbeziehungen überwindet ein etablierter Fernsehsender die Anonymität des Fernsehmarktes und erlangt Wissen über seine Kunden. Dadurch können nicht nur die Güter des Fernsehsenders besser an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet werden, sondern auch die Profitabilität pro Kunde – im Gegensatz zu der Profitabilität pro Zuschauer – gesteigert werden. Der Fernsehsender erhält die Möglichkeit, Programminhalte und Zusatzdienste, aber auch Entgelte und Werbung zu personalisieren. Gleichzeitig kann die aufgrund von Erfahrungsgutcharakter und 105
Das im Folgenden modellierte Kundenbeziehungsmanagement entspricht dem von Wacker (2007, S. 171-173) beschriebenen Programmveranstaltermodell, in dem Fernsehsender die Kundenbeziehung unterhalten. Im Gegensatz dazu verfügen im Netzbetreibermodell die Distributoren über die Kundenbeziehung.
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Digitalisierung gegebene Unsicherheit bzgl. der Wertschätzung der Konsumenten gegenüber den Gütern eines Fernsehsenders gesenkt werden. Das strategische Kundenbeziehungsmanagement als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender umfasst den systematischen Aufbau, Erhalt und Ausbau von Kundenbeziehungen. 2.1.
Umsetzung einer Kundenbeziehungsstrategie
Etablierte Fernsehsender können entsprechend den durch die Digitalisierung erwachsenden Möglichkeiten eine differenzierte Marktbearbeitung anhand von ausgewählten Zielgruppen mit standardisierter Beziehungsindividualisierung umsetzen (vgl. Bruhn 2009, S. 159-163). Dabei orientiert sich die folgende Kundenbeziehungsstrategie in Anlehnung an Bruhn (2009, S. 131-136 & 175-200) an den phasenbezogenen Instrumenten zum Aufbau und Erhalt von Kundenbeziehungen.106 2.1.1. Aufbau von Kundenbeziehungen Durch Kundenbeziehungen ändert sich das Geschäftsmodell von Fernsehsendern im digitalen Zeitalter fundamental gegenüber dem analogen Zeitalter. Während in der Vergangenheit lediglich entgeltfinanzierte Fernsehsender Kundenbeziehungen zu ihren Zuschauern unterhielten, zielt der Aufbau von Kundenbeziehungen auf alle Fernsehsender unabhängig vom Geschäftsmodell ab. Während für werbefinanzierte und öffentlich-rechtliche Fernsehsender damit nicht per se eine Änderung des Geschäftsmodells einhergeht, geht die intendierte Wirkung über die von entgeltfinanzierten Fernsehsendern unterhaltenen Kundenbeziehungen des analogen Zeitalters hinaus. Unter Anwendung des transaktionskostentheoretischen Modells von Williamson (1985, S. 30-35) lassen sich Kundenbeziehungen mittels Vertragsschluss begründen, falls begrenzte Rationalität, Opportunismusgefahr und Faktorspezifität gegeben sind (siehe Farrell/Shapiro 1989). Die begrenzt rationale Verhaltensannahme bei Zuschauern wurde bereits im analogen Zeitalter unter Bezug auf die von ihnen vorgenommene Vorauswahl begründet. Die durch Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager ermöglichten personalisierten Programminhalte und Zusatzdienste des digitalen Zeitalters stellen darüber 106
Die Phasen der Kundenrückgewinnung und anbieterseitigen Kundenbeziehungsbeendigung (vgl. Bruhn 2009, S. 136-142 & 200-208) werden aufgrund der Neuartigkeit der Kundenbeziehungsstrategie für etablierte Fernsehsender ignoriert. Neben Aufbau und Erhalt von Kundenbeziehungen sollte das strategische Kundenbeziehungsmanagement die phasenübergreifenden Aufgaben des Qualitäts-, Beschwerde-, Dienstleistungs- und Kundenwertmanagements umfassen (vgl. Bruhn 2009, S. 208-220). Durch ein Beschwerdemanagement können Kunden in besonderem Maße gebunden werden (vgl. Homburg/Fürst 2005) und es erlangt in Zeiten der Personalisierung erhöhte Relevanz, da Kunden die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, Unzufriedenheit mit personalisierten Programminhalten kommunizieren zu können.
2. Strategisches Kundenbeziehungsmanagement
177
hinaus keine homogenen Güter, sondern komplexe Leistungsbündel dar, so dass die Durchführung rationaler Entscheidungen weiter erschwert wird. Weder Zuschauer noch Fernsehsender können demnach ex ante wissen, welche Güter in welchem Umfang nachgefragt werden, weshalb man sich Mechanismen zur Vereinfachung der Entscheidungsfindung bedient. Es wird deshalb gegenüber dem analogen Zeitalter durch die Digitalisierung noch erschwert, alle denkbaren Ereignisse vorab innerhalb einer bilateralen Planung abzudecken. Die Erstellung von Profilen der Zuschauer mit dem Ziel der Personalisierung von Programminhalten, Zusatzdiensten, Entgelten und Werbung ist mit hohen Kosten für einen Fernsehsender versehen. Neben dem Aufbau der technologischen Infrastruktur und Bereitstellung von Beziehungsmaßnahmen entstehen diese durch Erhebung und Auswertung von Daten über die Kunden. Da diese Kosten im Falle eines vorzeitigen Abwanderns des Zuschauers versunken sind, besteht aus Sicht des Fernsehsenders Opportunismusgefahr seitens des Zuschauers. Durch Kundenbeziehung zu erzielende Personalisierung induziert aber auch eine Situation, in der Zuschauer beziehungsspezifische Kosten in Form von Opportunitätskosten durch Bereitstellung der Daten aufwenden müssen. Durch die erhöhte Integrativität besteht die Gefahr für den Zuschauer, dass der Fernsehsender trotz erhobener Daten die Personalisierung von Programminhalten bspw. aufgrund von Kostenaspekten nicht durchführt oder trotz personalisierter Werbung den Gesamtwerbeumfang und somit das quantitative Werbeleid nicht verringert. Es droht, dass der Fernsehsender trotz der Ankündigung besonders populärer aktueller Kinofilme und entgegen den Zuschauerpräferenzen lediglich alte Kinofilme ausstrahlt. Fernsehsender bieten durch Auswahl der Programminhalte und Grad der Personalisierung demnach eine durch Dritte nicht beurteilbare Qualität (vgl. Farrell/Shapiro 1989, S. 52). Diese Situation impliziert gegenseitige Opportunismusgefahr zwischen Fernsehsender und Zuschauer, so dass durch reine Versprechen beider Seiten kein effizientes Ergebnis zu erwarten ist.107 Trotz des Vorliegens begrenzter Rationalität und bestehender Opportunismusgefahr kommt die Kundenbeziehung eines etablierten Fernsehsenders mit seinen Zuschauern ohne vertraglich abgesicherte Überwachungsmechanismen aus, wenn keine Faktorspezifität gegeben ist. Fernsehen des analogen Zeitalters kann als ein für 107
Bei der Bereitstellung sensibler Daten kann Missbrauch bspw. durch Weitergabe relevanter Daten an werbetreibende Unternehmen vermutet werden. Für Kundenbeziehungen mit dem Ziel der Erfassung von Fernsehgewohnheiten und allgemeinen Präferenzen ist es daher notwendig, eine Datenschutzrichtlinie (private policy) zu erlassen und im Falle des Missbrauchs eine angemessene Kompensation in Aussicht zu stellen. Eine vertraglich fixierte Kundenbeziehung dient dabei der Verringerung der Opportunismusgefahr seitens des Fernsehsenders.
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
einen anonymen Markt produziertes Austauschgut interpretiert werden (vgl. Alchian/Woodward 1988, S. 66f.; Helm 2006, S. 109). Fernsehen des digitalen Zeitalters stellt dagegen ein Kontraktgut dar, welches komplexe Dienstleistungen umfasst und speziell auf die individuellen Bedürfnisse der Nachfrager mittels Personalisierung von Programminhalten, Zusatzdiensten, Entgelten und Werbung abgestimmt ist (vgl. Kaas 1992, S. 884f.; Helm 2006, S. 109). Digitales Fernsehen stellt somit auf Interaktionen basierende Leistungsversprechen in den Mittelpunkt der Transaktion (vgl. Alchian/Woodward 1988, S. 66f.; Kaas 1992, S. 884). Diese zur Leistungserbringung bedingte Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager induziert die bei der Opportunismusgefahr bereits aufgeführten beiderseitigen Kosten, durch welche aufgrund mangelnder Übertragbarkeit Faktorspezifität entsteht. Somit ist auch die dritte Bedingung des transaktionskostentheoretischen Modells im digitalen Zeitalter erfüllt, so dass auch die von Williamson (1985, S. 31f.) beschriebene isolierte Wettbewerbslösung nicht zum effizienten Ergebnis führt. Lediglich der Abschluss von Verträgen zur Bereitstellung von Personalisierung im digitalen Fernsehmarkt erzeugt demnach ein ex ante effizientes Ergebnis. Die kundenseitigen Investitionen in eine Kundenbeziehung wirken als Wechselkosten und erzeugen aufgrund des drohenden lock-in Unsicherheit, wodurch das Eingehen einer Kundenbeziehung erschwert wird. Da für Zuschauer die Leistungsfähigkeit personalisierter Programminhalte, Zusatzdienste, Entgelte und Werbung ein neues und unbekanntes Phänomen des digitalen Zeitalters darstellt, müssen Zuschauer von der Vorteilhaftigkeit einer Kundenbeziehung mit einem Fernsehsender überzeugt werden. Insbesondere bei frühzeitigem Aufbau sollten etablierte Fernsehsender deshalb den Bedarf via Kommunikationspolitik aufzeigen und durch Produkt- und Preispolitik befriedigen. Dabei ist der Bedarf an Personalisierung sowohl mittels des rationalen Mehrwerts und somit durch das Reputationsmanagement als auch anhand des emotionalen Zusatznutzens und somit durch das Markenmanagement zu wecken. Produktpolitik bietet neben der Personalisierung von Programminhalten auch das Anbieten von Zusatzdiensten an. Neben einem etwaigen positiven monetären Preis in Form eines Entgelts spielt bei der Preispolitik aufgrund der Werbefinanzierung auch die Gestaltung des nicht-monetären Preises eine entscheidende Rolle. Der Aufbau einer Kundenbeziehung stellt eine Investitionsphase dar, in der mittels der Preispolitik unter Gestaltung der Höhe und Struktur sowie unter Gewährung von Nachlässen Reputationsaufbau für das personalisierte Angebot eines Fernsehsenders erzeugt wird. Neben einem etwaigen Entgelt rückt innerhalb der Preispolitik vor allem durch Anwendungen wie den digitalen Videorekorder personalisierte Werbung in den Fokus eines Fernsehsenders mit Kundenbeziehungen. Der Fernsehsender
2. Strategisches Kundenbeziehungsmanagement
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kann seinen Kunden einen verringerten nicht-monetären Preis durch die Kundenbeziehung offerieren, indem er bspw. ankündigt, pro Programminhalt lediglich 50% der Werbezeit im Vergleich zu anderen Fernsehsendern oder gegenüber der Situation ohne Personalisierung auszustrahlen, die enthaltenen Werbebotschaften aber sogleich im Interessensfeld des Zuschauers liegen. Durch Reduktion der Gesamtwerbezeit und Ausrichtung der Werbebotschaften an den Interessen des Zuschauers sinken sowohl das quantitative als auch das qualitative Werbeleid des Zuschauers. Somit ist es werbefinanzierten Fernsehsendern möglich, Reputation für Personalisierung durch nicht-monetäre Preisnachlässe aufzubauen. Dabei entsteht Rentenpotenzial für den Fernsehsender aus Erhöhung der zu verkaufenden Werbezeit bei Verringerung des Werbeleids und erhöhtem Werbepreis pro Zuschauer (vgl. Kim/Wildman 2006, S. 68-70; Schaarschmidt/Radtke 2009). Personalisierte Werbung ermöglicht auch eine Ausweitung der Nachfrage nach Fernsehwerbezeit. Während man nationale, regionale und lokale Fernsehwerbung unterscheidet, strahlen die etablierten Fernsehsender in Deutschland fast ausschließlich nationale Werbung aus. Kundenbeziehungen ermöglichen, dass das durch Digitalisierung induzierte Potenzial der Regionalisierung und Lokalisierung aktiviert wird, indem nicht nur mit den bestehenden werbetreibenden Unternehmen mehr Umsatz generiert wird, sondern auch neue Werbekunden gewonnen werden können (vgl. Schellhaaß 2003b, S. 6; Wilbur 2008, S. 146). Unabhängig vom monetären Fernsehbudget des Zuschauers kann der Fernsehsender auf diese Weise mehr Umsatz mit dem einzelnen Kunden generieren. Dabei ermöglichen Regionalisierung und Lokalisierung Größeneffekte in der Werbezeitenvermarktung, so dass die Probleme von kleinen Regionalsendern (siehe Rott 2003, S. 133f.) bewältigt werden können. Gleichzeitig treten dadurch etablierte Fernsehsender in Konkurrenz zu regionalen und lokalen Fernsehsendern, Radiosendern und Tageszeitungen. Fernsehsender profitieren auch aufgrund der besseren Segmentierung im Vergleich zum analogen Zeitalter bzw. im Vergleich zu Fernsehsendern ohne Kundenbeziehung von erhöhter Verhandlungsmacht gegenüber werbetreibenden Unternehmen (vgl. Chan-Olmsted 2006, S. 113). Die ohnehin zunehmend als zweifelhaft geltenden Nielsen Ratings (vgl. Haupert 2006, S. 185) können durch eigene Daten unter Nutzung des Wissens über Fernsehgewohnheiten und allgemeine Präferenzen der Zuschauer ersetzt werden. So kann das Wissen über die Kunden seitens des Fernsehsenders zu Informationskostenreduzierung bei werbetreibenden Unternehmen eingesetzt werden, indem sie diesen die Erhöhung der Validität innerhalb des komplexen Prozesses der Werbeträger- und Werbezeitenauswahl ermöglichen (siehe Wilbur 2008, S. 146). Das Rentenpotenzial durch Kundenbeziehungen mit
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Zuschauern entsteht insgesamt also durch verbesserte Werbemöglichkeiten und somit höhere Werbepreise pro Zuschauer, angebotsinduzierte Ausweitung der Nachfrage nach Fernsehwerbezeit sowie Informationskostenreduzierung bei werbetreibenden Unternehmen. Neben dem sich indirekt aus der Verbindung zu Zuschauern ergebenden Rentenpotenzial werden mittels der Kernkompetenz des strategischen Kundenbeziehungsmanagements auch durch erhöhte Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer direkt durch die Kunden Renten generiert. Durch das Wissen über Fernsehgewohnheiten können etablierte Fernsehsender innerhalb ihrer Produktpolitik ihren Kunden personalisierte Programminhalte anbieten. In Anlehnung an die Versionisierung von Varian (2000) sind Programminhalte qualitativ differenzierbar. Während dies z.B. bei Nachrichten intuitiv durch Länge der Nachrichtensendung sowie inhaltliche Breite und Tiefe der ausgewählten Berichte deutlich wird, ist dies bei Serien und Filmen schwerer vorstellbar. Aber auch dort können durch zusätzliche Szenen zu einzelnen Handlungen diese gegenüber der Grundfassung ausführlicher präsentiert werden, Hintergrundinformationen zu Dreharbeiten und kreativen Talenten gegeben werden oder durch das Zeigen von missglückten Szenen am Ende eines Films qualitative Differenzierungen erreicht werden. Das Konzept der Versionisierung erinnert somit an das von RTL verwendete Ausweiten der Berichterstattung rund um die Formel 1, bei welcher mittlerweile nicht nur über Rennen und Qualifikation, sondern auch weitere Trainingseinheiten und andere Geschehnisse rund um ein Rennwochenende berichtet wird. Durch bidirektionale Kommunikationsflüsse kann die Nachfrage von Zuschauern besser abgeschätzt werden und der Zuschauer wird als Kunde des Fernsehsenders in den Produkterstellungsprozess involviert. Kundenbeziehungen eröffnen demnach Innovationspotenzial und erzeugen Interaktionen mit dem Innovationsmanagement. Neben dieser rein programminhaltlichen Versionisierung bieten sich durch Verknüpfung von Produkt- und Preispolitik weitere Möglichkeiten durch Kombination verschiedener Personalisierungsdimensionen innerhalb einer Kundenbeziehung an. So können durch bidirektionale Kommunikationsflüsse Entgelte eines Fernsehsenders entsprechend der Qualität des Programminhalts differenziert werden. Durch Kombination von Programminhalt, nicht-monetärem Preis und Entgelt erwächst bspw. für einen bisher ausschließlich werbefinanzierten Fernsehsender die Möglichkeit, seinen Kunden einen um 20:15 Uhr ausgestrahlten zweistündigen Film, welcher mit 30 Minuten Werbung versehen ist (Alternative A), auch in anderen Versionen anzubieten. Er kann den Film unter Verzicht auf Werbung um 20:45 Uhr zum Entgelt 2 € (Alternative B) oder um 20:15 Uhr zum Entgelt 3 € (Alternative C) ausstrahlen. Der
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Fernsehsender kann Alternative C um inhaltliche Aspekte wie Zusatzszenen im Umfang von 30 Minuten ergänzen und dafür ein Entgelt in Höhe von 4 € verlangen (Alternative D). Zusätzlich wäre es auch möglich, den Zuschauern den Film unter Ausstrahlung personalisierter Werbung zum Entgelt 1 € anzubieten, so dass die Ausstrahlung des Films zwar um 20:15 Uhr startet, der Film allerdings nur 10 Minuten personalisierte Werbung enthält (Alternative E). Darüber hinaus sind weitere Alternativen denkbar und durch eine zeitlich stärkere Differenzierung können die Qualitätsunterschiede der verschiedenen Versionen besser herausgestellt werden. Allerdings sollen diese Beispiele verdeutlichen, dass durch Kombination der verschiedenen Personalisierungsoptionen entsprechend den Zahlungsbereitschaften der Zuschauer Preisdiskriminierung und Produktdifferenzierung simultan durchgeführt werden können. Zuletzt bietet sich innerhalb einer Kundenbeziehungsstrategie auch an, den Zuschauern personalisierte Programmablaufstrukturen zu bieten und somit ihre Informationskosten zu reduzieren. Ein EPG kann die Programmauswahl der Zuschauer erleichtern, was bei Honorierung der Informationskostenreduzierung zu einer Steigerung der Zahlungsbereitschaft für Programminhalte führt. Zusammenfassend bietet Versionisierung die Möglichkeit, positive Preise unter Aufbau von Kundenbeziehungen einzuführen, wodurch sich Fernsehsender einer Preisdiskriminierung ersten Grades annähern. Basierend auf bestehenden Geschäftsmodellen können somit die etablierten Fernsehsender neue Geschäftsmodelle erschließen und zunehmend die zur Gewinnmaximierung geeignete Mischfinanzierung aus Werbe- und Entgeltfinanzierung betreiben (vgl. Owen/Wildman 1992, S. 127-129). Das Rentenpotenzial des etablierten Fernsehsenders speist sich somit aus dem Unterschied zwischen undifferenzierten und personalisierten Preisen für die Personalisierung von Programminhalten und Werbung. Insgesamt entsteht somit Rentenpotenzial für etablierte Fernsehsender durch höhere Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer, welche sich aus der an Präferenzen orientierten Bereitstellung und Präsentation der Programminhalte sowie dem Angebot von Zusatzdiensten zusammensetzt. Etablierte Fernsehsender müssen diese durch Produkt- und Preispolitik erzielbaren Steigerungen der Bedürfnisbefriedigung gegenüber dem Fernsehen des analogen Zeitalters zur Weckung des Bedarfs einer Kundenbeziehung kommunizieren. Dabei ist vor allem der verringerte Preis durch personalisierte Werbung bei erhöhter Bedürfnisbefriedigung mittels personalisierter Inhalte und Zusatzdienste in den Mittelpunkt der Kommunikation zu stellen. Ergänzend sollte das strategische Markenmanagement eingesetzt werden, so dass durch Kommunikation von mit der
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Personalisierung einhergehendem emotionalem Nutzen wie Offenbarung individueller Unterhaltungsinteressen Assoziationskapital für die Angebote des Fernsehsenders aufgebaut wird.108 Insgesamt wird anhand des Aufbaus von Kundenbeziehungen deutlich, dass sie zu einem effizienten Ergebnis führen. Dabei obliegt Fernsehsendern die Aufgabe, die aus dem drohenden lock-in erwachsenden Bedenken der Zuschauer durch kommunikationspolitische Maßnahmen, welche die Produkt- und Preispolitik thematisieren, zu überwinden. "Faceless contracting [between viewers and broadcasters of the analogue age] is thereby supplanted by contracting in which the pairwise identity of the parties matters" (Williamson 1985, S. 62). In diesem Falle ist die Absicherung durch langfristige Verträge ökonomisch sinnvoll. Dabei verfügen etablierte Fernsehsender über den Vorteil, im Falle des frühzeitigen Aufbaus von Kundenbeziehungen im digitalen Zeitalter eine Wettbewerbssituation vorzufinden, in welcher sie keinen gleichwertigen Konkurrenzangeboten begegnen. Sie müssen neben den grundsätzlich für den Aufbau von Reputation notwendigen Preisnachlässen keine Einführungspreise oder -angebote schaffen, um potenzielle Kunden für Wechselkosten durch Vertragsbindungen an andere Fernsehsender zu kompensieren (vgl. Schmalensee 1982, S. 353-357). 2.1.2. Erhalt von Kundenbeziehungen Allerdings können etablierte Fernsehsender diese Wettbewerbssituation zu ihren Gunsten ausnutzen, indem sie durch das strategische Kundenbeziehungsmanagement gezielt Wechselkosten errichten, um Kundenbeziehungen nach Aufbau auch langfristig zu erhalten. Dazu ist einerseits das Diversifikationspotenzial von Kundenbeziehungen zu erschließen. Andererseits ist zunächst durch Errichtung und Vermittlung von Wechselkosten das Interesse an Konkurrenzangeboten in Folgeperioden systematisch zu senken (vgl. Bruhn 2009, S. 186f.), so dass bestehende Kundenbeziehungen erhalten werden können. Dabei lassen sich drei Arten von Wechselkosten differenzieren: Vertragliche, technisch-funktionale und emotionale. Zum Aufbau von vertraglichen Wechselkosten sind vor allem Produkt- und Preispolitik einzusetzen. Wie beim Aufbau von Kundenbeziehungen dargestellt, erzeugt Produktpolitik die Personalisierung von Programminhalten und Zusatzdiensten mit dem Ziel der höheren Bedürfnisbefriedigung während der Vertragslaufzeit. Dabei gilt eine solche Personalisierung der Leistungen im Allgemeinen als ein Mechanismus, 108
Hinsichtlich des Vertrauensaufbaus sollte ggf. ein vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) oder Dritten verifiziertes Gütesiegel für Datenschutz angestrebt und zusätzlich kommuniziert werden.
2. Strategisches Kundenbeziehungsmanagement
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um eine Kundenbeziehung langfristig für einen Kunden attraktiv zu machen (vgl. Bruhn 2009, S. 187-190). Für Zuschauer entstehen Wechselkosten in Form von Opportunitätskosten, da die Offenbarung von Fernsehgewohnheiten und allgemeinen Präferenzen gegenüber einem neuen Anbieter Zeit beansprucht, in der die Zuschauer eine niedrigere Qualität erfahren als beim etablierten Fernsehsender. Denn im Falle eines Wechsels müssen die spezifischen Investitionen in die Kundenbeziehung mit einem etablierten Fernsehsender von einem Zuschauer vollständig abgeschrieben werden. Der etablierte Fernsehsender sollte es sich deshalb zum Ziel setzen, diesen Mechanismus zum zeitlichen Ende eines Kundenbeziehungsvertrags aktiv zu kommunizieren, um dadurch die Preiselastizität der Zuschauer zu verringern und die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen. Zum Ende der Frist einer Kundenbeziehung sind den Kunden mittels der Preispolitik entsprechend ihrer kumulativen Konsumhistorie oder anhand von Loyalitätsprogrammen Vorteile durch Fortführung der Kundenbeziehung zu gewähren und damit Wechselkosten zu erhöhen. Bspw. kann ein Fernsehsender, welcher aktuelle Kinofilme via pay-per-view anbietet, nach Kauf von zehn Filmen dem Kunden jeweils einen Film kostenlos anbieten. Ebenso kann ein Fernsehsender die Loyalität eines Kunden belohnen, indem er ihm ähnlich wie Mobilfunkanbieter zur Vertragsverlängerung ein digitales Empfangsgerät vergünstigt anbietet, um innovative technologische Anwendungen in Zukunft nutzen zu können. Durch diese Formen der Preisdiskriminierung (vgl. Shapiro/Varian 1999, S. 163-167) werden für die Zuschauer die Wechselkosten erhöht und die Bindung der Kunden verstärkt. Technisch-funktionale Wechselkosten werden vor allem durch die Distributionspolitik erzeugt, wobei Überschneidungen mit der Wechselkostenerhöhung mittels vergünstigter Bereitstellung digitaler Empfangsgeräte vorliegen. Allerdings kann auch ohne Angebot eines neuen digitalen Empfangsgeräts Sachkapitalspezifität (vgl. Williamson 1985, S. 95f.) erzeugt werden, wenn die den Zuschauern in der Vergangenheit zur Verfügung gestellten Empfangsgeräte nicht mit den Systemen anderer Fernsehsender kompatibel sind. Das Anbieten digitaler Empfangsgeräte zu günstigen Preisen am Anfang einer Kundenbeziehung oder auch fortlaufend kann dementsprechend von einem etablierten Fernsehsender genutzt werden, um Zuschauer an sich zu binden und die technologische Ausstattung der Konsumenten mitzubestimmen (vgl. im Widerspruch Sjurts 2002, S. 308f.). Auf Kundenseite können Humankapitalspezifität (vgl. Williamson 1985, S. 96) und somit Wechselkosten erzielt werden, indem Zuschauer im Umgang mit technologischen Anwendungen und digitalen Empfangsgeräten Lerneffekte generieren.
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Die Errichtung emotionaler Wechselkosten kann insbesondere durch Konsum- und Assoziationskapital erreicht werden, wodurch Interaktionen zwischen Kundenbeziehungs- und Markenmanagement, aber auch Potenziale sowohl des kreativen Humanressourcen- als auch des Innovationsmanagements deutlich werden. Denn für Zuschauer entstehen Lerneffekte durch Umgang mit Programminhalten und durch parasoziale Beziehungen zu kreativen Talenten des etablierten Fernsehsenders. Sowohl das entstehende Konsum- als auch das Assoziationskapital muss beim Wechsel des Anbieters vollständig abgeschrieben werden, wodurch Marken-, Innovations- und kreatives Humanressourcenmanagement Wechselkosten zum Erhalt von Kundenbeziehungen erzeugen. Insgesamt können somit vertragliche, technisch-funktionale und emotionale Wechselkosten erzeugt werden. Dadurch entsteht neben dem beim Aufbau von Kundenbeziehungen dargelegten Rentenpotenzial zusätzliches Potenzial zur Generierung von Renten im digitalen Zeitalter. Dieses wird durch die Höhe der Wechselkosten bestimmt. Durch das strategische Kundenbeziehungsmanagement als Kernkompetenz erreichen etablierte Fernsehsender die Verstetigung der im analogen Zeitalter gewachsenen Struktur der Vorauswahl und können diese durch Hebeleffekte zur Ausweitung von Wettbewerbsvorteilen einsetzen. 2.2.
Diversifikationspotenzial des strategischen Kundenbeziehungsmanagements
Das Diversifikationspotenzial des strategischen Kundenbeziehungsmanagements erschließt sich aus bestehenden Kundenbeziehungen, wobei auch ein positiver Rückkopplungseffekt der Diversifikation auf den Erhalt von Kundenbeziehungen ausgeht. Durch konsequenten Ausbau des Angebotsspektrums werden Kundenbeziehungen attraktiver und bleiben eher erhalten. Die Kernkompetenz des strategischen Kundenbeziehungsmanagements etablierter Fernsehsender nutzt die geringeren Transaktionskosten bei einer einmal aufgebauten Kundenbeziehung für die Vermarktung weiterer Güter (vgl. Krafft/Götz 2003, S. 353). Horizontal bieten bestehende Kundenbeziehungen Möglichkeiten zum Aufbau neuer Sender, Programmkategorien oder Programminhalte. Ein Fernsehsender kann bspw. seine Nachrichtensendung geographisch diversifizieren, indem diese ähnlich wie Regionalzeitungen auch Nachrichten aus der jeweiligen Region enthalten. Für bestimmte Ballungsgebiete wie Berlin oder das Ruhrgebiet können darüber hinaus spezifische Fernsehsender aufgebaut werden. Anders als singuläre Regionalsender wie Center TV in Köln profitieren diese als Teil einer Fernsehsenderfamilie vor allem dann von dieser Zugehörigkeit, wenn Zuschauer aus dem entsprechenden geographischen Gebiet innerhalb einer Dachmarke explizit auf diese neuen Einzelsender
2. Strategisches Kundenbeziehungsmanagement
185
aufmerksam gemacht werden. Neben Orientierung an geographischen Merkmalen ihrer Kunden können Fernsehsender durch Kundenbeziehungen bspw. unter Betrachtung von Sinus-Milieu-Eigenschaften auch themen- oder altersgruppenspezifische Spartenprogrammsender lancieren. Während Kundenbeziehungen im analogen Zeitalter lediglich für entgeltfinanzierte Fernsehsender und Breitbandkabeldistributoren üblich waren, kann der Aufbau von Kundenbeziehungen durch Fernsehsender im digitalen Zeitalter gleichbedeutend sein mit der vertikalen Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Distribution. Denn der Aufbau von Kundenbeziehungen setzt bidirektionale Kommunikationsflüsse voraus und geht mit der Erstellung von Kundendatenbanken einher. Insbesondere im Falle von durch Fernsehsender betriebenen Internetplattformen können bisher beim Distributor angesiedelte Tätigkeitsbereiche durch den Fernsehsender übernommen werden. Dabei kann ein etablierter Fernsehsender zusätzlich auch anderen Fernsehsendern den Zugang zu seinen Kunden ermöglichen. Zwar verliert ein Fernsehsender dadurch Vorteile auf der Wertschöpfungsstufe der Programmerstellung, kann aber als Betreiber des Distributionsnetzes den Status des gatekeepers auf der Wertschöpfungsstufe der Distribution erhalten. Gleichzeitig ermöglichen Kundenbeziehungen – wie bereits durch die Interaktion zwischen Kundenbeziehungs- und Innovationsmanagement dargestellt – auch vertikale Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Produktion. Denn das durch Kundenbeziehungen erzielte Wissen über Fernsehgewohnheiten und allgemeine Präferenzen der Kunden kann in den Produktionsprozess einfließen. Neben der Nutzung dieses Wissens durch den Fernsehsender selbst kann es auch durch Verkauf des Zugangs zu Kunden an andere Unternehmen für diese nutzbar gemacht werden, wodurch der Fernsehsender lateral diversifiziert. Das Wissen über Gewohnheiten und Präferenzen als Marktforschungsergebnis kann an andere Unternehmen verkauft werden, die dadurch das Wissen auch unabhängig von personalisierter Werbung z.B. in ihren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen nutzen können. Der Fernsehsender kann sich durch Kundenbeziehungen zunehmend zu einem Distributionskanal für Konsumgüter vertreibende Unternehmen entwickeln. Während werbefinanzierte Fernsehsender bereits im analogen Zeitalter werbetreibenden Unternehmen den Kontakt zu Zuschauern ermöglichen, können sie im digitalen Zeitalter durch Kundenbeziehungen auch den Vertrieb der beworbenen Güter als Ausweitung dieses Tätigkeitsbereichs übernehmen. Personalisierte Werbung kann mit einem Verkaufssystem gekoppelt werden, so dass der Kunde eines Fernsehsenders unter Aufwendung geringer Transaktionskosten ähnlich wie bei der 1-Click-Technik von Amazon das beworbene Produkt direkt kaufen kann.
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Durch den Verkauf von Gütern kann das Wissen über Gewohnheiten und Präferenzen ergänzt und somit zusätzlich die Marktforschungsqualität gesteigert werden. Wie durch das Markenmanagement können etablierte Fernsehsender durch das strategische Kundenbeziehungsmanagement auch ihre Funktion als Intermediäre durch den Verkauf anderer medialer und non-medialer Güter auf andere Märkte übertragen und somit laterale Diversifikation betreiben. Durch einen musikspezifischen Spartenprogrammsender oder die Ausstrahlung von Radiosendern kann ein Fernsehsender Personalisierung von Musik anstreben und diese gleichzeitig zum Verkauf anbieten. In Analogie dazu kann ein Fernsehsender, welcher innerhalb einer Programminhaltsmarke Versicherungsberatung bspw. hinsichtlich der Haftpflicht betreibt, auch als Intermediär beim Abschluss von Haftpflichtversicherungsverträgen in Erscheinung treten. Kunden profitieren dabei nicht nur von präferenzgerechter Auswahl der Haftpflichtversicherung und geringeren Transaktionskosten, sondern ggf. auch von durchgeführter Preisdiskriminierung. Mittels auf Kundenbeziehungen basierender lateraler Diversifikation wird es somit für Fernsehsender möglich, auch andere auf Vertrauen basierende und komplexere Erfahrungsgüter zu verkaufen. 3.
Strategisches Management kreativer Humanressourcen
Aufgrund des intensivierten Wettbewerbs im digitalen Zeitalter verlieren etablierte Fernsehsender zunehmend die aus einer Oligopolstruktur entspringenden Vorteile. Gleichzeitig verstärken Auktionsverfahren um Senderechte und andere Programminputs das Rentenpotenzial von Inhalteanbietern zu Lasten der Fernsehsender. Es wird dadurch für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter zur Aufgabe, Humanressourcen als Programminputs kreativer Güter selbst zu kontrollieren. Im Zusammenhang mit kreativen Talenten erfordert eine "world-class capability … more than hiring superstars" (Schoemaker/Amit 1994, S. 8). Daher wird ein proprietärer Ansatz für das strategische Management kreativer Humanressourcen als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter entwickelt (siehe dazu die Forderung von Towse 2001, S. 473): Mittels einer exklusive Verträge und einen kreativen Talentpool umfassenden kreativen Humanressourcenstrategie eignen sich etablierte Fernsehsender die Renten an, welche aus der schon im analogen Zeitalter erbrachten Ausbildungsleistung entspringen. Durch ein am Ramsey pricing (vgl. Ramsey 1927) orientiertes Stufenmodell können kreative Talente gezielt zu Superstars aufgebaut werden. Mittels dieser Strategie können Fernsehsender die Qualität ihrer Programminhalte steigern, um höhere Zahlungsbereitschaften und Differenzierung zu erreichen. Strategisches Management kreativer Humanressourcen als Kernkompetenz von etablierten Fernsehsendern trägt allerdings nicht nur zur Durchdringung
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
187
des digitalen Fernsehmarktes bei, sondern fungiert auch zur vertikalen Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion und eröffnet weitere Diversifikationspotenziale. 3.1.
Umsetzung einer kreativen Humanressourcenstrategie
Da Einkommen medialer Superstars der Leistung, aber auch dem medialen Hebel und dem Konsumkapitalaufbau geschuldet sind, entsprechen sie nicht dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit (vgl. Franck 2001, S. 61f.). Etablierte Fernsehsender eignen sich mittels einer kreativen Humanressourcenstrategie einen größeren Anteil der Renten von Superstars an. Auf der einen Seite sollte eine solche Strategie die Kompensation von Fernsehsendern für den Aufbau von Superstars erzielen sowie extrinsischer und intrinsischer Motivation von kreativen Talenten gerecht werden (vgl. Towse 2001, S. 474). Auf der anderen Seite sollte dadurch die Abhängigkeit eines Fernsehsenders von einzelnen kreativen Talenten reduziert werden, um deren Verhandlungsmacht zu mindern, und gleichzeitig mehr kreative Talente zu Superstars aufgebaut werden. Die im Folgenden entwickelte kreative Humanressourcenstrategie setzt Anreize zu kreativer Arbeit, indem sie mittels exklusiver Verträge einen Fernsehsender für seine Investitionen in die Ausbildung eines kreativen Talents auch im Falle eines vorzeitigen Arbeitgeberwechsels entschädigt. Sie gewährleistet kreativen Talenten mittels eines auf Auswahl und Ausbildung basierenden kreativen Talentpools finanzielle Sicherheit und verringert dafür das Superstareinkommen sowohl um die Versicherungsprämie als auch um eine Ausbildungsprämie. Zum gezielten Aufbau von Konsumkapital und für das Erreichen einer kritischen Masse eröffnet das Stufenmodell der kreativen Humanressourcenstrategie kreativen Talenten breite Einsatzmöglichkeiten gemäß ihren spezifischen Stärken. 3.1.1. Exklusive Verträge mit kreativen Talenten Investitionen in die Ausbildung kreativer Talente zu Superstars erzeugen durch Verknüpfung mit der Marke oder den Gütern eines Fernsehsenders lediglich in geringem Maße unternehmensspezifisches Humankapital. Vielmehr ist das entstehende Humankapital industriespezifisch, weshalb die Investitionskosten direkt oder indirekt von den kreativen Talenten selbst zu tragen sind (vgl. Becker 1962). Basierend auf dem Modell zur nachvertraglichen Transferentschädigung von Kummer (2008, S. 75-138), welches sich an den Argumentationen von Demsetz (1972, S. 1618) und Schellhaaß (1984) orientiert, sehen exklusive Verträge mit kreativen Talenten eine Transferentschädigung im Falle eines Arbeitgeberwechsels vor. Dabei werden Grundsätze der Berufsfreiheit gewahrt und die Transferentschädigungen
188
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
orientieren sich am neuen Einkommen eines kreativen Talents nach Arbeitgeberwechsel. Die Ausbildung von kreativen Talenten erfolgt neben der Entwicklung von Kreativitätsfähigkeiten insbesondere durch den Aufbau von Konsumkapital. Dieser Prozess setzt die Investition des knappen Gutes der Sendezeit in kreative Talente wie Schauspieler oder Moderatoren, aber auch Regisseure und Drehbuchautoren voraus. Die Kosten der industriespezifischen Ausbildung können allerdings nicht den einzelnen kreativen Talenten zugerechnet werden, da kreative Güter komplex sind, so dass nicht eindeutig ist, wie hoch der Anteil eines einzelnen kreativen Talents am kreativen Gut ist. Es lassen sich sowohl unternehmens- und industriespezifische Anteile als auch investive und konsumtive Einsätze kreativer Talente jeweils nicht voneinander trennen bzw. ist es unmöglich, einzelne kreative Talente von der industriespezifischen Ausbildung auszuschließen (vgl. Büch/Schellhaaß 1978, S. 259). Ähnlich wie Fußballvereine mit ihren Spielern müssten Fernsehsender deshalb perfekte Verträge mit kreativen Talenten in dem Sinne abschließen, dass sie einen Anreiz zur Ausbildung der kreativen Talente erhalten, auch wenn ein kreatives Talent den Fernsehsender vorzeitig verlässt. Innerhalb der Kreativwirtschaft werden solche Bindungen bspw. durch Plattenverträge (record deal) zwischen Plattenfirma und Musiker etabliert (vgl. Terviö 2009, S. 845) und sind bei Fernsehsendern in Form von Sendeminutenverträgen vorstellbar. Da perfekte Verträge aber unmöglich sind, stellen die resultierenden ineffizienten Investitionsanreize zur Ausbildung kreativer Talente ein hold-up Problem dar. Ein exklusiver Vertrag mit einem kreativen Talent, welcher im Falle des vorzeitigen Verlassens eine Transferentschädigung für den ausbildenden Fernsehsender vorsieht, dient daher im Sinne des Coase-Theorems der vollständigen Zuweisung von Eigentumsrechten und erzielt bei niedrigen Transaktionskosten und vollständiger Information ein effizientes Marktergebnis (vgl. Coase 1960). Ein ausbildender Fernsehsender muss demnach Arbeitsverträge so gestalten, dass er bei einem möglichen Arbeitgeberwechsel des kreativen Talents in die Vertragsverhandlungen zwischen neuem Fernsehsender und kreativem Talent direkt oder indirekt eingebunden werden muss. Auf einem transparenten Arbeitsmarkt wie dem für kreative Talente setzen vollständige Investitionsanreize in industriespezifisches Humankapital die Erzeugung von Wechselkosten voraus (vgl. Burguet/Caminal/Matutes 2002). Diese können durch hohe Trennungsstrafen oder Wettbewerbsverbote (non-compete clause) erzeugt werden, so dass eine Transferentschädigung durchsetzbar wird. Fernsehsender errichten Wechselkosten, indem
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
189
Verträge langfristig abgeschlossen werden, eine frühzeitige Verlängerung vor Auslaufen des Vertrags vorgesehen ist und eine Nicht-Verlängerung seitens des kreativen Talents durch Nicht-Verwendung als Programminput und somit dem teilweisen Verlust des Konsumkapitals vergolten wird. Durch Einschränkungen des Wettbewerbs auf der Produktionsseite fungiert eine Transferentschädigung somit zur Setzung von Investitionsanreizen (vgl. von Weizsäcker 1981, S. 347-357). Das dafür notwendige Drohpotenzial für einen Fernsehsender ist dann besonders hoch, wenn die Abhängigkeit von einzelnen kreativen Talenten gering ist, so dass das im folgenden Unterabschnitt modellierte Talentpooling besondere Relevanz für exklusive Verträge erfährt. Grundsätzlich sind vertragliche Kündigungsbeschränkungen zulässig, wenn der Arbeitgeber Gelegenheiten zur beruflichen Fortbildung gewährt und bezahlt (vgl. §§74-75h HGB). Der solchen Verträgen unter Verweis auf Art. 39 EG-Vertrag und Art. 12 GG entgegenzubringende Vorwurf der Unzulässigkeit aufgrund vermuteter Einschränkung der Berufsfreiheit (siehe Weiß 2009, S. 150f.) ist bei der folgenden Betrachtung der Rentenpotenziale von Fernsehsendern zu beachten und zu überprüfen. In Anlehnung an Demsetz (1972, S. 18) wird dabei aufgrund der hohen Wichtigkeit intrinsischer Motivation bei kreativen Talenten nicht auf Gewinn-, sondern auf intrinsische Motivation berücksichtigende Nutzenmaximierung abgestellt (vgl. Kummer 2008, S. 86-91).109 Die Verhandlungssituation bei einem potenziellen Arbeitgeberwechsel des kreativen Talents erfordert infolge des exklusiven Vertrags des bisherigen etablierten Fernsehsenders E mit dem kreativen Talent eine Verhandlungslösung zwischen drei Akteuren. Neben dem neuen Fernsehsender N und dem kreativen Talent ist auch der bisherige Fernsehsender involviert. Innerhalb der Verhandlungslösung müssen demnach drei Bedingungen erfüllt sein, so dass drei Randlösungen bestimmbar sind, während die tatsächliche Lösung aber von der Verhandlungsmacht der Akteure abhängt (vgl. Kummer 2008, S. 81-91; siehe auch Schellhaaß 1984, S. 219f.):110 UN – UE t WE – WN t TE + WE – WSN t WSE – WSN.
(3)
Der Nutzengewinn (UN–UE) des kreativen Talents aus einem Arbeitgeberwechsel muss mindestens die Wertschöpfungsdifferenz (WSE–WSN) zwischen neuem und etabliertem Fernsehsender erreichen. Das bedeutet, dass auch bei geringerer Wertschöpfung des kreativen Talents im neuen Fernsehsender ein Wechsel stattfinden kann. Somit hat eine solche Transferentschädigung keine Auswirkungen auf die 109 110
Siehe im Widerspruch und unter Bezug auf Fußballspieler: Büch/Schellhaaß (1978, S. 267-269). Zur Vereinfachung wird von einer Diskontierung der Erträge abgesehen.
190
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
freie Berufswahl (vgl. Kummer 2008, S. 85 & 90). Allerdings können mit einem Senderwechsel entsprechend dem Verursacherprinzip aufgrund geringerer Wertschöpfung durchaus Einbußen des Einkommens W – bei höherem Nutzen aufgrund der Befriedigung intrinsischer Motive – verbunden sein (vgl. Schellhaaß/May 2002, S. 133). Der bisherige Arbeitgeber hat somit trotz Beteiligung an der Verhandlung keinen Einfluss auf die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Der etablierte Fernsehsender E wird dem Wechsel nur zustimmen, wenn die Transferentschädigung TE mindestens so groß ist wie die Nettowertschöpfung des kreativen Talents im etablierten Fernsehsender, welche sich aus der Differenz (WSE– WE) ergibt. Aus Sicht des neuen Fernsehsenders N zahlt sich der Wechsel nur aus, wenn die Transferentschädigung nicht die Nettowertschöpfung des kreativen Talents übersteigt, welche sich aus der Differenz (WSN–WN) ergibt. Es stellt sich die Frage, wie die Höhe der Transferentschädigung für den etablierten Fernsehsender festgelegt werden sollte. Um Ausbildungsleistung im Sinne des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren zu fördern (vgl. von Hayek 1969; Schellhaaß 1984, S. 218f.), sollte sich die Transferentschädigung am Output der Ausbildungsleistung orientieren – also an der Wertschöpfung des kreativen Talents, nicht an den Ausbildungskosten. Gleichzeitig sollte der Erfolgsindikator objektiv und valide sein. Da Einkommen stark mit dem Wertgrenzprodukt von Humanressourcen in der Kreativwirtschaft korrelieren, bietet sich die Wertschätzung des neuen Fernsehsenders – ausgedrückt an dessen Einkommensofferte – als Indikator zur Festlegung der Höhe der Transferentschädigung an. Das neue Einkommen erzeugt keinen verzerrten Anreiz des Folgefernsehsenders auf dessen eigene Ausbildungsleistung (vgl. Kummer 2008, S. 106-108 & 124f.). Einkommen als Indikator für die Ausbildungsleistung eröffnet allerdings Potenzial für opportunistisches Verhalten. Kummer (2008, S. 129) beschreibt dabei die Gefahr einer Absprache zwischen neuem Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so dass die erste Einkommensofferte nach Absprache geringer dotiert wird und stillschweigend eine überproportionale Einkommenserhöhung in zukünftigen Perioden erfolgt. Diese Gefahr ist nach Auffassung des Autors der vorliegenden Arbeit bei kreativen Talenten und Fernsehsendern nicht gegeben. Erstens trägt dadurch das kreative Talent vollständig das Risiko, falls sich in der Zwischenzeit dessen Produktivität verringert, welche entscheidend vom Verhalten des neuen Fernsehsenders sowie exogenen Einflussfaktoren abhängt. Zweitens findet im digitalen Zeitalter intensiver Wettbewerb um das kreative Talent statt, so dass sich die Einkommensofferten des Marktes – abzüglich der Transferentschädigung – der Produktivität des kreativen Talents annähern sollten.
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
191
Falls sich Wettbewerber in einem Einkommen und Transferentschädigung determinierenden Auktionsverfahren um ein kreatives Talent jeweils gegenseitig überbieten, ist das Rentenpotenzial des neuen Fernsehsenders N auf die Differenz der Wertschöpfung des kreativen Talents im neuen Fernsehsender und im Fernsehsender mit der zweithöchsten Zahlungsbereitschaft N2 limitiert. Geht man von intensivem Wettbewerb um kreative Talente und einem ausdifferenzierten Marktumfeld aus, deutet dies auf ein nur geringes Rentenpotenzial des neuen Fernsehsenders durch Erwerb kreativer Talente hin. Demnach lässt sich die Verhandlungssituation auf die relative Verhandlungsmacht zwischen etabliertem Fernsehsender und kreativem Talent verkürzen. Demnach gilt: TE = WS(A)N2 – W(A)N.
(4)
Dabei eröffnet der Erfolgsindikator Einkommen allerdings die Möglichkeit für den etablierten Fernsehsender, gegenüber dem wechselwilligen kreativen Talent A opportunistisch zu handeln. Nach erfolgreichem Bieten anderer Fernsehsender kann der etablierte Fernsehsender androhen, den Vertrag nicht vorzeitig aufzulösen und das kreative Talent in der Folgeperiode bzw. der Restvertragsdauer nicht mehr einzusetzen. Mit dieser Drohung geht allerdings auch ein potenzieller Verlust des etablierten Fernsehsenders in Höhe von (WS(A)E–W(A)E) einher. Jedoch wird durch diese Maßnahme knappe Sendezeit des etablierten Fernsehsenders frei, der seinen Verlust durch den Einsatz eines anderen kreativen Talents B mit einer geringeren Wertschöpfung verringern kann: (WS(B)E–W(B)E). Dem kreativen Talent steht diese Option nicht offen und ihm droht der teilweise Verlust des bisher aufgebauten Konsumkapitals, so dass es in weiteren Folgeperioden mit einem niedrigeren als zum Verhandlungszeitpunkt erreichbaren Einkommen zu rechnen hat. Aufgrund dieser Externalität würde sich das kreative Talent A mit einem Einkommen nach Arbeitgeberwechsel zufrieden geben, was es mindestens gleich gut stellt wie sein bisheriger Vertrag: W(A)N = W(A)E + U(A)E – U(A)N. Das Opportunismus- bzw. Alternativpotenzial des etablierten und ausbildenden Fernsehsenders gegenüber dem kreativen Talent A bildet sein Rentenpotenzial RP: RP = WS(A)N2 – W(A)N – WS(A)E + W(A)E + WS(B)E – W(B)E.
(5)
Dieses nach Nutzenbetrachtung als fair zu deklarierende Verhalten des etablierten Fernsehsenders sei aufgrund der intransparenten Nutzenperspektive allerdings als Strategie der Ausbeutung definiert, da Dritte lediglich eine Veränderung des monetären Einkommens beobachten können. Kommt es jedoch zu keinem Wechsel des kreativen Talents A und möchte der etablierte Fernsehsender glaubwürdig erscheinen, muss er mit einem Verlust V
192
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
rechnen, welcher allerdings teilweise durch B als kreatives Ersatztalent kompensiert wird: V = WS(A)E – W(A)E – WS(B)E + W(B)E.
(6)
Neben diesen beiden Randlösungen des strategischen Verhaltens des etablierten Fernsehsenders bietet sich allerdings eine dritte Variante an. Dieser zufolge sollte der Fernsehsender sein heutiges, beobachtbares Verhalten im Hinblick auf seine Reputation als ausbildender Arbeitgeber beachten. Da Dritte – in diesem Falle zukünftig unter Vertrag zu nehmende kreative Talente – ebenfalls nur die monetären Veränderungen beobachten können, bietet sich eine nach dem transparenten Element des monetären Einkommens als fair zu deklarierende Strategie an: Dieser zufolge sollte der etablierte Fernsehsender das Einkommen auf dem gleichen Niveau belassen, so dass sich für das kreative Talent lediglich die Nutzenperspektive verändert. Dieses Verhalten lässt sich gegenüber Dritten gut argumentieren, da das kreative Talent auch bei einer Weiterbeschäftigung beim bisherigen Fernsehsender nicht mehr verdienen würde; im Falle variabler Einkommensbestandteile kann lediglich das bei Nicht-Verwendung zu bezahlende Grundeinkommen dafür Anwendung finden. Dem kreativen Talent A wird bei einem Arbeitgeberwechsel folgendes Einkommen zugestanden: W(A)N = W(A)E. Somit entsteht kein Reputationsverlust und das verringerte Rentenpotenzial VRP beträgt: VRP = WS(A)N2 – WS(A)E + WS(B)E – W(B)E.
(7)
Abb. V.1. gibt die drei Strategiealternativen 'Ausbeutung', 'Fair' und 'Kein Wechsel' sowie deren Auszahlungen für den etablierten Fernsehsender wieder. Abb. V.1.:
Rentenpotenziale der Strategiealternativen des etablierten Fernsehsenders bei exklusiven Verträgen Ausbeutung: RP = WS(A)N2 – W(A)N – WS(A)E + W(A)E + WS(B)E – W(B)E
Strategiealternativen bei exklusiven Verträgen
Fair: VRP = WS(A)N2 – WS(A)E + WS(B)E – W(B)E Kein Wechsel: V = WS(A)E – W(A)E – WS(B)E + W(B)E
Quelle: Eigene Darstellung.
Als ausbildendes Unternehmen und dem damit verbundenen exklusiven Vertrag erlangt der Fernsehsender die Möglichkeit, den Arbeitsplatzwechsel des kreativen Talents entsprechend der Vertragslaufzeit hinauszuschieben. Dieses Potenzial unter Berücksichtigung der Alternativmöglichkeit, die frei werdende Sendezeit einem
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
193
anderen kreativen Talent zur Verfügung zu stellen, und der Externalität, durch welche der etablierte Fernsehsender durch sein Verhalten in der Restvertragslaufzeit die gesamten zukünftigen Einkommenserwartungen des kreativen Talents negativ beeinflussen kann, verschaffen dem Fernsehsender anders als im analogen Zeitalter erhöhte Verhandlungsmacht. Mittels des strategischen Managements kreativer Humanressourcen als Kernkompetenz eignen sich Fernsehsender die aus einem kreativen Talent entspringenden Renten im digitalen Zeitalter zum größten Teil an, indem sie das knappe Gut der Sendezeit von anderen Fernsehsendern nutzen und sich für die Bereitstellung kreativer Talente mittels einer Transferentschädigung entlohnen lassen.111 Zahlenbeispiel. Zum besseren Verständnis exklusiver Verträge mit kreativen Talenten dient das folgende Zahlenbeispiel: Die Wertschöpfung eines kreativen Talents A im etablierten Fernsehsender betrage 2.000.000 € pro Periode, wobei A ein Einkommen von 1.000.000 € pro Periode erhalte. Während sich zwei neue Fernsehsender N1 und N2 für A interessieren und dieses dort eine Wertschöpfung von 3.100.000 € bzw. 3.000.000 € pro Periode erzeugen würde, besteht eine Vertragsbindung mit dem etablierten Fernsehsender für die Folgeperiode. Entsprechend dem Auktionsverfahren sollte N1 den Zuschlag für das kreative Talent mit einem Gebot in Höhe von 3.000.000 € erhalten und somit eine Rente in Höhe von 100.000 € generieren. Unabhängig vom monetären Einkommen erfahre A im etablierten Fernsehsender einen Nutzen von 0 €; dagegen betrage der Nutzen im neuen Fernsehsender N1 300.000 €. Die 3.000.000 € sind zwischen kreativem Talent (als Einkommen) und etabliertem Fernsehsender (als Transferentschädigung) aufzuteilen, wobei dem Fernsehsender die drei Strategien 'Kein Wechsel', 'Ausbeutung' und 'Fair' offen stehen. Unter Androhung der Nicht-Zustimmung zum Arbeitsplatzwechsel droht dem etablierten Fernsehsender ein Verlust in Höhe von -1.000.000 € (gegenüber einer Nettowertschöpfung von 1.000.000 € mit A), da er das Einkommen weiterhin bezahlen 111
Etablierte Fernsehsender können für das Dilemma der Ausbildung kreativer Talente innerhalb eines Verbands wie dem VPRT eine institutionelle Kooperationslösung aufbauen. Denn ex ante wissen alle Fernsehsender, dass durch eine Anreizsetzung zur Ausbildung kreativer Talente zu Superstars kein Nullsummenspiel ausgelöst wird, sondern exklusive Verträge und Transferentschädigungen zu einem gesamtwirtschaftlich effizienten Ergebnis führen (vgl. Rottenberg 1956, S. 256; Feess/Mühlheußer 2002, S. 145). Durch die aus dem analogen Zeitalter stammende Oligopolstruktur ist die Durchsetzung einer solchen Kooperationslösung in den ersten Jahren der Digitalisierung erleichtert möglich. Basierend auf der vorhergehenden Argumentation hätte die Kooperationslösung bei einem etwaigen Kartellverfahren – insbesondere unter Garantierung der Aufnahme neuer Fernsehsender in das System – gute Aussichten auf Zulassung. Lediglich wäre in Ergänzung zum oben beschriebenen Modell zusätzlich ein Ausgleichsfonds wegen nicht am System partizipierenden Fernsehsendern notwendig (vgl. Kummer 2008, S. 109).
194
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
muss, ohne die Wertschöpfung zu realisieren. Geht man davon aus, dass das kreative Talent variable und dann nicht zu leistende Einkommensbezüge in Höhe von 50% bezieht112, reduziert sich der Verlust auf -500.000 €. Geht man weiter davon aus, dass der etablierte Fernsehsender ein anderes kreatives Talent B besitzt, welches in der gleichen Sendezeit eine Wertschöpfung von 1.600.000 € generieren und ein Einkommen von 800.000 € erhalten würde, erhöht der Fernsehsender bei 'Kein Wechsel' den Verlust auf lediglich 300.000 € (im Vergleich zu 1.000.000 € Nettowertschöpfung mit A). Das kreative Talent A würde sich entsprechend der Strategie der Ausbeutung mit einem Einkommen von 200.000 € beim neuen Arbeitgeber zufrieden geben, wodurch der etablierte Fernsehsender eine Transferentschädigung in Höhe von 2.800.000 € realisiert. Berücksichtigt man die Nettowertschöpfung des kreativen Ersatztalents B in Höhe von 800.000 €, erhöht sich das Rentenpotenzial dieser Strategiealternative auf 3.600.000 € für den etablierten Fernsehsender. Möchte der Fernsehsender allerdings nicht die Reputation eines Ausbeuters erlangen und somit potenziell unter Vertrag zu nehmende kreative Talente abschrecken, kann er die faire Strategiealternative wählen. In dieser billigt er A weiterhin das gleiche Einkommen in Höhe von 1.000.000 € bei N1 zu, wodurch sich A beim Arbeitgeberwechsel um die Nutzenkomponente in Höhe von 300.000 € besser stellt. Die Transferentschädigung beträgt in diesem Fall 2.000.000 € und das Rentenpotenzial für den etablierten Fernsehsender beläuft sich unter Berücksichtigung von B auf 2.800.000 €. Tab. V.1. fasst die Transferzahlungen und Rentenpotenziale der drei Strategiealternativen für den etablierten Fernsehsender zusammen. Tab. V.1.:
Transferzahlungen und Rentenpotenziale der Strategiealternativen des etablierten Fernsehsenders bei exklusiven Verträgen des Zahlenbeispiels
Strategiealternative Transferentschädigung Rentenpotenzial
Ausbeutung 2.800.000 € 3.600.000 €
Fair 2.000.000 € 2.800.000 €
Kein Wechsel 000.000 € 300.000 €
Quelle: Eigene Darstellung.
Insgesamt kann somit bei exklusiven Verträgen das Zwischenfazit gezogen werden, dass sie einen Beitrag dazu liefern, sowohl extrinsische als auch intrinsische Motivation von kreativen Talenten zu befriedigen, während sie gleichzeitig dem Fernsehsender Anreize zur Investition in die Ausbildung des kreativen Talents geben, da er mittels einer Transferentschädigung für seine Ausbildungsleistung entlohnt wird. 112
Dieser Wert entspricht auch der gesetzlich vorgeschriebenen Entschädigungshöhe im Falle eines Wettbewerbsverbots (vgl. §74, Abs. 2 HGB).
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
195
Warum sich kreative Talente, die sich durch den Vertrag schlechter stellen als in einer Situation ohne Vertrag, dennoch auf einen solchen exklusiven Vertrag einlassen sollten, wird durch die Stellung des Fernsehsenders als gatekeeper des Marktes für kreative Talente aber auch durch seine spezifische Ausbildungskompetenz und das damit verbundene Versicherungssystem begründet. Das Talentpooling des folgenden Unterabschnitts modelliert diesen Zusammenhang. 3.1.2. Bildung eines kreativen Talentpools Ein kreatives Talent hat vor Aufnahme seiner Tätigkeit ein zu erwartendes Einkommen EW, da sich wie folgt zusammensetzt:113 EW = (1–s) NW + s SW.
(8)
Dabei bezeichnet SW das mit der Wahrscheinlichkeit s zu erzielende Superstareinkommen und NW das niedrige Einkommen, welches erzielt wird, wenn das kreative Talent zwar in der Kreativwirtschaft tätig ist, jedoch nicht zu einem Superstar wird. So zeigt Filer (1990, S. 26-28), dass der Lebenseinkommenszuwachs eines kreativen Talents durch einen Hochschulabschluss um ca. 37% unter dem anderer Arbeitnehmer liegt (ähnliches Ergebnis bei Withers 1985, S. 292). Man kann deshalb davon ausgehen, dass NW signifikant unter dem Durchschnittseinkommen liegt, das bei einer Tätigkeit außerhalb der Kreativwirtschaft erzielt werden würde. Das folgende Modell eines kreativen Talentpools nutzt diese Ausgangssituation zur Rentengenerierung eines etablierten Fernsehsenders. Durch ein Versicherungssystem kann der etablierte Fernsehsender sowohl eine Versicherungsprämie als auch eine Ausbildungsprämie als Entlohnung für seine spezifische Ausbildungskompetenz von den kreativen Talenten erheben und dadurch Renten generieren. Das Versicherungssystem orientiert sich dabei an dem Vorschlag von Schellhaaß (1984, S. 220f.), das Erfolgsrisiko kreativer Talente durch die exorbitant hohen Einkommen von Superstars zu mindern und somit die Ineffizienz unvollständiger Arbeitsmärkte (vgl. Terviö 2009, S. 842) zu überwinden. Es kommt zu einem Solidarsystem der kreativen Talente, welches dadurch das bei kreativen Talenten inhärente Risiko mindert. Grundannahme dabei ist, dass kreative Talente risikoscheu sind (vgl. Filer 1986, S. 74) und somit konkave Nutzenfunktionen besitzen. Diese Risikoscheu lässt sich begründen, da aufgrund sozialer Härten viele kreative Talente vor allem in der Anfangs- bzw. Ausbildungsphase ihrer Karriere – insbesondere bei geringer Produktivität ihrer Kreativität – einer nicht-kreativen Arbeit nachgehen müssen, um einen gewissen Mindestlebensstandard zu erreichen (vgl. Throsby 1992, S. 202; Towse 113
Zur Vereinfachung sei auf eine einperiodige Betrachtung abgestellt.
196
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
2001, S. 477). Dabei äußert sich intrinsische Motivation für kreative Arbeit darin, dass ein kreatives Talent zwar bis zu einem gewissen Wert (Mindestlebensstandard) nicht-kreativer Arbeit nachgeht, aber bei Lohnsteigerungen in diesem Bereich sein Arbeitszeitangebot für nicht-kreative Arbeit reduziert und in kreative Arbeit investiert (vgl. Throsby 1992, S. 202; Throsby 1996, S. 344f.). Mittels des Versicherungssystems kann ein Fernsehsender allen y unter Vertrag stehenden kreativen Talenten innerhalb des Talentpools für die Vertragsdauer das Mindesteinkommen MW garantieren, das dem Durchschnittseinkommen einer Tätigkeit außerhalb der Kreativwirtschaft entspricht. Dafür muss er allerdings das Einkommen des Superstars mit der Versicherungsprämie VP belasten: VP = (MW – NW) (1–s) y.
(9)
Durch das Versicherungssystem VS ändert sich das zu erwartende Einkommen nicht, jedoch wird die Spannbreite des Erwartungseinkommens verringert: EW' = (1–s) [NW + VP/(1–s)y] + s (SW – VP).
(10)
Risikoscheue Akteure ziehen aus dem Versicherungssystem einen erhöhten Nutzen, da dadurch soziale Härten am unteren Rand der Einkommensverteilung vermieden werden. Dies wird durch einen großen Nutzenzugewinn belohnt, während die Einkommenseinbußen beim Erreichen des Superstareinkommens nur zu einem relativ geringen Disnutzen führen. Abb. V.2. verdeutlicht dieses Kalkül der kreativen Talente.114
114
Es sind insbesondere noch unbekannte kreative Talente in jungen Lebensjahren davon betroffen, sich mit einem niedrigen Einkommen abfinden zu müssen. Bei einer intertemporalen Modellierung und ausgehend von einem höheren Grenznutzen des Einkommens in früheren Perioden (vgl. Büch/Schellhaaß 1978, S. 265) wird die Wirkung des Versicherungssystems noch verstärkt.
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
Abb. V.2.:
197
Erwartungsnutzenfunktion risikoscheuer kreativer Talente und Rentenpotenzial des etablierten Fernsehsenders durch das Versicherungssystem Nutzen
U(SW) U(SW-VP) Ue(EW') Ue(EW VS)=Ue(EW) U(MW)
U(NW)
NW
MW
EW VS
EW=EW'
SW-VP
SW
Einkommen
Rentenpotenzial
Quelle: Eigene Darstellung.
Abb. V.2. verdeutlicht auch das Rentenpotenzial des etablierten Fernsehsenders durch das Versicherungssystem. Durch die Verringerung der Spannbreite der Einkommensverteilung von {NW–SW} auf {MW–[SW–VP]} steigt der Erwartungsnutzen der kreativen Talente von Ue(EW) auf Ue(EW'). Aufgrund dieses Erwartungsnutzengewinns kann der Fernsehsender einen Aufschlag auf die Versicherungsprämie VP erheben, so dass gilt: VP* > VP. Dadurch ändert sich das Erwartungseinkommen von EW' auf EWVS. Durch das Versicherungssystem erschließt der etablierte Fernsehsender das Rentenpotenzial RP: RPVS = EW – EWVS. e
(11)
e
Dabei gilt: U (EW) = U (EWVS). Das Rentenpotenzial fällt umso größer aus, je risikoscheuer die kreativen Talente sind bzw. je konkaver ihre Nutzenfunktionen verlaufen. Das Versicherungssystem dient der internen Umlegung der Ausbildungskosten, also derjenigen Investitionen in Ausbildung, welche keine entsprechende Produktivität erzeugen. Das bedeutet, dass manche kreative Talente nicht nur zu Anfang der Vertragslaufzeit (vgl. Büch/Schellhaaß 1978, S. 265), sondern über die komplette Vertragsdauer über ihre Produktivität hinausgehend bezahlt werden. Aus Perspektive des etablierten Fernsehsenders ist dies der Preis für die Entdeckung von Superstars, den sie im digitalen Zeitalter aufzuwenden haben, um sich die Renten von Super-
198
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
stars unter gleichzeitiger Erzeugung von Renten durch das Versicherungssystem anzueignen. Allerdings kann durch das Versicherungssystem auch die Produktivität kreativer Talente gegenüber der Situation ohne Talentpooling gesteigert werden. Durch Vermeidung finanzieller Risiken wird intrinsische Motivation vollständig freigesetzt und ausgehend von Lerneffekten in der Ausbildungsphase erzielen kreative Talente schneller eine höhere Produktivität. Diese spezifische Ausbildungskompetenz eines etablierten Fernsehsenders dient als zweite Quelle von Renten innerhalb des kreativen Talentpools, durch die der etablierte Fernsehsender eine Ausbildungsprämie von den kreativen Talenten erheben kann. Die spezifische Ausbildungskompetenz erwächst aus der Stellung als Meinungsführer des Fernsehmarktes, wodurch etablierte Fernsehsender zu einem gatekeeper des Marktes für kreative Talente werden. Ein unter Vertrag genommenes kreatives Talent hat dadurch ceteris paribus eine höhere Wahrscheinlichkeit zum Superstar zu werden. Verstärkt wird dieser Effekt sowohl durch Erfahrungen und Kompetenzen beim kostenintensiven screening potenzieller kreativer Talente (vgl. Stiglitz 1975), den breiteren Einsatzmöglichkeiten für ein kreatives Talent durch horizontale Diversifikation innerhalb einer Fernsehsenderfamilie als auch durch Komplementaritäten zwischen den kreativen Talenten innerhalb des Talentpools sowie zwischen kreativen Talenten und anderen Ressourcen und Fähigkeiten des Fernsehsenders. Darüber hinaus sollte man unter Annahme verschiedener Grade der Risikoscheu von kreativen Talenten durch das Versicherungssystem im Durchschnitt bessere kreative Talente anlocken. Die spezifische Ausbildungskompetenz eines etablierten Fernsehsenders erhöht die Superstarwahrscheinlichkeit auf s*, wodurch gilt: s* > s. Gegenüber der Ausgangssituation wird das zu erwartende Einkommen eines kreativen Talents durch die Vertragsofferte des etablierten Fernsehsenders wie folgt verändert: EW'' = (1–s*) NW + s* SW.
(12)
Dafür kann der etablierte Fernsehsender eine Ausbildungsprämie zur Erschließung seines Rentenpotenzials RP aufgrund seiner spezifischen Ausbildungskompetenz SA verlangen: RPSA = (EW'' – EW)/s*.
(13)
Die Erschließung des Rentenpotenzials RP für die spezifische Ausbildungskompetenz führt durch die Ausbildungsprämie AP = RPSA zu einer Veränderung des Erwartungseinkommens mittels Vertragsabschluss: EWSA = (1–s*) NW + s* (SW – AP).
(14)
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
199
Kombiniert man Versicherungssystem und spezifische Ausbildungskompetenz, ergibt sich das Erwartungseinkommen von kreativen Talenten durch den kreativen Talentpool TP: EWTP = (1–s*) [NW + VP*/(1–s*)y] + s* (SW – VP* – AP).
(15)
Das Rentenpotenzial RP des etablierten Fernsehsenders durch Talentpooling beträgt: RPTP = (EW'' – EW)/s* + EW – EWVS.
(16)
Zahlenbeispiel. Zum besseren Verständnis sei ein Zahlenbeispiel gegeben: Es gäbe 20 potenziell verfügbare, bisher unbekannte kreative Talente. Während eines davon in der Folgeperiode zu einem Superstar wird und dadurch ein Einkommen in Höhe von 5.000.000 € erzielt, erreichen die anderen 19 lediglich ein Einkommen von 10.000 €. Dabei gelte ein Einkommen von 25.000 € als Mindesteinkommen. Die kreativen Talente erwarten entsprechend dieser Konstellation ein Einkommen in der Folgeperiode in Höhe von 259.500 €. Der etablierte Fernsehsender kann zwar auch nicht mit Sicherheit bestimmen, wer zum Superstar wird, kann aber unter vollkommener Zuverlässigkeit 10 kreative Talente aufgrund seiner spezifischen Ausbildungskompetenz ausschließen. Er erhöht damit die Superstarwahrscheinlichkeit eines kreativen Talents mit Vertrag von 0,05 auf 0,1. Dadurch erhöht sich das zu erwartende Einkommen auf 509.000 €. Das Rentenpotenzial der spezifischen Ausbildungskompetenz beträgt demnach 2.495.000 €. Um diese Ausbildungsprämie wird das Superstareinkommen reduziert, welches dann 2.505.000 € beträgt. Dennoch wird das unter Vertrag stehende kreative Talent weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit nur ein Einkommen von 10.000 € generieren, was nicht zum Erreichen des Mindestlebensstandards reicht. Mittels des Versicherungssystems kann der Fernsehsender allen 10 kreativen Talenten garantieren, ihnen mindestens 25.000 € als Mindesteinkommen zu bezahlen. Dafür muss der Fernsehsender eine Versicherungsprämie von dem ex ante unbekannten Superstar in Höhe von 135.000 € erheben. Dadurch sinkt die Spannbreite des Erwartungseinkommens in Höhe von 259.500 € mittels Versicherungssystem auf 25.000 € Mindest- und 2.370.000 € Superstareinkommen. Wird aus einem Erwartungseinkommen in Höhe von 99.500 € aufgrund der geringeren Spannbreite und der Risikoscheu der kreativen Talente der gleiche Erwartungsnutzen generiert wie ohne Versicherungssystem bei einem Erwartungseinkommen von 259.500 €, kann der Fernsehsender einen Aufschlag auf die Versicherungsprämie in Höhe von 160.000 € durchsetzen. Das Superstareinkommen beträgt damit 2.210.000 €, während das Erwartungseinkommen auf 243.500 € sinkt.
200
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Das gesamte Rentenpotenzial aus Talentpooling liegt somit in diesem Zahlenbeispiel bei 2.655.000 € für den etablierten Fernsehsender, wobei die kreativen Talente hinsichtlich der finanziellen Absicherung und der Befriedigung intrinsischer Motivation besser gestellt werden. Jedoch muss im Falle des Status als Superstar eine Disnutzen erzeugende Einkommenseinbuße ertragen werden und das Erwartungseinkommen geht gegenüber der Situation ohne kreativen Talentpool zurück. Allerdings kann der etablierte Fernsehsender diese Verringerung des Erwartungseinkommens verhindern, indem er das Rentenpotenzial aufgrund der spezifischen Ausbildungskompetenz nicht vollständig ausnutzt. Insgesamt liefert der kreative Talentpool somit einen Beitrag dazu, sowohl die extrinsische als auch die intrinsische Motivation von kreativen Talenten zu befriedigen, während er gleichzeitig den Fernsehsender für seine spezifische Ausbildungskompetenz sowie für sein Versicherungssystem kompensiert. Es kommt durch das Talentpooling zu einer teilweisen Abgabe des Einkommens eines Superstars und zu einem konsequenten Aufbau vieler kreativer Talente. So kann die Marke eines Fernsehsenders auf viele Schultern verteilt und dadurch die Verhandlungsmacht einzelner kreativer Talente begrenzt werden. Das kreative Humanressourcenmanagement dient somit auch mittels des kreativen Talentpools dazu, das Rentenaneignungspotenzial einzelner kreativer Talente zu begrenzen. Es sei angemerkt, dass intrinsische Motivation passiv innerhalb des kreativen Talentpools inkorporiert ist, indem bei Erreichen des Mindesteinkommens intrinsische Motivationsbefriedigung als gegeben unterstellt wird. Jedoch wird nicht die daraus zu ziehende Nutzenbefriedigung berücksichtigt, so dass das monetäre Superstareinkommen weiter gekürzt werden kann. Denn kreative Talente sind nicht durch rein extrinsische Anreize motivierbar, im schlimmsten Falle können diese sogar die Kreativität mindern (vgl. Frey 1997, S. 5-39; Towse 2006, S. 887). Deshalb sollte man vor allem auch nicht-monetäre Einkommensbestandteile wie Auszeichnungen oder Preisverleihungen ausloben, weshalb Interaktionen des kreativen Humanressourcenmanagements mit dem Innovationsmanagement deutlich werden. Insbesondere ein großer Fernsehsender kann eine jährlich stattfindende Fernsehsendung mit entsprechendem Zuschauerinteresse und somit intrinsischer Nutzenbefriedigung installieren, um darin Auszeichnungen für die besten kreativen Talente des Fernsehsenders zu vergeben. Etablierte Fernsehsender mit einem kreativen Talentpool können diese unternehmensspezifischen Auszeichnungen vergeben, welche als Anreiz dienen und kreative Talente dazu veranlassen, ein niedrigeres monetäres Einkommen zu akzeptieren. Dieses können kreative Talente durch einen späteren
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
201
Arbeitgeberwechsel – ggf. unter Zahlung einer Transferentschädigung – kompensieren. Neben intrinsischer Motivationsbefriedigung durch finanzielle Absicherung kreativer Talente durch das Versicherungssystem ist die Befriedigung intrinsischer Motive auch stark von den arbeitsinhaltlichen Themen eines kreativen Inhalts abhängig. Das kreative Talent zieht ceteris paribus mehr Nutzen aus der Produktion eines Programminhalts, bei dem die intrinsische Nutzenkomponente befriedigt wird, als bei einem Programminhalt, bei dem dies nur in geringerem Maße der Fall ist. Das Stufenmodell der Karriereentwicklung modelliert diese Zielsetzung unter Beachtung einer effizienten Umsetzung. 3.1.3. Stufenmodell der Karriereentwicklung Ausbildung on-the-job gilt als wichtigstes Instrument, um den Erfolg eines kreativen Talents und den Status eines Superstars zu realisieren (vgl. Towse 2001, S. 483f.). Deshalb besteht die Aufgabe für das kreative Humanressourcenmanagement darin, diese Ausbildungsform effizient umzusetzen. Gleichzeitig sollte den innerhalb des Talentpools unter Vertrag stehenden kreativen Talenten die Möglichkeit gegeben werden, ihre individuellen Stärken zu entwickeln bzw. zu entdecken. Das Stufenmodell der Karriereentwicklung als letztes Instrument der kreativen Humanressourcenstrategie zielt darauf ab, die intrinsische Motivation durch Gewährung kreativer Freiräume gemäß den individuellen Grundinteressen der kreativen Talente zu befriedigen. Gleichzeitig nutzt es den spezifischen Vorteil der horizontalen Diversifikation von Fernsehsenderfamilien. Zur Vereinfachung sei ein dreistufiges Modell mit drei Perioden unterstellt, wobei die Fernsehsenderfamilie neben einem Vollprogrammsender über 9 Spartenprogrammsender und 3 Sender verfüge, welche programminhaltlich zwischen Voll- und Spartenprogramm anzusiedeln sind (Mittelprogrammsender). Die Fernsehsenderfamilie spreche insgesamt eine Zielgruppe C an, die sich in 9 verschiedene, jeweils gleich große und in sich homogene Zielgruppen Ai mit i = 1,…,9 segmentieren lässt. Jeweils drei dieser segmentierten Zielgruppen lassen sich zu einer mittleren Zielgruppe Bj mit j = 1,2,3 zusammenfassen. A1 sei eine Teilmenge von B1 und B1 wiederum eine Teilmenge von C. Zielgruppe A1 interessiere sich für ein spezielles Spartenprogramm (Golfsendung), wobei sie mit den zwei Zielgruppen A2 und A3 die mittlere Zielgruppe B1 bildet, die sich für eine Kochsendung interessiert. C interessiere sich für eine Spielshow. In der 1. Periode (18-19 Uhr) schauen alle Zielgruppen Ai ein Spartenprogramm, in der 2.
202
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Periode (19-20 Uhr) schauen alle Zielgruppen Bi ein Mittelprogramm und in der 3. Periode (20-21 Uhr) schauen alle Zuschauer den Vollprogrammsender. Aufgrund stärkerer Präferenzen einer kleinen homogenen Zielgruppe für ein Spartenprogramm im Vergleich zu einem massenattraktiven Vollprogramminhalt kann von höheren Zahlungsbereitschaften und geringeren Nachfrageelastizitäten bei den segmentierten Zielgruppen ausgegangen werden (vgl. Owen/Wildman 1992, S. 108). Die Nachfrageelastizitäten der Zielgruppen entsprechend den Zahlungsbereitschaften ZB der Zuschauer Z seien daher wie in Abb. V.3. dargestellt gegeben. Abb. V.3.:
ZB
Nachfrageelastizitäten der Zielgruppen eines etablierten Fernsehsenders entsprechend den Zahlungsbereitschaften der Zuschauer
Spartenprogramm (Golfsendung)
ZB
D
Mittelprogramm (Kochsendung)
ZB
D
x
Z
Vollprogramm (Spielshow)
D
3x
Z
9x
Z
Quelle: Eigene Darstellung.
Für das kreative Humanressourcenmodell bietet diese Ausgangslage die Möglichkeit, die kreativen Talente dort on-the-job auszubilden, wo sie aufgrund ihrer Unbekanntheit den geringsten Schaden anrichten und andererseits am ehesten entsprechend ihrer spezifischen Stärken und Interessen eingesetzt werden können. Gemäß dem Ramsey pricing (vgl. Ramsey 1927) werden durch das Stufenmodell kreative Talente zunächst bei Zuschauern eingeführt, die für den Programminhalt eine besonders hohe Zahlungsbereitschaft bei geringer Preiselastizität besitzen. Interpretiert man die Beimischung des kreativen Talents (im gewählten Bsp. als Moderator der Golfsendung) als nicht-monetären Zusatzpreis, gehen aufgrund der geringeren Produktivität der kreativen Talente gegenüber einem schon bekannten und etablierten kreativen Talent kaum Zuschauer bzw. Zahlungsbereitschaften verloren. Das Stufenmodell ist somit eine modifizierte Form des penetration pricing (vgl. Besen/Farrell 1994, S. 122), da neue kreative Talente als nicht-monetärer Preisaufschlag dort beigemischt werden, wo die originäre Zuschauerbindung besonders hoch bzw. die Nachfrageelastizität besonders gering ist. Damit dient das Stufenmodell dazu, kreative Talente besser entsprechend ihrer Grenzproduktivität einzusetzen bzw. aus- und fortzubil-
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
203
den. Für einen Fernsehsender steigen dadurch die Ausbildungsanreize, weil der Einsatz eines noch nicht bekannten kreativen Talents nur geringe Opportunitätskosten verursacht. Dasjenige kreative Talent, welches sich im relativen Vergleich zu zwei anderen kreativen Talenten auf der 1. Stufe bzw. in der 1. Periode bei den Zielgruppen A1, A2 und A3 als bestes Talent offenbart, wird in der 2. Periode gegenüber der Zielgruppe B1 als Moderator der Kochsendung eingesetzt. Somit wird zwischen kreativen Talenten Wettbewerb induziert, wobei die Qualität eines kreativen Talents im bei den Zuschauern akkumulierten Konsumkapital gemessen werden sollte. Vor dem Hintergrund des Sozialkapitals als einer der zwei Komponenten des Konsumkapitals wird der besondere Vorteil des Stufenmodells deutlich: Da A1 eine Teilmenge von B1 ist, ist einem Drittel dieser mittleren Zielgruppe bereits am Anfang der 2. Periode das kreative Talent bekannt. Interpretiert man diesen Wert als kritische Masse innerhalb von B1, ist das Erreichen des Status eines Quasi-Standards vereinfacht möglich. Analog läuft die Auswahl des Moderators der in der 3. Periode ausgestrahlten Spielshow ab, wobei auch hier bereits ein Drittel von C das kreative Talent bereits kennt. In der Realität ist es nicht möglich, auf diese Weise an einem Fernsehabend aus einem unbekannten kreativen Talent einen Superstar zu machen. Jedoch wird dadurch die Intention des Stufenmodells deutlich. Entsprechend den exklusiven Verträgen wird knappe Sendezeit eher investiv als konsumtiv eingesetzt, wobei die Opportunitätskosten der Ausbildung in einem Spartenprogrammsender deutlich geringer sind. Hat sich das kreative Talent in der Sparte etabliert, kann es gegenüber der nächst größeren und segmentierbaren Teilgruppe des Fernsehsenders mit besseren Startmöglichkeiten als bei einem Kaltstart in dieser weniger homogenen, weil größeren Zielgruppe eingesetzt werden. Der Mechanismus des Stufenmodells betont somit die individuellen Stärken des kreativen Talents und ermöglicht es diesem, sich innerhalb einer relativ homogenen Zielgruppe des Fernsehsenders einen 'Namen zu machen'. Ist es dabei im relativen Vergleich erfolgreicher als andere kreative Talente, steigt es in die nächste Stufe auf. Dabei kann gezielt das bereits aufgebaute Konsumkapital übertragen werden und als Grundlage dafür dienen, dass die zusätzlichen Zuschauer, denen das kreative Talent in der 2. Stufe noch unbekannt ist, ebenfalls relativ schnell Konsumkapital für das kreative Talent aufbauen können. Mittels des Stufenmodells ist so eine kritische Masse in der jeweils nächsten Stufe der Karriereentwicklung bereits erschlossen. Der Effekt des Stufenmodells ist besonders prägnant, wenn das kreative Talent von Stufe zu Stufe sein Auftreten nur geringfügig ändert, so dass es für Zuschauer einen
204
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Wiedererkennungswert aufweist. Bei Schauspielern ist dies insbesondere durch die Zuweisung fester Charaktere möglich. Probiert ein junger Schauspieler im Spartenprogramm verschiedene Charaktere aus und hat in der Rolle als arroganter Opportunist innerhalb einer daily soap besonderen Erfolg bei den Zuschauern und baut für diesen Charakter Konsumkapital auf, ist es sinnvoll, diesen Schauspieler in der gleichen Rolle bzw. in ähnlichen Charakteren auch in einem Film einzusetzen, der sich an ein größeres Publikum richtet. Ein solches Charakterentwicklungsprogramm nutzt der Inhalteproduzent World Wrestling Entertainment Inc. beim Aufbau von Konsumkapital für junge sports entertainer. In Anlehnung an das Konzept der minor leagues im Sport werden durch drei diversifizierte und bei verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlte Sendungsformate, wobei eines gezielt zum Aufbau unbekannter kreativer Talente genutzt wird, die Reaktionen der Zuschauer auf neue Talente getestet. Somit trägt das Stufenmodell zum konsequenten Aufbau und der kontinuierlichen Fortentwicklung neuer Superstars bei, was für etablierte Fernsehsender notwendig ist, um den Verlust einer einmal aufgebauten Reputation zu vermeiden (vgl. Schellhaaß 2003c, S. 9). Darüber hinaus können feste Charaktere dazu genutzt werden, das Risiko eines Markenschadens zu verringern. Falls ein etablierter Superstar diesen Status aufgrund eines in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Fehlverhaltens verliert, kann ein Charakter wie James Bond von einem anderen kreativen Talent weitergeführt werden. Insgesamt erweitert das Stufenmodell der Karriereentwicklung somit Strategien zum Aufbau von Superstars und zur Generierung von erstem Konsumkapital wie durch Auftritte neuer kreativer Talente in anderen Fernsehsendungen und Medien (vgl. Adler 2006, S. 899). Dabei rekurriert es explizit auf die Idee des Talentpools und liefert einen Beitrag, sowohl die intrinsische Motivation von kreativen Talenten zu befriedigen als auch kreative Talente entsprechend ihren persönlichen Stärken und ihrer Produktivität zu geringen Opportunitätskosten auszubilden. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass zur Befriedigung intrinsischer Motive auch das Innovationsmanagement sowohl durch Hervorbringen von Ideen der kreativen Talente (Drehbuchautoren, Regisseure) als auch von auf die kreativen Talente zugeschnittenen Programmformaten (Schauspieler, Moderatoren) einen wichtigen Beitrag leistet. 3.2.
Diversifikationspotenzial des strategischen Managements kreativer Humanressourcen
Strategisches Management kreativer Humanressourcen etablierter Fernsehsender stellt eine vertikale Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Produktion dar,
3. Strategisches Management kreativer Humanressourcen
205
eröffnet aber auch weiteres Potenzial zum Eintritt in für etablierte Fernsehsender neue Märkte und Marktsegmente. Innerhalb der Fernsehindustrie können etablierte Fernsehsender durch kreative Humanressourcen neue Programminhalte und Sender innerhalb einer Fernsehsenderfamilie etablieren sowie neue Programmkategorien erschließen. Grundlage dafür ist der kreative Talentpool und das Stufenmodell, wodurch eine breite Auswahl verschiedener kreativer Talente innerhalb des Fernsehsenders ausgebildet wird. Dabei ist zu erwarten, dass kreative Talente eigene innovative Ideen einbringen, welche ihren spezifischen Stärken entsprechen. Dadurch werden Interaktionen des Humanressourcenmanagements mit dem Innovationsmanagement deutlich. Dabei liefert das Humanressourcenmanagement neben der Bereitstellung einer breiten Auswahl kreativer Talente auch einen Beitrag durch die Zuweisung von festen Charakteren zu einzelnen kreativen Talenten. Hat sich ein etabliertes kreatives Talent eine Reputation für bestimmte Programminhalte aufgebaut, kann ein Fernsehsender ähnliche Programminhalte mit dem gleichen kreativen Talent produzieren oder bspw. eine wöchentliche Sendung zu einer täglichen umgestalten. Durch die Reputationsübertragung des kreativen Talents auf den neuen Programminhalt steigen die Erfolgsaussichten. Das strategische Humanressourcenmanagement kann auch zum Eintritt in andere Medienmärkte und somit lateral verwendet werden. Aus einem unter Vertrag stehenden kreativen Talent wie einem Schauspieler kann unter Verwendung der spezifischen Ausbildungskompetenz auch ein Musikstar entwickelt werden. Generell kann die Kernkompetenz des strategischen Humanressourcenmanagements auf andere Märkte übertragen werden, indem ein Fernsehsender einen kreativen Talentpool mit Musikern oder ehemaligen Sportlern, die in die Kreativwirtschaft wechseln möchten, aufbaut und diese ähnlich der vorhergehenden Humanressourcenstrategie zu Superstars entwickelt. Neben dem Eintritt in andere Märkte kann sich ein Fernsehsender – insbesondere ohne eigene Produktentwicklungsfähigkeit – mit einem breiten kreativen Talentpool auch auf das Ausleihen kreativer Talente an andere Unternehmen der Kreativwirtschaft konzentrieren oder diese in Netzwerke einbringen. Denn vor allem etablierte Superstars werden zunehmend zum Kern erfolgreicher Programminhalte. Durch frühzeitigen Aufbau eines kreativen Talentpools kann sich eine monopolähnliche Situation ergeben, in welcher der etablierte Fernsehsender zwar nicht zwangsläufig auf dem Fernsehmarkt, aber auf dem Markt für Programminputs einen Vorteil besitzt, der aufgrund von Pfadabhängigkeiten für andere nur sehr schwer aufzuholen ist.
206
V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Neben der Kreativwirtschaft können kreative Humanressourcen zur lateralen Diversifikation auch an werbetreibende Unternehmen vermittelt werden. Für diese wird die Erregung von Aufmerksamkeit für ihre Werbebotschaften im digitalen Zeitalter zunehmend erschwert. Superstars können als Werbefiguren dieses Problem überwinden und aus Perspektive des etablierten Fernsehsenders als ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber alternativen Werbeträgeranbietern fungieren. Für werbetreibende Unternehmen liegt der Vorteil darin, dass der Vertrag nicht mit dem Individuum, sondern mit dem Fernsehsender zu schließen ist. So kann vereinbart werden, dass im Falle eines Fehlschlags der Werbewirkung der ausgewählten Werbefigur trotz Fortlaufens des Vertrags dem werbetreibenden Unternehmen ein anderes kreatives Talent als Werbefigur zur Verfügung gestellt wird. 4.
Strategisches Innovationsmanagement
Neben dem strategischen Management kreativer Humanressourcen kommt wegen des intensivierten Wettbewerbs im digitalen Zeitalter Senderechten – insbesondere an innovativen Programminhalten – erhöhte Relevanz zu. Gleichzeitig versuchen aber Inhalteproduzenten nicht nur aufgrund der erhöhten Wettbewerbsintensität auf dem Fernsehmarkt ihre Verhandlungsmacht zu erhöhen, sondern auch durch Profilbildung und durch Erschließung von für sie neuen Märkten (vgl. Windeler/Lutz/Wirth 2004, S. 98f.). Während die deutsche industrialisierte Fernsehproduktion in den 1980er Jahren entstanden ist und von unternehmensübergreifenden Projektnetzwerken charakterisiert wird (vgl. Sydow/Staber 2002, S. 216; Benedict 2008, S. 19f.), entstehen im digitalen Zeitalter neue Programmformate und etablierte Vorgehensweisen werden in Frage gestellt. Dem strategischen Innovationsmanagement als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender kommt die Aufgabe zu, der Tendenz der sich verschiebenden Machtverhältnisse zwischen Fernsehsender und Inhalteproduzent entgegenzuwirken. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich bislang allerdings nur wenige Ansätze zum Innovationsmanagement von Fernsehsendern (vgl. Hess/Köhler 2003, S. 39; Bouncken/Köhn/Lotter 2007, S. 7). Aus der Analyse von Miller/Shamsie (1996, S. 522f.) geht hervor, dass wissensbasierte Fähigkeiten von besonderer Relevanz innerhalb der Fernsehindustrie sind. Während das Humanressourcenmanagement vor allem der Freisetzung von Kreativität dient, ist das strategische Innovationsmanagement auf die Erschließung des relevanten Wissens ausgerichtet. So generieren Fernsehsender innerhalb ihres Projektportfolios kontinuierlich Innovationen und erzielen durch Professionalisierung der Projektkoordination Kostenvorteile. Diese Form der vertikalen Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Produktion bringt
4. Strategisches Innovationsmanagement
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durch inhaltliche und redaktionelle Elemente Differenzierungsvorteile für etablierte Fernsehsender im intensivierten Wettbewerb des digitalen Zeitalters ein. Insbesondere durch Verknüpfung mit dem Markenmanagement ist ein Markenimage als innovativer Anbieter erreichbar. Das strategische Innovationsmanagement zielt damit auf die Erreichung zeitlich begrenzter Monopolstellungen auf dem Fernsehmarkt ab und eröffnet Diversifikationspotenziale, wobei insbesondere auf das Potenzial zur Internationalisierung eingegangen wird. 4.1.
Umsetzung einer Innovationsstrategie
Innovationen im Fernsehen verursachen hohe Kosten, die aufgrund der Struktur und des kontinuierlichen Innovationscharakters der Fernsehindustrie Signifikanz erreichen (siehe zu diesen Kosten Zabel 2009, S. 69). Dabei umfasst Innovationsfähigkeit Problemerkennung, Ideengenerierung, Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie Produktion und Markteinführung und entsteht aus dem Zusammenspiel von Projekt-, Wissens- und Netzwerkmanagement.115 In Anlehnung an Helfat/Peteraf (2003, S. 1001) ist Ziel der Innovationsstrategie, dem etablierten Fernsehsender die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten Dritter mittels Projektkoordination effizient innerhalb einer latenten Organisation zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig durch Wissensmanagement innerhalb des Projektportfolios kontinuierlich Innovationen hervorzubringen. 4.1.1. Gestaltung des Projektportfolios durch Wissensmanagement Bislang wird nur eines von zehn einem Fernsehsender vorgeschlagenen Projekten umgesetzt, wobei in den USA mehr als die Hälfte aller neu eingeführten Programminhalte trotz im Vorfeld durchgeführten Marktforschungen nicht den erwarteten Erfolg erzielen (vgl. Windeler et al. 2004, S. 85; Karstens/Schütte 2005, S. 124). Gleichzeitig wird der Lebenszyklus von erfolgreichen Programmformaten zunehmend kürzer (vgl. Sjurts 2002, S. 256f.), so dass sich etablierte Fernsehsender in einem Wettlauf um die Einführung immer neuer Programmformate befinden. Daher müssen etablierte Fernsehsender darauf bedacht sein, die Pipeline innovativer Ideen stets gefüllt zu haben, weshalb sich eine Portfoliolösung anbietet (vgl. Eliashberg/Elberse/Leenders 2006, S. 643). Dabei spielen in Anlehnung an Marken-, Kundenbeziehungs- und kreative Humanressourcenstrategie vor allem seriell orientierte Produktionen eine entscheidende Rolle. 115
Sydow/Wirth (2004, S. 107-110) identifizieren drei Gestaltungsoptionen, wobei die im Folgenden modellierte Innovationsstrategie weitestgehend der Variante 'Inhouse-Redaktion und ContentProduktion im Netzwerk' entspricht.
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
Die Gestaltung des Projektportfolios durch Instrumente des Wissensmanagements trägt der hohen Bedeutung von Wissen bei audio-visuellen Programminhalten Rechnung (vgl. Miller/Shamsie 1996, S. 522f.). Insbesondere das Wissen über Märkte, verfügbare Technologien und Präferenzen potenzieller Konsumenten ist von besonderer Relevanz. Denn bereits geringe Verbesserungen bei der Auswahl durchzuführender Projekte erzeugen signifikante finanzielle Einsparungen (vgl. Eliashberg et al. 2006, S. 641). Dabei profitieren vor allem etablierte Fernsehsender mit Kundenbeziehungen von besserem Wissen über die Präferenzen ihrer Zuschauer. Falls dagegen bestimmtes Wissen über das Wettbewerbsumfeld nicht allen zur Verfügung steht, neigen Unternehmen mit schlechterer Marktforschung zum Herdenverhalten, indem sie die Produktstrategien anderer imitieren. Die Gestaltung des Projektportfolios durch das Wissensmanagement dient der Verhinderung dieses in der Fernsehindustrie typischerweise anzutreffenden Herdenverhaltens, welches Nachfolgern geringeren Erfolg im Vergleich zu den Innovatoren einbringt (vgl. R.F. Kennedy 2002). Damit etablierte Fernsehsender bei der Gestaltung ihres Projektportfolios das relevante und dezentral verteilte Wissen nutzen können, müssen mittels organisationaler Rahmenbedingungen und Routinen Sozialisations- und Internalisierungsprozesse ausgelöst werden. Zur Betrachtung dieser Prozesse dient das auf der Theorie der Verfügungsrechte basierende Modell des Wissensmanagements von Kubitschek/Meckl (2000), in welchem der etablierte Fernsehsender und das kreative Talent oder der handwerkliche Mitarbeiter interagieren. Beide Akteure setzen potenziell Kapitalgüter KR, Humankapital HK und Wissen WN ein. Dabei wird in der ersten Periode festgelegt, wie hoch das eingesetzte Wissen ist, wobei dieser Einsatz ex ante nicht kontraktierbar ist; in der zweiten Periode produzieren beide gemeinsam ein Gut. Aus der gemeinsamen Tätigkeit der Akteure i und j ergibt sich der Gesamtertrag TR(KRi,HKi,WNi,KRj,HKj,WNj). Dabei entsteht eine hold-up Problematik, die zu gegenseitigen Abhängigkeiten führt und sich in den back-drop Erträgen bi(Mi) und bj(Mj) ausdrücken lässt. Der back-drop Ertrag bi(Mi) gibt an, wie hoch der Ertrag des Akteurs i ist, wenn er keinen Zugang zu den Aktiva von j hat. Mi gibt das Leistungsvolumen der Aktiva an, die i entsprechend den Eigentumsrechten mit sich nehmen kann, falls die Verbindung in der zweiten Periode auseinander bricht. Es kann unterstellt werden: TR(KRi,HKi,WNi,KRj,HKj,WNj) > bi(Mi) + bj(Mj). Demnach beträgt das unter den Akteuren aufzuteilende endogene Rentenpotenzial RP: RP = TR(KRi,HKi,WNi,KRj,HKj,WNj) – bi(Mi) – bj(Mj).
(17)
Dem Modell zufolge werden beide Akteure zwar auf jeden Fall in der zweiten Periode miteinander koalieren, so dass ein ex post effizientes Ergebnis zustande kommt,
4. Strategisches Innovationsmanagement
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jedoch droht, dass aufgrund des hold-up zu wenig WN in der ersten Periode eingesetzt wird. Das Kalkül zur Maximierung des Gewinns G des Wissen teilenden Akteurs i sieht wie folgt aus: Max G = x TR(KRi,HKi,WNi,KRj,HKj,WNj) + x bi(Mi) – (1–x) bj(Mj) – cw(W).
(18)
Dabei umschreibt cw(W) die Kosten des Wissenseinsatzes mit cw'(W)>0 und cw''(W)t0. Dagegen bezeichnet x den Anteil am Rentenpotenzial, welchen der Wissen teilende Akteur in Verhandlung mit dem anderen Akteur aushandeln kann. Dabei induziert Gleichung 18 vier Effekte, die das Wissensmanagement bei der Gestaltung des Projektportfolios zu berücksichtigen hat: Der erste Summand ist der Wir-Effekt und der zweite Summand stellt den Ich-Effekt dar, welche beide anreizsteigernd wirken. Dagegen wirken der erste und zweite Subtrahend als Du-Effekt bzw. Kosten-Effekt negativ auf die Anreize zur Wissensteilung (vgl. Kubitschek/Meckl 2000, S. 748f.). Eine solche Wissensorientierung innerhalb von strukturierten Prozessen gilt neben Freisetzung von Kreativität als der wichtigste Erfolgsfaktor für Programminhalte (vgl. Mueller-Oerlinghausen/Sauder 2003, S. 23-27). So sollen kreative Talente, aber auch andere Mitarbeiter eines Fernsehsenders motiviert werden, ihr dezentrales Wissen über das, was Zuschauer sehen möchten und werbetreibende Unternehmen erwarten, zusammenzutragen und in Projekten bzw. neuen Programminhalten umzusetzen. Das dadurch entstehende Projektportfolio sollte sich an den Zielen des Fernsehsenders orientieren und Prioritäten festlegen. Zur Gestaltung des Projektportfolios müssen etablierte Fernsehsender die notwendigen Anreizstrukturen und Freiräume schaffen und gleichzeitig verhindern, dass Koordination und Kommunikation zwischen Unternehmensmitgliedern durch Wissensentwicklungs- und -austauschbarrieren behindert werden. Die organisationalen Rahmenbedingungen innerhalb eines Fernsehsenders müssen vor allem durch monetäre Anreize und Freiräume zur Entfaltung intrinsischer Motivation gekennzeichnet sein. Entsprechend bieten sich in diesem Zusammenhang die Instrumente der kreativen Humanressourcenstrategie an. Durch Gewinnbeteiligung mittels Gewährung variabler Einkommensbezüge kann der Ich-Effekt verstärkt werden. Zur Wissensteilung ist allerdings darauf zu achten, dass nicht nur diejenigen, welche bei der Projektumsetzung, sondern auch diejenigen, welche bei der Erstellung des Projektportfolios mitgewirkt haben, an erfolgreichen Projekten finanziell beteiligt werden. Somit kann sich der Einzelne seines Beitrags zur Entwicklung neuer Programminhalte bewusst werden. Bei der Erarbeitung neuer Projekte eines
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Fernsehsenders wird vor allem explizites in implizites Wissen (Internalisierung) und implizites in neues implizites Wissen (Sozialisation) umgewandelt. Da vor allem innerhalb von gruppenbasierten Strukturen implizites Wissen aufgrund der persönlichen Kontakte besonders bereitwillig geteilt wird, sollten diese gefördert werden und gleichzeitig auch die Wahrnehmung des Wir-Effekts durch Boni auf Gruppenebene vergrößert werden (vgl. Kubitschek/Meckl 2000, S. 750f.). Neben diese finanziellen Anreize tritt für etablierte Fernsehsender auch die Gewährung von Freiräumen, so dass sich kreative Talente bei der Gestaltung des Projektportfolios beteiligen. Hierzu können vor allem sowohl der kreative Talentpool als auch das Stufenmodell der kreativen Humanressourcenstrategie wichtige Beiträge leisten. Darüber hinaus ist der Kosten-Effekt mittels Befriedigung intrinsischer Motivation zu verringern, indem ein Fernsehsender seine kreativen Talente für Ideen auszeichnet, auch wenn sie selbst nicht an der Umsetzung des Projekts beteiligt sind. So ist es vorstellbar, dass ein Moderator innerhalb der Projektumsetzung eine gute Idee für die Hauptrolle eines Films entwickelt, er sich aber in das Projekt aufgrund mangelnden Talents als Autor oder Schauspieler nicht einbringen kann. Wird die Idee weder nicht-monetär noch monetär vom Fernsehsender wertgeschätzt, entspringt für den Moderator kein Nutzen aus der Wissensteilung bzw. es steigen seine Kosten der Wissensteilung. Bei kreativen Talenten kann die Motivation zur Partizipation an der Gestaltung des Projektportfolios auch durch eine Erhöhung des Ich-Effekts und eine Vermeidung des Du-Effekts mittels Zuteilung von Eigentumsrechten erzeugt werden. So können einem unter Vertrag stehenden Autor Rechte an seinem geistigen Eigentum zumindest teilweise auch unabhängig von der Bindung zum Fernsehsender zugestanden werden. Durch die erhöhte Partizipation an Projekterfolgen steigt die Motivation, sich in den Prozess der Generierung neuer Ideen einzubringen. Allerdings wirken Reduktion des Du-Effekts und Steigerung des Ich-Effekts genau umgekehrt auf den Fernsehsender, welcher dadurch – und somit im Widerspruch zum strategischen Management von kreativen Humanressourcen – Renten zunehmend auf die kreativen Talente überträgt. Entsprechend sind bei der Übertragung von Eigentumsrechten auf kreative Talente die jeweiligen Vor- und Nachteile im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. In jedem Falle sollte bei solchen Übertragungen von Eigentumsrechten zur Verringerung des Du-Effekts die Bindung des kreativen Talents an den etablierten Fernsehsender bspw. durch Aktienoptionen gesteigert werden. Dem innerhalb der kreativen Humanressourcenstrategie diskutierten Instrument des Wettbewerbsverbots kommt dabei besondere Bedeutung zu. Allerdings wirkt ein Wettbewerbsverbot negativ auf
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den Ich-Effekt des kreativen Talents, weshalb bei Wissen teilenden Mitarbeitern das Wettbewerbsverbot durch lange Kündigungsfristen und Abfindungen ergänzt werden sollte. Neben der Bindung Wissen teilender Mitarbeiter sollten etablierte Fernsehsender innerhalb des Wissensmanagements auch die Abschwächung des Du-Effekts von vor allem Wissen absorbierenden Mitarbeitern mittels delayed payment anvisieren (vgl. Krueger 1991, S. 75-77; Kubitschek/Meckl 2000, S. 754). Denn sonst droht durch Offenlegung des Wissens derjenigen Mitarbeiter, welche Ideen generieren, trotz deren Bindung Wissensverlust. Etablierte Fernsehsender sollten deshalb mit zunehmender Betriebszugehörigkeit oder in Abhängigkeit von Partizipationen an erfolgreichen Projekten das Einkommen steigern und ihren Mitarbeitern damit golden handcuffs anlegen (vgl. Milgrom/Roberts 1992, S. 346f.). Solche Vereinbarungen sind insbesondere dann durchsetzbar, wenn der Fernsehsender als guter Arbeitgeber gilt, wodurch Interaktionen mit dem Humanressourcenmanagement deutlich werden. Die Anstrengungen gegen den Verlust von Wissen können durch den gezielten Aufbau der organisationalen Wissensbasis bei gleichzeitiger Erzeugung von Spezifität des Wissens mit anderen Ressourcen und Fähigkeiten des Fernsehsenders verbessert werden (vgl. Kubitschek/Meckl 2000, S. 756-758). Diese Anforderung wird erfüllt, wenn Ideen im Hinblick auf bestehende Marken oder die Reputation ausgerichtet werden oder auf der Stellung als gatekeeper basieren, so dass sie einen idiosynkratischen Charakter entwickeln. Ist Bereitschaft der Mitarbeiter zur Partizipation an der Gestaltung des Projektportfolios und somit an den organisationalen Lernprozessen erzeugt, müssen organisationale Routinen so gestaltet werden, dass Wissensentwicklungs- und -austauschbarrieren vermieden werden. Mittels Wissensmanagement muss eine organisationale Wissensbasis aufgebaut werden, damit innerhalb des Fernsehsenders Experten- und Komplementärwissen vorhanden ist und den jeweiligen Entscheidungsträgern zur Verfügung steht (vgl. Leonard-Barton 1992, S. 116f.). Da Lernprozesse auf Adaption und Verarbeitung von Wissen basieren, entstehen die größten Probleme bei internem Wissensaustausch neben kausaler Vieldeutigkeit des zu transferierenden Wissens aufgrund der organisationalen Absorptionsfähigkeit und den beschwerlichen Verhältnissen zwischen Wissensträger und Wissensempfänger (vgl. Szulanski 1996, S. 33-36). Organisationale Absorptionsfähigkeit basiert auf der Absorptionsfähigkeit der Individuen, welche vor allem von individuellen Wissensbeständen und der Kommunikation mit anderen Wissensträgern innerhalb und außerhalb des Fernsehsenders abhängt (vgl. Cohen/Levinthal 1990, S. 131-133). Entsprechend sollten die Auswahlverfahren
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etablierter Fernsehsender nicht nur auf die Bereitschaft zur Wissensteilung, sondern auch auf die Fähigkeiten zur Absorption neuen Wissens ausgerichtet sein. Dem Fernsehsender kommt die Aufgabe zu, den relevanten Individuen die organisationale Wissensbasis durch eine gemeinsame Sprache, vertraute Symbole und ein geteiltes Grundverständnis leichter zugänglich zu machen. Denn effizienter Wissensaustausch bedarf einer vom Fernsehsender zu erfüllenden Schnittstellenfunktion, damit Wissensentwicklung basierend auf der organisationalen Wissensbasis stattfinden kann (vgl. Cohen/Levinthal 1990, S. 132f.). Entsprechend sind Anstrengungskosten bei Wissensteilung und -aufnahme mittels Senkung des administrativen Aufwands und Bereitstellung moderner technologischer Anwendungen zu verringern. So muss das komplexe Wissen über Zuschauerpräferenzen, das durch Kundenbeziehungen generiert wird, und über das Verhalten von Konkurrenten bzw. Fernsehsendern in anderen geographischen Märkten den Produkt- bzw. Wissensentwicklern auf eine leicht verständliche Art und Weise zugänglich gemacht werden. Regeln und Kontrollmechanismen können installiert werden, welchen zufolge Wissen geteilt und entwickelt werden muss. Jedoch sind Regeln und Kontrolle insbesondere bei kreativ tätigen Mitarbeitern mit Vorsicht einzusetzen, weshalb der Unternehmenskultur als flankierendes Instrument erhöhte Relevanz zukommt, um ein auf Vermeidung von opportunistischem Verhalten ausgerichtetes Menschenbild zu etablieren (vgl. Kubitschek/Meckl 2000, S. 749). Die Unternehmenskultur vermittelt die einem Unternehmen zugrunde liegenden Werte und Grundsätze (vgl. Barney 1986a, S. 657; Denison 1990, S. 2; Grant 1996a, S. 380). Durch die dadurch zu erzielende Unternehmensidentität eines Fernsehsenders können sich Mitarbeiter bei ihrem Verhalten innerhalb der Gestaltung des Projektportfolios orientieren, so dass Koordination erzeugt wird (vgl. Kreps 1990, S. 126; Denison 1990, S. 6). Unternehmensziele werden gesetzt und Mitarbeiter stärker in das Unternehmen involviert, wodurch sowohl weniger Kontrollmechanismen notwendig sind als auch Konsistenz und schnellere Reaktionen auf sich verändernde Bedingungen erzielt werden. Je nach Ausprägung der Unternehmenskultur kann dadurch Flexibilität oder Stabilität erzeugt werden (vgl. Denison 1990, S. 14-16), wobei im Hinblick auf die Generierung innovativer Programminhalte die Unternehmensidentität eines etablierten Fernsehsenders auf Flexibilität ausgerichtet werden sollte (vgl. Fiol 2001, S. 692f.). Die durch die Unternehmenskultur zu erreichende Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen setzt insbesondere bei kreativen Talenten deren volles Potenzial für das Unternehmen frei, so dass Bereitschaft zu Wissensaustausch und -entwicklung erzeugt wird.
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Insgesamt erleichtert ein Wissensmanagement, das auf Gestaltung der organisationalen Rahmenbedingungen und Routinen basiert, den zur effizienten Gestaltung des Projektportfolios eines etablierten Fernsehsenders wichtigen kumulativen Lernprozess. Die daraus entspringenden Projekte sind anschließend innerhalb einer latenten Organisation umzusetzen. Deshalb tritt neben das Wissensmanagement das Netzwerkmanagement als zweites Instrument des strategischen Innovationsmanagements, durch das eine effiziente Umsetzung der selektierten Projekte generiert werden kann. Gleichzeitig eröffnet Netzwerkmanagement innerhalb der latenten Organisation mittels eines rekursiven Prozesses Potenziale für das Wissensmanagement und somit für neue Projekte innerhalb des Portfolios eines Fernsehsenders mit Innovationsausrichtung. 4.1.2. Projektkoordination durch Netzwerkmanagement innerhalb der latenten Organisation Zur Durchführung und Koordination von aus dem Projektportfolio erwachsenden Projekten schlagen verschiedene Autoren (siehe Messmer 2002, S. 232; ChanOlmsted 2006, S. 79) vor, dass etablierte Fernsehsender mittels Akquisition oder Gründung von Produktionsunternehmen den Fernsehmarkt gegenüber potenziellen Konkurrenten durch vertikale Integration abschotten sollten. Damit begegnet man den auf S. 247f. im Anhang festgestellten Konzentrationstendenzen auf der Ebene der Produktion und der erhöhten Verhandlungsmacht von Inhalteproduzenten, so dass die bisherige Programmbeschaffung zunehmend zur Programmerstellung wird. Allerdings sollten etablierte Fernsehsender ihre Pioniervorteile, die geringe Notwendigkeit zur Risikoscheu aufgrund der Stellung als gatekeeper und ihren Einfluss auf die Unsicherheitsentwicklung als Meinungsführer nutzen, um mittels strategischer Flexibilität zu agieren. Demnach sollte die Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Produktion vor allem durch verstärkte Nutzung von Netzwerken unter Professionalisierung der Projektkoordination zur effizienten Erstellung innovativer Programminhalte betrieben werden. Die Entwicklung innovativer Programminhalte ist risikoreich, da Zuschauerpräferenzen ex ante unbekannt sind und hohe versunkene Kosten entstehen. Etablierte Fernsehsender können aber durch Wissen über Präferenzen durch Kundenbeziehung, Einsatz von Marken und insbesondere Personenmarken sowie durch ihre Stellung als Meinungsführer auf dem Fernsehmarkt Risiko reduzierende Strategien ergreifen. Hinzu kommen Unterkapitalisierung von Inhalteproduzenten wie auch Wichtigkeit von Reputation aufgrund der hohen Unsicherheit bei der Vertriebsaktivität vor dem Verkauf (presale) von Senderechten auf anderen Märkten (vgl. Pfänder
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
2000, S. 23f.). Zusätzlich können Fernsehsender ihre Management-, Lern- und Netzwerkfähigkeit zu Kooperationen beisteuern. Aufgrund der eingebrachten Ressourcen und Fähigkeiten kann ein etablierter Fernsehsender den Führungsanspruch innerhalb der latenten Organisation rechtfertigen und die Rolle der fokalen Unternehmung116 innerhalb von hierarchischen Netzwerken übernehmen. Eine latente Organisation umfasst einzelne, aber aneinander anschließende Projekte (vgl. Lundin/Söderholm 1995, S. 440f.), in welche neben Fernsehsendern auch Produzenten, Autoren, Regisseure, Darsteller, Kameraleute, Bildagenturen, Rechercheunternehmen, Cutter, Komponisten, Beleuchter, Drehbuchberater, Masken-, Kostüm- und Bühnenbildner sowie weitere technische und künstlerische Mediendienstleister involviert sind. Dabei stellen diese Projekte hohe Anforderungen an Finanzierungsstruktur, Ausgleich der verschiedenen Interessen, gegenseitiges Vertrauen und Fachwissen. Gleichzeitig sind sie bislang von einer aus Versuch und Irrtum bestehenden Vorgehensweise gekennzeichnet (vgl. Pfänder 2000, S. 26) und bieten damit Potenzial zur Verbesserung der Projektkoordination. Etablierte Fernsehsender eignen sich mittels Netzwerkmanagement innerhalb der latenten Organisation die daraus erwachsenden Renten an. Dabei stellen vor allem Auswahl und Steuerung der Projektteilnehmer sowie Evaluation der Projektergebnisse als Erfolgsdeterminanten der latenten Organisation die Herausforderungen für einen etablierten Fernsehsender dar. Durch bewusstes Netzwerkmanagement kann sich aus reinen Transaktionsbeziehungen eine dauerhafte und systematische Beziehung zwischen Unternehmen entwickeln. Dabei kommt dem Projektkoordinator insbesondere in stark disintegrierten und von Netzwerken geprägten Industrien die Aufgabe zu, detailliertes Wissen über die Zusammenhänge in den Netzwerken zu besitzen (vgl. Foss/Eriksen 1995, S. 45). Ist dieses Wissen über potenzielle Kooperationspartner bei einem etablierten Fernsehsender vorhanden, kann dieser als Koordinator latente Organisationen etablieren und durch bi- oder multilaterale Beziehungsstrukturen die bei jedem Projekt wiederkehrenden Abkommen überflüssig werden lassen bzw. leichter erzielen (vgl. Teece 1980, S. 229). Es entstehen "komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen" (Sydow 1992, S. 82) und konstitutive Mechanismen, durch welche die Auswahl der jeweiligen Projektteilnehmer erleichtert wird. Latente Organisationen ermöglichen das gemeinsame Erschließen von Kostensenkungs- und Nutzensteigerungspotenzialen, erleichtern den
116
Fokale Unternehmungen werden auch als strategic center (vgl. Lorenzoni/Baden-Fuller 1995) oder flagship firm (vgl. D'Cruz/Rugman 1994) bezeichnet.
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Vertrauensaufbau, verringern kausale Vieldeutigkeit und senken somit die Gefahr des moralischen Risikos. Während die Auswahl der Projektteilnehmer bei seriellen Produktionen als ein Erfolgsfaktor gilt, erfolgt diese bislang nur in geringem Maße anhand von professionalisierten Managementinstrumenten (vgl. Windeler et al. 2004, S. 78). Entsprechend sollten etablierte Fernsehsender basierend auf den Beziehungsstrukturen die Auswahl der Projektteilnehmer als Planung einzelner Projekte innerhalb der latenten Organisation nach bestimmten Auswahlkriterien vornehmen. Da Koordination innerhalb von Projekten vor allem auf effizientem Wissenstransfer basiert, ist ähnlich wie beim unternehmensinternen Wissensmanagement bei potenziellen Projektteilnehmern auf Absorptionsfähigkeit, kulturelle Homogenität sowie Vertrauen und geteilte Werte zu achten. Dabei sollte der Projektkoordinator auf seine bisherigen Erfahrungen mit potenziellen Projektteilnehmern zurückgreifen, da vor allem Vertrauen und gemeinsames Sozialkapital als Sicherungsmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten fungieren und die Transaktionskosten der latenten Organisation senken (vgl. Dyer 1997, S. 538). Allerdings besteht bei der Bildung stets gleicher Projektgruppen die Gefahr, dass intern eine rege Kommunikation herrscht, die Gruppen sich aber nach außen abschotten. Deshalb ist besonders wichtig, Projektgruppen kontinuierlich neu zu besetzen, so dass neben die gemachten Erfahrungen andere Wissensquellen wie die Reputation treten müssen. Nur so kann der für Projekte wichtige Mittelweg zwischen Wechsel der Kooperationspartner zum Erhalt der Innovationsfähigkeit und Rückgriff auf bereits miteinander gemachte Erfahrungen gewährleistet werden.117 Neben die Auswahl der Projektteilnehmer als Erfolgsdeterminante von Projekten tritt als zweite Herausforderung für etablierte Fernsehsender der Aufbau von Steuerungskompetenz zur Implementierung von Projekten (vgl. Sydow/Wirth 2004, S. 120). Dabei besteht die Aufgabe vor allem darin, Anknüpfungen an frühere Erfahrungen bzgl. spezifischer interorganisationaler Routinen herzustellen, um die Projektteilnehmer auf effiziente Art und Weise sowohl zur Wissensteilung und -entwicklung als auch zur Freisetzung der notwendigen Kreativität zu motivieren (vgl. Sydow/Staber 2002, S. 216; Sydow/Windeler 2004, S. 45f.). Dazu sind interorganisationale Rahmenbedingungen und Routinen aufzubauen, so dass sowohl die unternehmenseige117
Windeler et al. (2004, S. 85-88) identifizieren bspw. fünf Selektionskriterien eines Fernsehsenders bei der Auswahl eines Produzenten: Attraktivität vorgeschlagener Programminhalte, Koordinationskompetenz innerhalb eines Projektnetzwerks, Kapitalausstattung, positive Erfahrungen und Konzernzugehörigkeit. Mittels der modellierten Innovationsstrategie verlieren allerdings insbesondere die ersten beiden Kriterien an Relevanz, da etablierte Fernsehsender mittels Projektportfolio selbst Ideen entwickeln und mittels Projektkoordination selbst Netzwerkkompetenz aufbauen.
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nen als auch die Ressourcen und Fähigkeiten anderer Unternehmen effizient in das Projekt eingebracht werden. Latente Organisationen weisen häufig aufgrund fehlender formeller Regelungen, Steuerungs-, Integrations- und Kontrollmechanismen einen Mangel an Koordination auf (vgl. Sydow/Windeler 2004, S. 44). Die fokale Unternehmung muss deshalb klare Zielsetzungen ausgeben und dadurch das Rollenverständnis der einzelnen Projektteilnehmer stärken, so dass diese ihre Handlungen effizient nach Zielen des Projekts ausrichten können und Koordination erreicht wird. Entsprechend müssen die Zielsetzungen bzgl. Art des Programminhalts, des geplanten Budgets und den zu erzielenden Erfolgen auf Zuschauer- und Werbemarkt eindeutig spezifiziert und kommuniziert werden. Den Mitarbeitern des Fernsehsenders kommt innerhalb des Projekts die Aufgabe zu, die aus dem Projektportfolio erwachsenden Ziele kontinuierlich zu kommunizieren und zu erreichen (vgl. Sydow/Wirth 2004, S. 118f.). Gleichzeitig muss die Motivation zur Wissensteilung mittels des Aufzeigens von daraus erwachsenden Vorteilen innerhalb der latenten Organisation erzeugt werden und eine Netzwerkidentität gefördert sowie Regeln erstellt werden. Aus Perspektive des etablierten Fernsehsenders ist es deshalb wichtig, zwischen den Projektteilnehmern ein enges Netzwerk im Sinne von compartments (vgl. Fairtlough 1994, S. 92-95) zu bilden, so dass Vertrauen entsteht, wodurch Überwachungsmechanismen an Relevanz verlieren und notwendiges Wissen in das Projekt eingebracht wird. Die Herstellung einer gemeinsamen interorganisationalen Wissensbasis ist für eine effiziente Kommunikation wichtig, da auf diese Weise das relevante Wissen unter Aufwendung geringer Suchkosten für die Projektteilnehmer zugänglich ist und mittels Absorptionsfähigkeit neues Wissen entwickelt werden kann. Dabei ist seitens des etablierten Fernsehsenders darauf zu achten, dass die für die Stellung als fokale Unternehmung wichtigen unternehmensinternen Ressourcen und Fähigkeiten in das Projekt eingebracht werden. Jedoch ist innerhalb der interorganisationalen Wissensbasis nicht mehr als das notwendige, aus dem Projektportfolio entspringende unternehmensinterne Wissen bereitzustellen und ein unerwünschter Wissensabfluss zu vermeiden. Denn Fernsehsender bringen vor allem die schwer zu imitierenden und zu substituierenden Ressourcen Marke und Reputation sowie die Management-, Lern- und Netzwerkfähigkeit mit ein, erwarten aber von den Projektteilnehmern das Einbringen des sonst nur schwer zugänglichen impliziten Wissens. Entsprechend sind vor allem unter Verweis auf die latente Organisation Anreize zu setzen und Vorteile zu kommunizieren, welche zur Wissensteilung führen bzw. die daraus erwachsen. Sowohl wegen der intrinsischen Motivation der kreativen Talente als auch wegen der informationellen Unschärfe der Produktion von Programminhalten
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kommt der Eröffnung von Freiräumen für kreative Talente hohe Priorität innerhalb von Projekten zu. Ähnlich wie im Stufenmodell der kreativen Humanressourcenstrategie muss in diesem Falle insbesondere den aus Produzenten, Autoren, Regisseuren und Darstellern bestehenden autonomen Projektgruppen Freiraum geschaffen werden, damit deren vollständiges Kreativitätspotenzial freigesetzt wird. Als dritte Herausforderung der Projektkoordination durch Netzwerkmanagement innerhalb der latenten Organisation gilt die Kontrolle der Projektergebnisse mittels Evaluation, um dadurch Wissen für das Projektportfolio sowie zukünftige Projekte effizient zu erschließen. Dazu gilt es, die externen Lernprozesse der eigenen Mitarbeiter zu fördern, um das innerhalb von Projekten offerierte Wissen der anderen Projektteilnehmer zu internalisieren. Zwischen Projektkoordination und -portfolio liegt eine rekursive Beziehung vor, da durch die latente Organisation interne Innovationsbemühungen verbessert und neue Innovationen erschlossen werden, weil man dadurch das verborgene Wissen und weitere Fähigkeiten der Projektpartner erschließt. Dabei wird die latente Organisation umso effizienter und effektiver, je mehr die Projektteilnehmer die Erfahrungen eines Projektes reflektieren und daraus Handlungsempfehlungen für zukünftige Projekte ableiten. Das Potenzial eines Programminhalts wird für zukünftige Projekte des Fernsehsenders freigesetzt, indem weitere Projekte angestoßen werden, die sich in eine Serie einreihen, oder eine bei der Umsetzung einer Spielshow aufgekommene Idee für einen Film umgesetzt wird. Darüber hinaus können wie bei Deutschland sucht den Superstar weitere Einnahmequellen erschlossen werden. Um das Wissen aus Projekten zur Verbesserung des Projektportfolios zu nutzen, muss der Fernsehsender die eigenen Mitarbeiter so ausbilden und Anreize setzen, dass innerhalb der Projekte intern ausgerichtete Lernprozesse zur Steigerung der Effizienz des Projektportfolios durchgeführt werden (vgl. Brumagim 1994, S. 96). Gleichzeitig besteht auch eine rekursive Beziehung zwischen Handlung und Struktur bzw. zwischen Projektevaluation und Auswahl der Projektteilnehmer. Das systematische Sammeln von Erfahrungen innerhalb der latenten Organisation stellt Grundlage für den Aufbau von Netzwerkkompetenz und somit zur Auswahl zukünftiger Projektteilnehmer dar. Durch Reflexivität innerhalb der latenten Organisation kann die Verbesserung der interorganisationalen Rahmenbedingungen und Routinen erreicht werden, indem die Erfahrungen eines Projekts als Verbesserungen in zukünftige Projektsteuerungen einfließen. Rückkopplungen aus einem Projekt gelten somit als entscheidende Voraussetzung für Effizienz der latenten Organisation, da dadurch sichergestellt wird, dass die zusätzlichen Kosten der Netzwerknutzung in Form höherer Überwachungskosten gegenüber der unternehmensinternen Lösung durch
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Vorteile aus Wissensgenerierung kompensiert werden. Extern orientierte Lernprozesse der eigenen Mitarbeiter eines Fernsehsenders sind zur Erfassung von Wissen über Projekteilnehmer insbesondere auf die Verbesserung der Effektivität der Projektkoordination auszurichten (vgl. Brumagim 1994, S. 97). Durch Einsatz von Instrumenten des Wissensmanagements können dadurch bei den komplexen Innovationsprozessen der audio-visuellen Produktion signifikante Erfahrungseffekte generiert werden (vgl. Mueller 1997, S. 839). Insgesamt kommt die Innovationsstrategie der Forderung von MuellerOerlinghausen/Sauder (2003, S. 31-34) nach, wonach strukturierte Innovationsprozesse in der Kreativwirtschaft etabliert werden sollten. Während in anderen Industrien die Pipeline der Projektportfolios typischerweise mit vielen Ideen gefüllt wird, aber nur die besten realisiert werden, ist in der Kreativwirtschaft dagegen eher ein Tunnel vorzufinden, durch welchen eingebrachte Ideen wandern müssen (vgl. Mueller-Oerlinghausen/Sauder 2003, S. 32). Nach Auffassung des Autors der vorliegenden Arbeit ist dies bei Fernsehsendern darauf zurückzuführen, dass diese im analogen Zeitalter aufgrund ihrer Stellung als Meinungsführer ihre Projektideen besser am Markt durchsetzen konnten. Dagegen ist dies aufgrund des intensivierten Wettbewerbs im digitalen Zeitalter zunehmend weniger möglich ist, weshalb ein Veränderungsprozess einsetzen muss. 4.2.
Diversifikationspotenzial des strategischen Innovationsmanagements unter besonderer Berücksichtigung der Internationalisierung
Das strategische Innovationsmanagement als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender rückt Lernprozesse mittels Wissensmanagement in den Fokus der Betrachtung. Diese gelten insbesondere für etablierte Unternehmen als Grundlage für den Eintritt in neue Märkte. Dabei stellt das strategische Innovationsmanagement per se eine vertikale Diversifikation in die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Produktion dar. Es werden insbesondere Marke und Reputation als Ressourcen sowie Management-, Lern- und Netzwerkfähigkeiten eingebracht und mittels Hebeleffekt auf die Inhalteproduktion übertragen. Mittels der Innovationstätigkeit wird auch die Marktdurchdringung begünstigt, da durch Produktion innovativer Programminhalte neue Marktnischen gefunden und erschlossen werden. Durch Ausweitung von Programminhalten, Programmformaten oder darauf basierenden Spartenprogrammsendern diversifiziert der Fernsehsender horizontal. Lateral eröffnet strategisches Innovationsmanagement insbesondere zwei Quellen für Diversifikation. Einerseits können Fernsehsender die Kompetenz zur Produktion von Inhalten werbetreibenden Unternehmen anbieten, um für diese Werbebotschaf-
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ten zu produzieren. Dadurch machen Fernsehsender ihr Wissen über Präferenzen der Zuschauer den werbetreibenden Unternehmen indirekt zugänglich. Mittels besonders innovativer Werbung sowie durch Herstellung von Affinität der Werbebotschaften mit den Programminhalten des Fernsehsenders ist ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber alternativen Werbeträgeranbietern erzielbar. Auf der anderen Seite kann das innerhalb der Projektorganisation notwendige Wissens- und Netzwerkmanagement zur Produktion für andere, nicht audio-visuelle Mediengüter verwendet werden, welche ebenfalls in Netzwerken produziert werden. Durch Aufbau von Innovationskompetenz und der damit verbundenen Projekterfahrung erwächst für Fernsehsender die Möglichkeit, als fokale Unternehmung bspw. in der Musikproduktion tätig zu werden. Außerdem erwächst durch das strategische Innovationsmanagement eine besondere Form der Diversifikation. Aufgrund medien- und kartellrechtlicher Beschränkungen und wegen der eingeschränkten Handelbarkeit des aufgebauten Wissens haben Fernsehsender den Anreiz, ihre Aktivitäten verstärkt ins Ausland zu legen. Dieser wird neben der Digitalisierung vor allem durch Deregulierung und politische Öffnung anderer geographischer Märkte verstärkt. Insbesondere vor dem Hintergrund sich angleichender Kulturen und der Homogenisierung globaler Marktsegmente ermöglicht Globalisierung die Übertragung erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten auf andere Märkte (vgl. Levitt 1983; Porter 1996, S. 77). Zur Modellierung der Internationalisierung von Fernsehsendern mit strategischem Innovationsmanagement wird eine modifizierte Form des Uppsala-Modells von Johanson/Vahlne (1977; 1990) entwickelt, welches eine auf Ressourcen, Fähigkeiten und dabei vor allem Wissen basierende Erklärung der Internationalisierung von Unternehmen darstellt. Das Uppsala-Modell geht auf die Arbeiten von Penrose (1959), Cyert/March (1963) und Aharoni (1966) zurück und basiert auf empirischen Fallstudien zum Internationalisierungsprozess schwedischer Unternehmen (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul 1975, S. 309-319).118 Internationalisierung wird als ein inkrementaler Prozess betrachtet, um sich an verändernde Bedingungen innerhalb des Unternehmens und sich wandelnde Rahmenbedingungen anzupassen sowie das notwendige Marktwissen auf- und die erwachsende Unsicherheit abzubauen (vgl. Johanson/Vahlne 1977, S. 26; siehe auch Aharoni 1966). Zusätzlich dient der inkrementale Prozess dem Aufbau der vor allem in der Fernsehindustrie notwendigen Netzwerkbeziehungen, welche zunächst Sozialkapital und anschließend interor-
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Siehe für einen Überblick anderer Studien, die diese Ergebnisse bestätigen: Johanson/Vahlne (1990, S. 13f.).
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ganisationale Rahmenbedingungen und Routinen der Zusammenarbeit vorsehen (vgl. Johanson/Mattsson 1988; Johanson/Vahlne 1990, S. 18-20). Das Uppsala-Modell geht von einer spiralförmigen Beziehung zwischen Zustandsgrößen und Veränderungsgrößen eines Unternehmens im Zusammenhang mit der Internationalisierung aus. Als Zustandsgrößen werden dabei Ressourcen- und Fähigkeitenbindung im Sinne von Höhe und Spezifität des Ressourcen- und Fähigkeiteneinsatzes (market commitment) und Marktwissen im Sinne von Wissen über und Erfahrungen mit dem fremden Markt (market knowledge) betrachtet. Beim zu erlangenden Wissen handelt es sich neben explizitem Wissen bei audio-visuellen Produktionen vor allem um marktspezifisches Wissen, das in impliziter Form vorliegt. Dagegen gelten Marktbearbeitungsentscheidungen (commitment decisions) und laufende Aktivitäten (current activities) als Veränderungsgrößen des Unternehmens. Je komplexer und differenzierter das internationale Gut des Unternehmens mittels Marktbearbeitungsentscheidungen ist, umso größer ist die aus den laufenden Aktivitäten resultierende Ressourcen- und Fähigkeitenbindung. Jedoch vergrößert sich mit laufenden Aktivitäten auch kontinuierlich der Wissensbestand und die Unsicherheit verringert sich mit steigender Marktbearbeitung (vgl. Johanson/Vahlne 1977, S. 26-29). Entsprechend der spiralförmigen Beziehung zwischen Zustands- und Veränderungsgrößen strukturiert das Uppsala-Modell Internationalisierung durch Auswahl der Markteintrittsform und der zu betretenden Märkte entsprechend der establishment chain als stufenförmigen Prozess (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul 1975, S. 306309): Nach unregelmäßigen Exportaktivitäten als erster Stufe soll aufgrund des dadurch zu erreichenden Aufbaus von Marktwissen und der Verringerung von Unsicherheit Export mittels unabhängiger Repräsentanten als zweite Stufe beschritten werden. Als dritte Stufe sieht das Modell den selbständigen Verkauf via Verkaufsniederlassung vor, bevor als vierte und letzte Stufe die eigenständige Produktion im internationalen Markt erfolgt. Die zu betretenden Märkte sind dabei nach dem Grad der Vertrautheit bzw. Ähnlichkeit zu Märkten auszuwählen, in denen das Unternehmen tätig ist, wodurch es bereits einen möglichst großen Umfang an Wissen über den neuen Markt besitzt. Entsprechend sind innerhalb der Internationalisierung zunächst vertraute und meist geographisch nahe gelegene Länder und später weiter entfernte Ländern zu bearbeiten. Dadurch können Fernsehsender
4. Strategisches Innovationsmanagement
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sequentiell darauf reagieren, dass Fernsehsendungen – wie auf S. 37 dargestellt – trotz Globalisierung an geographische Märkte gebunden sind.119 Nach Perlmutter (1969, S. 11f.) bietet sich für etablierte Fernsehsender mit strategischem Innovationsmanagement auf der ersten Stufe der Internationalisierung eine ethnozentrische Orientierung mittels Exportstrategie an. Mittels dieser wird der Verkauf von Senderechten an für den Heimatmarkt produzierten Programminhalten durchgeführt. Dabei sind Ressourcen- und Fähigkeitenbindung gering und es werden erste Erfahrungen mit dem neuen Markt gesammelt. Aufgrund der Charakteristik von audio-visuellen Mediengütern führen große Heimatmärkte zu höheren Budgets und erhöhen damit ceteris paribus die internationale Attraktivität (vgl. Wildman 1994, S. 119-122). Der Verkauf von Senderechten außerhalb des Heimatmarktes ist aufgrund der geringen variablen Kosten bei gleichzeitiger Erschließung der Renten ausländischer Fernsehmärkte sehr attraktiv. Das dadurch ermöglichte größere Budget kann für special effects oder international bereits bekannte Schauspieler eingesetzt werden und ggf. den cultural discount kompensieren (vgl. Hoskins/Mirus 1988, S. 500; Wildman 1994, S. 123). Der deutsche Fernsehmarkt bietet aufgrund seiner Größe vor allem im Hinblick auf die Europäische Union und Asien Internationalisierungspotenziale. Neben anderen deutschsprachigen Ländern fällt insbesondere bei osteuropäischen Ländern der kulturelle Unterschied relativ gering aus, so dass sich diese Märkte für den Beginn der Internationalisierungsstrategie anbieten. Das dadurch ermöglichte größere Budget entfaltet positive Rückkopplungseffekte auf die Nachfrage im Heimatmarkt und Internationalisierung dient der Risikodiversifikation. Als zweite Stufe sollten Fernsehsender mit einem strategischen Innovationsmanagement mittels einer multinationalen Strategie eine polyzentrische Orientierung anstreben (vgl. Perlmutter 1969, S. 12f.). In dieser Phase wird sowohl der Verkauf von Senderechten an leicht variierten bzw. auf den Auslandsmarkt angepassten Programminhalten als auch der Verkauf von Programmformaten angestrebt. Programminhalte können variiert werden, indem in Filmen Schauspieler eingesetzt werden, die international Konsumkapital aufgebaut haben, oder zumindest in Nebenrollen Schauspieler verwendet werden, die im Zielland bereits Konsumkapital aufgebaut haben. Darüber hinaus können Programmformate mit positionalem Gutscharakter wie Schlag den Raab entwickelt werden, die eine hohe Internationalisierungsaffinität besitzen. In diesem Falle werden Programmformate durch Lizenzierung unter Bereitstellung von production bibles und flying producers verkauft (vgl. Lantzsch 2008, S. 247). 119
Im Folgenden werden an die vier Stufen des Uppsala-Modells angelehnte, jedoch für die Fernsehindustrie spezifische Stufen verwendet.
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
In der dritten Stufe nutzt der Fernsehsender die Vergabe von Senderechten der beiden ersten Stufen zur weiteren Erschließung des Zielmarktes. Basierend auf einer transnationalen Strategie können etablierte Fernsehsender ihre Netzwerkkompetenz einsetzen, um internationale Produktionsgruppen zusammenzuführen. Mittels internationaler Co-Produktionen können nicht internationalisierungsfähige Programminhalte speziell für den ausländischen Markt produziert werden oder Programminhalte für weitere internationale Märkte hergestellt werden. Im zweiten Falle sind insbesondere Hollywood-Produzenten zunehmend an internationalen CoProduktionen interessiert (vgl. Windeler et al. 2004, S. 99f.). Als vierte und letzte Stufe können etablierte Fernsehsender ihre aufgebaute Kompetenz auf der Wertschöpfungsstufe der Produktion nutzen, um weitere Ressourcen oder Fähigkeiten mittels Hebeleffekt ebenfalls im Zielmarkt einzusetzen. So können breit ausgestaltete Marken und auch die Reputation für den internationalen Markteintritt als Fernsehsender im Zielland genutzt werden. Denn durch die ersten drei Stufen wird der langwierige Prozess des Aufbaus von Konsum- und Assoziationskapital auf die ausländischen Fernsehsender ausgelagert. Die Gründung eigener Fernsehsender im Ausland ist somit vereinfacht möglich, wenn der Fernsehsender sich und seine kreativen Talente als Inhalteproduzent im Zielmarkt bekannt macht. 5.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Basierend auf der Analyse erfolgskritischer Ressourcen und Fähigkeiten greift das fünfte Kapitel die Zentralthesen des vorangegangen Kapitels auf, um zwei Differenzierungsstrategien und zwei vertikale Diversifikationsstrategien zu entwickeln. Dabei werden die den Strategien zugrunde liegenden Kernkompetenzen beleuchtet und deren Diversifikationspotenziale aufgezeigt. Als erste der Kernkompetenzen eines etablierten Fernsehsenders im digitalen Zeitalter kommt dem strategischen Markenmanagement die Aufgabe zu, Zielgruppen anhand von aktuellem und potenziellem Wert pro Zuschauer, Gruppengröße, Verflechtungen und Ähnlichkeiten mit anderen Zuschauergruppen sowie den zur differenzierten Ansprache notwendigen Kosten, auszuwählen. Dazu dient eine komplexe Markenstruktur, die sich aus einer Dachmarke sowie Programminhaltsund Programmkategoriemarken zusammensetzt und von über Programminhalte, Programmkategorien und Einzelsender hinweg eingesetzten Personenmarken flankiert wird. Dadurch ist eine Positionierung zu erzielen, welche durch die Markenidentität die Relevanz des Angebotsprofils herausstellt und die mit der Marke verbundenen Produkte vom Wettbewerb differenziert.
5. Zusammenfassung der Ergebnisse
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Kernversprechen sowie begleitende Satellitenversprechen der Dachmarke sollten die ausgewählten Zielgruppen in besonderem Maße ansprechen, wobei zusätzlich auch rationale und emotionale Versprechen abgegeben werden müssen, um Assoziationen zu erzeugen, die über den Basisnutzen des Programmangebots hinausgehen. Dabei kommt der Kommunikationspolitik die Aufgabe zu, sowohl die rationalen und emotionalen Markenversprechen als auch das Markenimage zu transportieren, während Produkt-, Preis- und Distributionspolitik das Markenversprechen erfüllen müssen. So kann aus Perspektive der Konsumenten das Assoziationskapital in Zusatznutzen umgewandelt werden. Basierend auf dem Produktdifferenzierungsmodell von Gude (2007, S. 28-46) kann ein etablierter Fernsehsender durch Investitionen in den Assoziationskapitalaufbau eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft in der ersten Periode erzielen und dadurch eine Preis-Kosten-Differenz zur Generierung einer Rente erzeugen. Anhand des Modells wird gezeigt, dass mittels einer Markenstrategie und im Widerspruch zu Schmalensee (1983) Markteintritt auch ohne fixe Markteintrittskosten verhindert werden kann (vgl. Gude 2007, S. 43f.). Mittels des strategischen Markenmanagements als Kernkompetenz kann sowohl Diversifikation durch Aufbau neuer Einzelsender, Programmkategorien oder Programminhalte als auch geographische Marktausweitung erreicht werden. Auch der Vertrieb von Programminhalten, die technische Übertragung, der Verkauf von insbesondere über Programminhalte und Programmkategorien hinausgehenden Handelswaren sowie die Bereitstellung von Personenmarken an werbetreibende Unternehmen bieten Diversifikationspotenzial. Die Kernkompetenz des strategischen Kundenbeziehungsmanagements sieht den Aufbau von auf Verträgen basierenden Kundenbeziehungen zwischen Fernsehsender und Zuschauer vor, um Programminhalte, Zusatzdienste, Entgelte und Werbung im digitalen Zeitalter zu personalisieren. Solche Kundenbeziehungen stellen komplexe Leistungsbündel dar, bedingen zur Leistungserbringung Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager und induzieren aufgrund beiderseitiger beziehungsspezifischer Kosten Opportunismusgefahr. Mittels des transaktionskostentheoretischen Modells von Williamson (1985, S. 30-35) lassen sich Kundenbeziehungen durch Vertragsschluss begründen, da auch eine isolierte Wettbewerbslösung nicht zum effizienten Ergebnis führt. Weil die Leistungsfähigkeit personalisierter Programminhalte, Zusatzdienste, Entgelte und Werbung für Zuschauer unbekannt ist, kommt dem strategischen Kundenbeziehungsmanagement die Aufgabe zu, Zuschauer von der Vorteilhaftigkeit einer Kundenbeziehung zu überzeugen. Unabhängig vom monetären Fernsehbudget des Zuschauers erwächst durch verbesserte Werbemöglichkeiten und höhere Werbepreise pro Zuschauer, angebots-
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
induzierte Ausweitung der Nachfrage nach Fernsehwerbezeit sowie Informationskostenreduzierung bei werbetreibenden Unternehmen Rentenpotenzial für etablierte Fernsehsender. Dieses entsteht auch durch höhere Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer, welche sich aus der an Präferenzen orientierten Bereitstellung und Präsentation der Programminhalte sowie dem Angebot von Zusatzdiensten zusammensetzt. Dabei ergibt sich aus der Differenz zwischen undifferenzierten und personalisierten Preisen für die Personalisierung von Programminhalten und Werbung das Rentenpotenzial. Die durch Vertragsabschluss entstehende Wettbewerbssituation ist durch Bindung der Kunden mittels Errichtung von Wechselkosten zu verstärken. Das strategische Kundenbeziehungsmanagement verstetigt als Kernkompetenz die im analogen Zeitalter gewachsenen Strukturen der Vorauswahl und kann durch Hebeleffekte zur Ausweitung von Wettbewerbsvorteilen eingesetzt werden. Insbesondere eröffnen sich dadurch Potenziale, um durch Aufbau von themen- oder altersgruppenspezifischen Einzelsendern, Programmkategorien oder Programminhalten, geographische Marktausweitung sowie Distribution von Fernsehsignalen oder Produktion von Programminhalten horizontal bzw. vertikal zu diversifizieren. Der Verkauf sowohl von Zugang zu Kunden als auch von Wissen über Gewohnheiten und Präferenzen der Kunden, die Personalisierung anderer medialer Güter sowie der Verkauf anderer auf Vertrauen basierender und komplexerer Erfahrungsgüter eröffnen laterales Diversifikationspotenzial. Als dritte Kernkompetenz etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter sieht das strategische Management kreativer Humanressourcen exklusive Verträge, einen kreativen Talentpool und ein Stufenmodell vor. Basierend auf dem Modell zur nachvertraglichen Transferentschädigung von Kummer (2008, S. 75-138) führen exklusive Verträge mit kreativen Talenten dazu, dass bei einem möglichen Arbeitgeberwechsel der ausbildende Fernsehsender in die Vertragsverhandlungen zwischen neuem Fernsehsender und kreativem Talent eingebunden werden muss. Dadurch erhält er eine an der Wertschätzung des neuen Fernsehsenders orientierte Transferentschädigung. Eine die intrinsische Motivation betonende Nutzenmaximierungsbetrachtung zeigt, dass der bisherige Arbeitgeber trotzdem keinen Einfluss auf die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers ausüben kann. Die Verhandlungssituation kann auf die Betrachtung der relativen Verhandlungsmacht zwischen etabliertem Fernsehsender und kreativem Talent verkürzt werden, wobei für den etablierten Fernsehsender je nach Wahl einer der drei Strategiealternativen 'Ausbeutung', 'Fair' und 'Kein Wechsel' unterschiedliche Rentenpotenziale erwachsen. Mittels exklusiver Verträge mit kreativen Talenten können sich etablierte Fernsehsender die aus einem kreativen Talent entspringenden Renten zum Teil aneignen, indem sie das knappe Gut der
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Sendezeit von anderen Fernsehsendern nutzen und sich für die Bereitstellung kreativer Talente mittels einer Transferentschädigung entlohnen lassen. Gleichzeitig leisten sie einen Beitrag, extrinsische und intrinsische Motivation kreativer Talente zu befriedigen. Als zweite Komponente der kreativen Humanressourcenstrategie bietet die Bildung eines kreativen Talentpools dem etablierten Fernsehsender die Möglichkeit, sich sowohl für die Versicherungsleistung als auch seine spezifische Ausbildungskompetenz zu entlohnen. Als Solidarsystem verschafft ein vom Fernsehsender angebotenes Versicherungssystem risikoscheuen kreativen Talenten Sicherheit, wobei der Fernsehsender für diesen Nutzengewinn einen Aufschlag auf die Versicherungsprämie als Rente von den kreativen Talenten erhebt. Die spezifische Ausbildungskompetenz etablierter Fernsehsender erwächst u.a. aus ihrer Stellung als Meinungsführer des Fernsehmarktes, wodurch sie zu einem gatekeeper des Marktes für kreative Talente werden, und erhöht die Superstarwahrscheinlichkeit von unter Vertrag stehenden kreativen Talenten. Deshalb wird eine Ausbildungsprämie von den kreativen Talenten erhoben und Rentenpotenzial erschlossen. Darüber hinaus trägt der Talentpool zur Befriedigung sowohl extrinsischer als auch intrinsischer Motive kreativer Talente bei. Das Stufenmodell der Karriereentwicklung als letztes Instrument dient dazu, unter Nutzung des spezifischen Vorteils von Fernsehsenderfamilien durch horizontale Diversifikation die intrinsische Motivation von kreativen Talenten durch Gewährung kreativer Freiräume entsprechend den spezifischen Grundinteressen zu befriedigen. Bezug nehmend auf das Ramsey pricing werden kreative Talente zunächst bei kleinen homogenen Zielgruppen eingeführt, die für den Spartenprogramminhalt eine besonders hohe Zahlungsbereitschaft bei geringer Preiselastizität besitzen. Der Mechanismus des Stufenmodells betont die individuellen Stärken des kreativen Talents, welches im Erfolgsfalle in die nächste Stufe aufsteigt bzw. gegenüber einer größeren und weniger homogenen Zielgruppe eingesetzt wird. Auf diese Art und Weise ist eine kritische Masse in der jeweils nächsten Stufe der Karriereentwicklung bereits erschlossen und die Ausbildungsanreize für einen Fernsehsender steigen, weil der Einsatz eines noch nicht bekannten kreativen Talents nur geringe Opportunitätskosten verursacht. Neben Rentenpotenzial eröffnet diese Kernkompetenz sowohl durch Aufbau von Einzelsendern, Programmkategorien und Programminhalten als auch das Vermitteln von kreativen Talenten an andere Unternehmen der Kreativwirtschaft und an werbetreibende Unternehmen Diversifikationspotenzial. Das strategische Innovationsmanagement als letzte Kernkompetenz etablierter Fernsehsender zielt auf die für die Produktion innovativer Programminhalte notwen-
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V. Auf Kernkompetenzen basierende Strategien etablierter Fernsehsender
dige Erschließung des dezentral verteilten Wissens ab. Basierend auf dem Modell des Wissensmanagements von Kubitschek/Meckl (2000) gilt die Gestaltung des Projektportfolios als erstes Instrument der Innovationsstrategie eines etablierten Fernsehsenders. Es müssen die notwendigen Anreizstrukturen und Freiräume geschaffen und gleichzeitig Wissensentwicklungs- und -austauschbarrieren überwunden werden, welche Koordination und Kommunikation zwischen Unternehmensmitgliedern behindern. Die Unternehmenskultur fungiert dabei als flankierendes Instrument, mit dem ein auf Vermeidung von opportunistischem Verhalten ausgerichtetes Menschenbild etabliert und damit Koordination erzeugt wird. Das entstehende Projektportfolio wird zum Ausdruck der Ziele eines etablierten Fernsehsenders für die Umsetzung von Projekten. Diese Umsetzung findet in latenten Organisationen statt, wobei etablierte Fernsehsender vor allem die schwer zu imitierenden und zu substituierenden Ressourcen Marke und Reputation sowie ihre Management-, Lern- und Netzwerkfähigkeiten einbringen. Im Gegenzug erwarten sie von den anderen Projektteilnehmern das Offenlegen des sonst nur schwer zugänglichen impliziten Wissens. Aufgrund dieser Situation kann der etablierte Fernsehsender als zweites Instrument der Innovationsstrategie zur Projektkoordination die Rolle der fokalen Unternehmung innerhalb der latenten Organisation übernehmen. Daraus erwachsen die Aufgaben, Projektteilnehmer auszuwählen und zu steuern sowie die Projektergebnisse zu evaluieren. Dabei liegen sowohl zwischen Projektkoordination und -portfolio als auch zwischen Projektevaluation und Teilnehmerauswahl rekursive Beziehungen vor. Insgesamt können sich etablierte Fernsehsender mittels Projektkoordination die Ressourcen und Fähigkeiten Dritter zugänglich machen und gleichzeitig durch Wissensmanagement innerhalb des Projektportfolios kontinuierlich Innovationen hervorzubringen. Dadurch ist aus Perspektive des etablierten Fernsehsenders dem zunehmenden Verlust der Stellung als Meinungsführer entgegenzuwirken, wodurch sie im analogen Zeitalter ihre Projektideen besser durchsetzen konnten. Das strategische Innovationsmanagement bietet Potenzial zur Diversifikation, indem werbetreibenden Unternehmen die Kompetenz zur Inhalteproduktion angeboten wird, die Produktion von anderen, nicht audio-visuellen, aber ebenfalls in Netzwerken produzierten Mediengüter betrieben wird und neue Programminhalte, Programmformate und Spartenprogrammsender erschlossen werden. Vor allem bietet diese Kernkompetenz allerdings Potenzial zur Internationalisierung. Dazu wird eine modifizierte Form des Uppsala-Modells von Johanson/Vahlne (1977; 1990) verwendet. Dieses betrachtet Internationalisierung als einen inkrementalen Prozess, der dazu dient, sich an verändernde Bedingungen innerhalb des Unternehmens und sich
5. Zusammenfassung der Ergebnisse
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wandelnde Rahmenbedingungen anzupassen, das notwendige Marktwissen auf- und Unsicherheiten abzubauen sowie um die vor allem in der Fernsehindustrie notwendigen Netzwerkbeziehungen zu entwickeln. Entsprechend einer spiralförmigen Beziehung zwischen Zustands- und Veränderungsgrößen des Unternehmens strukturiert das Uppsala-Modell Internationalisierung durch Auswahl der Markteintrittsform und der zu betretenden Märkte entsprechend der establishment chain als stufenförmigen Prozess: Zunächst können Fernsehsender eine ethnozentrische Orientierung mittels Exportstrategie einnehmen, um auf der zweiten Stufe eine polyzentrische Orientierung und multinationale Strategie zu verwenden. Auf der dritten Stufe kann ein etablierter Fernsehsender eine transnationale Strategie einschlagen. Anschließend nutzt er den durch die ersten drei Stufen erfolgten langwierigen Prozess des Aufbaus von Konsum- und Assoziationskapital in ausländischen Fernsehmärkten, um als Fernsehsender in die Zielmärkte einzutreten. Damit erfüllt dieses Kapitel die zweite anwendungsorientierte Zielsetzung der vorliegenden Arbeit. Es wird die Entwicklung von Kernkompetenzen aufgezeigt, durch die etablierte Fernsehsender Strategien umsetzen und Diversifikationspotenziale erschließen können, um sich die aus erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten erwachsenden Rentenpotenziale anzueignen.
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VI.
Fazit
Abschließend sollen die innovativen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit dargestellt und die in der Problemstellung gegebenen Zielsetzungen auf Erfüllung überprüft werden. Darüber hinaus wird ein Ausblick über zukünftig zu erwartende Entwicklungen gegeben. Die vorliegende Arbeit widmet sich zunächst dem wissenschaftstheoretischen Ziel, wonach ein ökonomisch fundiertes ressourcen- und fähigkeitenbasiertes Modell nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zu entwickeln ist. Eine Ressource oder Fähigkeit birgt das Potenzial eines Wettbewerbsvorteils in sich, wenn sie ausgehend von Heterogenität der Unternehmen als erste Voraussetzung auch Werthaltigkeit erzielt. Diese zweite Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Ressource oder Fähigkeit direkt oder indirekt von potenziellen Konsumenten wertgeschätzt wird und das Unternehmen dadurch erhöhte Effizienz oder Effektivität erreicht. Zum Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils muss eine Ressource oder Fähigkeit entweder die Bedingung der Nicht-Handelbarkeit oder der eingeschränkten Handelbarkeit erfüllen. Im Falle von Idiosynkrasie entzieht sich eine Ressource oder Fähigkeit vollständig dem strategischen Faktormarkt und generiert Pareto-Renten. Führen Informationsasymmetrien zu Heterogenität der Erwartungswertbildung oder Komplementaritäten zu Heterogenität der Erwartungswerte, ist der strategische Faktormarkt von Unvollkommenheiten geprägt und die Ressource bzw. Fähigkeit generiert Schumpeter-Renten. Ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil liegt vor, wenn eine Ressource oder Fähigkeit aufgrund von Isolationsmechanismen Nicht-Imitierbarkeit und Nicht-Substituierbarkeit erfüllt und dadurch Ricardo-Renten generiert. Dabei werden Pfadabhängigkeiten und Ineffizienzen als temporale, kausale Vieldeutigkeit und soziale Komplexität als kognitive sowie nachfrageseitige Wechselkosten und angebotsseitige Kostenstrukturunterschiede als strukturelle Isolationsmechanismen differenziert. Zuletzt sieht das ressourcen- und fähigkeitenbasierte Modell die Bildung von Kernkompetenzen aus einzelnen Ressourcen und Fähigkeiten vor, durch welche Strategien zur Erzielung der diesen entspringenden nachhaltigen Wettbewerbsvorteile implementiert und Diversifikationspotenziale erschlossen werden. Damit erfüllt das Modell die wissenschaftstheoretische Zielsetzung der vorliegenden Arbeit und trägt durch ökonomisch fundierte Argumentationen zur Forschung des strategischen Managements bei. Als vorbereitender Schritt zur Erfüllung der anwendungsorientierten Ziele wird der Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungsstufen der Fernsehindustrie aus Perspektive der Fernsehsender untersucht. Auf der Wertschöpfungsstufe der Fernsehsender führt das Digitalisierungsmerkmal der Kapazitätsausweitung zu
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VI. Fazit
gegenläufigen Effekten bzgl. Nachfrage nach Programminhalten, Programmvielfalt und Qualität von Fernsehsendern. Das Merkmal der Kostenreduktion verringert dagegen den Regulierungsbedarf, während Rückkanalfähigkeit neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Von der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion geht für Fernsehsender einerseits die Gefahr des Verlusts von Verhandlungsmacht aus, andererseits entsteht dadurch Potenzial zur Diversifikation. Im Gegensatz dazu geht von der nachgelagerten Wertschöpfungsstufe der Distribution aufgrund von Markteintritt vor allem die Gefahr neuer Konkurrenz auf dem Fernsehmarkt aus. Auf Ebene der Konsumentengruppen ist auf dem Zuschauermarkt aufgrund der Digitalisierung eine Fragmentierung und zunehmende Nachfrage nach personalisierten Angeboten zu erwarten, was erhöhte Unsicherheit für Fernsehsender verursacht und Nischenstrategien durch Spartenprogrammsender begünstigt. Werbetreibende Unternehmen können im digitalen Zeitalter wegen der für den Fernsehsender steigenden inter- und intramedialen Konkurrenz ihre Verhandlungsmacht gegenüber Fernsehsendern erhöhen, wobei Fernsehsender die Digitalisierung nutzen können, um die Effizienz von Werbebotschaften und die Werbeakzeptanz der Zuschauer zu steigern. Die vorliegende Arbeit wendet sich als nächstes der ersten anwendungsorientierten Zielsetzung zu, wonach erfolgskritische Ressourcen und Fähigkeiten von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter zu ermitteln sind, durch die supranormale Renten erwirtschaftet werden können. Basierend auf dem ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modell werden zunächst sowohl Marktzutrittsschranken und Mobilitätsbarrieren identifiziert als auch strategische Gruppen des Fernsehmarktes in erster Instanz nach Produkt- und Marktbreite und in zweiter Instanz nach Geschäftsmodellen abgegrenzt. Somit konkurrieren auf dem Fernsehmarkt heterogene Unternehmen. Die anschließende Analyse von sieben Ressourcen etablierter Fernsehsender führt zu der Erkenntnis, dass Wirtschaftsstandort, Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Kapitalausstattung und Senderechte kein bzw. nur ein relativ geringes nachhaltiges supranormales Rentenpotenzial im digitalen Zeitalter aufweisen. Die im analogen Zeitalter aus Senderechten generierten Renten gehen aufgrund des intensivierten Wettbewerbs durch Digitalisierung zunehmend auf die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion über. Dagegen besitzen im digitalen Zeitalter vielmehr die Ressourcen Reputation, Marke und Kundenbeziehung einen erfolgskritischen Charakter, da sich etablierte Fernsehsender dadurch vom intensivierten Wettbewerb differenzieren. Dies führt zur Formulierung der ersten Zentralthese der vorliegenden Arbeit: Während die im analogen Zeitalter als erfolgskritisch
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geltende Ressource 'Senderechte' aufgrund des intensivierten Wettbewerbs des Fernsehmarktes im digitalen Zeitalter an Relevanz zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile verliert, erreichen etablierte Fernsehsender neben der bereits im analogen Zeitalter erfolgskritischen Ressource 'Reputation' insbesondere durch 'Marke' und 'Kundenbeziehung' Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb und generieren dadurch nachhaltige Wettbewerbsvorteile im digitalen Zeitalter. Die anhand des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells durchgeführte Analyse von sechs Fähigkeiten etablierter Fernsehsender legt offen, dass insbesondere kreative Talente und Produktentwicklungsfähigkeit als Fähigkeiten der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion ein hohes supranormales Rentenpotenzial für etablierte Fernsehsender im digitalen Zeitalter entwickeln. Dabei kommt Innovationsfähigkeit, die durch Verknüpfung von Produktentwicklungsfähigkeit mit den ebenfalls als erfolgskritisch zu bewertenden Lern- und Netzwerkfähigkeiten zu erreichen ist, erhöhte Relevanz zu. Die starken supranormalen Rentenpotenziale sowohl von Managementfähigkeiten als auch mit Abstrichen der strategischen Flexibilität als Metafähigkeiten eines Fernsehsenders deuten generell darauf hin, dass etablierte Fernsehsender insbesondere durch Ausweitung ihrer Tätigkeitsbereiche nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren. Dies führt zur zweiten Zentralthese der vorliegenden Arbeit: Aufgrund des beschränkten Wachstumspotenzials des Fernsehmarktes und wegen des intensivierten Wettbewerbs um Programminhalte aufgrund der Digitalisierung ermöglichen die Fähigkeiten 'kreative Talente' und 'Innovationsfähigkeit' als Kombination von 'Lernfähigkeit', 'Produktentwicklungsfähigkeit' und 'Netzwerkfähigkeit' einem etablierten Fernsehsender die vertikale Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Inhalteproduktion und somit die Generierung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Mit Formulierung dieser beiden Zentralthesen identifiziert die vorliegende Arbeit erfolgskritische Ressourcen und Fähigkeiten von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter. Das Entwickeln von Kernkompetenzen, durch welche Strategien zur Nutzung der erfolgskritischen Ressourcen und Fähigkeiten umgesetzt und Diversifikationspotenziale erschlossen werden können, gilt als zweite anwendungsorientierte Zielsetzung. Das strategische Markenmanagement als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender im digitalen Zeitalter setzt eine Markenstrategie um, welche sich an auszuwählende Zielgruppen richtet. Mittels einer komplexen Markenstruktur, die sich aus Dachmarke, Programminhalts- und Programmkategoriemarken sowie Personenmarken zusammensetzt, ist eine Positionierung zu erzielen, welche mittels Markenidentität die Relevanz des Angebotsprofils eines Fernsehsenders betont und die mit der Marke verbundenen Produkte vom Wettbewerb differenziert. Dabei kommt der
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VI. Fazit
Kommunikationspolitik die Aufgabe zu, sowohl rationale und emotionale Markenversprechen als auch das Markenimage zu transportieren, während Produkt-, Preis- und Distributionspolitik das mittels kommunikationspolitischer Instrumente abgegebene Markenversprechen erfüllen müssen. Ein etablierter Fernsehsender erzielt durch Investitionen in den Aufbau von Assoziationskapital eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft und erschließt dadurch eine Preis-Kosten-Differenz als Rentenpotenzial. Die zweite Kernkompetenz des strategischen Kundenbeziehungsmanagements dient ebenfalls der Differenzierung. Da die Leistungsfähigkeit personalisierter Programminhalte, Zusatzdienste, Entgelte und Werbung für Zuschauer unbekannt ist, kommt etablierten Fernsehsendern die Aufgabe zu, Zuschauer von der Vorteilhaftigkeit einer Kundenbeziehung zu überzeugen. Mittels Vertragsabschluss lässt sich aus Perspektive des etablierten Fernsehsenders eine Wettbewerbssituation erreichen, die Rentenpotenziale eröffnet. Einerseits erwächst durch eine Kundenbeziehungsstrategie unabhängig vom monetären Fernsehbudget der Zuschauer Rentenpotenzial. Dieses entsteht durch verbesserte Werbemöglichkeiten und somit höhere Werbepreise pro Zuschauer, angebotsinduzierte Ausweitung der Nachfrage nach Fernsehwerbezeit sowie Informationskostenreduzierung bei werbetreibenden Unternehmen. Andererseits entsteht durch höhere Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer, welche aus der an Präferenzen orientierten Bereitstellung und Präsentation der Programminhalte sowie dem Angebot von Zusatzdiensten hervorgeht, Rentenpotenzial. Es ergibt sich aus der Differenz zwischen undifferenzierten und personalisierten Preisen für die Personalisierung von Programminhalten und Werbung. Das strategische Management kreativer Humanressourcen als Kernkompetenz etablierter Fernsehsender dient der Umsetzung einer kreativen Humanressourcenstrategie, welche exklusive Verträge, einen kreativen Talentpool und ein Stufenmodell umfasst. Exklusive Verträge mit kreativen Talenten ermöglichen einem ausbildenden Fernsehsender, in die Vertragsverhandlungen zwischen neuem Fernsehsender und kreativem Talent involviert zu werden. Auf diese Weise eignet sich der etablierte Fernsehsender die aus einem kreativen Talent entspringenden Renten zum Teil an, indem das knappe Gut der Sendezeit von anderen Fernsehsendern genutzt und die Bereitstellung kreativer Talente mittels einer Transferentschädigung entlohnt wird. Die Bildung des Talentpools dient auf der einen Seite dem Angebot eines Versicherungssystems, wodurch risikoscheue kreative Talente Sicherheit erlangen und der Fernsehsender einen Aufschlag auf die Versicherungsprämie als Rente generiert. Andererseits ist es dadurch möglich, dass der Fernsehsender eine Ausbildungsprämie als Rente für seine spezifische Ausbildungskompetenz erhält, welche u.a. aus der Stellung als Meinungsführer des Fernsehmarktes erwächst und
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die Superstarwahrscheinlichkeit von unter Vertrag stehenden kreativen Talenten erhöht. Das Stufenmodell der Karriereentwicklung führt kreative Talente entsprechend dem Ramsey pricing zunächst bei kleinen homogenen Zielgruppen ein. So ist eine kritische Masse in der jeweils nächsten Stufe der Karriereentwicklung bereits erschlossen und die Ausbildungsanreize für einen Fernsehsender steigen, weil der Einsatz eines noch nicht bekannten kreativen Talents nur geringe Opportunitätskosten verursacht. Strategisches Innovationsmanagement als vierte Kernkompetenz dient ebenfalls der vertikalen Diversifikation in die Wertschöpfungsstufe der Produktion und zielt mittels einer Innovationsstrategie auf die für innovative Programminhalte notwendige Erschließung des dezentral verteilten Wissens ab. Innerhalb des Projektportfolios müssen mittels Wissensmanagement die notwendigen Anreizstrukturen und Freiräume geschaffen, Koordination und Kommunikation zwischen Unternehmensmitgliedern durch Verhinderung von Wissensentwicklungs- und -austauschbarrieren ermöglicht und Unternehmenskultur als flankierendes Instrument eingesetzt werden. Innerhalb von latenten Organisationen sollten etablierte Fernsehsender vor allem die schwer zu imitierenden und zu substituierenden Ressourcen Marke und Reputation sowie ihre Management-, Lern- und Netzwerkfähigkeiten einbringen. Dadurch können etablierte Fernsehsender als fokale Unternehmung die Projektkoordination innerhalb der latenten Organisation übernehmen und im Gegenzug die Offenlegung des sonst nur schwer zugänglichen impliziten Wissens von den anderen Projektteilnehmern erwarten. Damit sind etablierte Fernsehsender sowohl für Auswahl und Steuerung von Projektteilnehmern als auch die Evaluation von Projektergebnissen zuständig, wodurch Wissen für das Projektportfolio und die Durchführung zukünftiger Projekte erlangt wird. Neben der Umsetzung dieser Strategien eröffnen die Kernkompetenzen der etablierten Fernsehsender auch Diversifikationspotenziale. Horizontal können vor allem neue und ggf. zielgruppenspezifische Einzelsender, Programmkategorien und Programminhalte entwickelt werden, während die Kernkompetenzen vertikal teilweise zum Angebot der technischen Übertragung von Fernsehsignalen genutzt werden können. Die vier Kernkompetenzen ermöglichen laterale Diversifikation von Fernsehsendern, indem diese andere und auch in Netzwerken hergestellte Mediengüter produzieren und ggf. personalisieren. Ebenso können andere und auf Vertrauen basierende komplexe Erfahrungsgüter und insbesondere über die Programminhalte und Programmkategorien hinausgehende Handelswaren vertrieben werden. Laterale Diversifikation wird auch möglich, indem etablierte Fernsehsender kreative Talente bzw. Personenmarken an andere Unternehmen der Kreativwirtschaft und an werbe-
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VI. Fazit
treibende Unternehmen vermitteln, anderen Unternehmen den Zugang zu Kunden und zu dem Wissen über Gewohnheiten und Präferenzen der Kunden verkaufen sowie werbetreibenden Unternehmen die Kompetenz zur Inhalteproduktion anbieten. Durch das strategische Innovationsmanagement wird darüber hinaus auch Potenzial zur Internationalisierung freigesetzt. Etablierte Fernsehsender sollten Internationalisierung als stufenförmigen Prozess auffassen, wodurch kontinuierlich notwendiges Marktwissen aufgebaut, erwachsende Unsicherheiten vermindert und Netzwerkbeziehungen entwickelt werden. Beginnend mit einer Exportstrategie stellen innovative Programminhalte die Grundlage dafür da, den langwierigen Prozess des Aufbaus von Konsum- und Assoziationskapital durch andere, die eigenen Programminhalte einsetzende ausländische Fernsehsender zu nutzen, um selbst als Fernsehsender in die Zielmärkte einzutreten. Mit diesen vier Kernkompetenzen, den daraus entwickelten Strategien und den Diversifikationspotenzialen wird die zweite anwendungsorientierte Zielsetzung der vorliegenden Arbeit erfüllt, indem diese als Handlungsempfehlungen für etablierte Fernsehsender interpretiert werden können. Insgesamt liefert die vorliegende Arbeit mit der Betrachtung des strategischen Managements von etablierten Fernsehsendern im digitalen Zeitalter einen Beitrag zum strategischen Management sowie zum Medienmanagement und zur Medienökonomie. Über die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit hinaus soll abschließend ein Ausblick über zukünftig zu erwartende Entwicklungen gegeben werden. Aus Perspektive des Fernsehmarktes bietet die Digitalisierung das Potenzial, vom ineffizienten Standard der Werbefinanzierung auf ein effizientes System mit entsprechend höherer Bedürfnisbefriedigung zu wechseln. Die Qualität des stark durch entgeltfrei empfangbare Fernsehsender geprägten deutschen Fernsehmarktes kann gesteigert werden und aufgrund höherer Bedürfnisbefriedigung die Wohlfahrt verbessern. Damit würde trotz der eingenommenen Perspektive des strategischen Managements und somit der Suche nach supranormalen Renten bestehende Heterogenität zu einer Wohlfahrtserhöhung führen. "Strategies may not have welfare as their concern – but acting through the firm they achieve it" (Williams 1994, S. 245). Statt Heterogenität aus wirtschaftspolitischer Perspektive durch restriktive Regulierung zu verhindern, sollten daraus erwachsende Potenziale erkannt werden (vgl. Knott 2003). Aus wissenschaftstheoretischer Perspektive bietet sich die intensivierte Nutzung des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells nachhaltiger Wettbewerbsvorteile an. Erstens kann die theoretische Diskussion über erfolgskritische Ressourcen und
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Fähigkeiten von etablierten Fernsehsendern durch Analyse bspw. von Controllingfähigkeiten, Prozessentwicklungsfähigkeiten oder den Fähigkeiten zur Erhebung und Auswertung von Konsumentenpräferenzen vertieft werden. Zweitens bietet sich die Fortentwicklung des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells durch qualitative Fallstudien oder quantitative multivariate Analysen an. Dadurch können Ergebnisse der vorliegenden Arbeit überprüft und ggf. falsifiziert werden, wobei deutsche Fernsehsender insbesondere von Fallstudien zu US-amerikanischen Fernsehsendern profitieren können. Gleichzeitig würde durch die empirische Anwendung des RBV ein Beitrag zum strategischen Management geleistet werden, da der RBV bislang nur unzureichend und weitgehend unbefriedigend empirisch operationalisiert wurde. Drittens bietet sich die Anwendung des ressourcen- und fähigkeitenbasierten Modells in anderen Industrien wie dem deutschen Hochschulsektor an, der aufgrund von Deregulierung, Knappheit finanzieller Mittel und Globalisierung von Unsicherheit geprägt ist. Viertens besteht durch die ökonomische Fundierung eines Modells innerhalb des strategischen Managements das Potenzial, dass zunehmend auch Ökonomen von den Erkenntnissen des strategischen Managements lernen. Während Ökonomen wie Penrose und andere den RBV maßgeblich beeinflusst haben, ist nahezu kein Einfluss des strategischen Managements auf die Ökonomie festzustellen (vgl. Langlois 2003, S. 287f.). Dabei sollte in Anlehnung an die Forderung von Alchian (1950, S. 221) die Ökonomie die Möglichkeit zum Lernen vom strategischen Management nutzen. Denn: "Economists have much to learn from scholars who have studied corporate behaviour and corporate strategy in detail" (Shapiro 1989, S. 126).
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