Ulrich Glöckler · Gisela Maul Ressourcenorientierte Führung als Bildungsprozess
VS RESEARCH Management – Bildung – Eth...
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Ulrich Glöckler · Gisela Maul Ressourcenorientierte Führung als Bildungsprozess
VS RESEARCH Management – Bildung – Ethik Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Hoch, Universität Konstanz Prof. Dr. Björn Kraus, Evangelische Hochschule Freiburg Prof. Dr. Günter Rausch, Evangelische Hochschule Freiburg Dr. Jürgen Rausch, Evangelische Hochschule Freiburg Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann, Evangelische Hochschule Freiburg Prof. Dr. Bernd Seibel, Evangelische Hochschule Freiburg
Die Schriftenreihe widmet sich forschungsorientierten Fragestellungen zur Organisation von Bildungseinrichtungen, zur Professionalisierung von Leitungspersonen und der kritischen Reflexion von Führungshandeln. Im Kontext marktwirtschaftlicher Orientierung und ökonomisch begründeter Outputorientierung von Bildungsprozessen werden aktuelle Diskussionen zur Professionalisierung des bundesdeutschen Bildungssystems aufgegriffen. Die Reihe bietet ein Publikationsforum für NachwuchswissenschaftlerInnen sowie für Monografien, Sammel- und Tagungsbände von WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Ökonomie, Bildungswissenschaften (inkl. Bildungs- und Schulmanagement), Soziale Arbeit und Sozialmanagement. Zielgruppe der Reihe sind KollegInnen aus Forschung und Lehre, ebenso Führungskräfte und Leitungsverantwortliche aus den Bereichen der Wirtschaft, des Bildungsund Schulwesens und des Dienstleistungssektors.
Ulrich Glöckler · Gisela Maul
Ressourcenorientierte Führung als Bildungsprozess Systemisches Denken und Counselling-Methoden im Alltag humaner Mitarbeiterführung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann und Dr. Jürgen Rausch
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Verena Metzger / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17271-2
Geleitwort
Mit der vorliegenden Arbeit greifen Ulrich Glöckler und Gisela Maul eine interessante Fragestellung für die Leadership-Forschung auf. Ausgehend von dem von Paul Hersey und Ken Blanchard konzipierten situativen Führungsmodell wenden sie sich der Frage zu, wie sich die Ressourcen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern situationsbezogen und aufgabenbezogen durch das Führungsverhalten optimieren und im Sinne eines Bildungsprozesses fördern lassen. Dazu wählen die Autoren eine systemische Herangehensweise und stellen der Diskussion zu Führungsstilen in der Praxis das Counselling-Verfahren zur Seite. Führung wird von den Autoren dann als erfolgreich angesehen, wenn die Mitarbeiterpotenziale den Aufgaben und Arbeitssituationen bestmöglich aktiviert und eingesetzt werden. Voraussetzung für ein erfolgreiches Führen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist, den Autoren folgend, eine unterstützende Führungshaltung, die in einem pädagogischen Sinne individualisierend und kreativitätsfördernd wirkt und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Gestaltungsfreiraum bei der Aufgabenerfüllung einräumt. Hier sehen Glöckler und Maul Gemeinsamkeiten zum Counselling-Verfahren. Counselling hat ihren Ursprung in der humanistischen Psychologie und setzt sich zum Ziel, individuelle, soziale und beruÀiche Kompetenzen zu fördern. Counselling folgt hier dem Empowermentansatz und mit dem Ziel, Gestaltungs-, Handlungs- und Sozialkompetenz beim Mitarbeitenden zu entfalten. Glöckler und Maul sehen ihren Beitrag für die Entwicklung von zeitgemäßen Führungsstilen darin, mit dem von ihnen vorgestellten Führungsmodell „Equilibrium“ Führungskräften eine wissenschaftliche und handlungsorientierte Grundlage zur Perfektionierung ihres Führungsstils anzubieten. Neben einem Diskurs zu Ressourcen-Ampli¿ern, eröffnen die Autoren auch einen Diskurs zu Verantwortung, Ethik, Werteverständnis und Unternehmenskultur im Kontext eines mitarbeiterorientierten Führungshandelns und zeigen anschließend Möglichkeiten eines Praxistransfers auf. Zu Recht weisen die Autoren auf eine Entwicklung hin, die für Führungskräfte in erwerbswirtschaftlichen Bereichen an Bedeutung gewinnen wird und für sozialwirtschaftliche Unternehmen wesentlich zu einer authentischen Corporate Identity beiträgt: Mitarbeiterzufriedenheit durch mitarbeiterorientiertes Führungshandeln. Anschaulich und systematisch führen die Autoren den Leser /
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Geleitwort
die Leserin in das entwickelte Führungsmodell und in die Ressourcenverstärker ein und geben darüber hinaus dem Leser umfängliche Vorlagen für die Praxis zur Hand, die online über die Internetseite des VS-Verlages abgerufen werden können. Die vorliegende Arbeit stellt einen gelungenen Beitrag dar, die Führungspraxis neu zu reÀektieren und die Antinomie Mitarbeiterorientierung und Ef¿zienz des Unternehmens dahin gehend aufzulösen, als die optimale Mitarbeiterführung jene Ressourcen freizusetzen vermag, die die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit unter Berücksichtigung am Menschen orientierter führungsethischer Rahmenbedingungen nachhaltig gewährleisten kann. Insofern leistet dieser Band auch einen aufschlussreichen Beitrag zur Diskussion um die Ökonomisierung in der Sozialwirtschaft bzw. zu einer salutogenetischen Arbeitsweltgestaltung innerhalb eines globalisierten Marktes, als darin dem seelischen und physischen Wohlbe¿nden der Mitarbeiter jene schöpferische Kraft zugesprochen wird, die einen wesentlichen Faktor innerhalb eines Wertschöpfungsprozesses in einem Unternehmen darstellt. Freiburg, im März 2010
Wilhelm Schwendemann / Jürgen Rausch
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort .........................................................................................................5 Abbildungsverzeichnis...................................................................................13 Tabellenverzeichnis ........................................................................................17 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Einleitung / Motivation ....................................................................19 Motivation und Bezug zum Thema sowie Einbettung in bestehende Ansätze ............................................................................19 Sinn und Ziel – Zielgruppe ................................................................20 Praxisrelevanz ....................................................................................21 Rahmensetzung ..................................................................................21
2 2.1 2.2
Führungsstile ....................................................................................27 Kurzer Abriss über die klassischen Führungsstile von Kurt Lewin ...28 Weitere Führungsstile ........................................................................32
3 3.1 3.2 3.3
„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard ........................35 Reifegrade der Mitarbeiter/-innen......................................................37 Indikatoren für den Reifegrad bei Hersey und Blanchard .................39 Führungsstil abhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter/-innen...........41
4 4.1 4.2 4.3
Erste Annäherung an unser Modell ...............................................47 Herleitung ..........................................................................................47 Einführende Beschreibung .................................................................49 Idealtypisierung..................................................................................51
8
Inhaltsverzeichnis
5 5.1
Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft .......................53 Psychologische Sichtweisen beim Umgang mit komplexen Systemen .........................................................................57
6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.5.1 6.5.2
Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium ............................61 Kernaufgaben einer Führungskraft ....................................................61 Soziale Systeme im betrieblichen Umfeld .........................................63 Führungsalltag....................................................................................64 Die „alltägliche Situation“ .................................................................66 Die Potential bergende Situation........................................................73 Wechsel ..............................................................................................75 Baukasten Führungselemente ............................................................77 Intention: Baukasten Führungselemente ............................................77 Nutzung des Baukastens „Führungselemente“ ..................................78 Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling ............79 Arten des Counselling ........................................................................80 Der lösungsorientierte Ansatz als Kernmethode aus dem Counselling ........................................................................................80 Anforderungen an die Führungskraft beim Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling ................................85 Die Rolle der Führungskraft ..............................................................87 Wirkung von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling im Führungsverhalten ....................................................88
6.5.3 6.5.4 6.5.5
7 7.1 7.2 7.3
Ressourcen ........................................................................................91 Aktuelle Situation, Potential und Grenzen.........................................92 Fachkompetenz (Professional Competence) ......................................93 Soft Skills ...........................................................................................96
8 8.1 8.1.1 8.1.2
Ressourcen-Ampli¿er ......................................................................99 Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme ................................99 Voraussetzungen zum Verständnis Kohlbergs Modell .......................99 Drei Niveaus mit je zwei Stufen der Entwicklung nach Lawrence Kohlberg ..........................................................................102
Inhaltsverzeichnis 8.1.2.1 8.1.2.2 8.1.2.3 8.1.2.4 8.1.2.5 8.1.2.6 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 9 9.1 9.1.1 9.1.1.1 9.1.2 9.1.3 9.2 10 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 10.3.1
Grundsätzliches zur Anwendung des Modells .................................102 Niveau A...........................................................................................105 Niveau B ..........................................................................................105 Zuverlässigkeit als Ressourcen-Ampli¿er ........................................106 Niveau C ..........................................................................................106 Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit als Ressourcen-Ampli¿er .................................................................108 Handlungsorientiertheit ...................................................................109 Die Attributionstheorie ....................................................................109 „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ als Ressourcen-Ampli¿er .................................................................111 „Verarbeitete Erfahrung“ als Ressourcen-Ampli¿er.........................112 Steuerung und Vertrauen ..............................................................115 Steuerung als Führungsaufgabe .......................................................115 Evaluation .......................................................................................117 Kurze Einführung in die Methodik des Reviews .............................120 Kontrolle .........................................................................................122 Evaluation und Kontrolle in Zusammenhang mit Ressourcen-Ampli¿ern .....................................................................124 Vertrauen ..........................................................................................125
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen ...........................129 Einschätzung der Ressourcen ..........................................................129 Gerichtete Wahrnehmung und Einschätzung von Ressourcen.........130 Bewertung ........................................................................................131 Deutung ............................................................................................132 Klassi¿zierung .................................................................................133 Das 5-Schritte-Verfahren..................................................................135 Schritt 1: Klärung der Aufgabe/Situation und Entwicklung eines Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls .........136 10.3.1.1 Benötigte Fachkompetenz für eine Aufgabe/Situation ....................138 10.3.1.2 Benötigte Soft Skills für eine Aufgabe/Situation .............................140 10.3.1.3 Benötigte Ressourcen-Ampli¿er für eine Aufgabe/Situation ...........143 10.3.2 Schritt 2: Ressourceneinschätzung Mitarbeiter/-innen ....................144
9
10
Inhaltsverzeichnis
10.3.2.1 Fachkompetenz Mitarbeiter/-innen ..................................................146 10.3.2.2 Soft Skills Mitarbeiter/-innen ..........................................................148 10.3.2.3 Ressourcen-Ampli¿er Mitarbeiter/-innen .........................................150 10.3.3 Schritt 3: Gegenüberstellung des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls mit der Ressourceneinschätzung ..................................................................150 10.3.4
Schritt 4: Einsetzbarkeit der Mitarbeiter/-innen.......................... 150
10.3.5 Schritt 5: Motivation der Mitarbeiter/-innen .............................. 151 10.3.6 Zusammenfassung............................................................................151 10.3.7 Beispiel einer Strategieentwicklung mit situations- und aufgabenbezogener Auswahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nach Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern .....153 11 11.1 11.1.1 11.1.2 11.2 11.3 11.4 12 12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5 12.1.6 12.2
Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern ............................................................................................171 Basisset: Basisführungselemente .....................................................171 Basisführungselement 1: Mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ins Gespräch kommen ......................................................................172 Basisführungselement 2: Perspektivenwechsel ...............................176 Förderung von Fachkompetenz........................................................178 Förderung von Soft Skills ................................................................179 Zusammenfassung............................................................................180 Ressourcen-Ampli¿er – Adaption von Methoden aus dem Counselling............................181 „Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern .......................182 Zielvereinbarung ..............................................................................182 Pro-Aktives Handeln........................................................................188 Persönliche SWOT-Analyse zur basalen Standortbestimmung .......189 Motivation zur ReÀexion .................................................................193 Präsentieren und Vertreten von Arbeitsergebnissen und Vorgehensweisen ..............................................................................194 Zusammenfassung: Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“................195 „Zuverlässigkeit“ fördern.................................................................195
Inhaltsverzeichnis 12.2.1 12.2.2
11
Bekanntmachen von Normen ...........................................................196 Erläuterung von Normen..................................................................197
12.2.3 Einarbeitungsplan für neue Mitarbeiter/-innen ........................... 198 12.2.4 Klärung von Normen .......................................................................198 12.2.5 Vorbildfunktion der Führungskraft ..................................................199 12.2.6 Möglichkeiten bei ablehnender Haltung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ...............................................................................200 12.2.7 Zusammenfassung Ressourcen-Ampli¿er „Zuverlässigkeit“ ...........200 12.3 „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern ..............................................................................................200 12.3.1 Grundwissen und Methodenkompetenz ...........................................203 12.3.2 Umgang mit Verantwortung vermitteln und diskutieren..................204 12.3.3 Möglichkeiten schaffen um Verantwortung zu übernehmen und KonÀiktsituation zu erleben .............................................................205 12.3.4 Delegation ........................................................................................206 12.3.5 Erweiterung des Führungselementes „Zielgruppengerechte Präsentationen von Arbeitsergebnissen und Vorgehensweisen“ ......214 12.3.6 Teilnahme an Besprechungen mit und ohne Führungskraft.............216 12.3.7 Hospitation (Gastaufenthalt) zur ReÀexion der Sicht auf die eigene Arbeit ....................................................................................216 12.3.8 Projektarbeit mit dem Ziel, Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit zu fördern ...............................................................217 12.3.9 Erweiterung des Führungselementes „Führen über Ziele“ ..............220 12.3.10 Perspektivenwechsel zur Anregung der SelbstreÀexion ..................220 12.3.11 Förderung der Eigeninitiative zur Beschaffung von Informationen ..................................................................................221 12.3.12 Lösungsorientierte Fragen ...............................................................221 12.3.13 Verbesserungsvorschlagswesen .......................................................224 12.3.14 Diskussion und Festlegung einer Strategie ......................................226 12.3.15 Persönliche SWOT-Analyse zur erweiterten Standortbestimmung ........................................................................227 12.3.16 Fehlerkultur ......................................................................................227 12.3.17 Zusammenfassung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“....229 12.4 Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Verarbeitete Erfahrung“ ....229
12
Inhaltsverzeichnis
12.4.1 ReÀexion von Erinnerung und Entwurf ...........................................230 12.4.2 ReÀexion von Wahrnehmung und Wirklichkeitsverarbeitung .........230 12.4.2.1 Bewerten ..........................................................................................231 12.4.2.2 Deuten ..............................................................................................233 12.4.2.3 Klassi¿zieren....................................................................................237 12.4.3 ReÀexion des betrieblichen Alltags .................................................242 12.4.3.1 Herstellung eindeutiger Handlungsgrundlagen ...............................242 12.4.3.2 Entwicklung neuer Ziele, neuer Sichtweisen und neuer Sinnhorizonte: „gelingenderer Alltag“ .............................................243 12.4.3.3 Weitere Methoden zur ReÀexion des betrieblichen Alltags .............245 12.4.4 Aufwertende Fragen.........................................................................248 Mentorenfunktion für Mitarbeiter/-innen übertragen .....................249 Teambuilding durch Kombination erfahrener und relativ neuer Mitarbeiter/-innen ...........................................................................250 12.4.7 Hospitation und Projektarbeit um neue Erfahrungen zu sammeln und bestehende zu reÀektieren .........................................250 12.4.8 Zusammenfassung des Ressourcen-Ampli¿ers „Verarbeitete Erfahrung“ .................................................................251
12.4.5 12.4.6
13
Resümee ..........................................................................................253
Literaturverzeichnis ....................................................................................257
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Verhaltensgitter-Ansatz Blake/Mouton (eigene Darstellung nach Holtbrügge D. 2007: 205) .............. 33
Abbildung 2:
Modell des „Situativen Führen“ (modi¿zierte eigene Darstellung nach Hersey und Blanchard 2001: 182) .............. 36
Abbildung 3:
Führungsmodell Equilibrium .................................................. 50
Abbildung 4:
Modi¿zierte eigene Darstellung nach Schulz von Thun, F. 2004: 28–37 ............................................................................ 54
Abbildung 5:
Modi¿zierte eigene Darstellung nach Schulz von Thun, F. 2004: 68 .................................................................................. 55
Abbildung 6:
Kernaufgaben einer Führungskraft ......................................... 63
Abbildung 7:
Soziale Systeme im betrieblichen Umfeld und Interaktionen (schematisch) .................................................... 64
Abbildung 8:
Führungsalltag......................................................................... 65
Abbildung 9:
Handlungsspielraum einer Führungskraft ............................... 73
Abbildung 10: Equilibrium in verschiedenen Dimensionen – Situationen, die sich im Gleichgewicht be¿nden sollten ........ 76 Abbildung 11: Lösungsorientierte Ressourcenentwicklung und lösungsorientierter Problemlöseprozess.................................. 82 Abbildung 12: Führungsverhalten schematisch an einem Beispiel ................ 87 Abbildung 13: Adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling als zentrales Merkmal des Führungsverhaltens ...................... 89 Abbildung 14: Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er ................................... 92 Abbildung 15: Metapher „Wassersäule“ ......................................................... 92 Abbildung 16: Fachkompetenz ....................................................................... 96
14
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 17: Ressourcenentwicklung ........................................................ 103 Abbildung 18: Ressourcen-Ampli¿er: „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ (Wassersäulen) ...................................................................... 109 Abbildung 19: Ressourcen-Ampli¿er: „Tendenz zur Handlungsorientierung und Willenskraft“ (Schieberegler) .. 111 Abbildung 20: Ressourcen-Ampli¿er: „Verarbeitete Erfahrung“ (Wassersäule) ........................................................................ 114 Abbildung 21: Evaluation abhängig von Ressourcen und RessourcenAmpli¿ern.............................................................................. 119 Abbildung 22: Ressourcen-Ampli¿er als zentraler Teil der Vertrauensbasis 126 Abbildung 23: Vertrauensbasis und Führungselemente ................................ 128 Abbildung 24: Eskalation durch Fehleinschätzung....................................... 129 Abbildung 25: Liniendiagramm „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Fachkompetenz“....................................... 139 Abbildung 26: Liniendiagramm „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Soft Skills“ ............................................... 142 Abbildung 27: Liniendiagramm „Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz“ ................................................................... 147 Abbildung 28: Liniendiagramm „Ressourceneinschätzung: Soft Skills“ ............................................................................ 149 Abbildung 29: Das 5-Schritte-Verfahren....................................................... 152 Abbildung 30: Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Fachkompetenz und Soft Skills ............................................ 156 Abbildung 31: Ressourceneinschätzung Meier: Fachkompetenz und Soft Skills ............................................ 158 Abbildung 32: Ressourceneinschätzung Deponte: Fachkompetenz und Soft Skills ............................................ 160 Abbildung 33: Ressourceneinschätzung Kurz: Fachkompetenz und Soft Skills ............................................ 162
Abbildungsverzeichnis
15
Abbildung 34: Ressourceneinschätzung Schmidt: Fachkompetenz und Soft Skills ............................................ 164 Abbildung 35: Ressourceneinschätzung Langer: Fachkompetenz und Soft Skills ............................................ 166 Abbildung 36: Baukasten „Basisset und ressourcenspezi¿sche Führungselemente“ und deren Wirkung ............................... 171 Abbildung 37: Ressourcen, Ressourcen-Ampli¿er und deren Wirkung ........ 181 Abbildung 38: Geltungsbereiche von Normen ............................................. 196 Abbildung 39: Beispiel für den Einsatz von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling bei der Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit “................ 203 Abbildung 40: Delegation abhängig von der Ausprägung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er.................................. 207 Abbildung 41: Delegationsprozess ............................................................... 214 Abbildung 42: Matrixorganisation ................................................................ 218
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Reifegrad Mitarbeiter/-innen nach Hersey und Blanchard ......... 38
Tabelle 2:
Reifegrad Mitarbeiter/-innen und Indikatoren für persönliche Bereitschaft .............................................................. 40
Tabelle 3:
Reifegrad Mitarbeiter/-in und Führungsstil ................................ 45
Tabelle 4:
Übersicht der Kohlberg’schen Niveaus und Stufen .................. 104
Tabelle 5:
Arten der Evaluation ................................................................. 118
Tabelle 6:
Arten der Kontrolle ................................................................... 123
Tabelle 7:
Evaluation und Kontrolle im Zusammenhang mit Ressourcen-Ampli¿ern .............................................................. 124
Tabelle 8:
Bewertungstabelle „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Fachkompetenz“........................................... 138
Tabelle 9:
Bewertungstabelle „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Soft Skills“ ................................................... 141
Tabelle 10:
Bewertungstabelle „Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz“ ....................................................................... 146
Tabelle 11:
Bewertungstabelle „Ressourceneinschätzung: Soft Skills“ ...... 148
Tabelle 12:
Signalwirkung I von Settings, Ritualen und Symbolen ............ 175
Tabelle 13:
Signalwirkung II von Settings, Ritualen und Symbolen........... 176
Tabelle 14:
Charakteristika von Zielen – SMART ...................................... 183
Tabelle 15:
Zielvereinbarung – Überprüfungskriterien – Rahmenbedingungen................................................................. 186
Tabelle 16:
Persönliche SWOT-Analyse ..................................................... 191
Tabelle 17:
Persönliche SWOT-Analyse und Zukunftsperspektiven........... 193
Tabelle 18:
Lösungsorientierte Fragen ........................................................ 223
1
Einleitung / Motivation
1.1
Motivation und Bezug zum Thema sowie Einbettung in bestehende Ansätze
Viele Führungsmodelle wecken die Erwartung, mit einem zentralen Ansatz, wie beispielsweise „Führen mit Zielen“, allen Herausforderungen gewachsen zu sein und alle Situationen meistern zu können. Teilweise spielen in diesen Modellen die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen, die Mitarbeiter/-innen mitbringen, eine eher untergeordnete Rolle: der favorisierte Ansatz steht im Vordergrund. Andere gehen von idealtypischen Mitarbeiterpro¿len aus und entwickeln dazu passende Führungsstile. Solche Modelle sind einerseits gut greifbar, stoßen aber andererseits im praktischen Einsatz oft an Grenzen. Eine Weiterentwicklung stellt das Führungsmodell von Hersey und Blanchard dar. Sie gehen in ihrem Modell des „Situativen Führens“ zwar ebenfalls von idealtypischen Mitarbeiterpro¿len und dementsprechenden Führungsstilen aus, führen aber ein zusätzliches Element ein: die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen variieren je nach Aufgabe und Situation mit der sie konfrontiert werden. Abhängig davon verändert sich der adäquate Führungsstil. Ein weiteres Leitmotiv im Modell des „Situativen Führens“ ist das positive Menschenbild: Alle Mitarbeiter/-innen können ihre Voraussetzungen bei geeigneter Förderung entwickeln. Diese Grundgedanken machen das Modell Àexibel und kommen der Realität im Führungsalltag wesentlich näher. Daher haben wir uns entschlossen, dieses Modell als Ausgangsbasis zu wählen. Dennoch zeigen langjährige Erfahrungen im Alltag der Mitarbeiterführung, dass das Modell von Hersey und Blanchard noch etwas zu undifferenziert ist. Als Hilfestellung in der Praxis möchten wir es Àexibler und theoretisch fundierter gestalten. Darüber hinaus betrachten wir es als sinnvoll, systemische Betrachtungsweisen und eine Systematik hinsichtlich der Ressourcen und Ressourcenförderung als Bildungsprozess von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu integrieren. Die beruÀiche Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis von Führung einerseits und Counselling andererseits, motivierte uns, die vorliegende Abhandlung mit den oben genannten inhaltlichen Eckpfeilern zu erarbeiten und dabei das
20
Einleitung / Motivation
Know-how professioneller Beratung mit dem Anspruch einer gelingenden Führung zu verknüpfen. 1.2
Sinn und Ziel – Zielgruppe
Wir haben immer wieder festgestellt, dass die Grundhaltung einer Führungskraft die Art ihrer Führung entscheidend beeinÀusst. Für erfolgreiches Führen wäre eine solche Grundhaltung jene, die auch für das Counselling eine entscheidende Rolle spielt: Unterstützen statt gängeln und Akzeptanz des eigenen Weges der Mitarbeiter/-innen bei der Erreichung notwendiger Ziele. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen einige Balanceakte so bewältigt werden, dass immer wieder Gleichgewichte entstehen. Solche Balanceakte bewegen sich auf unterschiedlichen Dimensionen: Zunächst einmal gilt es innerhalb der alltäglichen Situationen ein Gleichgewicht des Systems zu schaffen. Dann geht es darum, alltägliche und potential bergende Situationen miteinander auszubalancieren und Win-win Situationen im Verhältnis Unternehmen/Organisation und Mitarbeiter/-innen herzustellen. Darüber hinaus sollte je nach Ressourcen von Mitarbeitern/-innen das dafür adäquate Führungsverhalten gewählt werden, in dem Elemente aus Führung und adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling sich die Waage halten. Da es sich um so viele Balanceakte handelt, nennen wir unser Führungsmodell „Equilibrium“, also Ausgeglichenheit, Gleichgewicht. Mit diesem Führungsmodell Equilibrium wollen wir all jene Führungskräfte unterstützen, die sich persönlich und fachlich weiterentwickeln und ihre Führungspraxis perfektionieren wollen. Aber auch junge und potentielle Führungskräfte, sowie interessierte Studierende soll diese Abhandlung ansprechen. Um dem nahezu allen Trägern und Institutionen Sozialer Arbeit immanenten sozialen Anspruch auf der Führungsebene gerecht zu werden (unter anderem ein wichtiger Faktor hinsichtlich der Corporate Identity), bietet sich das Modell für die Mitarbeiterführung in den Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit besonders an. Gerade in Zeiten der öffentlichen ReÀexion über Managerverhalten spielt aber zunehmend auch in technisch und ökonomisch geprägten Sektoren die Frage der Ethik (wieder) eine gewichtige Rolle und humanitäre Mitarbeiterführung gewinnt an Bedeutung. Daher kann diese Abhandlung wertvolle Hinweise und Hilfestellungen für eine gegenwärtige oder zukünftige Führungspraxis ebenso in diesen Bereichen geben.
Praxisrelevanz 1.3
21
Praxisrelevanz
Die von uns beschriebenen Führungselemente wurden in der Praxis bereits umgesetzt. Es zeigte sich dabei, dass hohe Ef¿zienz und humane Mitarbeiterführung durchaus miteinander vereinbar sind: Mitarbeiter/-innen, die ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ihnen eigenen Ressourcen, mit größtmöglicher Selbstbestimmung optimal in ihren Arbeitsprozess einbringen können, leisten viel und verfügen über einen hohen Grad an Zufriedenheit. Sie können sich in ihrer Arbeit weitestgehend verwirklichen, identi¿zieren sich mit ihrer Arbeit und haben daher ein hohes Motivationspotential. Im Verlauf der Entstehung dieser Abhandlung haben wir unser Führungsmodell wiederholt theoretisch reÀektiert, den Anforderungen aus der Praxis angeglichen und jeweils aktualisiert. Auf Grund der Veränderungsprozesse gesellschaftlicher Wirklichkeit, die sich ebenfalls auf den Alltag der Mitarbeiterführung auswirken, werden auch in Zukunft immer wieder Aktualisierungen erforderlich sein. Insofern freuen wir uns über Erfahrungsberichte und Anregungen aus der Leserschaft. 1.4
Rahmensetzung
Zunächst eine kurze einleitende Erläuterung des Aufbaus dieser Abhandlung. Sowohl zur Einbettung unseres Modells in die Fachdebatte um Führungsstile als auch um die Mechanismen von Führung verständlich zu machen und ein gewisses Maß an Grundlagenwissen zu vermitteln, werden wir in Kapitel 2 zunächst allgemein auf Führungsstile eingehen. Hierbei werden wir exemplarisch die klassischen Führungsstile von Kurt Lewin, nämlich den „autokratischen“, den „demokratischen“ und den „laissez-faire“ Führungsstil erläutern. Kurz anreißen werden wir auch das Führungskontinuum von Tannenbaum/Schmidt, den Verhaltensgitter-Ansatz von Blake/Mouton und das 3D-Führungsmodell von Reddin. Kapitel 3 befasst sich dann eingehender mit dem Modell des „Situativen Führens“ von Hersey und Blanchard als Grundlage für das Verständnis unseres Führungsmodells Equilibrium. Im Modell von Hersey und Blanchard - welches sich von der Grundidee leiten lässt, dass Mitarbeiter/-innen ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können und wollen - geht es darum, dass jedem Reifegrad eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin ein bestimmter Führungsstil zugeordnet wird.
22
Einleitung / Motivation
Diese Reifegrade werden – und das ist bei diesem Modell das entscheidende – auf bestimmte Aufgabenstellungen/Situationen bezogen. Ziel ist es, durch den optimalen Einsatz von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und die Förderung ihrer Potentiale (Ressourcen) die bestmöglichen Ergebnisse für das entsprechende Unternehmen/die entsprechende Organisation zu erzielen. Darauf aufbauend entwickeln wir in Kapitel 4, das Modell von Hersey und Blanchard modi¿zierend, unser Modell Equilibrium. Auch für uns bilden die Mitarbeiterpotentiale, wie bei Hersey und Blanchard, den zentralen Ansatzpunkt geeigneter Führung. In unserem Modell geben wir aber – anders als dies Hersey und Blanchard tun – der Führungskraft keine fertigen Führungsstile an die Hand, sondern bieten einen Bau- und Werkzeugkasten an, der es ihr ermöglicht, entsprechende Führungselemente für verschiedenste Situationen und Zielsetzungen zusammenstellen zu können. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Führungsverhalten. Des Weiteren strukturieren und systematisieren wir Mitarbeiterpotentiale. Wir unterscheiden: • Ressourcen-Ampli¿er als grundlegende Multiplikatoren bestehender Potentiale und • Ressourcen, nämlich „Professional Competence“ und „Soft Skills“. Das gibt uns die Möglichkeit, auf den etwas schwammigen und teilweise entmündigend wirkenden Begriff des „Reifegrades“ im Führungsmodell des „Situativen Führens“ verzichten zu können. In Kapitel 5 erläutern wir, dass es für eine gute Führung wichtig ist, die Wirklichkeit nicht in einem linearen Ursachen-Wirkungsmodell zu verstehen, sondern Ursache und Wirkung in ihrer jeweiligen Wechselbeziehung zu reÀektieren. Grundsätzlich gehen wir dabei davon aus, dass ein System aus verschiedenen Elementen besteht die in Beziehung zueinander stehen und sich wechselseitig beeinÀussen. So ist zum Beispiel ein Referat oder eine Abteilung ein soziales System das wiederum ein Element des übergeordneten Systems der gesamten Organisation oder des gesamten Unternehmens bildet. Die wechselseitige BeeinÀussung geschieht unter anderem durch die Kommunikation der Mitarbeiter/-innen untereinander. Neben dem kommunikativen Aspekt ist für uns auch noch die Funktion der einzelnen Elemente für ein System wie etwa Ziele, Aufgaben oder Leistungen wichtig. Dabei ist für uns die Stabilität gefährdende Disfunktionalität nicht unbedingt nur negativ zu sehen, sondern als Potential bergende Situation. Daneben vertreten wir auch die Auffassung, dass im Mittelpunkt von sozialen
Rahmensetzung
23
Systemen - wie dies Unternehmen/Organisationen sind – der Mensch steht. Daraus folgt für uns, dass nicht jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin problemlos ersetzbar ist, indem eine andere Person seine/ihre Funktion erfüllt. Um der Gefahr des Misslingens von Führung vorzubeugen, geben wir in diesem Zusammenhang einen Einblick in mögliche Umgangsweisen mit komplexen Systemen. Im 6.Kapitel machen wir mit den Grundlagen unseres Führungsmodells vertraut. Wir arbeiten zunächst die Kernaufgaben einer Führungskraft heraus, widmen uns dann den sozialen Systemen im betrieblichen Umfeld und beschreiben Führungsalltag in seinem Spannungsverhältnis zwischen Gleichgewichtszuständen „alltäglicher Situationen“ und „Potential bergender Situationen“, in denen das System Veränderungen unterliegt. Dann erläutern wir Führungsverhalten, Führungselemente und Ressourcen. Dazu gehen wir in einem ersten Schritt auf den „Baukasten Führungselemente“ sowie dessen Nutzung ein. Im Anschluss daran erörtern wir die Möglichkeit professionelle Methoden aus dem Counselling für die Führung zu adaptieren. Dazu gehört in erster Linie der lösungsorientierte Ansatz als Kernmethode aus dem Counselling. Desweiteren gehen wir auf die Anforderungen an die Führungskraft beim Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling, ihre Rolle im mittleren Management und die Wirkung der Integration adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling auf das Führungsverhalten ein. Das Kapitel 7 dient dazu, Mitarbeiterpotentiale zu systematisieren. Professional Competence (Fachkompetenz), Soft Skills und Ressourcen-Ampli¿er werden differenziert. Zur Einschätzung der Ressourcen differenzieren wir in „aktuelle Situation“, „Potential“ und „Grenzen“. Dies beziehen wir auf Fachkompetenz und Soft Skills. Kapitel 8 beinhaltet einen der zentralen Eckpfeiler unseres Führungsmodells: die Ressourcen-Ampli¿er. Zu deren Entwicklung greifen wir auf das theoretische Modell des Entwicklungspsychologen Lawrence Kohlberg zurück: Wir leiten daraus folgende Ressourcen-Ampli¿er ab: • „Zuverlässigkeit“ • „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“.
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Einleitung / Motivation
Des Weiteren beziehen wir uns auf den Motivationspsychologen Heinz Heckhausen mit seiner Attributionstheorie. Daraus ergibt sich der Ressourcen-Ampli¿er. • „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“. Im Kapitel 9 beschäftigen wir uns mit Steuerung und Vertrauen. Zunächst widmen wir uns der Steuerung als Führungsaufgabe und gehen dabei auf die Steuerungs- und Regelungssysteme in Organisationen/Unternehmen ein. Wir arbeiten anschließend heraus, dass die Ressourcen-Ampli¿er „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ sowie „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ Kernstücke der Vertrauensbasis zwischen Mitarbeiter/-in und Führungskraft bilden. Wesentliche theoretische Basis bezüglich des Vertrauens bildet der strukturtheoretische Ansatz Anthony Giddens den Dirk Ulrich Gilberts für die Untersuchung von Vertrauen in strategischen Unternehmensnetzwerken aufgreift. Bezüglich Evaluation und Kontrolle ist für uns das Spannungsverhältnis von Ergebnis- und Prozessorientiertheit von besonderer Relevanz, wobei Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er entscheidend dafür sind, ob eher ergebnisorientiert oder prozessorientiert evaluiert und kontrolliert wird. Mit Kapitel 10 beginnen wir mit der Ausführung der Führungselemente: Einsatz und Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen der Mitarbeiter/-innen steht im Vordergrund dieses Kapitels. Zunächst nehmen wir „Gerichtete Wahrnehmung und Einschätzung der Ressourcen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“ genauer unter die Lupe. Danach erörtern wir das sogenannte 5-Schritte-Verfahren, das aus Klärung der Aufgabe/Situation, der Entwicklung eines Aufgaben- und Situationsbezogenem Ressourcenpro¿ls, der Ressourceneinschätzung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, der Gegenüberstellung von Aufgaben- und Situationsbezogenem Ressourcenpro¿l und Ressourceneinschätzung, der Beleuchtung der Einsetzbarkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und deren Motivation besteht und erläutern es an einem anschaulichen Beispiel aus der Praxis Sozialer Arbeit. Innerhalb des Kapitels 11 erweitern wir den Fundus der Führungselemente mit einem Basisset grundlegender Führungselemente und gehen dann detaillierter auf die Förderung von Fachkompetenz und Soft Skills ein. Abschließend widmen wir uns im 12.Kapitel der Weiterentwicklung der für uns zentralen Ressourcen-Ampli¿er. Dafür ist es vorteilhaft, dass die Führungskraft weitgehend professionelle Methoden aus dem Counselling adaptiert.
Rahmensetzung
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Der Ressourcen-Ampli¿er „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ wird durch Zielvereinbarung, Pro-aktives Handeln, persönliche SWOTAnalyse zur basalen Standortbestimmung, Motivation zur ReÀexion und der Präsentation von Arbeitsergebnissen und Vorgehensweisen gefördert. Angesprochen werden dabei unter anderem die Rolle von Feedbackgesprächen, die Fähigkeit zu konstruktiver Kritik, die Entwicklung zielgerichteter Fragestellungen, die Analyse persönlicher Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Gefahren sowie die Erweiterung der eigenen Perspektiven. Zur Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Zuverlässigkeit“ gehen wir zunächst auf die Bekanntmachung und Erläuterung von Normen ein. Wir geben Hilfestellungen für einen Einarbeitungsplan für neue Mitarbeiter/-innen, für Gespräche zur Klärung von Normen und arbeiten die Vorbildfunktion der Führungskraft heraus. In diesem Zusammenhang geben wir Anregungen dazu, wie sich die Führungskraft bei ablehnender Haltung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – wenn beispielsweise ein WertekonÀikt vorliegt - verhalten kann. Die Weiterentwicklung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ erfordert in besonderer Weise den Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling. Es geht darum, in einem ersten Schritt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Grundwissen und Methodenkompetenz als geeignetes Handwerkzeug auszustatten. In einem zweiten Schritt gilt es den Umgang mit Verantwortung zu vermitteln. Problematisiert werden dabei unter anderem eigene Werte, Unternehmens-/Organisationsethik, Führungsleitlinien, Unternehmens-/Organisationskultur. Im Weiteren gehen wir auf die Möglichkeiten ein, Mitarbeiter/-innen an Verantwortung heranzuführen und schrittweise ihren Handlungsspielraum zu erweitern. Hier steht neben Situationen, wie zielgruppengerechte Präsentationen, Besprechungen, Hospitation (Gastaufenthalt) und Projektarbeit, in denen Mitarbeiter/-innen die Möglichkeit erhalten eigenständig zu handeln, die Delegation im Zentrum der Betrachtungen. Um den eigenen Standpunkt und bestehende Chancen zu erkennen ist für den Mitarbeiter und die Mitarbeiterin auch hier die persönliche SWOT-Analyse, mit entsprechend zielführenden Fragestellungen zur erweiterten Standortbestimmung, hilfreich. Basis der erfolgreichen Adaption professioneller Methoden aus dem Counselling ist lösungsorientiertes Vorgehen in Verbindung mit der Schaffung von Freiräumen für Mitarbeiter/-innen. Methoden wie Perspektivenwechsel, lösungsorientierte Fragen, Anregung der Eigeninitiative von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und das Führen über Ziele unterstützen dabei. In diesem Zusammenhang möchten wir ebenfalls auf die Themen Verbesserungsvor-
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Einleitung / Motivation
schlagswesen und Fehlerkultur soweit sie für unsere Betrachtungen notwendig sind eingehen. Mitarbeiter/-innen müssen Erfahrungen geeignet reÀektieren, damit sie als Ressourcen-Ampli¿er wirken können. Dabei kann sie die Führungskraft mit entsprechenden Führungselementen unterstützen. Wir gehen zunächst ausführlicher auf die ReÀexion von Erinnerung und Entwurf, von Wahrnehmung und Wirklichkeitsverarbeitung und des betrieblichen Alltags ein, um uns dann den weiteren Führungselementen zuzuwenden. An erster Stelle steht hier das aufwertende Fragen, um damit die Erfahrung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in verschiedensten Aufgaben und Situationen zum Einsatz bringen zu können. Situationen wie die fachlich kompetente Beratung der Führungskraft, Erfahrungsaustausch mit Kollegen/Kolleginnen, die Mentorenfunktion für neue Mitarbeiter/-innen, entsprechendes Teambuilding, Teilnahme am Vieraugenprinzip, Hospitation und Projektarbeit bieten sich hier an. Im Kapitel 13 resümieren wir diese Abhandlung.
2
Führungsstile
Heute ¿ndet man in der einschlägigen Managementliteratur eine große Anzahl von Führungsstil Konzepten. Viele gehen auf die Arbeiten von Kurt Lewin, Ralph K. White und Ronald Lippitt zur Wirkung des Führungsstils auf die Gruppenatmosphäre zurück (vgl. Lück, H. 2001: 98–99). Flexibler sind Ansätze, die Führung differenzierter bezogen auf Mitarbeiter/innen und Aufgaben oder Situationen sehen. In diesem Bereich ist vor allem das Modell des „Situativen Führens“ von Hersey und Blanchard (vgl. Hersey P.; Blanchard, K. H.; Johnson, D. E. 2001) zu nennen. Für die Praxis wurden und werden Ansätze aus diesen Konzepten populärer und plakativer in „Management by …“ Führungsstilen zusammengefasst und beschrieben. Hier nur eine kleine Auswahl: • • • • • •
Management by Exception Management by Delegation Management by Objectives Management by “walking around” Management by Decision Rules Management by Results
Die Führungskraft muss aus diesem Angebot für sich eine Wahl treffen, die konform mit den Führungsleitlinien des Unternehmens/der Organisation ist. Die Frage „welcher Führungsstil ist für mich (meine Persönlichkeit), für die Situation in der ich mich be¿nde, für die Mitarbeiter/-innen die ich führen muss, der richtige?“ stellt sich immer wieder. Oder gibt es „den Führungsstil“ gar nicht? Ist der richtige Führungsstil eine Mischung aus allen Konzepten? Auf diese Fragen möchten wir mit unserem Führungsmodell Equilibrium Antworten geben. Zum weiteren Verständnis werden wir in diesem Kapitel einen kurzen Abriss der klassischen Führungsstile von Kurt Lewin, des Führungskontinuums von Tannenbaum/Schmidt, des Verhaltensgitter-Ansatz von Blake/Mouton und des 3-D-Führungsmodell von Reddin geben. Ausführlicher werden wir uns im nächsten Kapitel mit dem Modell des „Situativen Führens“ von Hersey und Blanchard befassen, da wir es von den Grundzügen her und durch langjährige eigene Er-
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Führungsstile
probung für das universellste und allen Führungssituationen angemessenste und damit brauchbarste halten. Aufgrund der langen Erfahrung mit diesem Modell haben wir es als Ausgangsbasis für die Entwicklung unseres Führungsmodells herangezogen. 2.1
Kurzer Abriss über die klassischen Führungsstile von Kurt Lewin
Kurt Lewin (1890–1947) wird zu den bedeutendsten Psychologen dieses Jahrhunderts gezählt. Er war in den 20er Jahren am Psychologischen Institut der Universität Berlin tätig, wo er Seminare und Vorlesungen in Psychologie und Philosophie hielt. 1933 verließ er Deutschland, siedelte in die USA über und wurde später amerikanischer Staatsbürger. Kurt Lewin arbeitete ab 1935, an der Universität von Iowa. 1944 gründete er das Forschungsinstitut für Gruppendynamik am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) (vgl. Lück, H. 2001: 13–19). Lewins Studien befassen sich mit dem EinÀuss verschiedener Arten von Führungsverhalten auf Gruppenstrukturen und das Verhalten von Gruppenmitgliedern (vgl. Lewin, K; Lippitt, R; White,R. 1939: 271–299), wobei drei Führungsstile untersucht wurden: • Autokratisch „….lagen alle Entscheidungen beim Führer. Er bestimmte jeweils den unmittelbar anstehenden Arbeitsgang; er legte fest, wer mit wem wie zusammenarbeiten sollte; er lobte und kritisierte die einzelnen Gruppenmitglieder, ohne dafür Gründe zu nennen. Insgesamt hielt er sich von der Gruppe fern. Sein Verhalten war unpersönlich“ (vgl. Lück, H. 2001: 99). • Demokratisch „….wurden Entscheidungen von der Gruppe gefällt, unter Anregung und Betreuung des Führers. War Rat gefordert, nannte der Führer gewöhnlich verschiedene Lösungswege. Die Mitglieder konnten frei wählen, mit wem sie zusammenarbeiten wollten. Der Führer versuchte, Gruppenmitglied zu sein, arbeitete jedoch kaum aktiv mit. Er äußerte objektives Lob und objektive Kritik.“ (vgl. Lück, H. 2001: 99). • Laissez-faire „…. hielt sich der Führer vom Gruppengeschehen völlig fern. Er stellte das Arbeitsmaterial zur Verfügung, sagte, dass er für Informationen zur Verfügung stehe und gab auch nur auf Anfrage Rat.“(vgl. Lück, H. 2001: 100).
Kurzer Abriss über die klassischen Führungsstile von Kurt Lewin
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Aus diesen Führungsstilen haben sich im Laufe der Zeit weitere Modelle entwickelt, die aufgabenorientierte und beziehungsorientierte Schwerpunkte setzen. Im Folgenden werden wir die Charakteristika der drei „Klassiker“ bezogen auf Führung in Unternehmen/Organisationen (vgl. Wellhöfer, P. R. 2004: 171–172) darstellen und ihre Vor- und Nachteile anreißen. Der autokratische Führungsstil Er ist charakterisiert durch seinen direktiven Ansatz. Die Führungskraft de¿niert was zu tun ist und entscheidet alleine. Sie trägt die gesamte Verantwortung. Die Mitarbeiter/-innen führen die vorgegebenen Maßnahmen aus und tragen keine Eigenverantwortung. Daher muss eine permanente Kontrolle durch die Führungskraft erfolgen. Das heißt, die gesamte Initiative geht von der Führungskraft aus und ist auf sie zentriert. Die Kommunikationsform ist der Monolog und die Anweisung, ohne die Möglichkeit einer Diskussion zwischen Mitarbeiter/-innen und Führungskraft. Vorteile des autokratischen Führungsstils • Es herrscht Klarheit in der Frage der Entscheidungsgewalt und Entscheidungen werden schnell und zeitnah getroffen. • Die Führungskraft hat einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Arbeiten und damit eine gute Kontrolle. • Feste Regeln und das Wissen welche Aufgaben zu erfüllen sind geben Sicherheit für die Mitarbeiter/-innen. • Mit diesem Führungsstil kann man eine hohe Produktivität bei Routinetätigkeiten erreichen. Nachteile des autokratischen Führungsstils • Das Verhältnis Mitarbeiter/-in – Führungskraft ist eher distanziert. • Das Risiko von Fehlentscheidungen steigt, da alles auf eine Person konzentriert ist. • Die Kreativität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kann sich nicht entfalten. Es ¿ndet keine Weiterentwicklung von Talenten statt. • Mitarbeiter/-innen bleiben oder werden unselbstständig. • Die Kritikfähigkeit der Mitarbeiter/-innen wird unterdrückt.
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Führungsstile
• Die Interessen der Mitarbeiter/-innen werden nicht berücksichtigt. • Die Motivation der Mitarbeiter/-innen sinkt und sie werden im Laufe der Zeit unzufrieden. • Ist die Führungskraft nicht anwesend, können die Mitarbeiter/-innen nicht weiterarbeiten. Der demokratische Führungsstil Er ist charakterisiert durch seinen teamorientierten Ansatz. Die Führungskraft bezieht die Mitarbeiter/-innen in ihre Entscheidungen mit ein und delegiert sowohl Aufgaben als auch damit verbundene Entscheidungen. Die Mitarbeiter/innen übernehmen für ihre Aufgaben und Entscheidungen die Verantwortung. Die Kontrolle durch die Führungskraft nimmt ab wodurch die Eigenkontrolle der Mitarbeiter/-innen wächst. Das heißt, die Initiative geht nicht mehr nur alleine von der Führungskraft aus und ist nicht mehr nur auf sie zentriert. Das Team steht im Mittelpunkt, die Kommunikationsform ist der Dialog, Feedback ¿ndet laufend, sowohl von der Führungskraft als auch von der Gruppe statt. Die Atmosphäre in der Gruppe ist von gegenseitigem Respekt geprägt. Vorteile des demokratischen Führungsstils • Das Verhältnis Mitarbeiter/-in – Führungskraft ist von Vertrauen geprägt. • Das Risiko von Fehlentscheidungen sinkt, da mehrere Personen beteiligt sind und ihre Meinungen und Einschätzungen einbringen. • Die Mitarbeiter/-innen haben ein besseres Verständnis für Zusammenhänge und werden selbstständiger. • Die Kreativität der Mitarbeiter/-innen kommt zur Geltung. Talente können sich weiterentwickeln. • Die Mitarbeiter/-innen haben Meinungsfreiheit und ihre Kritikfähigkeit wird gefördert. • Die Interessen der Mitarbeiter/-innen werden berücksichtigt. Damit steigt Motivation und Zufriedenheit. • Die Führungskraft hat dennoch einen guten Überblick und eine gute Kontrolle über den aktuellen Stand der Arbeiten, wenn auch nicht mehr im Detail.
Kurzer Abriss über die klassischen Führungsstile von Kurt Lewin
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Nachteile des demokratischen Führungsstils • Die Entscheidungsprozesse werden langsamer, da mehrere Personen beteiligt sind. • Unter Umständen erreicht man ein suboptimales Ergebnis, da Expertenmeinungen nicht immer dominant sein werden. • Bei Routinetätigkeiten sinkt die Produktivität. • Bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit wenig Selbstdisziplin können Arbeiten lange dauern, da die permanente Kontrolle fehlt. • Es besteht die Gefahr, dass die Arbeit in eine Richtung geht, die nicht den Zielen entspricht. Es sind dann Korrekturen notwendig, die sich eventuell auf Terminvorstellungen und/oder Qualität auswirken können. Der laissez-faire Führungsstil Er ist charakterisiert durch seinen vollkommen liberalen Ansatz. Die Führungskraft überträgt Aufgaben und die damit verbundenen Entscheidungen an die Mitarbeiter/-innen. Sie haben volle Freiheit und übernehmen für ihre Aufgaben und Entscheidungen die Verantwortung. Es ¿ndet keine Kontrolle mehr durch die Führungskraft statt, die Mitarbeiter/-innen haben die volle Eigenkontrolle. Das heißt, die Initiative geht von jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder einzelnen Mitarbeiterin aus, nicht vom Team. Die Kommunikationsform ist das Selbstgespräch der Gruppe, mit der Führungskraft ¿ndet kein Dialog mehr statt. Die Führungskraft selbst zeigt nur geringe Anteilnahme, ein Feedback fehlt vollkommen. Vorteile des laissez-faire Führungsstils • Die Führungskraft benötigt kaum Zeit für die Führung. Nachteile des laissez-faire Führungsstils • Das Verhältnis Mitarbeiter/-in – Führungskraft ist unpersönlich. • Das Risiko von Fehlentscheidungen steigt, da strategische Ziele oft nur der Führungskraft bekannt sind. • Die Frage nach Verantwortung und Entscheidungskompetenz ist oft ungeklärt.
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Führungsstile
• Unter Umständen entsteht in der Gruppe eine „Kampf“-Atmosphäre und die Schwächeren bleiben auf der Strecke. In vielen Fällen gibt es in der Gruppe kein „Wir-Gefühl“ und damit auch kein Hinarbeiten auf gemeinsame Ziele. • Es gibt keine Motivation Ideen einzubringen, da es kein Feedback von der Führungskraft gibt. • Das Risiko für eine Aufspaltung der Gruppe ist hoch. Ein Gruppenmitglied entwickelt sich oft zum Leiter/zur Leiterin oder es bilden sich Untergruppen. • Die Führungskraft hat keinen Überblick und keine Kontrolle über den aktuellen Stand der Arbeiten. 2.2
Weitere Führungsstile
Neben den klassischen Führungsstilen nach Kurt Lewin ¿nden in diesem Zusammenhang immer wieder Erwähnung: • das Führungskontinuum von Tannenbaum/Schmidt (vgl. Holtbrügge D. 2007: 196–197) Hier steht die Entscheidungs¿ndung im Zentrum. Sie ist abhängig von den Charakteristika der Führungskraft, der Mitarbeiter/-innen und der Situation und reicht von autoritär durch die Führungskraft bis delegativ, das heißt, autonom durch die Mitarbeiter/-innen. Holtbrügge: „Während etwa bei schlecht strukturierten Entscheidungen, einer hohen fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter und einem optimistischen Menschenbild der Führungskraft ein hoher Grad an Entscheidungspartizipation vorteilhaft ist, weist bei einem hohen Zeitdruck, gering quali¿zierten Mitarbeitern und einem pessimistischen Menschenbild der Führungskraft ein geringer Partizipationsgrad eine höhere Ef¿zienz auf.“ (vgl. Holtbrügge D. 2007: 196). • der Verhaltensgitter-Ansatz von Blake/Mouton (vgl. Holtbrügge D. 2007: 204–205) Dieser Ansatz ist von zwei Dimensionen geprägt: der Sach- und der Menschenorientierung. Sie werden in ein zweidimensionales Koordinatensystem eingeordnet.
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Weitere Führungsstile
Menschenorientierung
hoch
niedrig
1-9 Führungsstil „GlacéhandschuhManagement“
9-9 Führungsstil „TeamManagement“
5-5 Führungsstil „OrganisationsManagement“
1-1 Führungsstil „ÜberlebensManagement“
9-1 Führungsstil „Befehl-GehorsamManagement“
niedrig Sachorientierung Abbildung 1:
hoch
Verhaltensgitter-Ansatz Blake/Mouton (eigene Darstellung nach Holtbrügge D. 2007: 205)
Blake und Mouton halten nur den 9-9 Führungsstil für erfolgreich, die anderen kategorisieren sie als pessimistisch (9-1 Führungsstil), unpraktisch (5-5 Führungsstil), idealistisch (1-9 Führungsstil) und unmöglich (1-1 Führungsstil). Situative EinÀussfaktoren sind im Verhaltensgitteransatz zweitrangig. • das 3-D-Führungsmodell von Reddin (vgl. Steinle K. 2005: 648) Dieses Modell nimmt den Verhaltensgitter-Ansatz von Blake und Mouton als Grundlage. Jedoch de¿niert Reddin keinen einzigen richtigen Führungsstil, sondern die Situation bestimmt welcher Führungsstil aus den fünf bei Blake/ Mouton de¿nierten der wahrscheinlich erfolgreichste sein wird. Wir möchten hier nicht näher auf diese und andere Modelle eingehen, bei weitergehendem Interesse verweisen wir auf die einschlägige Literatur, wie etwa Steinle K. 2005: Ganzheitliches Management oder Holtbrügge D. 2007: Personalmanagement.
3
„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard
Bei unserer Erläuterung des Modells beziehen wir uns auf Hersey, P.; Blanchard, K. H.; Johnson, D. E. 2001: Management of Organizational Behavior. Paul Hersey ist Chairman of the Board und Professor für “Organizational Behavior and Management” an der California American University, Graduate School of Applied Behavioral Sciences. Er rief Mitte der 60er Jahre das Center for Leadership in Escondido, Kalifornien ins Leben. Kenneth H. Blanchard gründete 1979 zusammen mit seiner Frau „The Ken Blanchard Company“, ein Management Beratungsunternehmen in San Diego, Kalifornien (vgl. ebd.: XXIII– XXIV). Paul Hersey und Kenneth H. Blanchard haben das Modell Anfang der 60er Jahre entwickelt und 1969 in ihrem Buch „Management of Organizational Behavior“ publiziert, das etliche Übersetzungen und NeuauÀagen erfahren hat (vgl. ebd.: 172, 472). Das Führungsmodell des „Situativen Führens“ (im Original: Situational Leadership®) geht im Wesentlichen von zwei Komponenten aus: dem sogenannten Reifegrad der Mitarbeiter/-innen und dem dazu passenden Führungsstil. Wobei Hersey und Blanchard Führungsstil als „das Verhalten der Führungskraft wie es von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen empfunden wird“ de¿nieren (vgl. ebd.: 173). Die Grundidee des Modells ist, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin bestimmte Fähigkeiten besitzt und diese auch weiterentwickeln kann und will. Diese Fähigkeiten liegen zum einen im Bereich der fachlichen Anforderungen, zum anderen in den persönlichen Stärken und Schwächen. Beide Aspekte fassen Hersey und Blanchard unter dem Begriff des Reifegrads zusammen. Jedem Reifegrad wird ein bestimmter Führungsstil zugeordnet. Mitarbeiter/-innen haben nicht generell immer und überall den gleichen Reifegrad, vielmehr können sie bezogen auf verschiedene Aufgabenstellungen/Situationen verschiedene Reifegrade besitzen. Entsprechend muss die Führungskraft dann jeweils den adäquaten Führungsstil einsetzen (vgl. ebd.: 173–174). Das Modell des „Situativen Führens“ verlangt von der Führungskraft eine neue Qualität des Führungsverhaltens. Sie muss zum einen sicher erkennen können welchen Reifegrad ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin bezogen auf eine
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„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard
Aufgabe/Situation hat, zum anderen muss sie alle Führungsstile beherrschen (vgl. ebd.: 171). Ziel des Modells ist, dass das Potential der Mitarbeiter/-innen optimal zur Geltung kommt und weiterentwickelt wird. Damit kann für das Unternehmen/ die Organisation ein optimales Ergebnis erzielt werden. Gleichzeitig führt es für die Mitarbeiter/-innen zu einem Höchstmaß an persönlichem Engagement und Motivation. Das Modell unterscheidet vier Reifegrade und die dazu gehörigen Führungsstile. Anhand des Reifegrades des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin wählt die Führungskraft den geeigneten Führungsstil. Letzterer kann durch die Charakteristika Aufgabenorientierung und Beziehungsorientierung beschrieben werden.
Beziehungsorientiertes Führungsverhalten
stark
gering
Führungsstil: Selling (Überzeugen)
Führungsstil: Participating (Partizipieren)
Reifegrad Mitarbeiter/-in: Gering bis Mittel
Reifegrad Mitarbeiter/-in: Mittel bis Hoch
2
3
4
1 Führungsstil: Telling (Unterweisen)
Führungsstil: Delegating (Delegieren)
Reifegrad Mitarbeiter/-in: Gering
Reifegrad Mitarbeiter/-in: Hoch
stark
Abbildung 2:
Aufgabenbezogenes Führungsverhalten
Modell des „Situativen Führen“ (modi¿zierte eigene Darstellung nach Hersey und Blanchard 2001: 182)
gering
Reifegrade der Mitarbeiter/-innen 3.1
37
Reifegrade der Mitarbeiter/-innen
Wie schon kurz angerissen, ist die Grundidee des Modells des „Situativen Führens“, dass jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin ein Reifegrad zugeordnet wird, der dann in der Folge einen bestimmten Führungsstil verlangt. Diese Zuordnung wird nicht allgemein für einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin durchgeführt, sondern immer bezogen auf die vorliegende Aufgabe, also situativ. Der Reifegrad bei Hersey und Blanchard ist keine persönliche Charaktereigenschaft, kein Merkmal der Person an sich, sondern drückt die Befähigung eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin für die Erledigung einer vorliegenden spezi¿schen Aufgabe aus. So können ein und dieselben Mitarbeiter/-innen je nach Aufgabe und Situation verschiedene Reifegrade besitzen (vgl. ebd.: 175–176). Hersey und Blanchard unterscheiden vier Reifegrade, die sie in die Aspekte „fachliche Fähigkeiten“ und „persönliche Bereitschaft“ unterteilen (vgl. ebd.: 177–178). „Fachliche Fähigkeiten“ beschreiben die Reife bezogen auf die Aufgabe selbst. Dazu gehören unter anderem Ausbildung, Fachwissen, Fertigkeit und relevante Erfahrung. „Persönliche Bereitschaft“ wird bei Hersey und Blanchard durch Faktoren wie Selbstvertrauen, Motivation und innere VerpÀichtung eine Aufgabe zu übernehmen, bestimmt (vgl. ebd.: 176–177). In der folgenden Tabelle sind die Reifegrade kurz beschrieben. Zur Klarheit der beiden angesprochen Aspekte wurden diese auch einzeln dargestellt (vgl. ebd.: 177–178).
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„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard
Reifegrad Mitarbeiter/-in
Erläuterung
Gering Reifegrad 1
Dem Mitarbeiter/der Mitar- Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ist beiterin fehlen notwendige unsicher (fehlendes Selbstvertrauen) Kenntnisse und Fähigkeiten. oder will nicht (hat weder Motivation noch innere VerpÀichtung).
Fachliche Fähigkeiten
Persönliche Bereitschaft
Gering bis Mittel Dem Mitarbeiter/der Mitar- Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ist Reifegrad 2 beiterin fehlen notwendige motiviert und versucht die Aufgabe Kenntnisse und Fähigkeiten. zu erledigen oder ist sicher solange die Führungskraft ihn/sie anleitet. Mittel bis Hoch Reifegrad 3
Der Mitarbeiter/die MitarDer Mitarbeiter/die Mitarbeiterin beiterin hat die notwendigen ist trotzdem unsicher die Aufgabe Kenntnisse und Fähigkeiten. alleine erledigen zu können oder will nicht.
Hoch Reifegrad 4
Der Mitarbeiter/die MitarDer Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ist beiterin hat die notwendigen motiviert, hat die innere VerpÀichKenntnisse und Fähigkeiten. tung die Aufgabe zu erledigen oder hat Vertrauen in seine/ihre Fähigkeiten.
Tabelle 1:
Reifegrad Mitarbeiter/-innen nach Hersey und Blanchard
Indikatoren für den Reifegrad bei Hersey und Blanchard 3.2
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Indikatoren für den Reifegrad bei Hersey und Blanchard
Bei der Bewertung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist nach Hersey und Blanchard generell zu beachten, dass sich die fachlichen Fähigkeiten einer Person nicht „sprunghaft“ von einem Augenblick zum anderen ändern werden. Die persönliche Bereitschaft kann sich jedoch sehr wohl, je nach Situation sprunghaft ändern. Zur Einordnung der persönlichen Bereitschaft eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin hat Rod Campbell vom Center of Leadership Studies bestimmte Verhaltensweisen, die den Reifegraden zugeordnet werden können, de¿niert (vgl. ebd.: 178–181). Da es sehr wichtig ist, unterscheiden zu können ob Mitarbeiter/-innen eine Aufgabe nicht erledigen wollen, oder ob sie unsicher sind sie bewältigen zu können, werden für die beiden Alternativen getrennte Indikatoren (Verhaltensweisen) de¿niert. Im Folgenden möchten wir einen kurzen Abriss über die von Campbell de¿nierten Verhaltensweisen und ihre Zuordnung zu Reifegraden geben. Reifegrad Mitarbeiter/-in
Persönliche Bereitschaft „Nicht Wollen“
Unsicherheit – mangelndes Selbstvertrauen
Gering Reifegrad 1
Verhalten des Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin ist defensiv. Er/sie beschwert und beklagt sich. Er/sie verzögert, verschleppt die Fertigstellung der Aufgabe. Er/sie tut nur genau das, was man ihm/ihr sagt. Er/sie strahlt starke Frustration aus.
Körpersprache des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin drückt Unbehagen aus: gerunzelte Augenbrauen, hängende Schultern, zurücklehnende Haltung. Er/sie zeigt ein unklares Verhalten. Er/sie äußert Bedenken über mögliche Ergebnisse. Er/sie hat Angst vor Fehlern.
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„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard
Reifegrad Mitarbeiter/-in
Persönliche Bereitschaft „Nicht Wollen“
Gering bis Mittel Reifegrad 2
Mittel bis Hoch Reifegrad 3
Hoch Reifegrad 4
Tabelle 2:
Unsicherheit – mangelndes Selbstvertrauen Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin redet schnell und eindringlich. Er/sie sucht Klärung. In Diskussionen nickt er/sie zustimmend mit dem Kopf; macht „ja, ich weiß“ Kommentare, erscheint eifrig. Er/sie hört sorgfältig zu. Er/sie beantwortet Fragen oberÀächlich. Er/sie nimmt Aufgaben bereitwillig an. Er/sie agiert schnell. Er/sie ist mehr mit dem endgültigen Ergebnis beschäftigt als mit Zwischenschritten.
Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ist unschlüssig oder widerstrebend. Er/sie fühlt sich zu sehr in die PÀicht genommen und ist überarbeitet. Er/sie sucht Verstärkung. Er/sie macht den Eindruck mit der Übertragung der Aufgabe irgendwie bestraft zu sein.
Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin hinterfragt sein/ihr eigenes Können. Er/sie konzentriert sich auf mögliche Probleme. Er/sie zeigt fehlendes Selbstvertrauen. Er/sie ermutigt die Führungskraft involviert zu bleiben.
Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin hält die Führungskraft über den Fortschritt der Aufgabe informiert. Er/sie setzt Ressourcen ef¿zient ein. Er/sie fühlt sich verantwortlich und ist ergebnisorientiert. Er/sie übernimmt die komplette Verantwortung. Er/sie ist gut informiert und verfügt über gute Kenntnisse. Er/sie gibt Informationen weiter. Er/sie hilft Anderen. Er/sie teilt kreative Ideen mit Anderen. Er/sie kümmert sich aktiv um Aufgaben.
Reifegrad Mitarbeiter/-innen und Indikatoren für persönliche Bereitschaft
Führungsstil abhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter/-innen 3.3
41
Führungsstil abhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter/-innen
Folgend der Grundidee des Modells, sehen wir uns jetzt die von Hersey und Blanchard angebotenen Führungsstile und deren Zuordnung zu den Reifegraden der Mitarbeiter/-innen an. Wie bei den Reifegraden muss man auch bei den Führungsstilen zwei Aspekte betrachten: Aufgabenorientierung und Beziehungsorientierung. „Aufgabenorientierung“ beschreibt die Komponente des Führungsstils, die direkt mit den Maßnahmen die ergriffen werden müssen um ein Ziel zu erreichen respektive eine Aufgabe zu erfüllen, zu tun hat. „Beziehungsorientierung“ beschreibt die Komponente des Führungsstils, die mit der Art der Kommunikation (Monolog, Dialog) zwischen Mitarbeiter/-in und Führungskraft zu tun hat. Sie beinhaltet Verhalten wie Zuhören, Unterstützen, Fördern. In der folgenden Tabelle ist dargestellt, welcher Führungsstil, abhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter/-innen, eingesetzt werden soll (vgl. ebd.: 182–188). Die Aufgabenorientierung und die Beziehungsorientierung haben wir wiederum einzeln dargestellt.
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„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard
Reifegrad Führungsstil Erläuterung zum Mitarbeiter/-in Führungsstil Aufgabenorientierung Beziehungsorientierung Gering Reifegrad 1
Die Führungskraft Telling Unterweisen: de¿niert die Rolle des Führungsstil 1 Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin und sagt ihm/ihr was, wie, wann und wo Starke zu tun ist. Aufgabenorientierung Die Führungskraft zerlegt die Aufgabe in Geringe Beziehungs- kleine, für Mitarbeiter/orientierung innen überschaubare, Einheiten. Entscheidungen trifft die Führungskraft. Geringe Verantwortung beim Mitarbeiter/der Mitarbeiterin.
Vorwiegend „one-way“ Kommunikation (Monolog) Führungskraft Ö Mitarbeiter/in Permanente Kontrolle durch die Führungskraft.
Führungsstil abhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter/-innen
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Reifegrad Führungsstil Erläuterung zum Mitarbeiter/-in Führungsstil Aufgabenorientierung Beziehungsorientierung Gering bis Mittel Reifegrad 2
Die Führungskraft Selling Überzeugen: de¿niert die Rolle des Führungsstil 2 Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin und sagt ihm/ihr was, wie, wann, wo und Starke warum zu tun ist. Sie Aufgabenorientierung diskutiert Details mit ihm/ihr. Starke Beziehungs- Die Führungskraft stellt orientierung Fragen um den fachlichen Kenntnisstand zu klären. Die Führungskraft zerlegt die Aufgabe in kleine, für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin überschaubare, Einheiten. Entscheidungen trifft die Führungskraft.
Vorwiegend „two-way“ Kommunikation (Dialog) Führungskraft Ù Mitarbeiter/in Die Führungskraft erläutert dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin seine/ihre Rolle. Die Führungskraft erläutert dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin warum etwas zu tun ist. Die Führungskraft erläutert ihre Entscheidungen und gibt Gelegenheit für Klärungsfragen. Die Führungskraft unterstützt kleine Fortschritte.
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„Situatives Führen“ nach Hersey und Blanchard
Reifegrad Führungsstil Erläuterung zum Mitarbeiter/-in Führungsstil Aufgabenorientierung Beziehungsorientierung Mittel bis Hoch Participating Der Mitarbeiter/die Reifegrad 3 Partizipieren: Mitarbeiterin de¿niert Führungsstil 3 was, wie, wann und wo zu tun ist. Es stehen die Ergebnisse im Fokus. Geringe Aufgabenorientierung Die Führungskraft erwartet Ideen und Lösungsvorschläge für Starke Beziehungs- eine Aufgabe von dem orientierung Mitarbeiter/der Mitarbeiterin und ermutigt ihn/sie dazu.
„two-way“ Kommunikation (Dialog) Führungskraft Ù Mitarbeiter/in Für die dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin übertragenen Entscheidungen liegt auch die Kontrolle bei ihm/ihr. Die Führungskraft unterstützt den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin Verantwortung zu übernehmen.
Die Führungskraft überträgt „einfache, tägliche“ Entscheidun- Sie gibt positives Feedback gen an den Mitarbeiter/ und stärkt damit sein/ihr Selbstvertrauen. die Mitarbeiterin. In den anderen Fällen entscheiden Führungskraft und Mitarbeiter/-in gemeinsam.
Führungsstil abhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter/-innen
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Reifegrad Führungsstil Erläuterung zum Mitarbeiter/-in Führungsstil Aufgabenorientierung Beziehungsorientierung Hoch Reifegrad 4
Die Führungskraft Delegating überlässt die AufgaDelegieren: Führungsstil 4 benerfüllung in Gänze dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin. Geringe Aufgabenorientierung Die Führungskraft unterstützt den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin und Geringe Beziehungs- stellt die Ressourcen orientierung bereit. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin trifft die Entscheidungen.
„two-way“ Kommunikation (Dialog) Führungskraft Ù Mitarbeiter/in Die Initiative geht in der Regel von dem Mitarbeiter/ der Mitarbeiterin aus. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin entscheidet, wann die Führungskraft wie involviert wird. Die Kontrolle, und damit die Verantwortung liegen beim Mitarbeiter/der Mitarbeiterin. Die Führungskraft kontrolliert nur noch wenig, sie beobachtet und ist für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ansprechbar.
Tabelle 3:
Reifegrad Mitarbeiter/-in und Führungsstil
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Erste Annäherung an unser Modell
Die Philosophie des Modells des „Situativen Führens“ von Hersey und Blanchard mit seinen beiden Aspekten, Reife des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin und entsprechendem Führungsstil (beides bezogen auf eine konkrete Situation oder Aufgabe) und das positive Menschenbild das dem Modell zugrunde liegt, bildet die Ausgangsbasis für unser Modell. Ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin bringt in einer bestimmten Situation beziehungsweise für eine bestimmte Aufgabenstellung fachliche und persönliche Voraussetzungen mit. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich variable Größen und verändern sich im Verlauf der Zeit (Entwicklung oder Regression). Geht man jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt von den, in diesem Moment vorliegenden Voraussetzungen aus, so können sie in einer Situation vielmehr bei einer Aufgabenstellung ausreichend sein, bei einer anderen nicht. Das positive Menschenbild prägt im Wesentlichen die Sicht auf Mitarbeiter/innen. Zum einen wird davon ausgegangen, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin fachliche und persönliche Fähigkeiten mitbringt und diese durch die Führungskraft mit dem geeigneten Führungsstil geweckt und zum Einsatz gebracht werden können. Zum anderen liegt diesem Menschenbild auch die Vorstellung zugrunde, dass Mitarbeiter/-innen die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten weiter entwickeln zu können, wenn sie dies anstreben und durch die Führungskraft die adäquate Unterstützung erhalten. Diese Grundgedanken machen das Modell von Hersey und Blanchard im Führungsalltag hilfreich, stellen aber gleichzeitig an die Führungskraft hohe Ansprüche im Bereich der Fähigkeit einer richtigen Einschätzung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, verbunden mit der eigenen Flexibilität (vgl. Kapitel 3). 4.1
Herleitung
Welche Aspekte haben uns nun bewogen ein eigenes Modell zu entwickeln, das Hersey und Blanchard als Basis hat, von dem wir aber glauben dass es für den Führungsalltag weitere wichtige Faktoren enthält? Führungskraft und Mitarbeiter/-innen be¿nden sich im Unternehmen/in der Organisation in Systemen (beispielsweise Bereichen, Abteilungen, Teams), in
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Erste Annäherung an unser Modell
denen verschiedenste EinÀussfaktoren auf beide wirken. Daher erscheint es uns wichtig Führung unter Einbeziehung des systemischen Ansatzes zu sehen und diesen in unser Modell entsprechend aufzunehmen. Damit erweitern wir die situations- und aufgabenbezogene Sichtweise im dargestellten Modell von Hersey und Blanchard. Die Voraussetzungen eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin sehen wir in unserem Modell als Ressourcen, die die Führungskraft optimal zum Einsatz bringen, aktivieren, entwickeln und fördern kann. Ressourcen sind ganz allgemein Mittel, die die Bewältigung bestimmter Aufgaben ermöglichen. Wir möchten der Führungskraft den Blickwinkel der Ressourcenorientiertheit bei der Führung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vermitteln. Hersey und Blanchard unterscheiden hinsichtlich der Voraussetzungen, die ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin mitbringt zwischen fachlicher und persönlicher Reife. Diese werden wir als Fachkompetenz und Soft Skills aus dem Modell von Hersey und Blanchard aufgreifen, und um – von uns sogenannte – Ressourcen-Ampli¿er erweitern. Ressourcen sind für die Auswahl der geeigneten Führungselemente auch in unserem Modell ein prägendes Element. Zwischen Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿ern und möglichen Führungselementen besteht, wie bei Hersey und Blanchard, auch bei uns eine direkte Koppelung. Wobei wir der Führungskraft keine Führungsstile an die Hand geben. Vielmehr möchten wir Führungskräften einen Bau- und Werkzeugkasten anbieten, aus dem sie – auf den Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen basierend – entsprechende Führungselemente für verschiedenste Situationen und Zielsetzungen zusammenstellen können. Daher verwenden wir in unserem Modell für die Kombination von Führungselementen in Relation zu den individuellen Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den Begriff „Führungsverhalten“. Der Adaption professioneller Methoden aus dem Counselling1 kommt bei der Entwicklung unseres Führungsmodells eine zentrale Bedeutung zu. Wenn von Führung gesprochen wird, wird auch immer von den Beteiligten in ihren Funktionen „Führungskraft“ und „Mitarbeiter/-in“ gesprochen. Mitarbeiter/innen sollten von der Führungskraft dennoch nicht nur auf ihre Funktionen reduziert und nur in Bezug zu ihrer Aufgabenstellung gesehen werden, sondern sie 1 Counselling, auch Counseling – die Schreibweise ist je nach Sprachraum verschieden – kommt von „to counsel“. Laut Oxford Dictionary bedeutet dies „beraten einer Person hinsichtlich sozialer, psychologischer oder persönlicher Probleme, besonders im beruÀichen Bereich“ („give advice to a person on social, psychological or personal problems especially professionally“)
Einführende Beschreibung
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sollten unseres Erachtens als Gesamtpersönlichkeit erfasst werden. Nur diese Betrachtung macht für Führungskräfte das Verhalten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verstehbar, und sie können entsprechend handeln. Für diese Wahrnehmung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als Gesamtpersönlichkeit geben wir Führungskräften Hilfsmittel an die Hand mit denen sie ihr Führungsverhalten bestimmen und umsetzen können. Die ideale Situation erreicht eine Führungskraft immer dann, wenn sie durch geeignetes Führungsverhalten eine Win-win-Situation für das Unternehmen/ die Organisation und die Mitarbeiter/-innen erzielen kann. Die Erreichung der Unternehmens-/Organisationsziele, die unter anderem auch immer ein Plus an Innovation, Qualität und Ef¿zienz beinhalten, führen auf Seiten der Mitarbeiter/innen zu einem Mehr an Kompetenz, Sicherheit und Selbstverwirklichung. Die Nutzung eines adäquaten Führungsmodells kann ihr dabei helfen. 4.2
Einführende Beschreibung
Unser Führungsmodell Equilibrium beinhaltet die folgenden Schlüsselkomponenten für erfolgreiche Führung: • Führungsalltag - Bewältigung von Aufgaben und Situationen des Führungsalltags - Erreichung der, für die Unternehmens-/Organisationsziele notwendigen Ergebnisse - Gezielte Planung und Durchführung von Verbesserungen im System • Führungsverhalten (Zusammensetzung von Führungselementen) - Die sichere Einschätzung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen - Einsatz und Weiterentwicklung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen - Die Flexibilität im eigenen Führungsverhalten Wir veranschaulichen diese Aufgaben in unserem Modell in zwei Ebenen. Je nach Führungsaufgabe/Führungssituation wird sich die Führungskraft schwerpunktmäßig einmal mit der einen, einmal mit der anderen Ebene beschäftigen. Zwischen beiden besteht jedoch eine starke Verbindung und sie bedingen sich gegenseitig. Daher bilden Führungsalltag und Führungsverhalten, sowie der Wechsel zwischen beiden Ebenen, die Grundlagen unseres Führungsmodells.
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Erste Annäherung an unser Modell
Konzentration auf: • Ressourcen • Führungselemente
Führungsverhalten
Führungsalltag
Potential bergende Situation: System unterliegt Veränderung
Abbildung 3:
Konz entration a sziele uf Unternehmens-/Organisation • Aufgaben und Ergebnisse • Permanente Weiterentwicklung
Alltägliche Situation: System ist im Gleichgewicht
Führungsmodell Equilibrium
Motivation, Anerkennung und das richtige Führungsverhalten sind in der täglichen Arbeit für die gleichbleibenden Leistungen der Mitarbeiter/-innen notwendig. In Zeiträumen in denen Veränderungen, wie beispielsweise die Weiterentwicklung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder Prozessoptimierungen, angestrebt werden, sind das Führungsverhalten und die richtige Einschätzung der Voraussetzungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und deren Potentiale wesentliche Erfolgsfaktoren. Auch ist es gerade in solchen Phasen wichtig betroffene Mitarbeiter/-innen erfolgreich einzubinden. Dazu sind neben der genauen Planung auch geeignete Führungstechniken Voraussetzung. Ausschließlich auf diese Art und Weise lassen sich nachhaltig durch Veränderungen neue Potentiale erschließen und positive Ergebnisse erzielen. Sowohl aus Sicht der Mitarbeiter/-innen als auch aus Sicht des Unternehmens/der Organisation (Winwin-Situation). Wir werden im Folgenden auf die Ebenen und Schlüsselkompetenzen, sowie auf die Zusammenhänge zwischen ihnen näher eingehen und schrittweise unser Modell erläutern. In den ersten Kapiteln werden wir die, für unser Führungsmodell relevanten Aspekte und deren Zusammenhänge theoretisch transparent und verständlich er-
Idealtypisierung
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läutern. Im Folgenden der Führungskraft für die Schlüsselkompetenzen einen Bau- und Werkzeugkasten zur Verfügung stellen, mit dessen Hilfe sie innerhalb enger Zeithorizonte erfolgreiche, Potential fördernde, Grenzen berücksichtigende Handlungsmöglichkeiten entwickeln kann. 4.3
Idealtypisierung
Wir werden bei der Darstellung unseres Modells immer wieder von idealtypischen Vorstellungen ausgehen, daher möchten wir im nachfolgenden kurz die theoretischen Hintergründe erläutern. Der Begriff des Idealtypus wurde von Max Weber 1904 als Begriff in die Soziologie eingeführt, ¿ndet heute aber auch in anderen Disziplinen, wie der Psychologie oder der Betriebswirtschaft Verwendung. Es handelt sich dabei um eine gedankliche Konstruktion, bei der zum Ordnen von Einzelerscheinungen ein Typus entwickelt wird, der ausnahmslos alle Merkmale aufweist, aufgrund derer er einer bestimmten Gruppe oder Kategorie zuzurechnen ist. Idealtypen werden durch Abstraktion, also durch einen Denkprozess, der auf individuelle, zufällige Einzelheiten zugunsten des Allgemeinen, Wesentlichen verzichtet, aus der empirisch, wissenschaftlich-methodisch beobachtbaren Wirklichkeit konstruiert. Ideal wird also hier nicht im Sinne von Leitvorstellungen des Handelns, nicht als ein als höchster Wert erkanntes Ziel, einer Idee, nach deren Verwirklichung man strebt oder dergleichen, sondern als die Verkörperung des vollkommen typischen einer Kategorie verstanden, in der keine Vermischung mit Merkmalen oder Eigenschaften einer anderen Kategorie vorhanden ist. Der Idealtypus ist damit „¿ktiv“. Als Hilfe zur Erkenntnis werden Eigenschaften und Merkmale, die sich für ein Phänomen, eine Persönlichkeit, eines Reifegrades, einer Struktur, eines Prozesses usw. besonders kennzeichnend, charakteristisch, also „typisch“ erweisen, in einem vorgestellten, nicht unbedingt wirklich existierenden „Idealtypus“ zusammengestellt. Auf diese Weise können grundlegende Zusammenhänge veranschaulicht und das Verständnis erleichternde Abgrenzungen und Grenzziehungen innerhalb Àießender Zusammenhänge und komplexer Systeme ermöglicht und verdeutlicht werden. So betont Max Weber, dass für den Zweck der Erforschung und Veranschaulichung Idealtypisierungen, vorsichtig angewendet, ihre spezi¿schen Dienste leisten (vgl. Weber, M. 1991 [1904]: 73–74)
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Erste Annäherung an unser Modell
Auf diese vorsichtige Anwendung, das heißt, sich ständig darüber im Klaren sein, dass es in der Realität im Allgemeinen immer Vermischungen gibt werden wir auch an den betreffenden Stellen nochmals hinweisen. Trotz aller Gefahren der Übergeneralisierungen werden wir doch mit Idealtypisierungen arbeiten. Max Weber gibt dafür die einleuchtendste Begründung: Idealtypisierungen haben „die Bedeutung eines rein idealen Grenzbegriffes .., an welchem die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihrer empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird.“ (ebd.: 77). Idealtypisierungen eignen sich also als Hilfsmittel zur Einschätzung und Analyse der Wirklichkeit, gerade auch deshalb weil sie von diesen abweicht. Idealtypisierungen sind so eine Art Messlatte bei der Einschätzung von Prozessen und Strukturen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens.
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Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft
Bevor wir auf die Ebenen „Führungsalltag“ und „Führungsverhalten“ eingehen werden, möchten wir, für das bessere Grundverständnis, den systemischen Ansatz – bezogen auf den Alltag der Führungskraft – erläutern. Der systemische Ansatz ist eine Art und Weise, die Wirklichkeit zu verstehen. Es wird nicht in einem linearen Ursachen-Wirkungsmodell gedacht, sondern Ursache und Wirkung werden jeweils in ihrer Wechselbeziehung reÀektiert. Die Grundlagen dieser Sichtweise bilden vor allem • die fachdisziplinübergreifende Kybernetik (Steuerungs- und Regelungsprozesse; Regelkreise), • die insbesondere von Niklas Luhmann entfaltete soziologische Systemtheorie und • die Kommunikationstheorie, die stark von Jürgen Habermas beeinÀusst wurde. Grundsätzlich wird dabei davon ausgegangen, dass ein System aus verschiedenen Elementen besteht, die in Beziehung zueinander stehen und sich wechselseitig beeinÀussen (vgl. Hall, A. D.; Fagen, R. E. 1971). Ein System bleibt stabil durch sich immer wieder einpendelnde Gleichgewichtszustände (vgl. Allport, G. W. 1968). Ein Beispiel aus dem biologischen/medizinischen Bereich soll dies veranschaulichen: Die Elemente des Systems „Organismus“ sind seine Organe, die allerdings wiederum selbst, aus verschiedenen Elementen gebildete Systeme sind. Bei Krankheiten schaut man sich im Rahmen einer systemischen Betrachtungsweise nicht nur das jeweilige erkrankte Organ an, sondern betrachtet es in seinen vielfältigen Wechselbeziehungen zu anderen Organen und versucht bei einer Therapie eben auch auf diese wechselseitigen EinÀüsse einzugehen. Denn durch die Erkrankung eines Organs gerät unter Umständen der Organismus aus seinem eingependelten Gleichgewicht, das sich dann nur durch eine entsprechende, auf das Gesamtsystem gerichtete Therapie wieder herstellen lässt. In der Medizin wird dies als systemische Intervention bezeichnet. Wie verschiedene Organe selbst sowohl Systeme sind, als auch Elemente des Systems Organismus bilden, können dann wiederum die unterschiedlichen Or-
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Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft
ganismen ein überlebensfähiges Gesamtsystem bilden, wie z.B. ein Wolfsrudel, ein Fischschwarm etc. Solche Systeme gibt es auch im menschlichen Zusammenleben. Sie werden in diesem Zusammenhang als „soziale Systeme“ bezeichnet. Ein typisches soziales System ist beispielsweise die Familie. Wie Organismen im Beispiel oben wiederum Teil eines „übergeordneten“ Systems verschiedener Lebewesen sein können, ist auch die Familie wiederum Element innerhalb übergeordneter Systeme, wie beispielsweise der Verwandtschaft, der nachbarschaftlichen Gemeinschaft oder ähnliche. Auch im Alltag von Unternehmen und Organisationen haben wir es mit solchen sozialen Systemen zu tun. So ist zum Beispiel ein Referat oder eine Abteilung ein soziales System, das wiederum ein Element des übergeordneten Systems der gesamten Organisation oder des gesamten Unternehmens bildet. Wie oben beschrieben, stehen innerhalb eines Systems die einzelnen Elemente in einer Beziehung miteinander und beeinÀussen sich wechselseitig. Innerhalb des sozialen Systems einer Abteilung geschieht diese wechselseitige BeeinÀussung unter anderem durch die Kommunikation der Mitarbeiter/-innen untereinander. Derartige Kommunikationsverläufe können nach einem von Friedemann Schulz von Thun entwickelten Schema dargestellt werden:
Kommunikationspartner/-in 1: Verhalten
Kommunikationspartner/-in 1: Gefühl
Kommunikationspartner/-in 2: Gefühl
Kommunikationspartner/-in 2: Verhalten
Abbildung 4:
Modi¿zierte eigene Darstellung nach Schulz von Thun, F. 2004: 28–37
Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft
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Jede Auswirkung eines Kommunikationsverhaltens ist also auch gleichzeitig wieder Ursache für die kommunikative Reaktion des Kommunikationspartners und umgekehrt. Ein Beispiel eines Kommunikationssystems, das sich zwischen einem hilfsbereiten Kollegen oder einer hilfsbereiten Kollegin und einem unsicheren Kollegen oder einer unsicheren Kollegin herausgebildet hat zeigt, wie sich in einem solchen System bestimmte Verhaltensweisen verfestigen können:
Unsicherer Kollege/unsichere Kollegin: „du musst mir helfen, allein komme ich nicht weiter!“
Unsicherer Kollege/unsichere Kollegin fühlt sich in seiner/ihrer Hilflosigkeit bestätigt
Hilfreicher Kollege/hilfreiche Kollegin fühlt sich überlegen und stark
Hilfsbereiter Kollege/hilfsbereite Kollegin: verhält sich fürsorglich zupackend
Abbildung 5:
Modi¿zierte eigene Darstellung nach Schulz von Thun, F. 2004: 68
Das sich hier einpendelnde Gleichgewicht bestätigt den unsicheren Kollegen oder die unsichere Kollegin immer wieder in seiner/ihrer Unsicherheit und der hilfsbereite Kollege oder die hilfsbereite Kollegin fühlt sich stark. Zum Problem wird das beispielsweise dann, wenn der oder die Hilfsbereite „die Nase voll hat“, dem oder der Unsicheren immer „unter die Arme zu greifen“ oder wenn dem unsicheren Kollegen oder der unsicheren Kollegin die Abhängigkeit von dem oder der hilfsbereiten zu viel wird. Dann gerät das System aus dem Gleichgewicht. Neben dem kommunikativen Aspekt ist von Bedeutung, dass solche Beziehungen geprägt sind durch die jeweiligen Funktionen, nämlich Zielen, Aufgaben oder Leistungen (vgl. Wright, G. H. v. 1974), die jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin für das System der Abteilung übernimmt. Es gibt dabei Funktionen die allen Beteiligten bewusst sind, aber auch sogenannte „latente“ Funktionen, die nur durch ReÀexivität erschließbar sind (vgl. Luhmann, N. 1970: 41f).
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Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft
Das bedeutet, dass sich mancher Mitarbeiter oder manche Mitarbeiterin über die eine oder andere Funktion, die er oder sie für das System der Abteilung hat, nicht so richtig im Klaren sein könnte, sie unter- oder auch überschätzt, oder auch die Funktionen der Abteilung für das gesamte Unternehmen/die gesamte Organisation möglicherweise nicht alle kennt oder teilweise falsch einschätzt. In diesem Zusammenhang möchten wir die kontroverse Debatte der großen soziologischen Theoretiker Luhmann und Habermas hier in der gegebenen Kürze einÀießen lassen: Grob gesprochen sind bei Luhmann die Elemente sozialer Systeme die „sinnvermittelnden Interaktionen“, also die Handlungen, die zwischen Menschen ablaufen und sich wechselseitig aufeinander beziehen, nicht aber die Menschen selbst (vgl. Luhmann, N. 1977: 68 f). Es ist nach Luhmann für ein soziales System unbedeutend, wer eine bestimmte Rolle spielt und wer eine bestimmte Funktion ausübt, wichtig ist nur, wie diese Handlungen in ihrer Funktionalität bei der Erreichung eines das System stabilisierenden Gleichgewichtes zu bewerten sind. Dieser Ansatz wird von Habermas kritisiert. Er betont, dass der Sinn sozialer Systeme letztendlich in menschlichen Bedürfnissen und Wünschen begründet liegt, in der Luhmann´schen analytischen „Ausblendung“ des Menschen also das wirklich treibende Element sozialer Systeme, auch das Potential an deren Veränderungsmöglichkeiten, sträÀich ausgeblendet werde (vgl. Habermas, J. 1979: 7ff). Mit anderen Worten: Habermas, dessen Kritik an Luhmann wir teilen, gibt zu Bedenken, dass im Zentrum aller sozialen Systeme immer der Mensch steht und dass „Disfunktionalität“, also beispielweise eine Reihe von Handlungen die die Stabilität des Gleichgewichtes gefährden, im sozialen System durchaus auch positive Aspekte haben kann. Daraus folgt, dass erstens nicht jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einfach problemlos ersetzbar ist, indem irgendein anderer seine/ihre Funktionen erfüllt. Und zweitens, dass eine Störung des Gleichgewichtes auch positive Aspekte haben kann: Es kann sich beispielsweise ein Gleichgewicht eingependelt haben, das die Funktionalität zwar gewährleistet, dennoch dauerhaft durch bestimmte Abläufe zu problematischen Situationen führt. Das wird häu¿g erst offensichtlich, wenn durch disfunktionale Handlungen und der daraus resultierenden Störung des Gleichgewichtes deutlich wird, dass bestimmte Funktionen anders als bisher erfüllt werden oder bestimmte Funktionen durch andere ersetzt werden können.
Psychologische Sichtweisen beim Umgang mit komplexen Systemen
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„Blinde Flecken“ eines eingefahrenen betrieblichen Alltags können dadurch entdeckt, Nachhaltigkeit und Qualität verbessert werden. Störungen des stabilisierenden Gleichgewichtes haben also Vor- und Nachteile: Einerseits wird durch die Störung des Gleichgewichtes die Funktionalität beeinträchtigt und es droht „Disfunktionalität“ in Bezug auf das nächst höhere System, in unserem Falle auf das System Gesamtbetrieb. Schwierigkeiten mit Geschäftsführung und Reibungspunkte mit anderen Abteilungen können die Folge sein. Andererseits bringt das vorübergehende Ungleichgewicht die Notwendigkeit und die Chance der ReÀexion eingefahrener Verhaltens- und Handlungsweisen mit sich und eröffnet Wege zu deren positiver Veränderung. Das bietet interessante Ansatzpunkte für eine auf kontinuierliche Verbesserung ausgerichtete Prozessoptimierung. „Fehler“ im System können so von der Führungskraft innerhalb eines stabilisierenden Gleichgewichtes nur schwer erkannt werden (vgl. Spencer-Brown, G. 1997). Werden sie jedoch – beispielsweise durch eine Störung des Gleichgewichtes – wahrgenommen, kann die Führungskraft, mehr als alle anderen Mitarbeiter/innen zur Prozessoptimierung durch entsprechendes Prozessmanagement beitragen: Selbst „kleine Änderungen im Führungsteil“ können das System als ganzes wesentlich verändern (vgl. Hall, A. D.; Fagen, R. E. 1968). 5.1
Psychologische Sichtweisen beim Umgang mit komplexen Systemen
Seitens der Psychologie ¿ndet der Systembegriff ebenfalls immer größere Beachtung. Relevant für uns ist hierbei insbesondere Dietrich Dörner’s Auseinandersetzung mit dem Umgang von Menschen mit komplexen Systemen (vgl. Dörner, D. 2001). Es wird bei seinen Untersuchungen deutlich, dass wir häu¿g kaum in der Lage sind, die vielfältigen Vernetzungen innerhalb und zwischen Systemen richtig einzuschätzen und uns daher immer wieder Fehleinschätzungen beim Umgang mit komplexen Systemen (z.B. soziale Systeme) plagen und vermeintliche Problemlösungen nur wiederum neue Problemstellungen induzieren. Partielle Ungleichgewichte und Disfunktionen in einzelnen Systemen als Elemente eines komplexen Systems nächst höherer Ordnung sind für die Weiterentwicklung des letzteren notwendig, sie erhalten seine Dynamik. Mechanistische
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Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft
Versuche der krampfhaften Erhaltung von Gleichgewichten können Veränderungsnotwendigkeiten blockieren, die sich dann in anderer Form „explosionsartig“ Bahn brechen können. Zu starke Gewichtsverlagerungen in Subsystemen können sich andererseits wiederum aufschaukeln und starke, schwer zu korrigierende Funktionsstörungen mit sich bringen. Daher sind meist der Eigendynamik von Subsystemen entsprechende allmähliche Veränderungen zur behutsamen Herstellung neuer Gleichgewichte – die dann allerdings andere Ungleichgewichte induzieren – die beste Lösung (Methode der allmählichen Verbesserung). Beim Umgang mit komplexen Systemen hat Dörner einige Grundsätze entwickelt, die hier von uns kurz zusammengefasst und interpretiert werden sollen: • Aneignung fundierter und umfassender Kenntnisse über die Strukturen des komplexen Systems: Elemente als Subsysteme mit ihren Vernetzungen, wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Subsystemen sowie Funktionen und Interdependenzen in „übergeordneten“ Systemen. • Ziele klären: welche Ziele sollen innerhalb welchen Zeithorizontes erreicht werden, welche qualitative und quantitative Variablen gilt es zu beachten. • ZielkonÀikte erkennen: eventuelle Kontradiktionen (Widersprüche), die zwischen den einzelnen Zielen bestehen (dies ist in komplexen Systemen fast immer der Fall) sollten klar sein, entweder müssen dann Kompromisse gefunden oder Prioritäten gesetzt werden. • Wechselnde Schwerpunkte: da in komplexen Systemen die Elemente vielfältig miteinander vernetzt sind, kann ein zu langes Festhalten an bestimmten Prioritäten schwer auszugleichende Gleichgewichtsverschiebungen mit kaum zu korrigierenden Funktionsstörungen mit sich bringen (siehe oben). • Simulationsmöglichkeiten nützen, um Fern- und Nebenwirkungen von Maßnahmen abschätzen zu können. • Informationen über die Sachlage sollten weder zu fein noch zu grob sein: zu detaillierte Informationen können den Entscheidungsprozess verlängern und dadurch Probleme eskalieren lassen, zu grobe Informationen können zu Fehlentscheidungen führen. • Informationssuche intensiv betreiben, aber auch am optimalen Punkt abbrechen: viele neuen Informationen sind fundamentale Grundlagen für die Einleitung von Maßnahmen. Zu viele Informationen können aber verwirrend sein und, wie bei zu detaillierten Informationen, den Entscheidungsprozess verzögern. Da sich Prozesse in Systemen hochschaukeln können, ist es häu¿g wichtig, möglichst schnell die richtigen Maßnahmen einzuleiten.
Psychologische Sichtweisen beim Umgang mit komplexen Systemen
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• EigenreÀexion: jeder ist bemüht, sich selbst als kompetent zu sehen. Wir tendieren dazu, zu kompliziert erscheinendes zu vereinfachen und nur einen Teil des Ganzen zu sehen, sozusagen einen kleinen Ausschnitt, der uns vertraut zu sein scheint. Da aber der Ausschnitt Teil des ganzen Systems ist, bleiben durch die „Komplexitätsreduktion“ wichtige Entscheidungen außer Acht. Das kann zum Misslingen von Maßnahmen führen. Bei komplexen Systemen und damit einhergehenden komplexen Problemlagen sind zur „Komplexitätsreduktion besonders zwei Tendenzen häu¿g beobachtbar: • sich in einzelnen, überschaubaren, linear erfassbaren Details zu verlieren oder • sich in einer Art Vogelperspektive den allgemeinen Überblick zu verschaffen und den Problemen, die in der komplizierten Verschachtelung von Details stecken, aus dem Weg zu gehen. Solchen Fluchten aus der Komplexität sollten wir uns bewusst werden. Diese „Bewusstwerdung“ des unbewussten Vorganges bildet die Voraussetzung dafür, dass wir erneut versuchen können, dem vielfältigen Bedingungsgefüge komplexer Systeme gerecht zu werden. Eine gute Möglichkeit besteht beispielsweise darin, dass wir uns den komplizierten und mehrfach miteinander vernetzten Sachverhalten erneut aus anderen Blickrichtungen nähern. Bei der Berücksichtigung dieser Grundsätze wird die Führungskraft der Komplexität sozialer Systeme gerecht und es ist die Gefahr des Misslingens eingeleiteter Maßnahmen zur positiven Entwicklung komplexer Systeme geringer. Eine Führungskraft, die systemisch denkt und dementsprechend handelt, wird nachhaltige Erfolge erzielen.
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Jede Tätigkeit im Unternehmen/in der Organisation hat zum Zweck dessen/deren Ziele zu erreichen. Jeder im Unternehmen/in der Organisation Tätige (Führungskraft und Mitarbeiter/-innen) nimmt hierzu ein bestimmtes Aufgabenspektrum und Verantwortlichkeiten wahr. Dieses Aufgabenspektrum differiert über die Zeit und mit der Position im Unternehmen/in der Organisation. Die Kernaufgaben von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen werden überwiegend fachliche Themenstellungen sein, während die der Führungskraft vielschichtiger sind. 6.1
Kernaufgaben einer Führungskraft
Sehen wir uns die Kernaufgaben einer Führungskraft zunächst etwas genauer an, so lassen sie sich in drei wesentliche Bereiche untergliedern: • Mitarbeiterführung Im Bereich der Mitarbeiterführung nimmt die Führungskraft unter anderem folgende Aufgaben wahr: - Mitarbeiter/-innen gemäß ihrer Potentiale entwickeln - Mitarbeiter/-innen beurteilen und dies, im Rahmen meist betrieblich vereinbarter Instrumente, wie Mitarbeitergespräch oder Leistungsbeurteilung, dokumentieren - mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Zielvereinbarungen durchführen und deren individuelle Zielerreichung bewerten - Mitarbeiter/-innen über die für ihre Aufgaben notwendigen Sachverhalte und Entscheidungen informieren - Mitarbeiter/-innen motivieren und entsprechend kontrollieren - Mitarbeiter/-innen auswählen; entweder innerbetrieblich bzgl. einer anstehenden Aufgabe oder allgemein im Rahmen von Einstellungsgesprächen - KonÀikte lösen und Kritikgespräche führen - Jubiläen und Verabschiedungen (Würdigung) mit gestalten. Der Bereich der Mitarbeiterführung nimmt heute in den Unternehmen/Organisationen einen hohen Stellenwert ein. Man kann diesen Umstand an den ver-
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
schiedensten Faktoren erkennen. Insbesondere in Führungsleitlinien und Unternehmens-/Organisationsleitbildern ¿nden sich Aussagen wie „Mitarbeiter/-innen sind unsere wichtigste Ressource“. • Arbeiten an den Unternehmens-/Organisationszielen Aus Sicht des Unternehmens/der Organisation hat die Erreichung der geplanten Ziele die oberste Priorität. Alles was im Unternehmen/der Organisation geschieht ist auf sie ausgerichtet. Auf eine Führungskraft kommen in diesem Kontext Aufgaben, wie die folgenden zu: - Strategien erarbeiten und verfeinern. - Gesamtaufgaben strukturieren. - Prozesse/Maßnahmen für die Umsetzung von Strategien de¿nieren. - Bestehende Prozesse permanent überprüfen und optimieren. - Termine setzen, vereinbaren, kontrollieren. - Entscheidungen treffen. - Abstimmung mit andern Bereichen des Unternehmen/der Organisation durchführen. - Beziehungen zu externen und internen Bezugsgruppen verfolgen. - Finanzierung sichern. Auch in diesem Bereich ist Mitarbeiterführung eine der wichtigsten Basiskomponenten, da es sich bei der Mehrzahl der angeführten Aufgaben um solche handelt, die nur gemeinsam von der Führungskraft und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu erfüllen sind. Beide Bereiche (Mitarbeiterführung und Arbeiten an den Unternehmens-/Organisationszielen) greifen ineinander beziehungsweise bedingen sich gegenseitig. • Organisatorische Aufgaben Neben den zentralen Bereichen Mitarbeiterführung und Aufgaben zur Erreichung von Unternehmens-/Organisationszielen muss eine Führungskraft auch diverse organisatorische Aufgaben wahrnehmen, wie beispielsweise - Wissenschaftliches, methodisches und technisches Know-how im Tätigkeitsbereich aktuell halten. - Planung und Controlling des verfügbaren Budgets. - Beschaffung notwendiger Ressourcen. - Allgemeine Aufgaben. Jedes Tätigkeitsgebiet nimmt – je nach Arbeitsfeld – einen unterschiedlich hohen Anteil der Zeit einer Führungskraft in Anspruch. Aus der langjährigen
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Soziale Systeme im betrieblichen Umfeld
praktischen Erfahrung der Autoren kann man annähernd von der in folgender Abbildung dargestellten Aufteilung ausgehen.
Organisatorische Aufgaben 20%
Aufgaben für die Erreichung der Ziele des Unternehmens/ der Organisation 40%
Mitarbeiterführung 40%
Abbildung 6:
6.2
Kernaufgaben einer Führungskraft
Soziale Systeme im betrieblichen Umfeld
Die Systemtheorie zugrunde legend, besteht ein Unternehmen / eine Organisation aus einer Vielzahl von Systemen, die miteinander in Interaktion stehen. Alle diese Systeme sind eingebettet in weitere Systeme im Unternehmen/in der Organisation und stehen mit diesen in wechselseitigen Beziehungen.
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Team Team
Abteilung Abteilung
Führungskraft Führungskraft
Mitarbeiter/-in Mitarbeiter
Unternehmen/Organisation
Abbildung 7:
Soziale Systeme im betrieblichen Umfeld und Interaktionen (schematisch)
Wenn wir in unserem Modell von dem System und dessen Zuständen sprechen, so betrachten wir schwerpunktmäßig das System der Beziehung „FührungskraftMitarbeiter/-innen“ und seine Interaktionen mit anderen Systemen. 6.3
Führungsalltag
Die Tätigkeiten einer Führungskraft ¿nden normalerweise in einer, in sich über einen bestimmten Zeitraum, konsistenten Einheit, zum Beispiel einer Abteilung und/oder einem Team, statt. Führungskraft und Mitarbeiter/-innen kennen sich und erwarten ein bestimmtes Verhalten vom jeweils anderen. Die Voraussetzungen des einzelnen Mitarbeiters und der einzelnen Mitarbeiterin sind der Führungskraft bekannt und dementsprechend setzt sie bestimmte Arbeitsergebnisse voraus. Sie stellt ihr Führungsverhalten auf die Kapazitäten der jeweiligen Mitarbeiter/-innen ein. Gleichzeitig wird die Führungskraft sich immer wieder mit der permanenten Verbesserung und Optimierung der Arbeitsergebnisse und der damit verbundenen Prozesse beschäftigen. In diesen Situationen konzentriert sie sich dann erneut intensiver auf die Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er der Mitarbeiter/innen und deren Weiterentwicklung. Unter Ressourcen verstehen wir einerseits die Fachkompetenz und andererseits die persönliche und soziale Kompetenz von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Ressourcen-Ampli¿er sind Ressourcen be-
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Führungsalltag
sonderer Art, die maßgebend die Wirkung anderer Ressourcen bestimmen und diese verstärken. Zu ihnen gehören Zuverlässigkeit, Willenskraft, Urteilsfähigkeit und Verarbeitete Erfahrung. Wir bezeichnen dieses Umfeld, in der die Führungskraft hier agiert, den „Führungsalltag“. Im Führungsalltag lassen sich, idealtypisiert gesehen, zwei vom Grundsatz her verschiedene Situationen erkennen: • Die Alltägliche Situation In der Zusammenarbeit Führungskraft und Mitarbeiter/-innen be¿ndet sich das System im Gleichgewicht (Equilibrium). Dies gilt ebenfalls für das Team und die Abteilung. Hier liegt das Augenmerk aller Beteiligten auf Aufgaben und Ergebnissen. Die Führungskraft konzentriert sich nicht in erster Linie auf ihr eigenes Führungsverhalten und die Ressourcen sowie die Ressourcen-Ampli¿er der Mitarbeiter/-innen. Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿er der Mitarbeiter/-innen und entsprechendes Führungsverhalten be¿nden sich sozusagen in einem eingeschwungenen Zustand. • Die Potential bergende Situation Im System kommt es geplant oder ad hoc zu Veränderungen. Ist für den Wandel die Erschließung von Ressourcen und/oder Ressourcen-Ampli¿ern einzelner Mitarbeitern/-innen notwendig, begibt sich die Führungskraft in unserem Modell auf die Ebene, in der diese im Hauptfokus stehen (Führungsverhalten). Dabei müssen neben der Weiterentwicklung von Mitarbeiter/-innen in der Regel gleichzeitig die EinÀüsse auf das Team und gegebenenfalls auf die Abteilung oder unter Umständen sogar auf der Unternehmens-/der Organisationsebene betrachtet werden. Wichtig ist, dass Führungskraft und Mitarbeiter/innen die alltäglichen Aufgaben nicht aus den Augen verlieren. Führungsalltag
Potential bergende Situation: System unterliegt Veränderung
Abbildung 8:
Konz entration a sziele uf Unternehmens-/Organisation • Aufgaben und Ergebnisse • Permanente Weiterentwicklung
Führungsalltag
Alltägliche Situation: System ist im Gleichgewicht
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Wir gehen im Folgenden näher auf beide Situationen und den Wechsel zwischen ihnen im Führungsalltag ein. 6.3.1
Die „alltägliche Situation“
Führung soll die Erreichung der Unternehmens-/Organisationsziele sicherstellen. Grundlage hierfür ist eine ef¿ziente, zielorientierte und erfolgreiche Umsetzung der dazu notwendigen Aufgaben. Im Unternehmen/in der Organisation werden üblicherweise über die Hierarchie die Unternehmens-/Organisationsziele konkretisiert, das heißt, Teilziele formuliert und aus den Teilzielen einzelne für die Zielerreichung zu bearbeitende Aufgaben de¿niert. Eine Aufgabe lässt sich durch verschiedene Faktoren beschreiben, unter anderem • • • •
Zielsetzung Komplexität der Fragestellung Aufwand und Terminvorstellungen Notwendige Voraussetzungen der an der Aufgabe arbeitenden Mitarbeiter/innen
Die Bearbeitung einer Aufgabe wiederum kann in der Regel in die folgenden Schritte aufgliedert werden: • Analyse des Status quo inklusive einer De¿zit- und Chancenbeschreibung • Konkrete Beschreibung der in der Analysephase erkannten Probleme und neuen Anforderungen • De¿nition der Zielsetzung (was soll erreicht werden). • Erarbeitung eines Konzepts in dem mögliche Vorgehensweisen, Lösungsalternativen und deren Bewertung dargestellt werden • Entscheidung, welche Vorgehensweise/Lösung realisiert wird (wenn mehrere zur Wahl stehen) • Realisierung • Überprüfung und Bewertung der Zielerreichung anhand des Ergebnisses und der Zielsetzung Mit einem kurzen Beispiel möchten wir dies erläutern und auf weitere wesentliche Faktoren eingehen.
Führungsalltag
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Nehmen wir an, die Geschäftsführung eines freien Trägers, der verschiedene Erziehungsberatungsstellen betreibt, hat aus Gründen der Qualitätssicherung eine Befragung zur Zufriedenheit der beratenen Eltern durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Eltern mit der Erreichbarkeit der Beratungsstellen teilweise unzufrieden sind. Zwar wurde für die Eltern vor kurzem die Möglichkeit einer Online-Beratung eingeführt, die Antworten der Berater und Beraterinnen auf die Anfragen erfolgen aber aus Sicht der Eltern immer recht spät. Außerdem wird bei der OnlineBeratung teilweise der persönliche Kontakt zu den Beratern und Beraterinnen vermisst. Ein Mitglied der Geschäftsführung hat die Aufgabe, aus den unterschiedlichen Beratungsstellen heraus ein Team zusammen zu stellen, in dem adäquate Lösungen für die Verbesserung der Situation erarbeitet werden sollen. Dieses neu zusammengestellte Team schlägt verschiedene Maßnahmen vor: • Schnellere Beantwortung der E-Mails der Eltern • Direkte Ansprache der Eltern zu Hause • Verbesserte professionelle Berater/-in-Klient/-in-Beziehungen und bewertet diese nach den folgenden Kriterien: • Mögliches Verbesserungspotential aus Sicht der Eltern • Möglichst ef¿ziente Lösungen hinsichtlich von Zeit und Kosten • Überschaubarer zeitlicher Rahmen für die Umsetzung Nach Klärung der Finanzierungsmöglichkeiten und der organisatorischen Umsetzbarkeit erfolgt die Realisierung. Danach sollte in regelmäßigen Zeitabständen die Zielerreichung durch Evaluationen überprüft werden. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass Aufgaben zielgebunden sind und die Ergebnisse am Grad der Zielerreichung gemessen werden können. Auf den ersten Blick erscheint es so, dass sowohl Aufgabe als auch Ergebnis unabhängig von den jeweiligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die an den Aufgaben arbeiten, sind. Sieht man jedoch genauer hin, so spielt die richtige Führung eine entscheidende Rolle für das Gelingen. Analysieren wir die Situation aus Sicht des Mitgliedes der Geschäftsführung, so werden wir sehen warum das so ist. Er/sie sieht sich einer Situation gegenüber, in der zeitnah gehandelt werden muss. Die Zusammenstellung eines geeigneten Teams ist notwendig. Die Ziele
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
müssen de¿niert und dem Team die benötigten Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Bevor er/sie an die Auswahl geeigneter Mitarbeiter/-innen geht, klärt er/sie erst einmal für sich, was die Situation charakterisiert. Dazu gehört eine genauere Analyse der Aufgabenstellung, welche Ergebnisse erreicht werden sollen und welche Rahmenbedingungen gelten. Eine wichtige Rahmenbedingung wird sicher sein, dass Maßnahmen erarbeitet werden müssen, die kurzfristig umgesetzt werden können und eine deutliche Verbesserung bringen. Darüber hinaus kann es mittelfristige und langfristige Maßnahmen geben, die dann stufenweise über einen längeren Zeitraum greifen. Um die Schwachstellen zu erkennen, muss als erstes der Prozess „Bearbeitung der Anliegen von Eltern per Online“ analysiert werden. Anschließend lassen sich dann geeignete Maßnahmen zur Prozessoptimierung erarbeiten. Zu bedenken ist dabei, dass Prozessoptimierungen oft Auswirkungen im organisatorischen Bereich haben; teilweise besteht auch die Chance durch den Einsatz von neuen technischen Lösungen weitere Optimierungen in den einzelnen Prozessschritten zu erreichen. Daher ist es sinnvoll ein Team zusammenzustellen, in dem folgerichtig Mitarbeiter/-innen mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen aus der Praxis der „Bearbeitung von Online-Anfragen“ mitarbeiten. Unter ihnen sollten in jedem Fall Mitarbeiter/-innen sein, die über Kostenbewusstsein verfügen und pragmatisch an Aufgabenstellungen herangehen können. Wichtig für eine zeitnahe Bearbeitung, ist die Beteiligung von Mitarbeiter/-innen, die in der Lage sind das Ziel im Auge zu behalten, um eventuell „ausufernde“ und nicht zielführende Ansätze und Diskussionen wieder in die richtigen Bahnen zu lenken – ohne die Kreativität des Teams zu beschränken. Aber auch Querdenker/-innen und Mitarbeiter/-innen mit einschlägigem technischem Know-how wären sinnvoll, die sich von eingefahrenen Strukturen und Lösungen frei machen können und neue Vorgehensweisen mit einbringen. Mit das wichtigste ist, dass zumindest ein Teil der Mitarbeiter/-innen die Sicht der Klienten/Klientinnen vertritt und die vorgeschlagenen Lösungsalternativen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Eltern beurteilen kann. Denn die Lösung ist nur so gut, wie die Eltern sie beurteilen. Die interne Sicht tritt in den Hintergrund. Aus diesen Überlegungen resultieren Pro¿le, die wir als Aufgaben- und Situationsbezogene Ressourcenpro¿le bezeichnen. Diese beschreiben Voraussetzungen (Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿er) die idealerweise für diese Aufgabe/ in dieser Situation im Team wünschenswert wären. Sie können anschließend als Referenz für die Auswahl der Mitarbeiter/-innen dienen. Ausführlicher wird da-
Führungsalltag
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rauf bei der Beschreibung des Führungselementes Das „5-Schritte-Verfahren“ eingegangen. Hier einige mögliche Fragestellungen, die Führungskräften bei der Erarbeitung eines Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls helfen können: • Was charakterisiert die Aufgabe? Ist sie schwerpunktmäßig konzeptueller, strategischer, organisatorischer Art? • Welche Komplexität hat die Aufgabenstellung? • Ist die Abstimmung mit anderen Bereichen auch außerhalb des Trägers im sozialen Raum notwendig? Kann die Umsetzung im eigenen Bereich erfolgen? • Welche Rahmenbedingungen gibt es? • Welche Ziele sollen erreicht werden? Können sie jetzt schon detailliert de¿niert werden, gehört es zu den Aufgaben des Teams die Ziele zu verfeinern? • Sind mit der Aufgabe externe Kontakte verbunden? • Welchen Umfang hat die Aufgabe? Wie viel Aufwand (personell, ¿nanziell) ist zu planen? Kann das schon beziffert werden oder muss das Team anhand einer Voruntersuchung erst einmal den Aufwand untersuchen? • Kann die Aufgabe eventuell von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin alleine bewältigt werden? • Lässt sich die Aufgabe in Teilaufgaben zerlegen? • Wie könnten Teilaufgaben aussehen? • Wie könnte ein möglicher Terminplan aussehen? Welche Eckdaten sind vorgegeben (Beginn, Ende)? • Welche fachlichen und persönlichen Voraussetzungen werden für die Aufgabe benötigt? Im nächsten Schritt wird unsere Führungskraft ihre Mitarbeiter/-innen unter Zuhilfenahme des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls, hinsichtlich der notwendigen Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er einschätzen: • Stehen Mitarbeiter/-innen, die dem Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿l mehr oder weniger nahe kommen, zur Verfügung? • Welche Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er sind besonders wichtig? Gibt es unter Umständen Prioritäten? • Ist es sinnvoll noch einmal das Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿l zu reÀektieren? • Wurden benötigte Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er über- oder unterbewertet?
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
• Welche Kompromisse sind möglich? • Könnte eine spezielle Teilaufgabe im Team für einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin gleichzeitig eine Entwicklungsmaßnahme sein? Welche begleitenden Maßnahmen müssen dann in die Wege geleitet werden? • Welche Mitarbeiter/-innen müssen zukünftig in welchen Bereichen weiter entwickelt werden um in ähnlichen Situationen bessere Voraussetzungen zu haben? Welche Maßnahmen sind dazu notwendig? Wann kann mit diesen begonnen werden? Diese Ressourceneinschätzung sollte noch ohne Einbeziehung der Einsetzbarkeit der jeweiligen Mitarbeiter/-innen erfolgen. Dies hilft, einen klaren Blick auch auf mögliche zukünftige Weiterentwicklungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu gewinnen, um in ähnlichen Situationen Àexibler agieren zu können. Neben der Ressourceneinschätzung bezüglich der einzelnen Mitarbeiter/-innen ist es unumgänglich, das zukünftige Team zu betrachten. Harmonieren die Mitarbeiter/-innen mit den optimalen Voraussetzungen auch in einem Team? Ist das nicht der Fall muss die Führungskraft sich überlegen welche Maßnahmen helfen, trotzdem eine gute Arbeitsatmosphäre im Team zu etablieren und zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen. Hier möchten wir auf die einschlägige Literatur verweisen, beispielsweise Fisher, Kimball; Rayner, Steven; Belgard, William 1997: Tips für Teams: Teameinsatz optimal realisieren. Ein weiterer Aspekt unseres Beispiels besteht darin, dass wir hier eine im Führungsalltag nicht selten auftretende Situation vor uns haben, die an Führungskräfte erhöhte Anforderungen stellt: die Mitarbeiter/-innen sind bereits mit geplanten Aufgaben beschäftigt, trotzdem muss eine nicht vorhergesehene neue Aufgabe zeitnah bearbeitet werden. Daher steht die Führungskraft vor verschiedenen Herausforderungen. Sie muss überlegen, wie die in Frage kommenden Mitarbeiter/-innen von ihren derzeitigen Aufgaben ganz oder teilweise freigestellt und für die neue Aufgabe motiviert werden können. Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einsetzbarkeit der Mitarbeiter/innen sind beispielsweise: • Lassen sich die Prioritäten der gegenwärtigen Aufgaben der Mitarbeiter/-innen anders setzen? • Können Teilaufgaben zeitlich auf einen späteren Termin verlegt werden? Welche Konsequenzen hat das? Sind weitere Aufgaben durch eine Verschiebung betroffen („Dominoeffekt“)?
Führungsalltag
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• Können andere Mitarbeiter/-innen Aufgaben übernehmen? Wie lange ist die notwendige Einarbeitungszeit? • Kann die zusätzlich notwendige Arbeitszeit eventuell mit Überstunden abgedeckt werden? Mitarbeiter/-innen, die eine Tätigkeit mit der sie sich in der Regel identi¿zieren unterbrechen müssen um für eine Zeitspanne eine neue Aufgabe zu übernehmen, reagieren in dieser Situation unterschiedlich: • Mitarbeiter/-innen, die grundsätzlich offen sind für Neues lassen sich leicht motivieren, wenn die neue Aufgabe aus ihrer Sicht interessant ist und neue Herausforderungen mit sich bringt. In diesem Fall sollte sich die Führungskraft anhand der Situationsanalyse schon Gedanken darüber machen, welche Aspekte für diese Mitarbeiter/-innen einen Anreiz bieten könnten. • Anders sieht es bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus, die eher gerne im bekannten Umfeld bleiben und sich aus ihrer Sicht auf sicherem Terrain bewegen möchten. Alles Neue bringt sie in eine mehr oder weniger mit persönlichem Stress beladene Situation. Hier kann das Neue an der Aufgabe nicht die entscheidende Rolle spielen, sondern es bedarf vordringlich der emotionalen Unterstützung durch die Führungskraft. Sie muss diesen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die für sie notwendige Sicherheit vermitteln. Nicht zu vernachlässigen ist das Team in dem die Mitarbeiter/-innen bisher eingebunden waren und nun eventuell für eine bestimmte Zeit fehlen werden. Oft passiert es, dass dieses Team sich Fragen stellt wie „Warum gerade wir?“, „Ist unsere Aufgabe weniger wichtig?“. Hier hilft es, dieses Team sehr frühzeitig in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Zum Abschluss der Diskussion unseres Beispiels möchten wir noch auf einige Kerngedanken zu sprechen kommen, deren Relevanz sich in diesem Zusammenhang gut erkennen lässt. Die Analyse unseres Beispiels wird zwar aus Sicht einer Führungskraft vorgenommen und mögliche Fragestellungen aus ihrem Blickwinkel diskutiert. In der Praxis ist es sinnvoll, in manchen Situationen unabdingbar, in den einzelnen Phasen die Mitarbeiter/-innen mit einzubinden. Zum einen Àießen so die Einschätzungen und Ideen der Fachleute bei den Entscheidungen mit ein. Zum anderen sind die Mitarbeiter/-innen, die an der neuen Aufgabe arbeiten sollen, und das Team in dem sie für eine Zeitspanne fehlen, motivierter. Alle konnten ihre Vorstellungen einbringen und die Entscheidungen werden von allen mitgetragen.
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Für die Vorbereitung ist es dennoch wichtig, dass die Führungskraft den Prozess erst einmal gedanklich für sich alleine durchläuft, um bei den ersten Diskussionen mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ihre eigene Meinung zu der gegebenen Aufgabe/Situation darlegen und ihre Zielsetzung erläutern zu können. Damit werden für die Mitarbeiter/-innen die Interessen ihrer Führungskraft einschätzbar und sie können auf sie als Arbeitsgrundlage für ihre Überlegungen und Argumentation Bezug nehmen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir es im Wesentlichen mit den folgenden Grundelementen zu tun haben: • Klärung der Situation und Erstellen eines Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls und entsprechenden Ressourceneinschätzungen • Prüfung und Sicherstellung der Einsetzbarkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen • Motivation von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen • Einbeziehung der Mitarbeiter/-innen und der Teams Wir werden später auf diese Grundelemente wieder zurückkommen und daraus ein Führungselement, das sogenannte 5-Schritte-Verfahren (vgl. Kapitel 10.3) entwickeln. Dieses Verfahren hilft der Führungskraft beim richtigen Einsatz von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und dem Erkennen ihrer Weiterentwicklungspotentiale. Unser Beispiel zeigt, dass die Kunst der Führungskraft darin besteht, unter Berücksichtigung der gegebenen Situation, die jeweils für eine Aufgabe richtigen Mitarbeiter/-innen auszuwählen und sie entsprechend zu führen, so dass die gewünschten Ergebnisse erzielt werden. Nur mit erfolgreicher Führung sind ehrgeizige und innovative Unternehmens-/Organisationsziele erreichbar. Handlungen und Führung müssen optimal ineinandergreifen. In einem Unternehmen/einer Organisation werden dafür in der Regel geeignete Rahmenbedingungen, wie ein Unternehmens-/Organisationsleitleitbild, Führungsleitlinien, und entsprechende Betriebsvereinbarungen (beispielsweise zu Möglichkeiten der Weiterbildung, Erfolgsbeteilung der Mitarbeiter/-innen und andere) geschaffen. Sie bilden neben den gesetzlichen Regelungen den Handlungsspielraum den jede Führungskraft hat.
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Führungsalltag
Ergebnisse
Weiterentwicklung Prozessoptimierung
Ziele Aufgaben
Mitarbeiterführung
Gesetzliche Regelungen
Unternehmens-/Organisationsleitbild Führungsleitlinien
Unternehmens-/Organisationsziele
Handlungsspielraum der Führungskraft Betriebsvereinbarungen
Abbildung 9:
Handlungsspielraum einer Führungskraft
Führungskräfte müssen in dem ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum optimal agieren. Dazu benötigen sie ein geeignetes Instrumentarium sowohl im operativen Bereich als auch im Bereich der Führung um persönlich und für das Unternehmen erfolgreich sein zu können. Dieses Instrumentarium möchten wir mit unserem Modell anbieten. 6.3.2
Die Potential bergende Situation
Veränderungen werden in der Regel von der Führungskraft geplant. Sie können aber auch überraschend eintreten. Gerade ungeplante Veränderungen wirken auf den ersten Blick meist negativ auf die Beteiligten. Sie bieten aber nicht selten die Chance ein bis dahin eingepegeltes System unter neuen Blickwinkeln zu sehen und eingefahrene Vorgehensweisen zu hinterfragen. Gerade aus diesen Situationen heraus erwachsen des Öfteren Kreativität und zukunftsträchtige Veränderungen, sofern man sie als Herausforderung betrachtet und entsprechend reagiert.
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Daher müssen Veränderungen aktiv vorwärtsgebracht werden. Das erfordert, sich neben notwendigen und/oder gewünschten Veränderungen in Aufgabengebieten und Arbeitsabläufen auch mit den Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu beschäftigen. Sollen solche Situationen gewinnbringend gemeistert werden, muss die Führungskraft mit geeigneten Führungselementen Mitarbeiter/-innen am Veränderungsprozess mitwirken lassen, sie motivieren, unterstützen, fördern und sie begleiten. Welche Ereignisse führen nun zu Veränderungen im System? Wir konzentrieren uns auf die klassischen Fälle mit denen Führungskräfte überwiegend konfrontiert sind; sicher gibt es weitere, die sich der einen oder anderen Kategorie zuordnen lassen. In den folgenden Kapiteln, die sich mit den Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und Führungselementen befassen, werden wir eingehender auf diese klassischen Kategorien eingehen und mögliche Vorgehensweisen anbieten. Wir sehen uns zunächst durch die Führungskraft planbare Ereignisse an. • Permanente Prozessoptimierung - Durch Änderungen in den Prozessen selbst (Prozessschritte, Mitarbeiterzuordnung, Werkzeuge, Synergien). - Durch die Möglichkeit dass Mitarbeiter/-innen ihre vorhandenen Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er optimal zum Einsatz bringen können. • Mitarbeiterförderung - Mitarbeiter/-innen sollen weiterentwickelt werden. - Mitarbeiter/-innen werden im Rahmen eines Gesprächs und/oder einer Leistungsbeurteilung hinsichtlich ihrer individuellen Arbeitsergebnisse, ihres Verhaltens und ihrer Potentiale beurteilt. Dies geschieht in größeren Unternehmen/Organisationen in festgelegten regelmäßigen zeitlichen Abständen, aber auch anlassbezogen. • Neue Aufgaben - Mitarbeiter/-innen und Teams müssen neue Aufgaben übernehmen. - Es muss für eine neue Aufgabe ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin ausgewählt werden. - Es muss für eine größere Aufgabe ein neues Team zusammengestellt werden. - Es ist eine strategische Neuausrichtung bestehender Aufgaben notwendig. - Organisatorische Änderungen - Ein neuer Mitarbeiter oder eine neue Mitarbeiterin kommt in das System (Abteilung, Team).
Führungsalltag
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- Eine Führungskraft übernimmt eine neue Abteilung/Team. - Abteilungen/Teams werden zusammengelegt oder getrennt. Ungeplante Ereignisse sind • Nicht vorhersehbare Änderung im Verhalten und/oder der Leistung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin • Unter- oder Überforderung eines Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin durch die aktuelle Aufgabenstellung • Problemsituationen • Kurzfristige Unternehmens-/Organisationsentscheidungen • Veränderungen externer Rahmenbedingungen
6.3.3
Wechsel
Im Führungsalltag werden die beiden beschriebenen Systemzustände immer wieder Àießend ineinander übergehen. Es gibt Zeiten in denen ein Gleichgewicht des Systems (Equilibrium) wünschenswert ist und man sich voll auf die Aufgaben und Ergebnisse konzentrieren kann. Dazu gehören herausfordernde Aufgaben, die bewältigt werden müssen und ein „funktionierendes, eingespieltes Team“ voraussetzen, aber auch Krisensituationen in denen schnell und ef¿zient gehandelt werden muss. In anderen Phasen ist eine Optimierung/Weiterentwicklung von eingeführten Prozessen und Arbeitsabläufen oder die Übernahme neuer herausfordernder Aufgaben erforderlich. In solchen Situationen müssen Führungskräfte einerseits Mitarbeiter/-innen für die anstehenden Veränderungen motivieren, andererseits diese im Bedarfsfall entsprechend quali¿zieren. Voraussetzung für den stetigen Unternehmens-/Organisationserfolg ist Veränderung und Weiterentwicklung bei gleichzeitiger Sicherstellung des Tagesgeschäfts. Der Führungskraft obliegt es daher ein Gleichgewicht (Equilibrium) zwischen Stabilität (alltägliche Situation) und Dynamik (Potential bergende Situation) im Führungsalltag zu erreichen. Gleichzeitig sollte sie in beiden Situationen eine Win-win-Situation für Unternehmen/Organisation und Mitarbeiter/innen anstreben (Equilibrium).
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium Equilibrium in verschiedenen Dimensionen
Alltägliche Situation: System ist im Gleichgewicht
Dynamik
-
Stabilität
Win-win-Situation Unternehmen/Organisation – Mitarbeiter/-innen
Abbildung 10: Equilibrium in verschiedenen Dimensionen – Situationen, die sich im Gleichgewicht be¿nden sollten
Baukasten Führungselemente 6.4
77
Baukasten Führungselemente
Im Zusammenhang mit Führungstechniken und Führungsmodellen stellen sich Führungskräfte, gerade dann wenn sie am Beginn ihrer Laufbahn stehen, wiederholt die Frage welche Merkmale gute und erfolgreiche Führung charakterisieren. Die Antwort ist vielschichtig und wird in der Literatur aus verschiedensten Blickwinkeln diskutiert. Mit unserem Führungsmodell Equilibrium möchten wir Akzente in den folgenden Bereichen setzen: • Systemisches Denken - Kapitel 5 „Systemischer Ansatz im Alltag der Führungskraft“ • Differenzierte Betrachtung der Ressourcen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen - Kapitel 7 „Ressourcen“ - Kapitel 8 „Ressourcen-Ampli¿er“ • Flexibles Führungsverhalten durch situationsabhängige Nutzung von Führungselementen aus unserem Baukasten und die Adaption von professionellen Methoden aus dem Counselling - Kapitel 9 „Steuerung und Vertrauen“ - Kapitel 10 „Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen“ (Gerichtete Wahrnehmung und 5-Schritte-Verfahren) - Kapitel 11 „Basisführungselemente und Weiterentwicklung von Ressourcen Fachkompetenz und Soft Skills fördern“ - Kapitel 12 „Ressourcen-Ampli¿er – Adaption von Methoden aus dem Counselling“ 6.4.1
Intention: Baukasten Führungselemente
Die in vielen Führungsmodellen und bei vielen Führungsstilen durchgeführte Vereinfachung durch die Rückführung auf idealtypisierte Führungsstile für idealtypisierte Mitarbeiter/-innen vermittelt auf den ersten Blick die Vorstellung, mit der Kenntnis und Anwendung dieses Führungsmodells/Führungsstils ein für das ganze Berufsleben praxistaugliches Vorgehen zu beherrschen. Die Führungskraft verspricht sich davon einen schnellen Erfolg im Umgang mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Nicht selten bemerkt sie jedoch schon nach kurzer Zeit, dass
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
keiner ihrer Mitarbeiter/-innen der Idealtypisierung (vgl. Kapitel 4.3) entspricht und sie stellt sich die Frage, wie ihr Führungsstil differenziert werden muss, um der tatsächlichen Situation gerecht zu werden. Wir haben uns daher in unserem Modell entschlossen, der Führungskraft einen Werkzeugkasten von Führungselementen zur Verfügung zu stellen. Mit dessen Hilfe kann sie innerhalb enger Zeithorizonte erfolgreiche, Potentiale fördernde und Grenzen berücksichtigende Handlungsmöglichkeiten (Führungsverhalten) entwickeln. Die Führungselemente werden in Zusammenhang mit Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gebracht. Mit diesem Hintergrundwissen hat die Führungskraft das Handwerkszeug um in der Praxis ihr Führungsverhalten differenziert entsprechend dem Mitarbeiter und der Mitarbeiterin unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabe/Situation „einjustieren“ zu können. Eine besondere Bedeutung kommt in unserem Führungsmodell Equilibrium der Integration adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling in das Führungsverhalten zu. Im folgenden Abschnitt (vgl. Kapitel 6.5) werden wir daher zum besseren Verständnis der auf Counselling basierenden Führungselemente die Charakteristika von Führen und Counselling näher erläutern. 6.4.2
Nutzung des Baukastens „Führungselemente“
Welche Führungselemente die Führungskraft aus unserem Baukasten auswählt hängt ab von • der Aufgabe/Situation • den Zielen/Veränderungen die erreicht werden sollen • den Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und deren Förderung • den Konsequenzen die sich aus Zielerreichung/Veränderungen und Förderung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ergeben Wichtig ist es, sich zunächst über die aktuelle Situation und die Ziele – einschließlich möglicher oder notwendiger Prozessoptimierungen – klar zu werden. Je genauer sich die Führungskraft über diese Fragestellungen klar wird, desto besser kann sie auch während des Veränderungsprozesses überprüfen ob die ursprüngliche Zielsetzung noch erreicht werden kann, oder sie entsprechend eingreifen muss. Insbesondere wenn Mitarbeiter/-innen direkt betroffen sind
Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling
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(Entwicklungsmaßnahmen), können Fehler nur sehr schwer korrigiert werden. Um die Führungskraft in diesem Prozess zu unterstützen stellen wir in Kapitel 10 die gerichtete Wahrnehmung und das 5-Schritte-Verfahren als Führungselemente vor. Ausgehend von dieser Basis wählt die Führungskraft anhand der Ressourcen/Ressourcen-Ampli¿er und der angestrebten Förderung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die passenden Führungselemente aus. Mit unserem Führungsmodell Equilibrium geben wir Führungskräften ein Modell an die Hand mit dem sie leistungs- und mitarbeiterorientiert, basierend auf Vertrauen und Fairness, führen können. Die Umsetzung in der Praxis wird individuell geprägt sein von den persönlichen Eigenschaften, Verhaltensweisen und eigenen Vorstellungen jeder Führungskraft. Bestimmend hierfür sind unter anderem ihre Lebenswelt (Vergangenheit, Werdegang, Werte etc.), ihre persönlichen Karriereziele und die Erwartungen der eigenen Vorgesetzten bzw. des Unternehmens/der Organisation. Diese Faktoren prägen, wie Führungselemente konkret auf Mitarbeiter/-innen wirken. Jede Führungskraft sollte sich dieses von Zeit zu Zeit bewusst machen und die eigenen Handlungen und das eigene Verhalten kritisch hinterfragen. 6.5
Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling
Das englische Verb „to counsel“ heißt, wie in 4.1 angerissen, direkt übersetzt „jemandem bezüglich sozialer, psychologischer oder personaler Probleme einen Rat geben“ (vgl. Oxford Dictionary). Wie ebenfalls bereits erwähnt, ¿ndet man verschiedene Schreibweisen von Counsellor/-in und Counselling: • Counsellor, counselling (britisch) • Counselor, counseling (amerikanisch) Wir haben uns in dieser Abhandlung für die britische Schreibweise entschieden. Ein Schwerpunkt von Führung, der uns in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist, liegt auf der Unterstützung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum selbstständigen Handeln. Oft ist in diesem Zusammenhang von Delegation die Rede. In unserem Modell haben wir eine umfassendere Sicht. Adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling haben in unserem Führungsmodell Equilibrium eine zentrale Stellung und ¿nden sich in vielen Führungselementen wieder. Sie werden zu einem zentralen Merkmal des Führungsverhaltens.
80
Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Wichtige, für das Verständnis der weiteren Ausführungen notwendige Grundlagen werden wir hier vorstellen und im Folgenden immer wieder darauf zurückgreifen. 6.5.1
Arten des Counselling
In der Beratung kann man grundsätzlich zwei Vorgehensweisen unterscheiden: • Aufgabenorientierte Beratung • Prozessorientierte Beratung Beide können im Bereich der Führung, abhängig von der Situation, eingesetzt werden. Im ersten Fall geht es inhaltlich um die Aufgabenstellung: die Führungskraft bringt ihr Fachwissen und ihre Erfahrung als Experte/Expertin ein. Im zweiten Fall unterstützt sie die Problemlösefähigkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und hilft diese zu entwickeln und zu verbessern. In der Praxis wird meist eine Kombination aus beiden Methoden vorkommen. Die Führungskraft muss ihr fachliches Wissen aktuell halten, um sich eine Meinung bilden und notwendige Entscheidungen kompetent treffen zu können. Infolgedessen kann sie mit ihrer Fachkompetenz und Erfahrung gerade jungen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unterstützend zur Seite stehen. Ihren länger im Beruf stehenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wird sie selbstständiges Handeln ermöglichen und sie dabei fördern. Dabei wird sie sie mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Vorgehen (Prozess) begleiten. 6.5.2
Der lösungsorientierte Ansatz als Kernmethode aus dem Counselling
Historie und Grundgedanken Lösungsorientiertes Denken, das heute in vielen Bereichen – unter anderem auch in der Personal- und Organisationsentwicklung – vertreten ist, entstammt ursprünglich der psychotherapeutischen Beratung. Für einen kurzen historischen Abriss möchten wir auf die Darstellung von Bamberger (vgl. Bamberger, G. 2001: 10–15) zurückgreifen. Dabei werden wir uns auf die aus unserer Sicht für Führung wichtigen Fakten konzentrieren.
Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling
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Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre fand – ausgehend vom systemischen Denken – das lösungsorientierte Vorgehen in Beratung und Therapie immer mehr Beachtung. Man konzentriert sich bei diesem Ansatz auf Kompetenzen und Ressourcen und die Möglichkeiten ihrer aktiven Nutzung. Einer der Vordenker dieser Vorgehensweise war Steve de Shazer, der in Milwaukee (Wisconsin) mit Kollegen 1978 ein Institut gründete, das auf Basis dieser Ideen arbeitete. Daher bezeichnet man die Grundüberzeugung, sich von Anfang an auf die Lösung und nicht auf das Problem zu konzentrieren auch als „MilwaukeeAxiom“. Günther Bamberger popularisierte in Deutschland das lösungsorientierte Vorgehen im Rahmen von Beratungsprozessen. Das lösungsorientierte Vorgehen Bei einem lösungsorientierten Vorgehen ist der Grundgedanke, geeignete Lösungsszenarien zu erarbeiten (vgl. Bamberger, G. 2001: 15). Der Prozess der Lösungs¿ndung basiert dabei auf folgenden Maximen (vgl. Bamberger, G. 2001: 21–26): • Eröffnen alternativer Verhaltensmöglichkeiten Betrachtet man Situationen aus mehreren Blickwinkeln, eröffnen sich oft neue, vorher nicht wahrgenommene mögliche Lösungen von Aufgaben und Problemen. • Nutzung zieldienlicher Ressourcen Für die Lösungs¿ndung werden bereits vorhandene Kompetenzen des Klienten/der Klientin (Fähigkeiten, Talente, Begabungen, Erfahrungen, Interessen etc.) mit ins Kalkül gezogen. Ausgehend von ihnen lassen sich umsetzbare Lösungen erarbeiten. • Das humanistische Menschenbild Jeder Mensch hat Ressourcen, die er konstruktiv einsetzen kann. Er ist fähig, sein eigenes Leben aktiv zu gestalten. • Selbstverständnis des Beraters und der Beraterin ist das eines Begleiters/einer Begleiterin Der Berater und die Beraterin ist nicht der Experte/die Expertin für die Lösung von Aufgaben und Problemen, sondern er/sie begleitet und unterstützt den Klienten und die Klientin bei der Findung einer Lösung. Er/sie respektiert
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
den Klienten und die Klientin in diesem Prozess als autonome Person mit individuellem Lebenslauf. • Unterstützen von Selbstwirksamkeit Der Klient und die Klientin sollen erfahren, dass er/sie es selbst in der Hand hat mit Aufgaben und Problemen konstruktiv umgehen zu können, indem er/ sie Lösungsalternativen als künftige Handlungsoptionen entwickelt. Der lösungsorientierte Ansatz in unserem Führungsmodell Equilibrium Unser Führungsmodell greift die Grundsätze des lösungsorientierten Denkens auf. Es unterstützt damit Führungskräfte beim bestmöglichen Einsatz von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, sowie bei der Weiterentwicklung deren Fähigkeiten, mit der Zielsetzung, Aufgaben im betrieblichen Alltag schnell und ef¿zient zu bearbeiten. Im Folgenden möchten wir diese Gedanken kurz umreißen: • Sicht auf Aufgaben/Situationen und Umgang mit komplexen Systemen Im Führungsalltag richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Ziele die erreicht werden sollen. Dazu ist es notwendig, neue Perspektiven für Lösungsansätze zu eröffnen, um so die best mögliche Erledigung einer gegebenen Aufgabe zu erreichen. Vergangenes wird soweit untersucht wie dies für einen vorwärtsbringenden Lösungs¿ndungsprozess notwendig erscheint.
Problemlöseprozess
Ursachenforschung nur so weit wie zur Lösung der Aufgabe bzw. Klärung der Situation notwendig
Die Sicht der Führungskraft geht perspektivisch in die Zukunft: ist lösungsorientiert Zeit
Aufgabe/Situation entsteht zu einem bestimmten Zeitpunkt
Abbildung 11: Lösungsorientierte Ressourcenentwicklung und lösungsorientierter Problemlöseprozess
Im klassischen lösungsorientierten Ansatz werden Ziel und Teilziele, zu Beginn des Prozesses festgelegt. Dieses Vorgehen hat sich auch für die Auf-
Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling
83
gabenstellungen im Führungsalltag bewährt. Wir werden uns damit in Kapitel 12.1.1 ausführlicher beschäftigen. Durch die permanente Auseinandersetzung und ReÀexion von bestehenden Aufgaben/Situationen bieten sich vielfach Chancen für Entwicklungen. Mit neuen Aufgaben/Situationen werden neue Horizonte eröffnet an denen Führungskraft und Mitarbeiter/-innen wachsen können. In Unternehmen/Organisationen hat man es jedoch immer wieder auch mit dynamischen und komplexen Arbeitsfeldern zu tun, bei denen es nicht möglich ist, zu Beginn der Bearbeitung von Fragestellungen die Zielsetzung eindeutig und endgültig zu beschreiben. Beispielsweise gilt das für Aufgaben, die einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen und gleichzeitig stark von externen Faktoren beeinÀusst werden. In diesem Fall müssen in der Planung geeignete Sollbruchstellen und Rückmeldeschleifen festgelegt werden, die dazu dienen die Situation zu reÀektieren und gegebenenfalls Korrekturen bei der Zielsetzung vorzunehmen. Lassen sich die Ziele anfangs noch nicht de¿nitiv beschreiben und ist ihre Erreichung mit Unsicherheitsfaktoren belegt, so ist es sinnvoll, über alternative Maßnahmen, sogenannte „Fallbacklösungen“ nachzudenken. Von Fallbacklösungen spricht man in diesem Zusammenhang deshalb, weil man bei Rückschlägen auf die vorgedachten alternativen Maßnahmen zurückgreifen kann („fall back on“). Bei umfangreichen Aufgabenstellungen ist eine ganzheitliche Wahrnehmung und Analyse der Situation notwendig. So können die Abhängigkeiten von Teilaufgaben untereinander erkannt und die Wirkungen von Lösungsalternativen auf das komplette System beurteilt werden. Für die Visualisierung solcher Abhängigkeiten bieten sich Netzplantechnik, Gantt-Diagramme, PERT-Diagramme und ähnliches an. Hier sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. Beispielsweise auf „Projektmanagement – Produktentwicklungsprojekte zielorientiert und ef¿zient gestalten von Steven Eppinger, 2005“ und „Netzplantechnik: Grundlagen, Aufgaben und Lösungen für Studenten und Praktiker von Oskar Reichert, 1994“. Auch bei vielschichtigen und großen Aufgaben ist es wichtig, sich schnell einen Überblick über den Status quo und die möglichen weiteren Schritte zu verschaffen. Normalerweise betrachtet man in diesen Situationen die aktuell relevanten Ausschnitte und blendet Randbereiche aus. Hier ist aber Vorsicht geboten: durch zu weitgehende Vereinfachungen verliert man mögliche Konsequenzen auf das Ganze aus den Augen.
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium Führungskräfte haben es im Führungsalltag nie mit nur einer Zielsetzung zu tun, sondern sie müssen ZielkonÀikte und Mehrfachzielentscheidungen lösen. ZielkonÀikte erfordern eine mit Fakten fundierte Prioritätensetzung bezüglich der Bewältigung inhaltlich und zeitlich konkurrierende Ziele. Bei Mehrfachzielentscheidungen hat die Führungskraft es mit scheinbar nicht in Zusammenhang stehenden Zielen zu tun. Beispielsweise die Erledigung der anstehenden fachlichen Aufgaben einerseits und die Förderung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen andererseits. Oder die eigene Karriere einerseits und das eigene Privatleben andererseits. Die Energien zur Zielerreichung des einen Zieles können dem jeweils anderen Ziel zugute kommen. Bezogen auf das zweite Beispiel „Karriere – Privatleben“ ist es wichtig nicht nur auf die Karriere zu achten sondern auch in das Ziel „stimmiges Privatleben“ Energien zu investieren, was dann der Karriere auch wieder zugute kommen kann. Gegenwärtig wird dies mit dem Schlagwort Work-Life-Balance thematisiert. Bezogen auf das Beispiel „Erledigung fachlicher Aufgaben – Förderung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“ ist es so, dass die Energien, die die Führungskraft zur Förderung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aufwendet, sich letztendlich auch auf das andere Ziel, nämlich die Erledigung der anstehenden fachlichen Aufgaben, positiv auswirkt. (Vgl. Dörner, D. 2001)
Die Bedeutung weiterer Aspekte des lösungsorientierten Ansatzes für unser Führungsmodell, wie Einsatz und Förderung von Ressourcen und RessourcenAmpli¿ern sowie systemisches Denken wurden oben bereits erörtert. Die Adaption professioneller Methoden aus dem Counselling setzt ein positives Menschenbild voraus, d.h., wir betrachten jeden Menschen als entwicklungsfähiges Wesen. Bezogen auf unsere Analogie des Baukastens bedeutet das, dass wir der Führungskraft geeignete Hilfsmittel an die Hand geben, um lösungsorientiert mit Blick auf die Zukunft tätig sein zu können. In Anlehnung an die Erfahrungen von Steve de Shazer „Mit einem relativ kleinen Bund von Dietrichen lässt sich ein weiter Bereich von Schlössern öffnen“ (Steve de Shazer zit. nach Bamberger, G. 2001: 11) verfolgen wir mit der Idee eines Baukastens folgendes: passend zur Situation kann sich die Führungskraft auf eine überschaubare Anzahl von Führungselementen konzentrieren, die ihr erlauben, komplexe, vielfältige Führungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen.
Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling 6.5.3
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Anforderungen an die Führungskraft beim Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling zur Seite zu stehen, stellt bei Führungskräften auch Anforderungen an die eigene Person. Auf die wichtigsten möchten wir hier eingehen. • Sich zurücknehmen können Für Führungskräfte oft eine schwierige Angelegenheit, da sie auf den ersten Blick im Widerspruch zu Führung steht. „Führen“ heißt Dinge aktiv in die Hand nehmen, Entscheidungen treffen, Richtungen vorgeben, gemeinsam mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Aufgaben lösen. Beim Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling tritt die Führungskraft in gewissem Sinne erst einmal einen Schritt zurück. Die Mitarbeiter/-innen haben die aktive Rolle und die Führungskraft unterstützt sie dabei, indem sie sie zu neuen Gedanken anregt und sie auf Herausforderungen oder Risiken aufmerksam macht. In fachlichen Diskussionen akzeptiert die Führungskraft zielorientierte Ideen und Lösungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, auch wenn sie selbst eine andere Lösung oder ein anderes Vorgehen gewählt hätte („Viele Wege führen nach Rom“). Der Kerngedanke bei der Anwendung adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling ist, Mitarbeiter/-innen so zu unterstützen, dass sie durch ihr eigenes Tun zu Erfolgen kommen. • Sich selbst motivieren können Integriert die Führungskraft adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling als Grundhaltung in ihr Führungsverhalten, so stehen folglich bei fachlichen Diskussionen und Lösungen die verantwortlichen Mitarbeiter/innen im Vordergrund. Die Führungskraft selbst erfährt dadurch Anerkennung meist nur noch indirekt durch die Würdigung ihres eigenen Führungspotentials. Die mit direktem Lob seitens ihrer Vorgesetzten zusammenhängende Selbstbestätigung wird selten. Damit muss sie umzugehen lernen. • Kein laissez-faire Führungsstil Führungsverhalten mit Elementen aus dem Counselling sollte nicht mit einem laissez-faire Führungsstil (vgl. Kapitel 2.1) verwechselt werden, bei dem die
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium Führungskraft ihre Mitarbeiter/-innen agieren lässt ohne selbst aktiv zu werden. Sich zurück zu nehmen und Mitarbeiter/-innen mit adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling zu unterstützen hat aber zum Ziel, sie zu eigenständigem und verantwortlichem Handeln zu entwickeln. Im Unterschied zu einem laissez-faire Führungsstil ist dabei sehr genau zu überlegen in welchen Schritten und mit welchen Methoden man Mitarbeiter/-innen auf diese Situation vorbereitet. Überdies müssen sie von ihrer Führungskraft begleitet werden, um sie vor persönlichem Schaden (Versagen, Verlust von Reputation im Betrieb und ähnlichem) zu bewahren.
• Vertrauen schaffen Um in der Führung adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling zur Wirkung bringen zu können, muss eine entsprechende Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/-innen bestehen. Beide müssen sich gegenseitig respektieren und wertschätzen. Vertrauen gibt Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Sicherheit, die sie brauchen, um sich selbst fordernde Ziele setzen zu können, auch wenn sie damit persönliche Risiken eingehen. Wir werden diese Aspekte im Kapitel 9 näher ausführen. • Der Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling kostet Zeit Als Grundlage für Entwicklung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist die Beantwortung folgender prinzipieller Fragen notwendig: - Wohin will ich den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin entwickeln? - Welche Ressourcen benötigt er/sie dazu? - Welche Führungselemente helfen um diese zu entwickeln?2 Im Entwicklungsprozess muss die Führungskraft auf den Mitarbeiter und die Mitarbeiterin eingehen, versuchen seine/ihre Vorstellungen zu verstehen, sich argumentativ mit ihm/ihr auseinandersetzen. Mit dem so erworbenen Wissen kann sie Mitarbeiter/-innen zielgerichtet unterstützen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf diese Weise zu führen und zu fördern kostet jedoch Zeit, die sich die Führungskraft zusätzlich zu ihrer täglichen Arbeit schaffen muss. Gelingt es ihr, so gewinnt sie mittelfristig für sich selbst
2 In Kapitel 10.3 „Das 5-Schritte-Verfahren“ werden wir Führungskräften ein Hilfsmittel zur genaueren Analyse und Beantwortung dieser Fragen an die Hand geben.
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Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling
Freiräume, da die Mitarbeiter/-innen selbstständig arbeiten können. Die so gewonnene Zeit kann sie für wichtige strategische Aufgaben einsetzen. • SelbstreÀexion Führungskräfte sollten immer wieder selbst über ihre Beweggründe und ihre Vorgehensweisen reÀektieren. 6.5.4
Die Rolle der Führungskraft
Auch bei der Integration adaptierter Methoden aus dem Counselling in ihr Führungsverhalten behält die Führungskraft die Verantwortung für Ergebnisse und zu treffende Entscheidungen. Auch ist sie in der Regel in die betriebliche Hierarchie eingebunden, in diesem Falle ihrem Vorgesetzen gegenüber verantwortlich und ihren Mitarbeitern/-innen gegenüber weisungsbefugt. Das ist ihre ausdrückliche Rolle im mittleren Management. Für den Mitarbeiter und die Mitarbeiterin hat sie also eine klare Rolle der Aufgabenzuweisung und Zielkontrolle. Diese Rolle behält sie auch dann bei, wenn sie in der Zusammenarbeit und bei der Förderung ihrer Mitarbeiter/-innen im Sinne einer humanen Mitarbeiterführung auf adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling zurückgreift. Die folgende Abbildung zeigt dieses Führungsverhalten schematisch am Beispiel eines Kritikgespräches mit anschließender Lösungs- und Entscheidungs¿ndung.
Phase:
Kritikgespräch
Mitarbeiter/-in zur eigenen Lösungsfindung motivieren
Entscheidung über weiteres Vorgehen
Abbildung 12: Führungsverhalten schematisch an einem Beispiel
Sind Fehler passiert und übt ein Vorgesetzter/eine Vorgesetzte positive und akzeptierende Kritik, so erleben Mitarbeiter/-innen eine Führungskraft, die sie nicht „fertig machen will“, ihnen aber doch klar und deutlich sagt, was aus ihrer Sicht „falsch gelaufen“ ist.
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Grundlagen des Führungsmodells Equilibrium
Danach arbeitet sie konstruktiv mit ihnen weiter. Sie entzieht ihnen nicht die Verantwortung, sondern gibt ihnen die Chance eventuelle Fehler aktiv durch eigene Lösungs¿ndung zu kompensieren. Dadurch erreicht die Führungskraft zum einen, dass Mitarbeiter/-innen versuchen, sorgfältiger zu arbeiten, zum anderen in jedem Fall sofort zu ihr kommen wenn etwas schief gelaufen ist und nicht möglichst lange versuchen, etwas zu „verschleiern“ oder „auszusitzen“. Gleiches gilt natürlich auch für die Situation in der die Führungskraft erkennt, dass etwas „aus dem Ruder“ läuft und sie steuernd eingreifen muss. Wichtig für Mitarbeiter/-innen ist es, dass die Führungskraft in jeder Phase als Gesamtperson erkennbar bleibt. Das heißt, sie darf sich nicht in den Phasen des Kritikgesprächs und der Entscheidungs¿ndung völlig konträr zur Phase der Lösungs¿ndung verhalten. Damit wird die Anwendung von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling auch für das Unternehmen/die Organisation zum Gewinn, da frühzeitig Chancen erkannt oder Folgeschäden vermieden werden können. 6.5.5
Wirkung von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling im Führungsverhalten
Integriert die Führungskraft adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling in ihr Führungsverhalten, so prägt dies ihr Handeln in allen ihren Aufgaben. Das folgende Schema zeigt das:
Führung und professionelle Methoden aus dem Counselling
Kernaufgaben einer Führungskraft Aufgaben für die Erreichung der Ziele des Unternehmens/ der Organisation
Organisatorische Aufgaben
Mitarbeiterführung
Adaption professioneller Methoden aus dem Counselling wirken in allen Führungselementen und damit im Führungsverhalten. Insgesamt wirkt das Führungsverhalten in allen Kernaufgaben der Führungskraft. Führungsverhalten
Führungselemente Adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling
Abbildung 13: Adaptierte professionelle Methoden aus dem Counselling als zentrales Merkmal des Führungsverhaltens
89
7
Ressourcen
Wir werden im folgenden Kapitel zunächst zu fördernde und ausbaufähige Ressourcen klassi¿zieren und kurz darstellen. Festhalten möchten wir zunächst, dass sich Ressourcen verändern und zwar • mit Aufgabenstellungen • mit Veränderungen von Situationen • im zeitlichen Verlauf durch geeignete Weiterentwicklungsmaßnahmen Klassi¿kation der Ressourcen: • Fachkompetenz (Professional Competence) Ausbildung, Fachwissen, fachliches Pro¿l, sprachliche/begrifÀiche Fertigkeiten. • Soft Skills Kommunikationskompetenz, Soziale Kompetenz, Aktionskompetenz, Kreativität, richtige Balance von Authentizität und Wirkungskalkül. • Ressourcen-Ampli¿er Ressourcen-Ampli¿er sind Ressourcen einer besonderen Art: Sie bestimmen – wie bereits unter 6.3 angerissen – die Wirkungsweise anderer Ressourcen und verstärken diese. Zu den Ressourcen-Ampli¿ern gehören „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“, „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“, „Verarbeitete Erfahrung“. Diese Ressourcen-Ampli¿er sind besonders wichtig, daher werden wir ihnen ein gesondertes Kapitel widmen.
92 • • • • •
Ressourcen Kommunikationskompetenz Soziale Kompetenz Aktionskompetenz Kreativität Soft Skills Richtige Balance von Authentizität und Wirkungskalkül
Fachkompetenz
Ressourcen-Amplifier
• • • •
Ausbildung Fachwissen Fachliches Profil Sprachliche/begriffliche Fertigkeiten
• • • •
Zuverlässigkeit Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme Urteilsfähigkeit Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft • Verarbeitete Erfahrung
Abbildung 14: Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er
7.1
Aktuelle Situation, Potential und Grenzen
Zunächst möchten wir an der Metapher der Wassersäule, die hier für eine bestimmte Ressource steht, drei für die weiteren Ausführungen wichtige Begriffe illustrieren. Situationsspezifische Grenze bzw. persönliche Grenze in der Situation Potential Aktuelle Situation
Abbildung 15: Metapher „Wassersäule“
Der Pegelstand des Wassers zeigt die aktuelle Situation. Grundsätzlich kann sich jeder Mensch, unabhängig von seinem Lebensalter, bezüglich seiner Ressourcen/
Fachkompetenz (Professional Competence)
93
Ressourcen-Ampli¿er mit einem bestimmten Aufwand an Zeit und Zuwendung weiterentwickeln. Abhängig von der vorhandenen Eigeninitiative treibt jemand seine Entwicklung selbst voran oder es bedarf der Motivation und Unterstützung von Anderen. Diese Möglichkeit der Weiterentwicklung ist das vorhandene Potential. Der Aufwand (Zeit und Zuwendung), der erbracht werden muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Im betrieblichen Alltag steht dem Mitarbeiter und der Mitarbeiterin, bedingt durch die Rahmenbedingungen im Unternehmen/der Organisation, nur eine begrenzte Zeit für die eigene Weiterentwicklung zur Verfügung. Die Unterstützung der Führungskraft ist ebenfalls zeitlich und vom Aufwand her begrenzt. Das heißt, es kann innerhalb der jeweils gegebenen Situation nur ein bestimmtes Potential eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erschlossen werden. Aus Sicht der Führungskraft wird der/die eine oder andere Mitarbeiter/-in an Grenzen gelangen, für deren Überschreiten die Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Das heißt aber nicht, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin in anderen Situationen und/oder in anderen Zusammenhängen diese Potentiale für sich nicht doch aktivieren kann. 7.2
Fachkompetenz (Professional Competence)
Fachkompetenz als Ressource beinhaltet die Gesamtheit an fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und hat immer einen konkreten Bezug zu berufstypischen Aufgaben und Situationen. Im Einzelnen gehören dazu: • Ausbildung Basis der Fachkompetenz ist die für die beruÀiche Tätigkeit erworbene Ausbildung (Berufsaufbildung, Studium, Zusatzquali¿kationen). Zu Beginn der Berufstätigkeit ist sie die Einstiegsvoraussetzung für bestimmte beruÀiche Tätigkeiten und/oder Laufbahnen. In der Regel vermittelt jede Ausbildung: - aktuelles fachliches Wissen und - allgemein gültige Arbeitsmethoden. Das aktuelle fachliche Wissen wird mit den Berufsjahren zum Teil veralten, wenn es nicht durch permanente Weiterbildung ajour gehalten und erweitert wird. Die während der Ausbildung erlernten Methoden, Techniken und Fähigkeiten, wie man sich etwa neue Erkenntnisse im Fachgebiet ef¿zient aneignet
94
Ressourcen und sich mit ihnen auseinandersetzt oder neue Aufgaben analytisch, zielgerichtet angeht, sind Schlüsselkompetenzen und behalten ihre Gültigkeit über die Zeit. Aktuelles Fachwissen und Arbeitstechniken ¿nden sich in der Ressource Fachkompetenz an verschiedenen Stellen wieder.
• Fachwissen Fachwissen ist die Gesamtheit der fachlichen Fertigkeiten: - Berufsspezi¿sches Fachwissen Es umfasst die Kernkompetenz im fachlichen Bereich. - Fachwissen bezogen auf das Unternehmen/die Organisation Jedes Unternehmen/jede Organisation hat spezi¿sches fachliches Knowhow, das alle neuen Mitarbeiter/-innen im Laufe der Zeit erwerben müssen. Dazu gehören beispielweise unternehmens-/organisationsspezi¿sche Fachtermini, Arbeitsabläufe und organisatorische Regelungen. - Fachwissen bezogen auf die konkrete Aufgabe/Situation Mitarbeiter/-innen, die über einen längeren Zeitraum in einem Bereich tätig sind, eignen sich damit ein entsprechendes Fachwissen an. Sollen sie in neuen Aufgabengebieten eingesetzt werden müssen sie sich in der Regel zusätzliches Fachwissen aufbauen. Nehmen wir beispielsweise eine Sozialpädagogin, die seit 10 Jahren in unterschiedlichsten Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit tätig ist und sich eine enorme Fachkompetenz angeeignet hat. Sie hat neben solider Betreuungserfahrung auch eine hohe Kompetenz bei der Erstellung von Konzeptionen. Wenn sie allerdings bisher nie gefordert war, diese Konzeptionen gegenüber verantwortlichen Politikern und Politikerinnen zu präsentieren, werden ihre fachlichen Ressourcen dann, wenn sie diese Aufgabe übernehmen soll, trotzdem gering sein. Sie muss sich entsprechende Fähigkeiten aneignen. - Fachwissen, bezogen auf Sachverhalte aus der Vergangenheit Mitarbeiter/-innen die länger mit einer immer wiederkehrenden Aufgabenstellung beschäftigt sind, haben ein spezielles Fachwissen bezogen auf die Entwicklung der betreffenden Thematik. Sie kennen Gründe für Entscheidungen aus der Vergangenheit, die unter Umständen bei aktuellen Fragestellungen wichtig sein können. - Beratungsprozesse, Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten und Dienstleistungen, Verbesserungen von Arbeitsläufen bauen häu¿g auf bereits Vorhandenem auf.
Fachkompetenz (Professional Competence) -
95
Methodik im Fachgebiet Präsentationstechniken Moderationstechniken Führungsmethoden Interkulturelles Wissen Fremdsprachen
• Fachliches Pro¿l Abhängig von Aufgabe und Situation ist es notwendig, Mitarbeiter/-innen einzusetzen, die entweder ein sehr tiefes fachliches Wissen auf einem speziellen Gebiet haben – Spezialisten/Experten oder Spezialistinnen/Expertinnen – oder ein breiteres, eher allgemeines Fachwissen besitzen – Generalisten oder Generalistinnen. Letztere sind oft die Fachleute für Prozesse und nicht für die einzelnen Schritte. Beispielsweise spricht man in diesen Fällen heute vom Case Manager/-in oder Prozessbegleiter/-in. Er/sie zieht für die einzelnen Schritte in der Regel Spezialisten und Spezialistinnen hinzu. • Sprachliche/begrifÀiche Fertigkeiten Mitarbeiter/-innen müssen heute über ausreichende sprachliche/begrifÀiche Fertigkeiten verfügen. Sei es im mündlichen oder schriftlichen Umgang mit Kunden/Kundinnen bzw. Klienten/Klientinnen oder im Unternehmen/der Organisation mit den Kollegen/-innen und Vorgesetzten. Gerade beim Kontakt mit Kunden/Kundinnen bzw. Klienten/Klientinnen ist es aber besonders wichtig die „Sprache des Kunden/der Kundin bzw. des Klienten/der Klientin“ sprechen zu können. Sollen Arbeitsergebnisse etwa vor einem größeren Forum präsentiert werden, sind rhetorische Kenntnisse vorteilhaft. Die momentane Fachkompetenz eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin ist bis zu einer situationsspezi¿schen oder persönlichen Grenze entwickelbar. Diesen entwickelbaren Bereich verstehen wir als Weiterentwicklungspotential. Die folgende Metapher der Wassersäule verdeutlicht dies:
96
Ressourcen Situationsspezifische Grenze bzw. persönliche Grenze in der Situation Potential Aktuelle Situation: Fachkompetenz
Abbildung 16: Fachkompetenz
7.3
Soft Skills
Als „Soft Skills“ werden im Allgemeinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bezeichnet, die dem Bereich der persönlichen oder auch sozialen Kompetenz zugeordnet werden können. Soft Skills als Ressource verstehen wir immer mit einem konkreten Bezug zu berufstypischen Aufgaben und Situationen. Unter anderem gehören dazu: • Kommunikationskompetenz (vgl. Romain, R.; Tiberius, V. A. 2003: 11–72) Kommunikationskompetenz beschreibt zum einen die Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen und zum anderen die eigenen Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit, der Argumentation bis hin zur Qualität der Kommunikation, die sich unter anderem in der Effektivität und Zielgerichtetheit ausdrückt. • Soziale Kompetenz Aufgaben und Situationen sind immer in Zusammenarbeit mit Anderen zu bewältigen. Um hier erfolgreich zu sein, bilden Soft Skills eine wichtige Voraussetzung. Solche Soft Skills sind beispielsweise Empathie, Kompromissfähigkeit, KonÀiktfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Teamfähigkeit (vgl. Asen, K. 2003: 211–256), Toleranz. • Aktionskompetenz Aktionskompetenz umfasst Soft Skills, die das Handeln oder die Leistung und Produktivität direkt beeinÀussen, wie etwa Stetigkeit, Belastbarkeit, Stress-
Soft Skills
97
stabilität, Engagement/Motivation (vgl. Ogilvie, T. 2004: 7–74), Flexibilität, Denktechniken und Denkgewohnheiten (vgl. Asen, K. 2004: 75–154), effektive Lerntechniken (vgl. Hesberg, L. 2004: 219–266), Entscheidungs¿ndung (vgl. Fischer, E.; Asen K.; Tiberius, V. A. 2004: 149–228), Arbeitsmethodik (vgl. Romain, R. 2004: 229–298). • Kreativität (vgl. Asen, K. 2004: 85–148) Die Fähigkeit eigene neue Ideen und innovative Lösungen zu entwickeln. • Richtige Balance von Authentizität und Wirkungskalkül (vgl. Schulz von Thun, F. 2004). Authentisch sein heißt vor allem, für seine Umgebung einschätzbar sein. Reden und Handeln passen zusammen. Ausbalancierung von Wirkungskalkül und Authentizität bezeichnet Ruth Cohn als selektive Authentizität. Die Bedeutung dessen kann mit folgendem Satz umschrieben werden: Ich muss nicht alles sagen (vor allem nicht unbedingt das, was verletzend ist) aber alles, was ich sage, sollte wahr sein (vgl. Cohn, R. C. 1975: 124ff). Soft Skills und Fachkompetenz lassen sich nicht überschneidungsfrei klassi¿zieren. In der Literatur ¿ndet man beispielsweise Methodenkompetenz einmal der Fachkompetenz, ein anderes Mal den Soft Skills zugeordnet. Wir haben uns für eine uns schlüssige Zuordnung entschieden, die durchaus für Diskussionen Raum lässt. Soft Skills sind neben der Fachkompetenz ein entscheidender Erfolgsfaktor im beruÀichen Alltag. Wir gehen hier nur kurz und holzschnittartig auf Soft Skills ein, da sie in der einschlägigen Literatur bereits sehr ausführlich dargestellt und diskutiert werden. Insbesondere möchten wir hier verweisen auf „Handbuch Soft Skills“ in drei Bänden des Deutschen Manager-Verbandes e.V. 2003, 2004.
8
Ressourcen-Ampli¿er
Ressourcen-Ampli¿er bestimmen maßgebend die Wirkung der anderen Ressourcen. Zu ihnen gehören: • „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ Wir werden uns dabei auf Lawrence Kohlberg beziehen. • „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ Wir werden uns zur Erhellung der Zusammenhänge auf den psychologischen Theorieansatz der Kausalattribuierung stützen. Heckhausens Ausführungen bilden die Basis für unsere diesbezüglichen Erörterungen. • „Verarbeitete Erfahrung“ Hierbei gehen wir insbesondere auf das Modell des parallel distributed processing der Neurowissenschaftler J. MacClelland und D. E. Rumelhart ein. 8.1
Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme
Zunächst geht es dabei um die Fähigkeit einer Person zur Verantwortungsübernahme. Zu deren näheren Bestimmung greifen wir auf das theoretische Modell des Entwicklungspsychologen Lawrence Kohlberg (1964, 1984, 1995) zurück. Kohlberg sieht die Fähigkeit der Verantwortungsübernahme und des selbst bestimmten aber nicht egozentrischen Urteilens als Prozess persönlicher Reifung. Die Stufen und Niveaus der Entwicklung von Urteilsfähigkeit geben Anhaltspunkte für entwickelte persönliche Ressourcen. 8.1.1
Voraussetzungen zum Verständnis Kohlbergs Modell
Zunächst sollen einige begrifÀiche Klärungen das Verständnis des vorgeschlagenen Modells verbessern.
100
Ressourcen-Amplifier
Soziale Norm Der erste zentrale Begriff, den es zu erläutern gilt, ist die „soziale Norm“. Der Begriff entstammt der Soziologie, die unter anderem die Grundlagen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens untersucht. Bei der Analyse dieser Grundlagen wird deutlich, dass menschliches Zusammenleben nur funktioniert, wenn sich die Beteiligten einer sozialen Gemeinschaft, angefangen bei der Familie über soziale Gruppen – wie etwa die Mitarbeiter/innen eines Betriebes/einer Organisation – bis hin zur gesamten Gesellschaft, an bestimmte Regeln halten. Solche Regeln, gesellschaftliche Übereinkünfte, sind soziale Normen. Ein Teil dieser sozialen Normen existieren in Form von Gesetzen, andere werden als Bestandteil einer Kultur von Generation zu Generation ohne schriftliche Fixierung überliefert. Etwas vereinfachend kann man sagen, dass sich soziale Normen darauf beziehen, was verboten und was erlaubt, was geboten oder zu beanspruchen, aber auch wann und in welchem Umfang zu gewähren ist (vgl. z.B. Montada, L. 1998: 862–894). Im betrieblichen Bereich spricht man in diesem Zusammenhang von „betrieblichen Vereinbarungen“ und der Unternehmens-/Organisationskultur. Beide fußen auf generell in der Gesellschaft geltenden sozialen Normen. Betriebliche Vereinbarungen regeln das Miteinander und werden von den Partnern im Betrieb, beispielsweise zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung, vereinbart. Sie regeln was wann und in welchem Umfang auf der betrieblichen Ebene zu gewähren ist, Rechte und PÀichten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, Vorgesetzten und Geschäftsleitung wie Arbeitszeiten, Vergütungsrichtlinien, Urlaubsanspruch, Führungsgrundsätze und vieles mehr. Daneben existieren im Unternehmen/in der Organisation auch nicht schriftlich ¿xierte Normen die explizit und implizit von Mitarbeiter- zu Mitarbeitergeneration und von Führungs- zu Führungsgeneration weitergegeben werden. Dazu gehört zum Beispiel der Kommunikationsstil der im Unternehmen/in der Organisation gepÀegt wird oder auch, wie die betrieblichen Vereinbarungen in der Praxis gelebt werden. Diese nicht schriftlich ¿xierten Normen sind Teil, Ergebnis und wiederum Bausteine der Unternehmens-/Organisationskultur. Zwei konkrete Beispiele mögen hier zur Anschauung dienen: • In vielen Führungsleitlinien großer Unternehmen/Organisationen stehen Sätze wie „Führen durch Vorleben“ oder „Die Führungskraft hat Vorbildfunktion“, also bewusste De¿nition von nonverbaler Weitergabe von Normen.
Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme
101
• Mitarbeiter/-innen, die Verantwortung als Führungskräfte übernehmen orientieren sich in der Regel an dem Verhalten ihrer/ihres Vorgesetzten. Sie werden Verhaltensweisen übernehmen, die sie als positiv und motivierend empfunden haben und so Normen in die nächste Generation der Führungsriege übernehmen. Verinnerlichung von Normen – Niveau der Normeninternalisierung Manche Menschen halten sich nun an solche Regeln freiwillig und ohne Kontrolle beispielshalber durch Vorgesetzte oder staatliche Organe: Im Verlauf ihres persönlichen Reifungsprozesses, sowohl in ihrer privaten als auch beruÀichen Sphäre, wurden die entsprechenden Normen Bestandteil ihrer Persönlichkeit. Die vorgegebenen Normen werden von ihnen als verpÀichtende Regeln handlungsrelevant (entscheidend für ihre Handlungen). Psychologen und Psychologinnen bezeichnen diesen Reifungsprozess als Internalisierung („Verinnerlichung“). Dieser Verinnerlichungsprozess ist aber nicht bei jedem Menschen gleich weit fortgeschritten. Manche Menschen haben weniger, andere mehr Normen verinnerlicht. Auch das „innere Verlangen“, eine Norm tatsächlich auch dann, wenn sie im Moment einem unmittelbaren Bedürfnis nicht entspricht und niemand deren Einhaltung kontrolliert, trotzdem einzuhalten, ist je nach persönlicher Reife unterschiedlich hoch: Die Differenz des jeweiligen persönlichem „Reifegrads“ zeigt sich in einem unterschiedlichen Niveau der Normeninternalisierung. SelbstreÀexivität Menschen mit einem hohen Niveau der Normeninternalisierung halten sich also in der Regel an die für die jeweiligen Situationen gültigen sozialen Normen auch ohne Kontrolle. Eine Schwierigkeit besteht allerdings: die Normen werden ja, wie erwähnt von Generation zu Generation auch von Mitarbeiter- zu Mitarbeitergeneration überliefert. Die gesellschaftliche Realität verändert sich jedoch gerade in jüngster Zeit in erheblichem Umfang. „Zeitdiagnostische“ Soziologen wie beispielsweise Ulrich Beck (1986, 1991, 1994, 1997) Scott Lash und Anthony Giddens (zusammen mit Beck, U. 1996) sprechen von einer zunehmend „pluralistischen“ Gesellschaft: Die Wertvorstellungen, die Lebensentwürfe, die Lebensstile, die Erfahrungshintergründe, die
102
Ressourcen-Amplifier
Sinnsysteme der Menschen in den zivilen Gesellschaften West- und Mitteleuropas werden immer vielfältiger. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmenden Mobilitätsanforderungen an den Einzelnen/die Einzelne – es wird zum Beispiel immer schwieriger einen „passenden“ Arbeitsplatz am „angestammten“ Wohnort zu ¿nden – die sich verstärkenden Globalisierungstendenzen und die damit verbundene „Erosion“ (Verlust des inneren Zusammenhaltes) sozialer Milieus. Eine der Konsequenzen dieser zunehmenden Tendenz der Pluralisierung ist die Tatsache, dass viele Situationen, in denen sich ein Mensch für die eine oder andere Handlungsalternative entscheiden muss, immer komplexer und auch in sich widersprüchlicher werden. Dies schlägt sich insbesondere auch im betrieblichen Alltag nieder. Teilweise können in einer Situation bestehende überlieferte und verinnerlichte Normen miteinander in KonÀikt geraten. Menschen, die sich häu¿g mit solchen KonÀikten auseinandersetzen (müssen), können bei (noch) nicht hinreichend entwickelten persönlichen oder sozialen Kraftquellen (Ressourcen) „zerbrechen“ und in ihrer persönlichen Reife zurückfallen (Fachbegriff: „Regression“) oder bei gut entwickelten persönlichen und sozialen Ressourcen daran reifen: bei ihnen entstehen persönliche Überzeugungen und festigen sich. Die Berechtigung, auch einer verinnerlichten Norm, wird nach einem solchen persönlichen Reifungsprozess durch grundsätzliche Überlegungen zur Gerechtigkeit und Funktionalität dieser Norm in Frage gestellt. Diese Fähigkeit, sozusagen die eigene Person mit ihren internalisierten Normen und den daraus resultierenden Handlungsweisen wie im Spiegel zu beobachten (der Spiegel reÀektiert unser Verhalten), sie dann kritisch im oben beschriebenen Sinne zu hinterfragen, bezeichnen wir als Fähigkeit der „SelbstreÀexivität“. Je besser einer Person dies auf Grund ihrer persönlichen Reife gelingt desto höher ist ihr Niveau der SelbstreÀexivität. 8.1.2 8.1.2.1
Drei Niveaus mit je zwei Stufen der Entwicklung nach Lawrence Kohlberg Grundsätzliches zur Anwendung des Modells
Nachdem nun die begrifÀichen und inhaltlichen Voraussetzungen geklärt sind, ist es relativ einfach, das Modell Kohlbergs zu verstehen.
103
Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme
Ressourcen und Ressourcen-Amplifier
Zunächst gilt es jedoch, eine inhaltliche Spezi¿zierung vorzunehmen: Der persönliche Reifungsprozess, ¿ndet sowohl in Kindheit und Jugend als auch im Erwachsenenalter statt. In der „Kohlbergschule“, also in Kohlbergs und den seine Konzeption weiterführenden Arbeiten wie zum Beispiel Oser und Althof (1992) oder Lind (2003) wurde die persönliche Reifung moralischen Denkens und Urteilens vor allem in Kindheit und Jugend untersucht. Dass aber diese Entwicklungen im Erwachsenenalter sich fortsetzen können, wurde von Eisenberg und Fabes (1988) belegt. Diese Erkenntnis Àießt in unser Führungsmodell mit ein. Die Analyse der vielen Faktoren, von denen die persönliche Reifung im Verlauf der seitherigen biographischen Entwicklung der jeweiligen Personen beeinÀusst wurden, sollen also hierbei nur insoweit erläutert werden wie sie für künftige Entwicklungen bedeutsam sind. Entscheidend ist für uns, zu zeigen, wie der Stand der Entwicklung des jeweiligen Ressourcen-Ampli¿ers eingeschätzt werden kann sowie welche geeigneten Förderungen eingeleitet werden können. Die folgende Abbildung soll dies veranschaulichen.
Entwicklung von Ressourcen und Ressourcen-Amplifiern
Wie der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin die Ressourcen und RessourcenAmplifier erworben hat, ist in der Regel nicht relevant
Die Sicht der Führungskraft geht perspektivisch in die Zukunft. Sie hat ein Interesse die Ressourcen und Ressourcen-Amplifier des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin zu entwickeln
Führungskraft und Mitarbeiter/-in treffen sich zu einem Zeitpunkt, an dem der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin über bestimmte Ressourcen und Ressourcen-Amplifier verfügt
Zeit
Abbildung 17: Ressourcenentwicklung
Wichtig erscheint es uns, bevor wir die im Folgenden zu beschreibenden Stufen und Niveaus persönlicher Reife des Kohlberg-Modells erläutern, darauf hinzuweisen, dass es sich beim Reifegrad aller Menschen in der Regel um Mischformen zwischen den jeweiligen Stufen und Niveaus handelt. Diese
104
Ressourcen-Amplifier
sind lediglich verdeutlichende Typisierungen, sogenannte „Idealtypisierungen“ (vgl. Kapitel 4.3). Den „Idealtyp“, also den Menschen, der ausschließlich alle Merkmale aufweist, die den Reifegrad einer jeweiligen Stufe kennzeichnen, gibt es selten. Auf den jeweiligen Menschen treffen die beschrieben Merkmale nur in stärkerem oder schwächerem Maße zu. Das zeigt uns dann, zwischen welchen Stufen und zwischen welchen Niveaus die persönlichen Reifegrade anzusiedeln sind. Die Stufen und Niveaus können also lediglich als Hilfe zur Orientierungen dienen. Die Menschen sollten folglich nicht in die Stufen quasi wie in Schubladen hineingezwängt werden, sondern es sollte vorsichtig beurteilt werden, mit welchen Persönlichkeitsanteilen die persönliche Reife eher dieser oder jener Stufe beziehungsweise diesem oder jenem Niveau entspricht. Dementsprechend sollten auch die Führungselemente nie dogmatisch, also unhinterfragt genau dem Konzept entsprechend, sondern immer Àexibel, das heißt ebenfalls als „Mischformen“ zwischen den drei dargestellten Möglichkeiten, angewendet werden. Insgesamt wird im vorgestellten Konzept die persönliche Reifung des Menschen in drei Niveaus, „vormoralisch“, „konventionell“ und „postkonventionell“ mit jeweils zwei Stufen gegliedert. Die folgende Tabelle gibt einen ersten orientierungsstiftenden Überblick: Übersichtstabelle der Kohlberg´schen Niveaus und Stufen
Niveau
Stufen
Normeninternalisierung Hoch = + Nieder = –
SelbstreÀexivität Hoch = + Nieder = –
A:
„vormoralisch“
1 und 2
–
–
B:
„konventionell“
3 und 4
+
–
C:
„postkonventionell“
5 und 6
+
+
Tabelle 4:
Übersicht der Kohlberg’schen Niveaus und Stufen
Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme 8.1.2.2
105
Niveau A
Kohlberg bezeichnet dieses Niveau, wie einleitend bemerkt, als „vormoralisch“. Charakteristisch hierfür ist ein niedriges Niveau der Normeninternalisierung. Normen werden hier nur dann befolgt wenn Kontrolle statt¿ndet und Bestrafung (im betrieblichen Umfeld: negative Auswirkungen) bei Nichteinhaltung der Norm zu befürchten ist. Das Verhalten orientiert sich hier weitgehend an den eigenen Bedürfnissen. Auf Stufe eins in diesem Niveau steht vor allem die Unterordnung unter Autoritäten – die als Wert an sich gelten – im Vordergrund, sowie der Versuch, Bestrafung zu vermeiden. Auf Stufe zwei in diesem Niveau kommt der Erfüllung der eigenen Bedürfnisse eine besondere Bedeutung zu. In diesem „vormoralischen“ Niveau ist auch die Fähigkeit der SelbstreÀexivität nicht ausgeprägt. Zusammenfassend kann also für dieses Niveau gelten: • Geringer Grad an Normeninternalisierung, • Niedriges Niveau der SelbstreÀexivität
8.1.2.3
Niveau B
Dieses Niveau bezeichnet Kohlberg als „konventionell“. Das Niveau der Normeninternalisierung ist hoch. Die geltenden Regeln werden ohne Kontrolle auch dann befolgt, wenn momentan eigene Bedürfnisse nicht befriedigt werden und/oder deren Befriedigung aufgeschoben werden muss. In der ersten Stufe dieses Niveaus, nach Gesamtzählung der Stufen in Stufe drei bildet vor allem die Familie den Bezugsrahmen für die Verhaltensweisen, aber auch der unmittelbare Freundeskreis („Primärgruppen“) und deren Interessen sind für die Orientierung wichtig. Auf der zweiten Stufe dieses Niveaus, also der Stufe vier in der Gesamtzählung, steht die Erfüllung der Anforderungen eines gegebenen Ordnungs- und Rechtssystems im Vordergrund. Die Einhaltung der dort festgelegten Rechte und PÀichten wird zum obersten Gebot. Alle Ansprüche einer Person lassen sich ausschließlich aus diesem Ordnungs- und Rechtssystem ableiten.
106
Ressourcen-Amplifier
Das Niveau der Fähigkeit der SelbstreÀexivität ist auf diesem Niveau allerdings wenig ausgeprägt. In der Umgangssprache bezeichnet man dies als „law-and-order“-Haltung. Zusammenfassend kann dieses Niveau also wie folgt charakterisiert werden: • Hoher Grad an Normeninternalisierung • Geringes Niveau der SelbstreÀexivität
8.1.2.4
Zuverlässigkeit als Ressourcen-Ampli¿er
Mitarbeiter/-innen, die allgemeine und betriebliche Normen ausreichend verinnerlicht haben, zeichnen sich durch eine hohe Zuverlässigkeit aus. Diese Verlässlichkeit und ihr PÀichtbewusstsein ermöglichen es, sie mit Aufgaben zu betrauen und sie bei der Aufgabenerfüllung nicht eng kontrollieren zu müssen. Allerdings haben solche Mitarbeiter/-innen häu¿g Angst Verantwortung zu übernehmen: es ist für sie sehr schwierig, dann richtige Handlungsalternativen zu ¿nden wenn sich diese nicht aus den Anforderungen eines gegebenen Ordnungs- und Rechtssystems, wie zum Beispiel eines Organisationshandbuchs oder den Anweisungen der Führungskraft ableiten lassen. 8.1.2.5
Niveau C
Dieses Niveau bezeichnet Kohlberg als „postkonventionell“. Menschen mit dieser persönlichen Reife bestimmen die für ihre Handlungsweisen und Entscheidungsprozesse relevanten Prinzipien und Werte unabhängig von Autoritäten, von einzelnen Gruppen, ja sogar von ihnen nahestehenden Personen oder deren Identi¿zierung mit bestimmten Weltanschauungen. Auf der ersten Stufe dieses Niveaus, also nach Kohlberg durchgezählt auf der Stufe fünf, bilden zunächst Nützlichkeitserwägungen („utilitaristische Überlegungen“) die Entscheidungsgrundlagen. „Wem nützt mein Verhalten, wem schadet es?“ Oder „welche Rendite ist zu erwirtschaften ohne zu starke Beeinträchtigung des Betriebsklimas oder der Verärgerung von Lieferanten etc?“ Im Vordergrund aber – und das ist das Entscheidende – stehen dabei die Prinzipien von Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Menschen mit dieser persönlichen Reife orientieren sich dabei beispielsweise an der Charta der Menschenrechte.
Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme
107
Diese Grundsätze sind für sie unumstößlich und ihre Einhaltung ist für sie verbindlich. Eine Führungskraft, die EinÀuss auf die Entwicklung von Unternehmens-/Organisationsstrategien hat, wird all jene Strategien und Planungen die zwar zur Steigerung der Rendite des Unternehmens/der Organisation führen, aber Ungerechtigkeiten innerhalb der Belegschaft zur Folge haben würden, nicht befürworten. Sie wird auch Kompromissen, die zur tendenziellen Abschwächung dieser Ungerechtigkeiten beitragen, diese aber nicht zu verhindern vermögen, nicht zustimmen. Mitarbeiter/-innen mit dieser persönlichen Reife sind in der Lage, eigenständig und verantwortlich richtige und der jeweiligen Situation entsprechende Entscheidungen zu treffen. Fühlen sie sich jedoch durch Anweisungen ihrer Vorgesetzten in ihrer Kompetenz eingeschränkt und gegängelt, werden sie sich zur Wehr setzen. Wenn dies keine Erfolge bringt, werden sie die Abteilung oder gar das Unternehmen/die Organisation verlassen (vgl. Maccoby, M. 1989: 152–154). Noch extremer ist dies, wenn diese Mitarbeiter/-innen den Eindruck gewinnen, sie würden genötigt werden, mit ihren Handlungen gegen ihre Prinzipien der Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu verstoßen. Sie werden dann, auch als langjährig treue Mitarbeiter/-innen dem Unternehmen/der Organisation den Rücken kehren. Dies kann sich – gerade bei verantwortlich arbeitenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – für das betreffende Unternehmen/die betreffende Organisation als nicht zu gering zu bewertender Verlust erweisen. Auf der zweiten Stufe dieses Niveaus, also durchgezählt auf Stufe sechs, steht im Mittelpunkt aller Entscheidungen die Suche nach allgemein gültigen ethischen Prinzipien. Die ökonomischen und sozialen Bedingungen des Gemeinwesens und deren Entwicklungstendenzen werden dabei in die Überlegungen mit einbezogen. Die Wechselseitigkeit („Reziprozität“) der auf Grund der eigenen Strategien, Entscheidungen und Handlungen verursachten Veränderungen ökonomischer und sozialer Grundlagen einerseits und die Auswirkungen dieser Veränderungsprozesse auf die eigenen und gemeinschaftlichen zukünftigen Rahmenbedingungen ihrer Handlungsoptionen andererseits, werden „reÀektiert“. Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen auf dieser Stufe persönlicher Reife werden Menschlichkeit und Gerechtigkeit als notwendige Konsequenz ihrer Entscheidungen begreifen und zwar nicht nur aus prinzipiellen Erwägungen heraus, sondern in der Erkenntnis dessen als wichtige Grundbedingung im Rahmen der volkswirtschaftlichen Entwicklungen und der sozialen Zusammenhänge des jeweiligen Gemeinwesens. Sie werden dementsprechend zur Sicherung eines langfristigen Unternehmens-/Organisationserfolges bestimmte ethische Grundwerte zur Maxime ihres Handelns erheben.
108
Ressourcen-Amplifier
Zusammenfassend kann also für Niveau C gesagt werden: • Hoher Grad an Normeninternalisierung • Hohes Niveau der SelbstreÀexivität
8.1.2.6
Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit als Ressourcen-Ampli¿er
Wenn Menschen mit diesem Reifegrad auf einer ihnen angemessenen Ebene begegnet wird, haben sie für die Argumente anderer ein offenes Ohr und werden das Für und Wider unter Einbeziehung der entsprechenden Interessenslagen sorgfältig abwägen. Sie sind dann auch bereit, bereits getroffene Entscheidungen zu revidieren, wenn ihnen durch entsprechende treffende Argumentationen die fraglichen Sachverhalte in einem neuen Lichte erscheinen. Smith und Baltes (1990) konnten nachweisen, dass Menschen mit dieser persönlichen Reife besonders gut mit unsicherheitsbelasteten Lebensproblemen umgehen können. Führungskräfte mit diesem Reifegrad werden moralische Integrität mit Kreativität zu einem auch in Krisenzeiten erfolgreichen Entrepreneurship verbinden. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf dieser Stufe der Reife werden auch in ausgesprochen schwierigen, veränderlichen, schwer einschätzbaren und konÀiktträchtigen Situationen in der Lage sein, eigenverantwortlich auch auf lange Sicht hin erfolgversprechende Entscheidungen zu treffen und Handlungsweisen zu entfalten, die unterschiedlichen Interessenslagen gleichermaßen gerecht werden (Win-win-Lösungen). Auf Gängelungen und Beeinträchtigungen ihrer Kompetenz reagieren sie entweder durch innere Emigration oder sie werden im Ernstfall Abschied nehmen, unter Umständen sogar auch bei schwierigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Mit der Gefahr, zumindest vorübergehend ohne feste Erwerbsarbeit auskommen zu müssen, können sie besser als andere umgehen, da sie, wie beschrieben, mit derartig unsicherheitsbehafteten schwierigen Situationen relativ gut zurecht kommen. Deshalb ist es gerade bei solchen, für ein Unternehmen/ eine Organisation sehr wertvolle Belegschaftsangehörige wichtig, sich im Führungsverhalten nicht „zu vergreifen“. Zur Darstellung der Ausprägung der Ressourcen-Ampli¿er „Zuverlässigkeit“ und „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ können wieder die „Wassersäulen“ Verwendung ¿nden. Der Pegelstand des Wassers zeigt die aktuelle Situation der Normeninternalisierung und der SelbstreÀexivität an.
109
Handlungsorientiertheit Situationsspezifische Grenze bzw. persönliche Grenze in der Situation Potential Aktuelle Situation: Zuverlässigkeit
Situationsspezifische Grenze bzw. persönliche Grenze in der Situation Potential Aktuelle Situation: Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit
Abbildung 18: Ressourcen-Ampli¿er: „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ (Wassersäulen)
8.2
Handlungsorientiertheit
Im Prozess der Beurteilung der Ressourcen-Ampli¿er muss die Führungskraft auch Motivation und Willenskraft von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen richtig einschätzen. Eine Hilfe dazu bietet die in der Psychologie entwickelte Attributionstheorie. 8.2.1
Die Attributionstheorie
Der inzwischen verstorbene Motivationspsychologe Heinz Heckhausen fasst die wichtigsten Ansätze und Forschungsergebnisse dieses Theorieansatzes zusammen (1989: 387–422 und 423–454). Auf dieser Basis soll im Folgenden der Kern dieser Theorie erläutert werden. Sie beschäftigt sich damit, wie Menschen sich Sachverhalte erklären. Worin sie die Ursachen persönlichen Erfolges oder Misserfolges sehen, spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang spielt der Fachbegriff der „Kausalattribution“ oder „Kausalattribuierung“ (zwei Formen der Übertragung desselben vom Englischen ins Deutsche) eine entscheidende Rolle. „Kausal“ bedeutet „ursächlich“. Attribuieren heißt, etwas mit einem Attribut, also bestimmten Merkmalen oder Eigenschaften zu versehen. Etwas anders formuliert, einer Person oder einem Sachverhalt bestimmte Attribute zuzuschreiben. Attribution oder Attribuierung ist also eine Zuschreibung. Wenn ich also bestimmten Sach-
110
Ressourcen-Amplifier
verhalten – Erfolgen oder Misserfolgen – bestimmte Ursachen zuschreibe, nehme ich eine „Kausalattribution“ vor. Wenn ich Erfolge, wie etwa das Erreichen einer guten beruÀichen Position, meinen eigenen Fähigkeiten, meinem Engagement etc., also letztlich meinen eigenen Handlungen zuschreibe, wird diese Art der Kausalattribuierung als „handlungsorientiert“ bezeichnet. Wenn ich diesen Erfolg aber vor allem in günstigen Situationen („Glück gehabt“) begründet sehe, also die „Lage der Dinge“ als entscheidendes Kriterium betrachte, bin ich eher „lageorientiert“. Bei handlungsorientierten Menschen lässt sich ein sogenanntes höheres „Volitionsniveau“ feststellen als bei lageorientierten. Volition bedeutet Wille, ein Mensch mit einem höheren Volitionsniveau verfügt also über mehr Willenskraft. Stark handlungsorientierte Menschen verfügen somit über mehr Willensstärke als lageorientierte. Wenn ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin eine gute beruÀiche Position erreicht und dies seinen/ihren eigenen professionellen Handlungen zuschreibt, wird er/ sie auch weiterhin versuchen, Erfolge durch eigene geeignete Handlungen zu erreichen und wird nicht auf die Verbesserung einer allgemeinen Lage warten. Er/ sie hat ein hohes Volitionsniveau, also eine starke Willenskraft und den Glauben an die Möglichkeit, Erfolg durch eigene Aktivität zu erreichen. Der lageorientierte Mitarbeiter/die lageorientierte Mitarbeiterin sieht dagegen weniger den Zusammenhang möglicher Erfolge mit den eigenen Aktivitäten. Er/ sie ist unsicher, da er/sie die eigenen Fähigkeiten als wenig erfolgbringend einschätzt, bedauert meist die schlechte allgemeine Lage und seine/ihre Gedanken kreisen sozusagen um die von ihm/ihr diagnostizierten schlechten Bedingungen. Er/sie hat ein geringes Volitionsniveau, also wenig Willenskräfte, die ihn/sie zu gezielten, erfolgversprechenden Aktivitäten befähigen. Beide Orientierungen verstärken sich im Laufe der Zeit gewissermaßen im „Selbstlauf“: Handlungsorientierte Menschen haben gelernt, Erfolgsstrategien durch klare Zielvorstellungen zu entwickeln, richtige Teilziele zu setzen und notwendige Korrekturen auf dem Weg zum Ziel vorzunehmen. Daher erreichen sie meist ihre Ziele: die Handlungsorientiertheit wird noch stabiler. Lageorientierte Menschen dagegen haben meist eher vage Ziele, entwickeln keine erfolgversprechenden Handlungsstrategien und werden daher immer wieder frustriert: die Lageorientiertheit verfestigt sich.
111
Handlungsorientiertheit 8.2.2
„Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ als Ressourcen-Ampli¿er
Hier muss allerdings darauf verwiesen werden, dass es zwischen Handlungsorientiertheit und Lageorientiertheit viele Zwischentöne gibt und auch eher handlungsorientierte Menschen manchmal Erfolge mehr einer günstigen Lage zuschreiben und umgekehrt. Zur Darstellung dieses Sachverhaltes eignet sich daher ein „Schieberegler“ als Metapher:
Lageorientiert
Handlungsorientiert
Abbildung 19: Ressourcen-Ampli¿er: „Tendenz zur Handlungsorientierung und Willenskraft“ (Schieberegler)
Die Lage des Reglers bewegt sich, je nach Aufgabe und Situation, eher in Richtung Lage- oder in Richtung Handlungsorientiertheit. Mitarbeiter/-innen werden, abhängig von den Anforderungen an sie, in einer bestimmten Situation mehr zur einen oder anderen Seite neigen. Die Tendenz jedoch, ob eine Person eher zur Lageorientierung oder zur Handlungsorientierung neigt, ist eine Eigenschaft der Person, die sie sich im Verlauf ihrer Entwicklung angeeignet hat. Die Fähigkeit, auch noch in einer vertrackten Situation Handlungsmöglichkeiten zu sehen, geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln und die dadurch erzielten Erfolge dieser Handlungsfähigkeit auch zuzuschreiben, steigert wiederum die Willenskraft. Diese Willenskraft hilft beim Durchhalten von Durststrecken, bei der Bewältigung von Frustrationen, bei der Entwicklung von Handlungsstrategien etc. Deshalb ist „die Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ ein wichtiger Ressourcen-Ampli¿er.
112 8.3
Ressourcen-Amplifier „Verarbeitete Erfahrung“ als Ressourcen-Ampli¿er
Erfahrung als persönliche Ressource von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wird aktuell häu¿g unterbewertet. Schnelle technologische und gesellschaftliche Veränderungen lassen Erfahrung von Vergangenem oft als „Schnee von gestern“ erscheinen. Dies ist allerdings keineswegs so. Denn Erfahrung trägt auch ganz wesentlich dazu bei, gegenwärtige sowie künftige Situationen, Ereignisse, Prozesse, Entwicklungen und Entwicklungspotentiale richtig einzuschätzen. Das soll im Folgenden näher erläutert und begründet werden. Dazu ist es nötig, zunächst den sogenannten „Aneignungsprozess“ zu erläutern. Dieser in der Pädagogik und der kritischen Psychologie gebräuchliche Begriff bezeichnet einen aktiven Prozess, innerhalb dessen sich der Mensch handelnd in der Welt erfährt und sich dabei Schritt für Schritt deren Bedeutungen erschließt (vgl. Leontjew A. N. 1982; Glöckler U. 1989). Indem der Mensch durch seine Aktivitäten die äußere Realität verändert, eignet er sich zugleich durch die Entwicklung von Fakten- und Deutungswissen deren Strukturen an, was er wiederum zur weiteren erfolgreichen Realitätsgestaltung braucht. Äußere Realität wird durch die Erfahrung mit ihr innerlich repräsentiert (vgl. Kapitel 10.1). Aneignung kann auf diesem Hintergrund als handlungsbezogener Verinnerlichungsprozess verarbeiteter Erfahrungen angesehen werden, als Konsequenz eines auf Erkenntnis ausgerichteten Wahrnehmungsprozesses und der Verarbeitung der dadurch aufgenommenen sensorischen Informationen. Aneignung neuer Erfahrungen ist dabei immer geprägt von den bereits vorher verinnerlichten Erfahrungen und deren Bewertung. So wird der innere referenzielle Rahmen unserer Wirklichkeitsverarbeitung immer wieder erweitert, um eigene Handlungen optimal an der Wirklichkeit auszurichten. Ergänzt werden können diese Erkenntnisse über den Aneignungsprozess des Menschen durch das in den Neurowissenschaften entwickelte Modell der so genannten „PDP-Konstruktion,“(parallel distributed processing) in der die Neurowissenschaftler J. MacClelland und D.E. Rumelhart (1991) feststellen, dass wir zur adäquaten Handlungsfähigkeit immer die unmittelbar folgende Zukunft möglichst richtig antizipieren können müssen: Wir entwickeln deshalb in jeder Situation Erwartungen an die unmittelbare Zukunft. Die Parameter dieser Erwartungen werden durch
„Verarbeitete Erfahrung“ als Ressourcen-Amplifier
113
• gespeicherte Erfahrungen der Vergangenheit, also das in der handelnden Auseinandersetzung mit der Realität angeeignete Wissen sowie die damit verbundenen Gefühle einerseits • und die gegenwärtigen Wahrnehmungen andererseits gebildet. Die Handlungsfähigkeit des Subjektes steigt, wenn diese Parameter korrekte Vorhersagen erlauben. Deshalb werden diese Parameter immer korrigiert, wenn die Erwartungen an die Konsequenz einer Handlung und/oder Situation nicht eintreten. Verbinden wir diese Erkenntnisse mit den Theorien über den Aneignungsprozess, erkennen wir, dass die Handlungskomponente des Letzteren dazu bei trägt, durch Erfahrung, also Bestätigung oder Enttäuschung der aus unseren Annahmen resultierenden Erwartungen, den richtigen Umgang mit der jeweils eintretenden Situation zu erlernen. Dies bedeutet, dass sich unsere Annahmen über aktuelle und künftige Entwicklungen, Ereignisse oder Prozesse immer daran messen lassen müssen, inwieweit sie in der Lage sind, verlässliche Erwartungen zu erzeugen, die zu richtigen Handlungsweisen führen. Denn folgen unseren Annahmen falsche Handlungsstrategien, müssen wir die unangenehmen Folgen ausbaden und unsere Annahmen korrigieren. Solche „Korrekturen“ sind gewonnene Erfahrungen. Sie erweitern nachhaltig unseren subjektiven Bezugsrahmen bei der Wirklichkeitsverarbeitung und ermöglichen damit künftig zuverlässigere Annahmen. Verarbeitete Erfahrungen steigern also • die Handlungsfähigkeit • die Fähigkeit der richtigen Einschätzung von Situationen • die Fähigkeit künftige Ereignisse, Situationen, Prozesse oder Entwicklungen möglichst präzise antizipieren zu können. Das heißt mit anderen Worten, dass ein erfahrener Mitarbeiter und eine erfahrene Mitarbeiterin über „ausgefeiltere“ Bewertungs- und Vergleichsmaßstäbe verfügen als der weniger erfahrene Mitarbeiter und die weniger erfahrene Mitarbeiterin, somit Vorgänge differenzierter beurteilen und mögliche Konsequenzen von Entwicklungen genauer bestimmen können. Da die Erfahrungen verinnerlicht sind, handeln ein erfahrener Mitarbeiter und eine erfahrene Mitarbeiterin oft intuitiv richtig. Er/sie muss häu¿g nicht mehr darüber nachdenken und kann das richtige Handeln, da es ja auf verinnerlichter
114
Ressourcen-Amplifier
Erfahrung beruht und somit weitgehend durch das Unbewusste gesteuert wird, auch nicht auf Anhieb begründen. Die Gefahr ist dabei folgende: wenn solche intuitiv erfolgten Handlungen nicht mehr hinterfragt werden, können sich Handlungsweisen „einschleifen“, die auf Grund neuerer Entwicklungen inadäquat sind. Erfahrung ist also immer nur dann von Vorteil, wenn es sich um eine verarbeitete, um eine reÀektierte, handelt. Eine gute Möglichkeit, erfahrene Mitarbeiter/-innen zur ReÀektion intuitiver Handlungen anzuregen ist, ihnen junge Mitarbeiter/-innen an die Seite zu stellen. Innovation, neue Ideen und kritische ReÀektion von Erfahrungen, damit gute Folgenabschätzung und Situationseinschätzung verbinden sich so zu einer produktiven Symbiose. Keine Situationsspezifische Grenze bzw. persönliche Grenze in der Situation Potential Aktuelle Situation: Verarbeitete Erfahrung
Abbildung 20: Ressourcen-Ampli¿er: „Verarbeitete Erfahrung“ (Wassersäule)
9
Steuerung und Vertrauen
9.1
Steuerung als Führungsaufgabe
Die dargestellten Ressourcen einschließlich der Ressourcen-Ampli¿er von Mitarbeitern -innen sind äußerst wichtig für die Zielerreichung und die Lebensfähigkeit der Organisation/des Unternehmens als soziales System. Bevor wir uns dem Einsatz und dem Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen und der tatsächlichen Weiterentwicklung in diesem Bereich widmen werden, soll jedoch noch ein weiterer wichtiger Punkt zur Zielerreichung und Erhalt der Lebensfähigkeit der Organisation/des Unternehmens als soziales System beleuchtet werden: Die Steuerungs- und Regelungssysteme in Organisationen/Unternehmen. Diese sind im Wesentlichen bedeutend vielfältiger und komplexer als jene, die in naturwissenschaftlichen und technischen Systemen gebräuchlich sind (vgl. Schwaninger, Markus 2004:12 f). „Ein mittlerweile `klassisches´ Modell für die Gestaltung von Lenkungssystemen für Organisationen ist Beer‘s Modell Lebensfähiger Systeme (VSM-Viable System Model). Dieses Modell spezi¿ziert die notwendigen und hinreichenden strukturellen Voraussetzungen für die Lebensfähigkeit eines sozialen Systems“ (ebda.). Beer zufolge sei es für eine Organisation überlebensnotwendig, über fünf Lenkungseinheiten zu verfügen. Das seien: • System 1: Lenkungskapazität der Basiseinheiten • System 2: Koordination • System 3: Steuerung • System 3: Auditing/Monitoring • System 4: Intelligenz • System 5: Politik (vgl. Beer, St. 1985) Um den Rahmen dieser Abhandlung nicht zu sprengen, werden wir nur zwei dieser Systeme aufgreifen und dann eines davon – jenes, das uns besonders wichtig erscheint – näher explizieren.
116
Steuerung und Vertrauen
Zunächst zu System 1 nach Beer: die „Lenkungskapazität der Basiseinheiten“. Hierbei handelt es sich - systemtheoretisch gesprochen - um einen sogenannten „Regelungsvorgang“ da die Lenkung im System selbst erfolgt. Die Korrektur von Störgrößen erfolgt in diesem Falle von den Mitarbeitern/ -innen an der Basis ohne Eingreifen der Führungskraft und zwar im Wesentlichen „rückblickend“ auf Grund selbst erhobener Daten (ex post). Die Wirkung von Störgrößen wird in diesem Falle nicht unter einem vorausschauenden Blickwinkel beurteilt. Diese vorausschauende Beurteilung möglicher in der Zukunft liegender Störgrößen ist die Aufgabe eines weiteren Systems, nämlich des Systems 3 nach Beer, der Steuerung. In diesem Fall wird die Führungskraft zunächst nicht als Mitglied des Systems der Basiseinheiten, also der Mitarbeiter/ -innen, betrachtet, obwohl sie letztendlich zusammen mit ihren Mitarbeitern/ -innen ein Regelsystem höherer Ordnung darstellt. Ein kleines Beispiel soll dies veranschaulichen: Ein Fahrer eines Fahrzeugs kann bei wechselnden Windrichtungen das Fahrzeug einigermaßen gerade weiter führen, wenn er entsprechend gegensteuert. Der Fahrer wird zunächst als Steuerglied außerhalb des Systems Auto betrachtet. Deswegen reden wir hier von Steuerung. Hätte das Fahrzeug beispielsweise einen Windsensor, der je nach Windstärke das Fahrzeug „automatisch“ auf der Strecke hält - das System Auto also die Störfaktoren messen und die Lenkung entsprechend beeinÀussen könnte - wäre dies ein „Regelungsvorgang“. Die gemessenen Daten des Windsensors als Grundlage des Regelungsvorganges wären jeweils im Moment der Regelung bereits Vergangenheit. Der Fahrer des Autos kann aber mehr, er kann vorausschauend - beispielsweise bei wechselnden Bodenbelägen - stark abbremsen und zwar bevor irgend ein Sensor die starken BeeinÀussungen durch den veränderten Belag erfassen kann. So kann die Führungskraft sozusagen als teilweise aus dem Basissystem sich herausnehmende Beobachterin Tendenzen und Entwicklungen einschätzen und mit steuernden Maßnahmen positive Entwicklungen implementieren. Trotz dieser partiellen Heraushebung wird die Führungskraft vom Basissystem so stark geprägt und ihr EinÀuss ist auf das Basissystem aufgrund ihrer Steuerungsmaßnahmen so enorm, dass von einem Regelsystem höherer Ordnung gesprochen wird. Die beschriebene vorausschauende Berücksichtigung von möglichen Störungen durch richtige Einschätzung von Tendenzen und Entwicklungen wird als das Prinzip der Vorkopplung („feedforward“) bezeichnet: Wirkungen gegenwärtiger und vergangener Vorgänge auf zukünftige Entwicklungen werden inner-
Steuerung als Führungsaufgabe
117
halb von Entscheidungen einer Steuerung bereits antizipierend berücksichtigt (vgl. Schwaninger, Markus 2004:12 f). Zwei wichtige Grundlagen zur richtigen Beurteilung von mögliche Störfaktoren innerhalb relevanter Tendenzen und Entwicklungen sind „Evaluation“ als Bewertung von Arbeitsergebnissen und „Kontrolle“ als Vergewisserung der Einhaltung von normativen Vorgaben. Beide Verfahren sollen sich an den Ressourcen einschließlich der Ressourcen-Ampli¿er der Mitarbeiter/-innen orientieren und diese bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung unterstützen. Die Führungskraft behält durch sie die Übersicht und kann geeignete situationsadäquate und zukunftsbezogene Steuerungsmaßnahmen einleiten. 9.1.1
Evaluation
Die Evaluation von Arbeitsergebnissen stellt deren Qualität (adäquate Problemlösung, Vollständigkeit, etc.) sicher, hilft beim Erkennen von notwendigen Korrekturen und bei Entscheidungen. Grundlagen für eine Evaluation sind • Beschreibung der Ausgangssituation (soweit notwendig) • Beschreibung der gewünschten Situation und Maßnahmen, die zu ergreifen sind um diese zu erreichen • Indikatoren zur Überprüfung Das erwünschte Ergebnis einer Aufgabe und gegebenenfalls die Maßnahmen die dazu notwendig sind können im Rahmen einer Zielvereinbarung (vgl. Kapitel 12.1.1) oder in einer Aufgabenbeschreibung festgelegt werden. Die dort vereinbarten Indikatoren werden im Regelfall zur Evaluation herangezogen. Arten der Evaluation Eine Evaluation kann zwei Zielrichtungen verfolgen: der Schwerpunkt liegt entweder auf dem Ergebnis oder auf dem Problemlösungsprozess. Die folgende Tabelle zeigt kurz die Merkmale der beiden Vorgehensweisen auf.
118
Steuerung und Vertrauen
Evaluation
Beschreibung
Charakteristika
Ergebnisorientiert
Die Evaluation wird zu dem Zeitpunkt durchgeführt an dem ein Ergebnis vorliegt.
Die Daten für die Evaluation zu erhalten ist relativ einfach.
Während des Problemlösungsprozesses ¿ndet keine Evaluation statt. Prozessorientiert Die Evaluation wird zu verschiedenen Zeitpunkten im Problemlösungsprozess durchgeführt und umfasst den Prozess selbst und das zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegende Ergebnis.
Passt das Ergebnis nicht, so ist eine Korrektur oft sehr aufwändig bis unmöglich. Ein Rückschluss vom Ergebnis auf den Problemlösungsprozess (Planung, Entwurf) ist schwierig. Die Daten für die Evaluation zu erhalten ist aufwändig. Eine Korrektur ist frühzeitig möglich. Alle Phasen des Problemlösungsprozesses sind im Fokus. Die Führungskraft muss über Detailwissen verfügen.
Tabelle 5:
Arten der Evaluation
Die Führungskraft entscheidet anhand der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin wie sie vorgeht. Sind die Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er in der Tendenz gut ausgeprägt, so wird sie zur ergebnisorientierten, andernfalls zur prozessorientierten Evaluation greifen. In der Praxis werden beide Möglichkeiten der Evaluation nicht idealtypisch vorkommen, sondern immer als Mischformen. Daher greifen wir auch hier auf die Metapher des Schiebereglers zurück.
119
Steuerung als Führungsaufgabe
Ergebnisorientiert
Prozessorientiert
Ergebnisorientiert
Prozessorientiert
Schwächer ausgeprägt
Gut ausgeprägt Ressourcen • Fachkompetenz • Soft Skills
Ressourcen-Amplifier • Zuverlässigkeit • Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit • Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft • Verarbeitete Erfahrung
Abbildung 21: Evaluation abhängig von Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern
Durchführung der Evaluation Dauer und Vollständigkeit einer Bewertung hängen von der Zielsetzung ab. Möchte sich die Führungskraft einen Überblick über das bisher Erreichte verschaffen, so wird sie üblicherweise mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin ein Gespräch über den Status der von ihm/ihr übernommenen Aufgabe führen. Bei Bedarf werden geplante Maßnahmen, Projektpläne und andere Checklisten detailliert besprochen, der aktuelle Stand festgehalten und Prioritäten neu vereinbart. Ist die Aufgabenstellung umfangreicher und komplexer, so kann die Führungskraft, zusätzlich zum Gespräch mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin, unter anderem zu Methoden, die teilweise aus dem TQM-Bereich (Total Quality Management) stammen, greifen: • Präsentation des momentanen Status in einer größeren Runde von Fachleuten mit anschließender Diskussion. • Durchführung eines Reviews (vgl. Spillner, A.; Linz, T. 2004: 72-85). Hierbei wird das Ergebnis ebenfalls in einer größeren Runde von Experten/Expertinnen und Betroffenen mit einem neutralen Moderator/einer neutralen Moderatorin diskutiert und bewertet. Grundlage ist eine vor dem Review erstellte und
120
Steuerung und Vertrauen
an die Teilnehmer/-innen verteilte Dokumentation. Eine kurze Einführung in die Methodik ¿ndet sich im Anschluss. • Vieraugenprinzip: Mitarbeiter/-innen werden Fachleute zur Seite gestellt, die das Ergebnis mit überprüfen und bewerten oder den Prozess begleiten. Die Führungskraft wird zu diesen aufwändigeren Verfahrensweisen greifen, wenn von der Aufgabenstellung andere Bereiche betroffen sind, deren Zustimmung für die Umsetzung erforderlich ist, die Aufgabe umfangreich oder komplex ist und die Beurteilung tiefere Fachkenntnis erfordert (Spezialisten/Spezialistinnen). Speziell das Vieraugenprinzip wird auch bei zeitkritischen und risikoreichen Aufgaben eingesetzt. Evaluation ist im Grunde ein Soll-Ist-Vergleich zwischen Zielsetzung und Ergebnis. 9.1.1.1
Kurze Einführung in die Methodik des Reviews
Review ist ursprünglich der englische Ausdruck für die Rezension von Büchern und Artikeln in Zeitschriften. Mittlerweile hat sich „Review“ als Begriff für eine Methode zur Beurteilung von Arbeitsergebnissen eingebürgert. Ein Review kann prinzipiell für alle Ergebnisse einer Arbeit, aber auch das Vorgehen (Prozess) selbst und in allen Bereichen durchgeführt werden. Sinnvoll ist die Durchführung eines Reviews immer dann, wenn es sich um umfangreiche und komplexe Aufgabenstellungen handelt und/oder größere Gruppen im Unternehmen/in der Organisation betroffen sind. Wir möchten hier eine kurze Zusammenfassung für die Durchführung eines Reviews geben und beziehen uns dabei im Wesentlichen auf Spillner, Linz 2004 S.72–80 Für ein Review müssen die Arbeitsergebnisse, die beurteilt werden sollen, in schriftlicher Form vorliegen. Die Durchführung von Reviews und die dafür notwendigen Zeiten der Vor- und Nachbereitung sind bei der Planung für die Erledigung von Aufgaben schon geeignet zu berücksichtigen.
Steuerung als Führungsaufgabe
121
Die Durchführung eines Reviews besteht aus 5 Phasen (vgl. Spillner A.; Linz T. 2004: 75–77) • Planung In dieser Phase wird festgelegt, welche Dokumente einem Review unterzogen werden sollen. Dieser Teil der Planung wird sinnvollerweise am Beginn einer Aufgabe festgelegt, so dass die notwendigen Dokumente bereits während der Bearbeitung der Aufgabe entstehen und nicht erst zum Termin des Reviews erstellt werden müssen. Die Führungskraft legt gemeinsam mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen geeignete Teilnehmer/-innen des Reviews und die zeitliche Abfolge fest. • Einführung Die Einführung hat den Zweck die Reviewteilnehmer/-innen mit allen notwendigen Informationen zu versorgen. Dazu zählen - Bedeutung, Sinn und Zweck des Reviews - Wichtige Umfeldinformationen für Teilnehmer/-innen, die mit der Materie wenig vertraut sind - Eine kurze Vorstellung des Dokuments und der Zusammenhang mit anderen Bereichen Wichtig ist, die Reviewteilnehmer/-innen mit weiteren Dokumenten zu versorgen, auf die in den zu beurteilenden Bezug genommen wird oder die zum Verständnis notwendig sind (beispielsweise Aufgabenstellung, PÀichtenheft, Richtlinien, größere Prozesszusammenhänge). • Vorbereitung Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin bereitet sich in dieser Phase anhand der Dokumentation gründlich auf das Review vor. Dazu gehören die eingehende Prüfung des Dokuments und die Anfertigung von Notizen über erkannte Mängel oder offene Fragen und Unklarheiten. Die Zeit die den Teilnehmern und Teilnehmerinnen dazu zur Verfügung steht richtet sich nach dem Umfang der Dokumentation und der Komplexität des Themas. Mindestens sollte mit einer Woche kalkuliert werden. • Reviewsitzung Die Reviewsitzung wird normalerweise auf einen festen Zeitrahmen festgesetzt. Sie sollte von einem unabhängigen Moderator oder einer unabhängigen Moderatorin geführt werden. Er/sie hat darauf zu achten, dass
122
Steuerung und Vertrauen
-
die geplante Zeit eingehalten wird die Diskussion sich nicht in Nebensächlichkeiten verliert Kritik konstruktiv bleibt der Ersteller/die Erstellerin des Dokuments das Gefühl hat sein/ihr Dokument wird kritisiert und nicht er/sie als Person. Sinn eines Reviews ist es, das vorliegende Dokument zu begutachten und den Ersteller/die Erstellerin auf Lücken, Mängel und kritische Punkte aufmerksam zu machen. Eine Lösungsdiskussion für die angeführten Punkte ¿ndet im Review nicht statt. Jeder angesprochene Punkt sollte von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen übereinstimmend gewichtet werden (beispielsweise: kritisch, sollte unbedingt beachtet werden, sollte beachtet werden, geringfügig). Der Moderator/die Moderatorin erstellt ein Ergebnisprotokoll des Reviews, das der Ersteller/die Erstellerin dann als Arbeitsunterlage erhält. Die Teilnehmer/-innen des Reviews sollten am Ende der Sitzung ein Gesamturteil abgeben ob das Dokument akzeptiert (mit oder ohne Änderungen) wird, oder ob nach der Überarbeitung ein zweites Review angesetzt werden soll.
• Nachbereitung Der Ersteller/die Erstellerin als Verantwortlicher/Verantwortliche für die Aufgabe entscheidet letztendlich wie er/sie das Ergebnis des Reviews umsetzt. Als Feedback für die Teilnehmer/-innen des Reviews vermerkt er/sie seine/ ihre Entscheidungen zu den einzelnen Punkten im Protokoll und gibt dieses an die Teilnehmer/-innen zurück. Unter Umständen muss aber auch ein zweites Review vorbereitet und durchgeführt werden. 9.1.2
Kontrolle
Idealtypisch lassen sich drei Varianten von Kontrolle unterscheiden: • Bestimmend und sehr eng begleitend Führungskraft und Mitarbeiter/-innen stehen in sehr engem Kontakt miteinander. Die Führungskraft lässt sich die Aktivitäten der Mitarbeiter/-innen genau erläutern, überprüft diese auch und gibt den Mitarbeiter/-innen detaillierte Anweisungen und Hilfestellungen. Die Führungskraft legt die Art und Weise der Kontrolle und den Zeitpunkt fest.
123
Steuerung als Führungsaufgabe
• De¿zitkompensatorisch begleitend Führungskraft und Mitarbeiter/-innen stehen in engem Kontakt miteinander. Die Führungskraft lässt sich die Aktivitäten der Mitarbeiter/-innen erläutern, überprüft diese auch und gibt den Mitarbeiter/-innen wo es notwendig erscheint Hilfestellungen. Die Führungskraft und die Mitarbeiter/-innen legen gemeinsam die Zeitpunkte für eine Kontrolle fest. • Ressourcenorientierte Ergebniskontrolle Führungskraft und Mitarbeiter/-innen stehen in Kontakt miteinander, wobei die Mitarbeiter/-innen die Initiative haben. Die Führungskraft lässt sich die Ergebnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erläutern, überprüft diese auch und gibt den Mitarbeiter/-innen geeignetes Feedback. Die Kontrolle erfolgt anlassbezogen, die Zeitpunkte legen die Mitarbeiter/-innen fest. Die Charakteristika sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Kontrolle
Zeitpunkt
Kontrollinhalte
Kontrolldurchführung
Bestimmend und sehr eng begleitend
Führungskraft bestimmt den Zeitpunkt.
Ergebnis und Prozess (prozessorientierte Evaluation)
Regelmäßig und ungeplant Inhaltlich detailliert
Einhaltung von Normen De¿zitkompensato- Führungskraft und Ergebnis und Prozess (prozessorienrisch begleitend Mitarbeiter/-innen bestimmen den Zeit- tierte Evaluation) punkt gemeinsam. Ressourcenorientier- Mitarbeiter/-innen te Ergebniskontrolle bestimmen den Zeitpunkt.
Tabelle 6:
Arten der Kontrolle
Regelmäßig Inhaltlich detailliert nach Bedarf
Ergebnis (Ergebnis- Anlassbezogen orientierte Evaluation) Inhaltlich detailliert nach Bedarf
124 9.1.3
Steuerung und Vertrauen Evaluation und Kontrolle in Zusammenhang mit RessourcenAmpli¿ern
Wie aus nachfolgender Zusammenstellung zu ersehen ist, bestimmt im Wesentlichen die Ausprägung der Ressourcen-Ampli¿er die Art und Weise von Evaluation und Kontrolle. Ressourcen-Ampli¿er Zuverlässigkeit schwach ausgeprägt (Stufe 1 und 2 Kohlberg)
Zuverlässigkeit stark ausgeprägt
Tabelle 7:
Evaluation und Kontrolle Bestimmend und sehr eng begleitend Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit schwach ausgeprägt (Stufe 3 und 4 Kohlberg) De¿zitkompensatorisch oder begleitend Verarbeitete Erfahrung schwach ausgeprägt oder Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft schwach ausgeprägt Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit stark ausgeprägt (Stufe 5 und 6 Kohlberg) Ressourcenorientierte und Verarbeitete Erfahrung stark Ergebniskontrolle ausgeprägt und Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft stark ausgeprägt
Evaluation und Kontrolle im Zusammenhang mit Ressourcen-Ampli¿ern
Vertrauen 9.2
125
Vertrauen
Die Einleitung geeigneter Steuerungsmaßnahmen durch die beschriebenen Voraussetzungen muss ergänzt werden durch das Schaffen einer breiten Vertrauensbasis zwischen Mitarbeitern/-innen und der Führungskraft. Denn Vertrauen bildet die Basis für eine ef¿ziente und erfolgreiche Zusammenarbeit. Auf einer stabilen Vertrauensbasis lassen sich Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen optimal einsetzen und weiter entwickeln. Der Umgang miteinander ist nicht von Kontrolle geprägt, sondern erweitert für Mitarbeiter/-innen und Führungskraft die Handlungsspielräume und schafft die Möglichkeit eines ressourcenorientierten Führungsverhaltens. Insbesondere ist der Einsatz von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling (vgl. Kapitel 6.5), der in unserem Führungsmodell Equilibrium eine zentrale Stellung einnimmt, nur denkbar auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens. Albert Schweitzer hat in seiner Rede beim Empfang des Friedensnobelpreises in Oslo am 04.11.1954 zu der Wichtigkeit von Vertrauen gesagt: „Vertrauen ist für alle Unternehmungen das große Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommen kann“. Auch für den französischen Industriemanager Daniel Goeudevert ist Vertrauen eine wichtige Komponente in seinem Führungsstil: „Menschen spüren sehr deutlich und mit großer Dankbarkeit, wenn man sie respektiert. Es gelang mir, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der ich ohne Gewalt und Härte führen konnte, in der nicht einer allein alles besser wusste und in der Hierarchien und Strukturen keine Hemmschwelle für die Entfaltung der Persönlichkeit darstellten“ (vgl. Goeudevert, D. 1998: 83). Voraussetzungen für eine dauerhafte Vertrauensbasis sind verinnerlichte Normen und Werte, Wertschätzung, Zutrauen, Zuverlässigkeit, Einschätzbarkeit, Berechenbarkeit des Anderen und der Wille von beiden Seiten, für das, was man tut und sagt, auch die Verantwortung zu übernehmen. In unseren Ressourcen-Ampli¿ern • • • •
Zuverlässigkeit Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilfähigkeit Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft Verarbeitete Erfahrung
¿nden sich viele dieser Eigenschaften wieder. Sie sind aufgrund dessen ein Kernstück der Vertrauensbasis.
126
Steuerung und Vertrauen
Vertrauensbasis • • • • •
Kommunikationskompetenz Soziale Kompetenz Aktionskompetenz Kreativität Soft Skills Richtige Balance von Authentizität und Wirkungskalkül
Fachkompetenz
Ressourcen-Amplifier
• • • •
Ausbildung Fachwissen Fachliches Profil Sprachliche/begriffliche Fertigkeiten
• • • •
Zuverlässigkeit Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme Urteilsfähigkeit Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft • Verarbeitete Erfahrung
Abbildung 22: Ressourcen-Ampli¿er als zentraler Teil der Vertrauensbasis
Wir möchten nachfolgend einige wichtige Aspekte zu Vertrauen allgemein und bezogen auf die sozialen Systeme im betrieblichen Umfeld (vgl. Kapitel 6.2) darstellen. Dabei beziehen wir uns in weiten Teilen auf Dirk Ulrich Gilbert und seiner Arbeit zu Vertrauen in strategischen Unternehmensnetzwerken, die sich konzeptuell auf die Strukturationstheorie des britischen Soziologen Anthony Giddens bezieht (vgl. Gilbert, D. U. 2003). Vertrauen entwickelt sich über die Zeit und beruht auf Gegenseitigkeit. Am Anfang der Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeiter/-in kennen sich beide kaum. Bei einem neuen Mitarbeiter/einer neuen Mitarbeiterin hat sich die Führungskraft über die Bewerbungsunterlagen, in einem Bewerbungsgespräch oder einem Assessment einen ersten Eindruck verschafft. Bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die aus dem Betrieb zu ihr kommen, hat sie vielleicht schon Erfahrungen von früheren Einsatzorten, wie beispielsweise aus Beurteilungen, der Personalakte, aus persönlichen Gesprächen, aus Aufeinandertreffen in Be-
Vertrauen
127
sprechungen oder ähnlichem. Die Führungskraft wird sich in der ersten Zeit ein eigenes Bild über die Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin machen (vgl. Kapitel 10). Dazu bedient sie sich der vorliegenden Informationen, der persönlichen Eindrücke aus der Einarbeitungsphase und der Ergebnisse von Aufgaben mit denen sie den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin betraut. Für das Entstehen von Vertrauen ist es notwendig im Kontext dieser Aufgaben dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin einen einseitigen Vertrauensvorschuss zu geben (vgl. Gilbert, D. U. 2003: 154–157). Das heißt konkret, die Führungskraft traut dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin zu, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zuverlässig, zielorientiert und plangerecht zu erledigen. Sie geht damit zweifelsohne ein gewisses Risiko ein. Gilbert: „Der Vertrauensvorschuss gilt als riskant, da der Vertrauensgeber grundsätzlich nicht vollständig informiert ist und/ oder noch keine ausreichenden Erfahrungen mit dem Vertrauensnehmer gemacht hat, um erfolgssicher handeln zu können. Ein Vertrauensgeber kann sich insofern nie ganz sicher sein, ob der Vertrauensnehmer wunschgemäß handelt oder nicht. Durch sein Vertrauen demonstriert ein Vertrauensgeber jedoch Risikobereitschaft und setzt sich über diesen Informationsmangel willentlich hinweg.“ (Gilbert, D. U. 2003: 155). Um dieses Risiko beherrschbar zu machen, wird die Führungskraft dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin anfangs kleinere, überschaubare Aufgaben überlassen, sowie situationsbezogen Methoden der Evaluation und Kontrolle einsetzen. Gerade die Handhabung von Kontrollmechanismen ist jedoch gut zu überlegen, da Kontrolle leicht Misstrauen erzeugen kann und damit der Vertrauensvorschuss ad absurdum geführt wird. „Die Entstehung von Vertrauen stellt also letztendlich eine Paradoxie dar: Diese resultiert aus dem Umstand, dass Vertrauen eigentlich nur aus Vertrauen entstehen kann. Es muss vorausgesetzt werden, was erst erworben werden soll, wobei es gleichzeitig unmöglich ist, dieses Vertrauen vorher zu testen, es sei denn durch Maßnahmen, die eher Misstrauen fördern, wie zum Beispiel Kontrollen. Wer vertraut wird kaum in explizite Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen investieren, da er nicht von opportunistischem Verhalten des Vertrauensnehmers ausgeht, obwohl ihm diese Möglichkeit jederzeit bewusst ist.“ (Gilbert, D. U. 2003: 157). Adäquate Aufgabenstellungen helfen hier ebenfalls die richtige Balance zu ¿nden. Eine Vertrauensbasis aufzubauen und zu erhalten, erfordert aktive Mitarbeit von Führungskraft und Mitarbeiter/-innen und ein Klima der Offenheit. Die besondere Problematik besteht darin, dass Vertrauen sich nur mittelbar über die Handlungen der Beteiligten aufbauen lässt. „Luhmann weist immer wieder darauf hin, dass man Vertrauen weder verlangen, noch durch direkte Forderungen
128
Steuerung und Vertrauen
erzwingen kann. Es entzieht sich der direkten EinÀussnahme von Management.“ (Gilbert, D. U. 2003: 8). Und Gilbert bemerkt dazu: „Vertrauen kann demzufolge nicht durch Managemententscheidungen produziert werden. Für die Akteure besteht lediglich die Möglichkeit, günstige Rahmenbedingungen innerhalb des Unternehmensnetzwerks herzustellen….“ (Gilbert, D. U. 2003: 13). Unser Baukasten mit Führungselementen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Einsatz und der Weiterentwicklung von Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, sowie der Adaption und dem Einsatz professioneller Methoden aus dem Counselling beschäftigen, unterstützen die Führungskraft, diese Rahmenbedingungen herzustellen, um eine dauerhafte Vertrauensbasis schaffen zu können.
Vertrauensbasis
Soft Skills
Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilfähigkeit
Fachkompetenz
RessourcenAmplifier
Baukasten Führungselemente
Verarbeitete Erfahrung
Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft Zuverlässigkeit
Führungselemente: Fachkompetenz, Soft Skills, Ressourcen-Amplifier
Basisset: Basisführungselemente
Abbildung 23: Vertrauensbasis und Führungselemente
10 Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
10.1 Einschätzung der Ressourcen Die sichere Einschätzung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist die Basis für deren richtigen Einsatz und erfolgreiche Führung überhaupt, denn Fehleinschätzungen können fatale Konsequenzen haben, wie unsere Graphik zeigt:
Eskalationsstufe
Überforderung Regression Trennung Fehlhandlung Fehleinschätzung Fehlhandlung Fehleinschätzung Zeit
Abbildung 24: Eskalation durch Fehleinschätzung
Die Analyse zur Einschätzung der Ressourcen wird von der Führungskraft häu¿g unter Zeitdruck ausgeführt, da in der Regel in der Zeitspanne, die für die Erledigung einer Aufgabe zur Verfügung steht, keine „Störungen“ dieser Art eingeplant sind. Die Führungskraft muss in einem möglichst kurzen Zeitraum zu einem sicheren Ergebnis kommen. Wir werden in diesem Kapitel Führungselemente anbieten, die der Führungskraft diese Einschätzung erleichtern.
130
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
10.2 Gerichtete Wahrnehmung und Einschätzung von Ressourcen Was geschieht also nun, wenn eine Führungskraft im Führungsalltag ihre Mitarbeiter/-innen einschätzt, um die entsprechenden unternehmens-/organisationsrelevanten Aufgabenstellungen in angemessener Weise zu bewältigen? Sie versucht ihre Wahrnehmungen so auszurichten, dass ihr sowohl die diesem Ziel zuträglichen, als auch die dieses beeinträchtigende Handlungsweisen ihrer Mitarbeiter/-innen auffallen und sie dementsprechend verstärkend, fördernd oder verändernd reagieren kann. In der psychologischen Fachsprache wird dies als „gerichtete Wahrnehmung“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine „Fokussierung“ der Wahrnehmung mit einer damit einhergehenden „Selektion“: All jene wahrgenommenen Details, die der Führungskraft bezüglich der Erfüllung der Aufgabenstellung als wichtig erscheinen, werden durch das Gehirn verstärkt, die hierfür als nicht so wichtig erscheinenden, trotzdem von den Sinnesorganen an das Gehirn weitergeleiteten Informationen, werden von diesem sozusagen ausgeblendet. Dieser meist automatisch erfolgende Prozess ist aber nicht so unproblematisch wie er zunächst erscheint. Denn die Entscheidung, was als wichtig und was als unwichtig zu bewerten ist (Bewertungsprozess) und wie die wahrgenommenen, als wichtig bewerteten Informationen gedeutet werden (Deutungsprozess), aber auch wie die neuen Informationen untereinander und mit den bereits vorhandenen Wissensbeständen der Führungskraft „kombiniert“ also letztlich „eingeordnet“ werden (Klassi¿zierungsprozess) ist von vielen Faktoren abhängig, die uns im Alltag nicht bewusst sind. Wenn sie uns aber bewusst sind, werden wir dadurch in die Lage versetzt, die Gerichtetheit unserer Wahrnehmung zu steuern und damit gezielter und ef¿zienter zu steuern. Grund genug, für eine Führungskraft, sich mit den die jeweiligen Bewertungs-, Deutungs- und Klassi¿zierungsprozesse prägenden Faktoren auseinander zusetzen.
Gerichtete Wahrnehmung und Einschätzung von Ressourcen
131
10.2.1 Bewertung Aufgenommene Informationen werden – vor allem bei der Beobachtung als gerichtete Wahrnehmung, zunächst nach dem Grad ihrer Wichtigkeit bewertet. Diese Bewertung beruht auf einem geistigen „Konzept“. Dieses entsteht vor allem aus • unseren Ansichten und Einstellungen, etwa welche Handlungsweisen eines Mitarbeiters und einer Mitarbeiterin sind zum Erreichen der Unternehmens-/ Organisationsziele vorteilhaft, • unseren Erinnerungen, z.B. Handlungsweisen dieses Mitarbeiters oder dieser Mitarbeiterin, die schon einmal eine schwierige Situation mit einem Kunden/ einer Kundin oder einem Klienten/einer Klientin hervorgerufen haben, • unserem Wissen, beispielsweise über die zu bewältigenden Aufgaben • unseren Gefühlen, wie etwa gewisse Sympathien gegenüber bestimmten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen • unseren Absichten, z.B. die Umsetzung vorgegebener Ziele Diese auf Grund des so gebildeten geistigen Konzeptes erfolgende Bewertung bildet die Grundlage für Aufmerksamkeit und Selektion im Beobachtungsprozess. Sie können als Ergebnis wechselseitiger BeeinÀussung von deduktiven und induktiven Prozessen verstanden werden.(vgl. Dennett D.C. und Kinsbourne M. 1992: 183–247). Bei deduktiven Prozessen schließen wir von der Erfassung eines Gesamtphänomens auf dessen unterschiedliche Details, soweit unser Erfahrungsschatz dies zulässt. Bei induktiven Prozessen fügen wir wahrgenommene Details zu einem Gesamtphänomen zusammen. Wechselseitige BeeinÀussung heißt nun, dass die deduktiven Prozesse uns die „Hypothesen“ für die genauere Betrachtung der Details liefern und umgekehrt die induktiven Prozesse uns durch das Zusammenfügen der Details bei der Einschätzung des Gesamtphänomens unterstützen. In diesem Regelkreis zwischen induktiven und deduktiven Prozessen werden auf der Basis des oben genannten geistigen Konzeptes Informationen die als relevant betrachtet werden gezielt „herausgesucht“ – die Aufmerksamkeit wird auf sie gerichtet – und die unwichtig erscheinenden Informationen werden gewissermaßen „ausge¿ltert“ (Selektion).
132
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
10.2.2 Deutung Der beschriebene Bewertungsprozess wird begleitet von der Deutung der aufgenommenen Informationen. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die Deutung des sinnlich Wahrgenommenen immer auf einer Relativbeurteilung beruht. Sehen wir beispielsweise ein Einfamilienhaus auf einem Bild neben einer Hundehütte, erscheint uns das erstere groß zu sein. Sehen wir dasselbe Haus neben einem Hochhaus, erscheint es uns ziemlich klein. Wir suchen immer nach Bezügen, um die wahrgenommenen Informationen richtig einzuschätzen. Dabei spielt gleichzeitig Wahrgenommenes zur Herstellung von Bezügen ebenso eine Rolle wie das innere Bezugssystem (vgl. Bösel R.M. 2001: 15–53 und 143–159). In ersterem Falle beurteilen wir, indem wir geeignete äußere Vergleichsmöglichkeiten suchen, bei letzterem (dem inneren Bezugssystem) kommt dem Abgleich der neuen Informationen mit dem vorhandenen Wissen („Deutungswissen“) zentrale Bedeutung zu. Die Auswahl der äußeren Bezugspunkte ist keineswegs zufällig, vielmehr prägt das innere Bezugssystem – und damit unter anderem das verinnerlichte Deutungswissen – die Auswahl dessen, was wir aus der großen Zahl der zur Verfügung stehenden Informationen zum jeweiligen Vergleich als Beurteilungsgrundlage auswählen. Einen wichtigen Stellenwert für den Deutungsprozess haben auch die Deutungsmuster. Dieser Begriff stammt aus der Wissenssoziologie und wurde insbesondere von Alfred Schütz geprägt (Schütz, A.1932/1974). Es handelt sich um im individuellen Wissensvorrat abgelagerte Sinnschemata. Diese haben, vermittelt über gemeinsame Erfahrungen und kommunikative Prozesse immer intersubjektive Anteile: durch übereinstimmende, die Deutung der Wirklichkeit prägende Erfahrungen im lebensweltlichen Kontext und die entsprechenden, die spezi¿schen Deutungen bestätigenden kommunikativen Prozesse wird Lebenswelt als psycho-soziale Kategorie konstituiert (vgl. Habermas 1981 II: 182–188). Diese trägt ihrerseits wiederum als Sozialisationshintergrund zur je subjektiven Verinnerlichung der gemeinsamen Deutungsmuster bei, die deshalb auch häu¿g als soziale Deutungsmuster bezeichnet werden (vgl. Oevermann, 2001a). Sie erlauben den Einzelnen ihre sozialen Erfahrungen in einen übergreifenden Sinnzusammenhang zu bringen, die eigene Biographie mit den entscheidenden gesellschaftlichen Handlungsanforderungen zusammenzubringen (vgl. Plaß und Schetsche, 2001). Soziale Deutungsmuster bilden somit für den Einzelnen eine Brücke zwischen seiner Subjektivität und seiner Lebenswelt. Zu einer solchen
Gerichtete Wahrnehmung und Einschätzung von Ressourcen
133
Lebenswelt gehören auch die Erfahrungen im betrieblichen Alltag mit der entsprechenden Unternehmens-/Organisationskultur. Die dort in kommunikativen Prozessen sich herauskristallisierenden sozialen Deutungsmuster sind also Teil des Deutungswissens, das die Beurteilungen der gerichteten Wahrnehmung sowohl der Führungskräfte als auch der Mitarbeiter/innen prägt. Daher sind die Deutungen der selben Situation von mit der Unternehmens-/Organisationskultur vertrauten und in sie „hineingewachsenen“ Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Führungskräften häu¿g anders, als die von neu in das Unternehmen/die Organisation gekommenen. Die sozialen Deutungsmuster sollten allerdings nicht als völlig in sich abgeschlossene und vorgefertigte Raster verstanden werden. Sie müssen vom jeweils Einzelnen situationsspezi¿sch rekonstruiert werden. Dies wiederum geschieht auf dem Hintergrund des im konkreten Lebenslauf individuell ausdifferenzierten inneren Bezugssystems (s.o.). Deutungsmuster sind in diesem Sinne offen für Veränderungen: Die aus dem sozialen Kontext resultierenden Interpretationsund Übertragungsregeln eröffnen dem Individuum neben der Hilfe zur sinnbezogenen sozial adäquaten Bedeutungszuweisung die Möglichkeit der bewussten individuellen handlungsbezogenen ReÀexion (vgl. Oevermann, 2001b: 35–81). 10.2.3 Klassi¿zierung Der beschriebene Deutungsprozess bildet die Grundlage für sogenannte „Klassi¿zierungsprozesse“: Die mit Bedeutungen versehenen neuen Informationen werden in das Gedächtnissystem eingeordnet. Bei diesen Prozessen werden also die neuen Informationen zu bereits gespeicherten geistigen Konzepten hinzugefügt: In Analogie zur elektronischen Datenverarbeitung können wir uns das etwa so vorstellen, dass verschiedene Einzeldateien in einem Ordner vereinigt werden, weitere neue Dateien ähnlichen Inhaltes können dann diesem Ordner zugewiesen werden. So ¿nden wir die Dateien schnell wieder. In unserem Gehirn läuft das ähnlich. Die Ordner entsprechen „Kategorien“, man kann auch von „Klassen“ sprechen. Ereignisse, Phänomene und Prozesse, die zur entsprechenden Kategorie gehören, werden ihr zugeordnet. Diese „Zuordnungstätigkeit“ wird in der Kognitionspsychologie als „Klassi¿zieren“ bezeichnet. Klassi¿zieren hilft uns bei der Entwicklung von geistigen Konzepten und Situationsmodellen, da wir so die abgespeicherten zusammengehörigen Informationen schnell in unserem Gedächtnis ¿nden können.
134
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Häu¿g vollzogene Wahrnehmungsvorgänge zur Deutung und anschließenden Klassi¿zierung ähnlicher Ereignisse, Prozesse und Phänomene ermöglichen Generalisierungen. Dabei handelt es sich um „Formen von Abstraktionen, die wenig Speicherplatz erfordern und die die Ausübung von gewohnheitsmäßigen Reaktionen erlauben. Generalisierungen tragen also dazu bei, ähnliche Ereignisse, Objekte und Phänomene in ihrer Ähnlichkeit schnell zu erkennen und zu charakterisieren (vgl. Bösel, R. 2001: 150). Ereignisse von besonderer Wichtigkeit, Informationen von existentieller Bedeutung, persönliche Erfahrungen mit hoher Gefühlsbeteiligung, kurz, als besonders bedeutend eingeschätzte Wahrnehmungen spielen bei der Entstehung von Generalisierungen, eine besonders wichtige Rolle (vgl. ebd.: 143). Sie werden im Gedächtnis sehr intensiv gespeichert und bilden sozusagen Kristallisationspunkte für nachhaltige Ensembles die zukünftiger Informationsverarbeitung zur Verfügung stehen (vgl. ebd.: 143,152,153, 349). Die Bedeutungszuweisung und Klassi¿zierung kann so sehr schnell erfolgen (vgl. Bösel R. M. 2001: 150 f). Genau diese eigentlich zu schneller Informationsverarbeitung beitragenden Generalisierungen können aber auch zu „Fehlern“ innerhalb dieses Klassi¿zierungsprozesses führen. Und zwar dann, wenn sie durch sogenannte „unlogische Assoziationen“ beeinÀusst sind. Assoziationen sind Gedankenverbindungen, die im Gehirn hergestellt werden. Bei „unlogischen Assoziationen“ auch als „Fehlassoziationen“ bezeichnet, werden Merkmale mit Zusammenhängen in Verbindung gebracht, die zwar im Augenblick des ersten Speicherns bestimmter Ereignisse oder Phänomene vorhanden sind, nicht aber bei allen später wiederholten Wahrnehmungen dieser. „Fehlassoziationen“ beeinÀussen unsere Generalisierungen vor allem dann, wenn wir uns bei der Wahrnehmung bestimmter Phänomene nicht voll auf sie konzentrieren, sie also nur am Rande wahrnehmen. Bei bewusster gerichteter Wahrnehmung können unsere Generalisierungen dann, wenn wir uns der Gefahr von Fehlassoziationen bewusst sind, korrigiert werden. „Fehlassoziationen“ können unsere Wahrnehmung aber auch unbewusst vor allem auf der Gefühlsebene beeinÀussen und damit erhebliche Deutungs- und Klassi¿zierungsfehler hervorrufen (vgl. Treisman A.; Schmidt I. 1982: 107–141, Bösel R. M. 2001: 148, 185). Das kann bis hin zu völliger Fehleinschätzung von Verhaltensweisen oder Situationen führen. Es wird also deutlich, wie stark auch die Klassi¿kation die Verarbeitung von Informationen prägt. Erst wenn wir uns dessen bewusst sind, und die entsprechenden beeinÀussenden Faktoren kennen, können wir unsere Generalisierungen überprüfen, Fehlassoziationen aufdecken, Wahrnehmungen darauf hin hinterfragen und damit sachgerechter beurteilen.
Das 5-Schritte-Verfahren
135
Durch Kenntnis der Hintergründe und damit der Möglichkeit, Bewertungen, Deutungen und Klassi¿zierungen zu reÀektieren, kann die Führungskraft die Grundlagen ihrer Handlungsweisen auf „festen Boden“ stellen und so der Gefahr folgenreicher Fehleinschätzungen und damit verbundener Fehlentscheidungen entgegen wirken. 10.3 Das 5-Schritte-Verfahren Neben diesen Kenntnissen zum Führungselement „Gerichtete Wahrnehmung“ werden wir im Folgenden Führungskräften mit dem 5-Schritte-Verfahren ein weiteres Führungselement anbieten, mit dem sie in den verschiedensten Aufgaben und Situationen in denen eine Konzentration auf Ressourcen und RessourcenAmpli¿er von Mitarbeitern/-innen notwendig ist, kompetent und ef¿zient agieren können. Solche Situationen – wir haben sie als „Potential bergende Situationen“ gekennzeichnet – ergeben sich zum Beispiel bei veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen, bei notwendigen Umstrukturierungen, Konzeptionsänderungen und -erweiterungen. Alle Teilelemente des Verfahrens haben exemplarischen Charakter. Sie können Führungskräften als Basis dienen, um sie jeweils durch eigene für sie wichtige Aspekte zu ergänzen. Das 5-Schritte-Verfahren: Prinzip Die Führungskraft entwickelt in fünf aufeinanderfolgenden Schritten einen Vorgehensplan für die Bearbeitung von Aufgaben und Anforderungen, insbesondere bei einer veränderten Aufgabenstruktur mit neuen ggf. zusätzlichen Anforderungen an die Mitarbeiter/-innen. Dazu ist es zunächst notwendig, dass die Führungskraft einen Überblick über Weiterentwicklungspotentiale ihrer Mitarbeiter/-innen gewinnt. Ebenso sollte sie mittelfristig notwendige Quali¿zierungsmaßnahmen erkennen, die es ihr ermöglichen, in ähnlichen Situationen Àexibler handeln zu können. Sie kann sich dann überlegen, welche Mitarbeiter/-innen diese sinnvollerweise durchlaufen sollten.
136
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Das 5-Schritte-Verfahren umfasst: Schritt 1:
Schritt 4:
Klärung der Aufgabe/Situation und Entwicklung eines Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls Ressourceneinschätzung der Mitarbeiter/-innen Gegenüberstellung des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls und der Ressourceneinschätzung Einsetzbarkeit der Mitarbeiter/-innen
Schritt 5:
Motivation der Mitarbeiter/-innen
Schritt 2: Schritt 3:
10.3.1 Schritt 1: Klärung der Aufgabe/Situation und Entwicklung eines Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls Am Anfang der Überlegungen bezüglich des Einsatzes von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist eine genauere De¿nition der Aufgabe/Situation, die Klärung von Rahmenbedingungen, Terminplänen etc. notwendig. Parallel wird das Aufgaben- und Situationsbezogene Ressourcenpro¿l entwickelt. Es enthält die Einschätzung/Bewertung der Ressourcen und RessourcenAmpli¿er, die grundsätzlich für die Aufgabe/Situation benötigt werden und hat keinen Bezug zu konkreten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Basis hierfür sind zum einen die Detailaspekte der Ressourcen (Fachkompetenz, Soft Skills) und der Ressourcen-Ampli¿er (Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilfähigkeit, Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft, verarbeitete Erfahrung), zum anderen die Charakteristika der Aufgabe/ Situation. Als Hilfsmittel für die Bewertung können Checklisten, tabellarische und graphische Darstellungen dienen. Checkliste Es ist sinnvoll bei der Erarbeitung des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls die Fakten zuerst mit Hilfe einer Checkliste zu sammeln. Checklisten im Allgemeinen sind ein Hilfsmittel, Fragestellungen und Sachverhalte zu strukturieren und Vollständigkeit sicher zu stellen. Aus diesem Grund ist eine
Das 5-Schritte-Verfahren
137
Checkliste keine einmal erstellte, statische Arbeitsunterlage, sondern sie passt sich den Erfordernissen und den Erfahrungen an. Checklisten können in verschiedenen Formen erstellt werden, so zum Beispiel tabellarisch oder als Mindmap (vgl. Buzan T., 2009). Darstellung der Bewertung Für die Darstellung bieten sich aus unserer Sicht zwei recht übersichtliche Alternativen an: • die Bewertungstabelle • die graphische Aufbereitung in Form eines Liniendiagramms Das Bewertungsschema sollte einfach gehalten werden, daher schlagen wir eine Skalierung von 0 – 10 vor, wobei 0 für „nicht relevant“ und 10 für „sehr relevant“ steht. Beide Bewertungsdarstellungen werden wir für die Ressourcen Fachkompetenz und Soft Skills vorstellen. Sie können in ähnlicher Form für die RessourcenAmpli¿er übernommen werden.
138
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
10.3.1.1
Benötigte Fachkompetenz für eine Aufgabe/Situation
Als Kriterien werden die Detailaspekte der Fachkompetenz (vgl. Kapitel 7.3) herangezogen. Die Bewertungstabelle Kategorie
Einzelmerkmal
Ausbildung
• Berufsausbildung • Studium • Zusatzquali¿kationen
Fachwissen
• berufsspezi¿sch • bezogen auf das Unternehmen/ die Organisation • bezogen auf die konkrete Aufgabe/ Situation • bezogen auf Sachverhalte aus der Vergangenheit • Methodik im Fachgebiet • Präsentationstechniken • Moderationstechniken • Führungsmethoden • Interkulturelles Wissen • Fremdsprachen
Fachliches Pro¿l
• Spezialist/-in; Experte/Expertin • Generalist/-in
Sprachliche/BegrifÀiche Fertigkeiten
• Sprachkompetenz • Schriftkompetenz • Rhetorik
Tabelle 8:
Fachkompetenz: für die Aufgabe/ Situation benötigt [0–10]
Bewertungstabelle „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Fachkompetenz“
139
Das 5-Schritte-Verfahren Graphische Darstellung: Liniendiagramm
Konkrete Aufgabe/ Situation Sachverhalte aus Vergangenheit
Ressourcen
Fachwissen
Methodik
Präsentationstechniken
Moderationstechniken
Führungsmethoden
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen Fachliches Profil
Spezialist/-in Experte/Expertin
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Sprachkompetenz
Generalist/-in
Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenprofil: Fachkompetenz
Unternehmens- / Organisationsbezogen
………………………………………………………………………………………………….....................................................
Berufspezifisch
Situation: …………………………………………………………………………………………………………………………………………
Zusatzqualifikationen
Aufgabe:
Ausbildung
Studium
Sehr relevant
Nicht relevant
Berufsausbildung
Einordnung
Schriftkompetenz
Rhetorik
Abbildung 25: Liniendiagramm „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Fachkompetenz“
140
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Wird Fachkompetenz aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens/der Organisation oder auch von externen Stellen benötigt, so sollte man für jeden dieser Bereiche ein eigenes Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l erstellen. Die Anforderungen können durchaus differieren, beispielsweise wird aus dem einen Bereich ein Spezialist/eine Spezialistin, aus einem anderen ein Generalist/eine Generalistin benötigt. So gewinnt man nicht nur eine differenzierte Arbeitsgrundlage für sich selbst, sondern gleichzeitig eine gute Diskussionsgrundlage über anderweitig benötigte Ressourcen. 10.3.1.2
Benötigte Soft Skills für eine Aufgabe/Situation
Als Kriterien werden die Detailaspekte der Soft Skills (vgl. Kapitel 7.4) herangezogen.
141
Das 5-Schritte-Verfahren Die Bewertungstabelle Kategorie
Einzelmerkmal
Kommunikations-kompetenz
• Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen • Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit • Effektivität • Zielgerichtetheit • Klarheit • Möglichkeiten der Argumentation
Soziale Kompetenz
• • • • • • •
Aktionskompetenz
• • • • • •
Kreativität
• Innovation • Neue Ideen • Neue Herangehensweisen
Richtige Balance von Authentizität und Wirkungskalkül
• Einschätzbarkeit • Reden und Handeln passen zusammen
Tabelle 9:
Soft Skills: für die Aufgabe/Situation benötigt [0–10]
Empathie Kompromissfähigkeit KonÀiktfähigkeit Kooperationsfähigkeit Kritikfähigkeit Teamfähigkeit Toleranz
Stetigkeit Belastbarkeit Stressstabilität Engagement/Motivation Flexibilität Denktechniken und Denkgewohnheiten • Effektive Lerntechniken • Entscheidungs¿ndung • Arbeitsmethodik
Bewertungstabelle „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Soft Skills“
142
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Graphische Darstellung: Liniendiagramm
Klarheit
Empathie Kompromissfähigkeit
Soziale Kompetenz
Konfliktfähigkeit Kooperationsfähigkeit Kritikfähigkeit Teamfähigkeit
Ressourcen
Toleranz Stetigkeit Belastbarkeit Stressstabilität
Aktionskompetenz
Engagement/Motivation Flexibilität Denktechniken / Denkgewohnheiten Effektive Lerntechniken Effektive Entscheidungsfindung Arbeitsmethodik Innovation
Kreativität
Neue Ideen Neue Herangehensweisen
Richtige Balance von Authentizität
Einschätzbarkeit Reden und Handeln passen zusammen
Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenprofil : Soft Skills
Möglichkeiten der Argumentation
Situation/Aufgabe: ………………….……………………………………………………………………………………………………………………………….........................…………
Zielgerichtetheit
…………………………………………………………………………………………...................................………...............................................................................
Effektivität
Sehr relevant
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Nicht relevant
Kommunikationskompetenz
Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Einordnung
Abbildung 26: Liniendiagramm „Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Soft Skills“
Das 5-Schritte-Verfahren
143
Bei umfangreichen Aufgaben, die sich nur in einem Team bearbeiten lassen, werden die Mitarbeiter/-innen im Team verschiedene Aufgabenstellungen und Rollen, beispielsweise Führungs- und Koordinationsaufgaben, Abstimmung mit anderen Bereichen, Umsetzung von Lösungen, wahrnehmen. In diesem Fall sollte man für jede Aufgabenstellung/Rolle ein eigenes Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l erstellen, da sich die Anforderungen durchaus unterscheiden. 10.3.1.3
Benötigte Ressourcen-Ampli¿er für eine Aufgabe/Situation
Die Detailaspekte der Ressourcen-Ampli¿er lassen sich nicht allgemeingültig aufzählen. Sie sind stark von der Aufgabe/Situation abhängig. Daher beschränken wir uns im Folgenden auf Beispiele, die als Anregung zur individuellen Ausformulierung dienen können. Zuverlässigkeit • • • • • • • •
Methodisches Vorgehen Sorgfalt, Genauigkeit Vermeidung von Fehlern Verlässlichkeit von Aussagen Einhaltung von Terminen Genauigkeit in der Darstellung Kleidung Selbstdisziplin
Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit • Systemisches Denken (Denken in größeren Zusammenhängen, „über den Tellerrand hinaus“) • Selbstständiges Arbeiten • Zielorientiertes Vorgehen, realistische Planung • Verantwortliches Entscheiden • Gewissenhaftes Umgehen mit Verantwortung und Macht • Kritisches Hinterfragen eigener Vorstellungen und Lösungen
144
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft • • • • • • •
Sicherheit Auftreten Entschiedenheit Schnelles und entschlossenes Handeln Zielgerichtetes Herangehen an Aufgaben Zielorientiertes Verhalten Pro-aktives Handeln
Verarbeitete Erfahrung • Einbringen von Erfahrung • Erfahrungen nutzen um damit bessere Lösungen und Prozessverbesserungen zu erreichen • Kritisches Hinterfragen von Erfahrungen (reÀektieren) • Erfahrungen adäquat der Aufgabe/Situation zu nutzen • Akzeptanz von noch unerfahrenen Kollegen/Kolleginnen • Offenheit für neue Erfahrungen
10.3.2 Schritt 2: Ressourceneinschätzung Mitarbeiter/-innen Die Ressourceneinschätzung ist mitarbeiterspezi¿sch und beschreibt die für eine spezi¿sche Aufgabe/Situation relevanten Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er eines Mitarbeiters/-in. Eine Ressourceneinschätzung wird individuell für den/ die jeweilige/n Mitarbeiter/-innen entwickelt. Die Detailaspekte der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er werden dabei auf die Aufgabe/Situation bezogen und dementsprechend bewertet. Die Führungskraft sollte die Ressourceneinschätzung für jene Mitarbeiter/innen ausarbeiten • die grundsätzlich für die Aufgabe in Frage kommen,
Das 5-Schritte-Verfahren
145
• für die die Aufgabe/Situation Weiterentwicklungspotential bieten könnte. Denn je quali¿zierter ihre Mitarbeiter/-innen sind, desto Àexibler kann die Führungskraft in der Zukunft in ähnlichen Situationen agieren. Werden mehrere Mitarbeiter/-innen für eine Aufgabe benötigt, so ist neben der Ressourceneinschätzung für den einzelnen Mitarbeiter und die einzelne Mitarbeiterin wichtig, das zukünftige Team zu betrachten. Harmonieren die Mitarbeiter/innen mit den optimalen Voraussetzungen auch in einem Team? Wie sehen die geeigneten Teamprozesse und Teambildung aus? Hier bietet die einschlägige Fachliteratur Unterstützung, wie beispielsweise Fisher, K.; Rayner, S.; Belgrad, W. 1997. Darstellung der Ressourceneinschätzung Für die Darstellung sollte wegen der Vergleichbarkeit die gleiche Form und Bewertungsskala gewählt werden wie schon für das Aufgaben- und Situationsbezogene Ressourcenpro¿l eingesetzt wurde.
146 10.3.2.1
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen Fachkompetenz Mitarbeiter/-innen
Die Bewertungstabelle Kategorie
Einzelmerkmal
Ausbildung
• Berufsausbildung • Studium • Zusatzquali¿kationen
Fachwissen
• berufsspezi¿sch • bezogen auf das Unternehmen/die Organisation • bezogen auf die konkrete Aufgabe/ Situation • bezogen auf Sachverhalte aus der Vergangenheit • Methodik im Fachgebiet • Präsentationstechniken • Moderationstechniken • Führungsmethoden • Interkulturelles Wissen • Fremdsprachen
Fachliches Pro¿l
• Spezialist/-in; Experte/Expertin • Generalist/-in
Sprachliche/Begriffliche Fertigkeiten
• Sprachkompetenz • Schriftkompetenz • Rhetorik
Tabelle 10: Bewertungstabelle „Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz“
Ressourceneinschätzung Fachkompetenz [0–10]
147 Das 5-Schritte-Verfahren
Graphische Darstellung: Liniendiagramm
Methodik
Fachwissen
Präsentationstechniken
Moderationstechniken
Ressourcen
Spezialist/-in Experte/Expertin
Generalist/-in
Fachliches Profil
Sprachkompetenz
Schriftkompetenz
Rhetorik
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Abbildung 27: Liniendiagramm „Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz“
Ressourceneinschätzung : Fachkompetenz
Situation/Aufgabe: ……………………………………………………………………………………………………............…………..........................................................................……….......… .………………………………………………………………………………………….........................................................................................................................................
Berufspezifisch
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Konkrete Aufgabe / Situation
Sachverhalte aus Vergangenheit
Führungsmethoden
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen
Mitarbeiter/in: ……............... Kommt aus Bereich: ……………….......…. Aktuelle Aufgabe: ….................................................................………….................……....……......................
Zusatzqualifikationen
Sehr relevant
Berufsausbildung
Nicht relevant
Ausbildung
Studium
Einordnung
148 10.3.2.2
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen Soft Skills Mitarbeiter/-innen
Die Bewertungstabelle Kategorie
Einzelmerkmal
Kommunikationskom- Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen petenz Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit Effektivität Zielgerichtetheit Klarheit Möglichkeiten der Argumentation Soziale Kompetenz
Empathie Kompromissfähigkeit KonÀiktfähigkeit Kooperationsfähigkeit Kritikfähigkeit Teamfähigkeit Toleranz
Aktionskompetenz
Stetigkeit Belastbarkeit Stressstabilität Engagement/Motivation Flexibilität Denktechniken und Denkgewohnheiten Effektive Lerntechniken Entscheidungs¿ndung Arbeitsmethodik
Kreativität
Innovation Neue Ideen Neue Herangehensweisen
Richtige Balance von Einschätzbarkeit Authentizität und Wir- Reden und Handeln passen zusammen kungskalkül Tabelle 11: Bewertungstabelle „Ressourceneinschätzung: Soft Skills“
Ressourceneinschätzung Soft Skills [0–10]
149 Das 5-Schritte-Verfahren
Graphische Darstellung: Liniendiagramm
Konfliktfähigkeit
Ressourceneinschätzung : Soft Skills
Kooperationsfähigkeit
Kritikfähigkeit
Soziale Kompetenz
Toleranz
Stetigkeit
Belastbarkeit
Ressourcen
Engagement/Motivation
Denktechniken / Denkgewohnheiten Flexibilität
Aktionskompetenz
Neue Herangehensweisen
Neue Ideen
Kreativität
Reden und Handeln passen zusammen
Einschätzbarkeit
Richtige Balance von Authentizität
Abbildung 28: Liniendiagramm „Ressourceneinschätzung: Soft Skills“
Situation/Aufgabe: .............……………………………………………………………………………............…………..........................................................................……………..….......……… ………………………………………………………………………………….....................................................................................................................................................
Zielgerichtetheit
Effektivität
Möglichkeiten der Argumentation Klarheit
Kompromissfähigkeit Empathie
Teamfähigkeit
Stressstabilität
Effektive Lerntechniken
Effektive Entscheidungsfindung
Arbeitsmethodik
Innovation
Mitarbeiter/in: ……............... Kommt aus Bereich: ……………….......…. Aktuelle Aufgabe: ….............................................................………….................…………..............................
Sehr relevant
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Kommunikationskompetenz
Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Nicht relevant
Einordnung
150 10.3.2.3
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen Ressourcen-Ampli¿er Mitarbeiter/-innen
Zur Ressourceneinschätzung der Mitarbeiter/-innen kann die Führungskraft die oben aufgeführten Kriterien, um jene Detailaspekte erweitern, die für die Aufgabe/in der Situation wichtig sind. 10.3.3 Schritt 3: Gegenüberstellung des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls mit der Ressourceneinschätzung Anhand der beiden Darstellungen kann sich die Führungskraft ein gutes Bild machen, welche Mitarbeiter/-innen für die Aufgabe/Situation in Frage kommen. Aus der Gegenüberstellung des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls und der Ressourceneinschätzung können weitere wichtige Informationen gewonnen werden. Das sind Informationen • zur aktuellen Situation der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er der Mitarbeiter/-innen • zu Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter/-innen • zu in Zukunft notwendigen Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern in der Organisationseinheit als Voraussetzung für Àexibles Handeln. Um erkannte Weiterentwicklungspotentiale zu nutzen und die entsprechenden Weiterentwicklungen zu fördern, können entweder jene Weiterentwicklungsmöglichkeiten genutzt werden, die sich aus der Bewältigung aktueller Aufgabenstellungen in der entsprechenden Situation ergeben oder es können gesonderte Förderungsmaßnahmen geplant und durchgeführt werden.
10.3.4 Schritt 4: Einsetzbarkeit der Mitarbeiter/-innen Nachdem die Führungskraft einen Überblick über die aufgaben- und situationsspezi¿schen Weiterentwicklungspotentiale ihrer Mitarbeiter/-innen gewonnen hat, geht es darum, die zeitlichen Kapazitäten derjenigen Mitarbeiter/-innen abzuklären, die für die Übernahme neuer Aufgaben und Anforderungen in Frage kommen würden. Dazu sollte sie prüfen ob Aufgaben zeitlich verschiebbar wären oder von anderen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen übernommen werden
Das 5-Schritte-Verfahren
151
könnten. Oft hat die Führungskraft nicht viele Handlungsalternativen, da zwar die neuen Aufgaben dazu kommen, bestehende meist aber nicht wegfallen. Um eine kompetente Entscheidung fällen zu können, hilft es, die Alternativen mit ihren Vor- und Nachteilen darzustellen und zu bewerten.
10.3.5 Schritt 5: Motivation der Mitarbeiter/-innen Sollen Mitarbeiter/-innen eine neue Aufgabe übernehmen ist es wichtig sie für diese zu gewinnen. Nur wenn Mitarbeiter/-innen von den Zielen die mit der Aufgabe verfolgt werden und den notwendigen Maßnahmen und Vorgehensweisen überzeugt sind, arbeiten sie motiviert, das heißt mit entsprechendem Einsatz. Dies ist umso wichtiger, wenn Mitarbeiter/-innen eine Aufgabe unterbrechen oder abgeben müssen, für die sie sich bisher engagiert haben und sich auch verantwortlich fühlen. Hier emp¿ehlt sich, die betroffenen Mitarbeiter/-innen während des gesamten Verfahrens bereits sinnvoll einzubinden, sodass Entscheidungen und Maßnahmen von allen mitgetragen werden. Dabei ist es wichtig nicht nur Mitarbeiter/innen zu beteiligen die die neue Aufgabe übernehmen sollen, sondern auch das Team in dem sie derzeitig arbeiten. Denn oft kommen auf dieses Team für einen bestimmten Zeitraum zusätzliche Aufgaben zu, die es mit unter Umständen verminderter Kapazität bewältigen muss. Die notwendige emotionale Unterstützung der Mitarbeiter/-innen sollte nicht unterbleiben. Sie ist je nach Ressourcenpro¿l unterschiedlich. Daher kann hier die Ressourceneinschätzung wichtige Anhaltspunkte geben (vgl. Beispiel in Kapitel 6.3.1). 10.3.6 Zusammenfassung Die folgende Abbildung zeigt noch einmal konzentriert die einzelnen Phasen und die für sie wichtigsten Gesichtspunkte und Fragestellungen.
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen 152
• Charakteristika und Komplexität der Aufgabe, Situation beschreiben • Rahmenbedingungen (Terminsituation, Beteiligte, Budget, etc.) definieren • Ausprägung der benötigten Ressourcen, Ressourcen-Amplifier festlegen • Ausprägung der Ressourcen/RessourcenAmplifier von in Frage kommenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beurteilen • Arbeitsblätter: Checklisten, Bewertungstabelle, Liniendiagramm
• Teilaufgaben und Ressourcen, Ressourcen-Amplifier priorisieren • Vorgehen bezüglich der bisherigen Aufgaben definieren • Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter/-innen in der neuen Aufgabe erkennen • Mittelfristig notwendige Qualifizierungsmaßnahmen im Team erkennen • Harmonie im Team bedenken
• Interesse/Anreize für Mitarbeiter/-innen an der Aufgabe schaffen • Unsicheren Mitarbeitern/-innen emotionale Unterstützung und Sicherheit geben • Motivation des Teams aus denen der/die Mitarbeiter/-innen kommen
Das 5-Schritte-Verfahren: Zusammenfassung der in den einzelnen Schritten wichtigsten Gesichtspunkte
Motivation Mitarbeiter/-innen und Team
Einsetzbarkeit Mitarbeiter/-innen
Gegenüberstellung von Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenprofil und Ressourceneinschätzung
Ressourceneinschätzung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
Klärung der Aufgabe/Situation und Entwicklung eines Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenprofils
Abbildung 29: Das 5-Schritte-Verfahren
• In Zusammenarbeit mit direktem Vorgesetzten der Mitarbeiter/-innen (z.B. Abteilungsleiter/-in mit Teamleiter/-in)
• in Zusammenarbeit mit direktem Vorgesetzten (z.B. Abteilungsleiter/-in mit Teamleiter/-in)
• Mitarbeiter/-innen als Fachleute hinzuziehen für eine sichere Einschätzung von Komplexität, Umfang und benötigten Ressourcen für die Aufgabe
Einbeziehung Mitarbeiter/-innen und Team
Das 5-Schritte-Verfahren
153
10.3.7 Beispiel einer Strategieentwicklung mit situations- und aufgabenbezogener Auswahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nach Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern In einem Stadtteil einer deutschen Großstadt ist aktuell ein stark steigendes Gewaltpotenzial sowie steigender Drogenmissbrauch festzustellen. Ein Jugendtreff be¿ndet sich im Stadtteil. Konzeptionelle Idee des Jugendtreffs: als präventives Angebot die Einrichtung einer „Musikwerkstatt“, in der auch Jugendliche, die vom Elternhaus her keine Chance auf Finanzierung eines Musikunterrichtes haben, unter Anleitung eine ihrem Geschmack und ihrer Jugendkultur entsprechende Musik machen können. Die sinnvolle Beschäftigung der Jugendlichen mit einer ihrem Lebensgefühl entsprechenden Musik soll gewalt- und drogenpräventive Wirkungen haben. Dazu gehört es, den Jugendlichen das entsprechende Equipment, wie Schlagzeug, Gesangsanlage, Gitarren- und Bassverstärkeranlagen, ein digitales Mischpult usw. zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich müsste ein Raum im Jugendtreff schallisoliert werden, um die restliche Jugendarbeit in der Einrichtung aber auch die Nachbarschaft nicht zu stören. Dazu ist ein Investitionsvolumen an Sachmitteln und Baumaßnahmen von EUR 56.000,- erforderlich. Zusätzliches Personal wäre nicht nötig, da zwei Mitarbeiterinnen der Einrichtung die Betreuung sozialpädagogisch und fachlichmusikalisch gewährleisten können. Der Träger des Jugendtreffs ist ein Verein, der Jugendarbeit im Auftrag der Kommune betreibt. Im Vorstand des Vereins sitzen satzungsgemäß Abgeordnete des Stadtrates nach Parteienproporz, sowie ein Vertreter aus der Wissenschaft und einer der örtlichen Jugendverbände. Die Finanzierung soll nun – zumindest vorwiegend – durch die Stadt und das Land (Landesjugendplan) erfolgen. Da aber die ¿nanziellen Ressourcen von Kommune und Land sehr begrenzt sind, geben die zuständigen Bearbeiter/-innen von Kommune und Land die die Information, dass, wenn überhaupt eine Förderung dieses Projektes erfolgt, der Gesamtbetrag keineswegs durch die öffentliche Hand allein ¿nanziert werden könne. Die Mittel der öffentlichen Hand müssen also ergänzt werden durch aus gezieltem Fundraising gewonnenen Spenden und Sponsorenmitteln und eventuell auch Geldern der Europäischen Union. Es muss also der Vorstand des Vereins, die Vertreter/-innen des Jugendhilfeausschusses insbesondere der etwas konservative „Sachverständige für Jugendkulturarbeit“ der Mehrheitsfraktion für die Sache gewonnen werden. Auch geht
154
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
es darum, die zuständigen Vertreter/-innen im Ministerium von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens – immerhin eines Modellprojektes für die Region – zu überzeugen. Ergänzend dazu müssen Fundraising-Aktionen angekurbelt werden, um zusätzliche Spender/-innen und Sponsoren/Sponsorinnen zu akquirieren. Und es muss eruiert werden, welche Anträge zu welchen Förderrichtlinien an die Europäische Union gerichtet werden können. Frau Kaufmann ist als Mitglied der Geschäftsführung zuständig für die Finanzierung und Umsetzung innovativer Konzepte in den zahlreichen Einrichtungen des Vereins. Sie muss eine Strategie entwickeln, wie sie unter den genannten Vorgaben eine Finanzierung schafft. Dazu und zur konkreten Bewältigung der dabei anfallenden Aufgaben braucht sie Unterstützung durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Team des Jugendtreffs. Diese sollten in der Lage sein, z.B. die Präsentation für den Vorstand bei einem „Lokaltermin“, die Präsentation im kommunalen Jugendhilfeausschuss und im Ministerium für Jugend und Familie vorzubereiten und durchzuführen sowie überdies noch innerhalb der anschließenden Diskussionen Frau Kaufmann mit sachdienlichen Argumenten zu unterstützen. Bei der Planung und Durchführung der Fundraising-Aktionen sollten die Mitarbeiter/-innen möglichst viel Eigeninitiative entwickeln. Das gilt auch für die Anträge an die Europäische Union. Die Frage ist nun, welche Aufgaben Frau Kaufmann bewältigen muss und welche Mitarbeiter/-innen aus dem Jugendtreff ihr bei welchen Aufgaben am besten zur Seite stehen können. Dabei sollte noch berücksichtigt werden, Mitarbeiter/innen durch die gezielte Übertragung von Aufgaben zu fördern, indem diese daran wachsen können, ohne sich zu überfordern. Das könnte beispielsweise die Fähigkeit sein, innovative Konzepte zu vertreten und präsentieren zu können. Diese Mitarbeiter/-innen könnten dann zukünftig in stärkerem Maße Fundraising-Aufgaben übernehmen, was in der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Lage bei der Umsetzung innovativer Ideen immer wichtiger wird. Es kann sich dabei selbstverständlich auch andere erstrebenswerte Quali¿kationen handeln. Beispielsweise kann es auch darum gehen, Mitarbeiter/-innen langfristig für Führungsaufgaben zu quali¿zieren. Zusammengefasst geht es für Frau Kaufmann also in ihrer Führungsrolle • zunächst darum, eine Strategie zu entwickeln und dabei Mitarbeiter/-innen des Jugendtreffs einzubinden. • Dann muss sie für die jeweils zu bewältigenden Aufgaben die Mitarbeiter/innen herauszu¿nden, die sie dabei optimal unterstützen können,
Das 5-Schritte-Verfahren
155
• und letztendlich geht es auch darum, welcher Mitarbeiter oder welche Mitarbeiterin durch Einbeziehung in die Aufgabenstellung, gezielt gefördert werden kann. Auch das gehört zu ihrer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Führungsstrategie. Das Team des Jugendtreffs besteht in diesem, der Größe und Problematik des Stadtteils entsprechend relativ großen Jugendtreff aus 10 Mitarbeitern/-innen. In einer geistigen Vorauswahl, hat Frau Kaufmann bereits festgestellt, dass 5 Mitarbeiter/-innen des Jugendtreffs zu ihrer Unterstützung in Frage kommen. Für diese stecken auch innerhalb der nach erster Einschätzung zu bewältigenden Aufgaben gute Förderungsmöglichkeiten. Frau Kaufmann erstellt zunächst die Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿le, nämlich zum einen auf die Fachkompetenz und zum anderen auf die Soft Skills bezogen (Schritt 1).
156
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Kritikfähigkeit
Belastbarkeit Stressstabilität
Aktionskompetenz
Engagement/Motivation Flexibilität Denktechniken / Denkgewohnheiten
Effektive Entscheidungsfindung Arbeitsmethodik Innovation
Richtige Balance von Authentizität
Einschätzbarkeit Reden und Handeln passen zusammen
Präsentationstechniken
Führungsmethoden
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Kreativität
Neue Ideen Neue Herangehensweisen
Methodik
Moderationstechniken
Fachliches Profil
Effektive Lerntechniken
Sachverhalte aus Vergangenheit
Ressourcen
Ressourcen
Toleranz Stetigkeit
Konkrete Aufgabe / Situation
Fachwissen
Teamfähigkeit
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Spezialist/-in Experte/Epertin
Generalist/-in
Sprachkompetenz
Schriftkompetenz
Rhetorik
Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenprofil: Fachkompetenz
Kooperationsfähigkeit
Berufspezifisch
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Soziale Kompetenz
Konfliktfähigkeit
Zusatzqualifikationen
Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenprofil: Soft Skills
Empathie Kompromissfähigkeit
Studium
Sehr relevant
Möglichkeiten der Argumentation
Berufsausbildung
Nicht relevant
Klarheit
Einordnung
Ausbildung
Zielgerichtetheit
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Effektivität
Einordnung
Sehr relevant
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Nicht relevant
Kommunikationskompetenz
Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Abbildung 30: Aufgaben- und Situationsbezogenes Ressourcenpro¿l: Fachkompetenz und Soft Skills
Für die in Frage kommenden Mitarbeiter/-innen erarbeitet nun Frau Kaufmann die jeweilige Ressourceneinschätzung bezogen auf Fachkompetenz und Soft Skills (Schritt 2).
Das 5-Schritte-Verfahren
157
Wilhelm Meier, Dipl.-Sozialpädagoge (FH): Wilhelm Meier ist Teamleiter und bereits seit 8 Jahren in der Einrichtung. Davor war er schon zwei Jahre in der Nichtsesshaftenarbeit. Wilhelm Meier verfügt neben seiner großen Berufserfahrung über ein enormes Fachwissen hinsichtlich der Beratung von Jugendlichen und der Entwicklung von Konzeptionen. Er hat als Leiter des Jugendtreffs bei der Entwicklung der Konzeption des präventiven Angebotes „Musikwerkstatt“ federführend mitgearbeitet und dafür gesorgt, dass die notwendigen Unterlagen termingerecht und strukturiert aufbereitet vorliegen. Er hat zu diesem Zweck das zu beschaffende Equipment zusammengestellt, die erforderlichen Informationen für die Schallisolierung zusammengetragen, die Kalkulation erstellt und bereits entsprechende Angebote eingeholt. Allerdings hatte Wilhelm Meier bisher kaum Kontakt mit Entscheidungsträgern und besitzt wenig Erfahrung in der Präsentation und der Überzeugungsarbeit in Gremien und/oder von relevanten Einzelpersonen. Auch hinsichtlich einer Fundraising-Arbeit hat er keine einschlägigen Kenntnisse und Erfahrungen. Er hat auch keine musikalischen Kenntnisse. Als Teamleiter wird er von seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum einen wegen seines Wissens und seiner Erfahrung, zum anderen wegen seiner offenen Art der Zusammenarbeit geschätzt. Entscheidungen trifft Wilhelm Meier nicht isoliert, sondern betrachtet auch die möglichen Auswirkungen auf andere Bereiche. Er bindet im Normalfall seine Mitarbeiter/-innen bei der Diskussion und Bewertung von Lösungsalternativen ein. Manchmal gibt es aber Situationen in denen er eher alleine entscheidet. Dies ist der Fall, wenn er massive Kritik an seinen Vorschlägen erwartet.
158
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Effektive Entscheidungsfindung Arbeitsmethodik Innovation
Neue Herangehensweisen
Richtige Balance von Authentizität
Einschätzbarkeit Reden und Handeln passen zusammen
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Kreativität
Neue Ideen
Führungsmethoden
Fachliches Profil
Effektive Lerntechniken
Moderationstechniken
Spezialist/-in Experte/Epertin
Generalist/-in
Sprachkompetenz
Schriftkompetenz
Rhetorik
Abbildung 31: Ressourceneinschätzung Meier: Fachkompetenz und Soft Skills
Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz
Aktionskompetenz
Flexibilität Denktechniken / Denkgewohnheiten
Präsentationstechniken
Aktuelle Aufgabe: Teamleiter
Stressstabilität Engagement/Motivation
Methodik
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
z Belastbarkeit
Sachverhalte aus Vergangenheit
Ressourcen
Ressourcen
Toleranz Stetigkeit
Konkrete Aufgabe / Situation
Fachwissen
Teamfähigkeit
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Kritikfähigkeit
Berufspezifisch
Ressourceneinschätzung: Soft Skills
Kooperationsfähigkeit
Aktuelle Aufgabe: Teamleiter
Soziale Kompetenz
Konfliktfähigkeit
Zusatzqualifikationen
Mitarbeiter/in: Wilhelm Meier
Empathie Kompromissfähigkeit
Studium
Sehr relevant
Möglichkeiten der Argumentation
Berufsausbildung
Nicht relevant
Klarheit
Einordnung
Ausbildung
Zielgerichtetheit
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Effektivität
Sehr relevant
Nicht relevant
Kommunikationskompetenz
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Mitarbeiter/in: Wilhelm Meier Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Einordnung Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Das 5-Schritte-Verfahren
159
Laurence Deponte, Dipl.-Sozialpädagogin (FH): Laurence Deponte ist gebürtige Französin aber in Deutschland zweisprachig aufgewachsen und beherrscht auch Englisch perfekt in Sprache und Schrift. Sie ist seit erst 3 Monaten in der Einrichtung und wurde dafür eingestellt, gemeinsam mit einer anderen Mitarbeiterin, Isabelle Kurz, die sozialpädagogische und musikalische Betreuung der Jugendlichen in der Musikwerkstatt zu übernehmen. Ihre Diplomarbeit hat Laurence Deponte über Drogen- und Gewaltprävention geschrieben. Laurence Deponte spielt sehr gut Gitarre und Keyboards, kennt sich gut mit der Musiksoftware Cubase aus. Sie beteiligt sich an Diskussionen sehr engagiert, schweift aber manchmal vom Thema ab. Ihre Ausführungen sind nicht immer für alle Beteiligten klar und nachvollziehbar. Sie arbeitet Teilzeit (50%) und es ist ihre erste Stelle nach dem Abschluss ihres Studiums. Da sie noch nicht lange im Team ist, lassen sich ihre Soft Skills nicht in allen Punkten beurteilen.
160
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
Innovation
Richtige Balance von Authentizität
Einschätzbarkeit Reden und Handeln passen zusammen
Fremdsprachen
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Kreativität
Neue Ideen Neue Herangehensweisen
Interkulturelles Wissen
Spezialist/-in Experte/Epertin
Generalist/-in
Sprachkompetenz
Schriftkompetenz
Rhetorik
Abbildung 32: Ressourceneinschätzung Deponte: Fachkompetenz und Soft Skills
Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz
Arbeitsmethodik
Führungsmethoden
Fachliches Profil
Effektive Entscheidungsfindung
Moderationstechniken
Aktuelle Aufgabe: Sie ist noch in der Einarbeitungsphase
Effektive Lerntechniken
Präsentationstechniken
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Flexibilität Denktechniken / Denkgewohnheiten
Methodik
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Aktionskompetenz
Engagement/Motivation
Sachverhalte aus Vergangenheit
Mitarbeiter/in: Laurence Deponte
Belastbarkeit Stressstabilität
Konkrete Aufgabe / Situation
Ressourcen
Ressourcen
Toleranz Stetigkeit
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Fachwissen
Teamfähigkeit
Berufspezifisch
Sehr relevant
Kritikfähigkeit
Studium
Zusatzqualifikationen
Ressourceneinschätzung: Soft Skills
Kooperationsfähigkeit
Aktuelle Aufgabe: Sie ist noch in der Einarbeitungsphase
Soziale Kompetenz
Konfliktfähigkeit
Berufsausbildung Nicht relevant
Empathie Kompromissfähigkeit
Einordnung
Ausbildung
Möglichkeiten der Argumentation
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Klarheit
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Zielgerichtetheit
Sehr relevant
Effektivität
Nicht relevant
Kommunikationskompetenz
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Mitarbeiter/in: Laurence Deponte
Einordnung Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Das 5-Schritte-Verfahren
161
Isabelle Kurz, Erzieherin: Isabelle Kurz hat nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin in der Einrichtung begonnen und seither zahlreiche Fortbildungen im musikalischen Bereich absolviert. Sie soll mit Laurence Deponte zusammen die Betreuung der Musikwerkstatt übernehmen. Isabelle Kurz spielt sehr gut Schlagzeug und Perkussions-Instrumente, zudem kennt sie sich ausgezeichnet mit allem aus, was hinsichtlich des Abmischens und des „guten Sounds“ notwendig ist. Sie spielt schon seit Jahren selbst in einer Musikgruppe und kommt bei den Jugendlichen sehr gut an. Sie hat eine hohe pädagogisch-methodische Kompetenz. Isabelle Kurz ist seit 10 Jahren in der Einrichtung, war aber die letzten 3 Jahre in Elternzeit und ist erst wieder seit 2 Monaten im Team. Sie hat sich sehr schnell wieder in die Themen eingearbeitet. Wo immer etwas zu tun ist, ist sie zur Stelle. Sie befasst sich meistens mit mehreren Aufgaben gleichzeitig, wobei sie diese gewissenhaft, sehr zielstrebig und entschlossen angeht. Sie arbeitet Teilzeit (50%) und teilt sich eine Planstelle mit Laurence Deponte. Mit der Konzeptionserstellung für die Musikwerkstatt war sie nicht befasst, da sie zu dieser Zeit noch in der Elternzeit war.
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen 162
Möglichkeiten der Argumentation
Kompromissfähigkeit Empathie
Kooperationsfähigkeit
Ressourcen
Moderationstechniken
Führungsmethoden
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen
Fachliches Profil
Spezialist/-in Experte/Epertin
Schriftkompetenz
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Sprachkompetenz
Aktuelle Aufgabe: Sie ist noch in der Einarbeitungsphase nach Elternzeit
Präsentationstechniken
Fachwissen
Methodik Teamfähigkeit
Toleranz
Belastbarkeit
Denktechniken / Denkgewohnheiten Flexibilität
Aktionskompetenz
Engagement/Motivation Stressstabilität
Effektive Lerntechniken
Effektive Entscheidungsfindung
Arbeitsmethodik
Innovation
Neue Ideen
Kreativität
Neue Herangehensweisen
Aktuelle Aufgabe: Sie ist noch in der Einarbeitungsphase nach der Elternzeit
Kritikfähigkeit
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Klarheit
Mitarbeiter/in: Isabelle Kurz
Zielgerichtetheit
Sehr relevant
Konfliktfähigkeit
Soziale Kompetenz
Richtige Balance von Authentizität
Abbildung 33: Ressourceneinschätzung Kurz: Fachkompetenz und Soft Skills
Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz
Konkrete Aufgabe / Situation
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Sachverhalte aus Vergangenheit
Ressourceneinschätzung: Soft Skills
Generalist/-in
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Mitarbeiter/in: Isabelle Kurz
Berufspezifisch
Sehr relevant
Nicht relevant
Ausbildung
Zusatzqualifikationen
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Einordnung Einordnung
Rhetorik Reden und Handeln passen zusammen
Studium Effektivität
Nicht relevant
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Kommunikationskompetenz
Stetigkeit
Ressourcen
Einschätzbarkeit
Berufsausbildung Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Das 5-Schritte-Verfahren
163
Ingeborg Schmidt, Dipl.-Sozialpädagogin (FH): Ingeborg Schmidt ist seit 3 Jahren in der Einrichtung und war vorher 2 Jahre in einer Erziehungsberatungsstelle tätig. Sie hat zahlreiche Fortbildungen in Gesprächsführung, Präsentationstechniken und Präsentationsmethoden sowie zu Fundraising erfolgreich absolviert. In ihrer früheren Arbeitsstelle war sie auch schon bei der Durchführung eines Fundraisingprojektes beteiligt. Sie konnte auch schon Erfahrung in der Gremienarbeit sammeln, da sie die Einrichtung in der „Stadtteilrunde“, dem Treff aller sozialen Einrichtungen im Stadtteil, vertritt. Auch im Bezirksbeirat des Stadtteils hat sie schon sehr überzeugend die Arbeit des Jugendtreffs präsentiert. In beiden Gremien diskutiert sie intensiv mit und vertritt die Interessen der Einrichtung konsequent. Sie ist als Teilnehmerin geschätzt, da sie immer neue Ideen einbringt, aber auch Vorschläge von Anderen aufgreift und gewinnbringend umsetzt. Dabei schaut sie immer „über den Tellerrand hinaus“ und sieht die Konsequenzen von Vorschlägen und Entscheidungen in einen größeren Zusammenhang. Sie diskutiert beispielsweise Auswirkungen von Maßnahmen nicht nur bezogen auf den eigenen Stadtteil sondern auch auf die angrenzenden Stadtteile. Allerdings gestalten sich Diskussionen im Team manchmal schwierig, da Ingeborg Schmidt dazu neigt in diesen über die Maßen dominieren zu wollen. Ingeborg Schmidt war ebenfalls an der Entwicklung der Konzeption für die Musikwerkstatt beteiligt. Sie ist begeistert von der Idee, spielt kein Instrument, ist aber eine hervorragende Sängerin. Sie will zwar die Musikwerkstatt nicht of¿ziell betreuen, aber ab und zu gezielt Sänger und Sängerinnen unterstützen.
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen 164
Möglichkeiten der Argumentation
Kompromissfähigkeit Empathie
Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz
Ressourcen
Moderationstechniken
Führungsmethoden
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen
Generalist/-in
Fachliches Profil
Spezialist/-in Experte/Epertin
Schriftkompetenz
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Sprachkompetenz
Aktuelle Aufgabe: Sie vertritt die Einrichtung in der Stadtteilrunde und war beteiligt am Konzept der Musikwerkstatt
Präsentationstechniken
Fachwissen
Methodik
Ressourceneinschätzung: Soft Skills
Sachverhalte aus Vergangenheit
Kooperationsfähigkeit
Teamfähigkeit
Toleranz
Belastbarkeit
Denktechniken / Denkgewohnheiten Flexibilität
Aktionskompetenz
Engagement/Motivation Stressstabilität
Effektive Lerntechniken
Effektive Entscheidungsfindung
Arbeitsmethodik
Innovation
Neue Ideen
Kreativität
Neue Herangehensweisen
Aktuelle Aufgabe: Sie vertritt die Einrichtung in der Stadtteilrunde und war beteiligt am Konzept der
Kritikfähigkeit
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Klarheit
Mitarbeiter/in: Ingeborg Schmidt
Zielgerichtetheit
Sehr relevant
Konfliktfähigkeit
Soziale Kompetenz
Richtige Balance von Authentizität
Abbildung 34: Ressourceneinschätzung Schmidt: Fachkompetenz und Soft Skills
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Konkrete Aufgabe / Situation
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Mitarbeiter/in: Ingeborg Schmidt
Berufspezifisch
Sehr relevant
Nicht relevant
Ausbildung
Zusatzqualifikationen
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Einordnung
Einordnung
Rhetorik
Reden und Handeln passen zusammen
Studium
Effektivität
Nicht relevant
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Kommunikationskompetenz
Stetigkeit
Ressourcen
Einschätzbarkeit
Berufsausbildung
Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Das 5-Schritte-Verfahren
165
Helmut Langer, Erzieher: Helmut Langer ist seit 5 Jahren in der Einrichtung und kam direkt nach der Erzieherausbildung in das Team. Er hat in der letzten Zeit einige Fortbildungen absolviert, unter anderem Kurse für Präsentationstechniken und Präsentationsmethoden. Er ist für den „offenen Bereich“ verantwortlich (Cafe, Disco, Theke, Billardraum, Kicker, Tischtennis etc.). Unter anderem organisiert Helmut Langer die „Discos“, leitet die „DJ-Gruppe“ und kennt sich sehr gut mit aktueller Musik, die bei Jugendlichen gut ankommt aus. Durch sein Auftreten und durch seine legere Kleidung hat er sehr schnell einen Draht, auch zu schwierigen Jugendlichen. Manchmal legt Helmut Langer diese Lässigkeit aber auch bei Terminen innerhalb der Einrichtung an den Tag: Bei Besprechungen kommt er ohne Grund zu spät oder schlecht vorbereitet. Auch fühlt er sich in Veranstaltungen und Besprechungen nicht wohl, in denen es formal zugeht. Ihn stört es beispielsweise seine Ideen in Präsentationen „pressen“ und mit Anzug und Krawatte erscheinen zu müssen. Kommen Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen von den Kollegen und Kolleginnen für seinen Bereich reagiert er gelegentlich überzogen ablehnend. Er ist sehr eloquent, politisch aktiv, hat gute Überzeugungskraft und kennt den „Sachverständigen für Jugendkultur“ aus dem Jugendhilfeausschuss, mit dem er ab und zu am Stammtisch „einen trinkt“.
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen 166
Ressourceneinschätzung: Fachkompetenz
Ressourcen
Moderationstechniken
Führungsmethoden
Interkulturelles Wissen
Fremdsprachen
Generalist/-in
Fachliches Profil
Spezialist/-in Experte/Epertin
Schriftkompetenz
Sprachliche / Begriffliche Fertigkeiten
Sprachkompetenz
Aktuelle Aufgabe: Er ist verantwortlich für den offenen Bereich, organisiert die Disco und leitet die DJ-Gruppe
Präsentationstechniken
Fachwissen
Methodik
Ressourceneinschätzung: Soft Skills
Sachverhalte aus Vergangenheit
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Konkrete Aufgabe / Situation
Möglichkeiten der Argumentation
Kompromissfähigkeit Empathie
Kooperationsfähigkeit
Teamfähigkeit
Toleranz
Belastbarkeit
Denktechniken / Denkgewohnheiten Flexibilität
Aktionskompetenz
Engagement/Motivation Stressstabilität
Effektive Lerntechniken
Effektive Entscheidungsfindung
Arbeitsmethodik
Innovation
Neue Ideen
Kreativität
Neue Herangehensweisen
Aktuelle Aufgabe: Er ist verantwortlich für den offenen Bereich, organisiert die Disco und leitet die DJ-Gruppe
Kritikfähigkeit
Kommt aus Bereich: Eigenes Team
Klarheit
Mitarbeiter/in: Helmut Langer
Zielgerichtetheit
Sehr relevant
Konfliktfähigkeit
Soziale Kompetenz
Richtige Balance von Authentizität
Abbildung 35: Ressourceneinschätzung Langer: Fachkompetenz und Soft Skills
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Unternehmens- / Organisationsbezogen
Mitarbeiter/in: Helmut Langer
Berufspezifisch
Sehr relevant
Nicht relevant
Ausbildung
Zusatzqualifikationen
Situation/Aufgabe: Einrichtung einer Musikwerkstatt als präventives Angebot. Um die Finanzierung sicherzustellen ist es notwendig Gremien und Einzelpersonen vom Sinn der Musikwerkstatt zu überzeugen
Einordnung Einordnung
Rhetorik Reden und Handeln passen zusammen
Studium Effektivität
Nicht relevant
Möglichkeiten der Ausdrucksfähigkeit
Kommunikationskompetenz
Stetigkeit
Ressourcen
Einschätzbarkeit
Berufsausbildung Fähigkeit auf Andere zu-/einzugehen
Das 5-Schritte-Verfahren
167
Gegenüberstellung des Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿ls und der Ressourceneinschätzungen (Schritt 3) Nachdem Frau Kaufmann die Aufgaben- und Situationsbezogenen Ressourcenpro¿le für Fachkompetenz und Soft Skills einerseits und die diesbezüglichen Ressourceneinschätzungen für die in Frage kommenden Mitarbeiter/-innen andererseits erstellt hat, kann sie diese gegenüberstellen und auswerten. Dazu ist es auch wichtig, dass in diese Auswertung die für die entsprechende Situation notwendigen Ressourcen-Ampli¿er mit berücksichtigt werden. Hierfür zieht sie die Kriterien aus Kapitel 10.2.1.3 heran. Aus all diesen Informationen kann sie erkennen welche Mitarbeiter/-innen für die Aufgabe geeignet sind und welche notwendigen Weiterentwicklungen sie angehen muss. Wilhelm Meier, Dipl.-Sozialpädagoge (FH): Wilhelm Meier leitet sein Team schon einige Jahre und hat hervorragende Fachkenntnisse bezogen auf diese Aufgabe. Er hat das Konzept und die ¿nanzielle Seite des Projekts maßgeblich gestaltet und vorangetrieben. Wenn er eine derartige Aufgabe übernimmt kann sich Frau Kaufmann auf ihn verlassen: Er übernimmt die Verantwortung, überlegt und veranlasst die notwendigen Maßnahmen und sorgt dafür, dass die Ergebnisse termingerecht vorliegen. Er hat große Erfahrung in der Leitung eines Teams und in allen fachlichen und organisatorischen Belangen. Allerdings fehlt ihm die Praxis bei der Überzeugungsarbeit von Gremien und Einzelpersonen. Das heißt, sowohl seine Fachkompetenz als auch seine Ressourcen-Ampli¿er sind gut ausgeprägt. Seine Soft Skills wären für die Aufgabe ausreichend. Die fehlenden Präsentations- und Moderationstechniken lassen sich durch Quali¿kationsmaßnahmen erwerben. Danach könnte Wilhelm Meier die notwendige Erfahrung in einfacheren Situationen sammeln. Diese Weiterentwicklung wäre aber mittel- bis langfristig zu sehen. Wilhelm Meier sollte die operative Gesamtverantwortung für diese Aufgabe übernehmen und in jedem Fall die fachliche und organisatorische Seite abdecken. Aufgrund seiner Kenntnisse und Herangehensweise kann er schnell beurteilen welche Kompromisse geschlossen werden können, um das Projekt „Musikwerkstatt“ zumindest ingangsetzen zu können. Außerdem wird es ihm nicht schwerfallen dafür zu sorgen, dass das gesamte Vorhaben im geplanten zeitlichen Rahmen abgewickelt werden kann. Da Wilhelm Meier sehr methodisch und
168
Erkennen von Weiterentwicklungspotentialen
sorgfältig arbeitet, kann er in Erfahrung bringen welche Anträge für Förderrichtlinien an die Europäische Union gestellt werden könnten und die notwendigen Informationen für diese zusammenstellen. Laurence Deponte, Dipl.-Sozialpädagogin (FH): Sie bringt Grundkenntnisse aus dem Studium mit. Ihre soziale und Aktionskompetenz wie auch die Ausprägung ihre Ressourcen-Ampli¿er lassen sich nach 3 Monaten noch nicht sicher einschätzen. Ihre Weiterentwicklung sollte sich zuerst in Richtung der zu übernehmenden Aufgabe (Betreiben der Musikwerkstatt) konzentrieren. Sie kann so neue Erfahrungen in der Jugendarbeit sammeln und ihre Kenntnisse aus Studium und Diplomarbeit in der Praxis erproben und erweitern. Die anstehenden Aufgaben sollten Frau Kauffmann und Herr Meier sinnvollerweise in einer Zielvereinbarung mit Laurence Deponte besprechen und geeignete Teilziele und Meilensteine festlegen. Durch das regelmäßige Feedback gewinnt sie Sicherheit und stärkt ihre Handlungsorientiertheit. Isabelle Kurz, Erzieherin: Isabelle Kurz hat gute Fachkenntnisse hinsichtlich der musikalischen Betreuung und der pädagogisch-methodischen Kompetenz. Durch ihre lange Berufstätigkeit in der Einrichtung hat sie eine profunde Erfahrung in der Jugendarbeit. An der Konzepterstellung war sie nicht beteiligt, daher fehlen ihr auch die Hintergründe für manche Entscheidungen, die zu wissen bei Gesprächen mit den Gremien notwendig sind. Kenntnisse in Präsentations- und Moderationstechnik hat sie noch nicht. Bisher war sie auch noch nicht mit Gremienarbeit betraut. Ihre Ressourcen-Ampli¿er „Zuverlässigkeit“, „Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ sind gut ausgeprägt. Daher sollte Isabelle Kurz gemeinsam mit Laurence Deponte den Aufbau der Musikwerkstatt in Angriff nehmen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung kann sie für Laurence Deponte eine Mentorinnenfunktion übernehmen. Das kann ein erster Schritt sein, um sie mittel- bis langfristig an mehr Verantwortungsübernahme heranzuführen.
Das 5-Schritte-Verfahren
169
Ingeborg Schmidt, Dipl.-Sozialpädagogin (FH): Ingeborg Schmidt hat neben ihrer einschlägigen berufsspezi¿schen Erfahrung auch Routine in der Gremienarbeit und fundierte Kenntnisse in Präsentations-, Moderationstechnik und Gesprächsführung. Diese Erfahrungen kann sie bei der vorliegenden Aufgabe einsetzen. Sie war an der Konzeptentwicklung für die Musikwerkstatt beteiligt, so dass sie das Vorhaben gut vertreten kann. In allen detaillierten fachlichen und ¿nanziellen Fragen kann ihr Wilhelm Meier zur Seite stehen. In der Gremienarbeit hat Isabelle Kurz immer wieder gezeigt, dass sie in Situationen in denen sie alleine die Interessen der Einrichtung vertreten muss zielgerichtet und verantwortlich handeln kann. Sie denkt systemisch und übernimmt Verantwortung für den Jugendtreff in den Stadtteilrunden. Ihre Ressourcen-Ampli¿er sind gut ausgeprägt. Die in Teamdiskussionen gezeigte Dominanz sollte Frau Kaufmann selbst und Wilhelm Meier in Feedbackgesprächen mit Ingeborg Schmidt zur Sprache bringen. Helmut Langer, Erzieher: Helmut Langer hat keine Vorkenntnisse mit der einschlägigen Gremienarbeit. Auch fehlt ihm die Erfahrung mit der Erstellung geeigneter Unterlagen für eine Präsentation. Da er zwar politisch tätig ist und Überzeugungskraft besitzt, könnte er das Projekt prinzipiell gut unterstützen, aber sein legeres Auftreten wäre in den Entscheidungsgremien nicht angepasst. Den „offenen Bereich“ leitet und organisiert er selbstständig und trägt auch die Verantwortung für seine Entscheidungen. Seine Ressourcen-Ampli¿er sind bezogen auf diesen Tätigkeitsbereich gut ausgeprägt. Einige Aspekte des Ressourcen-Ampli¿ers „Zuverlässigkeit“ (Dresscode, methodisches Vorgehen, Einhaltungen von Terminen) müssten für die vorliegende Aufgabe jedoch noch entwickelt werden. Frau Kaufmann würde Helmut Langer nicht direkt mit in das Team nehmen. Er könnte aber durchaus über seine politischen Kontakte und den Kontakt zum Jugendhilfeausschuss in Erfahrung bringen, wen man am besten für eine Förderung des Projekts ansprechen kann.
11 Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern
11.1 Basisset: Basisführungselemente Nachdem wir uns nun eingehend mit den Grundlagen unseres Führungsmodells Equilibrium, Ressourcen, Ressourcen-Ampli¿ern, Steuerung und Vertrauen, dem richtigen Einsatz von Mitarbeitern/-innen und dem Erkennen ihrer Weiterentwicklungspotentiale auseinander gesetzt haben, besteht eine gute Grundlage für die Beschreibung der Führungselemente, die in ihrer jeweils Àexiblen Kombination die Führungsaufgaben zu bewältigen helfen. Sie fördern Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er und werden von uns als Basisführungslemente bezeichnet.
Soft Skills
Fachkompetenz
RessourcenAmplifier
Führungselemente: Fachkompetenz, Soft Skills, Ressourcen-Amplifier
Basisset: Basisführungselemente
Abbildung 36: Baukasten „Basisset und ressourcenspezi¿sche Führungselemente“ und deren Wirkung
172
Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern
11.1.1 Basisführungselement 1: Mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ins Gespräch kommen Die Führungskraft sollte generell und nicht nur anlassbezogen mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ins Gespräch kommen, sich ihre Ideen und Meinungen anhören, sie ermutigen und mit ihnen in eine konstruktive Auseinandersetzung eintreten. Dazu gehört auch ein persönliches Gespräch, beispielsweise über Freizeitaktivitäten, die Familie oder die einfache Frage wie es dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin geht. Damit wird dieses Basisführungselement einerseits zu einem wichtigen Baustein in der Bewertung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er (vgl. Kapitel 10.1), und hilft andererseits, das Vertrauen auf beiden Seiten zu stärken (vgl. Kapitel 9). Aktives Zuhören und Rückmeldungen Ein unentbehrliches Element für die offene Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/-innen ist das Aktive Zuhören. Die Führungskraft lässt sich von Mitarbeiter/-innen den Sachverhalt erläutern, fragt nach und fasst mit eigenen Worten zusammen wie sie das Erläuterte verstanden hat (Feedback). In gleicher Weise wird sie ihre Vorstellungen und die weitere Vorgehensweise mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen diskutieren. Eine ausführlichere Erläuterung des aktiven Zuhörens ¿ndet sich bei Carl Rogers (vgl. Rogers, C. 1979). Mitarbeiter/-innen sollten von ihrer Führungskraft unter anderem inhaltliche Rückmeldungen (Feedback) erhalten: • zu einzelnen Schritten im Problemlösungsprozess • zu Ergebnissen und Meilensteinen • zur aktuellen Situation von Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern (vgl. Kapitel 7.1) und • zu ihrem Verhalten bezogen auf Normen. Dadurch kann der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin seine/ihre Leistung einschätzen und Verbesserungspotentiale bei sich erkennen.
Basisset: Basisführungselemente
173
Feedback sollte geplant, regelmäßig und zeitnah, aber auch spontan erfolgen. Positives Feedback sollte die Führungskraft Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auch im Beisein anderer Kollegen und Kolleginnen und nicht nur unter vier Augen geben. Zeitpunkte für Rückmeldungen (Feedback) können sein: • • • •
Vereinbarte Meilensteine in einem Projektplan Zielerreichung (vgl. Kapitel 12.1.1) Beurteilungsgespräche mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin Anlassbezogene Anerkennung und Kritik
Feedback sollte immer konstruktiv sein, d.h. es sollten Möglichkeiten des Handelns ersichtlich werden. Dies gilt insbesondere bei Kritik. Beurteilt beispielsweise die Führungskraft das Vorgehen oder die Vorschläge eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin in der gegebenen Situation als ungünstig, oder lehnt sie sie sogar ab, so sollte die Führungskraft im Feedbackgespräch dem Mitarbeiter/ der Mitarbeiterin die Situation und ihre Gründe erläutern und alternative Möglichkeiten von Handlungsweisen aufzeigen. Nur so wird die Entscheidung für ihn/sie nachvollziehbar und er/sie kann daraus lernen. Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, hier noch einige Regeln für gutes Feedback: • Persönliches Erleben beschreiben : Welche Gefühle habe ich bezüglich der Handlungen der Mitarbeiter/-innen als Führungskraft, wie habe ich die Äußerungen der Mitarbeiter/-innen verstanden? Dies wird als sogenannte „IchBotschaft“ bezeichnet und sollte auch bei kritischen Feedbacks beibehalten werden. • Bei Erhalt einer eher negativen Rückmeldung seitens eines/einer Mitarbeiters/in sollte keine Rechtfertigung erfolgen, sondern eine Klärung der Sichtweise (Warum sieht er/sie das so?). • Anerkennung für die Leistung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sollte nie mit negativem Feedback zu anderen Sachverhalten gekoppelt werden. Dieses Vorgehen wertet in den Augen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin die Anerkennung ab.
174
Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern
Ansprechbarkeit Für ihre Mitarbeiter/-innen sollte eine Führungskraft immer ansprechbar sein. Dies gilt vor allem in kritischen Situationen oder bei Entscheidungsbedarf. Durch Bereitschaft, auf Mitarbeiter/-innen einzugehen, signalisiert sie ihnen, dass sie sich in jeder Situation Rat und Unterstützung holen zu können. Offenheit im verbalen und nonverbalen Ausdruck Ausdrucks-, Sprechweise und Mienenspiel wirken direkt auf die Beziehung zwischen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und Führungskraft und damit ebenfalls auf Art und Weise wie Führungselemente von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erlebt werden. Einige wichtige Grundregeln sind: • • • •
Offenheit und Freundlichkeit (auch in schwierigen Situationen) Zugewandte Körperhaltung und Blickkontakt in Gesprächen HöÀichkeit („bitte“ und „danke“) Bei der Präsentation von Resultaten immer die Mitarbeiter/-innen einbeziehen („wir“ anstatt „ich“ oder „die Mitarbeiter/-innen“)
Settings, Rituale und Symbole richtig einsetzen Der bewußte Umgang mit Settings, Ritualen und Symbolen ist ein weiterer Aspekt dieses Basisführungselementes, der große Wirkung entfalten kann. Rituale geben beispielsweise jeder Beziehung, so auch der zwischen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und Führungskraft, eine Struktur. Nachfolgend haben wir etliche einfache aber wirkungsvolle Settings, Rituale und Symbole und deren Signalwirkung zusammengestellt.
Basisset: Basisführungselemente Signalwirkung
175
Setting, Ritual, Symbol
Ansprechbarkeit
• Offene Bürotüre • Auch ein privates Wort mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wechseln • Mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen direkt reden, nicht nur mit ihren Führungskräften (z.B. Abteilungsleiter/-in – Gruppen-/ Teamleiter/in) • Sich Zeit für Mitarbeiter/-innen nehmen • Gespräch mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auch außerhalb der betrieblich notwendigen Besprechungen (im Aufzug, am Gang, in der Kantine, etc.) führen
Partnerschaft
• Sich gemeinsam mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen an einen Besprechungstisch setzen • In das Büro der Mitarbeiter/-innen gehen um Informationen einzuholen oder Sachverhalte zu besprechen • Kommen Mitarbeiter/-innen ins Büro der Führungskraft um über etwas zu sprechen, entweder ebenfalls aufstehen oder Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen Platz anbieten • In größeren Runden alle gleichartig begrüßen (z.B. Hände schütteln) • In Besprechungen jeden ansprechen und in die Diskussion einbeziehen, unabhängig von der Hierarchie
Struktur
• Regelmäßige Wochen- und Projektbesprechungen • Regelmäßige Planungs- und Strategie¿ndungsbesprechungen • Regelmäßige Informationstreffen auf Gruppen- und Abteilungsebene
Tabelle 12: Signalwirkung I von Settings, Ritualen und Symbolen
Alltägliche Handlungen prägen folglich grundlegende Eigenschaften des Führungsverhaltens. Die Führungskraft kann aber mit unüberlegten Settings, Ritualen und Symbolen auch positive Prozesse hemmende Signale aussenden. Hier einige negativ wirkende Zeichen:
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Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern
Signalwirkung Hierarchie und Distanz
Setting, Ritual, Symbol • Am Schreibtisch sitzen bleiben während Mitarbeiter/innen an einem Besprechungstisch sitzen • Kommen Mitarbeiter/-innen ins Büro der Führungskraft um über etwas zu sprechen am eigenen Schreibtisch sitzen bleiben, ohne Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen Platz anzubieten. • Mitarbeiter/-innen immer ins eigene Büro zum Gespräch bitten • Mitarbeiter/-innen nur telefonisch um Information ersuchen oder Sachverhalte mit ihnen besprechen • Den persönlichen Kontakt auf ein Minimum begrenzen • In größeren Runden nur Teilnehmer/-innen auf gleicher Hierarchieebene begrüßen (z.B. Hände schütteln)
Tabelle 13: Signalwirkung II von Settings, Ritualen und Symbolen
Als weiterführende Literatur sei hier auf Erving Goffman „Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation“, 1986 verwiesen. 11.1.2 Basisführungselement 2: Perspektivenwechsel Die Anregung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum Perspektivenwechsel spielt in vielen Situationen und Führungselementen zur Weiterentwicklung von Ressourcen-Ampli¿ern eine wichtige Rolle. Mitarbeiter/-innen werden veranlasst, sich in die Rolle eines Anderen zu begeben und sich dessen Sicht auf die Dinge zu vergegenwärtigen. Das können Kollegen und Kolleginnen im Unternehmen/der Organisation, Mitglieder externer Bezugsgruppen, Kunden/Kundinnen, Klienten/Klientinnen etc. sein. Edward de Bono, bekannt durch seine Arbeiten zum lateralen Denken, hat den Perspektivenwechsel als O.P.V.-Methode (Other Peoples View) beschrieben und wir werden zur Erläuterung der Kerngedanken auf ihn zurückgreifen (vgl. de Bono, E. 1992). Beim Perspektivenwechsel stehen zwei Kernfragen im Vordergrund: • Wer ist von den Maßnahmen/Ergebnissen, die für die Bearbeitung/Erledigung einer Aufgabe oder die Änderung/Verbesserung einer Situation notwendig sind, betroffen? • Wie ist die Sicht (Meinung und Bewertung) der Betroffenen dazu?
Basisset: Basisführungselemente
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Die Sicht der Betroffenen kann nicht von deren Werten getrennt werden, sie bestimmen die Beurteilung von Maßnahmen und Ergebnissen wesentlich. Perspektivenwechsel heißt daher, zu versuchen, sich in die Lage des/der Betroffenen zu versetzen. Ein kleines Beispiel mag dies erläutern. Nehmen wir an, in einem Unternehmen/einer Organisation sollen zum Zweck einer Prozessoptimierung (vgl. Kapitel 6.3.2) Tätigkeiten in einem Team zusammengeführt werden, um die Ef¿zienz zu erhöhen. Dazu ist es notwendig teilweise Aufgaben von anderen Organisationseinheiten in dieses Team zu verlagern, aber auch bisherige Arbeiten ganz entfallen zu lassen. Bei der Umsetzung ergeben sich sowohl Sachfragen als auch Wertefragen. Beispiele für Sachfragen: • Welche Organisationseinheit muss welche Aufgaben abgeben? • Welche Aufgaben entfallen ganz? • Welche anderen Aufgaben können die abgebenden Organisationseinheiten stattdessen erledigen? • Müssen Aufgaben aus dem aufnehmenden Team wegen Kapazitätsengpässen verlagert werden? • Sind Quali¿kationsmaßnahmen für die neuen Aufgaben erforderlich? Beispiele für Wertefragen: • Welchen Wert hatten die abzugebenden oder entfallenen Aufgaben für den einzelnen Mitarbeiter und die einzelne Mitarbeiterin hinsichtlich Selbstbestätigung und Erfolgserlebnis? • Mitarbeiter/-innen hatten bisher Erfahrung mit ihrer Aufgabe (sie waren Experten/Expertinnen), sie müssen sich diese Erfahrung bei einer neuen Aufgabe erst wieder erwerben. Wie können sie dabei unterstützt werden? • Mitarbeiter/-innen haben unter Umständen Existenzängste wenn ihre Aufgabe wegfällt. Wie kann dem frühzeitig begegnet werden? • Haben Mitarbeiter/-innen Bedenken, sich nicht mehr weiterentwickeln zu können, mit Verlust der Aufgabe sozusagen fachlich aufs Abstellgleis zu geraten? Ein Perspektivenwechsel sollte nach de Bono, bei weitreichenden Entscheidungen, neben der aktuellen Situation auch die Frage nach der Zukunft (Nachhaltigkeit) beinhalten: was bedeuten bestimmte Maßnahmen/Entscheidungen für
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Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern
die nachfolgenden Führungs- und Mitarbeitergenerationen oder für das Unternehmen/die Organisation und die Gesellschaft? 11.2 Förderung von Fachkompetenz Die oben beschriebenen Basisführungselemente stehen in engem Verhältnis zur kontinuierlichen Förderung der Fachkompetenz und der Soft Skills von Mitarbeitern/-innen. Denn nur in einem Klima permanenter Förderung von Kompetenz können die Basisführungselemente ihre Wirkung tatsächlich entfalten. Für die Bewertung der Fachkompetenz eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin greift die Führungskraft zum einen auf ihr eigenes Fachwissen, ihre Erfahrung, ihre Erkenntnisse aus regelmäßiger Kommunikation (Gespräche, Diskussionen) mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin sowie auf die Ergebnisse aus Evaluation und Kontrolle zurück. Zum anderen werden Arbeitsergebnisse von Mitarbeitern/ -innen in der Regel auch von Kollegen/-innen im Unternehmen/der Organisation bewertet. Beschafft sich die Führungskraft diese Bewertungsergebnisse, liegt ihr damit eine Fremdeinschätzung der Fachkompetenz von Mitarbeitern/-innen vor. Diese kann sie mit ihrer eigenen Einschätzung abgleichen. Die Förderung der Fachkompetenz von Mitarbeitern/-innen hat gerade in dem sich heute zunehmend rascher wandelnden Umfeld sowohl für die Zukunftssicherung des Unternehmens/der Organisation als auch für die Mitarbeiter/-innen selbst einen hohen Stellenwert. Die Diskussion über diesen Sachverhalt nimmt auch außerhalb betrieblicher Zusammenhänge einen immer breiteren Raum ein. Grundsätzlich3 wäre es wichtig, Mitarbeitern/-innen Freiraum für den Besuch von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen – auch einschlägigen Lehrveranstaltungen an Universitäten und Hochschulen – oder beispielsweise ein Sabbatical4 einzuräumen. 3 Häu¿g werden in Unternehmen/Organisationen ältere und erfahrene Mitarbeiter/innen nicht mehr so intensiv gefördert, wie das eigentlich notwendig wäre. Auf die Kompetenzerweiterung/-aktualisierung gerade dieser Mitarbeiter/-innen sollte ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, um ihre Anschlussfähigkeit zu erhalten. 4 Es handelt sich hier um ein Arbeitszeitmodell (auch als „Sabbatjahr“ bezeichnet), in dem innerhalb eines begrenzten Zeitraums entweder nur Teilzeit gearbeitet wird oder Arbeitnehmer/-innen von der Arbeit zum Zwecke von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen freigestellt werden. Die Modalitäten der Bezahlung werden jeweils unterschiedlich arbeitsvertraglich vereinbart. Wichtig ist dabei, dass im Unternehmen/der Organisation klare transparente Regeln für die Durchführung erarbeitet werden.
Förderung von Soft Skills
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Generell kann sich Förderung entweder direkt auf Aufgaben oder Situationen beziehen oder sie kann für zukünftig zu erwartende Herausforderungen quali¿zieren. Dementsprechend sollten die Maßnahmen gestaltet werden. Unternehmen/Organisationen können ihren Mitarbeitern/-innen diverse Möglichkeiten der Weiterbildung anbieten. Einige Beispiele sollen die mögliche Vielfalt zeigen: • • • • •
Interne und externe Kurse und Seminare Zur Verfügung stellen von Fachliteratur Erfahrungsaustausch mit anderen Kollegen und Kolleginnen Arbeitskreise Hospitation (Gastaufenthalt) in anderen Bereichen um neues Wissen zu erwerben und andere Verfahren kennenzulernen • Verfahren um aus Fehlern lernen zu können • Benchmark-Projekte In der Regel wählt die Führungskraft mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin gemeinsam die geeigneten Maßnahmen für seine/ihre Weiterentwicklung aus. Fördermaßnahmen umfassen neben der Weiterentwicklung der Kernfachkompetenz weitere konkrete Ziele, wie etwa den Erwerb von Wissen für die Unterstützung bei der Einführung neuer methodischer Ansätze und/oder Technologien, Fremdsprachenkenntnisse, das Bekanntmachen mit Änderungen im Betriebsablauf, Informationen über allgemeine Richtlinien. Bei bestimmten Quali¿zierungsmaßnahmen ist es auch denkbar, dass die Mitarbeiter/-innen einen Teil ihrer Freizeit in die Maßnahmen einbringen, vor allem dann, wenn die Quali¿kationen ihnen über den betrieblichen Alltag hinaus zum Vorteil gereichen. Neben derartigen Quali¿zierungsmaßnahmen ist es zur Förderung von Mitarbeitern/-innen unabdingbar, sie mit herausfordernden Aufgaben zu betrauen, an denen sie wachsen können. 11.3 Förderung von Soft Skills Um Mitarbeiter/-innen im Bereich der verschiedenen Soft Skills (vgl. Kapitel 7.3) zu fördern, sollte die Führungskraft sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter/innen über diesbezügliche interne und externe Fortbildungsangebote informiert werden. Die Führungskraft sollte den jeweils besonderen Entwicklungsbedarf bei den entsprechenden Mitarbeitern/-innen kennen und diese jeweils besonders
180
Basisführungselemente – Fachkompetenz und Soft Skills fördern
motivieren, die einschlägigen Angebote wahrzunehmen. Solche Angebote können sehr vielfältig sein. Einen Überblick gibt etwa das „Handbuch Soft Skills“ in drei Bänden des Deutschen Manager-Verbandes e.V., 2003/2004. 11.4 Zusammenfassung Es wurde in diesem Kapitel deutlich, welche Basisführungselemente der Führungskraft zur Verfügung stehen: • Basisführungselement 1: Mit Mitarbeitern/-innen ins Gespräch kommen - Aktives Zuhören und Rückmeldungen - Ansprechbarkeit - Offenheit im verbalen und nonverbalen Ausdruck - Settings, Rituale und Symbole richtig einsetzen • Basisführungselement 2: Perspektivenwechsel Desweiteren wurde deutlich, dass diese Basisführungselemente nur in einem Klima stetiger Förderung von Kompetenz ihre Wirkung entfalten können. Daher wurde auf die Möglichkeiten der Förderung von Fachkompetenz und Soft Skills eingegangen. In beiden Bereichen geht es darum, dass die Führungskraft den spezi¿schen Förderungsbedarf bei Mitarbeitern/-innen erkennt und mit ihnen gemeinsam Strategien ihrer Weiterbildung entwickelt. Last, but not least geht es auch darum, dass Führungskräfte die Rahmenbedingungen für Fort- und Weiterbildung verbessern helfen oder dort, wo sie gut sind, zu ihrer Erhaltung beitragen.
12 Ressourcen-Ampli¿er – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Nachdem wir uns im letzten Kapitel ausführlich den Basisführungselementen und der Förderung von Fachkompetenz und Soft Skills gewidmet haben, geht es nun um die Weiterentwicklung von Ressourcen-Ampli¿ern. Dabei werden wir – in noch stärkerem Maße als bisher – Methoden aus dem Counselling adaptieren und dabei gleichzeitig die Palette von Führungselementen erweitern. Wie bereits im 7. Kapitel erläutert, bestimmen Ressourcen-Ampli¿er im Wesentlichen, wie die Ressourcen Fachkompetenz und Soft Skills zum Tragen kommen, beziehungsweise sie verstärken deren Wirkung. • • • • •
Kommunikationskompetenz Soziale Kompetenz Aktionskompetenz Kreativität Soft Skills Richtige Balance von Authentizität und Wirkungskalkül
Fachkompetenz
Ressourcen-Amplifier
• • • •
Ausbildung Fachwissen Fachliches Profil Sprachliche/begriffliche Fertigkeiten
• • • •
Zuverlässigkeit Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme Urteilsfähigkeit Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft • Verarbeitete Erfahrung
Abbildung 37: Ressourcen, Ressourcen-Ampli¿er und deren Wirkung
Wir haben vier Ressourcen-Ampli¿er (vgl. Kapitel 8) heraus kristallisiert, für die wir entsprechende Führungselemente anbieten werden: • • • •
Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft Zuverlässigkeit Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit Verarbeitete Erfahrung
182
Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
12.1 „Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern Die beschriebenen Führungselemente haben zum Ziel, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der täglichen Arbeit erfahren zu lassen, dass ihre Erfolge vom eigenen Handeln abhängen. Dadurch gewinnen sie Sicherheit und Selbstvertrauen, Handlungsorientiertheit und Willenskraft werden gestärkt. 12.1.1 Zielvereinbarung Mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen werden persönliche Ziele vereinbart. Persönliche Ziele unterscheiden sich von Unternehmens-/Organisationszielen dadurch, dass Mitarbeiter/-innen sie direkt durch ihr konkretes Handeln erreichen können. Zielerreichung und Handeln stehen in einem direkten Zusammenhang. Mit den persönlichen Zielen und der Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben leisten alle Mitarbeiter/-innen selbstverständlich auch ihren Beitrag zur Unternehmens-/ Organisationszielerreichung. Der Grad der BeeinÀussbarkeit ist allerdings abhängig von der Hierarchiestufe auf der sich der/die Einzelne im Unternehmen/in der Organisation be¿ndet. Auf wichtige Faktoren der Zielvereinbarung möchten wir im Folgenden näher eingehen. Art von Zielen Mit persönlichen Zielen können, individuell dem/der Mitarbeiter/-in angepasst, verschiedene Aspekte der Förderung verfolgt werden. Folgende Gesichtspunkte spielen bei der Zielvereinbarung eine Rolle: • • • •
Festlegung des zu erreichenden Ergebnisses inhaltlich und terminlich Aufwand und Qualität mit dem ein Ergebnis erreicht werden soll Der Weg wie ein Ergebnis erreicht werden soll In welchem Umfeld ein Ergebnis erreicht werden soll (individuelles, persönliches Ziel oder Ziel für das Team dem der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin angehört).
„Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern
183
Ziele können kurz- mittel- und langfristig vereinbart werden. Werden Ziele als Mittel-/Langfristziele vereinbart, sollten in jedem Fall Meilensteine de¿niert werden an denen sich der Status der Zielerreichung messen lässt. Je nach Aufgabe/Situation bleiben Zielvereinbarungen privat/vertraulich zwischen Mitarbeiter/-in und Führungskraft oder sie werden öffentlich gemacht. Beispielsweise wird man persönliche Ziele eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin vertraulich behandeln. Dagegen müssen Teamziele, bei denen es sich in der Regel um fachlich bezogene Ziele handelt, dem betreffenden Team bekannt gemacht werden, da alle Teammitglieder am gleichen Strang ziehen sollen. Charakteristika von Zielen Peter F. Drucker hat in dem von ihm entwickelten Führungsmodell Management by Objectives (1955) die Charakteristika von Zielen mit dem Kurzwort (Akronym) SMART (Speci¿c, Measurable, Achievable, Relevant, Timely) beschrieben. Für den Bereich der Kurzzeittherapie hat Steve de Shazer eine analoge Beschreibung erarbeitet. Charakteristik
Beschreibung
Spezi¿sch
Ziele müssen klar, eindeutig und für Mitarbeiter/-innen verständlich formuliert sein.
Messbar
Ziele müssen messbar sein.
Akzeptierbar Aktionszentriert
Ziele müssen erreichbar, umsetzbar sein. Sie sollten aber durchaus herausfordernd sein. Aus dem Ziel soll deutlich werden, wie gehandelt werden soll. Das Ziel ist nicht abgekoppelt von der Handlung.
Relevant Realistisch
Ziele müssen bedeutsam sein. Ziele müssen realistisch sein.
Terminiert
Ziele müssen zeitlich terminiert sein.
Tabelle 14: Charakteristika von Zielen – SMART
184
Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Vereinbarung von Zielen Ziele wird die Führungskraft immer gemeinsam mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin festlegen. So entsteht Raum für Diskussionen und Unklarheiten können sofort ausgeräumt werden. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin kann solche Ziele für sich akzeptieren und sieht reelle Chancen, sie zu erreichen. In diesem Zielvereinbarungsgespräch können ebenfalls für die Zielerreichung relevante Handlungen miteinander festgelegt werden. Sinnvoll ist es, die Ziele von verschiedenen Standpunkten (vgl. Kapitel 11.1.2) aus zu beleuchten und zu bewerten: aus Sicht des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin, der Führungskraft und des Unternehmens/der Organisation. So kann der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin den Zusammenhang seiner/ihrer persönlichen Ziele mit denen des Unternehmens/der Organisation und deren Relevanz erkennen. Wir sprechen im Zusammenhang der Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ bewusst von einer Zielvereinbarung, die auf dem Commitment (VerpÀichtung) von Führungskraft und Mitarbeiter/-in basiert, im Gegensatz zur Zielsetzung, die ein einseitiger Akt der Führungskraft wäre. Zielvereinbarungen sollten immer schriftlich ¿xiert werden und nach Möglichkeit von Führungskraft und Mitarbeiter/-in unterschrieben werden. Damit erhalten Zielvereinbarungen eine weitere Verbindlichkeit. Ob kurzfristige oder mittel- bis langfristige Ziele mit dem Mitarbeiter und der Mitarbeiterin vereinbart werden, hängt neben den fachlichen Inhalten auch vom Selbstvertrauen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ab. Be¿ndet er/sie sich am Beginn der Entwicklung sollten eher kurzfristige Ziele ins Auge gefasst werden, da dann schnelle Erfolgserlebnisse eintreten. Wie detailliert Ziele bei der Vereinbarung bereits festgelegt werden, das heißt, wie konkret bereits Aktionen/Handlungen beschrieben/vereinbart werden, hängt von den Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ab. Zur Zielvereinbarung gehört auch das Festhalten äußerer Rahmenbedingungen (z.B. das verfügbare Budget, die notwendige Zuarbeit von anderen Teams/ Bereichen und deren Qualität). Dies sind in der Regel Faktoren, die nicht vom Mitarbeiter oder von der Mitarbeiterin direkt beeinÀusst werden können, deren Erfüllung ihn/sie allerdings erst in die Lage versetzt, das Ziel zu erreichen.
„Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern
185
Formulierung von Zielen Die Ausformulierung von Zielen ist immer dann relativ einfach, wenn sich Ziele mit konkreten Zahlen und Maßen beschreiben lassen. In Bereichen, in denen Ziele zum Großteil nur qualitativ beschrieben werden können, ist dies schwieriger. Es sollte hier versucht werden, diese Ziele zunächst so konkret wie möglich zu beschreiben und auf dieser Grundlage exakte Teilziele, die an genauen Kriterien überprüfbar sind, zu de¿nieren. Die Ziele sollten zukunfts- und handlungsorientiert sein. De¿nition von Indikatoren für die Zielerreichung Bei der Zielde¿nition müssen Überprüfungskriterien für den Grad der Zielerreichung, sowohl am Endtermin aber auch für die vereinbarten Meilensteine abgesprochen werden. Abhängig vom jeweiligen Ziel (Zielformulierung) können sie in Form von Zahlen oder Maßen, offenen Kontrollfragen oder einer Kombination aus beiden formuliert werden. Überprüfungskriterien können beispielsweise die Einhaltung des vereinbarten Endtermins, die Vollständigkeit des Ergebnisses, der benötigte Aufwand, die unternommenen Schritte etc. sein. Zu empfehlen ist, klar de¿nierbare Überprüfungskriterien, wie etwa einen Termin, mit entsprechenden offenen Fragen zu kombinieren. Dadurch erhalten Mitarbeiter/-innen die Gelegenheit zur Erläuterung ihrer Überlegungen und Handlungen. Das folgende kleine Beispiel soll dies verdeutlichen.
186
Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Zielvereinbarung Die Kunden-/Klientenzufriedenheit ist bis Ende des laufenden Jahres zu steigern. Im Einzelnen heißt das: • Die Anzahl von Beschwerden soll um 20% reduziert werden. • Beschwerdegründe die in der internen Bewertungsskala der Kategorie „schwerwiegend“ zugeordnet werden können, sollen um 30% reduziert werden. • Die Bewertung der Kunden bei regelmäßigen Umfragen soll sich deutlich verbessern.
Überprüfungskriterien/- Rahmenbedingungen fragen • Konnte die Kunden/ • Dem Mitarbeiter/der Klienten-Zufriedenheit Mitarbeiterin werden die bis Ende des Jahres für die Aufgabe notwengrundsätzlich verbessert digen Ressourcen zur werden? Verfügung gestellt. • Um wie viel Prozent wurde die Anzahl der • Die notwendigen ZuBeschwerden reduziert? arbeiten von externen • Um wie viel Prozent Stellen (z.B. Umfrage) konnten die Beschwermüssen zeitgerecht den der Kategorie erfolgen. „schwerwiegend“ reduziert werden? • Welche Maßnahmen wurden hierfür ergriffen? Wie haben diese Maßnahmen gegriffen? • Wie entwickelten sich die anderen Kategorien? • Wie sieht das aktuelle Umfrageergebnis aus? • Welche Gründe gab es, falls die Kunden/Klienten-Zufriedenheit sich nicht erhöht hat? • Wie ist der aktuelle Status? • Welche weiteren Maßnahmen wären denkbar oder sind bereits geplant? • Wie sieht ein neuer Terminplan für die Verbesserung der Kunden/ Klienten-Zufriedenheit aus? • Welche Konsequenzen hat diese Terminverschiebung?
Tabelle 15: Zielvereinbarung – Überprüfungskriterien – Rahmenbedingungen
„Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern
187
Die Überprüfungskriterien sollten zusammen mit den Zielen immer schriftlich festgehalten werden. Zielerreichung In der Regel sprechen Führungskraft und Mitarbeiter/-in im Rahmen eines Feedbackgespräches über die Zielerreichung. Dabei dient die Zielvereinbarung mit den Indikatoren der Zielerreichung als Gesprächsgrundlage. Es ist hilfreich, wenn der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin sich vor dem Gespräch Gedanken über seine/ihre Sicht zur Zielerreichung macht, diese dokumentiert und die entsprechenden Aufzeichnungen in das Gespräch mitbringt. So kann bei unterschiedlicher Sichtweise erkannt werden, in welchen Punkten sich die Einschätzung von Führungskraft und Mitarbeiter/-in unterscheiden. Die Gründe dafür können dann diskutiert werden. Die weiteren Maßnahmen können zielorientiert festgelegt werden. Bei mittel- und längerfristigen Zielen sollten Feedbackgespräche regelmäßig, nicht nur am Ende des Prozesses, geführt werden. Als Zeitpunkte bieten sich vereinbarte Teilziele und Meilensteine an oder man legt in regelmäßigen zeitlichen Abständen Gesprächstermine fest. Feedbackgespräche zur Zielerreichung können aber auch spontan, wenn die Situation es erfordert, erfolgen. Nur so hat der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin die Möglichkeit eventuell notwendige Korrekturen zeitnah vorzunehmen. Das Feedbackgespräch über die Zielerreichung am Endtermin für ein Ziel sollte eigentlich kein überraschendes Ergebnis für Mitarbeiter/-innen bergen. Sowohl bei quantitativen, als auch bei qualitativen Zielen sollte bei der Zielvereinbarung schon festgelegt werden, in welcher Form die Zielerreichung bewertet wird. In der Praxis wird es nur in seltenen Fällen eine klare Aussage „Ziel erreicht“ oder „Ziel nicht erreicht geben“. Häu¿ger wird zu konstatieren sein, dass Mitarbeiter/-innen entweder auf das Ziel hingearbeitet haben, aber noch einige Punkte offen sind, die erledigt werden müssen. Häu¿g wird auch festzustellen sein, dass die Mitarbeiter/-innen sogar über die Zielvereinbarung hinausgehende Aktivitäten unternommen haben. In beiden Fällen ist es für Mitarbeiter/-innen wichtig zu wissen, bis zu welchem Grad er/sie das Ziel erreicht, beziehungsweise nicht erreicht haben. Dies kann durch die Einordnung auf einer Bewertungsskala (z.B. über Punkte oder Prozente) geschehen.
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Die Zielerreichung sollte ebenso wie die Zielvereinbarung schriftlich dokumentiert werden. Änderung von Zielen Ziele können sich während des Zeitraums, an denen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen daran arbeiten, ändern oder aus der Sicht des Unternehmens/der Organisation nicht mehr relevant sein. Die Modi¿kationen sollten dann mit den betroffenen Mitarbeiter/-innen besprochen werden und zu einer geänderten Zielvereinbarung führen. Handelt es sich um weitreichende Anpassungen, sollte in jedem Fall zu diesem Zeitpunkt ein Feedbackgespräch über das bisher Erreichte mit den betreffenden Mitarbeiter/-innen geführt werden. Unterstützung bei der Zielerreichung Grundlage für die Zielerreichung ist die Bereitstellung des benötigten Environments (Sachmittel, Informationen, Kapazität etc.) durch die Führungskraft. Gleichermaßen wichtig ist es, die Mitarbeiter/-innen auch auf der persönlichen, sozialen Ebene durch Aufmunterung, Lob, konstruktive Kritik und Interesse zu ermutigen. 12.1.2 Pro-Aktives Handeln Der Begriff pro-aktiven Handelns wurde von Viktor E. Frankl eingeführt. Frankl erkannte innerhalb seiner Haftzeit im Konzentrationslager dass trotz starker Unterdrückung und Todesgefahr immer noch eine gewisse Wahlfreiheit seinerseits vorhanden war. Dadurch widerlegte er das Reiz-Reaktions-Schema (vgl. Frankl, V. E. 1986: 50–64). Im Reiz-Reaktions-Schema wird davon ausgegangen, dass ein bestimmter Stimulus unwillkürlich eine gewisse Reaktion hervorruft. Frankl aber erkannte dass er selbstständig entscheiden kann wie er mit einem bestimmten Reiz umgehen will. Diese Freiheit baute er gezielt aus, indem er Übungen entwickelte aus denen er persönliche Kraft schöpfen konnte. Insofern bedeutet pro-aktives Handeln bewusst, planvoll und zielgerichtet zu handeln. Dazu gehört auch Kreativität und aktives strategisches Denken.
„Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern
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Die Führungskraft sollte Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, um die Handlungsorientiertheit und Willenskraft bei ihnen zu entwickeln, sie vom reaktiven zum pro-aktiven Handeln ermutigen. Dieses Element kann begleitend zur Zielvereinbarung eingesetzt werden. Während sich eine Zielvereinbarung an einer konkreten Aufgabenstellung orientiert, kann die Stärkung des pro-aktiven Handelns über allgemeine Fragestellungen wie beispielsweise: „Was kann ich ganz konkret in meinem Umfeld bewirken?“ erreicht werden. Damit ermutigt die Führungskraft die Mitarbeiter/-innen im ersten Schritt über Möglichkeiten im eigenen Umfeld nachzudenken und diese auch selbst umzusetzen. Sind Mitarbeiter/innen damit erfolgreich, werden sie sich mit der Zeit mehr zutrauen. Mitarbeiter/-innen mit eher schwach ausgeprägtem Ressourcen-Ampli¿er „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ schätzen in der Regel ihre Handlungsoptionen im Unternehmen/der Organisation beziehungsweise ihrem konkreten Arbeitsbereich als sehr gering ein. Sie gehen davon aus, dass alles „von Oben“ und für sie unveränderbar vorgegeben ist. Durch pro-aktives Handeln erleben sie, dass sie durchaus gestalterisch tätig sein können. 12.1.3 Persönliche SWOT-Analyse zur basalen Standortbestimmung Die SWOT-Analyse wurde von Albert Humphrey im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Stanford University zwischen 1960 und 1970 entwickelt. Sie wird in Unternehmen/Organisationen vorwiegend im Bereich der Strategie¿ndung eingesetzt und bietet eine Möglichkeit für die Standortbestimmung und die Einschätzung von Entwicklungspotentialen. Eine SWOT-Analyse beleuchtet die vier Aspekte • • • •
Stärken (Strengths) Schwächen (Weaknesses) Möglichkeiten, Chancen und Potentiale (Opportunities) und Gefahren und Bedrohungen (Threats).
Aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe ergibt sich das Kurzwort (Akronym) SWOT, das auch im deutschen Sprachraum Verwendung ¿ndet. Heute wird die SWOT-Analyse zunehmend auch im Bereich der persönlichen Standortbestimmung und dem Erkennen und Beurteilen von individuellen Förderungsmöglichkeiten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eingesetzt.
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Erläuterung der persönlichen SWOT-Analyse Im ersten Schritt ist es wichtig zu de¿nieren was bei einer SWOT-Analyse im Mittelpunkt stehen soll und welche Ziele man verfolgen will. Anhand dessen werden durch geeignete Fragestellungen die einzelnen Elemente konkretisiert. Für den Einsatz als Führungselement zur Förderung der Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft haben wir im Folgenden einige Fragen zusammengestellt. Diese müssen im Einzelfall der Ausprägung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin und der detaillierten Zielsetzung – der Analyse entsprechend – zusammengestellt, verändert, erweitert oder gekürzt werden.
S
Element
Mögliche Fragestellungen
Persönliche Stärken
Welche guten Ergebnisse habe ich bis heute erzielt? Was habe ich direkt dazu getan? Was lief dabei besonders gut? Wie habe ich mich dabei gefühlt? In welchen Situationen haben meine Handlungen positive Ergebnisse bewirkt? Was habe ich in diesen Situationen getan? Warum waren es meine Handlungen, und nicht die Umstände, die zu den Ergebnissen geführt haben? Welche meiner Handlungsweisen waren in welchen Situationen erfolgreich? Sind mir durch meine Handlungen direkt Vorteile entstanden? Was habe ich in diesen Situationen/bei diesen Aufgaben gelernt? Auf welche meiner Stärken habe ich in diesen Situationen/bei diesen Aufgaben zurückgegriffen? Habe ich darüber hinaus noch Stärken? Worauf bin ich besonders stolz? Was hat mich motiviert? Was motiviert mich?
„Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern Element
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Mögliche Fragestellungen
In welchen Situationen/bei welchen Aufgaben habe ich mich von den äußeren Umständen getrieben gefühlt? Welche Umstände waren das? Hätte ich sie ändern können? Wenn ja, warum habe ich das nicht getan? W Persönliche Schwächen Wo habe ich nicht gehandelt obwohl es möglich gewesen wäre? Sind mir durch meine Handlungen Nachteile entstanden? Wo sehe ich persönliche Schwächen? Wie und wann wirken sich diese im täglichen Handeln aus?
Persönliche MöglichO keiten, Chancen und Potentiale
Wie kann ich erfolgreiche Handlungsweisen öfter anwenden? Was muss ich dazu tun? Welche meiner Fähigkeiten liegen noch brach? Welche meiner Fähigkeiten kann ich noch weiterentwickeln? Durch welche Maßnahmen wäre das meiner Meinung nach sinnvoll möglich? Was würde ich mir noch zutrauen?
Persönliche Gefahren und Bedrohungen
Wenn ich überzeugter handle, was kann mir passieren? Welche Schwierigkeiten kommen eventuell auf mich zu? Überschreite ich eventuell meinen Handlungsrahmen? Habe ich alle Informationen, die ich zum Handeln benötige? Wie kann ich kritische Situationen erkennen?
T
Tabelle 16: Persönliche SWOT-Analyse
Anwendung als Führungselement Im Allgemeinen läuft eine persönliche SWOT-Analyse in 3 Schritten ab. Ist diese Methode für einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin neu, so sollte die Führungskraft erst einmal die Zielsetzung und das Vorgehen erläutern und mit ihm/ihr diskutieren.
192
Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Schritt 1: Vorbereitung Für die Analyse formulieren Mitarbeiter/-in und Führungskraft die Fragen, die ihnen wichtig sind gemeinsam und klären sie soweit ab dass beide das gleiche unter den Fragestellungen verstehen. Formal sollte allerdings nicht allzu viel festgelegt werden. So können Fragen gegebenenfalls bei der Arbeit an der SWOT-Analyse jederzeit ergänzt werden. Auch der Umfang der Antworten wird nicht begrenzt, vielmehr soll Raum für Überlegungen und Einschätzungen gelassen werden. Eine Verdichtung, beispielsweise zur Dokumentation, kann abschließend immer noch vorgenommen werden. Schritt 2: Erstellen der persönlichen SWOT-Analyse Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin erstellt die Analyse, indem er/sie für sich selbst, auf seine/ihre aktuelle Situation bezogen, die Fragestellungen reÀektiert und beantwortet. Daraus ergibt sich das sogenannte Eigenbild; die Sicht die der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin von sich selbst hat. Die Führungskraft erstellt ebenfalls aus ihrer Sicht auf den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin die Analyse. Daraus entsteht das sogenannte Fremdbild. Schritt 3: Auswertung der persönlichen SWOT-Analyse und Erkennen von Förderungsmaßnahmen Das entstandene Eigen- und Fremdbild werden gemeinsam diskutiert. Besonderen Wert sollte man auf die abweichenden Einschätzungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/-in legen und klären worin die Ursachen für die unterschiedliche Beurteilung liegen. Anschließend sollte besprochen werden wie eine Weiterentwicklung aussehen kann und welche Maßnahmen hierzu ergriffen werden sollten. Unterstützend kann hier eine modi¿zierte und strukturierte Darstellung der SWOT-Analyse, die sogenannte Konfrontationsmatrix, herangezogen werden, die in der Literatur ebenfalls für die Erarbeitung von Unternehmens-/Organisationsstrategien zu ¿nden ist (vgl. Brickau, R. 2007: 144–145). Wir haben sie hier für die Nutzung im Bereich der persönlichen SWOT-Analyse angepasst. Aus
„Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ fördern
193
dieser Darstellung lassen sich sehr schön sinnvolle aktuelle (Status quo) und zukünftige (Weiterentwicklung) persönliche Ziele und Maßnahmen ableiten. Persönliche SWOT-Analyse
Aktuelle Situation hinsichtlich Ressourcen und RessourcenAmpli¿ern Persönliche Stärken (Strengths)
Persönliche Möglichkeiten, Chancen und Potentiale (Opportunities)
Persönliche Schwächen (Weeknesses)
Förderungsmaßnahmen Bewusst persönliche Stärken einsetzen um Chancen wahrzu- einleiten, die an vorhandenen Schwächen ansetzen, um benehmen und auszubauen stehende oder neue MöglichMöglichkeiten nutzen, die gut keiten und Chancen ergreifen und Potentiale erschließen zu zu vorhandenen persönlichen können. Stärken passen. Chancen und Potentiale durch persönliche Weiterentwicklung erschließen.
Persönliche Gefahren und Bedrohungen (Threats)
Erkennen welche Stärken genutzt werden können, um persönliche Gefahren und Bedrohungen abzuwenden oder ihnen geeignet begegnen zu können.
Situation/Aufgabe nach Möglichkeit verändern. In einer anderen Situation oder mit einer anderen Aufgabe können Schwächen zu Stärken werden.
Tabelle 17: Persönliche SWOT-Analyse und Zukunftsperspektiven
12.1.4 Motivation zur ReÀexion Die Führungskraft motiviert ihre Mitarbeiter/-innen sich über erzielte Erfolge und Ergebnisse in der täglichen Arbeit Gedanken zu machen und ihre Handlungen zu dem Erreichten in Beziehung zu setzen. Die Führungskraft kann die Mitarbeiter/innen durch gezielte Fragestellungen zur ReÀexion anregen, wie z.B.: • Was habe ich als Mitarbeiter/-in konkret getan, veranlasst? • Welche Wirkung hatten diese Aktionen?
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
• Gab es äußere EinÀüsse die den Erfolg/das Ergebnis beeinÀusst haben? • Welche waren das und welchen Anteil hatten sie? • Wie haben Andere auf mich und meine Handlungen reagiert? Motivation zur ReÀexion ist ein wichtiger Baustein im Feedbackgespräch und sollte immer dann zeitnah erfolgen, wenn aus Sicht der Führungskraft Handlungen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin direkt zu Erfolgen beziehungsweise zu konkreten Ergebnissen geführt haben oder positiv in einer Situation gewirkt haben. Damit kann der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin einen direkten Zusammenhang zwischen seinen/ihren Handlungen und der Wirkung herstellen. 12.1.5 Präsentieren und Vertreten von Arbeitsergebnissen und Vorgehensweisen Die Führungskraft betraut Mitarbeiter/-innen mit der Aufgabe ihre Arbeitsergebnisse selbst intern im Kreis der Kollegen und Kolleginnen, in anderen Bereichen, aber auch extern vorzustellen. Eine gelungene Präsentation erfordert Überzeugung vom eigenen Tun und stabilisiert respektive stärkt so den Ressourcen-Ampli¿er „Tendenz zur Handlungsorientierung und Willenskraft“. Bei der Ausarbeitung und auch bei der Präsentation selbst ist es notwendig sich mit dem eigenen Handeln auseinanderzusetzen. Mitarbeiter/-innen müssen sich Gedanken machen warum die gewählte Lösung oder Vorgehensweise die aus ihrer Sicht bevorzugte ist, wie dieses Ergebnis erreicht wurde und was sie dazu getan haben. Sie müssen Stellung beziehen.
„Zuverlässigkeit“ fördern
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12.1.6 Zusammenfassung: Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ Zur Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ können folgende Führungselemente zum Einsatz kommen. Zunächst geht es darum, eine handlungsorientierte herausfordernde Zielvereinbarung vorzunehmen: Die Ziele sollten spezi¿sch, messbar, akzeptierbar, aktionszentriert, relevant, realistisch und angemessen terminiert sein, im Gespräch mit Mitarbeiter/-innen gemeinsam festgelegt werden und verpÀichtende Wirkung haben. Als weiteres diesen Ressourcen-Ampli¿er unterstützendes Führungselement ist die Ermutigung zu pro-aktivem Handeln. Dabei geht es darum, dass Mitarbeiter/-innen lernen, bewusst, planvoll und zielgerichtet zu handeln ohne sich durch negative Erwartungshaltungen beirren zu lassen. Daneben hilft die persönliche SWOT-Analyse zur basalen Standortbestimmung der Weiterentwicklung des Ressourcen-Ampli¿ers, indem sie das Erkennen und Beurteilen von individueller Förderung ermöglicht. Unterstützt werden diese Führungselemente durch Motivation zur ReÀexion und dem Präsentieren und Vertreten von Arbeitsergebnissen und Vorgehensweisen. 12.2 „Zuverlässigkeit“ fördern Der nächste Ressourcen-Ampli¿er, dem wir uns zuwenden, ist die Zuverlässigkeit. Das bedeutet freiwillige Einhaltung von aufgaben-/situationsspezi¿schen Normen, ohne dass eine Kontrolle erfolgen muss. In einem Unternehmen/einer Organisation umfassen solche Normen weite Bereiche: von den Regeln für die Zusammenarbeit, über die Führungskultur und die Führungsleitlinien bis hin zu organisatorischen Vorschriften. Die Internalisierung von Normen kann nicht durch Anweisung der Führungskraft erfolgen. Falls überhaupt Anweisungen erforderlich sein sollten, ist klar, dass die entsprechenden Mitarbeiter/-innen die von ihnen verlangten Verhaltensweisen nicht aus einer inneren Überzeugung heraus befolgen. Sie handeln nur solange erwartungskonform, wie die Führungskraft Kontrolle ausübt und sie mögliche negative Konsequenzen für sich persönlich und die Beziehung zur Führungskraft befürchten. Ändert sich das Umfeld, so fallen sie unter Umständen in die alten Verhaltensweisen zurück (vgl. Kapitel 8.1.2.2).
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Nur wenn Mitarbeiter/-innen emp¿nden, dass die Befolgung der Normen und Regeln Problem lösend wirkt, werden sie diese in ihre bestehende Werteordnung integrieren (Internalisierung, Verinnerlichung). Erst dann ist ein dauerhafter Erfolg garantiert. Wir möchten im Folgenden Maßnahmen beschreiben, die einer solchen Normeninternalisierung förderlich sind. 12.2.1 Bekanntmachen von Normen Normen (vgl. Kapitel 8.1.1) müssen dem Mitarbeiter und der Mitarbeiterin bekannt sein, ansonsten können sie nicht oder nur zufällig befolgt werden. Deshalb müssen den Mitarbeitern/-innen, die in ein neues Umfeld kommen, zuerst die dort geltenden Normen vermittelt werden. Gleiches gilt bei der Veränderung der bestehenden Normen im Unternehmen/in der Organisation. Ein neues Umfeld für Mitarbeiter/-innen kann sein: • • • • •
ein neuer Arbeitgeber eine neue Organisationseinheit (Abteilung, Team) ein neues Projektteam eine neue Aufgabe eine neue Führungskraft
Normen des Unternehmens/der Organisation Normen der Organisationseinheit Normen des Teams/der Gruppe
Abbildung 38: Geltungsbereiche von Normen
Um Mitarbeiter/-innen über Normen oder deren Änderung zu informieren stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:
„Zuverlässigkeit“ fördern
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• Dokumentation - Handbücher - Checklisten - Intranet - Organisationshandbücher - Beschreibungen von Arbeitsabläufen und Prozessen, Prozessvereinbarungen - Merkblätter - Aushänge • Seminare • Vorträge und Gespräche - Innerbetriebliche Veranstaltungen - Innerbetriebliche Schulungen - Informationen durch die Führungskraft - Ein erfahrener Mitarbeiter oder eine erfahrene Mitarbeiterin als Mentor/-in • Team¿ndungsprozess 12.2.2 Erläuterung von Normen Eine Internalisierung ist nur durch die argumentative Erläuterung der Verhaltensanforderungen und deren Sinn, gerade im aktuellen Umfeld, durch die Führungskraft möglich. Es ist hilfreich bei der Begründung des Nutzens und der möglichen Konsequenzen bei Nichtbeachtung verschiedene Blickwinkel gemeinsam mit dem Mitarbeiter und der Mitarbeiterin zu beleuchten: • • • • •
die Sicht der Kunden/Kundinnen bzw. Klienten/Klientinnen die Sicht des Unternehmens/der Organisation die Sicht der Abteilung/des Bereichs die Sicht des Teams (Kollegen/Kolleginnen) die gesellschaftliche Sicht
Die verschiedenen Betrachtungsweisen (vgl. Kapitel 11.1.2) verstärken das Verständnis von Normen und Verhaltensanforderungen und machen eventuell auftretende Konsequenzen für alle Beteiligten bei Nichteinhaltung anschaulicher. Dabei ist es erforderlich die Auseinandersetzung über NormenkonÀikte und über die Berechtigung einer Norm und ihre angemessene Auslegung in einer
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
gegebenen Situation zuzulassen. Auch wenn die Führungskraft den Eindruck hat, Mitarbeiter/-innen entziehen sich dem Gespräch und der Auseinandersetzung, sollte sie weiter das Gespräch suchen. Die Bekanntmachung und Erläuterung von Normen oder deren Änderung gehen immer Hand in Hand und sollten ein bewusster und gesteuerter Vorgang sein und nicht dem Zufall überlassen werden.
12.2.3 Einarbeitungsplan für neue Mitarbeiter/-innen Kommt ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin neu in ein Unternehmen/eine Organisation, in einen Bereich oder in eine Abteilung ist es im Allgemeinen empfehlenswert einen Einarbeitungsplan zu erstellen. Neben Informationen zum Fachgebiet sollten geltende Normen, wie Verhaltensanforderungen, Organisationsanweisungen und Regeln der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin besprochen werden. Ebenfalls sollte ihm/ihr erklärt werden wo er/sie gegebenenfalls diese Regeln nachlesen und sich weiterführende Informationen beschaffen kann. In manchen Unternehmen/Organisationen ¿nden Seminare für diese Zielgruppe statt, in denen die allgemeinen, für jeden Bereich im Unternehmen/der Organisation geltenden Regelungen und Leitlinien erläutert werden. 12.2.4 Klärung von Normen In bestimmten Situationen ist es erforderlich Normen und Regeln abgestimmt auf die Situation zu klären. Dieser Klärungsprozess sollte immer gemeinsam von Führungskraft und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen erfolgen, sodass dadurch bereits die Akzeptanz der Normen und Regeln bei beiden Seiten gegeben ist. Situationen in denen über Normen und Regeln gesprochen werden muss sind beispielsweise: • Neubildung eines Teams • Neue Aufgabe für einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin oder für ein Team • Nach Förderungsmaßnahmen (Diese führen meist zu einer Erweiterung des bestehenden Handlungsspielraums des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin. Für diesen gelten dann auch modi¿zierte Regeln).
„Zuverlässigkeit“ fördern
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Wird ein Team für eine bestimmte Aufgabe neu gebildet, so ist es wichtig zu Beginn über die Regeln im Team zu sprechen und diese gemeinsam festzulegen. Damit wird sichergestellt, dass das Team von Anfang an gut funktionieren kann. Neben der Zielsetzung/Aufgabe und den zeitlichen Rahmenbedingungen ist es sinnvoll Vereinbarungen zu treffen über: • • • • • •
den Stil der Zusammenarbeit die geltenden Werte, beispielsweise Qualitätsstandards, Termintreue die Kommunikationsstrukturen nach Innen und Außen Entscheidungsabläufe und Entscheidungskompetenzen die Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten die organisatorischen Belange, wie Besprechungen, Checklisten, Dokumentation • das Einrichten und die Nutzung von Portalen, Newsgroups und Informationen im Intranet • weitere aufgaben- und situationsspezi¿schen Rahmenbedingungen (vgl. Fisher K. et al. 1997: 203–204) Oft ist es sinnvoll, diese Vereinbarungen schriftlich zu ¿xieren; kommen neue Mitglieder ins Team können sie sich schnell und umfassend informieren. 12.2.5 Vorbildfunktion der Führungskraft Die Führungskraft sollte für die Mitarbeiter/-innen bezüglich der Erfüllung von Normen Vorbildcharakter haben und die Inhalte des Wertesystems des Unternehmens/der Organisation aktiv leben. Nur durch das Vorleben der Regeln, das heißt, die selbstverständliche Integration der Regeln in ihre täglichen Argumentationen und Handlungen wird die Führungskraft für die Mitarbeiter/-innen glaubhaft. Handelt sie selbst wider die Normen, deren Einhaltung sie vom einzelnen Mitarbeiter und der einzelnen Mitarbeiterin verlangt, wird die Führungskraft unglaubwürdig und der Verinnerlichprozess der Mitarbeiter/-innen erschwert bis verunmöglicht.
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
12.2.6 Möglichkeiten bei ablehnender Haltung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Gelingt es langfristig nicht, dass einzelne Mitarbeiter/-innen die wichtigsten Normen des Umfelds verinnerlichen, liegt unter Umständen bei diesen Mitarbeiter/innen ein WertekonÀikt vor. Dies hat negative Auswirkungen auf die Zufriedenheit (im Sinne: „miteinander wohl fühlen“) von allen Beteiligten und damit auf Motivation und Arbeitsleistung. Tritt diese Situation ein, sollte über mögliche Schritte zur AuÀösung des KonÀikts nachgedacht werden: Die betreffenden Mitarbeiter/-innen werden • mit anderen Aufgaben betraut. • in ein für sie passenderes Umfeld gebracht. 12.2.7 Zusammenfassung Ressourcen-Ampli¿er „Zuverlässigkeit“ Die Beachtung der betrieblichen/organisatorischen Normen ist eine der wesentlichsten Grundlagen für relativ reibungslose Zusammenarbeit. Sie müssen den Mitarbeitern/-innen – vor allen in neuen Situationen – von der Führungskraft bekannt gemacht und aus verschiedenen Perspektiven erläutert werden. Dabei sollte die Führungskraft bezüglich der Normbeachtung Vorbildcharakter haben. 12.3 „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern Kommen wir nun zu den Möglichkeiten der Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“. Ausgangspunkt für die (Weiter)Entwicklung dieses Ressourcen-Ampli¿ers ist, dass Mitarbeiter/-innen bereits Normen internalisiert haben. Sie sollen nun die Fähigkeit entwickeln, diese Normen und ihre daraus resultierenden Handlungsweisen zu beobachten um sie dann kritisch hinterfragen zu können. Zur Entwicklung dieser Fähigkeit betraut die Führungskraft Mitarbeiter/-innen mit Verantwortung in verschiedenen Situationen: Verantwortungsübernahme
„Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern
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• für die eigene Arbeit • für die eigene Arbeit in einem neuen Umfeld (Team, Abteilung, Bereich) • für die Arbeit von Kollegen und Kolleginnen. Auch wenn dies im gewohnten Umfeld passiert, bedeutet es doch, die eigene Rolle zu ändern. Vom Kollegen/der Kollegin wird man zum/zur Verantwortlichen für das, was Kollegen und Kolleginnen tun. Man ist nicht nur für seine eigene Arbeit, sondern auch für die von Anderen verantwortlich. Tragen Mitarbeiter/-innen für das, was sie tun die Verantwortung, so müssen sie sich zwangsläu¿g verstärkt darüber Gedanken machen, in wie weit ihre Handlungen sinnvoll und Ziel führend sind. Sie sind gezwungen, Entscheidungen selbst zu treffen und damit auch das Risiko einer falschen Entscheidung ins Kalkül zu ziehen und gegebenenfalls die Konsequenzen einer falschen Entscheidung zu tragen. Mit zunehmender Verantwortung gelangen sie vermehrt in Situationen in denen sie selbst die von ihnen gewählten Vorgehensweisen, ihre Arbeitsergebnisse oder Lösungsideen für anstehende Probleme darzustellen und zu vertreten haben. Arbeiten sie in einem Team, bleibt die Auseinandersetzung mit Kollegen und Kolleginnen nicht aus. Dies führt mitunter zu mehr oder weniger stark KonÀikt beladenen Situationen in denen Mitarbeiter/-innen sich bewähren müssen. In diesem Entwicklungsprozess wird die Führungskraft beginnen, mehr und mehr adaptierte Methoden aus dem Counselling einzusetzen (vgl. Kapitel 6.5). Für die Führungskraft heißt das, zunächst mit dem/der Mitarbeiter/-in eine Zielvereinbarung zu treffen, wie bei der Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ beschrieben, mit ressourcenorientierter Ergebniskontrolle (vgl. Kapitel 12.1.1 und 9.1.3). Damit erhält der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin schrittweise den für seinen/ihren persönlichen Fortschritt notwendigen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Mitarbeiter/-innen um die es hier geht, be¿nden sich in der Regel auf Niveau C nach Kohlberg (vgl. Kapitel 8.1.2.5) und haben demzufolge eigene Werte für ihre Handlungen und Entscheidungs¿ndungen entwickelt und verinnerlicht. Die Führungskraft sollte Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen in diesem Fall nicht vorgeben oder ihnen anweisen wie sie Verantwortung handhaben sollen. Mit dem eingeräumten Handlungsspielraum müssen sie ihre eigene Vorgehensweise ¿nden und stabilisieren. Auf diesem Weg steht die Führungskraft ihnen beratend zur Seite. An dieser Stelle möchten wir zur Verdeutlichung der Einbeziehung von adaptierten professionellen Methoden des Counsellings im Führungsalltag als Beispiel die Förderung eines/einer am Anfang seiner/ihrer Entwicklung stehenden,
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
noch unerfahrenen Mitarbeiters/Mitarbeiterin anführen. Die dargestellten Phasen dienen der Verdeutlichung, laufen aber in der Praxis nicht sequentiell ab, sondern greifen ineinander. Situationsabhängig kann die Intensität des Einsatzes von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling jederzeit wechseln. • Phase A Die Führungskraft vermittelt dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin zu Beginn der Förderung das notwendige Handwerkszeug. Hierzu sind folgende Führungselemente geeignet: - jene aus dem Bereich „Förderung der Fachkompetenz“ (vgl. Kapitel 11.2) - Grundwissen und Methodenkompetenz (vgl. Kapitel 12.3.1) - „Umgang mit Verantwortung vermitteln und diskutieren“ (vgl. Kapitel 12.3.2). Der Einbezug von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling ist in dieser Phase noch nicht dominant. Dort wo sie angewendet werden, handelt es sich um eine Expertenberatung: Die Führungskraft ist „Experte/ Expertin für Verantwortungsübernahme“. • Phase B Im Verlauf der weiteren Entwicklung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin wird sich der Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling verstärken. Und zwar zunehmend in der Form einer Prozessberatung (vgl. Kapitel 6.5.1) um dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin zu helfen, seinen/ihren eigenen Weg zu ¿nden. Laufendes Feedback ist hier wichtig, um Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen Sicherheit in ihrem Tun zu geben. Ist das Feedback kritisch (negativ), so sollte es Möglichkeiten alternativer Handlungsweisen aufzeigen. • Phase C Muss die Führungskraft eine Entscheidung treffen, die den Kompetenzbereich des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin betrifft, oder entsteht eine Situation in der sie steuernd eingreifen muss, sollte die Führungskraft den Mitarbeiter/ die Mitarbeiterin weiterhin einbinden, indem sie ihm/ihr ihre Entscheidungen und Maßnahmen erläutert und mit ihm/ihr bespricht. Auf diese Weise wird der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin das Eingreifen nicht als „das Wegnehmen von Verantwortung“ oder als eine Degradierung verstehen, sondern als üblichen Vorgang im Rahmen der Kompetenzverteilung.
„Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern
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Die folgende Abbildung zeigt schematisch das Ineinandergreifen der geschilderten Phasen.
Phase A: Führung und Counselling (Expertenberatung) Phase B: Führung und Counselling (Prozessberatung) Phase C: Führung mit Counselling als zentrales Merkmal Zeit
Abbildung 39: Beispiel für den Einsatz von adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling bei der Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit “
12.3.1 Grundwissen und Methodenkompetenz Ausgehend von diesem Beispiel soll nun die Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ systematisch erläutert werden. Zunächst geht es darum, Mitarbeiter/-innen, die mit Verantwortung betraut werden sollen, mit dem geeigneten Handwerkszeug auszustatten. Dazu gehört in diesem Fall die Erlangung von Grundfertigkeiten, wie etwa Projektmanagement, Präsentationstechniken, Sitzungsmethodik, Gesprächsführung – insbesondere KonÀiktgesprächstechniken – und Optimierung der eigenen Arbeit (Zeitplanung, Umgang mit Störungen, Prioritätenbestimmung, etc.). Für die Vermittlung dieser Kompetenzen greift die Führungskraft am besten auf interne oder externe Schulungsangebote zurück. Neben der Förderung von Soft Skills ist es für Mitarbeiter/-innen wichtig, ihr Umfeld zu kennen, in dem sie verantwortlich agieren sollen. Sie müssen wissen, welche „Spielregeln“ gelten. Zu den Kenntnissen über größere Zusammenhänge im Unternehmen/in der Organisation und mögliche Risiken kann ihnen weitgehend ihre Führungskraft verhelfen. Übernehmen Mitarbeiter/-innen Führungsverantwortung, so orientieren sie sich zu Beginn meist an ihrer eigenen Führungskraft. Sie dient in der Regel als
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Rollenvorbild. Mitarbeiter/-innen wissen durch eigene Erfahrung, welche Handlungen ihrer Führungskraft von ihnen positiv oder negativ erlebt wurden. Die Führungskraft sollte daher mit diesen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen über ihre eigenen Vorgehensweisen sprechen und sie methodisch erläutern und begründen. Dieser Teil des Führungselements ist besonders wichtig, da Mitarbeiter/-innen dann sehen können, wie theoretische Kenntnisse, die sie in Schulungen erworben haben, praktisch in einem bestimmten Umfeld eingesetzt werden können. 12.3.2 Umgang mit Verantwortung vermitteln und diskutieren Im weiteren Verlauf der Entwicklung eines/einer Mitarbeiter/-in mit dem Ziel der Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ geht es darum, ihn/sie sukzessive mehr Verantwortung übernehmen zu lassen. Eine der Voraussetzungen, um Verantwortung übernehmen zu können, besteht darin, dass die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche klar konturiert sind. Verbunden damit ist die Festlegung des Handlungsspielraums (Kompetenz und Entscheidungsrahmen) den Mitarbeiter/-innen haben. Übernimmt ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin erstmalig Verantwortung, so sollte die Führungskraft mit ihm/ihr im Einzelnen über seinen/ihren Zuständigkeitsbereich sprechen. Auch sollte sie ihn/sie ermuntern, mit ihr über seine/ihre Vorstellungen, mit Verantwortung umzugehen, zu diskutieren. Mit der Zeit und zunehmender Erfahrung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin wird sich der zu Beginn festgelegte Handlungsspielraum erweitern. Oft geschieht dies indirekt indem Mitarbeiter/-innen die Grenzen ausloten um damit zu zeigen, dass sie mit mehr Kompetenz umgehen können und möchten. Gerichtete Wahrnehmung als Führungselement (vgl. Kapitel 10.2) unterstützt die Führungskraft darin, diese Situationen zu erkennen und richtig einzuschätzen. Trägt ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin die Verantwortung für einen bestimmten Bereich, so sollte seine/ihre Führungskraft ihn/sie immer wieder anregen über das was er/sie tut zu reÀektieren und die eigenen Handlungsmotive zu hinterfragen. Bei vertrauensvoller Zusammenarbeit werden Mitarbeiter/-innen sich meist daran orientieren wie ihre Führungskraft mit Verantwortung umgeht. Sie wird zum Vorbild. In ihren Handlungen und Aussagen spiegelt sich ihr Umgang mit Verantwortung. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass auch die Führungskraft selbst in ihrer täglichen Arbeit sich immer wieder die Motive für ihr eigenes Tun und Verhalten klar macht.
„Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern
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In diesem Zusammenhang wichtige Fragestellungen sind: • Was sind meine eigenen Werte? • Was sind die Kernpunkte die Unternehmens-/Organisationsethik? • Was sind die relevanten Führungsleitlinien und welche Rolle spielt dabei die Unternehmens-/Organisationskultur? • Wem bin ich verantwortlich: mir selbst, meinen Kollegen und Kolleginnen, meinem Chef/meiner Che¿n, dem Unternehmen/der Organisation, der Gesellschaft etc.? • Handhabe ich die zur Verfügung stehende Macht gewissenhaft? • Wie löse ich sich widerstrebende Zielsetzungen (KonÀiktsituationen)? • Wie verfahre ich mit „Druck von oben“?
12.3.3 Möglichkeiten schaffen um Verantwortung zu übernehmen und KonÀiktsituation zu erleben Über die Vermittlung und reÀektierende Diskussion der Verantwortungsübernahme hinaus, geht es darum, dem/der Mitarbeiter/-in konkrete Möglichkeiten der Verantwortungsübernahme zur Verfügung zu stellen. Um die geeigneten Felder dafür zu ¿nden, kann das beschriebene 5-Schritte-Verfahren Anwendung ¿nden (vgl. Kapitel 10.3). Die entsprechenden Aufgabenstellungen müssen für den/die Mitarbeiter/-in interessant und für das Unternehmen/die Organisation wichtig sein. Haben Mitarbeiter/-innen das Gefühl, dass es sich um unwichtige oder speziell für diese Situation geschaffene Aufgaben („Placeboaufgaben“) handelt, wird die Führungskraft nicht den gewünschten Erfolg erzielen. Um noch ungeübte Mitarbeiter/-innen an Verantwortung und die Auseinandersetzung mit dabei auftretenden KonÀikten heranzuführen emp¿ehlt es sich, Situationen in einem „sicheren Umfeld“ zu schaffen. „Sicher“ in diesem Zusammenhang heißt, dass Mitarbeiter/-innen sich erproben können, ohne im Unternehmen/in der Organisation mit Nachteilen oder negativen Reaktionen rechnen zu müssen. Das Umgehen mit Verantwortung ist ein Lernprozess und dabei kann es – gerade zu Beginn – auch das eine oder andere Mal zu Pannen kommen. Dies sollte von der Führungskraft nicht überbewertet werden (vgl. Kapitel 12.4.2.1). Allerdings sollten diese Fehler auch nicht einfach abgehakt, sondern als Chance betrachtet werden, die darin besteht, dass sich ein Anlass zum Austausch der betreffenden
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Mitarbeiter/-innen mit der Führungskraft über die Situation ergibt. Dabei kann nicht nur die Fehlerursache reÀektiert werden, sondern es können sich unter Umständen auch völlig neue Herangehensweisen eröffnen. Die eigene Abteilung, das eigene Team bietet so ein sicheres Umfeld, also einen idealen Wirkungsbereich in dem Mitarbeiter/-innen sich erproben können. 12.3.4 Delegation Ein zentrales Führungselement zur Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist die Delegation. Was heißt delegieren und was wird delegiert? Die Führungskraft beauftragt ihre Mitarbeiter/-innen mit anstehenden Aufgaben und überträgt ihnen die Verantwortung dafür. Sie entscheiden in der Folge selbst über mögliche Aktionen und die Art und Weise ihrer Durchführung zur Erreichung optimaler Lösungen. Die Mitarbeiter/-innen müssen sich ein Urteil bilden was in dieser Situation richtig und falsch ist und sowohl die Risiken als auch die Konsequenzen ihres Handelns beleuchten. Das heißt, delegiert werden kann immer nur ein Bündel aus drei Bausteinen: • die Aufgabe selbst • die Verantwortung für die Aufgabe • die Entscheidungskompetenz für diese Aufgabe Der Umfang der Delegation richtet sich nach der Ausprägung von Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿ern der Mitarbeiter/-innen. Die folgende Abbildung zeigt das.
„Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern
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Ressourcen-Amplifier stark ausgeprägt Komplexe Aufgaben
Einfache Aufgaben Begrenzter Handlungsspielraum
Weiterentwicklung schwach ausgeprägt
Erweiterter Handlungsspielraum
Ressourcen-Amplifier
Weiterentwicklung Ressourcen schwach ausgeprägt
stark ausgeprägt
Ressourcen (Fachkompeten und Soft Skills)
Abbildung 40: Delegation abhängig von der Ausprägung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er
Zur Analyse der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er kann die Führungskraft das in Kapitel 10.3 beschriebene 5-Schritte-Verfahren einsetzen. Eine Grundregel sollte bei Delegation allerdings beachtet werden: dieselbe Aufgabe sollte nie an zwei Mitarbeiter/-innen, oder zwei Teams delegiert werden. Da ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin oder ein Team im gleichen Zuge auch die Verantwortung übernimmt, käme es für den Fall dass die Führungskraft mit ein und derselben Aufgabe mehrere Mitarbeiter/-innen oder Teams betraut zu einer Konkurrenzsituation, die negative Auswirkungen auf die Vertrauensbasis haben kann. Die folgenden Aufgaben können nicht delegiert werden: • Führungsverantwortung Dazu gehören Aufgaben wie etwa Zielformulierung, Auswahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für Aufgaben, Förderung von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, Evaluation von Ergebnissen und Prozessen, Ausübung von Kontrolle, Gehalts¿ndung. • Gesamtverantwortung In einem Unternehmen/einer Organisation ist eine bestimmte Organisationseinheit für bestimmte Aufgaben verantwortlich. Die Führungskraft, die diese Organisationseinheit leitet, trägt die Gesamtverantwortung für das was in ihrem Bereich passiert und welche Ergebnisse erzielt werden. Das ändert
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
sich auch dann nicht, wenn die Führungskraft Aufgaben an Mitarbeiter/-innen delegiert (Delegation heißt nicht „abgeben“ im Sinne von „die Aufgabe geht einen nichts mehr an“). Diese Gesamtverantwortung umfasst neben der fachlichen Seite auch die strategische Einbettung in den unternehmerischen/ organisatorischen Kontext, die Bereitstellung von Budget und Ressourcen sowie die Auswahl und Förderung von Mitarbeiter/-innen und deren Führung (Führungsverantwortung). • Aufgaben/Situationen in denen die Führungskraft als Person gefordert ist Dazu gehören beispielsweise Vorträge, Informationsveranstaltungen und ähnliches. Aber auch in Terminen im Unternehmen/in der Organisation deren Teilnehmerkreis ganz oder zum Teil aus Personen des Managements zusammengesetzt ist, ist die persönliche Teilnahme der Führungskraft unerlässlich. In solchen Besprechungen werden in der Regel oft strategische Sachverhalte und Planungen diskutiert, die dann in den Bereich der Führungs- und Gesamtverantwortung fallen. Mitarbeiter/-innen übernehmen in derartigen Sitzungen eine informative, fachlich beratende Rolle. Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/-innen (vgl. Kapitel 9) Gegenseitiges Vertrauen ist die Basis für erfolgreiche Delegation. Die Führungskraft hält den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin für fähig, eine Aufgabe zu meistern und in einer Situation zu bestehen. Dieses Zutrauen ist gegründet auf die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin und die Erfahrungen, die die Führungskraft mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin gemacht hat. Rahmenbedingungen für Delegation Übergibt die Führungskraft eine Aufgabe verantwortlich an einen Mitarbeiter/ eine Mitarbeiterin müssen beide, um Missverständnissen vorzubeugen, zu Beginn über die Rahmenbedingungen sprechen: • Aufgabe (um was handelt es sich) • Zielde¿nition (was soll erreicht werden und bis wann)
„Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern
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• Kompetenz-/Entscheidungsrahmen (Handlungsspielraum) • Kommunikationsstruktur Zur Erläuterung der Aufgabe gehören weitere Informationen, wie etwa die Verdeutlichung der Notwendigkeit ihrer Bewältigung, die Erwartungshaltungen im Unternehmen/in der Organisation, die Darstellung der Historie (falls vorhanden), die Benennung der Ansprechpartner/-innen. Dies kann in Zusammenhang mit der Zielde¿nition erfolgen. Für sie kann im Wesentlichen auf das Führungselement „Zielvereinbarung“ (vgl. Kapitel 12.1.1) zurückgriffen werden. Ein maßgeblicher Punkt ist die Festlegung des Kompetenz- und Entscheidungsrahmens (Handlungsspielraum): Wann beispielsweise bei Entscheidungen die Führungskraft einbezogen werden muss und in welchen Fällen sich dies erledigt. Das ist abhängig von den Vorstellungen der Führungskraft und der Mitarbeiter/-innen, aber auch von den bestehenden Organisationsanweisungen und GepÀogenheiten im Unternehmen/in der Organisation. Missdeutungen von Situationen kosten Zeit und Energie. Über Kommunikation zu sprechen und Regeln festzulegen hat zum Ziel, solche Missdeutungen erst gar nicht entstehen zu lassen. Führungskraft und Mitarbeiter/-in sollten festlegen, wie InformationsÀuss und InformationspÀicht aussehen. Vereinbart werden sollten Punkte wie regelmäßig statt¿ndende Besprechungen (Jour-¿xe), in bestimmten Zeitabständen, zu erstellende Statusberichte (können auch Jour-¿xe ersetzen, falls der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin örtlich entfernt arbeitet), wann und wie die Führungskraft in die Kommunikation des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin mit Anderen eingebunden werden möchte. Gerade zu letzterem Punkt existieren in vielen Unternehmen/Organisationen Richtlinien zur InformationspÀicht (wann ist was an wen zu berichten) oder an welche Personen, Stellen im Unternehmen/der Organisation Schreiben, Protokolle, E-Mails etc. direkt oder in Kopie zu senden sind. Werden Aufgaben von einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin verantwortlich mit Erfolg übernommen, sollten sie auch weiterhin von ihm/ihr bearbeitet werden. Würde die Führungskraft diese Aufgaben, ohne für den betroffenen Mitarbeiter/die betroffene Mitarbeiterin nachvollziehbare Gründe wieder selbst erledigen oder an seine/ihre Kollegen und Kolleginnen übertragen, würde sich der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin fragen, ob seine/ihre Führungskraft tatsächlich mit seiner/ihrer Arbeit zufrieden war. Positives Feedback, das der Mitarbeiter/ die Mitarbeiterin in der Vergangenheit von seiner/ihrer Führungskraft erhalten hat, wird von ihm/ihr unter Umständen pauschal als unehrlich bewertet. Die Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/-in würde beschädigt. Aus
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diesem Grund sollte man Aufgaben nur dann verlagern, wenn andere wichtige Tätigkeiten vom gleichen Mitarbeiter/der gleichen Mitarbeiterin zu übernehmen und diese nicht mit den bisherigen Aufgaben vereinbar sind. Dies sollte dann im gemeinsamen Gespräch geklärt werden. Basis für Delegation: Die Führungskraft kann loslassen und sich zurücknehmen Delegieren hat zwei Seiten: dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin wird eine Aufgabe übertragen, die Führungskraft gibt diese Aufgabe ab. Sie muss loslassen können. Das klingt im ersten Augenblick einfach, setzt aber ein besonderes Maß an Vorurteilsfreiheit und Anerkennung der Leistung von Anderen voraus (vgl. Kapitel 6.5.3). Hat eine Führungskraft sehr erfahrene Mitarbeiter/-innen mit hohem Fachwissen, so sieht sie sich in der Situation, dass diese Mitarbeiter/-innen Aufgaben besser und ef¿zienter erledigen können als sie selbst und diese teilweise zu fachlichen Beratern/Beraterinnen für sie werden. Ein Teil der Führungskräfte, die früher selbst in dem gleichen Fachgebiet tätig waren, müssen erst lernen mit diesem Umstand umzugehen. Jeder hat aufgrund seiner eigenen Erfahrungen eine andere Herangehensweise an eine Aufgabe und entwickelt für die gleiche Situation andere oder doch im Detail abweichende Lösungen. Gibt die Führungskraft eine Aufgabe ab, so akzeptiert sie gleichzeitig, dass der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin eine persönliche Vorgehensweise für die Bearbeitung wählt, die unter Umständen von ihrer eigenen abweichen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist von der Führungskraft der Einsatz adaptierter professioneller Methoden aus dem Counselling gefordert, also Zurückhaltung zu üben und den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin mit Rat und Tat zu unterstützen. Adaptierte professionelle Methoden des Counsellings einzusetzen, ist ein Lernprozess für die Führungskraft. Gelingt er, wird sie das Führungselement „Delegation“ erfolgreich für die Förderung der Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er von Mitarbeiter/-innen einsetzen können und die Übertragung von Verantwortung wird in den Augen der Mitarbeiter/-innen nicht zu einer Farce werden. Sie werden in der Folge nicht bei jedem Schritt die Meinung der Führungskraft einholen und versuchen, Entscheidungen an die Führungskraft zurückzudelegieren. Vielmehr werden sie im Rahmen ihrer Verantwortung ihre Führungskraft in für sie schwierigen Situationen einbeziehen und um Rat bitten.
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Chancen und Risiken Mit Delegation und dem damit verbundenen Führungsverhalten, das sich durch den verstärkten Einsatz der beschriebenen adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling auszeichnet, eröffnen sich für Mitarbeiter/-innen, Führungskräfte und Unternehmen/Organisationen Chancen. Mögliche Risiken werden mit geeigneten Maßnahmen einschätzbar und beherrschbar und sollten daher Führungskräfte nicht davon abhalten, Aufgaben an ihre Mitarbeiter/-innen abzugeben. Chancen Mitarbeiter/-innen werden hinsichtlich ihrer Ressourcen (Fachkompetenz und Soft Skills) und im speziellen ihrer Ressourcen-Ampli¿er (Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit, Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenkraft, verarbeitete Erfahrung) gefördert. Verantwortung für eine Aufgabe zu haben sowie eigene Entscheidungen treffen zu können, motiviert und steigert die persönliche Identi¿kation mit ihrer Arbeit und die eigene Leistungsbereitschaft. Das hat durchaus einen langfristigen Aspekt. Mitarbeiter/-innen die die Möglichkeit bekommen eigenverantwortlich zu agieren, das Gefühl haben, etwas gestalten zu können und ernst genommen zu werden, laufen nicht so leicht Gefahr nach Jahren der Berufstätigkeit „auszubrennen“ (Burn-out-Syndrom) und in Folge oftmals in die innere Kündigung zu gehen. Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen stehen vielmehr während ihrer Berufslaufbahn immer wieder neue Möglichkeiten der Weiterbildung und des Engagements offen. Gerade vor dem Hintergrund der Diskussion, wie wichtig die Erfahrung älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für ein Unternehmen/eine Organisation ist, wird dieses Führungselement als Grundhaltung im Führungsverhalten zunehmend bedeutsamer. Erwerben Mitarbeiter/-innen durch Delegation übergreifendes Wissen und verstehen damit Zusammenhänge besser, können sie Àexibler einsetzt werden. Durch die neue Sichtweise die der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin auf die Dinge hat, ergeben sich Möglichkeiten, Synergien und Verbesserungspotentiale in der täglichen Arbeit erkennen und aufgreifen zu können (vgl. Kapitel 6.3.2). Gibt die Führungskraft Aufgaben erfolgreich an Mitarbeiter/-innen ab, schafft sie sich damit neue Freiräume für ihre Kernaufgaben (vgl. Kapitel 6.1). Sie kann sich einerseits auf strategische Neuausrichtungen konzentrieren, andererseits
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in Krisensituationen besser und schneller durch die geeignete Einbindung ihrer Mitarbeiter/-innen reagieren. Risiken Mitarbeiter/-innen, selbst erfahrene, können Fehler machen – das ist ganz normal und kein Grund zur Panik. Durch den Einsatz der beschriebenen adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling zum einen, und die Beachtung der Rahmenbedingungen für Delegation zum anderen, kann die Führungskraft das Auftreten schwerwiegender Pannen bereits minimieren. Passiert es trotzdem, so geht es im Wesentlichen darum den Schaden zu begrenzen. Eine intakte Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/-innen (vgl. Kapitel 9) und die Etablierung einer geeigneten Fehlerkultur (vgl. Kapitel 12.3.16) bieten dafür die beste Voraussetzung. Hat ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin noch keine oder nur geringe Erfahrung mit Verantwortungsübernahme, scheut er/sie unter Umständen davor zurück, von seinen/ihren Kompetenzen Gebrauch zu machen. Entweder versucht der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin anstehende Entscheidungen, die er/sie hätte selbst treffen können von der Führungskraft treffen zu lassen oder er/sie legt Problemstellungen der Führungskraft zur Lösung vor. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin versucht damit indirekt die Verantwortung wieder an seine/ihre Führungskraft zurückzugeben. Dies wird auch als Rückdelegation bezeichnet. Wie kann man diesen Situationen begegnen? Der erste Schritt ist, diese Sachlage zu erkennen und der Versuchung zu widerstehen die Aufgabe selbst zu lösen. Gerade für junge Führungskräfte ist das wichtig, da sie dazu tendieren, schneller die notwendigen Entscheidungen selbst zu treffen oder gemeinsam mit dem Mitarbeiter/ der Mitarbeiterin die Problemlösungen zu erarbeiten, um nicht in die Situation zu kommen, sich eventuell Führungsfehler vorwerfen lassen zu müssen. Wenn die Führungskraft diese Sachlage erkannt hat und die Rückdelegation ablehnt, sollte sie sich auf die hier beschriebenen adaptierten professionellen Methoden des Counsellings zu besinnen. Das heißt, dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin zu helfen, selbst zu einer Entscheidung oder einer Problemlösung – oder zumindest zu Alternativen – zu kommen. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin hat dann das Erfolgserlebnis das ihm/ihr hilft, aus der Situation zu lernen, an ihr zu wachsen und damit in Zukunft sicherer zu agieren. Ein Argument, das Führungskräfte davon abhält, Verantwortung abzugeben, ist immer wieder das Folgende: „Wenn der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin zu selbst-
„Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ fördern
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ständig ist und zu viel weiß, dann wird er/sie bald meine Position übernehmen wollen“. Im Volksmund sagt man so schön „Er/sie sägt dann an meinem Stuhl“. In der langjährigen Erfahrung von Führungskräften hat sich aber immer wieder folgendes bestätigt: Wenn die Vertrauensbasis zwischen Mitarbeiter/-innen und Führungskraft einerseits als auch die Vertrauensbasis zwischen dieser Führungskraft und dessen/deren eigenen/eigener Vorgesetzten andererseits stimmen, ist diese Gefahr nicht gegeben. Mitarbeiter/-innen möchten zuallererst in einer guten Atmosphäre an interessanten und verantwortungsvollen Aufgaben arbeiten und wenn sie Karriere machen möchten, ist – wie im beschriebenen Fall – ihre Führungskraft ihr Förderer/ihre Förderin und Mentor/Mentorin. Einen nicht zu unterschätzenden Faktor stellt die Führungskultur im Unternehmen/in der Organisation dar. Je hierarchischer Führung ausgerichtet ist, desto enger wird der Spielraum für Mitarbeiter/-innen und Führungskraft. Führungskompetenz wird in stark hierarchisch strukturierten Unternehmen/Organisationen oft nach Kriterien wie „die Tiefe des eigenen Fachwissens“ und „die sofortige Auskunftsfähigkeit über alle Sachverhalte und Aktivitäten der Mitarbeiter/-innen im Einzelnen“ beurteilt. Wenn aber eine Führungskraft Aufgaben verantwortlich an Mitarbeiter/-innen delegiert, hat sie dieses Detailwissen nicht mehr. Sie muss nachfragen oder ihre Fachleute gleich in die Diskussion einbinden, was ihr in einem solchen Umfeld schnell als Führungsschwäche oder mangelnde Kompetenz ausgelegt wird. Aber auch in einem solchen Umfeld sollte eine Führungskraft ihre Mitarbeiter/-innen adäquat fördern und in den angesprochenen Situationen Selbstbewusstsein zeigen.
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Delegationsprozess schematisch
• • • •
• Führungsverantwortung • Gesamtverantwortung • Aufgaben/Situationen in denen die Führungskraft als Person gefordert ist • Handlungs-/Entscheidungsverantwortung die über den Kompetenzrahmen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin hinausgeht
Führungskraft
Aufgabe und Ziele Verantwortung Handlungsspielraum Kommunikationsstruktur
• Führungsverhalten mit adaptierten professionellen Methoden aus dem Counselling • Ressourcen und Ressourcen-Amplifier • Vertrauen • Evaluation und Kontrolle Mitarbeiter/-in
• Statusbericht • Ausnahmesituation
Abbildung 41: Delegationsprozess
Als Ergänzungsliteratur sei hier auf das Buch von Jürgen W. Goldfuss „Erfolg durch professionelles Delegieren“, 2003 verwiesen. 12.3.5 Erweiterung des Führungselementes „Zielgruppengerechte Präsentationen von Arbeitsergebnissen und Vorgehensweisen“ Die Befähigung von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen zur zielgruppengerechten Präsentation der eigenen Arbeitsergebnisse und Vorgehensweisen zu stärken als Führungselement haben wir schon im Abschnitt 12.1 beschrieben. Es kann in dem hier behandelten Sachverhalt der Förderung der „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ mit einem weiteren Schwerpunkt ebenfalls gut eingesetzt werden. Arbeitsergebnisse und Vorgehensweisen Anderen im Unternehmen/in der Organisation oder auch externen Stellen erfolgreich vorzustellen setzt voraus, sich in deren Lage versetzen zu können (vgl. Kapitel 11.1.2) und die Präsentation zielgruppengerecht aufzubauen. Das heißt, es ist erforderlich, dass sich der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin gedanklich schon bei der Ausarbeitung der Unterlagen mit anderen Blickwinkeln auseinandersetzt und dadurch über den eigenen Stand-
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punkt reÀektiert. Dadurch ist der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin gut vorbereitet und kann kompetent auf Fragen und Kritik der Zuhörer/-innen eingehen. Sachverhalte und die eigene Argumentation zielgruppengerecht darzustellen heißt aber auch, dass Mitarbeiter/-innen die Sprache der Zuhörer/-innen sprechen müssen, um diese zu erreichen. So kann im Kreise der Kollegen und Kolleginnen, die tief in einem Thema stecken, die Erläuterung eines Sachverhalts mit hohem Detaillierungsgrad und Fachtermini geschehen. Bei Zuhörern/-innen, die dagegen noch nie mit dem Thema konfrontiert waren würden die Einführung in das Thema und der notwendige Überblick im Vordergrund stehen. Ist das Ziel einer Präsentation, Entscheidungen herbeizuführen, so sind neben dem Sachverhalt oft noch weitere Fakten notwendig, wie beispielsweise Bewertung von Alternativen, Aufwand, Risiko und möglicher Umsetzungszeitraum. Während eines Vortrags können Mitarbeiter/-innen in verschiedene KonÀiktsituationen kommen: fachlich durch andere Meinungen aber auch zwischenmenschlich mit Kollegen und Kolleginnen, mit Vertretern/Vertreterinnen verschiedener Hierarchiestufen, Klienten/Klientinnen oder Kunden/Kundinnen. Sie sind gefordert, Anregungen oder Änderungsvorschläge offen aufzunehmen und zu diskutieren. Gegebenenfalls ist es erforderlich, diese in die von ihnen favorisierte Lösung zu integrieren, oder ihre Idee insgesamt neu zu überdenken. Mitarbeiter/-innen lernen in solchen Situationen, dass fachlich fundierte und sachliche Kritik nichts mit der Wertschätzung ihrer Person oder der Qualität ihrer Arbeit zu tun hat, sondern hilft, zu besseren Lösungen zu kommen. Erläutern Mitarbeiter/-innen Führungskräften ihre Ideen, müssen sie ihre Gedanken und ihr Fachwissen „managementgerecht“ erläutern können. Das heißt, sie müssen die geeignete Sprache und den angemessenen Grad der Detaillierung ¿nden. Gelingt das nicht, verlieren oder verunsichern sie ihre Zuhörer/innen. Ihre Führungskraft muss hier durch Feedback regulierend einwirken. Wie wichtig die Unterstützung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin in einem solchen Fall ist, soll ein kurzes Beispiel zeigen. Nehmen wir an, eine Mitarbeiterin ist eine absolute Expertin auf ihrem Gebiet. Sie ist in der Lage, in kürzester Zeit Sachverhalte umfassend zu analysieren. Erläutert sie ihre Ergebnisse, so tut sie das, unabhängig vom Zuhörerkreis, immer umfassend. Bei der Darstellung der Konsequenzen oder Risiken, die eine von ihr favorisierte Lösung hat, lässt sie nicht eine Kleinigkeit aus, obwohl sie die Verantwortung für die Aufgabe hat und der Meinung ist, dass ihre vorgeschlagene Lösung gut ist und die noch offenen Fragen sich im Laufe der Bearbeitung zufriedenstellend lösen lassen. Diskutiert sie mit ihren Kollegen, Kolleginnen und ihrer direkten Führungskraft, ist dieses Vorgehen in Ordnung. Erörtert sie ihre Vorstellungen in dieser Weise aber bei-
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spielsweise Mitgliedern der Geschäftsführung, so verlieren diese meist den roten Faden und gewinnen leicht den Eindruck, dass es mehr Probleme und offene Fragen gibt als Lösungen und Antworten. Das führt leicht zu Verunsicherung und Ablehnung anstatt Zustimmung. In Lösungsdiskussionen wird die Führungskraft ihre Meinung zu den Ideen von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen äußern und ihre eigenen Vorstellungen mit einbringen. Hier sollte sie darauf achten, kritische Anmerkungen in Form von Ich-Botschaften zu übermitteln. Das heißt, sie sollte die eigenen Gefühle und Einstellungen formulieren und klarstellen, dass es sich nicht um ein „objektives“ Urteil, sondern um den eigenen Standpunkt handelt. Gründe, die aus ihrer Sicht gegen die Lösungen oder Ideen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sprechen, sollte sie ihnen im gemeinsamen Gespräch erläutern und Raum für Diskussionen geben. 12.3.6 Teilnahme an Besprechungen mit und ohne Führungskraft Neben solchen Präsentationen stellen Besprechungen an Mitarbeiter/-innen entwicklungsfördernde Herausforderungen. Allerdings ist es in diesen Situationen nicht mehr möglich, sich auf alle Themen, die in Diskussionen oft spontan zur Sprache kommen, vorzubereiten. Von dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin werden dann ad hoc Aussagen und Entscheidungen erwartet. Mit diesem Umstand muss er/sie im Rahmen seines/ihres Handlungsspielraums umgehen können. Es ist durchaus sinnvoll, dass Mitarbeiter/-innen, zur Vorbereitung auf eine weiter reichende Delegation, alleine an ausgewählten Besprechungen teilnehmen und sich die Führungskraft anschließend die Ergebnisse berichten lässt. Sie kann sich dann mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin über den Verlauf der Besprechung und seinen/ihren Eindrücken austauschen. 12.3.7 Hospitation (Gastaufenthalt) zur ReÀexion der Sicht auf die eigene Arbeit „Hospitation dient der Aneignung von Fachwissen, der Verbesserung und ReÀexion der eigenen Arbeit und der Förderung des gegenseitigen Verständnisses und Respekts. Sie ist geeignet um andere Organisationen und Organisationsformen, Arbeitsstile und Arbeitsweisen kennen zu lernen. Mitarbeitende, die hospitieren, halten sich in der Regel in einer ande-
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ren Organisation oder Abteilung auf. Hospitierende Mitarbeitende nehmen ganz oder teilweise am Berufsalltag ihrer Hospitationspartner/-innen teil. Wichtig ist, dass sie feste Ansprechpartner/-innen haben, die ihnen Auskünfte und Hintergrundsinformationen geben und die Integration der hospitierenden Kollegin/Kollegen gewährleisten können.“ (Bayer Business Service 2009). Durch eine Hospitation ändert sich in der Regel der Blickwinkel auf bestehende Sachverhalte. Hospitierende Mitarbeiter/-innen ¿nden sich aber auch in neuen Situationen, unter Umständen auch KonÀiktsituationen, wieder. Sie erleben andere Kollegen und Kolleginnen, eine andere Führungskraft mit anderem Führungsstil/Führungsverhalten. Auch die Normen für die Zusammenarbeit unterscheiden sich sicherlich. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin kann neue Erfahrungen sammeln und bisherige reÀektieren. Er/sie macht Bekanntschaft mit neuen Herangehensweisen und Verfahren, die er/sie dann bei Bedarf im eigenen Bereich adäquat umsetzen kann. Im neuen Bereich kann er/sie Bewährtes aus der eigenen Organisationseinheit vorstellen mit dem Ziel die Führungskraft, Kollegen und Kolleginnen von dessen Nutzen zu überzeugen. Denkt die Führungskraft über Hospitation als Führungselement nach, ist es wichtig, im Vorfeld den betreffenden Mitarbeiter/die betreffende Mitarbeiterin zu motivieren, um damit sein/ihr Einverständnis zu erhalten. Dabei sollte die Zielsetzung und der Ablauf eines Gastaufenthaltes in einem anderen Bereich gemeinsam mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin besprochen und festgelegt werden. 12.3.8 Projektarbeit mit dem Ziel, Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit zu fördern In vielen Unternehmen/Organisationen arbeiten Mitarbeiter/-innen immer wieder zeitlich beschränkt in Projekten mit thematisch übergreifenden Aufgaben und Fragestellungen. In der Regel kommen die Mitarbeiter/-innen dann aus verschiedenen Organisationseinheiten in ein Projektteam. Diese Form der Projektorganisation wird auch als Matrixorganisation bezeichnet. Sie tritt partiell an die Stelle der Linienorganisation, also die bisher gewohnte eher feste Verbindung von organisatorischer Einheit (Abteilung, Team) und Tätigkeit. In der nachfolgenden Abbildung haben wir eine Matrixorganisation beispielhaft dargestellt. Für das Projekt B arbeiten in unserem Beispiel vier Mitarbeiter/innen (Mitarbeiter/-in Zwei, Vier, Fünf und Neun). Sie sind dem Projektleiter/der Projektleiterin des Projekts B fachlich zugeordnet, d.h. der/die Projektleiter/-in
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
hat die Fachaufsicht. Die Dienstaufsicht (also die personelle Verantwortung) verbleibt bei der Führungskraft der Linienorganisation.
Beim Projektleiter ist die fachliche Verantwortung (Fachaufsicht)
Bei der Führungskraft ist die organisatorische und personelle Verantwortung (Dienstaufsicht) Abteilung 1 Führungskraft
Abteilung 2 Führungskraft
Abteilung 3 Führungskraft
Projekt A Projektleiter/-in
Mitarbeiter/-in Eins
Mitarbeiter/-in Zwei
Mitarbeiter/-in Drei
Projekt B Projektleiter/-in
Mitarbeiter/-in Vier
Mitarbeiter/-in Fünf
Mitarbeiter/-in Sechs
Projekt C Projektleiter/-in
Mitarbeiter/-in Sieben
Mitarbeiter/-in Acht
Mitarbeiter/-in Neun
Abbildung 42: Matrixorganisation
So kann Àexibler auf die Erfordernisse des Unternehmens/der Organisation reagiert werden. Beim Aufbau eines Projektteams mit Matrixorganisation muss mit betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in jedem Fall über das Verhältnis zwischen Führungskraft, Projektleiter/-in und Mitarbeiter/-innen während dieser Zeit gesprochen werden. Wesentliche Punkte in diesem Zusammenhang sind unter anderem • Kompetenzen der Führungskraft, des Projektleiters/der Projektleiterin, der Mitarbeiter/-innen • Kommunikationsstrukturen • Entscheidungsabläufe • Prioritäten von Tätigkeiten für die Linie und das Projekt
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Eine derartige Projektarbeit in Matrixorganisationen ist sehr gut geeignet, Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit zu fördern, da sie Mitarbeiter/-innen immer wieder mit neuen Aufgabenstellungen, Kollegen, Kolleginnen und Führungskräften konfrontiert. Die wenigsten Projekte sind mit dem Projektende abgeschlossen, vielmehr gehen die Aufgaben dann in die Linienorganisation über. Daher sind Mitarbeiter/-innen in dieser Situation gefordert, die anliegenden Aufgaben so zu lösen, dass sie anschließend von anderen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen übernommen und weitergeführt werden können. Sie übernehmen während der Projektarbeit folglich auch ein Stück Verantwortung für die Zukunft: Sie müssen beurteilen können, ob ihre Lösungen mittel- bis längerfristig für das Unternehmen/die Organisation tragfähig sind und in der Linie darauf aufgebaut werden kann. Sollen Mitarbeiter/-innen, die bisher in der Linie gearbeitet haben, ganz für ein Projekt freigestellt werden heißt das, dass ihre bisherigen Aufgaben von Kollegen und Kolleginnen übernommen werden müssen. Die Führungskraft sollte im Hinblick auf eine Stärkung und Weiterentwicklung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ den betroffenen Mitarbeiter/die betroffene Mitarbeiterin auffordern, sich über die folgenden Punkte Gedanken zu machen und sie gemeinsam mit ihr zu besprechen und zu klären: • Status seiner/ihrer derzeitigen Aufgaben. • Was muss für eine Übergabe von dem betroffenen Mitarbeiter/der betroffenen Mitarbeiterin noch abgeschlossen oder vorbereitet werden? • Wann ist der geeignete Zeitpunkt für eine Übergabe und wie lange dauert die Einarbeitung der anderen Kollegen und Kolleginnen? • Bleiben Teile der Aufgaben sinnvollerweise bei dem betroffenen Mitarbeiter/ der betroffenen Mitarbeiterin? Nicht immer ist es möglich, einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin ganz für ein Projekt freizustellen. Meist behält er/sie einen Teil seiner/ihrer bisherigen Aufgaben und arbeitet einen Teil seiner/ihrer Arbeitszeit im Projekt. Er/sie ist in diesem Fall mit der Situation konfrontiert, dass er/sie Aufgaben parallel bewältigen muss, die im Hinblick auf Priorität und Termineinhaltung miteinander konkurrieren. Zusätzlich muss er/sie sich im Falle einer Matrixorganisation mit zwei Verantwortlichen (Führungskraft und Projektleitung) auseinandersetzen. Um solche KonÀikte zu lösen, ist er/sie in Hinsicht auf Eigenorganisation und Verantwortung für die eigene Arbeit mehr gefordert, da er/sie
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
in vielen Fällen selbst entscheiden muss, zu welchem Zeitpunkt er/sie welche Arbeit erledigen kann, um beiden Seiten gerecht zu werden. Er/sie muss auch in Erwägung ziehen, bei welchen Aspekten Entscheidungen von Führungskraft und Projektleitung notwendig sind. Wie bei der Hospitation ist es auch bei der Projektarbeit wichtig, vor Beginn derselben über Zielsetzung und Ablauf gemeinsam mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin zu sprechen und diese zu regeln. Um für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin Sicherheit zu schaffen, sollte speziell auch über den geplanten Zeitpunkt der Rückkehr und die Wiedereingliederung in die eigene Organisationseinheit gesprochen werden. 12.3.9 Erweiterung des Führungselementes „Führen über Ziele“ Mitarbeiter/-innen, deren Ressourcen-Ampli¿er „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ gut ausgeprägt ist (Niveau C nach Kohlberg, vgl. Kapitel 8.1.2.5) sind in der Lage, ihre Arbeit eigenverantwortlich zu organisieren. Sie fühlen sich für die eigene Arbeit, die ihres Teams und den Erfolg des Unternehmens/der Organisation mit verantwortlich. Daher können sie über Ziele (vgl. Kapitel 12.1.1) geführt werden. Es liegt in der Verantwortung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin wie er/sie seine/ihre Ziele erfüllt. Die Führungskraft unterstützt ihn/sie dabei (vgl. Kapitel 6.5). In diesem Zusammenhang werden immer wieder Bedenken geäußert, ob Mitarbeiter/-innen bei diesem Führungsverhalten wohl noch „ausreichend“ lange arbeiten. Gerade diese Fragestellung ist aber bei den angesprochenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unpassend. Sie arbeiten eigenverantwortlich und werden einerseits alles dafür tun, um ihre Ziele zu erreichen, andererseits bei freien Kapazitäten andere Aufgaben aufgreifen. 12.3.10 Perspektivenwechsel zur Anregung der SelbstreÀexion Ein wirksames Führungselement ist der bereits als Basisführungselement beschriebene Perspektivenwechsel (vgl. Kapitel 11.1.2). Ihm kommt auch in dem hier beschriebenen Zusammenhang eine große Bedeutung zu, und zwar um die SelbstreÀexion von Mitarbeitern/-innen anzuregen. SelbstreÀexion verstärkt die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit.
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Perspektivenwechsel als Führungselement eignet sich ebenfalls zur Vorbereitung von Präsentationen, Entscheidungsvorlagen, Planungen und ähnlichem. Führungskraft und Mitarbeiter/-innen können wichtige Aspekte, Argumente und beabsichtigte Vorgehensweisen gemeinsam aus Sicht der Betroffenen, denjenigen die eine Entscheidung treffen müssen, Kunden und Kundinnen diskutieren. Damit können Mitarbeiter/-innen und Führungskraft ihre Vorstellungen vervollständigen und abrunden. 12.3.11 Förderung der Eigeninitiative zur Beschaffung von Informationen Mitarbeiter/-innen benötigen alle zu ihrem Aufgabengebiet gehörenden Informationen, so dass sie ihre Überlegungen anforderungsgerecht ausrichten können. Einen Teil der Information bekommen Mitarbeiter/-innen von ihrer Führungskraft. Den anderen Teil müssen sie sich aus ihnen zur Verfügung stehenden Quellen, wie beispielsweise dem Kollegen/-innenkreis, Literatur, Zeitschriften, Internet, anderen Bereichen im Unternehmen/der Organisation, externen Stellen, selbst beschaffen. Wichtig ist es, mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen darüber zu sprechen, dass sie selbst für die Informationsbeschaffung verantwortlich sind und sie die Initiative ergreifen müssen. Dazu gehört auch, bei ihrer Führungskraft aktiv nachzufragen und nicht eine abwartende Haltung einzunehmen. So wird ebenfalls die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilfähigkeit gestärkt. 12.3.12 Lösungsorientierte Fragen Mit sogenannten „lösungsorientierten Fragen“ unterstützt die Führungskraft Mitarbeiter/-innen beim Finden von Lösungen und Alternativen. Damit hat sie ein zentrales Führungselement in der Hand , das aus den Methoden des Counselling adaptiert werden kann. Mit ihm ist die Führungskraft in der Lage, Mitarbeiter/innen Impulse zum Nachdenken und zum selbstständigen Handeln zu geben. Die Technik des „lösungsorientierten Fragens“ entstammt dem „lösungsorientierten Ansatz“ von Steve de Shazer. Bamberger, der diesen Ansatz in Deutschland popularisierte, schreibt dazu: „Der gesamte lösungsorientierte Beratungsprozess bzw. die gesamte lösungsorientierte Beratungstechnik besteht in einer systematisch aufeinander aufbauenden Abfolge von lösungsorientierten Fragen: „It’s my job to ask dif¿cult questions“ (übersetzt: „Es ist meine Aufgabe, schwie-
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
rige Fragen zu stellen“; Übers. d. Verf.) (Steve de Shazer, zitiert nach Bamberger, G.G. 2001: 32). Was Steve de Shazer aus Sicht des Beratungsprozess sagt, gilt analog für die Führungskraft: es ist ihre Aufgabe, schwierige Fragen zu stellen. Das sollte man jedoch nicht so verstehen, dass Fragestellungen immer komplex sein müssen, es können oft die einfachen Fragen sein, die schwierig zu beantworten sind und zum Nachdenken anregen. Manche Führungskräfte fürchten einen Imageverlust, wenn sie solche Fragen stellen; dies ist aber in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht der Fall. Auch das schlichte Feedback „das habe ich jetzt nicht verstanden“ motiviert Mitarbeiter/-innen nach einer anderen Art der Erklärung zu suchen und damit über ihre Arbeit von einer anderen Warte aus nachzudenken. Richard P. Feyman, Nobelpreisträger Physik 1965, liefert hierzu in seiner Autobiographie ein schönes Beispiel (vgl. Feynman, R. P. 1988: 106–107). Feynman wurden die Planungsunterlagen für eine chemische Fabrik erklärt. Er hatte in der Schule zwar gelernt, Planungszeichnungen zu lesen, trotzdem konnte er in der kurzen Zeit die Menge und Komplexität nicht durchschauen. Er hatte die Spezialisten auch schon zu lange erklären lassen um zu sagen, dass er bisher nicht viel verstanden hat. Er überlegte was er tun sollte und entschied sich auf eine beliebige Planungszeichnung an eine Stelle zu deuten und zu fragen „was passiert wenn diese Klappe nicht funktioniert?“. Es begann eine heftige Diskussion unter den Fachleuten, sie prüften die Zeichnungen, fanden aber keine Antwort und gingen an die Arbeit, um die Situation zu überprüfen. Mr. Zumwalt, der Verantwortliche, sagte zu Feynman, er sei ein Genie. Was er getan hätte sei fantastisch und er möchte wissen wie er das macht. Hier eine Übersicht hilfreicher Fragestellungen:
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Fragetyp
Erläuterung
Beispiel
Offen
Offene Fragen lassen sich nicht mit einem “ja“ oder „nein“ beantworten, sondern erfordern eine Erläuterung. Der Status quo wird damit deutlich.
„Wie ist es zu bewerkstelligen, dass das vereinbarte Ziel zum gewünschten Zeitpunkt erreicht wird?“
Zirkuläre Fragen
Fragen die dazu führen, dass sich der/die Befragte mit den Sichtweisen jeweils anderer im sozialen System auseinandersetzt.
„Was denken Sie, löst der Ärger des Kollegen Maier bei der Kollegin Huber aus?“
Zirkuläre Fragen sprechen den systemischen Zusammenhang von Verhaltensweisen an. Gut geeignet, da ein Perspektivenwechsel oder eine Situationsneude¿nition ermöglicht wird. Wunderfrage
Frage danach welcher Zustand eine optimale Situation darstellen würde mit der Aufforderung einer genauen Beschreibung. Gut geeignet, da ein Perspektivenwechsel oder eine Situationsneude¿nition ermöglicht wird.
Direkt
„Stellen Sie sich vor, Ihre Arbeitsumgebung wäre so, wie Sie sich es wünschen würden. Wie würde das ganz genau aussehen? Was würde sich zur derzeitigen Situation ändern, was nicht“
Direkte Fragen sind eindeutig und „Welche Daten haben Sie erhoben?“ prägnant. Sie erlauben Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine direkte Antwort. Diese ist eng an der Fragestellung orientiert.
Tabelle 18: Lösungsorientierte Fragen
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
12.3.13 Verbesserungsvorschlagswesen In vielen Unternehmen/Organisationen gibt es ein betriebsübergreifendes Verbesserungsvorschlagswesen. Mitarbeiter/-innen können ihre Verbesserungsvorschläge einreichen, diese werden geprüft und bei Umsetzung häu¿g honoriert. So wird das Nachdenken über Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens/ der Organisation gefördert. Um Mitarbeiter/-innen zur ReÀexion ihrer Arbeit anzuregen, kann die Führungskraft auch in der eigenen Organisationseinheit ein Vorschlagswesen (im kleinen Stil) einführen. Diesen Ansatz verfolgen japanische Unternehmen als Teil von Kaizen (ständige Verbesserung), das seit den 90er Jahren auch in westlichen Unternehmen/Organisationen Einzug gehalten hat. Hier sei auf das Buch von Masaaki Imai „Kaizen“ (vgl. Imai, M. 1993) verwiesen, aus dem wir hier einige Ideen übernehmen möchten. Imai: „Kaizen ist ein humanistischer Ansatz, weil es jeden – und wirklich jeden – einbezieht. Es beruht auf der Überzeugung, dass jeder Mensch zur Verbesserung seines Arbeitsplatzes, an dem er ein Drittel seines Lebens verbringt, beitragen kann“ (vgl. Imai, M. 1993: 269). Personenbezogenes Kaizen ist eine der drei Arten von Kaizen, bei dem das Vorschlagswesen die zentrale Komponente ausmacht. Grundidee ist, dass Mitarbeiter/-innen gegenüber Änderung und Verbesserung ihrer eigenen Arbeitsweise eine positive Einstellung entwickeln sollen. Dies ist am einfachsten erreichbar, wenn neue Arbeitsweisen von ihnen selbst kreiert werden. Im Gegensatz zu von der Führungskraft angeordneten Maßnahmen sind Mitarbeiter/-innen stolz auf eigene Ideen und sie werden diese freiwillig in die Praxis umsetzen. Imai: „Personenorientiertes Kaizen wird als förderlich für die Arbeitsmoral angesehen, deshalb fragt das Management auch nicht bei jedem Vorschlag, ob sich seine Umsetzung auch lohnen wird. Ist das Ziel, im Betrieb mitdenkende Arbeiter zu haben, die stets nach Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer eigenen Arbeit suchen, ist Sensitivität und Verantwortlichkeit von entscheidender Bedeutung.“ (vgl. Imai, M. 1993: 145). Das heißt, jede Führungskraft sollte Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den Raum geben, über Verbesserungen nachzudenken und ihre Ideen einzubringen. Sie sollte diese mit ihnen diskutieren und eine eventuelle Ablehnung erläutern. Ist ein Vorschlag trotzdem nicht oder nicht in der beschriebenen Weise umsetzbar, so stecken in ihm oftmals Gedanken, die als Basis für weiteres Nachdenken dienen können. Mit dem Einbringen eines Verbesserungsvorschlages für den eigenen Arbeitsbereich übernimmt der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin auch Verantwortung für die Umsetzung und den Erfolg.
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Im Führungsalltag kann man sich für die Umsetzung von Kaizen auf Teamoder Abteilungsebene verschiedener Methoden bedienen: • Dem bilateralen Gespräch oder der Gruppendiskussion (Führungskraft – Mitarbeiter/-innen) Mitarbeiter/-innen besprechen ihre Ideen mit ihrer Führungskraft. Gemeinsam wird entschieden, ob und wenn ja welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden und wie die Umsetzung konkret aussehen könnte. • Der Einrichtung eines Gruppen- oder Abteilungsbriefkastens Dieses Vorgehen bietet mehrere Vorteile: Die Mitarbeiter/-innen sind gezwungen, ihre Ideen schriftlich zu formulieren, was gleichzeitig zu einem tieferen Nachdenken über die eigenen Vorschläge, ihre Vorteile und Konsequenzen führt. Mitarbeiter/-innen, die etwas zurückhaltend sind, werden diese Gelegenheiten für einen Vorschlag eher nutzen als das Gespräch oder die Diskussion in der Gruppe. Als Führungskraft hat man zu einem bestimmten Zeitpunkt mehrere Vorschläge vorliegen, aus denen sich unter Umständen Synergien und Prioritäten für das weitere Vorgehen entwickeln lassen. Die Diskussion, ob und wie Vorschläge umgesetzt werden sollen, kann dann in einem Meinungsaustausch in der Gruppe erfolgen. Dieser birgt für sich genommen auch wieder Kreativitätspotential in sich. • Der Einrichtung einer Gruppen-/Abteilungs-Newsgroup oder eines Wiki im Intranet Ist in einem Unternehmen/einer Organisation ein Intranet für den Informationsaustausch eingerichtet, kann der oben erwähnte Briefkasten in elektronischer Form eingerichtet werden. Eine Newsgroup bietet die Möglichkeit, formulierte Ideen als Beitrag ins Netz zu stellen. Auf diesen Beitrag können andere Mitarbeiter/-innen antworten und diese Ideen diskutieren. Die Etablierung eines Wiki ist eine heutzutage im Internet/Intranet häu¿ge Variante, anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen die Möglichkeit zu geben, sich zu den eigenen Beiträgen zu äußern. „Wiki“ kommt aus dem Hawaiischen und bedeutet „schnell“. Das erste Wiki wurde von dem amerikanischen Softwareautor Ward Cunningham in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt und im Internet zur Verfügung gestellt (vgl. Cunningham, W. 1995). Die Idee ist, dass Internetseiten nicht nur gelesen, sondern direkt online verändert werden können. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Online-Lexikon Wikipedia.
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Etabliert man eine Newsgroup oder ein Wiki in einem Intranet, eröffnet dies über ein geeignetes Management der Zugriffsrechte auch die Möglichkeit Diskussionen unternehmensweit/organisationsweit anzuregen. Die Führungskraft hat den Vorteil, dass Ideen ihrer Mitarbeiter/-innen breit diskutiert und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden können. Oftmals führen diese Erörterungen schon zu Lösungen oder Lösungsalternativen. Wichtig ist, dass die Führungskraft Zeit für die Bearbeitung und Diskussion von Verbesserungsvorschlägen einplant. Die Umsetzung von Vorschlägen sollte in einem überschaubaren Zeithorizont ins Auge gefasst werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Vorschläge und deren Realisierung im Tagesgeschäft untergehen und bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Motivation, ihre eigene Arbeitsweise zu verbessern, abnimmt. 12.3.14 Diskussion und Festlegung einer Strategie Auch in kleineren organisatorischen Einheiten ist es sinnvoll, gemeinsam mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in regelmäßigen zeitlichen Abständen über die längerfristigen Perspektiven der eigenen Arbeit zu diskutieren. Dafür sollte man ausreichend Zeit einplanen und wenn möglich die Besprechung außerhalb der gewohnten Arbeitsumgebung statt¿nden lassen. Das bietet den Vorteil, sich ungestört in einem die Kreativität anregenden Ambiente ohne Störungen austauschen zu können. Da man während einer solchen Zusammenkunft sicher nicht alle Belange und Details einer Organisationseinheit besprechen kann, ist es zweckmäßig, eine globale Themenstellung sozusagen als roten Faden zu wählen. Beispiele: „Wie möchten wir die Kundennähe im nächsten Jahr verbessern?“, „Wie kann der Planungsprozess optimiert werden?“, „Welche neuen Dienstleistungen können wir anbieten?“. Zur Vorbereitung sollte von den Teilnehmern/ Teilnehmerinnen eine Sammlung von Aufgabenbereichen und Fragen, die mit diesem Thema in Zusammenhang stehen erstellt werden. Zur Entwicklung längerfristiger Perspektiven ist es notwendig über • • • •
den Status quo der eigenen Arbeit die Zusammenhänge, in denen die eigene Arbeit zu sehen ist neue Ideen und Verbesserungen, Synergien die Sicht Anderer auf die eigene Arbeit
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nachzudenken und zu sprechen. Für die Durchführung/Moderation derartiger Besprechungen sei auf die einschlägige Literatur, wie etwa Wellhöfer, P.R. 2004 verwiesen. Auch durch diese Einbeziehung der Mitarbeiter/-innen in die Verantwortung für eine künftige Strategie wird deren Ressourcen-Ampli¿er „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ gestärkt. 12.3.15 Persönliche SWOT-Analyse zur erweiterten Standortbestimmung Die Anwendung der persönlichen SWOT-Analyse als Führungsinstrument haben wir bereits im Kapitel 12.1.3 erläutert. Sie ist auch ein gutes Verfahren, Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen zur SelbstreÀexion zu motivieren und damit zur Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ beizutragen. Die Fragestellungen müssen in diesem Falle entsprechend der diesbezüglichen Zielsetzung entwickelt werden. 12.3.16 Fehlerkultur In jedem Unternehmen/jeder Organisation passieren Fehler. Die heute vielfach beschworene Null-Fehler-Kultur ist als Zielsetzung in Teilbereichen sinnvoll. Es wäre aber fatal, dieses Ziel durch entsprechenden Druck erreichen zu wollen. Gerade in Bereichen, wo es um Innovationen geht, sind Fehler unumgänglich, damit Neues ausprobiert werden kann. Es ist daher erforderlich, eine geeignete Fehlerkultur im Unternehmen/in der Organisation zu etablieren. Damit kann zum einen vermieden werden, dass Fehler vertuscht werden und zum anderen, dass Erneuerungen und Veränderungen auf der Strecke bleiben. Waterman und Peters haben in ihrer Untersuchung die ihrer Meinung nach best geführten Firmen Amerikas heraus¿ltriert (vgl. Peters, T.J.; Waterman, R.H. 1988: 223–224). Sie haben bei deren Analyse festgestellt, dass Fehlertoleranz durchaus ein Merkmal für ein erfolgsorientiertes, positives und innovatives Umfeld darstellt. Fortschritt ist nur möglich wenn man Dinge ausprobiert: als Konsequenz wird man Fehler akzeptieren müssen. Eine grundlegende Beobachtung von Waterman und Peters war, dass durch regelmäßige Gespräche und einer offenen Kommunikation derartige Fehlschläge von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen besser verkraftet werden. Charles Knight, Chairman von Emerson Electric sagt dazu: „You need the ability to fail. You cannot innovate unless you are will-
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ing to accept mistakes.” (vgl. Peters, T. J.; Waterman, R. H. 1988: 223). Sinngemäß übersetzt „Man braucht die Fähigkeit, sich einen Fehler erlauben zu können. Man kann nicht innovativ sein, ohne gewillt zu sein, Fehler zu akzeptieren“. Deshalb sollte die Führungskraft ihre Mitarbeiter/-innen ermutigen, Fehler zuzugeben, sie zu analysieren und daraus zu lernen. So kann Verantwortungsübernahme ohne Perfektionsdruck erfolgen. Dann scheuen Mitarbeiter/-innen auch in einer verantwortlichen Position nicht davor zurück, sich herausfordernden Zielen mit einem gewissen Risiko des Scheiterns zu stellen. Voraussetzung für eine so geartete Fehlerkultur ist zum einen die Vertrauensbasis zwischen Mitarbeiter/-innen und Führungskraft und zum anderen die Grundeinstellung des Teams/der Abteilung, hohe Qualität erreichen zu wollen. Beide Faktoren können nicht durch Anordnungen geschaffen werden (vgl. Kapitel 9). Die Führungskraft kann aber die Rahmenbedingungen durch geeignete Mittel schaffen. Das können beispielsweise folgende sein: • Offene Diskussion über Fehler und deren mögliche Auslöser • Erfassung und Klassi¿zierung von Fehlern • Lösungsorientierte Diskussion über mögliche Fehlerursachen und Risiken (vgl. Kapitel 6.5.2) • Erarbeitung von Maßnahmen/Prozessverbesserungen, um in Zukunft bereits erkannte Fehler zu vermeiden • Qualitätszirkel Der Autobauer Toyota hat schon sehr früh eine derartige Fehlerkultur etabliert. M. Osten berichtet darüber: „Fehler werden dort gemeldet und intensiv besprochen, um daraus zu lernen. Beim Versuch, die Toyota-Fehlerkultur zu kopieren, hat sich allerdings immer wieder dasselbe Kardinalproblem ergeben: Für die Qualitätsverbesserung reicht es nicht, Fehler zu thematisieren, entscheidend ist, dass die Fehlerkultur sich mit einer Vertrauenskultur verbindet“ (vgl. Osten, M. 2006: 94). Das zeigt, wie wichtig die von uns konstatierte Vertrauenbasis ist, wenn ein solches Führungselement zu Einsatz kommen soll. Darüber hinaus ist folgendes zu beachten: Eine Führungskraft, die systemisch denkt und dementsprechend handelt (vgl. Kapitel 5) wird beim Vorliegen eines Problems auch das Ineinandergreifen unterschiedlicher Faktoren ins Kalkül ziehen und nicht versuchen in jedem Fall einen „Schuldigen“ oder eine „Schuldige“ aus¿ndig zu machen. Damit wird deutlich, warum wir neben dem Insistieren auf Vertrauen auch immer wieder die Notwendigkeit systemischen Denkens hervorheben.
Förderung des Ressourcen-Amplifiers „Verarbeitete Erfahrung“
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12.3.17 Zusammenfassung des Ressourcen-Ampli¿ers „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“ Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es zunächst wichtig ist, zur Bewusstseinsbildung der Mitarbeiter/-innen hinsichtlich der mit Verantwortungsübernahme verbundenen Fragen nach Ethik beizutragen. Daneben ist es essentiell, eine spezi¿sche Fehlerkultur zu etablieren und zur Förderung einschlägiger Methodenkompentenz beizutragen. Die wesentlichsten diesbezüglichen Führungselemente sind die persönliche SWOT-Analyse zur erweiterten Standortbestimmung, die Delegation, die Hospitation, die Projektarbeit, das Verbesserungsvorschlagswesen und das lösungsorientiert Fragen. 12.4 Förderung des Ressourcen-Ampli¿ers „Verarbeitete Erfahrung“ Wie bereits von uns ausgeführt, kann Erfahrung ein wichtiger Ressourcen-Ampli¿er sein. Erfahrung kann aber auch blockieren und blind machen gegen Innovation. Gerade schlechte Erfahrungen mit Neuem können hier neue Handlungsstrategien vom Kern her ersticken. Was also kann eine Führungskraft tun, um die Erfahrung ihrer Mitarbeiter/-innen zu einem Ressourcen-Ampli¿er zu machen und die beschriebenen Potentiale von Erfahrung zum Einsatz zu bringen? Vergegenwärtigen wir uns zunächst noch einmal, worin diese Potentiale bestehen: Zum Einen kann durch Erfahrung der innere referenzielle Rahmen unserer Wirklichkeitsverarbeitung immer wieder erweitert werden und dadurch können eigene Handlungen optimal an der Wirklichkeit ausgerichtet werden. Zum Anderen erlaubt Erfahrung mit dem dadurch angeeigneten Wissen sowie den damit verbundenen Gefühlen, die Parameter unserer Erwartungen in der Auseinandersetzung mit der Realität jeweils situationsadäquat zu korrigieren. Dadurch erlauben diese Parameter korrekte Vorhersagen und die Handlungsfähigkeit des erfahrenen Mitarbeiters und der erfahrenen Mitarbeiterin ist gegenüber den weniger erfahrenen wesentlich höher. Diese wichtige Funktion des Ressourcen-Ampli¿ers kann Erfahrung aber nur dann leisten, wenn sie reÀektiert und damit von den blockierenden Anteilen befreit wird. Hierbei sollte die Führungskraft ihre erfahrenen Mitarbeiter/-innen nicht alleine lassen, sondern sie bei ihrer ErfahrungsreÀexion unterstützen, mit ihnen über
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
ihre Erfahrungen sprechen und durch gezieltes Nachfragen ReÀexionsprozesse einleiten. In den Abschnitten 12.4.1 bis 12.4.3 werden wir auf grundlegende Sachverhalte näher eingehen, um danach Führungselemente zur Förderung des RessourcenAmpli¿ers vorzustellen. 12.4.1 ReÀexion von Erinnerung und Entwurf Zunächst widmen wir uns dem Verhältnis von Erinnerung und Entwurf. Mein Handeln wird durch meine vorausgegangene Denktätigkeit beeinÀusst. Dieses Denken wird durch meine Erfahrungen geprägt: Es beinhaltet die ReÀexionen meiner Handlungen auf der Basis meiner Erfahrungen und bildet wiederum die Voraussetzung für meine künftigen Entwürfe (vgl. Benner, D. 1991: 60–70ff). So eng verschachtelt sind Erfahrung, Erinnerung und Entwurf. Wenn die Führungskraft also mit ihren erfahrenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen über ihre einschlägigen Erfahrungen und deren daraus resultierenden Denkansätze spricht und diese Zusammenhänge reÀektiert, können Führungskraft und Mitarbeiter/-innen das zukünftige Handeln durch gemeinsame Denkprozesse antizipieren, also gemeinsame Handlungsstrategien entwickeln, kluge Handlungsentwürfe vorausdenken und diese Handlungsstrategien bereits im Vorfeld einer kritischen ReÀexion unterziehen. Dadurch steigen die Chancen des Gelingens der geplanten Maßnahmen und Projekte. 12.4.2 ReÀexion von Wahrnehmung und Wirklichkeitsverarbeitung Die Erfahrungen von Führungskraft und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen sind geprägt von der spezi¿schen Form ihrer Wirklichkeitsverarbeitung, die wiederum von ihrem inneren Referenzsystem stark geprägt ist. Das haben wir bereits ausführlich in unserem Kapitel 10.1 erörtert. Blockierende Anteile von Erfahrung können somit in der Art und Weise der Wirklichkeitsverarbeitung zum Zeitpunkt des dieser Erfahrung zugrundeliegenden Erlebens begründet sein. In diesem Zusammenhang gilt es, wie aus unseren theoretischen Erörterungen im diesbezüglichen Kapitel bereits hervorgeht, insbesondere die Art und Weise des Bewertens, des Deutens und des Klassi¿zierens zu reÀektieren.
Förderung des Ressourcen-Amplifiers „Verarbeitete Erfahrung“ 12.4.2.1
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Bewerten
Bewertungsprozesse (vgl. Kapitel 10.2.1) laufen in der Regel unbewusst ab. Die dadurch ausgelösten Fokussierungs- und die Selektionsprozesse Àießen im vorbewussten Bereich in den Prozess der Wirklichkeitsverarbeitung ein. Dies ist notwendig, um schnelle Handlungsfähigkeit herzustellen. Dennoch ist es notwendig, hin und wieder die eigenen Bewertungen, die zu einer Einschätzung erfahrungsrelevanter Erlebnisse geführt haben, einer kritischen ReÀexion zu unterziehen. Denn ab und zu unterlaufen uns gewissermaßen „Bewertungsfehler“. Einige sollen hier exemplarisch erläutert werden. Überbewertung Zunächst soll an einem Beispiel die Notwendigkeit der ReÀexion möglicher Überbewertungen verdeutlicht werden: Mit einer erfahrenen und kompetenten Mitarbeiterin gerät eine Führungskraft immer wieder in KonÀikt. Die Mitarbeiterin ist sehr zuverlässig, verantwortungsbewusst und verfügt über eine gute Fachkompetenz, begleitet von einer breiten Palette von Soft Skills wie Kontaktfähigkeit gegenüber den Kunden und anderen. Sie weigert sich aber konsequent, mit einem anderen nicht minder quali¿zierten Mitarbeiter zusammenzuarbeiten. Ihre Fähigkeiten würden sich ideal ergänzen und zwar nicht nur bezüglich einer Aufgabe, sondern auch langfristig bei einer Vielzahl von Maßnahmen und Projekten. In einem solchen Falle wird die Führungskraft ein Gespräch über die Hintergründe und die Erfahrungen, die hinter den Vorbehalten stecken, führen. Bei einem solchen Gespräch wird vielleicht deutlich, dass sich die Mitarbeiterin von dem betreffenden Fachkollegen nicht ernst genommen fühlt. Als Erfahrungshintergrund kristallisiert sich heraus, dass zu Beginn ihrer Arbeit in diesem Team der Kollege gelacht hatte, als sie versehentlich einen Fachbegriff nicht korrekt ausgesprochen hatte. Seither bewertet sie jedes – auch wohlgemeinte – Lächeln des Kollegen als „auslachen“. Sie hört bei jeder Bemerkung des Kollegen eine Kritik heraus und fühlt sich durch jede seiner Handlungen angegriffen, auch wenn diese überhaupt nicht gegen sie gerichtet sind. Die Führungskraft, die den Kollegen kennt, weiß, dass jenes Lachen damals, als die Kollegin angefangen hatte, nicht auf diese Mitarbeiterin bezogen war, sondern dass der Kollege gerne hin und wieder kleine Scherze über die Anglizis-
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men der Fachbegriffe zur Erheiterung der anderen macht. Sie weiß auch, dass der Kollege die Mitarbeiterin eigentlich recht sympathisch ¿ndet. Das kann sie der Mitarbeiterin mitteilen und damit zur Relativierung der ursprünglichen Bewertung der Situation beitragen. Die Mitarbeiterin erkennt, dass ihre Überbewertung zu einer einseitigen Verschiebung der Aufmerksamkeit mit emotionaler Belastung geführt hat. Wenn sich die Mitarbeiterin nun darüber klar wird, dass die erste missverstandene Bemerkung zu einem Bewertungsprozess geführt hat, der ihre Aufmerksamkeit und ihre Selektion aller nachfolgenden Erlebnisse mit dem besagten Kollegen beeinÀusst hat, kann sie durch die ReÀexion ihrer Bewertungen und ihre Relativierung – „es war gar nicht so abwertend gemeint“ – ihre Wirklichkeitsverarbeitung so beeinÀussen, dass ihre starken emotionalen Belastungen gegenüber dem Kollegen abgebaut werden. Damit hat die Führungskraft geholfen, dass der Weg frei wird für eine synergetische Teamarbeit zweier hochquali¿zierter und erfahrener Mitarbeiter. Diese exemplarische Beschreibung soll Anregungen geben und helfen, bei ähnlichen Sachverhalten Überbewertungen zu erkennen und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bewusst zu machen. So können Teamprozesse aber auch Leistungen einzelner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verbessert und der durch Überbewertung blockierende Anteil von Erfahrung beseitigt werden. Unterbewertung Bleiben wir bei dem Beispiel des beschriebenen Teams mit dem schwelenden KonÀikt zwischen einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin. In einem Gespräch mit der Führungskraft äußert die Mitarbeiterin, dass der Arbeitskollege sie auch wenig schätzen würde. Sie würde öfter mal Kaffee kochen, süße Stückchen mitbringen und an die Kollegen und Kolleginnen verteilen. Auch würde sie ab und zu das Gemeinschaftsbüro mit frischen Blumen schmücken, damit sich alle im Büro wohl fühlen. Dies würde von anderen Kollegen und Kolleginnen gewürdigt werden, aber der besagte Kollege hätte noch nie einen Ton darüber verloren. Sie emp¿ndet dies als Geringschätzung ihrer Person. Bei einem Gespräch zu dritt sagt der betreffende Kollege, dass ihm diese wohlgemeinten Handlungen seiner Kollegin tatsächlich nicht sonderlich aufgefallen seien, er hätte auch gar nicht gewusst, dass es für sie von Bedeutung sei, ob er diese wahrnehme oder nicht. Schließlich mache er sich nichts aus süßen
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Stückchen und ob da Blumen stehen oder nicht sei ihm ziemlich egal. Wenn sie Blumen liebe und gerne mal was Süßes esse, sei das für die Kollegin vielleicht wichtig, für ihn allerdings nicht. Im Gespräch lässt sich herausarbeiten, dass der Kollege den Stellenwert der symbolischen Signale, die die Mitarbeiterin an das Team zu senden versucht, nämlich in etwa „ich bin gerne im Team und bemühe mich um eine gute Arbeitsatmosphäre“, unterbewertet hat. Dadurch hat er diesen Bemühungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sie wurden aus dem Fokus seiner Aufmerksamkeit sozusagen „herausselektiert“. Wenn sich im Gespräch mit der Führungskraft erreichen lässt, dass er durch ReÀexion eigener Erfahrungen seine Unterbewertung des für die Kollegin wichtigen Verhaltens erkennt, folglich dem Bemühen seiner Kollegin eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen mehr Aufmerksamkeit schenkt, wird er vieles wahrnehmen, was ihm vorher verborgen war. Er wird kleine Komplimente machen und das Verhältnis zu ihr wird sich verbessern. Etwas allgemeiner lässt sich sagen, dass immer dann, wenn Unterbewertungen erkannt werden, ein Mehr an Aufmerksamkeit dafür entwickelt werden kann und sich die Betreffenden dadurch in die Lage versetzen, Dinge wahrzunehmen, die sie vorher aus ihrer Wahrnehmung „ausgeblendet“ hatten. Damit werden sie im zwischenmenschlichen Kontakt vor allem dazu befähigt, Menschen in ihren Entäußerungen intensiver wahrzunehmen und sie werden damit besser auf diese eingehen können. Eine Unterstützung der Führungskraft bei der ReÀexion von Erfahrungen auf Unterbewertungen hin kann also ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung von Teamsituationen und individuellem Leistungsvermögen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sein. 12.4.2.2
Deuten
Blockierende Anteile von Erfahrungen können auch auf bestimmte Deutungsprozesse des der Erfahrung zugrundeliegenden Erlebens zurückzuführen sein (vgl. Kapitel 10.2.2).
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Ressourcen-Amplifier – Adaption von Methoden aus dem Counselling
Kultur Eine Möglichkeit dafür könnte sein, dass das maßgebliche Erleben innerhalb eines anderen Kulturkreises stattgefunden hat. In einer solchen Situation könnten leicht Aspekte non-verbaler Kommunikation „falsch“ gedeutet worden sein, denn es werden die entsprechenden Gesten je nach Kultur verschieden gedeutet. Mimik und Gestik bilden eine wesentliche Grundlage für die Beziehungsebene in der Kommunikation (vgl. Watzlawick, P.; Beavin, J. H.; Jackson, D. D. 1990). Da diese Beziehungsebene eine Metaebene in der Kommunikation bildet (vgl. ebda.), also entscheidenden EinÀuss darauf hat, wie das, was inhaltlich vermittelt wird, zu verstehen ist, kann eine Missdeutung von Mimik und Gestik auf Grund unterschiedlicher Deutungsmuster, unter Umständen verheerende Folgen haben. Das trifft auch auf die Deutung sogenannter „sozialer Kodi¿zierungen“ (in Verhaltensweisen verschlüsselte soziale Strukturen), wie beispielweise die in einer Kultur üblichen HöÀichkeitsbekundungen, Verbeugungen, Nase reiben, Knickse, Begrüßungsrituale etc. zu. Hier können wir emotional schwierige Situationen herstellen, wenn wir aufgrund unserer verinnerlichter Deutungsmuster den Sinn dieser Kodi¿zierungen falsch deuten, vor allem dann, wenn unser aus einem anderen Kulturkreis stammendes Gegenüber auch wiederum unsere Mimik und Gestik falsch deutet. Lebenswelt Erfahrungshintergrund, Weltsicht und Sinnhorizonte sind Merkmale lebensweltlicher Orientierungen: Die eine bestimmte soziale Ordnung konstituierenden Handlungsgrundlagen stimmen bei Menschen aus einer Lebenswelt überein (vgl. Schütz, A. 1932/1974, Habermas, J. 1981 I: 160–165). Bei der Kommunikation zwischen Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten können nun als selbstverständlich vorausgesetzte Deutungen in KonÀikt miteinander geraten. Soll ein Architekturstudent, der als Praktikant auf einer Baustelle den Status eines Auszubildenden hat, der dort „Azubi“ genannt wird, wie üblich um 9:00 Uhr die Brotzeit für den Meister besorgen, emp¿ndet er das vielleicht als Zumutung, er wird dann argumentieren, dass dies nicht zu seinem Aufgabenbereich
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gehöre. Schließlich sei er hier auf der Baustelle um etwas zu lernen und nicht um den Dienstboten zu spielen. Für die anderen Arbeiter und Arbeiterinnen auf der Baustelle, allesamt einer anderen Lebenswelt zugehörig als der Architekturstudent, ist es selbstverständlich, dass der „Azubi“ die Brotzeit besorgt und sie werden sein Verhalten als arrogant deuten, obgleich er eigentlich nicht irgendeine Überlegenheit oder einen Dünkel kommunizieren wollte, sondern lediglich sein Unverständnis über die Anforderung ausdrücken wollte. Durch die Unkenntnis der lebensweltlichen Deutungsmuster bringt sich der Architekturstudent einerseits in eine schlechte Position und fühlt sich vielleicht andererseits abgelehnt. Er wird es unter Umständen im gesamten Praktikum sehr schwer haben, wenn er sich nicht bemüht, die spezi¿schen Deutungsmuster der anderen Lebenswelt zu erfassen, seinen eigenen Bezugsrahmen zu erweitern um neue, andere Deutungsmöglichkeiten zuzulassen und zu verstehen. So kann es sein, dass im Verlauf der Biogra¿e eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin bei der Auseinandersetzung mit Menschen aus anderen Lebenswelten durch unterschiedliche Deutung von Ereignissen blockierende Erfahrungen erwachsen sind. Biogra¿e Neben Kultur und Lebenswelt ist auch die jeweils eigene Biogra¿e ausschlaggebend für die Art und Weise der Deutung von Ereignissen und Prozessen. Die Deutung der Reaktion anderer auf meine Handlungsweisen hängt stark von meinen eigenen Erfahrungen im Verlaufe meiner Lebensgeschichte ab. Letztere ist zwar von Kulturzugehörigkeit und Lebenswelten stark geprägt, dennoch gibt es auch rein individuelle Momente, die allerdings immer mit Kultur und Lebenswelt verwoben sind. Friedemann Schulz von Thun prägt den Begriff „seelisches Axiom“ (vgl. Schulz von Thun, F. 2004: 62). Die darin beschriebenen typischen „frühkindlich eingeÀeischten Urbotschaften“ (vgl. ebda.), sozusagen Grundannahmen über sich und die soziale Umwelt, die innerhalb der eigenen Biogra¿e erworben werden, spielen, wie oben beschrieben, bei der situationsspezi¿schen individuellen Rekonstruktion sozialer Deutungsmuster eine große Rolle. Eine Veränderung der dadurch sich etablierenden „Bestätigungskreisläufe“ (vgl. ebda.) und durch diese bedingten unter Um-
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ständen teilweise eingeschränkten Handlungsstrategien ist nicht zuletzt durch die ReÀexion der individuellen Rekonstruktion sozialer Deutungsmuster möglich. Nehmen wir beispielsweise das seelische Axiom des „aggressiv-entwertenden“ Kommunikationsstils: „Ich bin nicht in Ordnung, mache erbärmlich alles falsch. Wehe jemand merkt es! Dann werde ich untergebuttert und gnadenlos verachtet“ (vgl. Schulz von Thun, F. 2004: 118). Deshalb versucht der/die Betreffende vorbeugend mit starken Mitteln zurückschlagen „und macht das „Obensein“ zur Überlebensfrage“. Ein Vorgang, den bereits Adolf Adler als „Entwertungstendenz“ beschreibt (vgl. ebd.). Aus dem das innere referenzielle System prägenden Grundgefühl heraus, „alles falsch zu machen“, hat sich eine spezi¿sche Rekonstruktionsgewohnheit sozialer Deutungsmuster entwickelt, bei der selbst in Situationen mit harmlosen Äußerungen oder Rückfragen von Kommunikationspartnern ein fundamentaler Angriff auf die eigene Person empfunden wird. Deshalb reagiert der/die Betroffene äußerst aggressiv. Das erstaunt und verärgert die Kommunikationspartner/innen, sie reagieren entweder genauso aggressiv oder ziehen sich zurück. Auf jeden Fall werden sie künftig dem/der Betroffenen gerne einen Fehler nachweisen, da er/sie sie ja verärgert hat. Das verstärkt wiederum bei dem/der Betroffenen das Gefühl, alles falsch zu machen und bestätigt seine/ihre Deutungen. Ein Teufelskreis im System der sozialen Kommunikation. Durch die gezielte ReÀexion seiner/ihrer Deutungen kann es dem/der Betroffenen gelingen, die Äußerungen anderer nicht so eilig als Angriffe zu interpretieren. Damit wird er/sie für sein/ihr soziales Umfeld erträglicher und die jeweiligen Kommunikationspartner/-innen sind nicht mehr so erpicht darauf, ihm/ ihr irgendwelche Fehler nachzuweisen. Man wird bei nicht so entscheidenden Irrtümern, Fehlentscheidungen etc. auch mal darüber hinweg sehen. So würde die tatsächliche Kritik allmählich zurückgehen. In Verbindung mit anderen persönlichen Entwicklungen die Schulz von Thun beschreibt (vgl. Schulz von Thun, F. 2004: 130–152) kann dies langfristig die Akzeptanz im sozialen Umfeld erhöhen und viel Stress ersparen. ReÀexion der erfahrungsprägenden Deutungsprozesse Führungskräfte können Mitarbeiter/-innen dazu anregen, die positiven Seiten erfahrener Ereignisse sich bewusst machen und ihnen hinreichend Gewicht zu verschaffen (vgl. Kapitel 12.4.2.1). Das ist die Grundlage für „positives Denken“, das uns vor vielen Stresssituationen und persönlichen Krisen bewahren kann.
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Andererseits können Führungskräfte ihre Mitarbeiter/-innen darauf hinweisen, nach Möglichkeit unrealistisch positive Erwartungshaltungen zu vermeiden um zu realistischen Konzepten zu gelangen. Bei Erfolgen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin sollte immer auch sein/ihr eigener Anteil am Erfolg durch das eigene Bemühen, die eigenen Handlungen hinreichend gewürdigt und dementsprechend auch Erfolgserlebnisse in Bezug auf sein/ihr eigenes Handeln hin gedeutet werden. Der situative EinÀuss bei Erfolgen sollte realistisch reÀektiert werden, damit sich der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin nicht für Misserfolge verantwortlich fühlt, die tatsächlich durch seine/ ihre eigene Handlungsweise nicht hätten verhindert werden können. Hinzu kommt die Unterstützung bei der Relativierung der kulturspezi¿sch geprägten Deutungsmuster des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin, sowie beim Erfassen der sozialen Deutungsmuster anderer Lebenswelten. Die so erreichte Erweiterung des Erfahrungshorizontes ermöglicht dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin das Verstehen anderer Deutungsmöglichkeiten. Dies ermöglicht innerhalb der ErfahrungsreÀexion Umdeutungsprozesse („reframing“ vgl. de Shazer, Steve 2005) innerhalb derer manches Problem in einem neuen Licht erscheint: neue Lösungsmöglichkeiten und Handlungsstrategien werden deutlich, blockierende Erfahrungen werden relativiert. 12.4.2.3
Klassi¿zieren
Übergeneralisierungen Generalisierungen sind für eine schnelle, zielgerichtete Wirklichkeitsverarbeitung wichtig (vgl. Kapitel 10.2.3). Bei unzureichender Berücksichtigung möglicher Differenzierungen kann allerdings ein „vorschnelles Einsortieren“ erfolgen, das blockierende Erfahrungen generiert: Aussehen, verbale und nonverbale Äußerungen können beispielsweise bei der ersten Begegnung mit einer neuen Person dazu führen, dass diese bereits beim ersten Treffen einer bestimmten Kategorie zugeordnet wird, also „in eine bestimmte Schublade gesteckt“ wird. Hat der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin innerhalb einer früheren Erfahrung Personen mit ähnlichem Aussehen und ähnlichem Habitus erlebt, die ihm/ihr in der Vergangenheit eventuell Schaden zugefügt haben, wird er/sie bei der Bekanntschaft dieser neuen Person skeptisch sein, sie zunächst in die Schublade „unsympathisch“ einsortieren und im Umgang mit ihr vorsichtig oder gar abweisend sein. Sozialpsychologisch betrachtet handelt es sich hierbei um eine Generalisierung,
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die wir auf Grund einer „limitierten Informationsstichprobe“ (Aronson, E; Wilson, T.D.; Akert, R.M. 2004: 82) vornehmen. Eine Generalisierung also, die auf zu begrenzten Informationen beruht, die auf Grund ihrer zu starken Begrenztheit noch nicht verallgemeinerbar sind. Dies führt zu einer auf „Generalisierung begründeten systematischen Urteilsverzerrung“, bekannt unter „biased sampling“ (vgl. ebda.). Wir tendieren zu solchen Generalisierungen aus verschiedenen Gründen: Einer davon ist die sogenannte „Anker- und Anpassungsheuristik“, innerhalb derer wir neue Ereignisse mental abkürzend einem durch Vorerfahrung geprägten Ausgangspunkt (Anker) anzugleichen versuchen. Ein anderer ist die sogenannte „Repräsentativheuristik“ innerhalb der wir die Ähnlichkeit des neuen Menschen zu einem von uns schon vorher gebildeten Prototypen in den Vordergrund unserer Klassi¿zierung stellen (vgl. Aronson, E; Wilson, T.D.; Akert, R.M. 2004: 79ff). Derartige Urteilsverzerrungen können in unserem Beispiel zu einem abweisenden Verhalten des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin gegenüber dem gerade neu kennen gelernten Menschen führen, und bewirken, dass dieser Mensch den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ebenfalls als unsympathisch erlebt. Die Kommunikationsprozesse werden dann von Anfang an erschwert, stehen unter einem „negativen Vorzeichen“. KonÀikte auf der „Beziehungsebene“, die unter Umständen auf unterschiedlichsten sachlichen Ebenen ausgetragen werden, überÀüssige Streitereien, Missverständnisse etc. können folgen. Es ist somit durchaus hilfreich, Klassi¿zierungen zu reÀektieren um „Übergeneralisierungen“ zu vermeiden, das heißt, die Palette der persönlichen Merkmale wie Aussehen, Stimme, Auftreten usw., die uns beim ersten Treffen wichtig erschienen sind, bei weiteren Begegnungen zu erweitern und die ursprünglich vorgenommene Klassi¿zierung bei Bedarf zu verändern. Das kann das Verhältnis von Beginn an entkrampfen und viel Kraft sparen. Fehlassoziationen Des Weiteren ist es außerordentlich wichtig, Fehlassoziationen zu erkennen. Dabei kann es sich sowohl um falsche Verbindungen unterschiedlicher Inhalte als auch zwischen Inhalten und Gefühlen handeln. Die daraus entstehenden inadäquaten Klassi¿zierungen führen häu¿g zu einem Handeln, das der tatsächlichen Situation nicht gerecht wird.
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Werden die Fehlassoziationen durch reÀektierende Konzentration auf die Einzelaspekte aufgedeckt und bewusst gemacht, wird Handeln ermöglicht, das den tatsächlichen Situationen gerecht wird. Kategorisierung in komplexen Systemen Eine weitere wichtige Bedeutung bei der ReÀexion von Klassi¿zierungsprozessen kommt der richtigen Einschätzung wechselseitiger Bedingtheiten, vor allem innerhalb komplexer Systemen zu. Dietrich Dörner (2001) unterscheidet hierbei positive und negative Rückkopplungen einzelner Variablen innerhalb eines Systems. • Positiv rückgekoppelte Systeme Bei einer positiven Rückkopplung vergrößert sich eine Variable in Folge der Vergrößerung einer anderen Variablen. Stehen beide in wechselseitiger Abhängigkeit kann ein wechselseitiger Hochschaukelungseffekt einsetzen und das System leicht aus den Fugen geraten (vgl. Dörner, Dietrich 2001: 105 – 110). In einer zwischenmenschlichen Beziehung würde so ein System sich beispielsweise dann etablieren, wenn zwei zu einem eher aggressiv-entwertenden Kommunikationsstil tendierende Kommunikationspartner/-innen aufeinandertreffen. Die entwertende Aggressivität des einen Kommunikationspartners/der einen Kommunikationspartnerin provoziert und verstärkt das Aggressivitätspotential des/der anderen und hat zur Folge, das letzterer/letztere erst recht entwertend und aggressiv reagiert und damit den ersteren/die erstere zur Verstärkung seiner/ihrer Aggressivität provoziert. Ein Teufelskreis der eskalierenden Gewalt ist die Folge (vgl. Schulz von Thun, F. 2004: 129), der leicht das kommunikative System der zwischenmenschlichen Beziehung zerstören kann. • Negativ rückgekoppelte Systeme Bei einer negativen Rückkopplung bewirkt die Vergrößerung einer Variablen die Verringerung einer anderen. Solche Systeme bleiben weitgehend stabil, da sie dazu tendieren, nach Störungen den Gleichgewichtszustand wieder anzunehmen. „ Negativ rückgekoppelte Variablen „puffern“ ein System“ (vgl. Dörner, Dietrich 2001: 111). Ein weiteres Beispiel soll dies veranschaulichen: Eine psychologisch vorgebildete Mitarbeiterin, die zu einem sich als „helfenden Menschen“ präsentierenden Kommunikationsstil tendiert
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(vgl. Schulz von Thun 2004:76ff) be¿ndet sich in einer geschäftlichen oder dienstlichen Beziehung zu einem zum aggressiv-entwertenden Kommunikationsstil tendierenden Kommunikationspartner. Die Mitarbeiterin wird auf aggressiv-entwertende Ausbrüche des Kommunikationspartners unter Umständen relativ gelassen reagieren, sie wird die eigenen starken und souveränen Persönlichkeitsanteile einbringen (vgl. Schulz von Thun, F. 2004: 78), da sie sich die aggressiven Ausbrüche mit dem auf Unsicherheit basierenden seelischen Grundaxiom des Kommunikationspartners erklärt (vgl. ebda.: 115f). Daher interpretiert sie seine Aggressivität als Zeichen zunehmender Verunsicherung. Sie wird bei zunehmender Aggressivität des Kommunikationspartners versuchen, diesem eher akzeptierend und bestärkend entgegenzutreten und diesem damit den Wind aus den Segeln zu nehmen. Beruhigt sich der aggressive Kommunikationspartner, fühlt sie sich dadurch bestätigt, da sie ihm geholfen hat, mit seiner Aggressivität „beziehungsfähig“ zu bleiben. Die Beziehung wird zunächst nicht durch Eskalation von Aggressivität gefährdet, da das Aggressivitätspotential des aggressiven Kommunikationspartners (Variable 1) bei einer Verstärkung eher die Souveränität der helfenden Mitarbeiterin hervorruft und sich dementsprechend ihr Aggressivitätspotential (Variable 2) vermindert. Es ist jedoch möglich, dass die Mitarbeiterin irgendwann keine Kraft mehr aufbringt, auf die ständigen Entwertungen und aggressiven Ausbrüche des Kommunikationspartners mit dem Einbringen souveräner Persönlichkeitsanteile zu reagieren. Dann ist die Stabilität des Kommunikationssystems dieser zwischenmenschlichen Beziehung ebenfalls nachhaltig gefährdet. So konstatiert Dörner dass innerhalb eines Systems mit negativ rückgekoppelten Variablen dieses „bei Erschöpfen der einen oder anderen Variablen“ zusammenbrechen kann (vgl. Dörner, D. 2001: 111). Die Fähigkeit der Klassi¿kation positiver und negativer Rückkopplungen als Ressource Wollen wir funktionierende Systeme stabil halten, sollten wir also all jene Faktoren stärken und stabilisieren, die eine negative Rückkopplung bewirken. „Teufelskreise“ der Kommunikation (vgl. Schulz von Thun 2004: 66ff) – wie im Beispiel des Aufeinandertreffens zweier zum „aggressiv-entwertenden“ Kommunikationsstil tendierender Kommunikationspartner/-innen dargestellt – sind oft positiv rückgekoppelte Systeme, deren zirkulären Charakter wir durch-
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schauen und Möglichkeiten entwickeln sollten, gegenseitige Aufschaukelungsprozesse zu verhindern. Analogiebildung Das Aggressivitätspotential des aggressiven Kommunikationspartners (Variable 1) ruft in unserem Beispiel bei einer Verstärkung eher die Souveränität der helfenden Mitarbeiterin hervor und ihr Aggressivitätspotential (Variable 2) vermindert sich dementsprechend. Variable 1 und Variable 2 sind Variablen als Teile eines Gesamtsystems mit negativer Rückkopplung. Das „System mit negativer Rückkopplung“ ist also der abstraktere, der allgemeinere Begriff (der abstraktere „Ordner“) für das, was in der Dienst- oder Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Kommunikationspartnern geschieht. Wenn mir das klar ist, bin ich in der Lage, eine Analogie zu bilden, das heißt, ein anderes konkretes System zu ¿nden, auf das der allgemeine Begriff „System mit negativer Rückkopplung“ zutrifft. Das wäre beispielsweise ein System der „Räuber-Beute-Beziehung“ (vgl. Dörner, D. 2001:111): Nimmt beispielsweise innerhalb eines ausbalancierten Systems von Raub- und Beutetieren die Räuberpopulation überproportional zu, werden die Beutetiere unter Umständen so dezimiert, dass sie sich nicht mehr ausreichend vermehren können: Ihr Bestand wird von den Räubern gänzlich vernichtet. Dann gehen in der Konsequenz auch die Raubtiere zugrunde, weil sie keine Nahrungsgrundlage mehr haben. Das System ist gegebenenfalls für immer zerstört. Wenn es im Beispiel oben der Mitarbeiterin gelingt, dem „aggressiven“ Kommunikationspartner diese Analogie begreiÀich zu machen, wird diesem unter Umständen deutlich, dass er bei Übertreibung seiner aggressiv-entwertenden Ausbrüche die Grundlagen der Dienst- oder Geschäftsbeziehung eventuell für immer zerstört. Die richtige Kategorisierung auf der Grundlage von „abstrakten“ (Er-)Kenntnissen über systemische Zusammenhänge und/oder deren ReÀexion ist also eine entscheidende Grundlage für eine zu verstehender Erkenntnis führenden Analogiebildung bei der Beurteilung systemischer Prozesse. Eine solche Analogiebildung, ermöglicht wiederum eine differenziertere Klassi¿zierung solcher Prozesse und hilft damit, viele systemisch sich hochschaukelnde KonÀikte nachhaltig zu vermindern.
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Die ReÀexion der im Prozess der Erfahrungsgewinnung vollzogenen Klassi¿zierungsprozesse ist also ebenfalls ein möglicher Teil des Durchbrechens blockierender Erfahrungen. 12.4.3 ReÀexion des betrieblichen Alltags Im betrieblichen Alltagshandeln ergibt sich aus der häu¿g routinemäßigen Bewältigung der Alltagsaufgaben ein Hang zu „oberÀächlicher“ Wahrnehmung (vgl. Kosik, Karel 1971). Der Grund dieser spezi¿schen Art von Wirklichkeitsverarbeitung lässt sich darin ¿nden, dass die Erkennung und Klassi¿zierung von Objekten, Personen und Phänomenen unter der Voraussetzung abgespeicherter Generalisierungen – und die resultieren aus der häu¿gen Wiederholung von annähernd gleichen Wahrnehmungs- und Wirklichkeitsverarbeitungsprozessen im Routinehandeln – sich hoch selektiv nur auf wenige OberÀächenmerkmale beziehen müssen (vgl. oben und Bösel, Rainer M. 2001:320). Das ist eine sehr „effektive“ Art und Weise der Wirklichkeitsverarbeitung, da dadurch nur begrenzte Kapazitäten bei der Informationsverarbeitung benötigt werden, somit Deutung und Kategorisierung sehr schnell erfolgen können. OberÀächenmerkmale werden wahrgenommen und schnell entsprechenden Prototypen zugerechnet. Diese Art der Wirklichkeitsverarbeitung hat im betrieblichen Alltag sicherlich ihre Berechtigung, um diesen in seinen vielfältigen Anforderungen überhaupt bewältigen zu können. 12.4.3.1
Herstellung eindeutiger Handlungsgrundlagen
Dazu kommt, dass die Erkenntnis kausaler Zusammenhänge (z.B. zwischen inef¿zienten Abläufen und den sie verursachenden Faktoren, sowie dieser Faktoren untereinander) auch oft als eher unangenehm empfunden wird, da dies unter Umständen die Notwendigkeit von Verhaltensänderungen oder Umorganisation „bewährter“ alltäglicher Abläufe evident oder notwendig erscheinen lassen würde. In der Flut immenser VerpÀichtungen und Aufgaben des betrieblichen Alltags ist äußerst routiniertes Alltagshandeln erforderlich. Dies evoziert eine äußerst „effektive“ Wirklichkeitsverarbeitung, also eine, in der OberÀächenmerkmale und Hinweisreize sehr schnell zu handlungsrelevanten Situationsmodellen führen. Dazu wird auf gängige Deutungsmuster zurückgegriffen und stark typisiert.
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Zur Differenzierung des Kategoriensystems besteht „keine Zeit“. Widersprüchlichkeiten werden ausgeblendet, um eindeutige Handlungsgrundlagen zu erhalten. Dieser gesamte Mechanismus wird allerdings häu¿g sogar positiv bewertet: “Dann kommt man wenigstens nicht ins Grübeln“. „Ins Grübeln kommen“ würde nämlich unter Umständen die widerspruchsfreie Wirklichkeitsverarbeitung in Frage stellen und möglicherweise kausale Verbindungslinien erkennen lassen, die – wie oben erwähnt – Verhaltens- oder Organisationsveränderungen erforderlich erscheinen lassen würden. Dies löst bei dem/der Einzelnen Ängste aus, wird abgewehrt. Daher oft die ängstliche Vermeidung vieler Menschen, über ursächliche Zusammenhänge unter neuen Vorgaben nachzudenken und damit pauschalisierte Kategorisierungen oder den schnellen Schluss von OberÀächenmerkmalen auf gängige Prototypen zu hinterfragen. Kurz: sie möchten nicht „ins Grübeln kommen“. 12.4.3.2
Entwicklung neuer Ziele, neuer Sichtweisen und neuer Sinnhorizonte: „gelingenderer Alltag“
Etwas anders sieht es aus, wenn das Handeln im Alltag zwar „funktioniert“, d.h. die Anforderungen bewältigt werden, aber der jeweilige Mensch mit dem Ablauf seines betrieblichen Alltags unzufrieden ist. Sei es dass er keinen Sinn darin sieht, dass er sich zu „gestresst“ fühlt, und somatische Beschwerden drohen oder sich bereits eingestellt haben oder ähnliches. Sei es aber auch, dass selbst innerhalb eines gegenwärtig gelingenden Alltags Neugier und Lebenslust den Drang nach persönlicher Weiterentwicklung und neuen Sinnhorizonten auslösen. In beiden Situationen wächst die Bereitschaft, sich mit neuen Zielen auseinander zusetzen, über künftige Gestaltungsmöglichkeiten eines „gelingenderen“ also eines im Vergleich zum Status quo sich verbessernden Alltags (vgl. Thiersch, Hans 1986) nachzudenken. • Kontinuierlicher Verbesserungsprozess: Zeit gewinnen durch Analyse „blinder Flecken“ im Alltagshandeln und verbesserte Nutzung von Ressourcen Neue Zielvorstellungen und Wege zu einem gelingenderen Alltag resultieren häu¿g aus der Aufarbeitung eigener Erfahrungen. Es kann deutlich werden, dass der augenblicklich vollzogene betriebliche Alltag keine zwangsläu¿ge
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Konsequenz der bisherigen beruÀichen Erfahrungen ist, und dass andere Formen seiner Gestaltung möglich sind. Dafür ist es zunächst notwendig, die Aufgaben des Alltags so zu bewältigen, dass zusätzlich zeitliche Ressourcen zur Erfahrungsaufarbeitung und dem Sammeln neuer Erfahrungen möglich werden. Die Chance für erfahrene Mitarbeiter/-innen besteht darin, dass über das kritische Hinterfragen durch die Führungskraft die in den Alltagsroutinen eingeschliffenen Handlungsmuster zunächst „entschlackt“ werden. Denn so zeitsparend Routinen sein können, sie enthalten fast immer Handlungen, die einst notwendig waren, aber durch veränderte Bedingungen an Notwendigkeit verloren haben. Neue Erfordernisse sind dann hinzugekommen, aber die alten – jetzt überÀüssig gewordenen Handlungsweisen – blieben aus Mangel an ReÀexivität erhalten. Eingefahrene Wirklichkeitsverarbeitung lässt dann die unnütz gewordene Handlungen noch immer sinnvoll erscheinen. Durch die bewusste Analyse der Alltagsroutinen können solche „blinden Flecken“ erkannt werden. Der verbuchte Zeitgewinn kann dann der Erfahrungsaufarbeitung und der Erweiterung des Erfahrungshorizontes zugute kommen. Solche Prozesse können als fundamentale Voraussetzungen „kontinuierlicher Verbesserungsprozesse“ angesehen werden. Darauf soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden, da es den Rahmen dieser Abhandlung sprengen würde. Verwiesen sei aber auf die sehr gute diesbezügliche Abhandlung von Claudia und Sebastian Kostka (2007). Eine weitere Möglichkeit, Erfahrungsaufarbeitung und Erweiterung des Erfahrungshorizontes zeitlich zu ermöglichen, ist die verbesserte Nutzung von Ressourcen wie z.B. die ef¿zientere Aufgabenteilung. • Mitarbeitermotivation: Entwickeln von Zielen und Perspektiven Nach Erfahrungsaufarbeitung und Erweiterung des Erfahrungshorizontes kann dazu übergegangen werden, unter Einbeziehung der aus der Erfahrungsaufarbeitung deutlich gewordenen Ressourcen und deren Entwicklungspotenziale auf dem Hintergrund neuer Erfahrungen neue Perspektiven zu entwickeln. Diese sind Fernziele und können nur in Etappen erreicht werden. Die Unterstützung beim Finden der Fernziele, bei der Festlegung der ersten Etappenziele, die Einschätzung der dafür notwendigen Ressourcen, die Vermittlung von Möglichkeiten der Entwicklung oder Erschließung solcher Ressourcen, können zunächst Aufgaben der Führungskraft sein. Langfristig sollen diese ihre Mitarbeiter/-innen dazu befähigen und in die Lage versetzen, selbst die richtigen und realistischen Teilziele setzen zu können. Entweder in einem
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Zieltraining in entsprechenden Fortbildungen oder durch selbst gesteuerte Lernprozesse sollten sie lernen, ihre Etappenziele spezi¿sch, überprüfbar, aktionsorientiert, mit ihren vorhandenen oder entwickelbaren Ressourcen verwirklichbar und innerhalb eines überschaubaren zeitlichen Horizontes zu realisierenden Rahmens zu setzen (vgl. Kapitel 12.1.1). Das Verwirklichen von Teilzielen – Erfolg wird durch eigenes zielgerichtetes Handeln erreicht – trägt zu einer Kausalattribuierung (vgl. Kapitel 8.2) bei, die den Ressourcen-Ampli¿er „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ (vgl. ebda.) evoziert. Damit steigt das Volitionsniveau (die Willenskraft) und damit die langfristige intrinsische Motivation (Motivation aus sich heraus) der Mitarbeiter/-innen (vgl. Heckhausen 1989). Durch die Erkenntnis von Über- und/oder Unterbewertungen können kollegiale oder Dienst- und Geschäftsbeziehungen von KonÀikten entschärft werden und es können von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auch konÀiktfreiere neue Kontakte geknüpft werden. Die ReÀexion der Kultur-, Lebenswelt- und Biogra¿eabhängigkeit von erfahrungsprägenden Deutungsprozessen ermöglicht neue Sichtweisen und lässt damit neue Wege und Lösungen zu. Die Erkenntnis vollzogener Übergeneralisierungen, prägender Fehlassoziationen, positiv und negativ rückgekoppelter Systeme mit der Fähigkeit der Analogiebildung eröffnet neue Möglichkeiten der Erkenntnis und der Einschätzung von Prozessen. Letztendlich spielt auch die ReÀexion des betrieblichen Alltags eine wichtige Rolle: Die Entwicklung neuer Ziele, neuer Sichtweisen und Sinnhorizonte, kontinuierliche Verbesserungsprozesse und eine verbesserte Motivation können dadurch erreicht werden. ErfahrungsreÀexion „zündet“ also den Ressourcen-Ampli¿er „Verarbeitete Erfahrung“. 12.4.3.3
Weitere Methoden zur ReÀexion des betrieblichen Alltags
Erfahrungsaustausch Ein weiteres Mittel, Mitarbeiter/-innen zur ReÀexion ihrer Erfahrung anzuregen, ist das gemeinsame Gespräch über Erfahrungen in der Dyade. Die Führungskraft
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kann prinzipiell alle Situationen dazu benutzen, um mit dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin Fragen zu erörtern, wie etwa • Wie hat der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin eine Situation erlebt? • Was war für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin an einer Aufgabe/Situation interessant? • Haben sich bisherige Erfahrungen bestätigt? • Wo hat der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin neue Erfahrungen gemacht und wie passen diese mit den bisherigen zusammen? Bei diesen Gesprächen sollte auch die Führungskraft ihre eigenen Erfahrungen mit einbringen. In der gemeinsamen Diskussion können dann die Erfahrungen von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und Führungskraft zielorientiert verarbeitet werden. Aus Sicht von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen negativ empfundene Erfahrungen können von der Führungskraft in den richtigen Kontext gebracht werden. Sie kann so erreichen, dass bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sich diese Erfahrungen in Lernpotentiale verwandeln, wie dies oben erläutert wurde. Auch unser Basisführungselement „Mit Mitarbeitern/-innen ins Gespräch kommen“ spielt hinsichtlich der verarbeiteten Erfahrung eine wichtige Rolle. Insbesondere das in diesem Zusammenhang erörterte regelmäßige Feedback (vgl. Kapitel 11.1.1) an die Mitarbeiter/-innen über ihre Handlungen und Ergebnisse ist sehr gut geeignet, um sich mit Erfahrungen positiver oder negativer Art auseinanderzusetzen. Bei Erfolgen und Misserfolgen sollte eine realistische ReÀexion dahingehend erfolgen, welche konkreten Handlungen des Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin zu diesen beigetragen haben und welche UmfeldeinÀüsse in welcher Weise gewirkt haben. ReÀexion von Erfahrung lässt sich auch gut durch eine Hypothesendiskussion anstoßen. Man spielt verschiedene Rahmenbedingungen („was wäre wenn …,“) durch und ändert so den Blickwinkel auf die Aufgabe und Situation. Mitarbeiter/innen können so Erfahrungen einbringen, die bei einer „engeren“ Sichtweise nicht zum Tragen gekommen wären. Damit eröffnen sich oft neue Wege. Es werden auch die Rahmenbedingungen noch einmal kritisch hinterfragt, was dazu führen kann, diese wenn möglich zu verändern. Wird eine Aufgabe oder ein Projekt abgeschlossen, so sollte die Führungskraft in jedem Fall eine ProjektreÀexion durchführen. Sie dient dazu, durch die Klärung prinzipieller Fragstellungen zur Erfahrungsartikulation und -reÀexion beizutragen. Solche Fragen wären beispielsweise:
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• Was lief gut? • Was hätte man besser machen können? • Was kann man für zukünftige Aufgaben und Projekte lernen? Für eine offene Diskussionsatmosphäre sollte man unter Umständen einen neutralen Moderator oder eine neutrale Moderatorin dazu bitten. Oft wird eine ProjektreÀexion auch bewusst ohne Beisein der Führungskraft durchgeführt, um auch zurückhaltenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Chance zu geben, sich offen zu äußern. Die Führungskraft erhält dann das Ergebnis in anonymisierter Form. Das Vieraugenprinzip Das sogenannte Vieraugenprinzip kann man immer dann einsetzen, wenn eine Aufgabe oder eine Situation in einer kritischen Phase ist, erheblicher Zeitdruck besteht und kein Risiko eingegangen werden soll. Die Methode besteht darin, der Wahrnehmung eines/einer neuen Mitarbeiters/-in die eines/einer erfahrenen Mitarbeiters/-in gegenüberzustellen. Statt zwei Augen sehen vier: sie sehen mehr. Dadurch können Maßnahmen hinsichtlich ihrer Notwendigkeit zum jetzigen Zeitpunkt hinterfragt werden. Zudem können, durch die Anwendung der Erfahrung der bewährten Mitarbeiter/-innen in der jeweils neuen Situation diese nutzbringend eingesetzt und gleichzeitig reÀektiert werden. Vermitteln zwischen Lebenswelten In unserem Beispiel des Architekturstudenten auf der Baustelle (vgl. Kapitel 12.4.2.2) ist deutlich geworden, wie wichtig die lebensweltlichen Deutungsmuster und deren Kenntnis sind. In den meisten Fällen kennt die Führungskraft den Background des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin und das Umfeld, in dem sie ihn/sie einsetzen möchte. Sie weiß, um bei unserem Beispiel zu bleiben, wie es am Bau zu geht, dass ihr Praktikant bisher nur Schule und Universität kennt und noch keine Erfahrungen in der Praxis sammeln konnte. Hier ist die Führungskraft als Vermittler/-in zwischen beiden Welten gefordert. Sie muss dem Praktikanten erläutern, welche Umgangsformen (vgl. 12.2.1) auf einer Baustelle gepÀegt werden, und was das im Einzelnen für ihn heißt.
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So kann sie Mitarbeiter/-innen in die Lage versetzen, ihre bisher gesammelten Erfahrungen in dem für sie neuen Umfeld zu reÀektieren und zielgerichtet einzusetzen. 12.4.4 Aufwertende Fragen ReÀektierte Erfahrung ist also die Grundlage, Aufgaben und Situationen rasch, sicher und mit dem notwendigen Überblick zu analysieren, um entsprechend handeln zu können. Demzufolge sollte jede Führungskraft zur ReÀexion von Erfahrung beitragen, die reÀektierte Erfahrung ihrer Mitarbeiter/-innen bewusst einsetzen und damit auch ihre Wertschätzung ausdrücken. Sie motiviert ihre Mitarbeiter/-innen, da sie sich ernst genommen und gebraucht fühlen. Wie lässt sich das in der Praxis bewerkstelligen? Die Führungskraft zeigt in der täglichen Arbeit Interesse an den Erfahrungen von Mitarbeitern/-innen, indem sie ihre Meinung zu einer Aufgabe, einem Thema oder einer Situation einholt. Die Verwendung von aufwertenden Fragen fordern Mitarbeiter/-innen auf, über ihre Erfahrungen zu sprechen und sie in den aktuellen Kontext zu stellen. Solche aufwertenden Fragen könnten beispielsweise sein: • • • •
„Was würden Sie empfehlen und warum?“, „Was würden Sie in dieser Situation tun?“, „Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung?“, „Wie sind Ihre Erfahrungen in einer ähnlichen Situation/Aufgabe gewesen?“
Durch die Beantwortung solcher Fragen werden erfahrene Mitarbeiter/-innen zeitweise zu Ratgeber/-innen für ihre Führungskraft und dadurch veranlasst, nochmals über ihre Erfahrungen nachzudenken. Das erhöht den Grad der Verarbeitung ihrer Erfahrungen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Besprechungen zu arrangieren, in denen bewusst unabhängig von der Hierarchie Mitarbeiter/-innen zusammengerufen werden, um ihre Erfahrungen und ihre Ansichten zu einem ausgewählten Thema aus der täglichen Arbeit mit Führungskräften zu diskutieren. Gerade für Führungskräfte, die in der Hierarchie höher angesiedelt sind, sind solche Treffen interessant um weiterhin Kontakt mit der Basis halten. Wie motivierend das sein kann beschreibt der französische Industriemanager Daniel Goeudevert aus seiner Zeit bei Ford: „Einer der Versuche, aus der Starrheit des Systems auszubrechen,
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war die Einführung sogenannter Skip-Level-Meetings. Diese Treffen bestanden darin, dass der Manager bei der Zusammenstellung von Gruppendiskussionen eine Hierarchieebene übersprang. … Skip-Level-Gespräche bieten ihnen (Anmerkung Autoren: den Vorständen) die Möglichkeit, wieder zurück an die Front und zur Realität des Geschäfts zu gelangen. Und nicht selten höre ich von Mitarbeitern: ,Das ist nicht nur das erste Mal seit 30 Jahren, dass ich den Chef zu Gesicht bekomme, sondern auch dass ich mit ihm reden kann.‘“ (Goeudevert, D. 1998: 158f).
12.4.5 Mentorenfunktion für Mitarbeiter/-innen übertragen Kommt ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin neu in eine Organisationseinheit oder in ein Projekt, so ist es sinnvoll ihm/ihr einen erfahrenen Mitarbeiter oder eine erfahrene Mitarbeiterin als Mentor/-in zur Seite zu stellen. Im Abschnitt 12.2.1 haben wir auf diese Möglichkeit bereits hingewiesen. Zum einen werden erfahrene Mitarbeiter/-in durch Fragen von Neuen angeregt über etablierte Vorgehensweisen nachzudenken, zum anderen müssen sie Normen, Regeln, Sachverhalte, Vorgehensweisen, im Betrieb gebräuchliche Begriffe und Abkürzungen in einer Sprache formulieren, die neue Kollegen/-innen verstehen können. Die Erfahrenen können nicht vom gleichen Wissens- und Erfahrungshorizont ausgehen, sondern müssen sich überlegen was neue Kollegen/-innen noch nicht wissen können und es entsprechend ausführlich erläutern. Dies wirkt einer gewissen Betriebsblindheit (Scheuklappen) bei erfahrenen Mitarbeitern /-innen entgegen, die alle, die lange in einem Unternehmen/in einer Organisation tätig sind im Denken behindern, ohne dass sie selbst es bemerken. Ist man lange Zeit in der gleichen Organisationseinheit an ähnlichen Aufgabenstellungen tätig, ist man geneigt, von Kollegen/-innen das gleiche implizite Wissen vorauszusetzen, das man selbst hat. Neue Mitarbeiter/-innen für eine bestimmte Zeit als Mentor/-in zu begleiten, kann dem entgegenwirken und eingefahrene Denkmuster hinterfragen helfen, verarbeitete Erfahrung wird neu reÀektiert und damit als Ressourcen-Ampli¿er gestärkt.
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12.4.6 Teambuilding durch Kombination erfahrener und relativ neuer Mitarbeiter/-innen Wird für eine größere Aufgabe ein Team zusammengestellt, emp¿ehlt es sich, neben der Tiefe des fachlichen Wissens, die Mitarbeiter/-innen nach ihrem Erfahrungshorizont auszuwählen. Ratsam ist es, noch unerfahrene und erfahrene Mitarbeiter/-innen in einem Team zusammen arbeiten zu lassen. Erstere hinterfragen Arbeitsweisen und Lösungen, um sie besser zu verstehen, und geben so oft neue Impulse. Letztere können ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen, so dass zeitraubende Irrwege vermieden werden. Gleichzeitig gibt dies Anstöße, ihre Erfahrungen situationsspezi¿sch zu reÀektieren. Für den Team¿ndungsprozess ist eine wichtige Voraussetzung, dass die Führungskraft mit den erfahrenen Mitarbeitern/-innen deren Rolle im Team klärt. Ziel ist es, in der Gruppe eine offene Diskussionsatmosphäre herzustellen, in der jeder seine/ihre Ideen einbringen kann. Erfahrene Mitarbeiter/-innen müssen sich hier manchmal etwas zurücknehmen, um Lösungsansätze nicht per se in die von ihnen gewünschte Richtung zu forcieren. Auch mit den neuen Mitarbeitern/-innen sollte die Führungskraft über deren Rolle im Team sprechen. Sie sollte sie ermuntern neue Gedanken einzubringen und bestehende Vorgehensweisen zu hinterfragen. Denn dies kann auch einen wichtigen Beitrag zur ErfahrungsreÀexion der bewährten Mitarbeiter/-innen leisten. Die Führungskraft sollte den neuen Mitarbeitern/ -innen aber auch erläutern, wie wichtig es in einem Unternehmen/einer Organisation ist, auf Bestehendes aufzubauen und auf Kontinuität in der Weiterentwicklung zu achten. So kann immer eine Balance erreicht werden zwischen Innovation durch neue Gedanken einerseits und Erhalt des Bewährten andererseits. Innovation und ErfahrungsreÀexion gehen dabei Hand in Hand. Innerhalb dieses Prozesses wird der Ressourcen-Ampli¿er „Verarbeitete Erfahrung“ sowohl bei den neuen als auch bei den erfahrenen Mitarbeitern/-innen weiterentwickelt. 12.4.7 Hospitation und Projektarbeit um neue Erfahrungen zu sammeln und bestehende zu reÀektieren Hospitation und Projektarbeit haben wir bereits zur Förderung verschiedener Ressourcen und Ressourcen-Ampli¿er als Führungselement eingeführt. Sie leisten auch bei der Verarbeitung von Erfahrung gute Dienste. Mitarbeiter/-innen, die in anderen Bereichen des Unternehmens/der Organisation oder Projekten für
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eine de¿nierte Zeitdauer mitarbeiten, sind gezwungen, ihre bereits gemachten Erfahrungen in einem neuen Kontext zu hinterfragen und zu erweitern oder gegebenenfalls neu zu bewerten. 12.4.8 Zusammenfassung des Ressourcen-Ampli¿ers „Verarbeitete Erfahrung“ Kommen wir zur Zusammenfassung dieses Kapitels. Der Unterstützung von ErfahrungsreÀexion kommt bezüglich der Entfaltung von Erfahrung als Ressourcen-Ampli¿er eine große Bedeutung zu. Durch die ReÀexion von Erinnerung und Entwurf können Erfahrungen zur Strategieentwicklung genutzt werden. Die ReÀexion von Wahrnehmung und Wirklichkeitsverarbeitung ist recht komplex: Durch die Erkenntnis von Überund/oder Unterbewertungen können kollegiale oder Dienst- und Geschäftsbeziehungen von KonÀikten entschärft werden und es können von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auch konÀiktfreiere neue Kontakte geknüpft werden. Die ReÀexion der Kultur-, Lebenswelt- und Biogra¿eabhängigkeit von erfahrungsprägenden Deutungsprozessen ermöglicht neue Sichtweisen und lässt damit neue Wege und Lösungen zu. Die Erkenntnis vollzogener Übergeneralisierungen, prägender Fehlassoziationen, positiv und negativ rückgekoppelter Systeme mit der Fähigkeit der Analogiebildung eröffnet neue Möglichkeiten der Erkenntnis und der Einschätzung von Prozessen. Letztendlich spielt auch die ReÀexion des betrieblichen Alltags eine wichtige Rolle: Die Entwicklung neuer Ziele, neuer Sichtweisen und Sinnhorizonte, kontinuierliche Verbesserungsprozesse und eine verbesserte Motivation können dadurch erreicht werden. ErfahrungsreÀexion macht also Erfahrung zum Ressourcen-Ampli¿er „Verarbeitete Erfahrung“. Diese ErfahrungsreÀexion kann noch zusätzlich über folgende Führungselemente gefördert werden: durch • aufwertendes Fragen • den Einsatz als Mentor/-in • Teambuilding durch Kombination erfahrener und relativ neuer Mitarbeiter/innen • Hospitation und • Projektarbeit.
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Denn durch den Einsatz dieser Führungselemente werden erfahrene Mitarbeiter/innen veranlasst, relativ Neuen ihre Erfahrungen zu vermitteln. Die damit verbundene ErfahrungsreÀexion steigert den Grad der Verarbeitung von Erfahrungen und fördert so den hier dargestellten Ressourcen-Ampli¿er.
13 Resümee
Wir haben zunächst in dieser Abhandlung Grundlagen von Führung erarbeitet. Führungsstile, „Situatives Führen“ und eine kurze Darstellung unseres Modells dienten dazu. Ausgehend von Karl Lewin’s Untersuchungen über den EinÀuss von verschiedenen Führungsverhalten auf Gruppenstrukturen und das Verhalten von Gruppenmitgliedern haben wir eine Auswahl bekannter Führungsstile kurz dargestellt. Ausführlicher sind wir auf das Modell des „Situativen Führens“ von Hersey und Blanchard eingegangen. Diese haben den Bezug von Mitarbeiterressourcen und Führungsstil auf die aktuell vorliegende Aufgabe/Situation in ihr Modell eingeführt. Damit wird Führung zum Àexiblen Instrument, in dem das Augenmerk auf den situationsgerechten Einsatz von Mitarbeiter/-innen und die Weiterentwicklung ihrer Ressourcen gerichtet wird. Dadurch wurde deutlich, dass es darauf ankommt, innerhalb von Führung Ressourcenpotentiale von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu erkennen, richtig zum Einsatz zu bringen und weiter zu entwickeln. Dies ist auch die Grundlage für eine gute Qualität von Produkten und Dienstleistungen und die Ef¿zienz bei ihrer Herstellung und Erbringung. Führung auf Basis dieser Grundgedanken hat sich in vielen Unternehmen/Organisationen als erfolgreich erwiesen, was uns veranlasst hat, das Modell des „Situativen Führens“ als Basis für unser Führungsmodell zu verwenden. Wir haben diese Sicht auf Führung um Aspekte erweitert, die sich in unserer langjährigen Erfahrung in Führungspositionen als signi¿kant erwiesen: • die Integration des systemischen Ansatzes • eine strukturierte Sicht auf Ressourcen • die Adaption professioneller Methoden aus dem Counselling Um die Grundlagen dafür zu entwickeln haben wir uns zunächst mit sozialen Systemen im betrieblichen Umfeld beschäftigt. In der Quintessenz hat sich daraus ergeben, dass es der Führungskraft obliegt, drei Gleichgewichtszustände herzustellen:
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• innerhalb der alltäglichen Situation zum zielsicheren Handeln • zwischen der Stabilität der alltäglichen Situation und der Dynamik einer „Potential bergenden Situation“ • im Verhältnis von Unternehmen/Organisationen und Mitarbeiter/-innen (Winwin-Situation) Da die Erreichung dieser drei Gleichgewichtszustände für uns eine zentrale Führungsaufgabe ist, nannten wir unser Führungsmodell Equilibrium (lat. Gleichgewicht). Hinsichtlich einer strukturierten Sicht auf Ressourcen kann resümiert werden, dass Ressourcen durch spezi¿sche persönliche Voraussetzungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen voll zum Tragen kommen beziehungsweise verstärkt werden können. Solche Grundlagen sind Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit und verarbeitete Erfahrung. Wir haben diese als RessourcenAmpli¿er bezeichnet. Bezüglich der Adaption professioneller Methoden aus dem Counselling in die Führung haben wir gezeigt, dass Vertrauen, Evaluation und Kontrolle grundlegende Voraussetzungen für die Diagnose und Förderung von Ressourcenpotentialen und Ressourcen-Ampli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bilden. Die Diagnose, also die richtige Erkenntnis von Ressourcen und RessourcenAmpli¿ern von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einschließlich der daraus resultierenden Entwicklungspotentiale, so wurde deutlich, ist die Basis für die Weiterentwicklung von Ressourcen-Ampli¿ern einerseits und Ressourcen andererseits. Dazu gaben wir Führungskräften zwei effektive Führungselemente an die Hand: „die gerichtete Wahrnehmung“ und das 5-Schritte-Verfahren. Des Weiteren haben wir gezeigt, dass es daneben auch noch wichtig ist über ein geeignetes Handwerkszeug zu verfügen um Weiterentwicklungen gezielt zu fördern. Dies bezeichneten wir als Basisset. Dieses Basisset befähigt die Führungskraft im täglichen Umgang mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, ein leistungsförderndes Klima zu erreichen. Dabei sind Techniken wie das „Aktive Zuhören“ und das „Gespräch mit Mitarbeiter/-innen“ aus der „Non-Direktiven Gesprächsführung“, die Gestaltung von „Feedback“, das Wissen wie Sprache, Mimik, Settings, Rituale und Symbole wirken können, der Perspektivenwechsel notwendige Voraussetzungen. All dies führt zum Kern unserer Abhandlung: Die Weiterentwicklung von Ressourcen-Ampli¿ern spielt eine äußert wichtige Rolle bei der Entfaltung von
Resümee
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Ressourcenpotentialen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Sie wird von uns deshalb als zentrale Aufgabe von Führung gesehen. Diese Aufgabe bewältigt eine Führungskraft am besten dann, wenn sie es bewerkstelligt, immer wieder über ihre fachlichen Führungsaufgaben hinaus, professionelle Methoden aus dem Counselling zu adaptieren und in ihr Führungsverhalten zu integrieren. In dieser Weise räumt sie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Freiräume für selbstständiges Handeln ein, fördert sie die damit verbundene Übernahme von Verantwortung, unterstützt sie, nimmt sich selbst zurück und stellt die Mitarbeiter/-innen als Person in den Mittelpunkt entsprechender Überlegungen. Mit dieser Grundhaltung wird sie diese zentrale Herausforderung von Führung erfolgreich meistern können. Die Führungskraft steht also unseren Analysen zufolge vor folgenden Herausforderungen, wenn sie gute Führungsarbeit leisten will: Sie muss 1. eine Balance im Alltag ¿nden zwischen der Erledigung fachlicher Führungsaufgaben und der Förderung von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, 2. in KonÀikten und krisenhaften Situationen das Chancen bergende Potential dieser Situationen erkennen und eine Balance solcher Situationen mit alltäglichen Situationen herstellen, 3. eine Balance zwischen den Interessen des Unternehmens/der Organisation und den Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen einpegeln, 4. Ressourcen als Fachkompetenz und „Soft-Skills“ bei den Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen aufgabenspezi¿sch richtig einschätzen, 5. Ressourcen-Ampli¿er wie „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Urteilsfähigkeit“, „Tendenz zur Handlungsorientiertheit und Willenskraft“ und „Verarbeitete Erfahrung“ von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen durch gerichtete Wahrnehmung erkennen und situationsspezi¿sch richtig beurteilen, 6. auf Grund der Einschätzungen dieser Ressourcen-Ampli¿er Vertrauen, Kontrolle und Evaluation richtig einpegeln, 7. Mitarbeiter/-innen ihren Ressourcen einerseits und den fachlichen Notwendigkeiten andererseits gemäß richtig einsetzen und Förderungsbedarf und -möglichkeiten hinsichtlich der Entfaltung von Ressourcenpotentialen bestimmen, 8. Ressourcenentwicklungsmöglichkeiten kennen und Mitarbeiter/-innen motivieren, diese zu nutzen,
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Resümee
9. Ressourcen-Ampli¿er von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen positiv mit adaptierten professionellen Kernmethoden aus dem Counselling weiterentwickeln. Um diese Herausforderungen erfolgreich meistern zu können klärten wir zum Einen die theoretischen Hintergründe der Ressourcen-Ampli¿er und gaben zum Anderen viele methodische Anregungen, wie beispielsweise die persönliche SWOT-Analyse, das aktive Zuhören mit Feedback, die gerichtete Wahrnehmung, die Erstellung von Ressourcenpro¿len, das „5-Schritte-Verfahren“ zur Strategieentwicklung mit ressourcenbezogener Mitarbeiterauswahl, die Zielvereinbarung, das „pro-aktive Handeln“ und das Vieraugenprinzip. Manche dieser Methoden werden aufgabenbezogen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet beziehungsweise je nach Einsatz bei spezi¿schen Führungsaufgaben jeweils daraufhin erläutert. Selbstverständlich erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir hoffen aber, dass wir den interessierten Lesern und Leserinnen mit dieser Abhandlung viele Anregungen zur Bewältigung von Führung als Bildungsprozess von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gegeben haben dürften.
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