Schimmelpilze Lebensweise, Nutzen, Schaden, Bekämpfung
Ulrich Kück · Minou Nowrousian Birgit Hoff · Ines Engh
Schimm...
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Schimmelpilze Lebensweise, Nutzen, Schaden, Bekämpfung
Ulrich Kück · Minou Nowrousian Birgit Hoff · Ines Engh
Schimmelpilze Lebensweise, Nutzen, Schaden, Bekämpfung
begründet von Jürgen Reiß Dritte Auflage
123
Prof. Dr. Ulrich Kück PD Dr. Minou Nowrousian Dr. Birgit Hoff Dr. Ines Engh Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Biologie und Biotechnologie Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik Universitätsstr. 150 44801 Bochum Deutschland
Umschlagabbildungen: Konidienträger von Penicillium expansum sowie eine Petrischale mit Aspergillus niger (schwarz), Penicillium citrinum (grün) und Aspergillus terreus (orange) ISBN 978-3-540-88716-4
e-ISBN 978-3-540-88717-1
DOI 10.1007/978-3-540-88717-1 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Satz und Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Der Begriff „Schimmel“ wird im Deutschen vielfach verwendet, er beschreibt weiße Pferde ebenso wie grau- oder weißhaarige Menschen. Die Farbe weiß spielt aber auch eine Rolle bei der Namensgebung der Schimmelpilze. Wenn Nahrungsreste oder organischer Abfall von den weißlich erscheinenden Pilzzellen überzogen werden, die später weiße oder andersfarbige Sporen ausbilden, dann spricht der Volksmund vom „Schimmel“ oder von den Schimmelpilzen. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit wird allerdings oft verkannt, dass neben den negativen Folgen eines Schimmelbefalls viele dem Menschen nützliche Produkte des alltäglichen Lebens eng mit dem Begriff „Schimmelpilz“ verbunden sind. Hierzu zählen die zu den Antibiotika gehörenden Penicilline ebenso wie der Schimmelkäse, den wir als delikates Lebensmittel schätzen. In diesem Buch sollen diese zwei Gesichter der Schimmelpilze aus unterschiedlicher Sicht dem Leser näher gebracht werden. Die Autoren arbeiten seit Langem wissenschaftlich mit Schimmelpilzen, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der biotechnologisch geprägten Pilzgenetik. Deshalb haben wir auch sehr gerne zugesagt, als uns der Springer-Verlag (Heidelberg) die Abfassung einer Neuauflage des von J. Reiß begründeten Buches „Schimmelpilze“ angeboten hat. Ausgehend von der Konzeption der zweiten Auflage dieses Buches werden in dieser dritten Auflage grundsätzliche Gliederungskriterien und Grundstrukturen beibehalten. Allerdings haben wir uns, beeinflusst durch aktuelle Erkenntnisse der grundlegenden und angewandten Forschung, zu einer völligen Neufassung des Buches entschieden. Zum Beispiel wurden neue genetische Techniken miteinbezogen und Erkenntnisse der molekularen Biologie berücksichtigt. Dies ist vor allen Dingen vor dem Hintergrund umfangreicher Genomsequenzierungen von Schimmelpilzen zu sehen. Bei der Drucklegung waren die Genome von mehr als 20 Schimmelpilzen bekannt. Die Auswertung dieser Daten lässt wichtige Schlüsse zur Biologie und insbesondere zur Physiologie (Sekundärmetabolite) und
VI
Vorwort
Vorwort
VII
Morphologie zu. Hierauf aufbauend werden wichtige Hinweise zur Nutzung und Bekämpfung von Schimmelpilzen geliefert. Im Einzelnen gliedert sich das Buch wie folgt: Im ersten Teil werden die Systematik, Morphologie, Physiologie und Genetik zusammenfassend präsentiert. Dies schließt die tiefer gehende Beschreibung einzelner Gattungen und Arten ein. Dabei werden neueste Erkenntnisse der molekularen Genetik berücksichtigt, die nicht nur für systematische und physiologische Erkenntnisse relevant sind, sondern auch Einfluss auf die biotechnologische Nutzung von Schimmelpilzen haben. Der zweite Teil behandelt anwendungsbezogene Themen. Neben biotechnologischen und lebensmitteltechnologischen Prozessen mit Schimmelpilzen werden schädliche Wirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen, sowie die zerstörende Wirkung auf Materialien behandelt. Dieses Sachbuch wendet sich verstärkt an Studierende der Lebenswissenschaften, welche als Studienschwerpunkte z. B. Molekulare Genetik, Mikrobiologie, Biotechnologie, Umweltwissenschaften oder Naturstoffchemie gewählt haben. Der Buchinhalt bietet ein umfassendes Bild von Schimmelpilzen als Mikroorganismen, die als Zellkern-haltige Eukaryoten deutlich von den Bakterien unterschieden werden können. Daneben soll dieses Buch fachferne Leser ansprechen, die berufsbedingt, z. B. als Bauingenieur oder Lebensmittelchemiker, mit der Wirkung von Schimmelpilzen befasst sind. Schließlich hoffen wir, auch interessierte Laien durch dieses Buch zu erreichen. Um das Thema „Schimmelpilze“ anschaulich zu gestalten, haben wir farbiges Bildmaterial zur Illustration eingesetzt. Wie in den vorausgegangenen Ausgaben haben wir bei allen Kapiteln Übersichtsartikel und Bücher, weniger Originalarbeiten, zur weiteren Vertiefung angegeben. Dieses Buch konnte nur durch die vielfältige Mithilfe aller Mitglieder des Lehrstuhls für Allgemeine und Molekulare Botanik an der Ruhr-Universität Bochum entstehen. Unser besonderer Dank gilt Frau G. Frenßen-Schenkel, welche die überwiegende Zahl der Zeichnungen und Abbildungen angefertigt hat, sowie Frau Dr. C. Rech für die Hilfe bei der Lichtmikroskopie und der Sammlung von Materialien. Frau S. Schlewinski und Frau S. Mertens danken wir für die Anzucht und Präparation diverser Pilzkulturen, Frau S. Adler und Herrn Prof. Th. Stützel für die Hilfe bei der Erstellung von Aufnahmen, Herrn Dr. H. Kürnsteiner (Sandoz GmbH, Kundl, Österreich) für Hinweise zum Textinhalt, Frau C. Liß und Frau M. Wolf für die Textbearbeitung und Frau Dr. S. Glanz, Frau Dr. D. Janus und Herrn Dr. J. Kamerewerd für die Durchsicht der Manuskripte. Für die Überlassung von Bildmaterial sind wir Herrn Dr. T. Huckfeldt (Hamburg), Herrn T. Abel (Oestrich-Winkel), Herrn A. Engh (Witten) und Herrn Prof. Dr. P. Altmeyer
VIII
Vorwort
(Bochum) sowie der Sandoz GmbH (Kundl, Österreich) zu Dank verpflichtet. Dem Springer-Verlag und hier insbesondere Frau S. Wolf und Herrn Dr. D. Czeschlick danken wir für die gebotene Gelegenheit, die dritte Auflage dieses Buches anfertigen zu können. Die Autoren
Bochum, Oktober 2008
Inhalt
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2 Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Morphologie, Systematik und Phylogenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Morphologische Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Systematik und Phylogenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Vorkommen und Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Erdboden und Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Charakteristische Schimmelpilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Mucor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Aspergillus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Penicillium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Fusarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Alternaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 3 10 13 13 14 15 15 16 18 22 24 27
3 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Wachstumsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Vermehrungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Nährmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 pH-Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Wasser und Wasseraktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Primärmetabolismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Glykolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Der Citrat-Zyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Der Glyoxylat-Zyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 32 32 33 36 36 38 40 42 44 48 49
X
Inhalt
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
Sekundärmetabolismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyketide und Fettsäurederivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-ribosomale Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isoprenoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 51 55 58 62
4 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Genetische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Konventionelle Mutagenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Gentechnische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Stammoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Gesamtgenomanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Genomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Transcriptomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Proteomics und Metabolomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 66 67 68 78 81 82 85 89
5 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Biotechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Zitronensäure und andere organische Säuren . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Steroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.5 Statine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.6 Rekombinante Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Lebensmitteltechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Sojasauce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Tempeh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Schimmelkäse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Edelschimmel auf Fleischwaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Quorn™ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Edelfäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Biologische Schädlingsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Gesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 93 94 99 103 108 110 113 117 119 122 125 127 128 130 130 132 134 137
6 Schadwirkung und Bekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Human- und Tierpathogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Pathogene Lebensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 143 145
Inhalt
6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3
XI
Mykosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflanzenpathogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biotrophe und nekrotrophe Pathogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Samenübertragbare Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensmittelkontaminationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mykotoxikosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung und Bekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialzerstörer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für Materialzerstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung und Bekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148 152 153 154 159 163 178 180 181 187 190
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
Artenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
1 Einführung
Schimmelpilze sind Teil der großen Gruppe der Pilze und gehören somit zu den Eukaryoten, die sich durch den Besitz eines Zellkerns sowie Mitochondrien auszeichnen. Pilze haben eine meist saprophytische oder parasitische Lebensweise, d. h. sie sind auf die Aufnahme energiereicher organischer Nährstoffquellen angewiesen. Bei den Saprophyten ist die Nahrungsquelle abgestorben, während Parasiten lebende Organismen als Nahrungsquellen nutzen. Der Übergang von der saprophytischen zur parasitischen Lebensweise ist dabei oft fließend. Pilze sind generell heterotroph (konsumierend) und unterscheiden sich dadurch deutlich von den autotrophen Pflanzen und Algen, die als Primärproduzenten Lichtenergie für den Stoffaufbau nutzen. Die meisten Pilze, darunter auch alle Schimmelpilze, sind vielzellig und gehören zu den sogenannten Thallophyten („Lagerpflanzen“). Zu dieser Gruppe werden alle Pilze, Algen und Moose zusammengefasst, die im Gegensatz zu den Höheren Pflanzen (Kormophyten) keine Gliederung in Wurzeln, Sprosse und Blätter aufweisen. Der Thallus der Pilze besteht aus Zellfäden (Hyphen) und wird auch als Myzel bezeichnet (Kap. 2.1.1). Bei Schimmelpilzen können sich diese Zellfäden zu Schein- oder Flechtgeweben zusammenlagern. Der Begriff „Schimmelpilze“ fasst umgangssprachlich solche Pilzarten zusammen, die vor allem durch die Bildung ihrer asexuellen Sporen gekennzeichnet sind und saprophytisch wachsen, d. h. abgestorbene organische Substanzen als Nahrungsquellen verwerten können (Kap. 2.1 und 3.1). Weitere Kriterien, die in ihrer Summe den Begriff „Schimmelpilze“ definieren, sind ihr ubiquitäres Vorkommen (Kap. 2.2), der filamentöse Wuchs der Myzelien (Kap. 2.1), der umfangreiche und für eine Art spezifische Sekundärmetabolismus (Kap. 3.3) sowie die hohe Wachstumsgeschwindigkeit der fast ausschließlich vegetativ wachsenden Myzelien (Kap. 3.1). Diese Aufzählung weist bereits darauf hin, dass es eine exakte wissenschaftlich biologische Definition des Begriffes „Schimmelpilze“ ähnlich einer Artdefinition nicht gibt. Der Begriff „Schimmelpilz“ hat sich historisch entwickelt und
2
1
Einführung
bezeichnet heute eine Gruppe von Pilzen, welche die oben erwähnten physiologischen und ökologischen Kriterien erfüllen. Wissenschaftlich werden die Schimmelpilze traditionell zum Fach Botanik gezählt, jedoch ist heute auch die Zuordnung zur Mikrobiologie allgemein akzeptiert. Da die wissenschaftliche Literatur weitgehend in englischer Sprache verfasst wird, werden hier die englischen Begriffe für Schimmelpilze kurz erwähnt, es heißt dort mould (britisches Englisch) oder mold (amerikanisches Englisch).
2 Biologie
Dieses Kapitel befasst sich mit der Biologie von Schimmelpilzen, die zu Beginn im phylogenetischen, d. h. stammesgeschichtlichen Zusammenhang dargestellt werden (Kap. 2.1). Danach wird eine Übersicht zum Vorkommen und zur Verbreitung von Schimmelpilzen gegeben, die im Boden, in der Luft sowie im Wasser zu finden sind (Kap. 2.2). Am Schluss werden an ausgewählten Gruppen Einzelorganismen vorgestellt, die typisch für wichtige Gattungen sind (Kap. 2.3).
2.1
Morphologie, Systematik und Phylogenie
Wie in der Einführung erwähnt, handelt es sich bei Schimmelpilzen nicht um eine systematische Gruppierung, sondern um Pilze, die bestimmte physiologische und ökologische Kriterien erfüllen. Dies trifft auf eine ganze Reihe von Arten zu, die oft nicht oder kaum miteinander verwandt sind, sondern sich unabhängig voneinander an ähnliche ökologische Nischen angepasst haben. So gehören Arten aus den nicht näher verwandten Gruppen der Oomycota und der Eumycota zu den Schimmelpilzen (Kap. 2.1.2). Die Eumycota wiederum werden in die vier Hauptgruppen Chytridiomyceten, Zygomyceten, Ascomyceten und Basidiomyceten untergliedert, und besonders die Zygo- und Ascomyceten stellen das Hauptkontingent der Schimmelpilze (Kap. 2.1.2). Im Folgenden soll daher eine kurze Einführung in die Morphologie und Systematik der Pilze gegeben werden, um die Einordnung verschiedener Schimmelpilzgruppen in einen phylogenetischen Kontext zu ermöglichen.
2.1.1
Morphologische Charakteristika
Pilze gehören zu den Eukaryoten, d. h. sie besitzen Zellen mit Zellkern und verschiedenen membranumschlossenen Organellen wie z. B. Mitochondrien
4
2
Biologie
und Peroxisomen. Im Unterschied zu Tieren sind ihre Zellen meist von einer Zellwand umgeben und enthalten eine oder mehrere Vakuolen. Diese beiden Kriterien treffen auch auf pflanzliche Organismen zu; im Gegensatz zu Pflanzen sind Pilze allerdings nicht in der Lage, ihre Energie aus der Photosynthese zu gewinnen. Eine Reihe von Pilzen ist einzellig, sie werden als Hefen bezeichnet, und zu ihnen gehört z. B. die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Die meisten Pilze sind allerdings Vielzeller und werden als sogenannte Hyphenpilze bezeichnet. Schimmelpilze sind durchweg Hyphenpilze, auf deren Morphologie im Folgenden näher eingegangen wird.
Das vegetative Hyphenwachstum
Die Zellen von Hyphenpilzen wachsen in Form von langgestreckten Fäden, den sogenannten Hyphen (Abb. 2.1). Hyphen können dabei ungegliedert sein, wie bei den Oomyceten und Zygomyceten (Abb. 2.1a); sie können aber auch durch Querwände (Septen) in Kompartimente unterteilt werden, wie dies bei den Hyphen der Asco- und Basidiomyceten der Fall ist (Abb. 2.1b, c). Allerdings sind die Septen meist mit einer Öffnung, dem Porus, versehen, durch welche die Zellorganellen von einem Kompartiment ins nächste gelangen können. Das Wachstum der Hyphen geschieht an der Spitze, es können sich aber auch Verzweigungen und damit neue Hyphenspitzen an den Seitenwänden der Hyphen bilden. Hyphen können auch aufeinander zuwachsen und fusionieren, solche Fusionsereignisse werden als Anastomosen bezeichnet (Abb. 2.1b). Durch Verzweigung und Fusion bilden die Hyphen eine netzartige Struktur, die als Myzel bezeichnet wird und den eigentlichen Vegetationskörper des Pilzes bildet (Abb. 2.1d). Da die einzelnen Kompartimente des Myzels entweder gar nicht oder nur durch die unvollständig geschlossenen Septen voneinander getrennt sind, bildet das gesamte Myzel ein cytoplasmatisches Kontinuum (Syncytium). Vegetative Hyphen können auch spezialisierte Strukturen bilden. Ein Beispiel sind die Sklerotien; hierbei handelt es sich um dickwandige, eng verflochtene Hyphen, die meist als Überdauerungsorgane während ungünstiger Umweltbedingungen dienen. Weitere Beispiele sind die Strukturen zur Bildung von Sporen, auf die im Folgenden eingegangen wird. Manche Hyphenpilze sind in der Lage, zwischen dem vielzelligen Hyphenwachstum und einer einzelligen Hefeform zu wechseln. Dieses Phänomen wird als Dimorphismus bezeichnet; der Wechsel der Wachstumsform geschieht meist in Abhängigkeit von Umweltbedingungen.
2.1
Morphologie, Systematik und Phylogenie
a
b
c
d
5
Abb. 2.1 a–d Morphologie von Hyphen. (a) unseptierte Hyphe von Oomyceten und Zygomyce-
ten; (b) septierte Hyphen von Ascomyceten und Basidiomyceten, blauer Pfeil: Anastomose (Hyphenfusion); (c, d) mikroskopische Aufnahmen von Hyphe (c) und Myzel (d) des Ascomyceten Neurospora crassa. Der Maßstab ist in (c) 20 μm, in (d) 200 μm
Die Bildung vegetativer Sporen
Zusätzlich zum rein vegetativen Myzelwachstum können sich Hyphenpilze oft durch sexuelle oder asexuelle (vegetative) Sporen vermehren. Hier soll zunächst auf die Bildung asexueller Sporen eingegangen werden. Asexuelle Sporen entstehen nach mitotischer Kernteilung, d. h. die Sporen sind mit dem Ausgangs-Individuum genetisch vollständig identisch. Die Sporen werden durch Wind etc. verbreitet und dienen sowohl als Überdauerungsorgane als auch der schnellen und weiten Verbreitung. Die Sporenträger entstehen an den Hyphen des vegetativen Myzels. Die Sporen können dabei endogen in Sporangien gebildet werden, wie bei den Oomyceten und den Zygomyceten, sie können aber auch exogen von Sporenträgern abgeschnürt werden (Abb. 2.2a–c). Im letzteren Fall werden sie als Konidiosporen oder Konidien bezeichnet. Diese Form der Sporenbildung ist typisch für
6
2
Biologie
Konidiospore Spore Phialide
Columella
Metula
Konidiophor Sporangienträger
a
b
c
Arthrospore
d Abb. 2.2 a–d Bildung vegetativer Sporen. (a, b) Beispiele für Sporangien von Oomyceten (a)
und Zygomyceten (b) mit endogener Sporenbildung. (c) Sporangium vom Penicillium-Typ mit exogener Abschnürung von Konidiosporen. (d) Zerfall einer Hyphe führt zur Bildung von Arthrosporen
die meisten Ascomyceten. Abhängig von den Wachstumsbedingungen können aber auch die vegetativen Hyphen selbst zu sogenannten Arthrosporen zerfallen, die als Überdauerungsform dienen (Abb. 2.2d). Die meisten Schimmelpilze sind in der Lage, große Mengen vegetativer Sporen zu bilden, was zu ihrer raschen Verbreitung beiträgt. Während einer ersten Wachstumsphase bilden sie ein vegetatives Myzel aus Hyphen, an dem sich in einer zweiten Phase bereits meist nach wenigen Stunden bis Tagen Sporenträger differenzieren, die asexuelle Sporen bilden (Kap. 2.2). Zudem bilden viele Schimmelpilze nicht nur eine, sondern mehrere Formen vegetativer Sporen, wie der Ascomycet Neurospora crassa (roter Brotschimmel, Abb. 2.3). Welche Sporenart gebildet wird, ist dabei oftmals von den Wachstumsbedingungen abhängig.
2.1
Morphologie, Systematik und Phylogenie
7
Die Bildung sexueller Sporen
Im Unterschied zu den vegetativen Sporen, die aus einer Mitose hervorgehen, sind sexuelle Sporen das Produkt von Karyogamie und anschließender Meiose, während derer es zur Rekombination auf DNA-Ebene kommen kann. Hierdurch ist die Neukombination des Erbmaterials beider Eltern möglich, weshalb die entstehenden Individuen mit den Ausgangs-Stämmen nicht immer genetisch identisch sind. Die sexuellen Sporen können genau wie die vegetativen Sporen zu einem neuen vegetativen Myzel auskeimen (Abb. 2.3). Die Organe, in welchen die sexuellen Sporen gebildet werden, besitzen bei den verschiedenen Pilzgruppen eine charakteristische Morphologie, die als Bestimmungsmerkmal dienen kann. In Abb. 2.3 ist als Beispiel die sexuelle Vermehrung des Ascomyceten Neurospora crassa gezeigt. Bei Ascomyceten werden die sexuellen Sporen endogen in schlauchförmigen Hyphen, den Asci, gebildet, daher werden die Ascomyceten auch als Schlauchpilze bezeichnet. Im Unterschied dazu schnüren Basidiomyceten ihre sexuellen Sporen (Basidiosporen) exogen von einer spezialisierten Hyphe, der Basidie, ab. Bei den Zygomyceten entsteht dagegen meist eine derbwandige, kugelige Zygospore, in der Karyogamie und Meiose ablaufen. Für genauere Angaben zur sexuellen Vermehrung der Pilze sei auf die am Ende des Kapitels angegebene Fachliteratur verwiesen.
Teleomorphe und Anamorphe
Während viele Hyphenpilze in der Lage sind, asexuelle Sporen zu bilden, sind nicht für alle beschriebenen Arten Stadien der sexuellen Vermehrung bekannt. Dies liegt teilweise daran, dass eine sexuelle Vermehrung nur unter bestimmten Umweltbedingungen stattfindet, die unter Laborbedingungen nicht hergestellt werden können. Es gibt aber auch Pilze, bei denen nachgewiesen werden konnte, dass sie sich bereits seit langer Zeit ausschließlich asexuell vermehren. Ob solche Arten überhaupt noch die Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung haben, ist zurzeit nicht bekannt. Die Tatsache, dass viele Hyphenpilze sich sowohl sexuell als auch asexuell vermehren können und dass die Organe, welche die sexuellen bzw. asexuellen Sporen bilden, oft morphologisch verschieden sind und nicht immer gleichzeitig an einem Myzel entstehen, hat teilweise zu Mehrfachbenen-
8
2
Biologie
asexuelle Entwicklung Makrokonidienbildung
Mikrokonidienbildung
sexuelle Entwicklung Myzel
keimende Ascospore
Konidie Ascogon mit Trichogyne
Neurospora crassa
+
nach Befruchtung: Bildung ascogener Hyphen
Ascusentwicklung
Perithezium mit Asci Protoperithezium
+ PM
M
K
2.1
Morphologie, Systematik und Phylogenie
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Abb. 2.3 Der Schimmelpilz Neurospora crassa (roter Brotschimmel) kann sich sowohl sexuell fortpflanzen als auch zwei verschiedene Formen von vegetativen Sporen bilden. Letztere sind zum einen die meist mehrkernigen, rot bis orange gefärbten Makrokonidien, und weiterhin die kleineren, oft einkernigen Mikrokonidien. Im Verlauf der sexuellen Entwicklung bilden sich am vegetativen Myzel Ascogone (weibliche Gametangien). Vom Ascogon geht eine Trichogyne (Empfängnishyphe) aus, die mit einem Konidium oder auch dem vegetativen Myzel eines Neurospora crassa-Stammes vom entgegengesetzten Kreuzungstyp verschmelzen kann. Bei Neurospora crassa gibt es zwei Kreuzungstypen (hier durch gelbe bzw. rote Kerne markiert), und nur Stämme mit verschiedenen Kreuzungstypen können sich gegenseitig befruchten (heterothallischer Lebenszyklus). Nach der Befruchtung werden vom Ascogon die ascogenen Hyphen ausgebildet, die jeweils zwei Kerne mit verschiedenen Kreuzungstypen (gelb und rot) enthalten. Die Ascogone werden von sterilen Hyphen umschlossen, welche die Fruchtkörperhülle bilden und zuerst einen Vorfruchtkörper (Protoperithezium) und später das Perithezium bilden. Im Inneren des Fruchtkörpers entwickeln sich die ascogenen Hyphen zu Asci, dabei kommt es zu Karyogamie (K ), Meiose (M ) und postmeiotischer Mitose (PM ), sodass acht Ascosporen pro Ascus entstehen. Die reifen Asci werden aus dem Perithezium ausgeschleudert. Verändert nach Nowrousian (2007) BIOspektrum 13: 708–712, © Spektrum Adademischer Verlag
nungen ein und derselben Art geführt. In solchen Fällen wird der Name des asexuellen Stadiums als Anamorph und der des sexuellen Stadiums als Teleomorph bezeichnet. Da der Artbegriff eigentlich über die Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung definiert ist, sollte korrekterweise nur der Name des Teleomorphs verwendet werden, sobald ein sexuelles Stadium bekannt ist. Allerdings sind eine Reihe von Arten in der Literatur bereits sehr lange unter dem Namen des Anamorphs beschrieben worden, so dass beide Namen parallel verwendet werden. Dies ist beispielsweise der Fall beim Schimmelpilz Aspergillus nidulans, dessen Artbezeichnung für die sexuelle Form, nämlich Emericella nidulans, weit weniger oft genutzt wird. Pilze, für die keine teleomorphe Form bekannt ist, werden auch als Deuteromycetes oder Fungi imperfecti bezeichnet. Allerdings handelt es sich dabei nicht um systematische Bezeichnungen, da hierunter eine ganze Reihe von Pilzen aus verschiedensten phylogenetischen Gruppierungen fällt. In vielen Fällen existiert vermutlich eine sexuelle Form, konnte aber noch nicht nachgewiesen werden. Die Bestimmung dieser Pilze erfolgte früher meist auf Grund der Morphologie der asexuellen Sporen und der Sporenträger, da diese oft artspezifisch sind. Heute ist der Vergleich von DNA- und Proteinsequenzen eine weitere, sehr empfindliche Methode zur Analyse von Systematik und Phylogenie (Infobox 2.1). Unter den Schimmelpilzen gibt es viele Arten, für die nur asexuelle Formen bekannt sind. Es wurde lange Zeit vermutet, dass diese Spezies die Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung verloren haben, aber Genomanalysen
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2
Biologie
Infobox 2.1 Die Stammesgeschichte der Schimmelpilze kann durch molekulare Phylogenie-Analysen aufgeklärt werden.
Neben morphologischen oder physiologischen Eigenschaften werden seit einigen Jahren hauptsächlich DNA- und Aminosäuresequenzen für Phylogenie-Analysen verwendet. Hierzu werden die Sequenzen eines oder mehrerer Gene verschiedener Spezies miteinander verglichen. Je ähnlicher die Sequenzen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um so genannte homologe Gene handelt, d. h., dass die Gene und damit auch die Spezies aus einem gemeinsamen Vorfahren hervorgegangen sind. Für derartige Vergleiche können Sequenzen von proteinkodierenden Genen verwendet werden, aber auch nichtproteinkodierende Sequenzen wie z. B. die sogenannten ITS (internal transcribed spacer)-Sequenzen. Die ITS-Sequenzen sind Teile der rRNA-Cluster, deren typische Struktur bei Eukaryoten in der Abbildung gezeigt ist. Ein rRNA-Cluster enthält die Gene für die große und die kleine ribosomale RNA (LSU und SSU) sowie die 5,8S rRNA. Die Gene sowie die sie trennenden ITS-Regionen (ITS1 und ITS2) werden zusammen transkribiert. Während die rRNA-Gene selbst sehr konserviert sind, ist die Variabilität der ITS-Sequenzen deutlich höher, sodass die ITS-Region sich besonders für eine Differenzierung von nahe verwandten Arten oder Unterarten eignen. Die Isolierung von ITS-Sequenzen ist mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) mit Hilfe von Oligonukleotid-Primern aus den benachbarten, konservierten rRNA-Genen meist leicht möglich. ITS, internal transcribed spacer; ETS, external transcribed spacer; LSU, large subunit; SSU, small subunit; rRNA, ribosomale RNA.
der letzten Jahre haben gezeigt, dass Gene, welche für eine sexuelle Vermehrung notwendig sind, auch bei asexuellen Arten durchaus vorhanden sind (Kap. 4.2.1, Infobox 5.2). Ob diese Pilze trotzdem keine sexuelle Vermehrung mehr durchführen oder ob sie es nur unter bisher nicht beobachteten Wachstumsbedingungen tun, ist eine der vielen offenen Fragen, welche die Grundlagenforschung derzeit zu klären versucht.
2.1.2
Systematik und Phylogenie
Wie im vorigen Teil erwähnt, lassen sich Pilze morphologisch besonders durch ihr Hyphenwachstum sowie das Vorhandensein von Zellwand und
2.1
Morphologie, Systematik und Phylogenie
11
Vakuolen von anderen Organismengruppen abgrenzen. Dies führte historisch dazu, dass alle Organismen, welche diese Kriterien aufweisen, als Pilze bezeichnet wurden. Erst in jüngerer Zeit, als neben morphologischen auch physiologische und genetische Merkmale zur Klärung von evolutionären Verwandschaftsverhältnissen herangezogen werden konnten (Infobox 2.1), stellte sich heraus, dass die als Pilze bezeichneten Organismen keine monophyletische Gruppe sind, also nicht von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. Es handelt sich vielmehr um hauptsächlich drei untereinander nicht näher verwandte Gruppen von Organismen, die unter dem Begriff Pilze zusammengefasst werden, nämlich die Oomycota, die Schleimpilze und die Eumycota (Abb. 2.4). Da unter den Schleimpilzen keine Schimmelpilze anzutreffen sind, werden sie hier nicht beschrieben. Im Folgenden soll auf die Oomycota und Eumycota näher eingegangen werden.
Eumycota
Ascomycetes
Basidiomycetes
Serpula
Sordariomycetes
Fusarium, Neurospora
Leotiomycetes
Botrytis
Dothideomycetes
Alternaria
Eurotiomycetes
Aspergillus, Penicillium
Pezizomycetes Saccharomycetes
Zygomycetes
Mucor, Rhizopus
Chytridiomycetes Tiere
Schleimpilze
Höhere Pflanzen etc. Oomycota (Algenpilze) Achlya, Saprolegnia Braunalgen etc.
Abb. 2.4 Schimmelpilze kommen in verschiedenen systematischen Gruppen vor. Gruppen, in
denen viele Schimmelpilze vorkommen, sind blau hinterlegt. Einige charakteristische Gattungen sind grün hervorgehoben
12
2
Biologie
Oomycota
Die Oomycota oder Algenpilze sind mit den Braunalgen und Höheren Pflanzen wesentlich näher verwandt als mit den anderen Pilzgruppen (Abb. 2.4). Ihre Zellwand besteht wie die der Pflanzen aus Cellulose und nicht aus Chitin wie die der Eumycota. Da die Oomycota aber die Fähigkeit zur Photosynthese verloren haben, wurden sie von Taxonomen nicht als Pflanzenverwandte erkannt und somit den Pilzen zugerechnet. Die Oomycota besitzen ein unseptiertes Hyphenmyzel und bilden asexuelle Sporen in Sporangien (Abb. 2.1a, 2.2a). Zu ihnen zählen viele Erreger von Pflanzenkrankheiten wie Phytophtora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel. Es gibt aber unter ihnen auch eine ganze Reihe von wasserlebenden Pilzen, die als Schimmelpilze bezeichnet werden können, da sie in der Lage sind, in kurzer Zeit tote, organische Materie in Gewässern zu besiedeln und abzubauen. Hierzu zählen Vertreter der Gattungen Achlya, Leptomitus und Saprolegnia, wobei letztere auch als Fischparasiten besonders bei geschwächten Fischen eine Rolle spielen. Insgesamt leisten die wasserlebenden Oomycota aber durch ihre Fähigkeit, organische Substanzen abzubauen, einen wichtigen Beitrag zur Reinhaltung der Gewässer.
Eumycota
Die Eumycota (echte Pilze) stellen eine große, monophyletische Gruppe dar, deren Vertreter in nahezu allen Ökosystemen anzutreffen sind. Es sind ca. 74.000 Arten beschrieben, allerdings wird die weltweite Artenvielfalt auf mindestens 1,5 Millionen geschätzt. Evolutionär stehen die Eumycota den Tieren (Metazoa) näher als den Pflanzen oder anderen eukaryotischen Gruppen (Abb. 2.4). Sie werden traditionell in die vier Hauptklassen Chytridiomyceten, Zygomyceten (Jochpilze), Ascomyceten (Schlauchpilze) und Basidiomyceten (Ständerpilze) unterteilt, wobei in den letzten Jahren weitere Gruppen wie die Glomeromycota und Microsporidia als zusätzliche, eigenständige Klassen diskutiert wurden. Besonders unter den Zygo- und Ascomyceten sind viele Schimmelpilze anzutreffen, von denen einige besonders wichtige Gattungen im Kapitel 2.3 näher beschrieben werden. Die Zygomyceten besitzen ein unseptiertes Hyphenmyzel und bilden asexuelle Sporen oft endogen in Sporangien, wohingegen die Ascomyceten ein septiertes Myzel bilden und ihre asexuellen Sporen exogen als Konidiosporen von Sporenträgern abschnü-
2.2
Vorkommen und Verbreitung
13
ren (Abb. 2.1b, 2.2c). Viele Arten der Zygo- und Ascomyceten sind zudem in der Lage, sich sexuell fortzupflanzen, wobei die sexuellen Sporen der Zygomyceten meist in einfachen, kaum geschützten Fortpflanzungsstrukturen entstehen, wohingegen die sexuellen Sporen vieler Ascomyceten in komplexen Organen, den sogenannten Fruchtkörpern, gebildet werden. Die morphologisch am weitesten entwickelte Gruppe der Eumycota sind die Basidiomyceten, deren sexuelle Sporen ebenfalls in Fruchtkörpern gebildet werden. Diese Fruchtkörper sind oft für den Menschen genießbar, wie die Fruchtkörper des Champignons (Agaricus bisporus) oder des Steinpilzes (Boletus edulis). Unter den Basidiomyceten gibt es nur wenige Schimmelpilze; eine bekannte und besonders bei Bewohnern von Holzhäusern gefürchtete Ausnahme bildet der Hausschwamm (Serpula lacrymans, Kap. 6.4, Infobox 6.2).
2.2
Vorkommen und Verbreitung
Schimmelpilze sind ubiquitär, sie kommen in der Luft, im Erdboden, aber auch im Wasser vor. Sie besiedeln sämtliche Kontinente der Erde, und entsprechend den biotischen und physikalischen Bedingungen kommen sie in unterschiedlicher Häufigkeit vor. Schimmelpilze besitzen zusammen mit Actinomyceten und anderen Bakterien sowie Kleinstlebewesen eine wichtige Rolle bei der Verrottung abgestorbener Organismen. Bei der Verbreitung der Schimmelpilze spielen Sporen eine entscheidende Rolle, um auch extreme Lebensräume zu besiedeln. Grundsätzlich können alle Vertreter der hier in diesem Buch genannten Gattungen in diversen Habitaten vorkommen. Allerdings sind neben den Nährstoffbedürftigkeiten die physikalisch-chemischen Optima entscheidend für die Verbreitung der verschiedenen Arten. So kann aufgrund der Temperaturoptima in wärmeren Regionen eine Anhäufung von Aspergillus-Arten beobachtet werden, während Vertreter der Gattungen Penicillium und Fusarium in gemäßigten Temperaturarealen vorkommen.
2.2.1
Erdboden und Materialien
Der Erdboden ist das Hauptreservoir aller Schimmelpilze. Dort werden die asexuellen Konidiosporen in extrem hoher Zahl gebildet und dienen der anschließenden Verbreitung. Neben der bereits angesprochenen Temperatur
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2
Biologie
sind auch die organischen und anorganischen Beschaffenheiten der Erdböden entscheidend für die Vielfältigkeit der Pilzflora. Außerdem gilt allgemein, dass die Dichte des Pilzmyzels von oben nach unten hin abnimmt. Waldböden wiederum zeigen eine höhere Konidienkeimzahl als Wiesenböden. Neben dem Erdboden und anderen organischen Substraten können Schimmelpilze eine Vielzahl von Materialien besiedeln. Im Folgenden kann lediglich eine Auswahl der möglichen Habitate gegeben werden; einschlägige Literatur ist in den Referenzen angegeben. Schimmelpilze kommen gehäuft in Bereichen vor, in denen Stäube vorherrschen. Dies betrifft im häuslichen Bereich vor allen Dingen das Schlafzimmer, in dem der Hausstaub vermehrt auftritt, oder auch alte Kleidungsstücke, Fußböden und verrottete Möbel. Ein weiteres Schimmelpilzreservoir sind Zimmerpflanzen, bei denen in Hydrokulturen oder in der Topferde teilweise humanpathogene Schimmelpilze gefunden werden können. Aber auch im industriellen Bereich, in dem Stäube vermehrt auftreten, ist eine erhöhte Zahl von Schimmelpilzsporen gemessen worden. Dies trifft für Getreidemühlen, Trocken- und Kraftfuttermischwerke genauso zu wie für Geflügelzuchten, Molkereien, Bäckereien, Sägemühlen oder Papierfabriken. In Gebäuden können Holz, das Mauerwerk und der Putz sowie Tapeten, Anstriche aber auch Isoliermaterialien ein geeignetes Habitat für Schimmelpilze sein (Kap. 6.4). Dies trifft nicht nur für den Privatbereich zu, sondern genauso auf Schwimmbäder und Saunen sowie auf Schulräume oder Krankenhäuser. Eine besondere Bedeutung kommt den Bioabfalltonnen zu. Sie stellen ein optimales Habitat für den Befall mit Pilzen dar. Insbesondere der Biokompost beherbergt eine Vielzahl von Pilzen, vor allem Vertreter der Mucoraceen und der Gattung Aspergillus. Bei der Nutzung von Bioabfalltonnen ist besonders in Innenräumen darauf zu achten, dass diese nicht nur gut verschlossen bleiben, sondern auch regelmäßig einer Reinigung unterzogen werden. Andernfalls droht die ungehemmte Vermehrung der Schimmelpilze in diesen Tonnen zu einem Problem bei Menschen zu werden, die allergisch auf Pilzsporen reagieren (Kap. 6.4.2).
2.2.2
Luft
Die Sporen der Schimmelpilze werden in der Regel über den Luftweg verbreitet, wobei zwischen Außen- und Innenluft unterschieden werden kann. Bei der Außenluftverbreitung sind vor allen Dingen die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Sonneneinstrahlung aber auch die Luftbewegung entscheidend für die Verbreitung von Schimmelpilzen. Ein interessanter Aspekt ist
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
15
dabei die Tatsache, dass Schimmelpilzsporen in der Regel gefärbt sind. Diese Pigmentierung, die z. B. durch Melanine hervorgerufen werden kann, ist ein UV-Schutz, ohne den die Sporen durch den UV-Anteil des Sonnenlichts abgetötet würden. Die Sporenkonzentration unterliegt bestimmten Rhythmen, die abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind. So sind die Gesamtsporenkonzentrationen im Winter gering, während sie im Sommer relativ hoch sind. Dabei können insbesondere Luftturbulenzen zu einer Verbreitung der Pilzsporen über hunderte von Kilometern führen. Die Sporenkonzentration in der Innenluft von geschlossenen Räumen ist dann deutlich von der Außenluft verschieden, wenn eine hermetische Abriegelung der Innenräume erfolgt. Ein bekanntes Phänomen ist die erhöhte Sporenkonzentration im Winter, wenn durch Heizung und geringe Lüftung eine Anhäufung von xerophilen (xeros, griech. = trocken, Kap. 3.1.3) Schimmelpilzen zu beobachten ist. Diese Schimmelpilze bilden dann auch einen großen Anteil der so genannten intramuralen (intramuros, lat. = zwischen den Mauern) Schimmelpilzflora. Neben der quantitativen Häufigkeit von Schimmelpilzen ist auch ihr Artenreichtum in Innenräumen besonders dann hoch, wenn diese durch Stäube belastet sind (Kap. 2.2.1).
2.2.3
Wasser
Auch im Wasser können Schimmelpilzsporen nachgewiesen werden. Allerdings ist nicht klar, inwieweit diese Sporen durch Luftübertragung in das Wasser eingeführt wurden. Da die Sporen der Schimmelpilze in der Regel unbegeißelt sind, deutet dies auf eine Luftverbreitung der Sporen hin und weniger auf eine Beweglichkeit im Wasser. Eine Ausnahme bilden die begeißelten Sporen wasserlebender Oomyceten (Kap. 2.1.2).
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
Nach der allgemeinen Morphologie, Systematik, Phylogenie und Lebensweise der Schimmelpilze werden in diesem Kapitel charakteristische Gattungen behandelt. Bei der Auswahl haben wir uns davon leiten lassen, wie häufig Vertreter dieser Gattung in der Umwelt auftreten. Innerhalb der Gattungen wiederum wurden einzelne Vertreter besonders herausgegriffen, weil sie z. B. in der Anwendung eine besondere Bedeutung besitzen, sei es als Mykotoxinbildner, Pflanzenschädling oder Produzent in der Biotechnologie.
16
2.3.1
2
Biologie
Mucor
Die Mucoraceen stellen innerhalb der Zygomyceten (Jochpilze) die wohl bekannteste Familie mit 18 Gattungen dar. Die Gattung Mucor wiederum kann generell als phylogenetisch einfache und primitive Gruppe angesehen werden, die durch ein sehr rasches Wachstum mit ca. 2–3 cm pro Tag bei 20 °C gekennzeichnet ist. Die taxonomische Klassifizierung ist schwierig; derzeit wird von 49 Arten ausgegangen. Mucor-Arten können generell auf organischem Material gefunden werden, bevorzugt auf Dung, daher gelten alle Mucoraceen als koprophil („dungliebend“). Die ursprünglich weißen oder gelben Kolonien nehmen nach wenigen Tagen aufgrund der intensiven Sporenbildung eine Schwarz- bis Graufärbung an. Neben der vegetativen Vermehrung kann bei einigen Arten auch eine sexuelle Vermehrung durch Zygosporen beobachtet werden. Die Mucoraceen besitzen vielsporige Sporangien und können dadurch von vielen anderen Gattungen innerhalb der Zygomyceten unterschieden werden (Abb. 2.5). Schimmelpilze finden sich unter anderem in den folgenden Gattungen der Zygomyceten: Absidia, Apophysomyces, Mortierella, Rhizomucor und Rhizopus. Sie unterscheiden sich von den Mucor-Arten unter anderem durch ihr Temperaturwachstumsoptimum, das deutlich über 37 °C liegt, während Mucor-Arten ein Temperaturoptimum unter 37 °C besitzen. Vertreter der Gattung Mucor werden auch als so genannte „Köpfchenschimmel“ bezeichnet. Als Leitart soll hier Mucor mucedo beschrieben werden.
Mucor mucedo
Diese Art zeichnet sich durch eine weltweite Verbreitung aus und kann von anderen Vertretern der Gattung Mucor nur sehr schwer morphologisch unterschieden werden. Vorkommen Ein sehr häufiger Fundort ist der Dung von Pflanzenfressern, seltener wird die Art in Bodenproben gefunden. Häufig besiedelt der Schimmelpilz pflanzliche Abfallstoffe und kann aufgrund seiner Enzymausstattung auch Holz zersetzen. Morphologie Die Kolonien erreichen auf Vollmedium bei einer Temperatur von ca. 20 °C eine Höhe von 25–50 mm. Mucor mucedo wächst bei einer Temperatur zwischen 5 °C und 25 °C, das Optimum liegt bei 22 °C. Ein
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
17
Sporangiospore Sporangienwand Columella Sporangienträger
Abb. 2.5 Habitus der Sporangienträger von Mucor spec. Oben sind eine schematische Zeichnung
(links) sowie ein Übersichtsfoto der Sporangiophoren (rechts) zu sehen. Das Bild links unten zeigt ein reifes Sporangium mit austretenden Sporen, rechts unten ist ein entleertes Sporangium zu erkennen, bei dem nur noch die Columella und ein ringförmiger Rest der Sporangienwand am Ende des Sporangienträgers zu sehen sind. Der Maßstab beträgt bei den oberen beiden Bildern 150 μm und bei den unteren Bildern 10 μm
Wachstum oberhalb von 30 °C kann nicht beobachtet werden. Das Myzel besitzt oft einen aromatischen Geruch. Neben der asexuellen Fortpflanzung durch Mitosporen weist Mucor mucedo auch eine sexuelle Fortpflanzung auf. Dabei können zwei sogenannte Kreuzungstypen unterschieden werden (vgl. Kap. 4.2.1), deren gegenseitige Erkennung durch ein komplexes System von Isoprenoid-Derivaten gesteuert wird.
18
2
Biologie
Physiologie Die Sporangienträger werden von Hyphen getragen, die bis zu 40 μm breit sein können und in einer typischen Columella enden. Diese stellt eine Verdickung der Hyphe dar und ist bis zu 100 μm groß. Von der Columella schnürt sich die eigentliche Bildungsstätte der Sporen, das Sporangium ab (Abb. 2.5). Die Sporangien selbst erreichen einen Durchmesser von ca. 250 μm und zeigen nach Ausreifung der Sporen eine braune bis schwarze Pigmentierung. Die Bildung der Sporangienträger wird durch blaues oder weißes Licht stimuliert. Die Bildung von Mykotoxinen ist bisher nicht beschrieben. Allgemeine Angaben Wie viele andere Mucor-Arten ist Mucor mucedo für allergische Reaktionen beim Menschen verantwortlich. Der Schimmelpilz trägt wesentlich zum sogenannten „Hausstaub“ durch die ganzjährige Verbreitung der Sporen bei (Kap. 6.4.2).
2.3.2
Aspergillus
Die Gattung Aspergillus wird systematisch den Ascomyceten zugeordnet und umgangssprachlich auch als Gießkannenschimmel bezeichnet. Zu dieser Gattung gehört mit ca. 260 Arten eine Vielzahl von Schimmelpilzen. Sie ist wie folgt charakterisiert: Am undifferenzierten Myzel bilden sich aufrecht stehende Konidiophoren, die terminal in einer vesikelartigen Anschwellung enden. Die Vesikel sind entweder durch eine Schicht von Phialiden1 (auch Sterigmata genannt) bedeckt oder aber von einer Schicht von Metulae, die wiederum Bündel von Phialiden tragen (Abb. 2.6). Die Bildung von Metulae und Phialiden erfolgt synchron; letztere schnüren Ketten von Konidien ab, die nach völliger Reife abgeworfen werden. Wie bei Schimmelpilzen häufig, bilden alle Arten auf Festmedien nach völliger Ausdifferenzierung der Konidien typische, ornamentartige Strukturen (Kap. 3.1). Viele Vertreter der Gattung können sich nur asexuell fortpflanzen. Allerdings existieren verschiedene Gattungen, die als Teleomorphe der anamorphen Gattung Aspergillus angesehen werden (Infobox 2.2). Hierzu zählen z. B. die Gattungen Emericella, Eurotium, Fennellia und Neosartorya. Neben dem unten näher beschriebenen Aspergillus niger sind verschiedenste Aspergillus-Arten erwähnenswert. Hierzu zählt z. B. Aspergillus nidulans,
1
Phialiden sind die Endzellen der Sporangiophoren, von denen die Konidien abgeschnürt werden.
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
19
Konidiospore
Phialide Vesikel Metula
Konidienträger
Abb. 2.6 Habitus der Sporangienträger von Aspergillus niger. Oben sind eine schematische
Zeichnung eines Konidienträgers (links) sowie ein rasterelektronenmikroskopisches Übersichtsbild von reifen Sporangienträgern (rechts) zu sehen. Unten sind ein junger (links) bzw. reifer (rechts) Konidienträger im Detail dargestellt. Der Maßstab beträgt 200 μm bei dem Bild oben rechts, sonst 20 μm
der als Modellorganismus der Grundlagenforschung gilt und sowohl einen sexuellen als auch einen asexuellen Lebenszyklus besitzt. Als Mykotoxinbildner, der auf verdorbenen Nahrungsmitteln gefunden werden kann, ist Aspergillus flavus bemerkenswert (Kap. 6.3). Dieser Pilz ist, wenn auch viel seltener als Aspergillus fumigatus, Verursacher der pulmonalen Aspergillose beim Menschen (Kap. 6.1). In Asien wird bei der Nahrungsfermentation häufig Aspergillus oryzae eingesetzt, der auch als Koji-Mould bezeichnet wird (Kap. 5.2). Aspergillus terreus bzw. Aspergillus sydowii sind als
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2
Biologie
Infobox 2.2 Teleomorphe und Anamorphe Als Teleomorphe werden solche Arten bezeichnet, die sich sexuell vermehren können und dabei morphologisch erkennbare Strukturen (typischerweise Fruchtkörper) ausbilden. Dem gegenüber stehen Anamorphe, die ausschließlich asexuelle Fortpflanzungszellen ausbilden (Kap. 2.1.1). Typischerweise sind die meisten Schimmelpilze als Anamorphe zu bezeichnen, bei einigen Arten wurden aber nachträglich sexuelle Formen entdeckt, die dann oft unter anderem Namen bekannt sind. Beispiele hierfür sind in den folgenden Gattungen zu finden: Eupenicillium (Teleomorph) und Penicillium (Anamorph) oder Emericella (Teleomorph) und Aspergillus (Anamorph).
pharmazeutisch wichtige Produzenten von Statinen bzw. von Mulundocandinen erwähnenswert (Kap. 5.1).
Apergillus niger
Als Leitart der Gattung Aspergillus wird im Folgenden Aspergillus niger vorgestellt. Diese Art kann als eine der häufigsten innerhalb der Gattung angesehen werden und kommt ubiquitär vor. Isolate können von allen nur erdenklichen Substraten gewonnen werden. Biotechnologisch werden ausgewählte Stämme für die Produktion verschiedener organischer Säuren und kommerzieller Enzyme genutzt (Kap. 5.1). Überragend ist dabei die Rolle als Produzent von mehr als 90% der kommerziell genutzten Zitronensäure (Kap. 5.1.1). Aspergillus niger kann auch für menschliche Infektionen verantwortlich sein, so zum Beispiel für die invasive pulmonale Aspergillose oder auch für das AFS-Syndrom (pilzbedingte allergische Nasennebenhöhlenentzündung – allergic fungal sinusitis, Kap. 6.1) In der Literatur werden oft verschiedene Aspergillus-Arten unter der Formgattung „Aspergillus niger“ zusammengefasst, die jedoch morphologisch nicht oder nur für den sehr erfahrenen Taxonomen voneinander zu unterscheiden sind. Lediglich molekulargenetische Verfahren erlauben eine zweifelsfreie Differenzierung. Vorkommen Aspergillus niger kommt ubiquitär vor und konnte auf allen Kontinenten in sämtlichen Klimazonen identifiziert werden. Dies schließt aride Standorte (Wüsten, Steppen) ebenso wie Nadelholzwälder ein. Die Variabilität des Standortes wird auch dadurch gekennzeichnet, dass Aspergillus niger sowohl in Sanddünen, Salzmarschen und Mangrovenschlamm
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
21
als auch in marinen Habitaten bis zu einer Bodentiefe von 45 cm gefunden wurde. Extreme Fundorte stellen auch Schwermetall-belastete Abwässer dar. Andere Fundorte sind ebenfalls bedeutend: Aspergillus niger findet sich auf Pflanzenteilen, z. B. auf Samen, oder auch im Lungengewebe infizierter Patienten (Kap. 6.1). Die Mehrzahl der Aspergillus niger-Isolate kann allerdings, im Gegensatz zu anderen Aspergillus-Arten, eher in gemäßigten als in tropischen Klimazonen gefunden werden. Morphologie Bei 24–26 °C bildet Aspergillus niger auf Festmedien nach wenigen Tagen Kolonien mit einem Durchmesser von ca. 2,5–5,0 cm. Innerhalb von 2–3 Tagen entstehen am Myzel Fußzellen, aus denen Konidienträger mit einer Höhe von 1,5–3 mm hervorgehen. An den Konidiophoren entstehen Metulae und Phialiden, welche ihrerseits Ketten von Konidiosporen abschnüren (Abb. 2.6). Die schwarzen Konidien besitzen einen Durchmesser von ca. 4–5 μm. Invers korreliert zur Konidienbildung kann es auch zur Sklerotienbildung kommen (Kap. 2.1.1), was meist bei Temperaturen über 25 ºC geschieht. Physiologie Aspergillus niger besitzt mit 17–42 °C ein breites Wachstumsoptimum. Als Minima und Maxima wurden folgende Werte bestimmt: 11 °C bzw. 47–48 °C. Die Konidienbildung kann z. B. durch 3-Phosphoglycerat, Pyruvat oder andere Intermediate des Citrat-Zyklus (Kap. 3.2.2) stimuliert werden. Ebenso wirkt Glutamat stimulierend auf die Differenzierung, dagegen zeigen hohe Konzentrationen von Ammonium oder auch Thioharnstoff einen hemmenden Einfluss auf die Konidienbildung. Seit ca. 100 Jahren wird dieser Pilze zur Zitronensäurefermentation genutzt (Kap. 5.1.1). Leistungsstämme sind heute in der Lage, mehr als 200 g/Liter zu bilden. Eine weitere biotechnologisch bedeutende Anwendung stellt die Produktion von Glucoamylase dar, eines Enzyms, das vom Pilz sehr effizient ausgeschieden wird (Sekretion, Kap. 3.2). Es werden Ausbeuten von mehr als 10 g/Liter erreicht. Die Glucoamylase wird für die industrielle Umwandlung von Stärke in Glucose genutzt. Der bei diesen Prozessen entstehende Glucose-haltige Sirup dient in der Lebensmittelindustrie als Kohlenstoffquelle für fermentative Prozesse wie z. B. der Ethanolproduktion. Es kann davon ausgegangen werden, dass Aspergillus niger in Zukunft als Produzent von heterologen Genprodukten, wie z. B. menschlichen Proteinen, an Bedeutung gewinnt. Allgemeine Angaben Vor Kurzem wurde die Gesamtgenomsequenz dieses Pilzes ermittelt. Das Genom hat eine Größe von 34 Mb, die auf acht Chro-
22
2
Biologie
mosomen verteilt sind. Ausgehend von diesen Daten kann auf ca. 14.200 proteinkodierende Gene geschlossen werden (Kap. 4.2.1, Tabelle 4.2). Dies beinhaltet auch viele bisher uncharakterisierte Enzyme, die auf neue biotechnologische Anwendungen hoffen lassen.
2.3.3
Penicillium
Diese Gattung ist systematisch den Ascomyceten (Schlauchpilzen) zuzuordnen und zeichnet sich durch die Ausbildung von typischen Sporenträgern (Konidiophoren) aus. Zurzeit sind ca. 235 Penicillium-Arten beschrieben, die durch ihre Morphologie unterscheidbar sind. In Abb. 2.7 ist ein typischer Sporenträger zu erkennen, der durch die Ausbildung von charakteristischen Verzweigungen (Rami, Metulae und Phialiden) gekennzeichnet ist. Die Struktur der Sporenträger ist auch namensgebend für den umgangssprachlichen Namen Pinselschimmel. Diese Morphologie der Sporenträger kann jedoch abhängig von der Art reduziert sein, so können Rami bzw. Rami und Metulae fehlen. Ein Myzelwuchs ist meist zwischen 5 °C und 37 °C zu beobachten. Generell kommen Penicillium-Arten eher in gemäßigteren Klimazonen vor, da sie niedrigere Temperaturen bevorzugen als die eher wärmeliebenden Aspergillen, die häufiger in tropischen Klimaregionen oder auf Wärme-erzeugenden Substraten zu finden sind. Penicillium-Arten vermehren sich in der Regel ausschließlich durch asexuelle Sporen. Vertreter, die sich sexuell fortpflanzen, wurden inzwischen in die Gattungen Talaromyces und Eupenicillium eingeordnet (Infobox 2.2). In Bodenproben werden Penicillium-Arten auch in tieferen Schichten gefunden; dies liegt möglicherweise an der Tatsache, dass viele Arten Antibiotika als Sekundärmetabolite ausscheiden und somit gegenüber Bodenbakterien einen Wuchsvorteil besitzen. Bekannte Vertreter der Gattung Penicillium sind die bei der Käseproduktion genutzten Arten Penicillium camemberti und Penicillium roqueforti sowie Penicillium nalgiovense, der bei der Wurst- und Schinkenherstellung eingesetzt wird (Kap. 5.2). Schließlich sind auch der Antibiotika-Produzent Penicillium chrysogenum oder der Statin-Produzent Penicillium citrinum erwähnenswert (Kap. 5.1). Als Saprophyten können unterschiedliche Vertreter der Gattung Penicillium aus Bodenproben oder von organischen Abfällen isoliert werden.
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
23
Abb. 2.7 Habitus der Sporangienträger von Penicillium expansum. Links ist eine schematische
Zeichnung eines Konidienträgers zu sehen. Das Foto oben rechts zeigt ein lichtmikroskopisches, das unten rechts ein rasterelektronenmikroskopisches Bild eines reifen Konidienträgers. Der Maßstab beträgt 10 μm
Penicillium expansum
Als Leitart der Penicillien soll hier Penicillium expansum vorgestellt werden. Es handelt sich um eine der am häufigsten isolierten Penicillium-Arten mit einer nahezu weltweiten Verbreitung auf verschiedensten verrottenden Substraten sowie aus Erdproben.
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2
Biologie
Vorkommen Penicillium expansum kommt sehr häufig vor, besonders auf Früchten und Beeren. In Obstplantagen oder auch in Weinkulturen kann dieser Schimmelpilz zu großen Ernteausfällen führen, da er leicht durch Insekten übertragbar ist. Der Pilz ist für die „Grünfäule“ verantwortlich, die z. B. in Weinbergen deutlich von der Grau- oder Edelfäule unterschieden werden kann, die durch Botrytis cinerea verursacht wird (Kap. 5.2.6). Morphologie Bei einer Temperatur von ca. 24 °C bildet Penicillium expansum auf Festmedien innerhalb von 7–14 Tagen Kolonien mit einem Durchmesser von 4–5 cm. Die Kolonien sind aufgrund der intensiven Konidienbildung hellgrün, können aber auch eine gelb-braune Färbung annehmen. Die Konidienträger weisen eine typische, in Rami, Metulae und Phialiden gegliederte Struktur auf (Abb. 2.7). Sexuelle Fortpflanzungsstrukturen wurden bei diesem Schimmelpilz bisher nicht beobachtet. Physiologie Die optimale Temperatur zur Konidienkeimung beträgt 23–30 °C. Das Temperaturminimum des vegetativen Wachstums liegt bei –3 °C. Aufgrund seines Vorkommens auf Früchten ist es nicht überraschend, dass der Pilz Pektine abbauen kann, die Bestandteil der pflanzlichen Zellwand sind. Außerdem kann der Pilz verschiedene Mykotoxine produzieren. Das bekannteste ist das Patulin, welches z. B. in Obst, das von Penicillium expansum besiedelt wurde, gefunden wird (Kap. 6.3, Infobox 6.1). Allgemeine Angaben Penicillium expansum ist ein häufiger Schädling der Apfelernte. Deshalb gilt in der EU ein Grenzwert für das Mykotoxin Patulin von 25 μg/kg für Apfelmus und 50 μg/kg für Obstsäfte.
2.3.4
Fusarium
Die Vertreter der Gattung Fusarium werden systematisch den Ascomyceten zugerechnet. Teleomorphe dieser Arten werden auch unter der Gattung Gibberella geführt. Die Fusarien kommen häufig auf Pflanzen als Parasiten vor, die entsprechenden Erkrankungen werden auch als Fusariosen bezeichnet. Alle Fusarium-Arten sind durch ein schnelles Wachstum charakterisiert, dabei können die Myzelien eine blass oder kräftig braunrote Färbung annehmen. Das Luftmyzel ist stark ausgebildet. Gemeinsam ist allen Fusarien, dass sie Konidiosporen ausbilden, die eine charakteristische spindel-
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
25
Abb. 2.8 Habitus der Sporangienträger von Fusarium graminearum. Oben links ist eine schematische Zeichnung, oben rechts ein rasterelektronenmikroskopisches Bild der Sporen innerhalb des vegetativen Myzels zu sehen. Unten sind einzelne Sporen schematisch (links) bzw. im mikroskopischen Bild (rechts) dargestellt. Der Maßstab beträgt 20 μm
förmige oder sichelförmige Morphologie zeigen (Abb. 2.8). Fusarien sind Kosmopoliten und können in der Regel leicht als Bodenpilz aus Proben isoliert werden. Fusarium oxysporum ist insofern bemerkenswert, als dass dieser Pilz gegen Hanf (Cannabis sativa) und Coca (Erythroxylon coca) als Biowaffe eingesetzt werden sollte. Er wurde unter dem Namen Agent green bekannt. Insgesamt sind 142 Spezies beschrieben worden, von denen hier als Leitart Fusarium graminearum beschrieben werden soll.
26
2
Biologie
Fusarium graminearum
Fusarium graminearum ist die anamorphe Form des sich sexuell vermehrenden Pilzes Gibberella zeae. Letzterer bildet schwarze bis dunkelblaue Perithezien (Fruchtkörper), die einen Durchmesser von 140–250 μm haben. Der Art Fusarium graminearum werden oft verschiedenste Fusarium-Arten zugeordnet, da die Bestimmung aufgrund der ähnlichen Morphologie nicht immer zweifelsfrei verläuft. Vorkommen Fusarium graminearum wird ubiquitär auf allen Kontinenten gefunden, und zwar sehr häufig als Pathogen von Getreiden. Allerdings ist die Besiedlung anderer Pflanzen auch beschrieben worden. Die bekannteste Pflanzenkrankheit, die durch Fusarium graminearum hervorgerufen wird, ist die Ährenfusariose (Taubährigkeit oder head blight) des Weizens, die durch den Befall der Ähren an der dunklen Verfärbung erkennbar ist. Morphologie Die Kolonien wachsen recht schnell und erreichen innerhalb von vier Tagen bei 25 °C einen Durchmesser von 9 cm. In der Regel ist das Myzel bräunlich und bildet viele Lufthyphen aus. Im Vergleich zu anderen Hyphenpilzen ist die Sporulation eher gering ausgebildet, kann allerdings durch UV-Bestrahlung erhöht werden. Die Konidienträger können verzweigt sein, an ihnen bilden sich leicht gekrümmte, mehrzellige Konidien aus. Sie haben in der Regel 5–6 Septen und sind 41–60 μm lang, mit einer Dicke von 4–6 μm. In den Konidien befindet sich in der Regel nur ein Kern. Physiologie Die optimale Wachstumstemperatur von Fusarium graminearum beträgt 25 °C, der tolerierte pH-Bereich liegt zwischen 5 und 8. Neben verschiedenen Zuckern werden auch Polyphenole als Kohlenstoffquelle genutzt. Außerdem ist von angewandter Seite her interessant, dass bei Anzucht auf kostengünstigen Kohlenstoffquellen wie Glycerin, Lactaten oder Stärke die Bildung proteolytischer Enzyme beobachtet werden kann. Fusarium graminearum bildet ähnlich anderen pflanzenpathogenen Schimmelpilzen verschiedene Mykotoxine, wie z. B. Deoxynivalenol, das als Reizstoff des Magen-Darm-Traktes wirkt (Kap. 6.1.3). Allgemeine Angaben Als Pflanzenpathogen verursacht Fusarium graminearum im Landwirtschaftsbereich Schäden von bis zu mehreren Milliarden Euro, dabei können Ernteausfälle bis zu 70% auftreten. Außerdem
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
27
hat dieser Pilz eine Bedeutung als Produzent des Nahrungseiweißes Quorn erhalten (Kap. 5.2.5). Das Genom von Fusarium graminearum wurde vor kurzem sequenziert (Kap. 4.2.1), da dieser Pilz eine große Bedeutung in der Grundlagen- und angewandten Forschung besitzt.
2.3.5
Alternaria
Die Gattung Alternaria wird systematisch den Ascomyceten zugeordnet. Es wurden ca. 300 Arten beschrieben, von denen die meisten als Pflanzenpathogene wirtsspezifisch parasitieren. Deshalb sind viele Isolate auf Samen zu finden. Einige Arten sind jedoch saprophytisch, kommen ubiquitär vor und können aus Erdproben isoliert werden. Gemeinsames Kennzeichen aller Arten ist die Tatsache, dass die Myzelien eine bräunliche bis grünliche Färbung zeigen und dass sie an den wenig verzweigten Konidiophoren mehrteilige, aneinandergereihte Konidiosporen tragen (Abb. 2.9). Viele Alternaria-Arten kommen auf Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Nüssen) vor und bilden dort Mykotoxine wie z. B. Alternariol (Kap. 6.1.3). Eine der häufigsten Arten ist Alternaria alternata, welche als Leitart vorgestellt werden soll.
Alternaria alternata
Die Art ist sehr häufig anzutreffen und kann weltweit gefunden werden. Die Konidiophoren und Konidiosporen zeigen eine goldbraune Färbung, die Sporen sind wie für diese Gattung typisch mehrteilig (Abb. 2.9). Die Konidiosporen zerfallen bei der Reifung und tragen somit zur schnellen Verbreitung bei. Vorkommen Alternaria alternata ist extrem verbreitet und kann als kosmopolitische Art auf unterschiedlichen Substraten vorkommen. Hierzu gehören neben Erde und Pflanzenteilen auch Nahrungsreste und Textilien. Das Vorkommen auf Pflanzen deutet weniger auf eine Pathogenität dieses Pilzes hin, sondern eher auf die Tatsache, dass der Pilz geschwächte oder abgestorbene Pflanzenteile befällt. Morphologie Auf Festmedien zeigt der Pilz nach eintägigem Wachstum einen Durchmesser von ca. 1 cm. Bereits nach 24 Stunden kann die Sporula-
28
2
Biologie
Abb. 2.9 Habitus der Sporangienträger von Alternaria spec. Oben links ist eine schematische
Zeichnung der Sporangienträger zu sehen, oben rechts eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Sporen. Unten sind lichtmikroskopische Fotos einer Sporenkette (links) bzw. einer einzelnen Spore (rechts) dargestellt. Der Maßstab beträgt 20 μm
tion beobachtet werden, welche vom Rotspektrum des Lichtes abhängig ist. Generell werden im Dunkeln mehr Konidiosporen als im Licht produziert. Sie werden von Konidienträgern in Ketten gebildet und sind mehrkammerig, dickwandig und bis zu 50 μm lang (Abb. 2.9). Das Myzel wie auch die Konidien zeigen eine bräunliche bis grau-grüne Färbung, die abhängig vom Medium ist und durch Melanine verursacht wird. Physiologie Alternaria alternata weist ein optimales Wachstum zwischen 25 und 28 °C auf. Als Minima und Maxima gelten folgende Werte: 2,5 °C
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
29
bzw. 32 °C. Oberhalb von 32 °C ist in der Regel kein Wachstum möglich. Das Optimum der Sporulation ist bei einer Temperatur zwischen 25 und 27 °C zu beobachten, der pH-Wert sollte bei ca. 4–5,4 liegen. Im Gegensatz dazu wächst das Myzel innerhalb eines weiten Toleranzbereiches von pH 2,7–8,0. Geeignete Kohlenstoffquellen sind neben Glucose auch Maltose, Saccharose und Raffinose. Allerdings wächst der Pilz auch auf anderen komplexen Kohlenstoffquellen, wie z. B. Stärke. Alternaria alternata produziert wie viele andere Schimmelpilze Mykotoxine, die für Mensch und Tier toxisch sind (Kap. 6.3). Allgemeine Angaben Alternaria alternata besitzt als Verwerter von Cellulose auch eine biotechnologische Bedeutung. Selbst Phenol-Lignin-Verbindungen werden von diesem Pilz abgebaut. Auch wurde berichtet, dass in Submerskulturen ökonomisch relevante Mengen von β-Galactosidase gebildet werden (Tab. 3.4). Schließlich ist Alternaria alternata toxisch für Warmblüter, wenn Getreide, das mit diesem Pilz infiziert ist, verfüttert wird. Die vom Pilz gebildeten Mykotoxine führen beim Menschen zur Leukozytopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen, Kap. 6.3).
Literatur zu Kapitel 2 Domsch KH, Gams W, Anderson TH (2007) Compendium of soil fungi. 2nd Edition IHW, Eching Esser K (2000) Kryptogamen – Cyanobakterien, Algen, Pilze, Flechten. Springer, Berlin, Heidelberg Hibbett DS et al. (2007) A higher-level phylogenetic classification of the Fungi. Mycol Res 111: 509–547 Kirk PM, Cannon PF, David JC, Stalpers JA (eds) (2001) Ainsworth & Bisby’s Dictionary of the Fungi. CABI, Wallingford McLaughlin DJ, McLaughlin EG, Lemke PA (eds) (2001) The Mycota. Vol. VII, Parts A and B, Systematics and Evolution. Springer, Berlin, Heidelberg Moore D (1998) Fungal morphogenesis. Cambridge Univ Press, Cambridge
3 Physiologie
Die Physiologie eines Organismus beschreibt dessen Leistungen und Arbeitsweisen. Hierzu gehört zum einen, unter welchen äußeren Bedingungen der Organismus überleben kann, zum anderen aber auch, welche zellulären (Stoffwechsel-) Prozesse hierfür erforderlich sind. Die Bereiche, in denen Schimmelpilze vorkommen können, sind äußerst vielseitig, wie bereits das Kapitel 2.2 gezeigt hat. Hier soll nun stärker darauf eingegangen werden, unter welchen Bedingungen sich Pilze vermehren, welche Nährstoffe sie bevorzugen und wie sie von Faktoren wie Licht und Wasser abhängen bzw. wie sie auf diese Faktoren reagieren. Hierbei wird sowohl das Hyphenwachstum als auch die Bildung von Vermehrungsstadien wie Konidiosporen besprochen. Die anschließenden Kapitel beschreiben pilzliche Stoffwechselprozesse, die wie in allen Organismen zunächst einmal zwei generellen Funktionen dienen: Zum einen werden aus Grundstoffen komplexe Moleküle und Zellbestandteile aufgebaut (Anabolismus), zum anderen aber auch komplexe Moleküle aus der Umgebung aufgenommen und zum Zweck der Energiegewinnung und der Nährstoffbereitstellung abgebaut (Katabolismus). Stoffwechselprozesse lassen sich zudem in zwei Bereiche gliedern: den Primär- und den Sekundärmetabolismus. Während der Primärstoffwechsel dem Überleben und dem Wachstum des Organismus sowie der Bereitstellung der dafür nötigen Komponenten dient, zählen zum Sekundärstoffwechsel solche Enzyme und Produkte, die der Pilz nur unter ausgewählten Wachstumsbedingungen herstellt und nicht zum Überleben benötigt. Im Folgenden wird zunächst auf die Bedingungen eingegangen, unter denen Schimmelpilze wachsen können (Kap. 3.1). Nachfolgend werden dann einige Prozesse des Primärmetabolismus behandelt, wobei besonderes Gewicht auf den Kohlenhydratmetabolismus gelegt wird (Kap. 3.2). Hieran schließt sich die Beschreibung des Sekundärmetabolismus an (Kap. 3.3), der eine eindrucksvolle Leistung der Schimmelpilze darstellt, die sowohl Schaden als auch Nutzen bringen kann (Kap. 5 und 6).
32
3.1
3
Physiologie
Wachstumsbedingungen
Allgemein wird als Wachstum die Fähigkeit eines Organismus bezeichnet, in seiner Größe zuzunehmen. Allerdings gehört zum Wachstum eines Schimmelpilzes auch das Vermögen, bestimmte Stoffe wie z. B. Sekundärmetabolite anzureichern (Kap. 3.3), Konidien durch Abschnürung von Zellen zu bilden (Kap. 2.1.1) oder die Zellwände zu verstärken. Im Folgenden werden deshalb zunächst typische Vermehrungsphasen eines Schimmelpilzes dargestellt. Danach werden die Medien, auf denen Schimmelpilze angezogen werden können, grundsätzlich vorgestellt. Schließlich werden die Bedingungen genannt, die zum Wachstum notwendig sind, wie Nährstoffe, Temperatur, Licht, pH-Wert oder auch die Wasseraktivität.
3.1.1
Vermehrungsphasen
Die Hyphen eines Schimmelpilzes wachsen in der Regel konstant an den Hyphenspitzen und durch dichotome Verzweigung der Zellen (Kap. 2.1.1). Es kann entsprechend eine Vermehrung des Pilzmyzels in Abhängigkeit von der Zeit beobachtet werden. Allerdings ist eine lineare Zunahme des Pilzmyzels nur in bestimmten Phasen einer Wuchskurve erkennbar (Abb. 3.1). Typischerweise können folgende Wachstumsphasen unterschieden werden: I. Anlaufphase (lag-Phase): In dieser Phase kann kaum ein Wachstum gemessen werden, die Dauer ist abhängig von der Nährstoffzusammensetzung und der Beschaffenheit des Impfmaterials. II. Beschleunigungsphase: Es können erhöhte Wachstumsraten festgestellt werden. III. Exponentielle Wachstumsphase (log-Phase): Die Myzelmenge nimmt exponentiell zu. Die Vermehrungsgeschwindigkeit steigt konstant und erreicht hier ihr Maximum. IV. Verzögerungsphase: Die Vermehrungsgeschwindigkeit sinkt signifikant ab, z. B. aufgrund von Nährstoffmangel oder Anhäufung von giftigen Stoffwechselprodukten. V. Stationäre Phase: Die Zellzahl bleibt konstant, es besteht ein Gleichgewicht zwischen Neubildung und Absterben von Zellen. VI. Absterbephase: Es werden mehr Zellen abgetötet als neu gebildet, dafür sind in der Regel ein Nährstoffmangel und eine Anhäufung toxischer Stoffwechselprodukte verantwortlich.
Wachstumsbedingungen
log (Biomasse)
3.1
I
II
33
III
IV
V
VI
Zeit Abb. 3.1 Typische Wachstumskurve von Schimmelpilzen mit verschiedenen Vermehrungsphasen (I–VI). Details siehe Text
3.1.2
Nährmedien
Um Schimmelpilze im Labor in Kultur zu halten, sind unterschiedliche Medientypen gebräuchlich. Grundsätzlich können die Medien nach ihrer Zusammensetzung bzw. nach den Ansprüchen der Schimmelpilze weiter unterschieden werden. Im ersten Fall werden synthetische (definierte) Medien von komplexen Kulturmedien unterschieden. Bei den synthetischen Medien ist die Zusammensetzung der Nährmedien immer gleich, da sie definierte chemische Verbindungen in genau abgewogenen Mengen enthalten. Sie werden vornehmlich für physiologische Untersuchungen eingesetzt. Bei den komplexen Kulturmedien ist die chemische Zusammensetzung quantitativ nicht vollständig bekannt. In der Regel werden preiswerte Inhaltsstoffe mit biologischem Ursprung eingesetzt, wie z. B. Bierwürze, Fleischwasser, Obstsäfte oder auch Maisquellwasser. Die Ansprüche der Mikroorganismen können zudem auf Minimal- bzw. Vollmedien geprüft werden. Minimalmedien erfüllen qualitativ die Grundbedürfnisse eines Organismus. In vielen Fällen bestehen sie aus einer organischen Kohlenstoffquelle (C-Quelle) und einer Minerallösung oder auch aus einer organischen Stickstoffquelle (N-Quelle). Diese Medien werden
34
3
Physiologie
beispielsweise eingesetzt, um Auxotrophien1 zu überprüfen. Im Gegensatz dazu enthalten die Vollmedien neben den essenziellen Stoffen auch solche Bestandteile, die der Organismus selbst herstellen kann. Das Wachstum ist entsprechend auf Vollmedien besser als auf Minimalmedien. Grundsätzlich können flüssige Medien von festen Medien unterschieden werden. Bei den flüssigen Medien wachsen die Pilze entweder als Oberflächenkultur – in diesem Fall wird die Medienflüssigkeit nicht bewegt – oder aber die Kultur wächst als Submerskultur – in diesem Fall erfolgt eine Durchmischung z. B. durch Schütteln. Bei den Festmedien wird die Konsistenz der Medien durch Zugabe von Silicagelen (NaSiO3), Gelatine oder Agar erreicht. Insbesondere Agar, ein komplexes Polysaccharid, das aus Rotalgen gewonnen wird, ist in der heutigen Praxis gebräuchlich. Es hat insofern hervorragende Eigenschaften, da es inert ist, d. h. es reagiert nicht mit den übrigen Nährstoffkomponenten. Zudem wird Agar erst bei einer Temperatur von 100 °C flüssig, wobei dieser flüssige Zustand auch beim Abkühlen auf etwa 45 °C erhalten bleibt. Dadurch ist eine optimale Handhabung der Nährmedien z. B. beim Beschicken von Kulturschalen oder bei der Zugabe wärmeempfindlicher Substanzen, gewährleistet. Da Agar in der Regel von den Schimmelpilzen nicht verwertet werden kann, müssen dem Medium andere chemische Bestandteile als Nahrungsquelle zugefügt werden. Hier unterscheidet man Makro- von Mikroelementen, die in unterschiedlichen Konzentrationen im Medium enthalten sind. Eine Aufstellung findet sich in der Tabelle 3.1. Zu den Makroelementen allgemein gehören Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Phosphor, Kalium, Stickstoff, Schwefel und Magnesium. Der Kohlenstoff wird dabei in der Regel als Strukturelement für den Organismus in Kombination mit Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff angeboten. Glucose ist die am häufigsten verwendete Kohlenstoffquelle, die von nahezu allen Pilzen verwertet wird. Bei anderen Monosacchariden wie Fructose, Mannose oder Galactose oder Disacchariden wie Saccharose hängt die Verwertbarkeit davon ab, inwieweit die Enzymausstattung der Schimmelpilze eine Verstoffwechselung der Zucker erlaubt. Das Element Stickstoff wird in der Regel als organischer Aminostickstoff verwertet oder in der oxidierten anorganischen Form als Nitrat. In diesem Fall jedoch müssen die entsprechenden Enzyme von dem Schimmelpilz
1
Als Auxotrophie wird die Unfähigkeit von Mikroorganismen bezeichnet, essentielle Substanzen, die zum Wachstum benötigt werden, selber zu synthetisieren. Das Gegenteil von Auxotrophie ist die Prototrophie.
3.1
Wachstumsbedingungen
35
Tabelle 3.1 Essenzielle Nährstoffe von Schimmelpilzen (verändert nach Griffin 1994)
Element
Gebrauchssubstanz
Konzentration (M)
Funktion
Kalium
KCl, K2HPO4
10–3
Enzymaktivierung; KohlenhydratStoffwechsel; pH-Pufferung
Phosphor
KH2PO4
10–3
Nukleinsäure-Stoffwechsel; Energietransport
Magnesium
MgCl2
10–3
Enzymaktivierung; ATP-Stoffwechsel
Stickstoff
NaNO3, NH4Cl
10–3
Aminosäure-, Nukleotid- und Vitamin-Stoffwechsel
Sulfat
K2SO4
10–4
beteiligt am Stoffwechsel von Aminosäuren, Vitaminen und anderen Sulfhydryl-Verbindungen
Calcium
CaCl2
10–4
Enzymaktivierung; Bestandteil von Membranstrukturen
Eisen
FeCl3, FeSO4
10–6
Bestandteil von Cytochromen und Hämen, APO-Enzymen, Pigmenten
Kupfer
CuSO4
10–6 – 10–7
Modifikation von Enzymaktivitäten; Pigmentbestandteil
Mangan
MnCl2
10–7
Modifikation von Enzymaktivitäten (Citrat-Zyklus); Nukleinsäure-Stoffwechsel
Zink
ZnCl2
10–8
Modifikation von Enzymaktivitäten; Stoffwechsel organischer Säuren
Molybdän
Na2MoO4
10–9
Modifikation von Enzymaktivitäten; Nitrat-Stoffwechsel; Vitamin B12-Stoffwechsel
Makroelemente
Mikroelemente
gebildet werden, um eine Reduktion des Nitrats zu erreichen. Medien, auf denen Schimmelpilze wachsen, enthalten deshalb Nitratsalze oder Ammoniumsalze, seltener Nitrite oder Hydroxylamine.
36
3
Physiologie
Schimmelpilze sind in der Regel nicht in der Lage, alle Vitamine selbst zu synthetisieren. Diese sind zwar in Komplexmedien meist in ausreichender Menge vorhanden, jedoch müssen je nach Bedürftigkeit Minimalmedien mit entsprechenden Vitaminen vervollständigt werden. Zu den Vitaminen, die von Schimmelpilzen benötigt werden, gehören in der Regel alle Vitamine der B-Gruppe, wie Thiamin (Vitamin B1), Biotin (Vitamin B7), Riboflavin (Vitamin B2), Pantothensäure (Vitamin B5) oder auch Cyanocobalamin (stabile Vitamin B12-Form).
3.1.3
Temperatur
Schimmelpilze besiedeln unterschiedlichste Habitate und sind deshalb sehr schwankenden Temperaturen ausgesetzt. Daher überrascht es nicht, dass Schimmelpilze nicht nur ein breites Wachstumsoptimum besitzen, sondern dass auch die Temperaturminima und Temperaturmaxima weit auseinander liegen (Tabelle 3.2). Schimmelpilze werden als mesophil, psychrophil (Kälte-liebend) oder thermophil (Wärme-liebend) bezeichnet. Die meisten Schimmelpilze sind mesophil. Sie besitzen ein Temperaturminimum über 0 °C und ein Maximum unter 50 °C. Das Optimum liegt zwischen 15 °C und 40 °C. Einige Schimmelpilze jedoch kann man als psychrophil bzw. als thermophil bezeichnen. Die psychrophilen Pilze wachsen in der Regel nicht über 20 °C und haben ein Temperaturminimum nahe 0 °C. Das Optimum liegt zwischen 0 °C und 17 °C. Thermophile Schimmelpilze haben ein Temperaturminimum über 20 °C und das Maximum liegt über 50 °C. Unter den thermophilen Schimmelpilzen finden sich viele, die tier- oder humanpathogen sind (Kap. 6.1). Ein Beispiel ist der humanpathogene Pilz Aspergillus fumigatus, der in einem Temperaturbereich zwischen 12 °C und 52 °C wächst.
3.1.4
Licht
Pilze können grundsätzlich Licht wahrnehmen. Dabei spielt auch die Wellenlänge des Lichtes eine wichtige Rolle, was sich auch dadurch widerspiegelt, dass es Pilze gibt, die Rezeptoren für Rot-, Grün- oder Blaulicht besitzen. Pilze reagieren auf die unterschiedlichen Lichtqualitäten und dieses Phänomen wird auch als photo sensing bezeichnet. Es ist bekannt, dass viele Arten der Gattungen Aspergillus und Penicillium ihre Konidiosporen vor-
3.1
Wachstumsbedingungen
37
Tabelle 3.2 Wachstumstemperaturen ausgewählter Schimmelpilze
Pilz
Minimum (°C)
Optimum (°C)
Maximum (°C)
Alternaria alternata
M
–2 bis +5
20–25
31–32
Aspergillus flavus
M
6–8
35–37
42–45
Aspergillus fumigatus
M
10–12
37–43
52–55
Aspergillus nidulans
M
6–8
35–40
46–48
Aspergillus niger
M K
6–8 >10
35–37
45–47
Aspergillus oryzae
M
7–9
35–37
45–47
Fusarium oxysporum
M
5
25–30
37
Mucor pusillus
M
20
40–45
55
Neurospora sitophila
M
4
36
44
Penicillium brevicompactum
M
–2
23
30
Penicillium chrysogenum
M
–4
25–28
32–33
Penicillium expansum
M K
–3 <10
25–26
33–35
Rhizopus stolonifer
M K
10 1,5
25–26 26–28
35–37 33
M = Myzelwachstum; K = Sporenkeimung
nehmlich im Licht bilden, während in der Dunkelheit Fruchtkörper, soweit es sich um sexuell vermehrbare Schimmelpilze handelt, entwickelt werden. In der Abb. 3.2 wird dieses Licht / Dunkel-Phänomen am Beispiel der Konidienbildung von Penicillium chrysogenum dargestellt. Der Wildtyp-Stamm bildet deutlich weniger Sporen in der Dunkelheit als im Licht, während die Mutante „blind“ (bli) auch in der Dunkelheit vermehrt Konidiosporen produziert. Dagegen ist die Mutante „konidienlos“ (kon) völlig unfähig, Sporen auszubilden. Auch wechselnde Hell- und Dunkelphasen werden von den Schimmelpilzen wahrgenommen. Hierdurch sind sie, wie auch der Mensch, in der Lage, z. B. auf den Tag/Nacht-Rhythmus zu reagieren. Phänotypisch kann
38
3
Physiologie
Abb. 3.2 Die Reaktion des Schimmelpilzes Penicillium chrysogenum auf verschiedene Lichtver-
hältnisse. Der Wildtyp bildet im Licht viele (dunkelgrün), im Dunkeln dagegen nur sehr wenige (hellgrün) Konidien. Die Mutanten blind (bli) und konidienlos (kon) zeigen hingegen keine lichtabhängige Konidienbildung
dies auf Festmedien erkannt werden, da die Schimmelpilze in periodisch wiederkehrenden Abständen Konidiosporen bilden. Diese „Ringbildung“ ist deutlich in der Abb. 3.3 bei verschiedenen Schimmelpilzen erkennbar. Schließlich ist an dieser Stelle auch der Phototropismus von Schimmelpilzen zu erwähnen. So kann ein positiver Phototropismus, d. h. ein Wachstum auf eine Lichtquelle zu, bei den Sporangienträgern der Zygomyceten (z. B. Arten der Gattung Phycomyces) oder auch bei der Ausbildung von Fruchtkörpern bei Vertretern der Gattung Neurospora, gefunden werden.
3.1.5
pH-Wert
Schimmelpilze zeigen ein optimales Wachstum bei pH-Werten, die im leicht sauren Bereich zwischen 4,5 und 6,5 liegen. Allerdings werden pH-Werte von 2 oder auch 8 ebenfalls toleriert. Im Verlauf der Wachstumsphase kann sich der pH-Wert durch Ausscheidung von Stoffwechselprodukten ändern,
3.1
Wachstumsbedingungen
39
Abb. 3.3 Durch Hell-/Dunkelphasen hervorgerufene Periodizität bei der Sporenbildung verschiedener Schimmelpilze. Schimmelpilze wurden auf Nährmedien angeimpft und in einem jeweils zwölfstündigen Rhythmus von Hell- und Dunkelphasen inkubiert. Links oben und unten: zwei Stämme von Aspergillus niger, rechts oben: Aspergillus terreus, rechts unten: Aspergillus nidulans
sodass Kulturmedien in der Regel Phospat- oder Wasserstoffionen-Puffer zur Kontrolle des pH-Werts zugesetzt werden. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass verschiedenste Stoffwechselfunktionen bei Schimmelpilzen pH-abhängig sind. Während das optimale Zellwachstum im eher sauren Milieu erfolgt, ist eine Synthese von Sekundärmetaboliten, wie z. B. Mykotoxinen, meist bei einem pH-Wert von ca. 8 optimal, da diese Produkte eher im basischen Bereich stabil sind (Kap. 6.3).
40
3.1.6
3
Physiologie
Wasser und Wasseraktivität
Schimmelpilze, wie alle Organismen, benötigen flüssiges Wasser in großer Menge, um alle lebensnotwendigen Stoffwechselprozesse durchführen zu können. Der Transport von Wasser in die Hyphen erfolgt dabei durch osmotische Diffusion über die halbdurchlässige Zellmembran. Schimmelpilze benötigen zum Wachstum eine gewisse Menge frei verfügbaren Wassers, welche durch die Wasseraktivität des Substrates definiert wird. Diese kann einfach durch eine Formel beschrieben werden, die den Zusammenhang zwischen Wasseraktivität und relativer Luftfeuchtigkeit darstellt. Die Wasseraktivität (Aw) wird als Quotient des Wasserdampfdruckes2 im Substrat (PD) und des Sättigungsdampfdruckes3 (PS) des reinen Wassers bei derselben Temperatur definiert: AW = PD / PS. Eine ausgewählte Zusammenstellung der AW-Minimum-Werte, die von Art zu Art stark variieren, ist in der Tabelle 3.3 wiedergegeben. Auffällig ist die Tatsache, dass die Sporenkeimung oft einen höheren AW-MinimumWert benötigt als das Myzelwachstum. An diesem Punkt muss natürlich auch die Temperatur genannt werden, die ähnlich wie die Wasseraktivität einen wesentlichen Einfluss auf die Sporenkeimung hat. Als Faustregel kann gelten, dass eine verzögerte Sporenkeimung aufgrund eines niedrigen AW-Wertes durch Erhöhung der Temperatur kompensiert wird. Dies ist beispielsweise bei der Anzucht wie auch bei der Bekämpfung von Schimmelpilzen ein wesentlicher Aspekt (Kap. 6.4). Zugleich zeigt die Tabelle, dass auch die Bildung von Konidien und Konidienträgern oft einen höheren Minimum-AW-Wert benötigt als Myzelwachstum und Sporenkeimung. Schimmelpilze benötigen in der Regel Substrate mit einer minimalen Wasseraktivität von 0,8–0,85. Dieser Wert liegt deutlich unter dem von Bakterien (AW-Minimum von 0,95), aber klar über dem AW-MinimumWert von 0,6 für osmophile (Zucker-liebende) Hefen. Bemerkenswert sind jedoch einige Aspergillus-Arten, die auf 80%-iger Saccharoselösung, z. B. Marmelade, oder auf salzigem Fisch gedeihen können. Bei Aspergillus amstelodami beispielsweise liegt der AW-Minimum-Wert deutlich unter 0,8. Derartige Schimmelpilze werden auch als xerophil bezeichnet. Eine ver2
Der Wasserdampfdruck wird durch das Nebeneinander von Wasser und Wasserdampf bestimmt und ist abhängig von der Temperatur. 3 Befinden sich Wasser und Wasserdampf im Gleichgewicht, so liegt ein Sättigungsdampfdruck vor.
3.1
Wachstumsbedingungen
41
Tabelle 3.3 Wasseraktivität (AW) ausgewählter Schimmelpilze
Pilz
Minimum
Optimum
Alternaria alternata
M S K
0,85 0,90 0,94
0,98 0,98–0,99
Aspergillus fumigatus
M S
0,85 0,90
0,98 0,98–0,99
Aspergillus nidulans
M S K
0,80 0,85 0,82
0,95 0,95–0,98
Aspergillus niger
M S K
0,77 0,92–0,95 0,84
0,96–0,98 0,96–0,98
Aspergillus terreus
M
0,78
Cladosporium herbarum
M S K
0,88 0,88–0,89 0,88
Fusarium solani
M
0,90
Penicillium brevicompactum
M
0,78
Penicillium chrysogenum
M S
0,81 0,86
Penicillium citrinum
M
0,80
Penicillium expansum
M S K
0,82 0,85 0,82–0,86
0,95
Rhizopus stolonifer
M S K
0,92–0,94 0,96 0,93
0,98 0,98–0,99
Trichoderma viride
M S
0,95–0,96
0,96 0,98
0,99 0,98
M = Myzelwachstum; S = Sporenbildung; K = Sporenkeimung
gleichbare Trockenheitsresistenz kann auch bei vielen Konidien von Aspergillus- und Penicillium-Arten beobachtet werden. Im Zusammenhang mit dem Sekundärstoffwechsel ist wichtig anzumerken, dass ein höherer AWWert benötigt wird, wenn bestimmte Mykotoxine von den Pilzen gebildet werden (Kap. 6.3).
42
3.2
3
Physiologie
Primärmetabolismus
Der Primärstoffwechsel dient dem Überleben und dem Wachstum des Organismus. Im Gegensatz dazu gehören zum Sekundärstoffwechsel solche Enzyme und Produkte, die der Pilz nur unter ausgewählten Wachstumsbedingungen herstellt. Trotzdem können die Prozesse des Primär- und Sekundärmetabolismus nicht getrennt voneinander betrachtet werden, da häufig Endprodukte des Primärstoffwechsels als Substrate in den Sekundärstoffwechsel eingehen. Die Abb. 3.4 gibt einen Überblick über die Verflechtung
Primärstoffwechsel
Primärmetabolite
Glucose
Zucker, Glykoside, Nukleinsäuren, Polysaccharide
Sekundärmetabolite
Beispiele
Alkaloide
Lysergsäure Fumitremorgen C
Pentose
Shikimisäure
aromatische Aminosäuren
nicht-ribosomale Peptide Pyruvat
Penicillin Cephalosporin C
aliphatische Aminosäuren Terpene
Trichothecene Gibberellin Geosmin
Steroide
Cortison
Polyketide
Lovastatin Aflatoxin B1
Fettsäurederivate
Griseofulvin
Isopentenyldiphosphat Acetyl-CoA Malonyl-CoA
Citrat-Zyklus
Abb. 3.4 Zusammenspiel von Primär- und Sekundärmetabolismus. Verschiedene Zwischenpro-
dukte des Primärmetabolismus dienen als Ausgangsstoffe für den Sekundärmetabolismus. Für die verschiedenen Klassen der Sekundärmetabolite sind Beispiele angeführt
3.2
Primärmetabolismus
43
Lignin Cellulose Stärke
Glucose Glykolyse
Gluconeogenese
Fettsäuren GlyoxitatGlyoxylatzyklus Zyklus
Pyruvat
β-Oxidation
Succinat Acetyl-CoA
Acetyl-CoA PEROXISOM/ GLYOXISOM
CitratZyklus
Oxalacetat
MITOCHONDRION CYTOPLASMA
Abb. 3.5 Übersicht des Kohlenstoff-Primärmetabolismus. Wichtige Stoffwechselprozesse sind in
kursiver Schrift dargestellt und die im Text besprochenen Vorgänge in rot hervorgehoben
beider Prozesse. Im Folgenden soll zunächst auf den Primärstoffwechsel eingegangen werden. Der Primärmetabolismus umfasst u. a. den Abbau komplexer Moleküle (Proteine, Kohlenhydrate und Fette) für die Bereitstellung von Nährstoffen und notwendigen Einheiten zum Aufbau von Zellmasse. Die Prozesse zum Abbau dieser unterschiedlichen Komponenten finden an verschiedenen Orten innerhalb der Zelle statt, sodass auch Transportprozesse eine wichtige Rolle spielen. In diesem Buch soll besonders auf den Kohlenhydrat-Metabolismus eingegangen werden, da dieser bei Schimmelpilzen eine besonders wichtige Rolle spielt. Schimmelpilze können sehr viele Lebensmittel „verschimmeln“ lassen (Kap. 6.3), und das liegt u. a. daran, dass sie eine Vielzahl verschiedener Kohlenhydrate abbauen können. Die Abb. 3.5 zeigt das Zusammenwirken der wichtigsten Stoffwechselwege des Kohlenhyd-
44
3
Physiologie
rat-Metabolismus unter Angabe des jeweiligen Zellkompartiments. In den folgenden Unterkapiteln sollen hiervon die Glykolyse, der Citrat- und der Glyoxylat-Zyklus genauer beschrieben werden, da sie eine sehr wichtige Rolle im Primärmetabolismus spielen. An den in Abb. 3.5 nur schematisch dargestellten Vorgängen ist eine Vielzahl spezifischer pilzlicher Enzyme beteiligt, die mittlerweile auch in etlichen industriellen Prozessen verwendet werden. Zu diesem Zweck wird das jeweilige Enzym in geeigneten Schimmelpilzen wie z. B. Aspergillus- und Trichoderma-Arten überproduziert und anschließend gereinigt. Oft handelt es sich um Enzyme, die in der Lage sind, komplexe Moleküle wie Stärke oder Lignin, aber auch Proteine abzubauen. Eine Übersicht industriell verwendeter Enzyme unter Angabe des Produzenten und des jeweiligen Einsatzgebietes zeigt die Tabelle 3.4. Hier sind allerdings nur solche Enzyme aufgeführt, die der jeweilige Pilz auch von selbst herstellt. Rekombinant produzierte Proteine werden in Kapitel 5.1.6 besprochen.
3.2.1
Die Glykolyse
Die Glykolyse (von griech.: glykos = süß und lysis = Spaltung) ist der wichtigste Abbauweg für Kohlenhydrate und ein Oberbegriff für verschiedene Wege, auf denen diese Zuckerpolymere abgebaut werden. Sie tritt in fast allen Organismen auf und ist damit ein stammesgeschichtlich sehr alter Vorgang. Die Glykolyse geht von dem Einfachzucker Glucose aus, und daher müssen Kohlenhydrate zunächst enzymatisch in ihre Zucker-Einheiten gespalten werden. Da Schimmelpilze sehr viele verschiedene Kohlenhydrate verwerten können, findet sich hier eine Vielzahl von Enzymen, die komplexe Kohlenhydrate wie Cellulose, Lignin oder Stärke in Einfachzucker spalten. Beispiele für solche Enzyme sind die α-Amylase und die Cellulase, die auch industriell genutzt werden, um beispielsweise in der Lebensmittelund der Papierindustrie Stärke bzw. Cellulose zu spalten (Tabelle 3.4). Die Glykolyse findet im Cytoplasma der Zellen statt und umfasst zehn Schritte, von denen jeder von einem anderen Enzym katalysiert wird. Sie kann grob in zwei Phasen eingeteilt werden. In der ersten Phase wird das Glucose-Molekül unter Energie-Verbrauch aktiviert. Anschließend werden in der zweiten Phase aus der Glucose, welche sechs Kohlenstoffatome enthält, zwei Moleküle Pyruvat (Brenztraubensäure) mit jeweils drei Kohlenstoffatomen hergestellt. Hierbei werden Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP), dem häufigsten Energieträger der Zelle, und so genannte
3.2
Primärmetabolismus
45
Tabelle 3.4 Enzyme aus Schimmelpilzen. Angegeben sind die zur Produktion eingesetzten
Schimmelpilze sowie die verwendenden Industriesparten, in denen der Einsatz erfolgt. Sofern bestimmten Schimmelpilzen eine besondere Bedeutung als Produzent zukommt, ist auch der Artname angegeben. Rekombinante Enzyme werden in Kapitel 5.1.6 besprochen. Verändert nach Meyer (2008) und Archer et al. (2008) Enzym
Verwendung
Produzent
α-Amylase
Lebensmittel- und Getränkeproduktion, Stärke verarbeitende Industrie
Aspergillus niger, Aspergillus oryzae, Thermomonspora spec.
β-Galactosidase
Milchindustrie
Aspergillus spec.
α-Glucosidase
Stärke verarbeitende Industrie
Aspergillus spec.
β-Glucosidase
Abbau von Lignocellulose, Geschmacksverstärkung in Weinen
Aspergillus spec., Penicillium spec.
Aminoacylase
Synthese von L-Aminosäuren
Aspergillus spec.
Aminopeptidase
Proteinhydrolyse, Geschmacksverstärkung, Abbau von Bitterstoffen
Aspergillus spec., Rhizopus spec.
Arabinanase
Abbau von Lignocellulose (Bioethanol, Gemüseverarbeitung)
Aspergillus spec.
Asparaginase
Verminderung der Acrylamidbildung (Backindustrie)
Aspergillus spec.
Carboxypeptidase
Proteinhydrolyse, Geschmacksverstärkung, Abbau von Bitterstoffen
Aspergillus spec.
Cellobiohydrolase
Textil-, Zellstoff- und Papierindustrie
Trichoderma viride, Trichoderma reesei
Cellulase
Textil-, Zellstoff- und Papierindustrie
Trichoderma reesei
Dextranase
Zucker-Industrie, Stabilisator
Chaetomium spec.
Esterase
Abbau von Lignocellulose
Rhizomucor spec.
Glucoamylase
Stärke verarbeitende Industrie
Aspergillus phoenicis, Rhizopus delemar
Glucosyltransferase
Lebensmittelindustrie, Produktion von speziellen Oligosacchariden (z. B. mit geringen Kalorien)
Aspergillus spec.
Hemicellulase
Abbau von Lignocellulose, Stärke verarbeitende und Backindustrie
Aspergillus spec.
Inulase
Lebensmittelindustrie; Herstellung von Fructose und Oligomeren, als Probiotikum nutzbar
Aspergillus spec.
46
3
Physiologie
Tabelle 3.4 (Fortsetzung) Enzyme aus Schimmelpilzen. Angegeben sind die zur Produktion ein-
gesetzten Schimmelpilze sowie die verwendenden Industriesparten, in denen der Einsatz erfolgt. Sofern bestimmten Schimmelpilzen eine besondere Bedeutung als Produzent zukommt, ist auch der Artname angegeben. Rekombinante Enzyme werden in Kapitel 5.1.6 besprochen. Verändert nach Meyer (2008) und Archer et al. (2008) Enzym
Verwendung
Produzent
Laccase
Textil-, Zellstoff- und Papierindustrie
Trametes versicolor, Myceliopthora spec., Polyporus spec., Thielavia spec.
Mannanase
Abbau von Lignocellulose
Aspergillus spec., Trichoderma spec.
Pektinlyasen
Lebensmittelindustrie
Trichoderma reesei, Aspergillus spec., Penicillium spec., Rhizopus spec.
Pektin-Methylesterase
Abbau und Modifikation von Pektinen, Frucht- und Wein-Industrie
Aspergillus spec., Penicillium spec., Rhizopus spec., Trichoderma spec.
Pentosanase
Backindustrie: Abbau von Pentosan zur Verminderung der Viskosität
Aspergillus spec., Humicola spec., Trichoderma spec.
Phosphatase
Dephosphorylierung, z. B. bei der Verarbeitung von Hülsenfrüchten und in der Backindustrie
Aspergillus spec.
Phosphodiesterase
Geschmacksverstärker
Leptographium spec., Penicillium spec.
Phospholipase A und B
Käseindustrie
Aspergillus spec., Trichoderma spec.
Polygalacturonase
Abbau und Modifikation von Pektinen, Frucht- und Wein-Industrie
Aspergillus spec., Penicillium spec., Trichoderma spec.
Pullulunase
Stärke verarbeitende Industrie
Trichoderma spec.
Rennin
Lebensmittelindustrie
Mucor miehei
Rhamnosidase
Geschmacksentwicklung (Weinindustrie), Abbau von Bitterstoffen
Penicillium spec.
Tannase
Teeproduktion, Erhöhung der antioxidativen Eigenschaften von Lebensmitteln
Aspergillus spec.
Transglutaminase
Vernetzung von Proteinen (z. B. Fleisch- und Käseindustrie)
Streptoverticillium spec.
3.2
Primärmetabolismus
47
Reduktionsäquivalente gebildet, die in späteren Prozessen ebenfalls zur Energiegewinnung genutzt werden können (Infobox 3.1). Pyruvat entsteht aber nicht nur bei der Glykolyse, sondern auch beim Abbau von Proteinen bzw. bestimmten Aminosäuren. Es wird aus dem
Infobox 3.1 Zelluläre Energieträger Bei zellulären Prozessen wird häufig Energie verbraucht, oder aber es wird Energie frei. Die Zelle muss daher diese Energie in irgendeiner Form speichern und transportieren, um sie bei Bedarf einsetzen zu können. Zu diesem Zweck stehen verschiedene transportable energiereiche Moleküle zur Verfügung. Der wichtigste zelluläre Energieträger ist das ATP (Adenosintriphosphat), das u. a. bei der Glykolyse (Kap. 3.2.1) und im Citrat-Zyklus (Kap. 3.2.2) gebildet wird. Es besteht aus der Base Adenin, die über ein Zuckermolekül mit einer Kette aus drei Phosphatresten verknüpft ist. Die Bindungen zwischen den Phosphatresten sind dabei sehr energiereich. Wird Energie benötigt, dann wird die endständige Phosphatgruppe abgespalten und meist auch direkt auf ein anderes Molekül übertragen; ATP wird dabei zu ADP (Adenosindiphosphat). ATP und ADP sind kleine, leicht zu transportierende Moleküle und können daher schnell an jeden Ort in der Zelle gebracht werden. Außer ATP wird auch GTP (Guanosintriphosphat) als kurzfristiger, zellulärer Energieträger verwendet; es entsteht beispielsweise im Citrat-Zyklus (Kap. 3.2.2). + Neben ATP spielen die Moleküle NAD (Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid) und FAD (Flavin-Adenin-Dinukleotid) eine besondere Rolle im Energiestoffwechsel. Beide sind in der Lage, Elektronen aufzunehmen, die bei chemischen Reaktionen frei werden. Dies geschieht u. a. während der Glykolyse und des Citrat-Zyk+ lus (Kap. 3.2.1 und 3.2.2). Durch die Aufnahme von Elektronen werden NAD und FAD zu NADH und FADH2 reduziert. Letztere dienen als Elektronenspeicher und geben die Elektronen später an Enzyme der sogenannten Atmungskette ab. Dabei handelt es sich um mehrere Enzymkomplexe, die in der inneren Membran der Mitochondrien sitzen und die Elektronen untereinander weitergeben, bis sie schließlich auf Sauerstoff übertragen werden. Während des Transports geben die Elektronen ihrerseits immer wieder einen Teil ihrer Energie ab, und diese Energie wird genutzt, um Protonen aus dem Innern der Mitochondrien in den Zwischenraum der beiden Membranen zu transportieren, die ein Mitochondrion umhüllen (Kap. 3.2.2). Hierdurch entsteht ein Protonen-Gradient zwischen dem Intermembranraum und dem Inneren des Mitochondrions. Die Protonen sind nun bemüht, den Gradienten wieder auszugleichen und versuchen, in das Mitochondrien-Innere zurück zu strömen. Dies funktioniert allerdings nur mit Hilfe eines weiteren Enzyms: einer ATPase. Diese benutzt die Energie, die nun durch den Rückfluss der Protonen frei wird, um ATP durch die Verknüpfung von + ADP mit einem Phosphatrest herzustellen. Somit dienen letztendlich das NAD und das FAD zusammen mit der Atmungskette der Erzeugung von ATP.
48
3
Physiologie
Cytoplasma in Zellorganellen, die Mitochondrien, transportiert (Abb. 3.5), und dort für den Eintritt in den Citrat-Zyklus vorbereitet, der im nächsten Kapitel beschrieben wird.
3.2.2
Der Citrat-Zyklus
Der Citrat-Zyklus dient mehreren Zwecken. Zum einen wird Pyruvat durch Abspaltung von Kohlenstoffdioxid (Decarboxylierung) weiter abgebaut. Zum anderen werden Energie (ATP, GTP) und Reduktionsäquivalente (Infobox 3.1) gebildet. Außerdem ist der Citrat-Zyklus ein wichtiger Lieferant für verschiedenste Biosynthese-Intermediate. Im Gegensatz zur Glykolyse findet er im Innern von Mitochondrien statt. Dies sind von einer Doppelmembran umhüllte Zellorganellen, die im Wesentlichen der Energieerzeugung dienen. Bevor das Pyruvat aus der Glykolyse bzw. dem Protein-Abbau in den Citrat-Zyklus eingeht, wird das Grundgerüst enzymatisch von drei auf zwei Kohlenstoffatome zum Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA) abgebaut. Hierbei wird Kohlendoxid (CO2) abgespalten und Reduktionsäquivalente entstehen. Das Produkt Acetyl-CoA ist ein Acetat, welches durch die Bindung an Coenyzm A (CoA), ein Derivat von Vitamin B5, aktiviert wurde. Der Citrat-Zyklus im Mitochondrium beginnt mit der Bindung von Acetyl-CoA an Oxalacetat, wobei das Citrat entsteht, welches dem Zyklus seinen Namen gibt. In insgesamt acht Schritten, die von verschiedenen Enzymen katalysiert werden, wird das Acetat im Acetyl-CoA-Molekül vollständig zu zwei Molekülen CO2 abgebaut und Oxalacetat regeneriert, welches dann für den nächsten Zyklus zur Verfügung steht. Außerdem entstehen Energie in Form von ATP und Reduktionsäquivalente. Letztere können nachfolgend in der so genannten mitochondrialen Atmungskette genutzt werden, um einen Großteil des ATP zu gewinnen, das beim Abbau von Nährstoffen entsteht (Infobox 3.1). Letztendlich kann der Abbau sowohl von Zuckern als auch von Aminound Fettsäuren im Citrat-Zyklus komplettiert werden, da Acetyl-CoA beim Abbau all dieser Stoffe entsteht (Abb. 3.5). Der Citrat-Zyklus ist nicht nur Teil des abbauenden Stoffwechsels, sondern er stellt auch Grundsubstanzen für die Synthese von Aminosäuren und DNA-Bestandteilen zur Verfügung. Hierzu werden Zwischenprodukte des Citrat-Zyklus ins Cytoplasma transportiert. Auch Acetyl-CoA wird häufig in anderen Stoffwechselprozessen
3.2
Primärmetabolismus
49
verwendet und besitzt eine besondere Bedeutung bei der Herstellung sekundärer Metabolite (Kap. 3.3).
3.2.3
Der Glyoxylat-Zyklus
Der Glyoxylat-Zyklus kann als eine verkürzte Form des Citrat-Zyklus betrachtet werden, da zwei Zwischenprodukte und drei Enzyme fehlen. Zwei für den Glyoxylat-Zyklus typische Enzyme, die Isocitrat-Lyase und die Malat-Synthase, katalysieren die Bildung und den Abbau des namensgebenden Zwischenproduktes Glyoxylat. Im Gegensatz zum mitochondrialen Citrat-Zyklus (Kap. 3.2.2) findet der Glyoxylat-Zyklus in anderen Zellorganellen, den Glyoxylsomen, die zu den Peroxisomen zählen, statt. Dies sind von einer Einfachmembran umgebene Organellen, die auch der Kompartimentierung von oxidierenden Reaktionen dienen, damit die hierbei entstehenden Sauerstoffradikale nicht den Rest der Zelle zerstören können. Der Glyoxylat-Zyklus kommt bei Tieren und beim Menschen nicht vor und wird deshalb als Angriffspunkt für neue Fungizide diskutiert. Wie beim Citrat-Zyklus dient beim Glyoxylat-Zyklus Acetyl-CoA als Substrat. Allerdings werden pro Zyklus zwei Moleküle aufgenommen, und Acetat wird nicht zu CO2 abgebaut, sondern zum Aufbau von Succinat, einem Zwischenprodukt des Citrat-Zyklus, verwendet (Abb. 3.5). Es entsteht kein ATP, aber Reduktionsäquivalente, die in der Atmungskette zur Energie-Erzeugung genutzt werden können (Infobox 3.1). Wozu aber braucht ein (Schimmel-)pilz solch ein zusätzliches System? Unter bestimmten Bedingungen stehen den Pilzen nicht genügend Nährstoffe in Form von Glucose zur Verfügung. Dann kann keine Energie durch die Glykolyse hergestellt werden, wodurch es auch keine Vorstufen für den mitochondrialen Citrat-Zyklus gibt. Falls nun aber Nährstoffe vorhanden sind, die ein Gerüst aus zwei Kohlenstoff-Atomen enthalten (z. B. Ethanol oder Acetat aus dem Abbau von Fetten), dann können diese über den Glyoxylat-Zyklus umgebaut werden, und es kann durch „Auffüllen“ des CitratZyklus mit Zwischenprodukten (z. B. Succinat) zumindest etwas Energie gewonnen werden. Dem Organismus stehen dann auch wieder Vorstufen für die Biosynthese lebenswichtiger Komponenten zur Verfügung. Damit stellt der Glyoxylat-Zyklus eine Anpassung von Schimmelpilzen an besondere Lebensbedingungen oder auch an ihre Lebensweise dar. Da sie sich nicht bewegen können, müssen sie mit den vorhandenen Nährstoffen auskom-
50
3
Physiologie
men und haben daher eine große chemische Breite entwickelt, wie auch das nachfolgende Kapitel verdeutlicht.
3.3
Sekundärmetabolismus
Im Gegensatz zu dem in Kapitel 3.2 beschriebenen Primärmetabolismus, der bei allen Pilzen in etwa gleicher Weise abläuft und dessen Produkte für das Überleben der Pilze essenziell sind, weisen Schimmelpilze im Sekundärmetabolismus individuelle Besonderheiten auf. Aus einer begrenzten Anzahl von Vorläufermolekülen des Primärstoffwechsels entsteht durch typische Enzyme des Sekundärmetabolismus eine Vielzahl unterschiedlicher Endprodukte, die als sogenannte Sekundärmetabolite definiert werden. Ihre Biosynthese ist immer die Folge eines „verschwenderischen“ Metabolismus, d. h. die Sekundärmetabolite werden zumeist nur gebildet, wenn ideale Wachstumsbedingungen vorliegen. Dabei spielen eine Reihe von Faktoren wie die Substratzusammensetzung, die Zusammensetzung der Atmosphäre, die Temperatur, der pH-Wert sowie die Wasseraktivität eine wichtige Rolle (Kap. 3.1). Zudem ist ihre Synthese häufig mit bestimmten Stadien der morphologischen Differenzierung, wie z. B. der Bildung von Sporen, korreliert (Kap. 2.1.1). Sekundärmetabolite besitzen gewöhnlich ein geringes Molekulargewicht, weisen eine hohe chemische Vielfalt und Komplexität auf und sind charakteristisch für den produzierenden Stamm, die Art oder Gattung. Produkte des pilzlichen Sekundärmetabolismus sind beispielsweise Mykotoxine wie Aflatoxine, Trichothecene oder die Mutterkornalkaloide (Kap. 6.3.1), aber natürlich auch die der Öffentlichkeit bekannten Pharmazeutika wie Penicillin, Cephalosporin C, Cyclosporin A oder Statine (Kap. 5.1.3–5.1.5). All diese Produkte sind aufgrund ihrer vielfältigen Wirkungen für den Menschen von großem Interesse, ihre biologische Funktion für den Pilz selbst ist dagegen noch weitgehend unbekannt. Einige Sekundärmetabolite können dem Pilz unter bestimmten Bedingungen Vorteile gegenüber anderen Organismen verschaffen. Ein Beispiel sind die Antibiotika, die von Pilzen gebildet und ausgeschieden werden und im gleichen Lebensraum vorkommende Bakterien abtöten können. Zudem wird vermutet, dass sekundäre Stoffwechselprodukte als Signalstoffe zur Steuerung biologischer Funktionen dienen können. Systematische Studien zur Identifizierung pilzlicher Sekundärmetabolite begannen bereits 1922 unter der Führung des Chemikers Harold Raistrick. Aber es war vor allem die Entdeckung des Penicillins 1928 (Infobox 5.2),
3.3
Sekundärmetabolismus
51
die ein breites Interesse am pilzlichen Sekundärmetabolismus weckte und pharmazeutische Unternehmen dazu veranlasste, umfangreiche Programme zu starten, um neue Produkte mit pharmazeutischen Anwendungen zu finden. Allein zwischen 1993 und 2001 konnten etwa 1500 neue pilzliche Sekundärmetabolite mit zum Teil antibakterieller, antiviraler oder zytostatischer, d. h. Tumor-hemmender Aktivität isoliert und charakterisiert werden. Trotz ihrer enormen chemischen Komplexität und Diversität können die sekundären Stoffwechselprodukte der Pilze in verschiedene Gruppen klassifiziert werden. Dabei erfolgt die Einteilung in erster Linie unter dem Aspekt, welche Vorläufermoleküle des Primärmetabolismus für ihre Biosynthese verwendet werden (Abb. 3.4) und welche speziellen Enzyme des Sekundärstoffwechsels an der Biosynthese beteiligt sind. So können vier große chemische Gruppen definiert werden, nämlich • die Polyketide und Fettsäurederivate (Kap. 3.3.1), • die nicht-ribosomalen Peptide (Kap. 3.3.2), • die Isoprenoide (Kap. 3.3.3) und • die Alkaloide (Kap. 3.3.4, Abb. 3.4). Im Folgenden sollen die Biosynthese dieser Sekundärmetabolite näher beschrieben sowie einige Beispiele genannt werden.
3.3.1
Polyketide und Fettsäurederivate
Die Polyketide bilden die größte Gruppe pilzlicher Sekundärmetabolite und weisen auf den ersten Blick eine große Heterogenität bezüglich ihrer chemischen Strukturen und pharmakologischen Eigenschaften auf. So gehören nicht nur Mykotoxine wie Aflatoxin B1, Fumonisin, Fusarin C oder Ochratoxin (Kap. 6.3.1, Infobox 6.1) zu dieser Gruppe, sondern beispielsweise auch der kommerziell wichtige Cholesterinsenker Lovastatin (Kap. 5.1.5, Abb. 5.7). Gemeinsam ist aber allen Polyketiden, dass die Primärmetabolite Acetyl-CoA oder Malonyl-CoA (Kap. 3.2.2) als Ausgangssubstrate ihrer Biosynthese dienen und diese Synthese durch spezielle Enzyme, die so genannten Polyketidsynthasen, katalysiert wird. Polyketidsynthasen sind große Enzymkomplexe, die von den Schimmelpilzen ausschließlich im Sekundärmetabolismus verwendet werden und einen spezifischen Aufbau zeigen. Pilzliche Polyketidsynthasen bestehen aus einem Modul4, das wie-
4
Als Modul wird eine funktionelle Einheit eines Enzyms definiert.
52
3
Physiologie
derum aus mindestens drei verschiedenen Domänen5, der so genannten KS (Ketoacylsynthase)-, der AT (Acyltransferase)- und der ACP (Acyl-CarrierProtein)-Domäne aufgebaut ist (Abb. 3.6). Wie aber katalysieren diese komplexen Enzyme die Synthese verschiedenster Polyketide aus nur zwei Primärmetaboliten, nämlich Acetyl-CoA bzw. Malonyl-CoA? Die Polyketidsynthese wird initiiert, wenn die ATDomäne die Substrate Acetyl-CoA bzw. Malonyl-CoA als Startermoleküle erkennt und diese an die ACP-Domäne der Polyketidsynthase bindet. Im folgenden Schritt wird ein weiteres Molekül Acetyl-CoA bzw. Malonyl-CoA an die KS-Domäne gebunden, die dann die Verknüpfung der beiden Moleküle katalysiert. Es entsteht ein an die ACP-Domäne gebundenes Diketid, das wieder als Ausgangssubstrat für einen nächsten Kettenverlängerungsschritt zur Verfügung steht. Zudem verbleibt eine freie KS-Domäne, an die erneut ein Acetyl-CoA bzw. Malonyl-CoA-Molekül binden kann, das an die bereits entstandene Kette angehängt wird. Die beschriebenen Biosyntheseschritte werden an dem Modul wiederholt, bis die vollständige Kettenlänge erreicht ist. Erst dann erfolgt die Abspaltung des linearen Polyketids durch Hydrolyse oder Zyklisierung, d. h. Ringbildung, von der Polyketidsynthase. Diese Reaktionen werden von der TE (Thioesterase)- oder CYC (Zyklisierungs)-Domäne katalysiert, die immer am C-Terminus6 des Enzyms lokalisiert sind (Abb. 3.6). Somit wird schon an dieser Stelle ersichtlich, dass die Diversität der pilzlichen Polyketidstrukturen aus der Anzahl der sich wiederholenden Biosyn-
5
Eine Domäne ist als Abfolge konservierter Aminosäuren definiert, die einen spezifischen Strukturbereich innerhalb eines Enzyms bilden und spezifische biochemische Funktionen ausführen. Domänen sind in Polyketid- und Fettsäuresynthasen sowie in nicht-ribosomalen Peptidsynthetasen die Untereinheiten eines Moduls, die während der Kettenverlängerung und Modifikation des Moleküls die jeweiligen Teilschritte katalysieren. 6 Als C-Terminus oder Carboxy-Terminus, wird jenes Ende eines Proteins oder Polypeptids bezeichnet, welches eine Aminosäure mit einer freien Carboxygruppe (-COOH) trägt.
Abb. 3.6 Schematische Darstellung der Bildung von Polyketiden durch pilzliche Polyketidsynthasen, die aus einem Modul bestehen. Ausgangssubstrate für die Biosynthese sind die aktivierten Moleküle Acetyl-CoA bzw. Malonyl-CoA, die über mehrere Syntheseschritte zu einem Polyketid verbunden werden. Katalysiert werden die sich wiederholenden Syntheseschritte durch die AT-, ACP- und KS-Domäne der Polyketidsynthase. Abschließend löst die am Ende lokalisierte TE-Domäne das entstandene Polyketid von der Synthase. Erfolgt bei jedem Verlängerungsschritt eine vollständige Reduktion des Substrats zu einem gesättigten Kohlenwasserstoff mittels der KR-, DH- und ER-Domänen, entstehen Fettsäuren. Die entsprechenden Enzymkomplexe für deren Biosynthese sind die Fettsäuresynthasen
3.3
Sekundärmetabolismus
53
thesereaktionen, der Wahl des Substrats (Acetyl-CoA oder Malonyl-CoA) und einer möglichen Zyklisierung der Polyketidkette resultiert. Es existiert zudem aber auch eine Vielzahl optionaler Domänen in einer Polyketidsyn-
O
O
O
HO
S-CoA
Acetyl-CoA
S-CoA
Malonyl-CoA
AT-Domäne Polyketidsynthase Typ I (1 Modul) KS
AT
(DH) (MT) (ER) (KR)
ACP
(CYC) TE
S
S O
O
KS-Domäne
KS
AT
(DH) (MT) (ER) (KR)
ACP
(CYC) TE
S O
O
Diketid O
.......
S-CoA
TE-Domäne
Acetyl-CoA O
O
O OH
n
Polyketid-Grundgerüst
2-fache Reduktion (KR-, DH-, ER-Domänen) O n
OH
Fettsäure-Grundgerüst
54
3
Physiologie
thase, d. h. diese Domänen sind nicht essenziell für die eigentliche Synthese des Polyketids, sondern können Modifikationen des Grundgerüsts katalysieren, wodurch die Strukturvielfalt weiter erhöht wird. So existieren beispielsweise die KR (Ketoacylreduktase)-, die DH (Dehydratase)- sowie die ER (Enoylreduktase)-Domäne, die in unterschiedlichen Kombinationen variable Reduktionen7 des Polyketids katalysieren können, wodurch verschiedene chemische Gruppen entlang der Polyketidkette entstehen können (Abb. 3.6). In dieser Variabilität unterscheiden sich die Polyketidsynthasen klar von den nah verwandten Fettsäuresynthasen, die für die Bildung von Fettsäuren8 und deren Derivate verantwortlich sind. Fettsäurederivate bilden neben den Polyketiden eine wichtige Gruppe Sekundärmetabolite, die auch kommerziell von Bedeutung sind, wie beispielsweise das von Penicillium griseofulvum gebildete Griseofulvin (Abb. 3.4, Tabelle 6.3, Kap. 5.1.3), das als Antimykotikum gegen Hautpilze in der Humantherapie eingesetzt wird. Fettsäuresynthasen sind ebenfalls Multidomänen-Enzyme, die die kurzkettigen Carbonsäuren Acetyl-CoA bzw. Malonyl-CoA als Ausgangssubstrate verwenden, um Kohlenstoffketten variabler Länge zu synthetisieren. Der grundlegende Unterschied zwischen Polyketiden und Fettsäuren bzw. Fettsäurederivaten ist aber die vollständige Reduktion zu einem gesättigten9 Kohlenwasserstoff in Fettsäuren, was bei der Polyketidsynthese nur ein mögliches Ereignis ist. Diese vollständige Reduktion wird immer durch das Zusammenspiel der KR-, DH sowie ER-Domäne erreicht (Abb. 3.6). Daraus resultiert, dass diese also für die Fettsäurebiosynthese essenzielle Domänen sind und in jeder Fettsäuresynthase vorkommen, während sie – wie bereits oben erwähnt – nicht in allen Polyketidsynthasen vorhanden sein müssen. In den letzten Jahren konnte mittels Genomanalysen (Kap. 4.2.1) eine Vielzahl von Polyketidsynthasen und Fettsäuresynthasen in Schimmelpilzen identifiziert werden. So besitzen beispielsweise Aspergillus ory-
7
Als Reduktion wird eine chemische Reaktion definiert, die durch die Abgabe von Sauerstoff bzw. die Aufnahme von Wasserstoff gekennzeichnet ist. Generell wird ein Stoff, der bei einer Reaktion Elektronen aufnimmt, reduziert. 8 Als Fettsäuren werden Verbindungen bezeichnet, die aus einer Carboxygruppe (-COOH) und einer unterschiedlich langen, aber fast ausschließlich unverzweigten Kohlenwasserstoffkette bestehen. Der Name geht auf die Entdeckungsgeschichte dieser Moleküle als Bestandteil natürlicher Fette zurück. 9 Als gesättigt wird eine Verbindung bezeichnet, wenn keine Doppelbindungen zwischen Kohlenstoffatomen auftreten.
3.3
Sekundärmetabolismus
55
zae, Aspergillus nidulans und Aspergillus fumigatus jeweils 30, 27 bzw. 14 Polyketidsynthasen. Im Gegensatz dazu konnten aber nur 1–6 Fettsäuresynthasen in diesen Pilzen identifiziert werden. Wie anhand dieser Beispiele der Aspergillus-Arten zu erkennen ist, variiert die Anzahl der spezifischen Enzyme des Sekundärmetabolismus stark zwischen einzelnen Arten, was wiederum belegt, dass im Sekundärmetabolismus jeder Pilz seine individuellen Besonderheiten zeigen kann. Schimmelpilze besitzen aber neben den beschriebenen Polyketid- und Fettsäuresynthasen in ähnlicher Weise strukturierte Enzyme, die nicht-ribosomalen Peptidsynthetasen, die für die Synthese einer Vielzahl von Sekundärmetaboliten verantwortlich sind und deshalb im Folgenden näher vorgestellt werden.
3.3.2
Nicht-ribosomale Peptide
Eine zweite große Gruppe von pilzlichen Sekundärmetaboliten mit hoher struktureller Vielfalt bilden die nicht-ribosomalen Peptide, zu denen beispielsweise die Pharmazeutika Penicillin, Cephalosporin C und Cyclosporin A zählen (Kap. 5.1.3 und 5.1.4). Ihnen ist allen gemeinsam, dass ihre Synthese an den sogenannten nicht-ribosomalen Peptidsynthetasen erfolgt. Diese häufig in Schimmelpilzen vorkommenden multifunktionellen Enzyme sind ähnlich wie die Polyketid- und Fettsäuresynthasen aus Modulen und Domänen aufgebaut und verfolgen bei der Bildung der Sekundärmetabolite eine ähnliche biosynthetische Strategie (Kap. 3.3.1), nutzen aber im Primärmetabolismus gebildete Aminosäuren10 als Substrate (Abb. 3.4). Neben den proteinogenen11 Aminosäuren können bei der nicht-ribosomalen Peptidsynthese mehr als 300 verschiedene nicht-proteinogene Aminosäuren in das Peptid eingebaut werden, wodurch sich eine hohe strukturelle Vielfalt ergibt. Anders als bei der RNA-abhängigen ribosomalen Proteinbiosynthese, bei der Gene die Aminosäuresequenz kodieren (Infobox 4.1), bestimmt die Reihenfolge und Anzahl der Module innerhalb einer nichtribosomalen Peptidsynthetase die Aminosäuresequenz und die Länge des fertigen Peptidprodukts, d. h. jedes Modul ist spezifisch für die Erkennung einer bestimmten Aminosäure. 10
Aminosäuren sind organische Verbindungen, die mindestens eine Carboxygruppe (-COOH) und eine Aminogruppe (-NH2) enthalten. 11 Als proteinogene Aminosäure werden solche bezeichnet, die die Bausteine der Proteine darstellen und durch den genetischen Standard-Code kodiert werden.
56
3
Physiologie
Wie aber läuft die gezielte Synthese eines Peptids ausgehend von Aminosäure-Substraten an einer nicht-ribosomalen Peptidsynthetase ab? Jedes Modul besteht aus drei, für die Synthese essenziellen Domänen, der A (Adenylierungs)-, der P (Peptidyl-Carrier-Protein)- und der C (Kondensations)Domäne (Abb. 3.7). Im ersten Schritt der nicht-ribosomalen Peptidsynthese erkennt und aktiviert die A-Domäne eines jeden Moduls die ihrer Substratspezifität entsprechende Aminosäure und überträgt sie auf die nachgeschaltete P-Domäne, an die sie über einen Schwefelrest gebunden vorliegt. Immer die zwischen zwei beladenen P-Domänen liegende C-Domäne katalysiert im folgenden Schritt die Bildung einer Peptidbindung12 zwischen zwei Aminosäuren. Dieser Prozess wiederholt sich, bis das Polypeptid am letzten Modul seine volle Länge erreicht hat und mittels der so genannten TE (Thioesterase)-Domäne als lineares oder zyklisches Produkt von der nicht-ribosomalen Peptidsynthetase abgespalten wird. Die hohe Diversität unter den nicht-ribosomalen Peptiden kommt somit zum einen durch die Länge der gebildeten Peptide und die hohe Anzahl möglicher Substrate zustande; zum anderen existiert bei der nicht-ribosomalen Peptidsynthese ähnlich der Polyketidsynthese (Kap. 3.3.1) aber auch die Möglichkeit der Modifikation eingebauter Aminosäuren durch die spezifische Aktivität sogenannter Modifikationsdomänen, die optional neben den drei essenziellen Domänen in einem Modul enthalten sein können. Zu den Modifikationsdomänen zählen beispielsweise die CYC (Zyklisierungs)Domänen, die die Bildung von Ringsystemen katalysieren können, aber auch die M (Methylierungs)-Domänen, die für eine Methylierung13 der Aminosäuresubstrate verantwortlich sind. Obwohl bereits 1954 von Lipmann postuliert, wurde die erste nicht-ribosomale Peptidsynthetase erst 1971 entdeckt. Die erste beschriebene und charakterisierte pilzliche nicht-ribosomale Peptidsynthetase ist die δ-(Lα-Aminoadipyl)-L-Cysteinyl-D-Valin (ACV)-Synthetase, die den ersten Schritt der Biosynthese der β-Lactam-Antibiotika Penicillin bzw. Cephalosporin C in den Schimmelpilzen Penicillium chrysogenum, Aspergillus nidulans und Acremonium chrysogenum katalysiert (Kap. 5.1.3, Abb. 5.5).
12
Als Peptidbindung (-NH-CO-) wird die Verknüpfung der Carboxygruppe (-COOH) einer Aminosäure mit der Aminogruppe (-NH2) einer zweiten Aminosäure bezeichnet. So können zwei Aminosäuren unter Wasserabspaltung zu einem Dipeptid reagieren. 13 Als Methylierung wird eine chemische Reaktion bezeichnet, bei der eine Methylgruppe (-CH3) auf ein Molekül transferiert und eingebaut wird.
3.3
Sekundärmetabolismus
57
Modul 2
Modul 1 A
P
C
A
P
Modul 3 C
A
P
C
TE
C
N O
O
S
O
S
H2N
H2 N
SH
NH2
L-Cystein HO
S
L-Valin
O
L--Aminoadipinsäure
C-Domänen
H N
H 2N
SH
O HO
O
O
N H
O HO
-(L--Aminoadipyl)-L-Cysteinyl-D-Valin
-Lactam-Antibiotika Abb. 3.7 Schematische Darstellung der Bildung nicht-ribosomaler Peptide durch nicht-ribosomale Peptidsynthetasen unter Verwendung von Aminosäuren als Ausgangssubstrat. Als Beispiel ist hier die aus drei Modulen bestehende pilzliche ACV-Synthetase gewählt, die den ersten Biosyntheseschritt bei der Bildung von β-Lactam-Antibiotika katalysiert. Jede Aminosäure (L-αAminoadipinsäure, L-Cystein, L-Valin) wird durch eine spezifische A-Domäne erkannt, aktiviert und an die nachgeschaltete P-Domäne gebunden. Die C-Domänen katalysieren dann die schrittweise Verknüpfung immer zweier Aminosäuren unter Bildung neuer Peptidbindungen. Das finale Tripeptid wird durch die Aktivität der am Ende integrierten TE-Domäne der nicht-ribosomalen Peptidsynthetase freigesetzt und durch weitere enzymatische Reaktionen zu Penicillin oder Cephalosporin C modifiziert (Abb. 5.5). Verändert nach: Keller NP, Turner G, Bennett JW (2005) Nat Rev Microbiol 3: 937–947
58
3
Physiologie
Die ACV-Synthetase besteht aus drei Modulen mit jeweils einer A-, P- und C-Domäne sowie einer am C-Terminus lokalisierten TE-Domäne, die die Freisetzung des gebildeten linearen Tripeptids aus den proteinogenen Aminosäuren L-Valin und L-Cystein sowie dem nicht-proteinogenen Substrat L-α-Aminoadipinsäure katalysiert (Abb. 3.7). Noch komplexer aufgebaut ist die Cyclosporin-Synthetase aus dem Schimmelpilz Tolypocladium inflatum, die das in der Humantherapie verwendete Immunsuppressivum Cyclosporin A bildet (Kap. 5.1.4, Abb. 5.6). Diese nicht-ribosomale Peptidsynthetase weist mit 15281 Aminosäuren eine enorme Größe auf und besteht aus elf Modulen, die für die Aktivierung und den Einbau der elf Aminosäuren des Endprodukts verantwortlich sind. Es fehlt eine TE-Domäne, sodass das entstehende Peptid durch Zyklisierung, d. h. Ringbildung, entlassen wird. Sieben der elf Module enthalten zwischen der A- und P-Domäne eine zusätzliche M-Domäne, woraus das Auftreten der sieben methylierten Aminosäuren im Endprodukt resultiert (Abb. 5.6). Diese Beispiele verdeutlichen, dass aus dem Aufbau der nicht-ribosomalen Peptidsynthetasen auch die Struktur des Endprodukts zu erklären ist. Inzwischen wurden durch Genomanalysen zahlreiche Gene in Pilzen identifiziert, die für nicht-ribosomale Peptidsynthetasen kodieren. In Aspergillus oryzae konnten so 18, in Aspergillus fumigatus und Aspergillus nidulans je 14 verschiedene nichtribosomale Peptidsynthetasen identifiziert werden. Die hohe Anzahl solcher Synthetasen in Schimmelpilzen spricht für deren vielfältigen Sekundärmetabolismus. Abschließend ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass die Biosynthese einiger pilzlicher Sekundärmetabolite durch eine Mischung von Polyketidsynthasen und nicht-ribosomalen Peptidsynthasen erfolgt. Als Beispiel kann Fusarin C genannt werden, ein Mykotoxin, das von dem pflanzenpathogenen Schimmelpilz Fusarium moniliforme gebildet wird (Tabelle 6.3). Das Verständnis der Biosynthese solcher Hybride aus Polyketiden und nicht-ribosomalen Peptiden sowie die Manipulation der kodierenden Gene ist eine Möglichkeit, Sekundärmetabolite mit neuen oder verbesserten z. B. pharmakologischen Eigenschaften zu erzeugen. Im Folgenden wird mit den Isoprenoiden eine weitere wichtige Gruppe pilzlicher Sekundärmetabolite beschrieben.
3.3.3
Isoprenoide
Schimmelpilze bilden neben den Polyketiden und nicht-ribosomalen Peptiden auch viele Sekundärmetabolite, die aufgrund ihrer Biosynthese als Iso-
3.3
Sekundärmetabolismus
59
prenoide klassifiziert werden können. Isoprenoide sind sekundäre Stoffwechselprodukte, deren Grundgerüst sich aus Isopren-Einheiten, d. h. C5-Kohlenstoffverbindungen, aufbaut und die daher im Allgemeinen eine durch fünf teilbare Anzahl von Kohlenstoffatomen besitzen. Zu den Isoprenoiden zählen u. a. die häufig in Schimmelpilzen gebildeten Terpene, Steroide und die Carotinoide. Ein Beispiel für Terpene stellt die Gruppe der Trichothecene dar, die von Schimmelpilzen wie Stachybotrys chartarum in großen Mengen gebildet werden und als Mykotoxine wirken (Kap. 6.3.1, Tabelle 6.3). Aber auch die von dem pflanzenpathogenen Pilz Gibberella fujikuroi (Kap. 2.3.4) gebildeten Gibberelline werden zu den Terpenen gezählt. Sie wirken bei befallenen Reispflanzen als Hormone und lösen ein übermäßiges Wachstum des Stiels aus, wodurch die Reispflanzen vor der Blüte brechen. Die beschriebenen Beispiele machen deutlich, dass auch die Isoprenoide in Schimmelpilzen Sekundärmetabolite mit einem breiten Aktivitätsspektrum darstellen. Wie aber werden sie gebildet? Die Biosynthese der Isoprenoide ist komplex und liefert eine Vielzahl von Isoprenoid-Intermediaten, die wieder als Vorläufermoleküle für die Terpene, Steroide und Carotinoide dienen (Abb. 3.8). Bei der Isoprenoid-Biosynthese wird als Ausgangssubstrat nicht Isopren selbst verwendet, sondern seine durch Aufnahme von zwei Phosphat-Resten aktivierte Form Isopentenyldiphosphat (IPP) und dessen Isomer Dimethylallyldiphosphat (DMAPP), die im Primärmetabolismus der Pilze gebildet werden (Abb. 3.4). Diese beiden Moleküle werden durch so genannte Prenyltransferasen zu den Isoprenoid-Intermediaten verknüpft. So werden beispielsweise IPP und DMAPP zu Geranyldiphosphat verbunden, das ein C10-Intermediat darstellt. Durch weitere Verknüpfungen von IPP-Molekülen entstehen mit Farnesyldiphosphat und Geranylgeranyldiphosphat C15- bzw. C20-Verbindungen, welche die Grundgerüste der Terpene, Steroide und Carotinoide darstellen (Abb. 3.8). Während Carotinoide durch die Reaktion zweier Moleküle Geranylgeranyldiphosphat entstehen, werden Terpene durch Zyklisierung, d. h. Ringbildung, der entsprechenden Isoprenoid-Intermediate gebildet. Die für diese Reaktion wichtigen Enzyme des pilzlichen Sekundärmetabolismus sind die sogenannten Terpen-Cyclasen. So katalysiert beispielsweise eine Sesquiterpen-Cyclase die Zyklisierung von Farnesyldiphosphat, wodurch die Sesquiterpene entstehen, zu denen auch die Trichothecene zu zählen sind (Abb. 3.8). Diese Moleküle weisen alle einen zyklischen C15-Körper als Grundgerüst auf, erhalten ihre strukturelle Vielfalt ähnlich wie die Polyketide und nichtribosomalen Peptide (Kap. 3.3.1 und 3.3.2) aber durch nachträgliche kom-
60
3
Physiologie
Isopren Aktivierung
O
P P
O
Dimethylallyldiphosphat (DMAPP)
O
P P
Isopentenyldiphosphat (IPP)
Indolalkaloide
P P
Dimethylallyldiphosphat (DMAPP) IPP
Prenyltransferase
O
TC
P P
Monoterpene (C10)
Geranyldiphosphat (GPP) IPP
Prenyltransferase TC O
P P
Sesquiterpene (C15) Steroide
Farnesyldiphosphat (FPP) IPP
Prenyltransferase TC O
Geranylgeranyldiphosphat (GGPP)
C50
P P
Diterpene (C20) Carotinoide
3.3
Sekundärmetabolismus
61
Abb. 3.8 Darstellung der Isoprenoid-Biosynthese ausgehend von den aktivierten C5-Isopren-Einheiten Isopentenyl (IPP)- und Dimethylallyldiphosphat (DMAPP). Durch Aktivität der Prenyltransferasen entstehen aus diesen Ausgangssubstraten die Isoprenoid-Intermediate Geranyl- (C10), Farnesyl- (C15) und Geranylgeranyldiphosphat (C20). Diese wiederum stellen die Grundgerüste zur Synthese von Steroiden, Carotinoiden oder Terpenen dar. Während Carotinoide aus zwei Geranylgeranyldiphosphat-Molekülen gebildet werden, entstehen Terpene immer durch Zyklisierung der Isoprenoid-Intermediate, wobei die Reaktion durch verschiedenste Terpen-Cyclasen (TC) katalysiert wird. Verändert nach: Keller NP, Turner G, Bennett JW (2005) Nat Rev Microbiol 3: 937–947
plexe Modifikationsreaktionen wie beispielsweise Methylierungen, Acetylierungen14 oder Oxygenierungen15. Einige pilzliche Terpen-Cyclasen konnten identifiziert und funktionell charakterisiert werden. Als Beispiel sei hier eine Terpen-Cyclase aus Gibberella fujikuroi genannt, die für die Bildung der Gibberelline notwendig ist. Zudem konnte die Aufklärung der Genomsequenzen vieler Schimmelpilze (Kap. 4.2.1) zur Identifizierung weiterer möglicher Terpen-Cyclasen beitragen. So besitzen z. B. Aspergillus oryzae und Aspergillus nidulans jeweils eine Terpen-Cyclase, während bei Aspergillus fumigatus ein vergleichbares Enzym fehlt. Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Bildung von Isoprenoiden und im Speziellen Terpenen artspezifisch und nicht so verbreitet unter den Schimmelpilzen ist wie beispielsweise die Bildung von Polyketiden und nicht-ribosomalen Peptiden, deren Enzyme in großer Zahl in vielen Schimmelpilzen zu finden sind (Kap. 3.3.1 und 3.3.2). Aktivierte Isopren-Einheiten wie das DMAPP können aber auch an zahlreiche aromatische16 Moleküle wie die Aminosäure Tryptophan gebunden werden und bilden somit neue sekundäre Stoffwechselprodukte wie beispielsweise die Indolalkaloide (Abb. 3.8). Da diese Gruppe der Sekundärmetabolite auch in Schimmelpilzen eine Rolle spielt, soll auf die Alkaloide an dieser Stelle näher eingegangen werden.
14
Als Acetylierung wird die Anlagerung einer Acetylgruppe (-CO-CH3) an ein Molekül bezeichnet. 15 Als Oxygenierung wird die Einführung eines Sauerstoffatoms in organische Verbindungen bezeichnet. 16 Als aromatische Moleküle werden in der organischen Chemie Verbindungen bezeichnet, die ein Ringsystem mit konjugierten Doppelbindungen besitzen.
62
3.3.4
3
Physiologie
Alkaloide
Als Alkaloide werden Sekundärmetabolite bezeichnet, die ein oder mehrere Stickstoff (N)-Atome als Bestandteil von Heterocyclen17 enthalten und häufig eine ausgeprägte pharmakologische Wirkung haben. Die Ausgangssubstrate der Alkaloide sind immer im Primärmetabolismus synthetisierte Aminosäuren, welche die Grundstruktur des Ringsystems festlegen (Abb. 3.4). Eine Einteilung der Alkaloide erfolgt daher nach den in ihnen enthaltenen Heterocyclen bzw. den Aminosäuren, von denen sie abgeleitet werden. Ihre Biosynthese ist vielfältig und in den meisten Fällen auch noch unbekannt. Alkaloide werden seit alters her von den Menschen als Gifte, Genuss-, Rausch-, aber auch Arzneimittel genutzt. Bisher konnten mehr als 10.000 Alkaloide identifiziert werden, die meisten davon werden von Pflanzen gebildet, so z. B. die der Öffentlichkeit sehr bekannten Alkaloide Morphin, Nicotin und Coffein. Aber auch Schimmelpilze bilden in ihrem Sekundärmetabolismus Alkaloide. Die wohl bekanntesten sind die so genannten Mutterkornalkaloide, die von dem pflanzenpathogenen Pilz Claviceps purpurea synthetisiert werden und sowohl potenzielle Giftstoffe darstellen, als auch in geringen Dosen als Arzneimittel eingesetzt werden (Kap. 6.3.1). Die Mutterkornalkaloide umfassen verschiedene organische Verbindungen, die als Indol-Alkaloide klassifiziert werden können, d. h. sie leiten sich von der Aminosäure Tryptophan ab. Ihr Biosyntheseweg ist der bisher am besten untersuchte. In einem ersten Schritt wird die Aminosäure Tryptophan mit der aktivierten Isopren-Einheit Dimethylallyldiphosphat (DMAPP, Kap. 3.3.3) durch eine Dimethylallyl-Tryptophan-Synthetase verknüpft. Nach der Methylierung des entstandenen Dimethylallyltryptophans folgt eine Reihe von Oxidationsreaktionen18, wobei zunächst das Intermediat Agroclavin und letztlich die Lysergsäure gebildet wird. Diese stellt die Basisstruktur der Mutterkornalkaloide dar (Infobox 6.1, Kap. 6.3.1). Lysergsäure kann dann beispielsweise mit einem durch eine nicht-ribosomale Peptidsynthetase (Kap. 3.3.2) gebildeten Tripeptid verknüpft werden, sodass die sogenannten Ergotamine
17
Als Heterocyclen werden zyklische Verbindungen bezeichnet, deren Ringgerüst aus mindestens zwei verschiedenen chemischen Elementen z. B. Kohlenstoff (C) und Stickstoff (N) besteht. 18 Als Oxidation wird eine chemische Reaktion definiert, die durch die Aufnahme von Sauerstoff bzw. die Abgabe von Wasserstoff gekennzeichnet ist. Generell wird ein Stoff, der bei einer Reaktion Elektronen abgibt, oxidiert.
3.3
Sekundärmetabolismus
63
entstehen. An diesem Beispiel wird bereits deutlich, wie vielfältig die Biosynthese der Alkaloide ist. Die Biosynthese anderer pilzlicher Indolalkaloide wie z. B. des Fumigaclavins und Fumitremorgens aus dem Schimmelpilz Aspergillus fumigatus wurden noch nicht aufgeklärt. Es wird aber angenommen, dass beispielsweise im Fall von Fumigaclavin die Biosynthese über Agroclavin erfolgt und damit die frühen Schritte übereinstimmend mit dem oben beschriebenen Biosyntheseweg der Mutterkornalkaloide sein könnten. Dafür sprechen auch die Ergebnisse aus Genomanalysen, die zur Identifizierung von sieben möglichen Dimethylallyl-TryptophanSynthetasen in Aspergillus fumigatus geführt haben. Insgesamt muss aber festgehalten werden, dass die Biosynthese der Alkaloide vielfältig ist und die Alkaloide nicht einem einheitlichen Syntheseweg entspringen. Abschließend lässt sich feststellen, dass sich Schimmelpilze durch einen extrem vielfältigen Sekundärmetabolismus auszeichnen und wahrscheinlich auch in Zukunft viele pilzliche Sekundärmetabolite identifiziert werden, die unterschiedlichste pharmakologische Eigenschaften besitzen und damit auch von großem angewandten Interesse sind.
Literatur zu Kapitel 3 Archer DB, Connerton IF, MacKenzie DA (2008) Filamentous fungi for production of food additives and processing aids. Adv Biochem Eng Biotechnol 111: 99–147 Griffin DH (1994) Fungal physiology. Wiley-Liss, Inc., New York Hoffmeister D, Keller NP (2007) Natural products of filamentous fungi: enzymes, genes, and their regulation. Nat Prod Rep 24: 393–416 Keller NP, Turner G, Bennett JW (2005) Fungal secondary metabolism – from biochemistry to genomics. Nat Rev Microbiol 3: 937–947 Meyer V (2008) Genetic engineering of filamentous fungi. Progess, obstacles and future trends. Biotechnol Adv 26: 177–185 Renneberg R (2007) Biotechnologie für Einsteiger. Elsevier GmbH, München Roth L, Frank H, Kormann K (1990) Giftpilze – Pilzgifte. Schimmelpilze – Mykotoxine. Vorkommen, Inhaltsstoffe, Pilzallergien, Nahrungsmittelvergiftungen. Ecomed, Landsberg am Lech Stryer L (1995) Biochemie. 4. Aufl. Spektrum, Heidelberg
4 Genetik
Die Genetik der Pilze ist eng an die Untersuchung von Schimmelpilzen geknüpft und ist bereits seit Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung. Letzteres hat besonders zwei Gründe; einerseits sind eine Reihe von Pilzen, darunter viele Schimmelpilze, gut unter Laborbedingungen zu halten und dienen als Modellorganismen für die Untersuchung von allgemeinen, zellbiologischen Fragestellungen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass Pilze sowohl als Pathogene als auch als Produzenten von Stoffen, die für den Menschen nützlich sind, eine große Rolle besonders in der Landwirtschaft, Lebensmitteltechnologie und chemisch-pharmazeutischen Industrie spielen (Kap. 3, 5 und 6). Daher herrscht seit Langem ein großes Interesse an den genetischen Grundlagen pilzlicher Lebensprozesse, die seit Anfang des letzten Jahrhunderts mit zellbiologischen und klassisch-genetischen Methoden untersucht werden. Mit dem Aufkommen molekularbiologischer Techniken in den 1970er Jahren erweiterte sich das Methodenspektrum für genetische Untersuchungen beträchtlich, was zu einer deutlichen Zunahme der Kenntnisse im Bereich der Schimmelpilzgenetik führte. In den letzten zehn Jahren wurden verschiedene Hochdurchsatztechniken wie Sequenz- und Expressionsanalysen entwickelt, die nochmals einen großen Fortschritt bei der Erforschung der genetischen Basis pilzlicher Biologie ermöglicht haben (Kap. 4.2). In den folgenden Kapiteln werden einige Methoden und Ergebnisse zur pilzlichen Genetik vorgestellt. Viele Untersuchungen wurden zuerst mit der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae durchgeführt, aber neben diesem Einzeller haben auch Schimmelpilze eine bedeutende Rolle bei der Erforschung genetischer Grundlagen gespielt. Ein wesentlicher Vorteil der Schimmelpilze ist dabei ihre Fähigkeit, sehr schnell auf einer Vielzahl von Substraten zu wachsen, wodurch sie leicht unter Laborbedingungen vermehrt werden können. Viele Zygo- und Ascomyceten haben weiterhin den Vorteil, dass
66
4
Genetik
sie den größten Teil ihres Lebenszyklus haploid1 sind. Dadurch sind genetische Veränderungen sofort zu erkennen, da sie nicht durch eine zweite Kopie desselben Gens kompensiert werden können. Besonders die Schimmelpilze Neurospora crassa und Aspergillus nidulans werden bereits seit Jahrzehnten als Modellorganismen für Grundlagen- bzw. angewandte Forschung verwendet, da sie nicht nur die eben beschriebenen Eigenschaften besitzen, sondern auch zur sexuellen Fortpflanzung unter Laborbedingungen fähig sind. Dadurch können sie für klassisch-genetische Kreuzungsanalysen eingesetzt werden, was die Untersuchung genetischer Eigenschaften wesentlich erleichtert. Viele der im Folgenden beschriebenen Analysen wurden daher zuerst mit diesen beiden Schimmelpilzen durchgeführt. Ein Beispiel hierfür ist die Ein-Gen-ein-Enzym-Theorie, die durch die Analyse von Neurospora crassa-Mutanten aufgestellt werden konnte und für die George Beadle und Edward Tatum im Jahr 1958 den Nobelpreis erhielten (Infobox 4.1).
4.1
Genetische Veränderungen
Genetische Veränderungen, die zur Ausprägung neuer Phänotypen, also von physiologisch oder morphologisch verschiedenen Individuen führen können, sind die Grundlage evolutiver Prozesse, wie z. B. der Artentstehung. Solche genetischen Veränderungen können z. B. durch DNA-Rekombination während sexueller Prozesse zustande kommen, sie können aber auch durch Mutationen entstehen, die durch physikalische oder chemische Faktoren induziert werden können. Abgesehen von ihrer Bedeutung für die Evolution sind genetische Veränderungen bei Schimmelpilzen aber auch relevant für die Grundlagenforschung sowie zur Herstellung optimierter industrieller Stämme. In den folgenden Kapiteln werden diese beiden Aspekte näher behandelt.
1
Bei einem haploiden Organismus besitzt jeder Zellkern nur einen einzigen Chromosomensatz, was bedeutet, dass von jedem Gen nur eine einzige Kopie vorliegt. Bei diploiden Organismen befinden sich zwei Chromosomensätze in jedem Zellkern, sodass jedes Gen in zwei Kopien vorkommt. Bei Verlust einer Genkopie kann in einem diploiden Organismus die zweite Genkopie teilweise die fehlende Funktion ausgleichen, bei einem haploiden Organismus besteht diese Möglichkeit nicht.
4.1
Genetische Veränderungen
67
Infobox 4.1 Vom Gen zum Protein: Transkription und Translation Der Informationsgehalt der DNA (Desoxyribonukleinsäure, deoxyribonucleic acid), des Erbmaterials, ist durch die Reihenfolge der Nukleinsäurebasen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin in den DNA-Strängen festgelegt. Allerdings muss diese Information im Organismus entziffert und in biologische Eigenschaften umgesetzt werden. Dies geschieht in einem mehrstufigen Prozess, der hier nur kurz dargestellt werden soll: Von Bereichen der DNA, welche Informationen für Proteine enthalten (proteinkodierende Gene), wird zuerst eine Kopie in Form von RNA (Ribonukleinsäure, ribonucleic acid) hergestellt, die auch als Boten-RNA oder messenger RNA (mRNA) bezeichnet wird. Der Prozess der mRNA-Herstellung wird als Transkription bezeichnet. Die mRNA dient wiederum als Vorlage für die Herstellung der Proteine (Translation). Dabei enthalten jeweils drei aufeinanderfolgende Nukleinsäurebasen die Information für jeweils eine Aminosäure eines Proteins. Die Proteine bilden einerseits einen großen Teil des Strukturmaterials jeder Zelle, andererseits besitzen viele Proteine aber auch die Fähigkeit, chemische Reaktionen zu katalysieren und werden dann als Enzyme bezeichnet. So werden die meisten Zellbausteine wie z. B. Lipide oder Kohlenhydrate durch zelleigene Enzyme synthetisiert (Kap. 3.2). Ausserdem sind Proteine an der Weiterleitung von Signalen für die Kommunikation innerhalb der Zelle bzw. von Zellen untereinander verantwortlich. Etwas vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen, dass die DNA die Information für den Bau einer Zelle bzw. eines Organismus enthält, welche über mRNA in Proteine umgesetzt wird, die dann die eigentlichen „Bauarbeiten“ übernehmen. Der Prozess des Umsetzens der Information von DNA in Proteine wird auch als Genexpression bezeichnet. Da nicht alle Gene eines Organismus in jeder einzelnen Zelle gleichzeitig aktiv sind, muss die Genexpression zellspezifisch reguliert werden. Dafür sind wiederum verschiedene Proteine zuständig, u. a. die sogenannten Transkriptionsfaktoren. Sie können die Transkription bestimmter Gene fördern oder verhindern und somit deren Aktivität regulieren.
4.1.1
Konventionelle Mutagenese
Die Herstellung und Analyse von Mutanten, d. h. von genetisch veränderten Organismen, ist bereits seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Methoden der Grundlagen- und angewandten Forschung. Durch den Vergleich einer Mutante, bei der ein bestimmtes Gen zerstört ist, mit dem Wildtyp, bei dem das Gen intakt ist, können Rückschlüsse auf die Genfunktion gezogen werden. Weiterhin können durch das Einbringen von Mutationen Stämme erzeugt werden, die z. B. größere Mengen eines gewünschten Produkts produzieren als der Wildtypstamm (Kap. 4.1.3).
68
4
Genetik
Die Herstellung von Mutanten kann durch konventionelle Mutagenese geschehen, bei der physikalische oder chemische Faktoren einwirken und die DNA schädigen. Dies kann Mutationen, d. h. Veränderungen der Basenabfolge in der DNA, auslösen. Zu den physikalischen Faktoren zählen vor allem die Bestrahlung mit UV-Licht oder Röntgenstrahlen. Als chemische Agenzien können eine Reihe von Substanzen dienen, die sich meist in die DNA einlagern und dadurch die korrekte DNA-Replikation bei der Kernteilung verhindern. Hierdurch kann es zu Replikationsfehlern und somit zur Änderung der Basenabfolge eines DNA-Strangs kommen. Bei Hyphenpilzen werden oft Sporen mutagenisiert, wodurch es möglich ist, eine große Zahl von Individuen, d. h. einzelnen Sporen gleichzeitig mit dem mutagenen Agens zu behandeln und die aus den Sporen auskeimenden Myzelien dann auf ihren Phänotyp hin zu untersuchen. Je mehr Individuen untersucht werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Mutanten mit dem gewünschten Phänotyp zu erhalten. Ein weiterer Vorteil der konventionellen Mutagenese ist es, dass keine Fremd-DNA in den Organismus eingebracht wird. Es handelt sich bei den Mutanten daher nicht um gentechnisch veränderte Organismen (GVOs, Kap. 4.1.2), die gesondert behandelt werden müssten, da sie den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes unterliegen würden (Kap. 5.4). Dies ist besonders für die Handhabung der Organismen im Rahmen der industriellen Produktion von Bedeutung (Kap. 4.1.3). Ein Nachteil der konventionellen Mutagenese kann allerdings darin liegen, dass sie ungerichtet ist, also nicht gesteuert werden kann, welche Gene von der Einwirkung des mutagenen Agens getroffen werden. Dadurch ist es mit konventioneller Mutagenese auch nicht möglich, ein einzelnes Gen gezielt auszuschalten, wenn nicht schon vorher bekannt ist, welchen Phänotyp man erwartet und somit nach passenden Mutanten suchen kann. Die gezielte Veränderung einzelner Gene ist allerdings in den letzten Jahren mit Hilfe molekularbiologischer Methoden möglich geworden, wie im folgenden Kapitel beschrieben wird.
4.1.2
Gentechnische Veränderungen
Gentechnische Veränderungen der DNA eines Organismus können durch das Einbringen von DNA aus einem anderen Organismus erzeugt werden. Ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) ist demnach ein Organismus, dessen Zellen Fremd-DNA zusätzlich zu ihrer eigenen DNA enthalten. Das Einbringen von DNA in eine Zelle wird als Transformation bezeichnet (Infobox 5.1). Die ersten Organismen, die im Labor transformiert werden
4.1
Genetische Veränderungen
69
konnten, waren Bakterien; Transformationsmethoden für Eukaryoten wurden erst später entwickelt. Zu den ersten Eukaryoten, die überhaupt transformiert werden konnten, gehörte der Schimmelpilz Neurospora crassa, dessen Transformation bereits in den 1970er Jahren möglich war; wenig später gelang auch die Transformation von Aspergillus nidulans. Dies eröffnete ganz neue Möglichkeiten für die Analyse der Biologie von Eukaryoten im Allgemeinen und Schimmelpilzen im Besonderen. So ließ sich nun z. B. die DNA eines Gens in vitro, d. h. im Reagenzglas, mit molekularbiologischen Methoden verändern, und die veränderte DNA konnte mittels Transformation wieder in den Organismus eingebracht und ihre Auswirkungen auf den Phänotyp der Transformanten untersucht werden. Auf diese Weise werden gezielt Mutationen in bestimmte Gene eingebracht und ihr Effekt auf den Organismus studiert. Weiterhin ist es z. B. möglich, Fusionen von Pilzgenen mit Markergenen wie dem Gen für das Grün-fluoreszierende Protein (GFP) herzustellen und die Fusionsgene durch Transformation in Pilze einzubringen (Kap. 5.1.6). Auf diese Weise kann die Lokalisation eines Proteins in der Zelle ermittelt werden (Infobox 4.2). In den folgenden Abschnitten wird darauf eingegangen, wie gentechnisch veränderte Pilze erzeugt werden können. Außerdem werden einige Beispiele für die Anwendung gentechnisch veränderter Pilze zur Erforschung von Genfunktionen gegeben.
Die DNA-Transformation von Schimmelpilzen
Für die DNA-Transformation, d. h. das Einbringen von (fremder) DNA in Empfängerzellen, wurden verschiedene Methoden entwickelt. Sie beruhen meist darauf, die Zellwand zu zerstören oder Öffnungen in der Zellwand zu erzeugen, da diese eine Barriere für die Aufnahme von DNA darstellt. Weiterhin muss zusätzlich auch die Zellmembran geöffnet werden, da DNAMoleküle nicht einfach eine intakte Zellmembran passieren können. Für die Transformation von Hyphenpilzen werden hauptsächlich zwei Methoden verwendet: die Transformation von Protoplasten sowie die Transformation von Sporen mittels Elektroporation. Bei der Protoplastentransformation wird die Zellwand des Pilzes enzymatisch abgebaut. Die entstehenden zellwandlosen Zellen werden als Protoplasten bezeichnet. Sie runden sich ab, da sie nicht mehr durch die Zellwand in ihrer länglichen Hyphenform gehalten werden. Die Protoplasten werden zusammen mit der einzubringenden DNA in einem Puffer mit Calcium-Ionen inkubiert, der die Entstehung von Öffnungen in der Zellmemb-
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4
Genetik
Infobox 4.2 Das Grün-fluoreszierende Protein (GFP, green fluorescent protein)
10 μm
10 μm
Das Grün-fluoreszierende Protein GFP wurde im Jahr 1962 aus der Qualle Aequorea victoria isoliert und ist mittlerweile eines der wichtigsten Werkzeuge der biologischen und medizinischen Forschung. GFP zeigt bei Anregung mit blauem Licht eine Eigenfluoreszenz im Wellenlängenbereich des grünen Lichts, wodurch der Aufenthaltsort des GFP-Proteins in einem Organismus oder einer Zelle sichtbar wird. GFP kann dazu genutzt werden, andere Proteine, deren Aufenthaltsort bestimmt werden soll, zu markieren. Hierzu wird das Gen, das für das GFP-Protein kodiert, mit dem zu untersuchenden Gen fusioniert und in den Zielorganismus, z. B. einen Schimmelpilz, eingebracht. Der dadurch gentechnisch veränderte Schimmelpilz produziert dann ein sogenanntes Fusionsprotein, das aus dem pilzeigenen Protein sowie dem fluoreszierenden GFP-Anteil besteht. Das Fusionsprotein wird innerhalb des Pilzes an die Stelle transportiert, an die normalerweise das pilzeigene Protein gelangt. Im Unterschied zu diesem kann das
4.1
Genetische Veränderungen
71
Infobox 4.2 (Fortsetzung) Fusionsprotein aber durch seine Fluoreszenz in vivo, also in der lebenden Zelle, sichtbar gemacht werden. Wie in der Abbildung gezeigt, können dadurch das Cytoplasma (oben) oder Zellorganellen wie der Zellkern (unten) durch Fluoreszenzmarkierung angefärbt werden; die leuchtenden Bereiche der Zelle entsprechen dem Aufenthaltsort des Fusionsproteins. Neben dem ursprünglichen Grünfluoreszierenden Protein gibt es mittlerweile verschiedene Varianten, die wie in der Abb. (unten) gezeigt in anderen Farben leuchten. Hierdurch ist es möglich, verschiedenfarbige Fluoreszenzproteine in einer Zelle zu kombinieren und z. B. den Aufenthaltsort von mehreren Proteinen gleichzeitig zu ermitteln. Für die Entdeckung und Anwendung von GFP erhielten Osamo Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien im Jahr 2008 den Nobelpreis für Chemie.
ran fördert und somit das Eindringen der Fremd-DNA erlaubt. Bei der Elektroporation wird die Zellwand nicht abgebaut, sondern die Zellen, meist asexuelle Sporen, werden für eine kurze Zeit in ein starkes elektrisches Feld gebracht, wodurch Poren in Zellwand und Zellmembran entstehen können, durch welche die Fremd-DNA in die Zellen gelangen kann. Eine weitere Methode, nämlich das Einbringen von DNA unter Verwendung des Bakteriums Agrobacterium tumefaciens, kann ebenfalls bei Pilzen angewandt werden, dies wird in Infobox 4.3 beschrieben. Infobox 4.3 Gentechnische Veränderung von Pflanzen und Pilzen mit Hilfe eines natürlich vorkommenden, Pflanzen-transformierenden Bakteriums Zur Transformation mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens wird die Tatsache ausgenutzt, dass dieses Bakterium von sich aus die Fähigkeit besitzt, Pflanzen zu transformieren. Unter natürlichen Bedingungen bringt Agrobacterium tumefaciens einen Teil seiner DNA, die so genannte T-DNA, in Zellen seiner Wirtspflanzen ein. Dadurch kommt es bei der Wirtspflanze zu Wurzelhalstumoren, da einige Gene auf der T-DNA für Faktoren kodieren, die unkontrollierte Zellwucherungen des pflanzlichen Gewebes induzieren. Es wurde bereits früh erkannt, dass Agrobacterium tumefaciens und seine T-DNA geeignet sind, um pflanzliche Zellen unter Laborbedingungen zu transformieren. Hierzu wurden die tumorinduzierenden Gene der T-DNA entfernt, stattdessen können Gene eingefügt werden, die Ziel der jeweiligen Untersuchung sind. 1998 konnte dann gezeigt werden, dass Agrobacterium tumefaciens nicht nur Pflanzen, sondern auch Pilze transformieren kann, unter anderem verschiedene Aspergillus-Arten sowie Neurospora crassa.
72
4
Genetik
Die Selektion von Transformanten
Nach jeder Transformation ist es erforderlich, die Zellen zu ermitteln, welche die Fremd-DNA tatsächlich aufgenommen haben, da dies normalerweise nur für einen Bruchteil aller zur Transformation eingesetzten Zellen zutrifft. Daher werden sogenannte Selektionsmarker eingesetzt. Dabei handelt es sich um Gene, die zusammen mit den zu untersuchenden Genen auf der zu transformierenden DNA kodiert werden, und die den transformierten Zellen unter bestimmten Bedingungen ein Wachstum ermöglichen, während die nicht-transformierten Zellen unter den gleichen Bedingungen absterben. Es werden hauptsächlich zwei Typen von Selektionsmarkern benutzt, nämlich Resistenzgene und Auxotrophiegene (Kap. 3.1.2). Bei Letzteren handelt es sich meist um Gene, die für Enzyme aus Biosynthesewegen des Primärstoffwechsels kodieren, z. B. Gene, die für die Synthese von Aminosäuren oder Nukleotiden essenziell sind. Wenn solche Gene als Selektionsmarker eingesetzt werden sollen, muss der Rezipient (Empfänger-Organismus) eine Mutation in dem betreffenden Gen tragen, durch die das Gen nicht mehr funktionsfähig ist. Untransformierte Zellen sind dann auf die Zufuhr der entsprechenden Aminosäure etc. angewiesen, während transformierte Zellen sie wieder selbst synthetisieren und daher auf einem Medium ohne den Nahrungszusatz überleben können. Der Vorteil von Auxotrophiegenen als Selektionsmarker ist, dass keine teuren Substanzen für die Selektion benötigt werden; der Nachteil ist, dass eine Mutante des betreffenden Gens als Rezipient zur Verfügung stehen muss. Letzteres entfällt, wenn statt eines Auxotrophiegens ein Resistenzgen als Selektionsmarker verwendet wird. In diesem Fall vermittelt der Selektionsmarker eine Resistenz gegen ein bestimmtes Antibiotikum, sodass Transformanten auf einem Medium mit Antibiotikum wachsen können, während die nicht transformierten Zellen absterben. Für die Transformation von Hyphenpilzen stehen eine ganze Reihe von meist bakteriellen Resistenzgenen sowie die zugehörigen Antibiotika zur Verfügung (Tabelle 4.1).
Die Erzeugung von Deletionsmutanten durch homologe Rekombination
Bei Hyphenpilzen, ähnlich wie bei vielen anderen Eukaryoten, integriert die eingebrachte DNA meist ektopisch, d. h. an beliebiger Stelle im Genom. Die homologe Rekombination, die Rekombination mit einer bereits vorhandenen Kopie der eingebrachten DNA im Genom des Pilzes, ist ein seltenes Ereignis. Dies ist ein Nachteil, wenn ein bestimmtes Gen gezielt durch ein ande-
4.1
Genetische Veränderungen
73
Tabelle 4.1 Antibiotika-Resistenzgene, die zur Selektion von Pilz-Transformanten genutzt wer-
den Gen
Herkunftsorganismus
Genprodukt
vermittelt Resistenz gegen
bar
Streptomyces hygroscopicus
PhosphinotricinAcetyltransferase
Phosphinotricin
ble
Streptoalloteichus hindustanus
Phleomycin-Bindeprotein
Phleomycin
hph
Escherichia coli
Hygromycin BPhosphotransferase
Hygromycin B
nat1
Streptomyces noursei
NourseothricinAcetyltransferase
Nourseothricin
ptrA
Aspergillus oryzae
Thiamin-Biosynthesegen
Pyrithiamin
tub
verschiedene Hyphenpilze
mutiertes β-Tubulin
Benomyl
res ausgetauscht werden soll. Solch ein Austausch kann z. B. dazu genutzt werden, ein Gen, dessen Funktion untersucht werden soll, durch ein Selektionsgen zu ersetzen (Abb. 4.1). Hierdurch erhält man einen sogenannten Knockout- oder Deletionsstamm, dem das betreffende Gen fehlt, wodurch die Auswirkung der Deletion eines spezifischen Gens untersucht werden kann. Bis vor wenigen Jahren war es meist nötig, hunderte von Transformanten zu untersuchen, um eine Transformante mit dem gewünschten homologen Rekombinationsereignis zu finden. Kürzlich konnte aber eine Methode identifiziert werden, um fast ausschließlich Transformanten zu erhalten, bei denen das gewünschte homologe Rekombinationsereignis eingetreten ist. Hierzu wurden Mutanten erzeugt, bei denen die Gene, welche die ektopische Rekombination ermöglichen, ausgeschaltet wurden. Dabei handelt es sich um Gene, die für das non-homologous end joining benötigt werden, welches die molekulare Grundlage für die ektopische Rekombination darstellt. Die Mutanten können daher fast nur noch homologe Rekombination durchführen. Solche Mutanten gibt es mittlerweile für viele Schimmelpilze, und ihre Verwendung als Rezipienten für die Transformation erlaubt die schnelle und gezielte Herstellung von Knockout-Stämmen durch homologe Rekombination. Für den Schimmelpilz Neurospora crassa wurden auf diese Weise bereits Deletionsmutanten für ca. 5.000 verschiedene Gene hergestellt, dies sind fast 50% der im Genom von Neurospora crassa vorhergesagten Gene (Kap. 4.2.1). Mit Hilfe dieser Mutanten wird es möglich sein, die Funktion vieler unbekannter Gene bei Schimmelpilzen zu analysieren. Einige Beispiele für die Verwendung von Deletionsmutanten zur
74
4
Genetik
zur Transformation eingesetzte DNA Selektionsmarker
genomische DNA des Rezipienten Zielgen ATG
TAA homologe Rekombination
genomische DNA eines Knockout-Stamms Selektionsmarker d3
d4
d1
d2
0.5 kb
Abb. 4.1 Erzeugung von Deletionsmutanten (Knockout-Stämmen) durch homologe Rekombina-
tion. Die zur Transformation eingesetzte DNA enthält stromaufwärts und stromabwärts gelegene Bereiche (hellgrüne Balken) des zu deletierenden Gens, welche einen Selektionsmarker (roter Balken) flankieren. Nach homologer Rekombination mit der DNA des Rezipientenstammes ersetzt der Selektionsmarker das zu deletierende Gen (Zielgen, dunkelgrün). Die durch Pfeile gekennzeichneten Oligonukleotide d1, d2, d3 und d4 können zur Überprüfung der homologen Rekombination mittels PCR eingesetzt werden. Dazu wird jeweils ein Oligonukleotid innerhalb des Selektionsmarkers (d1 bzw. d4) mit einem zweiten Oligonukleotid (d2 bzw. d3) kombiniert, das in einem Bereich bindet, der nicht Teil der zur Transformation eingesetzten DNA ist (blau). ATG, TAA: Start- bzw. Stoppcodon für die Translation
Erforschung menschlicher Krankheiten werden im folgenden Abschnitt beschrieben. Neben dem gezielten Entfernen von Genen durch die Transformation ist die Veränderung der Genaktivität ein weiterer Aspekt. Besonders bei Genen, die für das Leben des Pilzes essenziell sind, ist eine vollständige Deletion meist nur schwer oder gar nicht möglich, da keine lebensfähigen Transformanten entstehen. Oftmals ist aber eine Transformante mit etwas verringerter Genaktivität lebensfähig und erlaubt die Untersuchung der Effekte einer eingeschränkten Genaktivität auf die Biologie des Pilzes. Eine derartige Herabregulation der Genaktivität ist z. B. durch die so genannte RNA-Interferenz (RNAi) möglich, einer erst vor wenigen Jahren entdeckten Möglichkeit der Genregulation (Infobox 4.4).
4.1
Genetische Veränderungen
75
Infobox 4.4 Eine neue, vielseitige Methode zur Analyse von Genfunktionen: Die RNA-Interferenz (RNAi)
Wildtyp
RNAi-Transformante
Zielgen
Zielgen
ZielgenmRNA
RNAi-Konstrukt
ZielgenmRNA
RNAiTranskript
siRNAs
Abbau der mRNA
Zielprotein
kein Zielprotein
RNAi tritt bei fast allen bisher untersuchten Eukaryoten auf. Sie kann z. B. durch doppelsträngige RNA (dsRNA) hervorgerufen werden und führt zum Abbau sämtlicher Kopien dieser RNA in der Zelle. Das Phänomen wird experimentell genutzt, um die Expression von Genen gezielt herabzuregulieren. In der Praxis
76
4
Genetik
Infobox 4.4 (Fortsetzung) werden Pilze mit einem RNAi-Konstrukt transformiert, das invers orientierte Bereiche des Zielgens enthält. Von dem RNAi-Konstrukt wird eine RNA transkribiert, die sich zu einem Doppelstrang zusammenlagert. Diese dsRNA wird zu siRNAs (small interfering RNAs) abgebaut, welche wiederum die mRNA des Zielgens binden können, was deren Abbau verursacht. In dem hier gezeigten Beispiel wurde die Aktivität eines Gens, das an der Ausbildung eines Sporenfarbstoffs beteiligt ist, herabreguliert. Der Wildtyp besitzt grünliche Sporen, die RNAi-Transformante dagegen nicht-pigmentierte Sporen. RNAi dient unter natürlichen Bedingungen vermutlich hauptsächlich dazu, die Verbreitung mobiler genetischer Elemente wie Transposonen oder Viren einzuschränken. Weiterhin nutzen viele Eukaryoten Varianten von RNAi zur Regulation ihrer Genaktivität. Das gezielte Auslösen von RNAi zur Verringerung der Expression eines bestimmten Gens ist seit einigen Jahren eine wichtige und weit verbreitete Methode zur Analyse von Genfunktionen. Für ihre Forschungen zur Wirkung und Anwendung von RNAi erhielten Andrew Fire und Craig Mello im Jahr 2006 den Nobelpreis für Medizin.
Schimmelpilze als Modellsysteme zur Erforschung menschlicher Krankheiten
Viele menschliche Krankheiten lassen sich auf Defekte in bestimmten Genfunktionen zurückführen. Die molekularbiologische Untersuchung der entsprechenden Gene kann teilweise im Tiermodell erfolgen, allerdings fällt diese Möglichkeit aus, wenn der Verlust des zu untersuchenden Gens bereits in einem frühen Entwicklungsstadium tödlich ist. In solchen Fällen können manchmal Untersuchungen in Schimmelpilzen vorgenommen werden, bei denen Deletionsmutanten in den homologen Genen oftmals lebensfähig sind. Ein Beispiel hierfür ist die Analyse von Genen, die für Enzyme kodieren, welche am Abbau der Aminosäure Phenylalanin beteiligt sind (Abb. 4.2). Phenylalanin wird sowohl im Menschen als auch im Schimmelpilz Aspergillus nidulans in mehreren Stufen zu Fumarat und Acetoacetat abgebaut. Das Fehlen der Enzymaktivität verschiedener Schritte dieses Abbauweges führt beim Menschen zu schweren Stoffwechselstörungen. Der Verlust der Homogentisat-Dioxygenase-Enzymaktivität erzeugt die sogenannte Alkaptonurie, eine Erkrankung, die durch Dunkelfärbung des Urins sowie Pigmentablagerungen in den Gelenken und dadurch verursachte Arthritis gekennzeichnet ist. Fehlende Fumarylacetoacetat-Hydrolase-Aktivität führt zu einer Typ-I-Tyrosinämie, die zu schweren Leberschäden und Entwicklungsstörungen mit tödlichem Ausgang im Kindesalter führen kann.
4.1
Genetische Veränderungen
77
Phenylalanin
Homogentisat
hmgA
HomogentisatDioxygenase
Aspergillus nidulans: Phänotyp hmgA-Mutante rotes Pigment im Medium kein Wachstum auf Phenylalanin
Mensch: Alkaptonurie dunkles Pigment im Urin Arthritis
Aspergillus nidulans: Phänotyp fahA-Mutante Succinylaceton im Medium kein Wachstum auf Phenylalanin
Mensch: Tyrosinämie vom Typ I Succinylaceton im Urin Leberschäden Entwicklungsstörungen
Maleylacetoacetat
Fumarylacetoacetat
fahA
FumarylacetoacetatHydrolase
Fumarat + Acetoacetat Abb. 4.2 Schimmelpilzmutanten als Modellsysteme für die Untersuchung menschlicher Krank-
heiten. Durch homologe Rekombination wurden in Aspergillus nidulans Mutanten in den Genen hmgA und fahA hergestellt. Die von diesen Genen kodierten Enzyme sind am Abbau der Aminosäure Phenylalanin beteilig. Das Fehlen der entsprechenden Enzymaktivität beim Menschen führt zu den erblichen Krankheiten Alkaptonurie bzw. Tyrosinämie. Bei Aspergillus nidulans resultiert die Deletion der beiden Gene auf molekularer Ebene in ähnlichen Symptomen wie beim Menschen
Die Alkaptonurie war die erste Krankheit, bei der festgestellt wurde, dass es sich um eine genetisch bedingte, vererbbare Erkrankung handelte. Dies konnte Archibald Garrod durch Untersuchungen von Familien mit betroffenen Mitgliedern bereits im Jahr 1902 zeigen. Im Jahr 1958 wurde die Krankheit dann auf fehlende Homogentisat-Dioxygenase-Aktivität zurückgeführt; allerdings war das Gen, welches für dieses Enzym kodiert, weiterhin unbekannt. Durch Untersuchungen an Aspergillus nidulans gelang es
78
4
Genetik
1995 zum ersten Mal, ein Gen für die Homogentisat-Dioxygenase zu identifizieren und durch homologe Rekombination eine Knockout-Mutante in diesem Pilz herzustellen. Die Analyse dieser Mutante ergab, dass bei Aspergillus nidulans auf molekularer Ebene ähnliche Defekte auftreten wie bei Menschen, die an Alkaptonurie leiden, wodurch der Zusammenhang von fehlender Genaktivität und Erkrankung hergestellt werden konnte. Gleiches wurde für eine Mutante in dem Gen für die Fumarylacetoacetat-Hydrolase gezeigt. Auch diese Mutante wurde durch homologe Rekombination hergestellt und weist ähnliche Störungen im Zellstoffwechsel auf, wie sie bei Tyrosinämie-Patienten auftreten (Abb. 4.2). Da die entsprechende Aspergillus nidulans-Mutante auf geeigneten Medien aber durchaus lebensfähig ist, während die Mutation des Gens bei Säugern letal ist, kann nun ein Schimmelpilz als Modell für weitere Analysen von Ursachen und möglichen Therapien verwendet werden.
4.1.3
Stammoptimierung
Ein Bereich, in dem genetische Veränderungen bei Schimmelpilzen eine besonders große Rolle spielen, ist die Erzeugung von Hochleistungsstämmen für die industrielle Produktion. Schimmelpilze sind nämlich in der Lage, verschiedenste Stoffe zu synthetisieren, die für Anwendungen in der Lebensmittelherstellung, der chemischen Industrie sowie der Medizin genutzt werden (Kap. 5). Um diese Substanzen zu erhalten, werden Schimmelpilze in Nährlösungen in Fermentern angezogen, die je nach Pilz und gewünschter Substanz ein Volumen von tausenden bis 100.000 Litern annehmen können (Kap. 5.1). Stämme, die für die Fermentation eingesetzt werden sollen, müssen bestimmten Anforderungen genügen, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird.
Eigenschaften von Produktionsstämmen
Produktionsstämme sollen einerseits möglichst viel des gewünschten Produkts synthetisieren, andererseits aber möglichst wenig Nebenprodukte oder andere unerwünschte Substanzen bilden, die bei der Produktaufreinigung stören könnten. Weiterhin sollen sie unter Fermentationsbedingungen ein ausreichend gutes Wachstum aufweisen und dabei möglichst preisgüns-
4.1
Genetische Veränderungen
79
tige Nährstoffe verwerten, um eine wirschaftliche Fermentation zu gewährleisten. Wildtypstämme, die aus der Natur isoliert werden, sind für die Fermentation meistens ungeeignet, da sie oft nur wenig gewünschtes Produkt bilden, dafür aber viele andere Substanzen, die bei Anzucht und Aufreinigung störend wirken. Es wurde jedoch bereits früh erkannt, dass durch wiederholte Zufallsmutagenese und Selektion von Mutanten Stämme erzeugt werden können, die ein Vielfaches der Produktmenge des Ausgangsstammes bilden und somit besser für die industrielle Produktion geeignet sind. Ein Beispiel hierfür ist die Produktion des Antibiotikums Penicillin durch Penicillium chrysogenum (Kap. 5.1.3). Der im Jahr 1951 isolierte Stamm NRRL 1951 produzierte relativ geringe Mengen an Penicillin, diese konnten aber durch wiederholte Mutagenese- und Selektionsrunden im Laufe weniger Jahre um das fast 40-fache gesteigert werden (Abb. 4.3, Infobox 5.1). Heute industriell verwendete Stämme produzieren noch weit mehr Peni-
2500 3xC, 4xS
μg/ml Penicillin
2000
1500 UV, 4xS, C 1000
500 S, X, UV 0
NRRL 1951
Q176
49-133
53-399
Abb. 4.3 Steigerung der Penicillin-Produktion durch Stammoptimierung von Penicillium chry-
sogenum. Durch wiederholte Mutagenese und Selektion von Stämmen mit hoher Penicillin-Produktion wurde der Stamm 53–399 erzeugt, der ca. 40-mal soviel Penicillin produziert wie der Ausgangsstamm NRLL 1951. C, chemische Mutagenese; S, Selektion von Spontan-Mutanten; UV, Mutagenese durch ultraviolette Strahlung; X, Mutagenese durch Röntgenstrahlung. Verändert nach: Backus MP und Stauffer JF (1955) Mycologia 47: 429–463 und Demain AL und Elander RP (1999) Antonie van Leeuwenhoek 75: 5–19
80
4
Genetik
cillin, die genauen Mengen und der Herstellungsweg der Stämme werden jedoch oft nicht öffentlich gemacht. Ein oft beobachtetes Phänomen bei der Herstellung von Produktionsstämmen ist allerdings, dass die erzeugten Stämme sich nicht nur in Bezug auf ihre Stoffwechselleistungen von den Wildtypstämmen unterscheiden, sondern auch im Hinblick auf ihre Morphologie. So bilden z. B. Produktionsstämme von Penicillium chrysogenum oft wesentlich weniger Konidiosporen und sind weniger pigmentiert als der Wildtypstamm. Weiterhin zeigen sie häufig auch ein verringertes Myzelwachstum. Diese deutlich veränderten Phänotypen entstehen dadurch, dass Produktionsstämme meist nicht nur eine, sondern viele Mutationen tragen, die oftmals nicht nur bestimmte Stoffwechselwege, sondern auch andere Aspekte der pilzlichen Biologie beeinflussen. Die Stämme sind damit meist deutlich weniger widerstandsfähig als der Wildtyp und sind zumeist auch genetisch instabil, d. h. sie neigen zu Reversionen2 oder spontanen Mutationen, die wiederum oft zu einer Verringerung der Produktionsleistung führen. Daher ist es in der Regel nicht ausreichend, einmal einen Produktionsstamm für eine bestimmte Substanz hergestellt zu haben, sondern die Stammoptimierung ist vielmehr ein konstanter Prozess, in dem aus geeigneten Ausgangsstämmen immer wieder neue Produzentenstämme erzeugt werden müssen.
Herstellung von Produktionsstämmen
Für die Herstellung von Produzentenstämmen werden in den meisten Fällen konventionelle Mutageneseverfahren eingesetzt (Kap. 4.1.1). Zu Beginn der Optimierung von Stämmen Mitte des letzten Jahrhunderts war dies ohnehin die einzige Möglichkeit, genetische Veränderungen in Schimmelpilzen vorzunehmen, da gentechnische Verfahren noch nicht zur Verfügung standen. Aber auch mit der Einführung molekularbiologischer und gentechnischer Methoden ist die klassische Mutagenese Grundlage der Stammoptimierung geblieben. Dies hat hauptsächlich zwei Gründe. Zum einen lassen sich durch gentechnische Verfahren zwar gezielt einzelne Gene verändern, es zeigte sich aber durch molekularbiologische Untersuchungen recht schnell, dass die Änderung der Aktivität eines einzelnen Gens normalerweise nicht aus-
2
Unter Reversion versteht man die Wiederherstellung des ursprünglichen Phänotyps durch eine weitere Mutation, die den ursprünglichen Zustand wiederherstellt oder die Effekte der ersten Mutation überdeckt.
4.2
Gesamtgenomanalyse
81
reicht, um z. B. aus einem Wildtypstamm einen Produzentenstamm zu generieren. Dies liegt daran, dass Stoffwechselwege meist auf vielfältige Weise reguliert werden und Änderungen in der Aktivität eines einzelnen Gens oft durch verschiedene Regulations- und Rückkopplungsmechanismen ausgeglichen werden. Es ist also im Normalfall die Kombination mehrerer Mutationen, die tatsächlich zu einer veränderten physiologischen Leistung eines Stammes führt. Dies kann durch konventionelle Mutagenese meist schneller erreicht werden, besonders wenn nicht genau bekannt ist, welche Gene eigentlich verändert werden müssen. In solchen Fällen ist die konventionelle Mutagenese und das anschließende Testen möglichst vieler Mutanten der geeignetste Weg, um Produktionsstämme zu identifizieren. Ein weiterer Grund, warum lange Zeit für die industrielle Produktion auf die Verwendung gentechnisch erzeugter Stämme verzichtet wurde, sind die im europäischen Raum recht strikten Vorschriften für die Verwendung von GVOs. Hierfür sind meist derart umfangreiche Genehmigungsverfahren sowie spezielle Produktionsanalagen nötig, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Eine Alternative bieten hier Verfahren, bei denen ausschließlich mit DNA transformiert wird, die aus dem zur Transformation eingesetzten Organismus selbst stammt. Da hierbei keine Fremd-DNA eingebracht wird, handelt es sich bei den Transformanten nicht um GVOs, und sie können problemlos für die Produktion eingesetzt werden.
4.2
Gesamtgenomanalyse
In den letzten Jahren wurde eine Reihe molekularbiologischer und bioinformatorischer3 Techniken entwickelt, welche nicht nur die Sequenzierung einzelner Gene, sondern ganzer Genome erlauben. Das erste eukaryotische Genom, das sequenziert wurde, war das der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Mittlerweile wurde eine Reihe von Genomen sequenziert, darunter auch viele Schimmelpilzgenome (Tabelle 4.2). Im Folgenden sollen einige charakteristische Eigenschaften pilzlicher Genome sowie verschiedene Anwendungen, die auf Genomsequenzen beruhen, näher erläutert werden.
3
Die Bioinformatik beschäftigt sich mit der Computer-gestützten Auswertung biologischer Daten. Dabei kann es sich u. a. um Sequenz- oder Strukturdaten, aber auch um physiologische Parameter wie Genexpressionsdaten handeln. Da meistens große Datenmengen anfallen, sind geeignete Datenbankstrukturen, leistungsfähige automatisierte Auswertprogramme und statistische Analysemethoden wichtige Grundlagen der modernen Bioinformatik.
82
4
Genetik
Tabelle 4.2 Genomgröße von Schimmelpilzen. Größe und Chromosomenzahl des haploiden
Genoms sowie Zahl der vorhergesagten Gene einiger Schimmelpilze. Als Vergleich sind die entsprechenden Daten für die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae, das Bakterium Escherichia coli sowie den Menschen angegeben. Weitere Informationen zu vielen Schimmelpilzgenomen gibt es auf der Webseite der Fungal Genome Initiative des Broad-Instituts (http://www.broad.mit. edu/annotation/fungi/fgi/index.html). Mb, Megabasenpaare Art
Genomgröße in Mb
Gene
Aspergillus clavatus
28
8
9100
Aspergillus flavus
37
8
12600
Aspergillus fumigatus
29
8
9900
Aspergillus nidulans
30
8
9500
Aspergillus niger
34
8
14200
Aspergillus oryzae
37
8
14000
Aspergillus terreus
29
8
10400
Botrytis cinerea
38
11a
16500
Fusarium graminearum
36
4
11700
Fusarium verticilloides
46
12
14200
Neosartorya fischeri
33
8
10400
Neurospora crassa
43
7
10000
Penicillium chrysogenum
32
4
12900
Phycomyces blakesleeanus
56
11
14800
Rhizopus oryzae
46
15
17500
Trichoderma reesei
34
7
9100
Saccharomyces cerevisiae
12
16
5500
3000
23
Homo sapiens Escherichia coli K12 a
Chromosomen
4,6
1
25000–40000 4300
unterschiedliche Chromosomenzahl in verschiedenen Stämmen
4.2.1
Genomics
Bereits vor der Sequenzierung von Gesamtgenomen wurden Analysen durchgeführt, um mehr über die Genome von Pilzen zu erfahren. Die Auftrennung vollständiger Chromosomen mittels Gelelektrophorese zeigte, dass die Chromosomenzahl von Hyphenpilzen recht variabel ist und je nach Spezies zwischen vier und 15 variieren kann (Tabelle 4.2). Die Genomgrö-
4.2
Gesamtgenomanalyse
83
ßen sind dagegen wesentlich einheitlicher und liegen meist zwischen 30 und 50 Mb (Megabasenpaaren). Im Vergleich zum Menschen (3.000 Mb) und höheren Pflanzen (> 100 Mb) haben Hyphenpilze damit eher kleine Genome. Seit 2003 konnte eine ganze Reihe pilzlicher Genome sequenziert werden, darunter auch viele Genome von Schimmelpilzen (Tabelle 4.2). Erste Analysen zeigten, dass die Genome vermutlich für 10.000 bis 20.000 Gene kodieren. Die Untersuchung der bisher bekannten Genomsequenzen ist allerdings keineswegs abgeschlossen, da die Komplexität auch kleiner Genome bereits so hoch ist, dass jede Analyse immer nur Teilaspekte eines Gesamtgenoms berücksichtigen kann. Aber bereits die ersten Einblicke in die Genome verschiedener Schimmelpilze haben interessante und teilweise unerwartete Erkenntnisse geliefert. Drei aktuelle Aspekte sollen hier näher betrachtet werden, nämlich die Suche nach Pathogenitätsfaktoren sowie Ergebnisse zum Sekundärmetabolismus und zu Genen für die sexuelle Entwicklung.
Pathogenitätsfaktoren
Pathogene Schimmelpilze können bei Pflanzen, Tieren oder dem Menschen Krankheiten auslösen (Kap. 6). Es gibt aber auch eine Reihe völlig apathogener Arten, und oftmals sind pathogene und apathogene Arten nah miteinander verwandt. Daher stellt sich die Frage, was diese Arten voneinander unterscheidet und eine Art zu einem Krankheitserreger macht, eine andere dagegen nicht. Bereits frühe molekularbiologische Analysen zeigten, dass die Pathogenität eines Organismus oft nicht nur von einem, sondern von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängt, die von verschiedenen Genen kodiert werden. Ein Vergleich der Genome zweier pathogener oder apathogener verwandter Arten ermöglicht es daher, auf der Ebene des Gesamtgenoms alle Gene zu identifizieren, durch die sich die beide Arten unterscheiden. Weiterhin können durch solche Vergleiche auch Gene identifiziert werden, deren DNA-Sequenz sich im Vergleich zum Gesamtgenom in dem pathogenen Organismus im Laufe der Evolution schneller verändert hat. Alle diese Gene sind als mögliche Pathogenitätsgene geeignete Kandidaten für eine weitere Analyse. So konnten im Genom des pathogenen Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus mehr als 500 Gene identifiziert werden, die nicht in den Genomen der verwandten, apathogenen Arten Aspergillus nidulans und Aspergillus oryzae anzutreffen sind. Viele dieser Gene kodieren für mutmaßliche, also putative Enzyme des Sekundärmetabolismus, worauf im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird.
84
4
Genetik
Gene für Enzyme des Sekundärmetabolismus
Bei Sekundärmetaboliten handelt es sich um Substanzen, die meist nur während bestimmter Lebensphasen eines Organismus produziert werden, die aber grundsätzlich für das Überleben des Organismus im Labor nicht benötigt werden. Besonders Pilze und Bakterien synthetisieren ein breites Spektrum an Sekundärmetaboliten (Kap. 3.3). Die chemische Natur der produzierten Stoffe ist sehr unterschiedlich, und ihre biologische Funktion für den Organismus ist in den meisten Fällen noch völlig unbekannt. Eine ganze Reihe von Sekundärmetaboliten besitzen allerdings eine pharmakologische Wirkung gegenüber verschiedensten Pro- und Eukaryoten, und viele dieser Stoffe werden daher industriell produziert und z. B. als Antibiotika oder Immunsuppressiva medizinisch genutzt (Kap. 5). Dies erklärt auch das große Interesse an neuen pilzlichen Sekundärmetaboliten, da gerade Pilze in der Lage sind, sehr viele und chemisch diverse Substanzen zu produzieren, von denen erst ein Bruchteil bekannt sind. Zwei Stoffgruppen, die von besonderem Interesse sind, sind die Polyketide und die nicht-ribosomalen Peptide, da die bisher bekannten Mitglieder dieser Substanzklassen fast ausnahmslos eine pharmakologische Wirkung aufweisen (Kap. 3.3). Die Enzyme, welche für die Biosynthese dieser Stoffe verantwortlich sind, werden als Polyketidsynthasen (PKS) bzw. nicht-ribosomale Peptidsynthetasen (NRPS) bezeichnet und werden von Genen mit einer charakteristischen Struktur und Sequenz kodiert (Kap. 3.3.1 und 3.3.2). Dies erlaubt es, durch Sequenzvergleiche von Gesamtgenomen einen relativ genauen Eindruck davon zu erhalten, für wie viele derartige Enzyme ein Pilzgenom kodiert. Erste Untersuchungen zeigten, dass in Schimmelpilzgenomen wesentlich mehr als die bisher bekannten Gene für PKS und NRPS enthalten sind. Die Genome verschiedener Aspergillus-Arten kodieren z. B. für jeweils bis zu 34 PKSund 18 NRPS-Gene. Welche Stoffe von diesen Enzymen synthetisiert werden, ist größtenteils noch unklar, aber da die Gene nach der Ermittlung der Gesamtgenomsequenz nun für weitere Untersuchungen zur Verfügung stehen, ist die Analyse wesentlich einfacher als vor der Genomsequenzierung.
Gene für die sexuelle Entwicklung
Ein weiterer überraschender Aspekt, der durch Genomsequenzierungen besonders deutlich wurde, ist die Verbreitung von Kreuzungstypgenen (Synonym: Paarungstypgene) bei Hyphenpilzen. Diese Gene wurden zuerst
4.2
Gesamtgenomanalyse
85
bei Ascomyceten wie Saccharomyces cerevisiae und Neurospora crassa entdeckt, bei denen die sexuelle Vermehrung genetisch analysiert wurde. In diesen Arten sind die Kreuzungstypgene essenziell für die sexuelle Entwicklung. Sie kodieren unter anderem für Transkriptionsfaktoren, welche die Aktivität weiterer Sex-Gene regulieren (Infobox 4.1). Wie im Kapitel 2.1.1 beschrieben, wurden bei vielen Schimmelpilzen bislang keine Stadien der sexuellen Vermehrung gefunden. So war es lange Zeit fraglich, ob Pilze, bei denen keine sexuelle Vermehrung bekannt ist, sich tatsächlich ausschließlich asexuell vermehren. Die Genomsequenzierungen der letzten Jahre haben diese Frage zwar noch nicht vollständig beantworten können, die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass auch viele asexuelle Pilze durchaus die Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung haben könnten: In den bisher sequenzierten Genomen sämtlicher als asexuell bekannter Hyphenpilze wurden nämlich Kreuzungstypgene gefunden! Weiterhin konnte bereits für einige Arten gezeigt werden, dass diese Gene auch exprimiert werden, was darauf hindeutet, dass sie funktionell sind (Infobox 5.2). Dies ist noch kein Beweis dafür, dass sich diese Pilze tatsächlich sexuell vermehren, lässt aber diese Möglichkeit wahrscheinlich werden. Hier sind weitere, experimentelle Untersuchungen nötig, um die mögliche Funktion der Kreuzungstypgene für diese Pilze zu entschlüsseln.
4.2.2
Transcriptomics
Zeitgleich mit der Sequenzierung ganzer Genome wurden auch Methoden entwickelt, mit denen die Aktivität vieler oder aller Gene eines Genoms parallel untersucht werden kann. Die Expression proteinkodierender Gene geht in mehreren Stufen vor sich: zuerst werden die Gene transkribiert, und die entstehende mRNA wird dann als Matrize für die Translation, d. h. die Herstellung eines Proteins (des Genprodukts) verwendet (Infobox 4.1). In vielen Fällen korreliert die mRNA-Menge eines Gens recht gut mit der Menge des später entstehenden Proteins, sodass die transkriptionelle Expression eines Gens oft Rückschlüsse auf das Vorhandensein des Genprodukts erlaubt. Techniken, mit denen analysiert werden kann, welche Gene eines Genoms, z. B. in einem bestimmten Zelltyp, während eines definierten Entwicklungszustands oder unter bestimmten Umweltbedingungen, transkribiert werden, erlauben daher einen Einblick in die Dynamik eines Genoms im lebenden Organismus. Das transkriptionelle Genexpressionsmuster während bestimmter Entwicklungsstadien etc. ist für einen Organismus oder
86
4
Genetik
Zelltyp genauso charakteristisch wie seine Stoffwechselleistungen oder seine Morphologie. Für die Summe aller Transkripte, die zu einem Zeitpunkt oder unter bestimmten physiologischen Bedingungen in einem Organismus gebildet werden, wurde der Begriff Transkriptom gewählt.
Expressionsanalysen mit Mikroarrays: Die Technik
Es gibt verschiedene Methoden, um das Transkriptom eines Organismus oder Zelltyps zu ermitteln. Hierzu zählen unter anderem sogenannte expressed sequence tag (EST)-Sequenzierungen, serial analysis of gene expression (SAGE) und Mikroarray-Techniken. Besonders weite Verbreitung haben die Mikroarrays gefunden, die daher hier näher beschrieben werden sollen. Für die beiden anderen Methoden sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Die Mikroarray-Technologie ist eine Hochdurchsatz-Anwendung, welche die gleichzeitige Hybridisierung4 hunderter bis tausender Träger-gebundener DNA-Sonden ermöglicht. Die Mikroarrays werden hergestellt, indem die DNA für jedes Gen eines Organismus punktförmig auf einen Träger aufgebracht wird (Abb. 4.4). Bei den Trägern handelt es sich normalerweise um Kunststoffmembranen oder Glas-Objektträger, wie sie z. B. auch für die Mikroskopie verwendet werden. Die aufgebrachten DNA-Punkte (Spots) sind recht klein, meist nur wenige Mikrometer im Durchmesser, sodass alle Gene eines Organismus durch Spots auf einer Fläche von wenigen Quadratzentimetern repräsentiert werden können. Mikroarrays werden besonders für Expressionsanalysen verwendet, lassen sich aber auch für andere Untersuchungen einsetzen, auf die in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen wird. Für Expressionsstudien werden die DNA-Sonden auf dem Trägermaterial mit revers transkribierter RNA, dem Target hybridisiert (Abb. 4.4). Bei der reversen Transkription wird ausgehend von der mRNA als Matrize eine sogenannte cDNA (copy-DNA) synthetisiert, die dann für die Hybridisierung des Mikroarrays genutzt werden kann. Viele Mikroarrays erlauben
4
Unter Hybridisierung versteht man die Zusammenlagerung zweier DNA-Stränge zu einem DNA-Doppelstrang. Dies funktioniert nur, wenn es sich um komplementäre DNA-Stränge handelt, d. h. wenn sie eine zueinander passende Nukleotidsequenz haben. Wenn man also die Nukleotidsequenz eines der beteiligten DNA-Stränge kennt, ist damit auch die Sequenz des zweiten Stranges eindeutig. Mit einer Hybridisierung können also DNA-Stränge mit einer bestimmten Sequenz nachgewiesen werden.
4.2
Gesamtgenomanalyse
87
Mikroarray-Herstellung
Target-Herstellung
cDNA-Fragmente oder Oligonukleotide: spotting auf Objektträger
RNA: reverse Transkription und Kopplung an Fluoreszenzfarbstoffe
Stamm 1: Cy3
jeder Spot repräsentiert ein Gen
Stamm 2: Cy5
fluoreszenzmarkierte cDNA
Hybridisierung des Arrays mit den Targets
Scannen von Cy3- und Cy5-Fluoreszenz: 2 Bild-Dateien
Vergleich der Fluoreszenzstärke: Welche Gene sind in Stamm 1 stärker oder schwächer exprimiert als in Stamm 2? Expression stärker in Stamm 1 Expression schwächer in Stamm 1 Expression gleich in beiden Stämmen Abb. 4.4 Das Prinzip eines Mikroarray-Experiments zum Vergleich der Genexpression in zwei verschiedenen Pilzstämmen. Weitere Erläuterungen im Text
88
4
Genetik
die gleichzeitige Hybridisierung mit zwei Targets, die mit verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen markiert sind (Abb. 4.4). Nach der Hybridisierung wird die Stärke der Fluoreszenz für die beiden Farbstoffe ermittelt, und die entstehenden Fluoreszenzbilder können für weitere Analysen verwendet werden. Die Stärke der Fluoreszenz für jeden Spot ist dabei ein Maß für die relative Menge an mRNA, die von diesem Gen synthetisiert wurde.
Expressionsanalysen mit Mikroarrays: Anwendungen bei Schimmelpilzen
Mikroarrays, auf denen Spots für jedes Gen im Genom vertreten sind, wurden für eine Reihe von Schimmelpilzen entwickelt, so z. B. für Neurospora crassa und verschiedene Aspergillus-Arten. Diese Arrays wurden dazu genutzt, um vielfältige Aspekte der Biologie von Schimmelpilzen zu erforschen. So kann mit Hilfe von Mikroarray-Expressionsanalysen festgestellt werden, welche Gene für Stoffwechselwege oder Signaltransduktionswege unter bestimmten physiologischen Bedingungen oder in verschiedenen Stämmen stärker oder schwächer exprimiert sind. Unter Einbeziehung von Informationen aus Gesamtgenomsequenzierungen kann weiterhin auch festgestellt werden, welche Gene nicht nur gleichzeitig transkribiert werden, sondern auch nebeneinander im Genom liegen; im letzteren Fall wird von einem Gencluster gesprochen. Dies ist unter anderem bei Schimmelpilzen von Bedeutung, die für die industrielle Produktion von Sekundärmetaboliten eingesetzt werden, da viele der Gene für die Produktion von Antibiotika etc. im Genom von Schimmelpilzen als Cluster vorliegen (Kap. 3.3). Mikroarray-Analysen erlauben neben der Untersuchung bereits bekannter Gencluster auch die Identifikation neuer Cluster, da es bei bekannter Genomsequenz problemlos möglich ist, Gene zu identifizieren, die im Genom benachbart liegen und gleichzeitig transkribiert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Identifikation eines Genclusters aus Aspergillus nidulans, der für die Produktion des Sekundärmetaboliten Terrequinon A verantwortlich ist. Die Gene des Clusters wurden durch Mikroarray-Analysen mit dem Wildtyp und einer laeA-Mutante identifiziert, da sie in einer Mutante des laeA-Gens schwächer exprimiert sind als im Wildtyp. Das laeA-Gen ist dafür bekannt, die Expression von Genclustern für Sekundärmetabolite in verschiedenen Schimmelpilzen zu regulieren. Die meisten pilzlichen Sekundärmetaboliten sowie ihre Biosynthesewege sind noch wenig erforscht, und die neue Methode der Untersuchung globaler Expressionsmuster mittels
4.2
Gesamtgenomanalyse
89
Mikroarrays kann einen wesentlichen Beitrag zur Identifikation koregulierter Gencluster und damit neuer Sekundärmetabolite leisten. Ein weiterer wichtiger Beitrag von Mikroarray-Analysen zur Untersuchung von Schimmelpilzen ist der Vergleich der Genexpression verschiedener Stämme. Dies ist unter anderem für die Grundlagenforschung von Bedeutung, indem z. B. die Expression in einer Mutante eines untersuchten Gens mit der im Wildtyp verglichen werden kann. So kann festgestellt werden, welche Auswirkungen die Mutation in dem Gen auf die Expression des Gesamtgenoms hat. Im Bereich der angewandten Forschung können z. B. industrielle Produktionsstämme mit den Ausgangsstämmen verglichen werden. Wie in Kapitel 4.1.3 beschrieben, unterscheiden sich Produktionsstämme meist nicht nur durch eine, sondern durch vielfältige Mutationen von den Ausgangsstämmen, wobei die Auswirkungen der Mutationen auf molekularer Ebene meist nur unzureichend bekannt sind. Mikroarray-Analysen erlauben eine präzise Aussage über die transkriptionelle Aktivität des Gesamtgenoms in einem solchen Produktionsstamm und geben damit einen wesentlich breiteren Überblick über die Folgen von Stammoptimierungsprogrammen, als es einzelne Analysen zur Morphologie oder Physiologie könnten (Kap. 4.2.3). Der durch Mikroarrays ermittelte molekulare Phänotyp eines Stammes kann daher als aussagekräftiges Kriterium für die Wahl von Stämmen für die weitere Optimierung herangezogen werden.
4.2.3
Proteomics und Metabolomics
Analog zu dem im vorigen Kapitel beschriebenen Transkriptom ist das Proteom die Summe der Proteine, die zu einem Zeitpunkt oder unter bestimmten Bedingungen etc. vom Genom eines Organismus synthetisiert werden. Entsprechend ist das Metabolom die Summe der Metaboliten. Im Unterschied zum Transcriptomics, wo es prinzipiell möglich ist, die Expression jedes Gens eines Organismus auf transkriptioneller Ebene gleichzeitig zu überprüfen, ist dies beim Proteomics und Metabolomics aus methodischen Gründen derzeit nicht möglich. Dies liegt daran, dass Proteine und Metaboliten keine einheitliche chemische Struktur haben, während Transkripte (mRNAs, Infobox 4.1), die beim Transcriptomics untersucht werden, alle einen chemisch sehr ähnlichen Aufbau haben und daher alle mit einer Methode untersucht werden können. Die Analyse von Proteinen und noch mehr die Analyse von Metaboliten erfordert dagegen die Anwendung
90
4
Genetik
von Methoden, die an die chemischen Eigenschaften der jeweils untersuchten Stoffe angepasst sind, sodass meist nur ein kleiner Teil aller Proteine oder Metaboliten gleichzeitig erfasst werden kann. Bisherige Ansätze zum Proteomics und Metabolomics sind aber durchaus vielversprechend; besonders in Kombination mit Transcriptomics-Analysen werden sich in Zukunft Anwendungsmöglichkeiten in Grundlagen- und angewandter Forschung ergeben. So können z. B. im Rahmen von Stammoptimierungsprozessen (Kap. 4.1.3) Transkriptom-, Proteom- und Metabolom-Daten kombiniert werden, um ausgehend von den bekannten Expressionsmustern bereits funktionierender Produktionsstämme neue Stämme mit ähnlichen Expressionsmustern und damit auch ähnlichen Produktionseigenschaften zu identifizieren. Ein Beispiel für die erfolgreiche Kombination von Transcriptomics und Metabolomics war die Suche nach Stämmen von Aspergillus terreus mit verbesserter Lovastatin-Produktion. Lovastatin ist ein pilzlicher Sekundärmetabolit, der zur Senkung des Cholesterin-spiegels eingesetzt werden kann (Kap. 5.1.5). Durch Vergleich der Genexpressionsmuster und Sekundärmetabolitenproduktion in unterschiedlichen Stämmen konnte eine Korrelation bestimmter Expressionsmuster mit verbesserter Lovastatin-Produktion festgestellt werden. Diese Daten können nun für die weitere Stammoptimierung genutzt werden. Die Analyse von Transkriptom-, Proteom- und Metabolom-Daten und besonders ihre Kombination wird auch unter dem Begriff Systems Biology zusammengefasst, da hierdurch die Dynamik eines exprimierten Genoms auf molekularer Ebene in einem Gesamtzusammenhang erfasst werden kann. Die entstehende Datenfülle erfordert neue, leistungsstarke bioinformatorische Methoden, die zur Zeit noch entwickelt werden. Es lässt sich aber absehen, dass dieses noch junge Feld in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zur biologischen Forschung leisten kann.
Literatur zu Kapitel 4 Breakspear A, Momany M (2007) The first fifty microarray studies in filamentous fungi. Microbiology 153: 7–15 Cogoni C, Macino G (2000) Post-transcriptional gene silencing across kingdoms. Curr Opin Genet Dev 10: 638–643 Dunlap JC et al. (2007) Enabling a community to dissect an organism: overview of the Neurospora functional genomics project. Adv Genet 57: 49–96 Goffeau A (2005) Genomics: multiple moulds. Nature 438: 1092–1093
4.2
Gesamtgenomanalyse
91
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5 Anwendungen
Nachdem in vorausgegangenen Kapiteln grundlegende Eigenschaften der Schimmelpilze beschrieben wurden, soll dieses Kapitel verdeutlichen, dass Schimmelpilze nützlich sind und viele positive Aspekte haben. Bei dieser Aussage ist man vielleicht skeptisch, kennt man Schimmelpilze doch meist als unerwünschte Erscheinungen auf Lebensmitteln oder auf Materialien (Kap. 6.3 und 6.4). Jedoch werden Schimmelpilze für die biotechnologische Produktion zahlreicher chemischer Substanzen, z. B. Zitronensäure oder Penicillin, eingesetzt (Kap. 5.1). Zudem gibt es eine Menge von Lebensmitteln asiatischer oder europäischer Herkunft, die mit Hilfe von Schimmelpilzen oder Schimmelpilz-Enzymen hergestellt werden (Kap. 5.2). Ferner spielen sie heutzutage eine wichtige Rolle bei der biologischen Schädlingsbekämpfung (Kap. 5.3). Ihre Nutzung unterliegt dabei innerhalb der verschiedenen Bereiche zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen (Kap. 5.4).
5.1
Biotechnologie
Unter den Schimmelpilzen finden sich viele Arten, die traditionell eine Bedeutung im Bereich der Biotechnologie besitzen. Im weitesten Sinne kann unter einer biotechnologischen Nutzung von Schimmelpilzen ihr Einsatz in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie (Kap. 5.2), in der Land- und Forstwirtschaft sowie bei der Bioremediation1 und der biologischen Schädlingsbekämpfung (Kap. 5.3) verstanden werden. In diesem Kapitel jedoch werden im Wesentlichen Schimmelpilze behandelt, die aufgrund ihrer Stoffwechselleistung in industriellen, biotechnologischen Verfahren als Produ-
1
Unter Bioremediation versteht man die Beseitigung von Schadstoffen durch lebende Organismen. Ein bekanntes Beispiel ist die Sanierung von Schwermetall-belasteten Böden durch Mikroorganismen; dabei werden teilweise gentechnisch veränderte Stämme eingesetzt.
94
5 Anwendungen
zenten von Primär- bzw. Sekundärmetaboliten genutzt werden. Derartige Anwendungen werden heute auch unter dem Begriff „weiße Biotechnologie“ zusammengefasst. Generell wird darunter die Ressourcen-schonende Herstellung industrieller Produkte durch Mikroorganismen verstanden, welche den chemischen Verfahren oft ökonomisch und ökologisch überlegen ist. Die Anzucht der Schimmelpilze findet traditionell in Oberflächenkulturen statt. Allerdings wurden diese in den letzten Jahren durch Submersanzuchten abgelöst (Kap. 3.1.2). Die Kultivierung der Pilze erfolgt hierbei in Fermentern (geschlossenen Anzuchtbehältern), die nicht nur eine gezielte Zufuhr von Nährstoffen ermöglichen, sondern auch Volumen erreichen, die 100.000 Liter und mehr betragen können. Der Sauerstoff wird durch die Bewegung des Mediums von außen zugeführt (Kap. 3.1). In der Abb. 5.1 sind Fermenter zur großtechnischen Produktion von Antibiotika dargestellt. In der Detailansicht ist erkennbar, dass die Fermenter durch Ventilsysteme und Zuleitungen während der Schimmelpilzanzucht von außen gesteuert werden können.
5.1.1
Zitronensäure und andere organische Säuren
Schimmelpilze werden kommerziell für die Produktion verschiedenster organischer Säuren genutzt (Tabelle 5.1). Neben der im großen Maßstab produzierten Zitronensäure besitzen auch andere Säuren, wie die Milchsäure, die Gluconsäure oder auch die Itaconsäure, eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Zitronensäure
Zitronensäure (3-Carboxy-3-hydroxypentan-dicarbonsäure, Abb. 5.2) ist bei allen Organismen ein Produkt des Primärstoffwechsels und die wohl am meisten verbreitete Säure in pflanzlichen und mikrobiellen Organismen. Ihr Name rührt daher, dass Zitronensäure herkömmlich aus dem Saft der Zitrone gewonnen wurde. Italien war bis Anfang des 20. Jahrhunderts der Hauptexporteur von Zitrusfrüchten, allerdings kam dieser Export im Ersten Weltkrieg zum Erliegen. Deshalb hat in den USA die Firma Pfizer ein Verfahren entwickelt, um industriell Zitronensäure zu produzieren. Heute werden ca. eine Millionen Tonnen Zitronensäure weltweit hergestellt, der Hauptproduzent ist der Schimmelpilz Aspergillus niger. Industriell werden Überproduzenten ein-
5.1
Biotechnologie
95
a
Abb. 5.1 a,b Ansicht einer Fermentationsanlage zur großtechnischen Anzucht von Schimmelpil-
zen (mit freundlicher Genehmigung der Sandoz GmbH, Kundl, Österreich). (a) Übersicht und (b) Detailansicht, mit Ventilsystemen und Zuleitungen zur Steuerung des Fermentationsprozesses. b folgt auf der nächsten Seite
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5 Anwendungen
b
Abb. 5.1 a,b (Fortsetzung) Ansicht einer Fermentationsanlage zur großtechnischen Anzucht von
Schimmelpilzen (mit freundlicher Genehmigung der Sandoz GmbH, Kundl, Österreich).(b) Detailansicht, mit Ventilsystemen und Zuleitungen zur Steuerung des Fermentationsprozesses
gesetzt, die durch klassische Verfahren der Stammverbesserung ausgewählt wurden (Kap. 4.1.3). Der Weltmarkt für Zitronensäure, die durch Aspergillus niger hergestellt wird, beträgt ca. 0,9 Milliarden Euro. Bei dem Produktionsverfahren wurden früher sogenannte Oberflächenkulturen eingesetzt, welche mit Sporensuspensionen des Pilzes beimpft wurden. Inzwischen jedoch werden Submersverfahren genutzt, die zu gleichen Ausbeuten führen. Bei der Anzucht sind folgende Bedingungen zu erfüllen. Zum einen muss ein glucosereiches Medium (in der Regel Rübenmelasse) als Nahrungsquelle angeboten werden. Zum anderen benötigt der Pilz einen hohen Sauerstoffgehalt. Am Ende des Produktionszyklus wird das Pilzmyzel von den flüssigen Bestandteilen des Mediums abgetrennt. Zitronensäure ist ein Zwischenprodukt des Citrat-Zyklus (auch Tricarbonsäure- oder Krebszyklus genannt, Kap. 3.2.2), in dem die Citrat-Synthase die Zitronensäure bildet. Um die Zitronensäure zu akkumulieren, muss daher das Folgeenzym, die Aconitase, während der Fermentation gehemmt werden. Dies erreicht man zum einen, indem der pH-Wert gering gehalten wird,
5.1
Biotechnologie
97
Tabelle 5.1 Organische Säuren, die von Schimmelpilzen produziert und in der Nahrungsmittelin-
dustrie eingesetzt werden (verändert nach Archer et al. 2008) Produkt
Nutzung
Schimmelpilz
Äpfelsäure
Säuerungsmittel; „mildes“ Säurearoma
Paecilomyces varioti
Arachidonsäure
Babymilch-Zusatz
Mortieralla alpina
Ascorbinsäure
Konservierungsmittel
Aspergillus spec., Torula spec., Penicillium spec.
Bernsteinsäure
Geschmacksstoff
Rhizopus spec. (Mischfermentation mit Bakterien)
Fumarsäure
Säuerungsmittel; lang anhaltendes „starkes“ Säurearoma
Rhizopus spec.
Gluconsäure
Komplexbildner; langsam wirkendes Säuerungsmittel; Konservierungsmittel
Aspergillus niger, Penicillium spec.
Itaconsäure
Bindemittel
Aspergillus terreus
Kojisäure
Antioxidantie; Konservierungsmittel
Aspergillus oryzae, Aspergillus sojae, Penicillium spec.
Linolensäure
Nahrungsergänzungsmittel
Mucor circinelloides, Mortierella isabellina
Milchsäure
Säuerungsmittel, Konservierungsmittel
Rhizopus oryzae
Tartarsäure
Geschmacksstoff
Aspergillus spec., Penicillium notatum
Zitronensäure
pH-Regulator, Säuerungsmittel, Säurearoma, Konservierungsmittel, Lipid-Antioxidantie, Emulgator
Aspergillus niger
Abb. 5.2 Strukturformel der Zitronensäure
98
5 Anwendungen
und zum anderen, indem Eisen, der Cofaktor der Aconitase, nur in niedrigen Konzentrationen angeboten wird. Die nach Ausscheidung durch den Pilz in der wässrigen Lösung befindliche Zitronensäure wird mit Kalkmilch ausgefällt. Das gebildete unlösliche Calciumcitrat, ein Salz der Zitronensäure, kann dann abgetrennt werden. Durch Anreicherung mit Schwefelsäure wird dieses zu Gips und Zitronensäure, welche in Lösung bleibt, umgewandelt. Die anschließende Entsalzung der Zitronensäurelösung erfolgt in der Regel durch einen Ionenaustauscher2. Nach Kristallisation der Zitronensäure kann diese als trockenes und fertiges Produkt für verschiedenste Anwendungen genutzt werden. Häufig wird sie zur Konservierung und als Säuerungsmittel von Lebensmitteln genutzt, zudem werden mit ihrer Hilfe viele Getränke, wie Limonaden, Eistee und Fruchtsäfte, haltbar gemacht. Außerdem spielt die Zitronensäure eine Rolle bei der Entkalkung von Geräten, die mit Wasser betrieben werden.
Andere organische Säuren
Viele technisch eingesetzte organische Säuren werden mit Hilfe von Schimmelpilzen produziert, eine Zusammenstellung findet sich in der Tabelle 5.1. Im Folgenden werden ausgewählte Säuren, wie die Milchsäure, die Gluconsäure, die Itaconsäure und die Kojisäure näher behandelt. Die Milchsäure ist der Grundstoff von Biokunststoffen, den Polylaktiden (PLA), die aufgrund ihrer Biokompatibilität eine hohe Akzeptanz bei den Verbrauchern besitzen. Milchsäure wurde traditionell chemisch synthetisiert. Inzwischen ist jedoch die fermentative Produktion von Milchsäure aus ökonomischen Gründen dominierend. Der Schimmelpilz Rhizopus oryzae produziert chemisch reine L-(+)-Milchsäure. Dies ist ein deutlicher Unterschied und auch Vorteil zur Produktion mit Milchsäurebakterien, die beide Enantiomere3 der Milchsäure synthetisieren. Dabei werden mit Rhizopus
2
Bei Ionenaustauschern handelt es sich um Materialien, die in der Lage sind, Ionen, also elektrisch geladene Atome oder Moleküle, gegen andere Ionen auszutauschen. Eine bekannte Anwendung von Ionenaustauschern ist die Entsalzung von Trinkwasser. 3 Bei Enantiomeren handelt es sich um zwei Moleküle mit gleicher Summenformel und gleicher Anordnung der Atome. Allerdings besitzen die von einem Zentrum ausgehenden Atome eine entgegengesetzte räumliche Orientierung, sodass die Moleküle nicht zur Deckung gebracht werden können: Sie verhalten sich zueinander wie Bild und Spiegelbild. Deshalb werden die zwei möglichen Moleküle als (+)- und (-)-Enantiomere bezeichnet.
5.1
Biotechnologie
99
oryzae Ausbeuten von 100 g/l erreicht, was den Ausbeutewerten, die mit Bakterien erzielt werden, entspricht. Die globale Jahresproduktion beträgt insgesamt ca. 250.000 t mit einem Marktwert von ca. 2 €/kg. Eine weitere durch Schimmelpilze produzierte organische Säure mit weitem Anwendungsgebiet ist die Gluconsäure. Sie wird industriell in Submersfermentationen durch Aspergillus niger produziert, dabei werden Ausbeuten von 150 g/l erreicht. Gluconsäure wird in der Nahrungsmittelindustrie in der Regel als Konservierungs- und Säuerungsmittel zugesetzt. Zusammen mit Natriumbicarbonat dient sie außerdem als Backpulver, um Backwaren kontrolliert herzustellen. Eine weitere wichtige Anwendung ist die Nutzung von Gluconsäure beim Reinigen von industriell genutzten Gerätschaften oder auch als Zusatz bei der Betonherstellung. Die Jahresproduktion beträgt ca. 25.000 t, der Weltmarkt für Gluconsäure liegt bei ca. 100 Millionen Euro. Aspergillus terreus ist der Hauptproduzent der Itaconsäure, die als Monomer für die Herstellung von Kunstharzen und synthetischen Fasern verwendet wird. Außerdem wird sie als Binde- und Verdickungsmittel z. B. in der Farbenindustrie genutzt. Die Jahresproduktion durch Aspergillus terreus beträgt ca. 17.000 t mit einem Marktwert von ca. 3 €/kg. Da synthetische Prozesse ökonomisch nicht mit der Fermentation durch Aspergillus terreus konkurrenzfähig sind, wird die Herstellung dieser organischen Säure vornehmlich mit diesem Schimmelpilz vorgenommen. Die Kojisäure wird traditionell in der asiatischen Küche eingesetzt. Verschiedene Aspergillus-Arten wie z. B. Aspergillus flavus oder Aspergillus oryzae sind die Hauptproduzenten dieser organischen Säure, die beispielsweise bei der Sojasaucen-Herstellung (Kap. 5.2.1) verwendet wird. Die Kojisäure hat dabei u. a. eine antioxidative Wirkung. Allerdings stellt die Kojisäure auch ein Mykotoxin dar, dessen gesundheitsgefährdende Wirkung bisher ungeklärt ist. Aus diesem Grund wird diese Säure in der EU nicht weiter biotechnologisch verwendet.
5.1.2
Steroide
Viele Schimmelpilze werden industriell als Katalysatoren unterschiedlichster Biotransformationsverfahren eingesetzt (zum Begriff der Transformation siehe Infobox 5.1). Ausgewählte Stämme verschiedener Arten sind in der Lage, reaktionsspezifisch Moleküle umzusetzen. Bei den Reaktionen handelt es sich dabei um Hydrolysen, Kondensationen, Oxidationen, Reduktionen oder Isomerisierungen. Eine ganz wichtige Eigenschaft von Pilzen
100
5 Anwendungen
Infobox 5.1 Transformation In den Biowissenschaften wird der Begriff Transformation in drei verschiedenen Bedeutungen genutzt. Als DNA-Transformation bezeichnet man den Vorgang der Übertragung von Nukleinsäuren in lebende Zellen (Kap. 4.1.2). Die Zelltransformation kennzeichnet die Veränderung von normalen Zellen zu Tumorzellen. Letztere sind unbegrenzt teilungsfähig und unterscheiden sich somit von den normalen Zellen, die eine begrenzte Teilungsfähigkeit besitzen. Der Begriff Biotransformation schließlich definiert die Umwandlung natürlich vorkommender Moleküle in solche mit neuen Eigenschaften. Pharma- und Lebensmittelindustrie nutzen Biotransformationen, um mit Mikroorganismen, Tier- oder Pflanzenzellen oder deren Organe und Organellen oder sogar mit isolierten Enzymen industrielle Prozesse durchzuführen. In der Regel wird die Biotransformation mit etablierten chemischen Syntheseverfahren kombiniert, um ökonomisch sinnvolle Prozesse durchzuführen.
ist ihre Fähigkeit, stereo-4 und regiospezifisch die Biotransformation durchzuführen, d. h., dass bei der Biotransformation von zwei möglichen Enantiomeren (Kap. 5.1.1) nur eines gebildet wird. Dadurch ist die Biotransformation der chemischen Katalyse weit überlegen, bei der in der Regel beide möglichen Enantiomere in stöchiometrisch gleichen Mengen entstehen. Als bekanntes und herausragendes Beispiel einer Biotransformation ist die Steroidsynthese zu nennen, bei der verschiedene Schimmelpilze zur Biotransformation eingesetzt werden und die im Folgenden näher beschrieben wird. Am Beispiel der Steroide lässt sich gut verdeutlichen, wie Schimmelpilze durch sogenannte Biotransformationen zur ökonomischen Produktion von chemischen Substanzen beitragen. Bei den Steroiden handelt es sich um eine Klasse von chemischen Stoffen, die sich von dem fettähnlichen Kohlenwasserstoff Steran ableiten. Steroide haben unterschiedlichste biologische Funktionen, wie z. B. als Vitamin D oder als Sexualhormon (Testosteron oder Östrogen). Steroide besitzen darüber hinaus eine große Bedeutung als Medikamente. Bei der rein chemischen Synthese von Cortison, der inaktiven Form des Nebennierenhormons Cortisol, werden ausgehend von Gallensäure 30 Synthesestufen durchlaufen. Bei der Kombination von chemischer und mikrobiologischer Synthese wird
4
Bei der stereospezifischen Biotransformation wird von zwei möglichen Enantiomeren (Kap. 5.1.1) nur eins gebildet. Die Addition von Atomen an ein Zentrum erfolgt selektiv nur in eine von zwei räumlichen Anordnungen.
5.1
Biotechnologie
101
Diosgenin als Ausgangssubstanz verwendet, das aus der Barbasco-Pflanze gewonnen werden kann. Dabei werden lediglich 15 Synthesestufen benötigt, um ebenfalls zum Steroid Cortison zu gelangen (Abb. 5.3). Letztlich sind unterschiedlichste Hydroxylierungen notwendig, um Steroidderivate
Abb. 5.3 Vergleich der chemischen und der chemisch-mikrobiologischen Synthese von Cortison. Verändert nach Kardinahl et. al. (2006)
102
5 Anwendungen
zu erhalten. Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Biotransformation am Steroidmolekül durch Schimmelpilze werden in der Abb. 5.4 noch einmal deutlich. Wichtig ist die Tatsache, dass einzelne Stämme unterschiedlichster Schimmelpilze stereoselektiv gezielt einzelne C-Atome des Steroidmoleküls z. B. hydroxylieren können. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist hervorzuheben, dass der Ersatz der chemischen Hydroxylierungsreaktionen durch Biotransformationen eine höhere Syntheseausbeute liefert und
Abb. 5.4 Verschiedene Steroid-Modifikationen werden durch unterschiedliche Schimmelpilze
bewerkstelligt. Der jeweilige Schimmelpilz ist in grün hervorgehoben
5.1
Biotechnologie
103
dadurch zu einer deutlichen Senkung der Herstellungskosten führt. Die durch Steroid-Biotransformation hergestellten Medikamente haben eine weite Anwendung als Entzündungshemmer, Chemotherapeutika, Diuretika oder auch als antiandrogene und gestagene Präparate.
5.1.3
Antibiotika
Als Antibiotika bzw. Antiinfektiva werden generell Produkte von Mikroorganismen bezeichnet, die andere pro- oder eukaryotische Mikroorganismen töten oder in ihrem Wuchs hemmen. Schimmelpilze sind neben einigen prokaryotischen Actinomyceten der Gattung Streptomyces die wichtigsten Antibiotika-Produzenten (Tabelle 5.2). Biotechnologisch bedeutende Schimmelpilze sind in den Gattungen Aspergillus und Penicillium zu finden. Obwohl die Entdeckung des Penicillins durch Fleming im Jahr 1928 die größte Aufmerksamkeit erhielt (Infobox 5.2), wurde die antibiotisch wirkende Mycophenolsäure bereits 1896 beschrieben. Dieser Sekundärmetabolit wird von dem Schimmelpilz Penicillium stoloniferum produziert und hat heute eine pharmakologische Bedeutung als Immunsuppressivum (Kap. 5.1.5). Ein weiterer antibiotisch wirkender Sekundärmetabolit ist Griseofulvin, ein Fettsäurederivat (Kap. 3.3.1), das von verschiedenen Penicillium-Arten pro-
Tabelle 5.2 Antibiotika, die von Schimmelpilzen gebildet werden
Substanz
Stoffklasse
Anwendung gegen
Schimmelpilz
Anidulafungin
Echinocandin
Pilze
Aspergillus nidulans
Cephalosporin C
β-Lactam
Bakterien
Acremonium chrysogenum
Amöben
Aspergillus fumigatus
Fumagillin
a
Griseofulvin
Fettsäurederivat
Pilze
Penicillium griseofulvum
Mycophenolsäurea
IsoprenoidPolyketid-Hybrid
Bakterien
Penicillium brevicompactum, Penicillium stoloniferum
Patulin
Polyketidderivat
Bakterien
Penicillium urticae, Penicillium expansum, Paecilomyces rariotii
Penicillin G/V
β-Lactam
Bakterien
Penicillium chrysogenum, Aspergillus nidulans
Wird heute nicht mehr als Antibiotikum, sondern ausschließlich als Immunsuppressivum eingesetzt.
104
5 Anwendungen
Infobox 5.2 Penicillin und seine Geschichte
Es gehört heute zum Allgemeinwissen, dass Penicillin, das am häufigsten eingesetzte Antibiotikum, von Pilzen produziert wird. Auch die Entdeckung eines Penicillin-produzierenden Pilzstammes durch Alexander Fleming wurde vielfach beschrieben. Weniger bekannt jedoch ist die Tatsache, dass heute Stämme bei der industriellen Produktion des Antibiotikums eingesetzt werden, die nicht von diesem Ursprungsstamm abstammen.
5.1
Biotechnologie
105
Infobox 5.2 (Fortsetzung) Die Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming im Jahre 1928 kann als Zufallsereignis in seinem Londoner Labor angesehen werden. Dort fand er nämlich Pilzkulturen, die deutlich das Wachstum von Bakterienkulturen auf derselben Petrischale eindämmten. Erstaunlich ist, dass für viele Jahre diese Entdeckung eher nebensächlich behandelt wurde. Erst 1938 bemühten sich Ernst Boris Chain und Howard Florey in Oxford um eine Gewinnung des Stoffes, der auf die Bakterien wachstumshemmend wirkte. Chain und Florey konnten u. a. zeigen, dass Mäuse, die mit krankheitserregenden Bakterien infiziert worden waren, nach Penicillin-Behandlung innerhalb kurzer Zeit wieder gesund wurden. Alexander Fleming, Ernst Boris Chain und Howard Florey erhielten für ihre Entdeckung 1945 den Nobelpreis für Medizin. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1939 wurde das Interesse an Penicillin dadurch verstärkt, dass ein größerer Bedarf an Heilmitteln bestand. Es mag kurios klingen, aber Tatsache ist, dass während des Ersten und Zweiten Weltkriegs mehr Soldaten durch bakterielle Infektionen gestorben sind als durch feindliche Bomben und Granaten. Im Sommer 1941, als aufgrund der Kriegswirren ein Angriff auf Großbritannien zu befürchten war, reisten Chain und Florey in die Vereinigten Staaten von Amerika, um pharmazeutische Firmen für die Penicillin-Produktion zu interessieren. Dort waren zu diesem Zeitpunkt Produktionsmengen von 4 Einheiten pro ml üblich (1 Einheit entspricht 0,6 μg). Unter anderem besuchten sie die Fermentationsabteilung der neu gegründeten „Northern Regional Research Laboratories“ (NRRL) in Peoria im Staat Illinois. Dort untersuchte man intensiv unterschiedlichste Schimmelpilz-Proben aus der ganzen Welt, um Stämme zu isolieren, die Penicillin in ausreichenden Mengen produzierten. Diese Suche wurde dadurch ausgelöst, dass Derivate des ursprünglichen Fleming-Stammes auch unter verschiedensten Anzuchtbedingungen kein Penicillin bildeten. Bei NRRL wurde eine Technikerin mit Namen Mary Hunt angestellt, die als „Moldy Mary“ in die Geschichte einging, da sie alle möglichen verschimmelten Früchte von den Märkten Peorias sammelte. Letztendlich jedoch wurde der Penicillium chrysogenum-Stamm, auf den heute sämtliche Industriestämme zurückzuführen sind, von einer Hausfrau aus Peoria geliefert, die eine verschimmelte Cantaloupe-Melone ablieferte. Der so genannte Cantaloupe-Stamm war in der Lage, 70 bis 80 Penicillin Einheiten pro ml zu produzieren. Die sorgfältige Auswahl von Mutanten dieses Penicillium chrysogenum-Stammes und weitere Mutagenese-Schritte führten schließlich zu Isolaten, die 2500 Einheiten/ml lieferten. Heute gehen sämtliche Stämme auf diesen ursprünglichen P. chrysogenumStamm zurück und es sind in der Industrie Ausbeuten von 50.000 Einheiten pro ml üblich. In Deutschland wurden 1942 die ersten Penicillin-Biosynthesen durch Hans Knöll in Jena durchgeführt, und auch bei den Farbwerken Hoechst (heute SanofiAventis) in Frankfurt wurden Versuche zur Produktion von Penicillin begonnen. Allerdings waren die Ausbeuten aufgrund der spärlichen Literaturangaben durch Fleming sehr gering. Auch nach dem zweiten Weltkrieg war Penicillin ein
106
5 Anwendungen
Infobox 5.2 (Fortsetzung) begehrtes Medikament, das geschmuggelt wurde. Dieses Thema greift z. B. der britische Film „Der dritte Mann“ von Carol Reed auf, der im besetzten Wien des Jahres 1949 spielt. Inzwischen wissen wir, dass der von Alexander Fleming 1928 isolierte Penicillium notatum-Stamm zur gleichen Art gehört wie der heutzutage in der Produktion eingesetzte Penicillium chrysogenum-Stamm. Beide können aufgrund molekularer taxonomischer Merkmale, wie der Sequenzierung der ITS-Sequenzen (Infobox 2.1) zur selben Art gerechnet werden. Vor Kurzem konnte jedoch durch molekulare Analysen noch eine weitere Besonderheit dieser Stämme herausgefunden werden. Beide besitzen so genannte „Geschlechtsgene“ (Paarungstypgene oder auch Kreuzungstyp-Gene genannt) und interessanterweise sind beide Stämme unterschiedlichen Kreuzungstypen zuzuordnen. Es deutet sich an, dass der Produzentenstamm von Penicillium chrysogenum, der generell als asexuell gilt, in Wirklichkeit einem der beiden Kreuzungstypen angehört. Hier kann man sich schließlich fragen, inwieweit durch sexuelle Rekombination eine Optimierung bei der Züchtung von Produktionsstämmen möglich ist.
duziert wird. Für seine Produktion wird Penicillium griseofulvum genutzt. Das biotechnologische Produkt ist ein wichtiges Antimykotikum, das bei Mensch und Tier Anwendung findet und gegen Hautpilze der Gattungen Epidermophyton, Trichophyton und Microsporum wirkt. Im Folgenden wird auf die Antibiotika Penicillin und Cephalosporin C aufgrund ihres umfassenden globalen Einsatzes und der Größe ihres Weltmarktvolumens näher eingegangen. Beide Antibiotika gehören zu den sogenannten β-Lactamen, die durch den viergliedrigen Amidring (β-LactamRing) charakterisiert sind, und werden industriell ausschließlich von den Schimmelpilzen Penicillium chrysogenum (Penicillin) bzw. Acremonium chrysogenum (Cephalosporin C) produziert (Abb. 5.5). Sie wirken bakterizid, d. h. sie verhindern die Vermehrung von Bakterien und wirken ausschließlich auf sich teilende Zellen. Penicillin und seine Derivate werden von der bakteriellen D-Alanin-Transpeptidase erkannt und als Ersatzkomponenten bei der Zellwandbiosynthese genutzt. Der Einbau der Antibiotika jedoch verhindert die Quervernetzung der bakteriellen Zellwandbestandteile, wodurch der Aufbau der für die Bakterien lebensnotwendigen Zellwand unterbunden wird. Der Biosyntheseweg dieser beiden Antibiotika wird in der Abb. 5.5 schematisch dargestellt. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die zwei ersten Biosyntheseschritte bei beiden Pilzen identisch sind. Erst ausgehend von dem
5.1
Biotechnologie
107
Abb. 5.5 Schema zur Synthese von Penicillin G und Cephalosporin C durch Schimmelpilze
Intermediat Isopenicillin N, das bereits eine antibiotische Aktivität zeigt, weichen die Biosynthesewege auseinander. Während lediglich ein Biosyntheseschritt notwendig ist, um das Penicillin G in Penicillium chrysogenum zu produzieren, sind mindestens sechs weitere in Acremonium chrysogenum Voraussetzung für die Bildung des Cephalosporin C. Penicillin kann grundsätzlich in zwei verschiedenen Formen verwendet werden. Das Penicillin G (Benzylpenicillin) muss injiziert werden, während das säurestabile Penicillin V (Phenoxymethylpenicillin) in Tablettenform verabreicht werden kann.
108
5 Anwendungen
In der Regel wirken diese Penicilline vornehmlich gegen Gram-positive5 Erreger. Ein Penicillin-Derivat, das nicht nur gegen Gram-positive, sondern auch gegen Gram-negative Bakterien wirkt, ist das Ampicillin, ein Antibiotikum, das auch sehr häufig in der Gentechnologie genutzt wird. Chemisch unterscheiden sich die Penicilline von den Cephalosporinen durch ihre Ringstruktur. Bei den Penicillinen ist der β-Lactam-Ring an einen fünfgliedrigen Thiazolidinring kondensiert, der durch eine Expandase bei Cephalosporin zu einem ungesättigten, sechsgliedrigen Dihydrothiazinring erweitert wird (Abb. 5.5). Das Endprodukt der Cephalosporin-Biosynthese, das Cephalosporin C, wird in der Regel nicht direkt eingesetzt. Allerdings werden Derivate des Cephalosporins, wie z. B. die 7-Aminocephalosporansäure (7-ACA), als Ausgangsstoffe für weitere synthetische CephalosporinHerstellungen genutzt. Die 7-ACA erhält man durch vorsichtige Hydrolyse des Cephalosporin C, wobei die α-Amidoadipyl-Seitenkette entfernt wird. Die 7-ACA kann anschließend durch unterschiedlichste Seitenketten reacyliert werden, wodurch verschiedenste synthetische Cephalosporine generiert werden können. Die Cephalosporin-Produktion ist somit ein gutes Beispiel für die Kombination von mikrobieller Biosynthese und chemischer Synthese. Cephalosporine werden inzwischen in der sogenannten dritten und vierten Generation produziert. Ihr Vorteil ist, dass sie sehr resistent gegen β-Lactamasen sind und somit ein besonders günstiges Wirkspektrum gegenüber Gram-negativen Bakterien besitzen. β-Lactamasen wiederum sind bakterielle Enzyme, die Penicilline spalten und somit unwirksam machen können. Der Weltmarkt für Antiinfektiva betrug 2003 ca. 50 Milliarden Euro. Der Anteil der Cephalosporine (ca. 8 Milliarden Euro) und Penicilline (6,5 Milliarden Euro) beträgt dabei ca. 30%. Interessant ist, dass die Jahresproduktion der Penicilline mit 45.000 t 1,5 mal so hoch ist wie das der Cephalosporine (30.000 t pro Jahr). Die unterschiedlichen Weltmarktpreise bewirken jedoch, dass Cephalosporine einen deutlich höheren Marktwert besitzen.
5.1.4
Immunsuppressiva
Immunsuppressiva inhibieren oder verhindern die Aktivität des Immunsystems. Hier können verschiedene Klassen unterschieden werden, wie z. B. 5
Bakterien können aufgrund des Aufbaus ihrer Zellwand in zwei Gruppen, die Gram-positiven und die Gram-negativen Bakterien eingeteilt werden. Die Differenzierung gelingt leicht durch die sogenannte „Gram-Färbung“, welche den Unterschied im Zellwandaufbau sichtbar macht. Die Gram-Färbung hilft wesentlich bei der Wahl der Antibiotika zur Bekämpfung der Bakterien.
5.1
Biotechnologie
109
Abb. 5.6 Strukturformel des Immunsuppressivums Cyclosporin A. Bei diesem zyklischen Peptid
wurden die elf beteiligten Aminosäuren durch unterschiedliche Farben kenntlich gemacht
Glucocorticoide, Zytostatika, Antikörper oder Immunophilin6-interagierende Medikamente. Zu den letzteren gehören die bedeutendsten Immunsuppressiva, die von Schimmelpilzen produziert werden, wie die Mycophenolsäure und das Cyclosporin A (Abb. 5.6). Die Mycophenolsäure wird von Penicillium stoloniferum produziert und als halbsynthetisches Mycophenolat-Mofetil vertrieben. Es wird bevor-
6
Immunophiline sind zelluläre Botenmoleküle, die an Signalkaskaden beteiligt sind, welche wiederum zur Vermehrung der T-Zellen führen und damit die Immunantwort auf körperfremde Antigene stimulieren.
110
5 Anwendungen
zugt bei Herz-, Leber- und Nierentransplantationen zur Verhinderung akuter Abstoßungsreaktionen eingesetzt. Cyclosporin A ist das bekannteste Immunsuppressivum und bildet einen Komplex mit den bereits erwähnten Immunophilinen, wodurch die Immunantwort reduziert bzw. gehemmt wird. Beim Cyclosporin A handelt es sich um ein zyklisches, nicht-ribosomales Peptid von elf Aminosäuren, das durch den Schimmelpilz Tolypocladium inflatum gebildet wird (Abb. 5.6). Verantwortlich für die Bildung des Cyclosporin A ist eine nicht-ribosomale Peptidsynthetase, die Cyclosporin-Synthetase (Kap. 3.3.2). Tolypocladium inflatum wurde 1969 bzw. 1970 in der norwegischen Tundra bzw. in Wisconsin (USA) isoliert. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass die Gattung Tolypocladium in der Literatur auch unter dem Gattungsnamen Beauveria geführt wird. Um jedoch Konfusionen zu vermeiden, wurde bisher für den Cyclosporin A-produzierenden Pilz die Artbezeichnung Tolypocladium inflatum beibehalten. Industriell wird Cyclosporin A mit Tolypocladium inflatum in submersen Kulturen produziert. Dabei wird bevorzugt Sorbose statt Glucose als Kohlenstoff-Quelle angeboten, weil dadurch größere Mengen an Cyclosporin durch den Pilz produziert werden. Durch konventionelle Stammoptimierungsprogramme wurden inzwischen Pilz-Isolate hergestellt und industriell genutzt, die ein Vielfaches der ursprünglichen Menge an Cyclosporin A produzieren. Cyclosporin A findet verschiedenste Anwendungen. Nach nahezu allen Organtransplantationen wird es eingesetzt, um die Immunabwehr des Patienten ein Leben lang herabzusetzen. Die erste erfolgreiche Anwendung fand 1980 in Pittsburgh statt; dort wurde das Mittel bei einer 28-jährigen Patientin im Verlauf einer Lebertransplantation erfolgreich verwendet. Inzwischen gibt es eine Reihe anderer Anwendungsbereiche, wie z. B. bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten. So wird das Medikament bei der Schuppenflechte, einigen Dermatitiserkrankungen und auch bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt. Der Weltmarkt für das pilzliche Cyclosporin A beträgt ca. 1,2 Milliarden Euro.
5.1.5
Statine
Bei den Statinen handelt es sich um Polyketide (Kap. 3.3.1), die von verschiedenen Schimmelpilzen produziert werden. Biotechnologisch relevante Produzenten sind Penicillium citrinum, Aspergillus terreus sowie Monascus ruber. Die Statine werden im Wesentlichen als Cholesterinsenker einge-
5.1
Biotechnologie
111
setzt. Sie sind der pharmakologischen Substanzklasse der 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-Coenzym-A(HMG-CoA)-Reduktase Inhibitoren zuzurechnen und verhindern die Bildung von HMG-CoA, welches ein Zwischenprodukt der menschlichen Cholesterin-Biosynthese darstellt. In den 1970er Jahren wurden in Tokio von der Firma Sankyo mehr als 6.000 mikrobielle Proben nach Cholesterinsenkern durchsucht. Dabei gelang 1971 die Isolation von Penicillium citrinum, welcher Compactin, auch als Mevastatin bekannt, produziert. Dieses Statin erlangte im Jahr 1983 die Markteinführung. Kurze Zeit später wurden auch andere Statine bei Pilzen entdeckt. Von dem roten Ascomyceten Monascus ruber war seit Langem bekannt, dass er als Speisezusatz Cholesterinsenkend wirkt (Infobox 5.3). Dies konnte 1979 bestätigt werden. Im selben Jahr wurde von der amerikanischen Firma Merck, Sharp & Dohme (MSD) ein weiterer Schimmelpilz entdeckt, nämlich Aspergillus terreus, der das Lovastatin (Abb. 5.7) produziert. Mevastatin sowie auch Lovastatin zeigen heute die höchste Wirkung als Cholesterinsenker und der Weltmarkt beträgt ca. 18 Milliarden Euro. Es wird geschätzt, dass ca. 20 Millionen Menschen regelmäßig Statine einnehmen, davon ca. 3,7 Milli-
Infobox 5.3 Roter Reis Roter Reis (Ang-kak) ist ein besonders in China verbreitetes Nahrungsmittel (Tabelle 5.1) und erhält seine Farbe durch Beimpfung und Fermentation mit dem Schimmelpilz Monascus purpureus. Der Reis kann direkt verzehrt werden; gemahlen oder als Paste wird er aber häufig auch zum Färben anderer Lebensmittel, z. B. Fleisch oder Reiswein, verwendet. Bereits 1971 wurden in Japan aus Monascus ruber-Kulturen mehrere cholesterinsenkende Substanzen isoliert, die als Monacoline bezeichnet werden. Alle diese Stoffe hemmen ein für die Synthese von Cholesterin benötigtes Enzym in der Leber. Die am stärksten wirksame Substanz, Monacolin K, wurde gleichzeitig in den USA auch aus Aspergillus terreus isoliert und kommerziell als Lovastatin vermarktet (Kap. 5.1.5). Lovastatin ist heute ein häufig genutztes Medikament zur Senkung des Cholesterinspiegels im Blut, weil ein erhöhter Cholesterinspiegel zu einer Verengung der Blutgefäße (Arteriosklerose) führen kann. Auch nach einem Herzinfarkt wird häufig Lovastatin gegeben, um die Gefahr eines erneuten Infarktes zu verringern. Im Jahr 1999 veröffentlichten amerikanische Forscher Ergebnisse zu cholesterinsenkenden Eigenschaften von rotem Reis. Dieser enthält verschiedene Monacoline, auch das Monacolin K bzw. Lovastatin. Der rote Reis wird seitdem in gemahlener Form in Kapseln produziert und sowohl in den USA als auch in
112
5 Anwendungen
Infobox 5.3 (Fortsetzung) Europa als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Allerdings ist die Einnahme umstritten, da wenig über die Nebenwirkungen der zusätzlich neben Monacolin K enthaltenen Monacoline bekannt ist und außerdem verschiedene M. purpureus-Stämme auch gefährliche Mykotoxine produzieren. Während Roter Reis in Österreich als Lebensmittel gilt, hat er in Deutschland zu Rechtsstreitigkeiten geführt.
onen allein in Deutschland. Für Patienten, denen Herzinfarkt, Nierenversagen (Diabetes), Schlaganfall oder periphere Verschlusskrankheiten drohen, bedeuten diese Medikamente in der Regel eine Lebensverlängerung.
5.1
Biotechnologie
113 Abb. 5.7 Strukturformel des Lovastatins, das
als Polyketid aus Acetat-Resten besteht
Eine unrühmliche Bekanntheit erreichte Lovastatin im Jahre 2001 durch den sogenannten Lipobay-Skandal. In diesem Jahr musste der Bayer-Konzern einen Cholesterinsenker mit dem Wirkstoff Cerivastatin vom Markt nehmen, nachdem mehrere hundert Menschen gestorben waren. Diese Patienten hatten u. a. Statine mit Lipidsenkern kombiniert, die zu einer Muskelschwäche führen können. Durch die gleichzeitige Einnahme kam es zu toxischen Myopathien, bei denen aufgrund struktureller und funktionaler Veränderung der Skelettmuskulatur der Tod eintritt. Ein weiterer sehr interessanter Zusammenhang konnte zwischen Statinen und der Alzheimer-Krankheit festgestellt werden. Es ließ sich statistisch zeigen, dass Patienten mit regelmäßiger Statin-Einnahme signifikant seltener an der Alzheimer-Krankheit erkrankten. Allerdings sind hierfür die molekularen Hintergründe bislang unbekannt.
5.1.6
Rekombinante Proteine
Schimmelpilze sind, wie in vorausgegangenen Kapiteln erläutert, hervorragende Produzenten von kommerziell und medizinisch wichtigen Proteinen. Außerdem besitzen viele Schimmelpilze den sogenannten GRASStatus (GRAS = Generally Regarded As Safe). Dieser Status kennzeichnet einige Schimmelpilzproduzenten als besonders sicher bei der Herstellung von Produkten für die menschliche Nutzung. Außerdem sekretieren (sezernieren) viele Schimmelpilze natürlicherweise Metabolite in das Außenmedium. Dies macht ein Zerstören der pilzlichen Zellwände überflüssig, und das Myzel kann einfach vom Kulturüberstand, in dem sich das gewünschte
114
5 Anwendungen
Produkt befindet, getrennt werden. In diesem Kapitel werden herausragende Beispiele für die Herstellung rekombinanter (fremder) Proteine in Schimmelpilzen gegeben. Grundsätzlich werden artfremde Proteine in Schimmelpilzen mit gentechnisch veränderten Stämmen hergestellt. Bevor Beispiele aufgeführt werden, sollen einige grundsätzliche technische Strategien angesprochen werden, die nötig sind, um diese heterologen, in einem Fremdorganismus stattfindenden Genexpressionen durchführen zu können: • In vielen Fällen werden Fremdproteine als Fusionsproteine mit pilzspezifischen Proteinen hergestellt, um dadurch höhere Ausbeuten zu erzielen. Zu den pilzspezifischen Proteinen gehört z. B. die Glucoamylase (Tab. 3.4), die als Trägerprotein fungiert. • Die entsprechenden Fusionen werden auf Ebene der Gene vorgenommen, die wiederum von den sogenannten starken Promotoren7 kontrolliert werden (Abb. 5.8). Ein besonders interessanter Promotor ist der pilzliche alcA-Promotor des Alkoholdehydrogenase-Gens. Dieser Promotor ist regulierbar und kann durch Zugabe von Alkohol ins Medium angeschaltet werden. • Eine weitere Optimierung der Rezipientenstämme ergab sich durch die Verwendung sogenannter Protease-defizienter Stämme. Schimmelpilze sezernieren in der Regel große Mengen von Proteasen ins Außenmedium, die eine Verringerung der Produktausbeute zur Folge haben. • Eine Erhöhung bei der Produktionsausbeute nach Expression heterologer Gene ergab sich durch eine Anpassung des Codon-Gebrauches8 der Fremdgene an den des Pilzes. • Auch die Optimierung der post-translationalen Modifikationen (Veränderungen nach der Proteinsynthese) ist entscheidend für ein funktionales Genprodukt. Pilze hängen in der Regel, wie alle eukaryotischen Organismen, Zuckergruppen an das fertige Protein. Dieser Prozess, wird als Glycosylierung bezeichnet und unterscheidet sich zwischen Pilzen und Menschen. In zukünftigen Strategien werden Schimmelpilze so verändert, dass eine „Humanisierung“ der Glycosylierung erreicht wird.
7
Bei Promotoren handelt es sich um Abschnitte auf der DNA, die in der Regel vor Genen gelegen sind und die Ablesung (Expression) des Gens im Verlauf der Transkription kontrollieren. Man unterscheidet starke von schwachen Promotoren. 8 Die Gensequenz kodiert in der Regel für ein Protein, dabei werden die einzelnen Bausteine, die Aminosäuren durch den genetischen Code bestimmt. Dieser ist jedoch redundant, da die 20 natürlichen Aminosäuren durch 61 Codone kodiert werden. Der Codon-Gebrauch ist artspezifisch und unterscheidet sich z. B. deutlich zwischen Mensch und Mikroorganismen.
5.1
Biotechnologie
115
Abb. 5.8 Schematischer Aufbau eines rekombinanten Gens zur heterologen Expression von
menschlichen Genen in Schimmelpilzen
Inzwischen wird eine Vielzahl von „Fremdproteinen“ rekombinant in Schimmelpilzen produziert, ein repräsentativer Überblick wird in der Tabelle 5.3 gegeben. Die spektakulärsten Beispiele der heterologen Genexpression in Schimmelpilzen sind die Produktion von rekombinantem menschlichem Lactoferrin in Aspergillus oryzae sowie von Rinderchymosin in Aspergillus awamori. Bei dem menschlichen Lactoferrin, einem 8 kDa-Glycoprotein, handelt es sich um ein Milchprotein mit antimikrobieller Wirkung. Es wird in der Regel als Nahrungsergänzungsmittel, z. B. bei Babynahrung, zugesetzt und kann auch zur Linderung von allergischen Reaktionen eingesetzt werden. Die Expression des menschlichen Lactoferrin-Gens in Schimmelpilzen gelang nach Verwendung des α-Amylase-Promotors aus Aspergillus oryzae. Gleichzeitig wurde hinter das menschliche Gen der Terminator9 aus dem GlucoamylaseGen von Aspergillus niger geschaltet. Dabei konnten Mengen von bis zu 25 mg/l des rekombinanten Lactoferrins produziert werden, das dem menschlichen Milch-Lactoferrin in vielen Eigenschaften ähnelt. Außerdem war das
9
Hinter den Genen liegen Terminatoren, diese DNA-Sequenzen besitzen keine Information für die Proteinsequenz, sind aber für die Beendigung des Transkriptionsvorganges verantwortlich.
116
5 Anwendungen
Tabelle 5.3 Rekombinante Proteine aus Schimmelpilzen. Verändert nach Meyer (2008) und Archer et al. (2008)
Protein
Verwendung
Produzent
α-Galactosidase
Hydrolyse von Raffinose, Brauerei
Aspergillus spec.
β-Glucanase
Brauerei, Klärung von Säften
Aspergillus spec., Disporotrichum spec., Humicola spec., Penicillium spec., Trichoderma spec.
Katalase
Abbau von Wasserstoffperoxid, zusammen mit Glucose-Oxidase zur Verbesserung der LebensmittelLagerfähigkeit und zur Produktion von Gluconsäure aus Glucose
Aspergillus spec.
Cellulase
Textil-, Zellstoff- und Papierindustrie
Aspergillus spec., Humicola spec., Penicillium spec.
Chymosin
Lebensmittelindustrie
Aspergillus niger
Glucose-Oxidase
Textilindustrie, Biosensoren
Aspergillus niger, Aspergillus oryzae, Penicillium spec.
Phytase
Lebensmittelindustrie
Aspergillus niger, Aspergillus oryzae
Proteasen
Lebensmittel- und Detergenzindustrie
Aspergillus niger, Aspergillus oryzae, Rhizopus delemar, Cryphonectria spec., Penicillium spec., Rhizomucor spec.
Xylanasen
Textil-, Zellstoff- und Papierindustrie, Backindustrie
Aspergillus niger, Trichoderma reesei, Trichoderma konignii, Disporotrichum spec., Humicola spec., Penicillium spec.
Lactoferrine
Pharmaindustrie
Aspergillus oryzae
im Pilz hergestellte Protein korrekt post-translational modifiziert, d. h. es wurde nach der Proteinsynthese genau wie beim Menschen verändert. Beim Chymosin handelt es sich um eine Protease aus Kälbermägen, die zur Spaltung von Milcheiweiß bei der kommerziellen Produktion von Käse eingesetzt wird (Kap. 5.2.3). Bei der Herstellung des Rinderchymosins in Schimmelpilzen wurde die folgende Fusionsstrategie genutzt: Das Gen für das Prochymosin wurde mit dem pilzlichen Gen für die Glucoamylase verknüpft. Bei dieser Fusionsstrategie machte man sich zu Nutze, dass das Prochymosin als Protease wirkt und nach der Synthese den Glucoamylaseanteil abspaltet, sodass das Prochymosin separat gewonnen wird. Die Strategie
5.2
Lebensmitteltechnologie
117
der Fusionsproteine wird generell bevorzugt in Schimmelpilzen genutzt, dabei werden die zwei fusionierten Proteine durch eine sogenannte Erkennungsstelle für eine Protease voneinander getrennt. Eine post-translationale Spaltung des Fusionsproteins liefert dann das fertige heterologe Protein.
5.2
Lebensmitteltechnologie
Pilze haben aus verschiedenen Gründen eine große Bedeutung für die Lebensmittelindustrie. Zum einen kennt jeder Pilze wie Champignons oder Pfifferlinge, die auf dem Markt oder im Lebensmittelgeschäft angeboten werden. Zum anderen wird auch bei der Herstellung von Lebensmitteln wie etwa Brot, Bier und Wein direkt auf Pilze zurückgegriffen, in diesem Fall auf die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Ferner spielen in der Lebensmittelindustrie auch Enzyme (Kap. 3.2), Aromastoffe oder Lebensmittelfarbstoffe aus Schimmelpilzen eine bedeutende Rolle (Kap. 3.2). Ein Beispiel ist der mit dem Schimmelpilz Monascus purpureus fermentierte rote Reis (Ang-kak, Tabelle 5.4), der in Asien zum Anfärben verschiedener Lebensmittel wie beispielsweise Sake (Tabelle 5.4) genutzt wird. Roter Reis hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, da in ihm cholesterinsenkende Substanzen entdeckt wurden und er deshalb in einigen Ländern als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen ist (Infobox 5.3). Ein weiterer Aspekt, von dem dieses Kapitel handeln soll, sind die essbaren Schimmelpilze. Der Haupteinsatzort von Schimmelpilzen in der Lebensmittelindustrie ist die Fermentation (Tabelle 5.4). Dabei werden biologische Materialien mit Schimmelpilzen beimpft und unter bestimmten, meist traditionell etablierten Bedingungen, inkubiert. Während dieser Inkubation sekretieren die Pilze Enzyme, die das Ausgangsmaterial ab- oder umbauen. Häufig spielen auch zusätzlich Hefen und Bakterien eine Rolle. Ein sehr bekanntes Beispiel für ein fermentiertes Lebensmittel ist die Sojasauce, die deshalb auch noch ausführlicher beschrieben werden soll (Kap. 5.2.1), aber auch Tempeh ist weit verbreitet (Kap. 5.2.2). Die bekanntesten in Europa mit Schimmelpilzen hergestellten Lebensmittel sind der Schimmelpilzkäse (Kap. 5.2.3) und bestimmte Fleischwaren wie Salami (Kap. 5.2.4). Obwohl die Fermentation grundsätzlich eine relativ lange Zeit in Anspruch nimmt und zunächst höhere Kosten verursacht, gibt es viele Vorteile. So werden durch die Sekretion von Enzymen komplexe Moleküle in niedermolekulare Verbindungen gespalten, wodurch die Bekömmlichkeit erhöht wird, dies ist besonders bei Sojaprodukten wichtig (Kap. 5.2.1). Durch die Fermentation werden außerdem Lebensmittel konserviert, häufig entsteht ein
118
5 Anwendungen
Tabelle 5.4 Mit Hilfe von Schimmelpilzen fermentierte Lebensmittel. Die Tabelle listet die
bekanntesten fermentierten Lebensmittel auf, bei deren Herstellung Schimmelpilze beteiligt sind. Für viele Prozesse werden zusätzlich hier nicht aufgeführte Bakterien und Hefen benötigt Bezeichnung
Substrat
Beschaffenheit und Verwendung
Schimmelpilz
Ang-kak (Roter Reis)
Reis
Pulver, Lebensmittelfarbstoff, Würzmittel, Nahrungsergänzungsmittel
Monascus purpureus, Monascus ruber, Monascus pilosius
Blauschimmelkäse
Milch
halbfest, proteinreiche Nahrung
Penicillium roqueforti
Hamanatto
Sojabohnen, Weizenmehl
weiche Bohnen, Geschmacksverbesserer
Aspergillus oryzae
Miso / Sojapaste
Sojabohnen, Reis / Gerste
Paste, eiweißreiches Grundnahrungsmittel, Würzmittel
Aspergillus oryzae, Aspergillus sojae
Ontjom
ErdnussPresskuchen
fester Kuchen, geröstet oder frittiert als Fleischersatz
Neurospora intermedia, Neurospora sitophila
Peuyeum
Maniok
halbfeste Masse, Zwischenmahlzeit
Amylomyces rouxii
Sake (Reiswein)
Reis
flüssig, Getränk
Aspergillus oryzae
Salami
Wurst
fest, proteinreiche Nahrung
Penicillium spec., besonders Penicillium nalgiovense, Penicillium chrysogenum
Sojasauce
Sojabohnen, Weizenschrot (bei japanischer Sojasauce), Salz
salzige, dunkle Flüssigkeit, Würzmittel
Aspergillus oryzae, Aspergillus sojae
Sufu
Tofu (Sojabohnenkäse)
salzige Würfel, Hauptgericht
Actinomucor elegans
Tempeh
hauptsächlich Sojabohnen, auch Getreide, Erdnussund KokosnussPresskuchen
halbfester Kuchen, geröstet oder frittiert oder als Fleischersatz in Suppen
Rhizopus oligosporus, Rhizopus chinensis, Rhizopus oryzae, Mucor indicus
Weißschimmelkäse
Milch
halbfest, proteinreiche Nahrung
Penicillium camemberti
5.2
Lebensmitteltechnologie
119
besserer Geruch und Geschmack oder auch eine andere Farbe oder Materialbeschaffenheit. Zusätzlich erfolgen der Abbau unerwünschter Bestandteile, z. B. von zu Flatulenz (Blähungen) führenden Oligosacchariden und die Anreicherung mit erwünschten Bestandteilen wie Vitaminen. Die meisten Fermentationsprozesse können nicht steril durchgeführt werden, daher kommt in fermentierten Lebensmitteln häufig eine Vielzahl von Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen vor, die aus dem Substrat, den Starterkulturen oder aus Kontaminationen während der Verarbeitung stammen können und die alle zur Fermentation beitragen. Schimmelpilze können aber auch direkt als Proteinquelle dienen und dann ein Fleischersatz sein. Ein Beispiel ist Quorn™ aus dem Pilz Fusarium venenatum (Kap. 5.2.5). Mitunter werden in der Natur vorkommende Schimmelprozesse in der Lebensmittelproduktion genutzt, z. B. bei dem Befall von Weintrauben mit Botrytis cinerea. Hierbei entstehen unter idealen Bedingungen edelfaule Trauben, die als Ausgangsstoff für AusleseWeine dienen (Kap. 5.2.6).
5.2.1
Sojasauce
Die Sojabohne gehört zu den Hülsenfrüchten und ist die Grundlage einer Reihe von Nahrungsmitteln wie Sojamilch, Tofu und Sojasauce. Letztere ist das in Europa bekannteste fermentierte Sojaprodukt. Sie wird seit Jahrtausenden unter verschiedenen Bezeichnungen (Japan: Shoyu, China: Chiang Yiu, Indonesien: Ketjap, Philippinen: Taosi, Korea: Ganjang) in asiatischen Ländern produziert (Abb. 5.9). In Japan beispielsweise werden pro Jahr rund 10 Liter Sojasauce pro Kopf hergestellt und verbraucht. Sojabohnen dienen aber auch bei einer großen Menge weiterer fermentierter Lebensmittel als Substrat (Tabelle 5.4, Kap. 5.2.2). Die Herstellung von Sojasauce erfolgt entweder ausschließlich aus Sojabohnen (chinesische Sojasauce) oder aus einer Sojabohnen-Weizen-Mischung (japanische Sojasauce). Durch die Fermentation wird zum einen die sonst schwer verdauliche Sojabohne aufgeschlossen, zum anderen werden auch einige unerwünschte Bestandteile abgebaut. Hierzu gehören die in der Sojabohne vorkommenden Trypsin-Inhibitoren10 und die Phy-
10
Trypsin ist ein im Dünndarm aktives Verdauungsenzym, das Proteine spaltet.
120
5 Anwendungen
Abb. 5.9 a–d Mit Schimmelpilzen fermentierte Lebensmittel. a Sake, gemahlene Sojabohnen-
sauce und Sojasauce werden hauptsächlich in Asien, vermehrt aber auch in Europa konsumiert. b Schimmelkäse wie Bavaria Blu (hinten links), Gorgonzola (vorne) und Camembert (rechts) sind Standardartikel in deutschen Supermärkten. An dem typischen Schimmelbewuchs auf der Oberfläche (c) erkennt man die Edelsalami (d)
tinsäure, die im menschlichen Darm essenzielle Metallionen binden kann, aber durch pilzliche Phytasen abgebaut wird. In der Abb. 5.10 ist ein Flussdiagramm dargestellt, welches die Produktion japanischer Sojasauce veranschaulichen soll. Der Herstellungsprozess beginnt mit einer Mischung aus gekochten Sojabohnen und geröstetem Weizenschrot, die mit Sporen
5.2
Lebensmitteltechnologie
121
Sojabohnen
Weizen
Einweichen
Rösten
Druckkochen
Schroten
Koji-Starterkulturen Aspergillus oryzae Aspergillus sojae
Koji
2-3 Tage ca. 25 °C
Wasser Kochsalz
Tamari (einfache Sojasauce)
Salzlake (22-25 % Kochsalz)
Moromi-Brei
Fermentation (Schimmelpilze, Bakterien, Hefen; mehrere Monate)
Pressen
„Rohe“ Sojasauce
Pasteurisieren
Fertige Sojasauce
Abb. 5.10 Flussdiagramm zur Veranschaulichung der Herstellung von Sojasauce. Stellen, an de-
nen Schimmelpilze zugegeben werden, sind grün hervorgehoben
122
5 Anwendungen
von Aspergillus oryzae oder Aspergillus sojae beimpft wird. Das so entstandene Koji11 (Kap. 5.1.1) wird zwei bis drei Tage bei 25 °C inkubiert, wobei pilzliche Enzyme wie etwa Cellulasen, Proteasen und Amylasen die verschiedenen pflanzlichen Polymere abbauen. Die hierbei entstehende Flüssigkeit wird als einfache Sojasauce (Tamari) verwendet. Bei der hochwertigeren Sojasauce wird eine zweite Fermentation angeschlossen. Dem Koji wird dann Wasser und 16–18% Kochsalz zur Verhinderung von Fäulnisprozessen zugefügt, es entsteht das sogenannte Moromi. Die Reifung der Sojasauce erfolgt nun in großen Fermentationstanks über mehrere Monate. Während dieser Zeit entwickeln sich verschiedene Hefen (z. B. Zygosaccharomyces rouxii) und Bakterien (Pediococcus spec.), die ebenfalls verschiedene Enzyme produzieren, welche u. a. zur Absenkung des pH-Wertes und zur Herstellung von Glutamat führen. Am Ende der Reifezeit sind die anfangs zugesetzten Schimmelpilze abgestorben, aber die von ihnen sekretierten Enzyme sind noch aktiv. Dieser traditionelle japanische Herstellungsprozess für Sojasauce dauert mehrere Monate bis Jahre. Mittlerweile kann Sojasauce aber auch industriell innerhalb weniger Tage hergestellt werden. Hierfür werden Sojabohnen und Weizen direkt mit den für die Koji-Phase erforderlichen Enzymen gemischt und die Moromi-Phase durch mehrere Bioreaktoren ersetzt (Kap. 5.1). Natürlich besteht ein großer geschmacklicher Unterschied zwischen industriell produzierter und traditionell hergestellter Sauce, weswegen erstere häufig noch mit weiteren Zutaten angereichert wird.
5.2.2
Tempeh
Tempeh ist ein weiteres Beispiel für ein fermentiertes asiatisches Lebensmittel, das aus Sojabohnen hergestellt werden kann, in diesem Fall mit Hilfe des Schimmelpilzes Rhizopus oligosporus (Tabelle 5.4). Es wurde zunächst auf Java (Indonesien) traditionell als Fleischersatz zubereitet, ist aber mittlerweile auch in den Niederlanden und anderen europäischen Ländern, in Australien und den USA vor allem bei Vegetariern sehr beliebt und wird auch in industriellem Maßstab produziert. Bei Tempeh handelt es sich um
11
Als Koji wird jegliche Form von mit Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen bewachsenes Substrat bezeichnet. Daher ist Koji häufig ein Zwischenprodukt bei der Herstellung fermentierter Lebensmittel.
5.2
Lebensmitteltechnologie
123
einen schnittfesten Kuchen mit einem erdigen Pilz-Aroma, der eine billige, nahrhafte und gut verdauliche Pflanzenproteinquelle darstellt. Aufgrund seiner hohen Wasseraktivität (Kap. 3.1) ist Tempeh nicht lange haltbar, es kann aber getrocknet oder eingefroren werden. Zum Verzehr wird Tempeh meist gekocht oder frittiert (Tempeh kripik) und in Scheiben als Zusatz zu den Mahlzeiten oder auch als Hauptgericht verwendet. Der Herstellungsprozess für Tempeh basierend auf Sojabohnen (Tempeh kedelee) ist in Abb. 5.11 dargestellt. Traditionell werden die Sojabohnen zunächst gekocht, dann die Hülle entfernt – auf Java geschieht das durch Stampfen mit den Füßen, ähnlich wie früher in Europa bei der Weinherstellung – und dann in Wasser eingeweicht. Bei der industriellen Tempeh-Herstellung in den Niederlanden oder den USA werden die Sojabohnen zunächst trocken geschält und dann eingeweicht. Während der 12 bis 24-stündigen Einweichzeit sinkt der pH-Wert durch bakterielle Milchsäuregärung unter 5,4. Dies verhindert zum einen den Befall mit verderbenden Mikroorganismen und schafft außerdem optimale Wachstumsbedingungen für den Schimmelpilz Rhizopus oligosporus. Durch das Entfernen des Einweichwassers wird außerdem ein in der Sojabohne enthaltener wasserlöslicher Inhibitor des Schimmelpilzes entfernt. Das anschließende Kochen tötet die Bakterien ab, schließt die in der Bohne enthaltenen Nährstoffe auf und zerstört den Sojabohnen-eigenen Trypsin-Inhibitor (Kap. 5.2.1). Erst jetzt werden die abgetropften und abgekühlten Bohnen mit Rhizopus oligosporus-Myzel aus älteren Tempeh-Kulturen oder aus auf Hibiskus-Blättern kultivierten Starterkulturen beimpft, verpackt und ein bis zwei Tage bei 25–35 °C inkubiert, sodass noch keine neuen Sporen gebildet werden. Traditionell werden hierfür zuvor durchlöcherte Blätter (auf Java häufig Bananen-Blätter) genutzt, bei der industriellen Produktion wird allerdings perforierte Polyethylen-Folie verwendet. Obwohl Rhizopus oligosporus der klassische Tempeh-Pilz ist, kommen auch andere Rhizopus- und MucorArten vor. Die Schimmelpilze bauen Proteine und Fette ab, sorgen so für einen Anstieg in der Menge freier Amino- und Fettsäuren und führen auf diese Weise zu einer besseren Bekömmlichkeit. Zudem findet eine Anreicherung mit einigen Vitaminen der B-Gruppe statt, allerdings verbraucht Rhizopus oligosporus selbst Thiamin (Vitamin B1), welches deshalb in fertigem Tempeh nur in geringen Mengen vorhanden ist. Cobalamin (Vitamin B12) entsteht in besonderem Maße nur dann, wenn auch Bakterien der Gattung Klebsiella an der Fermentation beteiligt sind. Wie bei der Salamiherstellung (Kap. 5.2.4) wird ein Teil der Milchsäure aus den bakteriellen Gärungsprozessen vom Pilz als Nahrungsquelle verwertet und außerdem
124
5 Anwendungen
Traditioneller indonesischer Prozess
Mechanisierter Prozess
Sojabohnen
Einweichen in heißem Wasser
Trocken entspelzen
Nass entspelzen Einweichen (Milchsäuregärung findet statt)
Einweichen (Milchsäuregärung findet statt)
Feuchte Bohnen, angesäuert durch Milchsäuregärung Ausspülen und Entfernen des Einweichwassers
Kochen (30-60 Minuten) Abtropfen, Ausbreiten zum Abkühlen und Verdampfen des Restwassers Beimpfen mit Sporen Rhizopus spec. Mixen Einwickeln in leicht perforierte Plastikfolie oder Blätter 1-2 Tage bei 25-35 °C Frisches Tempeh
Dämpfen
Frittieren
Tempeh-Eintopf
Tempeh-Chips (Tempeh kripik)
Abb. 5.11 Flussdiagramm zur Veranschaulichung der Herstellung von Tempeh aus Sojabohnen.
Stellen, an denen Schimmelpilze zugegeben werden, sind grün hervorgehoben
5.2
Lebensmitteltechnologie
125
Ammoniak produziert, wodurch der pH-Wert steigt. Dies tötet schließlich den Pilz, sodass nur der zu Beginn sehr niedrige pH-Wert eine längere Fermentation überhaupt ermöglicht. Insgesamt führt die Fermentation der Sojabohnen zu einem kompakten „Kuchen“, in dem die aufgeweichten Bohnen durch weißes Pilzmyzel zusammengehalten werden. Nicht nur Geschmack, Verdaubarkeit und Ernährungswert der Sojabohne werden verbessert, sondern fertiges Tempeh hat durch die faserige Struktur des Myzels außerdem die Textur von Fleisch. Neben Sojabohnen können für Tempeh auch weitere Substrate wie beispielsweise andere Leguminosen-Samen, Getreidekörner sowie Erdnussund Kokosnuss-Presskuchen verwendet werden. Aus Kokosnuss-Presskuchen entsteht Tempeh bongkrek, das allerdings sehr leicht durch das Bakterium Burkholderia cocovenenans kontaminiert wird, welches verschiedene Toxine produziert. Da der Verzehr von Tempeh bongkrek immer wieder zu Todesfällen geführt hat, wurde die Produktion 1988 von der indonesischen Regierung verboten. Ein dem Tempeh in der Herstellung sehr ähnliches Lebensmittel ist Ontjom (Tabelle 5.4). Er wird aus Erdnuss-Presskuchen mit Hilfe des Schimmelpilzes Neurospora hergestellt und besitzt aufgrund der Eigenfarbe des Pilzes eine rosa Färbung.
5.2.3
Schimmelkäse
Schimmelkäse ist eines der wenigen durch Schimmelpilze fermentierten Lebensmittel, die in Westeuropa einen großen Stellenwert besitzen. Die Herstellung erfolgt zunächst wie bei anderen Käsesorten auch, indem der Milch als Starterkulturen Milchsäurebakterien und Lab12 zugegeben werden. Durch das Lab, welches entweder aus Kälbermägen gewonnen oder biotechnologisch mit Hilfe von Schimmelpilzen hergestellt wird (Kap. 5.1.6), gerinnt das Milchprotein Casein und fällt aus. Die restliche Flüssigkeit (Molke) wird abgepresst und die entstandene Gallerte geschnitten. Hierdurch entsteht der Käsebruch, der dann in Formen abgefüllt wird und reift. Bei der 12
Bei Lab handelt es sich um ein Enzymgemisch aus Chymosin und Pepsin, das aus Kälbermägen isoliert werden kann und schon im Altertum bekannt war. Chymosin kann heute biotechnologisch mit Hilfe von Schimmelpilzen hergestellt werden (Kap. 5.1.6). Für die Produktion von BioLebensmitteln ist es in Europa allerdings nicht zugelassen.
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5 Anwendungen
Herstellung von Schimmelkäse wird zusätzlich mit Sporen oder Kulturen essbarer Schimmelpilze beimpft. Dabei unterscheidet man Weißschimmelund Blauschimmelkäse (Abb. 5.9). Eine Mischform aus Weiß- und Blauschimmelkäse ist der in Deutschland hergestellte Bavaria Blu (Bergader). Die zur Schimmelkäse-Produktion eingesetzten Schimmelpilzarten sind grundsätzlich dazu in der Lage, Mykotoxine (Kap. 6.3) zu produzieren. Allerdings müssen Schimmelpilzstämme, die als Starterkulturen für das gezielte Beimpfen von Lebensmitteln verwendet werden, verschiedene Kriterien erfüllen: • Die Stämme dürfen keine Mykotoxine produzieren und müssen apathogen sein; • sie müssen in der Lage sein, sich gegen andere Schimmelpilze durchzusetzen, um so ein ungewolltes „Verschimmeln“ zu verhindern; • sie müssen proteolytische (Proteine spaltende) und lipolytische (Fette spaltende) Aktivitäten aufweisen. Ein weiterer Sicherheitsaspekt ist, dass die Bedingungen bei der Käseherstellung für die Bildung von Mykotoxinen nicht förderlich sind. Für Weißschimmelkäse wie Camembert und Brie wird der Schimmelpilz Penicillium camemberti verwendet. Entweder wird der Pilz direkt mit den Starterkulturen zur Milch gegeben oder nach dem Pressen des Käsebruchs als Sporensuspension auf die Oberfläche gesprüht. Der Schimmel bildet sich nach drei bis vier Tagen auf der Oberfläche des Käses, der zunächst für ein bis zwei Wochen bei 10–15 °C reift, dann verpackt und kühl gelagert wird. Der Verzehr erfolgt sechs bis sieben Wochen nach der Produktion. Während der Reifung bewirken proteolytische bzw. lipolytische Enzyme eine Veränderung vornehmlich der Textur, aber auch des Aromas. Insgesamt bekommt der Käse eine andere Konsistenz und wird von außen nach innen weicher. Der Pilzbewuchs auf der Oberfläche schützt außerdem vor einer Infektion durch andere Pilze. Für die Herstellung von Blauschimmelkäse wird Penicillium roqueforti verwendet. Typische Beispiele sind Gorgonzola aus Italien, der aus Kuhmilch entsteht, und Roquefort aus Frankreich, für den ausschließlich Schafsmilch verwendet wird. Penicillium roqueforti wird entweder mit den Starterkulturen zur Milch gegeben oder auf den Käsebruch geimpft. Da der Pilz zum Wachstum 4,25% Sauerstoff benötigt, wird der Käse vor der Reifung pikiert, sodass Löcher entstehen. Zwischen den Bruchstücken und entlang der Nadellöcher wächst der Pilz im Käse. Auch beim Blauschimmelkäse tragen proteolytische und lipolytische Enzyme zur Reifung bei; mehr als bei
5.2
Lebensmitteltechnologie
127
den Weißschimmelkäsen ändert sich der Geschmack und Geruch. Dies wird hauptsächlich durch freigesetzte Methylketone aus dem Abbau von Milchfett erreicht.
5.2.4
Edelschimmel auf Fleischwaren
Traditionell werden in verschiedenen europäischen Ländern rohe Fleischwaren durch eine Kombination aus bakterieller Milchsäuregärung und Schimmelpilzfermentation haltbar gemacht. Beispiele sind die italienische oder ungarische Salami (Abb. 5.9) und schimmelgereifter Schinken wie der Südtiroler Bauernspeck (Italien) oder das Bündner Fleisch (Schweiz). Allen gemeinsam ist eine mehrwöchige bis mehrmonatige Reifezeit, während der Schimmelpilze auf der Oberfläche der Würste oder der Fleischstücke wachsen und das Fleisch haltbarer machen. Bei der Herstellung von Salami wird z. B. Fleisch von Schwein, Rind oder Esel mehr oder weniger grob gehackt, mit Nitritpökelsalz und Gewürzen versetzt und in eine Hülle aus Darm oder Kunstdarm gepresst. Die Rohwürste werden dann bei bestimmten Temperaturen und einer bestimmten Luftfeuchtigkeit, die je nach Sorte unterschiedlich sein kann, für eine gewisse Zeit gelagert. Einige Salamisorten werden außerdem geräuchert. Um den Naturschimmelbelag zu erzeugen, wurde das Fleisch früher einfach in den Herstellerbetrieben oder auch in Höhlen mit konstanter Temperatur aufgehängt. Die jeweils vorhandene Schimmelpilzflora siedelte sich auf der Oberfläche an und erzeugte den typischen weißlich-grauen Belag auf der Salami. Heutzutage werden die Fleischwaren meist gezielt mit einer Sporensuspension besprüht, die aus ausgewählten Schimmelpilzen besteht. Beim Südtiroler Bauernspeck aus der Gegend um Bozen, Meran und Brixen wird gepökeltes Schweinefleisch über offenem Herdfeuer geräuchert und dann in Felskellern bei ca. 20 °C gelagert. Auch dort ist eine spezifische Pilzflora vorhanden, die innerhalb von 4–5 Monaten auf dem Fleisch ein dichtes Myzel bildet. Beim Bauernspeck wie auch bei einigen Salamisorten wird dieser Pilzbelag am Ende der Reifezeit abgebürstet, sodass auf dem fertigen Produkt kein Schimmelpilz zu sehen ist. Schimmelpilzstämme für die Fermentation von Fleischwaren müssen wie bei der Käseherstellung verschiedene Sicherheitskriterien erfüllen (Kap. 5.2.3). Hinzu kommt noch, dass sie ein weißes, gelbliches oder elfenbeinfarbenes Myzel besitzen sollten, um das typische Aussehen der Salamihülle aufzuweisen. Eine Ausnahme bildet hier die toskanische Dauer-
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5 Anwendungen
wurst Finocchiona, die mit einer grünlichen Schimmelschicht überzogen ist. Am häufigsten findet man auf der Oberfläche der Fleischwaren Penicillium-Arten wie P. expansum, P. janthinellum, P. chrysogenum, P. commune, P. camemberti, P. candidum, P. simplicissimum und P. miczynskii. Besonders auf Pökelwaren kommen nach langer Reifung und Abnahme der Wasseraktivität (Kap. 3.1) aber auch Aspergillus-Arten vor, wie A. candidus, A. flavus, A. fumigatus, A. caespitosus, A. niger, A. sulphureus und A. wentii. Was bewirken nun eigentlich die Schimmelpilze? Das Myzel wächst hauptsächlich auf der Oberfläche und verhindert so zunächst einmal ein Austrocknen, schützt aber auch vor Sauerstoff- und Lichteinflüssen und verhindert das Ranzigwerden. Außerdem geben die Schimmelpilze auch Enzyme und Stoffwechselprodukte in das Fleisch ab. Hierdurch ergibt sich ein Ansteigen des pH-Wertes, der durch die Anwesenheit von fermentierenden Bakterien im Fleisch gesunken ist. Die von den Bakterien produzierten Säuren (Milchsäure und Essigsäure) können in Form ihrer Salze Lactat bzw. Acetat von den Schimmelpilzen mit Hilfe des Glyoxylat-Zyklus als Kohlenstoffquelle verwertet werden (Kap 3.2.3). Durch den Abbau von Proteinen werden außerdem Stickstoffgruppen frei, die von den Schimmelpilzen in Ammonium umgewandelt werden, wodurch der pH-Wert weiter steigt. Der Abbau von Proteinen und Fetten führt weiterhin zur Bildung verschiedener Aromastoffe, die für das jeweilige Fleischprodukt aufgrund der Zusammensetzung der Schimmelpilze relativ spezifisch sind.
5.2.5
Quorn™
Zu Beginn dieses Kapitels wurde bereits erwähnt, dass Pilze auch alternativ zu Fleisch als Proteinquelle in Betracht gezogen werden können. Die Suche nach einem Pilz, der dafür geeignet ist, begann bereits in den frühen 1960er Jahren. Damals erwartete man aufgrund des großen Bevölkerungszuwachses eine Fleischknappheit, der man mit der Entwicklung eines Mykoproteins abhelfen wollte, denn: Pilze wachsen schnell und haben einen hohen Proteingehalt, dabei aber im Gegensatz zu Fleisch nur wenig Fett. Nach der Überprüfung von über 3000 Bodenproben aus aller Welt wurde schließlich der Schimmelpilz Fusarium venenatum (früher Fusarium graminearum) in Marlow (Großbritannien) isoliert. Der Pilz war bereits als Schädling bekannt; er verursacht die Wurzelfäule beim Weizen. Es gelang
5.2
Lebensmitteltechnologie
129
Abb. 5.12 Ausschnitt aus der Speisekarte eines britischen Restaurantbetriebes am Flughafen von
Edinburgh. Quorn™ -Produkte werden in vielfältiger Form als Fleischersatz angeboten, hier als Würstchen
den Forschern, Fusarium venenatum in großem Maßstab zu kultivieren und zu ernten. 1985 wurde das Produkt in Großbritannien vom MAFF (Ministry of Agriculture, Fishery and Foods) freigegeben, die Firma Marlow Foods gegründet und das Mykoprotein aus Fusarium venenatum unter dem Namen Quorn™ auf den Markt gebracht. Quorn™ wird produziert, indem Fusarium venenatum auf Glucosesirup mit einer Stickstoffquelle angezogen wird. Der Glucosesirup kann dabei aus allen verfügbaren Stärkeprodukten gewonnen werden, wodurch die Anzucht kosteneffizient ist. Die Abtrennung des Pilzes vom Medium ist durch die Ausbildung von Hyphenstrukturen (Kap. 2.1) recht einfach; je nach Länge der Anzucht variiert die Länge der Hyphen und nach dem Abpressen hat Quorn™ unterschiedliche Texturen, die für verschiedene Fleischimitate benutzt werden. Quorn™ enthält etwa 50% Protein im Trockengewicht, aber nur etwa 13% Fett, das zudem noch anders zusammengesetzt ist als tierische Fette – Quorn™ ist cholesterinfrei. Ein weiterer Vorteil ist sein hoher Ballaststoffgehalt von etwa 25% und der nur sehr geringe Nukleinsäuregehalt – zu viele Nukleinsäuren in Nahrungsmitteln können Gicht hervorrufen. Die Produktpalette von Marlow Foods reicht von Würstchen über Schnitzel und Aufschnitt bis zu Burgern und Fertiggerichten (Abb. 5.12). Quorn™ ist mittlerweile in verschiedenen europäischen Ländern und auch den USA erhältlich. Nach Angaben von Marlow Foods werden allein in Großbritannien täglich 500.000 Quorn™ -Mahlzeiten verzehrt.
130
5.2.6
5 Anwendungen
Edelfäule
Als Edelfäule wird der erwünschte Befall reifer Beeren bestimmter Traubensorten mit dem Schimmelpilz Botrytis cinerea bezeichnet (Abb. 5.13). Diese erwünschte Besiedelung tritt im Herbst auf, wenn es morgens feucht und kühl und tagsüber recht warm ist. Bei Befall im Sommer dagegen kommt es zur Grauschimmel- oder auch zur Stielfäule, die die Trauben zerstört und erhebliche Ernteeinbußen hervorrufen kann. Botrytis cinerea findet man auch häufig als Lebensmittelkontamination auf verschiedenen Substraten, z. B. auf Erdbeeren (Kap. 6.2.1). Der Schimmelpilz Botrytis cinerea löst im Falle der Edelfäule zunächst die Beerenhaut enzymatisch auf, wodurch bei warmem Herbstwetter aus den Beeren Feuchtigkeit austritt und verdunstet. Der Pilz nutzt Beeren-Inhaltsstoffe für sein eigenes Wachstum, baut aber vermehrt Säuren und weniger Zucker ab. Hierdurch steigt der Zuckergehalt der Weinbeeren und erreicht hohe Oechsle-Grade13. Botrytis gibt außerdem Stoffwechselprodukte an die Beere ab, die zum typischen Aroma edelsüßer Weine führen. Erwünscht ist Botrytis-Befall allerdings nur bei bestimmten Weißweintrauben, bei trockenem Weißwein und bei Rotweintrauben ist er nicht qualitätsfördernd. Edelfaule Weinbeeren werden in Deutschland traditionell von Hand geerntet. Sie müssen für Beerenauslesen mindestens 125° Oechsle haben, für Trockenbeerenauslesen etwa 150° Oechsle. Die weitere Herstellung der Beeren- und Trockenbeeren-Ausleseweine erfolgt dann wie bei anderen Weinen auch. Charakteristisch für die fertigen Weine sind die gelbliche Farbe, die starke Süße, das Botrytis-Aroma und die extrem lange Haltbarkeit.
5.3
Biologische Schädlingsbekämpfung
In den vorausgegangenen Kapiteln wurde die Anwendung von Schimmelpilzen in der Bio- und Lebensmitteltechnologie dargestellt. Neben diesen Aspekten können Schimmelpilze aber auch effektiv in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Unter biologischer Schädlingsbekämpfung, auch biologische Kontrolle (engl. Biocontrol) genannt, ver13
Der Oechlse-Grad ist eine Maßeinheit für das Mostgewicht von Trauben. Er gibt die Menge aller gelösten Teilchen, hauptsächlich Zucker, in der Traube an. Das Mostgewicht ist ein wichtiger Indikator für den richtigen Erntezeitpunkt und wird außerdem als Grundlage für die Einteilung der Weine in verschiedene Qualitätsklassen genutzt.
5.3
Biologische Schädlingsbekämpfung
131
Abb. 5.13 Mit Botrytis cinerea befallene edelfaule Trauben. Der Schimmelpilzbefall lässt die ein-
zelnen Beeren austrocknen, wodurch sich ihr Zuckergehalt steigert. Die trockenen Beeren werden in Deutschland traditionell von Hand geerntet und zu edelsüßen Weinen verarbeitet (Foto mit freundlicher Genehmigung von Herrn Theo Abel, Weingut Abel, Oestrich-Winkel, Rheingau)
steht man die Verwendung von Organismen wie beispielsweise Pilzen, Bakterien, Viren oder Protozoen, um Schädlinge in ihrer Anzahl zu begrenzen. Als Schädlinge werden dabei generell Organismen definiert, welche in großem Maße auftreten und sowohl Flora als auch Fauna sowie den Menschen, seine Wohn-, Arbeits- und Lagerstätten befallen. Ziel aller Maßnahmen der biologischen Schädlingsbekämpfung ist nicht primär die Vernichtung der Schädlinge, sondern die Einschränkung ihrer Vermehrung durch natürlich vorkommende oder von auswärts eingeführte Gegenspieler, sogenannte
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5 Anwendungen
Nützlinge (Fressfeinde, Antagonisten), um den durch sie angerichteten Schaden unter eine wirtschaftlich bedenkliche Schwelle abzusenken. Zu Beginn der Entwicklung der biologischen Schädlingsbekämpfung wurden zunächst nur Bakterien als Nützlinge eingesetzt, die eine effiziente Infektion von Schädlingen verursachen können. So hat bereits seit den 1960er Jahren Bacillus thuringensis in Deutschland eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung der Raupen von Schadschmetterlingen. Ein sehr hohes Potenzial für einen effektiven Einsatz in der biologischen Schädlingsbekämpfung konnte aber auch für Pilze festgestellt werden, da diese zum Teil ein breites Wirtsspektrum gegen Schädlinge aufweisen. Im Folgenden sollen die generellen Vorteile der biologischen Schädlingsbekämpfung herausgestellt und einige Beispiele für den Einsatz von Schimmelpilzen beschrieben werden.
5.3.1
Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren
Allgemein der Öffentlichkeit bekannt sind die konventionellen Verfahren zur Schädlingsbekämpfung wie der Einsatz physikalisch-biotechnischer oder chemischer Methoden. Während die physikalischen Verfahren mit dem häufigen Einsatz von Lock- und Klebfallen oder auch Feuer zumeist keinen nachhaltigen und ausreichenden Erfolg erzielen, zeigt der Einsatz chemischer Gifte, der sogenannten Pestizide, zwar einen hohen Wirkungsgrad, allerdings auch erhebliche Nachteile. So werden häufig Resistenzbildungen gegen ein Pestizid und eine darauffolgende starke Vermehrung der resistenten Organismen beobachtet. Zudem wirken Pestizide zumeist nicht nur gegen Schädlinge, sondern auch gegen ihre natürlichen Fressfeinde, wodurch das natürliche Gleichgewicht und damit bestehende Ökosystem empfindlich gestört wird. In den letzten Jahren konnten, bedingt durch die maßlosen Anwendungen, die Langlebigkeit und/oder schlechte biologische Abbaubarkeit synthetische Pflanzenschutzmittel, häufig sogar mit krebserzeugender und erbgutschädigender Wirkung, in immer stärker werdendem Ausmaß im Grundwasser und in der Nahrungskette nachgewiesen werden. Daher bietet die biologische Schädlingsbekämpfung eine neue Alternative, indem sie sich zunutze macht, dass jeder Organismus eine Vielzahl von mikrobiellen Gegenspielern, wie Pilze, Bakterien, Viren oder Protozoen, hat, die ihn unterschiedlich stark schwächen oder sogar abtöten können. Da die zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzten Mikroorganismen wie z. B. die Schimmelpilze oder Bakterien zumeist weltweit in den Böden
5.3
Biologische Schädlingsbekämpfung
133
Tabelle 5.5 Übersicht über wichtige Pilze, die zur Bekämpfung tierischer Schädlinge in Garten-
bau und Landwirtschaft erprobt werden Pilz
Schädling
kommerziell erhältlich
Aschersonia aleyrodes
Weiße Fliegen, Schildläuse
nein
Beauveria bassiana
Blattläuse, Fliegen, Rüsselkäfer, Schaben, Schmierläuse, Spinnmilben, Thripse, Trauermücken, Wanzen, Weiße Fliegen, Zikaden → insgesamt > 700 Wirtstiere
jab
Entomophthora muscaea
Fliegen
nein
Erynia neoaphidis
Blattläuse
nein
Hirsutella thompsonii
Schmetterlingsraupen, Varroamilbe
nein
Metarhizium anisopliaea
Blattläuse, Fliegen, Rüsselkäfer, Schaben, Thripse, Varroamilbe, Weiße Fliegen → insgesamt > 200 Wirtstiere
jab
Paecilomyces fumosoroeus
Fliegen, Käfer, Raupen, Schmierläuse, Weiße Fliegen
ja
Paecilomyces lilacinus
Wurzelnematoden
nein
Verticillium lecanii
Blattläuse, Schildläuse, Thripse, Wanzen, Weiße Fliegen
ja
Verticillium chlamydosporium
Wurzelnematoden
nein
Penicillium frequentans, Aspergillus versicolor, Stachybotrys chartarum, Trichocladium asperum
Wurzelnematoden
nein
Trichoderma ovalisporum
Hyphenpilz Crinipellis spec.
nein
a
Die Art ist obligat insektenpathogen, d. h. es sind keine Schimmelpilze im engeren Sinn, da sie nicht saprophytisch wachsen. Hier der Vollständigkeit halber aufgeführt. b Diese Produkte besitzen eine Zulassung in Deutschland.
zu finden sind, gelangen keine fremden Inhaltsstoffe oder deren Abbauprodukte in das Ökosystem. Zudem besitzen sie ihrerseits natürliche Gegenspieler, die ihre Reste beseitigen. Im Gegensatz zu synthetischen Stoffen haben die Nützlinge die Fähigkeit, sich durch Vermehrung an die jeweilige Dichte der Schädlinge anzupassen sowie durch Bildung von Dauerstadien, wie z. B. Sporen der Pilze, Schädlinge über viele Jahre hinweg zu unterdrü-
134
5 Anwendungen
cken. Da zumeist komplexe Infektionswege vorliegen, die nicht nur an einen Zelltyp gebunden sind, kommt es zudem selten zu einer Resistenzbildung bei den Schädlingen. Des Weiteren zeigen Nützlinge eine relativ hohe Spezifität. So befällt der insektenpathogene Schimmelpilz Beauveria bassiana zwar Insekten und Milben mehrerer Ordnungen, kann aber keine Wirbeltiere schädigen (Tabelle 5.5). Paecilomyces lilacinus und Verticillium chlamydosporium hingegen zeigen ihre Spezifität nur gegen wurzel- und pflanzenparasitische Nematoden (Tabelle 5.5) und einige Viren infizieren sogar nur wenige Schmetterlingsarten aus nur einer Gattung. Allerdings müssen neben allen beschriebenen Vorteilen auch mögliche Nachteile erwähnt werden. Ein Einsatz der biologischen Schädlingsbekämpfung ist immer zeitaufwendiger und häufig abhängig von äußeren Faktoren wie der Luftfeuchtigkeit, der Zusammensetzung der Erde und der Temperatur. Beispielsweise können Schimmelpilze generell zwar eine schnelle und effiziente Infektion der Schädlinge verursachen, benötigen dazu aber optimale Temperaturen von 20 bis 30 °C und eine hohe relative Luftfeuchtigkeit (Kap. 3.1). So brauchen die Pilze Verticillium lecanii und Aschersonia aleyrodes nach der Ausbringung Luftfeuchtigkeiten von > 80%, Paecilomyces fumosoroeus sogar 100%, um sich effizient zu vermehren und spezifische Schädlinge zu befallen (Tabelle 5.5). Insgesamt ist beim Einsatz biologischer Maßnahmen die sogenannte Sorgfaltspflicht zu wahren, denn es muss gewährleistet sein, dass durch das Ausbringen von Nützlingen die Funktion des Ökosystems nicht verändert wird. Dazu sollte beispielsweise regelmäßig geprüft werden, dass aus Nützlingen nicht durch unkontrollierte massenhafte Vermehrung wieder Schädlinge werden. Im Folgenden soll an einigen Beispielen der erfolgreiche Einsatz von Schimmelpilzen als Nützlinge in der biologischen Schädlingsbekämpfung gezeigt werden.
5.3.2
Anwendungsbeispiele
Ein hohes Potenzial für einen effektiven Einsatz in der biologischen Schädlingsbekämpfung konnte für eine Vielzahl von Pilzen festgestellt werden. Schimmelpilze wie Beauveria bassiana oder Verticillium lecanii wirken gegen eine große Anzahl von Schadorganismen wie Weiße Fliegen, Blattläuse, Wanzen, Schildläuse, Thripse, Trauermücken, Rüsselkäfer, Schaben und Schadfliegen. Insgesamt konnten bei der Suche nach erfolgversprechenden pilzlichen Antagonisten von tierischen Schädlingen viele Arten
5.3
Biologische Schädlingsbekämpfung
135
Abb. 5.14 Eine durch einen insektenpathogenen Schimmelpilz getötete Fliege. Es zeigen sich
die für Schimmelpilze typischen weißen Sporen auf der Oberfläche des Insekts sowie in der Umgebung
identifiziert werden, die weltweit mit dem Ziel erprobt werden, sie für die Schädlingsbekämpfung zu nutzen. Eine Auswahl ist in Tabelle 5.5 aufgelistet. Bereits als kommerzielle Produkte in den USA, Europa und zum Teil auch in Deutschland erhältlich, sind die Schimmelpilze Beauveria bassiana und Verticillium lecanii sowie der ausschließlich insektenpathogene Pilz Metarhizium anisopliae. Diese Pilze befallen verschiedenste Insekten (Tabelle 5.5), indem sich ihre Sporen an die Kutikula, d. h. die außen liegende Haut, empfindlicher Insekten anheften, dort auskeimen und die Kutikula penetrieren. Im Innern des Insekts vermehren sich die Pilze stark, blockieren Darm und Gefäßsystem, produzieren Toxine und entziehen dem Insekt die Nährstoffe. Die befallenen Insekten können keine Nahrung mehr aufnehmen, werden lethargisch und sterben zumeist noch am Substrat hängend (Abb. 5.14). Bei optimaler Temperatur und Feuchtigkeit wachsen die Pilze wieder nach außen und vermehren sich auf der Insektenoberfläche durch die Bildung von Myzel und einer Vielzahl von Sporen. Dieses führt
136
5 Anwendungen
beispielsweise zu dem charakteristischen weißen oder grünen Belag auf durch Beauveria bassiana („Weiße Muscardine“) (Abb. 5.14) oder Metarhizium anisopliae („Grüne Muscardine“) befallenen Insekten. Die gebildeten Sporen werden wieder über Wind und Wasser verbreitet und können neue Insekten befallen. Während Vertreter der Gattung Verticillium in Deutschland nicht zugelassen sind, gehören Beauveria bassiana und Metarhizium anisopliae zu den Stoffen und Zubereitungen, die nach §6a Abs.4 Satz1 Nr.3 Buchstabe b des deutschen Pflanzenschutzgesetzes zur Anwendung im eigenen Betrieb hergestellt und im Forst gegen Rüsselkäfer und Borkenkäfer eingesetzt werden dürfen. Eine Zulassung beider Pilze für andere Indikationen liegt in Deutschland zurzeit aber nicht vor. Ein weiteres interessantes Beispiel stellt der Schimmelpilz Trichoderma ovalisporum dar, für den ebenfalls ein hohes Potenzial zum Einsatz in der biologischen Schädlingsbekämpfung vorausgesagt wird. Dieser Pilz zeigt die Besonderheit, dass er stark wachstumshemmend auf den pflanzenpathogenen Pilz Crinipellis spec. wirkt. Crinipellis spec. ist der Auslöser der sogenannten Hexenbesen-Krankheit bei Pflanzen wie beispielsweise dem Kakaobaum und damit verantwortlich für Ernteverluste von bis zu 90% bei der Kakaoproduktion in Südamerika. Daher ist es das Ziel laufender Forschungsprojekte, zu überprüfen, ob ein kontrollierter Einsatz von Trichoderma ovalisporum möglich ist, um die Vermehrung des pflanzenpathogenen Pilzes Crinipellis spec. einzuschränken. Die Anwendung der biologischen Schädlingsbekämpfung unter Verwendung von Schimmelpilzen wird zurzeit aber auch unter dem Aspekt untersucht, eine Belastung von Lebensmitteln wie Getreide mit Mykotoxinen zu minimieren (Kap. 6.3). In diesem Fall werden toxinfreie Pilzkulturen bewusst zugegeben, die die spätere Einnistung eines toxinbildenden Konkurrenten verhindern und somit die Toxin-Menge um 60 bis 70% senken sollen. Mehr leisten auch chemische Fungizide nicht. Wissenschaftler der Universität Bonn und des „International Institute of Tropical Agriculture in Ibadan“ (IITA), Nigeria, wollen beispielsweise den Aflatoxin-bildenden Schimmelpilz Aspergillus flavus (Kap. 6.3.1) durch „Impfen“ der Felder mit einer Aspergillus-Variante bekämpfen, die kein Toxin produzieren kann. Unterstützt werden sie dabei von Forschern aus dem US-Bundesstaat Arizona, die mit dieser Methode die Toxin-Belastung von Baumwolle bereits um 98% reduzieren konnten. Zusammenfassend zeigen die beschriebenen Beispiele, dass Schimmelpilze nicht nur in der Bio- und Lebensmitteltechnologie eine große Bedeu-
5.4
Gesetzliche Bestimmungen
137
tung haben, sondern auch in der biologischen Schädlingsbekämpfung als Nützlinge des Menschen eingesetzt werden können. Genauere Informationen können auch den Internetseiten http://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/menu/1042846_l1/index. html, http://www.nysaes.cornell.edu/ent/biocontrol/ und http://www.oekolandbau.de/erzeuger/pflanzenbau/pflanzenschutz/ entnommen werden.
5.4
Gesetzliche Bestimmungen
Wie dieses Buch zeigt, sind Schimmelpilze Organismen, die sowohl von großem Nutzen als auch sehr schädlich sein können. Daher gibt es für verschiedene Bereiche Regeln und Gesetze für den Umgang mit Schimmelpilzen, Richtwerte für die Sporenbelastung in der Luft und die Mykotoxinbelastung in Lebensmitteln (Kap. 6.3) oder auch Listen von Schimmelpilzen, die zur Produktion von Enzymen verwendet werden dürfen (Tabelle 5.6). Generell werden Schimmelpilze verschiedenen Risikogruppen (1 bis 4) zugeordnet, wobei die Stufe 1 solche Organismen enthält, die generell keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Viele Schimmelpilze sind dieser Stufe 1 zugeordnet, gelten also als ungefährlich. Allerdings stehen einige davon im Verdacht, bei extrem immungeschwächten Menschen oder auch bei Nutztieren u. U. Mykosen auslösen zu können (Tabelle 5.7, Kap. 6.1.1). Manche Schimmelpilz-Arten sind für den Menschen aber auch gefährlicher und werden in die Risikogruppen 2 oder 3 eingestuft (Tabelle 5.7). Diese Pilze können in einem großen Temperaturbereich wachsen, dessen Maximum weit oberhalb der menschlichen Körpertemperatur liegt. Besonders zu erwähnen ist hier der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, der als thermophil bezeichnet wird und bei Temperaturen von bis zu 52 °C überleben kann (Kap. 2.3.3 und 6.1). Im Gegensatz dazu sind die sehr nah verwandten thermotoleranten Arten Aspergillus niger und Aspergillus terreus der Stufe 1 zuzuordnen. Trotzdem können beide Arten bei 37 °C wachsen (Kap. 6.1.1) und sind bei Haus- und Nutztieren sowie bei stark immungeschwächten Menschen als Krankheitserreger nachgewiesen worden (Tabelle 5.7). In Kapitel 4 wurden die Möglichkeiten zur gentechnischen Veränderung von Schimmelpilzen besprochen. Solche Veränderungen unterliegen, wie bei allen Organismen, dem Gentechnikgesetz (GenTG, Tabelle 5.6). Dieses regelt sowohl den Umgang mit als auch die Entsorgung von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs). Dabei sind für die Organismen aller Risi-
138
5 Anwendungen
Tabelle 5.6 Links für verschiedene Informationen zu Arbeiten mit Schimmelpilzen. Selbstver-
ständlich wird mit dieser Tabelle kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben Bereich
Links
Arbeiten mit Schimmelpilzen Biostoffverordnung: Einstufung biologischer Arbeitsstoffe: Pilze
www.gifte.de/Recht/biostoffverordnung.htm
Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA 460)
www.baua.de/nn_15226/de/Themen-von-A-Z/ Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/pdf/TRBA-460
Eingruppierung biologischer Agenzien: Pilze (Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie)
http://www.bgchemie.de/webcom/show_article.php/ _c-416/_nr-2/i.html
Gentechnische Arbeiten mit Schimmelpilzen / Gentechnikgesetz
bundesrecht.juris.de/gentg/index.html
Arbeitsstättenverordnung allgemein
bundesrecht.juris.de/bundesrecht/ arbst_ttv_2004/gesamt.pdf
Arbeitsschutzgesetz
http://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/
Lebensmittelindustrie zur Produktion von Enzymen verwendbare Schimmelpilze
www.amfep.org/list.html (Europa) www.enzymetechnicalassoc.org/enzymes.html (USA)
Grenzwerte für Mykotoxingehalt in Lebensmitteln
www.lgl.bayern.de/lebensmittel/rueckstaende/ mykotoxine_hoechstmengenregelung.htm#rechtsvorschriften bundesrecht.juris.de/mhmv/BJNR124800999.html http://209.85.135.104/ search?q=cache:xuRAzO_4t6UJ:www.art.admin.ch/ themen/00930/00946/index.html%3Flang%3Dde%26downl oad%3DM3wBPgDB/8ull6Du36WenojQ1NTT jaXZnqWfVpzLhmfhnapmmc7Zi6rZnqCkIN4fnx8bKbXr Z6lhuDZz8mMps2gpKfo+amtsblatt+Europ%C3%A4ische+ Union+Nr+1881&hl=de&ct=clnk&cd=1
Schimmelbefall bei Lebensmitteln
www.vis.bayern.de/ernaehrung/verbraucherschutz/ unerwuenschte_stoffe/schimmelbefall.htm
Richt- und Warnwerte für Mikroorganismen in Lebensmitteln
www.lm-mibi.uni-bonn.de/DGHM.html
5.4
Gesetzliche Bestimmungen
139
Tabelle 5.6 (Fortsetzung) Links für verschiedene Informationen zu Arbeiten mit Schimmelpil-
zen. Selbstverständlich wird mit dieser Tabelle kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben Bereich
Links
Schimmelbefall in Gebäuden Ratgeber des Umweltbundesamtes
www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2227.pdf
„Schimmelpilz-Leitfaden“ (des Umweltbundesamtes)
www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2199.pdf
Tabelle 5.7 Ausgewählte Beispiele von Schimmelpilzen mit der Einstufung in Risikogruppen.
Modifiziert nach „Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe“ (TRBA) 460: Einstufung von Pilzen in Risikogruppen (Tabelle 5.6) Schimmelpilz
Sicherheitsstufe
Menscha
Tierb
Aspergillus fumigatus
S2
++
+
Aspergillus niger
S1
+
+
Aspergillus terreus
S1
+
+
Fusarium oxysporum
S1
+
–
Mucor circinelloides
S1
+
+
Penicillium marneffei
S2
++
–
Rhizopus oryzae
S1
+
–
a
+: in Einzelfällen als Krankheitserreger bei stark immungeschwächten Menschen nachgewiesen oder vermutet, ++: häufig bei immungeschwächten Menschen nachgewiesen b pathogen gegen Haus- und Nutztiere
kogruppen verschiedene Sicherheitsstufen festgelegt, die besondere Sicherheitsmaßnahmen anordnen. Dabei geht es zum einen darum, den Menschen vor dem evtl. von vornherein gefährlichen Organismus zu schützen, zum anderen aber auch darum, die Freisetzung eines GVOs zu verhindern. Das Kapitel 2 beschreibt die Lebensweise von Schimmelpilzen und macht deutlich, dass diese eine große Zahl von Sporen produzieren. Diese Sporen können beim Menschen Allergien auslösen, besonders dann, wenn sie in sehr großen Konzentrationen vorkommen, wie z. B. bei Schimmelbefall von Gebäuden (Kap. 6.4), oder auch bei sensibilisierten Menschen, beispielsweise mit chronischen Atemwegserkrankungen. Schimmel in Gebäuden muss daher so schnell wie möglich beseitigt werden. Für solche Fälle gibt es verschiedene Ansprechpartner, von denen einige ebenfalls in
140
5 Anwendungen
Tabelle 5.6 aufgeführt sind. Häufig haben auch Landkreise eigene Arbeitsgruppen zu Schimmelpilzbefall eingerichtet. Im Gegensatz zu den durch Sporen verursachten Allergien stehen die Mykotoxikosen (Kap. 6.3), die durch den Verzehr verschimmelter Lebensmittel entstehen. Hierbei werden die vom Pilz ausgeschiedenen Gifte, die Mykotoxine, aufgenommen, und diese verursachen verschiedene Symptome wie z. B. Übelkeit, Erbrechen oder auch starke Vergiftungserscheinungen (Kap. 6.3). Da Schimmelpilze überall vorkommen können, ist für verschiedene Lebensmittel deren erlaubter Höchstgehalt an Mykotoxinen gesetzlich festgelegt (Tabelle 5.6). Neben dem direkten Befall fertiger Lebensmittel ist ein wichtiger Punkt auch der mögliche Befall von Pflanzen, besonders Getreide, oder auch von Saatgut durch phytopathogene Pilze (Kap. 6.2). Neben den negativen Aspekten der Schimmelpilze können diese auch sehr nützlich sein, wie dieses Buch zeigt. So ist z. B. der Einsatz von Schimmelpilzen in der Lebensmittelindustrie sehr weit verbreitet (Kap. 5.2). Häufig werden mit Hilfe von Schimmelpilzen Enzyme produziert, die dann bei der Lebensmittelproduktion oder in anderen Industriezweigen eingesetzt werden (Kap. 3.2 und 5.1.6). Auch hier greifen bestimmte Regeln, denn nicht alle Schimmelpilze dürfen für die Lebensmittelproduktion eingesetzt werden (Tabelle 5.6). Insbesondere wird darauf geachtet, dass nur solche Schimmelpilzstämme verwendet werden, die keine Mykotoxine produzieren.
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5.4
Gesetzliche Bestimmungen
141
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6 Schadwirkung und Bekämpfung
In den vorangegangenen Kapiteln wurde neben der Beschreibung der Biologie, Physiologie und Genetik der Schimmelpilze insbesondere auch deren Nutzen für den Menschen z. B. durch Anwendungen der Schimmelpilze in der Bio- und Lebensmitteltechnologie oder der biologischen Schädlingsbekämpfung herausgestellt. Die aber in der Öffentlichkeit wohl weitaus bekanntere Seite der Schimmelpilze ist ihre Schadwirkung. Zum einen können sie als fakultativ Mensch- und Pflanzenpathogene eine nicht zu unterschätzende Gefährdung für den Menschen darstellen sowie große landwirtschaftliche Schäden hervorrufen. Zum anderen treten sie in hohem Maße, bedingt durch ihre saprophytische Lebensweise, als Kontaminationen auf Lebensmitteln und als Materialzerstörer auf. Auch in diesen beiden Fällen können sie eine Gefährdung des Menschen sowie einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden bedingen. Daher soll in den nun folgenden Kapiteln detailliert auf die Schadwirkung von Schimmelpilzen und deren Bekämpfung eingegangen werden.
6.1
Human- und Tierpathogene
Wie bereits in den Kapiteln 2.2 und 3.1 beschrieben, leben alle Schimmelpilze in erster Linie saprophytisch, d. h. sie verwerten abgestorbenes organisches Material als Nährstoffquelle. Nur ein sehr kleiner Teil der Schimmelpilze besitzt zusätzlich die Fähigkeit, durch eine parasitäre Lebensweise andere Organismen zu gefährden. Während mehrere tausend Schimmelpilzarten als pflanzenpathogen (Kap. 6.2) gelten, werden nur ca. 150 Arten als human-, d. h. menschenpathogen eingestuft. Hierbei handelt es sich ausschließlich um fakultativ1 pathogene Schimmelpilze, die auch als Opportu-
1
Fakultativ bezieht sich in diesem Fall auf die Tatsache, dass vornehmlich immunsupprimierte Menschen infiziert werden.
144
6
Schadwirkung und Bekämpfung
nisten bezeichnet werden. Diese sind in Form ihrer Sporen regelmäßig auf der Haut und den Schleimhäuten des menschlichen Körpers sowie in Organen, die mit der Umwelt in Kontakt stehen, zu finden. Sie schädigen den gesunden Menschen aber nicht, da dieser dank seines intakten Immunsystems eine Keimung der Sporen und damit eine Ausbreitung des Pilzes effizient verhindern kann. Wenn aber das körpereigene Abwehrsystem des Menschen durch bestimmte Umstände deutlich geschwächt ist und der Mensch als immunsupprimiert gilt, werden diese Schimmelpilze nicht mehr durch die lokale Infektabwehr eliminiert. Sie können sich dann also ausbreiten und schwere Erkrankungen, die sogenannten Mykosen, auslösen. Diese werden daher auch oftmals als „Krankheit der Kranken“ bezeichnet. Was aber führt generell zu einer Disposition, einer Anfälligkeit, des Menschen? Hier gibt es zahlreiche Gründe. So ist beispielsweise das Immunsystem bei AIDS- und Krebs-Kranken durch das Grundleiden stark geschwächt und kann durch Chemotherapien und Bestrahlungen weiter gemindert werden. Auch Personen, die sich einer Organtransplantation unterziehen mussten, zählen zu der Risikogruppe, da sie unter immunsuppressiver Langzeittherapie stehen, um Abstoßungsreaktionen der transplantierten Organe zu vermeiden. Eine Prädisposition für fakultativ humanpathogene Schimmelpilze wird aber auch durch eine Reihe weiterer Grundkrankheiten geschaffen wie z. B. Knochenmarkserkrankungen, Anämie, Autoimmunerkrankungen, Infektionskrankheiten, Diabetes mellitus, Lungenerkrankungen (Tuberkulose, Asthma, chronische Bronchitis), Leber- (Hepatitis) oder terminale Nierendysfunktionen sowie großflächige Verletzungen der Haut. Zudem wurde berichtet, dass ein Zusammenhang besteht zwischen auftretenden chronischen Mykosen und einer Übersäuerung des Körpers (Azidose), die z. B. durch eine entgleiste Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankungen oder zu geringe Abatmung von Kohlendioxid verursacht werden kann. Es wird angenommen, dass eine saure Reaktion bestimmter Organe und Organsysteme ein Milieu mit einem pH-Wert unterhalb von 7,35 der Haut und von Organen schafft, in dem die meisten opportunistischen Pilzarten günstige Lebensbedingungen finden und sich ausbreiten können. Aber auch die Schimmelpilze selbst müssen einige besondere Fähigkeiten mit sich bringen, um fakultativ pathogen leben zu können. Auf diese Voraussetzungen seitens der Schimmelpilze soll im Weiteren näher eingegangen werden (Kap. 6.1.1). Zudem sollen typische Vertreter fakultativ humanpathogener Schimmelpilze sowie die von ihnen hervorgerufenen Erkrankungen und deren Bekämpfung vorgestellt werden (Kap. 6.1.2). Im Gegensatz dazu werden typische tier- bzw. insektenpathogene Schimmel-
6.1
Human- und Tierpathogene
145
pilze zumeist als „Nützlinge“ in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt und daher in Kapitel 5.3 näher besprochen.
6.1.1
Pathogene Lebensweise
Damit die als Saprophyten lebenden Schimmelpilze als Humanpathogene wirken können, müssen sie bestimmte Voraussetzungen aufweisen, da die Invasion und Besiedlung von menschlichen Organen außergewöhnliche Herausforderungen an die Pilze stellen. Eine essenzielle Eigenschaft der fakultativ humanpathogenen Schimmelpilze ist ihre Thermotoleranz, d. h. sie können sich in einem großen Temperaturbereich verbreiten und sind insbesondere in der Lage, bei der menschlichen Körpertemperatur von 37 °C ein optimales Wachstum zu zeigen (Abb. 6.1). Eine besondere Eigenschaft weist hierbei der fakultativ pathogene, dimorphe Schimmelpilz Penicillium marneffei auf. Dessen Pathogenität ist gekoppelt an einen Wechsel der Wachstumsform (Kap. 2.1.1) vom vielzelligen Hyphenwachstum zu einer einzelligen Hefeform bei einer Tem-
Abb. 6.1 Wachstum verschiedener Schimmelpilze bei einer Temperatur von 27 °C bzw. 37 °C für
fünf Tage. Während bei 27 °C alle Pilze ein deutliches Wachstum zeigen, weisen bei 37 °C nur die thermotoleranten, auch als fakultativ humanpathogen beschriebenen Pilze Aspergillus terreus und Aspergillus niger eine deutliche Vermehrung auf
146
6
Schadwirkung und Bekämpfung
peratur von 37 °C, sodass er sich im menschlichen Körper hefeartig besonders schnell und effizient durch Spaltung vermehren kann. Zudem müssen diese Schimmelpilze effizient in den menschlichen Organismus eindringen können. Dieses wird von den humanpathogenen Arten zumeist durch die Bildung großer Mengen lungengängiger Sporen bewerkstelligt. Die gebildeten Sporen sind durchschnittlich zwischen 2–10 μm groß und können aufgrund ihrer geringen Größe durch die Luft über weite Entfernungen verbreitet werden, beim Einatmen direkt in die Lungenbläschen eindringen und dort zu einem Myzel auskeimen, wenn eine Disposition des Organismus vorliegt. Die Exposition des Menschen mit den Sporen der Schimmelpilze erfolgt dabei prinzipiell auf drei Wegen: (i) eine akzidentelle, d. h. zufällige, Exposition, bei der die Inhalation der Sporen infolge bautechnischer Mängel sowie über Lebensmittel, Müll oder Schmutz erfolgt; (ii) eine unauffällige konstante Exposition, die von bestimmten Elementen der häuslichen Umwelt ausgeht, wie Blumenerde oder Haustierfutter oder (iii) eine berufliche Exposition, d. h. ein Einatmen von Sporen bevorzugt in Bereichen, in denen mit pilzhaltigen Materialien gearbeitet wird und viel Staub vorliegt z. B. in der Landwirtschaft, Holzverarbeitung, Müllentsorgung, Gartenbau usw. Um aber eine effiziente Besiedlung des menschlichen Körpers zu erzielen, sind noch weitere Faktoren notwendig, die als Pathogenitätsfaktoren zusammengefasst werden, und deren Identifizierung im Fokus heutiger Forschungsarbeiten steht. Zu den Pathogenitätsfaktoren werden beispielsweise von den Schimmelpilzen gebildete Adhäsionsfaktoren gezählt. Normalerweise werden die Luftröhre und das Bronchialsystem von einer Schleimhaut ausgekleidet, deren Oberfläche mit einem schleimigen Sekret bedeckt ist, das Schwebteilchen aus der Luft bindet. Ein dichter Besatz an beweglichen Flimmerhärchen sorgt für einen beständigen Sekretstrom in Richtung Rachen, der die Schwebstoffe aus den Luftwegen abtransportiert. Die von den Schimmelpilzen gebildeten Adhäsionsfaktoren aber verhindern durch die Bindung an Komponenten der extrazellulären Matrix2 wie Laminin und Fibrinogen, dass dieser keimentfernende Sekretstrom wirksam wird, sodass die Sporen nicht effizient aus den Luftwegen eliminiert werden. Auch werden von einigen humanpathogenen Arten Enzyme wie Kollagenasen, Kreatinasen und Elastasen ausgeschieden, die den menschlichen Organismus
2
Die extrazelluläre Matrix ist der Anteil des Gewebes, der zwischen den Zellen im sogenannten Interzellularraum liegt.
6.1
Human- und Tierpathogene
147
durch Gewebezerstörungen schädigen. So besteht beispielsweise das Lungengewebe zu 30% aus Elastin, das durch Elastasen effizient abgebaut werden kann. Eine wichtige Rolle spielen ebenfalls vom Pilz sekretierte Proteasen. Einerseits beschafft sich der Pilz mittels dieser Enzyme durch den Abbau von menschlichen Proteinen die notwendigen Aminosäuren, womit er seine allgemeine Fitness erhöht; andererseits können aber mittels der ausgeschiedenen Proteasen auch effizient Körperabwehrmechanismen ausgeschaltet werden. Die Proteasen lösen z. B. die Schleimbarriere auf und degradieren Immunglobuline3, die vor Pathogenen schützen. Interessanterweise können einige pilzliche Proteasen auch auf die Blutgerinnungskaskade wirken. Bei Infektionen mit Aspergillus-, Mucor- oder Rhizopus-Arten beobachtete man im Gewebe einen Verschluss der Blutgefäße um einen Infektionsherd und eine daraus resultierende Nekrose, d. h. massive Zellzerstörung, in der sich die Pilze dann ungeachtet der Abwehrmechanismen vermehren können. Zudem bilden einige Schimmelpilze Sekundärmetabolite wie Toxine (Kap. 6.3) oder das Pigment Melanin, das ihre Sporen vor Phagozytose4 und Zerstörung schützt. Toxine wie beispielsweise das Gliotoxin (Kap. 6.3) wirken zytotoxisch, d. h. zellzerstörend, und immunsuppressiv, woraus eine direkte Schädigung des Wirts und eine weitere Schwächung des Immunsystems resultieren. Einer der am häufigsten auftretenden fakultativ humanpathogenen Schimmelpilze, der alle beschriebenen Voraussetzungen mit sich bringt und die stärkste bekannte humanpathogene Potenz zeigt, ist Aspergillus fumigatus. Aber auch weitere Arten der Gattungen Aspergillus, Penicillium, Fusarium oder Cladosporium können als fakultativ humanpathogen eingestuft werden. Zudem wurden einige Vertreter der Zygomyceten wie Absidia, Mucor oder Rhizopus als Auslöser menschlicher Mykosen identifiziert (Übersicht in Tabelle 6.1). In dem sich anschließenden Kapitel sollen die von diesen Vertretern der Schimmelpilze ausgelösten Erkrankungen und deren Bekämpfung näher beschrieben werden.
3
Immunglobuline sind Antikörper, die in Wirbeltieren, also auch dem Menschen, als Reaktion auf bestimmte Stoffe oder Pathogene gebildet werden. Antikörper stehen im Dienst des Immunsystems. 4 Als Phagozytose (gr. Phagein = fressen) wird die Aufnahme extrazellulärer fester Partikel bis hin zu kleineren Zellen durch eine einzelne eukaryotische Zelle bezeichnet. Zur Phagozytose gehört auch die Aufnahme und Vernichtung von Krankheitserregern durch die Makrophagen (Fresszellen) des Immunsystems.
148
6.1.2
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Mykosen
Die als fakultativ humanpathogen eingestuften Vertreter der Schimmelpilze können – neben den Hefen und den obligat pathogenen, auch den gesunden Mensch befallenden Dermatophyten – schwerwiegende Erkrankungen verursachen, die sogenannten Mykosen. Während die Dermatophyten die Auslöser von bekannten oberflächlichen Hautmykosen wie Fuß- oder Nagelpilz sind, lösen die Schimmelpilze bei immunsupprimierten Menschen systemische Mykosen aus, die sich zumeist durch einen Befall innerer Organe auszeichnen. Da die Exposition des Menschen mit diesen Schimmelpilzen zumeist über die Inhalation großer Sporenmengen erfolgt, ist die Lunge der primäre Infektionsherd. Seltener treten Erstbesiedlungen in den Nasennebenhöhlen, dem Ohr oder der traumatisierten Haut auf. Von dort aus können sich die Schimmelpilze über das Blut und/oder die Lymphe ausbreiten und andere innere Organe befallen, was zu schweren Krankheitsbildern mit schlechter Prognose führt. Je nach Art des verursachenden Schimmelpilzes werden zahlreiche Mykosen unterschieden (Tabelle 6.1), wobei die durch verschiedene Aspergillus-Arten, insbesondere Aspergillus fumigatus, ausgelöste sogenannte Aspergillose die wohl prominenteste ist. Diese Pilze entfalten im Bereich der tiefen Atemwege ihre pathogene Wirkung. Die gefährlichste Form der Aspergillose ist die invasiv pulmonale Aspergillose. Ausgehend von der Lunge kommt es zum Befall anderer Organe wie der Niere (Abb. 6.2a), des Herzens und des Zentralen Nervensystems, in denen sich der Pilz durch Myzelwachstum ausbreitet und dabei das gesamte funktionelle Organgewebe zerstört. Eine zweite Form der Aspergillose äußert sich im Auftreten sogenannter Aspergillome, die als lokal begrenzte, nicht invasive Pilzansiedlungen in einer präformierten, d. h. vorgeformten, Höhle der Lunge definiert werden. Hier besteht die Gefahr einer Zerstörung größerer Blutgefäße und damit einer Lungenblutung. Die Prognose bei einer invasiven Aspergillus-Infektion ist auch bei optimaler Behandlung schlecht, etwa 65–70% der Patienten sterben innerhalb der ersten drei Monate. Statistiken haben gezeigt, dass sich 10–17% der Todesfälle nach Transplantationen von Lunge, Herz oder Leber auf eine invasive Aspergillose zurückführen ließen. Deutlich seltener, aber in den letzten Jahren wieder zunehmend häufiger treten die sogenannten Phykomykosen (auch Zygo- oder Mucormykosen) auf, die durch Schimmelpilze der Gattungen Mucor, Rhizopus oder Absidia nach Aufnahme über die Atemluft oder den Intestinaltrakt ausgelöst werden. Diese Pilze können ebenfalls ausschließlich bei immunsupprimierten Menschen die Nasennebenhöhlen besiedeln und von dort aus ins Gehirn
6.1
Human- und Tierpathogene
149
Tabelle 6.1 Übersicht über die wichtigsten durch fakultativ pathogene Schimmelpilze ausgelös-
ten Mykosen des Menschen. Angegeben sind die bekanntesten verursachenden Pilze sowie ihre Schadwirkung auf den Menschen Krankheit
Schadwirkung
Schimmelpilz
Alternariose
Infektion der Haut
Alternaria spec., insbesondere A. alternata, A. chartarum, A. tenuissima
Aspergillose
Infektion von Lunge, Schleimhäuten, Herz, Leber, Niere, Zentralem Nervensystem, Augen und Haut
Aspergillus spec., insbesondere A. fumigatus (> 80%), A. flavus (10%), A. terreus, (5%), A. niger
Cephalosporiose
Infektion der Augen, der Haut und des Gehörgangs
Acremonium chrysogenum (syn. Cephalosporium acremonium)
Chromomykose
Infektion der Haut, Bildung warzenartiger, pigmentierter Läsionen, z. T. Infektion des Gehirns
Cladosporium carrionii, Phialophora verrucosa
Hyalohyphomykosen
Infektion verschiedenster Organe wie Lunge, Haut, Augen usw., Sepsis
Fusarium spec., Paecilomyces spec., Pseudoallescheria spec., Scopulariopsis spec.
Keratitis mykotica
Infektion der menschlichen Hornhaut im Auge
Neurospora sitophila, Fusarium spec., Curvularia brachyspora, Curvularia geniculata, Curvularia lunata
Penicillium marneffei-Mykose
Infektion der Lunge, Leberund Milzvergrößerung, Anämie, warzenähnliche Tumore der Haut
Penicillium marneffei
Peyronellaeose
Entzündliche Haut- und Schleimhautveränderungen
Peyronellaea specifica
Phaeohyphomykose
Infektion verschiedenster Organe, Sepsis
Alternaria spec., Curvularia spec., Bipolaris spec.
Phykomykose (Zygooder Mucormykose)
Infektion von Nasennebenhöhlen, Gehirn, Gastrointestinaltrakt, Lunge und Haut, Auslösung von Embolien und Thrombosen
Absidia corymbifera, Absidia italiana, Absidia ramosa, Basidiobolus ranarum, Cunninghamella elegans, Mucor hiemalis, Mucor mucedo, Mucor pusillus, Mucor plumbeus, Mucor racemosus, Rhizopus stolonifer, Rhizopus oryzae, Rhizopus microsporus, Rhizomucor pusillus
Verticilliose
Bildung von massiven Gewebeknoten der Haut
Verticillium cinnabarinum
150
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Abb. 6.2 a,b Durch Mykosen hervorgerufene Krankheitsbilder des Menschen. (a) Befall einer
menschlichen Niere durch Hyphen des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus. (b) Chromomykose mit granulomatösen Wucherungen im Bereich der menschlichen Haut (Fotos mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum, St. Josefs-Hospital)
6.1
Human- und Tierpathogene
151
eindringen, die Lungen befallen oder Abszesse im Bereich der Haut bilden. Aufgrund der hohen Affinität zu Blutgefäßen können sich diese Schimmelpilze in den Wänden von Arterien und Venen ansiedeln, und so zu Gefäßthromben und Embolien führen. Zudem können sie durch die Gefäßwände in Gewebe und Knochen einwandern, wo sie in Folge von Nekrosen massive Zellzerstörungen hervorrufen. Auch bei diesen opportunistischen Infektionen ist die Prognose sehr ungünstig; die Mortalität liegt bei 70–90%. Es sind aber auch fakultativ humanpathogene Schimmelpilze wie z. B. Cladosporium carrionii bekannt, die sogenannte subkutane (Unterhaut-) Mykosen wie die Chromomykose verursachen. Hier erfolgt die Aufnahme der an Holz und Pflanzen sitzenden Pilze in den menschlichen Körper durch Schrunden oder kleine Risse in der Haut. An den Infektionsstellen kommt es dann zur Ausbildung von Pusteln, später anschwellenden Knoten und pigmentierten Hautwucherungen (Abb. 6.2b). Diese Art der Mykose tritt weltweit auf, ihr Vorkommen wurde aber vor allem in den tropischen Zonen beschrieben. Chromomykosen verlaufen zumeist chronisch, und häufig kann nur ein operatives Entfernen befallener Stellen in frühen Erkrankungsphasen helfen. Allgemein ist die Bekämpfung von durch Schimmelpilze ausgelösten Mykosen schwierig. Eine Behandlung erfolgt zumeist medikamentös durch den Einsatz sogenannter Antimykotika, also Arzneimitteln mit fungizider Wirkung. Ein standardmäßig zur Behandlung von invasiven Mykosen eingesetztes Antimykotikum ist das in die chemische Gruppe der Polyene gehörende Amphotericin B. Dessen Wirkungsmechanismus beruht auf einer Komplexbildung mit Ergosterin, das in der Zellmembran von Pilzen, aber nicht des Menschen vorkommt, wodurch ausschließlich die osmotische Integrität der pilzlichen Zellen zerstört wird. Trotz seines sehr großen Wirkspektrums ist der Einsatz dieses Antimykotikums sowie vieler anderer leider durch die hohe Rate an Nebenwirkungen wie z. B. Nierenfunktionsstörungen eingeschränkt. Daher liegt ein Schwerpunkt der derzeitigen Forschung in der Entwicklung immer neuer Antimykotika, die beispielsweise ein günstigeres Nebenwirkungsprofil zeigen. Zu diesen Substanzen gehören unter anderem die Candine. Diese wirken nicht auf die pilzliche Zellmembran, sondern inhibieren die Synthese von β-1,3-Glucan, einem essenziellen Baustein der pilzlichen Zellwand insbesondere der medizinisch relevanten Ascomyceten wie Aspergillus fumigatus. Da vergleichbare Angriffsstellen im Menschen nicht vorkommen, zeichnen diese Substanzen sich durch eine sehr gute Verträglichkeit aus.
152
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Zusätzlich zum Einsatz der Antimykotika erfolgt bei der Behandlung einer Schimmelpilzmykose eine Stärkung des körpereigenen Immunsystems sowie eine strikte Ernährungsumstellung auf eine Anti-Pilz-Diät, in der vor allem der Verzehr isolierter Kohlenhydrate wie Industriezucker oder Weißmehl sowie eine übermäßige Säureaufnahme vermieden wird. Da für immunsupprimierte Personen inhalierte Sporen von den spezifischen Vertretern der Mucorales sowie der Gattungen Aspergillus, Penicillium, Cladosporium usw. als obligat pathogen zu betrachten sind, stellen viele Dinge des Alltags ein hohes Gesundheitsrisiko dar. So begünstigt Wärme, die bei der Verrottung organischen Materials z. B. in Biotonnen oder dem Kompost entsteht, das Wachstum fakultativ pathogener thermophiler Schimmelpilze wie Aspergillus fumigatus und die Abgabe inhalationsfähiger Sporen (Kap. 3.1.3). Deshalb sollten immungeschwächte Personen Alltagsarbeiten wie z. B. das Beseitigen gefallenen Laubs, das Beschicken von Biotonnen oder das Verrichten von Kompostarbeiten vermeiden. Zudem können eigentlich harmlose Dinge wie beispielsweise die Blumenerde aus Topfpflanzen eine signifikante, konstante Sporenquelle und damit ein hohes Gefahrenpotenzial für immungeschwächte Personen darstellen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Kapitel nur einen kurzer Abriss über Mykosen geben soll, detaillierte medizinische Informationen können immer bei Fachärzten erfragt und/oder im Internet (z. B. http://www. hermal.de/her/pages/enzyklopaedie/enzyklopaedie.php) gefunden werden. Neben dem Auslösen dieser beschriebenen schweren Mykosen können Schimmelpilze bzw. ihre Sporen aber auch als Fremdantigene Allergien bei empfänglichen Menschen verursachen oder durch die Bildung und Sekretion von Toxinen für akute oder chronische Vergiftungen des Menschen verantwortlich sein. Diese Schadwirkungen der Schimmelpilze werden im Rahmen ihrer Wirkung als Pflanzenpathogene, Lebensmittelkontaminationen und Materialzerstörer in den folgenden Kapiteln 6.2, 6.3 und 6.4 angesprochen.
6.2
Pflanzenpathogene
Wie in der Einleitung beschrieben, sind Schimmelpilze normalerweise Saprophyten, sie ernähren sich also von abgestorbener organischer Materie. Rein pathogene Pilze werden daher nicht als Schimmelpilze bezeichnet; zwischen Saprophyten und Pathogenen existieren aber viele Übergangsformen. Generell besitzen phytopathogene Pilze eine große ökologische und wirtschaftliche Bedeutung. Pflanzenpathogene Pilze kommen in nahezu jeder
6.2
Pflanzenpathogene
153
Pilzgruppe vor und stellen das größte Kontingent an pflanzenschädigenden Organismen. Die Schäden, die in Land- und Forstwirtschaft weltweit durch Pilze verursacht werden, sind immens. Ernteverluste, die durch phytopathogene Pilze hervorgerufen wurden, haben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu Hungersnöten geführt. Ein bekanntes Beispiel ist der Ausbruch der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel in Irland in den Jahren 1845–1848, verursacht durch Phytophtora infestans. Durch den Verlust von nahezu der gesamten Kartoffelernte verhungerten eine Millionen Menschen, weitere zwei Millionen wanderten nach Amerika aus. Auch im letzten Jahrhundert führten Pilzkrankheiten von Pflanzen zu Hungersnöten, so z. B. 1943 in Bengalen (eine Region im heutigen Indien und Bangladesch), wo nach Einbußen bei der Reisernte, verursacht durch den Ascomyceten Bipolaris oryzae (Synonyme: Cochliobolus miyabeanus oder Helminthosporium oryzae), mehr als zwei Millionen Menschen an Hunger bzw. an durch Unterernährung begünstigten Krankheiten starben. Heute können Pilzepidemien relativ effektiv durch den Einsatz von Fungiziden bzw. resistenten Pflanzenlinien verhindert werden. Aber da die meisten phytopathogenen Pilze selbst wiederum relativ schnell Resistenzen gegenüber Fungiziden entwickeln bzw. Stämme auftreten, die auch ehemals Pilz-resistente Pflanzen befallen können, ist die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln bzw. resistenten Sorten nie abgeschlossen, sondern muss ständig weitergeführt werden. Phytopathogene Pilze ernähren sich von pflanzlichen Substanzen, und diejenigen unter ihnen, die auch saprophytisch wachsen können, tun dies meist auf Substraten, die auf Pflanzenteilen beruhen. Da ein Großteil der menschlichen Nahrungsmittel aus Pflanzen besteht, werden Pilze, die sowohl phytopathogen als auch saprophytisch sind, oftmals als Lebensmittelkontaminationen oder Kontaminationen von Saatgut gefunden (Kap. 6.3). In den folgenden Kapiteln soll auf einige Eigenschaften von Schimmelpilzen, die zugleich Erreger von Pflanzenkrankheiten sind, näher eingegangen werden.
6.2.1
Biotrophe und nekrotrophe Pathogene
Phytopathogene Pilze können in zwei Gruppen eingeteilt werden, nämlich in biotrophe und nekrotrophe Pathogene. Biotrophe Pilze entnehmen ihre Nährstoffe den noch lebenden Pflanzenzellen. Es handelt sich hierbei um obligat phytopathogene Pilze, die meist nicht oder nur sehr schlecht ohne ihren Wirt existieren können. Unter diesen Pilzen finden sich daher keine Schimmelpilze, da sie kaum zum saprophytischen Wachstum fähig sind. Nekrotrophe Pilze dagegen töten die Zellen ihrer Wirtspflanze ab und
154
6
Schadwirkung und Bekämpfung
ernähren sich dann von den entstehenden toten organischen Substanzen, d. h. sie wachsen nach Abtöten ihres Wirts saprophytisch. Diese Pilze besitzen oft ein sehr weites Wirtsspektrum und sind zudem häufig problemlos in der Lage, auf verschiedenen Substraten pflanzlichen Ursprungs zu wachsen, sodass eine Reihe von ihnen auch als Schimmelpilze in Erscheinung treten. Zwischen den beiden Extremen, nämlich rein biotrophen und rein nekrotrophen Pilzen, gibt es eine Reihe von Übergangsformen. So wachsen viele phytopathogene Pilze während einer ersten Infektionsphase biotroph und töten Pflanzenzellen oder die ganze Pflanze erst in späteren Stadien der Infektion, z. B. während der Sporenbildung des Pilzes. Ein Beispiel für einen nekrotrophen phytopathogenen Schimmelpilz ist der Ascomycet Botrytis cinerea. Dieser Pilz ist in der Lage, mehr als 200 Pflanzenarten zu befallen. Ein starker Befall äußert sich darin, dass die betroffenen Pflanzenteile von Sporenträgern mit grau gefärbten Konidiosporen überzogen werden; die Krankheit wird daher auch Graufäule genannt (Abb. 6.3). Der Befall mit Botrytis cinerea kann aber unter Umständen auch positive Folgen haben; so können bestimmte mit Botrytis cinerea infizierte Trauben für die Herstellung von Weinen mit Edelfäulebukett verwendet werden (Kap. 5.2.6). Auch verschiedene nekrotrophe oder bio-nekrotrophe Fusarium- und Alternaria-Arten treten oft als Schimmelpilze auf, und werden daher bevorzugt als Kontaminationen auf Nahrungsmitteln auf pflanzlicher Basis gefunden. Dies kann einerseits dadurch verursacht werden, dass Pilzsporen durch den Wind weit verbreitet werden können und daher überall, auch in Innenräumen, das Auftreten verschiedenster Pilzsporen unvermeidbar ist. Ein weiterer Grund für das Auftreten phytopathogener Pilze als Lebensmittelkontamination ist die Verwendung infizierter Pflanzen oder Pflanzenteile, die bereits eine hohe Belastung mit Sporen aufweisen. Die reine Anwesenheit von Sporen auf Nahrungsmitteln ist im Normalfall unschädlich, kann aber zum Problem werden, wenn die Sporen auskeimen und die entstandenen Myzelien z. B. Mykotoxine produzieren (Kap. 6.3). Ein weiteres Problem kann bei Befall von Pflanzensamen bestehen, die für die Aussaat bestimmt sind (Kap. 6.2.2).
6.2.2
Samenübertragbare Pilze
Pilze können mit pflanzlichen Samen oder Früchten übertragen werden, indem sie in Form von Sporen oder Myzel an der äußeren Hülle von Früchten und Samen haften. Manche Arten sind zudem in der Lage, als interzellu-
6.2
Pflanzenpathogene
155
Abb. 6.3 Befall einer Erdbeere mit Botrytis cinerea. Eine mit Botrytis cinerea befallene Erdbeere ist bereits nach wenigen Tagen vollständig von grau gefärbten Konidienträgern überzogen („Grauschimmel“)
läres Myzel im Inneren eines Samens zu überdauern. Samenbefallende Pilze können nach der Keimung des Samens zu Pflanzenkrankheiten führen, oder aber auch Probleme bei der Lagerung von Lebensmitteln bereiten.
Samenübertragbare Pilze auf Saatgut
Ein Großteil der menschlichen Nahrung basiert auf den Samen und Früchten von Pflanzen. So bilden z. B. die Früchte der Getreidearten Reis, Weizen und Mais die Nahrungsgrundlage für die Mehrzahl der Menschen weltweit. Da es sich hierbei wie bei vielen anderen Kulturpflanzen um Arten handelt, die nach jeder Vegetationsperiode neu ausgesät werden müssen, sind geeignetes Saatgut und das Wachstum der Jungpflanzen essenziell für spätere Ernten. Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig, Saatgut zu haben, das frei von Erregern pflanzlicher Krankheiten ist, da besonders die Jung-
156
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Abb. 6.4 Alternaria spec. auf unbehandelten Sonnenblumenkernen. Sonnenblumenkerne wurden
auf Maisagar ausgebracht und für vier Tage bei Raumtemperatur inkubiert. Um die keimenden Sonnenblumenkerne herum haben sich Alternaria-Kolonien gebildet
pflanzen oft sehr anfällig gegenüber Pathogenen wie Pilzen sind. Eine Reihe von Pilzen kann im Boden überleben, bis geeignete Wirtspflanzen auskeimen. Es gibt aber auch viele samenübertragbare Pilze, welche direkt vor Ort sind, wenn die Jungpflanze auskeimt, was zu starkem Befall und deutlichen Ernteeinbußen führen kann (Abb. 6.4). Eine Reihe weit verbreiteter Erreger von Pflanzenkrankheiten ist durch Samen übertragbar, hierzu zählen z. B. eine Vielzahl von Alternaria- und Fusarium-Arten (Tabelle 6.2). Um die Belastung mit samenübertragbaren Pilzen zu verringern, wird das Saatgut gebeizt, d. h. es wird vor der Aussaat mit Fungiziden behandelt, wodurch der Befall der auskeimenden Pflanzen mit phytopathogenen Pilzen deutlich zurückgeht. In Deutschland unterliegt die Herstellung von Saatgut gesetzlichen Regelungen, und das Saatgut wird durch die zuständigen Landesämter stichprobenartig auf Keimfähigkeit und Beizgrad geprüft.
6.2
Pflanzenpathogene
157
Tabelle 6.2 Schimmelpilze, die als samenübertragbare Pilze eine Bedeutung besitzen. Einige in
Mittel- und Westeuropa häufig auftretende Gattungen samenübertragbarer Schimmelpilze Gattung
Artena
Wirtspflanzen
Krankheiten/Symptome
Alternaria
>60
Raps und andere Brassicaceen, Mohrrüben, Lein, Sonnenblumen, Getreide
Schwarzfleckenkrankheit, Blattbrand
Ascochyta
>30
Bohnen, Luzerne, Kichererbsen, Erbsen
Anthraknosen
Aspergillus
>20
weite Verbreitung
meist apathogen, Kontaminationsprobleme bei falscher Lagerung
breites Wirtsspektrum
Graufäule
besonders Claviceps purpurea auf Roggen und vielen anderen Gräsern
Mutterkorn
3
Bohnen, Lein, Lupinen
Anthraknosen
Fusarium
>80
breites Wirtsspektrum, v.a. Getreide
u. a. Taubährigkeit
Helminthosporium
>10
breites Wirtsspektrum, v.a. Getreide
Helminthosporiosen
Botrytis Clavicepsb
Colletotrichum
>1
Mucor
>3
weite Verbreitung
apathogen, Kontaminationsprobleme bei falscher Lagerung
Neotyphodiumc
>3
Gräser
apathogen, Alkaloidproduktion kann zu Problemen bei Verwendung als Futterpflanze führen
weite Verbreitung
meist apathogen, Kontaminationsprobleme bei falscher Lagerung
breites Wirtsspektrum
falscher Mehltau
Rüben, Möhren, Bohnen, Lein, Raps etc.
Wurzelbrand, Stengeldürre etc.
Penicillium
Peronosporab Phoma
a
5
>20
2 >5
Ungefähre Zahl der Arten, die häufig auf Saatgut zu finden sind. Die Gattung enthält rein phytopathogene Arten, d. h. es sind keine Schimmelpilze im engeren Sinn, da sie nicht saprophytisch wachsen. Hier sind der Vollständigkeit halber nur einige Leitarten aufgeführt. c Die Gattung enthält hauptsächlich Endophyten, d. h. Pilze, die in Pflanzen wachsen, ohne Krankheiten zu verursachen. Es handelt sich daher nicht um Schimmelpilze im engeren Sinn. Hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt. b
158
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Tabelle 6.2 (Fortsetzung) Schimmelpilze, die als samenübertragbare Pilze eine Bedeutung besit-
zen. Einige in Mittel- und Westeuropa häufig auftretende Gattungen samenübertragbarer Schimmelpilze Gattung
Artena
Wirtspflanzen
Krankheiten/Symptome
Rhizopus
>4
weite Verbreitung
apathogen, Kontaminationsprobleme bei falscher Lagerung
Septoria
>3
Weizen, Sellerie, Petersilie
Septoriosen
Tilletiab
>1
besonders Tilletia caries auf Weizen
Weizensteinbrand
Ustilagob
>1
besonders Ustilago nuda und Ustilago tritici auf Gerste und Weizen
Flugbrand
a
Ungefähre Zahl der Arten, die häufig auf Saatgut zu finden sind. Die Gattung enthält rein phytopathogene Arten, d. h. es sind keine Schimmelpilze im engeren Sinn, da sie nicht saprophytisch wachsen. Hier sind der Vollständigkeit halber nur einige Leitarten aufgeführt. c Die Gattung enthält hauptsächlich Endophyten, d. h. Pilze, die in Pflanzen wachsen, ohne Krankheiten zu verursachen. Es handelt sich daher nicht um Schimmelpilze im engeren Sinn. Hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt. b
Samenübertragbare Pilze auf Nahrungsmitteln
Neben Schwierigkeiten, die bei Verwendung von pilzbefallenen Samen und Früchten für die Aussaat bestehen, kann der Pilzbefall auch bei der Lagerung Probleme bereiten. Viele Pflanzenteile werden nach der Ernte lange Zeit gelagert oder über weite Strecken transportiert, bis sie weiterverarbeitet oder konsumiert werden. Besonders wenn die Lagerungs- oder Transportbedingungen zu feucht und zu warm sind, können Pilzsporen zu keimen beginnen. Dies gilt nicht nur für phytopathogene Pilze, sondern für die Sporen vieler saprophytischer Pilze, die durch Windverbreitung auf die Samen gelangen können. Die entstehenden Myzelien sind oftmals in der Lage, größere Mengen an Mykotoxinen zu produzieren, welche die Samen oder Früchte kontaminieren können (Kap. 6.3). Bei nur oberflächlicher Betrachtung können ein solcher Pilzbefall und die damit einhergehende Mykotoxinbelastung unentdeckt bleiben, was je nach Menge der entstandenen Mykotoxine schwerwiegende Folgen haben kann. Ein Beispiel ist das als Turkey X-Krankheit bekannt gewordene Massensterben von Truthähnen in England im Jahr 1960, verursacht durch die Verfütterung von Aflatoxin-kontaminiertem Erdnussmehl (Kap. 6.3). Um Schäden durch Mykotoxine zu verhin-
6.3
Lebensmittelkontaminationen
159
dern, werden daher heutzutage die zur Lebensmittel- oder Tierfutterherstellung eingesetzten Produkte auf Kontaminationen mit einer Reihe bekannter Mykotoxine kontrolliert.
6.3
Lebensmittelkontaminationen
Neben ihrer Schadwirkung als human- und phytopathogene Erreger (Kap. 6.1 und 6.2) sind Schimmelpilze auch weithin als Verderber von Lebensmitteln bekannt. Der Verderb von Lebensmitteln durch Mikroorganismen wie Schimmelpilze, aber auch Hefen und Bakterien, ist ein komplexer Prozess, bei dem das Wachstum der Organismen von drei Bedingungen bestimmt wird: • von Innenfaktoren, die vom Substrat selbst ausgehen wie die Wasseraktivität (Kap. 3.1.6), pH-Wert (Kap. 3.1.5), chemische Zusammensetzung und Konsistenz, • von Außenfaktoren, zu denen die Lagertemperatur sowie die Zusammensetzung der umgebenden Atmosphäre gehören, und • von Faktoren der Verarbeitung eines Lebensmittels wie physikalische (Erhitzen, Bestrahlung) und chemische (Konservierungsstoffe) Prozesse. Sind die Bedingungen für alle Gruppen der Mikroorganismen günstig, wachsen die Bakterien im Allgemeinen schneller als die Hefen, und diese wiederum schneller als die Schimmelpilze. Damit können sich die Schimmelpilze nur durchsetzen, wenn für sie die Lebensbedingungen auf einem Substrat besser sind als für die anderen Gruppen. Dieses trifft beispielsweise zu, wenn die Wasseraktivität eines Lebensmittels niedrig und vor allem der pH-Wert < 5,5 ist (Kap. 3.1). Bei diesen Bedingungen wird das Wachstum von Bakterien gehemmt, während z. B. viele Vertreter der Gattung Aspergillus diese Bedingungen optimal finden. Manche Schimmelpilzarten setzen sich aber auch durch, weil sie als Saprophyten aufgrund ihrer ausgeprägten Variabilität und Anpassungsfähigkeit (Kap. 2.3 und 3.1) in bestimmten ökologischen Nischen existieren und von dort aus schnell und effizient ein Lebensmittel besiedeln können. So ist beispielsweise Penicillium expansum weit verbreitet auf Äpfeln zu finden, da der Pilz bevorzugt im Erdboden von Obstplantagen auf verrottenden Pflanzenteilen existiert und von dort aus direkt die Früchte besiedelt. Aber auch die Temperatur spielt eine Rolle bei der
160
6
Schadwirkung und Bekämpfung
effektiven Besiedlung und der Durchsetzung eines Organismus auf einem Substrat. So können psychrophile Arten wie einige Penicillium-Spezies oder Cladosporium herbarum (Kap. 3.1.3) Produkte infizieren, die längere Zeit gekühlt vorliegen, während Mucor-Arten bei hohen Temperaturen und hoher Feuchtigkeit auftreten. Da Hefen und Bakterien diese große Temperaturtoleranz zumeist nicht zeigen, können sie nur in einem engeren Temperaturbereich als Konkurrenten für Lebensmittelkontaminationen auftreten. Bei dem Befall von Lebensmitteln durch Schimmelpilze kommt es zu einer Veränderung des Produkts als Ergebnis einer Vielzahl chemischer Umwandlungsreaktionen, die von dem Pilz aufgrund seiner breiten Enzymausstattung induziert werden. Durch die Sekretion verschiedenster Enzyme verwerten Schimmelpilze viele Stoffe der Lebensmittel wie Kohlenhydrate, Proteine oder Fette und Öle (Tabelle 3.4). So ermöglicht beispielsweise die Produktion von Amylasen und anderer Glucohydrolasen den Schimmelpilzen den Abbau komplexer Kohlenhydrate in kürzerkettige Oligosaccharide, Disaccharide und Monosaccharide. Zudem erfolgt durch die Ausscheidung von Pektinasen und Polygalacturonasen ein effizienter Abbau des Pektins in pflanzlichen Zellwänden, woraus eine Erweichung des Pflanzengewebes und damit das Auftreten der sogenannten Weichfäule z. B. bei Obst und Gemüse resultieren. Zur effizienten Nutzung von Lebensmitteln als Proteinquelle konnte bei einer Reihe von Schimmelpilzen wie den Mucorales aber auch Aspergillus niger, Aspergillus oryzae oder Penicillium cyaneofulvum die Sekretion von Proteasen nachgewiesen werden. Zudem führt die Ausscheidung von Lipasen durch z.B Aspergillus repens, Penicillium glaucum oder Cladosporium herbarum zum Abbau von Triglyceriden und damit zur effizienten Verwertung von Ölen und Fetten durch Schimmelpilze. Diese beschriebenen enzymatischen Prozesse führen letztlich alle zu einer Anhäufung von Stoffwechselprodukten, die das Lebensmittel für den Menschen ungenießbar machen. Diese große Zahl verfügbarer Enzyme und die dadurch resultierende fehlende Spezialisierung auf Substrate ermöglichen es den Schimmelpilzen aber auch, alle Arten von Lebensmitteln zu befallen. Im Folgenden sollen einige Beispiele für Lebensmittel genannt werden, die häufig zum Verschimmeln neigen: • Getreide und Backwaren: Bei dem Befall von Getreide wird zwischen sogenannten Feld- und Lagerpilzen unterschieden. Feldpilze besiedeln das Getreide vor der Ernte (Kap. 6.2), während Lagerpilze wie z. B. Vertreter der Gattungen Mucor, Rhizopus, Aspergillus und Penicillium erst nach der Ernte bei sinkendem Wassergehalt der Körner auftreten. Zudem tritt häufig ein Verschimmeln von Backwaren nach der Produktion auf (Abb. 6.5).
6.3
Lebensmittelkontaminationen
161
Abb. 6.5 Beispiele für Lebensmittelkontaminationen durch Schimmelpilze. Je nach Beschaffenheit des Substrats können typische Vertreter der Schimmelpilze auf Brot (a), Joghurt (b) sowie Früchten (c, d) auftreten und diese Produkte für den Menschen ungenießbar werden lassen
• Obst und Gemüse: Früchte weisen aufgrund des hohen Gehalts an Fruchtsäuren einen pH-Wert von 3–4 auf. Unter diesen Bedingungen zeigen ausschließlich Schimmelpilze ein Wachstum und können somit über feinste Risse und Verletzungen in das Substrat eindringen und es besiedeln. Bei Zitrusfrüchten (Abb. 6.5) werden vor allem Penicillium digitatum („grüner Schimmel“) oder Penicillium italicum („blauer Schimmel“) gefunden, auf Erdbeeren ist ein typischer Vertreter Rhizopus stolonifer,
162
•
•
•
•
6
Schadwirkung und Bekämpfung
der Erreger der Nassfäule, oder Botrytis cinerea als sogenannter „Grauschimmel“ (Abb. 6.3). Ansonsten ist eine Vielzahl weiterer Vertreter aus den Gattungen Alternaria, Aspergillus, Fusarium, Mucor, Rhizopus sowie Penicillium als Verderber von Obst und Gemüse zu finden. Milch, Milchprodukte: Rohmilchprodukte werden zumeist von Mucorund Fusarium-Spezies besiedelt, während auf Käse- und Joghurtprodukten aufgrund ihrer hohen Kältetoleranz zumeist Aspergillus- und Penicillium-Spezies nachgewiesen werden konnten (Abb. 6.5). Fleisch, Fisch, Fleischprodukte: Diese Lebensmittel werden aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung in erster Linie von Bakterien befallen, es finden sich aber auf lange reifenden Produkten wie Würsten und Schinken auch einige Schimmelpilzarten (Kap. 5.2.4). Es handelt sich dabei zumeist um Penicillium-Spezies wie Penicillium chrysogenum oder Penicillium verrucosum, da diese bei geringen Temperaturen vermehrungsfähig sind und auch bei geringen Wasseraktivitäten und pHWerten gedeihen können (Kap. 3). Zudem wurden auch einige xerophile Aspergillus- und Mucor-Arten identifiziert. Fette, Öle, Nüsse: Aufgrund ihrer lipolytischen Aktivität können Schimmelpilze wie Aspergillus repens oder Cladosporium butyri auch stark fetthaltige Lebensmittel wie Olivenöl, Margarine oder Butter besiedeln, was zur Ranzidität oder Seifigkeit und somit zur Ungenießbarkeit der Produkte führt. Gewürze: Gewürze zeigen einen hohen Befallsgrad mit Schimmelpilzen, die aber zumeist nur in der äußeren Fruchtwand wachsen. Im Inneren ist der Gehalt an ätherischen Ölen sehr hoch, was hemmend auf das Pilzwachstum wirkt, sodass dieser Teil als Nahrungsmittel verwendet werden kann.
An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass im Gegensatz zu den bisher genannten schnell verderbbaren Lebensmitteln Zucker, Honig und Süßwaren weitestgehend vor einem Befall mit Mikroorganismen geschützt sind. Es gibt nur sehr wenige Schimmelpilze, die auf diesen Substraten wachsen, da dem Myzel aufgrund des hohen Zuckergehalts ständig mit hohem osmotischen Druck Wasser entzogen wird. Daher sind nur xerophile Pilze wie beispielsweise Aspergillus flavus, Aspergillus terreus, Penicillium expansum oder Penicillium luteum, die zudem noch das Enzym Invertase bilden, in der Lage, auf Zucker und Melasse zu wachsen. Die Invertase ermöglicht diesen Pilzen, Saccharose in Fructose (Fruchtzucker) und Glucose (Traubenzucker) zu spalten. Die resultierende Mischung heißt Invertzucker, kris-
6.3
Lebensmittelkontaminationen
163
tallisiert im Gegensatz zur Saccharose nicht und kann daher auch nicht feuchtigkeitsentziehend wirken. An diesem Beispiel können nochmals die vielfältigen Möglichkeiten der Schimmelpilze erkannt werden, sich auch ungünstige Lebensmittel als Nahrungsquellen nutzbar zu machen. Wie die beschriebenen Beispiele zeigen, können Schimmelpilze durch die Besiedlung und Vernichtung von Lebensmitteln, vor allem in wärmeren Ländern oft ganzer Ernten, extrem hohe wirtschaftliche Schäden anrichten. Aber durch den Befall von Lebensmitteln und somit den Eintritt in die Nahrungskette bergen Schimmelpilze auch ein hohes gesundheitliches Gefahrenpotenzial für Menschen und Nutztiere. Daher sollen im Folgenden die Gefahren erläutert werden, die durch einen Verzehr von mit Schimmelpilzen befallenen Lebensmitteln ausgehen können.
6.3.1
Mykotoxikosen
Schimmelpilze besitzen durch ihren umfangreichen Sekundärmetabolismus (Kap. 3.3) die Fähigkeit, eine Vielzahl von Produkten zu bilden, unter anderem in hohem Maße die Schimmelpilzgifte oder sogenannten Mykotoxine (Infobox 6.1, Tabelle 6.3). Diese verbleiben zumeist nicht im Organismus, sondern werden von den Pilzen ausgeschieden und kontaminieren das befallene Substrat, z. B. ein Lebensmittel. Bei Aufnahme dieser Mykotoxine durch den Menschen oder Nutztiere können akute oder chronische Vergiftungen, sogenannte Mykotoxikosen, ausgelöst werden (Tabelle 6.3). Diese sind klar abzugrenzen von den Myzetismen, d. h. den Vergiftungen, die durch einen Verzehr von Giftpilzen, wie dem Fliegen- oder Grünen Knollenblätterpilz, verursacht werden. Da alle Mykotoxine mit Molekulargewichten von unter 1.500 Dalton relativ kleine Moleküle darstellen, lösen sie keine direkte Immunantwort im Organismus aus, sodass der befallene Körper zu Beginn keine Signalsymptome entwickelt und somit Vergiftungen durch Mykotoxine häufig erst spät erkannt werden. Eine Möglichkeit zur Aufnahme signifikanter Mykotoxin-Mengen durch den Menschen ist die Inhalation von Sporen. Zum Beispiel enthalten die Sporen von Aspergillus flavus oder Stachybotrys chartarum noch große Mengen unterschiedlichster Mykotoxine, die so aerogen aufgenommen und im menschlichen Körper resorbiert werden. Hauptsächlich ist der Mensch aber durch den Verzehr Mykotoxin kontaminierter Lebensmittel bedroht. Nach Schätzungen der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen sind weltweit etwa 25% aller produzierten Lebensmit-
164
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Infobox 6.1 Mykotoxine Als Mykotoxine oder Schimmelpilzgifte werden Sekundärmetabolite unterschiedlichster Stoffgruppen (Kap. 3.3) zusammengefasst, die von Schimmelpilzen auf Futter- oder Nahrungsmitteln gebildet werden und schon in geringsten Mengen bei Menschen und Tieren nach Aufnahme über Nahrung, Hautkontakt oder Inhalation schwere Vergiftungen, die sogenannten Mykotoxikosen, verursachen. Die Mykotoxine sind klar zu unterscheiden von den toxischen Inhaltsstoffen der Großpilze wie beispielsweise der Fliegenpilze, die als Pilzgifte bezeichnet werden. Die wissenschaftliche Mykotoxin-Forschung und das Erkennen ihres Gefahrenpotenzials für Menschen und Tiere begann weltweit O
O
HO
O
O
O O
O
OCH3
O
Patulin
Aflatoxin B1
O CH
CH2
NH
OH
O
C
O
COOH
CH3 CI
Ochratoxin A OH O
N
CH3 OH
CH3
O O
HO
O
NH
Lysergsäure
Zearalenon
6.3
Lebensmittelkontaminationen
165
Infobox 6.1 (Fortsetzung) erst 1960, nachdem in England etwa 100.000 Truthähne sowie 20.000 Enten und Wachteln an einer bis dahin unbekannten Krankheit, der Turkey X Disease verendeten. Einer Forschergruppe gelang es nach kurzer Zeit, die Ursache zu ermitteln. Alle betroffenen Geflügelfarmen hatten Erdnussmehl aus Brasilien verfüttert, das im hohen Maße mit dem Schimmelpilz Aspergillus flavus befallen war. Aus den Erdnussproben konnte schnell ein hochgiftiger Metabolit dieses Pilzes isoliert werden, der nach seinem Produzenten Aflatoxin genannt wurde und für die Vergiftung der Tiere verantwortlich war. In den folgenden Jahren setzte eine intensive Suche nach weiteren toxischen Substanzen von Schimmelpilzen ein. Heute sind etwa 300 chemisch definierte Mykotoxine bekannt, die von mehr als 250 Schimmelpilzarten, zumeist Vertretern der Gattungen Aspergillus, Penicillium oder Fusarium, gebildet werden. Mykotoxine zeichnen sich durch ihre hohe Stabilität gegenüber Säuren und Hitze sowie ihr geringes Molekulargewicht von unter 1.500 Dalton aus. Wichtige und häufig in Nahrungsmitteln zu findende Beispiele sind neben den Aflatoxinen die Ochratoxine, die Mutterkornalkaloide, die Trichothecene, aber auch Patulin und Zearalenon. Nicht alle Schimmelpilze bilden Mykotoxine, meist sind es nur bestimmte Arten, wobei sich die Fähigkeit zur Toxin-Synthese auch bei einer Art von Isolat zu Isolat unterscheiden kann. Über die Funktion der Mykotoxine im Leben des Produzenten gibt es noch keine wissenschaftlich gesicherten Daten. Es wird angenommen, dass sie als Pathogenitätsfaktoren wirken oder möglicherweise den Produzenten einen Vorteil gegenüber natürlichen Konkurrenten wie beispielsweise Bakterien verschaffen können. Zudem wird diskutiert, dass ein hoher Mykotoxin-Gehalt Samen und Früchte vor Fraßfeinden schützt und diese damit weiterhin den Schimmelpilzen als Substrate zu Verfügung stehen. Sicher ist aber, dass Mykotoxine und damit natürlich ihre Produzenten ein hohes Gefahrenpotenzial für Menschen und Tiere darstellen (Kap. 6.3.1).
tel mit messbaren Mengen an Mykotoxinen belastet. Auch in der Europäischen Union kann in etwa 20% der Getreideernte eine signifikante Menge an Mykotoxinen nachgewiesen werden. Es lassen sich generell drei Wege unterscheiden, über die Mykotoxine in Nahrungsmittel gelangen können: • über Primärkontaminationen, d. h. Lebensmittelrohstoffe, wie z. B. Getreide, sind von Toxinbildnern befallen, und im Endprodukt ist der Befall für den Verbraucher nicht mehr optisch erkennbar; • durch Sekundärkontaminationen, d. h. lagernde, schon prozessierte Lebensmittel verschimmeln und werden somit mit Mykotoxinen kontaminiert. In diesem Fall kann der Konsument anhand des Schimmelpilzbefalls ein mögliches Mykotoxin-Risiko erkennen;
166
6
Schadwirkung und Bekämpfung
• über ein sogenanntes carry over, d. h. Nutztiere nehmen Mykotoxine durch verschimmelte Futtermittel auf und lagern sie in unveränderter oder metabolisierter Form in verschiedenen Organen ab. Die Gifte gelangen dann über tierische Produkte wie Milch, Eier oder Fleisch in die Nahrungskette und sind für den Konsumenten nicht mehr sichtbar. Tabelle 6.3 Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine. Angegeben
sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
Aflatoxine (B1,B2, G1, G2, M1, M2)
kanzerogen, mutagen, hepatotoxisch, nephrotoxisch immunotoxisch, neurotoxisch
Getreide, Mais, Reis, Weizen, Haferflocken, Feigen, Gewürze, Mandeln, Marzipan, Paranüsse, Erdnüsse, Walnüsse, Muskatnüsse, Pistazien, ölhaltige Samen, Olivenöl, Kaffee, Koriander, Orangensaft, Käse, carry over in Milch, Leber, Nieren
Aspergillus spec. insbesondere A. flavus, A. parasiticus
Altenuen
kanzerogen, mutagen
Äpfel, Hirse, Oliven
Alternaria alternata, Alternaria solani
Alternariol
teratogen, kanzerogen, mutagen
Obst, Gemüse, Tabak, Hirse, Pekannüsse
Alternaria alternata, Alternaria solani
Alternariolmonomethylether
kanzerogen, mutagen
Obst, Gemüse, Tabak, Hirse, Nüsse
Alternaria alternata, Alternaria solani
Aspertoxin
hepatotoxisch, kanzerogen, mutagen
Reis, Getreide
Aspergillus nidulans, Aspergillus versicolor
Byssochlaminsäure
zytotoxisch
Obstkonserven, Fruchtsäfte
Byssochlamys fulva, Paecilomyces variotii
6.3
Lebensmittelkontaminationen
167
Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine.
Angegeben sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
Cephalosporin C
antibiotisch (gram-positive & -negative Bakterien)
–
Acremonium chrysogenum
Chaetomin
nephrotoxisch, zytotoxisch, antibiotisch (gram-positive Bakterien)
–
Chaetomium spec.
Citreoviridin
kardiotoxisch (Kardiale BeriberiErkrankung)
Reis, Mais, Fleischprodukte
Penicillium citreoviride, Penicillium citrinum, Aspergillus terreus
Citrinin
hepatotoxisch, nephrotoxisch, neurotoxisch, zytotoxisch, kanzerogen, mutagen
Weizen, Mais, Hafer, Gerste, Reis, Roggenmischbrot, Toastbrot, Erdnüsse, Schinken, Zitrusfrüchte
Aspergillus spec. insbesondere A. ochraceus, A. terreus, A. candidus, Monascus spec., Penicillium spec. insbesondere P. chrysogenum, P. citrinum, P. citreoviride, P. claviforme, P. verrucosum
Cyclopiazonsäure
hepatotoxisch, kanzerogen, mutagen, neurotoxisch (KoduaVergiftung)
Bohnen, Maismehl, Weizen, Hirse, Erdnüsse, Camembert, carry over in Fleisch
Aspergillus versicolor, Penicillium cyclopium
Deoxynivalenol (Vomitoxin)
nephrotoxisch (Kashin-BeckErkrankung) immunotoxisch, gastrointestinaler Reizstoff
Gerste, Hafer, Mais, Roggen, Nudeln, Teigwaren, Brot, Bier
Fusarium spec. insbesondere F. culmorum, F. graminearum, F. oxysporum, F. poae, F. roseum
168
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine.
Angegeben sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
Fumagillin
Hemmung der Getreide Blutgefäßbildung, antibiotisch (Amoeben, Protozoen, Microsporidien)
Fumonisine
teratogen, vermutl. kanzerogen & mutagen, hepatotoxisch, neurotoxisch
Mais, Cornflakes, Fusarium spec. Popcorn, Tortilla-Chips insbesondere F. anthophilum, F. hygamai, F. moniliforme, F. proliferatum
Fusarin C
vermutl. kanzerogen & mutagen
Mais, Gerste, Weizen
Fusarium spec.
Fusarinsäure
schwach toxisch, antibiotisch, herbizide & insektizide Wirkung
Getreide
Fusarium spec.
Gliotoxin
cytotoxisch, immunotoxisch, antiviral
Hirse, Reis, Mais, getrocknete Früchte
Aspergillus fumigatus, Aspergillus terreus, Eurotium chevalieri, Gliocladium virens, Penicillium fellutanum, Trichoderma viride
Griseofulvin
Beeinträchtigung Mais des Zentralen Nerven-systems & Magen-DarmTrakts, kanzerogen, mutagen, teratogen, antibiotisch (Derma-tophyten)
Aspergillus fumigatus
Penicillium griseofulvum
6.3
Lebensmittelkontaminationen
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Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine.
Angegeben sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
Kojisäure
schwach mutagen, im Tierversuch epilepsieartige Symptome
Mais
Aspergillus spec., Penicillium spec.
Luteoskyrin
hepatotoxisch, kanzerogen, mutagen
Getreide, Reis
Penicillium islandicum
Moniliformin
gastrointestinaler Reizstoff, hämorrhagisch, kardiotoxisch (KeshanKrankheit)
Gerste, Mais, Hafer, Roggen, Weizen
Fusarium moniliforme, Fusarium fusaroides
Mutterkornalkaloide
vasokonstriktive & muskelstraffende Wirkung, neurotoxisch (Ergotismus)
Getreide
Claviceps purpurea
Mycophenolsäure
immunotoxisch
Roggenbrot, Käse
Penicillium brevicompactum, Penicillium carneum, Penicillium roqueforti
Nivalenol
hämorrhagisch
Gerste, Mais, Weizengries, Weizenkleie
Fusarium nivale
Ochratoxin A
nephrotoxisch, dermatotoxisch, kanzerogen, mutagen teratogen
Getreide, Mais, Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Reis, Hirse, Sojabohnen, Erdnüsse, Paranüsse, Pfeffer, Trockenobst, Feigen, Weintrauben, Kaffebohnen, Kakao, Bier, Wein, carry over in Nieren
Aspergillus spec. insbesondere A. carbonarius, A. niger, A. ochraceus, Penicillium spec. insbesondere P. chrysogenum, P. verrucosum, P. viridicatum
170
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine.
Angegeben sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
Patulin
hämorrhagisch, ödematös, im Tierversuch kanzerogen
Apfelsaft, Äpfel, aus Äpfeln gewonnene Produkte und andere Obst- und Gemüsesorten, Reis, Roggen- & Weizenbrot
Aspergillus spec. insbesondere A. clavatus, A. giganteus, Byssochlamys nivea, Penicillium spec. insbesondere P. claviforme, P. expansum, P. griseofulvum
Penicillinsäure
antibiotisch (gram-positive Bakterien), kanzerogen, mutagen, zytotoxisch
Mais, Futtermittel, Käse, Backwaren
Aspergillus spec, Penicillium spec. insbesondere P. polonicum
Penitrem A
neurotoxisch, tremorgen
Getreide, Fleisch, Fleischerzeugnisse, Rohwurst, Käse
Penicillium carneum, Penicillium crustosum
Roquefortin
neurotoxisch, paralytisch
Reismehl, Käse, Bier
Penicillium roqueforti, Penicillium commune, Penicilium chrysogenum, Penicillium expansum, Penicillium crustosum
Roridin
Getreide immunotoxisch (Chronic fatigue syndrom), toxische Schäden an Schleimhäuten der Atemwege, Lungenblutungen, zytostatisch gegen verschiedene Tumorzellen
Stachybotrys chartarum, Myrothecium verrucaria
Rubratoxin A, B
mutagen, teratogen, hämorrhagisch, hepatotoxisch
Penicillium purpurogenum, Penicillium rubrum
Getreide, Mais, Sojabohnen
6.3
Lebensmittelkontaminationen
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Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine.
Angegeben sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
Satratoxin
zytotoxisch, neurotoxisch, immunotoxisch, systemische Vergiftungserscheinungen
Getreide
Stachybotrys chartarum
Secalonsäure (A-G)
zytotoxisch, antibiotisch
Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Maisstaub
Claviceps purpurea, Aspergillus aculeatus, Penicillium oxalicum, Phoma terrestris
Sterigmatocystin
karzinogen, hepatotoxisch, nephrotoxisch
Hartkäse, Edamerkäse, grüne Kaffebohnen, Gerste, Mais, Weizen, Reis
Aspergillus spec. insbesondere A. aurantiobrunneus, A. nidulans, A. quadrilineatus, A. ustus, A. versicolor
Stachylysin
Endzündungen (Idiopathic pulmonary hemosiderosis)
Getreide
Stachybotrys chartarum
Tenuazonsäure
antibiotisch, antiviral, hämatologische Erkrankungen
Äpfel, Tomaten, Reis, Oliven, Sonnenblumensamen
Alternaria alternata, Aspergillus spec., Phoma sorghina
Trichothecene (ca. 60 Verbindungen)
zytotoxisch (Kashin-BeckKrankheit), hämorrhagisch, neurotoxisch (ähnl. zu AlzheimerSymptomen, Sick buildingSyndrom), immunotoxisch, Schädigung der Lungenbläschen
Getreide, Hirse
Fusarium spec., Acremonium spec., Stachybotrys chartarum (überwiegend in Sporen synthetisiert), Trichoderma spec.
172
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige durch Schimmelpilze gebildete Mykotoxine.
Angegeben sind die Hauptproduzenten, die am häufigsten durch sie besiedelten Lebensmittel sowie ihre Wirkung auf den Menschen. Die Wirkungen der Toxine sind sehr vielfältig, sie können antibiotisch (keimtötend), zytotoxisch (zellschädigend/zelltötend), dermatotoxisch (hautschädigend), hämorrhagisch (zu Blutungen führend), hepatotoxisch (leberschädigend), immunotoxisch (immunsystemschädigend), kanzerogen (krebserzeugend), kardiotoxisch (herzschädigend), mutagen (erbgutschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend), neurotoxisch (nervenzellschädigend), ödematös (zu Gewebeschwellungen führend), paralytisch (lähmend), teratogen (fruchtschädigend) und tremorgen (zu Zittern führend) sein Toxin
Wirkung
Vorkommen
Hauptproduzent
T-2-Toxin
dermatotoxisch, immunotoxisch, Störung der Blutzellenbildung („Alimentäre toxische Aleukie“), Nekrosen im Atemtrakt
Gerste, Hirse, Mais, Weizen
Fusarium spec. insbesondere F. culmorum, F. incarnatum, F. poae, F. solani, F. sporotrichioides, Trichoderma lignorum
Viomellein
nephrotoxisch, hepatotoxisch
Gerste, Weizen
Aspergillus ochraceus, Penicillium cyclopium, Penicillum melanoconidium, Penicillium freii, Penicillium viridicatum
Verrucosidin
tremorgen, neurotoxisch
Getreide
Penicillium aurantiogriseum, Penicillium melanoconidium, Penicillium polonicum
Verruculogen
tremorgen, vermutl. kanzerogen & mutagen
Getreide
Aspergillus fumigatus, Penicillium verrucosum
Xanthomegnin
nephrotoxisch, hepatotoxisch
Fleisch, Fleischerzeugnisse, Gerste, Weizen
Aspergillus spec. insbesondere A. ochraceus, Penicillium spec. insbesondere P. cyclopium, P. freii, P. vindicatum
Zearalenon
Wirkung als Östrogen, Infertilität, kanzerogen, neurotoxisch, dermatotoxisch, Schädigung der Blutbildungsorgane
Heu, Gerste, Roggen, Weizen, Hafer, Hirse, Sesammehl, Mais, Brot, Backwaren, Cornflakes, Walnüsse, carry over in Milch
Fusarium spec.
6.3
Lebensmittelkontaminationen
173
Das Abschätzen des gesundheitlichen Risikos, das von Schimmelpilzen durch das Auslösen von Mykotoxikosen ausgehen kann, wird auch dadurch erschwert, dass nicht alle Isolate, sondern lediglich ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz der Stämme Mykotoxine synthetisieren kann. So bilden nach Angaben einer weltweiten Studie nur 35% aller Aspergillus flavusIsolate das Mykotoxin Aflatoxin. Dabei ist immer zu beobachten, dass der Anteil an Toxin-produzierenden Stämmen zunimmt, je wärmer das Klima ist. Bemerkenswert ist auch, dass in Lebens- und Futtermitteln zumeist nicht nur ein Mykotoxin vorkommt, sondern gleich mehrere gebildet werden. Bei der Wirkung auf den Menschen oder Nutztiere müssen generell die akut toxischen Effekte, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer hohen Mykotoxin-Exposition stehen, von den chronischen Effekten unterschieden werden, die bei Aufnahme von geringen Mengen über einen langen Zeitraum auftreten. Hier ist oft der Zusammenhang von einer Exposition mit Mykotoxinen und dem Krankheitsbild nur schwer erkennbar, da die Symptome in Abhängigkeit des Mykotoxins sehr vielschichtig sind. Die toxischen Wirkungen auf den Menschen reichen von leichten Hautreizungen über schwere Organschäden bis hin zur Bildung bösartiger Tumore. An dieser Stelle muss aber auch erwähnt werden, dass zu den Mykotoxinen definitionsgemäß auch solche gezählt werden, die keine akut toxische Wirkung auf den Menschen zeigen, sondern aufgrund ihrer antibiotischen Wirkung gegen gram-positive und gram-negative Bakterien in der Humantherapie eingesetzt werden. Hier sind als prominente Beispiele die Antibiotika Cephalosporin C und Penicillin zu nennen (Kap. 5.1.3). Eine umfassende Übersicht über wichtige von Schimmelpilzen synthetisierte Mykotoxine, deren Vorkommen in Lebensmitteln sowie ihre Wirkung auf den Menschen gibt die Tabelle 6.3. Im Folgenden sollen einige häufig vorkommende und somit medizinisch bedeutende Mykotoxine und die entsprechenden Mykotoxikosen detaillierter vorgestellt werden, für die auch schon umfangreiche toxikologische Untersuchungen vorliegen.
Mutterkornalkaloide
Die wohl älteste bekannte Mykotoxikose ist der Ergotismus oder die sogenannte Mutterkornvergiftung. Diese wird durch den Verzehr von verpilztem Getreide bzw. von verpilzten Getreideprodukten verursacht und zeichnet sich durch reißende, brennende Schmerzen in allen Gliedmaßen aus, die häufig auch amputiert werden müssen. Zudem treten Psychosen oder Sym-
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6
Schadwirkung und Bekämpfung
ptome von Demenz auf. Schon aus dem Mittelalter sind Beschreibungen dieser Mykotoxikose als das sogenannte „Sankt-Antonius-Feuer“ oder die „Kribbelkrankheit“ überliefert. Letzte große Ausbrüche sind 1951/1952 in England und Frankreich sowie 1978 in Äthiopien aufgetreten. Der Erreger dieser Mykotoxikose ist der phytopathogene Pilz Claviceps purpurea, der in seinen Dauerorganen, den Sklerotien (Mutterkörnern), in hohem Maße Mykotoxine bildet, die sogenannten Mutterkornalkaloide (Ergotalkaloide, Secalealkaloide). Diese können in vier große chemische Gruppen unterteilt werden: • die Lysergsäuren (Infobox 6.1), die die Basisstruktur aller Mutterkornalkaloide darstellen; • die Lysergsäureamide, die durch eine Kondensation von Lysergsäure mit Aminosäuren entstehen; • die Ergopeptine, die eine Kondensation von Lysergsäure mit zyklischen Tripeptiden darstellen und • die Clavine. Der Gehalt dieser Mykotoxine im Mutterkorn liegt natürlicherweise zwischen 0,2–1% der Trockenmasse. Nach geltendem EU-Recht darf der Gehalt des Getreides an Mutterkörnern nicht mehr als 0,2% betragen, da ansonsten bei einem Verzehr schwere Vergiftungen bei Menschen und Tieren verursacht werden können. Durch moderne Reinigungs- und Siebtechniken können die festgesetzten Grenzwerte für Konsum- (0,05%) und Futtergetreide (0,1%) eingehalten werden. Allerdings wurden in jüngster Zeit wieder gehäuft Vergiftungserscheinungen beobachtet, die durch den Verzehr von biologisch angebautem, nicht gereinigtem und selbst gemahlenem Getreide hervorgerufen werden. Da die Alkaloide schon in Milligrammdosen toxisch sind, können schon wenige Mutterkörner im Brot oder Müsli zu Vergiftungen führen. In niedrigen Dosen dagegen sind die Mutterkornalkaloide aufgrund ihrer gefäßverengenden und muskelstraffenden Wirkung wertvolle Arzneimittel und werden zur Migränetherapie, Behandlung von Parkinson und Antihypertensiva sowie zur nachgeburtlichen Stillung der Gebärmutterblutung eingesetzt. Das synthetisch hergestellte Lysergsäurediethylamid (LSD), ein Derivat der Ergotalkaloide, hat dagegen psychogene Wirkungen und erzeugt Rauschzustände. Daher schränkt das deutsche Grundstoffüberwachungsgesetz generell die Abgabe von Ergotaminen ein.
6.3
Lebensmittelkontaminationen
175
Aflatoxine
Häufige Vergiftungen von Mensch und Tier werden durch Aflatoxine ausgelöst, die in hohem Maße von Aspergillus-Arten, vor allem aber Aspergillus flavus und Aspergillus parasiticus gebildet werden. Das Aflatoxin B1 stellt dabei die stärkste bisher identifizierte kanzerogene, d. h. krebserzeugende, Substanz dar (Infobox 6.1). Bemerkenswert ist dabei, dass die Aflatoxine als Ausgangsverbindungen nicht krebserzeugend sind. Erst nach der Aufnahme in den menschlichen oder tierischen Organismus werden sie in der Leber über eine sogenannte Bioaktivierung durch verschiedene Enzyme in kanzerogene Metaboliten, die reaktiven Epoxide, umgewandelt. Diese können dann an die DNA binden und dort definierte Mutationen des Codons 249 in dem Tumor-Suppresor-Gen p53 induzieren. Daher resultieren akute und chronische Vergiftungen durch Aflatoxine beim Menschen auch primär in Leberzirrhosen und bösartigen Lebertumoren. Es wurden aber auch Blutungen der Niere und des Verdauungstrakts sowie Störungen des Zentralen Nervensystems beschrieben. Mit einer inhalativen Aufnahme von Aflatoxin-haltigen Sporen durch kontaminierte Stäube können aber auch Lungenkrebserkrankungen beim Menschen in Verbindung gebracht werden. Zudem wird die regelmäßige Aufnahme des Aflatoxins B1 durch verschimmelte Nahrungsmittel, neben Hepatitis B-Infektionen, für die hohe Leberkrebsrate bei Menschen in Afrika und Südostasien verantwortlich gemacht. In diesen tropischen Ländern sind 90% der Aspergillus flavus- bzw. Aspergillus parasiticus-Isolate Toxinbildner und somit ist das Risiko einer Belastung der Lebensmittel extrem hoch. Generell können Aflatoxine in einer Vielzahl von Lebensmitteln identifiziert werden (Tabelle 6.3), insbesondere aber in fettreichen pflanzlichen Produkten tropischer Länder, wie z. B. Erdnüssen oder Pistazien. Durch den Verzehr Aflatoxin-kontaminierter Futtermittel ist auch ein carry over in die Milch von Nutztieren nachgewiesen worden, was eine zusätzliche Quelle für die Aufnahme der Aflatoxine in die menschliche Nahrungskette darstellt. In der Europäischen Union existieren aufgrund der hohen Anzahl belasteter Lebensmittel gesetzlich festgelegte Höchstmengenverordnungen für Aflatoxine (Kap. 5.4). Es werden regelmäßig Kontrollen der gefährdeten Lebensmittel durchgeführt und bei Überschreitungen der Grenzwerte werden diese Waren auch aus dem Verkehr gezogen. So wurde z. B. eine Beanstandungsquote bei Pistazien von durchschnittlich 19% ermittelt. Durch diese strikten Maßnahmen soll eine Belastung von Mensch und Tier durch von Schimmelpilzen gebildete Afla-
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Schadwirkung und Bekämpfung
toxine möglichst minimal gehalten werden, da eine Entgiftung, wenn überhaupt, nur sehr bedingt durch das Enzym Glutathion-S-Transferase möglich ist, das eine Umwandlung von Aflatoxin B1 in das schädigende Epoxid verhindert.
Ochratoxine
Nicht weniger gefährlich für Menschen und Nutztiere sind die durch Ochratoxine verursachten Mykotoxikosen. Ochratoxine sind als eine Gruppe strukturell verwandter Isocumarine mit einer Phenylalanin-Amidierung definiert (Infobox 6.1). Das wichtigste und bekannteste ist wohl das Ochratoxin A, dessen Bildung erstmals 1965 in Aspergillus ochraceus nachgewiesen wurde. Bis heute sind viele weitere Spezies der Gattungen Aspergillus und Penicillium bekannt, die diese Mykotoxine bilden (Tabelle 6.3). Daher können Ochratoxine auch in einer Vielzahl von Lebensmitteln identifiziert werden, z. B. in Getreide, Nüssen, Trockenobst, Weintrauben, Kaffebohnen usw. Hier ist es für den Verbraucher wichtig zu erwähnen, dass Ochratoxine aufgrund ihrer hohen Stabilität gegen äußere Faktoren wie Hitze, Säuren usw. auch nach aufwendigen Gär- oder Röstungsprozessen noch in kritischen Mengen in Bier, Wein oder Kaffe nachgewiesen werden können. Zudem wurde ein carry over in die Nieren von Nutztieren beschrieben, über den sie einen weiteren Zugang in die menschliche Nahrungskette finden. Wahrscheinlich ist auch auf dieses ubiquitäre Vorkommen der Ochratoxine zurückzuführen, dass in Deutschland, Dänemark, Schweden und Frankreich in nahezu allen humanen Blutproben Ochratoxin A in geringen, für den Menschen aber unschädlichen Dosen nachgewiesen werden konnte. Ochratoxine haben aufgrund ihrer chemischen Struktur eine hohe Affinität zu Serumalbumin und werden somit lange im Organismus gespeichert und immer wieder ins Gewebe freigesetzt. Da Ochratoxine zudem vom menschlichen Organismus nicht abgebaut werden können, steigt die Menge an gespeicherten, aber noch aktiven Ochratoxinen mit zunehmendem Alter an. Eine mögliche Entgiftung kann lediglich durch die Gabe strukturell verwandter, aber nicht toxischer Substanzen wie Aspartam versucht werden, die zu einem Auswaschen dieser Mykotoxine aus dem Organismus beitragen. Ochratoxine wirken auf den Menschen in erster Linie ausgeprägt nephrotoxisch, d. h. nierenschädigend. Eine in Serbien, Kroatien und Rumänien auftretende Erkrankung der menschlichen Nieren, die sogenannte Balkan endemic nephropathy (BEN) wird beispielsweise mit dem regelmäßigen Verzehr Ochratoxin-kontaminierter Lebensmittel in Verbindung gebracht.
6.3
Lebensmittelkontaminationen
177
Studien haben gezeigt, dass in diesen Gegenden die Kontaminationsrate der Lebensmittel mit Ochratoxinen höher ist als in anderen Gebieten der Erde. Zudem konnten in humanen Blutproben um bis zu 100fach erhöhte Ochratoxin-Werte nachgewiesen werden. Ochratoxine wirken aber auch nachweislich mutagen, kanzerogen (Nieren- und Lebertumore) sowie fruchtschädigend und führen zu krankhaften Veränderungen im Darmtrakt, der Leber und Lymphgewebe. Nach Angaben verschiedener Gremien liegt in Deutschland die durchschnittliche tägliche Aufnahmemenge von Ochratoxin A bei etwa 1 ng/kg Körpergewicht und damit deutlich unter den zu tolerierenden Grenzwerten. Somit kann nicht von einer konkreten Gefährdung des deutschen Verbrauchers durch die Kontamination von Lebensmitteln mit Ochratoxin A gesprochen werden.
Trichothecene
Als abschließendes Beispiel sollen noch die durch die sogenannten Trichothecene hervorgerufenen Mykotoxikosen besprochen werden, da diese Mykotoxine von einer Vielzahl von Spezies der Gattung Fusarium, aber auch von Trichoderma spec. oder Stachybotrys chartarum gebildet werden und somit weltweit in hohem Maße in Getreide nachzuweisen sind. Kaltes, niederschlagreiches Wetter begünstigt dabei den Befall von Erntegütern und die Trichothecen-Bildung. Die Gruppe der Trichothecene umfassen 150 strukturverwandte Sesquiterpene (Kap. 3.3.3), die als Mykotoxine wirken können. Die wohl bekanntesten sind das T-2-Toxin oder Desoxynivalenol (DON). Sie werden primär durch den Verzehr von kontaminiertem Getreide über den Gastrointestinaltrakt aufgenommen, aber auch durch Inhalation von Sporen oder Berührung dieser mit der Haut. In erster Linie wirken sie zytotoxisch, d. h. sie induzieren einen vorzeitigen Zelltod. Daraus resultieren Symptome wie Entzündungen bzw. Nekrosen von Haut und Schleimhäuten, Schädigungen der Lungenbläschen, Störungen der Bewegungskoordination, Degeneration von Nervenzellen (Alzheimer-ähnliche Symptome) und Herzmuskelzellen sowie toxische Wirkungen auf das Knochenmark und die Blutzellenbildung („Alimentäre toxische Aleukie“). Zum Beispiel wird die in Ostsibririen, Nordkorea und Nordchina auftretende Kashin-Beck-Krankheit mit dem Verzehr von durch Fusarium sporotrichoides kontaminiertem Getreide und damit der Aufnahme großer Mengen Trichothecene in Verbindung gebracht. Allein in China leiden eine halbe Million Menschen an dieser Mykotoxikose, die sich als chronische generalisierte Osteoarthrose manifestiert, in früher Kindheit beginnt und zu schweren Wachstumsstörun-
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6
Schadwirkung und Bekämpfung
gen des Skeletts führt. An dieser Stelle ist noch zu erwähnen, dass aufgrund dieser vielfältigen und extrem schlimmen Wirkungen auf Mensch und Tier im Jahr 1990 das zu den Trichothecenen zählende Mykotoxin T-2-Toxin neben Verruculogen und Satratoxin (Tabelle 6.3) in Deutschland als mögliche biologische Waffe eingestuft wurde. Alle hier beschriebenen Beispiele und die Vielzahl der vorkommenden Mykotoxine (Tabelle 6.3) zeigen deutlich die Gefahr, die durch den Verzehr verschimmelter Lebensmittel und damit auftretender möglicher Mykotoxikosen für den Menschen aber auch für Nutztiere gegeben ist. Daher ist es wichtig, die Aufnahme von Mykotoxinen zu minimieren bzw. primär das Verschimmeln von Nahrungsmitteln zu verhindern. Wichtige Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Lebensmittelkontaminationen durch Schimmelpilze sollen im Folgenden kurz erläutert werden.
6.3.2
Vermeidung und Bekämpfung
Eine Aufnahme von Mykotoxinen mit Lebensmitteln wird sich nie ganz verhindern, aber das Risiko einer Kontamination durch eine Vielzahl von Maßnahmen signifikant minimieren lassen. So muss jedes spontan verschimmelte Lebensmittel als potenziell giftig angesehen werden und sollte vom Verbraucher grundsätzlich nicht mehr verzehrt oder an Nutztiere verfüttert werden. Da Mykotoxine in die Lebensmittel einwandern und sich dort durch Diffusion verteilen, ist es nicht ausreichend, verschimmelte Stellen eines Produkts zu entfernen. Unbedenklich ist hingegen der Verzehr von schimmelgereiften Käse-, Fleisch- und Wurstwaren, da für die Produktion ausschließlich toxinfreie kontrollierte Stämme eingesetzt werden (Kap. 5.2 und 5.4). Zudem kann einer signifikanten Primärkontamination von Lebensmitteln wie Getreide durch eine Reihe von Maßnahmen vorgebeugt werden. Dieses sind nach einem Leitfaden des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL 2003) beispielsweise ein sorgfältiges Beseitigen oder Unterpflügen von Ernterückständen, die Verwendung möglichst Schimmelpilz-resistenter Sorten sowie eine richtige Düngung. Letztere verhindert Schwächezustände der Pflanzen, die sie für einen Befall von Schimmelpilzen empfindlicher machen. Außerdem wird der umfangreiche Einsatz chemischer fungizid-wirkender Substanzen vorgeschlagen. Aber auch Maßnahmen zur Vermeidung sogenannter Sekundärkontaminationen bei der Lagerung oder Verarbeitung der Lebensmittel können getroffen werden. Häufig kommt es durch eine unsachgemäße
6.3
Lebensmittelkontaminationen
179
Lagerung bei zu hoher Feuchtigkeit zu einem Befall mit Schimmelpilzen. Daher erfolgt zumeist eine Hitzebehandlung oder Trocknung der Produkte, aber auch die Lagerung im Gefrierbereich, die die zur Verfügung stehende Wasseraktivität eines Substrats senkt (Kap. 3.1.6). Die Bindung von Feuchtigkeit wird aber auch durch das Salz beim Pökeln oder den Zusatz sehr hoher Zuckerkonzentrationen erreicht. Auch die Lagerung von Produkten, wie z. B. Fruchtsäften, unter einer kontrollierten Atmosphäre, d. h. einer Reduktion des Sauerstoffs zugunsten eines hohen CO2-Partialdrucks, kann das Risiko eines Schimmelpilzbefalls und damit einer Mykotoxin-Belastung signifikant minimieren. Zudem kann der Zusatz chemischer Konservierungsstoffe erfolgen, die eine pilzhemmende oder -abtötende Wirkung aufweisen und das Produkt damit länger haltbar machen. Im Gegensatz zu den vorbeugenden Maßnahmen ist die Entgiftung bereits kontaminierter Lebensmittel sehr schwer, da die Mykotoxine extrem stabile Moleküle darstellen, die z. B. auch durch Säuren oder hohe Temperaturen nicht zerstört werden. Trotzdem existieren einige erfolgreiche technische Prozesse zur Entgiftung mykotoxinhaltiger Lebensmittel. Zum einen finden physikalische Verfahren wie mechanische Sortierung und mühlentechnische Verarbeitung, Zentrifugation, Filtration, Auspressen und Adsorption, Extraktion, Erhitzen, Bestrahlung oder Belichtung eine Anwendung, die je nach Art der Mykotoxine eine Wirkung zeigen können. So ist es beispielsweise möglich, durch moderne Siebverfahren die mykotoxinhaltigen Sklerotien von Claviceps purpurea aufgrund ihrer erhöhten Größe und ihres geringeren Gewichts auszusortieren. Es konnte zudem erfolgreich gezeigt werden, dass z. B. 99% der Aflatoxine im Erdnussöl nach einer 15 Minuten dauernden Bestrahlung mit Sonnenlicht zerstört werden. Zum anderen finden auch chemische Methoden zur Entgiftung mykotoxinhaltiger Lebensmittel Anwendung, wie der Einsatz von starken Oxidationsmitteln, Säuren oder Alkalien. Hierbei ist aber darauf hinzuweisen, dass überhaupt nur wenige chemische Substanzen gesetzlich zugelassen und für den Menschen unbedenklich sind. Ein nennenswertes Beispiel stellt die Sorbinsäure dar, die eine besonders ausgeprägte hemmende Wirkung gegenüber Mykotoxin bildenden Schimmelpilzen zeigt. Seltener werden mikrobiologische Verfahren eingesetzt wie, z. B. Gärprozesse, die zu einer Reduktion der Mykotoxin-Belastung führen können. Bei allen beschriebenen Maßnahmen muss beachtet werden, dass für die Praxis der Lebensmittelhygiene nur solche Methoden brauchbar sind, die das Produkt nicht verändern oder ungenießbar für den Menschen machen. Zur Vervollständigung soll noch kurz erwähnt werden, dass zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier seit dem 1. Juli 2006 in Deutschland
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6
Schadwirkung und Bekämpfung
und der gesamten Europäischen Union einheitliche gesetzliche Regelungen und Empfehlungen für Mykotoxin-Höchstmengen in Lebens- und Futtermitteln existieren (Kap. 5.4). Bei der Festsetzung dieser Höchstmengen stand im Allgemeinen nicht die akute Vergiftungsgefahr im Mittelpunkt der Überlegungen, sondern die tägliche Aufnahme geringer Dosen über einen langen Zeitraum. Auch hierbei ist immer das Ziel, Kontaminationen von Lebensmitteln so gering wie möglich zu halten. Diese gesetzlichen Regelungen und regelmäßige amtliche Kontrollen mit einheitlichen Probenahmeverfahren gewährleisten, dass bei einer Überschreitung der Grenzwerte die Produkte sofort aus dem Verkehr gezogen werden und damit kein Gefahrenpotenzial mehr für den Menschen darstellen können. Abschließend lässt sich sagen, dass Schimmelpilze als Lebensmittelverderber eine wichtige Rolle im menschlichen Leben spielen und ihre Wirkung als solche nicht unterschätzt werden darf. Um das Bild der Schadwirkungen von Schimmelpilzen zu vervollständigen, soll im folgenden Kapitel die Bedeutung von Schimmelpilzen als effiziente Materialzerstörer erläutert werden.
6.4
Materialzerstörer
Wie bereits in Kapitel 3 beschrieben, verfügen die Schimmelpilze über einen sehr komplexen Stoffwechsel, der es ihnen ermöglicht, unter geeigneten Bedingungen, wie ausreichender Feuchtigkeit, Sauerstoff, Licht, einem tolerierbaren pH-Wert usw., eine Vielzahl von Nährstoffen zu nutzen. Die wichtigste Voraussetzung aber für die Besiedlung und Zerstörung von Materialien durch Schimmelpilze ist die zugrundeliegende Feuchtigkeit, die in der Wasseraktivität Aw definiert wird (Kap. 3.1.6). Diese bestimmt in erster Linie, welche Schimmelpilze auf einem Produkt als Materialzerstörer wirksam werden können. Man unterscheidet drei Gruppen: • die Primärbesiedler, die bei einem Aw-Wert von < 0,8 Materialien als Nährsubstrat nutzen können. Hierzu gehören vor allem Penicillium- und Aspergillus-Arten wie z. B. Penicillium chrysogenum, Aspergillus versicolor oder Aspergillus fumigatus; • die Sekundärbesiedler wie Spezies der Gattungen Alternaria oder Cladosporium, die bei einem Aw-Wert zwischen 0,8 und 0,9 auftreten und • die Tertiärbesiedler oder die sogenannten Wasserschadenpilze, wie Chaetomium globosum, Stachybotrys chartarum oder Trichoderma spec., die ab einem Aw-Wert von 0,9 ein optimales Wachstum zeigen.
6.4
Materialzerstörer
181
Die durch diese Schimmelpilze verursachte unerwünschte Zerstörung oder Schädigung von Materialien, die sogenannte Biodeterioration, beruht im Wesentlichen auf zwei Vorgängen: chemischen und physikalischen Veränderungen. Bei chemischen Veränderungen nutzt der Pilz das Material oder einen Bestandteil davon direkt als Nährstoff, was zur Folge hat, dass das Produkt zersetzt wird. Oder aber er sekretiert Stoffwechselprodukte, die in das Material einwandern und so z. B. zu Verfärbungen führen. Bei physikalischen Veränderungen beruht der Schaden auf der Anwesenheit des Pilzmyzels selbst, wodurch z. B. Leitungen verstopft oder Isolierungen unwirksam werden. Schimmelpilze sind in der Lage, zahlreiche Materialien zu besiedeln und so zu schädigen, dass sie für den weiteren Gebrauch nicht mehr nutzbar sind (Tabelle 6.4). Im Folgenden sollen einige Beispiele herausgegriffen werden, die eindrucksvoll die Vielfalt der Schimmelpilze sowie ihre besonderen Leistungen, die für eine Materialbesiedlung und Zerstörung essenziell sind, verdeutlichen.
6.4.1
Beispiele für Materialzerstörungen
Die wohl bekanntesten Beispiele für Materialzerstörungen durch Schimmelpilze sind die Besiedlung von Wänden, Tapeten, Textilien oder Leder, wie sie häufig in feuchten Innenräumen zu finden ist. Hier treten zumeist Vertreter der Gattungen Alternaria, Aspergillus, Chaetomium, Mucor, Penicillium, Rhizopus oder Trichoderma auf, aber auch Aureobasidium pullulans und Stachybotrys chartarum als dominante Spezies. Diese sind in der Lage, durch die Sekretion von Oxidasen, Cellulasen, Hydrolasen usw. Papierfasern, Klebmittel oder Pflanzenfasern wie Baumwolle zu zerstören (Abb. 6.6). Bei Textilien und Papier resultiert das zumeist in einer Zersetzung und Verfärbung des Materials sowie in einem Verlust der Reißfestigkeit. Bei der Besiedlung von Leder besitzen die Pilze durch das Ausscheiden spezifischer Enzyme die Fähigkeit, die gegerbten Kollagenfasern sowie die natürlichen und während der Verarbeitung aufgetragenen Fette abzubauen und die dabei entstehenden Fettsäuren als Nährstoffe zu nutzen. Dieser Angriff resultiert in der Bildung charakteristischer weißer Beläge, einer Oberflächenzerstörung sowie einem Festigkeitsverlust des Leders (Abb. 6.6). Neben den bereits beschriebenen Beispielen sind es auch Schimmelpilze, insbesondere Alternaria- und Trichoderma-Arten, die häufig als Holzzerstörer in feuchten Gebäuden auftreten (Tabelle 6.4). Dabei dringen die Schimmelpilze in geringem Maße (ca. 0,5 mm) in das Holz ein, spalten die Inhaltsstoffe
182
6
Schadwirkung und Bekämpfung
Tabelle 6.4 Übersicht über wichtige Beispiele für Materialzerstörungen durch Schimmelpilze.
Angegeben sind die betroffenen Materialien, die bekanntesten verursachenden Pilze sowie ihre Schadwirkung Material
Schäden
Ursache
Schimmelpilz
Farben, Anstriche
Zerstörung der Farben, Ablösung von Farbschichten vom Untergrund, Festsetzung von Staub und Feuchtigkeit
Abbau von Tensiden, Weichmachern oder Bindemitteln zur gleichmäßigen Verteilung der Farben
Alternaria spec., Aureobasidium pullulans, Aspergillus spec., Chaetomium spec., Cladosporium herbarum, Fusarium roseum, Penicillium spec., Trichoderma spec.
Gipswände
Angriff der Struktur, Verfärbung durch Pilzbefall („Rußschicht“)
Verwertung des cellulosehaltigen Verbundmaterials als Nährstoff nur bei Feuchtigkeit
Penicillium chrysogenum, Stachybotrys chartarum
Holz
Moderfäule → Angriff der Holzstruktur, Verlust von Gewicht und Festigkeit, Vergrauung des Holzes, aber nur Eindringen der Schimmelpilze bis zu 0,5 mm Tiefe
Sekretion von Oxidasen, Cellulasen, Hydrolasen, Cellobiase, Hemicellulase und Pektinasen → Spaltung der Holzstoffe Lignin und Cellulose
Alternaria spec., Aureobasidium pullulans, Chaetomium globosum, Fusarium spec., Penicillium spec., Stachybotrys chartarum, Trichoderma viride
Kunststoffe, Gummi
Verminderung der Reiß-, Zug- und Biegefestigkeit, der Elastizität und der Isolierwirkung
Verwertung der Polymere als Kohlenstoffquellen, Sekretion von Proteasen und Esterasen zur Verwertung der Weichmacher in Kunststoffen wie PVC, PP usw., Sekretion von Urease zum Abbau von Polyurethanen
Alternaria spec., Aspergillus spec. insbesondere A. fischeri, A. niger, Aureobasidium pullulans, Chaetomium globosum, Curvularia spec., Penicillium spec. insbesondere P. citrinum, Paecilomyces spec., Stachybotrys chartarum
Leder
Oberflächenzerstörung, Festigkeitsverlust, Verfärbungen, Entstehung von weißem Belag aufgrund der Freisetzung von Fettsäuren
Abbau gegerbter Kollagenfasern sowie eiweißhaltigen Materials, Abbau natürlicher oder während Verarbeitung aufgetragener Fette
Alternaria spec., Aspergillus spec., Cladosporium spec., Fusarium spec., Mucor spec., Penicillium spec., Rhizopus spec.
6.4
Materialzerstörer
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Tabelle 6.4 (Fortsetzung) Übersicht über wichtige Beispiele für Materialzerstörungen durch
Schimmelpilze. Angegeben sind die betroffenen Materialien, die bekanntesten verursachenden Pilze sowie ihre Schadwirkung Material
Schäden
Ursache
Schimmelpilz
Metall
Korrosionsspuren auf Oberflächen von Aluminium, Kupfer, Eisen, Blei
Sekretion organischer Säuren (α-Oxoglutar-, Zitronen-, cisAconitsäure)
Aspergillus spec, Penicillium spec.
Marmor, kalkhaltiges Gestein, mineralische Baustoffe
Angriff des Gesteins, Festigkeitsverlust, Verfärbungen
Sekretion von organischen Säuren, Entzug von Kationen (Ca, Fe, Mn) durch Chelatbildung
Aspergillus spec., Fusarium spec., Mucor spec., Penicillium spec., Trichoderma spec.
Papier, Tapeten
Zerstörung der Papierfasern und Klebmittel, Verfärbungen, modrigmuffiger Geruch
Sekretion von Oxidasen, Cellulasen, Hydrolasen usw.
Alternaria spec., Aureobasidium pullulans, Aspergillus spec., Chaetomium spec., Cladosporium spec., Eurotium chevalieri, Mucor spec., Penicillium spec., Rhizopus spec., Trichoderma spec., Verticillium spec.
Plexiglas
Trübung, Verätzung
Sekretion von organischen Säuren
Aspergillus niger, Aspergillus versicolor, Cladosporium herbarum, Acremonium spec.
Textilien aus Pflanzenfasern (Baumwolle, Leinfaser, Jute usw.)
Zersetzung des Materials, Verlust der Reißfestigkeit, Verfärbungen
Abbau von Cellulose, Nutzung zugesetzter organischer Appreturen und Farben als Nährstoffe
Alternaria spec. insbesondere A. alternata, Aspergillus spec., Chaetomium spec., Eurotium chevalieri, Stachybotrys chartarum, Trichoderma viride
Treibstoff (Benzin, Kerosin), Bitumen
Wachstum an Grenzfläche WasserTreibstoff, Verstopfen von Leitungen und Filtern
Verwertung aliphatischer Kohlenwasserstoffe, Lebensfähigkeit und Keimfähigkeit der Sporen z. B. in Kerosin
Cladosporium resinae, Aspergillus flavus, Aspergillus versicolor, Penicillium spec.
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6
Schadwirkung und Bekämpfung
Abb. 6.6 Beispiele für Materialzerstörungen durch Schimmelpilze. Schimmelpilze können so-
wohl Tapeten (a), als auch Leder (b, c) und Textilien (d) effizient besiedeln und zerstören
des Holzes wie Cellulose und Lignin durch die Ausscheidung von Oxidasen, Cellulasen, Hydrolasen, Pektinasen usw. und nutzen den frei gesetzten Kohlenstoff als Substrat. Das Holz zeigt dann eine Vergrauung sowie einen starken Verlust an Gewicht und Festigkeit, typische Merkmale der durch Schimmelpilze hervorgerufenen Moderfäule. Neben den Schimmelpilzen können aber auch weitere Pilze als Holzzersetzer wirken. Hier zu nennen ist der wohl bekannteste und effizienteste Zerstörer von verbautem Holz, der Echte Hausschwamm Serpula lacrymans (Infobox 6.2).
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Materialzerstörer
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Infobox 6.2 Der Echte Hausschwamm Serpula lacrymans Bereits 1789 wurde im Allgemeinen Magazin für die bürgerliche Baukunst „von der Verhütung und Vertilgung des laufenden Schwammes in dem Holzwerke der Gebäude“ berichtet. Gemeint war schon hier der gefährlichste und wohl am schwierigsten zu bekämpfende Holzzersetzter und Erreger der Braunfäule, der Echte Hausschwamm Serpula lacrymans. Dieser Pilz gehört zur Gruppe der Basidiomyceten, tritt weltweit, mit Ausnahme der Tropen, als Primärbesiedler auf und ist spezialisiert auf die Zerstörung verbauten Holzes. Unter geeigneten Bedingungen, d. h. einer Holzfeuchtigkeit von mindestens 20% und einer Temperatur von 5–28 °C keimen die Sporen des Echten Hausschwammes zu feinen Hyphen aus, die durch schnelles Wachstum von 1–10 mm pro Tag ein wollartiges weiß-graues Myzel auf dem Holz bilden (Abb. Teil a). Zusätzlich zu diesem Oberflächenmyzel bildet Serpula lacrymans bis zu 1 cm dicke Myzelstränge, die sogenannten Rhizomorphen. Diese besonderen Strukturen dienen dem effizienten Wasser- und Stofftransport und entwickeln sich häufig in Hohlräumen des Mauerwerks und Schüttungen, sodass der ersten Wahrnehmung des Pilzes an der Oberfläche schon ein jahrelanges Wachstum in Hohlräumen vorangegangen sein kann. Mittels der Rhizomorphen breitet sich der Pilz aber auch problemlos in trockenem Holz aus, da er so über weite Entfernungen Wasser zu den Zersetzungsorten transportieren kann, das dort in Form sogenannter Guttationstropfen austritt. Diese „Tränen“ des Pilzes waren auch namensgebend (lacrymans, lacrimans (lat.) = weinend). Typisch für die Erkennung des Echten Hausschwammes sind seine großen, flachen, zimtbraunen Fruchtkörper, die durch einen weißlichen Zuwachsrand und die Bildung großer Sporenmengen gekennzeichnet sind (Abb. Teil b, c, d). Serpula lacrymans greift das Holz an, entzieht ihm mit Hilfe spezifischer ausgeschiedener Enzyme die faserige Cellulose und lässt das Lignin als bröckelige, oft würfelige braune Substanz zurück. Dieses führt zu einem massiven Festigkeitsverlust des Holzes bis dieses letztendlich zu braunem Staub zerfällt. Intensive Untersuchungen der Abbauleistungen haben gezeigt, dass ein Befall mit Serpula lacrymans in nur 18 Wochen bei 21 °C Trockengewichtsverluste von bis zu 60% an Buchen-, Lärchen- und Kiefernsplintholz, von 31,5% an Kiefernkernholz und von 1,8% an Eichenkernholz (durch fungizid wirkende Gerbsäuren geschützt) bedingen kann. Daher ist es nicht verwunderlich, dass innerhalb von nur zehn Monaten eine neue Kiefernholzkonstruktion einsacken kann und damit ganze Häuser einsturzgefährdet sind. Ein Befall von Gebäuden mit dem Echten Hausschwamm gilt als erheblicher Mangel nach BGB§459 und ist in Hamburg, Hessen, dem Saarland, Sachsen und Thüringen meldepflichtig. Der Umfang des Befalls muss von einem Sachkundigen festgestellt, ein holztechnischer Untersuchungsbericht verfasst und fachgerechte Sanierungsmaßnahmen nach DIN 68 800 Teil 4 und DIN 52 175 sowie den Vorschriften der Bauordnungen der Bundesländer umgehend durchgeführt werden. Dazu müssen alle infizierten Holzteile in der Regel bis zu einem Meter über den sichtbaren Befall hinaus entfernt und das benachbarte Mauerwerk
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Schadwirkung und Bekämpfung
Infobox 6.2 (Fortsetzung) sterilisiert werden, z. T. ist aber auch ein Teilabbruch des Mauerwerks unerlässlich. Deutschlandweit wird von etwa 200 Millionen Euro pro Jahr an Sanierungskosten ausgegangen, die durch einen Befall mit holzzerstörenden Pilzen wie dem Echten Hausschwamm oder Schimmelpilzen resultieren. Neben diesen erheblichen wirtschaftlichen Schäden existiert auch eine Gefährdung des Menschen, da für die Sporen von Serpula lacrymans ein signifikantes allergisches Potenzial nachgewiesen werden konnte. Zudem zieht ein Befall mit dem Echten Hausschwamm eine Sekundärbesiedlung mit zahlreichen Vertretern der Schimmelpilze wie Aspergillus spec. oder Cladosporium spec. nach sich. Um einen Befall mit Serpula lacrymans effizient zu verhindern, sollte generell eine periodische Kontrolle der Raum- und Wandoberflächenfeuchtigkeit, eine gute Belüftung von Kellerräumen und feuchteexponierten Holzbauteilen sowie eine sofortige Reparatur von Leckagen erfolgen. Zudem sollte das Auftreten von Kondensationspunkten sowie die Lagerung von Holz, Papier oder Verpackungsmaterialien auf feuchten Kellerböden oder an Wänden vermieden werden. Abschließend bleibt nur noch zu erwähnen, dass die Deutsche Gesellschaft für Mykologie den Echten Hausschwamm zum „Pilz des Jahres 2004“ gewählt hat, um so auf seine oft unterschätzte wirtschaftliche Bedeutung und Häufigkeit hinzuweisen.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Dr. Tobias Huckfeldt, Zentrum Holzwirtschaft der Universität Hamburg
Erstaunlicherweise kann auch eine Besiedlung und Zerstörung von Gestein und mineralischen Baustoffen durch Schimmelpilze erfolgen. Dazu sekretieren die Pilze aggressive organische Säuren und entziehen dem Subst-
6.4
Materialzerstörer
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rat gleichzeitig Kationen wie Calcium, Eisen usw., die sie als Nährstoffe nutzen können. Diese besonderen Eigenschaften führen zu einem massiven Festigkeitsverlust sowie unerwünschten Verfärbungen (Abb. 6.6). Um abschließend die Vielfältigkeit der Schimmelpilze als Materialzerstörer zu verdeutlichen, soll noch das Beispiel Cladosporium resinae angeführt werden. Dieser sogenannte „Kerosinpilz“ besitzt als einziger bekannter Schimmelpilz die Fähigkeit, Kerosin direkt abzubauen und die aliphatischen Kohlenwasserstoffe zu verwerten. Der Pilz kann in Kerosin wachsen, Sporen bilden und ist in der Lage, bei sich wiederholenden Vorgängen des Abkühlens (bis – 40 °C) und Erhitzens (bis + 80 °C), wie es z. B. in Flugzeugtanks üblich ist, zu überleben. Somit geht von diesem Pilz die Gefahr aus, dass er physikalische Veränderungen des Materials hervorruft, z. B. durch das Verstopfen wichtiger Leitungen und Filter mit seinem Myzel. Alle beschriebenen Beispiele zeigen, dass Schimmelpilze als Materialzerstörer extrem hohe wirtschaftliche Schäden verursachen können, da nach einem Befall umfangreiche Sanierungsmaßnahmen oder gar Neuanschaffungen notwendig sind. Eine Besiedlung von Wänden, Tapeten, Holz oder Textilien in Innenräumen, die optimale Entwicklungsbedingungen für Schimmelpilze bieten, und die daraus resultierende hohe intramurale Sporenkonzentration können aber auch eine nicht zu unterschätzende Schadwirkung auf den Menschen haben. Welche gesundheitliche Relevanz die materialzerstörenden Schimmelpilze für den Menschen haben können, wird im Folgenden näher erläutert.
6.4.2
Gesundheitliche Aspekte
Die als Materialzerstörer auf feuchten Wänden, Holz, Tapeten oder Textilien auftretenden Schimmelpilze in Innenräumen sind gekennzeichnet durch die Bildung einer Vielzahl von Sporen, die durch die Luft verbreitet und z. B. durch den Menschen inhaliert werden. Diese hohen intramuralen Sporenkonzentrationen können neben Naturstoffen, wie Pollen, Tierhaaren, Hausstaubmilben u. a. bei sensibilisierten und genetisch disponierten Menschen schwere Allergien hervorrufen. Allergien sind Krankheitszustände, die durch eine Überreaktion des Immunsystems auf an sich unschädliche exogene Antigene ausgelöst werden. Als Antigene sind Stoffe definiert, die eine Immunreaktion auslösen, da sie Merkmale besitzen, die vom menschlichen Körper als fremd erkannt werden. Die Zahl der Pilzantigene ist immens, und es ist bis heute noch weitgehend unbekannt, welche Antigene allergisierend wirken, obwohl bereits 1927 in einer Klinischen Wochenschrift Schimmel-
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Schadwirkung und Bekämpfung
pilzallergene als Krankheitsursachen beschrieben wurden. Es wird heute angenommen, dass sowohl cytoplasmatische Glykoproteine der Pilzsporen als auch Glyko- und Lipoproteine, die ausschließlich auf der Oberfläche der Sporen vorkommen, eine wichtige Rolle spielen. Zudem werden aber auch sezernierte Enzyme, wie z. B. die Enolase oder Katalase aus Aspergillus spec., als mögliche effiziente Antigene betrachtet. Bisher wurden etwa 100 Pilzarten als Auslöser für Allergien identifiziert. Am häufigsten wurden saisonale Sensibilisierungen auf Vertreter der Gattungen Alternaria und Cladosporium in der Außenluft, aber auch ganzjährige Reaktionen auf Aspergillus- und Penicillium-Spezies in Innenräumen beobachtet. Generell zeigen 1–5% der Bevölkerung eine Sensibilisierung gegen Schimmelpilze. Besonders betroffen sind Asthma-Patienten, von denen 80% eine allergische Reaktion aufweisen. Die typischen Symptome einer Schimmelpilzallergie gleichen denen einer Allergie gegen Blütenpollen oder Hausstaub. Es treten Binde- und Nasenschleimhautentzündungen, Rhinitis (Niesen, verstopfte Nase), aber auch allergisches Asthma oder gar Entzündungen der Lungenbläschen auf. Hier kann zur Bekämpfung der Symptome eine Therapie mit Antihistaminika und Cortison erfolgen. Die Sporen können aber auch über die Mundschleimhäute in den menschlichen Verdauungstrakt gelangen und sich im Darm ausbreiten, wo sie ebenfalls ihr allergisches Potenzial entwickeln und Symptome wie z. B. Sodbrennen, Brechreiz oder Darmfunktionsstörungen verursachen können. Bei starken Asthmatikern sowie immunsupprimierten Personen besteht zudem das Risiko einer allergischen pulmonalen Aspergillose, bei der inhalierte Sporen von Aspergillus fumigatus aufgrund hoher Schleimbildung nicht mehr effizient aus den Atemwegen eliminiert werden können. Letztlich kann diese Disposition zu einer Keimung der Sporen und einem Eindringen der Myzelien ins Gewebe führen (Kap. 6.1.2). Der Aufenthalt in feuchten verschimmelten Räumen mit einer hohen intramuralen Sporenkonzentration wird aber auch mit dem Auftreten des sogenannten Sick building Syndroms in Verbindung gebracht. Dieses beschreibt komplexe Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Irritationen der Schleimhäute von Mund, Rachen und Nase, Gedächtnisstörungen sowie Infektanfälligkeiten und kann vermutlich durch verschiedenste Pilzantigene ausgelöst werden. Es wird aber auch diskutiert, dass Strukturelemente der Sporen wie der Zellwandbestandteil β-1,3Glucan oder die durch Schimmelpilze gebildeten sogenannten Microbial Volatile Organic Compounds (MVOC) einen Beitrag zum Auftreten solcher Symptome leisten können. MVOCs sind flüchtige Stoffwechselprodukte des Pilzes bzw. komplexe Substanzgemische, deren Zusammensetzung abhän-
6.4
Materialzerstörer
189
gig ist von der Spezies, dem Substrat und den Wachstumsbedingungen. Die von Schimmelpilzen freigesetzten MVOCs mit einer Reizwirkung auf den Menschen zählen vor allem zu den Stoffgruppen der Alkohole, Ester, Aldehyde und Ketone. Einzelne MVOCs, wie z. B. Geosmin (2,6-Dimethyl9-decanol) aus Chaetomium globosum und Aspergillus versicolor, haben sehr niedrige Geruchsschwellen und sind verantwortlich für ein schlechtes Raumklima mit dem typisch muffig erdigen Schimmelpilzgeruch. Zudem kann ein Nachweis charakteristischer pilzlicher Stoffwechselprodukte, wie beispielsweise 2-Methyl-1-propanol oder 1-Octen-3-ol, in der Raumluft als guter Indikator für einen Schimmelpilzbefall dienen. Es muss an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass bisher noch keine wissenschaftlich abgesicherten Aussagen über eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen einer Schimmelpilzexposition und den gesundheitlichen Beschwerden bei Bewohnern belasteter Räume vorliegen. Eine Bewertung ist hier schwierig, da z. B. die gesundheitliche Wirkung stark abhängig ist von Menge und Art des Schimmelpilzes, der Expositionsdauer, der individuellen Disposition der Bewohner u. a. Daher sind diese Themen auch weiterhin Gegenstand aktueller Forschungen. Zurzeit existieren weder in Deutschland noch international gesetzlich festgelegte, gültige Grenzwerte für Schimmelpilze in der Raumluft. Da Schimmelpilze überall in der Natur vorkommen, gehören sie zur natürlichen Umwelt und sind keine Verschmutzung oder ein Umweltgift, sodass weder Auftreten noch ihre Emission leicht reguliert werden kann. Es wurden aber in den letzten Jahren von unterschiedlichen internationalen Institutionen, z. B. der Weltgesundheitsorganisation, weltweite Richtwerte für Schimmelpilze in der Raumluft beschrieben. In Deutschland gelten bisher folgende Richtwerte: • bei < 200 koloniebildenden Einheiten (KBE)/m3 liegen keine Anomalien vor; • bei < 500 KBE/m3 zeigen sich schwache Anomalien, daher besteht im Sinne der Vorsorge langfristig Handlungsbedarf; • bei 500–1000 KBE/m3 liegen starke Belastungen vor, sodass Sanierungen umgehend durchgeführt werden sollten; • bei durchschnittlich 1000 KBE/m3 zeigen sich extreme Anomalien, die kurzfristige Maßnahmen dringend erfordern. Weitere Ansätze zur Bewertung von Schimmelpilzen in Innenräumen und der Standardisierung von Untersuchungen wurden beispielsweise durch den Arbeitskreis „Qualitätsicherung – Schimmelpilze in Innenräumen“ am Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg ausgearbeitet. Die Ergebnisse die-
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Schadwirkung und Bekämpfung
ser Arbeiten wurden auch in den „Schimmelpilz-Leitfaden“ des Umweltbundesamtes (UBA 2002) mit aufgenommen und können dort eingesehen werden. Ungeachtet dieser Bewertungsprobleme sollten aufgrund des hohen Gefahrenpotenzials, das von pilzlichen Materialzerstörern ausgeht, nach dem Vorsorgeprinzip die Belastungen minimiert und, falls ein Befall vorliegt, sofort Gegenmaßnahmen getroffen werden. Wie dieses realisiert werden kann, soll kurz im folgenden Kapitel wiedergegeben werden.
6.4.3
Vermeidung und Bekämpfung
Wie bereits einleitend erwähnt, ist die wichtigste Voraussetzung für die Besiedlung und Zerstörung von Materialien durch Schimmelpilze die zugrundeliegende Feuchtigkeit. Für ein anhaltend gutes Wachstum benötigen die meisten Vertreter der Materialzerstörer eine relative Luftfeuchte von etwa 65%. Daher ist das Absenken der relativen Luftfeuchtigkeit die wirksamste vorbeugende Maßnahme gegen ein Verschimmeln von Materialien wie Wänden, Tapeten, Textilien, Holz usw. Für den Menschen selbst fördert eine geringere relative Luftfeuchtigkeit von etwa 50–55% bei Raumtemperaturen von 20–22 °C zudem noch das Gefühl der Behaglichkeit. Die häufigste Ursache für eine hohe Innenraumfeuchtigkeit ist mangelnde Durchlüftung. Dieses liegt darin begründet, dass warme Luft in der Lage ist, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen als kalte, und diese auch sofort wieder abgeben kann, wenn eine Abkühlung an kalten Stellen der Außenwände eintritt. Kombiniert mit einer mangelnden Lüftung können aber auch eine schlechte Dämmung des Baukörpers, eine Kondensatbildung durch Kältebrücken (extrem kalte Stellen an Außenwänden wie Rolladenkästen, Balkone usw.), eine ungünstige Ausstattung der Wohnung, fehlende Feuchtigkeitssperren in alten Kellern, verstopfte Regenrinnen, undichte Dächer oder schadhafter Außenputz die Ursache von Feuchtigkeit sein. Maßnahmen zum effizienten Absenken der Luftfeuchtigkeit sind daher regelmäßiges intensives Lüften (Stoßlüften) zum Austausch der feucht-warmen gegen trockene kalte Luft, Kontrolle der Raumlufttemperatur sowie die Wärmedämmung von Außenwänden. Zudem sollte eine gute Luftzirkulation innerhalb von Räumen ermöglicht werden, indem beispielsweise Möbel nicht direkt an Außenwänden aufgestellt werden. Ein erhöhtes Feuchtigkeitsaufkommen, wie es z. B. beim Kochen, Backen, Duschen, Waschen usw. auftritt, sollte direkt ins Freie abgeleitet und mögliche Sporenquellen wie Bioabfälle oder Topfpflanzen reduziert werden. Hier ist als wichtige Infektionsquelle auch
6.4
Materialzerstörer
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der Hausstaub zu nennen, der bis zu 3,2 Millionen lebende Pilzsporen pro Gramm enthalten kann. Ist aber erst ein Schimmelpilzbefall vorhanden, müssen umgehend fachmännische Sanierungsmaßnahmen erfolgen, da es zumeist nicht ausreicht, das schimmelpilzhaltige Material nur oberflächlich zu entfernen. Zum Materialschutz bei Bildern, Leder usw. ist beispielsweise eine Begasung oder Besprühen mit Fungiziden möglich. Bei Farben können solche verwendet werden, denen fungitoxische Verbindungen, wie z. B. quartäre Ammoniumverbindungen, halogenierte Sulfonylpyridine, Captane oder Triazine, zugesetzt wurden. Hier ist zu beachten, dass von diesen Anstrichfarben laut Lebensmittelgesetz keine Stoffe auf Lebensmittel übergehen dürfen. Des Weiteren existieren Schimmelbekämpfungsmittel auf Basis von Chlor-, Schwefel-, Stickstoff- und organischen Zinnverbindungen, die eine effiziente fungizide Wirkung zeigen. Zur vorübergehenden Oberflächenreinigung können oftmals schon unbedenklichere Mittel wie hochprozentiger Essig oder Spiritus angewendet werden. Bei einem akuten Holzbefall durch Schimmelpilze erfolgt zumeist eine Entsorgung des Holzes, während ein leichter Befall noch durch eine Austrocknung des Holzes oder ein Abschleifen der Oberfläche bis zu 0,5 mm saniert werden kann. Um einem weiteren Befall vorzubeugen, kann im Anschluss einer Sanierung eine Imprägnierung des Holzes mit einem amtlich zugelassenen pilzwidrigen Holzschutzmittel erfolgen. Es sollte bei allen Maßnahmen generell beachtet werden, dass diese von Fachkundigen durchgeführt werden und dass ohne eine effiziente Ursachenbeseitigung langfristig keine Schadensbehebung möglich ist. Abschließend lässt sich sagen, dass Schimmelpilze neben ihrem Nutzen (Kap. 5) auch ein großes wirtschaftliches und gesundheitliches Gefahrenpotenzial für den Menschen darstellen können, und somit auch als „Schädlinge“ nicht unterschätzt und unbeachtet bleiben sollten.
Literatur zu Kapitel 6 Altmeyer P, Bacharach-Buhles M (2008) Springer Enzyklopädie Dermatologie, Allergologie, Umweltmedizin. Springer, Berlin, Heidelberg Champion R, Drews FW (1999) Erkennen und Bestimmen samenübertragbarer Pilze. Pflanzenschutz-Nachrichten Bayer, Sonderausgabe Hof H (2003) Mykologie für Mediziner. Grundlagen, Pathogenese, Manifestationen, Diagnostik, Therapie. Georg Thieme, Stuttgart, New York
192
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Schadwirkung und Bekämpfung
Huckfeldt T, Schmidt O (2006) Hausfäule- und Bauholzpilze. Rudolf Müller, Köln Logrieco A, Visconti A (2004) An overview on toxigenic fungi and mycotoxins in Europe. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht Lotz A, Hammacher P (2001) Schimmelschäden vermeiden. Fraunhofer IRB, Stuttgart Mücke W, Lemmen C (2004) Schimmelpilze. Vorkommen, Gesundheitsgefahren, Schutzmaßnahmen. 3. Aufl. Ecomed, Landsberg am Lech Nielsen KF (2003) Mycotoxin production by indoor molds. Fungal Genet Biol 39: 103–117 Prell HH, Day P (2001) Plant-fungal pathogen interaction. A classical and molecular view. Springer, Berlin, Heidelberg Rauch P (2007) Schimmelpilze in Wohngebäuden. Ursache, Vermeidung und Bekämpfung. Peter Rauch, Leipzig Roth L, Frank H, Kormann K (1990) Giftpilze – Pilzgifte. Schimmelpilze – Mykotoxine. Vorkommen, Inhaltsstoffe, Pilzallergien, Nahrungsmittelvergiftungen. Ecomed, Landsberg am Lech
Sachverzeichnis
A Acetyl-CoA 42, 43, 48, 49, 51, 53 Acetylierung 61 Aconitase 96 Actinomycet 13, 103 Adenosintriphosphat (ATP) 44 Adhäsionsfaktor 146 Adsorption 179 Aflatoxin 42, 50, 51, 136, 158, 164, 165, 173, 175, 179 Agent green 25 Agroclavin 63 Ährenfusariose 26 Aldehyd 189 Alimentäre toxische Aleukie 172, 177 Alkalien 179 Alkaloid 42, 51, 62 − Indol-Alkaloid 61 − Mutterkornalkaloid 50, 62, 63, 165, 169, 173 − Secalealkaloid 174 Alkaptonurie 76 Alkohol 189 Alkoholdehydrogenase 114 Allergie 139, 140, 152, 187 Altenuen 166 Alternariol 27, 166 Alternariolmonomethylether 166 Alzheimer-Krankheit 113, 177
Aminoacylase 45 7-Aminocephalosporansäure 108 Aminopeptidase 45 α-Amylase 44, 45 Amylase 122, 160 anamorph 7, 9, 20 Anastomose 4 Ang-kak 111, 118 Anidulafungin 103 Anthraknose 157 Antibiotikum 50, 57, 73, 103, 173 antibiotisch 103, 166 Antigen 187 Antihistaminikum 188 Antimykotikum 106 − Amphotericin B 151 − Candin 151 − Echinocandin 103 − Mulundocandin 20 Anti-Pilz-Diät 152 Arabinanase 45 Arthritis − rheumatoide 110 Arthrosporen 6 Ascomycet 3, 4, 6, 7, 11–13, 18, 22, 24, 27, 154 Asparaginase 45 Aspergillom 148 Aspertoxin 166 Atmungskette 47, 48
194
ATP 47 Auslesewein 119, 130 Außenfaktoren 159 Autoimmunkrankheit 110 Auxotrophie 34 Auxotrophiegen 72
B Backwaren 160 Balkan endemic nephropathy (BEN) 176 Barbasco-Pflanze 101 Basidiomycet 3, 4, 7, 11–13, 185 Bauernspeck 127 Bavaria Blu 120 Beerenauslese 130 Begasung 191 Bekämpfung 143, 178, 190 Belichtung 179 Belüftung 186 Benomyl 73 Benzylpenicillin 107 Bestrahlung 159, 179 Bioabfalltonne 14 Bioaktivierung 175 Biodeterioration 181 Biotechnologie 93 − weiße 94 Biotransformation 102 − stereospezifische 100 biotroph 153 Blattbrand 157 Blauschimmelkäse 118, 126 Brie 126 Bündner Fleisch 127 Byssochlaminsäure 166
Sachverzeichnis
C Camembert 120, 126 Carboxypeptidase 45 Carotinoid 59 carry over 166, 175, 176 Casein 125 Cellobiohydrolase 45 Cellulase 44, 45, 116, 122, 181, 184 Cellulose 12, 43, 44, 184, 185 Cephalosporin 42, 50, 55–57, 103, 106–108, 167 Chaetomin 167 Chain, Ernst Boris 105 Chemotherapeutikum 103 Chiang Yiu 119 Chitin 12 Cholesterin 111 Cholesterinsenker 110, 111, 113, 117 Chromosom 82 Chymosin 116 Chytridiomycet 3, 11, 12 Citrat-Zyklus 21, 42, 43, 47, 48, 96 Citreoviridin 167 Citrinin 167 Clavin 174 CO2-Partialdruck 179 Cobalamin 123 Codon-Gebrauch 114 Compactin 111 Cortison 100, 101, 188 Cyclopiazonsäure 167 Cyclosporin 50, 55, 58, 109, 110 Cyclosporin-Synthetase 58, 110 Cytoplasma 44
Sachverzeichnis
D D-Alanin-Transpeptidase 106 Deletionsstamm 73 Deoxynivalenol 26, 167 Dermatophyt 148 dermatotoxisch 166 Deuteromycet 9 Dextranase 45 dimorph 145 Dimorphismus 4 Diosgenin 101 Disposition 144 Diuretikum 103 DNA 10, 67, 68 − cDNA 86 − T-DNA 71 Domäne 52, 55, 58 Durchlüftung 190
E Edelfäule 130, 154 Edelsalami 120 Ein-Gen-ein-Enzym-Theorie 66 Elastase 146, 147 Elektroporation 69 Enantiomer 98, 100 Enolase 188 Entzündungshemmer 103 Enzym 31, 44, 45, 67, 117, 146 − lipolytisches 126, 162 − proteolytisches 26, 126 Epoxid 175 Ergopeptin 174 Ergotalkaloid 174 Ergotamin 62, 174 Ergotismus 173 Ester 189
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Esterase 45 Ethanolproduktion 21 Eukaryot 1, 3, 12 Eumycota 3, 11, 12 Exposition − akzidentelle 146 − berufliche 146 − konstante 146 Expression 85, 114 Extraktion 179
F FAD (Flavin-AdeninDinukleotid) 47 Feldpilze 160 Fermentation 78, 96, 117, 121 − Submersfermentation 99 Fermentationsanlage 95 Fermenter 78, 94 Fette 43, 160, 162, 181 Fettsäurederivat 42, 51 Fettsäuresynthase 54 Filtration 179 Finocchiona 128 Fischprodukt 162 Flechtgewebe 1 Fleischprodukt 127, 128, 162, 166 Fleming, Alexander 105 Florey, Howard 105 Flugbrand 158 Fruchtkörper 13, 37, 185 Fructose 34, 162 Fumagillin 103, 168 Fumigaclavin 63 Fumitremorgen 42, 63 Fumonisin 51, 168 Fungi imperfecti 9
196
Fungizid 49, 136, 153, 156, 191 Fusarin C 51, 58, 168 Fusarinsäure 168 Fusariose 24 Futtermittel 166
G α-Galactosidase 116 β-Galactosidase 29, 45 Ganjang 119 Gemüse 160, 161 Genaktivität 74, 76, 78 Gencluster 88 Genexpression 67 Genexpressionsmuster 85 Genom 81, 82 Genomgröße 82 Gentechnikgesetz 68, 137, 138 Geosmin 189 Getreide 160, 165, 173, 176, 177 Gewürze 162 Gibberellin 59, 61 Gießkannenschimmel 18 Giftpilze 163 Gliotoxin 168 β-1,3-Glucan 151, 188 β-Glucanase 116 Glucoamylase 21, 45, 114, 115 Glucocorticoid 109 Glucohydrolase 160 Gluconsäure 97, 98, 99 Glucose 34, 42–44, 162 Glucose-Oxidase 116 α-Glucosidase 45 β-Glucosidase 45 Glucosyltransferase 45 Glutamat 21, 122
Sachverzeichnis
Glycosylierung 114 Glykolyse 43, 44, 47 Glykoprotein 188 Glyoxisom 43, 49 Glyoxylat-Zyklus 44, 49, 128 Gorgonzola 120, 126 GRAS-Status 113 Graufäule 154, 157 Griseofulvin 54, 103, 168 Grün-fluoreszierendes Protein (GFP) 69, 70 Guanosintriphosphat (GTP) 47, 48 Guttationstropfen 185 GVO 68, 81, 137
H Hamanatto 118 hämorrhagisch 166 haploid 66 head blight 26 Helminthosporiose 157 Hemicellulase 45 hepatotoxisch 166 Hitzebehandlung 179 HMG-CoA 111 Holz 181, 182, 185 Holzzersetzer 184, 185 humanpathogen 143–145, 148 Hybridisierung 86 Hydrolase 181, 184 Hygromycin B 73 Hyphe 1, 4, 32 − septiert 5 − unseptiert 5
Sachverzeichnis
I Immunglobulin 147 Immunophilin 109, 110 immunotoxisch 166 Immunsuppressivum 103, 108, 110 immunsupprimiert 144, 148, 188 Immunsystem 108, 144, 187 Innenfaktor 159 insektenpathogen 134, 135, 144 intramural 15, 187, 188 Inulase 45 Invertase 162 Isocumarin 176 Isopenicillin 107 Isoprenoid 17, 51, 58, 61 Itaconsäure 97, 98, 99 ITS-Sequenz 10
K Kältebrücke 190 kanzerogen 166, 175, 177 kardiotoxisch 166 Kashin-Beck-Krankheit 167, 171, 177 Katalase 116, 188 Kerosinpilz 187 Ketjap 119 Keton 189 Knockout-Stamm 73 Kohlenhydrat 43, 44, 152, 160 Kohlenstoff 33, 34 Koji 121, 122 Kojisäure 97–99, 169 Kollagenase 146 koloniebildende Einheit (KBE) 189
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Kondensatbildung 190 Kondensationspunkt 186 Konidien 5, 32 Konidienträger 28 Konidiophor 18, 21, 22 Konidiospore 5, 12, 28, 36 Konservierungsstoff 159, 179 Kontaminationsrate 177 Kraut- und Knollenfäule 12, 153 Kreatinase 146 Kreuzungstypgen 84 Kribbelkrankheit 174
L Laccase 46 β-Lactam-Antibiotika 56, 106 β-Lactamase 108 Lactoferrin 115, 116 Lagerpilze 160 Lagertemperatur 159 Lebensbedingung 49, 159 Lebensmittel 117, 118, 159, 160, 178 Lebensmittelkontamination 154, 159, 161, 178 Lignin 43, 44, 184, 185 Lipase 160 Lipoprotein 188 Lovastatin 42, 51, 90, 111, 113 Luftzirkulation 190 Luteoskyrin 169 Lysergsäure 42, 62, 164, 174 Lysergsäureamid 174 Lysergsäurediethylamid (LSD) 174
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M Makroelement 34, 35 Malonyl-CoA 42, 51, 53 Mannanase 46 Materialzerstörer 180–182, 184 Melanin 15, 147 Membran 47 mesophil 36 Metabolomics 89 Metall 183 Methylierung 56 Metula 18, 21, 22, 24 Mevastatin 111 Microbial Volatile Organic Compound (MVOC) 188 Mikroarray 86 Mikroelement 34, 35 Milchprodukt 162, 166, 175 Milchsäure 97, 98 Milchsäuregärung 123, 124, 127 Miso 118 Mitochondrion 1, 3, 43, 47, 48 Mitospore 17 Moderfäule 184 Modifikation − post-translational 114 Modul 58 Monacolin K 111, 112 Moniliformin 169 Moromi 121, 122 Morphologie 3, 80 Mulundocandin 20 Muscardine − grün 136 − weiß 136 Mutagen 166, 177 Mutante 67 Mutation 67 Mutterkorn 174
Sachverzeichnis
Mutterkornalkaloid 62, 63, 165, 169, 173 Mutterkornvergiftung 173 Mycophenolsäure 103, 109, 169 Mykose 137, 144, 147–150 − Alternariose 149 − Aspergillose 149 − Cephalosporiose 149 − Chromomykose 149 − Hyalohyphomykose 149 − Keratitis mykotica 149 − Penicillium marneffeiMykose 149 − Peyronellaeose 149 − Phaeohyphomykose 149 − Phykomykose (Zygo- oder Mucormykose) 149 − Verticilliose 149 Mykotoxikose 140, 164, 173, 176, 177 Mykotoxin 24, 26, 27, 29, 39, 41, 50, 51, 58, 59, 99, 112, 126, 136, 137, 138, 140, 154, 158, 163, 164, 178 Mykotoxinbildner 15, 19 Myopathie 113 Myzel 1, 4 − Myzelstrang 185 − Myzelwachstum 37, 40, 41 − Oberflächenmyzel 185 Myzetismus 163
N Nährmedium 33 − komplexes 33 − Minimalmedium 33 − synthetisches 33 − Vollmedium 33
Sachverzeichnis
Nährstoff 32, 35 Nassfäule 162 Nekrose 147, 151, 177 nekrotroph 153 nephrotoxisch 166 neurotoxisch 166 nicht-ribosomale Peptidsynthetase 55, 84, 110 nicht-ribosomales Peptid 42, 51 Nikotinamid-AdeninDinukleotid 47 Nivalenol 169 Nourseothricin 73
O Oberflächenkultur 34, 94, 96 Obst 160, 161 Ochratoxin 51, 164, 165, 169, 176 ödematös 166 Öl 160, 162 Ontjom 118, 125 Oomycet 4, 5, 15 Oomycota 3, 11, 12 Opportunist 143 opportunistisch 151 osmophil 40 Oxalacetat 43, 48 Oxidase 181, 184 Oxidationsmittel 179 Oxygenierung 61
P paralytisch 166 Pathogenität 83, 145 Pathogenitätsfaktor 83, 146 Pathogenitätsgen 83 Patulin 24, 103, 164, 165, 170
199
Pektinase 160, 184 Pektinlyase 46 Pektin-Methylesterase 46 Penicillin 50, 55, 79, 93, 103, 104, 106–108 Penicillinsäure 170 Penitrem A 170 Pentosanase 46 Peptidbindung 56 Peptidsynthetase − nicht-ribosomale 55, 84, 110 Peroxisom 4, 43, 49 Peuyeum 118 Pflanze 11, 12, 26, 59, 71, 140, 152, 153 Pflanzenkrankheit 12, 26, 155, 156 Pflanzenpathogen 143, 152 Pflanzenschädling 15 Phagozytose 147 Phänotyp 66 Phenoxymethylpenicillin 107 Phialide 18, 21, 22, 24 Phleomycin 73 Phosphatase 46 Phosphinotricin 73 Phosphodiesterase 46 Phospholipase 46 photo sensing 36 Photosynthese 4, 12 Phototropismus 38 pH-Wert 32, 38, 39, 96, 122, 123, 128, 144, 159, 161 Phylogenie 9, 10 Phytase 116, 120 phytopathogen 140, 152–154, 158 Pilzantigen 187 Pilzbefall 158, 165, 189 Pilzkrankheit 153
200
Sachverzeichnis
Pinselschimmel 22 Polygalacturonase 46, 160 Polyketid 42, 51, 110 Polyketidsynthase 51, 84 Primärbesiedler 180, 185 Primärkontamination 165, 178 Primärmetabolit 42, 94 Primärstoffwechsel 31, 42, 94 Produktionsstamm 78, 80 Protease 114, 116, 122, 147 Proteine 160 Proteomics 89 Protoplast 69 psychrophil 36, 160 Pullulunase 46 Pyrithiamin 73 Pyruvat 44
Q Quorn™
119, 128, 129
R Ramus 22, 24 Raumfeuchtigkeit 186 Raumlufttemperatur 190 Reduktion 54 Reduktionsäquivalent 47 rekombinant 44 Rekombination − ektopische 72 − homologe 72 Rennin 46 resistente Pflanzenlinien 153 Resistenz 73, 153 Resistenzgen 72 Reversion 80 Rhamnosidase 46
Rhizomorph 185 Rinderchymosin 115 RNA 67 − dsRNA 75 − mRNA 67, 85 − rRNA 10 − siRNAs 76 RNA-Interferenz (RNAi) 74, 75 Roquefort 126 Roquefortin 170 Roridin 170 Roter Reis (Ang-kak) 111, 117 Rubratoxin A, B 170
S Saatgut 155 Saccharose 34, 162 Sake 117, 118, 120 Salami 118, 127 samenübertragbar 154, 155, 157, 158 Sanierungsmaßnahme 185, 187, 191 Sankt-Antonius-Feuer 174 Saprophyt 1 Satratoxin 171 Säure 176, 179 − organische 20, 97, 98, 186 Schädlingsbekämpfung 135 − biologische 130, 132 Schadwirkung 143, 149, 182 Scheingewebe 1 Schimmelpilzgift 163, 164 Schimmelpilzkäse 117 Schleimpilz 11 Schuppenflechte 110 Schwarzfleckenkrankheit 157 Secalealkaloid 174
Sachverzeichnis
Secalonsäure 171 Sekretion 117, 160, 181 Sekundärbesiedler 180 Sekundärkontamination 165, 178 Sekundärmetabolismus 1, 31, 50, 83, 84, 163 Sekundärmetabolit 42, 50, 84, 94, 147, 164 Selektionsmarker 72 Sensibilisierung 188 Septoriose 158 Septum 4 Sesquiterpen 177 Sexualhormon 100 Shoyu 119 Sick building-Syndrom 171, 188 Sklerotium 4, 21, 174 Sojamilch 119 Sojasauce 118–121 Sortierung 179 Sporangienträger 17, 18, 28, 38 Sporangium 5, 12, 17, 18 Spore 1, 4, 14, 15 − asexuelle 5, 6 − sexuelle 5, 7 Sporenkeimung 37, 40, 41 Sporenträger 22 Stachylysin 171 Stärke 21, 29, 43, 44 Statin 50, 110, 111 Sterigmatocystin 171 Steroid 42, 59, 99, 100 Stickstoff 33, 34, 35 Stoffwechsel 180 Submersanzucht 94 Submerskultur 34 Substrat 40, 119, 154, 159, 160 Succinat 43, 49 Sufu 118
201
Süßwaren 162 Syncytium 4 Systems Biology 90
T T-2-Toxin 172 Tamari 121, 122 Tannase 46 Taosi 119 Taubährigkeit 26, 157 Teleomorph 7, 9, 18, 20, 24 Tempeh 118, 122–125 − bongkrek 125 Temperatur 14, 32, 36, 159 Temperaturoptimum 13 Tenuazonsäure 171 teratogen 166 Terpen 42, 59, 61 Terpen-Cyclase 59 Tertiärbesiedler 180 Thallophyt 1 thermophil 36, 137, 152 Thermotoleranz 145 Thiazolidinring 108 Tierpathogen 145 Tofu 118, 119 Transcriptomics 85 Transformation 68, 69, 71, 100 Transglutaminase 46 Transkription 67 − reverse 86 Transkriptionsfaktor 67, 85 Transkriptom 86 Translation 67 Treibstoff 183 tremorgen 166 Trichothecen 59, 165, 171, 177 Trocknung 179
202
Sachverzeichnis
Trypsin-Inhibitor 119, 123 Turkey X-Krankheit 158, 165 Tyrosinämie 76
Weißschimmelkäse 118, 126 Weizensteinbrand 158 Wurzelbrand 157
U Umweltbundesamt 139, 190
X Xanthomegnin 172 xerophil 15, 40, 162 Xylanase 116
V Vakuole 4, 11 Verderber 159, 162 Verfärbung 181 Verrucosidin 172 Verruculogen 172 Viomellein 172
W Wandoberflächenfeuchtigkeit 186 Wärmedämmung 190 Wasseraktivität 32, 40, 123, 159, 179, 180 Wasserschadenpilz 180 Weichfäule 160
Z Zearalenon 164, 165, 172 Zellmembran 40, 69, 151 Zellwand 4, 10, 12, 69, 106, 108, 151 Zentrifugation 179 Zitronensäure 20, 21, 93, 94, 96–98 Zucker 42, 44, 162 Zufallsmutagenese 79 Zygomycet 3–5, 7, 11–13, 16 Zytostatikum 109 zytotoxisch 147, 166, 177
Artenverzeichnis
A Absidia 16 – corymbifera 149 – italiana 149 – ramosa 149 Achlya 12 Acremonium chrysogenum 56, 103, 106, 107, 149, 167 Actinomucor elegans 118 Aequorea victoria 70 Agaricus bisporus 13 Agrobacterium tumefaciens 71 Alternaria 27, 149, 182 – alternata 27, 28, 29, 37, 41, 149, 166, 171 – chartarum 149 – solani 166 Amylomyces rouxii 118 Apophysomyces 16 Aschersonia aleyrodes 133, 134 Aspergillus 13, 14, 18, 20, 22, 36, 40, 41, 44–46, 55, 71, 84, 88, 97, 116, 128, 149, 182 – aculeatus 171 – amstelodami 40 – aurantiobrunneus 171 – awamori 115 – caespitosus 128 – candidus 128, 167 – carbonarius 169 – clavatus 82, 170
– fischeri 182 – flavus 19, 37, 82, 99, 128, 136, 149, 162, 163, 166, 183 – fumigatus 19, 36, 37, 41, 55, 58, 61, 63, 82, 83, 103, 128, 137, 139, 147, 149, 168, 172, 180 – giganteus 170 – nidulans 9, 18, 37, 39, 41, 55, 56, 58, 61, 66, 69, 76, 77, 78, 82, 83, 88, 103, 166, 171 – niger 19, 20, 21, 37, 39, 41, 45, 82, 94, 96, 97, 99, 102, 115, 116, 128, 137, 139, 145, 160, 169, 182 – ochraceus 102, 167, 169, 172, 176 – oryzae 19, 37, 45, 54, 58, 61, 73, 82, 83, 97, 99, 115, 116, 118, 122, 160 – parasiticus 166, 175 – phoenicis 45 – quadrilineatus 171 – repens 160, 162 – sojae 97, 118, 122 – sulphureus 128 – sydowii 19 – tenuissima 149 – terreus 19, 39, 41, 82, 90, 97, 99, 110, 111, 137, 139, 145, 149, 162, 167, 168 – ustus 171
204
– versicolor 133, 166, 167, 171, 180, 183, 189 – wentii 128 Aureobasidium pullulans 181, 182
B Bacillus thuringensis 132 Basidiobolus ranarum 149 Beauveria 110 – bassiana 133–136 Bipolaris 149 – oryzae 153 Boletus edulis 13 Botrytis cinerea 24, 82, 119, 130, 131, 154 Burkholderia cocovenenans 125 Byssochlamys – fulva 166 – nivea 170
C Cannabis sativa 25 Chaetomium 45, 167, 182 – globosum 180, 182, 189 Cladosporium 182 – butyri 162 – carrionii 149, 151 – herbarum 41, 160, 182, 183 – resinae 183 Claviceps purpurea 62, 169, 171 Crinipellis 133, 136 Cunninghamella – blakesleeana 102 – elegans 149 Curvularia 149, 182 – brachyspora 149 – geniculata 149 – lunata 102, 149
Artenverzeichnis
D Disporotrichum 116
E Emericella 18 – nidulans 9 Entomophthora muscaea 133 Epidermophyton 106 Erynia neoaphidis 133 Erythroxylon coca 25 Escherichia coli 73, 82 Eupenicillium 22 Eurotium 18 – chevalieri 168, 183
F Fennellia 18 Fusarium 13, 24, 149, 167, 182 – anthophilum 168 – culmorum 167, 172 – fusaroides 169 – graminearum 25–27, 82, 128, 167 – hygamai 168 – incarnatum 172 – moniliforme 58, 168, 169 – nivale 169 – oxysporum 25, 37, 139, 167 – poae 167, 172 – proliferatum 168 – roseum 167, 182 – solani 41, 172 – sporotrichioides 172, 177 – venenatum 119, 128, 129 – verticilloides 82
Artenverzeichnis
G Gibberella 24 – fujikuroi 59, 61 Gliocladium virens 168
H Hirsutella thompsonii 133 Homo sapiens 82 Humicola 46, 116
K Klebsiella 123
L Leptographium 46 Leptomitus 12
M Metarhizium anisopliae 133, 135, 136 Microsporum 106 Monascus 167 – pilosius 118 – purpureus 111, 112, 117, 118 – ruber 110, 111, 118 Mortierella 16 – alpina 97 – isabellina 97 Mucor 16, 123, 182 – circinelloides 97, 139 – hiemalis 149 – indicus 118 – miehei 46 – mucedo 16–18, 149 – plumbeus 149 – pusillus 37, 149
205
– racemosus 149 Myceliopthora 46 Myrothecium verrucaria 170
N Neosartorya 18 – fischeri 82 Neurospora 38, 125 – crassa 6, 7, 9, 66, 69, 71, 73, 82, 85, 88 – intermedia 118 – sitophila 37, 118, 149
P Paecilomyces 149, 182 – fumosoroeus 133, 134 – lilacinus 133, 134 – rariotii 103 – varioti 97, 166 Pediococcus 122 Penicillium 13, 22, 36, 41, 45, 46, 97, 103, 116, 128, 182, 183 – aurantiogriseum 172 – brevicompactum 37, 41, 103, 169 – camemberti 22, 118, 126, 128 – candidum 128 – carneum 169, 170 – chrysogenum 22, 37, 38, 41, 56, 79, 80, 82, 102, 103, 105–107, 118, 128, 145, 162, 167, 169, 170, 180, 182 – citreoviride 167 – citrinum 22, 41, 110, 111, 167, 182 – claviforme 167, 170 – commune 128, 170 – crustosum 170
206
cyaneofulvum 160 cyclopium 167, 172 digitatum 161 expansum 23, 24, 37, 41, 103, 128, 159, 162, 170 – fellutanum 168 – freii 172 – frequentans 133 – glaucum 160 – griseofulvum 54, 103, 106, 168, 170 – islandicum 169 – italicum 161 – janthinellum 128 – luteum 162 – marneffei 139, 145, 149 – melanoconidium 172 – miczynskii 128 – nalgiovense 22, 118 – notatum 97 – oxalicum 171 – polonicum 170, 172 – purpurogenum 170 – roqueforti 22, 118, 126, 169, 170 – rubrum 170 – simplicissimum 128 – stoloniferum 103, 109 – urticae 103 – verrucosum 162, 167, 169, 172 – vindicatum 172 – viridicatum 169, 172 Peyronellaea specifica 149 Phialophora verrucosa 149 Phoma – sorghina 171 – terrestris 171 Phycomyces 38 – blakesleeanus 82
– – – –
Artenverzeichnis
Phytophtora infestans 12, 153 Polyporus 46 Pseudoallescheria 149
R Rhizomucor 16, 45 – pusillus 149 Rhizopus 16, 45, 46, 97, 123, 182 – arrhizus 102 – chinensis 118 – delemar 45, 116 – microsporus 149 – oligosporus 118, 122, 123 – oryzae 82, 97, 98, 118, 139, 149 – stolonifer 37, 41, 149, 161
S Saccharomyces cerevisiae 4, 65, 81, 82, 85, 117 Saprolegnia 12 Scopulariopsis 149 Serpula lacrymans 13, 184 Stachybotrys chartarum 59, 133, 163, 170, 171, 180–183 Streptoalloteichus hindustanus 73 Streptomyces 103 – hygroscopicus 73 – noursei 73 Streptoverticillium 46
T Talaromyces 22 Thermomonspora 45 Thielavia 46 Tolypocladium inflatum 58, 110
Artenverzeichnis
Trametes versicolor 46 Trichocladium asperum 133 Trichoderma 44, 46, 116, 171, 182 – konignii 116 – lignorum 172 – ovalisporum 133, 136 – reesei 45, 46, 82, 116 – viride 41, 45, 168, 182, 183 Trichophyton 106
207
V Verticillium 183 – chlamydosporium 133, 134 – cinnabarinum 149 – lecanii 133–135
Z Zygosaccharomyces rouxii 122