K L E I N E
B I B L I O T H E K
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
DIPL.-ING. GÖTZ WEIH...
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K L E I N E
B I B L I O T H E K
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
DIPL.-ING. GÖTZ WEIHMANN
ZEPPELINE UND PARSEVALS
2006 digitalisiert von Manni Hesse
VERLAG SEBASTIAN
LUX
M U R N A U - MÜNCHEN . INNSBRUCK . BASEL
arf ich Sie bitten, während der Startvorbereitungen und während der Abfahrt auf den Plätzen zu bleiben und mich nicht zu stören!" Kapitän Helmut Gülsdorf schaltet sein Sprechfunkgerät ein. „Ich muß mich jetzt ganz auf den Start konzentrieren. Wir werden in wenigen Minuten abfahren." Ich sitze zusammen mit einem Kollegen von der Presse in der Gondel des zu dieser Zeit einzigen deutschen Luftschiffs. Wir werden vom Flughafen Stuttgart-Echterdingen aus eine Fahrt über dem Räume Süddeutschland machen — die erste Luftschiffreise unseres Lebens. Etwa fünf Meter mag das Innere unseres Fahrgastraumes lang sein und etwa zweieinhalb Meter breit. Darin sind fünf ledergepolsterte Sitze untergebracht: zwei vorn an der großen, weit herumgreifenden Frontscheibe, zwei hinten, der fünfte dazwischen, über uns — für uns allerdings nur mit ihrem Bugteil sichtbar — wölbt sich die riesige, 3500 Kubikmeter fassende Gashülle, die uns durch den Auftrieb des eingefüllten Wasserstoffs emportragen wird. Aber noch ist die Bugspitze von D-LAVO (so lauten die amtlichen Kennbuchstaben unseres Luftschiffs) am Ankermast festgekoppelt. Es ist fast windstill draußen. Nur hin und wieder weht eine leichte Windwelle daher. Dann wiegt sich DLAVO sanft in die Windrichtung hinein, dabei wie ein großes Boot an der Boje behäbig um den 11 Meter hohen Mast schwenkend. Hinten stützt sich unser Schiff auf ein kleines, dickes Laufrad, das während seiner viclwöchigen Liegezeit hier auf dem Echterdinger Flugfeld einen schönen runden Kreis im Grase niedergewalzt hat. Unsere beiden Motoren, die draußen links und rechts an der Gondel angehängt sind, laufen schon seit einer ganzen Weile warm. Es sind 7-Zylinder-Sternmotoren, jeder mit einer Leistung von 145 PS. Wenn ich durch mein Kabinenfenster ein wenig nach rückwärts blicke, kann ich die Luftschrauben herumwirbeln sehen. Der Lärm ist gering, allerdings arbeiten die Motoren auch nur 2
im Leerlauf. Ihren Brennstoff bekommen sie aus drei 200-LiterTanks, die hinter uns — jenseits der Schottwand — in die Gondel eingebaut sind. Von dort kann man übrigens durch kleine Seitentüren zu den Motoren lunausklettern, notfalls sogar während der Fahrt, etwa um eine Zündkerze auszuwechseln. Jetzt nimmt Helmut Gülsdorf das Mikrofon zur Hand und drückt die Sprechlaste: „Stuttgart TWR, this is airship D-LAVO on frequency 118,7. Good morning, how do you read? Over." Wie im gesamten Luftverkehr, wickelt sich auch hier die Unterhaltung zwischen Pilot und Kontrollturm (TWR genannt) in englischer Sprache ab. „Kontrollturm Stuttgart, hier ist das Luftschiff D-LAVO auf Frequenz 118,7. Guten Morgen, wie können Sie mich hören? Ende." So begann unser Kapitän das Gespräch „Airship D-LAVO, this is Stuttgart TWR. Good morning. Read you 5. Go aheadt" Das ist die Antwort, die aus dem kleinen Lautsprecher vor uns am Instrumentenbrett kommt: „Luftschiff DLAVO, hier ist Kontrolllurm Stuttgart. Guten Morgen. Ich höre Sie ausgezeichnet. Sprechen Sie weiter!" Gülsdorf setzt das Gespräch — hier gleich in Deutsch wiedergegeben — fort: „Wie ist die genaue Zeit?" „Die genaue Zeit ist 9 Uhr 46", antwortet TWR. „Zeit ist 9 Uhr 46. Ich bitte um Erlaubnis, den Mast zu verlassen. Ende." „Nein, bleiben Sie am Mast. Warten Sie die Landung der DC-7 auf Landebahn 2 ab." „Verstanden, ich warte. Ende." Wir müssen also einem Flugzeug den Vortritt lassen, dessen Ankunft dem Kontrollturm bereits gemeldet ist. Zwar werden wir, wie Herr Gülsdorf sagt, bei unserem Start die Landebalm 2 gar nicht kreuzen; aber die Bestimmungen sind streng, und vor allem ein so verhältnismäßig träges Ding wie ein Luftschiff darf nur starten, wenn der ganze Luftraum von anderen startenden oder landenden Objekten frei ist. Unsere Haltemannschaft draußen — bei diesem ruhigen Wetter sind es nur fünf Mann — wartet auf Gülsdorfs Zeichen zum Lösen des Ankermasthakens. Wir warten auch! Da, jetzt schwebt die DC-7 ein, setzt auf, rollt aus. 3
„Hier Kontrollturm!" kräht es aus dem Lautsprecher, "«*"'"" lieh wieder in englischer Sprache. ,,Sie können jetzt den Mast verlassen. Wind 240 Grad, 10 Knoten. Luftdruck 28,3 Zoll" „Verstanden. Wind 240 Grad, 10 Knoten, Luftdruck 28,3 Zoll. Ich löse vom Mast." „In Ordnung. Melden Sie sich, wenn Sie startbereit sind!" „Verstanden. Ende." Unser Kapitän gibt der Haltemannschaft ein Winkzeichen: Der Bug von D-LAVO löst sich von der Mastspilze. Aber noch bleiben wir am Boden. Denn das Gewicht des Luftschiffs ist so eingerichtet, daß wir weder Auftrieb noch Zug nach unten haben — mit anderen Worten: Das Schiff ist genau so schwer wie die umgebende Luft. Die Haltemannschaft setzt sich in Bewegung. An zwei von der Bugspitze herabhängenden Seilen und an einigen Haltegrijfen an der Gondel ziehen uns die Männer vom Mast weg. „Wir dürfen nicht gleich vom Mast aus hochsteigen, das wäre gefährlich. Wir müssen uns mindestens 100 Meter seitlich absetzen", erklärt Gülsdorf, während er beständig mit dem Höhensteuer spielt, um das Schiff getrimmt, also immer in der Waagerechten, zu halten. Jetzt ist's so weit. „Hier Luftschiff D-LAVO. Ich bin fertig zum Start Richtung Schwäbisch-Hall. Rückkehr etwa 12 Uhr 30. Bitte um Starterlaubnis." „Hier Kontrollturm. Start freigegeben. Wind 250 Grad, 12 Knoten; Luftdruck 28,3 Zoll. Machen Sie eine Rechtskurve, kreuzen Sie Landebahn 3 in 1000 Fuß Höhe. Ende." „Verstanden. Ich kreuze Landebahn 3 in 1000 Fuß Höhe. Ende." Wieder ein Winkzeichen an die Haltemannschaft, die sofort das Schiff freigibt. Der Kapitän schiebt mit der Linken beide Gashebel nach vorn, die Motoren heulen auf, D-LAVO nimmt die Nase hoch, kommt vom Boden frei. Was für ein Start! Viel kraftvoller als je erwartet, zieht das Riesenschiff vorwärts und zugleich in die Höhe. Das ist kein Ballonaufstieg, das ist fast ein Flugzeugstart — zumindest erscheint es mir so. Und es ist auch etwas Wahres dran! Zum „statischen" Auftrieb durch das Traggas kommt bei solcher Geschwindigkeit und solcher Schräglage des Rumpfes ein mächti4
D-LAVO am Mast; das Kopfstück des Mastes ist drehbar, so daß sich das Schiff wie ein Wetterhahn selbst in die Windrichtung stellt
ger „dynamischer" Auftrieb, ganz wie beim Flugzeug mit seinen luftumströmten Tragflächen. Steil stößt also der Bug hinauf in den blanken, blauen Himmel. Die beiden nach wie vor herunterhängenden Halteseile stehen schräg im Luftraum — deutliches Zeichen der Geschwindigkeit, die wir bereits erreicht haben. Und schon ist aus den Häusern, den Straßen, den Autos drunten Modellspielzeug geworden. Längst haben wir die Landebahn 3 gekreuzt, längst liegt Echterdingen hinter uns. Bei 400 Meter Höhe drückt der Kapitän das Schiff in die Waagerechte und nimmt das Gas ein wenig zurück. Dann greift er zum Mikrofon: „Hier Luftschiff D-LAVO. Befinde mich an der Grenze Ihrer Kontrollzone. Bitte um die Erlaubnis, von Ihrer Frequenz abzuschalten. Melde mich wieder eine Viertelstunde vor Landung. Ende." „Hier Kontrollturm Stuttgart. Verlassen Sie Frequenz TWR. Auf Wiedersehen!" „Danke für Ihre Mitarbeit. Auf Wiedersehen. Ende." D-LAVO nimmt mit 80 km/h Kurs Richtung Schwäbisch-Hall.
* Man erlebt es im Reich der Technik dann und wann, daß eine bestimmte Idee nur von ein, zwei Völkern vorangetragen wird und die anderen entweder kein Interesse daran zeigen oder bestenfalls unwesentliche Beiträge leisten. Das Luftschiff ist dafür ein schönes Beispiel: Es waren immer Franzosen und Deutsche, die sich für diese Idee tatkräftig eingesetzt haben. Ja, eine Zeitlang wurde die Luftschifferei sogar zu einer ausschließlichen Angelegenheit Deutschlands. Erst sehr viel später kamen dann die Amerikaner und Engländer dazu, ganz am Rande auch die Italiener. Das ist eigentlich erstaunlich. Denn das Luftschiff ist eine der beiden Möglichkeiten, die uralte Sehnsucht des Menschen zu verwirklichen, es dem Vogel gleichzutun und sich aus der Erdgebundenheit zu lösen: Ein gasgefüllter Ballonkörper überwindet die Schwerkraft, gibt den „Auftrieb", ein eingebauter Motor schafft die Vorwärtsbewegung, den „Vortrieb". Die andere Möglichkeit ist das Flugzeug, bei dem der Motor mit Hilfe der Tragflächen für Auftrieb u n d Vortrieb sorgen muß. 6
Und da haben wir schon den wichtigsten Unterschied zwischen diesen beiden Verkehrsmitteln des Luftraums: Das Luftschiff „schwimmt" in der Luft genau wie der Fisch im Wasser, das Flugzeug „gleitet", gerade so wie der Vogel. Das Luftschiff kann antriebslos in der Luft stehenbleiben, wie ja auch der Fisch im Wasser still verharren kann; Flugzeug und Vogel — beide schwerer als die Luft — stürzen ab, wenn sie unter ihre Mindestgeschwindigkeit kommen. Das Luftschiff f ä h r t , das Flugzeug f l i e g t ! W e r den Flugzeugpiloten fragt, wann er denn „ a b f a h r e " oder wer dem Luftschiffkapitän sagt, er möge doch „losfliegen" — der hat sich als blutigen Laie verraten und wird sich einige Sympathien verscherzen . . . Die Geschichte des Luftschiffs begann am 24. September 1852. An diesem Tage führte der Franzose Henry Giffard, vom Hippodrom in Paris aufsteigend, die erste gesteuerte Luftfahrt aus; er mußte die Reise trotz widrigen Windes erst dann abbrechen, als ihn in der Nähe von Trappes die hereinbrechende Dunkelheit dazu zwang. Das war also ein halbes Jahrhundert vor dem ersten Flugzeugstart der Gebrüder Wright! Giffard benutzte einen 44 Meter langen Ballonkörper von Spindelform. 2500 Kubikmeter Gas gingen da hinein. Für die Vorwärtsfahrt sorgte eine 150 Kilo schwere Dampfmaschine, die ganze 3 PS leistete, nur wenig mehr als der Motor eines Mopeds. Immerhin, diese 3 PS gaben dem Ballon das, was er zur Lenkbarkeit brauchte: eine — wenn auch recht geringe — Geschwindigkeit gegenüber der umgebenden Luft. Dadurch erst unterscheidet sich ja das Luftschiff vom Freiballon! Der Ballon „ t r e i b t " nur: die Luft hüllt ihn ein, und die Winde nehmen ihn mit sich, dahin und dorthin, ohne daß der Ballonführer Geschwindigkeit oder Richtung beeinflussen könnte. Flöhen- und Seitenruder wären an einem Freiballon sinnlos, sie fänden in dem sie einhüllenden Luflmeer keinen Widerstand, keinen Gegendruck. Eigentlich sollten wir über Giffards 3-PS-Dampfmaschine wirklich nicht lächeln. Denn was hatten sich vor ihm die Menschen/ nicht alles ausgedacht, um einen Freiballon zum Lenkballon zu machen! Meusnier, Morveau und Testu-Brissy — alles Franzosen — hatten an menschliche Muskelkraft gedacht (diese Idee hat übrigens Ende 1958 in der waghalsigen Ozeanfahrt des englischen
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Spezialballons EAGLE Auferstehung gefeiert), der Österreicher Kaiserer wollte sogar zwei zügelgelenkte Adler vorspannen. Daraus wurde natürlich nichts. Mehr Glück hatte da schon der Deutsche Paul Haenlein, der in seinen 50 Meter langen zigarrenförmigen Ballon einen Gasmotor einbaute. Das Treibgas zapfte er allerdings kurzerhand aus der Ballonhülle ab, deren Tragfähigkeit darunter arg litt, so daß der gute Haenlein schon sehr bald landen mußte. Dann kamen wieder Franzosen: Tissandier und Renard; sie verwendeten Elektromotoren. Renard vermochte am 9. August 1884 immerhin 23 Minuten lang mit einer Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern in der Luft herumzugondeln und dabei jede gewünschte Richtung einzuschlagen. Ja, und dann Santos-Dumont, jener Abenteurer von unglaublicher Kühnheit! Dieser in Brasilien geborene Sohn eines Franzosen ist nach Giffard wohl der bedeutendste Pionier für das unstarre, das heißt „aufgepumpte" Prall-Luftschiff gewesen. Vierzehn solche Fahrzeuge — alle von Benzinmotoren getrieben — h a t er im Laufe der Zeit gebaut. Mit dem sechsten errang er einen Preis von 125 000 Goldfranken, als er am 19. Oktober 1901 (der Tag war bedingungsgemäß vorher angekündigt worden) in knapp 30 Minuten vom Flugplatz St. Cloud aus zum Eiffelturm und wieder zurück fuhr und unbeschädigt landete. Nun müssen wir aber endlich des Deutschen August Parseval gedenken. Auch er hat Prallschiffe mit Benzinmotoren gebaut, die kurzerhand „Parsevals" genannt wurden. Das Besondere dieser Schiffe war ihre Zeflegbarkeit: Durch eine Naht mit Reißvorrichtung konnte man, wenn man wollte, am Landeplatz die Hülle öffnen, dann die Gondel abmontieren und zerlegen und schließlich das Ganze auf Fahrzeuge verladen und abtransportieren. Dabei genügten für kleinere Schiffe zwei Fuhrwerke. . Männer wie Meusnier, Kaiserer oder Haeberlein sind so gut wie vergessen; Giffard und Santos-Dumont haben sich wenigstens in Fachkreisen einen bleibenden Namen schaffen können. Parseval aber und seine Parsevals haben die Zeiten überdauert: In Amerika fahren heute noch weit über hundert Prallschiffe — wir werden noch von ihnen hören —, und auch der deutsche D'-LAVO ist ein Prallschiff ä la Parseval! 8
D-LAVO hat das Weichbild der Stadt Stuttgart längst hinter sich gelassen. Wir schweben jetzt über Waiblingen und nehmen Kurs auf Backnang. Ich sitze vorn neben Kapitän Gülsdorf und habe eine geradezu einzigartige Sicht. Ungehindert schweift der Blick bis zum Horizont, keine Tragflächen behindern das Auge. Wirklich, man hat das Gefühl, im Luftmeer zu „schwimmen"! Und dieses Gefühl wird noch verstärkt durch die sanften Schaukelbewegungen des Schiffskörpers, die der Kapitän durch beständiges Spielen mit dem Höhenruder ausgleichen muß. Es ist wahrhaftig, als säße man in einem großen Boot, das sich in der sanften Dünung wiegt. Ja, das Luftschiff i s t ein Schiff! Freilich, beim Wasserschiff haben die Passagiere ihre Plätze innen oder oben, hier hängen wir unten dran, über uns wölbt sich der tragende Ballonkörper. 50 Meter ist er lang, an der dick-
Luftgefüllter Landepuffer am Gondelboden (das Rollrad wird vor dem Start abmontiert; es dient nur der Bewegung auf dem Boden) 9
sten Stelle ist er haushoch, mißt dort 17 Meter im Durchmesser. Die Hülle besteht aus einem eineinhalb Millimeter starken gummierten Baumwollgewebe, das man zur Abdichtung innen mit einem Spezialwachs gebohnert hat. Eigentlich sollte die Hülle mit Helium gefüllt sein, denn dieses Traggas kann nicht brennen. Aber die Amerikaner, die allein Helium von der hier benötigten Menge zu günstigem Preis gewinnen, haben ein Ausfuhrverbot dafür erlassen, so daß D-LAVO mit Wasserstoff gefüllt werden mußte. Dieses Gas ist leider brennbar (in der Kabine hängt ein großes Schild ,,No Smoking", ,Nicht rauchen!'), es ist jedoch doppelt so leicht und somit doppelt so tragfähig wie Helium. Doch nicht nur Gas ist in der Hülle! In Bug und Heck ist noch je ein ,,Ballonett" aufgehängt. Das sind kleinere Ballonkörper, die auf maximal 450 Kubikmeter aufgepumpt werden können, und zwar nicht mit Traggas, sondern mit gewöhnlicher Luft. „Mit den Ballonetts trimme ich das Schiff und passe es der jeweiligen Fahrthöhe an", erklärt der Kapitän. „Und vor allem sorgen sie für immer gleichbleibenden Pralldruck. Sehen Sie, ein Luftschiff ist ungefähr so schwer wie die umgebende Luft. Es ,schwimmt' in der Atmosphäre ohne Zug nach oben oder unten. Wenn ich nun, um höherzusteigen, Höhenruder gebe, komme ich in dünnere Luft, also in Bereiche geringeren Atmosphärendrucks. Dadurch nimmt der Innendruck in der Hülle zu. Das darf aber nicht sein. Ein Prallschiff wie dieses muß immer gleichbleibenden Innendruck haben! Also müßte ich etwas Gas ablassen. Dadurch würde das Schiff aber wieder schwerer werden und sinken! Und deshalb eben die Ballonetts: Im gleichen Maß, wie sich der Wasserstoff ausdehnt, pusten die Ballonetts durch je ein Ventil automatisch Luft ab. Das können Sie auch beobachten. Schauen Sie mal hinaus, da vorn zu dem runden Klappenverschluß an der Unterseite des Ballons!" Gülsdorf läßt die Motoren etwas schneller laufen und gibt hensteuer. D-LAVO steigt. Da, jetzt macht es hörbar ,klick', die runde Klappe — es ist ein Auslaßventil — öffnet sich: Ballonetts blasen ab! „Wenn ich will, kann ich die Auslaßventile übrigens auch Hand öffnen, hier mit diesen beiden Zuggriffen.", 10
Höund Die von
„Und wenn Sie jetzt wieder tiefergehen wollen, dann müssen Sie etwas Gas ablassen, nicht wahr?" sage ich. „Um aller Welt willen, ich werde mich hüten! Gas gibt man nur in Fällen der Gefahr ab, zum Beispiel bei einer Notlandung, wenn keine Haltemannschaften zur Stelle sind. Nein, zum Tiefergehen habe ich ja das Höhensteuer. Das Schiff wird einfach durch den Druck des Fahrtwindes gegen die Ruderfläclien niedergezwungen, also rein dynamisch, so wie ja auch das Steigen durch dynamischen Auftrieb stattfindet. Freilich nimmt beim Sinken der Innendruck der Hülle ab, denn das Gas zieht sich ja zusammen. Deshalb muß ich die Ballonetts wieder nachfüllen. Dazu ziehe ich hier diese beiden anderen Knöpfe! Ihre Drahtzüge führen hinaus zu den zwei Lufthutzen dicht vor den Propellern und öffnen dort ein Einlaßventil. Der Propellerwind drückt dann ganz einfach weitere Luft in die Ballonetts hinein. Ist der normale Pralldruck erreicht, lasse ich die Ventile wieder zuklappen." Das also ist das Geheimnis des Pralluftschiffes: dieses Wechselspiel zwischen Gas- und Luftvolumen. Es erlaubt Höher- und Tiefergehen ohne jeden Gas- beziehungsweise Ballastv?rlust, es gleicht auch die Erwärmung durch die Sonnenbestrahlung aus, ferner kann der Pilot das bug- oder das hecklastige Schiff wieder in die Waage bringen, indem er nur eines der beiden Ballonetts nachfüllt. Und schließlich liegt das Schiff während der Ruhezeiten sicher am Ankermast, weil es tags wie nachts, bei Hitze wie bei Kälte immer den richtigen Pralldruck hat. Während der Liegezeit, also bei stehenden Motoren, werden im Bedarfsfall die Ballonetts durch kleine Kompressoren nachgefüllt, die der Wachtposten bedient. ,,Ja, und wie hoch können Sie nun steigen?", frage ich den Kapitän. „Ich kann so lange steigen, bis alle Luft aus den Ballonetts herausgedrückt ist. Das ist je nach Druck und Temperatur der Atmosphäre verschieden, liegt aber im Mittel bei ungefähr 6500 feet. Darüber darf ich nicht steigen, auch wenn dies durch den dynamischen Auftrieb ohne weiteres möglich wäre. Denn es gibt dann keine Möglichkeit des Druckausgleichs mehr, der Druck in der Hülle würde zunehmen und der Hüllenstoff könnte reißen." 6500 feet also ist die Gipfelhöhe! Wie im ganzen Luftverkehr, 11
rechnen auch die Luftschiffer nicht in Metern, sondern in englischen Fuß. 6500 Fuß, das sind rund 2000 Meter. Und jetzt möchte ich natürlich wissen, wie schnell D-LAVO steigen kann! „Maximal steigt dieses Schiff pro Minute 2600 feet, das sind 800 Meter. Passen Sie mal auf!" Gülsdorf schiebt mit der Linken beide Gashebel ganz nach vorn, auf Vollgas also, und zieht mächtig Höhensteuer. Das Schiff nimmt seine Nase hoch, höher, noch höher. Ganz schön schräg stehen wir jetzt im Raum! Der Horizont ist verschwunden, nur noch blauer Himmel vor uns und um uns — eine beängstigende Situation. Und D-LAVO steigt, steigt... Eine Unterhaltung ist beim Vollgaslärm der Motoren ziemlich mühsam. Also tippe ich den Kapitän auf die Schulter: „Genug!" Er läßt das Höhensteuer, das er gegen den Andruck des Fahrtwindes hatte mit beiden Händen halten müssen, einfach los — das Rad wirbelt zurück, jetzt kommt der Horizont von unten wieder heraufgestiegen, der Lauf der Motoren wird auf halbe Tourenzahl gedrosselt, das Schiff in die Waagerechte eingependelt — und alles ist wieder so schön und so friedlich wie zuvor. Und weiter schwimmt D-LAVO in nordöstlicher Richtung durch die Unendlichkeit des Luftmeeres.
* D-LAVO ist ein Prallschiff ganz wie die alten Parsevals, also ein weichhäutiges, ballonähnliches Gebilde. Dieses System stand lange Jahrzehnte in einem heftigen Konkurrenzkampf mit dem sogenannten Starrluftschiff. Hier ist das Innere nicht einfach hohl und nur gasgefüllt, sondern es ist durchzogen von einem komplizierten, hundertfach verzweigten Gerippe fester Streben. Dieses Gerüst und nicht der Druck des Traggases gibt die Form! Ballonetts braucht man deshalb nicht. Für das Gas selbst sind zwischen dem Fachwerkgerüst mächtige dünnwandige Behälter eingebaut, überzogen ist das Ganze dann mit einer Haut aus dünnem Aluminiumblech oder aus einem Baumwollgewebe mit einem Aluminiumpulver-Anstrich gegen die Wirkung der Sonnenstrahlung und gegen Gasverluste. Zwar ist ein solches Starrluftschiff komplizierter und somit teurer als ein Prallschiff; dafür hält es seine äußere Form präziser, und das kommt der Lenkbarkeit zugute. Wirklich große 12
Der letzte deutsche Zeppelin LZ 130, der nach der Katastrophe des LZ 129 noch vor der Fertigstellung abgewrackt wurde Schiffe kann man einfach deshalb nur schwer nach dem Parseval-System bauen, weil der ziemlich geringe Gasdruck die Hülle bei stark böigem Wind eben doch nicht vollkommen steifhält. Die Historie des Starrluftschiffs ist rasch erzählt: Nur zwei Männer sind zu nennen! Zuerst David Schwarz, in Ungarn geboren und in Wien aufgewachsen — ihm muß man wohl die Priorität zusprechen. Ist er es doch gewesen, der als erster ein fahrfähiges Starrschiff gebaut hat. Die Außenhaut bestand hier aus 0,2 Millimeter dickem Aluminiumblech. Allerdings hatte der Erfinder Pech: Schon bei einer Probefahrt strandete sein Schiff. Das war im Jahre 1897. Es gelang ihm aber, für seine Pläne und Patente jenen Mann zu interessieren, der später der eigentliche Begründer eines weltumspannenden Luftschiffverkehrs werden sollte: den Grafen Ferdinand von Zeppelin. Ja, die Luftfahrzeuge dieses Mannes sind im Laufe der Zeit derart populär geworden, 13
daß der Laie heute oft kurz von „Zeppelinen" spricht, wenn er ganz allgemein „Luftschiffe" meint. Wir aber wollen festhalten, daß Prallschiffe wie D-LAVO Parsevals sind und keine Zeppeline! i Für 30000 Mark gingen im Jahre 1898 die Rechte an den Schwarzsehen Konstruktionen an Ferdinand v. Zeppelin über. Es muß nun allerdings gesagt werden, daß sich der Graf gedanklich und auch konstruktiv schon sehr lange zuvor — seit 1874 nämlich — mit dem Problem des Lenkballonbaues befaßt hatte. Ein im Jahre 1894 fertiggestellter Entwurf stellte denn auch eine ausgesprochene Eigenschöpfung dar. Doch erst um 1898 begannen die Pläne greifbare Formen anzunehmen. Sein ganzes Vermögen — fast eine halbe Million Goldmark — steckte er um) diese Zeit in seine „Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt". In der Nähe von Friedrichshafen stellte ihm der König von Württemberg ein geeignetes Gelände zur Verfügung. Und hier baute der Graf sein erstes Luftschiff, den ZEPPELIN I, kurz LZ I genannt. Der Schiffskörper hatte eine Länge von 128 Metern und einen Rauminhalt von 11 300 Kubikmetern. Damit übertraf er alle seine Vorgänger — die Schiffe von Giffard, von Haenlein, von Renard, von Santos-Dumont — beträchtlich. Der Querschnitt des LZ 1 war nicht ein Kreis, sondern ein regelmäßiges Vierundzwanzigeck. Das Innere war in 17 nebeneinanderliegende Zellen aufgegliedert, die je einen mit Wasserstoff gefüllten Gassack aufzunehmen hatten. Durch diese Schotteneinteilung sollte das Luftschiff auch dann noch flugfähig sein, wenn durch einen Unfall einzelne Zellen beschädigt werden sollten und das Gas dann aus den betreffenden Säcken entwich. Das gesamte, filigranhaft anmutende Gerüst war mit einer festen Stoffhülle überzogen. An der Unterseite des zigarrenförmigen Körpers waren im Abstand von etwa 50 Metern zwei Aluminiumgondeln aufgehängt, in die je ein Daimler-Motor mit einer Leistung von 15 PS eingebaut war. Die Jungfernfahrt von LZ 1 am 2. Juli 1900 dauerte nur wenige Minuten; sie genügten aber, auf verschiedene Mängel vor allem an der inneren Festigkeit und der Lenkbarkeit aufmerksam zu machen, die im Laufe eines Vierteljahres behoben werden! konnten. Die zweite und vor allem die dritte Fahrt, die sich nun 14
schon über eine halbe Stunde erstreckte, bewiesen, daß sich Graf Zeppelin mit seiner Idee eines starren Luftschiffs durchaus auf dem richtigen Wege befand. Und nun folgte trotz außerordentlicher finanzieller Schwierigkeiten ein Luftschiffbau dem andern: LZ 2 erhielt bereits zwei Motoren von je 85 PS; Höhen- und Seitensteuer waren verbessert. Am 17. Januar 1906 strandete es bei Kißlegg im Allgäu, nachdem es durch Versagen eines Motors manövrierunfähig geworden war. Einige Monate später stieg LZ 3 auf; dieses Luftschiff war nur wenig gegen seinen Vorgänger verändert und erwies sich als eine außerordentlich gut gelungene Konstruktion. Ober zwei Stunden kreuzte es über dem Bodenseegebiet und legte dabei eine Fahrstrecke von 110 Kilometern zurück. LZ 3 hat dann volle sieben Jahre Dienst getan. Die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten. Ja, die Katastrophe, bei der LZ 4 nach einer vielbejubelten Fahrt — von Friedrichshafen den Rhein entlang über Basel nach Mainz und dann zurück in Richtung Stuttgart — in der Nähe von Echterdingen am Boden durch einen Sturm zerstört wurde, war das Signal für eine von allen Deutschen aus eigenem Antrieb in Gang gebrachte Hilfsaktion, durch die in kurzer Zeit über sechs Millionen Mark zusammenkamen. Ja, wir Heutigen können uns kaum mehr vorstellen, in welchem Maße die Idee des Luftschiffs damals die Gemüter der Menschen gepackt hatte. „Die Ereignisse waren so gewaltig und aufrührend", schreibt Luftschiffkapitän Eckener in seinem Buch ,1m Zeppelin über Länder und Meere', „ d a ß man sie ohne Übertreibung als ein Stück großer Geschichte des deutschen Volkes bezeichnen kann. Die Begeisterung, ja der Begeisterungstaurnel für den alten Grafen und sein Luftschiff war erstaunlich. Wahre Völkerwanderungen ergossen sich zum Bodensee hin, um das Luftschiff und seinen Schöpfer zu sehen, wenn ein Aufstieg angekündigt war. Ungezählte Vereine, ganze Universitäten mit allen Professoren und Studenten erschienen mit fliegenden Fahnen vor dem Haus, wo der alte Herr wohnte, um ihm ihre Huldigung darzubringen. Der württembergische Landtag und mehrere Hundert Reichstagsabgeordnete kamen, um eine kurze Fahrt im Zeppelin über den See 15
tu machen. Selbst der Kaiser," vorher wenig günstig gestimmt, mußte sich bequemen, der allgemeinen Volksstimmung Rechnung zu tragen und die Werft zu besuchen, wobei er dann das seltsame W o r t vom ,größten Deutschen des Jahrhunderts' sprach." Unermüdlich arbeitete Zeppelin an seinem Werk, er und sein Oberingenieur Dürr, der von 1908 an sämtliche Zeppeline entwarf. Etwa vom Jahre 1910 an finden wir das Luftschiff als Fahrzeug bereits im regelmäßigen Passagierdienst: Die SCHWABEN mit drei Motoren von je 145 PS, die HANSA, die VIKTORIA LUISE und die SACHSEN beförderten in den Jahren vor. 1910 bis 1914 auf rund 2000 Fahrten mehr als 40000 Passagiere, und das ohne einen einzigen Unfall! Graf Zeppelin war indes nicht der einzige geblieben. Um 1910 taten sich der Konstrukteur Prof. Schütte und der Großindustrielle Lanz zusammen und bauten das Starrluftschiff SL 1, drei Jahre später dann den SL 2. Dieses zweite Schiff hatte bereits einen innerhalb der Hülle verlegten Laufgang, durch den man auch während der Fahrt an die Zellen herankommen konnte; femer waren die Motoren in eigenen kleinen Gondeln seitlich vom Rumpf untergebracht. Etwas Eigenartiges bauten die italienischen Ingenieure Enrico Forlanini und Del Fabbro, nämlich ein von Dampfkraft getriebenes halbstarres Luftschiff. Bei dieser Konstruktion wird die Hülle durch ein starres Kielgerüst unterstützt, so daß sie auch bei Unprallwerden ihre Form und damit ihre Steuerbarkeit behält. Das erste derartige Schiff - die LEONARDO DA VINCI — entstand schon im Jahre 1909. Insgesamt sechs halbstarre Luftschiffe baute Forlanini im Laufe der Jahre. Ihm taten's später einigei andere nach, so die Deutschen Basenach, Groß und Naatz und der Franzose Julliot. Aber alle diese Konstruktionen blieben doch — ebenso wie ein im Jahre 1911 von den Siemens-SchuckefrtWerken gebautes Prallschiff von 15000 Kubikmetern — Randerscheinungen. Von großer Wichtigkeit dagegen war die Erfindung des „Duraluminiums" im Jahre 1907 durch den Hüttetningenieur Alfred Wilm. Diese überaus leichte und zugleich äußerst stabile Legierung aus Aluminium, Kupfer und Mangan gab das geradezu ideale Baumaterial für Luftschiffgerippe ab. Die späteren Zeppeline sind alle aus solchem Duräluminium gebaut worden. 16
Dieser Typ M hat ein lange, dreiteilige Gondel, die etwa nach Art der D-Zug-Wagen mit Balgübergängen den elastischen Bewegungen der Ballonhülle nachgeben kann V e i t k r i e g 1914/18! Das Luftschiff wurde gewissermaßen zur Luftwaffe einberufen. Eine große Anzahl von Zeppelinen entstand; ihre Feindfahrten nach London gehören zweifellos zur Geschichte der Luftfahrttechnik. An die 7000 Meter Flughöhe erreichte man damals schon. Eines der letzten im Kriege gebauten Schiffe war LZ 113: Bei einer Länge von 211 Metern hatten seine Gasräume ein Volumen von 62 200 Kubikmetern; sieben schwere Maybach-Motoren leisteten insgesamt 1820 PS und gaben dem Luftkreuzer eine Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. Das Ende des Krieges erlebte Graf Zeppelin nicht mehr. Er starb am 8. März 1917 als ein von der ganzen Welt hochgeachteter und vom deutschen Volk verehrter Mann. Seinen Charakter und seine Denkungsart beleuchten so recht jene Worte, mit denen er im Februar 1896, als er seinen ersten Entwurf eines lenkbaren Starrluftschiffes dem Verein Deutscher Ingenieure zur Begutachtung vorlegte, seinen Begleitbrief schloß: „Möchten Sie es daher als Ihre vaterländische Pflicht betrachten, die Prüfung 17
des von mir Geschaffenen nicht mehr ruhen zu lassen, den Meimingskampf darüber sofort mit mir zu eröffnen, um tunlichst bald zu einem abschließenden Urteil zu gelangen. Wenn es gegen mich ausfällt, wenn Sie beweisen, daß ich mich geirrt habe, ich werde Ihnen von Herzen auch dafür dankbar sein. Denn der Schmerz, daß meine Arbeit vergeblich gewesen, wäre unendlich leichter zu tragen als das Leben mit dem Glauben in der Brust, dem Vaterland eine herrliche Gabe bereitet zu haben, und dabei sehen zu müssen, daß das Kleinod nicht erkannt und darum nicht aufgegriffen wird." Er hatte sich nicht geirrt. Im Juli 1919 bereits bezwang ein nach deutschem Muster gebautes englisches Starrluftschiff — der R 34 — zum erstenmal den Ozean. Fünf Jahre später war ein besonders großes und schönes Luftschiff, der LZ 126, fertiggestellt: 200 Meter war es lang und 31 Meter hoch. Seine 14 Gaszellen faßten über 70 000 Kubikmeter. Die fünf Maybach-Motoren mit ihren 2000 PS entwickelten eine Höchstgeschwindigkeit von 127 km/h und vermochten auf HOstündigem ununterbrochenem Flug über 12 000 Kilometer zurückzulegen, wobei 30 Passagiere und 28 Besatzungsmitglieder befördert werden konnten. Am 15. Oktober 1924 wurde LZ 126 als „ZR I I I " in Lakehurst als Reparationsleistung an Amerika abgeliefert. Die 77-Stunden-Dberführungsfahrt von Friedrichshafen nach New York unter dem Kommando von Kapitän Hugo Eckener war auch navigatorisch eine Meisterleistung. Denn die Abtrift eines Luftschiffs durch den Wind ist ungleich größer als die eines Wasserschiffs durch die Meeresströmung und zudem war sie mit damaligen Mitteln viel schwerer meßbar. (Eckener hatte sich da eine eigene Rauchbombenmethode ausgedacht, bei der sich die Abtrift aus den W i n keln zweier verschiedener Steuerkurse ergab.) LZ 126 wurde nach der Ablieferung auf den Namen LOS ANGELES umgetauft und hat dann weithin in der Neuen Welt Kunde von deutschem Können gegeben und durch das geschickte Auftreten seines Kapitäns sogar zur Besserung des politischen Wetters beigetragen.
* Auf seiner Fahrt von Stuttgart hat unser D-LAVO inzwischen den Raum um Schwäbisch-Hall erreicht. Wir fahren mit etwa 70 Stundenkilometern. Gemächlicli zieht unten die Landschaft 18
vorbei. Die Motoren drehen nur mit halber Tourenzahl, wir können uns leicht unterhallen. Kapitän Gülsdorf ist trotz der ruhigen Fahrt immer irgendwie beschäftigt: Ständig spielt das Handrad des Höhenruders, immer wieder tritt er mit den Füßen links oder rechts ein wenig ins Seitenruder; dann und wann zieht er ein Ballonettventil und reguliert den Pralldruck, gelegentlich greift er zum Fernglas und hält Rundschau. Und dann die Armaturen, die zu beobachten sind: Kompaß, Höhenmesser, Neigungsmesser, künstlicher Horizont, für die beiden Motoren je ein Tourenzähler, Thermometer und öldruckmesesr, dann zwei Ladestromanzeiger und ein Voltmeter für die Anlaßbatterien. Dazu kommt bei Start und Landung das Sprechfunkgerät. „Sagen Sie, bietet das Höhenruder eigentlich großen Widerstand?" frage ich. „Strengt das nicht auf die Dauer an?" „Probieren Sie's doch mal! Hier, nehmen Sie das Rad!" Und schon spiele ich Luftschifführer. Das zwischen unseren beiden Vordersitzen senkrechtstehende Rad läßt sich ziemlich leicht drehen. Aber jetzt spüre ich es noch viel mehr: Das Schiff ist in einem ständigen sanften Auf- und Niedernicken. Diesen Bewegungen muß man mit dem Höhenruder fortlaufend möglichst zuvorkommen, so daß die Gegenkraft des Steuers schon während der Nickbewegung wirksam wird. Gülsdorf sagt: „Der Führer eines solchen Schiffs hat es schwerer, als es die Navigatoren eines großen Zeppelins hatten. Dort bediente ein Mann einzig das Höhenruder, ein anderer nur das Seitenruder, ein dritter sorgte für die nautischen Berechnungen, ein vierter überwachte den Lauf der Motoren. Ich hier muß alles allein und zugleich besorgen, auch den Funksprechverkehr bei Start und Landung. Da heißt es schon wach sein!" In Europa gibt es zur Zeit ganze drei Menschen mit einem Luftfahrerschein für Pralluftschiffe: Helmut Gülsdorf, einen weiteren deutschen Luftschiffer und einen Schweizer Millionär, dessen Hobby es ist, sämtliche Führerscheine zu besitzen, die es überhaupt gibt. Der Schein von Gülsdorf reicht für Schiffe bis 20000 Kubikmeter (unser L-LAVO hat 3000). Dazu kommt der „Luftfahrerschein für Privatjlugzeuge"_ und das „Allgemeine Flugfunksprechzeugnis". 19
„Und wie steht's um die Hilfsmannschaften?" frage ich. „Ich habe einen Chefmechaniker und eine zehnköpfige ständige Haltemannschaft für die Start- und Landemanöver. Bei Sturmlandungen muß ich allerdings durch Funk weitere Leute heranbeordern, bis zu 35 Mann insgesamt." Inzwischen haben wir Schwäbisch-Hall erreicht. Wir sind auf 350 Meter heruntergegangen und schweben nun über dem „Spielzeugstädtchen". Deutlich erkennen wir, wie die Leute drunten stehenbleiben und zu uns heraufstarren. Wann sieht man heutzutage schon ein Luftschiff! Der Kapitän stellt den linken Motor ab und drosselt den rechten bis auf Leerlauf. „Beide darf ich nicht abstellen", sagt er, „denn wenn jiachher durch irgendeinen dummen Zufall keiner mehr anspringen sollte, dann sind wir hilflos wie ein Freiballon." Ja, so ist's: Ohne Fahrt ist auch ein Luftschiff nur ein Freiballon! So schweben wir ein Weilchen fast lautlos über der Stadt. Und das Auge kann sich nicht sattsehen an diesem Bild. Doch nun genug, fahren wir zurück! Kapitän Gülsdorf drückt den Anlasser, der linke Motor springt an, D-LAVO gewinnt rasch wieder an Fahrt. Wir wenden und nehmen Kurs Südwest.
* Zweimal hat das zivile Verkehrsluftschiff seine hohe Zelt gehabt: erst zwischen 1910 und 1914, dann zwischen 1929 und 1937. In die zweite Epoche fallen jene zwei Zeppeline, die dem Luftschiff gedanken wahrhaft Weltgeltung verschafft haben: LZ 127 GRAF ZEPPELIN und LZ 129 HINDENBURG. (Die Baunummer 128 ist nicht ausgeführt worden.) Hier einige interessante Zahlen dieser Schiffe und auch vom Reparationsschiff LZ 126:
Baujahr
LZ 126 1924
Länge größter m Durchm Gasinhalt
' Motoren
Höchst». km/h
201
28
70 000
5 X 400 PS
116
LZ 127 1927/28 236
31
105 000
5 X 530 PS
130
LZ 129 1931/32 248
41
195 000
4 X 8 5 0 PS (Diesel)
135
Das Luftschiff NORGE (Norwegen), mit dem Amundsen, Ellsworth und Nobile im Mai 1926 den Nordpol überflogen LZ 127 und LZ 129 waren von vornherein für einen regelmäßigen Passagier-, Fracht- und Postverkehr zwischen Europa und Amerika vorgesehen und konstruiert. Dementsprechend gestaltete man die Passagierräume, die bei HINDENBURG erstmals teilweise ins Innere des Rumpfes verlegt worden waren: Da waren behagliche Ein- und Zweibettkabinen, Aufenthalts- und Speiseräume, Wandelgänge mit großflächiger Aussichtsverglasung, richtige Küchen und selbstverständlich eigene Funkkabinen und Navigationsräume. Der Reisekomfort entsprach jedenfalls durchaus dem auf einem modernen Luxusdampfer. Die weltweiten Fahrten dieser beiden Schiffe bleiben gewiß unvergessen: Hunderte Male wurde der Ozean überquert (HINDENBURG hatte dabei jeweils 150 Passagiere an Bord oder — bei geringerer Personenzahl — entsprechend Fracht), nach Nord- und Südamerika bestand ein regelrechter fahrplanmäßiger Linienver21
kehr; man veranstaltete in bunter Folge Sonderfahrten nach Ägypten, nach Rußland, nach Spanien und sogar zum Nordpol. GRAF ZEPPELIN unternahm einmal eine große Weltrundfahrt. Alles in allem haben 500 solche Sonderfahrten stattgefunden. Ganz allein blieben die beiden deutschen Großluftschiffe natürlich nicht. Auch andere Länder versuchten sich auf diesem Gebiet der Luftfahrt. Da sind die Schiffe NORGE und ITALIA des italienischen Generals Umberto Nobile (mit der NORGE überflog auch er den Nordpol), da sind die im Jahre 1930 gebauten englischen Schiffe R 100 und R 101 mit je 135 000 Kubikmeter Gasinhalt, deren Innengerüst nicht aus Duraluminium, sondern aus dünnwandigen Stahlrohren bestand (R 101 strandete bei einer seiner ersten Fahrten in der Nähe von Paris und verbrannte), da ist ein amerikanisches Schiff mit der Nummer ZRS-4. .. Alle diese Schiffe vermochten nicht annähernd solche Erfolge und solches Ansehen in der Welt zu gewinnen wie die beiden deutschen Zeppeline. Dann kam das große Unglück — jenes Geschehen, das noch heute den Luftschiffgedanken belastet und unter dessen Eindruck die zivile Verkehrsluftschiffahrt eingestellt wurde: Am 5. Mai 1937 fing HINDENRURG während eines Gewitters beim Landungsmanöver auf dem Flugfeld von Lakehurst Feuer und brannte vollständig aus. Es war seit Anbeginn der deutschen Zivilluftschiffahrt die einzige Katastrophe, die Menschenleben kostete — die einzige in rund drei Jahrzehnten. Die Ursache ist übrigens nie ganz aufgeklärt worden; die einen vermuteten Blitzschlag, andere Funkenbildung am statisch aufgeladenen Schiff bei der Bodenberührung der niedergeworfenen Haltetaue, wieder andere sprachen sogar von Sabotage (was bestimmt nicht zutraf). Der eigentliche Grund aber liegt einfach in dem seit 1927 bestehenden amerikanischen Ausfuhrverbot für Helium: Niemals hätte H I N DENBURG Feuer gefangen, wären die Gaszellen mit dem unbrennbaren Helium gefüllt gewesen. In der Tat hängt praktisch die ganze Luftschiffidee am freien Handel mit Helium. Zwar wird auch in Deutschland dieses Edelgas gewonnen, doch nicht — wie in den Vereinigten Staaten — aus natürlichen, stark heliumhaltigen Erdgasquellen, sondern durch mühsames künstliches Zerlegen der nur äußerst schwach heliumhaltigen Luft. Der Preis dafür — 22
13 Mark für den Kubikmeter — macht die Füllung von Luftschiffen mit Helium bei uns zulande nahezu unmöglich. So war denn HINDENBURG der letzte deutsche Zeppelin, der offiziell auf Reisen gegangen ist. LZ 130, schon fix und fertig gebaut und wieder auf den Namen GRAF ZEPPELIN getauft, wurde abgewrackt, das Aluminiummaterial eingeschmolzen. Und wieder kam ein Weltkrieg. Es wurde ein Krieg mit Fliegenden Festungen statt Zeppelinen. Oberhaupt schien im Zeitalter der überschweren Langstreckenflugzeuge und der superschnellen Düsenmaschinen der Traum vom Luftschiff ausgeträumt. Um so größer das Erstaunen, als bekannt wurde, daß es in den Vereinigten Staaten nahezu 200 Kleinluftschiffe gab und noch heute gibt. Man nennt sie drüben „blimps". Diese Schiffe gehören der Marine, die sie seinerzeit — teilweise sogar schon vor dem Kriege — zur Küstenüberwachung und zur Beobachtung und Abwehr feindlicher U-Boote hatte bauen lassen. In Friedenszeiten dienen sie überdies zur Ablösung der Mannschaften von Schlachtkreuzern, die dadurch das Anlaufen der Küste sparen. Einige Blimps wurden an eine Werbegesellschaft verkauft, die damit Reklameflüge unternimmt. Die Blimps sind Prallschiffe ganz nach dem Parseval-System, doch Schiffe in sechs verschiedenen Größen. Da sind zunächst der Typ L, mit seiner Heliumkapazität von 3480 Kubikmetern die kleinste Ausführung, sowie das G-Schiff mit 5570 Kubikmetern. Beide dienen vor allem als Schul- und Ausbildungsschiffe. Allein von diesen beiden Typen sind 26 Stück gebaut worden. Und eines davon — ein L-Schiff — wurde im Jahre 1955 an das Frankfurter Unternehmen AVO (Internationale Luftwerbung GmbH) verkauft, das es dann an eine Spirituosenfirma vercharterte. Dies also ist jenes Luftschiff D-LAVO mit Helmut Gülsdorf am Steuer! Der wichtigste Blimp ist der Typ K, von dem 130 Stück gebaut worden sind. Er hat ein Heliumvolumen von 12910 Kubikmetern und ist vor allem für Patrouillendienste gedacht. (Gerade dafür eignet sich das Luftschiff besonders gut, denn es kann beliebig langsam fahren, kann ohne Brennstoffverbrauch an der Stelle schweben und kann sich tagelang ohne Zwischenlandung in der Luft halten. Das alles vermag kein Flugzeug.) Weiter dann der Typ M mit 20 520 und der Typ N mit 24 760 Kubikmetern, beide 23
Fahrgastraum im Luftschiff LZ 127 Graf Zeppelin ebenfalls für Patrouillendienste sowie für Geleitzugbegleitung gedacht. Der größte Blimp schließlich ist der Typ ZPG-2, eine Abart des N-Schiffes; er hat ein Heliumvolumen von 27590 Kubikmetern. Entsprechend ihrem verschiedenen Gasinhalt haben diese sechs Blimp-Typen auch sonst unterschiedliche Kenndaten: Typ
Gasinhalt cbm
Länge m
L
3480
45,3
12,1
2 X 145
90
G
5570
58,7
13,7
2 X 220
90
Größte Dicke m
Motoren PS
Höchstgescbw.
km/h
K
12919
77,0
19,8
2 X 550
125
M
20520
94,5
20,8
2 X 700
125
IN
24760
98,8
22,4 .
2 X 800
140
ZPG-2
27950
104,6
23,0
2 X 800
140
24
Bei den größeren Typen ist die unten am Ballon angesetzte Gondel in drei gegeneinander verschieblichen Einzelabteilungen gebaut, etwa nach Art der D-Zugwagen mit Balgübergängen. So kann sie allen Bewegungen der Hülle elastisch folgen. Außerdem ist sie in zwei Stockwerke unterteilt. Diese großen wie auch die kleineren Schiffe haben ihre Festigkeit und Zuverlässigkeit auf vielen Sturmfahrten bewiesen, übrigens hat ein Schiff vom Typ ZPG-2 im März 1957 mit 268 Stunden 28 Minuten - das ist etwas mehr als elf Tage! — einen neuen Dauerweltrekord ohne Brennstoffaufnahme aufgestellt. 16 Personen waren während dieser rund 12 600 Kilometer langen Fahrt an Bord. Solche Blimps haben gegenüber dem Starrluftschiff den Vorteil, daß man sie verhältnismäßig leicht und rasch zerlegen und verpacken kann. So ist der AVO-Blimp seinerzeit per Schiff und Bahn von Amerika herübergebracht worden, wohlverpackt in drei Kisten — die größte im Format einer Gartenlaube für die Außenhülle, zwei kleinere für die Ballonetts, die Gondelteile samt Einrichtung, die Bugversteifung mit dem Ankerhaken, das Leitwerk und die Haltetrossen. Im Flughafen Stuttgart wurde das Schiff dann an Hand einfacher Montageanleitungen wie nach dem Baukastenprinzip von nur wenigen Mann in sechs Wochen zusammengesetzt und aus unendlichen Batterien von Druckgasflaschen innerhalb von sechs Stunden aufgepumpt. Leider stand wiederum kein Helium zur Verfügung; D-LAVO wird von Wasserstoff g e tragen. Zum erstenmal stieg es über Deutschland im April 1956 auf. . • Dieser L-BIimp hat eine Zeitlang einen „Kollegen" gehabt, der über Wochen hin auf dem Randfeld des Echterdinger Flughafens neben ihm verankert lag — ein recht lustiges Bild. Der .Kollege' war eine Eigenkonstruktion einer Schokoladenfabrik, die schon einmal — nämlich von 1929 bis 1933 — ein kleines Prallschiff in ihrem Besitz gehabt hatte. Si-5 D-LEDA (so die amtlichen Kennzeichen des Schiffes) war ebenfalls ein Prallschiff, gebaut von Oberingenieur Siegel in der Ballonfabrik Augsburg und bei Schempp/Hirth in Kirchheim. 57 Meter war es lang und knapp 14 Meter hoch; das Gasvolumen lag bei 5400 Kubikmetern. Bei diesem Schiff war der Pilotenraum vom Passagierraum getrennt; ganz hinten — doch noch mit in die Gondel einbezogen — 25
w a r ein 21o-PS-Sechszvlinder-Motor eingebaut. Die Reisegeschwindigkeit lag bei etwa 70 Stundenkilometern, die Gipfelhöhe bei 1600 Metern. D-LEDA wurde am 24. November 1956 auf den Namen TRUMPF getauft. Das Schicksal hatte ihm jedoch kein langes Dasein zugemessen: Am 21. Juni 1957 jagte über den Raum Stuttgart ein Sturm von ungewöhnlicher Härte und Böigkeit. Er fegte auch über das Feld des Flughafens Echterdingen, wo das Schiff vor Ankermast lag. Plötzlich riß eines der Spannseile, der Mast knickte, beschädigte die Hülle des Schiffs, und in Sekunden lag die ganze Konstruktion zerfetzt am Boden. Das war des Ende des ersten in Deutschland selbst gebauten Nachkriegsluftschiffes Aber schon ist Ersatz da: ein neues, im Herbst 1958 fertiggestelltes Prallschiff von wesentlich verbesserter Konstruktion. Am Steuer sitzt Kapitän Schmidt, jener dritte europäische Inhaber eines Luftschiffiihrerscheins. übrigens haben es auch die Engländer, die ja schon immer eine stille Liebe zum Luftschiff hegten, nach dem Kriege noch einmal versucht: Mitglieder des Airship-Club bauten die BOURNEMOUTH mit einer vom Tragballon frei herunterhängenden Gondel für vier Personen — eine nicht sehr moderne Konstruktion, die sich überdies als hecklastig erwies. Am 19. Juli 1951 fand die Jungfernfahrt statt. Aber bereits einen Monat später, bei ihrer zweiten Fahrt, mußte sie beschädigt notlanden, wobei gottlob niemand ernstlich verletzt wurde.
Angesichts des Mißgeschicks von TRUMPF und BOURNEMOLTH möchte man wohl die Frage stellen, ob nicht die Zeit des Luftschiffs eben doch vorbei sei und es sich bei den amerikanischen Blimps nur um liebenswerte Erinnerungen an eine wenn auch glanzvolle, so doch abgelaufene Epoche der Luftfahrt handele. Nun, man hört so manches, und man liest dies und jenes, was der Hoffnung auf neue große Luftschiffe — s i c h e r e Schiffe' — durchaus Nahrung gibt. Da hat zum Beispiel der deutsche Ingenieur Albert Simon ein Riesenluftschiff für 300 Paslagiere entworfen, das 300 bis 350 Stundenkilometer fahren soll. 26
Das Innere des Rumpfes ist dreifach geschiehtet, und die Außenhülle ist dann noch mit einer Metallhaut überzogen. All das zusammen gibt dem Schiff eine außerordentliche Stabilität. Den Passagieren ist in der bootartigen Riesengondel, die fast so lang ist wie der ganze 145 Meter messende Rumpf, aller Komfort geboten. Und bootartig ist die Gondel, weil dieser „Aerobus" nicht landen, sondern wassern soll, gerade so wie es bei den allerersten Zeppelinen auf dem Bodensee geschah. Viele Probleme vereinfachen sich dadurch: Man braucht keine komplizierte Bodenorganisation mit Kompanien von Haltemannschaften; für die Verankerung reicht eine Schwimmboje statt des immer etwas empfindlichen Ankermastes; der Gewichtsverlust beim Aussteigen der .Passagiere kann leicht durch Wasseraufnahme in Fluttanks ausgeglichen werden, so daß das Schiff immer fest im Wasser liegt. Den Fahrpreis für eine Reise nach New York hatte Simon auf ganze 800 Mark geschätzt! Damit wäre jedes Flugzeug und jeder Ozeandampfer weit aus dem Felde geschlagen. — Albert Siomn ist vor zwei Jahren gestorben. Seine Pläne — wohl ein wenig optimistisch angelegt und mit noch allerlei ungelösten Problemen b e haftet — sind beiseitegelegt, doch in durchaus greifbarer Nähe . . . Natürlich sind auch die Amerikaner wieder mit von der Partie. Die Firma Goodyear, die Erbauerin aller Blimps, denkt an ein Starrschiff von 300 Meter Länge und 280 000 Kubikmeter Gasinhalt, das 250 Passagiere befördern soll. Auch damit könnte man wieder einen richtigen Transozean-Linienverkehr aufziehen. Ja, und auch in Friedrichshafen am Bodensee, der Geburtsstätte sämtlicher Zeppeline, ist man wieder am Rechnen, am Planen, am Zeichnen. Da ist das Projekt eines 265 Meter langen, 42 Meter dicken Starrluftschiffs mit 233 000 Kubikmeter V o l u men. Ursprünglich dachte man an reinen Passagierverkehr (das Schiff könnte 70 Passagieren äußerst komfortable Unterkunft bieten), neuerdings hat man mehr ein Frachtschiff im Auge. Mit 42 Tonnen Nutzlast auf der Nordamerika-Route oder 30 Tonnen auf der wesentlich längeren Südamerika-Linie könnte solch ein Luftschiff dank seiner Geschwindigkeit den Wasserschiffen möglicherweise echte Konkurrenz machen. Daß diese Pläne keine Utopien sind, zeigt das sehr deutliche Interesse eines deutschen Groß-t 27
Unternehmers an diesem Zeppelin, übrigens hat man für das geplante Luftschiff auch schon eine Werksbezeichnung: LZ 132. Fehlt eigentlich nur noch das atomkraftgetriebene Luftschiff. Und auch dies steht schon in verschiedenen Versionen auf den, Beißbrettern — amerikanischen natürlich (und vielleicht auch russischen). Man denkt an Riesenschiffe von 300 Meter Länge für 250 Passagiere. Mit der Atomenergie soll zunächst hochgespannter Wasserdampf erzeugt werden, und dieser Wasserdampf soll dann eine oder mehrere auf Propeller arbeitende Turbinen treiben. Sogar der Plan eines Doppelrumpfschiffes ist bereits aufgetaucht; die Gondeln für Fahrgäste und Mannschaften sind dabei zwischen den beiden Rümpfen aufgehängt. Angeblich kommt man bei einem solchen Doppelrumpf-Atomluftschiff für die Beise von Deutschland nach Nordamerika mit einem Fahrpreis von 300 Mark aus. Man mag zu solchen utopisch anmutenden Plänen stehen wie man will — wir dürfen nicht vergessen: Leute, die sich monateund jahrelang damit befassen, können nicht durchweg Dummköpfe sein. Auch Konstruieren, ja auch schon Nachdenken kostet Geld. Und Techniker, die Zirkel, Lineal und Bechenschieber in Bewegung setzen, sind nur selten Phantasten, sondern meist recht nüchterne Menschen. Schon manches ist Wirklichkeit geworden, das ein paar Jahre zuvor die Leute nur den Kopf schütteln und sich an die Stirn tippen ließ. Natürlich gibt es viele, die ein Luftschiff für das überflüssigste auf der Welt halten, was sich nur denken läßt. Haben wir nicht schnelle Flugzeuge, haben wir nicht bequeme Schiffe? Ja, aber wir haben kein schnelles u n d bequemes Verkehrsmittel für weiträumigen Weltverkehr! Ein Flugzeug bietet jedem Fluggast 1 bis 2 Kubikmeter umbauten Baum, ein Großluftschiff 30 Kubikmeter. Ein Schnelldampfer fährt ungefähr 50 Stundenkilometer, ein Luftschiff 130, in den neuerdings geplanten Spielarten sogar noch viel schneller. Im Flugzeug ist man fast ganz auf seinen Sitzplatz angewiesen, im Luftschiff hat man seine Einzel- oder Doppelkabine, einen Duschraum, einen Speisesaal, einen Rauchsalon, Bars, ein oder sogar zwei Promenadedecks — all das mit einem Komfort, wie ihn sonst nur noch der Luxusdampfer bietet. Und dann vor allem das Erlebnis des Luftschiff28
fahrens als solchem — dieses fast lautlose Dahinschweben über Land und Meer, dieses geruhsame und doch recht geschwinde! überwinden weiter Bäume. In der Tat gibt es wohl keine Form des Reisens, die sich an Schönheit und bleibenden Erinnerungen mit der in einem Luftschiff messen könnte. „Das Luftschiff ist", sagt Hugo Eckener, „das ideale Verkehrsmittel vom Gesichtspunkt des ästhetischen Genießens aus und in dieser Beziehung etwa dem Auto vergleichbar, wenn man in ihm durch eine schöne Hochgebirgslandschaft fährt. Auch der komfortabelste Passagierdampfer kann sich mit ihm nicht messen. Denn dieser setzt seinen Kurs beispielsweise von Marseille nach Gibraltar auf der Seekarte mit einem Bleistiftstrich ab und fährt dann genau an diesem Bleistiftstrich entlang, ohne mehr als gelegentlich einmal in der Ferne etwas Land zu sehen. Das Luftschiff geht an die spanische Küste heran und überfliegt sie auf weite Strecken in so geringer Höhe, daß reizvolle Landschaftsbilder, malerische Städtchen, schöne Gebirge und solches mehr vor seinen weiten Aussichtsfenstern vorübergleiten. Ich könnte mir denken, daß deir Zeppelin als Touristenschiff für Vergnügungsreisen Verwendung finden würde, wie man sie durch die Passagierdampfer unserer großen Dampfschiffahrtsgesellschaften ausführen ließ, um den Fahrtteilnehmern in Stunden und Tagen ebenso viele Eindrücke und Erlebnisse zu vermitteln, wie sie auf den Dampfern in Tagen und Wochen empfingen. Aber das wird nicht geschehen, bevor nicht eine friedliche Atmosphäre geschaffen ist, in der dieses wesenhafte Friedensschiff allein leben und erfolgreich sein kanm. Erscheint es deshalb einmal wieder in silbernem Glänze vor dem blauen Himmelszelt, so wird es als ein Friedenssymbol gewertet werden müssen, gleich dem verheißungsvollen Begenbogen, von dem die biblische Legende sagt, daß der Herrgott ihn an den Himmel setzte als ein Zeichen dafür, daß eine Sintflut künftig nicht wieder das Leben auf Erden vernichten solle.",
* D-LAVO nähert sich aus Richtung Nordost ivieder dem Räume Stuttgart. Wir fahren in 360 Meter Höhe und queren eben eine Bahnlinie, auf der eine Modelleisenbalin dahinzukriechen scheint, 29
deren weiße Dampfwolke über dem Grün der Wiesen leise verkräuselt. Jetzt wird am Horizont als ganz feine Nadel der Fernsehturm sichtbar, jenes markante schlanke Betonbauwerk auf den Stuttgarter Südhöhen. „Mein Richtpunkt!" sagt unser Kapitän. Er hat ihn auf den Grad genau getroffen. Ein Viertelstündchen später passieren wir den Turm in knapper Entfernung. Die Leute auf dem Aussichtsrundgang blicken herüber und winken. Seltsam, dieses Vorbeischweben an den Menschen auf gleicher Höhe! „Und nun darf ich Sie wieder, wie beim Start, bitten, mich nicht zu stören. Ich muß mich auf das Landemanöver konzentrieren.'/ Kapitän Gülsdorf schaltet das Sprechfunkgerät ein und nimmt in die Linke das Mikrofon. „Stuttgart TRW, this is airship D-LAVO on frequency 119,7. How do you read? Over." Mit diesen Worten hat er sich beim Stuttgarter Kontrollturm angemeldet und gefragt, wie man ihn versteht. „Airship D-LAVO, this is Stuttgart TWR. Read you 5. Over." Der Mann im Kontrollturm hört uns also mit Deutlichkeit 5, das heißt „sehr gut". Und nun weiter, immer in englisclier Sprache: „Hier Luftschiff D-LAVO. Meine augenblickliche Position: 1500 Fuß, 17 Grad. Bitte um Landeeidaubnis. Ende." „Hier Kontrollturm. Sie haben Landeerlaubnis. Zu Ihrer Information: Auf Rollbalin 1 stellt eine DC-6, am Westende des Feldes stehen zwei Hubschrauber. Kreuzen Sie die Autobahn in 80 Meter unter 25 Grad. Ende." „Hier Luftschiff D-LAVO. Verstanden. Kreuze Autobahn in 80 Meter unter 25 Grad. Bitte um Luftdruck und Windangaben. Ende." „Hier Kontrollturm. Luftdruck 28,1 Zoll, Wind 235 Grad, 7 Knoten. Ende." „Hier Luftschiff D-LAVO. Verstanden. Bitte beobachten Sie meine . . ." So setzt sich das Wechselgespräch fort. Aber auch sonst hat der Kapitän vielerlei Handgriffe zu tun. Einmal reguliert er die Drehzahl der Motoren, dann zieht er die Ballonettventile, um das 30
Schiff zu trimmen, oder er arbeitet an Höhen- und Seitenruder. Und fortwährend geht sein Auge über die Instrumente. Das Flugfeld liegt nun schon gut sichtbar vor uns. Unsere Geschwindigkeit ist auf etwa 40 Stundenkilometer gedrosselt Jetzt sind's noch 30. Die Höhe mag 70 Meter betragen. Geschwindigkeit noch 20 kmjh, Höhe 50 Meter. Das Kunststück der Landung ist, immer so viel Fahrt zu haben, daß Seiten- und Höhenruder noch ordentlich reagieren, doch so wenig, daß die Annäherung an den Mast so sanft wie möglich geschieht und die Haltemannschaft das Schiff sofort in ihre Kontrolle bekommt. Kurzes Ziehen des vorderen Ballonettventils. Tourenzahl der Motoren abermals eine Kleinigkeit zurück. Bug eine Idee höher. Jetzt haben wir gerade noch Schrittgeschwindigkeit. In diesem Augenblick berühren die beiden Haltetaue den Boden. Die Männer draußen packen zu — Gas ganz weg — Höhensteuer eine Winzigkeit nachkorrigiert — unmerklich setzt das Heckrad auf — Zündstrom aus. Wir sind gelandet! Die letzten 100 Meter bis zum Mast werden wir bestimmungsgemäß wieder von der Haltemannschaft geführt. Und dann klinkt der Bughaken in den Ankermast ein. Der Blimp liegt vor Anker. „Hier Luftschiff D-LAVO. 12 Uhr 42. Bin am Mast. Bitte um Freigabe von der Frequenz." „Hier Kontrollturm. Verstanden, 12 Uhr 42 am Mast. Sie können die Frequenz verlassen. Auf Wiederhören!" „Danke für Ihre Mitarbeit. Ich schalte ab. Auf Wiederhören!"_
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Fotos: Götz Weihmann, Luftschiffbau Zeppelin, Archiv.
L u x - L e s e b o g e n 295
(Technik) - H e f t p r e i s 2 5 P f g .
Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (Vierteljahr!. 6 Hefte DM 1.50) durch jede Buchhandlung und jede Po&tanstalt — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig oder können dort nachbestellt werden — Druck: Buchdruckerei Auer, Donauwörth Verlag: Sebastian Lux, Murnau vor München
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Vati, erfreut über die Fortschritte, die Klaus in der Schule macht, stiftet ihm nun öfter mal zur Ermunterung bei kniffigen Hausarbeiten eine Flasche SINALCO. Da legt sich Klaus mächtig ins Zeug. Denn klappt's, dann darf er ia weiter damit rechnen, daß ihm SINALCO*} bei der Arbeit hilft. Ist dieses Beispiel nicht der Nacheiferung wert? Nicht ohne Grund ist alle Welt längst auf SINALCO eingestellt: Den Trank aus köstlichen Früchten. Die SINALCO Flasche mit Kelch DER Q U A L I T A T S - U N D ECHTHEITSBEWEIS im roten Punkt: