Janina Söhn Rechtsstatus und Bildungschancen
Sozialstrukturanalyse Herausgegeben von Peter A. Berger
Janina Söhn
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Janina Söhn Rechtsstatus und Bildungschancen
Sozialstrukturanalyse Herausgegeben von Peter A. Berger
Janina Söhn
Rechtsstatus und Bildungschancen Die staatliche Ungleichbehandlung von Migrantengruppen und ihre Konsequenzen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung und des WZB | Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. D 188
.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Monika Mülhausen VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18145-5
Inhalt
1
Einleitung ...................................................................................................15
2
Rechtsstatus und gruppenspezifische Immigrations- und Integrationspolitiken: Eine theoretische Konzeption ihrer Einflussnahme auf Bildungschancen von Migrantenkindern................34 2.1 Die Grundmechanismen im Überblick.............................................35 2.2 Rechtsstatusspezifische Zuwanderungskriterien als Ursache ungleicher Integrations- und Bildungschancen ................................38 2.2.1 Immigrationsregulierung in sozialwissenschaftlichen Debatten...38 2.2.2 Regulierbarkeit unterschiedlicher rechtlicher Zuwanderungswege ......................................................................41 2.2.3 Zuwanderungskriterien und ihre Folgen für Integrations- und Bildungschancen...........................................................................45 2.2.4 Zwischenresümee .........................................................................49 2.3 Stratifizierte Rechtsstatus und differenzielle Integrationspolitiken als Ursache ungleicher Integrations- und Bildungschancen ..............................................................................50 2.3.1 Theoretische Ansätze in der Migrationssoziologie .......................51 2.3.2 Stratifizierte Rechtsstatus und ihre Teildimensionen....................56 2.3.3 Die Wirkungen unterschiedlicher Dimensionen des Rechtsstatus auf Bildungschancen................................................58 2.4 Die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen und deren Interaktion: Zusammenfassung ........................................................70
3
Der Fall Deutschland: Bildungsrelevante Zuwanderungs- und Aufenthaltsbedingungen von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus ................................................................73 3.1 Bildungsrelevante Zuwanderungskriterien ......................................75 3.1.1 Herkunftsländer ............................................................................76 3.1.2 Deutsche Sprachkenntnisse...........................................................80 3.1.3 Ökonomische Kriterien.................................................................84 3.1.4 Zwischenresümee .........................................................................86
5
Rechtliche Aufenthaltsbedingungen und rechtsstatusspezifische Integrationspolitiken ........................................................................87 3.2.1 Bleibesicherheit ............................................................................87 3.2.2 Bildungsbezogene Rechte und Schulpolitiken..............................92 3.2.3 Ökonomische Rechte: Arbeitsmarktzugang und Fördermaßnahmen ......................................................................118 3.2.4 Soziale Rechte: Finanzielle Transferleistungen und Sozialversicherung......................................................................122 3.2.5 Deutschförderung für Erwachsene und Beratungsdienste ..........125 3.2.6 Recht auf Freizügigkeit und Wohnortzuweisungen....................129 3.2.7 Symbolische In- und Exklusion in öffentlichen Diskursen.........132 3.3 Zusammenfassung..........................................................................134
3.2
4
Soziale Determinanten der Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen: Der Forschungsstand............................................141 4.1 Einreisealter der Kinder .................................................................142 4.2 Kenntnisse der Landessprache bei den Kindern ............................144 4.3 Elterliche Kenntnisse der Landessprache und Sprachgebrauch in Migrantenfamilien..........................................................................147 4.4 Bildung der Eltern..........................................................................150 4.5 Beruflicher Status und Einkommenssituation der Eltern ...............153 4.6 Familienstruktur.............................................................................155 4.7 Wohnort und lokale Bildungsangebote..........................................156 4.8 Herkunftsländer und deren Bildungssysteme.................................158 4.9 Ethnische Gruppenzugehörigkeit: Community-Ressourcen und stereotype Zuschreibungen ............................................................160 4.10 Zusammenfassung..........................................................................163
5
Hypothesen zur Wirkung des Rechtsstatus von Migrantenkindern auf Bildungschancen an deutschen Schulen..........................................165
6
Daten und Operationalisierungen..........................................................176 6.1 Datensätze: Mikrozensus 2005 und Jugendsurvey 2003................176 6.2 Definition der Grundgesamtheit.....................................................178 6.3 Operationalisierung der abhängigen Variable: Schulerfolg ...........179 6.4 Operationalisierung der zentralen unabhängigen Variable: Rechtsstatus bei der Einreise..........................................................181 6.4.1 Identifizierung von Aussiedler(inne)n ........................................181 6.4.2 Als Ausländer(innen) Zugewanderte: Differenzierung nach Herkunftsland als Proxy für den Rechtsstatus bei der Einreise ..185
6
6.5
Operationalisierung der Hypothesen zur Wirkung des Rechtsstatus auf Bildungschancen: weitere unabhängige Variablen........................................................................................187
7
Soziale und bildungsbezogene Charakteristika der nach ihrem Rechtsstatus differenzierten Migrant(inn)en ........................................192 7.1 Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus: zuwanderungsspezifische und soziale Merkmale ..........................193 7.1.1 Rechtsstatus bei der Einreise ......................................................193 7.1.2 Zuwanderungsjahre.....................................................................196 7.1.3 Familiale Migrationsbiographien................................................198 7.1.4 Einbürgerungen...........................................................................200 7.1.5 Einwanderungsalter ....................................................................201 7.1.6 Sprachpraxis ...............................................................................203 7.1.7 Bildung der Eltern.......................................................................204 7.1.8 Ökonomische Teilhabe der Eltern ..............................................207 7.1.9 Siedlungsmuster: Bundesländer und Größe der Wohnorte .........211 7.2 Schulische Integration von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus ......................................................213 7.2.1 Dem Schulabschluss zeitlich vorgelagerte Merkmale der Bildungsbiographie.....................................................................213 7.2.2 Schulabschlüsse ..........................................................................216 7.3 Vergleich zwischen Aussiedlerkohorten: zuwanderungsspezifische und soziale Merkmale .................................................221 7.3.1 Herkunftsländer und Zuwanderungsjahre...................................221 7.3.2 Einreisealter ................................................................................223 7.3.3 Bildung der Eltern.......................................................................223 7.3.4 Ökonomische Teilhabe der Eltern ..............................................225 7.3.5 Siedlungsmuster: Bundesländer und Größe der Wohnorte .........226 7.4 Schulabschlüsse unterschiedlicher Aussiedlerkohorten.................226 7.5 Zusammenfassung..........................................................................227
8
Multivariate Schätzmodelle zum Einfluss des Rechtsstatus von Migrant(inn)en auf ihren Schulerfolg....................................................230 8.1 Methodische Erläuterungen ...........................................................231 8.1.1 Selektionsbias im kleineren Teilsample des Mikrozensus..........231 8.1.2 Kollinearität zwischen unabhängigen Variablen der Schätzmodelle.............................................................................233 8.1.3 Schätzmodelle und Vorgehen bei der Hypothesentestung..........234
7
Zuwanderungs- und integrationspolitisch bedingte Kompositionseffekte des Rechtsstatus auf den Schulerfolg...........238 8.2.1 Erläuterung der Brutto-Modelle..................................................238 8.2.2 Kompositionseffekt: Bildung der Eltern .....................................246 8.2.3 Kompositionseffekt: Ökonomische Integration der Eltern .........252 8.2.4 Kompositionseffekt: Bundesländer.............................................254 8.2.5 Kompositionseffekt: Gemeindegröße .........................................254 8.2.6 Kompositionseffekt: Kontrollvariablen ......................................255 8.2.7 Zwischenresümee zu Kompositionseffekten und verbleibenden Netto-Effekten....................................................257 8.2.8 Sensitivitätsanalyse: Indirekter Test des Kompositionseffekts bezogen auf Deutschkenntnisse ..................................................259 8.3 Modifizierende Wirkungsweisen des Rechtsstatus auf Bildungschancen ............................................................................261 8.3.1 Interaktionseffekt: Einreisealter..................................................262 8.3.2 Interaktionseffekt: Bildung der Eltern ........................................265 8.3.3 Interaktionseffekt: Bundesländer ................................................266 8.3.4 Interaktionseffekt: Gemeindegröße ............................................268 8.3.5 Zwischenresümee zu Interaktionseffekten..................................269 8.4 Vergleich zwischen Aussiedlerkohorten........................................270 8.4.1 Kompositionseffekte: Einwanderungsalter und weitere Kontrollvariablen........................................................................270 8.4.2 Indirekter Test der Kompositionseffekte bezogen auf sprachliche und sozio-ökonomische Ressourcen ........................274 8.5 Zusammenfassung..........................................................................276
8.2
9
Gesamtresümee und Ausblick ................................................................282
Anhang I: Die spezifischen Rechtsstatus ausländischer Zugewanderter: Eine Schätzung auf Basis amtlicher Statistiken ..........................................298 Anhang II: Verwendete Gesetzestexte, Richtlinien, Verordnungen inkl. Abkürzungen ..................................................................................................311 Anhang III: Details der Operationalisierung ............................................................... online Anhang IV: Ergänzende Tabellen zu Kapitel 7 ................................................................314 8
Anhang V: Ergänzende Tabellen und methodische Erläuterungen zu Kapitel 8 ... online Literaturverzeichnis.......................................................................................322 Über das OnlinePlus Angebot des VS Verlags können Sie die Anhänge III und V einsehen: www.vs-verlag.de/buch/978-3-531-18145-5.
9
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-1: Abb. 1-2: Abb. 2-1: Abb. 2-2: Abb. 3-1: Abb. 3-2: Abb. 3-3: Abb. 3-4: Abb. 7-1:
Abb. 7-2:
Abb. 7-3: Abb. 7-4:
Abb. 7-5:
10
Zuzug von Aussiedler(inne)n und Ausländer(inne)n in den Jahren 1985 bis 2005 ......................................................................22 Schulabschlüsse ausgewählter Gruppen von 18- bis 35Jährigen, 2005 ................................................................................28 Direkte und indirekte Beeinflussung der Bildungschancen durch den Rechtsstatus bei der Einreise .........................................37 Dimensionen des Rechtsstatus und ihre direkten und indirekten Einflüsse auf Bildungschancen.......................................................59 Differenzierung der rechtlichen Zuwanderungswege und Rechtsstatus von Migrant(inn)en in Deutschland...........................74 Anzahl der zugewanderten Aussiedler(innen) nach Herkunftsländern, 1987 bis 2003....................................................77 Beschulungsformen und Fördermaßnahmen für nach Rechtsstatus unterschiedene Migrantengruppen...........................101 Hierarchien zwischen Migrantengruppen in den bildungsrelevanten Dimensionen des Rechtsstatus bei Einreise...140 Zuwanderungsperioden der minderjährig Zugewanderten (18bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..........................................................................197 Schulbildung der Eltern von minderjährig Zugewanderten (18bis 20-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..........................................................................205 Schulabschlüsse von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..219 Schulbildung der Eltern von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 20-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr ........................................................................224 Schulabschlüsse von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr ........................................................................227
Tabellenverzeichnis
Tab. 3-1:
Tab. 3-2:
Tab. 5-1: Tab. 6-1: Tab. 6-2: Tab. 7-1: Tab. 7-2:
Tab. 7-3:
Tab. 7-4: Tab. 7-5:
Tab. 7-6:
Jahre, in denen in den alten Bundesländern eine vom Rechtsstatus unabhängige Regelung zur Beschulung von Migranten in Kraft trat oder ab denen die gemeinsame Anfangsbeschulung von Aussiedler(inne)n und Ausländer(inne)n erstmals erlaubt wurde .......................................96 Potenziell bildungsrelevante Einreisekriterien bei unterschiedlichen rechtlichen Zuwanderungswegen in die Bundesrepublik Deutschland........................................................135 Hypothesen zum Einfluss des Rechtsstatus auf Bildungschancen ..........................................................................175 Auswahl der Grundgesamtheit im Mikrozensus...........................179 Schulabschlüsse von minderjährig zugewanderten 18- bis 20Jährigen nach Stellung im Haushalt .............................................181 Verteilung minderjährig Zugewanderter nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern .....................................................194 Familialer Migrationsverlauf von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..........................................................................199 Einbürgerungsquoten unter als minderjährige Ausländer(innen) Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Herkunftsländern ..........................................................................201 Einreisealter von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..202 Sprachgebrauch in den Familien von minderjährig Zugewanderten (16- bis 29-Jährigen) nach dichotom unterschiedenem Rechtsstatus bei Einreise ..................................204 Berufliche Stellung der Haushaltsvorstände und Haushaltseinkommen der Familien von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern .....................................................208 11
Tab. 7-7:
Tab. 7-8:
Tab. 7-9:
Tab 7-10: Tab. 7-11:
Tab. 7-12:
Tab. 7-13:
Tab. 7-14:
Tab. 8-1: Tab. 8-2: Tab. 8-3: Tab. 8-4:
Tab. 8-5:
12
Verteilung von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35Jährigen) auf Bundesländer nach dichotom unterschiedenem Rechtsstatus bei Einreise ..............................................................212 Bundeslandtypen und Gemeindegröße von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern .....................................................213 Kindergartenbesuch im Herkunftsland und in Deutschland nach Einreisealter und dichotom unterschiedenem Rechtsstatus bei Einreise ...................................................................................215 Schulabschlüsse von 18- bis 35-Jährigen nach Migrationshintergrund und Zuwanderergeneration ......................217 Herkunftsländer von als Minderjährige zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr ........................................................................222 Einreisealter von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr ........................................................................223 Berufliche Stellung des Haushaltsvorstands und Haushaltseinkommen der Familien von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 20-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr ........................................................................225 Bundeslandtyp und Gemeindegröße von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr ........................................................................226 Schulabschlüsse von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..232 Differenzierung der zentralen Schätzmodelle...............................236 Vorgehen beim Hypothesentesten ................................................237 Modell A-a, -b (linear probability model): Schätzung der Schulabschlussarten von Migrantenjugendlichen, Rechtsstatus dichotom unterschieden................................................................240 Modell B-a, -b (linear probability model): Schätzung der Schulabschlussarten von Migrantenjugendlichen, Rechtsstatus differenziert: als Ausländer(innen) Zugewanderte nach Herkunftsland unterschieden ........................................................244
Tab. 8-6:
Tab. 8-7:
Tab. 8-8: Tab. 8-9:
Tab. 8-10: Tab. 8-11: Tab. 8-12: Tab. 8-13: Tab. 8-14: Tab. 8-15:
Tab. 8-16: Tab. I-1: Tab. I-2: Tab. I-3:
Tab. IV-1:
Detailanalyse von Modell A-a (Spalte 2): Schrittweises Einführen der Ausprägungen der Variable „Bildung der Eltern“ ..........................................................................................247 Modell A-c (linear probability model): Schätzung des Erwerbs eines Schulabschlusses von Migrantenjugendlichen, Rechtsstatus dichotom unterschieden ...........................................249 Sprachgebrauch in den Familien der minderjährig Zugewanderten (16- bis 29-Jährigen) nach Bildung der Eltern....251 Detailanalyse von Modell A-a (Spalte 3): Schrittweises Einführen der Ausprägungen der Variable „beruflicher Status des Haushaltsvorstands“ ...............................................................253 Detailanalyse Modell A-a mit und ohne Rumäniendeutsche........260 Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und Einreisealter..................................................................................263 Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und elterlicher Bildung ........................................................................266 Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und Bundeslandtyp ..............................................................................267 Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und Gemeindegröße ............................................................................268 Modell C-a, -b (linear probability model): Schätzung der Schulabschlussartien von Aussiedler(inne)n unterschiedlicher Zuwandererkohorten.....................................................................272 Bestätigte und falsifizierte Hypothesen zum Einfluss des Rechtsstatus auf Bildungschancen................................................278 Vergleich der Asylerstanträge mit den Zuzügen aus Drittstaaten für die Jahre 1987 bis 2003 .......................................300 Aufenthaltsstatus von Ausländer(inne)n in Deutschland im Jahr 2003 ......................................................................................302 Drittstaatenangehörige mit befristeten und prekären Rechtsstatus im Verhältnis zu Ausländer(inne)n mit bis zu sechs Jahren Aufenthalt für die Jahre 1992, 1998 und 2003 ........303 Geschlecht und Alter von minderjährig Zugewanderten (18bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..........................................................................314
13
Tab. IV-2: Zuwanderungsjahr, Einreisealter, familiale Migrationsbiographie, Familienform, Familiengröße, Bundesland (gruppiert), Größe des Wohnorts und Geschlecht von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..........................315 Tab. IV-3: Schulbildung, berufliche Stellung und Haushaltseinkommen von als Erwachsene Zugewanderten, d. h. der ‚potenziellen Elterngeneration‘ der minderjährig Zugewanderten, nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern ..........................318 Tab. IV-4: Schulbildung der Eltern, berufliche Stellung des Haushaltsvorstands und Haushaltseinkommen der Familien von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 20-Jährigen) nach Herkunftsland..................................................320 Tab. IV-5: Schulabschlüsse von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis35-Jährigen) nach Herkunftsland ........321
14
1 Einleitung
Die erfolgreiche Integration junger Migrant(inn)en in das Schulsystem ihres Aufnahmelandes ist ein zentrales Fundament ihrer weiteren Lebenschancen. Durch die Vermittlung von Kompetenzen und die Vergabe von Bildungszertifikaten entscheidet die Institution Schule wesentlich über den anschließenden Ausbildungs- und Erwerbsverlauf sowie die allgemeinen gesellschaftlichen Teilhabechancen mit. Zugleich stellen junge Menschen mit Migrationshintergrund einen substanziellen Anteil der heranwachsenden Generation dar. In der Bundesrepublik Deutschland kommt ein gutes Fünftel der minderjährigen Bevölkerung aus Zuwandererfamilien – mit steigender Tendenz (Statistisches Bundesamt 2007: 7) – und damit kaum weniger als etwa im klassischen Einwanderungsland USA (Rumbaut 2008: 197). Das Abschneiden der Kinder aus Migrantenfamilien im Bildungssystem ist daher zwar an erster Stelle für sie selbst von Belang, prägt darüber hinaus aber auch das zukünftige Bildungsniveau der Gesamtbevölkerung. Kann ein so großer Personenkreis in einem Land, das sich als Wissensgesellschaft begreift, kaum obere Bildungspositionen erreichen, hat ein daraus resultierender Fachkräftemangel langfristig negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Produktivität. Zugleich unterminiert es die Norm von Chancengerechtigkeit in einer Demokratie, wenn soziale Ungleichheiten dauerhaft mit ethnischen Hierarchien Hand in Hand gehen und die untersten Positionen in der Gesellschaft für Mitglieder einer als ‚ethnisch Andere‘ stigmatisierten Minderheit gleichsam ‚reserviert‘ bleiben. Für die vergangenen Jahrzehnte bis zur Gegenwart sind in vielen Einwanderungsländern Bildungsnachteile von Migrantenkindern nachgewiesen worden. In Deutschland sind die Disparitäten zwischen Schüler(inne)n mit und ohne Migrationshintergrund besonders groß, wie internationale Schulleistungsstudien zeigen (Baumert/Schümer 2001; Ramm u. a. 2004; OECD 2006; Walter/ Taskinen 2007; Schwippert u. a. 2003; 2007). In der Bundesrepublik, die sich selbst heutzutage nur zögerlich als ein Einwanderungsland begreift, hat sich das nationale Bildungssystem nicht wirklich auf Immigration als Normalfall eingestellt. Neben migrantenspezifischen Hilfestellungen in Schulen, etwa beim Zweitspracherwerb, entscheiden über die Bildungschancen von Zuwandererkindern auch immer die allgemeinen institutionellen Strukturen mit. Ist der Schulerfolg von Kindern generell von den Ressourcen der Eltern abhängig, weil die 15 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Bildungsinstitutionen eine solche familiale Unterstützung voraussetzen, haben Kinder aus – oft sozial benachteiligten – Migrantenfamilien meist das Nachsehen. Dieses Zusammenspiel von institutionellen Gegebenheiten und mitgebrachten kulturellen und ökonomischen Kapitalien ist maßgeblich, um Bildungsungleichheiten zwischen Einheimischen und Kindern aus Zuwandererfamilien zu erklären. Ein dichotomer Vergleich übersieht jedoch die erhebliche Varianz zwischen Migrantengruppen. Solche Intergruppenunterschiede werden bislang zwar gelegentlich beschrieben, aber noch selten erklärt. So gilt im Wesentlichen noch heute die Kritik der amerikanischen Migrationssoziologen Portes und MacLeod (1999: 374) am jahrzehntelangen Fokus auf den dichotomen Vergleich zwischen Einheimischen und Zugewanderten bzw. deren Nachkommen. Diese Forschungen „have yielded some interesting results, but have failed to cope with a fundamental aspect of today‘s immigration, namely its internal diversity“. Bezogen auf den schulischen Kompetenzerwerb monieren Müller und Stanat (2006: 226) ebenfalls fehlende Erkenntnisse über „Faktoren zur Erklärung von differenziellen Leistungsnachteilen der verschiedenen Herkunftsgruppen (...) und (...) das Bedingungsgefüge des Kompetenzerwerbs für die Gruppen.“ Soziologische Untersuchungen zu Unterschieden im Bildungserfolg zwischen Migrantengruppen in Deutschland gibt es bisher vorwiegend für die Kinder der Arbeitsmigrant(inn)en aus den Anwerbeländern (z. B. Alba u. a. 1994; Nauck u. a. 1997; Wagner u. a. 1998; Diefenbach 2002; Esser 2001a; von Below 2003; Diefenbach 2004a; Kristen/Granato 2004, 2007; Raiser 2007; Tucci/Groh-Samberg 2008). Um Gruppendifferenzen im Bildungserfolg unterschiedlicher Migrantengruppen zu erklären, werden insbesondere die Auswirkungen von Unterschieden in individuellen oder familialen Dispositionen (z. B. dem eigenen Einreisealter, dem elterlichen (Aus-)Bildungsniveau und den Kenntnissen der Landessprache) oder – seltener – Charakteristika des Wohnumfelds und der besuchten Schulen untersucht. Wenig durchdacht wird in vorliegenden Studien, was es für die Bildungschancen eigentlich bedeutet, dass diese Kinder der einstigen Arbeitsmigrant(inn)en überwiegend den Status von Ausländer(inne)n innehaben (vgl. aber Tucci/Groh-Samberg 2008: 314). Dabei stellt die Hierarchie zwischen Inländer(inne)n und Ausländer(inne)n eine Ungleichheitsdimension dar, die für die Konstituierung aller Nationalstaaten fundamental ist und für alle Menschen, die grenzüberschreitend wandern, relevant wird. Um diese analytische Leerstelle der bisherigen Forschung über Bildungsungleichheiten zu füllen, folgt die vorliegende Untersuchung einer institutionalistischen Perspektive und stellt eine mögliche Ursache in den Mittelpunkt, die bislang noch wenig Beachtung gefunden hat: den Rechtsstatus von Migrant(inn)en. 16
Mit dem Rechtsstatus kommen die äußeren und inneren Grenzen von Staaten, also die differenziell ausgestaltete externe und interne Schließung von Gesellschaften (Bös 1997), in den analytischen Blick der soziologischen Ungleichheitsforschung: In einer Welt von Nationalstaaten, zwischen denen große soziale Ungleichheiten bestehen, kontrollieren die ‚begehrten‘ reichen Länder den Zugang zu ihren Territorien. Wer darf unter welchen Bedingungen einreisen? Die Menschen, die über unterschiedliche rechtliche Wege zugewandert sind, behandelt der aufnehmende Staat nicht alle gleich, sondern weist ihnen unterschiedliche rechtliche Statuspositionen zu. Der Rechtsstatus als ein Merkmal von (Gruppen von) Individuen wird hier als eine durch den Staat1 geschaffene und veränderbare Kategorie verstanden, an die ein ganzes Bündel von Rechten, Pflichten und Leistungsansprüchen bzw. die Verwehrung solcher Rechte, wie sie Inländer(innen) genießen, geknüpft ist. Die basale Unterscheidung ist diejenige zwischen eigenen Staatsangehörigen, also Mitgliedern des Nationalstaats, und Ausländer(inne)n, also den NichtMitgliedern. Innerhalb der Gruppe, die den Rechtsstatus von Ausländer(inne)n innehat, existiert ein hierarchisches Spektrum, das unterschiedliche Grade der rechtlichen Mitgliedschaft ausdrückt. Daher wird hier der Terminus des Rechtsstatus auch explizit im Plural benutzt.2 Ungeachtet juristischer Definitionen beginnt dabei aus soziologischer Perspektive diese rechtliche Stratifizierung, „civic stratification“ (Morris 2002: 19) mit den undokumentierten oder ‚illegalen‘ Migrant(inn)en am unteren Pol und endet mit den eingebürgerten Migrant(inn)en am oberen Pol (Morris 2002: 19; vgl. auch Mohr 2005: 387ff.; Sainsbury 2006: 230). Dazwischen positioniert sind Ausländer(innen) mit zeitlich begrenzten Aufenthaltserlaubnissen und tendenziell eingeschränkten Rechten und Ausländer(innen), die viele, wenn auch nicht alle Rechte von Inländer(inne)n innehaben, von Hammar (1990) auch „denizens“ genannt. Diese – hier noch abstrakt belassenen – stratifizierten rechtlichen Basiskategorien sind in den meisten modernen Nationalstaaten zu finden, auch wenn die gesetzlichen Definitionen, die mit den Rechtsstatus einhergehende spezifische Gewährung und Verwehrung von Rechten, der Grad der rechtlichen Differenzierung und die Verteilung von Migrant(inn)en auf die gegebenen Statuskategorien zwischen Nationalstaaten und innerhalb eines Nationalstaats über die Zeit 1 Wenn im Folgenden vereinfachend vom „Staat“ und den von ihm zugewiesenen Rechtsstatus die Rede ist, sei daran erinnert, dass deren konkrete Ausgestaltung immer das Ergebnis vorgelagerter migrations- und integrationspolitischer Initiativen wechselnder Regierungen, der Beschlüsse des Gesetzgebers und der Modifikationen durch die Rechtssprechung ist. Um der politischen Gestaltbarkeit des Rechtsstatus und der mit ihm verknüpften Integrationsmaßnahmen Rechnung zu tragen, spreche ich von politisch-rechtlichen Aufnahmekontexten. 2 Um grammatikalischer Verwirrung vorzubeugen: Der Plural von Status lautet ebenfalls Status.
17
hinweg variieren (Morris 2002; Mohr 2005 mit einem deutsch-britischen Vergleich; Massey/Bartley 2005 zur historischen Entwicklung in den USA). Die politisch geformte und in Gesetzen verankerte rechtliche Stratifizierung zwischen Migrant(inn)en wird in dieser Arbeit als Einflussfaktor betrachtet. Erklärt werden Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen. Bildungsdisparitäten können auf unterschiedliche Art und Weise und zu verschiedenen Zeitpunkten im Lebensverlauf erfasst werden. So existieren etwa Unterschiede in der Bildungsbeteiligung, z. B. an frühkindlichen Bildungsangeboten, im Kompetenzerwerb, in den benoteten Leistungen in der Primar- und Sekundarstufe oder bezogen auf Zertifikate. Die an allgemeinbildenden Schulen erworbenen Bildungszertifikate, d. h. das (Fach-)Abitur, die Mittlere Reife und der Hauptschulabschluss bzw. ein fehlender Schulabschluss, bilden in der vorliegenden Untersuchung den Maßstab für Bildungsungleichheit. Die Bedeutsamkeit der unterschiedlichen Schulzertifikate für den weiteren Lebenslauf junger Menschen zeigt sich in den divergierenden Chancen auf dem beruflichen Ausbildungsmarkt (Baethge u. a. 2007: 39-41; Ulrich/Granato 2006; Beicht/ Granato 2009) sowie beim Zugang zu (Fach-)Hochschulen und damit langfristig für die Arbeitsmarktchancen und die gesellschaftliche Teilhabe (Meyer 1977; Handl 1996; Brauns u. a. 1999; Müller u. a. 2002). Da der Rechtsstatus nur zwischen Migrant(inn)en, nicht aber unter Inländer(inne)n variiert, fokussiert meine Untersuchung primär auf die ungleichen Bildungschancen von verschiedenen Migrantengruppen. Dabei können die Bildungsungleichheiten unter Zugewanderten selbstverständlich nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Bildungsungleichheiten analysiert und bewertet werden. Es geht also darum, wie sehr sich unterschiedliche Migrantengruppen dem höheren Bildungsniveau von Deutschen ohne Migrationshintergrund annähern. Denn zumindest hierzulande ist es noch nicht so weit, dass quantitativ bedeutsame Zuwanderergruppen in Schulen besser als Einheimische abschneiden. Auch mit Blick auf die von der Bildungssoziologie analysierten Einflussfaktoren und Mechanismen, durch die sich Bildungsungleichheiten herausbilden, bewegen sich Migrantenkinder im Prinzip in den gleichen allgemeinen institutionellen Strukturen wie andere Kinder. Im deutschen Bildungswesen sind dies insbesondere die frühe, de facto sozial selektive Aufteilung der Schüler(innen) auf unterschiedliche Sekundarschultypen mit ihren unterschiedlich günstigen Lernmilieus (Köller/Baumert 2001: 106; Solga 2005a: 139ff.; OECD 2005: 56ff.). Zudem bietet die (bislang noch typische) deutsche Halbtagsschule zeitlich begrenzte schulische Lernmöglichkeiten, so dass die Mitarbeit der Eltern besonders wichtig für die Lernentwicklung wird. All diejenigen Schüler(innen) sind benachteiligt, die keine oder geringe außerschulische Unterstützung erfahren, um den institutionellen Voraussetzungen – Beherrschung der 18
Schulsprache, Unterstützung beim Einüben des Lernstoffs, kognitive Anregungen in vor- und außerschulischen Freizeitaktivitäten etc. – gerecht zu werden (Solga 2005a: 141). Ob die mit den allgemeinen institutionellen Regelungen verknüpften (Re-)Produktionsmechanismen sozialer Ungleichheit bei Migrantenkindern in modifizierter Art und Weise wirken und welche zusätzlichen Hürden sich stellen, wird an unterschiedlichen Stellen dieser Arbeit aufgegriffen. Indem meine Untersuchung den Fokus auf den ungleich verteilten Schulerfolg von Migrantenkindern legt, knüpft sie an zwei soziologische Forschungsstränge an: Einerseits stellt die Analyse der Entstehung und Reproduktion von Bildungsungleichheiten ein Kernelement der Soziologie sozialer Ungleichheiten dar. Andererseits sind die Bildungschancen von Migrantenkindern ein klassischer Bestandteil dessen, was die Migrationssoziologie mit den Begriffen der „strukturellen Integration“ (Hoffmann-Nowotny 1998: 330), „socioeconomic assimilation“ (Alba/Nee 2003: 28) oder „strukturellen Assimilation“ (Esser 1980: 221) bezeichnet. Wenn Esser (2001b: 21) Assimilation als „Angleichung in gewissen Verteilungen der verschiedenen Gruppen“ definiert, bedeutet dies bezogen auf die von mir untersuchten Bildungschancen schlicht eine ähnliche Verteilung der von immigrierten und einheimischen Jugendlichen erworbenen Schulabschlüsse. Da zumindest im außerwissenschaftlichen Sprachgebrauch der Begriff der Assimilation jedoch eher mit kulturellen Aspekten assoziiert und normativ als einseitige Anpassung verstanden wird, ziehe ich es vor, von Bildungschancen und schulischen Integrationschancen zu sprechen, bezogen auf erwachsene Migrant(inn)en auch allgemeiner von strukturellen Integrationschancen und sozio-ökonomischen Teilhabechancen. Somit begreife ich meine Untersuchung analytisch, aber unbestreitbar auch normativ, als Analyse sozialer Ungleichheiten – hier bezüglich der Auswirkung unterschiedlicher Rechtsstatus, die eine Migrantengruppe noch mehr als eine andere daran hindert, ähnlich gute Schulerfolge wie inländische Jugendliche ohne Migrationshintergrund zu erreichen. Meine Forschungsfrage lautet also: Welchen Einfluss hat der Rechtsstatus von Migrantenkindern auf ihre Bildungschancen? Welche Konsequenzen hat es, dass Migrant(inn)en unterschiedliche Zuwanderungskriterien erfüllen müssen, um einreisen und gewisse Rechtsstatus erhalten zu können? Welche Rolle spielen die staatlich verfügten Aufenthaltsbedingungen, die zwischen Zuwandererfamilien variieren, für den Zugang der Kinder zum Bildungssystem und für ihre Chancen, gute Schulleistungen und höherwertige Abschlüsse zu erlangen? Kann der Rechtsstatus den Einfluss anderer Bildungsdeterminanten modifizieren? Systematisch wurde der Zusammenhang zwischen dem Rechtsstatus und dem Schulerfolg von Migrantenkindern bislang kaum beleuchtet. Einen theoretischen Anknüpfungspunkt für meine Fragestellung bietet innerhalb der Migra19
tionssoziologie das Konzept der rechtlich-politischen „modes of incorporation“ von Alejandro Portes und Kolleg(inn)en (Portes/MacLeod 1999: 377f.; Portes/ Rumbaut 2001: 46; Portes u. a. 2009: 1079). Mit solchen variierenden Inkorporationsmodi wird dort prinzipiell unterschieden, ob der aufnehmende Staat Migrantengruppen unterschiedlich behandelt, ihre Teilhabechancen aktiv fördert, behindert oder nicht beeinflusst. Wie eine solche Ungleichbehandlung ausgestaltet ist und über welche Wirkungsmechanismen sie die Bildungschancen beeinflussen könnte, ist bei Portes u. a. aber noch nicht konsequent durchdacht und belegt. Hier möchte meine Untersuchung das theoretische Konzept weiterentwickeln und mit einer vertiefenden empirischen Analyse der statusspezifischen Rechte und staatlichen Interventionen (Makroebene) einerseits und der Charakteristika und realisierten Schulerfolge der Migrantengruppen (Mikroebene) andererseits verbinden. Von der eher an sozialen Bildungsdeterminanten interessierten Migrationsforschung abgesehen wurden rechtliche Aspekte in der einschlägigen Literatur bislang entweder nur auf der Ebene der Normsetzung untersucht, etwa in Reuters (1999) Überblick zu schulrechtlichen Fragen oder Motakefs (2006) Expertise zu Bildung als Menschenrecht, oder es wird nur eine Form von Rechtsstatus in den Blick genommen. So ist die einzige mir bekannte empirische Untersuchung, die explizit den Zusammenhang von Rechtsstatus von Migrant(inn)en und Bildung analysiert, Menjívars (2008) Fallstudie zu lateinamerikanischen Migrant(inn)en in den USA, die ungesicherte Rechtsstatus innehatten. Bei einer solchen Untersuchungspopulation ist innerhalb der Hierarchie rechtlicher Statuspositionen keine Varianz vorhanden. Doch nur über den Vergleich zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus wird deren spezifischer Einfluss auf Integrations- und Bildungschancen systematisch bestimmbar. Eine solche komparative Studie wird hier erstmalig durchgeführt.3 Untersuchungspopulation: Migrantenkinder mit und ohne Aussiedlerstatus Als Länderbeispiel, anhand dessen meine Fragestellung exemplarisch untersucht wird, dient die Bundesrepublik Deutschland. Hier zeigt sich eine besonders große Varianz zwischen nachteiligen und vorteilhaften Rechtsstatus von Mi3 Bei Abschluss dieses Manuskripts wurde eine Studie (Yoshikawa 2011) zu Kindern von Migrant(inn)en ohne legalen Status in New York veröffentlicht, die im Folgenden nicht mehr umfassend eingearbeitet werden konnte. Ähnlich wie ich vergleicht Yoshikawa Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtsstatus, wobei er den Fokus auf die Unterscheidung zwischen Migranteneltern mit und ohne legalen Status legt. Bei den Kleinkindern der undokumentierten Eltern wurde im Verlauf ihrer ersten drei Lebensjahre eine schlechtere Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten als bei Kindern der Vergleichsgruppen festgestellt.
20
grant(inn)en. Dies liegt vor allem daran, dass es hierzulande mit Aussiedler(inne)n eine Migrantengruppe mit einer besonders privilegierten rechtlichen Stellung gibt. So bezeichnen Heinelt und Lohmann (1992: 29), einem breiteren soziologischen Verständnis von Rechtsstatus folgend, die „Aussiedlereigenschaft“ als einen speziellen Status, der „für Individuen unveräußerliche Rechte resp. Ansprüche auf Leistungen begründe[t]“. Die markanteste Privilegierung der Aussiedler(innen) im Vergleich zu allen anderen Migrant(inn)en ist die Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit zu Beginn ihres Aufenthalts. Zudem ist die Gruppe der Aussiedler(innen) quantitativ bedeutsam. Die Aussiedlerzuwanderung, die in die 1950er Jahre zurückreicht, umfasst allein seit Ende der 1980er Jahre über 3 Millionen Menschen (Bundesverwaltungsamt 2006; zur Geschichte der Aussiedlerpolitik vgl. Bade 1994: 43-50; Münz /Ohliger 1998; Puskeppeleit 1992; Klekowski von Koppenfels 2003). Da diese Einwanderung inzwischen fast zum Erliegen gekommen ist – im Jahr 2009 waren es nur knapp 3300 Personen (Bundesverwaltungsamt 2010) – , bietet sich eine historisch rückblickende und rekapitulierende Analyse an. Die Untersuchungspopulation sind Personen, die als Minderjährige in den Jahren 1987 bis 2003 in die Bundesrepublik Deutschland einwanderten. Die Festlegung auf die Zuwandererkohorten der Jahre 1987 bis 2003 orientiert sich am Verlauf der Aussiedlerzuwanderung, da auf Aussiedler(inne)n ein besonderer Fokus der empirischen Analysen liegt. Wie die Abbildung 1-1 zeigt, erreichte der Aussiedlerzuzug nach den großen Einwanderungswellen der 1990er Jahre im Jahr 2003 wieder ein ähnliches Niveau wie 1987, nämlich gut 70.000 Personen p. a. Vor und nach dieser Periode fielen die Zuzugszahlen deutlich geringer aus. In diesem Zeitraum wanderten 943 Tsd. minderjährige Aussiedler(innen) und 2,15 Mio. minderjährige Ausländer(innen) ein (Bundesverwaltungsamt 1999: 27-29; 2001: 29; 2003: 21ff.; 2004; Statistisches Bundesamt 2004a u.ndältere Jahrgänge; eigene Berechnung). In die Analyse der Schulabschlüsse gehen diejenigen Zugewanderten mit ein, die 2005 in der Bundesrepublik lebten. Das Einreisealter der Untersuchungspopulation wird auf maximal 17 Jahre festgelegt, da als Minderjährige Zugewanderte aufgrund der (Teilzeit-)Schulpflicht in deutsche Schulen aufgenommen wurden, also ihre Schullaufbahn zum Teil oder in Gänze im Aufnahmeland absolvierten. Die Eingrenzung meiner Untersuchungspopulation auf die erste Zuwanderergeneration – bzw. die „1.5 generation“ (Rumbaut 2004) – hat sowohl pragmatische Gründe als auch analytische Vorteile. So werden Aussiedler(innen) aus rechtlicher Sicht grundsätzlich als erste Generation – zuwandernde Deutschstämmige und ihre Familienangehörigen – verstanden, und amtliche Statistiken weisen auch keine ‚Aussiedler(innen) der zweiten Generation‘ aus. Diese soziologisch nicht zwingende 21
Eingrenzung auf Minderjährige mit eigener Migrationserfahrung, also der Ausschluss der zweiten Generation, hat den Vorteil, dass der Wechsel von einem nationalen Bildungssystem in ein anderes und die Bedeutung des Rechtsstatus für die institutionelle Regelung dieses Übergangs besondere Aufmerksamkeit erfährt. Auch Integrationspolitiken, die sich an Erwachsene und somit Eltern von Migrantenkindern richten, zielen in besonderem Maße auf neu Zuwandernde. Die Eingrenzung der Untersuchungspopulation auf Kinder mit Migrationserfahrung ist daher nicht grundsätzlicher Natur, sondern einer analytischer Zuspitzung meiner Forschungsfrage geschuldet. Abb. 1-1: Zuzug von Aussiedler(inne)n und Ausländer(inne)n in den Jahren 1985 bis 2005 1.400.000 1.200.000 1.000.000 800.000 600.000 400.000 200.000
19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05
0
Aussiedler insg.
Ausländer insg.
Quelle: BMI (2004: 72-75) und Statistisches Bundesamt (2005a u. ältere Jahrgänge) für Ausländer(innen); Bundesverwaltungsamt (2006) für Aussiedler(innen); eigene Darstellung. Anmerkung: Die Anzahl der Zuzüge von Ausländer(inne)n in den Jahren 1985-1990 ist die Differenz zwischen allen Zuzügen und denen der Aussiedler(innen) und enthält somit noch einige sonstige zurückkehrende Deutsche; ab 1991 werden Zuzugszahlen nur für Ausländer(innen) ausgewiesen.
Für meine Untersuchungspopulation verwende ich den Terminus „Migrant(inn)en“. Dieser Oberbegriff soll die Gemeinsamkeit der Migration über Staatsgrenzen hinweg betonen, ohne Annahmen über die Dauerhaftigkeit und Gründe der Migration oder den rechtlichen Status der Zuwandernden zu treffen. Unter Aussiedler(innen) fasse ich alle in die Bundesrepublik eingewanderten Migrant(inn)en, die gemäß dem Bundesvertriebenengesetz als deutschstämmige Aussiedler(innen) oder seit 1993 als Spätaussiedler(innen) einreisten und somit 22
bei oder kurz nach ihrer Ankunft die deutsche Staatsangehörigkeit erhielten. Diese Gruppe umfasst Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, bis 1992 vor allem aus Polen, Rumänien und der ehemaligen Sowjetunion, ab 1993 nur noch Personen aus den Nachfolgestaaten der UdSSR. Verglichen werden Aussiedler(innen) mit als Ausländer(innen) Zugewanderten. Das heißt, dass einige dieser einstigen Ausländer(innen) im Laufe, aber eben nicht zu Beginn ihres Aufenthalts eingebürgert worden sein können. Vereinfachend wird in diesem Text auch von „ausländischen Zugewanderten“ oder „Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus“ die Rede sein. Eine weitere hierarchische Binnendifferenzierung der rechtlichen Kategorie der Ausländer(innen) erfolgt in Kapitel 3. Wichtige Gruppen sind in meinem Untersuchungszeitraum Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge, EU-Angehörige und Kinder, die im Rahmen des Familiennachzugs in die Bundesrepublik immigrierten. Der quantitative Umfang dieser Untergruppen lässt sich aufgrund mangelnder Daten nicht exakt bestimmen. Wie im Anhang I ausführlich dargelegt, lassen sich durch einen Vergleich unterschiedlicher Quellen amtlicher Wanderungs- und Ausländerstatistiken zumindest Tendenzaussagen treffen. Demnach stellten EU-Angehörige ein gutes Zehntel aller Zuzüge minderjähriger Ausländer(innen). Ausländische Kinder, die zu bereits in Deutschland lebenden Eltern(teilen) nachzogen, machten mindestens ein Viertel aller Zuzüge minderjähriger Drittstaatenangehöriger aus; unter Drittstaatenangehörigen, die bis mindestens 2005 in Deutschland blieben, waren es vermutlich deutlich mehr. Der prekäre Status von Asylsuchenden, Bürgerkriegsflüchtlingen oder anderen Flüchtlingen mit Duldung war in den ersten Jahren des Aufenthalts vermutlich für ein Fünftel bis zu einem guten Drittel aller Drittstaatenangehörigen typisch. Überdurchschnittliche Anteile von Personen mit prekären Status hatten Staatsangehörige aus den Ländern mit der größten Fluchtmigration, vor allem BosnienHerzegowina und Serbien-Montenegro, aber auch Afghanistan, Irak und Iran. Untersuchungsdesign Insgesamt bildet das Untersuchungsdesign eine Art natürliches Experiment: Innerhalb eines begrenzten Zeitraums wanderten Kinder in die Bundesrepublik ein. In dem intra-nationalen Vergleich von Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtsstatus waren die allgemeinen gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für alle Zugewanderten gleich. Die Merkmale nationalstaatlich organisierter Teilsysteme werden gleichsam ‚konstant‘ gehalten. Auch die strukturellen Charakteristika der Bildungssysteme in den hier untersuchten
23
alten Bundesländern4 sind zwischen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre im Wesentlichen stabil geblieben. Alle Migrantenkinder standen vor der Herausforderung, in deutschen Schulen, deren formelle und informelle Regeln, Schulsprache und Lerninhalte und -stile ihnen bzw. ihren Eltern zu Beginn noch nicht vertraut waren, Fuß zu fassen. Diese Kinder und ihre Eltern wurden aufgrund des ihnen zugewiesenen Rechtsstatus vom aufnehmenden Staat jedoch unterschiedlich behandelt. Zu klären gilt es, welche direkten und indirekten Konsequenzen diese Ungleichbehandlung, also dieses divergierende ‚Treatment‘, für die Schulerfolge hatte. In der ‚Konstanthaltung‘ der allgemeinen institutionellen Rahmenbedingungen liegt der Vorteil eines innerstaatlichen gegenüber einem internationalen Vergleich, wenn es darum geht, die Auswirkungen von Migrations- und Integrationspolitiken auf Migrant(inn)en zu untersuchen. Denn zwischen Staaten variiert das gesamte Institutionenarrangement, so dass der Einfluss einzelner Politiken kaum zu isolieren ist (zu diesem methodischen Problem vgl. allgemein Lieberson 1991: 308). Dementsprechend studieren international komparative Untersuchungen, die die Bildungschancen von Migrant(inn)en in ausgewählten Ländern vergleichen, vor allem die Logiken der allgemeinen Strukturen der nationalen Bildungsinstitutionen und weniger migrantenspezifische Politiken (Crul/Vermeulen 2003: 983f.; Alba/Silberman 2009), die bei mir im Zentrum stehen. Zu beachten gilt es, dass es sich bei dem Untersuchungsdesign zwar um ein natürliches, aber nicht um ein kontrolliertes Experiment handelt, bei dem Personen nach dem Zufallsprinzip auf die ‚Treatment‘- und Kontrollgruppe verteilt worden wären. Migrationsströme in ein bestimmtes Land sind immer selektiv. Zugewanderte mit unterschiedlichen Rechtsstatus können sich also bezogen auf andere Faktoren, die die Chancen auf eine erfolgreiche Bildungskarriere vergrößern oder mindern, unterscheiden. Wären Migrantenkinder mit einem ‚guten‘ Rechtsstatus beispielsweise alle im Vorschulalter migriert und alle mit einem ‚schlechten‘ Status als Teenager, könnte der Bildungserfolg der ersten Gruppe möglicherweise hauptsächlich in der günstigeren Altersstruktur bei der Einreise und weniger im Rechtsstatus begründet sein. Wenn Aussiedlerkinder bereits vor der Einreise Deutsch beherrschen und dies wiederum von Vorteil für ihre Schullaufbahn ist, so hat ein solcher Effekt auch mit den Kriterien zu tun, die Aussiedler(innen) erfüllen mussten, um als solche überhaupt anerkannt zu werden und einreisen zu dürfen. Die für Bildungschancen bedeutsame Selektivität von 4 Die Untersuchung beschränkt sich auf Migrant(inn)en, die am Ende meines Untersuchungszeitraums in den alten Bundesländern lebten, weil in den neuen Bundesländern immer noch anteilsmäßig wenige Zugewanderte wohnen und diese regionalen Aufnahmekontexte vor der Wiedervereinigung noch nicht als Teil der Bundesrepublik existierten.
24
Migrantengruppen hängt also zum Teil mit dem Rechtsstatus und den damit verknüpften Einreisebedingungen zusammen. Im Rahmen des Designs dieser Untersuchung ist es notwendig, den Einflussfaktor des Rechtsstatus noch weiter zu präzisieren: Die rechtliche Statusposition von Migrant(inn)en ist kein unveränderliches Merkmal, sondern kann im Laufe des Aufenthalts wechseln. Nicht der Rechtsstatus zu einem beliebigen Zeitpunkt (z. B. bei der Durchführung einer Umfrage), sondern zu Beginn des Aufenthalts steht im Mittelpunkt der hier vorgenommenen Analysen. Diese Schwerpunktsetzung ist einer allgemeinen lebenslauftheoretischen Perspektive geschuldet, der zufolge Erfahrungen und Ressourcen, die in einer früheren Stufe im Lebensverlauf erworben werden, über kumulative Prozesse spätere Entwicklungen beeinflussen (Mayer 2004: 164). Die Folgen schlechter Startbedingungen im Aufnahmeland lassen sich möglicherweise durch spätere Verbesserungen der rechtlichen Position (etwa durch eine Einbürgerung) nicht mehr vollständig revidieren, weil bereits wichtige Weichenstellungen in der Schulkarriere von Kindern vollzogen sind. Dieses Argument gilt besonders für das deutsche Fallbeispiel, wo die einflussreichste Bildungsentscheidung, die Wahl des Sekundarschultyps, so früh im Leben eines Kindes fällt. Daher gehe ich davon aus, dass sich gerade die anfänglichen stratifizierten Rechtsstatus zum Positiven oder Negativen auf die späteren Schulerfolge auswirken können. Wie in dieser Arbeit noch eingehend erörtert werden wird, ist der Status von Aussiedler(inne)n also sowohl mit für die späteren Bildungschancen relevanten Einreisekriterien als auch mit privilegierten politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen verbunden. Daher begann ich meine Forschungsarbeiten mit der Ausgangshypothese, dass Aussiedlerkinder an deutschen Schulen erfolgreicher als Migrant(inn)en mit anderen, d. h. schlechteren, Rechtsstatus sind. Die simple Frage jedoch, wie hunderttausende jugendliche Aussiedler(innen) tatsächlich in allgemeinbildenden Schulen bislang abgeschnitten und welche Bildungszertifikate sie erworben haben, ist keineswegs einfach zu beantworten. Es gibt keine bundesweiten amtlichen Schulstatistiken über den Schulbesuch oder die Arten der erworbenen Schulabschlüsse, bei denen ein Aussiedlerstatus direkt ausgewiesen wird oder zumindest indirekt über das (exsowjetische, polnische und rumänische) Herkunftsland abgeleitet werden könnte. Die gängige Kategorie in deutschen Schulstatistiken ist bislang noch die Staatsangehörigkeit, und Aussiedler(innen) zählen hier zu den deutschen Schüler(inne)n. Lediglich Nordrhein-Westfalen weist sie gesondert aus (MAGS 2005: 11; MSW NRW 2005: 42; LDS NRW 2006). Die meisten der vorliegenden quantitativen Studien, die speziell Aussiedlerjugendliche untersuchten, lassen wegen der Art der Stichprobenziehung keine bundesweit repräsentativen Aussagen zu. Dass keine Zufallsauswahl vorgenommen werden konnte, ist an 25
erster Stelle der Tatsache geschuldet, dass es anders als bei der ausländischen Bevölkerung keine Urliste in Form von Melderegistern und dergleichen gibt, die für Aussiedler-Stichproben bereitstünde. Zwar liefern diese Befragungen von Aussiedlerjugendlichen ebenso wie vereinzelte qualitative Untersuchungen wertvolle Einblicke in unterschiedliche Aspekte der bildungsbezogenen Integrationsprozesse. So wird häufig von Zurückstufungen und Diskriminierungserfahrungen in Schulen (Dietz/Roll 1998: 61; Elsner 1998: 39; Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005: 207; Diefenbach 2006: 232), aber auch von hohen Bildungsaspirationen (Beisenherz 2006: 58) und dem widerständigen Beharren berichtet, diese durch den Besuch eines Gymnasiums zu realisieren (Meister 1997: 202). Bei solchen Ergebnissen ist jedoch nicht immer klar, ob sie nicht ebenso bei anderen Migrantengruppen feststellbar wären. Bei komparativen Studien ist die getroffene Wahl der Vergleichsgruppe aus der Perspektive meiner Untersuchung oft wenig hilfreich. Verglichen werden Aussiedler(innen) – vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion – (Beisenherz 2006; Diefenbach 2006) bzw. Migrant(inn)en aus der Sowjetunion und Polen (Müller/Stanat 2006; Walter/Stanat 2008; Segeritz u. a. 2010) meist mit Türkeistämmigen oder zusätzlich mit Nachkommen der klassischen Arbeitsmigrant(inn)en aus weiteren südeuropäischen Herkunftsländern (Kristen 2002; Nauck 2004; Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005). Der Nachteil dieser Vergleiche ist, dass die Gruppen hinsichtlich ihrer Generationszugehörigkeit, d. h. ob sie zugewandert oder als Kinder von Migrant(inn)en in Deutschland geboren sind, nahezu komplementär besetzt sind (Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005: 64; Müller/Stanat 2006: 236; Segeritz u. a. 2010: 124). Je nachdem, ob Kinder der ersten oder zweiten Generation angehören, bekommt die Frage nach den Ursachen von Bildungschancen eine unterschiedliche Akzentuierung. Bei in Deutschland geborenen Kindern ist zu eruieren, warum so viele unterdurchschnittlich abschneiden, obwohl sie vollständig das deutsche Bildungssystem durchlaufen, bei den hier untersuchten zugewanderten Kindern, wie sie den Wechsel von einem nationalen Bildungssystem in ein anderes bewerkstelligen. Ferner war der anfängliche Aufnahmekontext der Eltern von Migrantenkindern der zweiten Generation (z. B. Arbeitsmigrant(innen) Anfang der 1970er Jahr) anders als der der Eltern von Kindern der heutigen ersten Generation (z. B. Spätaussiedler(innen) Ende der 1990er Jahre). Der Effekt dieser historischen Veränderung kann aber nicht von dem der elterlichen Aufenthaltsdauer unterschieden werden. Indem ich die Untersuchungspopulation auf Kinder, die mit ihren Eltern zusammen in dem begrenzten Zeitraum von gut 1 ½ Jahrzehnten immigrierten, beschränke, reduziere ich dieses methodologische Identifikationsproblem auf ein Minimum. 26
Untersuchungen, die Spätaussiedler(innen) aus der ehemaligen Sowjetunion mit Kindern der rekrutierten Arbeitsmigrant(inn)en vergleichen, sind für die vorliegende Arbeit auch deshalb nur bedingt aufschlussreich, weil Letztere nicht oder kaum mehr zu den Migrantenkohorten zählen, die hier die Grundgesamtheit bilden. Zudem wanderten aus den Nachfolgestaaten der Ex-UdSSR und aus Polen nicht nur Aussiedlerkinder ein, so dass diese Herkunftsländer zwar ein grober, aber kein präziser Indikator für einen Aussiedlerstatus sind. Wenn Aussiedlerkinder in Kristens (2002: 541) Mannheimer Erhebung etwa bessere Noten als türkische und italienische Viertklässler(innen) haben oder in PISA getestete Jugendliche russischer und polnischer Herkunft eine Mittelposition zwischen Türkeistämmigen und Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund vorweisen (differenziert nach Zuwanderergeneration s. Segeritz u. a. 2010: 128; ohne entsprechende Differenzierung vgl. Müller/Stanat 2006: 232; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 152), so weisen diese Ergebnisse zwar auf einen relativen Bildungsvorteil von Aussiedlerkindern gegenüber anderen Kindern von Migrant(inn)en hin. Inwiefern dieser Vorsprung jedoch auch gegenüber Personen vorzufinden ist, die in ihrer Kindheit oder Jugend in den letzten zwei Jahrzehnten zugewandert, aber nicht ‚ausgesiedelt‘ sind, bleibt unklar. Denn über diese Migrantengruppe geben bislang weder Surveyforschungen noch Schulstatistiken Auskunft. Eben diesen Vergleich zwischen Migrantenkindern der historisch neuen ersten Zuwanderergeneration nimmt die vorliegende Untersuchung vor. Eine vorläufige Bearbeitung meiner Forschungsfrage erfolgte bereits mit den Daten des Jugendsurveys (Söhn 2008a). Analysen mit dem Mikrozensus 2005 vertiefen und ergänzen diese ersten Ergebnisse. Beide Umfragen sind für die deutsche Wohnbevölkerung repräsentativ (der Jugendsurvey für die 16- bis 29-Jährigen), und meine Untersuchungspopulation ist in einer genügend hohen Anzahl vorhandenen, um über sie verallgemeinerbare Aussagen zu treffen, wie sie in den älteren Untersuchungen über Aussiedler(innen) noch nicht möglich waren. Eine Innovation gegenüber anderen bevölkerungsrepräsentativen Umfragen ist es überdies, dass Aussiedler(innen) als solche identifizierbar sind. Somit können nicht nur Aussagen über diese große Migrantengruppe getroffen werden, sondern auch im Gegensatz zu anderen Survey-Untersuchungen mit der Identifizierung des Aussiedlerstatus überhaupt unterschiedliche Rechtsstatus bei der Einreise untersucht werden. Denn normalerweise wird interviewten Migrant(inn)en die Frage nach ihrem Rechtsstatus bei der Einreise nicht direkt gestellt. Im Vorgriff auf die detaillierten empirischen Analysen in den Kapiteln 7 und 8 zeigt die Abbildung 1-2 das deskriptive Kernresultat, die erzielten Schulabschlüsse von Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus. Zunächst illustriert die Graphik, dass die Angehörigen der gesamten ersten Zuwanderer27
generation die Schule viel seltener (26%) als Einheimische (44%) mit dem Abitur abschlossen. Gleichzeitig bestehen zwischen Zugewanderten deutliche Intergruppendifferenzen, wie sie im Vergleich des zweiten und dritten Balkens von oben zum Ausdruck kommen: Aussiedlerkinder erzielten wesentlich häufiger als die als Ausländer(innen) Zugewanderten einen Realschulabschluss (33% versus 20%) und haben so eher die Chance, im weiteren Lebensverlauf mittlere und höhere soziale Positionen zu erreichen. Als Ausländer(innen) Zugewanderte verblieben sehr viel öfter als Aussiedler(innen) ganz ohne Schulabschluss (13% versus 2%) und sind so dem hohen Risiko ausgesetzt, dauerhaft auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft marginalisiert zu sein. Abb. 1-2: Schulabschlüsse ausgewählter Gruppen von 18- bis 35-Jährigen, 2005
1. Generation ingesamt
7,4
hiervon: als Ausländer migriert
40,4
13,0
hiervon: als Aussiedler migirert
2,2
Einheimische ohne Migrationshintergrund
2,0
0%
26,6
44,4
36,7
19,5
27,9
31,3
20%
23,1
33,2
22,7
10%
25,6
30%
kein Schulabschluss
40%
44,1
50%
Hauptschulab.
60%
70%
Mittlere Reife
80%
90%
100%
(Fach-)Abitur
Quelle: Mikrozensus 2005 (Forschungsdatenzentrum); eigene Berechnung; N = 91.121 Anmerkung: Beschränkung auf alte Bundesländer, 1. Generation: als Minderjährige in den Jahren 1987 bis 2003 zugewandert (zur 2. Generation vgl. Tab. 7-10 in Kap. 7); (Fach-)Abitur: einschließlich Schüler(innen) an gymnasialen Oberstufen.
Vorgehensweise dieser Studie Wie lassen sich diese relativen Bildungsvorteile der Aussiedlerkinder erklären? Der Beantwortung dieser Frage widmet sich diese Studie, die wie folgt vorgeht: Kapitel 2 stellt zunächst die Grundzüge der von mir entwickelten theoretischen 28
Konzeption zum Einfluss des Rechtsstatus von Migrant(inn)en auf ihre Bildungschancen vor. In Anknüpfung an sozial- und politikwissenschaftliche Debatten über nationalstaatliche Immigrationsregulierung wird dann diskutiert, ob Aufnahmestaaten überhaupt und, wenn ja, bei welchen rechtlichen Zuwanderungswegen, die Migrantenkinder beschreiten, Kriterien anlegen können, die in intendierter oder unintendierter Weise für ihre anschließenden Integrations- und Bildungschancen relevant werden. Bei diesen Kriterien kann es sich u. a. um ökonomische und ethnische Kriterien sowie die Beschränkung auf spezifische Herkunftsländer handeln. Wie diese Kriterien die Bildungschancen von Migrantenkindern beeinflussen könnten, wird an dieser Stelle theoretisch diskutiert und in Kapitel 5 noch einmal aufgegriffen. Anschließend wird die Rolle von Rechten und politisch gestalteten Aufnahmebedingungen von Migrant(inn)en in migrationssoziologischen Ansätzen erörtert und das Konzept der politischrechtlichen Inkorporationsmodi näher vorgestellt. Dieses Konzept wird im Folgenden weiterentwickelt und mit Erkenntnissen der soziologischen Wohlfahrtsstaatsforschung verknüpft, die die rechtliche Stratifizierung zwischen Statusgruppen und die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Arten von Rechten hervorheben. Für diese Teildimensionen des Rechtsstatus, wie etwa die Bleibesicherheit oder die ökonomischen Rechte der Eltern, wird wiederum unter Rückbindung an migrations- und ungleichheitssoziologische Erklärungen argumentiert, wie die Bildungschancen der betroffenen Migrantenkinder indirekt beeinflusst werden könnten. Ziel dieses Kapitels ist es, ein theoretisches Konzept der Wirkungsweisen des Rechtsstatus auf Bildungschancen zu entwickeln, das auf unterschiedliche Einwanderungsländer anwendbar ist. Angewendet wird dieses Analyseraster auf das Fallbeispiel der Bundesrepublik Deutschland und die Zuwanderungskohorten der Jahre 1987 bis 2003.5 Kapitel 3 beschreibt, wie die Zuwanderungs- und Aufnahmebedingungen von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus hierzulande politischrechtlich ausgestaltet waren. Die Ausführungen beginnen mit einer Vorstellung der wichtigsten Zuwanderungswege und Rechtsstatus von Migrantenkindern. Die Einreise als Aussiedler(in), Flüchtling oder im Rahmen des Familiennachzugs wird hier besonders hervorgehoben. Analog zu Kapitel 2 beschreibt dann ein erster Teil, für welche Migrantengruppen indirekt bildungsrelevante Einreisebedingungen galten. Der zweite Teil widmet sich den in Kapitel 2 herausgearbeiteten Teildimensionen des Rechtsstatus. Dabei werden im Unterkapitel zum Grad der Bleibesicherheit die ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel – also die Rechtsstatus im engen juristischen Sinne – eingeführt. Besondere Aufmerksam5
Aufgrund des historisch retrospektiven Charakters der empirischen Analysen werden neuere Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 also nicht mehr systematisch verarbeitet.
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keit gilt den bildungsbezogenen Rechten und Schulpolitiken, da diese ja potenziell den direktesten Einfluss auf die Bildungschancen ausüben könnten. Es wird nachgezeichnet, in welcher Hinsicht der Rechtsstatus ausschlaggebend war und wie die an einen spezifischen Rechtsstatus gekoppelten Maßnahmen ausgestaltet waren. Gerade weil hier die Analyse der institutionellen Regelungen durchaus ambivalent ausfällt, ist es umso wichtiger, auch die nicht bildungsbezogenen Dimensionen und die diesbezügliche Ungleichbehandlung von Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtsstatus zu untersuchen. Der Schwerpunkt der Analysen liegt durchweg auf dem Vergleich von Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtsstatus. Darüber hinaus wird der besondere Fokus auf Aussiedler(innen) dahingehend vertieft, dass auch die Veränderungen dieses Rechtsstatus und der mit ihm verknüpften Politiken im Laufe der 1990er Jahre nachgezeichnet, also ein Intragruppen- bzw. Kohortenvergleich zusätzlich zum Intergruppenvergleich vorgenommen wird. Der Frage nachzugehen, ob die sich über die Zeit verschlechternden Aufnahmebedingungen von (Spät-)Aussiedler(inne)n auch mit geringeren Schulerfolgen einhergehen, stellt eine zum Intergruppenvergleich komplementäre Vorgehensweise dar, den Einfluss gruppenspezifischer Zuwanderungs- und Integrationspolitiken auf Bildungschancen aufzuzeigen.6 Insgesamt bewegt sich das Kapitel 3 auf der Makroebene rechtlicher Regelungen und staatlicher Maßnahmen; dementsprechend werden primär Gesetzestexte und untergesetzliche Verordnungen, Erlasse etc. analysiert. Vorhandene Erkenntnisse über die Umsetzung einzelner Regelungen und Programme fließen ein, um deren Relevanz für die Bildungschancen der untersuchten Migrantenkinder abzuschätzen. (Umfassende Evaluationsstudien, die kausalanalytisch tragfähige Schlüsse über Effekte einzelner staatlicher Interventionen zuließen, liegen nicht vor.) Die Analyse der im Untersuchungszeitraum in Deutschland relevanten migrations-, ausländer- und bildungsrechtlichen Institutionen hat auch eine hypothesengenerierende Funktion, indem herausgearbeitet wird, welche nach ihrem Rechtsstatus differenzierten Migrantengruppen vom deutschen Staat besonders ungleich oder auch ähnlich behandelt wurden und wie diese multidimensional zu verstehende Ungleichbehandlung ausgerichtet war. Kapitel 4 resümiert den Forschungsstand zu zentralen sozialen Einflussfaktoren auf Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen. Dabei geht es um Einflussfaktoren, die bei der indirekten Wirkungsweise des Rechtsstatus eine Rolle spielen (z. B. die ökonomische Teilhabe der Eltern) oder aber damit nicht in Verbindung stehen (z. B. das Einreisealter der Kinder). Es werden theo6
In einem ähnlichen historischen Vergleich beschreiben Portes u. a. (2009: 1087), wie sich für politische Flüchtlinge aus Kuba ihr politisch-rechtlicher Aufnahmekontext in den USA zwischen den 1960er und den 1980er Jahren wandelte, d. h. verschlechterte.
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retische Erklärungsansätze und empirische Erkenntnisse zur Wirkungsweise solcher Determinanten dargelegt und Forschungserkenntnisse zur Untersuchungspopulation dieser Arbeit rezipiert. Kapitel 5 leitet aus der Analyse der institutionellen Regelungen in Kapitel 3 und dem Forschungsstand zu sozialen Bildungsdeterminanten Hypothesen dazu ab, wie der eingangs festgestellte relative Bildungsvorteil von Aussiedlerjugendlichen gegenüber anderen Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus zu erklären ist. Gegenüber welchen Subgruppen sollte dieser Vorteil stärker oder schwächer ausgeprägt sein (differenzierter Intergruppenvergleich) und wie könnten sich die Veränderungen der Aussiedlerpolitik auf die Bildungschancen unterschiedlicher Aussiedlerkohorten ausgewirkt haben (Intragruppenvergleich)? Kapitel 6 stellt die Individualdatensätze vor, mit denen ich die aufgestellten Hypothesen teste. Der Großteil der quantitativen Ergebnisse beruht auf eigenen Analysen mit dem Mikrozensus 2005. Ergänzende Analysen wurden mit dem Jugendsurvey 2003 des Deutschen Jugendinstituts durchgeführt. Neben der Definition der Grundgesamtheit und der Operationalisierung der abhängigen Variable des Schulerfolgs wird die Identifizierung von Aussiedler(inne)n im Mikrozensus beschrieben sowie erläutert, in welcher Hinsicht die Herkunftsländer der als Ausländer(innen) Zugewanderten als Proxy für die jeweils typischen anfänglichen Rechtsstatus betrachtet werden. Die für die Überprüfung der Hypothesen benötigten weiteren unabhängigen Variablen werden im abschließenden Abschnitt operationalisiert. Die auf den quantitativen Analysen beruhenden Untersuchungsergebnisse werden in einem deskriptiven (Kapitel 7) und einem kausalanalytischen Teil (Kapitel 8) präsentiert. Kapitel 7 beginnt mit der Verteilung des anfänglichen Rechtsstatus innerhalb meiner Untersuchungspopulation, charakterisiert Merkmale der Migrationsbiographien der verglichenen Zuwanderergruppen und widmet sich dann den Gruppenunterschieden bezüglich jener sozialen Bildungsdeterminanten, auf die sich die in Kapitel 5 formulierten Hypothesen beziehen. Schließlich werden die Bildungsdisparitäten zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichem Rechtsstatus bzw. zwischen unterschiedlichen Aussiedlerkohorten beschrieben. Die Ursachen dieser Bildungsungleichheiten zwischen den Zuwanderergruppen und der Zusammenhang zwischen den identifizierten potenziellen Einflussfaktoren und dem Schulerfolg werden mit Hilfe multivariater Schätzmodelle in Kapitel 8 überprüft. Im Anschluss an methodische Erläuterungen wird bei der Überprüfung von Kompositionseffekten gezeigt, wie bedeutsam die indirekten Wirkungsmechanismen des Rechtsstatus waren, die über das Elternhaus vermittelt wurden. Weitere, vom Rechtsstatus unabhängige Bildungsdetermi31
nanten erklären zwar teilweise, aber keineswegs vollständig die Bildungsdisparitäten zwischen Migrantengruppen. Die Testung von Interaktionseffekten beantwortet die Frage, ob aussiedlerspezifische Integrationspolitiken bestimmte Bildungsrisiken abschwächten. ‚Klassische‘ Bildungsdeterminanten, wie etwa die elterliche Bildung, übten bei Aussiedlerjugendlichen einen geringeren Einfluss auf ihre Schulerfolge als bei ihren Migranten-Peers aus. Die quantitativ empirischen Analysen zeichnen also komplementär zur Untersuchung der rechtlichen Bestimmungen und Integrationspolitiken unterschiedliche Wirkungsweisen privilegierter und nachteiliger Rechtsstatus von Migrantengruppen auf ihre Bildungschancen in der Bundesrepublik Deutschland nach. Das Schlusskapitel (Kapitel 9) gibt einen Überblick über die zentralen Ergebnisse der Untersuchung und diskutiert Vorteile und Grenzen der von mir gewählten empirischen Herangehensweise. Ingesamt beansprucht diese Arbeit in dreierlei Hinsicht einen Forschungsbeitrag zu leisten: Erstens wird durch die Untersuchung des Einflusses des Rechtstatus auf den Schulerfolg eine analytische Leerstelle in bisherigen soziologischen Forschungen zu Migration, Bildung und sozialer Ungleichheit gefüllt. Zweitens erfolgt hier ein für Studien zu Deutschland noch seltener detaillierter Vergleich zwischen Migrantengruppen, der zugleich durch das Untersuchungsdesign systematisch Kohorteneffekten Rechnung trägt. Drittens nehmen die repräsentativen empirischen Analysen mit Aussiedler(inne)n und anderen neu Zugewanderten einen Teil der bundesdeutschen Migrantenpopulation in den Blick, über den bislang noch wenige Erkenntnisse vorlagen. Mit Blick auf neuere Entwicklungen in Deutschland seit der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 und auf andere Einwanderungsländer werde ich im Kapitel 9 darüber hinaus diskutieren, welche allgemein gesellschaftliche und politische Bedeutung die Erkenntnisse meiner historisch rückblickenden Untersuchung auch weiterhin haben. Eine Diskussion möglicher Interventionen, die das Ziel haben, Bildungsungleichheit zwischen Migrantengruppen und zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zu reduzieren, wird zeigen, dass hierzu sowohl migrations- als auch bildungspolitische Veränderungen nötig wären. Die vorliegende Studie wurde ermöglicht durch ein Promotionsstipendium der Hans-Böckler-Stiftung. Ebenso wichtig wie der zeitliche Freiraum, den mir dieses Stipendium bot, war für die Durchführung der Studie meine Einbindung als assoziierte Wissenschaftlerin in der Abteilung „Ausbildung und Arbeitsmarkt“, die meine Erstgutachterin Heike Solga am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung leitet. Ihr gilt für ihre Offenheit für meine an sie herangetragene Forschungsidee und die kontinuierliche Begleitung meiner Arbeit durch kritische und anregende Diskussionen mein besonderer Dank. Ebenso möchte 32
ich meiner Zweitgutachterin Anja Weiß für unsere engagierten und hilfreichen Gespräche danken. Während meines Gastaufenthalts an der Princeton University hat mich mein Treffen mit Alejandro Portes in meiner konzeptionellen und empirischen Herangehensweise bestärkt. Besonderer Dank gilt auch den Teilnehmer(inne)n am Doktorandencolloquium von Heike Solga, insbesondere Lisa Pfahl und Nadine Bernhard, sowie meinen Kolleg(inn)en Justin J. W. Powell, Petra Böhnke, Ulrich Kohler und Ines Michalowski für wertvolle Diskussionen und Tipps. Mein Dank geht auch an Stefanie Roth, Friederike Theilen-Kosch, Diana Lange und Imogen Feld für ihre Hilfe beim Korrekturlesen und Layout. Schließlich möchte ich meinen Eltern sowie meinen Freund(inn)en, insbesondere Helen, Ulrike und Karen, dafür danken, wie sie mich auf ihre unterschiedliche Art und Weise in dieser Lebensphase unterstützt haben. Mai 2011 Janina Söhn
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2 Rechtsstatus und gruppenspezifische Immigrations- und Integrationspolitiken: Eine theoretische Konzeption ihrer Einflussnahme auf Bildungschancen von Migrantenkindern
Ziel dieses Kapitels ist es, eine theoretische Konzeption zu entwickeln, wie rechtliche Statusunterschiede zwischen Migrant(inn)en und damit verknüpfte gruppenspezifische Immigrations- und Integrationspolitiken Einfluss auf die strukturellen Integrationschancen von Migrant(inn)en im Allgemeinen7 und die Bildungschancen von Migrantenkindern und -jugendlichen im Besonderen ausüben können. Folgendes Ausgangsphänomen gilt es zu klären: Eine Gruppe von Migrant(inn)en, die einen bestimmten Rechtsstatus innehaben, erzielt bessere Bildungsergebnisse im Aufnahmeland als eine Migrantengruppe mit einem anderen Rechtsstatus. Inwiefern könnten der Besitz und Nicht-Besitz der Staatsbürgerschaft oder eines spezifischen ausländerrechtlichen Status solche Bildungsungleichheiten verursacht haben? Offensichtlich ist ein solcher Zusammenhang zunächst nicht. „Der Pass“, so Krüger-Potratz (2005: 62f.), „erlaubt keinen Rückschluss auf pädagogisch relevante Sachverhalte.“ Zudem ist, wie später ausgeführt werden wird, gerade für den Zugang zu allgemeinbildenden Schulen der Rechtsstatus heutzutage wenig bedeutsam und die Teilhabemöglichkeit nahezu universalistisch geregelt. Die Gründzüge der theoretischen Überlegungen darüber, auf welche direkte und indirekte Art und Weise der Rechtsstatus dennoch Einfluss auf Bildungschancen nimmt, werden im ersten Abschnitt (2.1) erläutert. Die anschließenden beiden Unterkapitel widmen sich den dort unterschiedenen Grundmechanismen, vermittels derer der Rechtsstatus die Bildungschancen von Migrantenkindern beeinflussen könnte: gruppenspezifische Zuwanderungsregulierung (2.2) und Integrationspolitiken (2.3). Dabei wird erörtert, wie bislang in den Sozialwissenschaften die Rolle von Staat und Politik bei der Regulierung von Migrations7 In diesem Kapitel wird absichtlich manchmal allgemein von Integrations- oder Teilhabechancen gesprochen, da einige der diskutierten Wirkungsmechanismen nicht nur speziell Bildungschancen von Migrantenkindern, sondern auch andere Dimensionen struktureller Integration wie z. B. die ökonomische Teilhabe erwachsener Migrant(inn)en in ähnlicher Weise betreffen.
34 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
bewegungen und bei der Ausgestaltung der Aufenthaltsbedingungen von Zugewanderten überhaupt beurteilt wird. Bei welchen rechtlichen Zuwanderungswegen können bildungsrelevante Einreisekriterien zum Tragen kommen? In welcher Hinsicht existiert eine rechtliche Ungleichbehandlung von Migrant(inn)en, und wo gibt es in der Gesetzgebung von Einwanderungsländern als modernen Wohlfahrtsstaaten universalistische Trends? Wie können unterschiedliche Dimensionen des Rechtsstatus im Sinne eines politisch-rechtlichen Aufnahmekontextes für Bildungschancen relevant werden? Das resümierende Kapitel 2.4 diskutiert das Zusammenwirken der zuwanderungs- und integrationspolitischen Einflüsse des Rechtsstatus, die potenzielle Akkumulation von Vor- und Nachteilen sowie die mögliche modifizierende Wirkung eines privilegierten oder aber benachteiligenden politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus. 2.1 Die Grundmechanismen im Überblick Wie in der Einleitung der vorliegenden Untersuchung bereits dargelegt, ist der zentrale Einflussfaktor der anfängliche Rechtsstatus von Migrant(inn)en. Dieser Fokus auf den Rechtsstatus bei der Einreise erlaubt es, zwei Aspekte analytisch zu unterscheiden, die auf jeweils unterschiedliche Art und Weise spätere Teilhabechancen beeinflussen können: die Auswahl von Migrant(inn)en durch staatliche Immigrationsregulierung einerseits und die politisch-rechtliche Gestaltung der Aufenthaltsbedingungen andererseits. Der anfängliche Rechtsstatus, der zwischen Migrant(inn)en innerhalb eines Aufnahmelandes variiert, ist also Ausdruck der zwei Policy-Dimensionen von Migrationspolitik: der „immigration regulation“ und der „immigrant policies“, eine Unterscheidung, die Hammar (1985: 7) in einem Vergleich zwischen europäischen Staaten einführte. Erstens bestimmen Immigrationsregulierungen, welche Kriterien potenzielle Migrant(inn)en erfüllen müssen, um einen gewissen Rechtsstatus – im Sinne einer „entry category“ (Morris 2002: 19) – zugewiesen zu bekommen. Rechtliche Zuwanderungswege, die in einen spezifischen Rechtsstatus münden8, können sozial selektiv ausgestaltet sein. Einwanderungskriterien, die sich in den mitgebrachten Kapitalien von Migrantengruppen spiegeln, beeinflussen so die Ausgangsbedingungen für ihre Teilhabemöglichkeiten im Aufnahmeland mit. Unter solchen Startbedingungen sind hinsichtlich der Fragestellung der Arbeit insbesondere die mitgebrachten ökonomischen, kulturellen und sozialen Res8 Gegebenenfalls erhalten Migrant(inn)en, die über unterschiedliche rechtliche Wege einwandern (z. B. als Arbeitsmigrantin oder als nachziehender Familienangehöriger), einen identischen Aufenthaltstitel. Auch in solchen Fällen sind die Auswirkungen der Einwanderungskriterien und der rechtlichen Aufenthaltsbedingungen analytisch zu differenzieren.
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sourcen zu verstehen, die als ‚klassische‘ Determinanten der strukturellen Integration von Migrant(inn)en bekannt sind. Zweitens strukturieren unterschiedliche Rechtsstatus, indem sie mit variierenden Bündeln gewährter Rechte und dem Zugang zu oder dem Ausschluss von spezifischen Integrationspolitiken verkoppelt sind, die Aufenthaltsbedingungen von Migrant(inn)en.9 Indem die Ausgangslagen rechtlich unterschiedener Migrantengruppen differenziell ausgestaltet sind, werden hier kumulative Entwicklungen zum Positiven oder Negativen hin in Gang gesetzt, die im späteren Lebensverlauf möglicherweise nicht mehr revidiert werden können. Eine weitere zentrale analytische Differenzierung der Wirkungsweise des Rechtsstatus ist die, ob die Bildungschancen von Migrantenkindern direkt oder indirekt beeinflusst werden. Die Abbildung 2-1 stellt diese Vermittlungsmechanismen schematisch dar. a. b.
c.
Erstens können die mit dem Rechtsstatus verknüpften Rechte und Regelungen die Migrantenkinder direkt betreffen (Pfeil A) – z. B. in ihrer Rolle als Schüler(innen). Zweitens können erwachsene Migrant(inn)en, unter denen sich auch Eltern befinden, betroffen sein. Indirekter Natur sind daher die Wirkungsmechanismen, wenn die Immigrationskriterien, die erwachsene Migrant(inn)en erfüllen müssen (Pfeil B-1.1). Auch die mit dem Rechtsstatus variierenden Aufenthaltsbedingungen prägen die Lebenssituation und Teilhabechancen von Migranteneltern im Aufnahmeland, wie etwa den realisierbaren sozioökonomischen Status (Pfeil B-1.2). Durch das Zusammenspiel der im Elternhaus verfügbaren Ressourcen und der dort stattfindenden Sozialisationsprozesse mit den Anforderungen der Bildungsinstitutionen im Aufnahmeland – z. B. der deutschen ‚Mittelschichts-Schule‘ – werden wiederum die Bildungschancen der Migrantenkinder beeinflusst (Pfeil B-2). Drittens schließlich sind überindividuelle Effekte der Gruppenmitgliedschaft auf Teilhabechancen einschließlich von Bildungschancen in Rechnung zu stellen. Die durch die Migrationspolitik mit beeinflusste soziale Zusammensetzung von Migrantengruppen (Pfeil C-1.1) kann bedeutend sein, sei es durch die jenseits der Familie mobilisierbaren Ressourcen innerhalb solcher Migrantengruppen, sei es durch Zuschreibungen seitens der Aufnahmegesellschaft. Das Prestige oder die negativen Stereotypen, die an
9 Die Zielgruppe einer spezifischen Integrationspolitik kann auch aus Migrantengruppen mit formal unterschiedlichen Rechtsstatus bestehen. Innerhalb einer solcher Zielgruppe können zusätzliche Kriterien (z. B. finanzielle Bedürftigkeit, ‚ungenügende‘ Sprachkenntnisse) ausschlaggebend dafür sein, ob eine Person tatsächlich von einer entsprechenden staatlichen Intervention betroffen ist oder nicht.
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der Mitgliedschaft in einer rechtlich definierten Migrantengruppe festgemacht werden (Pfeil C-1.2), verweisen darauf, dass bestimmte Rechtsstatus jenseits der konkreten Rechte und Politikprogramme auch (ideologische) Zuschreibungen über die Zugehörigkeit der betreffenden Migrantengruppe zu und ihre Rolle in der Aufnahmegesellschaft reflektieren können. Abb. 2-1: Direkte und indirekte Beeinflussung der Bildungschancen durch den Rechtsstatus bei der Einreise Weitere soziale und institutionelle Einflüsse
Immigrationspolitischer Einfluss des Rechtsstatus: soziale Selektionswirkung von Einreisekriterien
C-1.1
B-1.1
Integrationspolitischer Einfluss des Rechtsstatus: politisch-rechtliche Aufenthaltsbedingungen C-1.2
Gruppenmerkmale (Fremdwahrnehmung, Prestige und Ressourcen)
B-1.2
A
C-2 Weitere soziale und institutionelle Einflüsse
Weitere soziale und institutionelle Einflüsse
Soziale Merkmale und Ressourcen der Eltern / Familie
B-2 Bildungschancen der Kinder
Die gestrichelten Kästchen und Pfeile besagen, dass die Eigenschaften des Elternhauses selbstverständlich auch durch weitere Faktoren geprägt sind, und
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auch auf die Bildungschancen andere – von der familialen Herkunft und der Migrationspolitik unabhängige – Einflüsse wirken. Wenn hier nach der Rolle des Rechtsstatus für Bildungschancen gefragt wird, geht es also nicht allein um einen Effekt, der im Verständnis einer quantitativ vorgehenden Untersuchung zusätzlich und unter statistischer Kontrolle individueller Eigenschaften (als „value added“) wirkt (vgl. OECD 2005: 13). Bei der Suche nach den Orten und Formen, wo und wie der Staat – hier mittels migrations- und integrationspolitischer Regelungen und Programme – den Rechtsstatus für schulischen Erfolg von Migrantenkindern relevant werden lässt, geht es vielmehr auch um Formen indirekter institutionalisierter Diskriminierung (Feagin/Feagin 1986: 31f.), bei denen eine Ungleichbehandlung durch den Staat im Vorfeld der Schule stattfindet, aber indirekt die Opportunitätsstrukturen der betroffenen Kinder beeinflusst. 2.2 Rechtsstatusspezifische Zuwanderungskriterien als Ursache ungleicher Integrations- und Bildungschancen Welche Teilhabechancen Migrant(inn)en in Teilsystemen der aufnehmenden Gesellschaft haben und wie unterschiedliche Gruppen junger Migrant(inn)en im Bildungssystem positioniert sind, könnte, so meine Ausgangshypothese zur ersten Wirkungsweise des Rechtsstatus, auch von der vorgelagerten Auswahl von Migrant(inn)en bei der Einreise durch die Aufstellung von Zuwanderungskriterien abhängen. Umfassend die Rolle des Staats für (hier schulische) Integration auszuloten, bedeutet also, den Blick auf staatliches Handeln nicht nur im Landesinnern, sondern auch an den Staatsgrenzen zu richten. Hinsichtlich der staatlichen Kontrolle des Zugangs zum nationalstaatlichen Territorium – d. h. der „externen Schließungen von Gesellschaften“ (Bös 1997: 179) – möchte ich differenzierter fragen, welchen Personengruppen unter welchen Bedingungen Zugang gewährt wird oder nicht. 2.2.1 Immigrationsregulierung in sozialwissenschaftlichen Debatten In populären Debatten wird gelegentlich angesichts einer als unbefriedigend erachteten wirtschaftlichen und schulischen Integration ansässiger Migrantengruppen auf eine versäumte ‚Auswahl‘ vermeintlich leistungs- und assimilationsbereiter Personenkreise verwiesen und, in die Zukunft gerichtet, eine entsprechende Auswahl potenzieller Immigrant(inn)en gefordert (vgl. Michalowski 2006: 147f.; 159ff.). Ein Beispiel, wie versucht wird, integrationspolitische 38
Ziele in immigrationspolitische Regelungen der Zuwanderung in die Bundesrepublik einzuarbeiten, stellt die Reform des Zuwanderungsgesetzes vom 1.8.2007 dar, dem zufolge nun nachziehenden Ehegatten aus Drittstaaten Grundkenntnisse der deutschen Sprache abverlangt werden, bevor sie einreisen dürfen (BMI 2007). In sozialwissenschaftlichen Analysen wird die mögliche Auswirkung von Einwanderungskriterien auf die strukturellen Integrationschancen selten angesprochen. Die Bedeutung des Nexus zwischen Immigrationspolitik und Inkorporation unterstreicht aber Waldinger (2003: 263) im Kontext der USamerikanischen Debatte über das erfolgreiche Abschneiden in Wirtschaft und Bildung gerade neuerer (vor allem aus Asien stammender) Immigrantenkohorten in den USA: „(…) it is precisely the political nature of the contemporary migration regime that accounts for much of the success (…). Unlike the mass migrants of the turn of the twentieth century, today‘s are increasingly and deliberately chosen; the selection criterion is one that makes it harder for the undesirables to get in.“
Wenn ein Land gezielt Migrant(inn)en mit einer für Mittelschichtsangehörige typischen Ressourcenausstattung Einreise und dauerhaften Aufenthalt gewähre, sei es wenig verwunderlich, wenn viele von ihnen auch in der neuen Heimat entsprechend gehobene gesellschaftliche Positionen einnähmen. Allgemeiner formulieren diesen Zusammenhang Massey u. a. (1998: 13): „The imposition of qualitative and quantitative limits on entry creates different classes of migrants with differently selected traits who ultimately occupy different positions in the socio-economic structure of the receiving society.“
Auf meine Fragestellung übertragen lautet die entsprechende Hypothese: Wenn Migrantengruppen gemäß gruppenspezifischer Zuwanderungsregelungen (deutlich) unterschiedliche Kriterien erfüllen müssen, um einreisen zu können, ist zu erwarten, dass diese dementsprechend auch unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen mitbringen, welche sich wiederum in unterschiedlichen Integrationschancen niederschlagen könnten. Dieser Mechanismus soll als „immigrationspolitisch beeinflusster Kompositionseffekt“ bezeichnet werden. Ursache einer unterschiedlichen sozialen Zusammensetzung von Migrantengruppen sind hier die vom Aufnahmestaat aufgestellten Einreisekriterien. Für die indirekte Beeinflussung von Bildungschancen stehen solche bildungsrelevanten Kriterien im Vordergrund, die auch allgemein die strukturellen Integrationschancen von Migrant(inn)en beeinflussen (z. B. Sprachkenntnisse oder die berufliche Ausbildung, vgl. Kap. 2.2.3). 39
Dabei geht es im Folgenden nicht nur um Einreisekriterien, die mit eben dieser integrationspolitischen Intention aufgestellt wurden, sondern auch um anders begründete Bedingungen. Zuwanderungskriterien müssen meist von erwachsenen Migrant(inn)en, darunter Eltern minderjähriger Kinder, erfüllt werden. Die Effekte auf die Bildungschancen der Kinder sind indirekt und auch zumeist politisch unintendiert. Abzugrenzen ist ein staatlich beeinflusster, aber nicht notwendigerweise intendierter Kompositionseffekt auf die strukturellen Integrationschancen von Migrant(inn)en von allen anderen Ursachen, die die soziale Zusammensetzung von Migrantengruppen am Beginn ihres Aufenthalts bedingen, hier vereinfachend als ein auf Selbstselektion beruhender Kompositionseffekt genannt (ähnlich Reitz 1998: 93). Der Begriff der Selbstselektion soll darauf verweisen, dass die variierende Zusammensetzung von Migranten(teil)populationen auch Ergebnis einer Reihe ökonomischer, sozialer und politischer Push- und Pullfaktoren (zusammenfassend Massey u. a. 1998: Kapitel 2) und eben nicht nur das Resultat der vom Zielland gesetzten Zuzugsvoraussetzungen ist. Wie realistisch ist es nun, dass die Zusammensetzung von Migrantengruppen tatsächlich wesentlich von staatlichen Eingriffen geprägt wird? Diese Frage schließt an eine vornehmlich in der Politikwissenschaft geführte Debatte über die Bedeutung des Staats für Migrationsbewegungen an. Diskussionsgegenstand ist, in welchem Maße die Souveränität von Staaten, den Zugang zum eigenen Territorium und den Aufenthalt fremder Staatsangehöriger zu regeln, noch gegeben ist.10 Offensichtlich erscheint die staatliche Kapazität der Immigrationsregulierung für die Zeit bis in die 1960er Jahre hinein, als in klassischen Einwanderungsländern wie den USA oder Australien noch rassistische Einwanderungskriterien galten (Zolberg 1999; Joppke 2005: Kapitel 2), und auch in der Bundesrepublik aktiv Arbeitsmigration aus asiatischen und afrikanischen Ländern verhindert wurde (Schönwälder 2004a). Seither jedoch ist aus unterschiedlichen Gründen die Fähigkeit von Staaten, das Ausmaß an Zuwanderung einschließlich der ethnischen und sozialen Zusammensetzung der Zuwandernden zu bestimmen, geschwunden (Hollifield 2000: 144; Cornelius/Tsuda 2004: 4ff.; Cornelius/Rosenblum 2005: 106ff.). Zwar werden hierfür auch makroökonomische Gründe – so der kontinuierliche Bedarf an billigen Arbeitskräften in einer globalisierten Wirtschaft und der politische Einfluss von wirtschaftli10 Im Folgenden wird diskutiert, wie der aufnehmende Staat Einwanderung und insbesondere die Zusammensetzung der Einwandernden beeinflussen kann. Dennoch sollte in Rechnung gestellt werden, dass Quantität und Qualität der Migrationsströme historisch immer wieder auch von den Herkunftsländern durch staatliche Restriktionen beeinflusst wurden. Die heutzutage von vielen Staaten gewährte Möglichkeit auszuwandern kontrastiert mit der Nicht-Existenz eines individuellen Rechts auf Einwanderung (vgl. Zolberg 1999: 90).
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chen und zivilgesellschaftlichen Lobbys – angeführt. Eine wesentliche Verringerung der Steuerungsfähigkeit beruht jedoch auch auf einer rechtlichen SelbstBeschränkung von Demokratien. Grundlagen dieser Beschränkung staatlicher Verfügungsgewalt über Migrationsströme sind die Durchsetzung der Menschenrechte, freiwillig eingegangene Abkommen mit anderen Staaten und individuelle Rechte von Migrant(inn)en, die im internationalen und, wie Guiraudon (1998: 297-299) und Joppke (1998: 18ff.) betonen, vor allem im nationalen Recht verankert und über die nationale Gerichtsbarkeit einklagbar sind. Trotz dieses Bedeutungszuwachses individueller Rechte und einer gewissen Schwächung staatlicher Souveränität üben Nationalstaaten weiterhin einen erheblichen Einfluss auf Migration aus (Zolberg 1999; Guiraudon/Lahav 2000).11 Sie bieten oft nur einige wenige legale Zuwanderungswege an, und auch heute noch gelingt es den reichen Industrienationen durchaus effektiv, unerwünschte Einwanderung an oder weit vor den eigentlichen Staatsgrenzen aufzuhalten. Da in meiner Arbeit jedoch die Integration von erfolgreich Eingewanderten im Mittelpunkt steht, dienen Beispiele der effektiven externen Grenzkontrolle vor allem dazu, daran zu erinnern, dass die Zusammensetzung von Migrantenpopulationen in einem Land zu einem bestimmten Zeitpunkt auch Ergebnis einer Immigrationspolitik ist, die gewissen Gruppen keine Zuwanderungsmöglichkeit gewährt bzw. deren dauerhafte Ansiedlung durch Ausweisungen verhinderte (Zolberg 1999: 73).12 So benennen Portes und Rumbaut (2001: 46) Politiken, die Einwanderung gänzlich verhindern, als extremste Form der Beeinflussung der Integration, nämlich als vollständige Exklusion. 2.2.2 Regulierbarkeit unterschiedlicher rechtlicher Zuwanderungswege Um den indirekten staatlichen Einfluss von Immigrationsregulierung mittels Einreisekriterien auf die Integrationschancen einschätzen zu können, ist es notwendig zu erörtern, bei welchen Migrantengruppen es dem Staat unmöglich ist, integrationsrelevante Auswahlkriterien aufzustellen, oder wo er sehr wohl – politisch erstrittene und umstrittene – Präferenzen walten lassen kann. Der fol11 Zu Beispielen der Drittstaatenregelung und Visumpolitik als effektive Instrumente einer restriktiven Flüchtlingspolitik in der EU vgl. Santel (1999: 110f.; 118f.). Gerade weil die staatliche Verfügungsgewalt über bereits zugewanderte Ausländer(innen) im Inland rechtlich beschränkt ist, unternehmen Regierungen erhebliche Anstrengungen „to fortify and extend state borders well before immigrants arrive, and after by circumventing more liberal national jurisprudence” (Guiraudon/ Lahav 2000: 178; ähnlich Hollifield 1999: 58). 12 So findet Zuwanderungskontrolle auch im Landesinnern durch Ausweisungen statt. Ist diese erzwungene Remigration sozial selektiv (z. B. wegen des unterbundenen Sozialhilfebezugs), kann dies wiederum die soziale Zusammensetzung der verbleibenden Migrant(inn)en mit beeinflussen.
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gende Kategorisierungsvorschlag, wie er ähnlich bei Joppke (2005: 2f.) und Weiß u. a. (2010: 201f.) skizziert wird, differenziert rechtlich unterschiedlich ‚auswählbare‘ Migrantengruppen:13 Das Paradebeispiel für nicht regulierte Zuwanderung (bzw. für das unerlaubte Verbleiben im Land) sind schon per definitionem undokumentierte Migrant(inn)en. Nicht vergessen sollte man jedoch, dass nur solche Personen dieser Kategorie angehören, denen keine rechtmäßigen Zugangswege offen stehen, also z. B. eher Menschen aus Ländern der (Semi-)Peripherie. Formalrechtlich eingeschränkt ist die Auswahl bei Flüchtlingen, die politisches Asyl beantragen, erhalten oder zumindest aus humanitären Gründen Schutz vor Abschiebung (non-refoulement) genießen (Genfer Flüchtlingskonvention, nationale Asylgesetzgebung). Hier kann man nicht von einer ‚Auswahl‘, die an sozio-ökonomische oder kulturelle Merkmale von Individuen anknüpft, sprechen (Joppke 2005: 2). Entscheidend ist der menschenrechtlich begründete Schutz unabhängig von sozialer Herkunft, Kompetenzen oder dergleichen. Allerdings haben Einwanderungsländer immer wieder aus politischen Erwägungen heraus ganze Herkunftsländer (und damit deren Staatsangehörige) dahingehend (um-)kategorisiert, dass aus ihnen Fluchtmigration als grundsätzlich legitim oder zumindest überprüfenswert erachtet wird oder nicht (zu Konsequenzen dieser Länderbeschränkung s. Abschnitt 2.2.3.3). Im negativen Sinne verhindert die pauschale Deklarierung einzelner Länder als sichere Herkunftsstaaten, dass Migrant(inn)en überhaupt Asylanträge stellen können und als Flüchtlinge anerkannt werden.14 Im positiven Sinne wird gelegentlich – über die menschenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Individuen hinausgehend – ganz speziellen Flüchtlingsgruppen aus spezifischen Ländern das Privileg einer staatlich unterstützten Zuwanderung (und Integration) eingeräumt (z. B. kubani-
13 Im Folgenden beschränke ich mich auf Migrationswege, die für Migrantenkinder bzw. deren Eltern relevant sind, während etwa temporäre Arbeitmigration von Erwachsenen (ohne mitwandernde Kinder) nicht weiter behandelt wird. 14 Vgl. den paradoxen Fall der rumänischen Roma im Sommer 2009, die trotz Diskriminierung im inzwischen der EU beigetretenen Rumänien als EU-Bürger(innen) in Berlin keinen Asylantrag stellen und keinen Anspruch auf Sozialhilfe geltend machen konnten (Tagesspiegel vom 26.05.2009). Dieses Beispiel illustriert auch die Diskrepanz zwischen den oft multiplen Migrationsmotiven von Zugewanderten und des einen, durch den Aufnahmestaat ‚institutionalisierbaren‘ Motivs, das anerkannt und einen rechtmäßigen Aufenthalt legitimiert (Weiß u. a. 2010: 197). Im Fall der Roma war nur die Einreise als Arbeit suchende EU-Angehörige, nicht aber als schutzsuchender Flüchtling akzeptabel. In anders gelagerten Fällen können Drittstaatenangehörige aufgrund ihrer Flucht vor Vorfolgung Asyl beantragen. Das zusätzliche Motiv, den eigenen Kindern ein Leben in einer wohlhabenden Gesellschaft zu ermöglichen, würde dagegen für sich genommen nicht als ausreichend legitim anerkannt werden.
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schen Flüchtlingen in den USA, vietnamesischen Boatpeople und Jüdinnen und Juden aus der Ex-UdSSR in der Bundesrepublik). Zu den rechtlichen Migrationskategorien, bei denen Einwanderungsländer nur verhältnismäßig grobe soziale Immigrationskriterien zugrunde legen können, zählt die Zuwanderung als Familienangehörige. Demokratien sind deutliche rechtliche Grenzen gesetzt (z. B. durch den Schutz der Familie im deutschen Grundgesetz und in UN-Konventionen, vgl. Bendel 2006: 111), diese Art der Zuwanderung vollständig zu unterbinden. Allerdings werden auch – im Einzelfall nicht unerhebliche – sozio-ökonomische Zusatzbedingungen gestellt, wie z. B. der Nicht-Bezug von Sozialhilfe von Personen, die Familienangehörige nach Deutschland nachkommen lassen wollen. Jenseits dieser Schwellen bringen nicht weiter ‚ausgewählte‘ nachziehende Familienangehörige entgegen populärer Annahmen nicht per se schlechte Eingangsvoraussetzungen für die sozio-ökonomische Integration mit. Vielmehr korrelieren mitgebrachte Ressourcen vor allem mit den Eigenschaften der bereits ansässigen, mit wenig oder viel Kapitalien ausgestatteten Familienangehörigen (Reitz 1998: 35). Die Restriktionen, die trotz der im Allgemeinen hohen Legitimität von Familienmigration bei dieser angewandt werden – etwa auch in Form von Kontingentierungen entsprechender Einreisevisa in den USA (Massey 2007: 138) – , können darüber hinaus zu zeitlichen Verzögerungen bei angestrebten Familienzusammenführungen führen. Eine daraus resultierende temporäre Trennung der Kindern von einem oder beiden Elternteilen stellt für die Kinder eine emotionale Belastung dar (Suárez-Orozco u. a. 2002; Hajji 2008), die sich möglicherweise auch auf die Schulleistung niederschlagen könnte. Migrant(inn)en, die Flucht oder Familienbindungen als legale Zuwanderungsgründe geltend machen können, gehören zur „universell legitimierte[n] Migration“ (Weiß u. a. 2010: 201) und sind entsprechend nur eingeschränkt ‚auswählbar‘. Diesen gegenüber stehen regulierbare Migrationsformen, bei denen kein an Menschen- und Grundrechte gebundener Rechtsanspruch besteht. An erster Stelle ist hier die nach ökonomischen Interessen von Politik und Wirtschaft gestaltete Auswahl von Arbeitsmigrant(inn)en zu nennen. Die Möglichkeit, ökonomische Auswahlkriterien für erwünschte Migration aufzustellen, ist bis heute der Bereich von Immigrationspolitik, „in which state interests reign supreme“ (Joppke 2005: 2). Aktuelle Beispiele sind hier die Punktesysteme Kanadas und Australiens sowie die vom Umfang her kleinere, dafür noch selektivere Zulassung hoch qualifizierter „professionals“ (H-1B Visa) in den USA (Reitz 1998: 70-83).15 Ein historisches Beispiel für die ökonomische Auswahl 15
Eine weitere Kategorie, bei der ein hohes Bildungsniveaus Zuwanderungsvoraussetzung ist, sind ausländische Studierende. Diese Bildungsmigrant(inn)en, sind – da sie meist ohne eigene Kinder einreisen – für meine Untersuchung zwar weniger relevant; für Fälle, in denen ein längerfristiger
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von Migrant(inn)en für Arbeitsplätze mit geringen Qualifikationsanforderungen stellt die Rekrutierung der einstigen ‚Gastarbeiter(innen)‘ aus dem südlichen Europa dar. Ein Beispiel für eine ökonomische Auswahl, die an einer Erwerbstätigkeit per se, nicht aber am Niveau der hierfür erforderlichen Ausbildung orientiert ist, ist die Freizügigkeit von Unionsbürger(inne)n als Arbeitnehmer(innen) innerhalb der EU. Wenig beachtet wurde bislang eine weitere Art der Zuwanderung, die ebenfalls zur von Nationalstaaten „regulierbaren Migration“ (Weiß u. a. 2010: 202) zählt und bei der spezifische Einreisekriterien zum Tragen kommen, die mehr oder weniger intendiert strukturelle Integrationschancen berühren: die „ethnische Migration“ (Joppke 2005). Bei dieser Migrantengruppe stellt ihre ethnische Zugehörigkeit die primäre Legitimation der Einwanderung dar. Die ‚ethnisch deutschen‘ Aussiedler(innen)¸ die im Zentrum meiner empirischen Analyse stehen, sind hinsichtlich ihres zahlenmäßigen Umfangs das prominenteste Beispiel. Vergleichbare Migrationskategorien gibt es aber auch in anderen Ländern, z. B. in Griechenland (Damanakis 1999), der Türkei (Pusch 2009), Spanien und Portugal sowie in der ethno-religiösen Variante in Israel (Joppke 2005). Das entscheidende Auswahlkriterium (neben möglichen zusätzlich zu erfüllenden Bedingungen) ist die ethnische Zugehörigkeit, die teils auf eine viele Jahrhunderte zurückliegende Emigration der Vorfahren aus dem Territorium des Aufnahmelandes zurückgeführt wird und die eng mit dem vorherrschenden ethnisch konnotierten Nationenverständnis verknüpft ist (Joppke 2005: 23-27). Die Zuwanderung wird nicht als solche bezeichnet, sondern eher als ‚Rückkehr‘ von Angehörigen des eigenen Ethnos konzipiert. Die Privilegierung dieses Personenkreises gegenüber anderen potenziellen Migrant(inn)en wird, z. B. im deutschen und israelischen Fall, zusätzlich mit dem Schutz dieser Gruppe vor oder der Kompensation für unterstellte oder reale ethnisch basierte Diskriminierung und Verfolgung im Herkunftsland politisch gerechtfertigt.16 In diesem Punkt ähnelt sich die Legitimierung der ethnischen und humanitären Migration. Allerdings ist die rechtliche Grundlage der ethnischen Migration, wie die faktische Beendigung des Aussiedlerzuzugs zeigt, viel eher revidierbar als die der menschenrechtlich geschützten Zuwanderung. Sie ist daher wie die ökonomisch selektierte Immigration zur regulierbaren Migration zu zählen.
Aufenthalt auch nach dem Studium rechtlich möglich und üblich ist, wäre das mitgebrachte und im Aufnahmeland weiter akkumulierte kulturelle Kapital aber für später geborene Kinder und deren Bildungschancen bedeutsam. 16 Vgl. ausführlich Joppke (2005) zu den demokratietheoretischen Legitimationsproblemen ethnischer Migration in liberalen Nationalstaaten.
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2.2.3 Zuwanderungskriterien und ihre Folgen für Integrations- und Bildungschancen Mit diesen fünf rechtlichen Zuwanderungskategorien (undokumentierte Migration, Flucht, Familien-, Arbeits- und ethnische Migration) sind in unterschiedlichem Maße drei Typen von Auswahlkriterien verbunden, die potenziell Bildungschancen von Migrantenkindern beeinflussen könnten: ökonomische Kriterien, ethnische Merkmale und Herkunftsländer. Im Folgenden wird diskutiert, warum diese Einreisekriterien von Bedeutung für Integrationschancen und speziell den schulischen Erfolg sein könnten. 2.2.3.1 Ökonomische Einreisekriterien Ökonomische Kriterien, die Arbeitsmigrant(inn)en erfüllen müssen, können, wie oben erläutert, eng oder weit gesteckt und auf unterschiedliche Segmente eines stratifizierten Arbeitsmarktes hin orientiert sein. Bei der Familienmigration sind die angewandten sozio-ökonomischen Zusatzbedingungen zwar eher niedrigschwellig, aber von ökonomisch besonders marginalisierten Gruppen nicht ohne weiteres zu erfüllen. Diesen Niveauunterschieden ökonomischer Einreisekriterien entsprechend kann ein immigrationspolitisch beeinflusster Kompositionseffekt unterschiedlich stark ausfallen. Am offensichtlichsten strukturiert dieser Typ von Einreisekriterien die ökonomischen Positionen der ausgewählten erwachsenen Migrant(inn)en im Aufnahmeland vor. Aber auch die Bildungschancen der mit- oder nachwandernden Kinder könnten indirekt zum Positiven oder Negativen beeinflusst werden, wie etwa Entorf und Minoiu (2004) argumentieren. Denn dem allgemeinen, vielfach belegten Zusammenhang zwischen dem sozio-ökonomischem Status der Eltern und dem Schulerfolg ihrer Kinder folgend, profitieren Kinder, deren Eltern viel kulturelles und/oder ökonomisches Kapital als Einreisekriterium nachweisen mussten, von den entsprechend vorteilhaften familialen Kontexten für ihre Schulkarriere, während jene Kinder das Nachsehen haben, deren Eltern für die Jobs am unteren Ende der Beschäftigungshierarchie rekrutiert wurden (vgl. allgemein Bourdieu 1977; Boudon 1974; Baumert/Schümer 2002). Kapitel 4.4 und 4.5 werden die Besonderheiten dieser intergenerationalen Reproduktionsmechanismen sozialer Ungleichheit speziell bei Migrant(inn)en diskutieren.
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2.2.3.2 Ethnische Einreisekriterien Wie ethnische Einreisekriterien mit Integrationschancen verbunden sein könnten, wurde in der Forschung bisher kaum erörtert. Ausgehend von einer soziologischen Perspektive, die ethnische Zughörigkeit, ethnische Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung als relational und sozial konstruiert versteht (Weber 1925; Wimmer 2005), ist eine einfache, deterministische Wirkung nicht erwartbar. Dennoch sind mehrere potenzielle Wirkungsmechanismen denkbar, denen zufolge es für gesellschaftliche Teilhabe und speziell für die Bildungschancen eine Rolle spielen könnte, wenn Menschen als ethnisch Eigenen Aufnahme gewährt wird: Die Migrant(inn)en könnten, gerade weil ihnen ihre ethnische Zugehörigkeit die Einwanderung ermöglicht, vor und zum Einreisezeitpunkt eine ausgeprägtere und eben ethnisch konnotierte Identifikation mit der Einwanderungsgesellschaft als andere Migrant(inn)en entwickelt haben (Rosenthal 2005: 324; Reitemeier 2006: 229f.) und daher besonders motiviert sein, sich sowohl sprachlich-kulturell anzupassen als auch eine soziale Aufwärtsmobilität im Aufnahmeland als neuem und dauerhaftem Lebensmittelpunkt anzustreben (vgl. Krentz 2002: 97). Dass eine solche Selbstidentifikation und potenzielle Assimilationsbereitschaft auch von der einheimischen Bevölkerung anerkannt wird, ist keineswegs selbstverständlich. Die Macht der „Etablierten“ (Elias/Scotson 2002 [1965]) kann diese Neuankömmlinge entgegen der offiziellen politischen Legitimierung durch andere Grenzziehungen durchaus zu Außenseitern machen. Im Vergleich zu Migrant(inn)en, die über andere rechtliche Wege zuwandern, könnten aber für nach ethnischen Kriterien Ausgewählte zumindest die längerfristigen Chancen, als zugehörig anerkannt zu werden, höher sein. Dies gilt insbesondere in dem Maße, in dem mit dem offiziellen ethno-kulturellen Einreisekriterium auch andere Marker ethnischer Grenzziehungen korrelieren, wie z. B. phänotypische Gemeinsamkeiten mit der ethnischen Majorität des Aufnahmelands. In ‚westlichen‘ Ländern mit historisch verwurzelten rassistischen Hierarchien im Hinblick auf Prestige und symbolische In- und Exklusion könnten die (Nachfahren von) Migrant(inn)en mit ähnlich heller Hautfarbe zumindest im Laufe der Zeit höhere Chancen als „visible minorities“ haben, im Alltag als ethnisch Eigene wahrgenommen und deshalb nicht mehr mit ethnischen Stereotypen konfrontiert zu werden (vgl. Alba 2005: 37-39). Konkreter als die ethnische Selbst- und Fremdidentifikation könnte sich ein anderer Aspekt ethnischer Zuwanderungskriterien auf Bildungschancen auswirken: Falls die Landessprache des aufnehmenden Staats ein Bestandteil der jeweiligen Konstruktion ethnisch-nationaler Zugehörigkeit ist und entsprechend, 46
wie für den Fall der Aussiedler(inne)n zu zeigen sein wird, Kenntnisse der Landessprache eine rechtliche Voraussetzung dieser ethnischen Migration sind17, wird die diesbezügliche Zusammensetzung dieser Migrantengruppe zum Zeitpunkt der Einreise beeinflusst. Im Vergleich zu anderen Migrant(inn)en könnten ihre Mitglieder damit im Schnitt günstigere sprachliche Startbedingungen für die gesellschaftliche Teilhabe allgemein und für die Schullaufbahn im Besonderen aufweisen (zur Bedeutung der Sprachkenntnisse von Migranteneltern und -kindern vgl. Kap. 4.2 und 4.3). 2.2.3.3 Zuwanderungsbeschränkung auf spezifische Herkunftsländer Rechtliche Einreisewege können nicht nur auf Individuen und Familien mit spezifischen sozio-ökonomischen oder kulturellen Merkmalen beschränkt sein, sondern auch auf spezifische Staatsangehörigkeiten und damit auf einzelne oder Gruppen von Herkunftsländern. Diese Auswahl geschieht entweder direkt, indem eine privilegierte Immigrationsmöglichkeit nur Personen aus bestimmten Ländern offen steht – so bei der EU-Binnenmigration oder bei Aussiedler(inne)n aus osteuropäischen Herkunftsländern – oder aber indirekt: Undokumentierte Migration und auch der Zuwanderungsweg als Asylsuchende sind für solche Staatsangehörigen typisch, denen keine andere, also auch keine einfachere und bessere Einreisemöglichkeit offen steht. Welche Konsequenzen hat die im- und explizite, mal enger, mal weiter gefasste Beschränkung rechtlicher Einwanderungswege auf bestimmte Herkunftsländer für die anschließenden Bildungschancen der Kinder? Es geht hier um unterschiedliche Ursachen für Effekte, die solche Gruppen als ganze betreffen können, also jenseits der bislang thematisierten individuellen bzw. familialen Merkmale (Schichtzugehörigkeit, Kenntnisse der Schulsprache des Aufnahmelands etc.), die zwischen Personen aus einem Herkunftsland variieren können. Pauschalisierende Annahmen über Kulturen bestimmter Herkunftsländer und deren inhärente Bildungsorientierungen sind problematisch (vgl. kritisch Vermeulen 2000; Steinberg 2000). Dennoch gibt es andere Effekte der nationalen Herkunft. Einmal ergeben sich solche Wirkungen aus der Relation der Bildungssysteme der Herkunftsländer zum Bildungssystem des Aufnahmelands (vgl. auch Kap. 4.8 zu empirischen Beispielen): Die Chancen von Migrantenkindern, die als Seiteneinsteiger(innen) nationale Bildungssysteme wechseln, auf einen reibungslosen Übergang sind umso 17
Bei den geforderten Sprachkenntnissen des Aufnahmelandes – einmal als Aspekt der askriptiven ethnischen Mitgliedschaft, das andere Mal als Bestandteil des erworbenen Humankapitals – gibt es also eine potenzielle Überschneidung der ethnischen und ökonomischen Zuwandererauswahl.
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besser, je enger die institutionelle Passung zwischen diesen Bildungssystemen ist, d. h. je ähnlicher die Curricula, die institutionellen Strukturen (z. B. Anzahl und Typen von Bildungsgängen, Alter der Schüler(innen) bei Selektionsentscheidungen) und die Lern-/Lehrkulturen der Schulsysteme in Herkunfts- und Aufnahmeland sind.18 Diese institutionelle Ähnlichkeit kann sich auch auf die Schulsprache erstrecken. Je enger diese institutionelle Passung der nationalstaatlich organisierten Bildungssysteme, desto eher wird das von Schulkindern bereits inkorporierte kulturelle Kapital transnational übertragbar sein. Zudem weisen Seiteneinsteiger(innen) bei der Einreise unterschiedlich hohe Kompetenzniveaus auf, die von der Qualität des Bildungssystems und dabei indirekt vom allgemeinen ökonomischen Entwicklungsniveau des Herkunftslands abhängig sind. Das Ausmaß und die Qualität der im Herkunftsland erfahrenen formalen Schulbildung sollten eine wichtige Startvoraussetzung für die weitere Bildungslaufbahn darstellen. Schließlich könnte das gesellschaftliche Entwicklungsniveau der Herkunftsländer auch das absolute Niveau des Bildungsminimums von Migranteneltern beeinflussen. So weisen selbst die relativ betrachtet gering gebildeten Migranteneltern aus reicheren Herkunftsländern immer noch eine höhere Schulbildung auf und können ihre Kinder besser in schulischen Belangen unterstützen als etwa Erwachsene aus Entwicklungsländern, bei denen ein niedriges Bildungsniveau eventuell auch Analphabetismus bedeutet (vgl. ähnlich in historischer Perspektive Baker/LeTendre 2005: 52). Ob dieser kollektive Herkunftslandeffekt auch für die am jeweiligen Niveau des Herkunftslands gemessen hoch Gebildeten zu erwarten ist, erscheint mir weniger vorhersagbar. Migranteneltern aus einer kleinen gesellschaftlichen (und Bildungs-)Elite eines ansonsten armen Landes könnten ähnlich viel inkorporiertes kulturelles Kapital besitzen wie etwa Akademikereltern aus reichen Herkunftsstaaten. Neben so vermittelten Herkunftslandeffekten auf Bildungschancen von Migrantenkindern verweist eine zweite, komplementäre Argumentationslinie auf die ethnische Positionierung und die Ressourcen ethnisch-nationaler Gruppen im Aufnahmeland (vgl. auch Kap. 4.9). Zum einen sehen sich Migrant(inn)en aus spezifischen Ländern mit ihrer Einordnung in hierarchische 18 Eine strukturelle Ähnlichkeit ist nicht nur zwischen geographisch benachbarten Ländern mit engen kulturellen und vergangenen politischen Verflechtungen wahrscheinlich, sondern auch im Fall ehemaliger Kolonien, in die die früheren Kolonialmächte ihre Bildungssysteme exportierten und deren institutionelle Charakteristika auch nach der Unabhängigkeit eine deutliche Beharrungskraft aufweisen (Cummings 1999: 431ff.). Die institutionellen Ähnlichkeiten könnten sich von Vorteil für Migrantenkinder erwiesen haben, die aufgrund der früheren kolonialen Bindung zwischen ihrem Herkunftsland und Einwanderungsländern wie Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden immigrieren konnten (eine weitere Zuwanderungsmöglichkeit, die aber in meinem deutschen Fallbeispiel keine Rolle spielt).
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„pre-existing ethnic relations“ (Reitz 2002: 1007f.) konfrontiert. Portes und Kolleg(inn)en (2009: 1079; Portes/Rumbaut 2001: 46) fassen diese positiven, neutralen oder feindseligen Einstellungen der einheimischen Bevölkerung als „society“-Dimension gruppenspezifischer Aufnahmekontexte. Ethnische Stereotype bis hin zu rassistischen Einstellungen können Bildungschancen von Migrantenkindern durch direkte Diskriminierung und auf subtilere Weise indirekt beeinflussen.19 Zum anderen können Migrant(inn)en aus spezifischen Ländern potenziell Zugang zu bildungsrelevanten Ressourcen ihrer Landleute haben, von Portes u. a. als die „community“-Dimension des Aufnahmekontextes bezeichnet. Reitz und Portes u. a. unterstellen implizit, dass sich das Herkunftsland, die ursprüngliche Staatsangehörigkeit und die ethnische Selbst- und Fremdidentifikation von Migrantengruppen überlappen. Das Beispiel der Aussiedler(innen) oder der Kurd(inn)en aus der Türkei zeigt, dass dies nicht der Fall sein muss. Die Herkunft aus bestimmten Ländern kann im Sinne eines Gruppeneffekts also Bildungschancen von Migrantenkindern über unterschiedliche Mechanismen beeinflussen. Aus welchem spezifischen Herkunftsland Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtsstatus kommen, kann dabei entweder direkt mit der immigrationspolitischen Beschränkung eines Zuwanderungsweges auf spezifische Länder zusammenhängen oder aber auf Selbstselektion beruhen, falls sich die rechtlichen Statuskategorie auf eine größere Anzahl von Herkunftsländer bezieht (EU- und Fluchtmigration) oder keinen Ausschluss bestimmter Herkunftsländer vorsieht (Familienmigration). 2.2.4 Zwischenresümee Zusammenfassend lassen sich die theoretischen Erörterungen zur immigrationspolitischen Dimension des Rechtsstatus und ihren Folgen für Integrationschancen wie folgt darstellen: Eine der Einreise vorgelagerte Zuwandererauswahl kann die Ausgangsbedingungen für die anschließenden gesellschaftlichen Teilhabechancen allgemein und die Bildungschancen im Besonderen beeinflussen. Angesichts der rechtlichen Selbst-Beschränkung von Einwanderungsländern, die Rechtsstaaten sind, können diese zwar bei – zahlenmäßig bedeutsamen – rechtlichen Migrationskategorien keine Einwanderungsbedingungen (Undokumentierte, Flüchtlinge) aufstellen oder dies nur in begrenztem Maße (Familien19 Mögliche Vermittlungsmechanismen sind die in psychologischen Forschungen nachgewiesenen Lehrererwartungs-Effekte und Effekte der Bedrohung durch Stereotype auf die Leistungsentwicklung von Schüler(inne)n (beispielhaft Steele 1997; zusammenfassend Schofield 2006: 15-17, 49-54; Diefenbach 2008: 120ff.; Suárez-Orozco u. a. 2009: 152).
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migration) tun. Bei weiterhin regulierbaren Zuwanderungswegen, die der Staat an sozio-ökonomische oder ethnische (inklusive sprachliche) Kriterien knüpft, wird über diese Auswahl jedoch die soziale Zusammensetzung der Migrantengruppen beeinflusst, so dass eine Auswirkung auf die strukturellen Integrationschancen der erwachsenen Migrant(inn)en wahrscheinlich ist. Ebenso wird ein indirekter Effekt – teils über die elterlichen Ressourcen vermittelt – auf die Bildungschancen der Kinder erwartet. Darüber hinaus sind einige rechtliche Einreisekategorien direkt oder indirekt auf bestimmte Herkunftsländer beschränkt; die nationale Herkunft wiederum kann jenseits individueller und familialer Merkmale aus den oben diskutierten Gründen als Gruppeneffekt Bildungschancen beeinflussen. Die Unterschiede zwischen Migrantenkindern bei ihrer Einreise – hinsichtlich individueller sozialer Merkmale, elterlicher Ressourcen, Herkunftsländer etc. – können für sich genommen zu differenziellen Bildungschancen führen – und sie wären für die Erklärung von Bildungsdisparitäten zwischen Zugewanderten ausreichend, wenn der Staat und die Gesellschaft diese Kinder und ihre Eltern ab diesem Zeitpunkt gleich gut oder schlecht behandeln würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der folgende Abschnitt befasst sich daher mit der zweiten, d. h. der integrationspolitischen, Dimension des Rechtsstatus von Migrant(inn)en und den Folgen der politisch-rechtlich stratifizierten Aufenthaltsbedingungen. 2.3 Stratifizierte Rechtsstatus und differenzielle Integrationspolitiken als Ursache ungleicher Integrations- und Bildungschancen Welche Folgen hat die staatliche Zuweisung von Zuwandernden zu unterschiedlichen rechtlichen Statuspositionen für ihr Leben in diesem Land? In welcher Hinsicht erfolgt eine unterschiedliche Behandlung? Welche direkten und indirekten Einflüsse könnten von rechtsstatusspezifischen Integrationspolitiken auf die Bildungschancen von Kindern ausgehen? Bislang war der Zusammenhang von Integrationspolitik und den tatsächlich stattfindenden Integrationsprozessen selten Thema sozialwissenschaftlicher Analysen (Baringhorst u. a. 2006: 10) – vor allem wenn es um migrantengruppenspezifische Regelungen innerhalb eines Staats und nicht um Unterschiede zwischen Staaten geht (vgl. Reitz 1998 als Beispiel für einen institutionenanalytisch akzentuierten Ländervergleich).20 20 Die europäisch vergleichend angelegten Untersuchungen von Fase (1994) und Allemann-Ghionda (1999) zu schulischen Integrations- und multikulturellen Anerkennungspolitiken für Schüler(innen) mit Migrationshintergrund stellen keine empirisch unterlegte Verbindung dieser institutionellen Regelungen zu den realisierten Bildungschancen her.
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2.3.1 Theoretische Ansätze in der Migrationssoziologie Für die traditionellen amerikanischen Assimilationstheorien der Chicagoer Schule (z. B. in Robert E. Parks „race relation cycle“) und bei ihren Nachfolgern in der Nachkriegszeit, z. B. Milton Gordon (im Überblick Alba/Nee 2003: 18-31), spielen formale rechtliche Ungleichbehandlungen von Migrant(inn)en durch den Staat (geschweige denn gruppenspezifische Integrationspolitiken) keine Rolle. In den ersten soziologischen Analysen der Arbeitsmigration nach Westeuropa änderte sich dies. So spricht Hoffmann-Nowotny (1973: 110f.) mit dem Konzept der „Sperrung von Statuslinien“ informelle, aber auch formelle Diskriminierung beim Zugang vor allem zum Arbeitsmarkt und zu politischen Rechten an. Wenn der Staat bzw. die „kontrollierenden Institutionen selbst diskriminierende Normen praktizieren (...) und zwar solche mit Gesetzescharakter“ (1973: 115), werden auch die Freiräume für informelle individuelle Diskriminierungen seitens der einheimischen Majorität und damit das Risiko einer strukturellen Marginalisierung der Migrant(inn)en größer. Sowohl die Identifizierung des Staats als potenziell diskriminierender Akteur als auch die Beobachtung, dass „institutionalisierte[n] Diskriminierung“ (1973: 195) die Basis für informelle Diskriminierung bilden kann, sind in ihrer für Machthierarchien sensiblen Perspektive wegweisend, bleiben aber auf die Untersuchung nur einer Migrantengruppe, nämlich erwachsener Arbeitsmigrant(inn)en, mit dem gleichen ausländerrechtlichen Status beschränkt.21 Auch in Essers frühen Analysen von Integrationsprozessen werden zwar „rechtliche Barrieren“ bzw. die Gewährung formaler Rechte als Eigenschaften der „Umgebung im Aufnahmesystem“ genannt (Esser 1980: 93, 99, 221). Im Forschungsparadigma des „methodologischen Individualismus“ (ebenda: 13f.) zählen diese rechtlichen Aspekte zu den „Randbedingungen“ des individuellen Handelns, die Teilhabe verhindern oder ermöglichen, bleiben aber letztlich marginal.22 Hieran schließt zweieinhalb Jahrzehnte später seine deutliche Negation einer Bedeutung von politischen Faktoren überhaupt an. Als Determinanten sprachlicher Anpassungsprozesse misst Esser (2006a: 6) den „‚Makro‘Kontexte[n], etwa die der allgemeinen Migrations- und Integrationspolitik der Aufnahmeländer und des öffentlichen Diskurses darüber“ im Vergleich zur Familien- und Migrationsbiographie und zum „alltäglichen Nahumfeld (...) wenn überhaupt, deutlich weniger Bedeutung“ bei.
21 Vgl. Steinbachs und Naucks (2000: 305) ähnliche Kritik an Untersuchungen der Bildungschancen von Migrantenkindern in Deutschland. 22 Mehr Aufmerksamkeit widmet Esser (1980: 136ff.) jedoch den sozialen Barrieren von Vorurteilen und Diskriminierungen seitens der aufnehmenden Gesellschaft.
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Eine andere, insgesamt optimistische Perspektive auf Staat und Politik nehmen Alba und Nee ein. Sie unterstreichen grundsätzlich „the importance of the institutional mechanisms at the command of the state“ (Alba/Nee 2003: 53). Die Hauptaufgabe des Staats bleibt bei ihnen allerdings auf die Aufstellung, Überwachung und Einhaltung formaler Regeln beschränkt. Bezogen auf den institutionellen Kontext der Integrationsprozesse von Migrant(inn)en nennen sie die Abschaffung explizit rassistischer Gesetzgebungen (im Lauf der 1960er Jahre in den USA), die Herstellung formaler rechtlicher Gleichstellung und die Überwachung des Diskriminierungsverbots als bedeutendste historische Veränderungen (Alba/Nee 2003: 53-55). Die vom Staat (auch dem USamerikanischen) selbst geschaffene rechtliche Stratifizierung zwischen Migrant(inne)n wird hingegen nicht thematisiert. Im Gegensatz zu Alba/Nee und Esser und eher im Anschluss an HoffmannNowotnys konflikttheoretische Perspektive rücken andere Forscher(innen) die rechtliche Ungleichbehandlung von Migrant(inn)en durch den Staat in den analytischen Fokus. So stellen für Waldinger (2003) nicht soziale und kulturelle Unterschiede, sondern staatlich geschaffene Rechtskategorien die wichtigsten Demarkationslinien innerhalb der Bevölkerung eines Nationalstaats dar: „(...) the crucial categorical memberships derive from the political organization of the contemporary migration regime (...) After all, the categories of ‚asylee‘, ,refugee‘, ,nonimmigrant resident‘, and ,naturalized citizen‘ refer to traits that are administrative, can only be understood within the contexts of the state system.“ (Waldinger 2003: 262)
Rechtliche Stratifizierungen als neu entdeckte Ungleichheitsdimension (vgl. auch Vertovec 2007: 1040) werden aber bislang kaum systematisch in Theorien zu Integrationsprozessen von Migrant(inn)en eingearbeitet. Um die Verbindung von rechtlichen Hierarchien zu Ungleichheiten in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen zu theoretisieren, bietet der Ansatz der „segmented assimilation theory“ der Migrationsforschergruppe um Portes, Rumbaut und Kolleg(inn)en eine zentrale Ausgangsbasis. Die von ihnen ausgemachten unterschiedlichen Integrationsverläufe, d. h. die multiplen Verbindungsmöglichkeiten von struktureller und kultureller Integration, sind als zu erklärendes Phänomen für meine Fragestellung dabei weniger wichtig.23 Be23 Im Gegensatz zu ‚neo-klassischen‘ Assimilationstheorien (vgl. z. B. Esser 2004) gehen Portes und Kolleg(inn)en nicht von einer notwendige Kopplung von sozio-ökonomischem Erfolg und kultureller Anpassung aus. Neben der ‚traditionellen‘ Variante eines Integrationsverlaufs, bei dem ein sozialer Aufstieg in die Mittelschicht der Aufnahmegesellschaft mit einer kulturellen Anpassung einhergeht, gibt es Portes (1995: 251) zufolge weitere Entwicklungspfade: Migrant(inn)en, die ökonomische Aufwärtsmobilität und Bildungserfolge mit der Aufrechterhaltung ethnischer Identifi-
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deutsamer ist ihre Konzeption der „modes of incorporation“, d. h. gruppenspezifischer Aufnahmekontexte, die unterschiedliche Dimensionen von Integration, darunter auch Bildungschancen, beeinflussen. Solche Inkorporationsmodi, „context[s] into which immigrants are incorporated“ (Portes u. a. 2009: 1079), werden neben dem sozio-ökonomischen Status der Eltern und der Familienstruktur als dritte zentrale Determinante für die Teilhabechancen von Migrantenkindern erachtet. In Abgrenzung von individualistischen Erklärungsansätzen wird argumentiert, dass diese gruppentypischen Inkorporationsmodi im Sinne eines Interaktionseffektes beeinflussen, wie die persönlichen und familialen Charakteristika ihre Wirkung entfalten können und ob sie zum Positiven oder Negativen abgeschwächt oder verstärkt wirken. Portes u. a. unterscheiden drei Dimensionen gruppenspezifischer Aufnahmekontexte a) die rechtlich-politischen Aufnahmebedingungen und, wie bereits in Kap. 2.2.3.3 angesprochen, b) die Einstellungen und Stereotype seitens der einheimischen Bevölkerung sowie c) die Präsenz und die Ressourcen der eigenen ethnischen community (Portes/MacLeod 1999: 377f.; Portes/Rumbaut 2001: 46; ähnlich Zhou/Xiong 2005: 1123). Die Auswirkungen dieser „tripartite (government/society/community) differences” (Portes u. a. 2009: 1079) wird dabei wie folgt konzeptionalisiert: „A receptive or at least neutral reception by government authorities, a sympathetic or at least not hostile reception by the native population, and the existence of social networks with a well-established and prosperous co-ethnic community pave the way for the possibility of putting to use whatever credentials and skills have been brought from abroad. Conversely, a hostile reception by authorities and the public and a weak or nonexistent co-ethnic community handicap immigrants and make it difficult for them to translate their human capital into commensurate occupations or to acquire new occupational skills.” (Portes u. a. 2009: 1079)
Für meine Fragestellung nach den Auswirkungen des Rechtsstatus von Migrant(inn)en und der daran geknüpften gruppenspezifischen Integrationspolitiken ist der staatliche Inkorporationsmodus zentral. „Although a continuum of possible governmental responses exists, the basic options are exclusion, passive acceptance, or active encouragement. When enforced, exclukationen und Netzwerke verknüpfen, und solche, bei der eine strukturelle Marginalisierung (Bildungsmisserfolg, Armut, Kriminalität) mit einer Akkulturation in das Bevölkerungssegment der verarmten, sozial marginalisierten und rassistisch diskriminierten Unterschicht stattfindet. Diese als „downward assimilation“ bezeichnet ‚Integrations‘-Form ergänzen Portes u. a. (2009: 1081) um eine vierte Variante von Integrationsverläufen, die intergenerationale „stagnation into subordinate manual jobs“. Meine Untersuchung geht davon aus, dass Bildungserfolge und -misserfolge sowohl mit kultureller Anpassung als auch einer bikulturellen Orientierung auftreten können.
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sion (...) forces immigrants into a wholly underground and disadvantaged existence. The second alternative is defined by the act of granting immigrants legal access to the country without any additional effort on part of the authorities to facilitate their adaptation. The neutral stance places newcomers under the protection of the law but does not grant them any special concessions to compensate for their unfamiliarity with their new environment. (...) A third governmental option occurs when authorities take active steps to encourage a particular inflow or facilitate its resettlement. (...) Government support is important because it gives newcomers access to an array of resources that do not exist for other immigrants.” (Portes/Rumbaut 2001: 46f.)
Dieser Grundgedanke der exkludierenden, passiven oder aktiven Zuwandererpolitiken ist für meine Untersuchung zentral. Die Idee, dass die jeweiligen politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen die Wirkung anderer Einflüsse auf Bildungschancen modifizieren kann, bezeichne ich als „integrationspolitisch bedingten Interaktionseffekt“. Allerdings wird von Portes u. a., so meine Kritik, eine Wirkung von positiven oder negativen politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen zwar plausiblerweise angenommen, nicht aber detailliert untersucht. Wenn etwa Portes und MacLeod (1996, 1999) den differenziellen Schulerfolg von politisch willkommenen kubanischen und vietnamesischen Flüchtlingen und politisch unerwünschten, oft ‚papierlosen‘ Migrant(inn)en aus Mexiko und Haiti analysieren, wird die genaue Wirkungsweise solch divergierender Immigrationsumstände nur grob skizziert. Steinbach und Nauck (2000: 306ff.; 316ff.) gehen insofern differenzierter vor, als sie in ihrem deutsch-israelischen Vergleich die Ausrichtung und Kombination der integrationspolitischen Programme für politisch privilegierte Migrantengruppen unterscheiden und diese in Bezug zu unterschiedlichen (kulturell-kognitiven, strukturellen und sozialen) Dimensionen der Integrationsverläufe der betroffenen Erwachsenen setzen. So weisen sie u. a. nach, dass der Besuch staatlicher Sprachkurse mit einer Verbesserung der (subjektiv eingeschätzten) Deutschkenntnisse von Aussiedler(inne)n sowie deren arbeitsmarktbezogene Unterstützung mit einer häufigeren Aufnahme einer Erwerbstätigkeit assoziiert sind. Dabei begünstigt die sprachlich-kognitive Integration wiederum die strukturelle. Allerdings führen Steinbach und Nauck keinen Vergleich mit rechtlich benachteiligten Einwanderergruppen durch, wie er für die vorliegende Untersuchung zentral ist. Unbefriedigend ist weiter, dass bei Portes u. a. unklar bleibt, warum sie in ihrer theoretischen Argumentation nur über den für ethnische Gruppen typischen Rechtsstatus sprechen und nicht auch den von Individuen thematisieren. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass in den verwendeten quantitativen Daten keine Information über den Rechtsstatus von Individuen verfügbar ist. Unstrittig 54
ist, dass der politisch-rechtliche Aufnahmekontext in dieser Konzeption eine Determinante ist, die Unterschiede zwischen ethnisch definierten Migrantengruppen erklären soll. Ich wende das Konzept der staatlichen Inkorporationsmodi jedoch in einer etwas anderen Perspektive an. Dieser zufolge kann innerhalb einer durch den Rechtsstatus definierten Migrantengruppe die nationale bzw. ethnische Herkunft variieren (dies muss aber nicht der Fall sein). Die drei Modi politisch-rechtlicher Inkorporation, wie sie in dieser Arbeit verstanden werden, lassen sich wie folgt idealtypisch charakterisieren: Ein exkludierender negativer Inkorporationsmodus umfasst sowohl die vollständige Exklusion, wenn Migrant(inn)en Rechte komplett oder weitestgehend verwehrt werden, sowie eine Teilexklusion, wenn wesentliche Rechte eingeschränkt oder nur unter Auflagen gewährt werden. Der Aufenthalt dieser Gruppe ist unerwünscht, ihre Integration wird aktiv verhindert. Bei einem neutralen Inkorporationsmodus wird ein dauerhafter Aufenthalt dieser Migrant(inn)en akzeptiert oder die Erlaubnis hierzu in Aussicht gestellt. In viererlei Hinsicht sind solche ausländischen Zugewanderten Inländer(inne)n formal gleichstellt. Dies schließt auch den Zugang zu allgemeinen wohlfahrtsstaatlichen Institutionen und die Inanspruchnahme ihrer Leistungen ein – einschließlich solcher, die Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft, des Geschlechts etc. kompensieren sollen. Ein aktiver positiver Inkorporationsmodus bietet über den neutralen Modus hinausgehend migrantenspezifische Integrationsförderung an. Besonders relevant für den Bereich der strukturellen Integration von Migrant(inn)en sind die integrationspolitischen Maßnahmen, die den unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen jener gegenüber Einheimischen institutionell Rechnung tragen und versuchen, nachteilige Ausgangslagen zu kompensieren (Hammar 1985: 9). Ziel solcher migrantenspezifischen Politiken kann es zum Beispiel sein, das Erlernen der Landessprache zu fördern, Kenntnisse über die Aufnahmegesellschaft zu vermitteln oder im Ausland erworbene Bildungszertifikate anzuerkennen. Ein solcher positiver Aufnahmemodus, so meine Ergänzung zu Portes u. a., kann sich auch auf eine leichtere und schnellere Einbürgerung erstrecken. Das noch relativ abstrakte Konzept der differenziellen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi entspricht in der vorliegenden Arbeit in etwa der von mir definierten integrationspolitischen Dimension des Rechtsstatus (vgl. auch Abb. 2-2). Dessen Mehrdimensionalität und Einfluss auf Bildungschancen werden nun eingehender beleuchtet.
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2.3.2 Stratifizierte Rechtsstatus und ihre Teildimensionen Um den Ansatz der politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi von Portes und Kolleg(inn)en weiterzuentwickeln, greife ich auf Forschungen zum Konnex zwischen Staatsbürgerschaft, Wohlfahrtsstaat und Migration zurück. Diese bringen systematisch zwei notwendige Differenzierungen ein: zum einen eine explizitere Thematisierung der unterschiedlichen Rechtsstatus von Migrant(inn)en, auf denen eine Ungleichbehandlung durch den Staat basiert; zum anderen die Differenzierung unterschiedlicher Rechtsdimensionen. Zunächst zum ersten Aspekt: Wie bereits in der Definition von Rechtsstatus im Kapitel 1 eingeführt, stellt die Dichotomie zwischen inländischen und ausländischen Staatsangehörigen die grundlegenden Kategorien dieser „staatlich verfügten Statusordnung“ (Baker/Lenhardt 1988: 42) dar. Die aufenthaltsrechtlichen Differenzierungen innerhalb der Kategorie der Ausländer(innen), einschließlich der Undokumentierten, drücken den unterschiedlichen Grad der Annäherung an die volle Mitgliedschaft in einem Nationalstaat, d. h. an die Staatsbürgerschaft, aus. Mohr (2005: 386ff.) spricht in Anlehnung an Morris (2002: 19ff.) von einer „aufenthaltsrechtlichen Stratifizierung“ durch den Aufnahmestaat (ähnlich Massey/Bartley 2005: 472; Heinelt/Lohmann 1992: 32 ff.; Cornelius/Rosenblum 2005). Konflikttheoretisch deutet Mackert (1998: 57f.) die Differenzierung von Aufenthaltsstatus, die „zur Grundlage äußerst differenzierter Lebenschancen wird“, als eine absichtliche „Fragmentierung“ „im Sinne des ‚Teile und Herrsche‘“, mit der der Nationalstaat die „Exklusivität nationaler Staatsbürgerschaft für seine Bürger“ bewahren will (vgl. auch aus einer systemtheoretischen Perspektive Bommes 1999: 182 ). Mit jedem Rechtsstatus auf diesem hierarchischen Spektrum ist eine bestimmte Kombination aus gewährten und nicht gewährten Rechten verbunden. Das maximale Bündel an Rechten besteht in Anlehnung an Marshalls (1992[1949]) klassische Analyse von Staatsbürgerschaft aus bürgerlichen Freiheitsrechten, politischen und sozialen Rechten, wobei Letztere im Sinne des anglo-amerikanischen Verständnisses von Wohlfahrtsstaat auch bildungsbezogene Rechte einschließen. Als wichtige Ergänzung zu diesen drei Haupttypen von Rechten benennen Everson und Preuß (1995: 71) die „protection of physical affiliation“, also den Schutz vor Ausweisung, wobei die absolute Bleibesicherheit erst durch die volle Staatsbürgerschaft garantiert ist. Analysen zu Migrant(inn)en in modernen Wohlfahrtsstaaten unterstreichen nun, dass diese unterschiedlichen Rechte nicht mehr alleine den Staatsbürger(inne)n eines Landes vorbehalten sind. Insbesondere soziale Rechte, also die Mitgliedschaft im Wohlfahrtsstaat – nicht in der politischen Gemeinschaft – , sind auf große Kreise der dauerhaft im Aufnahmeland wohnhaften Auslän56
der(innen) übertragen worden, für die Hammar (1990) den Begriff der „denizens“ prägte (vgl. auch Guiraudon 1998, 2000; Stichweh 1998; Joppke 1999; Mohr 2005). Hierarchische Trennlinien zwischen Statusgruppen verlaufen dabei je nach Rechtsdimension unterschiedlich. Je nachdem, ob es um politische, ökonomische, soziale, auf Bildung bezogene Rechte oder die Bleibesicherheit geht, gibt es unterschiedliche Überlappungen zwischen den Rechtskategorien. Die stratifizierte Hierarchie zwischen rechtlicher Exklusion und Inklusion von Migrant(inn)en ist demnach multidimensional zu verstehen. In den anschließenden Unterkapiteln wird herausgearbeitet, über welche unterschiedlichen Wirkungsmechanismen der Grad der Inklusion in diesen verschiedenen Rechtsdimensionen die Bildungschancen von Migrantenkindern beeinflussen könnte. Dabei sind formalrechtliche Unterschiede zwischen Migrantengruppen von primärem Interesse. Zumindest in der theoretischen Betrachtungsweise ist aber eine hiervon Ebene abweichende Rechtsrealität in Rechnung zu stellen. Mehrere Gründe können hierfür eine Rolle spielen. Die Möglichkeit, formal vorhandene Rechte zu realisieren, hängt vom Wissen um diese Rechte seitens der Migrant(inn)en ab (Weiß 2010: 123) und, wie Lockwood (1996: 536) betont, von ihren verfügbaren – hier vor allem schichtspezifisch gedachten – Ressourcen.24 Staatliche Behörden, die Rechte und Leistungen zubilligen oder verweigern, können vorhandene Ermessensspielräume unterschiedlich nutzen (Weiß 2010: 129) sowie – wissentlich oder unwissentlich – rechtskonform oder rechtswidrig handeln (Flam 2007a: 13, 155). Dabei argumentiert Marrow (2009: 759), dass die politischen Vorgaben die „basic instiututional ‚rules of the game‘“ definieren‚ aber auch die professionellen Haltungen der Staatsangestellten beeinflussen und den Spielraum für eine eher inkludierende oder restriktive Umsetzung erweitern oder verengen könnten. Darüber hinaus sollte gerade bei der aktiven Integrationsförderung Intention und tatsächliche Wirkung nicht automatisch gleichgesetzt werden. Letztere hängt nicht nur von offensichtlichen Faktoren wie der Qualität und Reichweite der Maßnahmen, deren Wahrnehmung durch Migrant(inn)en als (de-)motivierend oder von der Freiwilligkeit der Teilnahme ab. Zudem kann eine ‚Förder‘-Maßnahme in ihrem Zusammenspiel mit anderen institutionellen Strukturen und Regeln unintendierte – z. B. de facto stigmatisierende – Effekte haben. Hierauf wird für den Bereich Bildung noch ausführlicher eingegangen. Trotz der Möglichkeit solcher unintendierter Folgen bleibt zu bedenken, dass die NichtGewährung oder eine geringe Qualität integrationspolitischer Angebote dazu führt, dass die Betroffenen aus eigener Kraft versuchen müssen, migrationsbedingte Nachteile zu überwinden. In welchem Maße dies gelingt, hängt dann in 24 Untersuchenswert wäre etwa, ob Flüchtlinge mit hoher Bildung eher als gering gebildete einen Asylantrag erfolgreich durchfechten können.
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einem höheren Maße von den finanziellen, sozialen und kulturellen Kapitalien der Einzelnen und ihrer Familien ab. Auch wenn nicht jedes formal gewährte Recht realisiert wird und nicht jede Integrationsmaßnahme ihren intendierten Zweck erfüllt, macht es einen Unterschied, ob spezielle Rechte und Leistungsansprüche je nach Rechtsstatus überhaupt formal gewährt werden und zumindest theoretisch einklagbar wären oder nicht. 2.3.3 Die Wirkungen unterschiedlicher Dimensionen des Rechtsstatus auf Bildungschancen Im Folgenden wird diskutiert, wie unterschiedliche Dimensionen stratifizierter Rechtsstatus Einfluss auf Bildungschancen von Migrantenkindern ausüben könnten. Eine so differenzierte Betrachtung rechtlicher Statuskategorien ist notwendig, da nicht jeder Rechtsbereich und die dort vorhandenen Differenzen zwischen Statusgruppen von (auch nur indirekter) Bedeutung für Bildungschancen ist. So ist gerade die Dimension der politischen Rechte und Teilhabe, in der die deutlichste Grenzziehung zwischen Staatsbürger(inne)n – inklusive eingebürgerter Migrant(inn)en – und Nicht-Staatsbürger(inne)n vorliegt, wohl nur sehr indirekt in Bezug zum Schulerfolg der Kinder zu setzen. Ob eingebürgerte Migrant(inn)en ihre potenziellen Einflussmöglichkeiten als Wähler(innen) und Gewählte nutzen (können), um bildungspolitische Rahmenbedingungen in ihrem Interesse zu verändern, erscheint zumindest in der Anfangsphase der Niederlassung weniger wahrscheinlich. Hierzu wurde noch kaum geforscht. Als bedeutsam für die Bildungschancen werden mehrere Teildimensionen des Rechtsstatus erachtet: Intrinsisch an den Aufenthaltsstatus gekoppelt ist die Bleibesicherheit von Migrantenfamilien, d. h. der Eltern und Kinder. Bildungsrechte und bildungsbezogene Interventionen betreffen Migrantenkinder in ihrer Rolle als Schüler(innen) und könnten daher am direktesten Einfluss auf Bildungschancen haben. Ökonomische Rechte, soziale Rechte im Sinne des Zugangs zu Sozialversicherungssystemen und der Zugang zu Sprachförderung und Beratungsdiensten für Erwachsene sind als über das Elternhaus vermittelte Wirkungsmechanismen zu beachten. Das Recht auf Freizügigkeit bzw. dessen Einschränkung durch Wohnortzuweisungen determiniert das Wohnumfeld und damit auch die vor Ort vorhandenen Bildungsinstitutionen, in denen die schulische Integration stattfindet. Schließlich besteht ein Wechselverhältnis zwischen der rechtlichen Stratifikation und den begleitenden politische Diskursen. Diese Dimension der symbolischen In- und Exklusion jenseits von Gesetzestexten betrifft Migrantengruppen im Sinne eines kollektiven Gruppeneffekts. 58
Die Wirkungsweisen der unterschiedlichen Dimensionen des Rechtsstatus werden also über unterschiedliche Ebenen vermittelt: die der Kinder selbst, die ihrer Eltern bzw. der gesamten Familie, der Gruppe und des Wohnkontextes. Die Abbildung 2-2 skizziert diese direkten und indirekten Wirkungsweisen und differenziert damit gegenüber der Abbildung 2.1 die integrationspolitischen Einflüsse des Rechtsstatus weiter aus. Die im Folgenden diskutierten rechtlichen Teildimensionen können – wie der weniger differenziert konzeptionalisierte politisch-rechtliche Inkorporationsmodus – eine negative, neutrale oder positive Ausrichtung haben. Abb. 2-2: Dimensionen des Rechtsstatus und ihre direkten und indirekten Einflüsse auf Bildungschancen Bildungsbezogene Rechte und Maßnahmen (Kinder) Bleibesicherheit (Kinder und Eltern) Ökonomische Rechte (Eltern) Rechtsstatus
Soziale Rechte (Familie) Sprachförderung / Beratungsangebote für Erwachsene (Eltern) Recht auf Freizügigkeit / Wohnortzuweisung (Wohnkontext)
Familiale Lebenssituation / Kompetenzen und Ressourcen der Eltern
Bildungschancen
lokales Bildungsangebot
symbolische In- und Exklusion (Gruppe)
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2.3.3.1 Bleibesicherheit Zentrale Aspekte des Rechtsstatus, die Migrant(inn)en als ‚ganze Person‘ erfassen und ihre existenziellen Lebensumstände mit prägt, sind die gewährte Aufenthaltsdauer und die Bleibesicherheit. Nur durch den Zugang zur Staatsbürgerschaft genießen Migrant(inn)en das Recht, selbst im Fall schwerer Straftaten nicht ausgewiesen zu werden und jederzeit wieder in das Staatsgebiet einreisen zu können (Everson/Preuß 1995: 71; Hailbronner 1993: 112). Innerhalb der Gruppe der Ausländer(innen) sind jene ohne rechtmäßigen oder nur mit prekärem Status in einer besonders nachteiligen Position. Aus der Perspektive der Betroffenen hängt vom Grad der Bleibesicherheit die objektive Möglichkeit ab, ein Leben in dem Aufnahmeland planen zu können oder nicht. Die rechtlich gegebene Bleibemöglichkeit muss nicht mit den subjektiven Wünschen korrespondieren. Für den Fall, dass Menschen in einem Land bleiben wollen, aber nicht dürfen, oder dies über einen langen Zeitraum unklar ist, sind dies ohne Zweifel die Integration erschwerende Lebensumstände. Die allgemeine Bleibeperspektive von Migrantenfamilien als motivationale Rahmenbedingung kann auch für deren Bildungsziele und Bildungsanstrengungen relevant sein, wie Steinbach (2006: 200) für Aussiedler(innen) als bleibewillige und bleibeberechtigte Migrant(inn)en und Nauck u. a. (1998: 703) für türkeistämmige Familien argumentieren (ähnlich Baker/Lenhardt 1988: 44). Letztere hatten als ‚Gastarbeiter(innen)‘ oder – ab den 1980er Jahren – als Flüchtlinge oft eine rechtlich wie subjektiv begrenzte Bleibeperspektive. Aus ihrer Feldforschung zu Migrant(inn)en ohne sicheren Aufenthaltstitel in den USA leitet Menjívar (2008: 180) ihre These ab, es sei „the long-term uncertainty inherent in these immigrants‘ legal status that (...) shapes these immigrants‘ fortunes, including their educational experiences“. Ähnlich argumentieren auch Gogolin und andere (2003: 19), „dass nicht die Bleibe- oder Rückkehrperspektive an sich verantwortliche Faktoren [für Bildungschancen von Migrantenkindern, Anm. J.S.] sind, sondern die Möglichkeiten einer selbstbestimmten Lebensplanung, die einen sicheren Aufenthaltsstatus voraussetzt.“ Wer vom Zeitpunkt der Einreise an weiß, dass die eigene Zukunft in dem Aufnahmeland liegen wird, oder als Mitglied der einer transnationalen Elite bewusst einen zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalt mit den Kindern plant, wird, so meine Annahme, deren Schulkarriere im Schnitt motivierter und energischer angehen als jemand, dessen Verbleib unklar bleibt oder über dessen Kopf dauerhaft das Damoklesschwert einer unerwünschten Rückkehr in das Herkunftsland hängt. Aus einer stärker institutionalistischen Perspektive betrachtet, können auch Schulen auf die gewährte Aufenthaltsdauer und Bleibesicherheit ihrer Schüler(inn)en unterschiedlich reagieren: Ein Schulsystem kann entweder von der T
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‚Fiktion‘ ausgehen, dass alle neu einwandernden Migrantenkinder (und im Inland geborenen Kinder von Ausländer(inne)n) dauerhaft und vollständig die allgemeinbildende Schule durchlaufen werden. Oder aber es bietet solchen Migrantengruppen, deren Aufenthalt nur unter Vorbehalt gewährt wurde, lediglich ‚provisorische‘ schulische Parallelstrukturen an. 2.3.3.2 Recht auf Bildung und schulische Fördermaßnahmen Die Rechtsdimension, die am offensichtlichsten mit Bildungschancen in Verbindung gebracht werden kann, ist die der bildungsbezogenen Rechte und Integrationspolitiken selbst. Als zwei grundsätzliche Aspekte gilt es zu unterscheiden, ob der Rechtsstatus von Migrantenkindern erstens ausschlaggebend für den Zugang zum Bildungssystem ist und zweitens innerhalb der Schule die Basis für eine differenzielle Behandlung unterschiedlicher Zuwanderergruppen darstellt. Der formale Zugang von Migrantenkindern zu Bildung bzw. zum Schulsystem des Aufnahmelands ist in der Tendenz universalistisch geprägt – im deutlichen Gegensatz etwa zur stark regulierten Partizipationsmöglichkeit erwachsener Ausländer(innen) auf dem Arbeitsmarkt und ihrer politischen Exklusion. Wie Baker und Lehnhardt (1988: 43) für die Bundesrepublik (ähnlich Mackert 1998: 572; Bommes 1999: 214) und Guiraudon (2000: 80f.) im internationalen Vergleich zeigen, sind heutzutage Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus keine zentralen Kriterien, um den Zugang zu Schulen zu verweigern oder zu gewähren. Begreift man wie Marshall (1998 [1949]) das Bildungssystem in der angelsächsischen Tradition als Teil des nationalen Wohlfahrtstaates, so wurde das Recht auf schulische Allgemeinbildung als eine Unterkategorie sozialer Bürgerrechte in besonderem Maße auf ausländische Staatsangehörige ausgeweitet. Außer in nationalen Gesetzen ist das Recht auf Bildung zudem im internationalen Recht, insbesondere im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen (Artikel 13) von 1966 sowie in der Kinderrechtskonvention (Artikel 28, 29) aus dem Jahr 1989, verankert (Motakef 2006: 10f.; Wintsch 2008: 78 sowie 75-112 detailliert zu völkerund europarechtlichen Bestimmungen). Gänzlich uneingeschränkt galt und gilt dieser „Inklusionsuniversalismus“ (Bommes 1999: 214) allerdings nicht. Zum einen ist er historisch expandiert. So war etwa im demokratischen Westdeutschland der 1960er Jahre die Schulpflicht für ausländische Kinder zunächst keine Selbstverständlichkeit (Krüger-Potratz 2005: 56) und auch nach ihrer formalen Einführung blieben noch Ende der 1970er 30 % der nicht deutschen Kinder den allgemeinbildenden Schulen fern (Baker/Lenhardt 1988: 44). Im internationalen Vergleich variiert die formale 61
Geltung des Rechts auf Schulbildung. So steht in den USA das Recht undokumentierter Migrantenkinder, eine Schule (bis zum Abschluss der high school) zu besuchen, seit dem Urteil des obersten Gerichtshofes von 1982 außer Frage (Marrow 2009: 762). Wie in Kapitel 3.2.2.1 ausgeführt wird, hängt dagegen in einigen deutschen Bundesländern die Schulpflicht von einem rechtmäßigen Aufenthalt ab. Bei Kindern ohne legalen Status wird ihr de jure bestehendes Recht auf Bildung durch eine drohende Entdeckung und Abschiebung, also den verweigerten aufenthaltsrechtlichen Schutz, faktisch untergraben. Vorausgesetzt, Migrantenkindern wird der Zugang zu Schule gewährt, spielt dann ihr spezifischer Rechtsstatus für ihre Beschulung eine Rolle? In zwei von drei Szenarien wäre dies nicht der Fall. Erstens könnte der Staat allen Migrantenkindern gleichermaßen nur einen neutralen Inkorporationsmodus anbieten. Sie sind den inländischen Schüler(inne)n formal gleichgestellt, erhalten darüber hinaus aber keine migrantenspezifische Förderung.25 Diese formale Gleichstellung bedeutet natürlich noch nicht, dass Migrantenkinder gleiche Bildungschancen wie Einheimische oder eine ‚Garantie‘ auf gute Schulleistungen haben. Da Bildungssysteme (gerade die Primar- und Sekundarbildung) nationalstaatlich organisiert sind, haben Migrantenkinder strukturell schlechtere Startvoraussetzungen. In der Regel werden die von Migrantenkindern mitgebrachten Sprach- und fachlichen Kompetenzen, die im Aufnahmeland nicht in Form der Schulsprache und in Curricula institutionalisiert sind, nicht beachtet. Stattdessen zählen bei Benotung und Bildungsempfehlungen nur die in der Schulsprache erbrachten Leistungen (Gogolin 1994; Diefenbach 2004b: 242). Diese Schlechterstellung von fremdsprachigen Migrantenkindern ist zunächst ein „by-product of the ,normal‘ functioning of nationally specific subsystems“ (Weiß 2006: 134; zur institutionellen „side-effect discrimination“ vgl. auch Feagin/Feagin 1986: 32). Wenn Schulen Migrantenkinder nicht dabei unterstützen, sich z. B. Kompetenzen in der Schulsprache als Voraussetzung für gute Leistungen rasch anzueignen, stellt ein solcher „colour-blind approach“ (Fase 1994: 132) eine indirekte Diskriminierung dar. Diese resultiert „aus der Anwendung gleicher Regeln und Normen, die bei verschiedenen Gruppen grundsätzlich ungleiche Chancen ihrer Erfüllung zur Folge haben (z. B. Deutschkenntnisse als Maßstab zur Bewertung sprachlicher Leistungen)“ (Gomolla/Radtke 2000: 326; vgl. auch Feagin/Feagin 1986: 126). Ohne Kompensationsmaßnahmen werden, der allgemeinen Logik der Reproduktion sozialer Ungleichheit folgend (Solga 2005b: 29), bei einer solchen formalen Gleichbehandlung von Ungleichen vorhandene 25
Eine Gleichstellung schließt auch die mögliche Inanspruchnahme allgemeiner bedarfsabhängiger Leistungen für Schüler(innen) aus einkommensarmen Elternhäusern, wie in den USA kostenfreie Mittagessen in der Schule oder in der Bundesrepublik eine Befreiung vom Büchergeld, mit ein.
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Disparitäten tendenziell reproduziert. Die zwischen Migrantenkindern variierenden außerschulischen und vor allem familialen Unterstützungspotenziale werden ausschlaggebend für die erfolgreiche Überwindung der gegenüber Einheimischen schlechteren Ausgangslagen. Im zweiten Szenario gehen die Schulen (d. h. die Schulgesetze) über die formale Gleichstellung von Migrant(inn)en mit Einheimischen hinaus, bieten anstelle jenes „swim-or-sink“-Prinzips Fördermaßnahmen an, aber beachten hierfür eben nicht den Rechtsstatus, sondern einen festgestellten pädagogischen Bedarf – d. h. vor allem nicht vorhandene oder als ungenügend erachtete Kompetenzen in der Unterrichtssprache. In diesem zweiten Szenario ist noch nichts darüber ausgesagt, ob die angewandten Maßnahmen26 gemäß ihrer Intention tatsächlich Sprachkenntnisse und Bildungskarrieren fördern oder nicht. Bisherige Forschungen zeigen, dass etliche migrantenspezifische Maßnahmen Wege zu höherwertigen Bildungsabschlüssen eher versperren, als öffnen können (Radtke 1996: 52; Gomolla/Radtke 2002: 102; Krüger-Potratz 2005: 68; Diefenbach 2005: 51f.; Flam/Kleres 2007: 77ff.). Längerfristig von Regelklassen segregierende Beschulungsformen und die Konzentration von mono- oder bilingualen Vorbereitungsklassen auf Hauptschulen programmieren schulische Misserfolge vor; inadäquate Lehrerausbildung und fehlende finanzielle Ressourcen unterminieren den potenziellen Nutzen von im Grundsatz benötigter migrantenspezifischer Unterstützung. In diesem zweiten Szenario spielt aber der Rechtsstatus keine formale Rolle dafür, ob Migrantenkinder speziellen Maßnahmen zugewiesen werden und daraus eine gute oder schlechte Förderung folgt. Für meine Untersuchung ist die entscheidende Frage, ob das dritte Szenario existiert: Werden Migrantenkinder aufgrund ihres unterschiedlichen Rechtsstatus in Schulen formal unterschiedlich behandelt und gefördert? Für den Fall, dass rechtliche Regelungen zwischen Migrantenkindern mit verschiedenen Rechtsstatus unterscheiden, gilt es zu eruieren, ob die ungleiche Behandlung durch das Bildungssystem derart ausgestaltet ist, dass daraus unterschiedliche Bildungschancen resultieren könnten, und wie förderlich die umgesetzten Maßnahmen tatsächlich sind. 26
Die international typischen Förderinstrumente sind die Unterrichtung der Schulsprache parallel zum Regelschulbesuch oder in speziellen (meist einjährigen) Vorbereitungskursen sowie zusätzliche Ressourcen, etwa für Nachhilfeunterricht oder mehr Lehrkräfte (Stanat/Christensen 2007: 148ff.). Ferner regeln migrantenspezifische Schulpolitiken, wie Seiteneinsteiger(innen) ihre begonnenen Schulkarrieren fortsetzen. Einer solchen Entscheidung bedarf es vor allem, wenn Jugendliche in ein gegliedertes Sekundarschulsystem (und nicht in ein Gesamtschulsystem) ‚eingeordnet‘ werden müssen. (vgl. auch Kap. 4.1 zur Wirkung des Einreisealters). Ähnlicher Regelungen bedarf es auch bei der – von mir nicht weiter behandelten – Anerkennung bereits im Ausland erworbener Sekundarschulabschlüsse. Ob oder unter welchen Auflagen Schulzeugnisse anerkannt werden, entscheidet darüber, ob eine gewünschte Fortsetzung der Bildungslaufbahn ermöglicht oder behindert wird.
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Dieses dritte Szenario behält hier noch einen hypothetischen Charakter. Denn während in anderen Dimensionen des Rechtsstatus (z. B. Bleibesicherheit oder ökonomische Rechte) eine starke Stratifizierung zu erwarten ist, erscheint dies bezogen auf Bildung von Kindern wesentlich weniger vorhersagbar. Für ein institutionelles Ignorieren rechtlicher Statusunterschiede würde sprechen, dass solche Kategorien, die in ihrer Rechtsform außerhalb des Bildungssystems durch die allgemeine Gesetzgebung geschaffen wurden, aus der Perspektive des Bildungswesens zunächst „externe“ Kategorien sind (vgl. Solga 2005a: 134). Dass im Bildungssystem solche Unterscheidungen, „perceived and arranged as a special policy category“ (Fase 1994: 93), auch intern handlungsrelevant werden, ist voraussetzungsvoll. Unter welchen Bedingungen findet in Tillys (1998: 10) Sinn von „emulation“ die Übernahme einer (hier rechtlichen) Kategorisierung von Personen in einen anderen sozialen Kontext (hier Schulen) statt? Um per Gesetz eine Ungleichbehandlung zu legitimierten, muss die hierarchische Unterscheidung zwischen rechtlichen Statusgruppen in so hohem Maße institutionalisiert und selbstverständlich sein, dass die starke Tendenz der universalistischen Norm im Bildungssystem – ‚Jedes (Migranten-)Kind hat ein Recht auf gute Bildung!‘ – und der juristische Gleichheitsgrundsatz aufgehoben werden kann. Diese Spannung besteht primär in Hinblick auf eine formale Ungleichbehandlung. Für eine informelle Ungleichbehandlung in Schulen, für divergierende Lernerwartungen seitens der Lehrer(inn)en etc., würden dagegen bereits die allgemeinen öffentlichen Diskurse (s. Abschnitt 2.3.3.7) über das Image unterschiedlicher Migrantengruppen eine ausreichende Basis bieten. Gerade, aber nicht nur, wenn im Bildungssystem selbst keine allzu offensichtliche Unterscheidung zwischen Migrantenkindern mit unterschiedlichen Rechtsstatus stattfindet, ist es umso wichtiger, indirekte Wirkungsmechanismen zu beachten, die mit nicht bildungsbezogenen Dimensionen des Rechtsstatus verbunden sind und über die rechtlich vorstrukturierte Lebenssituation der Migranteneltern vermittelt werden. 2.3.3.3 Ökonomische Rechte: Arbeitsmarktzugang und Fördermaßnahmen für Erwachsene Da die Kontrolle des Zugangs zum einheimischen Arbeitsmarkt zu den Kernanliegen nationaler Migrationspolitik zählt, regeln Aufnahmeländer auch die ökonomischen Rechte von erwachsenen Zugewanderten, Beruf und Arbeitsplatz frei zu wählen, je nach Rechtsstatus der Migrant(inn)en sehr differenziert (Heinelt/ Lohmann 1992: 34-38; Mackert 1998: 571f.; Mohr 2007: 101). Migrant(inn)en ohne legalen Status ist nur der Zugang zu prekärer illegaler Beschäftigung im 64
untersten Arbeitsmarktsegment möglich. Arbeitsverbote und einschränkende Auflagen bei Migrant(inn)en mit legalem, aber prekärem Aufenthaltsstatus sind die ersten formalen Hürden, die noch vor den Einflüssen des mitgebrachten Humankapitals, der Vorbehalte seitens potenzieller Arbeitgeber und weiterer Bedingungen der Arbeitsmärkte die Erwerbschancen generell, die Arten der zugänglichen Berufe und Arbeitsmarktsegmente sowie damit zusammenhängend die Höhe des erzielbaren Einkommens vorstrukturieren. Arbeitsverbote führen zu materieller Armut und wirken sich als erzwungene Arbeitslosigkeit längerfristig negativ auf die Erwerbschancen aus (vgl. Weiß 2010: 128). Aber auch rechtliche Einschränkungen, den Arbeitsplatz und Beruf zu wechseln, tragen zu der marginalisierten Positionierung der betroffenen Migrantengruppen gegenüber Einheimischen bei (Hoffmann-Nowotny 1973: 176, 196). Über die Gewährung eines ungehinderten Arbeitsmarktzugangs hinausgehend können im Rahmen aktiver Inkorporationsmodi arbeitsmarktbezogene Integrationspolitiken zum Tragen kommen. Beispiele sind die in Kanada praktizierte amtliche Anerkennung akademischer Abschlüsse (Schmidtke 2007: 12, 17), die finanzielle Unterstützung bei Existenzgründungen, die kubanischen Flüchtlingen in den USA gewährt wurde (Portes/MacLeod 1996: 260), oder in Deutschland berufliche Weiterbildungen und Umschulungen. Solche Maßnahmen können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, überhaupt Arbeit zu finden und im besten Fall auch bildungsadäquate, statushöhere und besser bezahlte berufliche Positionen zu erreichen (vgl. Steinbach/Nauck 2000: 317; Deeke 2006; BMBF 2006; Delander u. a. 2005; Koller 1995; zur Auswirkung der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen vgl. Bauer/Zimmermann 1997: 371; kritisch zu Umschulungen vgl. Nohl 2008: 28-32). Wie bei schulbezogenen Integrationspolitiken kann es auch hier zu unintendierten Effekten kommen, so dass im Einzelfall die genaue Implementierung sowie die tatsächliche Auswirkung untersucht werden müssten. In dem Maße, so meine Hypothese, in dem die ökonomischen Zugangsrechte und staatlichen Interventionen das (gegebenenfalls fehlende) Erwerbseinkommen, die Arbeitsbedingungen und die unterschiedlich prestigeträchtigen beruflichen Positionen von (Migranten-)Eltern mit determinieren, beeinflusst der Rechtsstatus indirekt die Bildungschancen der Kinder (vgl. ähnlich Yoshikawa 2011: 23f.). Denn das Einkommen und der berufliche Status der Eltern zählen zu den klassischen sozialen Einflussfaktoren auf die Schulerfolge von Kindern (vgl. z. B. Baumert/Schümer 2001; 2002; Boudon 1974; Bourdieu 1977; Erikson/Jonsson 1996; speziell zum Einfluss von Einkommen vgl. Schneider 2004 sowie Kapitel 4.5).
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2.3.3.4 Soziale Rechte Die Gewährung sozialer Rechte und speziell der Zugang zu den und Ansprüche an die Sozialversicherungssysteme ist die rechtliche Dimension, in der viele ausländische Migrant(inn)en Einheimischen gleichgestellt sind. Forschungen zu Deutschland und anderen westlichen Wohlfahrtsstaaten (Joppke 1999; Guiraudon 2000; Mohr 2005) zeigen, dass es vor allem aufgrund der Rechtsprechung der letzten vier Jahrzehnte zu einer Expansion sozialstaatlicher Rechte für Migrant(inn)en gekommen ist, so dass eine binäre Unterscheidung zwischen Staatsbürger(innen) und Nicht-Staatsbürger(innen) – und somit auch zwischen Aussiedler(inne)n und nicht-deutschen Migrant(inn)en – nicht mehr maßgeblich ist. Der Aufenthalt in einem Land, nicht die Staatsangehörigkeit an und für sich, ist das entscheidende Kriterium für die Gewährung sozialer Rechte geworden (Guiraudon 2000: 79). Trotz einer sozialrechtlichen Inklusion der langansässigen Ausländer(innen) mit gesichertem Aufenthaltsstatus können Mitgliedschaftsgrenzen aber weiterhin zwischen Gruppen von Ausländer(inne)n installiert werden. So dürfen in den USA seit 1996 rechtmäßig ansässige Migrant(inn)en in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthalts keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen (Massey 2007: 139). In Großbritannien sind seit 1999 Asylsuchende, ähnlich wie in Deutschland (vgl. Kap. 3.2.4), auf „separate, residuale Hilfesysteme“ (Mohr 2005: 390) verwiesen und erhalten nur einen verminderten Sozialhilfesatz. Migrant(inn)en ohne legalen Aufenthaltsstatus und ihren Kindern ist der Zugang zu finanzieller Unterstützung versperrt. Leistungen des Gesundheitssystems sind in Deutschland höchstens unter Inkaufnahme des Risikos, den Behörden gemeldet zu werden, realisierbar, während Länder wie Italien zumindest eine Basisversorgung garantieren (Schönwälder u. a. 2004: 68). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung kann das physische und psychische Wohlergehen von Migrant(inn)en beeinflussen. Die finanziellen Transferleistungen als klassischer Bestandteil sozialer Rechte bestimmen die materiellen Lebensumstände von Migrantenfamilien. Vor allem wenn Eltern entweder keiner legalen Erwerbsarbeit nachgehen dürfen oder keine Beschäftigung finden, bestimmen solche Transferleistungen das Niveau der daraus folgenden Einkommensarmut. Wie bei Einheimischen kann mit der Gewährung gewisser Leistungen aber auch eine Stigmatisierung als ‚unwürdige Arme‘ einhergehen (zu dieser Ambivalenz des Wohlfahrtsstaats vgl. Mohr 2007). Insbesondere eine Akkumulation der sozialrechtlichen Teil-Exklusion benachteiligter Migrantengruppen und der finanziellen und psychischen Folgen von Armut (vgl. Lange u. a. 2002) kann die Bildungschancen der betroffenen Kinder beeinträchtigen. Für Migrant(inn)en mit gefestigtem Status (inklusive der Eingebürgerten), die Inländer(inne)n sozialrechtlich gleichgestellt sind, sind dagegen keine genuin an 66
diese Rechtsdimension gekoppelten Auswirkungen auf die Lebenslagen von Zuwandererfamilien und hierüber vermittelt auf die Lernausgangslagen der Kinder zu erwarten. 2.3.3.5 Sprachbezogene Integrationspolitiken und Beratungsangebote für Erwachsene Eine weitere Rechtsdimension, die den zentralen Bestandteil eines aktiven Inkorporationsmodus darstellt, ist der Zugang zu (in einem breiteren Sinne) sozialpolitischen, aber migrantenspezifischen Maßnahmen. Klassische integrationspolitische Angebote sind insbesondere staatlich finanzierte oder subventionierte Sprachkurse und Beratungsdienste für erwachsene Neuzuwanderer (zu Kanada s. Schmidtke 2007: 9f.; zu Schweden, den Niederlanden und Deutschland s. Schönwälder u. a. 2005). Diese Angebote unterstützen Migrant(inn)en, darunter auch Migranteneltern, schneller Kenntnisse der Landessprache zu erwerben, als es ihnen ohne solche Unterstützung gelingen würde (Beenstock 1996; Steinbach/Nauck 2000: 317; Hayfron 2001; Gonzalez 2000). Die in Sprach/Integrationskursen unterrichteten Inhalte und spezielle Beratungsdienste vermitteln Informationen über formelle und informelle Regeln der Institutionen des Aufnahmelands, z. B. des Schulsystems, und helfen gegebenenfalls, sozialrechtliche Ansprüche zu realisieren. Der Nutzen des staatlich unterstützten Erwerbs der Landessprache ist multipler Natur. Er erleichtert die ökonomische und soziale Integration und hilft vor allem den Migranteneltern, schulische Belange ihrer Kinder nachzuvollziehen, ihnen inhaltlich beim Lernen zu helfen und mit Lehrer(inne)n zu kommunizieren (Portes 1995: 270f. sowie ausführlicher Kap. 4.3; Mouw/Xie 1999: 246f.). Das Ausmaß, in dem es in einem Aufnahmeland eine solche proaktive Integrationspolitik überhaupt gibt, hängt vermutlich mit dem generellen Niveau sozialstaatlicher Interventionen zusammen. In Ländern wie Deutschland, in Skandinavien oder in Kanada – mit seinem „relativ großem Vertrauen in die regulierende Kraft staatlicher Planung“ (Schmidtke 2007: 8) – wird man diesbezüglich eher fündig als in den USA mit ihrem „marked ‚low stateness‘ profile“ (Heidenheimer 1984: 276). Insofern ist dieser Vermittlungsmechanismus, wie mit dem Rechtsstatus verknüpfte sprach- und arbeitsmarktbezogene Integrationspolitiken die familialen Lernvoraussetzungen von Kindern beeinflussen, nicht per se für jedes Aufnahmeland relevant und entsprechend in unterschiedlichem Maße erklärungskräftig. Diese bislang diskutierten Teilaspekte von Statusunterschieden wirken in die Familien hinein. Wenn nach der Einreise die soziale Zusammensetzung von 67
Migrantengruppen, also die sozio-ökonomischen und kulturell-kognitiven Ressourcen der Elternhäuser von Migrantenkindern, durch differenzielle Rechte mit geprägt wird und über diese Ressourcen vermittelt die schulischen Erfolge der Kinder beeinflusst werden, so bezeichne ich solche indirekten Effekte des Rechtsstatus als „integrationspolitisch bedingte Kompositionseffekte“. Der folgende Abschnitt richtet den Blick auf über den lokalen Wohnkontext vermittelte Effekte. 2.3.3.6 Recht auf Freizügigkeit und Wohnortzuweisungen Der Aufnahmestaat kann bei neu einreisenden Migrant(inn)en je nach (legaler) rechtlicher Einreisekategorie das Recht auf Freizügigkeit im Staatsgebiet temporär einschränken und Wohnorte zuweisen. Dies ist in unterschiedlichen Einwanderungsländern vor allem bei humanitärer Migration praktiziert worden, so bei politisch anerkannten Flüchtlingen in den USA (Waters/Jiménez 2005: 115), bei Asylsuchenden in Dänemark (Gerdes 2010: 16f.) und Großbritannien (Vertovec 2007: 1042) sowie in Deutschland sowohl bei Asylsuchenden als auch bei Aussiedler(inne)n (vgl. Kap. 3.2.6). Solche Wohnortzuweisungen sind ambivalente Politiken. Einerseits wird Migrant(inn)en eine temporäre Bleibe in Wohnheimen oder – dauerhafter – im sozialen Wohnungsbau geboten. Andererseits kann die Art der Unterbringung auch sozial stigmatisierend wirken. Darüber hinaus können sich durch Wohnortzuweisungen andere Siedlungsmuster als bei diesbezüglich nicht eingeschränkten Migrantengruppen ergeben, bei denen ‚nur‘ soziale und ökonomische Präferenzen und Zwänge bei der Wohnort- und Wohnungswahl ausschlaggebend bleiben. Eine derartige staatliche Intervention kann sich durch eine Bereitstellung von Wohnraum bis auf die kleinräumige Ebene von Stadtvierteln erstrecken. Nach der Aufhebung der Einschränkung der Freizügigkeit können staatlich verordnete Siedlungsmuster Bestand haben, wenn Betroffene, wie im Fall der Aussiedler(innen), nur relativ selten umziehen (Haug/Sauer 2007: 88f.; vgl. zu Dänemark Gerdes 2010: 17). Mit dem Ort der Zuweisung ist – im Sinne eines unintendierten Nebeneffekts der staatlichen Intervention – für die betroffenen schulpflichtigen Migrantenkinder der spezifische lokale Schulkontext verbunden. Bildungschancen variieren in föderal strukturierten Einwanderungsländern zwischen Bundesländern/-staaten, und auch der Urbanitätsgrad des zugewiesenen Wohnorts ist für das erreichbare Angebot von Bildungsinstitutionen relevant (von Below 2002 sowie ausführlich Kap. 4.7; Avenarius u. a. 2003: 62ff.). Innerhalb von Städten ist vor allem das Ausmaß der sozialen Segregation zwischen Stadtvierteln rele68
vant, die sich in der Zusammensetzung der örtlichen Schülerschaften widerspiegelt und unterschiedlich gute Lernumgebungen zur Folge hat (Stanat 2006: 208f.; Baumert u. a. 2006: 104ff.). Ein möglicher Effekt der Wohnortzuweisung auf die Bildungschancen der betroffenen Migrantenkinder wird also über Nachbarschaftseffekten sowie die regionale und kleinräumige Varianz von Angebot, Erreichbarkeit und Qualität der Bildungsinstitutionen vermittelt. Zudem schwanken mit dem (zugewiesenen oder gewählten) Wohnort die Erwerbsmöglichkeiten der Eltern auf den lokalen Arbeitsmärkten (vgl. Haug/Sauer 2007: 152f.), die Vertrautheit der örtlichen Bevölkerung und Institutionen im Umgang mit Migrant(inn)en sowie die Anwesenheit von und Unterstützungsmöglichkeiten durch bereits ansässige Landsleute (Waters/Jiménez 2005: 116-118). 2.3.3.7 Symbolische In- und Exklusion in öffentlichen Diskursen Wird Migrant(inn)en bei der Einreise ein guter, der Staatsbürgerschaft nahe kommender Rechtsstatus oder aber ein unsicherer Status verliehen, so sind daran nicht nur konkrete Rechte und Politiken, sondern auch symbolische Grenzziehungen geknüpft: Einen guten Status zu gewähren, ist ein Ausdruck des Willkommen-Heißens, ein prekärer Status ist Ausdruck der fehlenden Aufnahmebereitschaft oder des Misstrauens, ob die Anwesenheit gerechtfertigt ist. Diese symbolische Ebene des politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus ist wesentlich dadurch bestimmt, ob der vom Staat festgestellte Zuwanderungsgrund als legitim oder illegitim erachtet wird (vgl. Weiß u. a. 2010: 201f.). Öffentliche Diskurse der Mächtigen transportieren und ‚aktualisieren‘ solche abstrakteren Normen. So bestand z. B. während des Kalten Krieges ein Konsens in ‚westlichen‘ Ländern wie der Bundesrepublik oder den USA, dass Migrant(inn)en aus dem damaligen ‚Ostblock‘ als Flüchtlinge aus dem gegnerischen Lager willkommen geheißen wurden (Miera 2007: 55-57), während Migrant(inn)en aus der (Semi-)Peripherie oft pauschal als illegitime ‚Armutsflüchtlinge‘ bezeichnet werden. Die zugeschriebene Legitimität der Einwanderung vorausgesetzt, gibt es dann noch die Unterscheidung, ob eine Migrantengruppe, über einen neutralen Inkorporationsmodus hinausgehend, als einer besonderen staatlichen Unterstützung bedürftig und würdig porträtiert wird oder – z. B. bei politisch erwünschten, hochqualifizierten Arbeitsmigrant(inn)en – nicht. Solche symbolischen, diskursiv vermittelten Hierarchien zwischen rechtlich stratifizierten Migrantengruppen könnten für Bildungschancen insofern eine Rolle spielen, als sie ethnisch-kulturelle Grenzziehungen und Stereotype entweder verstärken oder aber abmildern können. Beispielsweise könnte bei den viet69
namesischen Boatpeople, die hinsichtlich ihrer ethnischen Herkunft sicherlich in Deutschland eher zu den ‚Fremden‘ zählten, das diskursive Framing als politisch willkommene Flüchtlinge (Beuchling 2003: 93-95) potenziell entgegengewirkt haben. Besonders belastend könnte dagegen die Kombination aus ethnischer Stigmatisierung und aufenthaltsrechtlicher Marginalisierung sein – eine nicht zufällige Kombination, die den Charakter eines „institutionalisierten Rassismus“ besitzt (vgl. Weiß 2006: 133). Denn Menschen aus ärmeren Ländern, denen tendenziell eine niedrige Position in ethnischen Hierarchien zugeschrieben werden, stehen oft nur ‚illegale‘ oder rechtlich prekäre Zuwanderungswege zur Verfügung. Menjívar (2008: 185f.) zeigt in einer Fallstudie zu Migrantenfamilien aus Mittelamerika mit rechtlich prekärem Status in den USA, dass die Kinder als „illegals“ mit geringen Lernerwartungen seitens der Schulen konfrontiert werden und dies ihr Selbstbild bezogen auf ihre Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst. Wie bei ethnischen Stereotypen auch könnte sich das Prestige oder Stigma, das an Rechtskategorien geknüpft ist, also auf das Verhalten der Lehrkräfte und das der betroffenen Migrantenkinder auswirken (vgl. auch Kap. 4.9). 2.4 Die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen und deren Interaktion: Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden Mechanismen diskutiert, über die vermittelt der rechtliche Status von Migrant(inn)en auch ohne offensichtliche Bedeutung für pädagogisches Handeln direkten und vor allem indirekten Einfluss auf die schulische Integration ausüben könnte. Die wichtigste Unterscheidung zwischen den Vermittlungsmechanismen ist die zwischen der immigrationspolitischen Beeinflussung der Gruppeneigenschaften der Zuwandernden durch Zuwanderungskontrolle und Einreisekriterien einerseits und der integrationspolitischen Beeinflussung der Integrations- und Bildungschancen der Immigrierten im Aufnahmeland durch divergierende Inkorporationsmodi andererseits. Hinsichtlich der ‚mitgebrachten‘ bildungsrelevanten Charakteristika von Migrantengruppen, z. B. des Bildungsniveaus der Erwachsenen, ist es für eine Beurteilung der Relevanz staatlicher Interventionen entscheidend, ob solche Gruppeneigenschaften durch bestimmte Einreisekriterien mit verursacht werden (immigrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt). Dies kann bei einer politisch erwünschten ökonomischen und ethnischen Migration der Fall sein, während bei menschenrechtlich flankierten humanitären und familienbezogenen Zuwanderungswegen die sozialen Eigenschaften der Gruppen zumindest weitgehend auf staatlich unbeeinflusster Selbstselektion beruhen. Darüber hinaus 70
sind einige rechtliche Einreisekategorien direkt oder indirekt auf bestimmte Herkunftsländer beschränkt. Eine Ungleichbehandlung von Migrant(inn)en im Aufnahmeland, von Portes u. a. als staatliche Inkorporationsmodi konzipiert, erfolgt durch die Zuweisung unterschiedlicher Rechtsstatus (bis hin zur inländischen Staatsbürgerschaft), mit denen jeweils unterschiedliche Bündel gewährter Rechte verbunden sind. Migrant(inn)en mit einem positiven Inkorporationsmodus können über eine formale Gleichstellung mit Einheimischen hinaus zur Zielgruppe aktiver Integrationsförderung zählen. Bildungsbezogene Rechte und Integrationsmaßnahmen für Migrantenkinder beeinflussen deren schulische Erfolgschancen direkt. Der Grad der Bleibesicherheit stellt eine existenzielle Rahmenbedingung dar, die sich auch auf Bildungsaspirationen und -verhalten auswirken kann. Einen indirekten Einfluss übt hierauf der Rechtsstatus aus, wenn die ökonomischen und sozialen Rechte der Migranteneltern den sozio-ökonomischen Status und staatliche Sprachkurse und Beratungsdienste die sprachlich-kognitive Integration der Eltern mit prägen und solche Ressourcen wiederum die Bildungschancen der Kinder beeinflussen. Derart vermittelte Effekte werden als integrationspolitisch beeinflusste Kompositionseffekte gefasst, da statusspezifische Integrationspolitiken während des Aufenthalts die Zusammensetzung der Migrantengruppen bezüglich bildungsrelevanter Charakteristika beeinflussen. Als integrationspolitisch beeinflusste Interaktionseffekte habe ich Wirkungsweisen bezeichnet, bei denen Integrations- und Desintegrationspolitiken (und die sie begleitenden politischen Diskurse) den Einfluss anderer Bildungsdeterminanten verstärken oder abschwächen. Ein Beispiel wären Flüchtlinge, die etwa aus der Oberschicht des Herkunftslandes stammen, im Aufnahmeland jedoch aufgrund eines prekären Aufenthaltsstatus, damit verbundener Arbeitsverbote und des Mangels an Integrationsmaßnahmen ein marginalisiertes Leben am Rand des Existenzminimums führen, was sich auch destruktiv auf die Schulkarrieren der Kinder auswirken könnte. Ein andere Beispiel wären Migrant(inn)en niedriger sozialer Herkunft, die aber zu einer politisch privilegierten Migrantengruppe zählen und von rechtlicher Gleichstellung und Förderpolitiken profitieren. Der positive Aufnahmekontext könnte bei diesen Kindern dazu führen, dass sich ihre schichtspezifische Benachteiligung weniger negativ auf die Schulkarriere als bei zusätzlich aufenthaltsrechtlich Diskriminierten auswirkt. Die politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi könnten also Integrationschancen zum Positiven wie zum Negativen modifizieren. Gibt es nun eine Logik, wie gruppenspezifische Immigrationspolitiken und Integrationspolitiken zusammenhängen? Vollkommen willkürlich sind sie, wie am Beispiel der Bundesrepublik gezeigt werden wird, nicht kombinierbar. Ob diejenigen Statusgruppen, die staatliche Einreisekriterien ökonomischer oder 71
ethnischer Art erfüllen mussten und denen damit eine besondere, politisch favorisierte Zuwanderungsmöglichkeit geboten wurde, auch eine integrationspolitische Privilegierung gegenüber den übrigen Migrssant(inn)en erfahren, ist zunächst eine offene Frage. Denn es sollte zumindest zwei Alternativen geben. Die besonderen Umstände, wie ein solcher spezifischer Zuwanderungsweg politisch legitimiert wird, kann entweder eine rein formale Gleichstellung mit Inländer(inne)n oder eine gesonderte Unterstützung im Aufnahmeland, also einen neutralen oder positiven politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus, zur Folge haben.27 Nicht plausibel wäre es, wenn gerade ‚positiv‘ ausgewählte Migrantengruppen dauerhaften rechtlichen (Teil-)Exklusionen ausgesetzt wären, oder wenn Migrant(inn)en, deren Zuwanderung als unrechtmäßig erachtet wird, ein aktiver Integrationsmodus zuteil würde. Auch hinsichtlich der unterschiedlichen Rechtsdimensionen ist zu vermuten, dass es einen gewissen, aber nicht notwendigerweise geradlinigen Trend zur Akkumulation integrationspolitischer Bevorzugung und Benachteiligungen je nach Statusgruppe gibt. Eine Ausnahme ist die Einschränkung der Wohnortwahl, die Aufnahmeländer auch ansonsten privilegierten Migrantengruppen temporär auferlegen. Das Ausmaß, in dem gruppenspezifische Immigrations- und Integrationspolitiken die realisierbaren Bildungserfolge von Migrantenkindern beeinflussen, bleibt dabei von der Stärke der staatlichen Intervention abhängig. Nur ‚strenge‘ Selektionskriterien bei der Zuwanderung werden die Integrationsvoraussetzungen der entsprechend ausgewählten Gruppen substanziell beeinflussen. Ähnlich bei der Integrationspolitik: Würde sich eine integrationspolitische Privilegierung einer Statusgruppe auf einen Einzelaspekt beschränken, könnte dies für die schulische Integration irrelevant bleiben. Je mehr Privilegien – formale Gleichstellung mit Einheimischen plus zusätzliche Integrationsmaßnahmen – oder je mehr Benachteiligungen – verwehrte oder beschränkte Zugangsrechte – sich über die unterschiedlichen rechtlichen Dimensionen hinweg akkumulieren, desto wahrscheinlicher scheint eine aggregierte Auswirkung von Rechtsstatus und gruppenspezifischen Politiken auf die Bildungschancen der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Speziell eine formale positive Diskriminierung im Bildungssystem ist vermutlich nur dann möglich, wenn sie mit einer durchgängigen Besserstellung in anderen integrationspolitischen Aspekten einhergeht. Wie unterschiedliche Rechtsstatus und gruppenspezifische Immigrationsund Integrationspolitiken im Fallbeispiel der Bundesrepublik Deutschland ausgestaltet waren, wird im folgenden Kapitel 3 untersucht. 27 Die Legitimation der ersten Alternative könnte zugespitzt lauten: ‚Wer aufgrund seines hohen Humankapitals immigrieren darf, soll auch die Kraft haben, es ohne weitere staatliche Hilfen zu etwas zu bringen.‘ Und die der zweiten Alternative: ‚Da diese Migration politisch gewollt ist, sollen die Teilhabechancen dieser neuen Mitbürger auch besonders unterstützt werden.‘
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3 Der Fall Deutschland: Bildungsrelevante Zuwanderungs- und Aufenthaltsbedingungen von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus
Das folgende Kapitel wendet sich von den allgemeiner gehaltenen theoretischen Überlegungen über die Bedeutung des Rechtsstatus für die Bildungschancen von Zuwandererkindern hin zum Fallbeispiel der Bundesrepublik Deutschland. Untersucht werden die Rechtslage und Politiken, die meine Untersuchungspopulation, die zwischen 1987 und 2003 Zugewanderten, betrafen. Im Fokus stehen – in einer entsprechend historisch retrospektiven Analyse28 – die unterschiedlichen Rechtsstatus, mit denen Migranten(inn)en in dieser Periode einreisten oder die sie kurz nach ihrem Zuzug durch den (west-)deutschen Staat zuerkannt bekamen. An erster Stelle unterscheide ich in diesem intra-nationalen Vergleich zwischen Aussiedler(inne)n, die mit der Anerkennung als solche auch deutsche Staatsangehörige wurden, und Migrant(inn)en, die nicht als deutsche Staatsangehörige einreisten. Diese dichotome Unterscheidung von Zuwandernden war rechtlich in Form zweier getrennter Gesetze institutionalisiert – im Ausländergesetz (AuslG) und in dem für Aussiedler(innen) entscheidenden Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (kurz: Bundesvertriebenengesetz bzw. BVFG).29 Im BVFG (§ 8 Abs. 1) ist auch der Grundsatz der Integrationsförderung für (Spät-)Aussiedler(innen) festgelegt: „Spätaussiedlern ist die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile sind zu mildern“.30 Im Ausländergesetz fand sich – bis zum Inkrafttre-
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Um sprachlich zu betonen, dass es im Folgenden um Migrations- und Integrationspolitiken geht, die Zugewanderte betrafen, deren später in Deutschland erworbene Schulabschlüsse ich untersuche, sind die Ausführungen in der Vergangenheitsform gehalten – selbst wenn etliche dieser Regelungen noch aktuell sind. 29 Im Anhang II sind alle in diesem Kapitel zitierten Gesetze, Verordnungen etc. aufgeführt. 30 In der Fassung des BVFG von 1993 wurde ein solches integrationspolitisches Ziel so explizit benannt. Aber entsprechende Maßnahmen wurden auch in früheren Fassungen des bis in die Anfän-
73 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
ten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 – kein Äquivalent eines solches Politikziels. Innerhalb der Gruppe der Ausländer(innen) unterscheide ich, wie in Abbildung 3-1 schematisch dargestellt, zwischen unterschiedlichen rechtlichen Zuwanderungskategorien. Innerhalb der Gruppe der Aussiedler(innen) werde ich die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen, die mit dem Aussiedler- bzw. Spätaussiedlerstatus verknüpft waren, im Zeitverlauf untersuchen, da es im Untersuchungszeitraum zu einigen Veränderungen kam. Ich beschränke mich dabei auf solche rechtlichen Zuwanderungswege, die für minderjährige Migrant(inn)en relevant waren.31 Deren Rechtsstatus wurde im Wesentlichen von dem ihrer Eltern abgeleitet (vgl. §§ 29, 31 AuslG sowie Renner 1999: 135). Abb. 3-1: Differenzierung der rechtlichen Zuwanderungswege und Rechtsstatus von Migrant(inn)en in Deutschland
EUAngehörige Aussiedler(in)
Arbeitsmigrant(in) mit-/nachziehende Familienangehörige Arbeitsmigrant(in)
Migrant(in) Ausländer(in) Drittstaatenangehörige
mit-/nachziehende Familienangehörige Kontingentflüchtlinge AsylFlüchtlinge berechtigte Konventionsflüchtlinge Asylsuchende Undokumentierte Geduldete
ge der Bundesrepublik zurückreichenden Gesetzes verankert (Miera 2007: 49; BMI 1988: 9; Puskeppeleit 1992: 1). 31 Nur gestreift werden andere rechtliche Zuwanderungsmöglichkeiten, die einen temporären Aufenthalt von erwachsenen Ausländer(inne)n, aber kaum von Kindern ermöglichten, sowie solche Zuwanderungsregelungen, die den Zuzug von Minderjährigen eher generell drosselten als selektierten.
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Empirische Grundlagen dieses Kapitels sind neben der wissenschaftlichen Literatur, einzelnen Evaluationsstudien und Informationen aus ausgewählten Bundestags- und Landtagsdrucksachen vor allem Gesetze des Bundes und – bezogen auf Schulpolitiken – der Länder, untergesetzliche Normen in ministerialen Verwaltungsvorschriften, Runderlassen und Bekanntmachungen sowie Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK). Primär bewegt sich also meine Analyse auf der Ebene der rechtlichen Normsetzung. Umfassende wissenschaftliche Forschungen ihrer Umsetzung in behördliches Handeln oder der konkreten Wirkung spezieller Maßnahmen liegen kaum vor. Eingeflossen sind aber die vorhandenen Informationen über die Reichweite von Maßnahmen, Beteiligungsquoten oder über Finanzmittel, sofern dies für die Einschätzung der Relevanz gruppenspezifischer Maßnahmen hilfreich ist. Analog zum vorangegangenen Kapitel wird im Folgenden im Abschnitt 3.1 zuerst dargelegt, inwiefern bei den in Abbildung 3-1 unterschiedenen Migrantengruppen Einreisekriterien zum Tragen kamen, die als potenziell einflussreich für die Bildungschancen von Migrantenkindern identifiziert wurden (Herkunftsländer, sprachliche und sozio-ökonomischen Kriterien). Das Unterkapitel 3.2 beschreibt für diese Gruppen die unterschiedenen Teildimensionen dieser Rechtsstatus (Bleibesicherheit, bildungsbezogene Rechte und Politiken, ökonomische und soziale Rechte der Eltern, Sprachförderung für Erwachsene, Freizügigkeit, symbolischen In- und Exklusion). Im Anschluss an den Abschnitt zur Bleibesicherheit, in dem auch wichtige ausländerrechtliche Aufenthaltstitel erklärt werden, beleuchtet ein Exkurs bildungsrelevante Kriterien bei der Aufenthaltsverfestigung bis hin zur Einbürgerung. Die Darstellung zu bildungsbezogenen Rechten und Politiken ist ausführlicher als die übrigen Unterkapitel von 3.2, da diese die Bildungschancen potenziell am direktesten beeinflussen könnten und zudem die bundes- und länderspezifische Regelungen und Maßnahmen besonders komplex sind. Kapitel 3.3 resümiert die Ausgestaltung der an den Rechtsstatus gekoppelten Einwanderungskriterien und Aufenthaltsbedingungen dahingehend, ob und in welcher Hinsicht die institutionelle Ausgestaltung insbesondere der Aussiedlerimmigration und -integration einen Vorteil in der schulischen Integration von ausgesiedelten gegenüber anderen Migrantenkindern wahrscheinlich erscheinen lässt. 3.1 Bildungsrelevante Zuwanderungskriterien Nach integrationsrelevanten Einreisekriterien zu fragen, erscheint gerade im Fall der Bundesrepublik, die lange keine explizite Zuwanderungspolitik betrieb und der generell eine geringe Steuerung von Zuwanderungsströmen attestiert wird 75
(vgl. Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration 2004: 125), zunächst ungewöhnlich. Doch in der vorliegenden Untersuchung geht es nicht nur um intentionale, sondern auch unintendierte, indirekte Konsequenzen von Zuwanderungskriterien für Teilhabechancen, hier speziell der Bildungschancen von Migrantkindern. Die im Folgenden vorgestellten Einreisebedingungen betreffen meistens Erwachsene, von denen etliche Eltern minderjähriger Kinder waren. 3.1.1 Herkunftsländer Der Zuzug von Aussiedler(inne)n in die Bundesrepublik Deutschland stellt ein prominentes Beispiel „ethnischer Migration“ (Joppke 2005) dar und die Existenz dieser Immigrationsmöglichkeit basierte wesentlich auf dem ethnonationalen Konzept einer ‚deutschen‘ Abstammung der ausgewählten Migrant(inn)en. Diese Zuwanderungsmöglichkeit bestand aber nicht für ‚deutschstämmige‘ Menschen aus aller Welt. Das 1955 in Kraft getretene Bundesvertriebenengesetz zielte immer nur auf (damals) sozialistisch regierte Herkunftsländer, d. h. auf die (ehemalige) Sowjetunion, inklusive der baltischen Staaten, Polen, die (ehemalige) Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, (Ex-)Jugoslawien, Albanien und China (§ 1 Abs. 2 (3) BVFG). Die Legitimationsbasis für die Beschränkung auf diese Staaten war die vom Ost-West-Konflikt gerahmte, auch politisch motivierte Annahme, dass dort Menschen aufgrund einer deutschen Abstammung Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt waren und deshalb in Westdeutschland Aufnahme und kompensatorische Leistungen verdient hätten (Klekowski von Koppenfels 2001).32 Im Zuge der politischen Umwälzungen in Osteuropa ab Ende der 1980er Jahre, die die erleichterte Ausreise ermöglichten und zugleich zu einer Stärkung der kulturellen Rechte der deutschen Minderheiten in Polen (Rogall 2000: 8), 32
Es ist eine eher spekulativ zu beantwortende Fragen, ob in den Herkunftsländern erlittene ethnische Stigmatisierungen und Benachteiligungen, wie sie die deutsche Aussiedlerpolitik unterstellte und die zumindest von der Großelterngeneration der von mir untersuchten russlanddeutschen Kindern auch tatsächlich erlebt und nur bedingt in den Familien verarbeitet wurden (Rosenthal 2005), sich im Sinne einer Spätfolge auch auf die schulische Entwicklung der ausgesiedelten Kinder und Jugendliche in Deutschland belastend ausgewirkt haben. Im Prinzip sind längerfristige Stigmatisierung, dauerhafte soziale Marginalisierung und über die Generationen hinweg nicht verarbeitete Traumatisierung benachteiligende psychologische Lernvoraussetzungen, die die betroffenen Kinder und Jugendlichen wohl auch nach einer grenzüberschreitenden Migration nicht ohne weiteres abschütteln können. Dennoch: Unter den Migrant(inn)en ab Ende der 1980er Jahre flohen eher Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge vor akuter, auch ethnisch basierter Verfolgung, während bei Aussiedler(inne)n vor allem die weniger greifbaren Folgen historischer Diskriminierungen in der Großelterngeneration in Rechnung zu stellen sind.
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Rumänien (Gabanyi 2000: 13f.) und der ehemaligen Sowjetunion (Heinen 2000a: 26) führten, erodierte die Hauptlegitimation der Aussiedlerzuwanderung, die unterstellte „Fortdauer des Vertreibungsdrucks“ (Delfs 1993: 8). Mit dem im Januar 1993 in Kraft getretenen Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) erfolgte eine De-facto-Beschränkung auf Personen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR einschließlich Estlands, Lettlands und Litauens. Denn bei diesen Personen galt weiterhin die „Annahme kollektiver Benachteiligungen“ (Roesler 2003: 190), während Antragsteller(innen) aus den anderen osteuropäischen Ländern individuell nachweisen mussten, dass sie „am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag[en]“ (§ 4 Abs. 2 BVGF). Insbesondere die bis 1992 bedeutsame Zuwanderung von Aussiedler(inne)n aus Polen und Rumänien kam ab 1993 fast zum Erliegen, wie die Abbildung 3-2 zeigt.33 Abb. 3-2: Anzahl der zugewanderten Aussiedler(innen) nach Herkunftsländern, 1987 bis 2003 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 andere Länder
Rumänien
Polen
ex-UdSSR
Quelle: Bundesverwaltungsamt (2006), eigene Darstellung
Mit der Einschränkung der Herkunftsländer von Aussiedler(inne)n erfolgte zugleich unbeabsichtigt eine Zuwanderungsbeschränkung auf relativ entwickelte Industrienationen, die ihren Bevölkerungen ein höheres Niveau schulischer 33 Des Weiteren wurde der Zuzug von Spätaussiedler(inne)n kontingentiert, ab 1993 zunächst auf 218.000, seit 1998 auf 103.000 pro Jahr.
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Grundbildung anboten als ärmere Länder.34 Von diesem Zuwanderungskriterium „osteuropäisches Herkunftsland“ leite ich die in Kapitel 2.2.3.3 allgemeiner diskutierte Hypothese eines kollektiven Integrationsvorteils ab. Dabei handelt es sich um einen potenziellen Vorteil, den Aussiedler(innen) mit aus denselben Ländern stammenden Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus teilten und der also nur gegenüber Migrant(inn)en aus weniger entwickelten Staaten bestand. Diese relativ gesehen etwas besseren Integrationsvoraussetzungen von Aussiedler(inne)n wurde mit der Eingrenzung des Spätaussiedlerzuzugs auf die Nachfolgestaaten der Sowjetunion insofern verringert, als es dort im Laufe der 1990er Jahre zu einem dramatischen Einbruch der Wirtschaft und infolgedessen auch des öffentlichen Bildungssystems kam (Dietz/Roll 1998: 57). Jugendliche Spätaussiedler(innen), die in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre migrierten, hatten im Herkunftsland im Schnitt eine weniger hochwertige Bildung genossen als Aussiedlerkohorten der späten 1980er Jahre. Ein solcher Kohorteneffekt könnte sich in geringeren Bildungserfolgen der später zugewanderten Aussiedlerjugendlichen in Deutschland widerspiegeln. Bei den anderen Migrant(inn)en, die als Ausländer(innen) in die Bundesrepublik einreisten (zum quantitativen Umfang vgl. ausführlich Anhang I), war die Beschränkung auf gewisse Herkunftsländer bei EU-Bürger(inne)n am offensichtlichsten. Staatsangehörige der Mitgliedsländer der Europäischen Union bzw. Europäischen Gemeinschaft35 kamen aus hoch entwickelten Industrie- und Wohlfahrtsstaaten. Hier argumentiere ich analog zur Beschränkung der Aussiedlerzuwanderung auf osteuropäische Herkunftsländer, unterstelle aber keine markante Hierarchie zwischen ‚West‘- und ‚Ost‘-Europa, sondern einen Vorteil der EU-Angehörigen im Vergleich zu ärmeren außereuropäischen Staaten. Innerhalb der Migrantengruppe aus Drittstaaten, die Zugewanderte aus ärmsten Entwicklungsländern und reichen OECD-Staaten wie die USA umfasst, waren Einschränkungen bezüglich der möglichen Herkunftsländer in unterschiedlichem Maße relevant. Familienmigration konnte im Prinzip aus allen Drittstaaten stattfinden. Innerhalb der Sammelkategorie der Flüchtlinge waren Migrant(inn)en, die im Untersuchungszeitraum ab den 1990er Jahren als so genannte Kontingentflüchtlinge von der Bundesrepublik (im Jahr 1990 noch von der DDR) auf freiwilliger Basis aufgenommen wurden, ausschließlich Jüdinnen und Juden aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, also aus denselben Herkunftsländern wie Spätaussiedler(innen). Kontingentflüchtlinge 34 In Kapitel 4.8 werden einige Indikatoren zu den Bildungsniveaus in wichtigen Herkunftsländern angeführt. 35 Da in meiner Arbeit Zuwandererkohorten der Jahre 1987 bis 2003 im Mittelpunkt stehen, bezieht sich die Gruppe der in die Bundesrepublik migrierten Unionsbürger(innen) immer auf die 15 alten Mitgliedstaaten. Die inzwischen beigetretenen osteuropäischen Staaten waren noch Drittstaaten.
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erhielten mit ihrer Anerkennung automatisch die Rechtsstellung anerkannter politischer Flüchtlinge.36 Das Spektrum an Drittstaaten, aus denen Personen stammten, die nach ihrer Einreise einen Asylantrag stellen konnten oder denen eine Duldung gewährt wurde, verringerte sich im Laufe meines Untersuchungszeitraums. Nur bis zu den politischen Umwälzungen, also bis ca. 1989, bekamen Migrant(inn)en aus allen ehemaligen Ostblockstaaten, die in Westdeutschland politisches Asyl beantragten, zu relativ hohen Anteilen dieses zugesprochen (vgl. Anhang I) und mussten selbst im Fall einer Ablehnung kaum mit einer Abschiebung in die sozialistischen Herkunftsländer rechnen (Miera 1996: 12; 2007: 57f.; Klekowski von Koppenfels 2001: 103-105). Durch die Demokratisierungsprozesse in den osteuropäischen Ländern, aber auch durch die Einordnung von Bulgarien, Polen, Rumänien, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Ungarns als „sichere Dritt- bzw. Herkunftsländer“ (§§ 26a, 29a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG), Anlage I und II) im Zuge des „Asylkompromisses“ Ende 1992 (Schönwälder 1999: 85-87; Kühne/Rüßler 2000: 38f.), wurde für Migrant(inn)en aus solchen Staaten der rechtliche Zuwanderungsweg als (zügig anerkannte oder zumindest geduldete) Flüchtlinge faktisch abgeschafft. Mit der neuen politischen und rechtlichen Bewertung, welche Staaten als nicht-demokratisch und damit als potenzielle Herkunftsländer von politischen Flüchtlingen galten, ‚sank‘ also das durchschnittliche sozio-ökonomische Entwicklungsniveau der Herkunftsländer, aus denen Asylsuchenden bzw. Asylberechtigten stammen konnten. Dies bedeutete nicht, dass diese Asylsuchenden zwangsläufig geringer gebildet waren. Politisch Verfolgte konnten durchaus der hoch gebildeten Elite ihrer Herkunftsgesellschaften stammen. Falls Asylsuchende jedoch aus den unteren sozialen Schichten armer Herkunftsländer entstammten, ist es wahrscheinlich, dass sie eine deutlich geringere Grundbildung genießen konnten als etwa osteuropäische Migrant(inn)en, die im Herkunftsland ‚nur‘ die dortige Schulpflicht absolvierten und so ihre Kinder in Deutschland möglicherweise etwas besser unterstützen konnten. Zusätzlich zu der Hypothese, dass die Beschränkung der Fluchtmigration auf ärmere Herkunftsländer das Mindest36
Ähnlich wie bei Aussiedler(inne)n stand bei jüdischen Kontingentflüchtlingen sowohl die Annahme der ethnischen Diskriminierung im Herkunftsland als auch eine ethnische bzw. hier eher ethno-religiöse Definition des Kreises zuwanderungsberechtigter Personen im Mittelpunkt. Diese Definition basierte auf einer amtliche Kategorisierung: Zuwanderungsberechtigt war eine Person, „die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden jüdischer Nationalität im Sinne ehemaliger sowjetischer Vorschriften ist oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammt. Deren Ehepartner und minderjährigen Kinder können mit aufgenommen werden“ (Haug 2007: 7). Kontingentflüchtlinge mussten kein Asylverfahren durchlaufen; das heißt, „es wird einer Gruppe ohne Einzelprüfung die Regelvermutung der politischen Verfolgung zuerkannt“ (Kessler 2003: Punkt 2.2, Anm. 10).
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niveau der Bildung erwachsener Migrant(inn)en und damit indirekt die Bildungschancen ihrer Kinder in Deutschland beeinflusst haben könnten, ist im Anschluss an die Überlegungen in Kapitel 2.2.3.3 ein weiterer potenziell benachteiligender Gruppeneffekt hervorzuheben. So umfasste der kleinere Kreis potenzieller Herkunftsländer von Asylsuchenden nun mehr Menschen, die in Deutschland äußerlich erkennbar und damit besonders leicht Opfer rassistischer Feindseligkeiten werden konnten – zusätzliche Hürden auch für den Schulerfolg, die andere Migrantengruppen nicht im selben Maße überwinden mussten. Dennoch bleibt die Beschränkung auf spezifische Herkunftsländer ein grobes Auswahlkriterium, das beispielsweise die spezifischen Bildungsniveaus einzelner Migranteneltern oberhalb der herkunftslandstypischen Mindeststandards (also die darüber liegende Varianz) nicht determinierte. In den folgenden zwei Abschnitten geht es um Kriterien, die erwachsene Migrant(inn)en persönlich erfüllen mussten, um aufgrund einer spezifischen rechtlichen Grundlage einreisen zu dürfen. 3.1.2 Deutsche Sprachkenntnisse Einzig bei der Gruppe der Aussiedler(innen) kamen im meinem Untersuchungszeitraum sprachbezogene Einreisekriterien zum Tragen. Diese sind aufgrund der engen Kopplung zwischen den Deutschkenntnissen von Migranteneltern und ihren Kindern und deren Schulleistungen (vgl. hierzu Kap. 4.2 und 4.3) für meine Forschungsfrage besonders wichtig. Diese sprachlichen Kriterien waren aufs Engste mit dem ethnischen Element dieser Zuwanderungskategorie verbunden (vgl. dazu Kap. 2.2.3.2). So war (und ist) es eine der Kernbedingungen, um von der Bundesrepublik als Aussiedler(in) nach § 1 Abs. 2 des BVFG anerkannt zu werden, „deutscher Volkszugehöriger“ zu sein.37 Diese „Volkszugehörigkeit“ wurde demjenigen zugesprochen, der „sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum38 bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“ (bis Ende 1992 § 6, ab 1993 § 6 Abs. 1 BVFG). Das Merkmal Sprache, d. h. „die Beherrschung der deutschen Sprache und der Gebrauch in der Heimat“ (Liesner 1988: 86) war also eines von vier 37 Aussiedler(innen) sind rechtlich nach § 1 BVFG als Subkategorie von „Vertriebenen“ definiert. Ein „Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszughörigkeit“ wiederum ist „Deutscher im Sinne des Grundgesetzes“ (§116 GG), auch Statusdeutscher genannt. 38 Das „deutsche Volkstum“ wurde von staatlicher Seite als „nationalgeprägte Kulturgemeinschaft [verstanden], (...) bei der zu sprachlicher und kultureller Übereinstimmung auch das Bewusstsein nationaler Verbundenheit hinzutreten muß“ (Liesner 1988: 78). Diese Definition spiegelt paradigmatisch die ethnisch-nationale Seite des deutschen Nationenverständnisses wider (Brubaker 1992).
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in der amtlichen Definition als „objektiv“ bezeichneten „Bestätigungsmerkmalen“ (s. Richtlinie in Liesner 1988: 78). Vor der diesbezüglich einschneidenden Änderung des BVFG im Jahr 1996 waren Deutschkenntnisse aber ein optionales, kein notwendiges Anerkennungskriterium von Aussiedler(inne)n (Liesner 1988: 86). Zusätzlich zu diesen „objektiven“ Kriterien war ein „subjektives Bekenntnis zum deutschen Volkstum“ gefordert. Auch hier konnten sprachliche Kriterien eine Rolle spielen – etwa durch den „Gebrauch der deutschen Sprache als Umgangssprache in aller Öffentlichkeit“ oder z. B. der „Besuch deutscher kultureller Veranstaltungen, [die] Einschulung der Kinder in deutsche Schulen, [die] Teilnahme an einem Kreis, der sich der Pflege der deutschen Sprache und Literatur widmete …“ (Liesner 1988: 81f.).39 Dennoch muss die Bedeutung sprachbezogener und damit potenziell bildungsrelevante Kriterien in mehrerlei Hinsicht relativiert werden: Erstens galten nach § 1 Abs. 2 BVFG als Aussiedler(innen) nicht nur so genannte „deutsche Volkszugehörige“, sondern auch Personen aus den im BVFG genannten Herkunftsgebieten, die als „deutsche Staatsangehörige“ angesehen wurden, und ihren Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit ohne Nachweis von Deutschkenntnissen einlösen konnten.40 Zweitens waren in Hinblick auf jene Aussiedler(innen), die sich auf die deutsche Volkszugehörigkeit beriefen, die Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse in den amtlichen Richtlinien vage gehalten. Es gab keine durch standardisierte Sprachtests messbaren Mindeststandards. Drittens ermöglichte das BVFG, bestätigt durch ein Gerichtsurteil von 1986 (Liesner 1988: 95), eine Anerkennung als Aussiedler(in), ohne dass deutsche Sprachkenntnisse vorlagen. Dass deutsche Sprachkenntnisse kein unumgängliches Kriterium zur Zuerkennung des Aussiedlerstatus waren, wurde dadurch politisch legitimiert, dass geringe Deutschkenntnisse von Aussiedler(inne)n als Ergebnis der „Unterdrückung der deutschen Sprache und Kultur“ interpretiert und entsprechend toleriert wurden (Herrmann-Pfandt 1991: 2; vgl. auch Klekowski von Koppenfels 2001: 105; 2003: 405). Dies begann sich in Reaktion auf die massenhafte Ankunft von Aussiedler(inne)n im Zuge des Systemumbruchs in Osteuropa zu ändern. Deutsche Sprachkenntnisse gewannen als Anerkennungskriterium im Laufe der 1990er Jahre an Bedeutung und wurden nicht mehr nur als eines von mehreren Merkmalen deutscher Ethnizität, sondern zunehmend als Vorausset39 Eine andere Nachweismöglichkeit war z. B. die Erfassung der deutschen Volkszughörigkeit in Volkszählungen oder Pässen (Delfs 1993: 6). 40 Hierbei handelte es sich vor allem um polnische Staatsbürger(innen), die während des zweiten Weltkriegs über die nach rassistischen Gesichtspunkten und ökonomischer Verwertbarkeit erstellte „Deutsche Volksliste“ der Nationalsozialisten „eingedeutscht“ worden waren, und deren Nachkommen (Miera 2007: 14, 28, 48; Ruhrmann 1994: 64, 68-73).
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zung für die Integration in Deutschland betrachtet (Klekowski von Koppenfels 2003: 414; Joppke 2005: 211). Mit dem am 1.7.1990 in Kraft getretenen Aussiedleraufnahmegesetz (AAG), demzufolge der Antrag auf Anerkennung als Aussiedler(in) nunmehr im Herkunftsland gestellt werden musste (Delfs 1993: 8), mussten Antragsteller(innen) hierbei Angaben zu ihren Deutschkenntnissen machen, die nach ihrer Ankunft in Deutschland „in einer kurzen mündlichen Sprachprüfung, die in einer einfachen Konversation bestand“, überprüft wurden (Klekowski von Koppenfels 2003: 410). Dass das Aussiedleraufnahmegesetz als „Zuzugskontrolle“ (Heinelt/Lohmann 1992: 78) wirkte, indem es den Aussiedlerzuzug insgesamt reduzierte, ist relativ eindeutig (vgl. Abb. 3-2). Inwieweit die ab 1990 restriktivere Anerkennungspraxis und Rechtsprechung (Puskeppeleit 1992: 13; Ruhrmann 1994: 99) auch zu einer Auswahl von Aussiedler(inne)n mit besseren Deutschkenntnissen führte, kann mangels unabhängiger Forschung nicht belegt werden. Aufschlussreich aber ist, dass das Bundesinnenministerium (BMI 2006: 40) die retrospektive Bewertung äußert, dass die bis Ende 1995 üblichen „Angaben der Antragsteller (...) zu ihren Sprachkenntnissen (...) häufig nach Einreise nicht verifiziert werden konnten“, also de facto keine Deutschkenntnisse vor der Einwanderung vorlagen. Im Juni 1996 wurde ein Deutschtest in den Herkunftsländern durch eine entsprechende Veränderung des §6 BVFG eingeführt (Klekowski von Koppenfels 2001: 113). Dieser nicht standardisierte mündliche Test galt als bestanden, wenn die Antragsteller(innen) über „ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache in Hochdeutsch oder Dialektform (...) verfügen, die mindestens für eine einfache Verständigung ausreichen“ (Bundesverwaltungsamt, in Klekowski von Koppenfels 2003: 413). In den Jahren 1996 bis 1998 folgten ca. 27% der Antragsteller(innen) nicht der Einladung zum Sprachtest, und die Durchfallquote bei dem Test stieg von 31% im Jahr 1996 auf 52% im Jahr 2000 (Heinen 2000b: 38). Dieses Ausmaß einer sprachbezogenen Auswahl von Immigrant(inn)en wurde jedoch wieder durch zwei Aspekte relativiert. Erstens blieb das nachzuweisende Niveau der Deutschkenntnisse niedrig („einfaches Gespräch“). Zweitens wurden mit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes im Januar 1993 im BVFG drei rechtliche Kategorien eingeführt: a) Spätaussiedler(innen) in eigener Person (§ 4 BVFG), im Folgenden auch Hauptantragsteller(in) genannt, b) „Ehegatten und Abkömmlinge“ (§ 7 Abs. 2), die selbst nicht die Voraussetzung nach § 4 erfüllen konnten, und c) weitere „Familienangehörigen“ (§ 8, Abs. 2), die weder die Voraussetzungen nach § 4 erfüllen konnten, noch
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unter § 7 Abs. 2 fielen.41 Demnach brauchten Ehegatten, Kinder, Enkelkinder und sonstige Familienangehörige von Hauptantragsteller(inne)n bis Ende 2004 keine Deutschkenntnisse nachweisen.42 Der Anteil der Spätaussiedler(innen) in eigener Person an allen im Rahmen des BVFG eingewanderten Personen sank von 75 % im Jahr 1993 auf 20% im Jahr 2003 in der letzten von mir untersuchten Aussiedlerkohorte (BMI 2006: 40; 138). Nur dieser abnehmende Anteil von Hauptantragsteller(inne)n musste den Deutschtest absolviert haben, so dass in diesem Zeitraum vermutlich immer weniger Spätaussiedler(innen) mit Deutschkenntnissen einreisten. Zwar gewannen Deutschkenntnisse bei der Regulierung der Aussiedlerzuwanderung an Bedeutung. Dennoch blieb das geforderte Niveau eher niedrig, und aus unterschiedlichen Gründen mussten nicht alle Personen Deutschkenntnisse nachweisen, denen der Aussiedler-Status zuerkannt wurde. Innerhalb des großzügig gesteckten Rahmens der sprachbezogenen Kriterien war eine erhebliche, u. a. durch den Herkunftskontext mit bestimmte Varianz der bei der Einreise vorhandenen Deutschkenntnisse möglich. Das hohe muttersprachliche Niveau vieler Rumäniendeutscher und die geringen Deutschkenntnisse vieler Aussiedler(innen) aus Polen und der Ex-UdSSR sind für Kohorten bis Anfang der 1990er Jahre gut belegt (BMI 1988: 50f.; Mammey/Schiener 1998: 38; Silbereisen u. a. 1999: 83f., vgl. ausführlicher Kap. 4.2 u. 4.3). Ungeachtet der tatsächlichen Deutschkenntnisse wird das gesetzlich eingeforderte „Bekenntnis“ zu einer deutschen Ethnizität in vielen Fällen tatsächlich auf einer ethnisch konnotierten Vorab-Identifikation mit Deutschland beruht haben (vgl. Krentz 2002: 94; Rosenthal 2005: 324; Reitemeier 2006: 229f.). Wie in Kapitel 2.2.3.2 erörtert, könnte dies bei jenen Aussiedler(inne)n ohne substanzielle Deutschkenntnisse zu einer besonders hohen sprachlichen Assimi41 Bei jenen weiteren Familienangehörigen kann es sich um Schwiegertöchter/-söhne, Schwiegereltern oder Stiefkinder der Spätaussiedler(innen) in eigener Person handeln (Haug/Sauer 2007: 19). Bei keiner anderen Migrantenkategorie gibt es im deutschen Recht eine so weit gefasste Definition zuwanderungsberechtigter Familienangehöriger. Die ‚§8-Familienangehörigen‘ erwerben im Gegensatz zu Ehegatten und Abkömmlingen (s. hier §4 Abs. 3) nicht die Rechtsstellung als Spätaussiedler(innen) und somit auch nicht automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, obwohl sie in den amtlichen Zuzugsstatistiken als Spätaussiedler(innen) zählen. Als nicht-deutsche Ehegatten oder Stiefkinder von Spätaussiedler(inne)n nach § 4 oder 7, und damit von Deutschen, können sie aber bereits nach drei Jahren eine Einbürgerung beantragen (vlg. § 9 des Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie Punkte 8.1.3.6 und 9.1.2.1. der Verwaltungsvorschriften, StAR – VwV). Der Anteil der Familienangehörigen nach § 8 BVFG an allen Spätaussiedler(inne)n stieg von 1,8% im Jahr 1994 auf 15,3% im Jahr 2003 (BMI 2004: 89).Bis 1994 konnte nach § 94 BVFG ein sehr weit gefasster Kreis von Familienangehörigen von bereits ansässigen Aussiedler(inne)n nachziehen, ohne sofort die deutschen Staatsangehörigkeit zu erhalten. 42 Erst seit 2005 müssen auch Familienangehörige von Aussiedler(inne)n in den Herkunftsländern Grundkenntnisse im Deutschen (Sprachkompetenz A1 des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“) anhand eines Sprachtests nachweisen (BMI 2006: 41).
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lationsbereitschaft oder einem entsprechenden Druck geführt haben, da im Alltag die Anerkennung ‚als Deutsche‘ durch die Deutschen ohne Migrationshintergrund wesentlich an die Beherrschung der deutschen Sprache als einem Kriterium sine qua non gebunden wurde (Herwartz-Emden 1997: 4; Dietz/Roll 1998: 48f.; Rabkov 2006: 339; Reitemeier 2006: 223). Bei nicht-deutschen Migrant(inn)en kamen in meinem Untersuchungszeitraum (1987-2003) keine auf die deutschen Sprachkenntnisse bezogenen Kriterien zum Tragen. Daher ist insgesamt zu vermuten, dass die auf Deutschkenntnisse bezogenen Anerkennungskriterien bei Aussiedler(inne)n im Sinne eines immigrationspolitisch beeinflussten Kompositionseffekte (zur Definition vgl. S. 39) dazu führten, dass innerhalb dieser Gruppe mehr (wenn auch nicht nur) Erwachsene und Kinder mit einfachen oder sogar guten deutschen Sprachkenntnissen einreisten als unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten – ein Umstand, der die Schulkarrieren von Aussiedlerkindern begünstigt haben sollte. 3.1.3 Ökonomische Kriterien Mit Blick auf die allgemein hohe Bedeutung der sozialen Herkunft für die Bildungschancen von Kindern wurde im Kapitel 2.2.3.1 argumentiert, dass sozioökonomische Einreisebedingungen, die erwachsene Migrant(inn)en erfüllen müssen, höchst einflussreich für die anschließenden Integrationschancen ihrer Kinder im schulischen Bereich sein könnten. Bei Aussiedler(inne)n sowie bei anderen Migrant(inn)en, die aus humanitären und/oder politischen Gründen Aufnahme fanden, kamen jedoch keine individuellen sozio-ökonomischen Zuwanderungskriterien zum Tragen. Dies betraf rechtlich unterschiedlich definierte ausländische Flüchtlingsgruppen, die ansonsten sehr divergierenden rechtlichen Aufenthaltsbedingungen ausgesetzt waren (vgl. Kap. 3.2), gleichermaßen. Erwachsene EU-Bürger(innen) mussten, um sich erstmalig in der Bundesrepublik niederzulassen, ihren Unterhalt als abhängig Beschäftigte, Selbstständige oder durch sonstige eigene Einkommensquellen sichern und durften nicht Sozialhilfe beziehen (Koschorreck 1999: 5). Hier bewirkte die Einschränkung der Freizügigkeit von Unionsbürger(inne)n durch § 8 der Freizügigkeitsverordnung/EG (Renner 1999: 895) eine – allerdings eher niedrigschwellige – ökonomische Auswahl von Migrant(inn)en, die Erwerbstätigkeit per se, nicht aber das Ausbildungsniveau der erwerbstätigen Migranten(eltern) betraf. Damit Kinder von Unionsbürger(inne)n mit- bzw. nachziehen konnten und bleibeberechtigt wurden, musste zudem genügend Wohnraum zur Verfügung stehen (§ 7 AufenthG/EWG). 84
Im Untersuchungszeitraum war die EU-Binnenmigration die wichtigste Form der Arbeitsmigration, die rechtlich relativ unproblematisch die Migration der Kinder dieser Arbeitsmigrant(inn)en und eine dauerhafte Niederlassung nach sich ziehen konnte. Ansonsten galt der Anwerbestopp von Arbeitskräften aus Drittstaaten seit Ende 1973 fort. Die hunderttausende Individuen, die trotz des Anwerbestopps zum Arbeiten nach Deutschland kamen, waren in erster Linie erwachsene Drittstaatenangehörige mit zeitlich begrenzten Arbeitsgenehmigungen.43 Ausländer(innen) mit einer – stets befristeten und zweckgebundenen – Aufenthaltsbewilligung (§ 28 AuslG), wie sie temporär erwerbstätigen Werkvertrags- und Saisonarbeitnehmer(inne)n sowie Studierenden und Auszubildenden erteilt wurde, konnten ihre minderjährigen Kinder nur im Zuge einer amtlichen Ermessensentscheidung nachkommen lassen (Renner 1999: 135). 44 Anders war dies bei einer kleinen Gruppe von höher und hoch qualifizierten Drittstaatenangehörigen, denen eine Arbeitsaufnahme erlaubt werden konnte, z. B. Fachkräften in international tätigen Unternehmen, Lektor(inn)en zur Sprachvermittlung an Hochschulen (§ 4 Abs. 4, 5 Anwerbestoppausnahmeverordnung [ASAV]), Wissenschaftler(inne)n und anderen Akademiker(inne)n, an deren Beschäftigung ein – durch die Arbeitsämter festgestelltes – „öffentliches Interesse“ bestand (§ 5 Abs. 1, 2 ASAV). Da diese Gruppen den besseren Aufenthaltstitel einer befristeten Aufenthaltserlaubnis erhielten (§§ 4, 5 Arbeitsaufenthaltsverordnung), konnten sie auch ihre minderjährigen Kinder für eine auf mehrere Jahre begrenzte Zeit mit nach Deutschland bringen.45 Im Rahmen der Familienmigration wurde ein ähnliches und vergleichbar niedriges Niveau ökonomischer Zuwanderungskriterien wie bei der EUBinnenmigration angewandt. Minderjährige Ausländer(innen) konnten bis zu ihrem 16. Lebensjahr zu ihren aus Drittstaaten stammenden Eltern nachziehen, wenn die bereits ansässigen ausländischen Eltern (oder eines der beiden Elternteile) ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten konnten und „ausreichenden Wohnraum“ zur Verfügung hatten (§ 17 Abs. 2 AuslG). Beim Nachzug von Familienangehörigen zu Asylberechtigten galt dagegen die Anforderung an den Wohnraum nicht (§ 17 Abs. 3) und auch ein Bezug von Sozialhilfe war kein Einreisehindernis (Renner 1999: 126). Im Falle des Familiennachzuzugs zu den meisten Drittstaatenangehörigen und zu EU-Angehörigen konnte es zu migrationsrechtlich bedingten Trennungsphasen zwischen Kindern und El43
Zu ausländerrechtlichen Aufenthaltstiteln vgl. Kap. 3.2.1, zu Arbeitserlaubnissen vgl. Kap. 3.2.3. Angesichts der begrenzten Dauer der Arbeitserlaubnisse und des Alters von Personen in Ausbildung erscheint ein häufiger Nachzug von Kindern wenig plausibel. 45 Das BMI (2004: 49) beziffert die erteilten Arbeitserlaubnisse nach §§ 4, 5 ASAV zusammengenommen für die Jahre 2002 und 2003 jeweils auf ca. 10.000. Dies sind die erwachsenen Migrant(inn)en, Zahlen über deren mitgebrachte Kinder existieren nicht. 44
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tern(teilen) kommen, so lange die Antragsteller(innen) nicht in der Lage waren, die oben genannten Kriterien zu erfüllen. Insgesamt fand durch die zuwanderungsrechtlichen Regelungen in Deutschland kein so massives sozio-ökonomisches ‚Creaming‘ statt, dass es die anschließenden Integrationschancen gravierend beeinflusst haben könnte. Die Mindestanforderung, dass neu einreisende EU-Bürgerinnen, spezifische Gruppen von Arbeitsmigrant(inn)en aus Drittstaaten sowie die meisten Ausländer(inn)en, die ihre Kinder nachkommen lassen wollten, ohne Sozialhilfebezug ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten mussten, gab deren Kindern bezogen auf die materielle Lebenssituation ihrer Familien zum Beginn ihres Aufenthalts aber einen gewissen Vorsprung vor Kindern von Aussiedler(inne)n und Flüchtlingen. Dies könnte sich zu Lasten der Lernausgangslagen von Letzteren ausgewirkt haben. 3.1.4 Zwischenresümee Die Analyse der potenziell bildungsrelevanten Einreisekriterien, die im deutschen Fallbeispiel bei unterschiedlichen rechtlichen Zuwanderungskategorien zum Tragen kamen, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im Sinne eines möglichen Gruppeneffekts auf Bildungschancen ist die Verknüpfung bestimmter rechtlicher Zuwanderungswege mit spezifischen Herkunftsländern zu beachten. Personen mit Aussiedlerstatus konnten nur aus osteuropäischen Staaten, und ab 1993 (fast) nur aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion kommen. Letzteres traf auch auf die jüdischen Kontingentflüchtlinge zu. Migrant(inn)en aus Ländern mit gut entwickelten Bildungssystemen, EU-Angehörigen und Zugewanderte aus dem ehemals sozialistischen Osteuropa, könnten von der dort erfahrenen Grundbildung auch in Deutschland profitiert haben. Deutsche Sprachkenntnisse waren einzig bei (Spät-)Aussiedler(inne)n ein Anerkennungskriterium. Mit den geforderten einfachen mündlichen Deutschkenntnissen wurde dieses Kriterium eher niedrigschwellig angesetzt, und aufgrund der Regelungen im Bundesvertriebenengesetz mussten nicht alle (Spät-) Aussiedler(innen) diese einfachen Deutschkenntnisse nachweisen. Diejenigen Aussiedlerkinder, so meine Hypothese zu einem immigrationspolitisch beeinflussten Kompositionseffekt, die bereits vor der Einreise des Deutschen mächtig waren, hatten besonders gute Startbedingungen für ihre Schullaufbahn in Deutschland, und ihre sprachkundigen Eltern konnten sie besser in schulischen Belangen unterstützen. Individuelle ökonomische Einreisekriterien waren weder bei der Anerkennung als Aussiedler(in) noch bei den unterschiedlichen rechtlichen Varianten 86
eines Flüchtlingsstatus relevant. Bei EU-Bürger(inne)n und beim Familiennachzug zu Drittstaatenangehörigen (hier jedoch nicht beim Nachzug zu anerkannten Flüchtlingen) waren die Einreisekriterien auf das Gebot des Nicht-Bezugs von Sozialhilfe und des ausreichenden Wohnraums beschränkt. Der Faktor, dass Eltern überhaupt erwerbstätig waren, könnte die Bildungschancen ihrer Kinder möglicherweise ein wenig verbessert haben. Insgesamt sind die gruppenspezifischen Zuwanderungskriterien, die mit den hier diskutierten unterschiedlichen Rechtsstatus verknüpft waren, nicht so eindeutig und kontrastreich, dass sich nur anhand dieser Kriterien die Integrations- und Teilhabechancen der Migrantengruppen vorhersagen ließen. So ist unklar, ob etwa die Bedingung, dass Eltern aus einem EU-Land bei ihrer Niederlassung in Deutschland erwerbstätig sein mussten, entscheidender für die Bildungschancen ihrer Kinder war als der Umstand, dass viele, wenn auch nicht alle Eltern mit Aussiedlerstatus bis zum Zeitpunkt der Einreise einfache mündliche Deutschkenntnisse nachweisen mussten. Wie der folgende Abschnitt 3.2 zeigen wird, existierte dagegen hinsichtlich der politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen eine sehr deutliche Hierarchie zwischen Aussiedler(inne)n und ausländischen Migrant(inn)en allgemein sowie innerhalb der Gruppe der Ausländer(innen). 3.2 Rechtliche Aufenthaltsbedingungen und rechtsstatusspezifische Integrationspolitiken 3.2.1 Bleibesicherheit Eine existenzielle Rahmenbedingung des Aufenthalts ist die Bleibesicherheit, die Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtstatus zuerkannt oder verwehrt wird. Wie in Kapitel 2.3.3.1 argumentiert wurde, stellt vor allem eine knappe Befristung und die Ungewissheit einer Verfestigung eines Aufenthaltsstatus für die betroffenen Kinder eine psychologische Belastung, auch hinsichtlich ihrer Schulleistungen, dar. Aussiedler(innen) genossen als deutsche Staatsangehörige absoluten Abschiebeschutz und damit die maximale Bleibesicherheit. Die Möglichkeit zur langfristigen Planung eines Lebens in Deutschland begann nicht erst mit der Einreise, sondern bereits bei der Vorbereitung der Emigration im Herkunftsland – also spätestens, wenn dort die Überprüfung der Aussiedlereigenschaft erfolg-
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reich verlaufen war und die Hauptantragsteller(innen) und ihre Familienangehörigen den Aufnahmebescheid erhalten hatten.46 Im Vergleich zu Aussiedler(inne)n wurde allen anderen Migrant(inn)en ein geringeres Maß an Bleibesicherheit gewährt, selbst wenn im Folgenden ein unbefristeter ausländerrechtlicher Aufenthaltstitel als sicherer Rechtsstatus bezeichnet wird. – Zum quantitativen Umfang der Ausländergruppen mit unterschiedlichen anfänglichen Rechtsstatus vergleiche Anhang I. – Einen solchen sicheren Status erhielten die jüdischen Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen UdSSR, die gemäß §1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHAG, bis Ende 2004 in Kraft) von der Bundesrepublik aufgenommen wurden. Sie ‚übersprangen‘ eine anfängliche Phase, in denen andere Ausländer(innen) zunächst befristete Aufenthaltsstatus innehatten, und bekamen gemäß § 1 Abs. 3 HumHAG mit der Einreise eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 24 AuslG). Sie wurden damit wie Asylberechtigte behandelt (vgl. auch Fußnote 36 in diesem Kapitel). Asylsuchende konnten durch die Anerkennung nach § 16a des Grundgesetzes (GG) als politisch Verfolgte gemäß § 68 AsylVfG ebenfalls den sicheren Rechtsstatus in Form einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erlangen. Asylberechtigte einschließlich der Kontingentflüchtlinge genossen nach § 51 Abs. 2 AuslG einen besonderen Abschiebeschutz (Renner 1999: 266). Ebenfalls einen sicheren Rechtsstatus hatten EU-Angehörige inne. Allerdings gab es bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1.1.2005 sowohl befristete als auch unbefristete EG/EU-Aufenthaltserlaubnisse. Aber selbst die befristete Erlaubnis für mit- oder nachziehende Familienangehörige inklusive der Kinder wurde, wenn kein kürzerer Aufenthalt gewünscht wurde, gemäß § 7 AufenthG/EWG gleich auf „mindestens 5 Jahre“ ausgestellt und war um denselben Zeitraum verlängerbar oder konnte nach 5 Jahren Aufenthalt entfristet werden. Eine Ausweisung war nur aus „schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (vgl. § 12 AufenthG/EWG) möglich. Von diesen Extremfällen abgesehen konnten weder EU-Angehörige noch Kontingentflüchtlinge oder Asylberechtigte und deren Kinder ausgewiesen werden. Hinsichtlich der langfristigen Planungssicherheit näherten sich diese Gruppen nichtdeutscher Migrant(inn)en dem Niveau der Aussiedler(innen) an. Der Rechtsstatus der im Rahmen der Familienzusammenführung nachgezogenen Kinder von Drittstaatenangehörigen hing zunächst von dem Aufenthaltstitel des bereits in Deutschland lebenden Elternteils ab. Wenn Eltern einen 46 Vor 1990 stellten Migrant(inn)en, insbesondere aus Polen, den Antrag auf Anerkennung als Aussiedler(in) zwar häufig erst nach der Einreise mit einem Touristenvisum (BMI 1988: 8). Aufgrund der bis dahin großen politischen Aufnahmebereitschaft konnte die entsprechende Rechtssicherheit auch in diesen Fällen schon vor der Einreise antizipiert werden.
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unbefristeten Aufenthaltsstatus, also eine Aufenthaltserlaubnis oder –berechtigung, hatten, dann hatten Kinder einen Rechtsanspruch auf eine zunächst befristete Aufenthaltserlaubnis (Ausländerbeauftragte 2001: 212), die „bis zur Vollendung des 8. Lebensjahrs erteilt und dann bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs verlängert“ (Renner 1999: 135) wurde. Hatten die Eltern jedoch selbst nur eine befristete Erlaubnis, hing ihre Verlängerung oder die Entfristung der Aufenthaltserlaubnisse von der ihrer Eltern ab. Eine befristete Aufenthaltserlaubnis der Kinder konnte, aber musste also nicht der erste Schritt hin zu einem sicheren unbefristeten Status sein. Die Bleibeperspektive von Asylsuchenden mit ihrer Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylVfG) war insofern begrenzt, da bei der Antragstellung weder klar war, wie lange sich das Anerkennungsverfahren hinziehen, noch wie es entschieden werden würde. Asylsuchenden konnte, wenn ihnen die Anerkennung als politische Verfolgte nach § 16 a GG verwehrt worden war, entweder in Anlehnung an die Genfer Flüchtlingskonvention das ‚kleine Asyl‘ (§ 51 Abs. 1 AuslG) und damit eine Aufenthaltsbefugnis oder aus unterschiedlichen Gründen eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG) gewährt werden (BMI 2004: 33). Letztere ebenso wie Geduldete, die von vornherein keinen Asylantrag stellten, werden auch „De-facto-Flüchtlinge“ genannt (BMI 2004: 42). Unter solchen unsicheren Rechtsstatus war die Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) insofern der noch der günstigere, als dass sie immerhin „für jeweils längstens zwei Jahre erteilt und verlängert“ (§ 34 Abs. 1 AuslG) wurde. Die Befugnis konnte zwar im Prinzip im Zuge einer Ermessensentscheidung zu einer weiteren Aufenthaltsverfestigung führen (Renner 1999: 180), wird von mir hinsichtlich der Bleibesicherheit dennoch als prekär eingestuft, da sie nicht verlängert werden durfte, „wenn das Abschiebehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen“ (§ 34 Abs. 2 AuslG) waren – und auf eine solche Beurteilung hatten die Betroffenen selbst keinen Einfluss. Eine Duldung (§56 AuslG) war aus juristischer Sicht noch nicht mal eine so genannte Aufenthaltsgenehmigung – der Oberbegriff für unterschiedliche Arten der Gewährung eines rechtmäßigen Aufenthalts (§ 5 AuslG) – , sondern bedeutete lediglich eine zeitweise Aussetzung einer Abschiebung. Eine Duldung wurde nur in Ausnahmefällen für einen längeren Zeitraum als ein Jahr ausgestellt oder verlängert (§ 56 AuslG). Eine solche Verlängerung im Sinne einer „Kettenduldung“ erfolgte „manchmal Monat für Monat“ , wie Pro Asyl (2004) kritisch kommentiert. In meinem Untersuchungszeitraum hielten sich Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien mehrheitlich mit einer Duldung in Deutschland auf – auf Basis der von den Bundesländern angeordneten „Abschiebestopprege89
lung“ (§ 54 AuslG) oder nach der Ablehnung ihrer Asylanträge. Die Möglichkeit, gemäß §§ 32a, 33 AuslG Bürgerkriegsflüchtlingen Aufenthaltsbefugnisse ohne den Umweg über ein Asylverfahren zu gewähren, wurde nur bei einem kleinen Kreis von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo angewandt (Kühne/Rüßler 2000: 75-78; BMI 2004: 40f.). Ausländer(innen), die ohne legalen Rechtsstatus und ohne Duldung in Deutschland lebten, waren natürlich einer noch stärkeren Unsicherheit als Geduldete ausgesetzt. Gerieten sie in eine Polizeikontrolle oder dergleichen, drohte entweder die unmittelbare Abschiebung oder sie wechselten bei Abschiebehindernissen in einen der genannten prekären, aber ‚offiziellen‘ Rechtsstatus über. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unter den neu einreisenden Migrant(inn)en Aussiedler(inne)n das höchste Maß an Bleibesicherheit genossen. Unter Ausländer(inne)n erhielten nur Kontingentflüchtlinge von Beginn an eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis als bestmöglichen ausländerrechtlichen Status, der eine langfristige gesicherte Lebensplanung erlaubte. Eine Mittelposition nahmen EU-Angehörige und mit- oder nachziehende minderjährige Kinder von Drittstaatenangehörigen ein. Deren zunächst befristete Rechtsstatus waren bei weitem nicht so prekär wie die von Asylsuchenden, abgelehnten Asylbewerber(inne)n und sonstigen geduldeten De-facto-Flüchtlingen. Gerade die existenzielle Unsicherheit, denen diese rechtlich benachteiligten Migrantengruppen ausgesetzt waren, könnte sich auch negativ auf den Schulerfolg der betroffenen Kinder ausgewirkt haben. Der folgende Exkurs befasst sich mit den Bedingungen von Aufenthaltsverfestigungen und Einbürgerungen, die im Laufe des Aufenthalts (also gegebenenfalls bis zum Erhebungszeitpunkt der von mir verwendeten Datensätze) stattfinden konnten – und zwar insoweit hiermit für die später untersuchten Bildungserfolge relevante soziale Selektionsprozesse einhergingen. Exkurs: Bildungsrelevante Selektionsprozesse bei der Verfestigung des ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus und bei Einbürgerungen Im Gegensatz zu Aussiedler(inne)n als deutschen Staatsbürger(inne)n waren ausländische Migrant(inn)en aufenthaltsrechtlichen Regelungen unterworfen, die zu forcierten Fortzügen führen konnten. In dem Maße, in dem die Bleibebedingungen, die Ausländer(inn)en nicht erfüllen konnten, sozialer Natur waren, konnten auch die daraus resultierenden Fortzüge ‚negativ‘ selektiv sein, während diejenigen, die in einen besseren Status wechseln konnten, eher die ökonomisch Erfolgreicheren waren (vgl. Fußnote 12 in Kap. 2). So konnte der Bezug von Sozialhilfe die Verlängerung einer befristeten Erlaubnis unter Umstän90
den gefährden (Morris 2002: 34f.) und erschwerte es Erwachsenen, anstelle eines befristeten Status eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 24 AuslG, §7a AufenthG/EWG) zu erlangen, die darüber hinaus u. a. auch einfache mündliche Deutschkenntnissen erforderte. Auch wenn die ausländerrechtliche Logik eine soziale Selektivität der fortziehenden und verbleibenden Ausländer(innen) nahe legt, besteht empirisch eine gravierende Forschungslücke über die sozialen Charakteristika der Migrant(inn)en, die Deutschland wieder verlassen (vgl. auch Anhang I). Bei Einbürgerungen wurden ebenfalls durch sprachliche, ökonomische und bildungsbezogene Kriterien soziale Selektionsprozesse vorgenommen, die in dieser Form bei ‚automatisch‘ eingebürgerten Aussiedler(inne)n fehlten.47 Während Deutschkenntnisse bei Ermessenseinbürgerungen (§ 8 RuStaG) immer erforderlich waren, wurden sie bei Anspruchseinbürgerungen im Zeitraum von 1993 bis 1999 (§§ 85 und 86 AuslG alt) nicht, sondern erst mit Inkrafttreten des reformierten Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 verlangt (§ 85 AuslG neu) (Hagedorn 2001: 40f.). Bis 1999 mussten Erwachsene über 21 Jahre bei der Anspruchseinbürgerung ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, es sei denn der Bezug von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe ging auf einen von den Antragsteller(inne)n „nicht zu vertretenden Grund“ zurück (§ 86 AuslG alt). Seit 2000 war der Bezug solcher Transferleistungen ebenso wie bei Ermessenseinbürgerungen ein Ausschlussgrund (StAR-VwV 2000: Punkt 8.1.1.4). Bildungsbezogene Kriterien spielten bei jugendlichen Einbürgerungskandidat(inn)en eine Rolle: Wollten sich bis 1999 Ausländer(innen) im Alter zwischen 16 und 22 einbürgern lassen, mussten diese mindestens sechs Jahre eine Schule (vier davon eine allgemeinbildende) in Deutschland besucht haben (§ 85 AuslG alt). Über den Schulerfolg sagte dieses Kriterium jedoch nichts aus. Seit 2000 galt ein Hauptschulabschluss als Äquivalent für den Nachweis der erforderlichen Deutschkenntnisse (StAR-VwV 2000: Punkt 86.1.2 c). Der Abgang von einer deutschen Schule ohne Abschlusszeugnis konnte daher eine Einbürgerung gefährden. Aufenthaltsverfestigungen bis hin zur Einbürgerung konnten aufgrund von geforderten Aufenthaltszeiten erst etliche Jahre nach der Einreise gewährt werden.48 Die Logik der Einbürgerungskriterien legt bei als Ausländer(innen) Zu47 Bis Juli 1999 mussten neu zugewanderten Aussiedler(innen) noch eigens einen Antrag auf Einbürgerung stellen, dem aufgrund ihres Rechtsanspruch als anerkannte Aussiedler aber grundsätzlich stattgegeben wurde. Ab August 1999 erhielten die Hauptantragsteller(innen) sowie ihre Ehegatten und „Abkömmlinge“ den deutschen Pass nicht mehr über ein Einbürgerungsverfahren, sondern zeitgleich mit der Bescheinigung „zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft“ (§ 15 BVFG), die sie bei ihrer Registrierung in einer „Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes“ erhielten (BMI 2004: 28). 48 Die geforderten Mindestaufenthaltsdauer betrug bei einer Ermessenseinbürgerung zehn Jahre (§ 8 StAG; Einbürgerungsrichtlinie 1977: Punkt 6.4.3.), bei Anspruchseinbürgerungen bis 1999 15
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gewanderten, die sich im Laufe ihres Aufenthalts einbürgern ließen, soziale Selektionsprozesse nahe.49 Ähnlich fanden sie beim Wechsel von einem befristeten zu einem unbefristeten ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus statt. Bei der späteren Analyse der Bildungserfolge von Migrantenkindern ist in Rechnung zu stellen, dass Aussiedlereltern solchen Auswahlprozessen in Deutschland nicht unterworfen waren. 3.2.2 Bildungsbezogene Rechte und Schulpolitiken Im Gegensatz zu den bislang diskutierten Wirkungsweisen des anfänglichen Rechtsstatus von Migrantenkindern können bildungsbezogene Rechte und schulische Integrationsmaßnahmen direkt auf Bildungschancen einwirken. In welcher Hinsicht stellte in Schulen und bildungsbezogenen Politiken der Rechtsstatus eine Basis für eine formale Ungleichbehandlung unterschiedlicher Migrantengruppen dar, die derart ausgerichtet war, dass sie die Chancen tangierte, weiterführende Schulabschlüsse zu erreichen? In der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur finden sich nur vereinzelt Positionen zu dieser Fragestellung. Diese sind durchaus konträr. So halten Palt u. a. (1998: 9) fest, dass sich in den meisten Bundesländern „Bestimmungen für ‚deutsche‘ Aussiedler und ‚ausländische‘ Zuwandererkinder in getrennten Dokumenten [befinden], obwohl sich die Regelungen inhaltlich kaum voneinander unterscheiden.“ Während hier also eine De-facto-Gleichbehandlung beider Migrantengruppen angenommen wird, unterstreichen Puskeppeleit und KrügerPotratz (1999: 270), dass „bis heute unterschiedliche Begründungsansätze und verschiedenartige Beschulungskonzepte“ vorherrschen (ähnlich Apitzsch 1997: 54f.). Diesen Einschätzungen sind jedoch keine detaillierten komparativen Beweisführungen vorausgegangen, wie ich sie im Folgenden darlege. Meine historischretrospektive Analyse gilt vor allem der Erlasslage. Wo vorhanden, werden Informationen zur Umsetzung mit berücksichtigt, um die Relevanz der regulativen Ebene für die Praxis abzuschätzen. Der folgende Abschnitt fragt zunächst nach dem prinzipiellen Zugang zur schulischen Bildung.
bzw. acht Jahre (§§ 86, 85 AuslG alt) und seit 2000 acht Jahre (§85 AuslG neu). Asylberechtigten sowie Familienangehörigen von Einbürgerungskandidat(inn)en und von Deutschen wurden kürzere Wartefristen eingeräumt. 49 Im Vergleich zu Ausländer(inne)n weisen eingebürgerte Zugewanderte (Nicht-Aussiedler) im Schnitt eher Merkmale auf, die mit höheren Bildungschancen assoziiert sind (MGFFI NRW 2008; Salentin/Wilkening 2003: 114-118, 130).
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3.2.2.1 Zugang zur Schule: Recht auf Bildung und Schulpflicht Aussiedlerkinder und -jugendliche hatten als deutsche Staatsangehörige das gleiche Recht auf Bildung und unterlagen derselben Schulpflicht wie in der Bundesrepublik geborene Deutsche. Das Gleiche galt im Prinzip für Kinder und Jugendliche ausländischer Staatsangehörigkeit. So heißt es im KMK-Beschluss von 1979: „Die Gesetze über die Schulpflicht gelten in allen Ländern der Bundesrepublik auch für die ausländischen Kinder und Jugendlichen. (...) Ausländische Schüler haben dieselben Rechte und Pflichten wie deutsche Schüler.“ (KMK 1979: Punkt 1.1) Entgegen diesem Gleichheitsgrundsatz wurde das Menschenrecht auf Bildung jedoch Teilgruppen ausländischer Minderjähriger nicht bedingungslos gewährt. So beschränkten einige Landesgesetze die Schulpflicht auf solche ausländischen Kinder, die ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ in dem entsprechenden Bundesland hatten (Reuter 1999: 31). So wurde zum Beispiel in BadenWürttemberg (Schroeder 2001a: 12), dem Saarland (Reuter 2001: 341), Rheinland-Pfalz (Palt 2001: 315), bis 2001 in Hamburg (Niedrig u. a. 2002: 25) und bis 2005 in Nordrhein-Westfalen (Hortsch 2008: 47f.) bei Kindern von Asylsuchenden und Geduldeten das Recht auf Bildung nicht um eine Schulpflicht ergänzt. In diesem Fall hatten Schulbehörden keine Handhabe, einen Schulbesuch auch gegen unwillige Eltern durchzusetzen, und die Schulen sahen sich umgekehrt in geringerem Zugzwang, diesen zu ermöglichen (Motakef 2006: 322; Niedrig u. a. 2002: 25), da der freiwillige Schulbesuch der Betroffenen „unter Berücksichtigung der räumlichen und personellen Kapazitäten der in Betracht kommenden Schulen durchführbar“ (Reuter 2001: 368) sein sollte. Wie auch die Vereinten Nationen (UNHRC 2007: 17 ) kritisierten, war (und ist) für Migrantenkinder mit prekärem Aufenthaltsstatus also eine Inklusion in das Schulsystem im Sinne eines gleichberechtigten Zugangs potenziell gefährdet; eine Aufnahme konnte sich zumindest zeitlich verzögern.50 Im Fall von undokumentierten Migrantenkindern stand das Recht auf Schulbesuch im Konflikt mit der Verpflichtung von Schulbehörden, den Ausländerbehörden zu melden, wenn Schüler(innen) keinen Nachweis einer behördlichen Anmeldung vorweisen konnten. Infolgedessen konnte die Angst der Eltern vor Entdeckung und Abschiebung diese davon abhalten, ihre Kinder tatsächlich einzuschulen, so dass das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Bildung nicht umgesetzt werden konnte (Schönwälder u. a. 2004: 66f.; Motakef 2006: 32; SVR 2010). 50
In Hessen galt die Schulpflicht für Kinder von Asylbewerber(inne)n, wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen hatten und „Gebietskörperschaften zugewiesen“ (Schroeder 2001b: 189) worden waren (ähnlich in Niedersachsen, vgl. Bühler-Otten 2001a: 240).
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Eine weitere Ausnahme von der bildungsrechtlichen Gleichstellung von zugewanderten mit inländischen Kindern und Jugendlichen schlich sich über das Ausländerrecht ein. So galten Ausländer(innen) ab dem 16. Lebensjahr nach dem Asylverfahrensgesetz (§12 Abs. 1) als volljährig. Diese 16- und 17-Jährige unterlagen damit nicht mehr der (Teilzeit-)Schulpflicht (UNHRC 2007: 17; Niedrig u. a. 2002: 24). So konnte es in Extremfällen vorkommen, dass etwa ein 17-jähriger unbegleiteter Flüchtling im Abschiebegefängnis landete, statt wie andere Gleichaltrige eine Berufsschule besuchen zu können. Auch wenn der quantitative Umfang dieser Menschenrechtsverletzungen bisher nicht exakt bestimmbar ist51, so bleibt der Befund festzuhalten, dass solche „gruppenspezifischen Einschränkungen der Schulpflicht (...) schulgesetzlich und verfassungsrechtlich nicht zulässig“ (Reuter 1999: 31) sind. 3.2.2.2 Nach Rechtsstatus differenzierte Regelungen Für die große Anzahl der zugewanderten Kinder und Jugendlichen, denen der Besuch von allgemeinbildenden Schulen möglich war, stellt sich nun die Frage, ob der Rechtsstatus für die Art der Unterrichtung eine Rolle spielte. Die dichotome Unterscheidung zwischen Aussiedler(inne)n als deutschen Zuwanderern und Ausländer(innen) war, wie zu Beginn des Kapitels 3 konstatiert, in separaten Gesetzen, dem Ausländergesetz und dem Bundesvertriebenengesetz, institutionalisiert und drückte eine eindeutige Hierarchie zwischen beiden Migrantengruppen aus. Obwohl diese Kategorisierung von Personen für das Bildungssystem eigentlich pädagogisch irrelevant und systemfremd war (vgl. Kap. 2.3.3.2), gab es dennoch getrennte Beschlüsse und Richtlinien zur schulischen Eingliederung von Aussiedlerkindern einerseits und ausländischen Kinder andererseits.52 Von den noch zu erörternden substanziellen Unterschieden in diesen separaten Regelungen abgesehen, symbolisierte diese Trennung nicht nur, dass es sich hier um nicht miteinander zu vergleichende Schülergruppen handelte, sondern legte vor dem Hintergrund der nicht schulbezogenen Gesetze und der gesellschaftlichen Diskurse auch eine Hierarchie zwischen ihnen nahe. Die für die hier untersuchten Migrantenkohorten relevanten Regelungen entstanden in den 1970er Jahren. Auf Bundesebene war dies in Hinblick auf Aussiedler(innen) der KMK-Beschluss „Eingliederung von Berechtigten nach 51
Für 2008 schätzen Vogel und Aßner (2010: 22) die Zahl der schulpflichtigen Kinder ohne legalen Status auf mindestens 1000 bis maximal 30.000 bundesweit. 52 Eingebürgerte Nicht-Aussiedler(innen) fielen durch dieses dichotome Raster. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch Ausländer(innen) war im Einklang mit dem eher exklusiven deutschen Nationenverständnis bis in die 1990er Jahre noch nicht mitgedacht und gewann auch erst im Laufe jenes Jahrzehnts quantitativ relevante Ausmaße.
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dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in Schule und Berufsausbildung“. Dieser Beschluss wurde erstmalig 1971 verabschiedet, 1975 und 1977 modifiziert und zuletzt 1997 aktualisiert.53 Migrantenkinder ohne deutsche Staatsbürgerschaft betraf die aus dem Jahr 1976 stammende und zuletzt 1979 modifizierte Vereinbarung der KMK zum „Unterricht für Kinder ausländischer Arbeitnehmer“. Dabei bezog sich der Aussiedler-Beschluss der KMK eindeutig auf neu zugewanderte Personen, wohingegen der ausländerspezifische nicht zwischen erster und zweiter Zuwanderergeneration, d. h. Zugewanderten und im Land Geborenen, unterschied. Weitere in den 1980er und 1990er Jahren verabschiedete KMK-Beschlüsse bezogen sich primär auf Unterrichtsziele und -inhalte im Bereich der europäischen Integration, der interkulturellen Erziehung und der Schulsprachenpolitik (vgl. im Überblick Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 28f.). Beschulungsformen und Fördermaßnahmen für neu zugewanderte Schüler(innen), wie sie für meine Untersuchung im Zentrum stehen, wurden jedoch nicht wieder im Rahmen von KMK-Beschlüssen behandelt.54 An den separaten KMK-Beschlüssen orientiert, existierten auch auf der – für Bildungspolitik ja maßgeblichen – Ebene der Bundesländer getrennte Regelungen. Die Tabelle 3-1 zeigt, wie lange es in den (hier untersuchten) alten Bundesländern getrennte Erlasse für Aussiedler(innen) und nicht-deutsche Schüler(innen) gab, und weist nach, dass sich die Tendenz hin zu einer Aufhebung dieser Unterscheidung nach Rechtsstatus allmählich durchsetzte. In fast allen alten Bundesländern inklusive West-Berlins gab es in den 1980er Jahren separate aussiedler- und ausländerspezifische Erlasse. Als einziges Bundesland sah Bremen bereits vor meinem Beobachtungszeitraum, nämlich seit 1982, eine Gleichbehandlung von Aussiedlerkindern und ausländischen Kindern bzw. Migrantenkindern „nicht deutscher Herkunftssprache“ unabhängig vom Rechtsstatus vor (Niedrig 2001: 128).
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Gegenüber der Fassung von 1977 wurde im KMK-Beschluss von 1997, aus dem im Folgenden zitiert wird, nur die Regelungen unter Punkt 5.3. „Zum Hochschulzugang und Erwerb von Studienqualifikationen“ modifiziert; vor 1971 wurden bereits in zwei KMK-Empfehlungen der Zugang von Aussiedler(inne)n zu deutschen Hochschulen geregelt; vgl. den historischen Überblick bei Puskeppeleit/Krüger-Potratz (1999: 169-172). Zu westdeutschen Bildungspolitiken für ausländische Kinder bis in die 1970er Jahre vgl. ebenfalls Puskeppeleit/Krüger-Potratz (1999: 3ff.), für die Zeit ab 1973 vgl. Fereidooni (2010: 39ff.) 54 Dies gilt auch für den „Bericht ‚Zuwanderung‘“, den die KMK im Jahr 2002 beschloss. In diesem Bericht (KMK 2002a) wurden die Empfehlungen der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“ (2001) sowie die des Forums Bildung (2001) eher zusammengefasst als konsensuelle Rahmenbedingungen für die Bildungspolitik der Länder formuliert. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung spricht seit 2002 von „Personen mit Migrationshintergrund“ und definiert damit die so genannte „Zielgruppe unabhängig vom Rechtsstatus“ (BLK 2004: 2).
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Tab. 3-1:
Jahre, in denen in den alten Bundesländern eine vom Rechtsstatus unabhängige Regelung zur Beschulung von Migranten in Kraft trat oder ab denen die gemeinsame Anfangsbeschulung von Aussiedler(inne)n und Ausländer(inne)n erstmals erlaubt wurde
Bremen Schleswig-Holstein NRW Hessen Niedersachsen Rheinland-Pfalz Berlin Hamburg Saarland Baden-Württemberg Bayern
1982 unklar, spätestens 198955 1990 1992 1993 unklar, spätestens 199656 1996 1997 unklar, spätestens 200757 2008 2008
Quellen: Bremen (Niedrig 2001: 128), Schleswig-Holstein (Glumpler 1992: 26f.), NRW (Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 216), Hessen (Palt u. a. 1998: 28), Niedersachsen (Palt u. a. 1998: 57), Rheinland-Pfalz (Palt 2001: 313), Berlin (Palt u. a. 1998: 54), Hamburg (Neumann/ Häberlein 2001: 159; 183), Saarland (Reuter 2001: 337), Baden-Württemberg (Landesarbeitsstelle Kooperation Baden-Württemberg 2003; KMBW 2008), Bayern (BStMfUuK 1984, 1988; BStMfUuK 2008).
In fünf Bundesländern wurde formell im Verlauf der 1990er Jahren die gemeinsame Beschulung eingeführt oder einheitliche Erlasse auf den Weg gebracht. Nordrhein-Westfalen ermöglichte als erstes unter den Flächenländern Ende 1990 eine gemeinsame Beschulung neu immigrierter Kinder und wird im Abschnitt 3.2.2.5 als Beispiel für ein tendenziell ‚egalitäres‘ Schulsystem näher vorgestellt. 1992 folgte Hessen mit seiner Verordnung über die „Aufnahme von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen, die aus dem Ausland kommen“, laut 55
Reuter (1999: 32) spricht zwar von zwei Erlassen „über den Unterricht für Ausländer und Aussiedlerkinder (1977; 1990)“, dies lässt sich aber in Bühler-Ottens (2001b) Länderportrait zu Schleswig-Holstein nicht verifizieren. Laut Gumpler (1992: 26f.) strebte im Jahr 1989 die damalige Landesregierung „gleiche Möglichkeiten der zusätzlichen Förderung“ für Aussiedlerkinder, ausländische Kinder im Allgemeinen und Kinder von Asylsuchenden im Besonderen an. 56 In Rheinland-Pfalz wurde 1986 eine „Richtlinie für den Unterricht der Kinder ausländischer Arbeitnehmer“ erlassen; für das Jahr 1996 berichtet Palt (2001: 313), dass laut ministerieller Auskunft und einer undatierten Dienstanweisung „Förderprogramme für alle Aussiedler und Ausländer ohne Unterscheidung des Herkunftslandes gleichermaßen gelten“ würden. 57 Für das Saarland kann Reuter (2001: 337) einen auf ausländische Schüler(innen)n bezogenen Erlass aus dem Jahr 1977 und einen aussiedlerspezifischen aus dem Jahr 1990 ausmachen. Im saarländischen Schulfördergesetz in der Fassung vom 21.11.2007 ist in § 3 von „Förderklassen für Aussiedler, Asylbewerber und Asylanten“ die Rede.
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dessen § 1 die „Staatsanghörigkeit der Kinder oder Jugendlichen (...) ohne Bedeutung“ war. Niedersachsen erlaubte mit dem Erlass zum „Unterricht für Schülerinnen und Schüler ausländischer Herkunft“ (Punkt 4.1.) ab dem Jahr 1993 gemeinsame Förderklassen für beide Migrantengruppen. Berlins Schulgesetz von 1996 und das Hamburgische aus dem Jahr 1997 bezogen sich nicht mehr auf den Rechtsstatus von Migrant(inn)en, sondern auf eine nicht-deutsche Herkunftssprache. Hinsichtlich des Abbaus separater Beschulungsregelungen blieben Bayern und Baden-Württemberg die Schlusslichter. In Bayern – in Kapitel 3.2.2.5 als Beispiel für ein konservatives Schulsystem porträtiert – stammten die letzten aussiedlerspezifischen und ausländerspezifischen Bekanntmachungen des Kultusministeriums aus den Jahren 1987 und 1984 und blieben über meinen gesamten Untersuchungszeitraum, 1987 bis 2003, hinweg gültig. Baden-Württemberg erließ noch 1997 eine Neuauflage der Verordnung für Aussiedler(innen) und im Jahr 2000 eine solche für ausländische Schüler(innen). Auch wenn sich inzwischen eine Gleichbehandlung laut Erlasslage weitgehend durchgesetzt hat, bleibt zu betonen, dass während der Hochzeit des Aussiedlerzuzugs – bis 1991 wanderte fast die Hälfte aller Aussiedler(innen), deren Schulabschlüsse ich hier untersuche, ein – in der großen Mehrheit der Bundesländer separate Regelungswerke für Kinder aus Aussiedlerfamilien einerseits und ausländische Kinder andererseits gültig waren. Würde mit dieser Unterscheidung auch eine Hierarchie in der schulischen Förderung einhergehen, wäre im Sinne eines integrationspolitischen Interaktionseffektes (zur Definition vgl. S. 54) zu erwarten, dass Bildungsdisparitäten zwischen Aussiedler- und anderen Migrantenkindern in Bayern und Baden-Württemberg besonders groß sind, da dort die gruppenspezifischen Beschlüsse am längsten formal in Kraft waren. 3.2.2.3 Allgemeine Bildungsziele Vor der Untersuchung der Eingliederungsmaßnahmen gilt es im nächsten Schritt zu klären, ob für die beiden Migrantengruppen der Aussiedler(innen) und nichtdeutschen Migrant(inn)en überhaupt vergleichbare oder unterschiedliche Bildungsziele formuliert wurden. Dabei ist festzustellen, dass sich die größten Differenzen auf die zugrunde gelegten Bleibeperspektiven sowie den Umgang mit der nicht-deutschen Familiensprache von Migrant(inn)en bezogen. Bezogen auf die Stellung der Herkunftssprachen zeichneten sich die aussiedlerspezifischen Beschlüsse durch eine assimilative Grundtendenz aus. Der „Logik der politischen Argumentation [folgend], dass Aussiedlerfamilien nach Deutschland gekommen sind, um als Deutsche unter Deutsche leben zu können“ 97
(Glumpler 1992: 21), hatte das Erlernen alleine der deutschen Sprache Priorität. Im deutlichen Kontrast hierzu formuliert der KMK-Beschluss für ausländische Kinder das Ziel der „Erhaltung [der] sprachlichen und kulturellen Identität“ (KMK 1979: Präambel). Im Entstehungskontext der Gastarbeiterrekrutierung kann dieses Bildungsziel aber keinesfalls als Umschreibung einer multikulturellen Anerkennungspolitik begriffen werden, sondern war an der politisch erwünschten Rückkehr orientiert, auch wenn der aus der ursprünglichen Zielformulierung abgeleitete ergänzende muttersprachliche Unterricht in den 1990er Jahren eine gewisse Aufwertung im Sinne einer Wertschätzung der kulturellen Ressourcen von Migrant(inn)en erfuhr (zu NRW vgl. Neumann u. a. 2001; zu Hamburg Neumann/Häberlein 2001). Wissenschaftlich ist es umstritten, wie die Förderung primärsprachlicher Kompetenzen den Zweitspracherwerb beeinflusst (Gogolin u. a. 2003; Slavin/Cheung 2003; Söhn 2005; Limbird/Stanat 2006). Reichweite und Qualität des praktizierten muttersprachlichen Unterrichts waren aber ohnehin so gering (Gogolin 2005: 137), dass ein bedeutsamer positiver Effekt auf die allgemeinen Bildungserfolge unwahrscheinlich ist. Zudem wurde bei Aussiedlerkindern eine nicht deutsche Erstsprache nicht völlig ignoriert. Die für ausländische Kinder gegebene Möglichkeit, die Herkunftssprache anstelle einer Pflichtfremdsprache zu wählen oder sie sich in einem Feststellungsverfahren als solche anerkennen zu lassen (KMK 1979: Punkt 4.3; vgl. auch Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 21), existierte ähnlich für Aussiedlerjugendliche, die während der Sekundarbildung migrierten (KMK 1997: Punkt 2.1.2).58 Bezogen auf die Bleibeperspektive als generelle Rahmung der schulischen Integration musste in den aussiedlerspezifischen Beschlüssen die Prämisse, dass der Zuzug von Aussiedler(inne)n eine dauerhafte Niederlassung bedeutete, gar nicht ausbuchstabiert werden, so selbstverständlich leitete sie sich aus der allgemeinen bundesrepublikanischen Aussiedlerpolitik ab. Demgegenüber benannte die Präambel des KMK-Beschlusses von 1979 die „Aufgabe, (...) ausländischen Kindern und Jugendlichen (...) die Wiedereingliederung in die heimatlichen Schulen offenzuhalten.“ Der angestrebte „Erhalt[s] der Rückkehrfähigkeit“ (Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 20) reflektierte den damals vorherrschenden politischen Willen, eine Remigration der rekrutierten Arbeitsmigrant(inn)en zu fördern und stand dabei zu dem Ziel der Integration in einem deutlichen Span-
58 Diese Möglichkeit sollte Seiteneinsteiger(innen) dadurch entlasten, dass sie nicht gleichzeitig Deutsch und eine weitere Sprache lernen mussten. Diese wohlmeinende Regelung ist ein Beispiel für migrantenspezifische Maßnahmen, die negative Nebeneffekte haben konnte, da ohne Englisch der Erwerb weiterführender Schulabschlüsse, insbesondere des Abiturs, und wohl auch das spätere berufliche Fortkommen erschwert wurde (Gogolin 2005: 136; Glumpler 1992: 21).
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nungsverhältnis.59 Ein Wandel deutete sich im KMK-Beschluss zur „Interkulturellen Bildung und Erziehung in der Schule“ aus dem Jahr 1996 an, wo es nun hieß: „Viele von den in den vergangenen Jahrzehnten zugezogenen Migrantinnen und Migranten wollen auf Dauer bleiben (...)“ (KMK 1996: 61). Trotz der Unterschiede hinsichtlich der allgemeinen Bleibeperspektive und der Stellung der Herkunftssprache wurde für ausgesiedelte und ausländische Kinder die schulische Chancengleichheit in ähnlicher Weise als Leitziel formuliert. Der auf Aussiedler(innen) bezogene KMK-Beschluss benannte als Zielsetzung neben dem „Erwerb und [der] Vertiefung deutscher Sprachkenntnisse“ u. a. die Aufnahme von ausgesiedelten Schüler(innen) in „die ihrem Alter oder ihrer Leistung entsprechenden Klassen der Grundschule oder der weiterführenden Schule“ (KMK 1997: Punkt 2.2). In der Präambel wurde weiter die „Eröffnung von Möglichkeiten, begonnene Bildungsgänge zum Abschluß zu bringen“, als Ziel genannt. Auch ausländische Schüler(innen) sollten gemäß dem ausländerspezifischen KMK-Beschluss von 1979 dazu „befähigt werden, die deutsche Sprache zu erlernen und die deutschen Schulabschlüsse zu erreichen“. Wie bei Aussiedler(inne)n sollten gezielte Hilfen „auch in den weiterführenden Schulen“ es Schüler(inne)n ohne deutsche Staatsangehörigkeit ermöglichen, „die ihren Fähigkeiten entsprechenden Bildungsgänge durchlaufen [zu] können“ (KMK 1979: s. Punkt 4.1). 3.2.2.4 Beschulungsformen und Fördermaßnahmen Wurden diese sehr allgemein gehaltenen Ziele des deutschen Spracherwerbs und der Teilhabemöglichkeit für beide Migrantengruppen in den separaten Beschulungsregelungen in ähnlicher Weise konkretisiert? Ob und welche Formen von Ungleichbehandlung es aufgrund des Rechtsstatus gab, wird im Folgenden kurz für die vorschulische Bildung und ausführlich für die Beschulung in allgemeinbildenden Schulen sowie für andere Politiken, die sich auf den Erwerb von Schulabschlüssen bezogen, beschrieben. Aus der Perspektive der Lebenslaufforschung ist die anfängliche (Nicht-)Förderung von Migrantenkindern besonders bedeutsam, weil die Entscheidung, welchen Sekundarschultyp ein Kind besuchen soll, nur noch schwer ‚nach oben‘ revidierbar ist (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 296).
59 Baden-Württemberg übernahm eine entsprechende Formulierung auch noch in die Neufassung der Verwaltungsvorschrift zum „Unterricht für ausländische Schüler an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen“ vom 21. November 2000 (abgedruckt in Landesarbeitsstelle Kooperation Baden-Württemberg 2003: Punkt 1.2).
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Zwar waren in meinem Untersuchungszeitraum Kindergärten als institutioneller Kontext migrantenspezifischer Förderung noch wenig zentral, doch immerhin sahen seit den 1970er Jahren die Richtlinien der KMK vor, dass Aussiedlerkinder „im Vorschulalter bevorzugt in Kindergärten und Vorklassen aufgenommen werden“ sollten (KMK 1997: Punkt 1; Puskeppeleit/KrügerPotratz 1999: 181). In Niedersachen etwa war Aussiedlerkindern ein kostenloser Besuch eines Kindergartens für den Zeitraum von zwei Jahren möglich; in Rheinland-Pfalz wurden den Kindergärten zusätzliche Personalmittel für die Betreuung von Aussiedlerkindern bereitgestellt (Glumpler 1992: 30). Bezogen auf Kinder nicht-deutscher Staatsangehörigkeit wurde der Besuch eines Kindergartens in den älteren KMK-Beschlüssen der 1970er Jahre nicht als Ziel formuliert. Hessen führte 1992 zwar eine vom Rechtsstatus unabhängige und zunächst freiwillige Deutschförderung (Vorlaufkurse) für Kinder im letzten Jahr vor ihrer Einschulung ein (Schroeder 2001b: 190). Im Wesentlichen aber setzten bis Ende der 1990er Jahre Fördermaßnahmen für Migrantenkinder erst mit der Schulpflicht ein. Die Bestimmungen zur Unterrichtung von Migrantenkindern an allgemeinbildenden Schulen umfassen eine Reihe von Maßnahmen. Die Abbildung 3-3 stellt schematisch Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen neu zugewanderten Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus dar. Weitere Aspekte sind u. a. die oben thematisierten Fremdsprachenregelungen sowie Bestimmungen zur anfänglichen Leistungsbewertung, bei denen aber keine systematischen Unterschiede zwischen Aussiedler- und ausländischen Kindern bestanden.60 Ähnliche Beschulungsformen für Aussiedler- und ausländische Kinder Um die Bildungsziele des Erwerbs der deutschen Sprache und des Besuchs von Regelklassen der allgemeinbildenden Schulen zu verwirklichen, sahen sowohl die KMK-Beschlüsse als auch die entsprechenden Erlasse auf Bundeslandebene zwei Typen von Beschulungsformen für Seiteneinsteiger(innen) und für Schüler(innen) vor, deren Deutschkenntnisse als nicht ausreichend erachtet wurden, um dem Regelunterricht auf Deutsch folgen zu können.
60 Hier gab es nur Unterschiede zwischen Bundesländern. Hessen und Niedersachsen etwa sahen für alle Migrantenkinder eine altersadäquate Einschulung vor, während in Bayern Migrantenkinder „wegen allgemein mangelhaften Bildungsstandes“ in eine ein bis zwei Jahre niedrigere Jahrgangsstufe bzw. Schulanfänger(innen) in Kindergärten zurückgestuft werden konnten (Palt u. a. 1998: 28f., 33f.; 37).
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Abb. 3-3: Beschulungsformen und Fördermaßnahmen für nach Rechtsstatus unterschiedene Migrantengruppen Ausländische Migrant(inn)en Aussiedler(innen) Vorbereitungsklassen Förderklassen bis zu zwei Jahre separater Unterricht (Deutschförderung + deutschsprachiger Fachunterricht) vor der Einschulung in Regelklassen Vorbereitungskurse Förderkurse Deutsch-Intensivkurs bei gleichzeitigem Besuch von Regelklassen Förderunterricht Förderunterricht bis zu vier Wochenstunden Deutschförderung nach Anfangsbeschulung (s. o.) National homogene zweisprachige – Klassen/Schulen Reine Ausländerklassen als – Regelklassen – Förderschulen*/(Tages-)Internate Sonderlehrgänge zum Erwerb des – (Fach-)Abiturs Weitere Fördermaßnahmen** u. a. außerschulischer Nachhilfeunterricht, Deutsch– kurse für nicht mehr Vollzeitschulpflichtige sozialpädagogische Beratungs- und Betreuungsangebote – BAföG für Schüler(innen)** Anmerkung: weißer Hintergrund: aussiedlerspezifische Maßnahmen; Hellgrau: ähnliche Maßnahmen für beide Gruppen, z. T. mit unterschiedlicher Bezeichnung; Dunkelgrau: ausländerspezifische Maßnahmen. * Die hier genannten Förderschulen sind nicht mit Sonderschulen für behinderte Kinder zu verwechseln. ** Die von der mittleren Achse verschobenen Linien in den beiden unteren Zeilen symbolisieren die Erweiterung des Kreises der Berechtigten über Aussiedler(innen) hinaus.
Erstens gab es für diesen Personenkreis eigene, der Eingliederung in Regelklassen voran geschaltete Klassen. In diesen Einrichtungen, die bei Aussiedlerkindern als Förderklassen (KMK 1997: Punkt 2.2), bei nicht-deutschen Migrant(inn)en als Vorbereitungsklassen (KMK 1979: Punkt 3.1) bezeichnet wurden, wurde sowohl Deutsch als Zweitsprache (DaZ) als auch Fachunterricht gemäß den allgemeinen Lehrplänen unterrichtet. In der Regel erfolgte die Überweisung in eine Regelklasse nach ein bis zwei Jahren.61 Vorbereitungsklassen konnten hinsichtlich der Erstsprachen der nicht-deutschen Schüler(innen)
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Länderspezifische Regelungen (z. B. Berlin, NRW, Baden-Württemberg) sahen z. T. für ältere Seiteneinsteiger(innen) auch einen längeren bzw. endgültigen Verbleib in diesen separierten Klassen bis zum Erwerb des Hauptschulabschlusses oder dem Ende der Vollzeitschulpflicht vor.
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hetero- oder homogen zusammengesetzt sein. Im letzteren Fall war auch Fachunterricht in der Erstsprache durch ausländische Lehrkräfte möglich. Als Alternative zu dieser segregativen Eingangsförderung im Klassenformat sahen die KMK-Beschlüsse (1979: Punkt 3.3; 1997: Punkt 2.2) für die beiden Migrantengruppen Deutsch-Intensivkurse (für Aussiedler(innen) auch „Förder-“, für andere Migrant(inn)en „Vorbereitungskurse“ genannt) vor, die parallel zur sonstigen Unterrichtung in Regelklassen besucht wurden. Im Anschluss an diese zwei Arten anfänglicher Beschulungsformen im Klassen- und Kursformat, wie sie auch in anderen Einwanderungsländern gängig sind (OECD 2006: 154), war zeitlich befristeter Förderunterricht in Deutsch (häufig auch in Mathematik und Englisch) vorgesehen.62 Diese drei Beschulungsformen waren als Grundtypen in den separaten KMK-Beschlüssen für beide Migrantengruppen vorgesehen.63 Wie ähnlich die Detailregelungen tatsächlich waren, wird im Anschluss beispielhaft für die Länder Bayern und NRW untersucht. Eine negative Gemeinsamkeit zeigte sich auch in der Umsetzung: Bei Seiteneinsteiger(inne)n mit und ohne Aussiedlerstatus beschränkte sich die Förderung in der Praxis in hohem Maße auf den Hauptschulbereich (Holzapfel 1999: 35; Hummrich/Wiezorek 2005: 111; HerwartzEmden/Ruhland 2006: 9). Geringe oder fehlende Deutschkenntnisse führten fast automatisch zur Einschulung von Aussiedlerjugendlichen in Hauptschulen (Bayer 1996a: 152f.) – eine Praxis, die Gomolla und Radtke (2002) für Migrantenkinder allgemein darlegen (ähnlich Flam 2007b: 105-107).64 Trotz regulativer und praktischer Gemeinsamkeiten enthielten die jeweiligen KMK-Beschlüsse Besonderheiten, die nur Aussiedler(innen) oder nur ausländische Schüler(innen) betrafen. Ausländischen Kindern vorbehaltene Maßnahmen Nur für Ausländer(innen) waren segregierende Beschulungsformen möglich, in denen die Kinder länger als die für Vorbereitungs-/Förderklassen üblichen ma62
Dieser Förderunterricht wurde nur im KMK-Beschluss (1979: Punkt 3.4) für ausländische Migrant(inn)en angeführt, fand sich auf Länderebene aber durchgängig in aussiedlerspezifischen Erlassen. 63 Identisch formuliert waren die Passagen zur „Aufnahme in Sonderschulen“ lernbehinderter Schüler(innen) (KMK 1979: Punkt 5; KMK 1997: Punkt 3). 64 Diese Praxis steht auch im Widerspruch zur neutral gehaltenen, ergebnisoffenen Regelung zur Einstufung neu zugewanderter Schüler(innen) der KMK (2009): „Über die Einstufung in die an einer deutschen Schule fortzusetzende Schullaufbahn entscheidet (...) die jeweilige Schulleitung in Absprache mit der örtlichen Schulbehörde, den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern, in der Regel im Anschluss an einen Probeunterricht.“
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ximal zwei Jahre von Regelklassen getrennt unterrichtet wurden. Der KMKBeschluss von 1976 hatte den Bundesländern einen weiten „Spielraum für die ihnen genehmen (d. h. auch segregativen) Lösungen“ gegeben (Puskeppeleit/ Krüger-Potratz 1999: 2). So waren zum einen national homogene „Klassen mit Muttersprache und deutscher Sprache als Unterrichtssprache“ (KMK 1979: Punkt 3.2) erlaubt, z. B. nationale Ersatzschulen für griechische Kinder (Hopf 1987: 72) und zweisprachige Grund- und Hauptschulklassen in Bayern. Zum anderen sahen einige Ländererlasse die Bildung reiner Ausländerklassen als eine Art ‚Notmaßnahme‘ vor. Ab einem Fünftel ausländischer Schüler(innen) pro Klasse war die Bildung getrennt unterrichteter „reiner Ausländerklassen“ erlaubt, die „nach den Lehrplänen der deutschen Schule in deutscher Sprache arbeiten“ (KMK 1979: Punkt 2.2). In einer baden-württembergischen Verwaltungsvorschrift wird hier explizit das Ziel der Integration ausländischer Schüler(innen) gegen den „Schutz“ der deutschen Kinder, die „keinen Schaden nehmen“ durften, abgewogen (in Schroeder 2001a: 12; vgl. auch Radtke 1996: 53). Gerade weil Aussiedler(innen) deutsche Staatsangehörige sind, gab es in aussiedlerspezifischen Beschlüssen kein Äquivalent einer solchen protektionistischen Formulierung. Benachteiligend für die Bildungschancen konnte eine längerfristige Trennung von einheimischen Schüler(innen) aus mindestens drei Gründen sein. Erstens reduzierte der fehlende Umgang mit deutschsprachigen Kindern systematisch alltägliche Gelegenheiten zum informellen Zweitspracherwerb (Engin 2003: 28). Zweitens stellte die Konzentration von als ‚ethnisch fremd‘ wahrgenommenen und meist sozial benachteiligten Schüler(inne)n einen ungünstigen Lernkontext dar, der zugleich Nährboden für negative Lernerwartungseffekte bot (vgl. Schofield 2006: 74ff.; Solga/Wagner 2001; Baumert u. a. 2006). Drittens wurde eine negative Leistungserwartung formalisiert, wenn diese Klassen von vornherein an Hauptschulen eingerichtet waren oder wenn ein fließender Übergang von der Grundschule an die Hauptschule vorgesehen war. Eine Ausnahme bildeten griechische Schulen, die bis zum Abitur führen konnten. Die vorliegenden Quellen geben kaum Auskunft, in welchem Umfang die längerfristig segregierenden Beschulungsformen für nicht-deutsche Kinder noch in meinem Untersuchungszeitraum praktiziert wurden. Hinweise darauf, dass diese Beschulungsformen in den 1990er Jahren die Ausnahme darstellten, werden in den anschließenden Bundesländerbeispielen angeführt. Generell stand die wachsende Vielfalt der Herkunftsländer, aus denen Migrant(inn)en seit Ende der 1980er Jahre zugewandert waren, national homogenen Beschulungsformen entgegen, die in ihrem Entstehungskontext auf die Kinder aus der überschaubaren Anzahl von Anwerbestaaten abgezielt hatten.
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Daran, dass nicht jede Form schulischer Segregation mit verminderten Bildungschancen einhergeht, erinnert die Existenz einer kleinen Anzahl internationaler Privatschulen, die vor allem von ausländischen Kindern transnational mobiler Eliten besucht werden und den Erwerb einer in vielen Ländern gültigen Hochschulzugangsberechtigung ermöglichen. Die Einrichtung solcher Schulen wurde wiederum durch die KMK selbst in ihrem Beschluss von 1958 ermöglicht (Palt u. a. 1998: 41). Aussiedler(inne)n vorbehaltene Maßnahmen Für Aussiedler(innen) nannte der diesbezügliche KMK-Beschluss unter der Rubrik der „besonderen Fördereinrichtungen“ (KMK 1997: Punkt 2.2) zwei aussiedlerspezifische Besonderheiten: so genannte Förderschulen und Sonderlehrgänge. Förderschulen für Aussiedler(innen) waren eine nur für diese Migrantengruppe vorhandene Alternative der Anfangsbeschulung, die noch stärker als Förderklassen die Unterrichtung von Aussiedler(inne)n überregional bündelten (und nicht mit oft ebenfalls als „Förderschulen“ bezeichneten Sonderschulen für Kinder mit (Lern-)Behinderung verwechselt werden sollten). Das Bundesinnenministerium (BMI 1988: 57) beschreibt dieses „besondere[s] Eingliederungsangebot“ als ein „zum großen Teil mit Internaten verbundenes Förderschulsystem mit speziellen Klassen an öffentlichen und privaten Grund- und Hauptschulen sowie an Realschulen und Gymnasien.“ Neben dem schulischen Unterricht wurden nachmittags Deutschunterricht, Hausaufgaben- und Nachhilfe sowie ergänzende sozialpadägogische Betreuung angeboten. Förderschulen konnten sowohl mit Vollzeitinternaten verbunden sein, als auch als „Tagesinternate“ ohne Übernachtungsmöglichkeit einer Ganztagsschule mit Nachmittagsbetreuung gleichkommen (Bayer 1996b: 195). 1988 gab es bundesweit etwa 70 derartige Internate mit 4000 Plätzen, die meistens von freien (kirchlichen) Wohlfahrtsverbänden getragen (BMI 1988: 57); für Ende der 1990er Jahre lässt sich auf eine vergleichbare Anzahl geförderter Internatsschüler(innen) schließen (vgl. Social Consult 1998: 45). Setzt man diese 4000 Plätze ins Verhältnis zu den jährlichen Zuwanderungszahlen von minderjährigen Aussiedler(inne)n im Alter von 6 bis 17 Jahren – z. B. 14 Tsd., 67 Tsd. und 34 Tsd. in den Jahren 1987, 1990 und 1997 – so wird deutlich, dass die potenzielle Reichweite dieser Maßnahme stark schwankte. Aussiedler-Förderschulen waren nicht automatisch mit einem bestimmten Schultyp oder mit dem Erwerb eines spezifischen Schulabschlusses verbunden – anders die zweite aussiedlerspezifische Besonderheit, die so genannten Sonderlehrgänge. Der aussiedlerspezifischer KMK-Beschluss (1997: Punkt 6) sah vor, 104
dass nicht mehr vollzeitschulpflichtige Aussiedlerjugendliche und junge Erwachsene in diesen Sonderlehrgängen das deutsche Abitur oder den schulischen Teil eines Fachabiturs nachmachen konnten. Diese besondere Maßnahme ist von einer gewissen Ambivalenz geprägt: Dieses Angebot galt zum einen älteren Jugendlichen, die in ihren Herkunftsländern eine Hochschulzugangsberechtigung angestrebt hatten, und denen somit – gemäß den genannten Bildungszielen – die Fortführung ihrer schulischen Ausbildung ermöglicht werden sollte. Sonderlehrgänge richteten sich zum anderen aber auch an solche Personen, deren im Herkunftsland erworbene Hochschulzugangsberechtigungen gemäß der Regelungen im selben KMK-Beschluss (1997: Punkt 5.3) nicht als dem deutschen Abitur gleichwertig anerkannt wurden. Dennoch ist festzuhalten, dass Aussiedler(inne)n überhaupt solche Kurse angeboten wurden, die den Zugang zu einer deutschen Universität eröffnen konnten. Erst seit 2002 standen diese auch jüdischen Kontingentflüchtlingen offen (KMK 2002b).65 Zwar wurde der eigentliche Unterricht an Förderschulen und Sonderlehrgängen durch die Bundesländer finanziert (BMFJ 1994: 18). Dennoch war die Ko-Finanzierung durch den Bund in Form der „Garantiefonds“ maßgeblich. Der „Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich“ (RL-GF-SB) und der „Garantiefonds Hochschulbereich“ (RL-GF-H) richteten sich nur an Migrant(inn)en mit privilegiertem Rechtsstatus, d. h. an erster Stelle an (Spät-)Aussiedler(innen), aber auch an Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte (RL-GF-SB 1988, 1994: Punkt 2; 2001: 1.2; RL-GF-H 1988: Punkt 2, 1998: 1.2).66 1998 etwa schwankte der Anteil der Aussiedler(innen)en an allen Teilnehmenden je nach Maßnahme zwischen 80 und 90%, der der Asylberechtigten zwischen 2 und 3% und der der Kontingentflüchtlinge zwischen 5 und 16% (Social Consult 1998: 86, 107). In diesen genuin bildungsbezogenen Integrationsprogrammen wurden förderberechtigte Migrant(inn)en also explizit auf Basis ihres Rechtsstatus definierten und positiv diskriminierten. Zuwendungszweck des Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich war die „gesellschaftliche[n], d. h. (...) sprachliche[n], schulische[n], berufliche[n] und damit in Verbindung stehende soziale Eingliederung“ (RL-GF-SB 1994: Punkt 1.1 und 1.2; ähnlich in früheren und späteren Fassungen). Ab 1998 spitzte die Richtlinie dieses allgemeine Ziel weiter zu und sah eine vorrangige Förderung von „nicht mehr allgemein vollzeitschulpflichtigen Jugendlichen und 65 In meiner Untersuchungspopulation der als Minderjährige Zugewanderten konnte nur die kleine Minderheit der im Alter von 16 oder 17 migrierten Aussiedlerjugendlichen potenziell zur Zielgruppe gehören. 66 Erst 2001 wurde der Anspruch von Konventionsflüchtlingen mit ‚kleinem Asyl‘ gestärkt (RL-GFSB 2001: Punkt 1.2.2), zuvor war er mit dem behördlichen Einschätzung ihres als „vorübergehend“ erachteten Aufenthalts kaum durchsetzbar (Kühne/Rüßler 2000: 351). Bis 1993 zählten auch (ehemalige) DDR-Bürger(innen) zum Berechtigtenkreis.
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älteren schulpflichtigen Jugendlichen [vor], damit sie einen Schul- oder Ausbildungsabschluss erreichen können“ (RL-GF-SB 2001: Punkt 1.1.2). Die Mittel des – immer noch existierenden – Garantiefonds Hochschulbereich sollten den Förderberechtigten, „die in der Bundesrepublik Deutschland die Hochschulreife erwerben, ein Hochschulstudium anstreben oder fortsetzen wollen (...) die Fortsetzung der im Herkunftsland unterbrochenen Ausbildung ermöglichen“ (RLGF-H 1988: Punkt 1.1.1). Die Förderungsdauer aus beiden Garantiefonds zusammengenommen betrug bis 1993 in der Regel 36, höchstens 48 Monate, und seit 1994 maximal 30 Monate pro Person. Eine Förderung konnte nur in den ersten zwei Jahren nach der Einreise beantragt werden (RL-GF-SB 1988 u. 1994: Punkte 8.1, 8.2; 1996: Punkt 2.1; RL-GF-H 1988: Punkt 8; 1998: Punkt 2.2.3). Es handelte sich um freiwillige Fördergelder des Bundes, die gegenüber anderen Leistungen nachrangig waren.67 Im Bereich der Primar- und Sekundarbildung finanzierte der Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich als außerschulische Fördermaßnahmen „schulbegleitenden Nachhilfeunterricht oder Hausaufgabenhilfe“ im Umfang von bis zu sechs Wochenstunden (BMFJ 1994: 28; BMFSFJ 2001: 20f.). Zudem wurde der Besuch der oben genannten Förderschulen und hierbei anfallende Fahrt- und Verpflegungskosten und Lernmittel finanziert.68 Ein weiterer Förderschwerpunkt lag in der Förderung der Deutschkenntnisse für nicht mehr vollzeitschulpflichtige Migrant(inn)en bis 27 Jahre. Diese konnten begleitend zum Besuch weiterführender und berufsbildender Schulen ergänzenden Deutschunterricht erhalten (Social Consult 1998: 41). Als außerschulische VollzeitDeutschkurse wurden u. a. 12-monatige „Integrationssprachkurse“ angeboten, die neben der Vermittlung von Deutschkenntnissen das Ziel hatten, die Teilnehmenden auf den Erwerb eines Schulabschlusses vorzubereiten (Social Consult 1998: 41f.). Hierbei handelte es sich in der Regel um Hauptschulabschlüsse (Social Consult 1998: 86). Diese Integrationsmaßnahme für jugendliche Seiteneinsteiger(innen) war somit auf ein niedriges Schulniveau bzw. die Vermeidung von Zertifikatslosigkeit hin orientiert.
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Für den schulischen Bereich bedeutete dies, dass Aussiedler(innen) nur dann Leistungen des Garantiefonds in Anspruch nehmen konnten, wenn das jeweilige Bundesland selbst schon ein Minimum an schulischen Fördermaßnahmen anbot (BMFJ 1994: 18) – was außerhalb von Großstädten nicht immer gegeben war (ByStMAS 1994: 76; Landtag von Baden-Württemberg 2002: 14). Leistungen waren zudem bedarfsabhängig (gemessen am Einkommen der Erziehungsberechtigten). 68 Die vom Garantiefond übernommenen Ausbildungskosten umfassten u. a. „Unterrichtsgelder“ mit einem monatlichen Betrag von bis zu 300 DM pro Person (RL-GF-SB 1988 u. 1994: Punkte 9.2, 10; 2001: Punkte 2.3.3). Im Falle einer Unterbringung in einem Vollzeitinternat wurden die Kosten von i. d. R. 50 DM bis maximal 70 bzw. 80 DM pro Schüler(in) und Tag übernommen (RL-GF-SB 1988: Punkt 11.5.2; 1994: 11.6; BMFSFJ 2001: 20).
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Das quantitative Verhältnis der unterschiedlichen Angebote des Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich lässt sich beispielhaft für das Jahr 1997 illustrieren (vgl. Social Consult 1998: 45). Der Schwerpunkt der Förderung lag auf schulpflichtigen Jugendlichen (ca. 49.000, d. h. 68% aller geförderter Personen) und hierbei fast ausschließlich auf außerschulischem Nachhilfeunterricht. Die Förderung der etwas über 4000 (5%) Schüler(innen) in Vollzeitinternaten nahm 23% der Gesamtfördersumme (insgesamt 142 Mio. DM) in Anspruch. 30% der Mittel wurden für Sprachkurse, davon ein Drittel mit dem Ziel eines qualifizierten Schulabschlusses (Social Consult 1998: 80), ausgegeben. Die ProKopf-Förderung der insgesamt knapp 72.000 Geförderten betrug im Bundesdurchschnitt fast 2000 DM. Diese Zahl stellt keine vernachlässigenswerte Größe dar, wenn man sie mit den ca. 6000 DM vergleicht, die im selben Jahr (1997) öffentliche Haushalte in Deutschland pro Grund-/Hauptschüler(in) ausgaben (Statistisches Bundesamt 1999: 371; eigene Berechnung; 2000b: 500). Bezogen auf den Erwerb der deutschen (Fach-)Hochschulreife finanzierte der Garantiefonds Hochschulbereich (RL-GF-H 1998: Punkt 2.1) sechsmonatige Vollzeit-Deutschkurse, die auf ein für das Abitur und den Besuch von Sonderlehrgängen notwendiges Sprachniveau hinführen sollten.69 Im Zuge der besuchten Sonderlehrgänge zum Erwerb des Abiturs wurden über die Otto-BeneckeStiftung Unterrichtsgelder an die Maßnahmeträger gezahlt sowie bei Internatsunterbringung Unterkunfts- (bis zu 300 DM) und Lebensunterhaltskosten (pauschal 465 DM) der Stipendiat(inn)en finanziert. Bis 2003 wurden jährlich knapp 4000 Personen bundesweit gefördert; etwa zwei Drittel aller Bewerber(innen) wurden in die Förderung der Otto-Benecke-Stiftung aufgenommen (vgl. Deutscher Bundestag 2008: 9). Für meine Analyse der Bildungschancen unterschiedlicher Aussiedlerkohorten ist auf die Kürzungen im Laufe meines Untersuchungszeitraums hinzuweisen. So wurden 1993 die Fördergelder des Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich um ein Fünftel reduziert (vgl. Bayer 1996b: 196; Fricke 1998: 6; eigene Berechnung). Weitere Einschränkungen bestanden u. a. in der Reduzierung der Förderhöchstdauer um 18 Monate; auch die Förderung von Vollzeitund Tagesinternaten wurde heruntergefahren. Zudem wurde der Kreis der Förderberechtigten von Schulpflichtigen aller Jahrgangsstufen auf solche in fünften und höheren Klassen eingeschränkt (vgl. Fricke 1998: 6; RL-GF-SB: Punkt 2.1.1b). Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 lief der Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich formal aus (MAGS 2005: 11f.). Exakte, umfassende Aussagen zur Reichweite der Förderung durch beide Garantiefonds existieren nicht. Meinen eigenen Schätzungen zufolge, in denen 69
Diese Sprachkurse wiesen eine Erfolgsquote von gut 90 % auf (ByStMAS 2002: 32).
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ich die Förderstatistiken den Aussiedlerzuzugsstatistiken gegenüberstelle, waren Mitte der 1990er Jahre maximal sieben von zehn Aussiedler(inne)n in eine der von den Garantiefonds geförderten Maßnahmen einbezogen.70 Elsners (1998: 16) Studie in NRW ergab, dass von den im Schulalter zugewanderten Aussiedlerjugendlichen „ca. 2/3 (...) durch die aufnehmenden Schulen Hilfen zur sprachlichen und schulischen Eingliederung“ und „1/3 (...) außerschulisch organisierten Nachhilfeunterricht“ erhielten. Dietz und Roll (1998: 66) zweifeln auf Basis ihrer Untersuchung an, dass die in den KMK-Bestimmungen im Prinzip vorgesehenen Fördermaßnahmen an Realschulen und Gymnasien in ausreichendem Maße angeboten wurden (vgl. auch Meister 1997: 206f.; Bayer 1992: 12; Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005: 197). Auch wenn nicht alle Aussiedlerkinder und -jugendlichen von schulischen Hilfsangeboten profitieren konnten, stellten – trotz der in den letzten Jahren erfolgten Kürzungen – gerade die beiden Garantiefonds gesonderte Förderprogramme dar, die nur einer Teilgruppe von Migrantenkindern und -jugendlichen zugute kamen. Über das Privileg, zum Kreis dieser Förderberechtigten zu zählen, entschied an erster Stelle der Rechtsstatus. Aussiedler(innen) stellten unter den Geförderten die überragende Mehrheit. Diese – wenn nicht innerschulische, so doch ‚schulnahe‘ – privilegierte Förderung gilt es auch bei jenen Bundesländern in Rechnung zu stellen, in deren Schulgesetzen oder migrantenspezifischen Erlassen der Kultusministerien offiziell keine Unterscheidung nach Rechtsstatus mehr vorgenommen wurde und wo der Garantiefonds auch keine Erwähnung fand.71 Ausschluss von weiteren Maßnahmen auf Basis ungesicherter Rechtsstatus Auf der Ebene des Bundes sind noch zwei für die schulischen Bildungschancen relevanten staatlichen Leistungen zu nennen, bei denen der Rechtsstatus von Migrant(inn)en ausschlaggebend war: das „Schüler- BAföG“ sowie sozialpädagogische Angebote. Leistungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) sollen nicht nur Studierenden den Besuch von Berufsfachschulen und (Fach-)Hoch70 Die große Mehrheit der Geförderten trat die Maßnahmen im ersten Jahr nach der Einreise an und die Förderung konnte maximal 2 ½ Jahre dauern. Im Jahr 1997 wurden gut 69.000 Spätaussiedler(innen) durch den Garantiefonds Schule und Berufsbildungsbereich gefördert (Social Consult 1998: 45). Diese Zahl wurde ins Verhältnis zur Summe der minderjährigen Aussiedler(innen) der Zuwanderungsjahre 1995-1997 laut BVA-Statistiken gesetzt. 71 In Schleswig-Holstein und Hessen z. B. erfolgte trotz längst durchgesetzter gemeinsamer Unterrichtung von Aussiedler- und ausländischen Kindern in Schulen die spezielle Förderung durch die Garantiefonds (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2002: 3f.; Hessischer Landtag 2002: 5).
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schulen, sondern auch Schüler(inne)n den Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen ab der zehnten Klasse ermöglichen. Um BAföGLeistungen für finanziell Bedürftige in Anspruch nehmen zu können, war die deutsche Staatsangehörigkeit keine Voraussetzung, aber Ausländer(innen) mit ungesichertem Aufenthaltsstatus erhielten keine Ausbildungsförderung „über die gesetzliche Vollzeitschulpflicht (...) an staatlich anerkannten schulischen Bildungsgängen [hinaus]“ (Niedrig u. a. 2002: 26, Fußnote 4). Da der Lebensunterhalt von nicht mehr vollzeitschulpflichtigen Kindern von Asylsuchenden oder Geduldeten während einer schulischen oder beruflichen Ausbildung nicht durch den Bezug von Sozialhilfe bestritten werden durfte, konnte dieser Personenkreis aufgrund einer entsprechenden – von den Regierungen billigend in Kauf genommenen – Gesetzeslücke von einem weiterführenden Schulbesuch ausgeschlossen werden. Die sozialpädagogischen Regelangebote der Kinder- und Jugendhilfe konnten alle Migrantenkinder – auch solche mit Duldung (Heun u. a. 1992: 28) – in Anspruch nehmen. Daneben gab es bis zum Jahr 2000 spezielle vom BMFSFJ finanzierte Angebote nur für die „Beratung und Betreuung jugendlicher Spätaussiedler“, die sich erst mit einer neuen Richtlinie 2001 an alle „Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ richteten (Bosswick u. a. 2001: 18; 26). Die Bundesmittel, die in diese sozialpädagogischen Angebote für Aussiedler(innen) flossen, stellten in den Jahren 1999 und 2000 mit je 57 Mio. DM eine erhebliche Fördersumme dar, für die es auf der Seite der ausländischen Migrant(inn)en kein Äquivalent gab.72 Welche Wirkung diese aussiedlerspezifischen Integrationsmaßnahmen, die neben Freizeitaktivitäten u. a. „Sprach- und Konversationskurse und Hilfen zum Thema Schul/Ausbildung“, „Englisch- und PCKurse“ oder „Hausaufgabenbetreuung“ umfassten (Bosswick u. a. 2001: 112f.), auf ihren Schulerfolg hatten, lässt sich nicht exakt bestimmen. Dennoch gehörten diese Angebote zu den staatlichen Politiken, die die Bildungschancen dieser Migrantengruppen eher gefördert als verringert haben dürften – und zwar im Vergleich zu anderen zugewanderten Minderjährigen, die keinen Zugang zu ähnlichen sozialpädagogischen Angeboten hatten, aber einer solchen außerfamilialen Unterstützung bedurft hätten.
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Einzelne Städte boten aber als weitere migantengruppenspezifische Maßnahmen auch Betreuungsangebote für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an (Bosswick u. a. 2001: 106 zu Nürnberg; Kühne/Rüßler 2000: 244f. zu Dortmund).
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3.2.2.5 Länderbeispiele: Bayern und Nordrhein-Westfalen Bislang wurden Beschulungsformen und Fördermaßnahmen primär auf der nationalen Ebene vorgestellt – entweder in dem Sinne, dass KMK-Beschlüsse Rahmenbedingungen vorgaben, oder im Sinne der tatsächlich vom Bund finanzierten Garantiefonds. Jedoch sind die Bundesländer für Schulpolitik verantwortlich. Sie setzten innerhalb des von den KMK-Beschlüssen vorgegebenen Spielraums unterschiedliche Akzente und durften bei der Verwendung der Mittel aus dem „Garantiefonds Schule und Berufsbildung“ eigene Schwerpunkte wählen. Daher folgt nun exemplarisch für zwei bevölkerungsreiche Bundesländer eine – in der bisherigen Forschung fehlende – Analyse zu Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Bildungspolitiken für Aussiedler(innen) und anderen Migrant(inn)en. In Anlehnung an von Belows (2002: 23f.) Typologie der Schulsysteme der deutschen Bundesländer steht Bayern stellvertretend für „traditionelle“ Bundesländer, die in meinem Beobachtungszeitraum in der rechtlichen Normsetzung eine Trennung zwischen den beiden Migrantengruppen aufrecht erhielten. NRW stellt einen „reformierten“ Typus dar, da hier eine gemeinsame Anfangsbeschulung besonders früh erlaubt wurde. Hier steht eher zur Debatte, ob nichtsdestotrotz Unterschiede erhalten blieben. Bayern In Bayern gab es separate Bekanntmachungen des Kultusministeriums für ausländische und ausgesiedelte Schüler(innen) aus den Jahren 1984 und 1988. Für den Besuch von Volksschulen (d. h. Grund- und Hauptschulen) waren die Regelungen dennoch teils identisch. Dies betraf erstens national heterogene „Übergangsklassen“ (sonst „Vorbereitungsklassen“) für ausländische Kinder bzw. Förderklassen für Aussiedler(innen), zweitens die als nachrangige Alternative gedachten Deutsch-Intensivkurse (5-10 Wochenstunden) bei gleichzeitigem Besuch von Regelklassen und drittens den an diese Eingangsbeschulung anschließenden zusätzlichen „Förderunterricht in deutscher Sprache“ von 2 bis 4 Wochenstunden (BStMfUuK 1984: Punkte III.3.2-4; 1988: Punkte 1.2.2-3). In beiden amtlichen Bekanntmachungen wurde jeweils auf die korrespondierenden Passagen in der bayerischen Volksschulordnung (VSO) verwiesen. Dieses Gesetz benannte zwar „Kinder ausländischer Arbeitnehmer“ (bzw. seit 1994 „Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache“) und Aussiedlerkinder noch in zwei unterschiedlichen Paragraphen (§§ 10, 11 VSO). Umfang, Mindestteilnehmerzahl etc. waren aber für beide Gruppen gleich (vgl. auch Palt u. a. 1998: 64;
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Neumann 2001: 32). Erst in der Volksschulordnung von 2008 wird einheitlich von „Übergangsklassen“ gesprochen (BStMfUuK 2008). Im Gegensatz zur Regelung für ausländische Kinder war Neumann (2001: 35) zufolge in Förderklassen für Aussiedler(innen) kein (fakultativer) muttersprachlicher Ergänzungsunterricht vorgesehen, „an dessen Stelle [jedoch] zusätzlicher Deutschunterricht treten“ konnte. Für den deutschen Spracherwerb von Aussiedler(inne)n könnten sich solche extra Stunden als förderlich erwiesen haben. An Realschulen und Gymnasien war der Umfang vorgesehener Fördermaßnahmen generell gering. Dies lag auch daran, dass alle Migrant(inn)en bereits Deutschkenntnisse nachweisen mussten, um diese Bildungsgänge besuchen zu dürfen ( BStMfUuK 1984: Punkt III.4.; 1988: Punkte 2.3). Gemeinsam war beiden Migrantengruppen die Möglichkeit, in der untersten Jahrgangsstufe der Realschulen und des Gymnasiums an einem max. drei Wochenstunden umfassenden Ergänzungsunterricht (je eine Stunde in Deutsch, Mathematik und Englisch) teilzunehmen. Nur in der aussiedlerspezifischen Regelung waren jedoch an Realschulen und Gymnasien unabhängig von den besuchten Jahrgangsstufen für die ersten zwei Schuljahre nach der Einreise zwei bis vier Wochenstunden Förderunterricht vorgesehen (BStMfUuK 1988: Punkt 2.6.2). Eine entsprechende Regelung gab es für ausländische Kinder an Realschulen nicht; Gymnasien betreffend war vager von einem nicht weiter quantifizierten „zusätzlichen Förderunterricht im Fach Deutsch“ die Rede, der „mit Genehmigung des Staatsministeriums“ eingerichtet werden konnte (BStMfUuK 1984: Punkt III.4.4.2.3). Zudem wurde nur bei Aussiedler(inne)n die Aufnahme von Seiteneinsteiger(inne)n in die gymnasiale Oberstufe überhaupt in Betracht gezogen, auch wenn sie lediglich per Einzelgenehmigung erlaubt werden konnte (BStMfUuK 1988: Punkt 2.1.2). Ein auf Teilgruppen ausländischer Schüler(innen) beschränktes Beschulungsformat an Grund- und Hauptschulen waren die so genannten „zweisprachigen Klassen“ (BStMfUuK 1984: Punkte III.3.2). Kinder mit gleicher Muttersprache (d. h. den Amtssprachen der Anwerbeländer) erhielten Unterricht in dieser Sprache und – in höheren Klassen in zunehmendem Maße – auf Deutsch. Diese von deutschen Regelklassen segregierende, auf den Hauptschulabschluss ausgerichtete Beschulungsform konnte maximal die ersten acht Jahrgangsstufen umfassen, in der Regel vier bis sechs (vgl. ausführlicher Neumann 2001: 33f.; Jacobs 1982: 57f.). Noch Anfang der 1980er Jahre betrug der Anteil der ausländischen Schüler(innen), die in zweisprachigen Klassen unterrichtet wurden, 40%, im Schuljahr 1996/97 nur noch 6%, d. h. 3900 Kinder (Neumann 2001: 34).
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Hinsichtlich der Praxis der Anfangsbeschulung für neu zugewanderte Migrantenkinder waren gleichlautende Regelungen nicht von vornherein gleichbedeutend mit einer gemeinsamen Unterrichtung in Förder-/Übergangsklassen oder Deutsch-Intensivkursen. Während dies Ende der 1980er Jahre dem Kultusministerium zufolge „nur in Ausnahmefällen“ erfolgen sollte, setzte sich im Laufe der 1990er Jahre eine gemeinsame Beschulung in multinational zusammengesetzten Klassen nach und nach durch (Neumann 2001: 33; ähnlich Dietz/Roll 1998: 65). Die von Neumann (2001: 36) angeführten Schulstatistiken für das Schuljahr 1996/97 zeigen die besuchten Deutsch-Intensivkurse noch jeweils unterteilt in „überwiegend [sic!] Aussiedler“ (N = 7052), „überwiegend ausländische Schüler“ (N = 7704) und „überwiegend Asylbewerber/-berechtigte“ (N = 893). Die Erlasslage legt nahe, dass diese Beschulungsformen für Migrantenkinder primär an Grundschulen und in der Sekundarstufe an Hauptschulen angesiedelt waren. (Nur ein Teil des Förderunterrichts könnte auch an Gymnasien stattgefunden haben.) Zudem zeigen Statistiken aus dem Schuljahr 1998/99, dass – Grundschüler(innen) ausgenommen – von Aussiedler(innen), die im Vorjahr zugewandert waren, 96% ihren Schulbesuch in Bayern an Hauptschulen, nur 3% an Gymnasien begannen (Thränhardt 2000; 23; eigene Berechnung). Auch wenn es also auf der Ebene der Normsetzungen kleine Bevorzugungen von Aussiedler(inne)n gab, wurden doch die allermeisten dem untersten Bildungszweig zugewiesen. Dennoch standen diesen Gemeinsamkeiten die auf Aussiedler(innen) beschränkten „besonderen Fördereinrichtungen“, Vollzeitinternate und Sonderlehrgänge zum Erwerb des Abiturs, gegenüber. Von ersteren gab es zu Beginn meines Untersuchungszeitraums drei und später eins (BMI 1988: 120; ByStMAS 2002: 39); Sonderlehrgänge wurden zu Beginn an vier Gymnasien oder Bayernkollegs, später noch an zwei angeboten (BStMfUuK 1988: Punkt 3; ByStMAS 2002: 43). Aus dem Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich flossen im Jahr 2000 ca. 20 Mio. DM in den Freistaat (ByStMAS 2002: 30f.). Diese Mittel wurden etwa für „Integrationssprachkurse“ für rund 1000 Förderberechtigte verwendet, von denen 63% das Kursziel, einen Hauptschulabschluss, erreichten. 11% der Geförderten waren noch schulpflichtige Aussiedlerjugendliche, die außerschulischen Nachhilfeunterricht erhielten. Insgesamt war es für das bayerische Schulsystem typisch, dass die meisten älteren Seiteneinsteiger(innen) unabhängig von ihrem Rechtsstatus in Hauptschulen eingegliedert wurden, wo die entsprechenden Eingliederungsmaßnahmen angeboten wurden. Trotz separater Bekanntmachungen waren die Regelungen für beide Migrantengruppen im Grund- und Hauptschulbereich nahezu identisch. Eine gemeinsame Unterrichtung setzte sich erst im Lauf der 1990er 112
Jahre durch; im Gegenzug verloren die diskriminierenden segregierten bilingualen Klassen für Kinder aus den einstigen Anwerbeländern quantitativ an Bedeutung. Allerdings kam im gesamten Untersuchungszeitraum nur Aussiedler(inne)n die Garantiefonds-Förderung zu Gute. Nordrhein-Westfalen Das Land Nordrhein-Westfalen, das schon seit den 1970er Jahren besonders viele Aussiedler(innen), insbesondere aus Polen, aufnahm, sticht unter den Flächenstaaten dadurch hervor, das es relativ früh, nämlich bereits Anfang 1990, in einem aussiedlerspezifischen Runderlass festlegte, dass neu einreisende Aussiedler(innen) „sofern es pädagogisch sinnvoll oder aufgrund der örtlichen Gegebenheiten notwendig erscheint“ (KMNW 1990: Punkt 1.1.2) zusammen mit ausländischen Schüler(inne)n in „Auffangklassen als Förderklassen“73 unterrichtet werden konnten. Auch konnten beide Migrantengruppen so genannte „besondere Lerngruppen“ für ältere Seiteneinsteiger(innen) besuchen, die dort bis zum Schulabschluss (d. h. ohne Übergang in eine Regelklasse!) unterrichtet wurden (KMNW 1982: Punkt 2.8.2; LDS NRW 2000: 16f.). Trotz dieser „gewissen ‚Gleichstellung‘ bzw. ‚Gleichbehandlung‘ von ausländischen und ausgesiedelten Kindern“ (Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 215f.) blieben aussiedlerspezifische Besonderheiten bestehen. Nur in den aussiedlerspezifischen Erlassen (von 1990 und in früheren) ist als Alternative zur Anfangsbeschulung in eigenen Klassen der Besuch von Regelklassen und „Fördergruppen“, d. h. Deutsch-Intensivkursen von mindesten zehn Wochenstunden, vorgesehen. Ein Äquivalent fehlt in dem ausländerspezifischen Erlass. Dort war auch nur unbestimmt davon die Rede, dass ausländische Schüler(innen) in Regelklassen „bei Bedarf Förderunterricht in Deutsch“ (KMNW 1982: Punkt 1.2) erhalten konnten, während Aussiedlerschüler(inne)n nach dem Besuch einer Förderklasse noch ein Jahr lang zwei bis drei Stunden zusätzlicher Deutschunterricht erteilt werden konnten (KMNW 1990: Punkt 1.2.2). Ab 1995 führen amtliche Statistiken aber auch solche Fördergruppen für „ausländische bzw. spätausgesiedelte Schüler ohne deutsche Sprachkenntnisse“ auf (vgl. Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 214). Im Gegensatz zu Bayern sah der ausländerspezifische Erlass in NRW im Prinzip auch Vorbereitungsklassen an Realschulen und Gymnasien vor (KMNW 1982: 2.8. u. Anlage 2). Die Regelungen für Aussiedler(innen) bezogen aber deutlicher zur Beschulung an weiterführenden Schulen Stellung. So wurde in 73
Auffangklassen konnten explizit auch im laufenden Schuljahr gebildet werden.
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dem 1988er-Erlass (KMNW: Punkt 1.3) betont, dass Förderklassen „auch an Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien“ eingerichtet werden konnten, und der 1990er-Erlass benannte immerhin die Aufnahme von Aussiedler(inne)n in die gymnasiale Oberstufe. Dagegen sahen die Bestimmungen für Ausländer(innen) Vorbereitungsklassen an allgemeinbildenden Schulen nur für schulpflichtige Schüler(innen), also nur bis zur zehnten Klasse, vor (KMNW 1982: Punkt 2.1). Nur im ausländerspezifischen Erlass (KMNW 1982: Punkt 1.5) ist, wenn auch nur als Ausnahme, die Zulassung von „Regelklassen, die ausschließlich von ausländischen Schülern besucht werden“, möglich. Im Schuljahr 1995/96 gab es noch 65 „reine Ausländerklassen“ als Regelklasse mit 886 Schüler(inne)n; 30 dieser Klassen waren für türkische Kinder und Jugendliche (Neumann u. a. 2001: 275). Dabei stellten die in dieser segregativen Beschulungsform unterrichteten Kinder jedoch nur einen Bruchteil der rund 300.000 ausländischen Schüler(innen) dar. Hinweise darauf, dass für ausgesiedelte Jugendliche eine Anfangsbeschulung im Klassenformat etwas häufiger an höheren Bildungsgängen stattfand, lassen sich aus amtlichen Schulstatistiken für das Schuljahr 2000/2001 ableiten (LDS NRW 2000: 16; eigene Berechnung). Von all jenen Schüler(inne)n, die in der Sekundarstufe in speziellen Klassen für Seiteneinsteiger(innen) unterrichtet wurden, besuchten weit über die Hälfte solche Klassen an Hauptschulen. Unter Aussiedler(inne)n war der Anteil der an Hauptschulen Beschulten mit 64% zwar hoch, aber deutlich geringer als die 87% unter nicht-deutschen Schüler(innen); der Prozentsatz der an Gymnasien Geförderten lag unter Ersteren bei 7%, unter Letzteren bei 3%.74 Obwohl der Erlass von 1990 die gemeinsame Unterrichtung beider Migrantengruppen in Förder-/Auffangklassen ermöglichte, konnten ausgesiedelte Jugendliche also etwas häufiger als andere Migrant(inn)en eine entsprechende Förderung auch an Schultypen oberhalb des – insgesamt aber typischen – Hauptschulniveaus erhalten. Darüber hinaus blieben die beiden aus den Garantiefondsmitteln kofinanzierten aussiedlerspezifischen Besonderheiten bestehen. Sonderlehrgänge zum Erwerb des Abiturs wurden am „Eichendorff-Kolleg Geilenkirchen – Staatliches Institut für spätausgesiedelte Abiturienten“ (KMNW 1990: Punkt 1.5) angeboten. Während Bayern, aber auch Baden-Württemberg (Landtag von Baden-Württemberg 1996: 3; Bosswick u. a. 2001: 39), Hessen (BMI 1988: 74
Ein Jahrzehnt zuvor, 1990, waren in der Sekundarstufe 82% aller Förderklassen und 64% aller Fördergruppen für Aussiedlerkinder an Hauptschulen, und 3% bzw. 11% an Gymnasien angesiedelt (Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 213f. ; eigene Berechnung). Angaben über ausländische Seiteneinsteiger(innen) liegen für diesen Zeitraum nicht vor. An Sonderschulen fand keine Migrationsförderung statt (LDS NRW 2000: 16).
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127f.; Hessischer Landtag 2002: 4) und Niedersachen (Palt u. a. 1998: 55f.) nur einige wenige Vollzeitinternate für Aussiedler(innen) unterhielten, betrieb Nordrhein-Westfalen eine Vielzahl von Tagesinternaten. Bayer (1992: 31f.) berichtet von 81 von ihm erfassten Einrichtungen im Schuljahr 1991/92, die 2375 Schüler(innen) unterrichteten. In den folgenden Jahren kam es aufgrund von Mittelkürzungen zu (nicht weiter quantifizierten) „Schließungen in großem Umfang, nicht aber zu Neugründungen“ (Bayer 1996b: 197). Die Tagesinternate waren im Sekundarschulbereich fast ausschließlich an Hauptschulen angesiedelt (Bayer 1996b: 198). Da über die Hälfte der Tagesinternate an Grundschulen angebunden waren, hatten diese jüngeren Aussiedlerkinder de facto mehr Unterstützung, um am Ende der Grundschulzeit auch an weiterführende Schulen wechseln zu können. Obwohl also Nordrhein-Westfalen zu einem relativ frühen Zeitpunkt die gemeinsame Unterrichtung von ausländischen und ausgesiedelten Schüler(inne)n erlaubte und diesbezüglich egalitärer als Bayern war, blieben Privilegien für Letztere erhalten. Eine kleine Gruppe ausländischer Schüler(innen) wurde sogar in reinen Ausländerklassen segregiert. Seiteneinsteiger(innen) mit Aussiedlerstatus wurden etwas seltener als Ausländer(innen) in Hauptschulen überwiesen, weil vor allem dort – wenn auch nicht ganz so stark wie in Bayern – die so genannte Migrationsförderung konzentriert war. 3.2.2.6 Zwischenresümee In Kapitel 2.3.3 wurden drei idealtypische Szenarien zur Bedeutung des Rechtsstatus von Migrant(inn)en im Bildungsbereich entworfen: Im ersten Szenario war er nicht von Bedeutung: Migrantenkinder dürfen Schulen besuchen, erhalten aber keine migrantenspezifische Förderung. Im zweiten ist für solche Maßnahmen wiederum nicht der Rechtsstatus per se, sondern pädagogische Kriterien wie die Kenntnisse der Schulsprache ausschlaggebend. Im dritten, als voraussetzungsvoll prognostizierten Szenarium ist der Rechtsstatus Basis für Ungleichbehandlungen. Die Analyse des deutschen Fallbeispiels hat ergeben, dass Elemente aller drei Alternativen vorkamen. Der ‚swim-or-sink‘-Ansatz, Migrantenkinder ohne besondere Unterstützung Schulen besuchen zu lassen, wurde zwar in den rechtlichen Regelungen nicht als Leitlinie genannt, Versorgungslücken hinsichtlich spezifischer Förderangebote waren aber in den Regelungen selbst angelegt. Grundsätzlich mussten Schulen einen individuellen Förderbedarf feststellen; wie adäquat sich diese Bedarfsfeststellung vollzog, ist nicht bekannt. Zudem standen die Förderangebote teilweise unter vage gehaltenem (Finanzierungs-)Vorbehalt (Schroeder 115
2001b: 192) und bedurften einer Mindestzahl von Schüler(inne)n. Es gab also keinen bedingungslosen, einklagbaren Rechtsanspruch von Individuen auf migrantenspezifische Förderung (vgl. Reuter 1999: 33). Wie oben dargelegt, war die tatsächliche Reichweite der Fördermaßnahmen für Aussiedler(innen) uneinheitlich. Insbesondere solche an Realschulen und Gymnasien wurden nicht in ausreichendem Maße angeboten. Für Zugewanderte ohne Aussiedlerstatus liegen keine Erkenntnisse über den tatsächlichen Zugang zu Förderangeboten vor.75 Elemente des zweiten Szenarios, migrantenspezifische Maßnahmen ohne Bezug auf den Rechtsstatus, sind zum Teil auf der formalrechtlichen Ebene, zum Teil auf der Praxisebene auszumachen. Ausgangspunkt meiner Analysen waren zwar die in der Mehrheit der (alten) Bundesländer bis Anfang der 1990er Jahre gültigen separaten Bestimmungen zur Beschulung von Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus. Bezogen auf Grund- und Hauptschulen folge ich nichtsdestotrotz dem Urteil von Palt u. a. (1998: 9), dass sich die dortigen „Regelungen inhaltlich kaum voneinander unterscheiden.“ Ob sich eine getrennte, aber vom Umfang und Curriculum identische Anfangsbeschulung von ausländischen und ausgesiedelten Schüler(inne)n auf deren Schulkarrieren ähnlich auswirkte oder aber das unterschiedliche Prestige der beiden Gruppen und die im Schnitt vorteilhaftere soziale Herkunft von Aussiedlerkindern (vgl. hierzu Kap. 7) zu besseren Lernbedingungen für Letztere führte, kann ex-post nicht mehr geklärt werden. In der Praxis setzte sich selbst im Fallbeispiel Bayern eine gemeinsame Unterrichtung in Förder-/Vorbereitungsklassen und DeutschIntensivkursen im Lauf der 1990er Jahre durch. Deutlich mehr als symbolische Differenzierungen zwischen beiden Migrantengruppen gab es in Bezug auf die weiterführende Sekundarschultypen. In aussiedlerspezifischen Erlassen wurde einer Beschulung in Realschulen und Gymnasien mehr regulatorische Aufmerksamkeit gewidmet, Fördermaßnahmen deutlicher benannt und detaillierter beschrieben als in ausländerspezifischen Bestimmungen. Allerdings werden diese Indizien für eine Bevorzugung dadurch abgeschwächt, dass sich auch bei Aussiedlerjugendlichen die Fördermaßnahmen häufig auf den Hauptschulbereich beschränkten, und sehr gute Deutschkenntnisse eine Voraussetzung für den Gymnasialbesuch waren. Würde man ausschließlich die Beschulung an den allgemeinbildenden Schulen betrachten, ließe sich hieraus nicht überzeugend ableiten, dass in diesem Kernbereich des Bildungssystems eine erhebliche Privilegierung von Aussiedlerkindern gegenüber anderen Migrant(inn)en erfolgte. Vielmehr fand eine abwärts ausgerichtete Nivellie-
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Im Jahr 2009, also nach meinem Untersuchungszeitraum, besuchten 30% der 15-Jährigen mit Migrationshintergrund Schulen, an denen es Angebote in Deutsch als Zweitsprache gab (Hertel u. a. 2010: 128).
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rung statt, die vermutlich durch die mangelhafte pädagogische Qualität vieler migrantenspezifischer Maßnahmen verstärkt wurde.76 Allerdings erfolgte vor dem Hintergrund dieses insgesamt defizitären Förderniveaus eine Ungleichbehandlung auf Basis des Rechtsstatus von Migrantenkindern an den ‚Rändern‘ des Schulsystems. Erinnert sei daran, dass Migrantenkinder ohne legalen Status und solche mit einer rechtlich prekären Stellung keinen uneingeschränkten, verlässlichen Zugang zur Schule (und zum SchülerBAföG) hatten. Im Vorschulbereich setzten zumindest einzelne Bundesländer Ressourcen speziell für Aussiedlerkinder ein. Vor allem aber sticht die Bevorzugung von Aussiedler(inne)n gegenüber der großen Mehrheit der Migrantenkinder ohne deutsche Staatsangehörigkeit durch die beiden Garantiefonds hervor. Zwar fand auch die Garantiefonds-Förderung teilweise ‚auf Hauptschulniveau‘ statt. So konnten Deutschkurse mit dem Ziel eines Hauptschulabschlusses die Teilnehmer(innen) eher vor Zertifikatslosigkeit bewahren, als zu weiterführenden Abschlüssen führen. Nachhilfeunterricht an Hauptschulen könnte nur die dort erzielten Noten verbessert haben, ohne notwendigerweise zum Erwerb höherwertiger Schulabschlüsse zu führen. Doch der Garantiefonds Hochschulbereich förderte den Erwerb des Abiturs mehrerer Tausend Aussiedlerjugendlicher, und im Grundschulbereich könnten außerschulischer Förderunterricht und der Besuch von (Tages-)Internaten den Wechsel auf weiterführende Sekundarschulen erleichtert haben. Bezüglich dieser Ungleichbehandlung ist also Puskeppeleits und Krüger-Potratz‘ (1999: 271) Einschätzung zu folgen, dass in den „weitgefächert[en] Bildungsangebote[n]und bereitgestellten speziellen Fördereinrichtungen (...) der politische Wille zur Integration ablesbar [war], gerechtfertigt‘ durch die Idee, daß (Spät-)Aussiedlerinnen und Aussiedler als Volkszugehörige auf jeden Fall nicht nur integrationswillig, sondern auch integrationsfähig und -würdig sind“. Insgesamt lautet meine Hypothese, dass die schulbezogene Garantiefondsförderung einen zwar moderaten, aber doch in der Grundausrichtung positiven Einfluss auf die in Deutschland von Aussiedler(inne)n erworbenen Schulabschlüsse hatte. Diese Hypothese ist schließlich noch um einen möglichen Kohorteneffekt innerhalb der Gruppe der Aussiedler(innen) zu ergänzen. Im Laufe der 1990er Jahre kam es zu Kürzungen der Garantiefonds-Förderung. Die frühen Aussied76 Zwar existieren keine systematischen Evaluationsstudien, insgesamt herrschen in der Literatur aber negative Einschätzungen vor – etwa hinsichtlich der mangelnden Aus- und Fortbildung von Lehrkräften in Deutsch als Zweit-/Fremdsprache (Bayer 1992: 16; Gogolin 2005: 135; Flam/Kleres 2007: 79f.) und der pädagogisch defizitären, vom Regelunterricht segregierten Vorbereitungs/Förderklassen für Seiteneinsteiger(innen) (Radtke 1996: 52; Glumpler 1992: 15; Meister 1997: 204). Einzig bezogen auf die – finanziell relativ gut ausgestatteten – Tagesinternate für Aussiedlerkinder hoben die von Bayer (1996a: 169) interviewten Leiter(innen) dieser Einrichtungen „übereinstimmend“ „die nachweislich höhere Effizienz“ hervor.
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lerkohorten (bis ca. 1992) sollten von diesen Angeboten in besonderem Maße profitiert haben. Dabei verringerte sich die positive Diskriminierung von Aussiedler(inne)n gegenüber weniger privilegierten Migrantengruppen zwar in ihrem Ausmaß, blieb aber bis 2003 im Grundsatz bestehen. Die folgenden Unterkapitel analysieren nun weitere, nicht schulische Dimensionen des Rechtsstatus, die die Lebenssituation der Migrantenfamilien allgemein und die Ressourcen der Eltern insbesondere betrafen und somit, wie in Kapitel 2 argumentiert, auf indirekte Art und Weise die Bildungschancen der Kinder beeinflusst haben könnten. 3.2.3 Ökonomische Rechte: Arbeitsmarktzugang und Fördermaßnahmen Die ökonomischen Rechte, die die Bundesrepublik Migrant(inn)en mit unterschiedlichem Rechtsstatus gewährt, und die arbeitsmarktbezogenen Integrationspolitiken sind eine wichtige Weichenstellung für die Chancen, überhaupt (legale) Arbeit finden zu können, sowie für die Qualität und Bezahlung der zugänglichen Tätigkeiten. Die Erwerbstätigkeit von Eltern, ihr erzieltes Einkommen, das hiermit verbundene materielle Unterstützungspotenzial für ihre Kinder, das soziale Prestige der elterlichen Berufe (auch in der Wahrnehmung von Lehrkräften) bis hin zur deren sozialisatorischer Vorbildfunktion sind wiederum relevant für das schulische Fortkommen der Kinder (vgl. Kap. 4.5). Als deutsche Staatsangehörige hatten Aussiedler(innen) uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt – sei es als abhängig Beschäftigte oder als Selbständige – und konnten verbeamtet werden. Über die rechtliche Gleichstellung mit einheimischen Deutschen hinaus hatten Aussiedler(innen), die vor der Einreise erwerbstätig gewesen waren und sich danach arbeitslos meldeten, Zugang zu Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen (FuU-Maßnahmen) des Arbeitsamts.77 Die rechtlichen Bedingungen, an solchen kostenlosen Maßnahmen teilzunehmen, waren allerdings bis Ende 1992 deutlich günstiger als danach. Bis 1992 war „die Teilnahme an einem Deutsch-Sprachlehrgang und/oder einer beruflichen Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme“ (Koller 1995: 110; Herv. J. S.) möglich. Der Anspruch auf Lohnersatzleistungen (s. Kap. 3.2.4) sicherte die materielle Lebensgrundlage während der Teilnahme an diesen FuUMaßnahmen, an der bis 1992 ca. die Hälfte aller ausgesiedelten Erwerbsperso-
77 Arbeitsämter mussten zunächst die „Notwendigkeit“ der Teilnahme an solchen Maßnahmen feststellen. Entsprechend seiner allgemeinen Sanktionsmöglichkeiten konnte das Arbeitsamt den Bezug der Arbeitslosenhilfe sperren (vgl. z. B. § 62a Abs. 7 AFG von 1990), falls arbeitslose Aussiedler(innen) mit geringen Deutschkenntnissen die Teilnahme an einem Sprachkurs verweigerten.
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nen partizipierten (Koller 1995: 111).78 Nach einer Zwischenregelung im Jahr 1993 konnte ab 1994 während der nur mehr sechs Monate, in denen Aussiedler(innen) Eingliederungshilfe bezogen, zwar immer noch ein Deutschkurs und/oder eine berufsbezogene Maßnahme besucht werden. Aufgrund der geringen Deutschkenntnisse vieler Spätaussiedler(innen) besuchten jedoch die meisten in den ersten sechs Monaten nur noch einen Deutschkurs (Koller 1995: 110). Abgemildert wurde diese Verschlechterung z. T. dadurch, dass während des weiteren Besuchs von FuU-Maßnahmen im Zuge einer Ermessensentscheidung Sozialhilfe bezogen werden konnte (Bundesanstalt für Arbeit 1995: 10; BMI 1997: 21). Aussiedler(innen) mit abgeschlossenem Hochschulstudium konnten sich bei dem vom Bund finanzierten „Akademikerprogramm“ der Otto-BeneckeStiftung bewerben. Gut 1000 Stipendien wurden jährlich vergeben; Ziel war die Eingliederung in das deutsche „Berufs- und Wissenschaftssystem“ (Otto Benecke Stiftung 2001: 4). Um als Selbständige erwerbstätig zu sein, sah § 14 BVFG (i. d. F. ab 1993) u. a. eine erleichterte „Zulassung zur Berufs- und Gewerbeausübung“, z. B die einfachere „Eintragung in die Handwerksrolle“, eine Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie eine vergünstigte Kreditvergabe vor. Eine Besonderheit der arbeitsmarktbezogenen Regelungen für Aussiedler(innen) war schließlich die vorgesehene Anerkennung im Herkunftsland erworbener Ausbildungszertifikate (§ 10 Abs. 2 BVFG). Aussiedler(innen) waren die einzige Migrantengruppe, die einen „Rechtsanspruch auf Zeugnisbewertung“ (Englmann/Müller 2007: 92) hatten, auch wenn angesichts des Vorbehalts, dass die Ausbildung von Behörden als „gleichwertig“ eingeschätzt werden musste, die vollwertige Anerkennung kein Automatismus war.79 Bei ausländischen Migrant(inn)en war schon der bloße Zugang zum Arbeitsmarkt reguliert. Im Prinzip benötigten Ausländer(innen) eine Arbeitserlaubnis (bis 1997 § 19 AFG, seit 1997 §§ 284 SGB III in seiner bis Ende 2004 gültigen Fassung). Eine so genannte „Allgemeine Arbeitserlaubnis“ (§ 1 Arbeitserlaubnisverordnung (ArbErlaubV)), bzw. ab 1997 die „Arbeitserlaubnis“ nach § 285 Abs. 5 SGB III konnte „befristet und auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige oder Bezirke beschränkt“ werden, so dass der 78 Der IAB-Studie von Koller zufolge waren die FuU-Maßnahmen vor allem dahingehend erfolgreich, dass Teilnehmer(innen) im Vergleich zu Nicht-Teilnehmer(innen) im Anschluss „insofern ‚besser‘ eingegliedert [waren], als ein höherer Anteil von ihnen wieder Anschluss an den Herkunftsberuf gefunden hatte“ (Koller 1995: 125); vgl. aber kritisch Nohl (2008: 28-32) zu herabqualifizierenden Umschulungen. 79 Von bis 1994 zugewanderten Aussiedler(inne)n im SOEP geben 47% an, dass ihre berufliche Qualifikation nicht anerkannt wurde (Bauer/Zimmermann 1997: 369), vgl. auch Flam (2007c: 147) und Koller (1997: 784) mit ihren kritischen Anmerkungen zu behördlichen Anerkennungspraxis.
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ausgeübte Beruf und das erzielbare Einkommen von der Art der jeweiligen Beschränkung abhängig war. Die Erteilung einer Allgemeinen Arbeitserlaubnis erfolgte „nach Lage und Entwicklung des Arbeitmarktes“ (§ 1 Arbeitserlaubnisverordnung –ArbErlaubV bzw. seit 1998 Arbeitsgenehmigungsverordnung – ArGV). Das bereits in der Weimarer Republik eingeführte Inländerprimat bedeutete, dass Arbeitsämter prüfen mussten, ob „für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, nicht zur Verfügung stehen“ (§ 285 Abs. 1(2) SGB III). Eine „Arbeitserlaubnis in besonderen Fällen“ (§ 2 Abs. 1 (1 u. 4) ArbErlaubV) dagegen war zeitlich und in sonstiger Hinsicht unbeschränkt. Je nach Rechtsstatus erhielten Ausländer(innen) die bessere Arbeitserlaubnis in besonderen Fällen bzw. waren von der Pflicht, eine Arbeitserlaubnis zu besitzen, ausgenommen80 und damit Deutschen gleichgestellt, oder aber eine Allgemeine Arbeitserlaubnis wurde nur mit Einschränkungen erteilt oder gar ganz verweigert. Auch der Zugang zu allgemeinen und migrantenspezifischen Förderprogrammen hing vom spezifischen Aufenthaltsstatus ab. Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte hatten bis 1998 Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis in besonderen Fällen und waren seitdem nach § 284 Abs. 1 (2) SGB III von der „Genehmigungspflicht“ ausgenommen, da sie mit ihrem ausländerrechtlichen Status eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhielten. Somit waren sie im Arbeitsmarktzugang Deutschen gleichgestellt und konnten zudem seit 1990 wie Aussiedler(innen) am Akademikerprogramm und an den Deutschkursen des Arbeitsamtes (s. Kap. 3.2.5) teilnehmen. Dies traf jedoch nicht auf die oben erwähnten FuU-Maßnahmen zu. Konventionsflüchtlinge mit ‚kleinem Asyl‘ hatten mit ihrem von deutschen Behörden ausgestellten „Reiseausweis für Flüchtlinge“ zwar ebenfalls Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis in besonderen Fällen (§2 Abs. 1 (3) ArbErlaubV) bzw. auf eine Arbeitsberechtigung (§ 2 Abs. 1 (2) ArGV). Diese war jedoch wie ihr Aufenthaltstatus befristet. Integrationsmaßnahmen des Arbeitsamtes waren für sie nicht vorgesehen (Kühne/Rüßler 2000: 105). In meinem Untersuchungszeitraum (1987-2003), also vor dem Beitritt osteuropäischer Staaten zur EU, brauchten EU-Bürger(innen) sowie Staatsangehörige der Schweiz und Norwegens (EWR-Staaten) keine Arbeitserlaubnis (Kühne/Rüßler 2000: 96), um als abhängig Beschäftigte oder Selbständige in der Bundesrepublik zu arbeiten. Ansprüche auf die allgemeinen im AFG und SGB III verankerten Leistungen des Arbeitsamts erwarben sie im Laufe ihres 80
Bei einer sehr begrenzten Zahl von Beschäftigungsformen, die einen hohen sozio-ökonomischen Status implizieren, brauchten Drittstaatenangehörige keine Arbeitserlaubnis/-genehmigung, etwa Personen im diplomatischen Dienst oder Akademiker(innen) an Universitäten (§ 9 Abs. 6 ArbErlaubV bzw. § 9 Abs. 8 ArGV).
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Aufenthalts durch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Als Arbeitsuchende zu Beginn ihres Aufenthalts hatten sie im Gegensatz zu Aussiedler(inne)n keinen Anspruch auf migrantenspezifische Eingliederungsmaßnahmen.81 Wenn Kinder zu bereits in der Bundesrepublik lebenden Eltern nachziehen durften, musste der Lebensunterhalt der Familie zumindest von einem Elternteil bestritten werden (s. Kap. 3.2.1 zu Bleibesicherheit). Hatte jenes Elternteil einen zeitlich unbefristeten Aufenthaltsstatus, war er oder sie arbeitsrechtlich Deutschen formal gleichgestellt. Hatte dieses Elternteil (aus Drittstaaten) jedoch nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis oder -befugnis, lebte noch keine sechs Jahre in der Bundesrepublik oder war noch keine fünf Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt (vgl. § 286 Abs. 1 SGB III), konnte diese Person üblicherweise auch nur die dem Inländerprimat unterliegende (Allgemeine) Arbeitserlaubnis besitzen. Ob asylsuchende oder geduldete Migrant(inn)en überhaupt arbeiten durften, wurde im Laufe des Untersuchungszeitraums unterschiedlich geregelt: Von Juli 1987 bis Ende 1990 galt eine Wartezeit von fünf Jahren. Anfang 1991 wurde dieses Arbeitsverbot auf ein Jahr reduziert und im Juni desselben Jahres ganz abgeschafft. Diese „relative Liberalisierung des Arbeitsmarktzugangs für Flüchtlinge“ (Kühne/Rüßler 2000: 99) währte nur zwei Jahre und wurde durch eine Weisung des Arbeitsministeriums an die Arbeitsämter im Mai 1993 teilweise zurückgenommen, da die Prüfverfahren zur Erteilung einer Allgemeinen Arbeitserlaubnis verschärft wurden. Ab Mai 1997 galt für alle neu einreisenden Asylsuchenden und Geduldeten ein generelles Arbeitsverbot. Ende 2000 wurde dieses Arbeitsverbot wieder aufgehoben und durch eine einjährige Wartefrist ersetzt (§ 3 ArGV; vgl. auch Morris 2002: 41). Auch nach Ablauf der Wartezeiten war die tatsächliche Möglichkeit, Arbeit zu finden und zu behalten, durch das Inländerprimat und durch die enge Kopplung eines befristeten Aufenthaltstitels (bzw. der Duldung) an eine Arbeitserlaubnis erschwert (Kühne/Rüßler 2000: 99-103; Flam 2007c: 140). Fallstudien legen nahe, dass Ausländer(innen) mit prekärem Rechtsstatus, wenn überhaupt, dann zumeist in unattraktiven Jobs mit schlechter Bezahlung in ungesicherten, oft gesundheitsgefährdenden Arbeitsverhältnissen für Ungelernte beschäftigt waren (Blahusch 1992: 117; Flam 2007c: 157-159; vgl. auch Räthzel/Sarica 1994). Die Vorrangprüfung erstreckte sich im Übrigen auch auf betriebliche Ausbildungsplätze, so dass gerade angesichts des ohnehin bestehenden Lehrstellenmangels Jugendlichen mit prekärem Aufenthaltsstatus der Weg in eine Duale 81
Auf Basis einer EU-Richtlinien konnten aber bestimmte Berufsqualifikationen von EU-Bürger(inne)n (z. B. im Gesundheitswesen, Ingenieure, Pädagogen, Juristen) leichter anerkannt werden, als es für Drittstaatenangehörige vorgesehen war (Englmann/Müller 2007: 37f.).
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Ausbildung häufig versperrt war (Niedrig u. a. 2002: 26f.). Dies könnte für meine Untersuchung der erreichten Schulabschlüsse insofern relevant gewesen sein, da das – etwa durch ältere Geschwister oder Freunde vermittelte – Wissen über solche Quasi-Ausbildungsverbote bereits während des Schulbesuchs demotivierend gewirkt haben könnte. Hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten der ökonomischen Teilhabe von Migranten(eltern) mit unterschiedlichem Rechtsstatus gab es einerseits eine sehr deutliche Hierarchie. Am positiven Pol waren Aussiedler(innen) verortet. Trotz der Verschlechterungen bezogen auf Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen ab 1993 konnten sie von besonderen Hilfen profitieren, die weit über die bloße Gleichstellung mit anderen Deutschen hinausgingen und die in diesem Maße keiner anderen Migrantengruppe zugute kamen. Neben EU-Bürger(inne)n hatten auch Kontingentflüchtlinge, Asylberechtigte und Konventionsflüchtlinge einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang. Diese privilegierten Flüchtlingsgruppen hatten aber nicht im selben Maße wie Aussiedler(innen) Anspruch auf FuU-Maßnahmen. Den negativen Pol besetzten Ausländer(innen) mit prekärem Rechtsstatus – Asylsuchende und Geduldete – aufgrund ihres teils gänzlich verwehrten, teils verzögert und mit Auflagen gewährten Arbeitsmarktzugangs. Schwieriger ist allerdings die Einschätzung, inwiefern die ökonomischen Teilhabechancen von Aussiedler(inne)n mit ihren partikularen Rechtsansprüchen im Vergleich zu denjenigen Migrant(inn)en, wie z. B. Unionsbürger(inne)n, die zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einreisen durften, tatsächlich besser waren. Denn die Hauptintention staatlicher Maßnahmen für zunächst arbeitslose Aussiedler(innen) war es, diesen die Aufnahme einer Arbeit zu erleichtern. Arbeitsmarktbezogene Vorteile des Aussiedlerstatus waren also vor allem gegenüber solchen ausländischen Migrant(inne)n vorhanden, die nicht zum Arbeiten nach Deutschland kamen oder zum Beginn ihres Aufenthalts keiner Erwerbstätigkeit nachgehen durften. Im Sinne eines integrationspolitischen Kompositionseffekts (zur Definition vgl. S. 68) könnte sich die ökonomische Marginalisierung der rechtlich benachteiligten Migrant(inn)en besonders negativ auf die Bildungsverläufe ihrer Kinder ausgewirkt haben. 3.2.4 Soziale Rechte: Finanzielle Transferleistungen und Sozialversicherung Indem der Staat Migrantengruppen in unterschiedlichem Maße soziale Rechte gewährt – hier im traditionellen deutschen Sozialstaatsverständnis die Anrechte auf finanzielle Transfers und Dienstleistungen der Sozialversicherungen und Sozialämter – bestimmt er auch die (materielle) Lebenssituation und prägt damit die familialen Lernkontexte der betroffenen Kinder mit. 122
Typisch für den bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat ist es, dass der Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherungen an die eigene Erwerbstätigkeit oder die des unterhaltspflichtigen Haushaltsvorstands geknüpft ist und Lohnersatzleistungen in Form von Arbeitslosengeld oder Rente von der vorangegangenen inländischen Erwerbstätigkeit und der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen abhängt (Mohr 2005: 392). Kritisch war daher die Situation bei zunächst nicht erwerbstätigen Zuwanderergruppen. Für deren sozialrechtliche In- oder Exklusion war ihr Rechtsstatus entscheidend. Aussiedler(innen) waren hinsichtlich der allgemeinen Leistungen der Sozialversicherungssysteme als deutsche Staatsangehörige anderen Inländer(inne)n gleichgestellt und auch in der gesetzlichen Krankenkasse versichert (Heinelt/ Lohmann 1992: 84). Unter Missachtung des sonst gültigen Sozialversicherungsprinzips waren sie sogar teils besser gestellt. So erhielten bis Ende 1989 erwachsene Aussiedler(innen), die in ihren Herkunftsländern erwerbstätig gewesen waren – dies traf ohne Zweifel auf die meisten Eltern minderjähriger Kinder zu – und in der Bundesrepublik arbeitslos gemeldet waren, nach § 107 Abs. 1 (3) des damals gültigen AFG in einem Umfang Arbeitslosengeld, „als ob sie in der Bundesrepublik Deutschland gelebt und sozialversicherungspflichtig gearbeitet hätten“ (Heinelt/Lohmann 1992: 84 sowie ausführlicher 88f.). Dieses an eine fiktive Berufstätigkeit in der Bundesrepublik angelehnte Arbeitslosengeld variierte folglich mit dem im Herkunftsland ausgeübten Beruf und der Dauer der dortigen Erwerbstätigkeit. Zudem erhielten Aussiedler(innen) während des Besuchs eines vom Arbeitsamt finanzierten Deutschkurses (s. u.) oder einer beruflichen Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme ein so genanntes Unterhaltsgeld.82 Arbeitslosen- wie Unterhaltsgeld lagen jeweils deutlich über dem Sozialhilfeniveau und der hiermit einhergehenden faktischen Einkommensarmut. Durch das Eingliederungsanpassungsgesetz, das zum 1.1.1990 in Kraft trat, wurden diese finanziellen Transferleistungen geändert (Delfs 1993: 7). Das dort eingeführte Eingliederungsgeld war nun, gemessen am mittleren sozialversicherungspflichtigen Einkommen, „unterdurchschnittlich“ pauschaliert (Steffens 2008: 13). Eine tatsächliche Reduzierung der Transferleistungen ging damit aber nicht notwendigerweise einher (Heinelt/Lohmann 1992: 87, Fußnote 58; 150). Nach Ablauf von zehn Monaten und der zusätzlichen Monate, in denen Aussiedler(innen) noch einen Sprachkurs oder eine arbeitmarktbezogenen Maßnahme besuchten und dieses Eingliederungsgeld bezogen, konnte sich nach
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Beim Besuch eines Deutschkurses entsprach dieses Unterhaltsgeld dem (für die Bundesrepublik) durchschnittlichen Arbeitslosengeld; im Fall einer berufsbezogenen Maßnahme wurde es wie das Arbeitslosengeld individuell berechnet (Heinelt/Lohmann 1992: 90).
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einer Bedürftigkeitsprüfung der Bezug von Arbeitslosenhilfe anschließen (Heinelt/Lohmann 1992: 91). Eine deutliche Einschränkung der Leistungen erfolgte im Zuge der Verabschiedung des KfbG Ende 1992 und mit einer weiteren Verschärfung Ende 1993 (vgl. § 242q Abs. 6 AFG). Seit Januar 1994 konnte das Eingliederungsgeld nur sechs Monate (statt bislang bis zu 312 Tage) bezogen werden. Auch die Höhe reduzierte sich durch eine ungünstigere Berechnungsgrundlage, die sich nun eher an der Arbeitslosenhilfe, anstatt an dem Arbeitslosengeld orientierte (BMI 1997: 20; 2001a: 21). Im Anschluss an diese sechs Monate blieb die Möglichkeit des Sozialhilfebezugs. Innerhalb nur weniger Jahre wurden also die monatlichen finanziellen Transferleistungen für Aussiedler(innen) deutlich reduziert, sanken aber auch ab 1994 nach den ersten sechs Monaten Aufenthalt lediglich auf das Niveau der Sozialhilfe, wie sie auch anderen Deutschen und Ausländer(inne)n mit sicherem Aufenthaltsstatus zustand, die keine Ansprüche aus einer vorangegangenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geltend machen konnten. Dieser relativen Verschlechterung ist entgegenzuhalten, dass Aussiedler(innen) ergänzende einmalige Leistungen erhielten, so z. B. eine Teilübernahme der Kosten des Umzugs in die Bundesrepublik (BMI 1997: 20ff.).83 Unter ausländischen Migrant(inn)en war bezogen auf ihre sozialen Rechte der spezifische Aufenthaltsstatus maßgeblich. Nach dem Bundessozialhilfegesetz waren „Ausländer sozialhilfeberechtigt, die über einen verfestigten Aufenthaltsstatus (Aufenthaltsgenehmigung) verfügen“ (BMA 1998: 668). Ausländer(innen) mit einem solchen Status – einschließlich der Konventionsflüchtlinge mit Aufenthaltsbefugnis (Kühne/Rüßler 2000: 90) – hatten dieselben Ansprüche auf Sozialhilfe und andere Sozialleistungen, z. B. Kinder- und Erziehungsgeld, wie deutsche Staatsangehörige.84 Als sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer(innen) erwarben Ausländer(innen) mit der Zeit Ansprüche auf Leistungen der sozialstaatlichen Versicherungssysteme wie Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung (Heinelt 1993: 91; Soysal 1994: 123-125). Mit der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) 1992 waren dagegen Asylsuchende und Geduldete sowie seit 1997 Bürgerkriegsflüchtlinge mit Aufenthaltsbefugnis (§ 32, 32a AuslG) von Leistungen des Bundessozialhilfegesetzes ausgeschlossen. Stattdessen erhielten sie – bis 1997 im 83 Vgl. auch die begünstigende Regelungen bzgl. der Rentenversicherung (Heinelt/Lohmann 1992: 91-96 sowie Info-Dienst Deutsch Aussiedler 1991, H. 25: 2ff.; BMI 2001a: 17ff.). 84 Bei Ausländer(inne)n mit zeitlich befristeten Aufenthaltstiteln konnte die Inanspruchnahme von Sozialhilfe – z. T. auch der Bezug von Arbeitslosenhilfe oder Kindergeld – insofern ein zweischneidige Angelegenheit darstellen, als dies ein Hindernis bei der Erlangung eines unbefristeten Status war (Morris 2002: 34, 37, 46) bzw. bei Personen mit unbefristetem Aufenthaltstitel bei einer Einbürgerung (vgl. Kap. 3.2.1).
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ersten Aufenthaltsjahr, ab 1997 in den ersten drei Jahren – den gegenüber der normalen Sozialhilfe um 20% gekürzten Satz (Kühne/Rüßler 2000: 91f.; Mohr 2005: 390f.).85 Der Bezug erfolgte – dies war in den Bundesländern unterschiedlich geregelt – in Form von Sachleistungen, Gutscheinen oder „Esspaketen“ plus „Taschengeld“, seltener auch als Bargeldleistung (Morris 2002: 42). Wenn die Ausländerbehörden befanden, dass Abschiebehindernisse von Geduldeten selbst zu verantworten waren (§ 1a AsylbLG), konnten diese geringen Leistungen überdies nochmals gekürzt, z. B. jegliche Bargeldleistung gestrichen werden (Kühne/Rüßler 2000: 93). Die Konsequenz der sozialrechtlichen Teil-Exklusion dieser Migrantengruppe mit prekärem Rechtsstatus war nicht nur eine extreme Einkommensarmut, sondern auch eine soziale Stigmatisierung und eine „Anormalisierung des alltäglichen Lebens“ (Mohr 2005: 391) – Lebensumstände, die im Sinne eines integrationspolitisch verursachten Kompositionseffekts die Chancen, weiterführende Schulabschlüsse in Deutschland zu erlangen, verschlechtert haben dürften. Die hier diskutierte sozialrechtliche Stratifizierung zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichem Rechtsstatus betraf vor allem das ‚untere Ende‘ wohlfahrtsstaatlicher Leistungsansprüche. Im Vergleich zu anderen Rechtsdimensionen war zwischen Aussiedler(inne)n und solchen ausländischen Migrant(inn)en, die von Beginn ihres Aufenthalts an oder im Verlaufe dessen einen sicheren (nicht notwendigerweise entfristeten) Status innehatten, die Hierarchie flacher. Die Bezieher(innen) der normalen Sozialhilfe oder des höher angesetzten Eingliederungsgeldes für Aussiedler(innen) hatten zumindest einen relativen Vorteil gegenüber solchen Migrant(inn)en mit prekärem Rechtsstatus, denen selbst die volle Sozialhilfe, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern soll, verweigert oder nur in reduziertem Umfang gewährt wurde. 3.2.5 Deutschförderung für Erwachsene und Beratungsdienste Staatlich geförderte Deutschkurse für erwachsene Migrant(inn)en können einen wichtigen Beitrag zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse, insbesondere der schriftlichen, darstellen. Daneben werden durch die Kursinhalte sowie migranten(gruppen)spezifische Beratungsdienste Informationen über die bundesrepublikanische Gesellschaft allgemein und eventuell auch über das Schulwesen kommuniziert. Die sprachlich-kognitive Integration ist dabei nicht nur für die 85 Zudem war der Anspruch auf medizinische Versorgung stark eingeschränkt (§ 6 AsylbLG) – und dies obwohl bei Personen mit traumatisierender Kriegs- oder Foltererfahrung der Bedarf vermutlich überdurchschnittlich war. Ferner hatten Asylsuchende und Geduldete nur einen eingeschränkten bzw. keinen Anspruch auf Kinder- und Erziehungsgeld (Renner 1999: 695; Mohr 2005: 390).
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gesellschaftlichen Teilhabe- und Arbeitsmarktchancen der Teilnehmer(inn)en und Ratsuchenden selbst, sondern auch für die Schulkarrieren ihrer Kinder wichtig, etwa indem Migranteneltern mit wachsenden Deutschkenntnissen die Schulkarrieren ihres Nachwuchses besser unterstützen können (vgl. Kap. 4.3). Eine unentgeltliche Deutschförderung für erwachsene Aussiedler(innen) war fester Bestandteil des Pakets integrationspolitischer Maßnahmen, die der deutsche Staat dieser politisch privilegierten Migrantengruppe anbot, unterlag aber im Untersuchungszeitraum mehrfachen Veränderungen. 1988 wurde die Höchstdauer der von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten Deutschkurse, die auf der gesetzlichen Grundlage des AFG (ab 1997 des SGB III) gewährt wurden, von davor acht Monaten auf dann maximal zehn Monate86 (vgl. § 62c AFG von 1990), d. h. maximal 800 Unterrichtsstunden, heraufgesetzt (BMI 1988: 49, 52). Anfang 1994 wurde der Umfang des Sprachkurses für Spätaussiedler(innen) 87 auf sechs Monate für ganztätige Kurse und auf max. zwölf Monate für Teilzeitkurse reduziert; der Sprachlehrgang umfasste nun mindestens 300 und höchstens 600 Stunden (§ 62b Abs. 3 SKWPG; vgl. auch BMI 2001b: 33; Koller 1995: 110).88 Während dieser Kurse erhielten Aussiedler(innen) die oben diskutierten Sozialleistungen (Unterhaltsgeld bzw. später Eingliederungsgeld/hilfe). Zusammen mit der Erstattung entstehender Fahrkosten wurde so eine materielle Basis geboten, die den Besuch der Deutschkurse erst ermöglichte. Die Reichweite der speziellen Deutschkurse für Aussiedler(innen) kann als relativ hoch eingestuft werden. In einem Vergleich von in den Jahren 1987 bis 1994 zugewanderten und als Erwerbspersonen registrierten Aussiedler(inne)n und „Eintritten in Deutschlehrgänge“ kommt Koller (1995: 111; Herv. J.S.) zu dem Schluss, dass die „meisten Aussiedler (...) relativ zügig nach der Zuwanderung an einem Deutsch-Sprachlehrgang teil[nahmen]“.89
86 Die zehn Monate beziehen sich auf einen Vollzeit-Sprachkurs, ein Teilzeitsprachkurs wurde bis zu 18 Monate gefördert. 87 Die „weiteren“ nicht-deutschen Familienangehörigen (§ 8 BVFG) von Spätaussiedler(inne)n (vgl. auch Fußnote 41) konnten diese Ansprüche auf Deutschförderung nicht geltend machen. 88 Vgl. für im Herkunftsland Erwerbstätige § 62a AFG, ab 1997 § 419 (1) SGB III und für NichtErwerbstätige und Rentner § 62b AFG, ab 1997 § 419 Abs. (2) SGB III. Im Anschluss an den sechsmonatigen Deutschkurs zählten Aussiedler(innen) zu dem förderberechtigten Personenkreis von durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) ko-finanzierten beruflichen Weiterbildungs- und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Diese umfassten ein bis zu 12-wöchiges „berufsbezogenes Sprachmodul“ (Bundesanstalt für Arbeit 1995: 11f.; BMI 2001b: 10). 89 In einer neueren Befragung von (Spät-)Aussiedler(inne)n gaben 44% an, ihre Deutschkenntnisse auch – eine Mehrfachnennung war möglich – in den „Pflichtkursen“ (des Arbeitsamtes) erworben zu haben (Haug/Sauer 2007: 105). Weitere 20% der Befragten, die nicht wie bei Koller (1995) auf zugewanderte Erwerbspersonen beschränkt waren, gaben an, Deutsch in anderen Sprachkursen in Deutschland gelernt zu haben.
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Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge konnten seit 1990 an den Deutschlehrgängen des Arbeitsamtes nach § 61b/c AFG sowie an denen des Garantiefonds Hochschulbereich (vgl. Kap. 3.2.2.4) unter denselben Bedingungen wie Aussiedler(innen) teilnehmen (BMA 1990: 38f.). Insofern war diese gemessen an allen ausländischen Migrant(inn)en sehr kleine Gruppe Aussiedler(inne)n hinsichtlich dieser integrationspolitischen Maßnahmen gleichgestellt. Für andere Ausländer(innen) existierte bis zur Einführung der Integrationskurse durch das Zuwanderungsgesetz im Jahr 2005 kein vergleichbarer Rechtsanspruch auf sprachliche Integrationsmaßnahmen. Ausländische Arbeitnehmer(innen) aus der EU, den ehemaligen Anwerbestaaten der Bundesrepublik, ehemalige Vertragsarbeitnehmer(innen) der DDR sowie jeweils deren Familienangehörige konnten auf freiwilliger Basis staatlich subventionierte Deutschkurse gegen geringfügige Teilnahmegebühren besuchen. Die allgemeinen Sprachkurse und auch die Intensivkurse hatten mit bis zu 320 respektive 640 Stunden (Krekeler 2001: 10) zumindest bis 1994 einen deutlich geringeren Umfang als die vom Arbeitsamt finanzierten Kurse für die oben genannten Migrantengruppen. Über die Teilsubventionierung der Kurse für ausländische Arbeitnehmer(innen) hinaus wurde den Teilnehmenden weder Fahrtkosten noch Unterhaltsgeld bezahlt. Beispielhaft verdeutlicht die Differenz zwischen den 240 Millionen DM, mit denen das Bundesarbeitsministerium im Jahr 2000 die Kurse für Aussiedler(innen) finanzierte, und den 24 Mio. DM, die im selben Zeitraum für die Sprachförderung für ausländische Arbeitnehmer(innen) ausgegeben wurden (Krekeler 2001: 10), die politische Prioritätensetzung. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass aufgrund der Definition des förderberechtigten Personenkreises wahrscheinlich nur eine nicht näher zu quantifizierende Minderheit der Ausländer(innen), die in meiner Arbeit untersucht werden, tatsächlich an solchen Kursen teilnehmen durfte und teilnahm. Denn Ausländer(innen) mit ungesichertem Status, also u. a. Asylbewerber(innen), Bürgerkriegsflüchtlinge und andere Geduldete, konnten explizit nicht an diesen staatlich subventionierten Sprachkursen teilnehmen (Social Consult 1999: 18). Es sei daran erinnert, dass neben den staatlich subventionierten Sprachkurse auch Deutschkurse an Volkshochschulen, privaten Sprachschulen oder innerhalb von Unternehmen Wege zum Spracherwerb darstellen, die aber den finanziell und ökonomisch marginalisierten Ausländer(inne)n mit prekärem Status vermutlich kaum zugänglich waren. Die staatlich geförderten Deutschkurse in ihrem jeweiligen Umfang ermöglichten zwar nur die ersten Schritte des Zweitspracherwerbs (zu Wirkungen und Effizienz staatlicher Sprachförderung vgl. Schönwälder u. a. 2005; Social Consult 1998, 1999). Dennoch konnten erwachsene Migrant(inn)en – und damit die Elterngeneration der mit migrierenden Minderjährigen – je nach Rechtsstatus gar nicht oder in einem sehr unterschied127
lichen Ausmaß von staatlich finanzierter Sprachförderung profitieren. Dabei waren Aussiedler(innen) und eine kleine Gruppe gleichgestellter Ausländer(innen) klar privilegiert, auch wenn der Umfang der Unterstützung ab 1994 verringert wurde. Die Nebenfunktion von Sprachkursen, Kenntnisse über Institutionen, formelle und informelle Regeln in der Bundesrepublik zu vermitteln, war explizites Anliegen von Beratungsdiensten für erwachsene Migrant(inn)en (zu Angeboten für Jugendliche vgl. Kap. 3.2.2.4). Bis zur Reform solcher Beratungsdienste im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes von 2005 waren solche Angebote zielgruppenspezifisch segmentiert und finanziert. Es gab also getrennte Beratungsdienste für Aussiedler(innen), für Ausländer(innen) aus den klassischen Anwerbestaaten sowie für Flüchtlinge (Bosswick u. a. 2001: 25, 29, 33). Die „Beratung und Betreuung“ erwachsener Aussiedler(innen) war vor allem ein Angebot für neu Zugewanderte und auch die Finanzierung richtete sich nach den Zuzugszahlen. Die Ausländersozialberatung unterschied nicht zwischen länger und kürzer ansässigen nicht-deutschen Arbeitnehmer(inne)n und ihren Familien. Ab 1999 zielte sie allgemeiner auf Ausländer(innen) „mit einem auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus“. Angesichts des deutlich größeren Umfangs der potenziellen Zielgruppe der Ausländer(innen) im Vergleich zu neu eingereisten Aussiedler(inne)n, lässt sich anhand der Bundes- und Ländermittel für 1999 ableiten (Bosswick u. a. 2001: 25f., 29; eigene Berechnung), dass sich aus den Finanzvolumina von ca. 41 Mio. DM für Aussiedlerberatung und 56 Mio. DM für Ausländerberatung ein günstigerer Betreuungsschlüssel für Aussiedler(innen) ergab.90 Innerhalb der Migrantengruppe mit prekärem Rechtsstatus konnten sich Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei vermutlich auch an Beratungsstellen mit muttersprachlichen Angeboten wenden, die ursprünglich für rekrutierte Arbeitsmigrant(inn)en aus diesen Ländern eingerichtet worden waren. Ansonsten waren Beratungseinrichtungen speziell für Flüchtlinge rar. Der Bund finanzierte lediglich ausgewählte bundeszentrale Maßnahmen wie die „Koordinationsstellen für Flüchtlingsbetreuung und vier psychosoziale Zentren“ (Bosswick u. a. 2001: 33). Angebote für Flüchtlinge, darunter auch die für die besser gestellten Kontingentflüchtlinge, wurden mehrheitlich von den Ländern getragen, deren Ausgaben hierfür sehr variierten.91 Wie bei allen migrantenspezifischen Maßnahmen sollten diese nicht von vornherein als ein Garant für bessere Teilhabechancen gewertet werden (vgl. 90
Im Jahr 1999 z. B. lebten 4,66 Mio. Ausländer(innen) aus den ehemaligen Anwerbestaaten, aber nur 0,52 Mio. seit bis zu 4 Jahren ansässige Aussiedler(innen) in der Bundesrepublik. 91 Niedersachsen (ca. 3 Mio. DM), Bayern und Nordrhein-Westfalen (je 5 ca. Mio. DM) bezuschussten flüchtlingsspezifische Dienste mit Abstand am höchsten (Bosswick u. a. 2001: 43, 62, 65).
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Kap. 2.3.3.2), schließlich kommt es auch darauf an, wie beraten wurde. So interpretiert Flam (2007c) die Aussagen von Beschäftigten im arbeitsmarktbezogenen Beratungsdienst, die sie in Leipzig und Augsburg interviewte, sehr kritisch. Manche Berater(innen) nähmen an, „dass die Migranten der Unterschicht angehören bzw. in die Unterschicht einzugliedern sind.“ (Flam 2007c: 165) Eine einfache Gesetzmäßigkeit ‚je mehr Beratungsangebote, desto besser die Integrations-/Bildungschancen‘ sollte also nicht unterstellt werden. Dennoch zählt die bessere Pro-Kopf-Finanzierung von Beratungsstellen speziell für Aussiedler(innen) zusammen mit den Deutschkursen zu dem Bündel an Integrationsmaßnahmen, das die Teilhabemöglichkeiten von Aussiedlerfamilien allgemein und indirekt auch die Bildungschancen der Aussiedlerkinder unterstützt haben könnte und anderen Migrant(inn)en mit vergleichbaren Bedürfnissen nicht zur Verfügung stand. 3.2.6 Recht auf Freizügigkeit und Wohnortzuweisungen Mit bestimmten Rechtsstatus neu Zugewanderter ging schließlich auch eine Begrenzung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik einher. Die hiermit verbundenen Wohnortzuweisungen sind für meine Untersuchung von differenziellen Bildungschancen relevant, weil durch diese staatliche Intervention der Wohnort der betroffenen Migrant(inn)en und damit gruppenspezifische regionale und lokale Siedlungsmuster mit bestimmt werden, womit wiederum das örtliche Bildungsangebot variierte. Während in den anderen Dimensionen des Rechtsstatus Aussiedler(innen) klar zu den privilegierten Migrantengruppen zählten, ist die Hierarchie beim Thema Freizügigkeit und Wohnungspolitik weniger eindeutig. Bis 1988 richtete sich der Wohnort, an den Aussiedler(innen) nach der Registrierung in den zentralen Aufnahmelagern (Friedland in Niedersachsen, Unna-Massen in NordrheinWestfalen und Nürnberg in Bayern) zogen, nach den Wünschen der Betroffenen, die sich „meist aus verwandtschaftlichen Bindungen oder aus beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten“ (Liesner 1988: 18) ergaben. Eine erste temporäre Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit (§ 11 Abs. 1 GG) von Aussiedler(inne)n erfolgte 1989 mit der Verabschiedung des Wohnortzuweisungsgesetzes (WoZuG). Dieses Gesetz sah eine verpflichtende Zuweisung des Wohnorts nach der Einreise für die Fälle vor, in denen Aussiedler(innen) „nicht über ausreichenden Wohnraum verfüg[t]en und daher bei der Unterbringung auf öffentliche Hilfe angewiesen“ (§ 2 WoZuG i. d. F. von 1989) waren. Die Verteilung erfolgte proportional auf alle Bundesländer auf Basis des so genannten Königsteiner Schlüssels, dem das jeweilige Steueraufkommen und die Bevölke129
rungszahl der einzelnen Bundesländer zu Grunde lagen, und sollte einer „Überlastung von Gemeinden innerhalb der Länder“ entgegenwirken (§ 1 WoZuG; vgl. auch Klekowski von Koppenfels 2003: 403). Landesintern wiesen NRW, Baden-Württemberg, Niedersachen und Hessen Aussiedler(innen) Gemeinden zu (BMI 2006: 41, Fußnote 27). Bedeutend für den Einfluss des Gesetzes auf die anfänglichen Siedlungsmuster war eine Verschärfung im Jahr 1996. Bei Inanspruchnahme von Eingliederungsgeld oder Sozialhilfe mussten Spätaussiedler(innen) zwei Jahre, zwischen Anfang 1998 und Mitte 2000 ‚unbefristet‘ und seitdem drei Jahre am zugewiesenen Ort verbleiben, um die Ansprüche auf diese Leistungen nicht zu verlieren (§ 3a WoZuG; Haug/Sauer 2007: 12). Ein Umzug war nur erlaubt, wenn am neuen Wohnort ein Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung nachgewiesen werden konnten. Der Zwangscharakter der Wohnortzuweisung war dadurch abgemildert, dass nach § 2 Abs. 2 WoZuG „die Wünsche des Aufgenommenen, enge verwandtschaftliche Beziehungen (...) berücksichtigt“ werden sollten, was auch häufig geschah (Haug/Sauer 2007: 84). Zudem hatten Aussiedler(innen) nach der im Schnitt ein- bis zweijährigen Anfangsphase in Übergangswohnheimen (im Überblick Haug/Sauer 2007: 32) einen erleichterten Zugang zu städtischen Sozialwohnungen (Bürkner 1998: 60f.; vgl. auch Puskeppeleit 1992: 20; Hofmann u. a. 1992: 63). Haug und Sauer (2007) zufolge, die die Wirkungen des WoZuG evaluierten, wurde durch die staatliche Intervention auch mittelfristig erheblich mit beeinflusst, wo Aussiedler(innen) leben. So wohnten 65% der (meist zwischen 1989 und 2005 zugewanderten) Befragten im Jahr 2006 noch in dem ihnen zugewiesenen Ort (Haug/Sauer 2007: 88).92 Wie später empirisch zu zeigen sein wird, lenkten die Wohnortzuweisungen – besonders innerhalb der meisten Flächenstaaten – Aussiedler(innen) in ansonsten für Migrant(inn)en eher untypische Wohnorte – nämlich in kleinere Städte und Dörfer. Unter den nicht-deutschen Migrant(inn)en wurden jüdische Kontingentflüchtlinge vergleichbar wie Aussiedler(innen) behandelt. Auch sie wurden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt und dann noch einmal innerhalb von Bundesländern auf Kommunen (für NRW Kühne/Rüßler 2000: 87).93 Ob die Verteilung innerhalb der Flächenstaaten nach ähnlichem Muster wie bei Aussiedler(inne)n erfolgte, ist unbekannt. Zumindest das (ansonsten von mir nicht untersuchte) Land Brandenburg (Bautz 2006: 221) sowie Niedersach92 Dieses Ergebnis korrespondiert auch mit früheren Untersuchungen zur geringen überregionalen Mobilität von Aussiedler(inne)n (Hofmann u. a. 1992: 28f.; Swiaczny 1999: 50). 93 Wie bei Aussiedler(inne)n auch wurde der Wunsch, bei Verwandten zu leben, ggf. bei der Wohnortzuweisung berücksichtigt (Haug 2007: 42).
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sen (Nds. MI 2006) wies die Kontingentflüchtlinge eher solchen Gemeinden zu, in denen sich eine jüdische Gemeinde (im Aufbau) befand – d. h. eher städtischen Kommunen. Asylsuchende wurden nach dem gleichen Verteilungsschlüssel wie Aussiedler(innen) auf die Bundesländer (§ 44, 45 AsylVfG) und länderintern auf die Kommunen verteilt. Im Gegensatz zu Aussiedler(innen) wurden hier Wohnwünsche im Allgemeinen nur bei bereits ansässigen Ehegatten und minderjährigen Kindern berücksichtigt; selbst ein Wohnortwechsel aufgrund der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit war von einer Ermessensentscheidung seitens der Behörden abhängig (Kühne/Rüßler 2000: 63f.). In den Kommunen erfolgte nach den ersten drei Monaten in den Erstaufnahmeeinrichtungen die Unterbringung „in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften“ (§ 51 Abs. 1 AsylVfG). Während bei Spätaussiedler(inne)n ein innerdeutscher Umzug nur bei Sozialhilfebezug sanktioniert wurde, unterlagen Asylsuchende und Geduldete der Residenzpflicht, d. h. sie durften den ihnen zugewiesenen Kreis der Ausländerbehörde selbst kurzzeitig nicht ohne Erlaubnis verlassen (§ 53 Abs. 1 AsylVfG). Bei (mehrfacher) Missachtung dieses Verbots drohte eine Gefängnisstrafe. Die Bewegungsfreiheit war somit extrem eingeschränkt und der Wohnort staatlich aufoktroyiert, solange Migrant(inn)en diesen prekären Rechtsstatus innehatten. Zudem lagen die Wohnheime häufig „in marginal locations which both impose practical problems and convey a symbolic message about the place of asylum seekers in society“ (Morris 2002: 41). Keiner Einschränkung der Freizügigkeit waren EU-Bürger(innen), Arbeitsmigrant(inn)en und nachziehende Familienangehörigen aus Drittstaaten unterworfen. Die eigenständige Wohnungsversorgung war bei diesen Migrantengruppen eine Voraussetzung ihres rechtmäßigen Aufenthalts. Flüchtlinge, die als Asylberechtigte anerkannt wurden oder eine Aufenthaltsbefugnis innehatten, waren ebenfalls an keinen Wohnort (mehr) gebunden. Die Siedlungsmuster dieser Migrantengruppen waren also eher von allgemeinen Faktoren abhängig, wie dem Arbeits- und Wohnungsmarkt oder sozialen Netzwerken. Unter Berücksichtigung des längerfristigen ‚Klebeeffekts‘ des Wohnortzuweisungsgesetzes für Aussiedler(innen) und der Residenzpflicht für Asylsuchende und De-facto-Flüchtlinge kann man in gewisser Hinsicht bei diesen ansonsten völlig konträr behandelten Migrantengruppen von staatlich mit beeinflussten Siedlungsmustern94 sprechen, mit denen auch variierende bundesland94 Gerade durch den Zugang zu Sozialwohnungen kam es innerhalb von Städten und Gemeinden auch zu sozialräumlichen Konzentrationen von Aussiedler(inne)n, z. B. in „Großraumsiedlungen am Stadtrand“ (Bürkner 1998: 60). Ob sich dies in schlechtere Lernausgangslagen in den örtlichen Schulen übersetzte, wurde bislang nicht untersucht. Ohnehin war das sozio-ökonomische Profil der Wohnquartiere, in denen Aussiedler(innen) Sozialwohnungen bezogen, vermutlich nicht schlechter
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bezogene und lokale Bildungskontexte assoziiert waren (integrationspolitisch beeinflusster Kompositionseffekt). Hier ähnelten sich also die Migrantengruppen, die sich ansonsten diametral entgegenstanden. Dennoch ist die temporäre Begrenzung der Freizügigkeit von Aussiedler(inne)n, zumal sie häufig mit der Bereitstellung von staatlich subventionierten Wohnungen einherging, nur sehr bedingt vergleichbar mit der massiven Einschränkung der Freizügigkeit der Migrant(inn)en mit prekärem Rechtsstatus, bei denen auch die Art der Unterbringung sozial stigmatisierend und eher Bildungschancen vermindernd gewirkt haben sollte. 3.2.7 Symbolische In- und Exklusion in öffentlichen Diskursen Auch wenn der Fokus meiner Untersuchung auf den rechtlichen Regelungen und Politiken liegt, soll abschließend skizziert werden, wie die unterschiedlichen Migrantengruppen in der Öffentlichkeit, insbesondere durch die Bundesregierung, portraitiert wurden. Wie in Kapitel 2.3.3.1 argumentiert, werden durch solche Diskurse die in Gesetzen verankerte (Il-)Legitimität und politische (Un-) Erwünschtheit des Aufenthalts und der Unterstützung unterschiedlicher Migrantengruppen thematisiert und unter Umständen bis in das Bildungssystem hineintransportiert, so dass auch Lehrkräfte solche Bilder mit differenziellen Lernerwartungen verknüpfen. In den Diskursen der politischen Eliten waren deutschen Aussiedler(inne)n und Ausländer(inne)n unterschiedliche normative Positionen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zugewiesen. Die Koalitionsregierung von CDU/CSU und FDP erachtete die zwei Migrantengruppen als grundsätzlich unterschiedliche und auf keinen Fall zu vermischende Personenkreise (Golova 2006: 252). Die Dauerhaftigkeit der als ‚Heimkehr‘ verstandenen Zuwanderung von Aussiedler(inne)n, ihre rechtlichen Gleichstellung mit Deutschen und die Vorstellung ihrer ethnischen Zugehörigkeit zum ‚deutschen Volk‘ kontrastierte mit der als temporär gedachten Natur des Aufenthalts von Ausländer(inne)n und ihrer ethnisch-kulturellen Fremdheit (Puskeppeleit/Krüger-Potratz 1999: 271f.; Joppke 2005: 171). In seiner „Bestandsaufnahme der Eingliederungshilfen“ appellierte 1988 der damalige Innenminister an Bund, Länder und Gemeinden, den durch den verstärkten Aussiedlerzuzug entstehenden „Anforderungen (...) gerecht zu werden. Die Bundesregierung misst der Eingliederung der Aussiedler (...) einen hohen politischen Stellenwert zu.“ (BMI 1988: 10) Im selben Jahr rief Bundeskanzler Helmut Kohl dazu auf, „diese Landsleute mit offenen Armen als das der Viertel, in denen vergleichbar einkommensschwache Migrantenfamilien Wohnungen anmieteten.
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[zu] empfangen“ (in Rabkov 2006: 337), und verteidigte deren Aufnahme gegenüber möglichen Ressentiments: „Die Bundesregierung ist bemüht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit dazu beizutragen, zum Teil bestehende Vorbehalte der einheimischen Bevölkerung abzubauen.“ (BMI 1988: 10) Ab Ende der 1980er Jahre begann der „Konsens darüber, dass die Aussiedler als Deutsche aufzunehmen und ihre Eingliederung zu fördern seien (...) zu bröckeln“ (Miera 2007: 50); es wurden Stimmen aus dem linken politischen Spektrum gegen eine „‚völkische‘ Migrationspolitik“ und die Privilegierung von Aussiedler(inne)n gegenüber anderen Migrant(inn)en laut. In den Medien wurde in den 1990er Jahren vermehrt über – mit anderen Migrantengruppen vergleichbare – soziale Probleme von Aussiedler(inne)n, z. T. in stereotypisierender Weise, berichtet (Puskeppeleit 1992; Rauer/Schmidtke 2004: 263f.; Golova 2006: 250f.; Brommler 2006: 123). Dennoch stellte auch noch am Ende meines Untersuchungszeitraums, 2003, die rot-grüne Bundesregierung die Zuwanderung von Aussiedler(inne)n nicht grundsätzlich in Frage. Eine ähnliche symbolische Protektion und Inklusion wurde anderen Migrantengruppen nie zuteil. Im Gegenteil: „Ausgrenzungsdiskurse“ (Kühne/Rüßler 2000: 39) gegenüber Asylsuchenden, die in den politische Auseinandersetzungen im Vorfeld des Quasi-Abschaffung des Grundrechts auf politisches Asyl im Jahr 1993 besonders virulent waren, delegitimierten deren Begehren nach Schutz systematisch und stellten sie unter den Generalverdacht des „Asylmissbrauchs“ (vgl. Schönwälder 1999: 84-87). Gerade im Vergleich von Aussiedler(inne)n und Asylsuchenden war das Ungleichgewicht der politischen Legitimität eindeutig. „While politicians appealed for the solidarity of fellow Germans in the Federal Republic with immigrants of alleged German descent, asylum seekers from Africa and Asia were usually identified as the main abusers of Germany‘s asylum laws.“ (Schönwälder 1999: 84)
Dazwischen angesiedelt waren andere nicht-deutsche Migrant(inn)en, von denen zumindest jene aus ‚westlichen‘ Ländern medial wenig präsent waren und selten überhaupt als ‚echte‘ Ausländer(innen) wahrgenommen wurden. Diese dominierenden Linien der öffentlichen Debatte, die die einen Migrant(inn)en eher – wenn auch nicht vorbehaltlos – als ‚zugehörig zu uns Deutschen‘ erklärten und die anderen als kulturell ‚fremd‘, den Sozialstaat ‚ausbeutend‘, höchstens ‚unter Vorbehalt‘ geduldet und insgesamt unerwünscht beschrieben, und nicht zuletzt rassistische Gewaltakte bildeten die Rahmung, innerhalb derer die rechtlichen Regelungen wirkten, die oft, aber auch nicht immer, dieser symbolischen Rangordnung zwischen Migrantengruppen entsprachen. 133
3.3 Zusammenfassung Die vorangegangenen Ausführungen behandelten unterschiedliche Dimensionen der rechtlich-politischen Aufnahmekontexte, die wiederum mehr oder weniger direkt die Bildungschancen von Migrantenkindern mit unterschiedlichem Rechtsstatus systematisch vorstrukturierten. Zunächst sollen nun noch einmal die zentralen Ergebnisse zu den rechtlichen Zuwanderungskriterien resümiert werden. Die staatlichen Interventionen – d. h. die Auswahl, wer einreisen und sich dauerhaft oder temporär niederlassen durfte – bestimmten im Sinne eines immigrationspolitisch bedingten Kompositionseffekts einige, wenn auch nicht alle, bildungsrelevanten Merkmale, die für die Gruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus bei der Einreise charakteristisch waren. Die Tabelle 3-2 fasst diese Anerkennungs- und Zuwanderungskriterien zusammen. So kamen Aussiedler(innen) – ähnlich wie zugewanderte EG-/EUBürger(innen) – aus im internationalen Vergleich relativ entwickelten Industriestaaten mit gut ausgebauten Bildungssystemen. Die Beschränkung dieser Zuwanderungswege auf solche Herkunftsländer könnte sich indirekt als positiv für die Bildungschancen dieser Migrantenkinder erwiesen haben. Flüchtlinge waren – insbesondere aus außereuropäischen Ländern – eher mit dem Risiko konfrontiert, Opfer von Rassismus zu werden, da sie häufig zu in Deutschland phänotypisch erkennbaren Minderheiten gehörten. Einige rechtliche Zuwanderungswege waren mit im weiteren Sinne sozialen Einreisebedingungen verknüpft, die erwachsene Migrant(inn)en erfüllen mussten. Sprachbezogene Kriterien kamen allein bei der Anerkennung als Aussiedler(in) zum Tragen. Das Niveau der nachzuweisenden Deutschkenntnisse war zwar eher niedrigschwellig angesetzt. Dennoch führten die rechtlichen Rahmenbedingungen und das hier eingeforderte „Bekenntnis zum deutschen Volkstum“ zu einer Auswahl von Personen, die teilweise bereits vor der Einreise des Deutschen mächtig waren oder aufgrund der ethnisch konnotierten Identifikation mit der neuen Heimat vermutlich eine hohe Bereitschaft mitbrachten, sich deutsche Sprachkenntnisse anzueignen. Dies sollte sich positiv auf die Schulleistungen der Aussiedlerkinder ausgewirkt haben.
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Tab. 3-2:
Potenziell bildungsrelevante Einreisekriterien bei unterschiedlichen rechtlichen Zuwanderungswegen in die Bundesrepublik Deutschland
Rechtliche Zuwanderungswege / anfänglicher Rechtsstatus
(Spät-) Aussiedler(innen)
EU-Bürger(innen)
nachziehende Familienangehörige von Drittstaatenangehörigen Kontingentflüchtlinge Asylsuchende, De-factoFlüchtlinge und andere Geduldete
Potenziell bildungsrelevante Einreisekriterien Herkunftsländer deutsche ökonomische Sprachkenntnisse Merkmale bis 1992 einfache osteuropäische mündliche Staaten, ab 1993 Deutschkenntnisnur noch Nachse, nicht durchfolgestaaten der gehend für alle ehem. Sowjetzwingend union EU Erwerbstätigkeit mind. eines Elternteils / Nicht-Bezug von Sozialhilfe; ausreichend Wohnraum alle Länder außer ErwerbstätigEU keit mind. eines Elternteils / Nicht-Bezug von Sozialhilfe; ausreichend Wohnraum Nachfolgestaaten der ehem. Sowjetunion nichtdemokratische Drittstaaten, spätestens ab 1993 ohne „sichere Drittstaaten“
Ökonomische Einreisekriterien mussten weder Aussiedler(innen) noch Flüchtlinge erfüllen. EU-Bürger(innen) und Drittstaatenangehörige mit nicht-prekärem Aufenthaltsstatus mussten, damit ihre minderjährigen Kinder (und/oder Ehegatten) mit oder zu ihnen nachziehen konnten, ihren Lebensunterhalt ohne Sozialhilfe bestreiten und über ausreichend Wohnraum verfügen. Die geforderte Er135
werbstätigkeit bei Unionsbürger(inne)n und im Rahmen des sonstigen Familiennachzugs determinierte in diesem weit gesteckten Rahmen noch nicht das tatsächlich realisierte Niveau der beruflichen Position von Migranten(eltern)95, implizierte aber, dass die Kinder in solchen Zuwandererfamilien zumindest zu Beginn ihres Aufenthalts von einer etwas günstigeren ökonomischen (und potenziell bildungsrelevanten) Lebenssituation profitieren konnten als Kinder von Aussiedler(inne)n und Flüchtlingen, bei denen ein Arbeitsplatz keine Einwanderungsvoraussetzung war und die typischerweise zu Beginn ihres Aufenthalts arbeitslos waren. Im zweiten Teil dieses Kapitels wurden für den deutschen Fall unterschiedliche Dimensionen des Rechtsstatus untersucht, die als differenziell ausgestaltete politisch-rechtliche Inkorporationsmodi Bildungschancen beeinflusst haben könnten. Hier sind, wie im Folgenden (vgl. auch Abb. 3-4 unten) noch einmal zusammengefasst wird, die Hierarchien zwischen den unterschiedlichen Migrantengruppen meist deutlich ausgeprägt. Nur Aussiedler(innen) waren von Beginn ihres Aufenthalts als deutsche Staatsangehörige den Inländer(inne)n rechtlich gleichgestellt. Auch wenn die hiermit einhergehenden politischen (Wahl-)Rechte die Bildungschancen von Aussiedlerkindern wohl nicht kurzfristig verbessern konnten, so stellt diese politische Gleichstellung einen bedeutsamen Hintergrund für die anderen bildungsrelevanteren Dimensionen des Rechtsstatus dar. Die Legitimität der Aussiedlerzuwanderung, der rechtlichen Gleichstellung und der Integrationshilfen wurde durch den hegemonialen politischen Diskurs unterstützt, auch wenn dieser im Laufe der 1990er Jahre ambivalenter wurde. Politisch unerwünschte, unter den Generalverdacht des ‚Asylmissbrauchs‘ gestellte Flüchtlinge hatten dagegen anhaltend mit einem deutlich feindseligeren Umfeld zu kämpfen. Diese symbolischen Ex- und Inklusionen spiegelten sich in dem Grad der Bleibesicherheit, die gleichsam den existenziellen Rahmen für alle weiteren rechtlichen Regelungen der Aufenthaltsbedingungen darstellte. Aussiedler(innen) genossen dementsprechend einen absoluten Abschiebeschutz. Bei Asylberechtigten, Kontingentflüchtlingen und – mit leichtem Abstand – EUBürger(inne)n (sowie weiteren Drittstaatenangehörigen mit unbefristetem Aufenthaltsstatus) war der Schutz vor einer Ausweisung ebenfalls sehr hoch. Nachund mitziehende Familienangehörige sowie privilegierte Arbeitsmigrant(inn)en aus Drittstaaten begannen ihren Aufenthalt mit befristeten, aber in anderer Hinsicht nicht weiter benachteiligenden Aufenthaltstiteln. Für Asylsuchende, Geduldete und Statuslose sowie – in einem etwas weniger dramatischen Ausmaß – 95
Eine Ausnahme stellten hier hoch qualifizierte Drittstaatenangehörige, wie etwa Forscher(innen), Sprachdozent(inn)en oder Führungskräfte, dar, die bis zu fünf Jahre befristete Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse bekommen und ihre Kinder mitbringen konnten.
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Konventionsflüchtlinge war dagegen die Dauer ihres Aufenthalts selbst nicht planbar, sondern unterlag letztlich den Bewertungen und dem Handeln von Behörden, Gerichten und der Polizei. Solche Lebensumstände stellen eine psychische Belastung dar, die auch die schulische Leistungsfähigkeit der betroffenen Kinder beeinträchtigt haben könnte. Eine derartig deutliche hierarchische Ausdifferenzierung zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichem Rechtsstatus war gerade für den Bildungsbereich, in dem die Bildungschancen der von mir untersuchten Migrantenkinder am direktesten beeinflussbar waren, nicht typisch. Zwar war die Durchsetzung des Rechts auf Schulbildung durch die fehlende Schulpflicht für Kinder von Asylsuchenden und Geduldeten in einigen Bundesländern zumindest temporär und bei statuslosen Migrantenkindern sicherlich dauerhaft gefährdet. Die große Mehrheit der Migrantenkinder hatte jedoch dieselben (Zugangs-)Rechte und Pflichten wie einheimische deutsche Kinder. Dies bedeutet auch, dass sie denselben allgemeinen institutionellen Strukturen und Zwängen ausgesetzt waren, also insbesondere den zeitlich eingeschränkten Lernmöglichkeiten der deutschen Halbtags-Schule, der frühen Aufteilung der Schülerschaft auf die stratifizierten Schultypen der Sekundarstufe und der auch schon in der Grundschulzeit möglichen Überweisung auf Sonderschulen für Lernbehinderte (Wagner/Powell 2003; Solga 2005b: 139ff.). Die Anfangsbeschulung von Aussiedler(inne)n und – hiervon meist dichotom unterschieden – ausländischen Kindern war lange Zeit in separaten Normsetzungen geregelt, in Bayern und Baden-Württemberg bis in die 2000er Jahre. In den allgemeinbildenden Schulen setzte sich jedoch eine gemeinsame Unterrichtung in Fördermaßnahmen nach und nach durch, wobei die Effizienz und Qualität solcher (teils von Regelklassen abgekoppelter) Beschulungsformen durchaus zweifelhaft waren. Außerhalb der Schulen konnten Aussiedler(innen) ebenso wie Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte während des ganzen Untersuchungszeitraums, wenn auch mit Einschnitten insbesondere seit 1994, von einer durch den Bund finanzierten bildungsbezogenen Extra-Förderung (Garantiefonds) profitieren, die anderen Migrantengruppen nicht zugänglich war. Die Fördermaßnahmen, z. B. in Form nachmittäglicher Hausaufgabenhilfe und Deutschförderung sowie finanziell gut ausgestatteter Ganztagsbetreuung in Tages- und Vollzeitinternaten, dürfte die Bildungschancen jener privilegierten Migrantenkinder und -jugendlichen im Sinne eines direkten Effekts rechtsstatusspezifischer Integrationspolitiken erhöht haben. Wesentlich ausgeprägter als im Bildungssystem traten auf dem Rechtsstatus basierende Ungleichbehandlungen in anderen Bereichen auf, die entweder die Migrantenfamilie als Ganzes oder speziell erwachsene Migrant(inn)en und damit die Eltern der untersuchten Kinder betrafen. Da hier die für Bildungs137
chancen potenziell bedeutsame soziale Zusammensetzung der Migrantengruppen im Laufe ihres Aufenthalts durch differenzielle Integrationspolitiken beeinflusst wurde, leite ich hieraus integrationspolitisch bedingte Kompositionseffekte des Rechtsstatus auf Schulerfolge ab (vgl. auch Kapitel 4). Die ökonomische Teilhabe von Aussiedlereltern war ebenso wie die der EU-Bürger(innen), Kontingent- und Konventionsflüchtlinge sowie der Asylberechtigten durch den rechtlich ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert, während Asylsuchende mit Arbeitsverboten belegt wurden und im Anschluss an solche Wartezeiten nur einen nachrangigen Zugang, und dann meist nur zum unteren Beschäftigungssegment, hatten. Bei den Eltern von nach- oder mitziehenden Kindern aus Drittstaaten konnte die Arbeitserlaubnis befristet und in anderer Hinsicht beschränkt gewesen sein, ohne dass diese Einschränkungen schon etwas über das Niveau der beruflichen Tätigkeiten aussagen musste. Aussiedler(innen) waren zudem hinsichtlich des Zugangs zu beruflicher Weiterbildung und der Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen gegenüber anderen Neuzuwanderern privilegiert. Finanzielle Transferleistungen für als arbeitsuchend gemeldete, neu eingereiste Aussiedler(innen) lagen – auch noch nach deutlichen Kürzungen des Umfangs und der Bezugsdauer in den frühen 1990er Jahren – über dem Sozialhilfesatz. Dieses „sozio-kulturelle Existenzminimum“ wurde Asylsuchenden und Geduldeten nicht gewährt. Die reduzierten materiellen und medizinischen Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes lassen sich als sozialrechtliche Teil-Exklusion beschreiben. Vor allem im Vergleich zu den mehrfach benachteiligten Flüchtlingskindern sollten die ökonomischen und sozialen Rechte von Aussiedler(inne)n zu einer besseren materiellen Lebenssituation geführt haben, die auch eine günstigere Lernausgangslage für die Kinder bildete. Anspruch auf den Besuch staatlich finanzierter Deutschkurse hatten erwachsene Aussiedler(innen) ebenso wie Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte. Währenddessen war ihr Lebensunterhalt finanziell abgesichert. Auch wenn die gewährten (aber 1994 gekürzten) Unterrichtsstunden selten ausgereicht haben mögen, um sehr elaborierte Deutschkenntnisse zu erwerben, so ermöglichte diese Fördermaßnahme doch erste Schritte des Spracherwerbs. Dergleichen wurde Ausländer(innen)n mit prekärem Rechtsstatus kaum angeboten. Selbst die Deutschkurse für Arbeitsmigrant(inn)en aus Anwerbestaaten und deren Familienangehörige wurden lediglich bezuschusst, und die Ausländersozialberatung war im Vergleich zu den Beratungsdiensten für Aussiedler(innen) schlechter ausgestattet. Aussiedlerkinder könnten von der staatlichen Unterstützung der sprachlich-kognitiven Integration ihrer Eltern indirekt profitiert haben, indem diese so eher befähigt wurden, in schulischen Belangen zu helfen.
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Die Hierarchien, die in den meisten Teildimensionen des Rechtsstatus nachgezeichnet werden konnten, stimmen dahingehend überein, dass Aussiedler(innen) und Asylsuchende immer an entgegen gesetzten Polen zu verorten waren. Dies ändert sich bei der Frage, ob das Recht auf Freizügigkeit eingeschränkt und damit das gruppenspezifische Siedlungsmuster (und daran gekoppelte lokale Bildungsopportunitäten) staatlich mit beeinflusst waren. Während hier Arbeitsmigrant(inn)en und deren mit- oder nachziehende Familienangehörige aus EU- und Drittstaaten keinerlei Beschränkung unterlagen, wurden Aussiedler(innen) ebenso wie Kontingentflüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise proportional auf die Bundesländer, und in den meisten Flächenstaaten auch weiter auf die Kommunen verteilt. Bei Aussiedler(inne)n wurden allerdings bei der Wohnortzuweisung verwandtschaftliche Beziehungen berücksichtigt und zudem der Zugang zu Sozialwohnungen erleichtert, wohingegen bei Asylsuchenden und Geduldeten die Residenzpflicht eine massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeutete. Die Abbildung 3-4 stellt die Verortung der Migrantengruppen in den Hierarchien dieser unterschiedlichen Dimensionen graphisch dar. Dabei sind die Abstände nicht streng quantitativ zu verstehen, sondern sollen die Kernergebnisse illustrieren. Mit Ausnahme der Dimension der Wohnortzuweisung, die etwas quer zu allen anderen liegt, ist offensichtlich, dass sich bei Aussiedler(inne)n – und zwar sowohl den Kindern als auch ihren Eltern – durchgängig Vorteile und bei Asylsuchenden und Geduldeten nur Nachteile akkumulierten. Erstere sind also eindeutig einem positiven, Letztere einem negativen politischrechtlichen Inkorporationsmodus zugeordnet. Asylberechtigte (nach dem Durchlaufen der prekären Phase als Asylsuchende) und Kontingentflüchtlinge näherten sich hinsichtlich ihrer Aufenthaltsbedingungen dem Status von Aussiedler(inne)n deutlich an, ohne ihn ganz zu erreichen. Die übrigen ausländischen Migrant(inn)en nahmen im Sinne eines neutralen Inkorporationsmodus eine Mittelposition ein, die je nach Dimension einmal näher, einmal weiter weg von dem Niveau des Aussiedlerstatus war. Das Ausmaß dieser Privilegierung von Aussiedler(inne)n ist darüber hinaus in seiner zeitlichen Veränderung zu betrachten, d. h. die Analysen legen bei Aussiedler(inne)n einen Kohorteneffekt nahe: In den Jahren mit den größten Zuwanderungszahlen, 1989 und 1990 bzw. bis dahin, waren die Anerkennungsregeln am wenigsten restriktiv und zugleich die Eingliederungshilfen am großzügigsten. Mit der Einschränkung der Zuwanderungsmöglichkeit ging auch eine Reduktion der Rechtsansprüche in der Bundesrepublik einher, von der Senkung der finanziellen Hilfen über die Kürzung der Deutschkurse für Erwachsene, die Quasi-Streichung der beruflichen Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen bis hin zur Reduzierung der schulbezogenen Fördermaßnahmen für Aussiedler139
kinder. Diese Veränderungen, die auch mit weniger wohlwollenden öffentlichen Diskursen einhergingen, bedeuteten für die späteren Aussiedlerkohorten, d. h. vor allem die der Spätaussiedler(innen) ab dem Zuzugsjahr 1993, ohne Zweifel eine relative Verschlechterung, die sich auch auf die Bildungschancen ausgewirkt haben könnte (Aussiedlerkohorteneffekt im Intragruppenvergleich).
positiv neutral Aussiedler(innen) EU-Bürger(innen) Konventionsflüchtlinge Statuslose
Freizügigkeit
Deutschförderung
Soziale Rechte
Arbeitsmarkt Förderung
Arbeitsmarkt Zugang
Schule Förderung
Schule - Zugang
Bleibesicherheit
negativ
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
Abb. 3-4: Hierarchien zwischen Migrantengruppen in den bildungsrelevanten Dimensionen des Rechtsstatus bei Einreise
Kontingenflüchtlinge/Asylberechtigte Drittstaatenangehörige - Familienmigration Asylsuchende/Geduldete
Dennoch blieb im gesamten Untersuchungszeitraum eine kontinuierliche Privilegierung der Aussiedler(innen) gegenüber anderen Zuwanderergruppen mit ihren schlechteren politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi bestehen, und diese Ungleichbehandlung sollte sich, so meine Grundhypothese, in besseren Schulabschlüssen von Aussiedlerkindern widerspiegeln. Der Forschungsstand zu individuellen, familialen und Kontextfaktoren, über die die indirekten Wirkungsweisen des Rechtsstatus teilweise vermittelt werden, präsentiert das nun folgende Kapitel 4. 140
4 Soziale Determinanten der Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen: Der Forschungsstand
In diesem Kapitel wird der Forschungsstand zu zentralen migrantenspezifischen und allgemeiner wirksamen Einflussfaktoren, die Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen begründen könnten, zusammenfassend berichtet.96 Diskutiert werden zunächst das Einreisealter und die Kenntnisse der Landessprache der Kinder, deren Bildungserfolg im Aufnahmeland erklärt werden soll. Anschließend werden die Sprachkenntnisse der Eltern, deren Bildung, ihr realisierter sozio-ökonomischer Status sowie die Familienstruktur behandelt. Schließlich werden der Wohnort und damit einhergehende institutionelle Bildungsangebote und Effekte der Herkunftsländer und ihrer Bildungssysteme sowie der ethnischen Gruppenzugehörigkeit diskutiert. Es werden also individuelle und familiale Determinanten sowie unterschiedliche Typen von Kontextfaktoren angesprochen. Auf einige dieser Determinanten wurde in den Kapiteln 2 und 3 als vermittelnde Faktoren verwiesen, wenn argumentiert wurde, auf welche indirekte Art und Weise der Rechtsstatus von Migrant(inn)en auf ihre Bildungschancen einwirkt. Aber auch andere, nun diskutierte Merkmale, die vom Rechtsstatus unabhängig sind, könnten die Bildungsdisparitäten zwischen Migrantengruppen mit begründen. Bei den meisten dieser Determinanten ist ihre kausale Wirkrichtung bezogen auf die Schulleistungen, die Bildungsbeteiligung in der Sekundarstufe und den Erwerb von Schulabschlüssen ähnlich. Erklärt werden in Kapitel 8 nur die Disparitäten bezüglich der Zertifikate. Eine empirische Unterscheidung der Effekte des Rechtsstatus und anderer Einflussfaktoren auf die Schulleistungsentwicklung einerseits und die Auswirkungen auf Bildungsentscheidungen 96 Neben den im Folgenden rezipierten Studien, die Migrantengruppen in Deutschland miteinander vergleichen, sei hier exemplarisch auf ähnliche Untersuchungen zu Zuwanderergruppen unterschiedlicher ethnischer und nationaler Herkunft in den USA (Portes u. a. 2009; Portes/MacLeod 1999; Portes/Rumbaut 2001; Kao/Thompson 2003), den Niederlanden (Crul 2000; Driessen 2000; van de Werfhorst/van Tubergen 2007), in Großbritannien (Bhattacharyya u. a. 2003; van de Werfhorst/van Tubergen 2007), Frankreich (Brinbaum/Cebolla-Boado 2007) und Norwegen (Noack Fekjær 2007) verwiesen.
141 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
andererseits – also eine Differenzierung zwischen „primären Effekten“ und „sekundären Effekten“ (Boudon 1974: 29; Solga/Dombrowski 2009: 21ff.) – kann in dieser Arbeit nicht getroffen werden.97 Alle Unterkapitel umfassen in komprimierter Fassung jeweils Theorien zur Art des Zusammenhangs und seinen zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen, den empirischen Forschungsstand zu Migrant(inn)en allgemein und zu meiner Untersuchungspopulation im Besonderen und resümieren meine Hypothesen dazu, ob die jeweilige Determinante für die Wirkungsweisen des Rechtsstatus auf Bildungschancen von Bedeutung sein könnte. Forschungen über Ursachen des schulischen Abschneidens speziell von Aussiedler(inne)n sind rar. Daher werden auch Studien rezipiert, die über die Ausprägung der potenziellen Bildungsdeterminanten bei Aussiedler(inne)n sowie – noch seltener – bei Flüchtlingen oder anderen Angehörigen der historisch jüngeren Migrantenkohorten Auskunft geben, also etwa wie es um die Deutschkenntnisse unter Aussiedler(inne)n bestellt ist. Die bisherigen Studien speziell zu Aussiedlerjugendlichen sind allerdings, wie bereits in Kapitel 1 angemerkt, nur unter Vorbehalt als bundesweit repräsentativ zu erachten – sei es aufgrund von Quotenstichproben (Dietz/Roll 1998: 148f.), Schneeballverfahren (Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005: 36f.) oder wegen geographischer und weiterer Eingrenzungen des Samples, die keine Überprüfung eines bildungsbezogenen Selektionsbias ermöglichen (z. B. Strobl/Kühnel 2000; Heinelt/Lohmann 1992; Bayer 1992; Elsner 1998; Nauck 2004; Fuchs/Sixt 2008). Auch daher führen die späteren Analysen der beiden repräsentativen Datensätze in Kapitel 7 und 8 über den im Folgenden präsentierten Stand der Forschung hinaus. 4.1 Einreisealter der Kinder Eine zentrales Merkmal der Migrationsbiographie von Migrantenkindern und zugleich eine migrantenspezifische Determinante ihrer Bildungschancen im Aufnahmeland ist ihr Alter bei der Einreise.98 Der empirisch häufig nachgewiesene Zusammenhang, dass ein höheres Einwanderungsalter mit schlechteren Bildungschancen einhergeht (Esser 1990: 137-139; Portes/MacLeod 1996: 263; Rumbaut 2004: 1187; Baumert/Schümer 2001: 378; Esser 2006b: 312; Müller/ 97 Bisherige Untersuchungen, die das Verhältnis zwischen Benotungen und Übergangsempfehlungen am Ende der Grundschule sowie zwischen Schulnoten und mit standardisierten Leistungstests gemessenen Kompetenzen für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund untersuchen (vgl. im Überblick Kristen 2006a: 16-27 sowie Kristen 2002, 2006b; Lehmann u. a. 1997: Abschnitt 5.1), haben nicht zum Ziel, Differenzen zwischen Migrantengruppen zu erklären. 98 Die migrantenspezifische Determinante der Aufenthaltsdauer ist in Querschnittserhebungen eine mathematische Umformung des Einreisealters.
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Stanat 2006: 240f.; Böhlmark 2008), wird an erster Stelle – aus einer eher funktionalistischen Theorieperspektive – mit dem Zeitfenster für den Erwerb der Landes- und Schulsprache erklärt (vgl. Kap. 4.2).99 Je jünger die Kinder bei der Einreise sind (bzw. wenn sie bereits im Aufnahmeland geboren wurden), desto länger leben sie in einer „prinzipiell deutschsprachigen Umgebung“ (Müller/Stanat 2006: 229) und desto mehr Zeit steht ihnen für die Akkulturation im Allgemeinen und den informellen und eventuell gezielt geförderten Zweitspracherwerb im Besonderen zur Verfügung, bevor ihre Leistungen in der Schule bewertet werden und sie einen Abschluss erwerben. Institutionell vermittelt ist der potenzielle Vorteil einer Zuwanderung im Vorschulalter durch die damit verbundene Gelegenheit, einen deutschen Kindergarten zu besuchen, der wiederum den informellen Deutscherwerb vor der Einschulung in die Grundschule ermöglicht (Esser 1990: 137-139). Diese Argumentation impliziert, dass bei Migrantenkindern, die bei ihrer Einreise die inländische Schulsprache bereits beherrschten – wie etwa etliche Rumäniendeutsche – , der Effekt des Zuwanderungsalters nicht vorhanden oder zumindest deutlich abgeschwächt sein sollte. Diese vor allem auf den Spracherwerb bezogenen Überlegungen sind durch zwei Argumente einer stärker institutionalistischen Perspektive zu ergänzen: Da Bildungssysteme nationalstaatlich konstituiert sind, sind nicht nur eine spezifische Sprache als Schulsprache institutionalisiert, sondern auch spezifische Fächer (z. B. Fremdsprachen) und Unterrichtsinhalte (z. B. im Fach Deutsch oder Geschichte). Selbst wenn Migrantenkinder bereits die Sprache des Aufnahmelandes beherrschen, haben ältere Seiteneinsteiger(innen) insgesamt weniger Zeit, bis zum Schulabschluss die im Herkunftsland nicht vorgesehenen Lerninhalte nachzuholen und gleichzeitig beim Erlernen des aktuellen Unterrichtsstoffs mitzuhalten – eine Doppelbelastung, die bei der Leistungsbewertung normalerweise keine Berücksichtigung findet. PISA-Ergebnisse, die belegen, dass gerade im deutschen Bildungssystem das Einwanderungsalter einen im internationalen Vergleich besonders starken Einfluss hat (OECD 2006: 200-202) und dieser Einfluss nicht alleine – wie in den USA – über die Kompetenzen in der jeweiligen Schulsprache vermittelt wird (Esser 2006b: 309-312), bieten Anlass, nach weiteren institutionellen Ursachen bzw. ‚Verstärkern‘ zu fragen. Wie an anderer Stelle ausführlicher dargelegt (Söhn 2011), sind hierzulande besonders jene Migrant(inn)en mit hohen 99 Sofern das Einreisealter mit dem Beginn des Zweitspracherwerbs übereinstimmt, wird dieser durch ein jüngeres Einwanderungsalter (im Vorschul- oder zumindest Grundschulalter) vermutlich auch „aus neuropsychologischen Gründen der biologischen Veränderung des (Sprach-)Lernvermögens allgemein“ (Esser 2006b: 253) begünstigt. Dieses Potenzial eines niedrigen Einwanderungsalters kann natürlich erst durch entsprechende (auch institutionelle) Angebote von Lernopportunitäten ausgeschöpft werden.
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Bildungsrisiken konfrontiert, die während der Sekundarstufe einwandern. Denn, der Struktur der Sekundarschulsysteme der deutschen Bundesländer folgend, müssen Seiteneinsteiger(innen) zwingend einem der hierarchisch angeordneten Schultypen zugeordnet werden. In den meisten Herkunftsländern jedoch (vgl. Kap. 4.8) besuchten Migrantenjugendliche entweder ein das gesamte Leistungsspektrum umfassendes Gesamtschulsystem, oder dort werden erst in einem deutlich späteren Alter als in Deutschland Selektionsentscheidungen getroffen. Durch die Zuweisung der überwältigenden Mehrheit von Seiteneinsteiger(inne)n an Hauptschulen (vgl. Kap. 3.2.2.4) wurden vermutlich Schüler(innen) mit vormals (über-)durchschnittlichen Leistungen faktisch herabgestuft. Implizit wird der Besuch einer (‚Quasi‘-)Gesamtschule im Herkunftsland mit einer deutschen Hauptschule – im Sinne einer Volksschule – gleichgesetzt. Verstärkt durch die Konzentration von Deutschförderung auf Hauptschulen, ist das hohe Risiko jugendlicher Seiteneinsteiger(innen), höchstens mit einem Hauptschulabschluss das deutsche Bildungssystem zu verlassen, somit als durch die institutionelle Spezifik des deutschen Sekundarschulsystems mit bedingt zu betrachten. Empirische Forschungen zum Einfluss des Einwanderungsalters auf die Bildungschancen speziell von Aussiedlern oder von anderen Kindern historisch neuerer Zuwandererkohorten liegen kaum vor. Bezogen auf die in PISA getesteten Lesefähigkeiten weisen Müller und Stanat (2006: 240, 244) für 15-Jährige russischer Herkunft, darunter vermutlich viele Aussiedler(innen), nach, dass das Einwanderungsalter einen eigenständigen signifikanten (und nur z. T. über die Familiensprache vermittelten) Effekt auf dieses für das schulische Fortkommen zentrale Kompetenzgebiet hat. Zwar ist das Alter, in dem Minderjährige immigrierten, von Zuwanderungsbeschränkungen weitgehend unbeeinflusst. Aufgrund der bildungsbezogenen Extra-Förderung von Aussiedler(inne)n, könnte bei diesen der Einfluss des Einwanderungsalters aber weniger stark gewirkt haben (integrationspolitisch bedingter Interaktionseffekt). 4.2 Kenntnisse der Landessprache bei den Kindern Die Beherrschung der Landessprache des Aufnahmelandes und seines Bildungssystems ist eine zunächst sehr offensichtliche Voraussetzung für gute Schulleistungen und den Erwerb höherwertiger Schulabschlüsse. Denn der Unterrichtsstoff, mit Ausnahme von Fremdsprachen, wird in der Landessprache vermittelt, und gewöhnlich werden nur in dieser Sprache erbrachte Leistungen bei der Notengebung bewertet. In der einfachsten Version ist also der zu erwartende Zusammenhang, dass Migrantenkinder, die bei ihrer Einschulung (in der ersten 144
Klasse oder später) die Landessprache nicht oder kaum beherrschen, deutlich schlechtere Bildungschancen haben als Migrantenkinder, die hier bereits Kompetenzen aufweisen. Dieser prinzipielle Zusammenhang wird in einem sozialisationstheoretischen Verständnis von Schule, wie es bildungspsychologischen Schulleistungsstudien zugrunde liegt, implizit als funktionalistische Selbstverständlichkeit angenommen (Baumert u. a. 2003: 61). In Assimilationstheorien werden Kenntnisse der Landessprache explizit als Notwendigkeit für eine erfolgreiche strukturelle Integration erachtet (Esser 2006a: 27, 57). Gogolin (1994: 36-42) dekonstruiert diesen Zusammenhang dagegen als ein Resultat der historisch gewachsenen nationalstaatlichen Verfasstheit des – in diesem Fall deutschen – Bildungssystems, in dem die Deutschsprachigkeit des Bildungssystem institutionalisiert ist und sein „monolingualer Habitus“ einsprachig deutsche Muttersprachler(innen) als ‚normale‘ Schüler(innen) voraussetzt.100 Dass Schulerfolg an der Beherrschung von und Leistungen in der Schulsprache gemessen und – etwa bei den Grundschulempfehlungen – prognostiziert wird und hierbei Migrantenkinder ohne anfängliche Kenntnisse der Schulsprache eine benachteiligte Ausgangslage einnehmen, fassen Bommes und Radtke (1993: 489) als indirekte institutionelle Diskriminierung auf – die universale Anwendung von Normen, die eine diesbezüglich privilegierte Gruppe (d. h. die einheimischen Muttersprachler) leichter erfüllen können als andere (für eine expliziter konflikttheoretische Argumentation s. auch Solga 2005b: 19f.; Feagin/Feagin 1986: 126). Ungleiche Bildungschancen von Migrantengruppen können sich also zum einen daraus ergeben, dass eine Gruppe bereits bei der Einreise bzw. der Einschulung bessere Deutschkenntnisse als eine andere mitbringt, also eher die institutionell gesetzten sprachlichen Lernvoraussetzungen der Regelklassen vorab erfüllt (vgl. Radtke 1996: 50). Zum anderen werden fehlende Sprachkenntnisse zum Zeitpunkt der Einschulung nur in dem Maße bildungsrelevant, in dem Schulen keine oder ungenügende Lernangebote für den (vor allem schriftlichen) Spracherwerb anbieten, die die benachteiligende Eingangsvoraussetzung kompensieren könnten.101 Eine solche Form direkter institutioneller 100
Die vom Aufnahmeland rechtlich sanktionierte Existenz Internationaler Schulen, deren Schüler(innen) nicht in der Landessprache unterrichtet werden, erinnert aber daran, dass der Zusammenhang zwischen Kenntnissen der Landessprache und Bildungserfolgen nicht naturwüchsig ist, sondern auf den institutionalisierten Grundregeln nationalstaatlich verfasster allgemeinbildender Schulen basiert. 101 Gogolin (2008: 49f.) unterstreicht die Notwendigkeit, dass Schulen Migrantenkinder – auch wenn sie ein mündliches, alltagssprachliches Deutsch gut beherrschen, explizit und systematisch im Deutsch- und Fachunterricht an das „formelle Sprachregister“ der „Bildungssprache der Schule“ heranführen.
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Diskriminierung diagnostizieren Gomolla und Radtke (2000: 330; 2002: 268f.) und Flam (2007b: 104-109; Flam/Kleres 2007: 79f.) für bundesdeutsche Schulen (vgl. auch Kap. 3.2.2). Als Konsequenz aus der ungenügenden schulischen DaZ-Förderung werden die kulturellen und sprachlichen Ressourcen und Praktiken im Elternhaus (vgl. hierzu Kap. 4.3) für die Schnelligkeit und die ‚Qualität‘ des dort stattfindenden Deutscherwerbs der Migrantenkinder und damit indirekt für die Bildungschancen bestimmend (ähnlich Bourdieu 1973: 102-105 zur mittelschichtsaffinen Unterrichtssprache). Aus demselben Grund – der mangelhaften sprachlichen Kompensationsleistung deutscher Schulen – sind für meine Analyse der Bildungschancen unterschiedlicher Migrantengruppen die mitgebrachten Deutschkenntnisse der Kinder und der Verlauf der auch außerschulisch beeinflussten sprachlichen Integration von Bedeutung. In den mir bekannten empirischen Untersuchungen, wie etwa den internationalen Schulleistungsstudien, wurden die Kompetenzen von Migrantenjugendlichen in Deutsch als Zweitsprache nicht direkt gemessen.102 Auch speziell zu den Deutschkenntnissen von ausländischen Migrantenkindern bei ihrer Einreise liegen keine Forschungsergebnisse vor.103 Über Deutschkenntnisse von Aussiedlerjugendlichen existieren vereinzelte Ergebnisse aus Befragungen. Unter Aussiedlerkohorten der Jahre 1989-1992 schätzten vor allem rumäniendeutsche Jugendliche ihre Deutschkenntnisse (Lesen, Schreiben, Sprechen) vor der Einreise als sehr hoch ein, gefolgt im deutlichen Abstand von ihren Peers aus der Sowjetunion, und – mit geringerem Abstand – aus Polen (Silbereisen u. a. 1999: 83f.; zu Aussiedlerjugendlichen aus Polen vgl. ähnlich Rogall 1992: 124).104 Retrospektiv beurteilten bei Strobl und Kühnel (2000: 112) 15- bis 25-jährige russlanddeutsche Aus- und Spätaussiedler(innen) ihre mündlichen Deutschkenntnisse bei der Einreise zu 54% als „gar nicht“ vorhanden, zu 37% als „gebrochen“ und zu 7% als „gut“ (aber kaum als sehr gut oder „perfekt“). Deutsch lesen konnten sie bei der Einreise zu 36% gar nicht, 34% wenig, 11,5% vieles, 7,4% fast alles, 11,4% alles. Dietz und Roll 102
Kausal relevant sind vor allem die Deutschkompetenzen zum Zeitpunkt der Einschulung. Die in PISA gemessene Lesekompetenz mit Deutschkenntnissen gleichzusetzen (Baumert/Schümer 2001: 374), erscheint wenig hilfreich, da Erstere auch von der Art der Beschulung, insbesondere in den Sekundarschultypen, abhängt, und ja auch deutsche Muttersprachler(innen) unterdurchschnittliche Lesekompetenzen aufweisen können. 103 Von österreichischen und schweizerdeutschen Migrantenkindern abgesehen könnte eine vermutlich sozial selektive Gruppe von Seiteneinsteiger(inne)n bereits im Herkunftsland Deutsch als Fremdsprache erlernt haben – ein Massenphänomen ist dies sicherlich nicht. 104 Das Niveau schriftsprachlicher Deutschkenntnisse hing wohl vor allem von deutschsprachigen Bildungsangeboten in den Herkunftsländern ab; die deutschsprachigen Gymnasien in Rumänien (Wagner 1991: 44) kontrastieren hier mit dem deutlich niedrigeren Niveau des Deutschunterrichts in sowjetischen Regelschulen (Lehmann 1993: 80; 85f.).
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(1998: 65; ähnlich Strobl/Kühnel 2000: 112) berichten, dass in ihrer Befragung nur die Hälfte bzw. ein Fünftel der seit vier bis fünf bzw. zwei bis drei Jahren ansässigen 15- bis 25-jährigen Russlanddeutschen meinten, ihre Deutschkenntnisse seien gut oder sehr gut. Dennoch lässt sich festhalten, dass gegenüber anderen Migrant(inn)en ohne jegliche Vorkenntnisse zumindest einige Aussiedlerkinder, und hierunter besonders die rumäniendeutschen, bereits mit Deutschkenntnissen einreisten und somit einen nicht zu vernachlässigenden Startvorteil hatten (immigrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt). Zudem wurde ihr Deutscherwerb in der Bundesrepublik durch außerschulische Fördermaßnahmen, die andere Migrantenjugendliche nicht erhielten, unterstützt (integrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt), wenn auch nicht immer intensiv genug. 4.3 Elterliche Kenntnisse der Landessprache und Sprachgebrauch in Migrantenfamilien Wie im Abschnitt 4.2 argumentiert, ist die Unterstützung des kindlichen Erwerbs der Landessprache innerhalb der Herkunftsfamilie und in der ElternKind-Kommunikation vor allem dann bildungsrelevant, wenn das Schulsystem selbst – wie es in der Bundesrepublik der Fall ist – nur ungenügende Lernangebote zum Zweitspracherwerb macht. Internationale Leistungsstudien zeigen, dass in Deutschland die Sprachpraxis im Elternhaus, d. h. der alltägliche Gebrauch der Schul- und/oder Herkunftssprache in den Familien der Schüler(innen), einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse in allen getesteten Kompetenzbereichen hat (Schwippert/Schnabel 2000: 287f.; Baumert/Schümer 2001: 378; Ramm u. a. 2005: 290; Müller/Stanat 2006: 240, 244; Esser 2006b: 312; Walter/Taskinen 2007).105 Dies belegt indirekt die eben geschilderte Bedeutung der familialen ‚Vorleistungen‘ beim Zweitspracherwerb von Migrantenkindern. Zugleich weist der internationale Vergleich darauf hin, dass die negative Auswirkung eines fremdsprachigen Elternhauses auf die getesteten Kompetenzen in Deutschland besonders groß ist, wohingegen dieser Effekt – bei statistischer Kontrolle u. a. der sozialen Herkunft und der Generationenzugehörigkeit – in europäischen Einwanderungsländern wie Frankreich, Österreich oder der Schweiz nicht mehr signifikant ist (OECD 2006: 47, 200-202). Im Prinzip wäre also die enge Kopplung der familialen Sprachpraxis und der Bildungschancen der Kinder auch hierzulande vermeidbar (vgl. Gogolin 2008: 46f.). 105
Interessanterweise zeigt sich in PISA 2003 dieser Zusammenhang aber nur bezüglich der standardisiert gemessenen Kompetenzen und nicht bei der Schätzung der Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen (Segeritz u. a. 2010: 130-133).
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Der Zusammenhang zwischen dem Sprachgebrauch in Migrantenfamilien und dem Schulerfolg der Kinder ist – in den PISA-Analysen kaum expliziert – in der familialen Unterstützung des mündlichen Zweitspracherwerbs der Kinder und hierüber vermittelt ihrer Bildungschancen begründet. Im Sinne eines weiteren sozialen Vermittlungsmechanismus unterstreichen Portes und Hao (2002: 891) die Bedeutsamkeit des elterlichen Zweitspracherwerbs für die Eltern-KindBeziehung und die Vermittlung höherer Bildungsaspirationen der Eltern an ihre Kinder – vor allem für den Fall, dass sich die Kinder sprachlich sehr schnell assimilieren. Können hier Eltern nicht ‚mithalten‘, kann diese innerfamiliale „dissonant acculturation“ zum Verlust elterlicher Autorität und zu Konflikten führen, die auch bei schulischen Belangen belastend zum Tragen kommen könnten (vgl. auch Portes u. a. 2009: 1081f.). Darüber hinaus werden weitere Vermittlungsmechanismen diskutiert, die sich weniger auf den Einfluss der in der Eltern-Kind-Kommunikation genutzten Sprache, sondern präziser auf die Auswirkung der Kompetenzen der Eltern in der Landessprache beziehen. So ermöglichen Kenntnisse der Landessprache den Migranteneltern, ihre Kinder bei Hausarbeiten zu unterstützen, wie Kristen und Granato (2004: 127) in ihrem ressourcentheoretischen Ansatz argumentieren. Kompetenzen in der Landessprache erleichtern es Migranteneltern ferner, sich über die formellen und informellen Regeln des Schulsystems zu informieren und – besonders bei kritischen Weichenstellungen wie dem Übergang in die Sekundarstufe, aber auch bei alltäglicheren Anlässen – mit Lehrkräften ins Gespräch zu kommen und gegebenenfalls ihre vom Lehrerurteil abweichenden Interesse zu artikulieren und durchzusetzen. Letzteres hängt natürlich zusätzlich von dem schichtspezifischen kulturellen Kapital der Eltern ab (Lareau/Horvat 1999). Doch ohne ein Mindestmaß an Kenntnissen der Schulsprache können Migranteneltern gegenüber dem pädagogischen Personal erst gar nicht deren mittelschichtstypischen Norm entsprechen, die von dem Ideal kommunikationsfähiger und -bereiter, engagierter Eltern ausgeht. Zusätzlich zu solchen primären und sekundären Effekten einer ‚fremdsprachigen‘ Herkunftsfamilie auf die Bildungschancen von Kindern erhöhen hohe Kompetenzen der Eltern in der Landessprache ihre ökonomischen Teilhabechancen und somit den erreichbaren sozioökonomischen Status und die verfügbaren finanziellen Ressourcen (Esser 2006b: 421, 441). Diese stellen wiederum klassische familiale Bildungsdeterminanten dar (vgl. hierzu Kap. 4.5 unten). Es ist also von einer mehrfach vermittelten Wirkung der deutschen Sprachkompetenzen der Migranteneltern auf die Bildungschancen ihrer Kinder auszugehen. Einige wenige Untersuchungen in den USA, die die (subjektiv eingeschätzten) Englischkenntnisse sowohl von Migranteneltern als auch ihrer Kinder erhoben, weisen den positiven Effekt der elterlichen Sprachkompetenzen über den 148
ihrer Kinder hinaus auf deren Schulleistungen nach (Portes 1995: 270f.; Mouw/ Xie 1999: 246f.). Die Deutschkenntnisse erwachsener Aussiedler(innen) hingen wie bei Aussiedlerkindern vor allem von den Herkunftsländern ab. Rumäniendeutsche Eltern besaßen bei ihrer Einreise in der Mehrheit mündliche und schriftliche Kompetenzen im Deutschen, während dies deutlich seltener auf Aussiedler(innen) aus der ehemaligen Sowjetunion und noch seltener auf jene aus Polen zutraf (BMI 1988: 50f.; Biehl 1996: 176; Mammey/Schiener 1998: 37; Silbereisen u. a. 1999: 83f.). Je nachdem, ob die subjektiven Einschätzungen der befragten Aussiedler(innen), die in Interviews gewählte Sprache oder der (empfohlene oder tatsächliche) Besuch eines Deutschkurses als Indikator für noch ‚ausbaufähige‘ Deutschkenntnisse dienten, wiesen erwachsene Rumäniendeutsche zu rund 90% (sehr) gute Deutschkenntnisse auf (BMI 1988: 50f.; Mammey/Schiener 1998: 37), Aussiedler(innen) aus Polen zwischen 20 und 48% (Bayer 1992: 69; Mammey/Schiener 1998: 37). Bei Russlanddeutschen bewegt sich der Anteil mit guten Deutschkenntnissen je nach Untersuchung zwischen 30% (BMI 1988: 50f.), 44% (Dietz/Hilkes 1992: 60f.), 48% (Haug/ Sauer 2007: 45) und 59% (Mammey/Schiener 1998: 37). Die höheren Prozentwerte bei Aussiedler(inne)n aus Polen und der Ex-UdSSR sind aber dahingehend zu relativieren, dass sie ein paar Jahre nach ihrer Einreise erhoben wurden und die „meisten“ (Koller 1995: 111) erwachsenen Aussiedler(innen) an Deutschkursen des Arbeitsamts teilnahmen. Die 7% der in Kollers (1997: 771) Studie befragten Aussiedler(innen), die retrospektiv ihre Deutschkenntnisse bei der Einreise als (sehr) gut beurteilten, kommen dem Anteil der Rumäniendeutschen an allen Aussiedler(inne)n sehr nahe. Die Art der verwendeten Indikatoren ist letztlich so unterschiedlich, dass keine wirklich objektiv belegte Aussage über die Entwicklung der anfänglichen Deutschkenntnisse, die russlanddeutsche Zuwandererkohorten von Ende der 1980er bis Anfang der 2000er Jahre aufwiesen, möglich ist. Lediglich der ab Mitte der 1990er Jahre abnehmende Anteil derjenigen Spätaussiedler(innen), die als Hauptantragsteller(innen) für ihre Anerkennung einfache Deutschkenntnisse nachweisen mussten (vgl. Kap. 3.1.2), spricht für die These einer Verschlechterung unter den neueren Kohorten von Spätaussiedler(inne)n. Verlässliche Hinweise existieren jedoch bezüglich der vergleichsweise raschen sprachlichen Integration, wie sie sich im Gebrauch der deutschen Sprache in Aussiedlerfamilien spiegelt. Der ausschließliche Gebrauch einer nichtdeutschen Herkunftssprache ist Mitte der 2000er Jahre bei Spätaussiedler(inne)n mit 34% selten (Haug/Sauer 2007: 103) und bei bis 1994 zugewanderten Aussiedler(inne)n Anfang der 2000er Jahre fast gänzlich unüblich (Haug 2005a: 272). Dabei ist eine bilinguale Sprachpraxis bei den späteren Kohorten verbreiteter als 149
eine rein deutschsprachige, während sich eine deutsche Umgangssprache bei den früheren Kohorten – und hierunter wiederum bei den jüngeren Personen – bereits durchgesetzt hat (Frick/Wagner 2001: Tab. 2). Untersuchungen von 15-Jährigen, die in PISA-Studien teilnahmen (Müller/Stanat 2006: 236; Segeritz u. a. 2010: 128), und von 8- bis 9-Jährigen im DJI-Kinderpanel (Beisenherz 2006: 46) bestätigen, dass zugewanderte Jugendliche aus Russland und Polen sowie russlanddeutsche Kinder häufiger auf Deutsch mit ihren Eltern sprechen als Türkeistämmige und die sprachliche Assimilation mit längerer Aufenthaltsdauer stark zunimmt. Wenn „Aussiedlerfamilien (...) also Deutsch im Gleichtakt mit der ganzen Familie [lernen]“ (Beisenherz 2006: 47) – eine „consonant acculturation“ (Portes/Rumbaut 2001: 52) – , liegt der Unterschied zu anderen Migrantenfamilien vor allem darin, dass die Eltern schneller Deutsch erlernen und in der Familie sprechen (ähnlich Krentz 2002: 93). Mit Blick auf die mitgebrachten Deutschkenntnisse erwachsener Aussiedler(innen) ist also in einem eingeschränkten Maß mit einem indirekten Effekt der sprachbezogenen Anerkennungskriterien auf die Schulerfolge der Kinder zu rechnen (immigrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt). Zügige sprachliche Anpassungsprozesse von Aussiedlereltern im Laufe ihres Aufenthalts, unterstützt durch die staatliche Deutschförderung, legen deutlich bessere Lernausgangsbedingungen für ihre Kinder als für andere Migrantenkinder nahe (integrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt). 4.4 Bildung der Eltern In der soziologischen Forschung zu Ursachen von Bildungsungleichheiten nimmt die soziale Herkunft eine zentrale Stellung ein. Auch Debatten um die Erklärung der Bildungsnachteile von Migrantenkindern und/oder ethnischen Minderheiten kreisen häufig um die Frage, ob beobachtbare Nachteile teilweise oder gänzlich auf soziale Bildungsbenachteiligung zurückzuführen sind (Kao/ Thompson 2003: 431; Heath/Brinbaum 2007: 295). Bei der Analyse der Bildungschancen von Migrantenkindern ist es wichtig, den Einfluss der elterlichen Bildung und den ihres im Aufnahmeland erreichten sozialen Status nicht unter der Sozialstrukturkategorie „soziale Herkunft“ zu subsumieren, sondern analytisch als eigenständige Dimension sozialer Ungleichheit zu behandeln. Denn während der sozio-ökonomische Status bei Eltern ohne Migrationshintergrund in hohem Maße, wenn auch nicht ausschließlich, von ihrem eigenen (Aus-)Bildungsniveau abhängt (Klein u. a. 2009: 66), ist bei Migranteneltern diese Kopplung weniger eng (Nauck u. a. 1998: 712f.; Müller/Stanat 2006: 244f.). Viele höher qualifizierte Zugewanderte sind, falls sie Beschäftigung finden, unter 150
ihrem im Herkunftsland erzielten Bildungsniveau erwerbstätig. Aufgrund dieser beruflichen Abwärtsmobilität erwachsener Zugewanderter, wie sie in Deutschland (Konietzka/Kreyenfeld 2001; Kogan 2011) und speziell bei Aussiedler(inne)n (Hofmann u. a. 1992: 57; Heller u. a. 1992; Koller 1997: 43; Mammey/Schiener 1998: 119; Greif u. a. 1999) festgestellt wurde, muss eine niedrige berufliche Position von Migranteneltern nicht mit ihrem eigentlichen Bildungsniveau korrespondieren (ähnlich bereits Hopf 1987: 83). Selbst für den Fall, dass die im Herkunftsland erworbenen Zertifikate von Migranteneltern auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmelandes nicht anerkannt werden, ist es vor allem ihr inkorporiertes kulturelles Kapital (Bourdieu 1983: 187), das über familiale Erziehungsstile, Wissensvermittlung und Bildungsaspirationen vermittelt Einfluss auf die schulischen Leistungen ihrer Kinder ausüben könnte (vgl. auch Solga/Dombrowski 2009: 21-23). Einerseits lässt sich argumentieren, dass Migranteneltern aufgrund ihrer ausländischen Bildungserfahrung das Wissen um die formellen und informellen Regeln des Bildungssystems des Aufnahmelands fehlt (Kristen/Granato 2004: 129). Auch ein Teil des Unterrichtsstoffs, den ihre Kinder in den Schulen des Aufnahmelands lernen müssen, wird ihnen nicht vertraut sein. So zeigen z. B. Nauck u. a. (1998: 712f.), dass der Einfluss der elterlichen Bildung etwa bei griechischen und türkischen Migrantenkindern weniger stark ist als bei gleichaltrigen Deutschen. Gegen Kristens und Granatos Hypothese der migrantenspezifischen Informationsdefizite lässt sich andererseits das Argument von Portes u. a. (2009: 1099) anführen, dass sich zumindest Migranteneltern mit akademischer Ausbildung, die um die Bedeutung von Bildung für die erreichbaren Berufe wissen, so schnell wie möglich Informationen über das Schulsystem des Aufnahmelands beschaffen und versuchen werden, ihre Kinder auf die bestmöglichen Schulen zu schicken. Empirisch weist eine große Anzahl von Studien nach, dass, verglichen mit anderen sozialen Bildungsdeterminanten, das elterliche Bildungsniveau einen starken Einfluss auf die Bildungschancen von Migrantenkindern hat und für Bildungsunterschiede sowohl zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund als auch zwischen unterschiedlichen Migrantengruppen mitverantwortlich ist (Esser 1990: 141; Alba u. a. 1994: 222f.; 1998: 136; Nauck u. a. 1997: 493f.; Kristen/Granato 2007; Heath/Brinbaum 2007; Heath u. a. 2008). Allein diese Evidenz spricht dafür, dass das im Herkunftsland inkorporierte kulturelle Kapital der Eltern zu einem erheblichen Teil insofern transnational übertragbar ist, als ihre Kinder auch noch im Aufnahmeland davon profitieren – und somit einen Vorteil gegenüber Migrantenkindern haben, deren Eltern in ihrer Heimat nur wenige Jahre beschult wurden. Neben bereits für Einheimische typischen Vermittlungsmechanismen wird der Einfluss der höheren Bildung von Migranteneltern auf die Bildungschancen 151
ihrer Kinder z. T. über die häufig besseren Deutschkenntnisse der Eltern vermittelt (Nauck u. a. 1998: 715f.). Gogolin führt darüber hinaus an, dass die „schulund bildungsnahen literalen Praktiken“ in Migrantenfamilien entscheidend für die schulische Leistung der Kinder seien und dieser Einfluss „anscheinend unabhängig von der Sprache, in der die Einführung in literale Praktiken“ stattfindet, wirkt (Gogolin 2008: 47). Bezogen auf meine Untersuchungspopulation wurde in den bereits oben erwähnten PISA-Analysen von Müller und Stanat (2006: 240, 244) der Einfluss der elterlichen Bildung auf die Lesekompetenz von Jugendlichen aus der ehemaligen Sowjetunion bestätigt, wobei er schwächer als bei Türkeistämmigen ausfällt. Fuchs und Sixt (2008: 14, 16) zeigen auf Basis des SOEP ebenfalls den Einfluss der Ausbildung von Aussiedler(inne)n auf die Chancen ihrer Kinder, in Deutschland ein Abitur zu erlangen. Über das (Aus-)Bildungsniveau der Eltern meiner Untersuchungspopulation geben einzelne Untersuchungen zu Aussiedler(inne)n Auskunft. Dominierend für frühe Kohorten von Russlanddeutschen ist der Abschluss einer Mittelschule (35,6%), während ein Hochschulstudium nur ein gutes Zehntel absolviert haben; die Verteilung entspricht in etwa der der damaligen sowjetischen Gesamtbevölkerung (Dietz/Hilkes 1992: 59f. ). Bei einer Befragung von Aussiedler(inne)n, die mehrheitlich in den 1990er und 2000er Jahren aus der Ex-UdSSR immigrierten, dominiert ebenfalls die „weiterführende Schule“ (30,8%), nur 8,4% haben keinen Abschluss, 35,3% geben an, ein Studium abgeschlossen zu haben (Haug/Sauer 2007: 98). Zwischen diesen beiden stark divergierenden Angaben zu Akademiker(inne)n liegen die 17%, die Seifert (2008: 14) für in NRW ansässige Russlanddeutsche auf Basis des Mikrozensus 2005 berichtet. Ein gutes Viertel der Aussiedler(innen) aus Polen hat demnach einen Hochschulabschluss.106 Erkenntnisse zu Migranteneltern, die als Ausländer(innen) ab Ende der 1980er Jahre eingereist sind, sind lückenhaft. Einzelne Fallstudien zu Flüchtlingen aus außereuropäischen Ländern berichten von einer überdurchschnittlichen (Aus-)Bildung (Heun u. a. 1992: 61; Blahusch 1992: 63). Auch zu jüdischen Kontingentflüchtlingen liegen verdichtete Hinweise vor, dass die Erwachsenen unter ihnen mindestens zur Hälfte eine akademische Ausbildung haben (vgl. Haug 2005b: 9, 12; Haug 2007: 23ff.). Eltern von aus der Türkei zugewanderten 106
In Seiferts Auswertungen wird nicht deutlich, ob die Bildungszertifikate auch in Deutschland erworben sein könnten. Die höhere Bildung von Aussiedlereltern aus Polen zeigt sich aber auch in meinen Auswertungen. Die hohen Prozentwerte von Aussiedler(innen) mit nur einem Hauptschulabschluss (aus Ex-UdSSR: 42%, aus Polen: 52%) legen, verglichen mit den anderen zitierten Untersuchungen, nahe, dass es beim Ausfüllen der Fragebögen und der Einordnung im Herkunftsland erworbener Schulabschlüsse in die Systematik deutscher Abschlüsse möglicherweise zu Herabstufungen gekommen ist.
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Jugendlichen weisen dagegen ein sehr niedriges Bildungsniveau auf (Segeritz u. a. 2010: 125). Das Bildungsniveau erwachsener Migrant(inn)en, also auch diesbezügliche Disparitäten zwischen Gruppen mit unterschiedlichem Rechtsstatus, wurde in Deutschland nicht durch die Zuwanderungskriterien direkt, sondern nur indirekt durch die Beschränkung einzelner rechtlicher Zuwanderungswege auf spezifische Herkunftsländer (vgl. Abschnitte 4.8 und 4.9) indirekt beeinflusst. 4.5 Beruflicher Status und Einkommenssituation der Eltern Nicht nur, aber insbesondere für die Fälle, in denen Migranteneltern einen im Verhältnis zu ihrem Bildungsniveau niedrigen sozio-ökonomischen Status im Aufnahmeland erreichen, gilt es diesen Status als Bildungsdeterminante zu beachten. Gängige Indikatoren des elterlichen sozio-ökonomische Status sind neben der (Aus-)Bildung der Eltern ihr Erwerbstatus (erwerbstätig versus arbeitslos) und ihre berufliche Position (z. B. Arbeiter(in), Angestellte, Beamte, Selbständige inkl. weiterer hierarchischer Differenzierungen innerhalb dieser Kategorien), mit der ein bestimmtes soziales Prestige und Einkommen einhergeht; schließlich sind die finanziellen Ressourcen und Besitztümer von beiden zuerst genannten Punkten stark beeinflusst (zur Erfassung der sozialen Herkunft vgl. Maaz u. a. 2006; Ganzeboom u. a. 1992). Relative Einkommensarmut kann dabei sowohl aus geringen sozialstaatlichen Transferleistungen als auch aus schlecht bezahlter Erwerbstätigkeit resultieren. Als Vermittlungsmechanismen sind neben dem Streben der privilegierten sozialen Schichten, ihren Status intergenerational zu erhalten (Boudon 1974: 29f.; Bourdieu 1983: 91ff.; Erikson/Jonsson 1996: 27-20), in sozialpsychologischen Untersuchungen für die USA nachgewiesene Lernerwartungseffekte anzuführen, die sich an dem sozialen Prestige der beruflichen Positionen der Eltern bzw. ihrer Arbeitslosigkeit und damit einhergehenden Stigmatisierungen festmachen (im Überblick Schofield 2006: 50f.). Das verfügbare Einkommen (vgl. zusammenfassend Schneider 2004) steckt – angesichts der kostenlosen Primar- und Sekundarbildung in Deutschland – vor allem den Rahmen für mögliche bildungsbezogene Unterstützungsleistungen wie private Nachhilfestunden und Freizeitaktivitäten, die helfen, kulturelles und soziales Kapital aufzubauen. Gerade bei einer längerfristigen Kombination von Einkommensarmut und Arbeitslosigkeit der Eltern ist eine Akkumulation zusätzlicher bildungsbenachteili-
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gender Faktoren wahrscheinlich – von körperlichen und psychischen Problemen bis hin zu sozialer (Selbst-)Isolierung (vgl. Holz 2003).107 Für Migrantenkinder in Deutschland zeigen empirische Ergebnisse, dass der berufliche Status der Eltern und/oder ihr Einkommen über den Einfluss des elterlichen Bildungsniveaus hinaus die Bildungsbeteiligung und die erreichten Schulabschlüsse ihrer Kinder beeinflusst (Alba u. a. 1994: 222-224; Kristen/ Granato 2004: 139). Für Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion wurde der Einfluss des sozio-ökonomischen Status auf die Leseleistungen nachgewiesen (Müller/Stanat 2006: 240, 244). Da erwachsene Aussiedler(innen) und Flüchtlinge nicht aufgrund eines Jobangebots nach Deutschland migrierten, ist die anfängliche – bei Flüchtlingen mit prekärem Rechtsstatus teils rechtlich erzwungene – Arbeitslosigkeit (Seifert 1996: 191) und der damit einhergehende Bezug staatlicher Transferleistungen weit verbreitet, auch wenn die Sozialhilfebezugsquoten mit zunehmender Aufenthaltsdauer deutlich sinken. In Kollers (1997: 774) Untersuchungen sind noch 14% der Aussiedler und 29% der Aussiedlerinnen zwei Jahre nach Beendigung des arbeitsamtfinanzierten Deutschkurses arbeitslos (vgl. ähnlich Haug/Sauer 2007: 99-101). Büchel u. a. (1996: o. S.) zeigen für „Aussiedler mit knapp 13 vH“ überdurchschnittliche und für „Asylbewerber und Flüchtlinge mit über 50 vH“ noch einmal exorbitant höhere Sozialhilfebezugsquoten. Aussiedler(innen) finden zudem schneller als ausländische Migrant(inn)en eine Beschäftigung (Seifert 1996: 194; zur problematischen Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen vgl. speziell Blahusch 1992; zu den rechtlichen Restriktionen vgl. Kap. 3.2.3). Bei jüdischen Kontingentflüchtlingen sinkt die durchschnittliche Arbeitslosenquote von gut 80% im Jahr der Einreise innerhalb von sechs Jahren auf etwa 35% (Cohen/Kogan 2007: 164). Dabei arbeiten Aussiedler(innen) allerdings mehrheitlich – und d. h. häufiger als im Herkunftsland – als un- und angelernte Arbeiter(innen) oder im unteren Segment des Dienstleistungssektors (Seifert 1996: 195; Mammey/Schiener 1998: 106; Roesler 2003: 266), und zwar jene aus der ehemaligen Sowjetunion häufiger als jene aus Polen (Seifert 2008: 19.). Auf Basis dieser uneinheitlichen Datenlage erscheint es noch unklar, ob die günstigeren integrationspolitischen Voraussetzungen bei Aussiedlereltern tatsächlich zu einer besseren Arbeitsmarktintegration und darüber vermittelt zu höheren Bildungschancen ihrer Kinder geführt haben könnten (integrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt). 107
In seinen Interpretationen wenig thematisiert, zeigen Schneiders (2004: 485) Ergebnisse deutlich, dass vor allem ein niedriges Einkommen (im untersten Quartil) die Chancen auf den Besuch einer weiterführenden Schule senken (darüber hinausgehende Einkommensunterschiede aber kaum Einfluss ausüben).
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4.6 Familienstruktur Eine weitere klassische familiale Bildungsdeterminante ist die Familienstruktur, speziell die Anzahl der Geschwister des untersuchten Kindes. Die Evidenz für eine negative Korrelation zwischen der Familiengröße und unterschiedlichen Indikatoren der Bildungsungleichheit ist solide (Nechyba u. a. 2005: 44), die Kausalrichtung indessen nicht unumstritten (Dika/Singh 2002: 44). Als kausale Vermittlungsmechanismen werden zum einen die mit steigender Kinderzahl rein rechnerisch abnehmenden finanziellen Pro-Kopf-Ressourcen genannt (vgl. Baumert u. a. 2003: 61). Dieser monetäre Aspekt sollte bei ohnehin schon einkommensschwachen Familien wirkungsmächtiger als bei vermögenden sein. Der zweite Vermittlungsmechanismus wird in Colemans (1988: 111) Annahmen über die Wirkung des so genannten familialen sozialen Kapitals formuliert. Durch die elterliche Kommunikation mit dem Kind erfährt dieses eine bildungsrelevante Unterstützung und Kontrolle. Je mehr Geschwister ein Kind hat, so die These, desto schlechter sind die strukturellen Rahmenbedingungen für diese bildungsförderliche elterliche Aufmerksamkeit. Ähnliches gilt auch, wenn nur ein, statt beide Elternteile mit dem Kind leben.108 In deutschen quantitativen Studien wird die negative Korrelation zwischen der Familiengröße und den erreichten Schulzertifikaten (Nauck u. a. 1998: 712f.) bzw. – wiederum auch speziell für Jugendliche aus der Ex-UdSSR – für die Lesekompetenzen nachgewiesen (Müller/Stanat 2006: 244). Bei Nauck u. a. ist dieser Zusammenhang sowohl direkt als auch über das verfügbare Einkommen vermittelt, bei Müller und Stanat sowohl direkt als auch über eine nichtdeutsche Familiensprache, jedoch nicht über die materielle Lebenssituation vermittelt. Einzelne Studien zu Bildungsverläufen von Migrantenkinder berichten jedoch auch von dem positiven Einfluss der gegenseitigen Unterstützung von Geschwistern (Kao 1995: 127) bzw. der Unterstützung durch ältere, bildungserfolgreiche Geschwister (White/Kaufman 1997: 395; Crul 2000: 236239; Hummrich/Wiezorek 2005: 107f.). Die (empirisch noch nicht untersuchte) Varianz der Familiengröße zwischen Zuwanderergruppen – und daraus resultierende potenzielle Kompositionseffekte auf den Schulerfolg der Kinder – sind migrations- und integrationspolitisch kaum beeinflusst.109
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Für Deutschland stellen Kristen und Granato (2004: 140) in ihren multivariaten Analysen für Jugendliche, die bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen sind, allerdings eine verglichen mit ‚vollständigen‘ Familien höhere Chance, ein (Fach-)Abitur zu erlangen, fest. 109 Ob die Stärke des Effekts der Familiengröße auf die Bildungschancen auch von – migrantenunspezifischen – sozialpolitischen Interventionen abhängt, wurde m. E. bislang nicht erforscht.
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Die Familienstruktur und die zuvor diskutierten Bildungsdeterminanten wurden von mir zunächst als Merkmale der Kinder, Eltern oder Familien definiert. Ihre möglichen Wirkungen auf die Bildungschancen der Kinder werden aber immer in Relation zur Institution Schule betrachtet, deren ex- und implizite Lernvoraussetzungen und Lernangebote eine benachteiligende Lebenssituation kompensieren oder deren negative Auswirkungen verschärfen können. 4.7 Wohnort und lokale Bildungsangebote Die nun folgenden Ausführungen befassen sich mit Schulstrukturen selbst, und zwar mit der Varianz des wohnortnahen Angebots unterschiedlicher Sekundarschultypen, wie sie zwischen Bundesländern und bezogen auf das Stadt-LandGefälle typisch ist (zur Bedeutung lokaler Bildungsangebote für ethnische Bildungsungleichheit vgl. auch Radtke 2004). Aus dem vorhandenen institutionellen Angebot unterschiedlicher Bildungsgänge in der Sekundarstufe resultieren unterschiedliche Verteilungen der erreichten Schulabschlüsse (Helbig 2009). So wiesen in meinem Untersuchungszeitraum etwa die strukturell traditionellen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg überdurchschnittlich hohe Anteile an Hauptschüler(inne)n unter den Absolvent(inn)en ihrer allgemeinbildenden Schulen auf (vgl. ausführlich Anhang IIIc (online)). Über das auf Länderebene variierende institutionelle Bildungsangebot hinaus hat von Below (2002: 23-25; 37) weitere strukturelle Eigenheiten der Bildungssysteme dieser Bundesländer identifiziert, mit denen ein stärkeres Ausmaß sozialer Bildungsungleichheit assoziiert ist (z. B. ein niedriger Anteil integrierter Gesamtschulen an allen Sekundarschulen). Bezogen auf ethnische Bildungsungleichheiten zeigen Hunger und Thränhardt (2003: 70; ähnlich von Below 2003: 84f. in multivariaten Analysen), dass etwa in Bayern die relativen Chancen auf ein Abitur für ausländische Schüler(innen) verglichen mit deutschen geringer sind als in NRW. Für die Erklärung, warum Migrantengruppen mit unterschiedlichem Siedlungsmuster z. B. häufiger oder seltener ein Abitur erreichen, sind m. E. zunächst die allgemeinen rechnerischen Chancen, ein Gymnasium besuchen zu können, wie sie sich auf Basis des bundeslandspezifischen Bildungsangebots für alle Schüler(innen) ergeben, in Rechnung zu stellen, bevor darüber hinaus bundesländerspezifische (schulische) Integrationspolitiken als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden. In Hinblick auf den Urbanitätsgrad des Wohnorts als weitere Bildungsdeterminante haben in Deutschland Kinder in ländlichen Regionen immer noch Bildungsnachteile, die sich aus der Erreichbarkeit weiterführender Schulen ergeben (Ditton 1995: 101; Henz/Maas 1995: 627f.; unter Einbezug von 156
Migrantenkindern vgl. auch von Below 2003: 84; Büchel/Wagner 1996: 92; Alba u. a. 1994: 223). So waren im Jahr 2000 „im ländlichen Raum die Einzugsbereiche gymnasialer Angebote durchschnittlich drei- bis viermal so groß wie die von Haupt- oder Realschulen“ (Avenarius u. a. 2003: 67). Weitere Bildungsnachteile in Dörfern und Kleinstädten könnten auch mit dem geringeren Angebot an öffentlichen und informellen Unterstützungsangeboten für neu zugewanderte Menschen zu tun haben. So argumentieren Waters und Jiménez (2005: 116) bezüglich der Ansiedlung neuer Migrantengruppen in ländlichen Gebieten und Städten in den USA, die bis vor kurzem kaum Migrant(inn)en aufgenommen haben, dass Schulen noch keine Erfahrung und Routine in der schulischen Integration von Migrantenkindern haben. Welche Vorteile das Leben außerhalb größerer Städte für unterschiedliche Dimensionen der Integrationsprozesse von Migrant(inn)en haben könnte, wurde meines Wissens noch nicht systematisch vergleichend untersucht. Für meine Zielgröße der erreichten Bildungsabschlüsse bleibt das mit dem Stadt-Land-Gefälle einhergehende unterschiedliche institutionelle Bildungsangebot vor Ort vermutlich die Hauptursache für die beobachtbaren Bildungsungleichheiten. Über das Siedlungsmuster meiner Untersuchungspopulation ist bezogen auf Bundesländer bekannt, dass Rumäniendeutsche einen Ansiedlungsschwerpunkt in Süddeutschland und Aussiedler(innen) aus Polen im nördlichen Deutschland, speziell in NRW haben (Heller u. a. 1992: 32, 34; Hofmann u. a. 1992: 17). Wie meine empirischen Ergebnisse zeigen werden, leben russlanddeutsche Spätaussiedler(innen) – aufgrund der mit Sanktionen versehenen Wohnortzuweisung nach der Einreise – dagegen gleichmäßiger über die Bundesländer verteilt und Aussiedler(innen) generell häufiger in Kleinstädten und Dörfern, als es für ausländische Migrant(inn)en typisch ist (Schönwälder/Söhn 2009: 1443). Zu überprüfen ist, ob dieses besondere Siedlungsmuster im Sinne eines integrationspolitisch beeinflussten Kompositionseffekts Einfluss auf die erzielten Schulabschlüsse von Aussiedlerkindern hatte. Siedlungsmuster – auch innerhalb von Städten – haben außerdem Einfluss auf die soziale und ethnische Segregation in Bildungseinrichtungen. Potenzielle, hieraus resultierende Kontexteffekte, die sich auf Schulleistungen in der Sekundarstufe beziehen, sind für meine abhängige Variable der Schulabschlüsse kaum relevant, weil bei Sekundarschüler(inne)n der besuchte Schultyp in hohem Maße dem später erreichten Schulzertifikat entspricht.110 Eine soziale und hiermit 110
Während die zuvor diskutierten Bildungsdeterminanten bezüglich der Bildungsbeteiligung und der Kompetenzentwicklung jeweils in die gleiche Kausalrichtung wirken, könnte dies bei regionalen Kontexteffekten eher gegenläufig sein (vgl. Hunger/Thränhardt 2003: 68): In Bundesländern wie Bayern bzw. in ländlichen Regionen, wo noch ein relativ großer Anteil eines Geburtsjahrgangs eine Hauptschule besucht, wird die dortige Hauptschul-Schülerschaft sozial heterogener und damit für
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häufig korrelierende ethnische Segregation in Kindergärten und Grundschulen könnte dagegen die sprachliche und schulische Kompetenzentwicklung jüngerer Kinder und damit auch den Übergang in die Sekundarschultypen beeinflussen. Hierzu liegen kaum deutschlandbezogene Studien vor.111 4.8 Herkunftsländer und deren Bildungssysteme Die bislang diskutierten Bildungsdeterminanten können nicht nur zwischen Migrantengruppen, sondern auch innerhalb einer Gruppe aus einem Herkunftsland variieren. Dagegen hängen mit der nationalen Herkunft auch potenzielle Gruppeneffekte zusammen, die sich, wie in den Kapiteln 2.2.3.3 und 3.1.1 argumentiert, aus dem Verhältnis zwischen dem Bildungssystem der Herkunftsländer und dem des Aufnahmelands ergeben können. Dies betrifft erstens die Mindeststandards von Bildung, die in unterschiedlichen Ländern vermittelt werden, und zweitens die variierende institutionelle Passung des deutschen Bildungssystems mit dem des Herkunftslandes, welche die Bildungschancen von Seiteneinsteiger(inne)n beeinflusst. Alphabetisierungsraten in den wichtigsten Herkunftsländern von Migrant(inn)en können als Indikator für das Bildungsminimum der Elterngeneration der von mir untersuchten Zuwandererkohorten kurz vor ihrer Auswanderung dienen. Bis auf die mit 92% verhältnismäßig niedrige Alphabetisierungsrate in Jugoslawien Mitte der 1980er Jahre unterschieden sich die europäischen Herkunftsländer, einschließlich der Sowjetunion, nicht von Deutschland (vgl. HDR 1991, 1998, 2000). Deutlich darunter bleiben die Anteile in der Türkei – 1985 74%, 1995 84% – sowie in anderen Herkunftsländern, aus denen viele Flüchtlinge kamen (z. B. jeweils für 1990 69% im Iran, 31% in Afghanistan). Die Beteiligungsquote im Sekundarschulbereich stellt einen Indikator für ein landestypisches Bildungsniveau dar, das über dem Niveau einer Minimalbildung i. S. von Alphabetisierungsraten liegt und spiegelt den Zustand der Bildungssysteme wider, wie ihn migrierte Jugendliche selbst noch erlebt haben,
die Kompetenzentwicklung günstiger sein als in Bundesländern bzw. Großstädten, in deren anteilsmäßig wenigen Hauptschulen eine mehrfach benachteiligte Schülerschaft besonders schlechte Lernvoraussetzung hat. 111 Eine Fallstudie in Wiesbaden zeigt, dass nicht die ethnische, sondern die soziostrukturelle Zusammensetzung der Schülerschaft ausschlaggebend für den Übergang in die Sekundarstufe I ist (Schulze u. a. 2009). Der von Kristen (2002) festgestellte Effekt des Ausländeranteils auf die Übergangsempfehlung könnte mit einem schichtspezifischen Kontexteffekt konfundieren, da keine Informationen zur sozialen Segregation in Grundschulklassen vorlagen. Der gleiche Vorbehalt gilt für den negativen Effekt des Anteils türkischer Kinder in Kindergärten bei Becker (2006).
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bevor sie als Seiteneinsteiger(innen) in deutsche Schulen wechselten.112 (Süd-) Osteuropäische Staaten, wie z. B. Polen mit 82% oder Jugoslawien mit 79%, lagen hier im Jahr 1990 auf deutschem Niveau, die Türkei mit 54% und der Iran mit 56% deutlich darunter, afrikanische Staaten mit im Schnitt 17% noch einmal weit abgeschlagen (Worldbank 1993: 294ff.). Auf ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau in den osteuropäischen Herkunftsländern deuten auch Ergebnisse internationaler Schulleistungsstudien hin. Mitte der 1990er Jahre schnitten Schüler(innen) der russischen Förderation in Mathematik und den Naturwissenschaften gut ab (OECD 1996: 204f.). In PISA 2000 war der Leistungsabstand zwischen Polen und Russland – als typischen Herkunftsländern von Aussiedler(inne)n – und Deutschland nur gering; das durchschnittliche Lesekompetenzniveau in Russland war etwa so hoch wie jenes an deutschen Gesamtschulen; der polnische Durchschnittswert lag etwas höher (Deutsches PISA-Konsortium 2001: 106, 127, 174, 230). Insgesamt legen diese international vergleichenden Bildungsstatistiken nahe, dass sich die zuwanderungspolitische Beschränkung der Aussiedlerzuwanderung auf Osteuropa eher positiv auf die Bildungsschancen von Aussiedlerkindern in Deutschland ausgewirkt haben könnte. Allerdings kam es im Laufe der 1990er Jahre in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu einer Verschlechterung der Bildungssituation. Insbesondere die Russische Föderation und Kasachstan, die wichtigsten Herkunftsländer von Spätaussiedler(inne)n, waren von dieser negativen Entwicklung betroffen (Worldbank 2008). So berichten Dietz und Roll (1998: 57) über die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, dass „nicht wenige Schulen, vor allem in wirtschaftlichen Krisengebieten, (...) zeitweise keinen geregelten Unterricht mehr durchführen.“ Ein solcher temporärer Zusammenbruch staatlicher Bildungsinstitutionen fand in vermutlich noch stärkerem Maße in Herkunftsländern von Flüchtlingen statt, die vor Bürgerkriegen flohen. Ein weiterer kollektiver Effekt des Herkunftslandes auf die Bildungschancen von Seiteneinsteiger(inne)n kann sich aus der strukturellen Ähnlichkeit oder Divergenz der Schulsysteme der Herkunftsländer im Vergleich zum deutschen ergeben.113 Von Differenzen in den unterrichteten Fächern114 und den Lehrinhal-
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Auch die Verbreitung und der Besuch vorschulischer Bildungseinrichtungen stellen solche herkunftslandspezifischen institutionellen Faktoren dar, die für migrierende Schulkinder relevant sein könnten (s. Kap. 7.2.1). 113 Bezogen auf schulische Erziehungsstile und -normen wird gelegentlich ein auf Disziplin und Lehrerautorität ausgerichteter Unterricht in der Sowjetunion (Dietz/Roll 1998: 60) bzw. ein dortiges „sozialistisch-kollektivistische[s] Denken (...) mit der leistungsorientierten, individualistisch ausgerichteten westlichen Erziehung“ (Herwartz-Emden 1997: 4f.) kontrastiert. Mir erscheint es zweifelhaft, ob jene „westlichen“ Ideale wirklich auch für deutsche Haupt- und Sonderschulen gelten.
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ten abgesehen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht komparativ untersucht werden können, sind die institutionellen Regelungen, ob bzw. in welchem Alter Schüler(innen) in unterschiedliche, hierarchisch geordnete Bildungsgänge selektiert werden, von Bedeutung. Besuchten Migrantenkinder bis zu ihrer Ausreise eine dem deutschen Gymnasium ähnliche Schule, so ist zu vermuten, dass deutsche Schulen dies eher als verlässliches Signal dafür deuten, dass die Betroffenen für ein Gymnasium geeignet sein könnten. Ein vorangegangener Besuch einer ausländischen Gesamtschule dagegen erschwert eine solche ‚einfache‘ Zuordnung ins deutsche System. Im internationalen Vergleich kanalisiert Deutschland als fast einziges Land Kinder bereits im Alter von zehn Jahren in unterschiedliche Bildungsgänge. In den meisten anderen Ländern passiert dies in einem höheren Alter, in typischen Herkunftsländern von Migrant(inn)en wie der Russischen Föderation, Polen, Italien, Griechenland, der Türkei, Serbien und Bosnien-Herzegowina im Alter von 14 oder 15 (Karakaúo÷lu-Aydin 2002: 562; Petrovic u. a. 2002: 489; Batarilo/Lenhart 2002: 54f.; OECD 2005: 52). Insofern gleichen sich hier die Herkunftsländer und damit das ungünstige Passungsverhältnis zwischen ihren Bildungssystemen und denen der deutschen Bundesländer. Einzig Österreich, woher nur sehr wenige Kinder immigrierten, wählt wie in der Bundesrepublik Schüler(innen) im Alter von zehn Jahren für die unterschiedlichen Sekundarschulen aus. 4.9 Ethnische Gruppenzugehörigkeit: Community-Ressourcen und stereotype Zuschreibungen Vom eben geschilderten Effekt der Herkunft aus bestimmten Herkunftsstaaten auf die Bildungschancen im Aufnahmeland sind analytisch die Gruppeneffekte zu unterscheiden, die sich aus der ethnischen Gruppenzugehörigkeit ergeben. Bei solchen Gruppen kann es sich sowohl um ethnische Gemeinschaften handeln, innerhalb derer auch jenseits verwandtschaftlicher Kreise soziale Kontakte gepflegt werden, als auch um eine eher statistische Gruppe, die von der Aufnahmegesellschaft als Entität wahrgenommen wird und der kollektive Eigenschaften zugeschrieben werden. Solche von außen herangetragenen Stereotype und Bewertungen einerseits und die Ressourcen und hiermit interagierenden (Bildungs-)Erwartungen ethnischer Gemeinschaften andererseits heben Portes und MacLeod (1999: 376f.) als zwei zentrale Aspekte – neben der politisch114
Dietz und Roll (1998: 57) weisen auf den hohen Stellenwert naturwissenschaftlicher Fächer in (ex-)sowjetischen Curricula – zu Lasten westlicher Fremdsprachen – hin.
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rechtlichen Dimension – gruppenspezifischer Inkorporationsmodi hervor (vgl. bereits Kap. 2.3.1). Ein möglicher positiver Einfluss einer ethnischen community auf die Bildungschancen der Kinder begründet sich in hohen Bildungsaspirationen, die innerhalb der sozialen Netzwerke als normative Standards kommuniziert werden, sowie in außerschulischen Bildungsangeboten in eigenethnischer Regie (van Niekerk 2000: 196f.; Archer/Francis 2006: 35f.; Feliciano 2006: 286; Zhou 2009: 1179ff.). Für vietnamesische Boat People in der Bundesrepublik etwa schildert Beuchling (2003: 264) genau solche Prozesse. Voraussetzung für solche positiven Kontexteinflüsse scheint aber zu sein, dass eine Migrantengruppe auch höher gebildete und ökonomisch erfolgreiche Mitglieder hat, die als Vorbilder dienen und Ressourcen bereitstellen können. So entsteht aus intraethnischen Kontakten tatsächlich soziales Kapital in Bourdieus (1983: 190f.) Sinne, und Kinder von eher wenig gebildeten Eltern können von dem von Feliciano (2006: 294) beschriebenen Sogeffekt profitieren. Von Migrantengruppen mit kumulierten Nachteilen, also z. B. einem durchschnittlich niedrigen Bildungsniveau der Erwachsenen und geringen ökonomischen Ressourcen, kann kein individuelle Nachteile kompensierender Kontexteffekt auf die Bildungschancen der Kinder erwartet werden (Portes/ MacLeod 1999: 376; Lindo 2000: 214f.; Kroneberg 2008; Zhou 2009: 1173). Wie weit verbreitet ein prekärer oder aber sicherer Rechtsstatus innerhalb einer Migrantengruppe ist, beeinflusst vermutlich zusätzlich, inwieweit die Stabilität und die Ressourcen vorhanden sind, um etwa außerschulische Bildungsförderung für Kinder durch die eigenen Landsleute überhaupt zu organisieren (Portes/MacLeod 1996: 261). Systematisch wurden solche eigenethnischen Unterstützungsleistungen (oder ihr Fehlen) für Gruppen der von mir untersuchten Migrantenkohorten noch nicht untersucht. Die Einstellungen der einheimischen Bevölkerung gegenüber Migrantengruppen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit beeinflussen die Interaktion zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Dieser Interaktion wird wiederum verschiedentlich ein Einfluss auf die Bildungskarrieren zugemessen.115 Kollektive negative oder positive Stereotype und das – durch amtliche Statisti115
Das Konzept der „downward assimilation“ von Portes und Kollegen (2009: 1081) lehrt, dass die ‚Nützlichkeit‘ interethnischer Netzwerke auch von der sozialen Schicht der Einheimischen, mit denen Migrant(inn)en Kontakt haben und an deren kulturelle Praktiken sie sich gegebenenfalls anpassen, abhängt. Jenseits pauschalisierender Annahmen im Sinne eines ‚je mehr interethnische Kontakte, desto besser‘ wird gerade über bildungserfolgreiche Migrantenkinder aus Elternhäusern mit wenig kulturellem Kapital häufig berichtet, wie ihnen „a really significant other“ (Portes u. a. 2009: 1097), z. B. ein Lehrer, eine Nachbarin oder Eltern von Mitschüler(inne)n, beim Deutscherwerb und in schulischen Belangen half (Hummrich/Wiezorek 2005: 107-109; Beuchling 2003: 178180; 264f.; Reiser 2007: 142-145).
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ken und die Wissenschaft mit verbreitete – Wissen über das bisherige durchschnittliche schulische Abschneiden spezieller Subgruppen von Migrant(inn)en können bei Bildungsentscheidungen, die Lehrkräfte treffen, eine Grundlage für statistische Diskriminierungen bilden. Zugleich stellen solche Zuschreibungen im schulischen Alltag eine Basis für Lehrererwartungseffekte und stereotypethreat-Effekte dar. Mit dem sozialpsychologischen Konzept des stereotype threat wird beschrieben, wie sich die Furcht von Personen, einer ihrer sozialen Gruppe (nicht notwendigerweise den Betroffenen persönlich) entgegengebrachten klischeehaften Vorstellung verminderter Leistungsfähigkeit zu entsprechen, tatsächlich negativ auf die kurzfristige Leistungsfähigkeit und das längerfristige Bildungsverhalten auswirkt (Steele 1997; zusammenfassend Schofield 2006: 15ff.). Divergierende Leistungserwartungen, die Lehrer(innen) Schüler(inne)n aus unterschiedlichen sozialen Gruppen aufgrund negativer oder positiver Stereotype entgegenbringen, können in der Unterrichtsinteraktion das Verhalten der Lehrenden auf eine Art beeinflussen (z. B. Aufmerksamkeit, emotionale Zuwendung, Anspruchsniveau der Aufgabenstellung), auf die wiederum die Kinder im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung mit einer entsprechenden Veränderung ihrer Leistungserbringung reagieren (zu Lehrererwartungseffekten vgl. im Überblick Schofield 2006: 47ff.). Über speziell bildungsbezogene Stereotype oder Wahrnehmungsraster von Lehrer(inne)n an deutschen Schulen gibt es bislang kaum Studien, die systematisch Differenzen zwischen unterschiedlichen Migrantengruppen untersuchen. In qualitativen Fallstudien wird von kulturell-rassistischen Äußerungen von Lehrkräften gegenüber afrikanischen Flüchtlingen (Niedrig u. a. 2002: 29; Apendijou 2002: 47) und muslimischen Schüler(innen)n aus der Türkei und Pakistan berichtet (Leenen u. a. 1990: 763f.; Gomolla/Radtke 2002: 244f.; Weber 2005: 75f.). Psychologische Studien geben Hinweise darauf, dass türkische Kinder eher als andere als verhaltensauffällig wahrgenommen werden (Walter 2005: 62f.) und Deutsche Türk(inn)en seltener als ihrer eigenen Gruppe Eigenschaften wie Leistungsorientierung und hohe Bildung zuschreiben (Mummendey u. a. 1982; Kahraman/Knoblich 2000). In allgemeinen Bevölkerungsumfragen zeigen sich in der Beurteilung von Deutschen deutliche ethnische Hierarchien zwischen ausgewählten Gruppen von Zugewanderten bezogen auf ihr soziales Prestige und ihre Wahrnehmung als Fremde. Die Frage, ob sie „Türken“, „Vietnamesen“ und „Afrikaner“ als Familienmitglieder akzeptieren würden, bejahte nur eine Minderheit der einheimischen Deutschen. „Italiener“ und „Griechen“ waren vergleichsweise beliebt, und „Aussiedler“ rangierten im Mittelfeld (Steinbach 2004: 121). In einem weiteren Survey wurde zudem explizit nach „Asylbewerbern“ gefragt. Hier gaben Befragte an, dass ihnen die Vorstellung, diese würden in die eigene Fami162
lie „einheiraten“ oder wären „Nachbarn“, noch etwas „unangenehmer“ als im Fall von Türk(inn)en war (Steinbach 2004: 122). Asylsuchende nehmen also von ihrem Ansehen her wohl eine ähnlich niedrige Stellung ein, wie sie in der amerikanischen Gesellschaft die undokumentierten Migrant(inn)en als die „most despised immigrant group“ (Massey 2007: 150) innehaben. Negative ethnische Stereotype und durch den prekären Rechtsstatus implizite soziale Unerwünschtheit gehen hier offenbar Hand und Hand und stellten einen besonders nachteiligen Aufnahmekontext dar. 4.10 Zusammenfassung Die vorangegangenen Unterkapitel haben erläutert, warum Migrantenkinder mit steigendem Einreisealter, mit geringen Deutschkenntnissen, mit Eltern, die nicht des Deutschen mächtig sind, die eine niedrige Bildung haben, auf dem Arbeitsmarkt marginalisiert sind und/oder viele Kinder aufziehen, schlechtere Bildungschancen als Peers haben, die hier von besseren Ausgangslagen profitieren. Effekte individueller und familialer Dispositionen ergeben sich aus dem Zusammenspiel mit der Institution Schule, insbesondere aus ihrem Unvermögen, solche nachteiligen migrationsspezifischen, kulturellen oder ökonomischen Ausgangslagen unter den gegebenen institutionellen Bedingungen zu kompensieren. Die Bedeutung intra-national variierender institutioneller Strukturen für den Erwerb von Schulabschlüssen liegt bezüglich der Unterschiede zwischen Bundesländern und Stadt-Land-Disparitäten auf der Hand. Der variierende Ausbau der Bildungssysteme der Herkunftsländer im Vergleichen zum deutschen stellt wiederum eine mögliche Erklärung dar, warum die nationale Herkunft unterschiedlicher Migrantengruppen Auswirkungen auf die Bildungschancen hierzulande haben könnte. Zudem kann die spezifische ethnische Zugehörigkeit im Sinne eines aufnahmelandbezogenen Kontexteffektes mobilisierbare innerethnische Ressourcen implizieren. Unabhängig von ihrer eigenen ethnischen Identifikation werden Migrant(inn)en aber auch von der Aufnahmegesellschaft variierende ethnische Stereotype, Prestige oder Stigma zugeschrieben und so unterschiedlich hohe Hürden für schulische Erfolge aufgebaut. Ich gehe davon aus, dass diese Determinanten auch bei den hier untersuchten Migrantenkindern wirkmächtig sind. Aus den wenigen Forschungsarbeiten zu Teilgruppen (Aussiedlerjugendlichen oder Jugendlichen aus der ehemaligen Sowjetunion) meiner Untersuchungspopulation ergeben sich zwar keine Hinweise, dass die hier besprochenen Einflussfaktoren im Grundsatz anders wirken als bei Kindern mit Migrationshintergrund generell. Hypothesen dazu, dass die Wirkungsweisen bei Migrant(inn)en mit unterschiedlichen politisch-rechtlichen 163
Inkorporationsmodi dennoch variieren könnten (Interaktionseffekte), werden im folgenden Kapitel unter Rückgriff auf die im Kapitel 3 beschriebenen divergierenden rechtsstatusspezifischen Integrationspolitiken formuliert. Auch bisherige Erkenntnisse über die auf die unterschiedlichen Determinanten bezogenen Verteilungsunterschiede bei der Untersuchungspopulation dieser Arbeit sind relativ begrenzt. Dass die rumäniendeutsche Minderheit unter den Aussiedler(inne)n sehr gute Deutschkenntnisse bei der Einreise hatte, ist ein ebenso gut etablierter Fakt wie das typische ‚mittlere‘ Ausbildungsniveau erwachsener Aussiedler(innen). Welche relevanten Charakteristika bei den hier analysierten Migranteneltern ohne Aussiedlerstatus vorlagen, ist empirisch noch ebenso zu klären wie die Frage, ob sie eine schlechtere Position auf dem Arbeitsmarkt innehatten als Aussiedlereltern. Erkenntnisse über unterschiedliche Aussiedlerkohorten (Intragruppenvergleich) sind bislang nicht existent. Allerdings erlauben Informationen zu Aussiedler(inne)n aus Polen und Rumänien indirekte Rückschlüsse auf frühe Zuwandererkohorten, in denen sie zahlreich vertreten waren. Die Liste der in diesem Kapitel diskutierten sozialen Bildungsdeterminanten ist sicherlich nicht vollständig. So werden in der Migrationsforschung weitere Spezifika von Zuwanderungsbiographien angeführt, aber noch selten als Bildungsdeterminanten untersucht. Dazu zählen etwa familiale Migrationsverläufe, speziell die temporäre oder dauerhafte Trennung von Kindern und Eltern116, sowie die mit einer Fluchtmigration oft verbundene Gewalterfahrung, eine potenzielle Belastung für die Lernausgangslagen von Kindern, die eher mit einem weniger privilegierten Rechtsstatus assoziiert ist.117 Aufbauend auf dem mit dem präsentierten Forschungsstand untermauerten Befund, dass die diskutierten Determinanten Einfluss auf Bildungschancen haben, resümiert das folgende Kapitel meine Hypothesen dazu, über welche dieser Faktoren der Einfluss des Rechtsstatus vermittelt wird.
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Eine migrationsbedingte Trennungsphase zwischen Eltern(teilen) und Kindern (Hajji 2008) stellt eine emotionale Belastung dar und verringert die Möglichkeit von Eltern, ihre Kinder in schulischen Belangen zu kontrollieren und zu unterstützen (Zhou 1997: 81). 117 Wilkinson (2002: 186) findet Hinweise dafür, dass Bürgerkriegsflüchtlinge in Kanada aufgrund traumatisierender Erfahrungen im Heimatland häufig in einem schlechten (psychischen und physischen) Gesundheitszustand sind, was wiederum aufgrund der mangelnden Unterstützungsmöglichkeiten auch die Schulkarrieren ihrer Kinder beeinträchtigen könnte (vgl. auch Apitzsch 1997: 45).
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5 Hypothesen zur Wirkung des Rechtsstatus von Migrantenkindern auf Bildungschancen an deutschen Schulen
Dieses Kapitel stellt meine Hypothesen zur Bedeutung des Rechtsstatus von Migrantenkindern für ihre Bildungschancen in der Bundesrepublik Deutschland zusammenfassend dar. Meine Untersuchungspopulation sind Personen, die in den Jahren 1987 bis 2003 als Minderjährige in die Bundesrepublik einreisten. Verglichen werden Aussiedler(innen) und Migrant(inn)en, die als Ausländer(innen) zuwanderten. Innerhalb der heterogenen Gruppe der als Ausländer(innen) Zugewanderten nehmen die folgenden Hypothesen auch eine Binnendifferenzierung nach dem spezifischen Rechtsstatus vor. So hatten Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge einen besonders benachteiligenden Status, der von Kontingentflüchtlingen kam dagegen dem Aussiedler-Status schon relativ nahe. EUBürger(innen) und nachziehende Familienangehörige aus Drittstaaten nehmen eine Mittelposition bezüglich ihres politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus ein. Primär werden Hypothesen zu Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus aufgestellt (Intergruppenvergleich). Am Ende dieses Kapitels werden zudem Veränderungen des Aussiedlerstatus und damit verbundener Politiken im Laufe meines Untersuchungszeitraums berücksichtigt und Hypothesen zu divergierenden Bildungschancen unterschiedlicher Aussiedlerkohorten formuliert (Intragruppenvergleich). Ausgangspunkt ist – wie bereits in Kapitel 1 vorweggenommen – der auf meinen empirischen Analysen basierende Befund, dass auf der Aggregatebene Aussiedler(innen) seltener bildungsarm geblieben sind, d. h., seltener als die anderen Migrant(inn)en keinen Schulabschluss oder nur einen Hauptschulabschluss in der Bundesrepublik erzielten. Zu erklären gilt es in erster Linie, warum Erstere besser als Letztere abschnitten. Daneben werden Überlegungen dazu dargelegt, warum Aussiedler(innen) nicht noch bildungserfolgreicher waren und warum Teilgruppen der ausländischen Migrant(inn)en in mancherlei Hinsicht auch höhere Bildungschancen als Aussiedler(innen) hatten. Diese Hypothesen zu relativen Bildungsvor- und -nachteilen sind vor dem Hintergrund zu betrachten, dass alle untersuchten Jugendlichen mit eigener Migrationserfah-
165 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
rung im Schnitt deutlich schlechter abschnitten als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund – insbesondere bezogen auf das Abitur. Als Grundhypothese zum Einfluss unterschiedlicher Rechtsstatus gehe ich davon aus, dass der relative Bildungsvorteil von Aussiedlerkindern gegenüber Migrantenkindern mit anderen Rechtsstatus als eine Kumulation bildungsrelevanter, immigrations- und integrationspolitisch bedingter Vorteile zu verstehen ist und nicht vollständig auf andere, von diesen staatlichen Interventionen unbeeinflusste Faktoren zurückzuführen ist. Die kumulierten Vorteile milderten die allgemeinen, mit einer Migration verbundenen Bildungsrisiken ab. Um diese Modifizierung zu erklären, werden nun Teilhypothesen zu verschiedenen Wirkungsmechanismen formuliert. Dabei handelt es sich sowohl um Einflüsse auf Bildungschancen, die sich aus der unterschiedlichen Zusammensetzung der verglichenen Migrantengruppen bezogen auf wichtige Eigenschaften zum Zeitpunkt der Einreise ergeben, als auch um Einflussfaktoren, die erst während des Aufenthalts relevant werden. Um den Einfluss des Rechtsstatus zu erfassen, ist es theoretisch bedeutsam, ob Intergruppenunterschiede bei der Einreise, also die Selektivität der Migration, durch die Zuwanderungskriterien selbst beeinflusst wurden (immigrationspolitisch beeinflusste Kompositionseffekte). Im Laufe des Aufenthalts üben der Rechtsstatus und die damit verbundenen Inkorporationsmodi ihren Einfluss aus, indem während des Aufenthalts die Gruppenzusammensetzung bezüglich bildungsrelevanter Charakteristika beeinflusst wird (integrationspolitisch beeinflusste Kompositionseffekte) und indem die Wirkung individueller, familialer oder schulisch-institutioneller Einflüsse verstärkt oder abgeschwächt wurde (integrationspolitisch beeinflusste Interaktionseffekte). Es geht mir in dieser komplexen Argumentationskette also nicht nur darum, ob Kompositions- und Interaktionseffekte zu erwarten sind, sondern auch warum: Ist hierfür der Rechtsstatus indirekt verantwortlich? Die Ob-Frage wird mit den mir zur Verfügung stehenden Individualdaten anschließend überprüft (zu Einschränkungen bei der Operationalisierung vgl. Kap. 6).118 Die WarumFrage wird unter Rückgriff auf die theoretischen Überlegungen in Kapitel 2 und die Institutionenanalyse des Kapitels 3 beantwortet. Auf diese Weise verfolgt meine Arbeit das Ziel, die institutionelle Makroebene – Rechte und Integrationspolitiken – mit der Mikroebene der Migrantenjugendlichen zu verbinden.
118
Für die besonders zentrale Bildungsdeterminante der elterlichen Bildung werden im Folgenden auch Hypothesen zu Kompositionseffekten formuliert, die nicht immigrationspolitisch bedingt sind, sondern auf der Selbstselektion bei der Einreise beruhen. In den quantitativen Analysen werden auch weitere, vom Rechtsstatus unabhängige Kompositionsunterschiede zwischen den Migrantengruppen, z.B. bezogen auf die Familiengröße und das Geschlecht, statistisch kontrolliert.
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Bleibesicherheit Ein genuines Merkmal des Rechtsstatus stellt der Grad der gewährten Bleibesicherheit dar, die die Lebensumstände von Migrant(inn)en auf eine existenzielle Art und Weise prägt. Aussiedler(inne)n bot ihre deutsche Staatsangehörigkeit eine rechtlich abgesicherte Lebensperspektive, wohingegen Asylsuchende, Geduldete und illegalisierte Migrant(inn)en einer extremen Bleibeunsicherheit ausgesetzt waren. Da dies eine hohe psychische Belastung für Flüchtlingskinder und ihre schulische Entwicklung darstellte, dürfte diese benachteiligte Gruppe verglichen mit Zuwandererkindern mit besseren Rechtsstatus häufiger bildungsarm geblieben sein (Hypothese 1). Einreisealter Das konkrete Einwanderungsalter der minderjährig Zugewanderten wurde zwar kaum durch staatliche Zuwanderungsregulierung beeinflusst, die Ausrichtung der hauptsächlich den Aussiedler(inne)n zugänglichen Integrationsmaßnahmen der Garantiefonds (vgl. Kap. 3.2.2.4) legt nahe, dass bei dieser Gruppe die mit einem steigenden Einwanderungsalter einhergehenden Bildungsrisiken weniger stark ausgeprägt gewesen sein könnten als bei Migrantenjugendlichen ohne Aussiedlerstatus (Hypothese 2). So zielten Garantiefonds-Fördermaßnahmen speziell für ältere Aussiedlerjugendliche auf den Erwerb eines deutschen Hauptschulabschlusses und damit explizit auf die Vermeidung von Zertifikatslosigkeit ab. Einer Minderheit unter den älteren Aussiedlerjugendlichen ermöglichten die so genannten Sonderlehrgänge, ein Abitur zu erlangen. Schließlich könnte der (allerdings nur bis 1994 finanzierte) außerschulische Nachhilfeunterricht für im Grundschulalter eingereiste Aussiedlerkinder ihren Übergang in weiterführende Sekundarschulen erleichtert haben. Deutschkenntnisse der Kinder Der Bildungsvorteil von Aussiedlerkindern könnte teilweise auf ihre besseren Kenntnisse der deutschen (Schul-)Sprache zurückzuführen sein (Hypothese 3). Eine direkte Beeinflussung der Deutschkenntnisse von Aussiedlerkindern durch vom Rechtsstatus abhängige Politiken fand jedoch nur durch die eben genannten Garantiefonds-Maßnahmen statt (vgl. Hypothese 2). Wichtiger erscheinen die Wirkung der Aussiedlerpolitik auf die Deutschkenntnisse der Eltern und der damit einhergehende indirekte Einfluss auf die der Kinder. 167
Deutschkenntnisse der Eltern Deutschkenntnisse von Migranteneltern sind bei der Unterstützung ihrer Kinder in schulischen Belangen (Hausaufgaben, Lehrersprechstunden etc.) hilfreich. Zudem ist die von elterlichen Sprachkenntnissen und Präferenzen abhängige Sprachpraxis in Migrantenfamilien bildungsrelevant, da deutsche Schulen im Allgemeinen Deutschkenntnisse ungenügend vermitteln, so dass die Familie als Ort des Zweitspracherwerbs für das schulische Fortkommen bedeutsam ist. Aussiedlerkinder könnten daher bildungserfolgreicher als andere Migrant(inn)en sein, weil ihre Eltern im Schnitt bessere Deutschkenntnisse besaßen und eher Deutsch mit ihren Kindern sprachen (Hypothese 4). Dabei beeinflusste die Aussiedlerpolitik die mitgebrachten sowie die im Laufe des Aufenthalts erworbenen Sprachkompetenzen erwachsener Aussiedler(innen). So ist zum einen der Nachweis von Deutschkenntnissen ein aussiedlerspezifisches Zuwanderungskriterium, wenn auch ein bis 2005 eher niedrigschwellig angesetztes. Zumindest ein Teil dieser Migrantengruppe – bisheriger Forschung zufolge vor allem Rumäniendeutsche – besaß bereits vor der Einreise muttersprachliche Kompetenzen im Deutschen – und zwar sowohl Erwachsene, die dieses Kriterium persönlich erfüllen mussten, als auch deren Kinder, die u. a. durch die familiale Kommunikation Deutsch gelernt hatten. Bei keiner anderen Migrantengruppe verlangte das deutsche Ausländerrecht in meinem Untersuchungszeitraum den Nachweis von Deutschkenntnissen als Voraussetzung der Einreise und es gibt keine Hinweise darauf, dass größere Gruppen von Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus mit Deutschkenntnissen zuwanderten. Zum anderen hatten erwachsene Aussiedler(innen) mit anfänglich geringen oder fehlenden Deutschkenntnissen günstige Bedingungen (kostenlose Deutschkurse) für einen rascheren Spracherwerb als die meisten als Ausländer(innen) Zugewanderten. Zudem könnten Aussiedler(innen) durch die politische Legitimation ihrer Einreise als Deutschstämmige mit einer hohen kulturellen und sprachlichen Anpassungsbereitschaft eingereist sein und sich in Deutschland teils unter Druck gesetzt gefühlt haben, Deutsch zu lernen und zu sprechen. Bildung der Eltern Aufgrund der allgemein hohen Bedeutung des kulturellen Kapitals von Eltern für die Bildungschancen ihrer Kinder ist zu erwarten, dass Bildungsungleichheiten zwischen nach dem Rechtsstatus unterschiedenen Migrantengruppen auch durch die Niveaus der elterlichen Bildung verursacht sind. Solche Verteilungs-
168
unterschiede sind teils Ergebnis rechtlicher Zuwanderungskriterien, teils von Selbstselektion: Einerseits stellte bundesdeutsches Zuwanderungsrecht bei keiner für Migranteneltern typischen Zuwanderungskategorie explizite Anforderungen an ihr im Herkunftsland erreichtes (Aus-)Bildungsniveau.119 Andererseits beeinflusste die Beschränkung einzelner rechtlicher Zuwanderungswege auf bestimmte Herkunftsländer implizit das Mindestniveau des dort inkorporierten kulturellen Kapitals. Bei Aussiedler(inne)n hatte die Beschränkung auf osteuropäische Herkunftsländer bzw. ab 1993 de facto auf die ehemalige Sowjetunion die – unintendierte – Folge, dass Aussiedler(innen) aus Ländern mit im globalen Vergleich relativ gut ausgebauten Bildungssystemen stammten, welche sowohl die Migranteneltern als auch die noch in den Herkunftsländern beschulten Migrantenkinder geprägt hatten.120 Aus armen Drittstaaten mit schlecht ausgebauten allgemeinbildenden Schulsystemen stammte dagegen eine Mehrzahl von Asylsuchenden. Im Sinne eines zuwanderungspolitisch bedingten Kompositionseffektes des Rechtsstatus auf Bildungschancen ist daher zu vermuten, dass Aussiedlerkinder seltener als die als Ausländer(innen) Zugewanderten, insbesondere die Flüchtlinge unter ihnen, aus Elternhäusern mit sehr geringer schulischer Bildung stammen und dies sich positiv auf die Bildungschancen der Aussiedlerkinder in Deutschland auswirkte (Hypothese 5a). Die Variation des elterlichen Bildungsniveaus zwischen der Pflichtschule und höheren Bildungsabschlüssen beruht jedoch auf der Selbstselektion bei der Zuwanderung. Da über das Bildungsniveau erwachsener Migrant(inn)en, die in meinem Untersuchungszeitraum als Ausländer(innen) einreisten, noch wenig bekannt ist, ist es eine empirisch offene Frage, ob das typische mittlere Bildungsniveau von Aussiedlereltern für deren Kinder einen relativen Vorteil (Hypothese 5b) oder Nachteil (Hypothese 5c) zumindest gegenüber Teilgruppen der anderen Migrant(inn)en mit sich brachte. Positive und negative politisch-rechtliche Aufnahmekontexte modifizieren möglicherweise den Einfluss der elterlichen Bildung. So könnten unter Aussiedler(inne)n die negativen Auswirkungen einer geringeren elterlichen Bildung auf die Schulkarrieren der Kinder aufgrund der aussiedlerspezifischen Integrationsmaßnahmen im Vergleich zu den anderen Zuwanderergruppen abgeschwächt ausgefallen sein (Hypothese 5d). Denn gerade weniger gebildete Migrantenel119
Eine Ausnahme bildete die kleine Gruppe hochqualifizerter Arbeitsmigrant(inn)en aus Drittstaaten, bei denen die erlaubte Beschäftigung in bestimmten Jobs implizit eine akademische Ausbildung voraussetzte. 120 Hier unterscheiden sich Aussiedler(innen) nicht von jüdischen Kontingentflüchtlingen, die ebenso nur aus den Nachfolgestaaten der UdSSR kommen konnten, und von anderen osteuropäischen Migrant(inn)en.
169
tern brauchen Beratungsangebote und Deutschkurse möglicherweise eher als Eltern mit hohem kulturellen Kapital, denen – ungeachtet ihres Rechtsstatus – z. B. der Zweitspracherwerb und das Einholen relevanter Informationen über das örtliche Schulsystem leichter fällt. Ökonomische Integration der Eltern Weder bei Aussiedler(inne)n noch bei Flüchtlingen – rechtlich anerkannten und geduldeten – wurden ökonomische Einreisekriterien angelegt, und die meisten Erwachsenen unter ihnen mussten eine mehr oder weniger lange Phase der anfänglichen Arbeitslosigkeit überstehen. Da die Arbeitslosigkeit von Eltern und die damit einhergehenden materiellen Einschränkungen, die soziale Stigmatisierung und der psychische Stress auch eine Belastung für die Schullaufbahn der Kinder darstellen, waren Aussiedler(innen) und Flüchtlinge gegenüber den im Rahmen einer Familienzusammenführung nachziehenden Kindern und Kindern von Arbeitsmigrant(inn)en vermutlich im Nachteil (Hypothese 6a). Im Fall der beiden zuletzt genannten Gruppen war die ökonomische Zuwanderungsbedingung, den Lebensunterhalt der Familie unabhängig von Sozialhilfe zu bestreiten, allerdings eher niedrig angesetzt. Für die Teilhabemöglichkeiten der Migranteneltern auf dem deutschen Arbeitsmarkt war der Rechtsstatus ein zentraler Faktor. So hatten erwachsene Aussiedler(innen) als deutsche Staatsangehörige von Anfang an ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt und konnten von beruflichen Fördermaßnahmen profitieren, die anderen Neuzugewanderten nicht zugänglich waren. Daher ist zu erwarten, dass Aussiedlereltern integrationspolitisch bedingt im Laufe ihres Aufenthalts seltener arbeitslos, einkommensarm und somit zumindest relativ gesehen ökonomisch erfolgreicher waren als die Eltern anderer Migrantenkinder – was sich wiederum positiv auf die Bildungschancen der Aussiedlerkinder ausgewirkt haben sollte (Hypothese 6b). Diese Hypothese gilt weniger im Vergleich von Aussiedler(inne)n mit jenen ausländischen Migranteneltern, die zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in die Bundesrepublik wanderten, aber erscheint umso plausibler beim Vergleich mit Asylsuchenden und Geduldeten, die durch Arbeitsverbote und Nachrangigkeitsregeln dem hohen Risiko einer dauerhaften Exklusion vom Arbeitsmarkt ausgesetzt waren. Zudem erhielten Aussiedlerfamilien im Gegensatz zu diesen Flüchtlingen mit unsicherem Status auch in der Anfangsphase ihres Aufenthalts höhere staatliche Leistungen, so dass ihre anfängliche Einkommensarmut weniger stark ausgeprägt war.
170
Bundesländer und ihre Schulsysteme Die für Bildungspolitik primär zuständigen Bundesländer, in denen Migrantenkinder zur Schule gingen, konnten deren Bildungschancen durch die allgemeinen institutionellen Regelungen und Strukturen einerseits und durch migrantenspezifische Politiken andererseits beeinflussen. So boten die Bundesländer Jugendlichen (mit und ohne Migrationshintergrund) aufgrund ihres variierenden institutionellen Angebots von Sekundarschultypen geringere Chancen (z. B. in den strukturell traditionellen Bildungssystemen Bayerns und Baden-Württembergs) oder höhere Chancen (z. B. in den reformierten Schulsystemen Nordrhein-Westfalens und der Stadtstaaten), weiterführende Schulabschlüsse zu erwerben. Dass Migrantenkinder mit verschiedenen Rechtsstatus in unterschiedlichem Maße höherwertige Schulabschlüsse erreichten, könnte auf ihre Verteilung auf diese beiden Gruppen von Bundesländern zurückzuführen sein (Hypothese 7a). Das regionale Siedlungsmuster ist wiederum bei Aussiedler(inne)n von der anfänglichen Wohnortzuweisung integrationspolitisch mitgeprägt. Die Frage, ob jenseits dieses möglichen Verteilungseffekts der Rechtsstatus von Migrantenkindern für die Schulpolitiken innerhalb der einzelnen Bundesländer ein Rolle spielt, ist, wie Kapitel 3.2.2 zeigt, nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Retrospektiv kann die Wirkung einzelner Regelungen nicht evaluiert werden.121 Aber es lassen sich Hypothesen formulieren, ob die Gesamtschau der institutionellen Ebene für oder gegen einen Einfluss der differenziellen Rechtsstatus von Migrant(inn)en, vor allem den des Aussiedlerstatus, in den unterschiedlichen Bundesländern spricht: Die bundesländerspezifischen Analysen zu Schulpolitiken zeigten, dass der Unterricht für Migrantenkinder zu Beginn meines Untersuchungszeitraums in den meisten Bundesländern in separaten Erlassen für Aussiedlerkinder einerseits und – meist dichotom unterschieden – ausländische Kinder andererseits geregelt war. Diese Trennung könnte für die Schulerfolge relevant gewesen sein, weil die aussiedlerspezifischen Bestimmungen der Beschulung an weiterführenden Sekundarschulen z. T. mehr Aufmerksamkeit widmeten. In Erlassen zu ausländischen Kindern dagegen waren teils längerfristig segregierende Beschulungsformen vorgesehen und die Bildungsziele der Integration und der Vorbereitung 121
So kann ich mit den verwendeten Daten z. B. nicht die Folgen dessen nachweisen, dass in BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Hamburg bei Kindern von Asylsuchenden und Geduldeten das Recht auf Bildung nicht um eine Schulpflicht ergänzt war, was die Beschulung zumindest verzögern, wenn auch vermutlich selten gänzlich verhindern könnte. Auch kann im Rahmen dieser Arbeit nicht empirisch untersucht werden, ob bei Kindern ohne legalen Aufenthaltsstatus die Furcht vor einer Denunziation bei der Ausländerbehörde dazu geführt hat, dass sie ihr Recht auf Bildung nicht realisierten.
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auf eine potenzielle Rückkehr standen in einem deutlichen, höheren Bildungschancen abträglichen Spannungsverhältnis. Je früher eine gemeinsame Beschulung von Aussiedler- und ausländischen Kindern formell erlaubt wurde, desto geringer sollten die Bildungsunterschiede zwischen Migrantenkindern mit und ohne Aussiedlerstatus sein. Daher sollten die Vorteile von Aussiedler(inne)n in frühzeitig ‚integrativen‘ Ländern wie NRW, Hessen und Niedersachsen weniger ausgeprägt sein als in den ‚Schlusslichtern‘ Baden-Württemberg und Bayern (Hypothese 7b). Diesen Überlegungen stehen jedoch Gründe gegenüber, die dafür sprechen, dass Bildungsungleichheiten zwischen Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus in den einzelnen Bundesländern ähnlich ausgeprägt sind (Hypothese 7c). Denn die in den getrennten Richtlinien festgehaltenen Regelungen zum Unterricht an Grund- und Hauptschulen waren sehr ähnlich und eine gemeinsame Beschulung in Eingangsklassen und Deutschintensivkursen setzte sich in der Praxis auch vor entsprechenden Reformen durch. Zugleich profitierten in allen Bundesländern Aussiedler(innen) – aber auch die kleinen Gruppen der Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigten – von den aus Bundesmitteln finanzierten Förderprogrammen des Garantiefonds. Stadt-Land-Unterschiede Die Wohnortzuweisung neu einreisender (Spät-)Aussiedler(innen) betraf nicht nur die Verteilung auf Bundesländer, sondern auch auf Gemeinden. Auch wenn Präferenzen, bei Verwandten zu leben, häufig von den Behörden berücksichtigt wurden, ist es wahrscheinlich, dass diese Wohnortzuweisung dazu führte, dass Aussiedlerfamilien öfter in kleineren Gemeinden lebten. Deshalb ist zu vermuten, dass Aussiedlerkinder aufgrund der generellen Stadt-Land-Disparitäten geringere Chancen als andere, häufiger in urbanen Räumen lebenden Migrant(inn)en hatten, weiterführende Sekundarschulen zu besuchen (Hypothese 8a). Zu überprüfen ist ferner die Hypothese 8b, ob das aussiedlerspezifische Angebot der Garantiefonds, neu zugewanderte Aussiedlerjugendliche in Internaten zu unterrichten und ihnen die Fahrten zur nächsten Fördereinrichtung zu bezahlen, die strukturellen Hindernisse, im ländlichen Raum Gymnasien zu besuchen, zu kompensieren vermochte.
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Symbolische In- und Exklusion Die mit den rechtlichten Statusunterschieden verbundenen symbolischen In- und Exklusionen – etwa in öffentlichen Diskursen über die (Il-)Legitimität der Zuwanderung und die Unterstützungswürdigkeit von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus – stellen Vor- bzw. Nachteile für die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen allgemein und auch für die Lernmöglichkeiten und -erwartungen dar. Anzunehmen ist daher, dass die politischen Willkommensgesten und die verhältnismäßig positive Einstellung der ansässigen Bevölkerung gegenüber Aussiedler(inne)n einen für Schulerfolge günstigen Aufnahmekontext darstellten, während unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten vor allem Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge mit – auch rassistischen – Ressentiments konfrontiert waren, was sich in schulischen Misserfolgen niedergeschlagen haben könnte (Hypothese 9).122 Ingesamt legen diese unterschiedlichen Teilhypothesen dazu, wie Bildungsungleichheit zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus erklärt werden können, nahe, dass mit dem Aussiedlerstatus viele (wenn auch nicht nur) Vorteile verbunden waren. Die abschließenden Hypothesen befassen sich mit den Veränderungen des Aussiedlerstatus im Laufe des Untersuchungszeitraums und daher mit Bildungsungleichheiten zwischen verschiedenen Aussiedlerkohorten. Veränderung des Aussiedlerstatus: Zuwandererkohorten Die Analyse der Aussiedlerpolitik in ihrer zeitlichen Entwicklung hatte ergeben, dass es im Laufe der 1990er Jahre zu Einschnitten im Umfang und in der Dauer der Integrationsförderung kam – und zwar in allen Feldern, von den arbeitsamtfinanzierten Deutschkursen und Umschulungsmaßnahmen über die Höhe der Transferzahlungen bis hin zu schulischen Programmen. Auch die politische Elite und die Medien problematisierten die Aussiedlerzuwanderung zunehmend. In der Summe bedeuten diese Veränderungen eine Verschlechterung des Inkorporationsmodus von historisch jüngeren Aussiedlerkohorten – vor allem der ab 1993 zugewanderten Spätaussiedler(innen). Auch wenn bislang hierzu keine empirischen Erkenntnisse vorliegen, erwarte ich, dass frühere Aussiedlerkohor-
122
Weniger klar ist, ob EU-Bürger(innen) und Drittstaatenangehörige aus ‚befreundeten‘ Drittstaaten eine eher neutrale Position einnahmen oder aufgrund der zunehmend ambivalenten öffentlichen Diskurse über Aussiedler(innen) sogar von einer relativ betrachtet freundlicheren Einstellung der Alteingesessenen profitierten.
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ten schulisch besser als spätere Kohorten abschnitten (Grundhypothese Aussiedlerkohorten). Die Annahme, dass sich die relative Verschlechterung der politischrechtlichen Aufnahmebedingen in verringerten Schulerfolgen niederschlug, ist allerdings dagegen abzuwägen, dass unterschiedliche Aussiedlerkohorten möglicherweise mit unterschiedlichen Ressourcen einreisten und auch entsprechende Kompositionseffekte den Ausschlag für divergierende Bildungschancen gegeben haben könnten. Die Reformen der Zuwanderungs- bzw. Anerkennungskriterien waren dafür nur eingeschränkt verantwortlich: So war die Einführung des Deutschtests für Hauptantragsteller(innen) im Jahr 1996 m. E. nicht ausreichend, um das Deutsch-Niveau neu einreisender Spätaussiedler(innen) tatsächlich steigern zu können. Einschneidender könnte die 1993 in Kraft getretene Defacto-Beschränkung der osteuropäischen Herkunftsländer auf die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gewesen sein. Da ab 1993 fast keine Rumäniendeutschen mehr einwandern konnten, die bis dato die (kleine) Gruppe unter Aussiedler(inne)n darstellten, die mit guten Deutschkenntnissen einreisten, könnten die späteren Kohorten vermutlich weit weniger von dieser besonders positiven Ausgangslage für den weiteren Integrationsverlauf profitiert haben, was die Bildungschancen der betroffenen Kinder gemindert haben sollte (Hypothese 10a). Da die Varianz der mitgebrachten Deutschkenntnisse innerhalb der frühen Aussiedlerkohorten nicht durch die deutsche Aussiedlerpolitik beeinflusst war, wird dieser potenzielle Kompositionseffekt als ein auf Selbstselektion beruhender verstanden. Ferner gilt es zu überprüfen, ob frühere Aussiedlerkohorten höhere Schulabschlüsse in Deutschland erworben haben könnten, weil ihre Eltern besser gebildet waren als spätere Kohorten – ein weiterer auf Selbstselektion beruhender Effekt (Hypothese 10b). Die Tabelle 5-1 gibt noch einmal einen Überblick über meine Hypothesen und ordnet ihnen jeweils die Art des angenommenen Kompositions- oder Interaktionseffekts zu.
174
Tab. 5-1:
Hypothesen zum Einfluss des Rechtsstatus auf Bildungschancen
1 2 3 4 5a 5b 5c 5d 6a 6b 7a 7b 7c 8a 8b 9 10a 10b
Bleibesicherheit Einreisealter Deutschkenntnisse der Kinder Deutschkenntnisse der Eltern
Integrationspolitisch bedingter Interaktionseffekt
Integrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt
Auf Selbstselektion beruhender Kompositionseffekt
Immigrationspolitisch bedingter Kompositionseffekt
Hypothesen
X X X X
X X X X
elterliche Bildung
X ökonomische Integration der Eltern
X X X
Bundeslandtyp (reformierte und traditionelle Schulsysteme)
X X X
Gemeindegröße symbolische In- und Exklusion Aussiedlerkohorten (Deutschkenntnisse) Aussiedlerkohorten (elterliche Bildung)
X X X X
Anmerkung: Zur Definition der unterschiedlichen Arten von Effekten vgl. zusammenfassend S. 166
Gegenstand des folgenden Kapitels ist u. a. die Operationalisierung der für die Testung dieser Hypothesen benötigten Variablen.
175
6 Daten und Operationalisierungen
Dieses Kapitel stellt zuerst die zwei verwendeten repräsentativen Individualdatensätze, Mikrozensus 2005 und Jugendsurvey 2003, vor. Anschließend werden die Grundgesamtheit definiert und in ihrem Umfang bestimmt sowie die abhängige Variable des Schulerfolgs und die zentrale unabhängige Variable, der Rechtsstatus von Migrant(inn)en zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland, operationalisiert. Schließlich erfolgt die Operationalisierung der im vorangegangenen Kapitel 5 aufgestellten Hypothesen über die Wirkungsweisen des Rechtsstatus. Dabei wird beschrieben, wie Variablen konstruiert werden, die für die Überprüfung der angenommen Kompositions- und Interaktionseffekte benötigt werden. Da die Analysen vorwiegend auf dem Mikrozensus basieren, werden im Folgenden die Ausführungen zum Jugendsurvey knapp gehalten (vgl. ausführlicher Söhn 2008a). 6.1 Datensätze: Mikrozensus 2005 und Jugendsurvey 2003 Der für meine Untersuchung zentrale Datensatz, mit dem ich meine Hypothesen teste, ist der Mikrozensus aus dem Jahr 2005. „Der Mikrozensus ist die amtliche Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt, an der jährlich 1% aller Haushalte in Deutschland beteiligt sind (laufende Haushaltsstichprobe).“ (Statistisches Bundesamt 2008; vgl. ausführlich Lechert/SchimplNeimanns 2007: 1-2) Die hier präsentierten Ergebnisse beruhen auf eigenen Analysen mit der Gesamtstichprobe, die mir als Gastwissenschaftlerin am Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen Landesämter Berlin-Brandenburg zugänglich war.123 Die hohen Fallzahlen des Mikrozensus bieten gegenüber anderen Surveys den großen Vorteil, dass auch relativ kleine Subgruppen in ausreichender Zahl befragt werden, um über sie repräsentative Aussagen zu treffen. 123
Der Vorteil der Gesamtstichprobe im Vergleich zur 70%-Stichprobe des Scientific Use Files besteht nicht nur in den höheren Fallzahlen, sondern auch darin, dass die für meine Untersuchung wichtigen Angaben zu den spezifischen Staatsangehörigkeiten ungruppiert zur Verfügung stehen, also z. B. Rumänien und Bulgarien nicht zusammengefasst sind.
176 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Erst ab der Erhebungswelle 2005 ist die für meine Untersuchung essenzielle Identifizierung von eingebürgerten Deutschen im Allgemeinen und Aussiedler(inne)n im Besonderen möglich, da seit diesem Jahr nach einer ehemaligen nicht-deutschen Staatsangehörigkeit und weiteren Aspekten eines Migrationshintergrunds gefragt wird. Ich lege den Mikrozensus des Jahres 2005 zugrunde, weil damit auch frühere Aussiedlerkohorten erfasst sind. Da, wie unten ausführlicher erläutert wird, die vertiefenden multivariaten Analysen auf 18- bis 20Jährige beschränkt werden müssen, würden in aktuelleren Mikrozensus-Wellen mit entsprechend jüngeren Geburtskohorten diese frühen, vor 1990 zugewanderten Aussiedlerkinder ‚verloren‘ gehen.124 Der zweite sekundäranalytisch verwendete Datensatz ist die dritte Welle des vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) erhobenen Jugendsurveys. Hier handelt es sich um eine repräsentative Befragung der im Erhebungsjahr 2003 „in der Bundesrepublik in Privathaushalten wohnenden Personen (also Deutsche und Nicht-Deutsche)“ im Alter von 16 bis 29 Jahren (Gille u. a. 2006: 293). Dieser mir früher als der Mikrozensus 2005 zugänglich gewesene Datensatz ist die Basis einer vorangegangenen Publikation zum Bildungserfolg von Aussiedlerkindern (Söhn 2008a). Im Rahmen meiner Untersuchung hier wird der Jugendsurvey vor allem dazu benutzt, um die Identifizierung der Aussiedler(innen) im Mikrozensus zu validieren (vgl. Kap. 6.4.1 und Anhang IIIb (online)), die dort auf einer komplexen Rekodierung beruht. Im Jugendsurvey dagegen wird direkt danach gefragt, ob die Teilnehmenden aus einer Aussiedlerfamilie stammen. Darüber hinaus greife ich auf einzelne, nur im Jugendsurvey erhobene Informationen zurück, die der Deskription der Migrantengruppen in Kapitel 7 dienen. Bei beiden Befragungen liegen die Fragebögen jeweils nur auf Deutsch vor. Demnach sind Personen mit geringen Deutschkenntnissen vermutlich unterrepräsentiert. Allerdings sollte dieser Selektionsbias beim Mikrozensus weniger stark ausgeprägt sein. Denn beim Mikrozensus war die Teilnahme unter Androhung rechtlicher Sanktionen gesetzlich verpflichtend (§ 7 des Mikrozensusgesetzes vom 24. Juni 2004), beim Jugendsurvey hingegen freiwillig. Der besondere Vorteil des Mikrozensus und des Jugendsurveys gegenüber anderen bislang zugänglichen Umfragen ist, dass die historisch jüngeren Zuwandererkohorten erstmals in ausreichender Zahl erfasst werden und eine Identifizierung der Aussiedler(innen) unter ihnen möglich ist.
124
Dieser Nachteil wird auch nicht durch andere Vorteile der Erhebungsjahre ab 2007 aufgewogen. Im Mikrozensus 2007 wird präziser danach gefragt, ob eine Person aufgrund ihrer Anerkennung als Spätaussiedler(in) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Allerdings berichtet Seifert (2008: 11, 13) für NRW, dass auch so die Anzahl der Aussiedler(innen) verglichen mit den Zuzugszahlen des Bundesverwaltungsamtes untererfasst bleibt.
177
6.2 Definition der Grundgesamtheit Meine Grundgesamtheit umfasst alle Personen, die zwischen 1987 und 2003 als Minderjährige aus dem Ausland in die Bundesrepublik eingewandert sind125 und zum Befragungszeitpunkt in den alten Bundesländern inklusive West-Berlins lebten (zur Begründung vgl. Kap. 1). Wie in Tabelle 6-1 dargestellt, erfordert die Identifizierung meiner Grundgesamtheit im Mikrozensus zuerst die Bestimmung von Migrant(inn)en der ersten Generation. Ein Geburtsort außerhalb der Grenzen der heutigen Bundesrepublik ist hier ein unzweifelhafter Indikator, zumal es im Mikrozensus bei dieser Frage keine fehlenden Werte gibt. Allerdings muss in den unten vorgestellten Analysen jene Gruppe ausgeschlossen bleiben, die zum konkreten Zuzugsjahr keine Angaben machte.126 Da der Schulerfolg nur für mindestens 18-jährige Personen verlässlich gemessen werden kann (s. Kap. 6.3), wird die Gruppe der minderjährig Zugewanderten auf die inzwischen Volljährigen beschränkt, konkret auf die 18- bis 35-Jährigen (also die Geburtsjahrgänge 1969/70 bis 1986/87). Die Obergrenze von 35 Jahren ergibt sich rein rechnerisch daraus, dass ältere Personen in den Jahren 1987 bis 2003 nicht mehr als Minderjährige eingewandert sein können. Die so eingegrenzte Gruppe wird im Folgenden als ‚großes‘ Mikrozensus-Sample bezeichnet. Diese Teilstichprobe umfasst 6505 Befragte. Sie steht für einen Kreis von gut 900 Tsd. Personen und repräsentiert 6,3% aller 18- bis 35-Jährigen im Jahr 2005 in den alten Bundesländern.127 Für bestimmte Analysen ist schließlich eine Einschränkung auf Personen, die noch als ledige Kinder im elterlichen Haushalt lebten, nötig. Da es sich beim Mikrozensus um eine Haushaltsbefragung handelt, bei der zu jedem Haushaltmitglied Informationen erhoben werden, existieren nur für Personen, die noch bei ihren Eltern wohnen, Informationen über den familialen Kontext. Deshalb wurde für dieses ‚kleine‘ Mikrozensus-Sample als obere Altersgrenze das Alter 20 gewählt. Denn unter den 20-Jährigen wohnten noch 81% im elterlichen Haushalt, unter den 21-Jährigen waren es dagegen nur noch 65%. Die Einen125
Prinzipiell ausgeschlossen wird lediglich die sehr kleine Gruppe derjenigen, die zwar als Minderjährige immigriert sind, bei deren Eltern (oder zumindest einem Elternteil) es sich um in Deutschland geborene Deutsche handelt, also z. B. im Ausland geborenen Kinder deutscher Diplomat(inn)en oder sonstiger temporär ausgewanderter Deutscher. 126 Immerhin 15% all jener Befragten, die im Ausland geboren und nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik gewandert sind, verweigerten die Angaben zum Einreisejahr. Hochgerechnet entspricht dies einer Anzahl von 1,5 Millionen Menschen. Diese Personen sind nicht älter als die übrigen Zugewanderten. Ein altersbedingtes Erinnerungsvermögen spielt bei der Antwortverweigerung also keine Rolle, sondern vermutlich eher die fehlende Bereitschaft, sich zum eigenen Migrationshintergrund detailliert zu äußern. 127 Weitere 2,5% sind als Minderjährige noch vor 1987 und 10,6% als Erwachsene eingereist, 7,6% gehören der zweiten Generation an, und die übrigen 72,8% haben keinen Migrationshintergrund.
178
gung auf die 18- bis 20-Jährigen stellt also einen vertretbaren Kompromiss zwischen den Auswahlkriterien ‚Schulerfolg schon messbar‘ und ‚noch bei den Eltern wohnend‘ dar (vgl. das ähnliche methodische Vorgehen bei Kristen/Granato 2004: 129-132).128 Die Personen im ‚kleinen‘ MikrozensusSample umfassen 27% des ‚großen‘ Mikrozensus-Samples. Sie stellen 10,9% aller bei ihren Eltern lebenden 18- bis 20-Jährigen in den alten Bundesländern. Tab. 6-1:
Auswahl der Grundgesamtheit im Mikrozensus ungewichtete Anzahl
alle Migrant(inn)en der ersten Generation, zw. 1987-2003 eingewandert - davon nur als Minderjährige zugewandert, in alten Bundesländern lebend - davon Volljährige (18- bis 35-Jährige) - davon Personen, die nicht die Sekundarstufe I besuchten, gültige Angaben zum Schulabschluss = ‚großes‘ Mikrozensus-Sample - davon 18- bis 20-Jährige, die im elterlichen Hauhalt leben = ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample
gewichtete Anzahl
37.604
5.418.225
10.135
1.448.952
6.652
938.971
6.505
917.240
1.557
219.733
Quelle: Mikrozensus 2005 (Forschungsdatenzentrum [FDZ]), eigene Berechnungen
Im Jugendsurvey umfasst die identisch definierte Grundgesamtheit der als Minderjährige Zugewanderten die im Jahr 2003 befragten 16- bis 29-Jährigen (N = 432). 6.3 Operationalisierung der abhängigen Variable: Schulerfolg Der Schulerfolg von Migrantenkindern wird als der erreichte Schulabschluss operationalisiert. (Fach-)Abitur („Abi“), Mittlere Reife/Realschulabschluss („MR“), Hauptschulabschluss („HS“) und das Fehlen eines allgemeinbildenden 128
Da in diesem ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample die Fallzahlen für einzelne Migrantengruppen entsprechend verringert sind, werden die Angaben zu den Eltern dieser Befragten gelegentlich – im Sinne einer Vergewisserung der festgestellten Gruppenunterschiede – um Informationen über alle erwachsenen Zugewanderten im Alter von Mitte 40 bis Ende 50 im Anhang IV ergänzt. Bei dieser Vergleichsgruppe handelt es sich um eine – grob umrissene – potenzielle Elterngeneration der Personen des ‚großen‘ Mikrozensus-Samples. Wie die minderjährig Zugewanderten sind auch diese als Erwachsene Zugewanderten in den Jahren 1987 bis 2003 migriert und lebten im Jahr 2005 in den alten Bundesländern.
179
Abschlusses bilden die vier Kategorien dieser ordinal skalierten abhängigen Variable. Wenn methodisch notwendig, werden auch dichotomisierte Vergleiche vorgenommen, z. B. zwischen Personen mit weiterführenden Schulabschlüssen – (Fach-)Abitur oder Mittlere Reife – und bildungsarmen Personen mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss („max. HS“). Für einzelne Teilhypothesen (Hypothesen 2 und 5a) ist auch der Vergleich zwischen Zertifikatslosigkeit als Indikator für extreme Bildungsarmut und dem Erwerb allgemeinbildender Schulabschlüsse relevant. Personen, die im Mikrozensus angaben, die „Klassenstufe 11 - 13 (gymnasiale Oberstufe)“ zu besuchen, also die (Fach-)Hochschulreife anstrebten, werden zu den Abiturient(inn)en gezählt.129 Die verwendeten Querschnittsdaten ermöglichen also (nur) eine Momentaufnahme des Schulerfolgs der Untersuchungspopulation.130 Die Bildungsbeteiligung in den verschiedenen Schultypen der Sekundarstufe I kann im Jugendsurvey131, nicht jedoch im Mikrozensus berücksichtigt werden, da dort nur gefragt wird, ob die „Klassenstufen 5 bis 10“ besucht werden. Diese eingeschränkten Informationen über die Bildungsbeteiligung von Teenagern machen es notwendig, im Mikrozensus 18 Jahre als untere Altergrenze meines Samples zu bestimmen. Unter den 18- bis 20-Jährigen Migrantenjugendlichen besuchten 94% nicht mehr die Sekundarstufe I, und hiervon wohnten 87% im elterlichen Haushalt. Durch diese beiden Einschränkungen ergibt sich bezogen auf den beobachtbaren Schulerfolg in zweierlei Hinsicht ein Bias: Die ausgeschlossenen 18- bis 20-Jährigen, die noch die Sekundarstufe I besuchten, zählen bezogen auf ihre durch Rückstellungen und Klassenwiederholungen verzögerten Schulkarrieren zu den weniger Bildungserfolgreichen, auch wenn nicht gesagt werden kann, welchen Sekundarschultyp sie besuchten. Die bei ihren Eltern Lebenden weisen zudem ein höheres Bildungsniveau als jene 18- bis 20-Jährigen auf, die schon im eigenen Haushalt wohnten (s. Tab. 6-2). 129
Analog zu diesem Vorgehen wurde der Besuch einer „beruflichen Schule, die die Fachhochschul/Hochschulreife vermittelt“, dem (Fach-)Abitur und einer „beruflichen Schule, die einen mittleren Abschluss vermittelt“, der Mittleren Reife zugeordnet (150 bzw. 92 Personen in meinem ‚großen‘ Mikrozensus-Sample). 130 Einige Personen, die zum Befragungszeitraum einen Abschluss anstreben, werden dies nicht geschafft haben. Aber auch ab 2006 nachgeholte Schulabschlüsse können nicht berücksichtigt werden. 131 Im Jugendsurvey wird der Schulerfolg folgendermaßen operationalisiert: der Besuch der Sonderund Hauptschule wird der untersten Kategorie „höchstens Hauptschulabschluss“ zugeordnet, die Realschüler(innen) gehören zur mittleren Kategorie, und Jugendliche an Fachoberschulen oder Gymnasien werden dem (Fach-)Abitur zugeordnet. Die sechs Befragten an Gesamtschulen und vier an „sonstigen“ Schulen, bei denen der Besuch solcher Schularten noch nichts über den typischerweise erworbenen Abschluss aussagt, wurden demjenigen Bildungszertifikat zugeordnet, das sie angaben anzustreben.
180
Tab. 6-2:
Schulabschlüsse von minderjährig zugewanderten 18- bis 20Jährigen nach Stellung im Haushalt kein Abschl.
HS
MR
Abi
N
% (Spalten)
in % (Zeilen) als lediges Kind bei Eltern wohnend nicht bei den Eltern wohnend
4,7
32,4
26,3
36,6
1557
87,4
8,3
38,2
26,3
27,2
229
12,6
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ), eigene Berechnungen. Anmerkungen: Personen zwischen 1987 und 2003 zugewandert, in alten Bundesländern lebend; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Verteilungsunterschiede hoch signifikant: p < 0,001.
Im ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample der bei ihren Eltern lebenden 18- bis 20jährigen Jugendlichen hat also das Bildungsniveau diesen methodisch nicht vermeidbaren positiven Bias. Wie im Anhang IIIa (online) dargelegt wird, berührt dies aber die messbaren Bildungsungleichheiten zwischen den Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus nur geringfügig. Auch durch fehlende Angaben zum Schulabschluss sind die Ergebnisse kaum verzerrt; Missings liegen im ‚großen‘ Mikrozensus-Sample der 18- bis 35-Jährigen nur bei 36 Personen, unter den 18- bis 20-Jährigen bei sechs und im Jugendsurvey bei 24 Personen vor. Neben den Schulabschlüssen werden in der Deskription der empirischen Ergebnisse in Kapitel 7.2.1 auch Merkmale der dem Abschluss vorgelagerten Bildungsbiographie vorgestellt, wie sie im Jugendsurvey erhoben wurden. In dieser Umfrage wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie einen Kindergarten besucht haben – ein für den schulischen Erfolg potenziell förderlicher Umstand. Indikatoren für schulische Misserfolge sind die bejahenden Antworten auf die Fragen, ob die Interviewten einmal eine Klasse wiederholen mussten, und ob sie von einem höheren in einen niedrigeren Bildungsgang heruntergestuft wurden. 6.4 Operationalisierung der zentralen unabhängigen Variable: Rechtsstatus bei der Einreise 6.4.1 Identifizierung von Aussiedler(inne)n Die zentrale unabhängige Variable meiner Untersuchung ist der Rechtsstatus von Migrant(inn)en zu Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik. Für die dichotome Unterscheidung zwischen Personen, die als Aussiedler(innen) oder 181
Ausländer(innen) zugewandert sind, müssen Aussiedler(innen) identifiziert werden. Im Jugendsurvey wurde der Aussiedlerstatus direkt erhoben. Die Frage lautet hier: „Kommen Sie aus einer Aussiedlerfamilie, also einer deutschstämmigen Familie aus osteuropäischen Staaten?“ Da es kaum fehlende Werte und kaum Inkohärenzen bezüglich des Herkunftslands gibt, ist von einer hohen Validität der Erfassung dieses Rechtsstatus auszugehen.132 Im Mikrozensus bedarf es dagegen einer komplexeren Operationalisierung, um den Aussiedlerstatus zu erfassen. In einem ersten Schritt können der Gruppe der Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus all jene zugerechnet werden, die zum Befragungszeitpunkt nur eine ausländische Staatsangehörigkeit besaßen. Die entscheidende Herausforderung in diesem Datensatz ist, Aussiedler(innen) von anderen Zugewanderten zu unterscheiden, die eingebürgert wurden, d.h. de facto zum Befragungszeitpunkt angaben, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Neben dem Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sind zentrale Merkmale der Aussiedler-Operationalisierung die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes in Kombination mit dem Einreisejahr sowie der zeitliche Abstand zwischen Zuwanderung und Einbürgerung. Dies soll im Folgenden näher erläutert werden. Ein Kriterium für die Herleitung des Aussiedler-Status ist, dass zwischen Zuzug und Einbürgerung133 höchstens zwei Jahre134 liegen dürfen (zu einer identischen Definition vgl. Integrationsbeauftragte 2007: 16). Die Toleranzgrenze von bis zu zwei Jahren Zeitspanne soll in Rechnung stellen, dass deutschen Behörden etwa aufgrund hoher Zuwandererzahlen langsam arbeiteten. Auslän-
132
Die wenigen verweigerten oder „weiß nicht“-Antworten wurden ebenso wie ein angeblicher Aussiedler aus der Türkei der Kategorie ‚Nicht-Aussiedler(innen)‘ zugeordnet. Die Frage wurde den ebenfalls interviewten 12- bis 15-Jährigen nicht gestellt, die daher aus den folgenden Analysen ausgeschlossen bleiben. 133 Ursprünglich ging ich davon aus, dass Angaben darüber, ob Befragte die deutsche Staatsangehörigkeit „durch Einbürgerung“ erlangt haben, zur Identifikation von Aussiedlern führen. Denn bei Aussiedler(inne)n wurde nur bis 1999 die Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit als Einbürgerung bezeichnet (vgl. Fußnote 47 in Kapitel 3). Allerdings korrespondiert das Antwortmuster nicht mit der Gesetzeslage. Offenbar spiegeln die Angaben der Befragten eher ein subjektiv erinnertes Verständnis von Einbürgerung wider. Zugewanderte Deutsche, die angaben, nicht eingebürgert worden zu sein, aber als zweite Staatsangehörigkeit eine für Aussiedler(innen) typische besitzen, werden daher ebenfalls als Aussiedler(innen) gezählt. 134 Eine Ausnahme wurde für die Einbürgerung der nicht-deutschen Familienangehörigen von Spätaussiedler(inne)n (also ab 1993 Eingewanderten) gemacht: Diese nicht-deutschen Familienangehörigen können bereits nach drei Jahren Aufenthalt im Zuge einer Ermessenseinbürgerung eingebürgert werden (§ 9 StAG; StAR – VwV: Punkte 8.1.3.6 und 9.1.2.1). In meinem ‚großen‘ Mikrozensus-Sample wurden lediglich 20 Personen mit einer entsprechenden Zeitspanne von 3 bis 5 Jahren zwischen Zuwanderung und Einbürgerung identifiziert.
182
der(innen) mussten mindestens sechs Jahre (Asylberechtigte) oder länger in Deutschland wohnen, um eingebürgert zu werden (vgl. Fußnote 48 in Kap. 3). Das Herkunftsland von Migrant(inn)en wird im Rahmen der Mikrozensusanalysen von der entsprechenden aktuellen oder ehemaligen nicht-deutschen Staatsangehörigkeit hergeleitet. Aussiedler(innen) sind zum einen Personen, die bis 1992135 aus Polen, Rumänien, der ehemaligen Sowjetunion bzw. Russland, Estland, Lettland oder Litauen in die Bundesrepublik einreisten. Zum anderen gelten Personen aus den Nachfolgestaaten der Ex-UdSSR, die ab 1993 zuwanderten, als (Spät-)Aussiedler(innen). Da von diesen Nachfolgestaaten neben der Russischen Förderation nur die drei baltischen Staaten, nicht aber wichtige Herkunftsländer von Spätaussiedler(inne)n, wie Kasachstan oder die Ukraine (vgl. Heinen 2000b: 38), gesondert im Fragebogen erhoben wurden, werden Personen aus den Sammelkategorien „Sonstiges Osteuropa“ und „Sonstiger Mittlerer und Naher Osten“ (die als Beispielländer zumindest die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Usbekistan aufzählen) ebenfalls den Aussiedler(inne)n zugerechnet, wenn zwischen Zuzug und Einbürgerung ein Abstand von maximal zwei Jahren lag. Wenn keine Angaben zur ehemaligen oder aktuellen nicht-deutschen Staatsangehörigkeit vorliegen, werden 2005 erstmalig erhobene Informationen über die nicht mehr im Haushalt lebenden Eltern von erwachsenen Befragten oder Angaben der im gleichen Haushalt lebenden Eltern von ledigen Kindern zur Identifizierung des Rechtsstatus genutzt.136 Etliche der im Ausland geborenen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit haben die Fragen zur früheren Staatangehörigkeit, zur Art und Weise, wie sie Deutsche geworden sind, oder zum Einbürgerungszeitpunkt nicht beantwortet. Eine bedeutende Prämisse meiner Operationalisierung des Aussiedlerstatus ist, dass es sich hierbei vor allem um Aussiedler(innen) handelt. Diese Migrantengruppe wird im Folgenden als ‚wahrscheinliche‘ Aussiedler(innen) bezeichnet.137 Die Selbstidentifikation der meisten Aussiedler(innen) als ethnisch Deutsche unterstützt meine Annahme, dass gerade diese unwillig waren, sich durch die Angabe der ehemaligen Staatsangehörigkeit zu einem nichtdeutschen Herkunftsland zu bekennen. Um die Validität dieser Identifizierung 135
Da es laut Aussiedlerzuzugsstatistiken des BVA noch einige Tausend Nachzügler(innen) aus Rumänien und Polen in den Jahren 1993 bis 1996 gab, ließ ich im Mikrozensus diese wenige ‚Altfälle‘ als Aussiedler(innen) gelten (Rumänien 6%, Polen 2 %). 136 Bei divergierenden Antworten der beiden Elternteile sind die der Mutter ausschlaggebend, da es sich bei als „Väter“ ausgewiesenen Personen auch um neue, im Haushalt der Mutter lebende Partner handeln könnte (während die umgekehrte Situation, die Trennung des Kindes von der leiblichen Mutter selten vorkommt). 137 Dieser Gruppe wurden auch diejenigen zugewanderten Deutschen zugeordnet, für die selbst oder deren Eltern zumindest die Information über den kurzen Abstand zwischen Zuzug und Einbürgerung vorlag, nicht jedoch über die genaue ehemalige Staatsangehörigkeit.
183
von Aussiedler(inne)n zu überprüfen, habe ich drei Strategien in Form systematischer Vergleiche verfolgt, die im Anhang IIIb (online) ausführlich dokumentiert sind. Erstens wurden mit den Daten des Mikrozensus die als ‚sichere‘ und ‚wahrscheinliche‘ Aussiedler(innen) identifizierten Gruppen hinsichtlich zentraler Merkmale auf ihre Ähnlichkeit hin miteinander verglichen. Zudem kann gezeigt werden, dass sich die ‚wahrscheinlichen‘ Aussiedler(innen) und die anderen eingebürgerten Migrant(inn)en bezogen auf jene Charakteristika deutlich voneinander unterscheiden. Angesichts dieses im Großen und Ganzen zufrieden stellenden Abgleichs, ist es m. E. berechtigt, die ‚sicheren‘ und ‚wahrscheinlichen‘ Aussiedler(innen) als eine Gruppe zu betrachten. Zweitens wurde der Mikrozensus mit dieser Operationalisierung des Aussiedlerstatus mit den Aussiedler-Zuzugsstatistiken des Bundesverwaltungsamtes (BVA) verglichen. Dieser Vergleich lieferte ein weiteres Argument dafür, jene Gruppe der Antwortverweigerer unter Inkaufnahme einiger Fehlidentifikationen den Aussiedler(inne)n zuzurechnen: Die Anzahl allein derjenigen Personen, die aus der Kombination aus Staatsangehörigkeit, Zuzugsjahr und Einbürgerungsjahr relativ sicher als Aussiedler(innen) identifiziert werden, fällt intolerabel kleiner aus als die der Aussiedler-Zuzugsstatistiken des BVA, die insgesamt 943 Tsd. als Minderjährige migrierte Aussiedlerkinder aufweisen. Zusammen mit den ‚wahrscheinlichen‘ Aussiedler(inne)n kommen meine Berechnungen mit dem Hochrechnungsfaktor des Mikrozensus auf 77% der BVA-Statistiken, statt auf 44 % ohne jene Personen mit ‚wahrscheinlichem‘ Aufenthaltsstatus. In beiden Datenquellen sowie im Jugendsurvey fällt darüber hinaus die Verteilung der Aussiedler(innen) auf die Zuzugsjahre 1987-2003 und auf die Herkunftsländer sehr ähnlich aus. Drittens wurde ein Vergleich des Mikrozensus mit dem Jugendsurvey bezogen auf die jeweiligen Anteile der Aussiedler(innen) an meiner Untersuchungspopulation und bezogen auf die Bildungsungleichheiten durchgeführt. Insgesamt zeigen die beiden Datenquellen eine hohe Übereinstimmung. Diese ist beeindruckend, weil die Operationalisierung im Mikrozensus komplex ausgestaltet ist und auf der Prämisse beruht, dass sich unter den Personen, die bei einigen migrationsbezogenen Fragen die Antwort verweigerten, vor allem jene ‚wahrscheinlichen‘ Aussiedler(innen) befinden.
184
6.4.2 Als Ausländer(innen) Zugewanderte: Differenzierung nach Herkunftsland als Proxy für den Rechtsstatus bei der Einreise Es ist im Rahmen der Migrationsforschung eine Besonderheit, dass die vorliegende Untersuchung den anfänglichen Rechtsstatus von Migrant(inn)en, hier den Aussiedlerstatus, überhaupt als Individualmerkmal rekonstruieren kann. Dies ist bei der Binnendifferenzierung der als Ausländer(innen) Zugewanderten nicht der Fall. Bei den Mikrozensus-Analysen138 muss auf das einzig mögliche Verfahren zurückgegriffen werden, das auch Portes u. a. (2009: 1084f.) ähnlich verwenden: Das Herkunftsland dient als Proxy für den jeweils typischen Rechtsstatus und den damit verbundenen positiven, neutralen oder negativen politischrechtlichen Inkorporationsmodus (vgl. Kapitel 2.3.1). Die Informationen über den Rechtsstatus, der für die nach dem Herkunftsland unterschiedenen Migrantengruppen bei ihrer Einreise typisch war, beruhen auf den im Anhang I untersuchten amtlichen Statistiken zu Aufenthaltstiteln, Asylanträgen etc. Die Zuordnung unterschiedlicher rechtlicher Zuwanderungswege und Aufenthaltsstatus zu negativen, neutralen oder positiven politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi erfolgte in Kapitel 3 (vgl. die zusammenfassende Abb. 3-4). Die Fallzahlen erlauben es, vier Herkunftsländer einzeln zu betrachten; die übrigen werden in drei Herkunftsländergruppen eingeteilt. Die insgesamt sieben Subgruppen werden in eine Rangfolge gebracht, die sich an den typischen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi orientiert. Um diese rechtliche Stratifizierung zu symbolisieren, steht im Folgenden + + für den besonders positiven Inkorporationsmodus der Aussiedler(innen), ż ż für neutrale, – – für besonders negativen Ausnahmekontexte; Kombinationen dieser Symbole (z.B. + ż) stehen für dazwischen positionierte Gruppen. 1.
2.
+ ż Ex-UdSSR (inkl. Russland und die drei baltischen Staaten): Vermutlich handelt es sich mehrheitlich um ab 1990 zugewanderte jüdische Kontingentflüchtlinge, die nicht nur eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, sondern auch Zugang zu einigen Integrationsmaßnahmen erhielten, die Aussiedler(inne)n offen standen. Ihre politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen kamen somit denen der Aussiedler(innen) relativ nahe. Des Weiteren wanderten aus der Ex-UdSSR u. a. nicht eingebürgerte nichtdeutsche Familienangehörige von Aussiedler(inne)n und andere, bis 1990 politisch ‚willkommene‘ Ausländer(innen) ein. ż ż EU-/EG-Länder (ohne die 2004 beigetretenen osteuropäischen Staaten): Kinder aus EU15-Staaten können entweder im Rahmen der Famili-
138
Aufgrund der geringen Fallzahlen im Jugendsurvey wird diese Differenzierung nur mit den Daten des Mikrozensus vorgenommen.
185
3.
4.
5.
6.
139
enmigration zu ihren in Deutschland bereits ansässigen Eltern(teilen) nachgezogen sein oder ihre aufgrund einer Beschäftigung einreisenden Eltern begleitet haben. In Hinblick auf die Aufenthaltssicherheit und den unbeschränkten Zugang der Eltern zum deutschen Arbeitsmarkt war der Inkorporationsmodus von EU-Bürger(innen) neutral. Aktive Integrationsmaßnahmen fehlten weitgehend. ż ż Polen: Bis zum Ende des Kalten Krieges wurden polnische Migrant(inn)en großzügig aufgenommen, und mehr als die Hälfte aller hier untersuchten minderjährig migrierten Pol(inn)en wanderte bis 1990 ein. Danach waren die legalen Einreisemöglichkeiten vor allem auf temporär beschäftigte erwachsene Pol(inn)en sowie nachziehende Familienangehörige beschränkt. Trotz Differenzen im Einzelnen ordne ich diese Gruppe insgesamt einem neutralen, also weder mit extra Förderung noch mit gravierenden Benachteiligungen verbundenen Inkorporationsmodus zu. ż – Türkei: Zwei rechtliche Zuwanderungswege waren bei den hier berücksichtigten Zuwandererkohorten dominierend: Zum einen zogen Kinder zu bereits in Deutschland ansässigen Eltern nach, bei denen es sich um bis 1973 rekrutierte Arbeitsmigrant(inn)en oder um vor 1987 migrierte Flüchtlinge handeln könnte. Zum anderen kam mindestens ein Viertel der türkeistämmigen Kinder als Flüchtlinge, die ab 1987 vor allem aus den kurdischen Gebieten der Türkei in die Bundesrepublik flohen. Für die selten anerkannten Asylsuchenden war der politisch-rechtliche Aufnahmekontext negativ, bezogen auf Familienzusammenführungen neutral. ż – Sonstige Drittstaaten: Diese heterogene Kategorie umfasst neben Flüchtlingen aus nicht näher spezifizierten Ländern des osteuropäischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raums auch nachziehende Familienangehörige sowie Kinder, die mit hochqualifizierten temporären Arbeitsmigrant(inn)en, auch aus Ländern wie den USA und Japan, nach Deutschland zogen. Diese hier zusammengefassten Herkunftsnationalitäten sind im Mikrozensus in zu geringer Anzahl vertreten, um sie einzeln auszuweisen; oder sie wurden ohnehin im Originalfragebogen in Sammelkategorien erfasst. Für Migrant(inn)en aus dieser Ländergruppe war ein negativer oder eher neutraler Inkorporationsmodus typisch. – ż Außereuropäische ‚Flüchtlingsländer‘: Diese Gruppe umfasst Migrant(inn)en aus dem Iran, Irak, Afghanistan, Vietnam sowie aus Afrika und dem „sonstigen Nahen und Mittleren Osten (z. B. Georgien, Israel, Jordanien, Libanon, Syrien, Usbekistan)“ (Mikrozensus-Fragebogen).139 Sie ka-
Innerhalb dieser Gruppe verteilen sich die Herkunftsnationalitäten wie folgt: afrikanische Staaten 25,2%, Länder des „sonstigen“ Nahen und Mittleren Ostens 25,5%, Afghanistan 17,8%, Iran 15,4%, Irak 10,0%, Vietnam 6,2%.
186
7.
men den amtlichen Asylstatistiken zufolge mehrheitlich als Asylsuchende nach Deutschland. Nur ein Bruchteil von ihnen – z. B. viele Iraner(innen) – wurde als Asylberechtigte anerkannt und hatte ab dem Zeitpunkt der Anerkennung den gleichen positiven Inkorporationsmodus wie Kontingentflüchtlinge. Die Migrant(inn)en im Asylverfahren und solche mit einer Duldung (darunter z. B. viele aus Afghanistan) hingegen waren mit einem stark benachteiligenden rechtlichen Aufnahmekontext konfrontiert. – – Ex-Jugoslawien: Diese Gruppe steht vor allem für die Bürgerkriegsflüchtlinge aus den Bürgerkriegen der 1990er Jahre und damit für eine rechtlich besonders benachteiligte Gruppe. Von allen Subgruppen der als Ausländer(innen) Zugewanderten können Migrant(inn)en aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens am eindeutigsten einem negativen politischrechtlichen Inkorporationsmodus zugeordnet werden. 140
Wenn in meinen Hypothesen zur Wirkungsweise des Rechtsstatus unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten speziell Flüchtlingskinder hervorgehoben werden, sind diese in den letzten vier Gruppen vertreten und dabei besonders unter den Ex-Jugoslaw(inn)en. Während kausalanalytisch der Rechtsstatus bei der Einreise entscheidend ist, wird bei der Beschreibung der Gruppenmerkmale in Kapitel 7 auch der Rechtsstatus zum Befragungszeitpunkt anhand der Einbürgerungsquoten unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten berücksichtigt. Inzwischen Eingebürgerte hatten bereits vor der Einbürgerung schon mehrere Jahre einen sicheren Aufenthaltstitel, also einen zumindest neutralen Inkorporationsmodus (vgl. auch den Exkurs in Kap. 3.2.1). 6.5 Operationalisierung der Hypothesen zur Wirkung des Rechtsstatus auf Bildungschancen: weitere unabhängige Variablen Der Vorteil von Analysen mit repräsentativen Umfragedaten wie dem Mikrozensus liegt in der verhältnismäßig hohen Fallzahl und der vergleichsweise guten Identifizierung der Rechtsstatus. Dem stehen Nachteile gegenüber, die typisch für Sekundäranalysen mit einem Querschnittsdatensatz sind. Nicht alle für die konkrete Fragestellung benötigten Informationen sind direkt erhoben worden, insbesondere fehlen Merkmale in ihrer Ausprägung zum Zeitpunkt der Zuwanderung und ihrer Veränderung bis zum Befragungszeitraum. Die Opera140
Zu welchen Herkunftsgruppen die noch stärker benachteiligten illegalisierten Migrant(inn)en zählen, lässt sich nicht zuverlässig bestimmen.
187
tionalisierung der in Kapitel 5 dargelegten Hypothesen orientiert sich daher am mit diesen quantitativen Daten Möglichen. Hypothese 1 zur Bleibesicherheit ebenso wie Hypothese 9 zu den mit den Rechtsstatus assoziierten symbolischen In- und Exklusionen können nicht direkt überprüft werden. Diese Einflüsse könnten sich nur indirekt zeigen, wenn in den multivariaten Schätzmodellen die Netto-Effekte der Zugehörigkeit zu den oben unterschiedenen Migrantengruppen signifikant blieben, also auch unter statistischer Kontrolle der weiteren Determinanten. Um die Hypothese 2 zur differenziellen Wirkung des Einreisealters zu testen, wird das Einwanderungsalter den wichtigsten Stufen des Bildungssystems entsprechend als ordinal skalierte Variable rekodiert: vor der Einschulung (0-5 Jahre), während der Grundschule (6-10 Jahre) und in der Sekundarstufe (11-17 bzw. 11-15 und 16-17 Jahre) zugewandert.141 Weder die Hypothese 3 noch die Hypothese 4 können direkt überprüft werden, da keine Informationen zu aus dem Herkunftsland mitgebrachten und in Deutschland erworbenen Deutschkenntnissen der Kinder oder der Eltern vorliegen. Ähnlich wie bei Hypothese 1 und 9 ist der Aussiedlerstatus selbst ein Proxy für höhere Sprachkompetenzen im Vergleich zu anderen Migrantengruppen. Ein indirekter Test für die angenommenen Kompositionseffekte ist aber möglich: Der positive Effekt des Aussiedlerstatus sollte kleiner als im vollständigen Sample ausfallen, wenn die Rumäniendeutschen aus dem Schätzmodell ausgeschlossen werden, da diese Aussiedlergruppe – und zwar Eltern wie Kinder – mehrheitlich Deutsch als Muttersprache beherrschten (gleichzeitige Überprüfung von Hypothesen 3 und 4).142 Die der Hypothese 4 zugrunde liegende Vorannahme, dass in Aussiedlerfamilien häufiger als in anderen Zuwandererfamilien Deutsch gesprochen wurde, kann mit dem Jugendsurvey gezeigt werden. Die Antworten auf die Frage, ob in den Familien der Befragten „nur/überwiegend“ Deutsch oder die Herkunftssprache gesprochen wird – die „teils/teils“-Antwort steht für einen bilingualen Integrationsmodus – , misst simultan die Deutschkenntnisse und Sprachpräferenzen der Eltern, weniger aber die Deutschkenntnisse der Kinder, da diese alle gut genug Deutsch konnten, um am Survey teilzunehmen. Um den in der Hypothese 4 postulierten Kompositionseffekt zu überprüfen, kann die familiale Sprachpraxis nicht als unabhängige Variable verwendet werden. Denn sie ist zeitveränderlich und wurde erst zum Befra141
Nur im ‚großen‘ Mikrozensus-Sample können innerhalb der letzten Gruppe Personen ausgewiesen werden, die mit 16 oder 17 Jahren zuwanderten, also nicht mehr der Vollzeit-, sondern nur noch der Teilzeitschulpflicht unterlagen. 142 Aufgrund der hohen Anzahl an Aussiedler(inne)n ohne Angaben zum Herkunftsland ist der Anteil der identifzierbaren Rumäniendeutschen unter allen Aussiedler(inne)n mit 2,9% (‚großes‘ Mikrozensus-Sample) bzw. 2,6% (‚kleines‘ Mikrozensus-Sample) um mindestens die Hälfte untererfasst.
188
gungszeitpunkt – also nach dem Erwerb des Schulabschlusses und nicht, wie theoretisch notwendig, in der Anfangsphase ihres Aufenthalts – gemessen. Die Hypothesen 5a bis 5d erfordern eine Operationalisierung der elterlichen Bildung. Hierfür wurde die ordinal skalierte Variable des höchsten Schulabschlusses der Eltern gebildet (also dem der im Haushalt der Migrantenjugendlichen lebenden Väter oder Mütter) mit denselben vier Kategorien wie die abhängige Variable, die Schulabschlüsse der Jugendlichen. Allerdings mussten die Eltern im Mikrozensus-Fragebogen ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse in die deutschlandspezifischen Kategorien einordnen – trotz der oft anderen Strukturierung der Schul- und Ausbildungssysteme in den Herkunftsländern (Regeln, wie hier Interviewer(innen) vorgehen sollten, gab es meines Wissens nicht).143 Trotz der Unkenntnis, wie eine solche Zuordnung zustande kam, entspricht die Korrelation zwischen dieser so erfassten Bildung der Eltern und dem Schulerfolg ihrer Kinder der theoretisch erwarteten Ausrichtung, so dass diese Operationalisierung verlässlich genug erscheint, um das – aus theoretischer Sicht relevante – im Herkunftsland inkorporierte kulturelle Kapital abzubilden. Aus Gründen der geringen Fallzahlen können nur in ausgewählten deskriptiven Analysen weiter differenzierende Angaben zur beruflichen Ausbildung der Eltern gemacht werden. Die Annahmen, dass der Rechtsstatus über die ökonomische Teilhabe der Eltern vermittelt Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder nimmt, können zum Teil getestet werden. Nicht vorhanden sind die für Hypothese 6a notwendigen Informationen über die Erwerbstätigkeit von Migranteneltern zu Beginn des Aufenthalts. Um Hypothese 6b zu testen, wird die zum Befragungszeitpunkt erreichte berufliche Stellung als hinreichend erachtet, um die Erwerbschancen im Laufe des Aufenthalts abzubilden. Die berufliche Stellung des Vaters oder der alleinerziehenden Mutter144 wird fallzahlenbedingt nur in drei Kategorien erfasst: Selbständige, Angestellte/Beamte und Arbeiter(innen). Die vierte Kate-
143
So ist unklar, ob etwa der Abschluss der neunjährigen „unvollständigen Mittelschule“ in der ExUdSSR einem Hauptschulabschluss oder der Mittleren Reife gleichgesetzt wurde. Ich vermute, dass Zugewanderte, die in ihrem Herkunftsland studiert haben oder dies mit ihrem Schulabschluss hätten tun können, auch im Mikrozensus das Abitur als Abschluss angaben, und somit die Erfassung eines hohen Schulabschlusses valider als die Unterscheidung zwischen einem niedrigen oder mittleren ausfällt. 144 Die entsprechenden Informationen über Väter und Mütter wird auf diese Art miteinander verknüpft, um die Vorhersagekraft der statistischen Schätzmodelle nicht zu verschlechtern. Der Grund für diese ‚patriarchale‘ Rekodierung ist der, dass angesichts der durchschnittlich besseren Entlohnung von Männern deren berufliche Stellung für das Haushaltseinkommen im Schnitt bedeutender ist als die von Müttern. Dementsprechend wirkt sich die Arbeitslosigkeit des Vaters vermutlich finanziell gravierender und eventuell auch sozial stigmatisierender aus.
189
gorie bilden arbeitslose oder nicht-erwerbstätige Personen.145 Um die finanziellen Auswirkungen der (Nicht-)Erwerbtätigkeit der Migranteneltern darzustellen, wurde zudem auf Basis des erfragten Haushaltskommens das bedarfsgewichtete Äquivalenzeinkommen unter Verwendung der alten OECD-Skala berechnet (vgl. Krause/Habich 2000: 318); die daraus gebildeten Quartile beziehen sich auf die Einkommensverteilung der gesamten Bevölkerung in den alten Bundesländern. Um die Hypothesen 7a, b und c testen zu können, dient das Bundesland, in dem die Befragten wohnten und – so die nicht überprüfbare Vorannahme – auch zur Schule gingen146, als Proxy für das dortige Schulsystem mit seinen allgemeinen Strukturen und schulischen Integrationspolitiken. Während bei der Darstellung bivariater Ergebnisse einzelne Bundesländer ausgewiesen werden können, bedarf es in den multivariaten Schätzmodellen einer Gruppierung. Bei der Überprüfung des angenommenen Kompositionseffekts (Hypothese 8a) ist das institutionelle Angebot der zu unterschiedlichen Abschlüssen führenden Sekundarschultypen das theoretisch relevante Kriterium, um die alten Bundesländer in zwei Gruppen einzuteilen: Wie im Anhang IIIc (online)147 unter Bezugnahme auf amtliche Schulstatistiken dargelegt, steht hier eine Ländergruppe mit einem jeweils überdurchschnittlichen Anteil an Hauptschulabsolvent(inn)en (Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland) der anderen Gruppe mit jeweils unterdurchschnittlichen Anteilen von Hauptschulabsolvent(inn)en (Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Hessen, Berlin, Hamburg, Bremen) gegenüber, die von Belows (2002: 23f.) Typologie folgend als Bundesländer mit „traditionellen“ und „reformierten“ Schulsystemen bezeichnet werden. Für die Überprüfung des möglichen Interaktionseffekts (Hypothesen 8b, c) wird diese Eingruppierung übernommen, zumal auch hier BadenWürttemberg und Bayern in deutlichem Kontrast zu den anderen drei großen Flächenstaaten Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Hessen stehen, da in Ersteren erst viel später als in Letzteren die nach dem Rechtsstatus von Migrantenkindern differenzierenden schulrechtlichen Regelungen außer Kraft traten (vgl. Tab. 3-1). Zur Überprüfung der Hypothesen 8a und 8c wird die Größe des Wohnorts der Befragten als Proxy für die Stadt-Land-Disparitäten im institutionellen Angebot weiterführender Sekundarschulen verwendet – wie bei Bundesländern 145
Die Eltern der 18- bis 20-Jährigen sind allerdings noch nicht im Rentenalter, nur eine verschwindende Minderheit sind Beamte. 146 Diese Annahme lässt sich für die 18- bis 20-jährigen Migrantenjugendlichen verlässlicher treffen als für die älteren im ‚großen‘ Mikrozensus-Sample. 147 In diesem Anhang IIIc (online) wird zudem erläutert, wie die in Kap. 7.1.3 beschriebenen familialen Migrationsbiographien operationalisiert werden.
190
unter der Prämisse, dass die Migrantenjugendlichen in diesen Gemeinden auch ihre Schulzeit dort verbracht haben. Im Anhang IIIc (online) wird die Vorgehensweise, wie die Kategorien der großen, mittleren, kleinen/ländlichen Gemeinden gebildet wurden, näher erläutert. Um die Grundhypothese zu Aussiedlerkohorten und deren Bildungschancen zu testen, erfolgt die Einteilung der jährlichen Zuwanderungskohorten der Jahre 1987 bis 2003 in Orientierung an einschneidenden Veränderungen der aussiedlerspezifischen Zuwanderungs- und Integrationspolitik (vgl. ausführlich Kap. 3):
1987-1989: In diesem Zeitraum gab es seitens der Bundesrepublik keine Einreisehemmnisse für Aussiedler(innen), die vor dem Fall des ‚Eisernen Vorhangs‘ politisch hoch willkommen waren. 1990-1992: Als erste Zuwanderungsbeschränkung musste ab 1990 der Antrag auf Anerkennung als Aussiedler(in) vom Herkunftsland aus erfolgen; noch konnten Aussiedler(innen) aus allen ehemals sozialistischen osteuropäischen Staaten immigrieren. 1993-1996: Mit dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz erfolgte 1993 die Defacto-Einschränkung auf die Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Spätaussiedler); es folgten deutliche Einschnitte bei den Integrationsmaßnahmen. 1996-2003: Ab 1996 mussten die Hauptantragsteller(innen) einen Deutschtest ablegen, um nach Deutschland einreisen zu können; die Wohnortzuweisung wurde durch Sanktionsandrohungen restriktiver gehandhabt.
Die Hypothese 10a (Kompositionseffekt Deutschkenntnisse) und 10b (Kompositionseffekt elterliche Bildung) werden nur indirekt getestet. Ähnlich wie bei Hypothese 3/4 beschrieben, dienen die Herkunftsländer als Proxy für sprachliche und sozio-ökonomische Ressourcen. In den multivariaten Schätzmodellen werden zudem das Geschlecht der Befragten und die Familiengröße als Kontrollvariablen hinzugezogen. Wie Letztere operationalisiert wird, wird im Anhang IIIc (online) beschrieben.
191
7 Soziale und bildungsbezogene Charakteristika der nach ihrem Rechtsstatus differenzierten Migrant(inn)en
In diesem Kapitel erfolgt auf Basis der Analysen des Mikrozensus 2005 und des Jugendsurveys 2003 die Deskription meiner Untersuchungspopulation der minderjährig Zugewanderten. Es wird gezeigt, wie sich die nach ihrem Rechtsstatus differenzierten Migrantengruppen hinsichtlich sozialer Charakteristika, die für Bildungschancen relevant sein könnten, und hinsichtlich der tatsächlich realisierten Schulerfolge von einander unterscheiden. Damit erfolgt auch ein erster Schritt hin zur Überprüfung der in Kapitel 5 formulierten Hypothesen über die Mechanismen, wie Bildungsungleichheiten zwischen rechtlich ungleich gestellten Zuwanderergruppen zustande kommen: Nur wenn hinsichtlich potenzieller Bildungsdeterminanten deutliche Differenzen zwischen Gruppen bestehen, ist damit die Voraussetzung für die Existenz von Kompositionseffekten gegeben, die in Kapitel 8 mit multivariaten Schätzmodellen analysiert werden. Der erste Teil von Kapitel 7 widmet sich dem Vergleich zwischen Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus (7.1 und 7.2), ein zweiter dem Intragruppenvergleich zwischen Aussiedler(inne)n unterschiedlicher Zuwandererkohorten (7.3 und 7.4). Zunächst wird die (univariate) Verteilung des anfänglichen Rechtsstatus vorgestellt. Im Anschluss werden bivariate Verteilungsunterschiede zwischen den Migrantengruppen präsentiert. Die Beschreibung der Merkmale des Zuwanderungsjahrs, der familialen Migrationsbiographie und der Einbürgerungsquoten dienen dazu, die in Kapitel 6 erfolgte Zuordnung der Teilgruppen der als Ausländer(innen) Zugewanderten zu einem positiven, neutralen oder negativen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus zu illustrieren. Dann erfolgt eine Charakterisierung der Migrantengruppen hinsichtlich zentraler Merkmale, die in den vorangegangenen Kapiteln als potenziell einflussreich für Bildungschancen erachtet wurden (Einwanderungsalter; sprachliche Integration; Bildung, ökonomische Teilhabe und Ressourcen der Eltern; auf Bundesländer und Gemeinden bezogene Siedlungsmuster). Im Abschnitt 7.2 werden zunächst einzelne Merkmale der Bildungskarriere betrachtet, die dem (Nicht-)Erwerb eines Schulabschlusses vorangegangen sind, um dann die an den Schulabschlüssen gemessenen Unterschiede im Bildungserfolg zwischen den untersuchten 192 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Migrantengruppen zu präsentieren. Für den Intragruppenvergleich zwischen unterschiedlichen Aussiedlerkohorten, deren politisch-rechtliche Aufnahmebedingungen sich im Laufe der 1990er Jahre verschlechterten, werden ebenfalls zuerst soziale Merkmale (7.3) und schließlich die Bildungsungleichheiten der früheren und späteren Aussiedlerkohorten im Kapitel 7.4 beschrieben. Im Abschnitt 7.5 erfolgt eine Zusammenfassung der deskriptiven Ergebnisse. Die folgenden bivariaten Ergebnisse meiner Analysen mit dem Mikrozensus 2005 beziehen sich im Allgemeinen auf das ‚große‘ Mikrozensus-Sample (zur Definition vgl. auch Tab. 6-1), also auf als Minderjährige immigrierte Personen, die im Jahr 2005 zwischen 18 und 35 Jahre alt waren und deren Schulerfolg somit messbar ist. Nur wenn es um Informationen über die Eltern dieser Migrantenjugendlichen geht, greife ich auf das ‚kleine‘ Mikrozensus-Sample, die Teilgruppe der noch bei ihren Eltern lebenden 18- bis 20-Jährigen, zurück. Alle bivariaten Verteilungen, die im Folgenden nur für das große MikrozensusSample vorgestellt werden, finden sich in der Tabelle IV-2 im Anhang IV auch für die kleinere Stichprobe. Wenn nicht anders gekennzeichnet, beruhen neben den Tabellen und Grafiken auch im Fließtext genannte (gewichtete und gerundete) Prozentwerte auf meinen eigenen Analysen. In der Deskription der sozialen Merkmale der Migrantengruppen wird gelegentlich auf bisherige Forschungen verwiesen, die in Kapitel 4 ausführlich dargestellt wurden. Ein genauerer Abgleich mit bisherigen Erkenntnissen erfolgt bei meinen Ergebnissen zur schulischen Integration von Aussiedlerkindern. 7.1 Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus: zuwanderungsspezifische und soziale Merkmale 7.1.1 Rechtsstatus bei der Einreise Etwas mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen, die als Minderjährige in den Jahren 1987 bis 2003 nach Deutschland migrierten und hier blieben, sind Aussiedler(innen).148 In Kapitel 1 wurde darauf hingewiesen, dass laut amtlicher Zuwanderungsstatistiken mehr als doppelt so viele ausländische Kinder wie Aussiedlerkinder in den Jahren 1987 bis 2003 in die Bundesrepublik einreisten. Bis 2005, also bei den dann noch verbliebenen Migrant(inn)en, kehrt sich das Zahlenverhältnis zwischen denjenigen mit und ohne Aussiedlerstatus fast um: von 1 zu 2 bei den Zuzugszahlen auf ca. 1 zu 1 bei den weiterhin Ansässigen 148
Wie im Anhang IIIb (online) näher erläutert, könnte dabei aufgrund des für den Mikrozensus 2005 verfügbaren Hochrechungsfaktors dieser Anteilswert leicht unterschätzt sein, weil der der Ausländer(innen) überschätzt wird.
193
(vgl. Tab. IIIb-2 im Anhang IIIb (online)). Dass der Anteil von Aussiedler(inne)n im Jahr 2005 den Anteil von 52% unter den inzwischen 18- bis 35Jährigen erreicht, ist demnach auch ein Resultat der häufigen Rück- und Weiterwanderung von Ausländer(inne)n.149 Über die soziale Selektivität dieser Rückwanderung liegen keine Forschungserkenntnisse vor; vorn wurde bereits argumentiert, dass die in Deutschland verbliebenen Ausländer(innen) vermutlich sozial etwas besser gestellt waren (vgl. Kap. 3.2.1 sowie Anhang I). Verteilung minderjährig Zugewanderter nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonstige Drittstaaten außereuropäische ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
Tab. 7-1:
‚großes‘ Mikrozensus-Sample 18- bis 35-Jährige
‚kleines‘ Mikrozensus-Sample bei ihren Eltern lebenden 18- bis 20-Jährige % (Spalte) N
% (Spalte)
N
++
51,9
3685
56,0
957
ż–
48,1
2820
44,0
600
+ż
ż–
3,1 4,8 3,1 8,6
196 278 189 496
3,9 4,6 2,4 6,7
56 62 37 105
ż–
8,8
516
9,6
132
–ż
10,6
679
8,1
108
––
9,0 100
466 6505
8,7 100
100 1557
żż żż
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ und ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in 150 Tab.7-1 ; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor).
149
Aussiedler(innen) wandern aus Deutschland ebenso selten (wieder) aus wie einheimische Deutsche (Schupp u. a. 2005: 290, Endnote 13). 150 Zur Erinnerung: Das ‚große‘ Mikrozensus-Sample umfasst Personen, die als Minderjährige in den Jahren 1987 bis 2003 in die Bundesrepublik einreisten, im Jahr 2005 18 bis 35 Jahre alt waren, in den alten Bundesländern inklusive dem westlichen Teil Berlins lebten und über die verwertbare Informationen zum Schulabschluss vorliegen, d. h. nicht mehr die Sekundarstufe I, sondern entweder die gymnasiale Oberstufe besuchten oder gültige Angaben zum Schulabschluss gemacht hatten.
194
Wenn Migrant(inn)en, die bei ihrer Einreise den Rechtsstatus von Ausländer(inne)n innehatten, in der Tabelle 7-1 in sieben Subgruppen nach ihrem Herkunftsland bzw. Gruppen von Herkunftsländern ausdifferenziert werden, so drückt sich, wie in Kapitel 6.4.2 erläutert, in der hier gezeigten Rangfolge eine Hierarchie hinsichtlich der jeweils typischen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi aus. Die in Kapitel 6.4.2 eingeführte Symbolik (+ + bis – –) illustriert schematisch, welche rechtlich-politischen Inkorporationsmodi für die hier unterschiedenen Migrantengruppen zum Beginn ihres Aufenthalts typisch waren, und verdeutlicht die Hierarchie zwischen ihnen. Die Aussiedler(innen) mit ihrem vorteilhaften Rechtsstatus waren unzweifelhaft am positiven Pol verortet. Nahe des positiven Endes des Spektrums, aber immer noch unterhalb der Aussiedler(innen), stehen die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus aus der ehemaligen Sowjetunion (3%), die von der Bundesrepublik vermutlich vor allem als jüdische Kontingentflüchtlinge und somit mit einem relativ privilegierten Rechtsstatus aufgenommen wurden. Einem neutralen bis leicht positiven politischrechtlichen Aufnahmekontext werden die Migrantenkinder aus EU-Staaten zugeordnet, die in den hier untersuchten Zuwanderungsjahren mit knapp 5% eine kleine Minderheit der minderjährig Migrierten ausmachen.151 Die Gruppe der polnischen Migrant(inn)en (3%) wurde aus den oben genannten Gründen ebenfalls eher einem neutralen Inkorporationsmodus zugeordnet. Einem negativen Inkorporationsmodus waren Flüchtlinge ausgesetzt, die – oft vergebens – Asylanträge stellten und nach Abschluss des Asylverfahrens oder von Beginn ihres Aufenthalts an eine Duldung hatten. Solche rechtlich prekär gestellten Flüchtlinge sind unter Zugewanderten aus Ex-Jugoslawien (9%), hierunter vermutlich mehrheitlich Bürgerkriegsflüchtlinge, am stärksten und in der Ländergruppe Iran, Irak, Afghanistan, Vietnam, Afrika und Mittlerer/Naher Osten (11%) – hier als außereuropäische ‚Flüchtlingsländer‘ abgekürzt – zumindest überproportional vertreten.152 Auch unter Türkeistämmigen (9%) stellen Asylsuchende eine substanzielle Minderheit, meinen Schätzungen im Anhang I zufolge mindestens ein Viertel. Bei dem Personenkreis aus „sonstigen Drittstaaten“ (9%) wird von einem ähnlichen Verhältnis von Flucht- und Familienmigration ausgegangen. Das ‚kleine‘ Mikrozensus-Sample ist eine Teilmenge des ‚großen‘ und hierbei auf ledige 18- bis 20Jährige im Haushalt ihrer Eltern beschränkt. 151 Wie auch in den in Kapitel 4 ausgewerteten amtlichen Statistiken zu Zuzügen minderjähriger Ausländer(innen) stellen jene aus EU-Ländern ein gutes Zehntel der als Ausländer(innen) Zugewanderten. 152 Innerhalb dieser Ländergruppe sind die drei Länder Afghanistan, Iran und Irak die quantitativ bedeutendsten Herkunftsstaaten, machen an der gesamten Untersuchungspopulation der minderjährig Migrierten allerdings nur 1,5%, 1,3% bzw. 0,9 % aus.
195
Das quantitative Geschlechterverhältnis ist innerhalb der Migrantengruppen insgesamt ausgeglichen (vgl. auch Tabelle IV-1 und IV-2 im Anhang IV). Mit im Schnitt 52% stellen Männer knapp die Mehrheit innerhalb der Untersuchungspopulation. Im ‚großen‘, nicht aber im ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample gibt es unter den Türkeistämmigen mehr Frauen (57%). Unter den Migrant(inn)en aus außereuropäischen ‚Flüchtlingsländern‘ sind 59% männlichen Geschlechts. 7.1.2 Zuwanderungsjahre Die Abbildung 7-1 illustriert das Jahr der Einreise, dessen Gruppierung sich an dem späteren Vergleich zwischen unterschiedlichen Aussiedlerkohorten (Intragruppenvergleich) orientiert. Das Verteilungsmuster bei Aussiedler(innen)n spiegelt das reale Zuwanderungsgeschehen wider (vgl. auch Abb. 1-1 und Anhang IIIb (online)): Obwohl die letzte Kohorte, 1996 bis 2003, sechs statt nur drei Zuwanderungsjahre umfasst, ist sie am schwächsten besetzt, die ersten zwei Zuwanderungskohorten dagegen mit 31% bzw. 30% besonders stark. In Hinblick auf die Zuwanderungsperiode unterscheiden sich Migrantenkinder mit und ohne Aussiedlerstatus auf den ersten Blick eher geringfügig. Dass beide Gruppen zu etwa drei Fünfteln bis 1992 kamen, spiegelt nicht zuletzt die kurze Phase wider, in der die deutschen Grenzen aufgrund des Systemumbruchs in den osteuropäischen Staaten relativ offen waren. Der anschließende Rückgang der Immigration ist Ausdruck der verschärften Zuwanderungsregulierung beim Aussiedlerzuzug und bei der Asylgesetzgebung. Innerhalb der Gruppe, die als Ausländer(innen) zuwanderte, zeigen sich bezüglich der Zuwanderungsjahre einige Differenzen, die auf die Spezifika der jeweiligen Migrationsgeschichten und politisch-rechtlichen Aufnahmebedingungen hindeuten. Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion wanderten zu 86% ab 1990 in die Bundesrepublik ein. Dieses Verteilungsmuster spricht für meine Annahme, dass es sich hier in erster Linie um jüdische Kontingentflüchtlinge handelt, die erst ab diesem Jahr aufgenommen wurden. Wenn unter den bis in die frühen 1990er Jahre Zugewanderten auch nachgezogene (nicht-deutsche) Familienangehörige von früher migrierten Russlanddeutschen sowie als politische Flüchtlinge anerkannte Migrant(inn)en vertreten sein sollten, so relativiert dies nicht meine Zuordnung von Migrant(innen) aus diesem Herkunftsland zu einem verhältnismäßig positiven politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus. Dass Migrantenkinder aus Polen zu 56% bis 1989 zuwanderten, stimmt mit Mieras (1996: 12; 2007: 58) Analysen überein, wonach polnische Familien – also auch Minderjährige – nur bis zum 196
Ende des Kalten Krieges aus politischen Gründen relativ großzügig in der Bundesrepublik aufgenommen wurden. Ab 1990 konnten polnische Kinder nur noch über den rechtlichen Weg des Familiennachzugs einwandern. Abb. 7-1: Zuwanderungsperioden der minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern 0%
20%
40%
60%
80%
Aussiedler(in)
30,9
30,0
23,7
Ausländer(in), darunter aus
29,2
33,9
17,4
Ex-UdSSR
13,9
35,9
28,7
sonstig. Drittstaaten
23,4
33,6
außereurop. Flüchtlingsländer
23,9
31,7
Ex-Jugoslawien
17,2
1990-92
8,2
14,7
14,8 18,1
14,4 25
14,5
47,5
1987-89
14,1
17,9 21,6
42,2
Türkei
19,5 33,3
31,2 55,6
Polen
15,4
16,9
36,8
EU
100%
29,8 25,5
1993-95
9,7
1996-2003
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; N = 6505; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterunterschiede: p < 0,001.
Migrantenkinder aus den EU15-Staaten und der Türkei kamen zu etwa zwei Dritteln bis 1992 in die Bundesrepublik. Eine Analyse der jährlichen Asylanträge von türkischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik im Zeitverlauf (Statistisches Bundesamt 1991: 73; BMI 2004: 92-95) weist darauf hin, dass vor allem Anfang und Mitte der 1990er Jahre auch Flüchtlinge aus diesem Land kamen. Auch bezogen auf die Gruppe der außereuropäischen ‚Flüchtlingsländer‘ spiegeln die Mikrozensus-Ergebnisse (nicht dargestellt) das in Asylstatistiken erfasste Migrationsgeschehen annähernd wider: So immigrierten Migrantenkinder aus dem Iran vor allem Ende der 1980er Jahre, jene aus afrikanischen Staaten insbesondere Anfang der 1990er Jahre und Iraker(innen) ab Mitte der 1990er Jahre.
197
Unter den Migrant(inn)en aus Ex-Jugoslawien wanderten gut drei Viertel in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zu, also während der Bürgerkriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Daher gehe ich davon aus, dass es sich bei Zugewanderten aus dieser Herkunftsregion vor allem um rechtlich besonders prekär gestellte Bürgerkriegsflüchtlinge handelt. Unter den Ende der 1990er Jahre Zugewanderten sind darüber hinaus auch Flüchtlinge aus dem Kosovo. 7.1.3 Familiale Migrationsbiographien Ein weiteres Merkmal der Migrationsbiographien der Untersuchungspopulation ist der zeitliche Verlauf der Einwanderung der Familienmitglieder (s. Tab. 7-2). Ob Kinder und Eltern gleichzeitig oder zeitversetzt in die Bundesrepublik kamen, hing auch von den rechtlichen Zuwanderungsmöglichkeiten ab. Im Einklang mit dem zuwanderungsrechtlich gegebenen Privileg, im großen Familienverbund einwandern zu dürfen, reisten Aussiedlerjugendliche mit Abstand am häufigsten (70%) im selben Jahr wie ihre Eltern in die Bundesrepublik ein. Türkeistämmige gaben besonders häufig (43%) an, dass ihre Eltern nicht (eventuell nicht mehr) in Deutschland lebten.153 Betrachtet man einmal nur diejenigen mit verwertbaren Angaben zum Einreisejahr beider Elternteile (d.h. die ersten beiden Spalten in Tab. 7-2), konnten unter Aussiedlerkindern neun von zehn zeitgleich mit beiden Eltern migrieren, während unter den anderen Migrantenkindern fast jedes zweite temporär von Vater und/oder Mutter getrennt lebte. Die sozioökonomischen Kriterien (vgl. Kap. 3.1.3), die in Deutschland ansässige Ausländer(innen) erfüllen mussten, um ihre Ehegatten und minderjährige Kinder nachkommen zu lassen, könnten ein Grund für solche temporären Trennungen sein. Am Beispiel der EU-Angehörigen lässt sich illustrieren, wie die familiale Migrationsbiographie ihre rechtlichen Zuwanderungswege widerspiegelt. Unter den Migrantenjugendlichen, bei denen zu beiden Elternteilen Informationen über den Einreisezeitpunkt vorliegen, war knapp die Hälfte zeitweilig von mindestens einem Elternteil getrennt. Hier handelte es sich um Zuwanderungen im Rahmen des Familiennachzugs. Nicht geklärt werden kann, ob die Kinder tatsächlich – zeitlich sehr ‚verspätet‘ – zu den bis 1973 rekrutierten einstigen 153
Wie im Anhang IIIc (online) erläutert, bietet die vieldeutige Art der Fragestellung im Mikrozensus 2005 Anlass zur Vorsicht, die in Tab. 7-2 gezeigten Anteile der minderjährig Zugewanderten, die angaben, ohne ihre Eltern in Deutschland zu leben, für ‚bare Münze‘ zu nehmen. Insofern kann nicht der exakte Anteil derjenigen Migrantenjugendlichen bestimmt werden, die tatsächlich als alleinstehende minderjährige Flüchtlinge Asyl suchten, bei Verwandten jenseits der eigenen Kernfamilie oder als minderjährige Heiratsmigrant(inn)en Aufnahme fanden.
198
‚Gastarbeiter(inne)n‘ zogen. (Drei Viertel der EU-Angehörigen in der Untersuchungspopulation kommen aus den Ländern der klassischen Arbeitsmigration.) Familialer Migrationsverlauf von minderjährig Zugewanderten (18bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt N
Familialer Migrationsverlauf
7,1
12,0
13,1
ż–
29
23,5
29,6
17,9
***
2820
+ż
6,5 28,7 17,4 31,5 24,1
13,4 25,3 21,5 42,8 32,1
26,8 18,8 22,7 10,4 15,5
***
ż–
53,4 27,2 38,4 15,3 28,4
***
196 278 189 496 516
–ż
33,0
19,0
25,7
22,4
***
679
––
31,9 49,2 3341
20,5 14,9 916
29,4 20,5 1277
18,3 15,4 971
***
466 6505 3685
żż żż ż–
in % (Zeilen)
Signifikanzniveau
67,9
Sonstige1
++
mind. ein Elternteil & Kind ungleichz. zugew. kein Elternteil in Deutschland
Eltern & Kind gleichzeitig zugew.
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
Tab. 7-2:
N
3685
*** *** ***
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant; 1) Die „Sonstigen“ weisen unvollständige Angaben zu beiden Elternteilen (inkl. Kinder von Alleinerziehenden, vgl. hierzu auch Tab. IV-2 im Anhang IV).
Die andere Hälfte der EU-Angehörigen könnte Fälle darstellen, in denen die Kinder zusammen mit ihren Eltern einreisten, die im Rahmen der EUFreizügigkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit in der Bundesrepublik gefunden hatten. Dies war aufgrund der EU-Mitgliedschaft für Italiener(innen) bereits seit 1957, für Griech(inn)en seit 1981 sowie für Spanier(innen) und Portugies(inn)en erst seit 1987 möglich.
199
Ich gehe zwar davon aus, dass die temporäre oder gar dauerhafte Trennung von einem oder beiden Elternteilen eine psychologische Belastung darstellt, die sich auch negativ auf die Schullaufbahn auswirkt, und dass dieser Zusammenhang auch für die besonderen Bildungsbenachteiligungen einiger ausländischen Migrantenkinder mit verantwortlich sein könnte. Jedoch lässt sich diese Annahme aufgrund methodischer Einschränkungen im Mikrozensus nicht präzise genug testen.154 7.1.4 Einbürgerungen Während Aussiedler(innen) von Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik an deutsche Staatsangehörige waren, haben unter den Zugewanderten ohne Aussiedlerstatus 29% bis zum Jahr 2005 ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und erlangten damit eine rechtliche Gleichstellung mit Einheimischen. Dabei mussten einer Einbürgerung zumindest mehrere Jahre mit einem sicheren aufenthaltsrechtlichen Status vorausgegangen sein. Diese Voraussetzung erfüllten Ausländer(innen) mit Duldung trotz teils jahrlangem Aufenthalt nicht. So weisen Migrant(innen) aus Ex-Jugoslawien mit ihrem meist prekären Rechtsstatus eine unterdurchschnittliche Einbürgerungsrate von 12% auf.155 Deutlich überdurchschnittliche Einbürgerungsquoten sind für Migrant(inn)en aus der Ex-UdSSR und Polen, aber auch für die Gruppe aus außereuropäischen ‚Flüchtlingsländern‘ charakteristisch. Der ohnehin schon relativ positive politisch-rechtliche Aufnahmekontext von Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion näherte sich demnach dem der Aussiedler(innen) im Laufe des Aufenthalts noch mehr an. Ein vergleichbarer Trend ist unter den außereuropäischen Migrant(inn)en beispielsweise bei Iraner(inne)n feststellbar, die relativ
154
Im ‚großen‘ Mikrozensus-Sample haben Migrant(inn)en, die keine migrationsbedingte Trennung von ihren Eltern erlebten, signifikant bessere Schulabschlüsse in Deutschland als die anderen Migrant(inn)en erzielt. 15% derjenigen, die angaben, dass ihre Eltern nicht in Deutschland seien, haben gar keinen Schulabschluss. Diese Gruppe ist aus dem kleineren, für multivariate Analysen geeigneten Sample der bei ihren Eltern lebenden 18- bis 20-Jährigen ausgeschlossen. Dort wiederum sind die Bildungsunterschiede zwischen Migrantenjugendlichen, die nie oder zeitweilig von ihren Eltern getrennt waren, bi- und multivariat nicht mehr signifikant. Angesichts der methodischen Einschränkungen sollte die Annahme, dass eine zeitweilige Trennung von Eltern und Kindern die schulische Leistungsentwicklung hemmen, nicht als widerlegt angesehen werden. 155 Dass EU-Angehörige besonders selten die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben, entspricht der bisherigen Forschung, die das ausgeprägte Desinteresse und weniger die fehlende Möglichkeit von Unionsbürger(inne)n, sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen einzubürgern, konstatiert (vgl. etwa Söhn 2008b: 104f.; Diehl/Blohm 2003).
200
häufig den sicheren Status von Asylberechtigten erhielten, und von denen jeder Zweite auch die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb. Tab. 7-3:
Einbürgerungsquoten unter als minderjährige Ausländer(innen) Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Herkunftsländern
Herkunftsländer
Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt
Einbürgerung bis 2005 nein ja in % (Zeilen) 49,0 51,0 91,9 8,1 57,0 43,0 74,2 25,8 59,6 40,4
N
196 278 189 679 516
63,3
36,7
496
88,1 71,3
11,9 28,7
466 2820
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor).
Die bisherigen Merkmale – Zuwanderungsperiode, familiale Migrationsbiographie und Einbürgerungen – beschreiben die staatlich mit geprägten Migrationsumstände der verglichenen Zuwanderergruppen, fließen aber aus methodischen und/oder theoretischen Gründen nicht direkt in die kausalanalytische Erklärung der Bildungsungleichheiten mit ein. Ab dem folgenden Abschnitt wendet sich die Deskription potenziellen Einflussfaktoren des Schulerfolgs zu. 7.1.5 Einwanderungsalter In Hinblick auf das Einwanderungsalter weisen Aussiedler(innen) eine für die Bildungschancen etwas günstigere Altersstruktur bei der Einreise auf als andere Migrant(inn)en (s. Tab. 7-4): 14% der Aussiedler(innen) im Gegensatz zu 11% der Migrant(inn)en wanderten vor der Einschulung ein. Der Anteil derjenigen, die im für die Schulkarriere besonders gefährdenden Alter jenseits der Vollzeitschulpflicht (mit 16 oder 17 Jahren) einwanderten, liegt mit 23% bei den Zuge-
201
wanderten ohne Aussiedlerstatus um acht Prozentpunkte über dem Anteil bei Aussiedler(inne)n.156 Einreisealter von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt N (ungewichtet)
Einreisealter 0-5
6-10
11-15
16/17
in % (Zeilen)
Signifikanzniveau
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
polit.-rechtl. Inkorporationsmodus
Tab. 7-4:
++
13,8
33,3
38,3
14,7
ż–
10,7
25,8
40,4
23,1
+ż
24,5 29,6 30,4 21,1 32,6
43,8 43,7 39,6 39,4 32,5
23,1 18,9 13,2 27,5 21,7
n. s.
ż–
8,6 7,8 16,8 12,0 13,2
–ż
9,7
26,5
39,3
––
10,2 12,3 827
21,9 29,7 1950
42,9 39,3 2528
żż żż ż–
N
3685 ***
2820
**
**
196 278 189 496 516
24,5
***
679
25,0 18,7 1200
***
466 6505 3685
*** ***
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant.
Bei diesem Vergleich wie auch bei der weiteren Differenzierung nach Herkunftsland sollte ein niedrigeres oder höheres Einwanderungsalter jedoch nicht per se als charakteristisch für eine Migrantengruppe angesehen werden. Denn hier gilt es, die mathematisch bedingte Korrelation zwischen Einreisezeitpunkt, Einwanderungs- und Lebensalter zu beachten (zu methodischen Erläuterungen vgl. 9.1.2, zur Altersstruktur vgl. auch Tab. IV-1 im Anhang IV).157 Wie vorne 156
Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht geklärt werden, wie viele dieser im Alter von 16 oder 17 eingewanderten Jugendlichen in Deutschland überhaupt noch allgemeinbildende Schulen oder außerschulische Maßnahmen mit dem Ziel, einen Schulabschluss zu erwerben, besuchten. 157 Bei einer Berechung des durchschnittlichen Einwanderungsalters für alle minderjährig Zugewanderten unabhängig von ihrem Alter im Erhebungsjahr 2005 weisen etwa Kinder aus EU-Staaten und nicht mehr jene aus Polen den niedrigsten Durchschnittswert auf.
202
argumentiert, wurde das konkrete Einreisealter der minderjährig Zugewanderten zudem kaum von zuwanderungsrechtlichen Kriterien beeinflusst. Als Kontrollvariable wird das zwischen den Gruppen variierende Einreisealter aber in den späteren Schätzmodellen Berücksichtigung finden. 7.1.6 Sprachpraxis Informationen über die für die späteren Bildungschancen wichtigen deutschen Sprachkompetenzen zum Aufenthaltsbeginn und in den ersten Jahren des Schulbesuchs sind in den verwendeten Datensätzen nicht verfügbar. Der Jugendsurvey liefert mit seiner Frage nach dem Sprachgebrauch in den Familien der Untersuchungsteilnehmer(innen) zum Erhebungszeitpunkt zumindest einen Indikator für den Stand der vorangegangenen sprachlichen Integrationsprozesse (s. Tab. 7-5). 30% der Aussiedler(innen) gaben an, in ihrer Familie nur oder überwiegend Deutsch zu sprechen, während dies bei den anderen Migrant(inn)en mit 17% signifikant seltener der Fall war. Da unter Aussiedler(inne)n vermutlich nur die kleine Gruppe der Rumäniendeutschen, ca. 6% der Aussiedlerjugendlichen im Jugendsurvey, zu Beginn des Aufenthalts bereits Deutsch sprach (vgl. Kap. 4.3), fand also bei einem weiteren Viertel der Aussiedlerfamilien im Laufe des Aufenthalts eine sprachliche Assimilation statt. Unter den anderen Migrant(inn)en verwendeten 42% zu Hause nur oder überwiegend ihre Herkunftssprache – bei Aussiedler(inne)n beträgt dieser Anteil nur 20%. Somit zeigen sich bezüglich sprachlicher Integrationsmuster klare Gruppenunterschiede zwischen Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus, wie sie ähnlich auch in früheren Untersuchungen im Vergleich von Schüler(inne)n, die oder deren Eltern aus Russland und der Türkei stammten, festgestellt worden sind (Müller/Stanat 2006: 236; Beisenherz 2006: 46). Aussiedlerfamilien weisen also häufiger ein sprachlich assimilatives Verhalten auf, das, wie im vorangegangenen Kapitel argumentiert, durch die aussiedlerspezifischen Zuwanderungskriterien und die spezielle staatliche Deutschförderung beeinflusst wurde.158
158
In hier nicht abgebildeten multivariaten Analysen habe ich überprüft, ob die festgestellten Gruppenunterschiede auch unter statistischer Kontrolle potenzieller Determinanten linguistischer Integrationsprozesse Bestand haben. Dies ist der Fall, die Disparitäten erweisen sich als sehr robust. Neben der Unterscheidung zwischen Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus hat sich eine kurze Aufenthaltsdauer als einflussreich erwiesen. In Zuwandererfamilien, in denen die Eltern ein niedriges Bildungsniveau aufweisen, wird häufiger nur die Herkunftssprache gesprochen. Ob nur Deutsch gesprochen wird oder eine bilinguale Kommunikationsform vorherrscht, wird dagegen nicht vom kulturellen Kapital der Eltern beeinflusst.
203
Tab. 7-5:
Sprachgebrauch in den Familien von minderjährig Zugewanderten (16- bis 29-Jährigen) nach dichotom unterschiedenem Rechtsstatus bei Einreise
Familialer Sprachgebrauch nur deutsch überwiegend deutsch teils/ teils überwiegend andere Sprache nur andere Sprache
Rechtsstatus bei Einreise Aussiedler(in) Ausländer(in) in % (Spalten) 13,9 4,3
Gesamt
N
10,1
45
16,2
12,2
14,7
63
49,7
41,0
46,3
215
15,2
19,1
16,8
78
5,1
23,4
12,2
56
Datenbasis: Jugendsurvey 2003; eigene Berechnungen. Anmerkungen: Grundgesamtheit analog zur Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentwerte design- und altersgewichtet; Signifikanzniveau der Verteilungsunterunterschiede: p < 0,001.
7.1.7 Bildung der Eltern Bezogen auf das Bildungsniveau der Eltern der untersuchten Jugendlichen unterscheiden sich Aussiedler(innen) signifikant von anderen Migrant(inn)en (s. Abb. 7-3). Für Aussiedlereltern ist ein niedriges bis mittleres Bildungsniveau charakteristisch159, während die anderen Migranteneltern eine deutlich U-förmige Verteilung aufweisen. Einerseits haben diese in ihren Herkunftsländern mit 29% häufiger das Äquivalent eines Abiturs erworben als Aussiedler(innen) (22%), und auch der Anteil der Akademiker(innen) liegt mit 17% sechs Prozentpunkte über dem der Aussiedlereltern (11%).160 Andererseits hat unter den Migranteneltern ohne Aussiedlerstatus fast ein Viertel die Schule ohne Abschluss verlassen, während dies bei Aussiedler(inne)n fast gar nicht vorkommt. Die weitere Differenzierung der als Ausländer(innen) Zugewanderten offenbart dabei eine große Heterogenität. Zunächst ein Blick auf die Elternhäuser, die ihren Kinder viel kulturelles Kapital boten: Die Migranteneltern aus der 159
Da die im Mikrozensus erfassten Bildungsabschlüsse nicht an die Zertifikatstypen der Herkunftsländer angepasst sind, sondern hier als eher grober Indikator für das kulturelle Kapital dienen, werden die Prozentwerte nicht direkt mit den in Kapitel 4.4 berichteten bisherigen Erkenntnissen über die Qualifikation von Aussiedler(inne)n verglichen. 160 Von jenen Aussiedlereltern, die einen niedrigen oder mittleren Schulabschluss haben, haben 81% auch eine berufliche Ausbildung, bei den anderen Migranteneltern liegt dieser Anteil nur bei 61%.
204
ehemaligen Sowjetunion weisen ein sehr hohes Bildungsniveau auf, was sich mit anderen Forschungserkenntnissen deckt, wonach jüdische Kontingentflüchtlinge aus der Ex-UdSSR fast zur Hälfte einen akademischen Abschluss haben (vgl. Haug 2005b: 9, 12; Haug 2007: 23ff.). Hier hatten Aussiedlerkinder also relative Nachteile: Russlanddeutsche Eltern (vgl. Abschnitt 7.3.3) stammen deutlich seltener als jüdische Kontingentflüchtlinge aus dem ex-sowjetischen ‚Bildungsbürgertum‘. Dabei war bei keiner dieser beiden politisch-rechtlich privilegierten Migrantengruppen ein bestimmter Bildungsabschluss ein Einreisekriterium. Abb. 7-2: Schulbildung der Eltern von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern 0%
Aussiedler(in)
20%
1,6
Ausländer(in), darunter aus:
EU
Ex-Jugoslawien kein Abschluss
34,3
29,0
14,4 51,6
43,9 40,7
6,9
25,4 15,7
HS-Äquivalent
29,4 40,4
18,9
51,2 18,5
40,5
25,3
17,7
21,8
100% 22,3
21,3
19,8
Türkei
80%
35,0
27,1
Polen 0,0
außereurop. 'Flüchtlingsländer'
60%
41,1 22,3
Ex-UdSSR 0,0
sonstig. Drittstaaten
40%
3,2 5,2
38,5
16,5
50,7
MR-Äquivalent
36,2 17,1
16,5
Abi-Äquivalent
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; N= 1547, fehlende Angaben n = 10; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterunterschiede: p < 0,001; HS = Hauptschulabschluss, MR = Mittlere Reife, Abi = (Fach-)Abitur; vgl. auch die Tab. IV-3 im Anhang IV.
Auch unter Pol(inn)en ohne Aussiedlerstatus sowie unter Migrant(inn)en aus den außereuropäischen ‚Flüchtlingsländern‘ und sonstigen Drittstaaten haben die Eltern signifikant häufiger als Aussiedlereltern das ausländische Äquivalent eines Abiturs. Dass erwachsene Migrant(inn)en, die teils als Asylsuchende in der Bundesrepublik Aufnahme fanden, auch aus der gebildeten Oberschicht ihres jeweiligen Herkunftslands stammten, deckt sich mit Ergebnissen zweier Fallstudien zu Flüchtlingen in Deutschland (Heun u. a. 1992: 61; Blahusch 205
1992: 63).161 Bis auf die – im Mikrozensus nicht identifizierbare – kleine Gruppe der Arbeitsmigrant(inn)en aus Drittstaaten, die in die Bundesrepublik einreisen durften, um eine temporäre Beschäftigung anzutreten, die eine akademische Ausbildung voraussetzte, beruhen diese hohen Anteile von Erwachsenen mit hoher (schulischer) Bildung auf Selbstselektion, die von bundesdeutscher Zuwanderungsregulierung unbeeinflusst war. In den vorangegangenen Kapiteln habe ich aber auch argumentiert, dass das kulturelle Kapital von Migranteneltern indirekt durch Zuwanderungspolitik beeinflusst wurde, indem bestimmte rechtliche Zuwanderungswege ex- oder implizit auf spezifische Herkunftsländer mit mehr oder weniger ausgebauten Bildungssystemen beschränkt waren. In der Konsequenz sollten bei erwachsenen Migrant(inn)en aus ärmeren Staaten mit niedrigen nationalen Bildungsstandards unter den gering Gebildeten (also z. B. unter jenen ohne weiterführenden Schulabschluss) der Anteil der Bildungsarmen, die nicht bis zum Ende der formal gültigen Schulpflicht eine Schule besuchen konnten, besonders hoch sein. Dies zeigt sich bei der gesamten Gruppe der als Ausländer(innen) Zugewanderten, die ja nicht mehrheitlich aus wohlhabenden Industrienationen kamen, und beispielsweise auch bei Migranteneltern aus den außereuropäischen ‚Flüchtlingsländern‘. Unter Letzteren ist zwar der Anteil derjenigen, die im Herkunftsland höchstens das Äquivalent eines Hauptschulabschluss erreicht hatten (47%), in etwa vergleichbar mit dem unter den Aussiedler(inne)n (43%), allerdings hat gut die Hälfte von diesen 47% gar keinen Schulabschluss. Bei Aussiedler(inne)n ebenso wie bei anderen Migrant(inn)en aus der ehemaligen Sowjetunion und Polen sind dagegen die Anteile der Zertifikatslosen entsprechend meiner Überlegungen vernachlässigenswert gering. Angesichts des durchschnittlichen ökonomischen Entwicklungsniveaus der EU-Staaten hatte ich jedoch nicht erwartet, dass auch unter den Eltern aus diesen Ländern ein relativ hoher Anteil unter den gering Gebildeten gar keinen Schulabschluss hat. Offenbar konnten diese Eltern in ihrer eigenen Kindheit noch nicht von einem in allen Regionen durchgängig durchgesetzten Mindestniveau an schulischer Bildung profitieren.162 Unter den Eltern der türkeistämmigen Jugendlichen haben nicht nur neun von zehn keinen weiterführenden Abschluss, sondern auch mehr als die Hälfte dieser gering Gebildeten hat die Schule in der Türkei ohne jeglichen Abschluss verlassen – ein in diesen Dimensionen 161
Unter als Erwachsene zugewanderten Menschen weisen jene aus dem Iran (67%), Afghanistan (41%) und dem Irak (46%) besonders hoher Anteile von Migrant(inn)en mit ausländischem AbiturÄquivalent auf (s. Definition der ‚potenziellen Elterngeneration‘ in Tab. IV-3 im Anhang IV). 162 Zumindest bei denjenigen Migranteneltern aus EU-Staaten, bei denen es sich noch um einstige ‚Gastarbeiter(innen)‘ handelt, ist ihr insgesamt niedriges Bildungsniveau auch eine Konsequenz dessen, dass sie von deutschen Firmen angeworben wurden, um eine gering qualifizierte Beschäftigung auszuüben.
206
unerwartetes Ausmaß an absoluter Bildungsarmut. Der Anteil der Zertifikatslosen unter den Ex-Jugoslaw(inn)en liegt deutlich über dem niedrigen Niveau, das für andere ehemals sozialistische Staaten Osteuropas üblich war. Möglicherweise waren unter den Bürgerkriegsflüchtlingen besonders viele, die – ähnlich wie Kurd(inn)en in der Türkei – aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit (z. B. als Kosovaren oder Sinti) beim Zugang zu Schulen in Jugoslawien Opfer von Diskriminierung waren. Das Ausmaß der Bildungsarmut unter erwachsenen Migrant(inn)en ist demnach zwar in der groben Tendenz, aber sicherlich nicht nur durch die rechtliche Beschränkung der Fluchtmigration auf eher ärmere Herkunftsländer zu erklären. Insgesamt sind die Gruppenunterschiede bezogen auf das elterliche kulturelle Kapital stark ausgeprägt, so dass gemäß der Hypothesen 5a bis c diesbezügliche Kompositionseffekte auf die Schulererfolge der Kinder zu erwarten sind. 7.1.8 Ökonomische Teilhabe der Eltern Dass die stark variierenden Niveaus des kulturellen Kapitals, das die Eltern der Untersuchungspopulation nach Deutschland mitbrachten, zu divergierenden Arbeitsmarktchancen und Verdienstmöglichkeiten führten, ist evident. In Ergänzung zu klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Argumenten wurde in Kapitel 3 aber auch dargelegt, dass der bloße Zugang zum Arbeitsmarkt ebenso wie unterstützende Integrationsmaßnahmen vom jeweiligen Rechtsstatus abhängig war. Bezogen auf die sozio-ökonomische Lebenssituation, wie sie die Migrantenkinder in ihren Familien erlebten, konzentrieren sich die Ausführungen auf den Erwerbs- und Berufsstatus des Haushaltsvorstands, hier als Vater oder allein erziehende Mutter definiert, und das Haushaltseinkommen zum Befragungszeitpunkt. Alle hier untersuchten Migrantengruppen sind insgesamt von einem dramatischen Ausmaß an ökonomischer Exklusion und materieller Benachteiligung gekennzeichnet.163 Überhaupt einer Erwerbsarbeit nachzugehen – was immerhin 84% der Aussiedlereltern gelang – erscheint schon als ein relativer Erfolg. Die in Tabelle 7-6 gezeigten Arbeitslosenquoten stimmen weitgehend mit Angaben zur wichtigsten Quelle des Haushaltseinkommens überein: 13% der Aussiedlerfamilien und 35% der anderen Migrantenfamilien bestritten ihren LebensunterZum Vergleich: Unter allen Eltern, die mit ihren 18- bis 20-jährigen Kindern in den alten Bundesländern zusammenlebten, betrug der Anteil der Arbeitslosen unter den Haushaltsvorständen 11%, 22% waren als Arbeiter(innen) erwerbstätig; entsprechend der Operationalisierung der Einkommensvariablen waren die vier Einkommensquartile etwa gleich stark besetzt.
163
207
halt vorwiegend aus Sozialtransfers, also aus Arbeitslosengeld, Arbeitslosenoder Sozialhilfe (vgl. ähnliche Ergebnisse bei Büchel u. a. 1996). Unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten waren fast vier von zehn Haushaltsvorständen (z. B. jene aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien) und unter jenen aus den typischen außereuropäischen Flüchtlingsländern sogar die Hälfte ohne Arbeit. Selbst die Eltern aus EU Staaten sowie die Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion, die ähnlich wie Aussiedler(innen) einen rechtlich uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt hatten, waren mit 28% bzw. 37% deutlich häufiger arbeitslos als Aussiedler(innen). Berufliche Stellung der Haushaltsvorstände und Haushaltseinkommen der Familien von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
208
Signifikanzniveau
Arbeitslos
Angestellte
N Arbeiter
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt N
Berufliche Stellung/Erwerbsstatus des Haushaltsvorstands Selbständige
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
Tab. 7-6:
++
3,0
in % (Zeilen) 15,6 65,7
15,6
ż–
7,3
15,2
39,5
38,0
***
598
+ż
13,4 13,3 [32,3] 6,6 20,6
37,0 47,4 [41,9] 48,3 34,6
37,1 28,0 [13,3] 38,5 37,1
***
ż–
12,5 11,3 [12,5] 6,7 7,7
***
56 62 37 105 132
–ż
6,9
12,5
29,4
51,2
***
108
––
0,0 4,9 75
16,0 15,4 244
44,8 54,2 869
39,3 25,5 367
***
98 1553
żż żż ż–
955
** *** ***
Signifikanzn.
3. u. oberstes Quartil
N
2. Quartil
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt N
Haushaltseinkommen (bedarfsgewichtet) unterstes Quartil
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
(Fortsetzung Tab. 7-6)
++
47,2
in % (Zeilen) 29,7
23,0
ż–
69,2
18,5
12,3
***
565
+ż
12,9 37,7 [26,3] 9,0 17,8
17,3 22,3 [31,6] 2,7 14,3
**
ż–
69,8 40,0 [42,1] 88,4 67,9
***
55 57 35 102 126
–ż
80,4
14,2
5,4
***
92
––
68,6 56,8 812
21,1 24,8 386
10,4 18,3 284
***
98 1482
żż żż ż–
917
n. s. n. s. ***
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant; fehlende Angaben bei beruflicher Stellung n = 2, bei Einkommen n = 75; vgl. auch die Tab. IV-3 im Anhang IV.
Die große Mehrheit derjenigen Migranteneltern, die erwerbstätig waren, hatten nur eine Anstellung als Arbeiter(in), wie es bezogen auf Aussiedler(innen) schon frühere Untersuchungen gezeigt haben (Hofmann u. a. 1992: 57; Koller 1997: 43; Mammey/Schiener 1998: 119). Die Bedeutung des Dienstleistungssektors erscheint angesichts der durchgängig niedrigen Anteile von Angestellten unter diesen Migranteneltern für deren ökonomische Teilhabemöglichkeit gering. Der Anteil der Beamt(inn)en liegt ohnehin im Promillebereich. Unklar ist, ob die deutlich höheren Anteile der als Selbständige erwerbstätigen Väter bzw. alleinerziehenden Mütter aus der Ex-UdSSR, Polen und den EU-Staaten per se als Indikator für eine ‚erfolgreichere‘ ökonomische Integration gedeutet werden sollten. Wie auch unter Angestellten schwankten unter Selbständigen das Einkommen und das berufliche Prestige vermutlich stark.
209
Dass die Verdienstmöglichkeiten der Migranteneltern auf dem deutschen Arbeitsmarkt insgesamt sehr beschränkt waren, zeigt sich auch in den geringen Haushaltseinkommen. Fast die Hälfte aller Aussiedlerjugendlichen und sogar gut 70% der anderen Jugendlichen lebten in Haushalten mit einem Haushaltseinkommen164 unterhalb der Armutsgrenze, d. h. sie waren im untersten Viertel der Einkommensverteilung verortet. Gerade weil diese Armutsquoten deutlich über den Arbeitslosenquoten der Haushaltsvorstände liegen, darf geschlussfolgert werden, dass die Erwerbstätigen unter ihnen häufig nur geringe Löhne erzielten. Es gibt also zwei ‚Negativ-Varianten‘ ökonomischer Benachteiligung: Aussiedlereltern waren oft ‚working poor‘, während andere Migrant(inn)en häufiger noch nicht einmal eine Arbeit fanden. Innerhalb der Gruppen mit vielen Flüchtlingen sind die extrem hohen Anteile von Einkommensarmen – z. B. 69% bei den ex-jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlingen und 80% bei den Migrant(inn)en aus der Ländergruppe Iran, Irak, Afghanistan, Afrika etc. – vermutlich auch durch die reduzierten Sozialhilfeleistungen, die Asylsuchende und Flüchtlinge mit Duldung gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten, sowie durch Arbeitsverbote oder -beschränkungen mit verursacht. Selbst wenn eine sehr kleine Minderheit der hier untersuchten Migrantenjugendlichen zu den Wohlhabenden in Deutschland zählten (4% sind im obersten Einkommensquartil situiert), lässt sich bezogen auf die sozio-ökonomische Lebenssituation der allermeisten Zugewanderten eher von unterschiedlichen Graden der Desintegration als von Integration sprechen. Offenbar leisteten dabei die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Aussiedler(inne)n mit einheimischen Deutschen und die ihnen vorbehaltenen Integrationsmaßen nur einen Betrag dazu, dass sie nicht so häufig arbeitslos blieben und ihren Kinder einen etwas höheren finanziellen Lebensstandard bieten konnten als die anderen Migranteneltern, die – trotz eines zum Teil höheren Bildungsniveaus – mehrheitlich ökonomisch marginalisiert waren. Ob sich die unterschiedlichen Grade der ökonomischen Benachteiligung gemäß Hypothese 6b auch auf die Bildungschancen der betroffenen Kinder niederschlugen, wird in Kapitel 8 überprüft. Während die bisherige Beschreibung der sprachlichen Integrationsverläufe in Migrantenfamilien, des im Herkunftsland erworbenen kulturellen Kapitals der Eltern und ihrer in Deutschland realisierten ökonomischen Stellung die familialen Lernausgangslagen der Migrantenkinder berührte, geht die nun folgende 164
In die Berechnung des bedarfsgewichteten Pro-Kopf-Einkommens fließt die zwischen den Migrantengruppen variierende Familiengröße mit ein (vgl. Kap. 4.6). In Aussiedlerfamilien lebten im Schnitt 2,0 ledige Kinder im Haushalt, in anderen Migrantenfamilien 2,4, in jenen aus der Türkei 3,4 (vgl. auch Tab. IV-2 im Anhang IV). Analysen mit dem Jugendsurvey zufolge, in dem die Anzahl der Geschwister direkt erfragt wurde, haben Aussiedlerjugendliche im Schnitt 1,8, andere Migrant(inn)en 2,9 Geschwister.
210
Betrachtung der Frage nach, ob die unterschiedlichen Migrantengruppen aufgrund divergierender Siedlungsmuster variierenden Schulstrukturen und schulischen Integrationspolitiken ausgesetzt waren, die für den Erwerb von Schulzertifikaten von Bedeutung gewesen sein könnten. 7.1.9 Siedlungsmuster: Bundesländer und Größe der Wohnorte Wie in den vorangegangenen Kapiteln begründet, teile ich die (alten) Bundesländer, in denen die Untersuchungspopulation zum Befragungszeitpunkt wohnte und vermutlich häufig zur Schule ging, in zwei Ländergruppen: Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland einerseits und Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Hessen, Berlin, Hamburg und Bremen andererseits. Die für die erste Ländergruppe typischen hohen Anteile von Hauptschulen und späte formale Gleichstellung von Aussiedler- und ausländischen Kindern dienen als Indikatoren für traditionelle Schulsysteme, die Schulsysteme der anderen Ländergruppe werden als reformiert bezeichnet (niedriger Anteil von Hauptschulen, frühe formale Gleichstellung von Aussiedler- und ausländischen Kindern). Tabelle 7-7 zeigt die Verteilung der Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus auf die Bundesländer. Ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung wohnten die meisten in den fünf großen Flächenstaaten. Alleine in Nordrhein-Westfalen und Bayern – deren kontrastierende schulische Integrationspolitiken in Kapitel 3.2.2.5 exemplarisch vorgestellt wurden – lebten 46% der Aussiedler(innen) und 42% der als Ausländer(innen) Zugewanderten. Zwar gibt es bezogen auf die einzelnen Bundesländer kleinere Verteilungsunterschiede zwischen Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus, hinsichtlich ihrer Verteilung auf die zwei Ländergruppen unterscheiden sie sich aber nicht (vgl. Tab. 7-8), so dass die Bedingung für einen diesbezüglichen Kompositionseffekt (Hypothese 7a) nicht gegeben sind. Gleichwohl bestehen signifikante Unterschiede zwischen Subgruppen. So wohnten EU-Bürger(innen) signifikant häufiger als Aussiedler(innen) in den Bundesländern mit traditionellen Schulsystemen, Migrant(inn)en aus außereuropäischen ‚Flüchtlingsländern‘ waren dagegen deutlich öfter als Aussiedler(innen) in der reformierten Ländergruppe beheimatet. Stärker variierende Siedlungsmuster sind bezüglich der Größe des Wohnorts – und damit des lokalen Angebots weiterführender Sekundarschulen – zu konstatieren. Hier fällt die für Migrant(inn)en untypisch hohe Konzentration von Aussiedler(inne)n in kleineren Gemeinden auf. 17% wohnten sogar in ländlichen Gemeinden, bei den anderen Migrant(inn)en traf dies nur auf 9% zu. 211
Tab. 7-7:
Verteilung von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) auf Bundesländer nach dichotom unterschiedenem Rechtsstatus bei Einreise
Bundesländer
Rechtsstatus bei Einreise Ausländer(in in % (Spalten)
Gesamt
14,3 17,5 6,3 2,0 1,0
14,4 19,2 4,5 2,3 1,5
14,3 18,3 5,4 2,2 1,3
31,9 12,3 9,6 2,0 2,0 1,0 3685
27,2 8,5 11,9 5,1 3,9 1,5 2820
29,7 10,5 10,7 3,5 2,9 1,2 6505
Aussiedler(in) mit traditionellem Schulsystem Bayern Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Saarland mit reformiertem Schulsystem Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Hessen Berlin Hamburg Bremen N
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor).
Unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten präferierten vor allem jene aus Polen und den außereuropäischen ‚Flüchtlingsländern‘ Großstädte. Das Siedlungsmuster von Aussiedler(inne)n, für die eine geringe Umzugsaktivität innerhalb Deutschlands typisch war (Haug/Sauer 2007: 88), wird auch als Resultat der Wohnortzuweisung nach der Einreise gedeutet. Die von staatlichen Beschränkungen nur wenig beeinflusste Wahl des Wohnorts der als Ausländer(innen) Zugewanderten führte dazu, dass sich die Verteilung der Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus bezogen auf die Bundesländer kaum, in Hinblick auf die Gemeindegröße jedoch deutlich voneinander unterscheiden.165 Entsprechend meiner Hypothese 9a gilt es daher in Kapitel 8 zu überprüfen, ob es für Aussiedlerkinder aufgrund ihrer stärkeren Konzentration in kleineren Gemeinden tatsächlich schwieriger als für die anderen Migrant(inn)en mit ihrer urbaner geprägten Siedlungsstruktur war, vor Ort Realschulen und Gymnasien zu besuchen. 165
Migrant(inn)en, die als Asylsuchende aus Drittstaaten kamen, unterlagen zum Befragungszeitpunkt offenbar nicht mehr mehrheitlich der Residenzpflicht, da sich sonst ein gleichmäßigeres Siedlungsmuster bezogen auf Bundesländer und Gemeinden hätte zeigen müssen.
212
Bundeslandtypen und Gemeindegröße von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonstige Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien
Gesamt N
42,0
+ż
ż–
58,7 46,2 70,6 55,6
ż–
in % (Zeilen)
Signifikanzniveau.
58,0
klein/länd.
ż–
mittel
41,1
in % (Zeilen)
Gemeindegröße
groß
58,9
mit tradition. Schulsystem
++
Signifikanzniveau
Bundeslandtyp mit reform. Schulsystem
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
Tab. 7-8:
N
28,4
38,1
33,5
n. s.
45,7
33,6
20,7
***
2820
41,3 53,9 29,4 44,4
n. s.
20,2 37,9 26,6 40,1
29,1 21,3 22,1 19,4
***
n. s.
50,7 40,9 51,3 40,5
***
196 278 189 679
53,8
46,3
**
44,9
30,8
24,4
***
516
–ż
74,0
26,1
***
54,0
30,0
16,0
***
496
––
51,7 58,5 3661
48,3 41,5 2844
***
43,9 36,7 2348
36,7 35,9 2341
19,4 27,4 1816
***
466
żż żż
*** **
3685
*** ***
6505
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant.
7.2 Schulische Integration von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus 7.2.1 Dem Schulabschluss zeitlich vorgelagerte Merkmale der Bildungsbiographie Der Jugendsurvey stellt einige ausgewählte Informationen über die Bildungsbiographie der Migrantenjugendlichen, die dem Erwerb der Schulabschlüsse zeitlich vorgelagert sind (der Besuch eines Kindergartens, Klassenwiederholun213
gen und Rückstufungen in einen niedrigeren Bildungsgang), sowie über die subjektiven Einstellungen zur Bedeutung von Bildung bereit. Ob Migrantenkinder in ihren Herkunftsländern einen Kindergarten – als ersten institutionellen Lernkontext im Lebensverlauf – besuchen konnten, hing auch vom Entwicklungsstand des dortigen Bildungssystems, in dem Fall der vorschulischen Erziehung, ab. In den osteuropäischen Ländern war der Besuch solcher vorschulischen Einrichtungen eher möglich und üblicher als in weniger entwickelten Staaten. So besuchten Aussiedlerkinder, die im schulpflichtigen Alter zuwanderten, signifikant häufiger (37 Prozentpunkte Differenz) als andere Migrant(inn)en im Herkunftsland einen Kindergarten (s. Tab. 7-9). Die hohe Quote unter Aussiedlerkindern kommt dem Ergebnis von Boos-Nünning und Karakaúo÷lu (2005: 179) nahe, in deren Untersuchung über 89% der befragten Aussiedlerinnen berichten, in der ehemaligen Sowjetunion einen Kindergarten besucht zu haben. Dagegen besuchten in der Türkei Mitte der 1990er Jahre nur 16% aller Kinder im Alter von null bis sechs Jahren eine Einrichtung der Vorschulerziehung (Kula/Barut 1999: 183f.), also vermutlich auch nur wenige Migrantenkinder aus der Türkei, die nach Deutschland einwanderten. Während ich lediglich von der Vermutung ausgehe, dass der Besuch eines Kindergartens im Herkunftsland auch die Lernfähigkeit im Aufnahmeland positiv beeinflusst haben könnte (z. B. durch die allgemeine Anregung der kognitiven Entwicklung der Kinder), weisen bisherige Forschungen nach, dass sich der Besuch eines Kindergartens im Aufnahmeland vor allem aufgrund der Möglichkeit eines frühen Zweitspracherwerbs positiv auf die spätere Bildungslaufbahn von Kindern aus Migrantenfamilien auswirkt (Becker/Tremel 2006; Becker 2006; Becker/Biedinger 2006). Aussiedlerkinder, die vor der Einschulung zuwanderten, besuchten signifikant häufiger (19 Prozentpunkte Unterschied) als die Vergleichsgruppe deutsche Kindergärten (s. Tab. 7-9). Dies mag einerseits an der Vertrautheit der Aussiedlereltern mit der Institution des Kindergartens im Herkunftsland gelegen haben. Andererseits begünstigten auch aussiedlerspezifische Regelungen den Besuch von Kindergärten. So sollten, wie in Kapitel 3.2.2.4 dargelegt, Aussiedlerkinder „im Vorschulalter bevorzugt in Kindergärten und Vorklassen aufgenommen werden“ (KMK 1997: Punkt 1). Ähnliche politische Willensbekundungen gegenüber anderen Migranteneltern gab es in dieser Phase nicht. Da im Allgemeinen Kinder von gering gebildeten und arbeitslosen Eltern seltener und später Kindergärten besuchen als die von höher gebildeten Eltern (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 38f.) und zugleich Migranteneltern ohne Aussiedlerstatus, wie oben gezeigt, überdurchschnittlich häufig bildungs- und einkommensarm waren, lag hier eine Kumulation von benachteiligenden Faktoren vor, der bildungs- und integrationspolitisch nicht entgegengewirkt wurde. 214
Tab. 7-9:
Kindergartenbesuch im Herkunftsland und in Deutschland nach Einreisealter und dichotom unterschiedenem Rechtsstatus bei Einreise
Rechtsstatus bei der Einreise
Aussiedler (in) Ausländer(in) N
Kindergartenbesuchsquote im Herkunftsland in Deutschland (Einreisealter 6-17)*** (Einreisealter 0-5) ** N nein ja nein ja in % (Zeilen) in % (Zeilen) 15,4 84,6 135 9,3 91,7 51,6 48,4 216 27,6 72,4 98 253 351 15 86
N 65 36 101
Datenbasis: Jugendsurvey 2003; eigene Berechnungen. Anmerkungen: Grundgesamtheit analog zur Definition des ‚großen‘ Mikrozensus-Samples in Tab. 6-1; Prozentwerte design- und altersgewichtet; Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01.
Im Laufe des Schulbesuchs mussten die von mir untersuchten migrierten Kinder häufig Klassenstufen wiederholen – eine bedeutendes negatives Ereignis in der Schulkarriere eines Individuums, das einerseits schulisches Versagen symbolisiert, andererseits entgegen der postulierten Intention nicht zu besseren Leistungen führt (Tillmann/Meier 2001: 475). Im Jugendsurvey gaben sowohl bei Aussiedlerjugendlichen als auch bei anderen Migrant(inn)en drei von zehn Befragten an, mindestens einmal eine Klasse wiederholt zu haben.166 Dieses Ergebnis ähnelt dem der PISA-Studie (Krohne/Meier 2004: 132), und auch nicht repräsentativen Untersuchungen zufolge mussten gut 43% der russlanddeutschen Aussiedlerinnen (Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005: 183; eigene Berechnung) und 30% unter eritreischen und iranischen Flüchtlingsjugendlichen (Heun u. a. 1992: 72f.) mindestens einmal in Deutschland eine Klasse wiederholen oder wurden zurückgestellt. Auswertungen des Jugendsurveys sprechen dafür, dass Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus noch etwas häufiger schulische ‚Abwärtskarrieren‘ durchliefen. Demnach wurden 15% der als Ausländer(innen) Zugewanderten in ihrer Schullaufbahn von einem höheren in einen niedrigeren Bildungsgang zurückgestuft, während dies auf nur 5 % der Aussiedlerjugendlichen zutraf. Diesem Gruppenunterschied lag jedoch, wie in Kapitel 3 gezeigt, keine rechtlich legitimierte Ungleichbehandlung von Migrantenschüler(inne)n mit und ohne Aussiedlerstatus zugrunde. 166
Im Mikrozensus bildet die Information, wer als 18-Jähriger immer noch die Sekundarstufe I besuchte, ebenfalls einen aussagkräftigen Indikator über verzögerte Schulkarriere (wer mit 18 Jahren noch in der zehnte Jahrgangsstufe ist, musste mindestens zwei Mal eine Klasse wiederholt haben oder bei der Einschulung zurückgestellt worden sein). Unter den 18-Jährigen besuchten 2005 noch 11% der Aussiedler(innen) und 14 % der anderen Migrantenjugendlichen die Sekundarstufe I.
215
Die Häufung negativer Ereignisse in den Schullaufbahnen von migrierten Kindern und Jugendlichen – hierbei insbesondere, aber keineswegs nur von jenen ohne Aussiedlerstatus – gäbe den Betroffenen reichlich Anlass zur Frustration und einer ablehnenden Haltung gegenüber Bildungsinstitutionen. Gefragt nach der subjektiven Bedeutung von Bildung und Ausbildung im Leben der Jugendsurvey-Teilnehmer(innen) stuften Aussiedler(innen) diese zwar signifikant höher ein als die anderen Migrant(inn)en. Aber selbst Letztere maßen der (Aus-)Bildung einen hohen Stellenwert bei – ähnlich hoch wie Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Diese Auswertungen sprechen für eine hohe schulische Motivation von Migrantenkindern allgemein, die in der internationalen Literatur als der für Zugewanderte spezifische „achievement drive“ bezeichnet wird (Portes/Rumbaut 2001: 258; im Ländervergleich s. OECD 2006: 92-95).167 7.2.2 Schulabschlüsse Schulabschlüsse der ersten Zuwanderergeneration und Einheimischer Bevor auf die Bildungsunterschiede innerhalb meiner Untersuchungspopulation, der ersten Migrantengeneration, eingegangen wird, sei in Erinnerung gerufen, dass diese trotz ihrer hohen Bildungsmotivation als Gruppe deutlich schlechter abschneidet als Einheimische derselben Geburtskohorten. Wie Tabelle 7-10 zeigt, liegt der Abiturientenanteil (inklusive der Schüler(innen) an gymnasialen Oberstufen, vgl. Kap. 6.3) bei Personen, die als Minderjährige zuwanderten, mit 26% um 18 Prozentpunkte unter dem der Personen ohne Migrationshintergrund. Die Quote der jungen Erwachsenen ohne Schulabschluss ist bei diesen Migrant(inn)en der ersten Generation mit 7,4% fast vier Mal so hoch, der Anteil der Hauptschulabgänger(innen) mit 40% fast doppelt so hoch wie bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. Die Bildungsniveaus der gleichaltrigen zweiten Zuwanderergeneration – hier danach differenziert, ob beide Elternteile oder nur eines im Ausland geboren wurde – liegen zwischen der Gruppe mit eigener Migrationserfahrung und den in Deutschland Geborenen ohne familiale Migra167
Diese hohe schulische Motivation spiegelt sich auch in weiteren Auswertungen des Jugendsurveys wider: Im Ausland geborene Schüler(innen) gaben signifikant häufiger als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund an, dass sie viele Schulfächer interessant fänden. Ihnen sind Schulnoten und ihren Eltern der schulische Erfolg sehr wichtig. Allerdings können sie seltener (ca. 10 Prozentpunkte Unterschied) mit der Unterstützung ihrer Eltern bei schulischen Schwierigkeiten rechnen. Ihre Eltern besuchen deutlich seltener Elternabende (28% im Gegensatz zum Durchschnitt von 50%). Hier ist die Datenbasis allerdings sehr schmal und beschränkt sich auf die etwas über 100 Migrantenjugendlichen, die zum Befragungszeitpunkt noch eine allgemeinbildende Schule besuchten. Diese Fallzahl ist zu gering, um Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus zu unterscheiden.
216
tionsgeschichte. Diese Gegenüberstellung soll noch einmal illustrieren, dass zumindest auf der Aggregatebene die Gruppe der minderjährig Zugewanderten das Risiko teilt, nur selten in Deutschland ein Abitur zu schaffen, und am unteren Ende der Bildungshierarchie überrepräsentiert ist. Tab 7-10: Schulabschlüsse von 18- bis 35-Jährigen nach Migrationshintergrund und Zuwanderergeneration Migrationshintergrund / Zuwanderergeneration 1. Zuwanderergeneration 2. Zuwanderergeneration: beide Eltern im Ausl. geb. 2. Zuwanderergeneration: ein Elternteil im Ausl. geb. Einheimische ohne Migrationshintergrund
Schulabschlüsse *** Kein Abschl. 7,4
HS
MR
Abi
N
40,4
26,6
25,6
6505
4,1
34,0
25,9
36,0
5027
2,5
21,2
25,0
51,3
2844
2,0
22,7
31,3
44,1
84616
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Grundgesamtheit auf Personen in alten Bundesländern inkl. West-Berlins beschränkt, zur 1. Zuwanderergeneration vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterschiede: *** p < 0,001.
Schulabschlüsse von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus bei der Einreise Vor diesem Hintergrund der allgemeinen Bildungsbenachteiligung von Migrant(inn)en hat innerhalb der ersten Zuwanderergeneration die Gruppe der Aussiedler(innen) deutlich bessere Bildungschancen als junge Menschen, die als Ausländer(innen) immigrierten. Dieses Kernergebnis meiner empirischen Untersuchung wird in Abbildung 7-3 veranschaulicht. Zwar liegt bei Ersteren der Abiturientenanteil nur fünf Prozentpunkte über dem der Letzteren. Aussiedler(innen) sind aber seltener bildungsarm: 61% von ihnen haben einen weiterführenden Schulabschluss – d. h. einen Realschulabschluss oder ein (Fach-) Abitur – während dies nur auf 43 % der anderen Migrant(inn)en zutrifft. Dies ist eine Differenz von 18,5 Prozentpunkten. Zudem liegt mit 13% der Anteil der als Ausländer(innen) Zugewanderten ohne Schulabschluss elf Prozentpunkte über dem der Aussiedler(innen) (2%). Wie verhalten sich die gerade dargestellten Ergebnisse der MikrozensusAnalysen zu den bisher vorliegenden Erkenntnissen über Schulerfolge von Aus217
siedler(inne)n? Eklatant ist der Unterschied zwischen den Mikrozensusergebnissen und den Schulstatistiken Nordrhein-Westfalens. Letztere zeigen offenbar ein zu negatives Bild. Im Jahr 2003 etwa erwarben in NRW nur 11,3% der als „ausgesiedelte Schülerinnen und Schüler“ geführten Absolvent(inn)en ein (Fach-) Abitur (MAGS 2005: 11) und auch in der Zeitreihe zu Schulbesuchsquoten für die Jahre 1987-2005 steigt der Anteil der Gymnasiast(inn)en unter Aussiedler(inne)n nie über 17% (MSW NRW 2005: 42; eigene Berechnung). Dagegen haben in meinen Analysen von den in NRW lebenden Aussiedler(inne)n mit 34% mehr als doppelt so viele ein Abitur.168 Diese Diskrepanz kann entweder an der unzureichenden Identifikation von Aussiedler(inne)n im Mikrozensus liegen, oder aber die Schulen in NRW, die den Aussiedlerstatus feststellen und mit anderen Schuldaten an das statistische Landesamt weiterleiten müssen169, erfassen Aussiedler(innen) auf eine unvollständige, selektive Art und Weise. Andere wissenschaftliche Untersuchungen kommen aber zu ähnlichen Ergebnissen wie meine Analysen mit dem Mikrozensus. Unter den im SOEP (Fuchs/Sixt 2008: 13) identifizierten (bis 1994 zugewanderten) Aussiedlerkindern liegt der Prozentsatz derjenigen, die in Deutschland ein (Fach-)Abitur erworben haben, mit 32,5% in etwa gleichauf mit dem Anteilswert, den ich für meine 1987-1992 zugewanderten Aussiedlerkohorten ermittelt habe (vgl. auch Kap. 7.4). Die Gymnasialbesuchsquote unter russlanddeutschen Aussiedlerjugendlichen in Naucks (2004: 33) Untersuchung liegt mit knapp 20% nur geringfügig unter dem Anteil von 23%, den Abiturient(inn)en unter Aussiedler(inne)n aus der Ex-UdSSR laut Mikrozensus stellen. Etwas ausgeprägter erscheinen die Unterschiede zwischen meinen Ergebnissen und der PISA-Studie (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 152, Tab. H3-1). Ihr zufolge besuchten im Jahr 2000 nur 18% der Neuntklässler(innen) aus der ehemaligen Sowjetunion Gymnasien. Allerdings erlangten vermutlich auch einige unter den 10%, die auf Integrierte Gesamtschulen gingen, später die Hochschulreife. Die Übergangsempfehlungen von Aussiedlerkindern in Kristens (2002: 541) Untersuchung von Mannheimer Grundschüler(inne)n entsprechen den hier gezeigten Ergebnissen zu den erreichten Schulabschlüssen.170 168
Der im Mikrozensus festgestellte geringe Anteil an Aussiedlerjugendlichen ohne Schulabschluss, ein Indikator für einen vorangegangenen Besuch von Sonderschulen, korrespondiert dagegen gut mit den nordrhein-westfälischen Schulstatistiken, denen zufolge im Schuljahr 2000/2001 Aussiedler(innen) an Sonderschulen unterdurchschnittlich vertreten waren (LDS NRW 2000: 23). 169 Vgl. Email-Korrespondenz mit Jörg-Peter Schräpler, Information und Technik NordrheinWestfalen (IT.NRW), vom 10.2.2010. 170 Andere, in Kapitel 4 rezipierte Studien zu Aussiedlerjugendlichen enthalten aus methodischen Gründen keine verlässlichen Angaben zu Schulabschlüssen. So wurde z. B. nicht versucht, anhand des Einreisealters zwischen im Herkunftsland oder in Deutschland erworbenen Abschlüssen zu unterscheiden (Boos-Nünning/Karakaúo÷lu 2005: 173f.).
218
Abb. 7-3: Schulabschlüsse von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern 0%
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus
20% 2,2
Ex-UdSSR EU
7,7
Polen Türkei sonstig. Drittstaaten außereurop. 'Flüchltingsländer' Ex-Jugoslawien
60%
36,7
13,0 6,4
40%
19,5
44,4
47,9
14,3 10,3
19,2
25,3 27,7
34,2 54,4
22,6 10,5
23,1 40,1
23,6
32,6
13,9 18,4
37,6 36,2
20,1
29,4 20,4
HS
9,1
33,4
54,4
kein Abschl.
100%
27,9
33,2
29,9
5,5
80%
MR
14,9
Abi
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; N = 6505; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterunterschiede: p < 0,001.
Insgesamt unterstreicht es die Validität meiner Ergebnisse, dass sowohl Studien, die Aussiedler(innen) nicht mit einer Zufallsstichprobe untersuchen konnten, als auch die hier vorgestellten Auswertungen der repräsentativen Daten des Mikrozensus in etwa übereinstimmen. Verbleibende Diskrepanzen hängen vermutlich nicht nur mit methodischen Differenzen bei der Datenerhebung, sondern auch mit der Definition der jeweiligen Grundgesamtheit zusammen. So spiegeln meine Ergebnisse auf Basis des Mikrozensus nicht den Bildungserfolg ‚der‘ Aussiedler(innen), sondern den der hier untersuchten spezifischen Zuwanderungs- und Alterskohorten wider, die aber einen deutlichen größeren Personenkreis umfassen als alle bisherigen Untersuchungen. Die Schulabschlüsse der als Ausländer(innen) Zugewanderten können nicht mit Analysen auf Basis anderen Datenquellen verglichen werden (vgl. Anmerkungen in Kap. 4). Sowohl die Resultate zur gesamten Gruppe der Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus als auch die Ergebnisse, die nach Herkunftsland und dem damit assoziierten typischen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus differenzieren, betreten empirisches Neuland. 219
Die Migrant(inn)en aus der ehemaligen Sowjetunion, bei denen es sich vorwiegend um jüdische Kontingentflüchtlinge handelt, sind von allen hier unterschiedenen Migrantengruppen mit einem Abiturientenanteil von 40% mit Abstand die bildungserfolgreichste Gruppe. Der Anteil unter den ex-sowjetischen ‚Nicht-Aussiedler(inne)n‘, der höchstens einen Hauptschulabschluss in Deutschland erreichte, unterscheidet sich jedoch nicht signifikant von dem der Aussiedler(innen); mit 6,4% blieben sogar fast drei Mal so viele Personen wie unter den Aussiedlerjugendlichen ohne Schulabschluss.171 Die EU-Angehörigen schneiden bereits deutlich schlechter als Aussiedler(innen) ab. Die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus aus Polen weisen fast das identische Bildungsniveau wie Aussiedler(innen) auf.172 Besonders hohe Anteile von Personen ohne Abschluss (23%) oder nur mit einem Hauptschulabschluss (54%) weisen die Türkeistämmigen auf. Die Zugewanderten aus „sonstigen Drittstaaten“, deren politisch-rechtliche Inkorporationsmodi sich vom negativen bis in den neutralen Bereich erstrecken konnten, heben sich von Aussiedler(innen) dadurch ab, dass sich unter ihnen sowohl weniger Bildungsarme als auch mehr Bildungserfolgreiche, aber nur 18% mit einer Mittleren Reife befinden. In der Gruppe, die vor allem als Flüchtlinge aus außereuropäischen Ländern kam, war der Anteil derjenigen Personen, die nicht mehr als einen Hauptschulabschluss erlangten, mit 51% erheblich höher als unter Aussiedler(inne)n, während sich die jeweiligen Abiturientenanteile nicht signifikant voneinander unterscheiden. Innerhalb dieser Gruppe außereuropäischer Flüchtlinge gibt es große Disparitäten, z. B. kontrastiert der sehr geringe Abiturientenanteil von 13% unter Migrant(inn)en aus afrikanischen Staaten mit dem von 61% unter solchen aus dem Iran. Unter Migrant(inn)en aus dem ehemaligen Jugoslawien, überwiegend Bürgerkriegsflüchtlingen, haben zwei Drittel höchstens mit einem Hauptschulabschluss die Schule in Deutschland verlassen. Insgesamt fällt auf, dass Aussiedler(innen) im Vergleich zu den meisten Subgruppen der Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus häufiger einen weiterführenden Schulabschluss haben und im Vergleich mit allen anderen Subgruppen geringere Anteile an Abschlusslosen aufweisen. Hinsichtlich des Abiturientenanteils verbergen sich hinter dem Durchschnittswert für alle ausländischen Migrant(inn)en erhebliche Disparitäten. Dabei wird die rechtliche Stratifizierung zwischen diesen Gruppen nur teilweise in einer entsprechenden auf den Schuler171
Noch deutlich besser als im Vergleich zu allen Aussiedler(inne)n schneiden die Kontingentflüchtlinge verglichen mit Russlanddeutschen ab, von denen nur 23% das deutsche (Fach-)Abitur und 44% höchstens einen Hauptschulabschluss erlangten (vgl. Tab. IV-5 im Anhang IV). 172 Verglichen mit Aussiedler(inne)n aus Polen haben andere polnische Migrant(inn)en einen um zehn Prozentpunkte geringeren Anteil an Abiturient(inn)en. Von der sehr kleinen Gruppe der aus Rumänien stammenden Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus hat die Hälfte, von Rumäniendeutschen dagegen nur ein Drittel höchstens einen Hauptschulabschluss (vgl. Tab. IV-5 im Anhang IV).
220
folg bezogenen Rangfolge widergespiegelt. Insbesondere der hohe Anteil an Bildungserfolgreichen unter den Kontingentflüchtlingen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie das geringe Bildungsniveau unter Migrantenkindern aus der EU lässt sich nicht von ihrer mittleren Positionierung im Spektrum politisch-rechtlicher Inkorporationsmodi ableiten. Im Anschluss an diesen Intergruppenvergleich der Bildungschancen und potenziellen Einflussfaktoren zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus bei der Einreise (vgl. auch das Resümee in Kap. 7.5) widmen sich die folgenden beiden Abschnitte den Disparitäten innerhalb der Gruppe der Aussiedler(innen). 7.3 Vergleich zwischen Aussiedlerkohorten: zuwanderungsspezifische und soziale Merkmale Der Intragruppenvergleich nimmt unterschiedliche Aussiedlerkohorten, deren politisch-rechtliche Aufnahmekontexte sich über die Jahre hinweg verschlechterten, in den Blick. In Abbildung 7-1 wurde bereits zu Beginn dieses Kapitels dargestellt, in welchen Jahren die als Kinder migrierten Aussiedler(innen) in die Bundesrepublik kamen. 31% der Aussiedlerkinder reisten in den Jahren 1987 bis 1989 ein, als ihr politisch-rechtlicher Aufnahmekontext noch relativ gut war und es noch keine verschärften Einreisekriterien gab, wie sie ab 1990 nach und nach in Kraft traten und eine abnehmende Aufnahmebereitschaft signalisierten. Unter allen Aussiedler(inne)n – als Oberbegriff – machten die ab 1993 migrierten Spätaussiedler(innen), die primär von der Reduzierung der Integrationsmaßnahmen betroffen waren, 39% aus. Ab 1996, als z. B. das Wohnortzuweisungsgesetz verschärft wurde, immigrierten 15% der hier untersuchten Jugendlichen. 7.3.1 Herkunftsländer und Zuwanderungsjahre Da die Anerkennung als Spätaussiedler(in) de facto auf Personen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion beschränkt wurde, kamen diese späteren Kohorten fast ausschließlich aus diesen Herkunftsländern (s. Tab. 7-11). (In der Operationalisierung des Aussiedlerstatus waren entsprechend der amtlichen Zuzugsstatistiken nur einige ‚Altfälle‘ aus anderen Staaten zugelassen.) Im Einklang mit den offiziellen Statistiken über den Aussiedlerzuzug waren die Zuzugskohorten der Jahre 1987 bis 1989 vor allem durch die Aussiedler(innen) aus Polen dominiert, wo die politischen Entwicklungen die Emigration früher möglich machte. Rumäniendeutsche machten nur bei den Zuwanderungskohor221
ten der Jahre 1990 bis 1992 eine substanzielle Minderheit von fast einem Fünftel aus. (Die in Kapitel 6.4.1 näher erläuterte Gruppe der Aussiedler(innen) ohne Angaben zum Herkunftsland hat über die Kohorten hinweg einen recht stabilen Anteil von um die 40%.) Tab. 7-11: Herkunftsländer von als Minderjährige zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr Zuwanderungsjahr
ExUdSSR
1987-1989 1990-1992 1993-1995 1996-2003 Gesamt
21,3 63,5 96,9 100,0 64,5
N
1412
Herkunftsland % ohne Rumänien Angaben zum Herkunftsland an Kohorten in % (Zeilen) 71,8 6,9 40,7 17,6 18,9 42,8 0,9 2,1 39,1 0 0 37,9 27,4 8,1 40,5 Polen
595
188
1490
Gesamt in % (Spalte)
N
30,9 30,0 23,7 15,4 100,0
1142 1104 870 569 -
-
3685
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor).
Dass Aussiedler(innen) aus Polen und Rumänien fast ausschließlich in den Zuwanderungskohorten bis zum Jahr 1992 vertreten sind, muss nicht per se als relevant für die Bildungschancen der Kinder erachtet werden. Die sozioökonomischen und politischen Strukturmerkmale dieser drei ehemals sozialistischen Staaten wiesen im Vergleich zu Herkunftsländern von Migrant(inn)en aus anderen Weltregionen vermutlich viele Ähnlichkeiten auf. Bedeutung für den Schulerfolg von Aussiedlerkindern erlangten deren Herkunftsländer jedoch indirekt, wenn sie als Proxy für die durchschnittlichen integrationsrelevanten sprachlichen und kulturellen Ressourcen der Eltern betrachtet werden. So belegt die in Kapitel 4 dargestellte Forschung zu Deutschkenntnissen von Aussiedler(inne)n klar, dass Rumäniendeutsche die höchsten Kompetenzen aufwiesen, mit weitem Abstand gefolgt von Aussiedler(inne)n aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Polen. Demnach waren Personen mit guten Deutschkenntnissen (vgl. Hypothese 10a) unter den Aussiedlerkohorten der Jahre 1990-1992 überrepräsentiert. Genauere Informationen über die im Herkunftsland erworbenen Deutschkenntnisse unterschiedlicher Aussiedlerkohorten existieren nicht.
222
7.3.2 Einreisealter Die Tabelle 7-12 zeigt, dass gut drei Viertel aller untersuchten Aussiedler(innen) im vollzeitschulpflichtigen Alter einwanderten, also klassische Seiteneinsteiger(innen) waren. Die hier sichtbare Assoziation eines historisch frühen Zuwanderungszeitpunkts mit einem jüngeren Einreisealter ist vor allem mathematisch bedingt (vgl. Kap. 8.1.2). Tab. 7-12: Einreisealter von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr Zuwanderungsjahr
0-5 J.
1987-1989
32,2
1990-1992
12,9
43,4
1993-1995
0,0
34,8
48,1
17,1
870
1996-2003
0,0
8,0
59,0
33,1
569
Gesamt
13,8
33,3
38,2
14,7
-
N
525
1215
1394
551
3685
Einreisealter *** 6-10 J. 11-15 J. in % (Zeile) 34,8 26,5 31,9
16/17 J.
N
6,4
1142
11,8
1104
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterschiede: *** p < 0,001.
Da im Mikrozensus der Schulerfolg aus den in Kapitel 6.3 dargelegten Gründen erst ab dem Alter von 18 gemessen werden kann, sind die Zellen für Aussiedlerkinder, die in den Jahren 1993 bis 2003 im Vorschulalter einwanderten, nicht besetzt; sie waren im Erhebungsjahr 2005 noch zu jung. Die Unterschiede im Einreisealter zwischen den Aussiedlerkohorten werden in den multivariaten Schätzmodellen statistisch kontrolliert (vgl. Kap. 8.4.1). 7.3.3 Bildung der Eltern Gar keine Erkenntnisse lagen bislang darüber vor, ob sich im Zeitverlauf das Bildungsniveau neu einreisender erwachsener Aussiedler(innen) veränderte. Meinen Analysen zufolge liegt bei den Eltern der untersuchten (18- bis 20jährigen) Aussiedlerjugendlichen eine klare negative Korrelation zwischen dem Zuwanderungszeitpunkt und dem im Herkunftsland erzielten schulischen Bil223
dungsniveau vor (s. Abb. 7-4). Unter den frühen Aussiedlerkohorten, die noch Ende der 1980er Jahre zuwanderten, hat noch ein Drittel das Äquivalent einer (Fach-)Hochschulreife. Dieser Anteil verringert sich unter denjenigen Spätaussiedler(inne)n, die ab 1996 einreisten, um mehr als die Hälfte auf lediglich 14%. Zudem steigt der Anteil der gering Gebildeten bei dieser Gruppe auf den höchsten Wert von 48%. Abb. 7-4: Schulbildung der Eltern von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 20-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr 0%
1987-89
1990-92
1993-95
1996-2003
20%
40%
43,3
37,2
42,2
48,2
max. HS-Äquivalent
60%
80%
23,5
100%
33,2
39,3
23,5
40,9
37,4
MR-Äquivalent
16,8
14,4
ABI-Äquivalent
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; N = 950, fehlende Angaben n = 7; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedlerkohorten: p < 0,001.
Die von aussiedlerspezifischen Anerkennungskriterien unbeeinflusste positive Selbstselektion der früheren Aussiedlerkohorten geht dabei vor allem auf die im Schnitt höher gebildeten Aussiedlereltern aus Polen und Rumänien zurück, von denen 41% bzw. 43% angaben, das Äquivalent eines Abiturs vorweisen zu können (bei Russlanddeutschen dagegen nur 16%).173 In Kapitel 8.4.2 werden daher die beiden Herkunftsländer als Proxy für ein überdurchschnittliches kulturelles Kapital unter Aussiedlereltern verwendet, um so in den späteren multiva173
Tab. IV-4 im Anhang IV weist für die nach ihren Herkunftsländern differenzierten Aussiedlereltern Angaben zu ihrer Schulbildung, der beruflichen Stellung und dem Haushaltseinkommen aus.
224
riaten Schätzungen der Bildungschancen einen entsprechenden Kompositionseffekt (vgl. Hypothese 10b) indirekt zu überprüfen. 7.3.4 Ökonomische Teilhabe der Eltern Angesichts des sinkenden Bildungsniveaus in den Spätaussiedlerkohorten ist es wenig überraschend, dass die ab 1993 Ausgesiedelten bis zum Befragungszeitpunkt auch ökonomisch weniger erfolgreich waren (Tab. 7-13). Tab. 7-13: Berufliche Stellung des Haushaltsvorstands und Haushaltseinkommen der Familien von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 20-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr Berufliche Stellung / Erwerbsstatus des Haushaltsvorstands ***
unterstes Quartil
2. Quartil
3. u. oberstes Quartil
26,7 23,0 13,0 10,9 18,6 180
Arbeitslos
1987-1989 1990-1992 1993-1995 1996-2003 Gesamt N
Haushaltseinkommen (bedarfsgewichtet) ***
Arbeiter
Angestellte / Beamte / Selbständ.
Zuwanderungsjahr
in % (Zeilen) 59,4 64,9 72,5 67,0 65,7 629
13,9 12,1 14,4 22,1 15,6 146
35,5 42,0 47,9 65,2 47,2 424
in % (Zeilen) 33,9 28,1 33,3 23,2 29,7 279
30,6 29,9 18,8 11,6 23,0 214
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; fehlende Angaben bei beruflicher Stellung n = 2, bei Einkommen n = 40; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedlerkohorten: *** p < 0,001.
In der Gruppe der 1996 bis 2003 Eingewanderten waren die Väter oder alleinerziehenden Mütter der Befragten besonders häufig arbeitslos (22%) und einkommensarm (65%). Allerdings muss hier bedacht werden, dass die früheren Aussiedlerkohorten bis zum Jahr 2005 auch länger Zeit hatten, sich beruflich zu etablieren, und nicht beurteilt werden kann, wie gut ihnen dies in den ersten Jahren ihres Aufenthalts gelang. Selbst die späteren Aussiedlerkohorten wiesen allerdings immer noch niedrigere Arbeitslosen- und Armutsraten auf, als sie für die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus üblich waren. 225
7.3.5 Siedlungsmuster: Bundesländer und Größe der Wohnorte Hinsichtlich der Siedlungsmuster weicht hauptsächlich die früheste Aussiedlerkohorte von den späteren ab. Die 1987 bis 1989 eingereisten Aussiedler(innen), hierunter vor allem jene aus Polen, wohnten häufiger in Bundesländern mit reformierten Schulsystemen (insbesondere in Nordrhein-Westfalen) sowie in größeren Städten, wo die strukturellen Gegebenheiten den Erwerb eines Abiturs erleichterten. Tab. 7-14: Bundeslandtyp und Gemeindegröße von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr Zuwanderungsjahr
1987-1989 1990-1992 1993-1995 1996-2003 Gesamt N
Bundeslandtyp *** mit reform. mit tradition. Schulsystem Schulsystem in % (Zeilen) 66,1 33,9 55,7 44,3 56,0 44,0 55,0 45,0 58,9 41,1 2091 1594
Gemeindegröße *** mittel klein/ ländl. in % (Zeilen) 38,8 37,8 23,4 23,0 37,5 39,5 22,1 39,1 38,8 27,7 38,3 34,0 28,4 38,1 33,5 1061 1391 1233 groß
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedlerkohorten: *** p < 0,001.
Insgesamt zeigt der Vergleich der unterschiedlichen Aussiedlerkohorten, dass die relative Verschlechterung des politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus im Laufe der 1990er Jahre mit einer Verringerung der mitgebrachten sprachlichen und sozio-kulturellen Ressourcen der Elterngeneration einherging. Bei den frühen Aussiedlerkohorten kumulierten Vorteile politisch-rechtlicher und sozialer Natur. 7.4 Schulabschlüsse unterschiedlicher Aussiedlerkohorten Diese – multidimensionale – Hierarchie zwischen früheren und späteren Aussiedlerkohorten spiegelt sich auch in den Schulabschlüssen wider, die Aussiedlerjugendlichen in Deutschland erzielten. Entsprechend der in Kapitel 5 formulierten Grundhypothese zu Aussiedlerkohorten zeigt die Abbildung 7-5, dass die 226
bis Ende der 1980er Jahre zugewanderten Aussiedlerkinder, die von einem besonders positiven politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus profitierten, in der Tat deutlich bessere Schulabschlüsse in der Bundesrepublik erreichten als spätere Kohorten, die mit zunehmenden Einschnitten bei den aussiedlerspezifischen Integrationsmaßnahmen konfrontiert wurden. Abb. 7-5: Schulabschlüsse von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 35-Jährigen) nach Zuwanderungsjahr 0%
1987-89
1,4
1990-92
1,3
20%
40%
60%
35,4
28,1
36,2
1993-95 2,9
1996-2003 4,6
80%
35,2
29,7
32,9
41,7
20,9
34,5
20,6
27,4
47,4
kein Abschl.
100%
HS
MR
Abi
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; N = 3685; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedlerkohorten: p < 0,001.
Auch diejenigen, die in der Hochzeit des Aussiedlerzuzugs, in den Jahren 1990 bis 1992 einreisten, schneiden deutlich besser ab als die Spätaussiedler(innen). Innerhalb der Gruppe der Spätaussiedler(innen) weisen die ab 1996 Zugewanderten noch einmal einen signifikant höheren Anteil an Hauptschulabgänger(inne)n aus; nur noch knapp die Hälfte hat einen weiterführenden Schulabschluss erreicht. 7.5 Zusammenfassung Beim eben präsentierten Intragruppenvergleich innerhalb der politisch privilegierten Gruppe der (Spät-)Aussiedler(innen) wurden parallele Trends offenbar. 227
Eine relative Verschlechterung des politisch-rechtlichen Aufnahmekontextes im Laufe 1990er Jahre ging mit geringeren Schulerfolgen der späteren Zuwandererkohorten, insbesondere der ab Mitte der 1990er Jahre eingereisten Spätaussiedler(innen), einher. Die vor dem Fall des ‚Eisernen Vorhangs‘ immigrierten Aussiedler(innen) dagegen konnten noch von einem sehr positiven Inkorporationsmodus profitieren und erzielten – im Intragruppenvergleich – die besten schulischen Ergebnisse. Insofern konnte auf der Aggregatebene meine Ausgangshypothese zu den Bildungschancen unterschiedlicher Aussiedlerkohorten untermauert werden. Zugleich wurde aber auch gezeigt, dass bezüglich der sozialen Zusammensetzung die frühen Kohorten weitere Vorteile hatten: Diese Aussiedlerkinder waren z. B. häufiger im Vorschulalter immigriert, lebten häufiger in Großstädten; ihre Eltern waren im Schnitt höher gebildet und hatten sich bis zum Befragungszeitpunkt ökonomisch besser etabliert als Spätaussiedler(innen). Hier ist also eine Kumulation von politisch-rechtlichen und sozialen Vor- bzw. Nachteilen zu konstatieren. Bei Rumäniendeutschen, die mehrheitlich in den Jahren 1989/90 in die Bundesrepublik kamen, wurden die politisch-rechtlichen und sozio-ökonomischen Vorteile noch um die primarsprachlichen Deutschkenntnisse ergänzt, die wie das Bildungsniveau der Elterngeneration nicht direkt durch die Aussiedlergesetzgebung, sondern vielmehr durch die Lebensbedingungen im Herkunftsland geprägt waren. In welchem Maße die sozialen und weniger die politisch-rechtlichen Vorteile für die höheren Bildungschancen der früheren Aussiedlerkohorten verantwortlich sind, wird im anschließenden Kapitel 8 untersucht. Beim Intergruppenvergleich – dem Vergleich von Aussiedler(inne)n mit als Ausländer(innen) Zugewanderten – ergab sich bezogen auf die rechtlichen und sozialen Lebensumstände ein komplexes Bild. Die politisch-rechtliche Stratifizierung zwischen Migrantengruppen war nicht deckungsgleich mit sozialen Vor- und Nachteilen. So hatte die zu allen Zeiten rechtlich privilegierteste Gruppe der Aussiedler(innen) im Vergleich zu den als Ausländer(innen) Zugewanderten nicht durchweg die bessere sozio-ökonomische Ausgangslage. Zwar hatten die Eltern von Aussiedlerjugendlichen häufiger zumindest ein mittleres Bildungsniveau erreicht und waren seltener arbeitslos als andere Migranteneltern, unter denen viel mehr in ihren Herkunftsländern gar keine allgemeinbildende Schule abgeschlossen hatten. Aussiedlerjugendliche gaben auch häufiger als die anderen Migrantenjugendlichen an, in ihren Familien Deutsch bzw. nicht ihre Herkunftssprache zu sprechen. Andererseits stammte unter Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus ein größerer Anteil aus hoch gebildeten Elternhäusern, und seltener als Aussiedler(innen) lebten sie in kleineren Wohnorten mit entsprechend eingeschränkten lokalen Bildungsangeboten. 228
Unterschiedliche Konstellationen von potenziellen Bildungsvor- und -nachteilen zeigten sich auch bei der Differenzierung der Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus nach ihrem Herkunftsland. Herkunftsländer stehen hier als Proxy für den jeweils typischen Rechtsstatus und politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus. Zugewanderte aus der ehemaligen Sowjetunion, darunter die rechtlich gut gestellten und politisch willkommenen jüdischen Kontingentflüchtlinge, wiesen einen besonders hohen Anteil an hoch gebildeten Eltern auf. Dies traf in etwas geringerem Maße auch auf Pol(inn)en ohne Aussiedlerstatus und Migranteneltern aus außereuropäischen Drittstaaten zu, von denen auch viele als politisch wenig willkommene Asylsuchende ihren Aufenthalt in Deutschland begannen. Im Gegensatz zur relativ hohen Positionierung von EU-Angehörigen in der rechtlichen Hierarchie war ihre sozio-ökonomische Ressourcenausstattung eher unterdurchschnittlich. Eine eindeutige und mit Aussiedler(inne)n deutlich kontrastierende Kumulation von Benachteiligungen traf die Türkeistämmigen – neben im Rahmen der Familienzusammenführung nachgezogenen Kindern auch eine substanzielle Minderheit von Asylsuchenden – und Migrant(inn)en aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten – mehrheitlich Bürgerkriegsflüchtlinge und als Gruppe am unzweifelhaftesten einem negativen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus zuzuordnen. Zusätzlich zu den ausländerrechtlichen Benachteiligungen als Asylsuchende oder Ausländer(innen) mit Duldung waren diese Migrantenkinder dadurch stark benachteiligt, dass viele ihrer Eltern ein sehr niedriges Bildungsniveau aufwiesen und ökonomisch marginalisiert waren. Ähnlich wie bei diesen unterschiedlichen Konstellationen ‚durchschnittlicher‘ rechtlicher und sozialer Vor- und Nachteile – den potenziellen Bildungsdeterminanten – fielen auch die Schulerfolge bei den verschiedenen Migrantengruppen uneinheitlich aus. So schnitten einzelne Teilgruppen der als Ausländer(innen) Zugewanderten, insbesondere jene aus der Ex-UdSSR, insofern besser ab, als dass sie häufiger als Aussiedler(innen) das Abitur erlangten. Dagegen blieben Aussiedler(innen) durchgängig seltener als alle anderen Migrant(inn)en ohne Schulabschluss und erlangten häufiger als die meisten anderen Zuwanderergruppen zumindest einen Realschulabschluss. Die Bildungsdisparitäten zwischen Aussiedler(inne)n und den mehrfach benachteiligten Migrant(inn)en aus der Türkei und Ex-Jugoslawien sind dabei besonders ausgeprägt. Diese in diesem Kapitel präsentierten bivariaten Ergebnisse zur Inter- und Intragruppenunterschieden werden im folgenden Kapitel mit multivariaten Schätzmethoden überprüft.
229
8 Multivariate Schätzmodelle zum Einfluss des Rechtsstatus von Migrant(inn)en auf ihren Schulerfolg
Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, welche Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen mit verschiedenen, hierarchisch stratifizierten Rechtsstatus bestehen. Dabei wurde zwischen Aussiedler(inne)n und als Ausländer(innen) Zugewanderten sowie zwischen Aussiedlerkohorten unterschieden, deren politisch-rechtliche Aufnahmekontexte sich zwischen Ende der 1980er und Ende der 1990er Jahre verschlechterten. Eben diese im Inter- und Intragruppenvergleich variierenden Bildungschancen und -risiken gilt es im Folgenden mit Hilfe multivariater statistischer Schätzmodelle zu erklären. Zwar geben die bivariaten Analysen bereits deutliche Hinweise darauf, dass die unterschiedlichen Lebenssituationen der verglichenen Gruppen ihre Bildungschancen beeinflusst haben könnten. Mittels multivariater statistischer Schätzmodelle lassen sich aber das gleichzeitige Wirken mehrerer Bildungsdeterminanten und eine mögliche gegenseitige Beeinflussung systematisch aufzeigen. In Kapitel 5 wurden mehrere Hypothesen dazu formuliert, wie der Einfluss des Rechtsstatus auf Bildungschancen vermittelt wird. Diese Annahmen werden nun im Rahmen des empirisch Möglichen (vgl. Kap. 6) multivariat getestet. Streng genommen wird hier allerdings nicht der Einfluss des Rechtsstatus per se überprüft. Die ganze Komplexität der – in Kapitel 2 theoretisch diskutierten – Wirkungsmechanismen und der – in Kapitel 3 für den deutschen Fall dargestellten – tatsächlich gewährten und verwehrten Rechte und Fördermaßnahmen kann mit sekundäranalytisch verwendeten Individualdaten nicht abgebildet werden. Stattdessen werden in den Analysen mit dem Mikrozensus de facto bestehende Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen analysiert, die sich hinsichtlich ihres Rechtsstatus und dem damit assoziierten politischrechtlichen Inkorporationsmodus, aber auch hinsichtlich vieler anderer Dispositionen voneinander unterscheiden. Würde man sich auf eine Institutionenanalyse auf der Makroebene beschränken, könnte nicht geklärt werden, ob die Bildungsungleichheiten, die im Aggregat zwischen Gruppen feststellbar sind, primär durch die mit dem Rechtsstatus verknüpften Wirkungsmechanismen begründet
230 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
sind, oder ob andere Einflüsse die Bildungsdisparitäten vergrößert oder auch geschmälert haben. Genau dies sollen die Analysen dieses Kapitels eruieren. Zunächst erfolgen im Abschnitt 8.1 methodische Erläuterungen zum positiven Selektionsbias des hier verwendeten Teilsamples des Mikrozensus, zur Kollinearität von Prädiktoren, zur Differenzierung der multivariaten Schätzmodelle und zur Reihenfolge meiner Hypothesentestung. Wie in Kapitel 7 widmet sich in der Darstellung der multivariaten Ergebnisse ein ausführlicherer Teil dem Vergleich zwischen Aussiedler(inne)n und als Ausländer(innen) Zugewanderten. Als erstes werden Hypothesen zu Kompositionseffekten und als zweites solche zu Interaktionseffekten getestet und damit folgende zwei Fragenkomplexe beantwortet: 1.
2.
Inwieweit ist die unterschiedliche soziale Zusammensetzung der Migrantengruppen ausschlaggebend für ihre relativen Bildungsvor- und -nachteile (Kap. 8.2)? Theoretisch unterschieden werden solche Kompositionseffekte, die von zuwanderungs- und integrationspolitischen staatlichen Interventionen mit beeinflusst wurden oder aber anderweitige Ursprünge haben. Wirken die an den Rechtsstatus der Aussiedler(innen) geknüpften Integrationspolitiken auf eine Weise, dass andere Bildungsdeterminanten in ihrem Einfluss modifiziert, also abgeschwächt oder verstärkt werden (Kap. 8.3)?
Im Abschnitt 8.4 zu den Bildungsungleichheiten zwischen Aussiedlerkohorten wird primär geprüft, ob diese Disparitäten Bestand haben, wenn andere – von der konkreten Aussiedlerpolitik teils unbeeinflusste – Faktoren statistisch kontrolliert werden. Dieser Intragruppenvergleich stellt einen weiteren indirekten Test der Wirkung des Rechtsstatus auf den Schulerfolg dar. Im letzten Teilkapitel (8.5) erfolgt eine zusammenfassende Diskussion der empirischen Ergebnisse. 8.1 Methodische Erläuterungen 8.1.1 Selektionsbias im kleineren Teilsample des Mikrozensus Im Kapitel 7 bezogen sich die meisten deskriptiven Ergebnisse auf das ‚große‘ Mikrozensus-Sample der 18- bis 35-jährigen Migrant(inn)en, die als Minderjährige einwanderten und deren Schulerfolge zum Befragungszeitpunkt im Jahr 2005 messbar sind. Wie in Kapitel 6.2 bereits erläutert, müssen die multivariaten Analysen mit dem kleineren Teilsample der bei ihren Eltern lebenden 18bis 20-Jährigen durchgeführt werden. Denn für die Erklärung der Bildung-
231
sungleichheiten zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichem Rechtsstatus sind Informationen über ihre Elternhäuser notwendig. Diese methodisch bedingte Einschränkung auf die kleinere Stichprobe hat zur Konsequenz, dass die Bildungsungleichheiten zwischen diesen Migrantengruppen – also die Varianz der abhängigen Variablen – geringer ausfällt als bei den bislang dargestellten bivariaten Ergebnissen. Während unter den 18- bis 35-Jährigen der Anteil der Aussiedler(innen), die einen weiterführenden Schulabschluss erreichten, um 18 Prozentpunkte über dem Anteil bei Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus liegt, beläuft sich diese Gruppendifferenz unter den 18bis 20-Jährigen auf 13 Prozentpunkte (s. Tab. 8-1). Schulabschlüsse von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Rechtsstatus bei Einreise/ Herkunftsland
politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus
Aussiedler(in) Ausländer(in), darunter aus: Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien Gesamt N
++
1,9
in % (Zeilen) 29,5 31,9
36,7
ż–
8,3
36,1
19,3
36,4
+ż
ż–
7,6 5,3 [0,0] 5,9 12,1
16,7 40,4 [22,7] 51,6 36,1
22,9 14,0 [25,7] 23,1 10,0
52,8 40,3 [51,6] 19,3 41,9
–ż
7,3
29,4
19,5
––
9,5 4,7 61
41,8 32,4 506
25,7 26,3 418
żż żż ż–
kein Abschl.
HS
Schulabschlüsse MR Abi
gesamt in % (Spalte)
N
56,0
957
***
44,0
600
**
***
3,9 4,6 2,4 6,7 9,6
56 62 37 105 132
43,8
**
8,1
108
22,9 36,6 572
***
8,7 100,0
100 1557
Signifikanzn.
Tab. 8-1:
* + ***
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10.
Die Bildungsdisparitäten zwischen den beiden Migrantengruppen sind vor allem deshalb geringer, weil sich bei diesen jüngeren Geburtskohorten die Mi232
grant(inn)en ohne Aussiedlerstatus dem Bildungsniveau der Aussiedler(innen) angenähert haben. In dieser Altersgruppe liegen die beiden Migrantengruppen hinsichtlich des Abiturientenanteils mit gut 36% gleich auf. Mit Ausnahme der Türkeistämmigen und der ex-jugoslawischen Migrant(inn)en weisen die Untergruppen der als Ausländer(innen) Zugewanderten höhere Abiturientenanteile als die Aussiedler(innen) auf. Aber immer noch fehlt Aussiedlerjugendlichen seltener als anderen Migrant(inn)en jeglicher Schulabschluss (6,4 Prozentpunkte Unterschied), und seltener weisen sie den niedrigsten Schulabschluss auf (6,6 Prozentpunkte Differenz). Die geringeren Bildungsdisparitäten in dem für die multivariaten Analysen geeigneten Teilsample beziehen sich also auf eine speziell selektierte Teilmenge der eigentlichen Untersuchungspopulation. Gerade bei Migrant(inn)en geraten mit der Untersuchung einer bestimmten Altersgruppe implizit unterschiedliche Zuwandererkohorten in den Fokus (vgl. Kap. 8.1.2). Deren soziale Charakteristika können sich aufgrund eines diskontinuierlichen Migrationsgeschehens innerhalb weniger Jahre verändern und unterschiedliche Bildungschancen zur Konsequenz haben.174 8.1.2 Kollinearität zwischen unabhängigen Variablen der Schätzmodelle Für die Untersuchungspopulation ist eine mathematisch bedingte Korrelation ihres Alters zum Befragungszeitpunkt (hier 2005), ihres Alters bei der Einreise und des Jahrs ihrer Einreise charakteristisch:175 Die 18- bis 20-Jährigen sind im Schnitt in jüngeren Jahren einwandert als die 18- bis 35-Jährigen (je höher das Einwanderungsalter desto eher liegt das Alter bei der Befragung im Jahr 2005 über 20). Zugleich sind frühe Zuwandererkohorten (bis Anfang der 1990er Jahre) in dem ‚kleinen‘ Sample nur noch vertreten, wenn sie im Vorschulalter einreisten (andernfalls sind sie deutlich über 20 Jahre alt). Dieser Selektionsbias variiert in seiner Relevanz für die hier unterschiedenen Migrantengruppen.176 174
Dass die Personen im ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample insgesamt besser als diejenigen im größeren Teilsample abschneiden, wird also nur teilweise an der für die Gesamtbevölkerung feststellbaren moderaten Bildungsexpansion liegen, die zwischen dem Ende der 1980er und dem Beginn der 2000er Jahre stattfand: Der Anteil der Personen mit Hauptschulabschluss nimmt um ca. fünf Prozentpunkte zugunsten von Abiturient(inn)en ab. 175 Im ‚großen‘ Mikrozensus-Sample ergeben sich für die drei metrisch skalierten Variablen folgende Zusammenhänge: r = 0,62 für Alter zum Befragungszeitpunkt und Einwanderungsalter, r = -0,41 für Alter und Einwanderungsjahr, r = 0,46 für Einwanderungssalter und -jahr. Bei standardisierten Zusammenhangsmaßen bedeutet 0 kein und +1 bzw. -1 ein starker Zusammenhang. 176 Ausländische Migrantenkinder aus Polen beispielsweise kamen mehrheitlich zwischen 1987 und 1989 nach Deutschland; von diesen ‚früh‘ Zugewanderten können im ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample
233
Konsequenzenreich für die Analyse der Intragruppenunterschieden zwischen Aussiedler(inne)n ist es, dass im Teilsample der 18- bis 20-Jährigen das Einwanderungsalter sehr stark mit dem Einreisejahr korreliert (0,97), also fast deckungsgleich ist. Denn innerhalb einer Geburtskohorte gilt: Einreisealter = Geburtsjahr minus Einreisejahr. Beispielsweise muss bei einem im Jahr 2005 20-Jähriger, der mit 15 Jahren eingereist, diese Zuwanderung im Jahr 2000 stattgefunden haben. Der Effekt der Zuwanderungsperiode auf Bildungschancen ist nicht mehr zu unterscheiden vom in der Forschung mehrfach nachgewiesenen Effekt des Einwanderungsalters. Somit können die Bildungsunterschiede zwischen unterschiedlichen Aussiedlerkohorten (Intragruppenvergleich) nicht mit dieser kleinen Stichprobe überprüft werden. Im stattdessen verwendeten ‚großen‘ Sample der 18- bis 35-Jährigen (ohne Elterninformation) ist die Korrelation zwischen dem Einreisejahr und dem Einreisealter deutlich geringer (0,36). Angesichts dieses dennoch verbleibenden statistischen Zusammenhangs muss zusätzlich zu bereits formulierten Hypothesen überprüft werden, ob die Bildungsvorteile der frühen Aussiedlerkohorten auf das im Schnitt jüngere Einreisealter zurückzuführen sind (Hypothese 10c). Bei der Überprüfung der Kollinearität zwischen anderen Prädiktorvariablen zeigt sich, dass mit Ausnahme des Zusammenhangs zwischen dem Rechtsstatus und der elterlichen Bildung (0,39) die Werte der Zusammenhangsmaße |0,3| nicht überschreiten (vgl. Tab. Vb-1 Anhang Vb (online)).177 8.1.3 Schätzmodelle und Vorgehen bei der Hypothesentestung Als Schätzmodell für die multivariaten Analyse wurde anstelle der logistischen Regression, die häufig für kategoriale abhängige Variablen verwendet wird, ein linear probability model gewählt. Wie im Anhang Va (online) ausführlich erläutert, folge ich damit der Kritik von Mood (2009: 6f.), der zufolge in logistischen Regressionen die Koeffizienten einer unabhängigen Variable zwischen Modellen mit einer unterschiedlichen Anzahl an Variablen und zwischen Modellen für unterschiedliche Samples (aber mit denselben unabhängigen Variablen) nicht vergleichbar sind. Eben diese Vergleichbarkeit ist aber notwendig, um insbesondere die Hypothesen zu Kompositionseffekten zu überprüfen. Das von Mood der 18- bis 20-Jährigen nur diejenigen berücksichtigt werden, die bei ihrer Einreise noch im Vorschulalter waren – eine gute Voraussetzung für den Schulerfolg. 177 Zwar korreliert auch das Haushaltseinkommen eher schwach mit dem beruflichen Status (0,24), der Anzahl der Kinder im Haushalt (0,22) und der Schulbildung der Eltern (0,18). Da aber fast alle Jugendlichen, deren Väter oder alleinerziehenden Mütter arbeitslos waren, auch in das unterste, d. h. ärmste, Einkommensquartil fallen, wird das Einkommen nicht zusätzlich zum Erwerbsstatus als unabhängige Variable mit in die Schätzmodelle aufgenommen.
234
(2009: 12, 14) als eine von mehreren Alternativen vorgeschlagene linear probability model ist eine linearen Regression, die die Wahrscheinlichkeit p schätzt, dass ein Ereignis (z. B. ein Abitur zu erwerben) eintrifft.178 Aus der Verwendung des linear probability models ergibt sich die Notwendigkeit, die ordinal skalierte abhängige Variable mit vier Ausprägungen in dichotome Variablen umzuwandeln: In Schätzmodellen, die mit dem Suffix „-a“ versehen sind, wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, einen weiterführenden Schulabschluss (Mittlere Reife/(Fach-) Abitur) anstatt höchstens einen Hauptschulabschluss (inkl. keinen Abschluss) zu erlangen – also die Vermeidung von Bildungsarmut. Die Modelle „-b“ schätzen die Wahrscheinlichkeit, ein (Fach)Abitur zu erlangen, also besonders bildungserfolgreich zu sein. Hier umfasst die Referenzkategorie Personen mit Real- und Hauptschulabschluss sowie solche ohne Abschluss. In Modellen mit dem Suffix „-c“ wird das Risiko, ohne Abschluss zu bleiben, geschätzt. Da die Schätzmodelle für die 18- bis 20-Jährigen mit N = 1546 eine relativ begrenzte Fallzahl aufweisen, werden die Modelle so sparsam wie möglich modelliert, um die Vorhersagekraft des Modells und den Signifikanzlevel der in Dummy-Variablen rekodierten Einflussfaktoren nicht zu schwächen. Prädiktoren, die in Modellen mit allen unabhängigen Variablen nicht mehr signifikant waren, werden nicht in die hier präsentierten Modelle aufgenommen.179 Zudem wurde die Anzahl der Ausprägungen einer Variable reduziert, wenn sich solche Ausprägungen nicht mehr als signifikant erwiesen (z. B. die Unterscheidung zwischen großen und mittelgroßen Gemeinden) und diese Ausprägungen nicht dennoch aus theoretischem Interesse beibehalten werden (z. B. Arbeiter(inne)n und Angestellten). Bei der für meine Untersuchung zentralen unabhängigen Variable, dem Rechtsstatus bei der Einreise, bilden die Aussiedler(innen) als die Gruppe mit dem besten Rechtsstatus und dem günstigsten politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus die Referenzkategorie. In einem als „Modell A“ bezeichneten Schätzmodell bleibt es bei dieser dichotomen Unterscheidung des Rechtsstatus, um die Besonderheit dieses Status im Vergleich zu allen als Ausländer(innen) Zugewanderten zu untersuchen. In dem „Modell B“ werden die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus nach Herkunftsländer(gruppen) eingeteilt. Um annähernd die rechtliche Stratifizierung innerhalb dieser Gruppe der als Ausländer(innen) Zugewanderten abzubilden, werden diese Subgruppen wie bereits in Kapitel 7 in 178
Im Anhang Vb (online) werden beispielhaft die binären logistischen Regressionen ausgewiesen, die den für den Intergruppenvergleich zentralen linear probability models der Tabellen 8-4 und 8-5 entsprechen und zu sehr ähnlichen Ergebnissen führen. 179 Aus diesem Grund wurden das Haushaltseinkommen und die Familienform (beide Eltern oder nur ein Elternteil anwesend) nicht berücksichtigt.
235
eine am jeweils typischen politisch-rechtlichen Aufnahmekontext orientierte Rangfolge geordnet (vgl. ausführlich Kap. 6.4.2 und 7.1.1). Die Schätzmodelle für Aussiedlerkohorten (Intragruppenvergleich) werden als „Modell C“ bezeichnet. Tabelle 8-2 gibt einen Überblick über die bezüglich der abhängigen und der zentralen unabhängigen Variable differenzierten Schätzmodelle. Tab. 8-2:
Differenzierung der zentralen Schätzmodelle UV: Rechtsstatus bei der Einreise Intergruppenvergleich Intragruppenvergleich Dichotom Differenziert: Aussiedlerkohorten unterschieden: Ausländer(in) nach Ausländer(in) Herkunftsländer als (vs AussiedProxy für ler(in)) polit.-rechtl. Inkorporationsmodi (vs Aussiedler(in))
AV: Schulabschlüsse
MR/Abi (vs max. HS) Abi (vs max. RS) HS/MR/Abi (vs kein Abschl.) Grundgesamtheit
Modell A-a
Modell B-a
Modell C-a
Modell A-b
Modell B-b
Modell C-b
Modell A-c
-
-
bei ihren Eltern lebende 18- bis 20jährige Migrant(inn)en (‚kleines‘ Mikrozensus-Sample, vgl. Tab. 6-1)
18- bis 35-jährige Migrant(inn)en (‚großes‘ Mikrozensus-Sample, vgl. Tab. 6-1)
Anmerkungen: AV = abhängige Variable, UV = unabhängige Variable, HS = Hauptschulabschluss, MR = Mittlere Reife, Abi = (Fach-)Abitur
Die Hypothesen werden in der in Tabelle 8-3 dargestellten Reihenfolge getestet, die gegenüber derjenigen im Kapitel 5 (vgl. dort Tab. 5-1) leicht abgewandelt ist. Zunächst werden (in Modell A und B) die Hypothesen zu Kompositionseffekten überprüft. Die Frage, ob Bildungsungleichheiten zwischen den Migrantengruppen auf ihre unterschiedliche Zusammensetzung bezüglich eines für Bildungschancen einflussreichen Faktors zurückzuführen sind oder nicht – dieses „oder nicht“ stellt die statistische Null-Hypothese dar –, wird mit dem Verfahren der „seemingly unrelated regression“ (Stata Release 10 2007; vgl. Zellner 1962: 347ff.) getestet. Der hier angewandte Ȥ2-basierte Wald-Test überprüft, ob sich die Koeffizienten einer Variable zwischen unterschiedlichen Modellen unterscheiden. Erst wenn solche Kompositionseffekte getestet sind, ist es sinnvoll, die erwarteten Netto-Effekte (Hyp. 1, 3/4 und 9) zu diskutieren. 236
Tab. 8-3:
Vorgehen beim Hypothesentesten
Hypothesen
Schätzmodell für Ursache der Effekte Hypothesentestung (vgl. Tab. 5-1) Hypothesen zum Einfluss unterschiedlicher Rechtsstatus (Intergruppenvergleich) Testen von Kompositionseffekten 5a Immigrationspolitik A-a, A-b, B-a, B-b, A-c 5b elterl. Bildung Selbstselektion + Detailanalysen zu A-a 5c Selbstselektion berufl. Stellung der A-a, A-b, B-a, B-b, A-c 6b Integrationspolitik Eltern + Detailanalysen zu A-a 7a Bundeslandtyp A-a, A-b, B-a, B-b Integrationspolitik 8a Gemeindegröße A-a, A-b, B-a, B-b Integrationspolitik Nettoeffekte in A-a, A-b, 1 Bleibesicherheit Integrationspolitik B-a, B-b symbolische Nettoeffekte in A-a, A-b, 9 Integrationspolitik In/Exklusion B-a, B-b Nettoeffekte in A-a, A-b, Immigrationspolitik + Deutschkenntnisse B-a, B-b Integrationspolitik 3/4 der Kinder/Eltern Detailanalyse von A-a mit / Immigrationspolitik ohne Rumäniendeutsche Testen von Interaktionseffekten 2 Einreisesalter A-a + Interaktionsterm Integrationspolitik 5d elterl. Bildung A-a + Interaktionsterm Integrationspolitik 7b,c Bundeslandtyp A-a + Interaktionsterm Integrationspolitik 8b Gemeindegröße A-a + Interaktionsterm Integrationspolitik Hypothesen zum Einfluss unterschiedlicher Rechtsstatus (Intergruppenvergleich) Testen von Kompositionseffekten 10c Einreisealter C-a, C-b Selbstselektion 10a Deutschkenntnisse Selbstselektion C-a, C-b, indirekter Test mit Herkunftsländern als Proxy 10b elterl. Bildung Selbstselektion für familiale Ressourcen
Um zu überprüfen, ob Faktoren, die für die Bildungschancen ein besonderes Risiko darstellen, wie z. B. ein hohes Einwanderungsalter (Hypothese 2), bei Aussiedler(inne)n weniger stark wirkten als bei den als Ausländer(innen) Zugewanderten, verwende ich im Modell A-a Interaktionsterme. Die Variable
237
Rechtsstatus (dichotom unterschieden) wird mit jeweils einer interessierenden unabhängigen Variable kombiniert.180 Beim Vergleich unterschiedlicher Aussiedlerkohorten (Modelle C-a und C-b) werden deren Bildungschancen unter Konstanthaltung mehrerer Kontrollvariablen, insbesondere des Einreisealters (Hypothese 10c) sowie des Herkunftslands, als Proxy für sprachliche (Hypothese 10a) und sozio-ökonomische Ressourcen (Hypothese. 10b), geschätzt. 8.2 Zuwanderungs- und integrationspolitisch bedingte Kompositionseffekte des Rechtsstatus auf den Schulerfolg 8.2.1 Erläuterung der Brutto-Modelle Zunächst zum so genannten Brutto-Modell, in dem nur der dichotom unterschiedene Rechtsstatus als Prädiktorvariable aufgenommen ist: Die Konstante im Modell A-a (Tab. 8-4, Spalte [Sp.] 1) drückt mit dem Wert 0,68 die vom Modell geschätzte Wahrscheinlichkeit von Aussiedler(inne)n aus, eine Mittlere Reife oder ein Abitur zu erlangen. Der Regressionskoeffizient b der Rechtsstatus-Variable von -0,12 (Sp. 1, Zeile [Z.] 1) zeigt, dass die als Ausländer(innen) Zugewanderten eine um -0,12*100 = 12 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit als Aussiedler(innen) haben, einen weiterführenden Schulabschluss anstelle maximal eines Hauptschulabschlusses zu erlangen.181 Dieser Effekt ist statistisch signifikant; die angegebenen Signifikanzniveaus beruhen durchgehend auf robusten Standardfehlern.182 180
Aus zwei mal zwei Variablenausprägungen werden dann im Interaktionsterm vier, z. B.: „Aussiedler in großen/ mittleren Gemeinden“, „andere Migranten in großen/ mittleren Gemeinden“, „Aussiedler in großen/ mittleren Gemeinden“, „andere Migranten in großen/ mittleren Gemeinden“. 181 Der Wert der Konstanten entspricht in der Kreuztabelle (Tab. 8-1) den 31,6% + 36,7% = 68,6% der Aussiedler(innen), die einen Realschulabschluss oder ein Abitur haben. Der Wert des Regressionskoeffizienten kommt den dort festgestellten 12,9 Prozentpunkten Differenz zwischen den beiden Gruppen nahe. Das Brutto-Modell des linear probability models spiegelt also die bivariate Ergebnisse sehr gut wider; aus der logistischen Regression in Tabelle Vb-2 im Anhang Vb (online) lässt sich dieselbe vorhergesagte Wahrscheinlichkeit ableiten. 182 Robuste, also ‚strengere‘ Standardfehler tragen der Heteroskedastizität der Residuen im linear probability model (Mood 2009: 15) sowie der geschachtelten Struktur der Stichprobenziehung des Mikrozensus Rechnung. Im ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample wohnten in einem der 1194 berücksichtigten Auswahlbezirke, den primären sampling units, im Schnitt 1,3 Befragungspersonen und in den befragten Haushalten 1,1 Personen, die entsprechend die gleichen Ausprägungen bei Haushaltsinformationen und Siedlungsstruktur haben. Mit robusten Standardfehlern wird nicht mehr von einer Unabhängigkeit der Beobachtungen innerhalb der Auswahlbezirke – und damit implizit auch nicht innerhalb der hierin verorteten Haushalte – ausgegangen (Email-Korrespondenz mit Ulrich Kohler, WZB, vom 9.12.2008 und 16.12.2009).
238
Bei der Schätzung der Chancen auf ein Abitur spielt diese Gruppenmitgliedschaft keine Rolle (Modell A-b, Tab. 8-4). Mit Blick auf die BruttoKoeffizienten im Modell B-b (Tab. 8-5), in denen die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus ausdifferenziert werden, zeigt sich aber – ebenfalls wie in den bivariaten Ergebnissen –, dass jener statistisch nicht-signifikante Effekt bezüglich des Abiturs dadurch zustande kommt, dass sich Bildungsnach- und -vorteile der Subgruppen ausgleichen. Zum Beispiel haben Migrant(inn)en, die ohne Aussiedlerstatus aus der ehemaligen Sowjetunion kamen, im Vergleich zu Aussiedler(inne)n eine um 18 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, die Hochschulreife zu erlangen (Sp. 1, Z. 1), Türkeistämmige dagegen eine um 18 Prozentpunkte geringere (Sp. 1, Z. 4). Der Beitrag des dichotom unterschiedenen Rechtsstatus (Modell A-a) zur statistischen Erklärung der Varianz des Schulerfolgs ist mit einem R2 von 0,01 relativ klein. Die Variable, die zusätzlich zwischen den als Ausländer(innen) Zugewanderten differenziert und damit indirekt die rechtliche Stratifizierung innerhalb dieser Gruppe abbildet, erklärt mit einem R2 von 0,04 (Modell B-a) immerhin das Vierfache. Dass die durch den Rechtsstatus erklärte Varianz in den multivariaten Schätzmodellen und die hierin reflektierten Bildungsdisparitäten zwischen Migrantengruppen dennoch nicht größer ausfallen, könnte, wie im anschließenden Kapitel 9 noch ausführlicher diskutiert, auf mehrere Gründe zurückzuführen sein: So liegt etwa der Fragebogen des Mikrozensus nur auf Deutsch vor, so dass vermutlich Migrant(inn)en mit sehr geringen Deutschkenntnissen nicht an dieser Umfrage teilnahmen und unter diesen NichtTeilnehmer(inne)n jene ohne Aussiedlerstatus stärker vertreten waren. Zudem sind gerade Ausländer(innen) ohne legalen Status, deren Zugang zum Bildungssystem nicht gesichert ist, im Mikrozensus wohl nicht enthalten. Schließlich kam es bei Zugewanderten ohne Aussiedlerstatus bis zum Erhebungszeitpunkt zu einer selektiven Abwanderung, da gerade viele rechtlich und ökonomisch schlecht gestellte Bürgerkriegsflüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber(innen) die Bundesrepublik verlassen mussten und eher besser integrierte Ausländer(innen) bleiben konnten. Ausgehend von den mit dem Mikrozensus messbaren bivariaten Bildungsunterschieden gehen die folgenden Abschnitte der Frage nach, wie sich diese Unterschiede verändern, wenn die Zusammensetzung der Migrantengruppen bezogen auf jene sozialen Merkmale statistisch kontrolliert wird, zu denen Hypothesen über Kompositionseffekten formuliert wurden.
239
Modell A-a, -b (linear probability model): Schätzung der Schulabschlussarten von Migrantenjugendlichen, Rechtsstatus dichotom unterschieden
240
Modell A-a: Wahrscheinlichkeit, einen weiterführenden Abschluss zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss) Unabhängige Variablen Ausprägungen Brutto1 2 3 mit Referenzkategorie Koeffizienten für nur ~ plus elterl. ~ plus alle UV Rechtsstatus Bildung berufl. Status Rechtsstatus bei Einreise 1 Ausländer(in) -0,12 *** -0,12 *** -0,08 * -0,09 ** (Ref. Aussiedler(in)) 2 höchster elterl. Schulabschluss Abi-Äquivalent 0,32 *** 0,33 *** 0,31 *** (Ref. max. HS-Äquivalent) 3 MR-Äquivalent 0,18 *** 0,17 *** 0,16 *** 4 kein Abschluss -0,12 * -0,06 n. s. -0,05 n. s. 5 Berufl. Status des Arbeitslose -0,10 ** -0,06 + Haushaltsvorstandes 6 Angestellte/Beamte 0,14 *** 0,05 n. s. (Ref. Arbeiter(in)) 7 Selbständige 0,10 + 0,07 n. s. Bundeslandtyp traditionelles 8 -0,19 *** (Ref. reform. Schulsystem) Schulsystem Gemeindegröße 9 klein/ländlich -0,12 *** (Ref. große/mittel) 10 Einwanderungsalter 6-10 J. -0,10 *** (Ref. 0-5 J.) 11 11-17 J. -0,18 *** 12 Geschlecht (Ref. männlich) weiblich 0,18 *** 13 Anzahl lediger Kinder im HH 3 Kinder -0,14 *** (Ref. 1-2 Kinder) 14 4 und mehr Kinder -0,17 *** 15 Konstante 0,68 *** 0,55 *** 0,55 *** 16 R2 0,01 *** 0,10 *** 0,11 *
Tab. 8-4:
*** *** n. s. * n. s. n. s.
0,64 *** 0,14 ***
-0,18 ***
0,30 0,17 -0,05 -0,08 0,03 0,06
-0,08 *
4 ~ plus Bundeslandtyp
(Fortsetzung von Tab. 8-4) Modell A-a: Wahrscheinlichkeit, einen weiterführenden Abschluss zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss) Unabhängige Variablen Ausprägungen 5 6 7 8 mit Referenzkategorie ~ plus ~ plus Ein~ plus ~ plus FamiGemeindereisealter Geschlecht liengröße größe Rechtsstatus bei Einreise 1 Ausländer(in) -0,07 ** -0,09 ** -0,08 ** -0,06 * (Ref. Aussiedler(in)) 2 höchster elterl. Schulabschluss Abi-Äquivalent 0,30 *** 0,29 *** 0,29 *** 0,29 *** (Ref. max. HS-Äquivalent) 3 MR-Äquivalent 0,17 *** 0,17 *** 0,16 *** 0,16 *** 4 kein Abschluss -0,05 n. s. -0,06 n. s. -0,07 n. s. -0,06 n. s. 5 Berufl. Status des Arbeitslose -0,08 * -0,07 * -0,06 * -0,06 * Haushaltsvorstandes 6 Angestellte/Beamte 0,03 n. s. 0,02 n. s. 0,01 n. s. 0,01 n. s. (Ref. Arbeiter(in)) 7 Selbständige 0,06 n. s. 0,06 n. s. 0,05 n. s. 0,05 n. s. Bundeslandtyp traditionelles 8 -0,16 *** -0,16 *** -0,16 *** -0,17 *** (Ref. reform. Schulsystem) Schulsystem Gemeindegröße 9 -0,07 ** -0,07 ** -0,06 * klein/ländlich -0,07 ** (Ref. große/mittel) 10 Einwanderungsalter 6-10 J. -0,06 * -0,06 * -0,07 ** (Ref. 0-5 J.) 11 11-17 J. -0,14 *** -0,14 *** -0,14 *** 12 Geschlecht (Ref. männlich) weiblich 0,16 *** 0,16 *** 13 Anzahl lediger Kinder im HH 3 Kinder -0,09 ** (Ref. 1-2 Kinder) 14 4 und mehr Kinder -0,07 + 15 Konstante 0,67 *** 0,72 *** 0,64 *** 0,66 *** 16 R2 0,15 ** 0,16 *** 0,19 *** 0,20 **
241
242
(Fortsetzung von Tab. 8-4) Modell A-b: Wahrscheinlichkeit, ein (Fach-)Abitur zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss/Mittlere Reife) Unabhängige Variablen Ausprägungen Brutto1 2 3 mit Referenzkategorie Koeffizienten für nur ~ plus elterl. ~ plus alle UV Rechtsstatus Bildung berufl. Status Rechtsstatus bei Einreise 1 Ausländer(in) -0,01 n. s. -0,01 n. s. 0,01 n. s. -0,01 n. s. (Ref. Aussiedler(in)) 2 höchster elterl. Schulabschluss Abi-Äquivalent 0,35 *** 0,35 *** 0,32 *** (Ref. max. HS-Äquivalent) 3 MR-Äquivalent 0,08 * 0,08 * 0,07 * 4 kein Abschluss -0,07 + -0,08 + -0,07 + 5 Berufl. Status des Arbeitslose 0,00 n. s. 0,01 n. s. Haushaltsvorstandes 6 Angestellte/Beamte 0,20 *** 0,10 * (Ref. Arbeiter(in)) 7 Selbständige 0,29 *** 0,23 *** Bundeslandtyp traditionelles 8 -0,19 *** (Ref. reform. Schulsystem) Schulsystem Gemeindegröße 9 klein/ländlich -0,01 n. s. (Ref. große/mittel) 10 Einwanderungsalter 6-10 J. 0,35 *** (Ref. 0-5 J.) 11 11-17 J. 0,08 * 12 Geschlecht (Ref. männlich) weiblich 0,11 *** 13 Anzahl lediger Kinder im HH 3 Kinder -0,07 * (Ref. 1-2 Kinder) 14 4 und mehr Kinder -0,15 *** 15 Konstante 0,36 *** 0,26 *** 0,25 *** 16 R2 0,00 n. s. 0,10 *** 0,11 ** *** * + n. s. * ***
0,33 *** 0,14 ***
-0,17 ***
0,31 0,07 -0,07 0,00 0,07 0,22
-0,01 n. s.
4 ~ plus Bundeslandtyp
243
(Fortsetzung von Tab. 8-4) Modell A-b: Wahrscheinlichkeit, ein (Fach-)Abitur zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss/Mittlere Reife) Unabhängige Variablen Ausprägungen 5 6 7 8 mit Referenzkategorie ~ plus ~ plus Ein~ plus ~ plus FamiGemeindereisealter Geschlecht liengröße größe Rechtsstatus bei Einreise 1 Ausländer(in) -0,01 n. s. -0,01 n. s. -0,01 n. s. 0,01 n. s. (Ref. Aussiedler(in)) 2 höchster elterl. Schulabschluss Abi-Äquivalent 0,31 *** 0,31 *** 0,31 *** 0,30 *** (Ref. max. HS-Äquivalent) 3 MR-Äquivalent 0,07 * 0,07 * 0,07 * 0,07 * 4 kein Abschluss -0,07 + -0,08 + -0,08 + -0,07 n. s. 5 Berufl. Status des Arbeitslose 0,00 n. s. 0,01 n. s. 0,01 n. s. 0,01 n. s. Haushaltsvorstandes 6 Angestellte/Beamte 0,07 + 0,07 + 0,07 + 0,06 + (Ref. Arbeiter(in)) 7 Selbständige 0,22 ** 0,22 *** 0,22 ** 0,22 ** Bundeslandtyp traditionelles 8 -0,15 *** -0,15 *** -0,15 *** -0,15 *** (Ref. reform. Schulsystem) Schulsystem Gemeindegröße 9 -0,07 ** -0,07 ** -0,06 * klein/ländlich -0,07 * (Ref. große/mittel) 10 Einwanderungsalter 6-10 J. -0,01 n. s. -0,01 n. s. -0,01 n. s. (Ref. 0-5 J.) 11 11-17 J. -0,07 * -0,07 * -0,07 * 12 Geschlecht (Ref. männlich) weiblich 0,10 *** 0,10 *** 13 Anzahl lediger Kinder im HH 3 Kinder -0,04 n. s. (Ref. 1-2 Kinder) 14 4 und mehr Kinder -0,08 * 15 Konstante 0,35 *** 0,37 *** 0,32 *** 0,34 *** 16 R2 0,14 ** 0,15 * 0,16 *** 0,16 n. s. Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines Mikrozensus-Sample“ in Tab. 7-1; Brutto-Koeffizienten für alle unabhängigen Variablen jeweils ohne Kontrolle weiterer Variablen; Standardfehler (robust) adjustiert für 1194 Cluster auf der Ebene der Auswahlbezirke; Signifikanzniveaus der Koeffizienten und – jeweils rechts neben R2 – der Verbesserung der Vorhersagekraft des Modells gegenüber dem Vorgängermodell (Sp. 2-8, Z. 16, in Sp. 1 gegenüber dem Null-Modell): *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10,
Modell B-a, -b (linear probability model): Schätzung der Schulabschlussarten von Migrantenjugendlichen, Rechtsstatus differenziert: als Ausländer(innen) Zugewanderte nach Herkunftsland unterschieden
Ex-UdSSR EU Polen Türkei sonst. Drittstaaten außereurop. FL Ex-Jugoslawien Konstante R2
244
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Modell B-a: Wahrscheinlichkeit, einen weiterführenden Abschluss zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss) Rechtsstatus bei 1 2 3 4 5 6 7 8 Einreise: Ausländer(in) (Ref. Aussiedler), darunter aus:
Tab. 8-5:
n. s. = nicht signifikant. Signifikanzniveau der Veränderung des Rechtsstatus-Koeffizienten (Sp. 2-8, Z. 1) im Vergleich zum jeweiligen Vorgängermodell: p< 0,01 (fett und kursiv), p < 0,05 (nur fett), p < 0,10 (nur kursiv). Das Signifikanzniveau der Veränderung des Koeffizienten wird nur entsprechend vermerkt, wenn der Koeffizient selbst signifikant unterschiedlich von Null ist oder erst im neuen Modell nicht signifikant wurde.
***
***
**
n. s.
**
***
n. s.
n. s. *
nur Rechtsstatus bei Einreise
0,09 -0,15 0,10 -0,26 -0,15 -0,06 -0,18 0,68 0,04 ***
***
*
n. s.
***
*
n. s.
n. s. +
~ plus elterl. Bildung
0,02 -0,11 0,08 -0,14 -0,17 -0,06 -0,13 0,55 0,11 *
***
*
n. s.
***
*
n. s.
n. s. +
~ plus berufl. Status
0,03 -0,10 0,07 -0,13 -0,16 -0,04 -0,11 0,56 0,12
***
***
*
n. s.
**
+
n. s.
n. s. n. s.
~ plus Bundeslandtyp
0,04 -0,09 0,04 -0,11 -0,14 -0,06 -0,12 0,64 0,15
**
***
*
n. s.
***
*
n. s.
n. s. +
~ plus Gemeindegröße 0,03 -0,10 0,03 -0,13 -0,15 -0,07 -0,13 0,67 0,15
n. s. + n. s. * ** n. s. * *** ***
~ plus Einreisealter
0,06 -0,10 0,05 -0,14 -0,13 -0,04 -0,13 0,72 0,17
***
***
*
n. s.
**
*
n. s.
n. s. n. s.
~ plus Geschlecht
0,06 -0,08 0,04 -0,14 -0,12 -0,03 -0,12 0,65 0,20
0,06 -0,08 0,04 -0,11 -0,12 -0,01 -0,10 0,67 0,20
**
***
+
n. s.
**
+
n. s.
n. s. n. s.
~ plus Familiengröße
n. s.
***
**
n. s.
n. s.
n. s.
n. s.
n. s.
n. s.
245
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines Mikrozensus-Sample“ in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus der Koeffizienten und – jeweils rechts neben R2 – der Verbesserung der Vorhersagekraft des Modells gegenüber dem Vorgängermodell (Sp. 2-8, Z. 16, in Sp. 1 gegenüber dem Null-Modell): *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. Signifikanzniveau der Veränderung des Rechtsstatus-Koeffizienten (Sp. 2-8, Z. 1) im Vergleich zum jeweiligen Vorgängermodell: p< 0,01 (fett und kursiv), p < 0,05 (nur fett), p < 0,10 (nur kursiv). Das Signifikanzniveau der Veränderung des Koeffizienten wird nur entsprechend vermerkt, wenn der Koeffizient selbst signifikant unterschiedlich von Null ist oder erst im neuen Modell nicht signifikant wurde. Die in Sp. 1-8 kontrollierten unabhängigen Variablen sind mit denen im Modell A Tab. 8-4) identisch. FL: ‚Flüchtlingsländer‘.
Modell B-b: Wahrscheinlichkeit, ein (Fach-)Abitur zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss/Mittlere Reife) Rechtsstatus bei Einreise: 1 2 3 4 5 6 7 8 Ausländer(in) (Ref. Aussiedler), darunter aus: 1 Ex-UdSSR 0,18 ** 0,11 n. s. 0,10 n. s. 0,10 n. s. 0,10 n. s. 0,10 n. s. 0,11 n. s. 0,11 2 EU 0,00 n. s. 0,02 n. s. 0,00 n. s. 0,02 n. s. 0,00 n. s. 0,00 n. s. 0,01 n. s. 0,01 3 Polen 0,14 n. s. 0,11 n. s. 0,07 n. s. 0,04 n. s. 0,03 n. s. 0,03 n. s. 0,04 n. s. 0,04 4 Türkei -0,18 *** -0,07 n. s. -0,09 + -0,07 n. s. -0,08 + -0,08 + -0,09 + -0,06 5 sonst. Drittstaaten 0,06 n. s. 0,02 n. s. 0,01 n. s. 0,02 n. s. 0,02 n. s. 0,02 n. s. 0,03 n. s. 0,04 6 außereurop. FL 0,06 n. s. 0,04 n. s. 0,02 n. s. 0,01 n. s. 0,00 n. s. 0,00 n. s. 0,02 n. s. 0,05 7 Ex-Jugoslawien -0,14 ** -0,10 * -0,11 * -0,12 ** -0,12 ** -0,12 ** -0,10 -0,10 * 8 Konstante 0,37 *** 0,27 *** 0,26 *** 0,34 *** 0,36 *** 0,36 *** 0,33 *** 0,34 9 R2 0,02 *** 0,10 *** 0,12 *** 0,15 *** 0,15 ** 0,15 * 0,17 *** 0,17
(Fortsetzung Tab. 8-5)
8.2.2 Kompositionseffekt: Bildung der Eltern Im Modell A-a (Tab. 8-4) wird in Spalte 2 die elterliche Bildung als zweite Variable in das Modell eingeführt. Im Einklang mit der bisherigen Forschung über soziale Bildungsungleichheiten hat das Bildungsniveau der Eltern einen hohen Einfluss auf die Schulerfolge ihrer Kinder – den stärksten unter allen Einflussfaktoren, die in den Mikrozensus-Analysen berücksichtigt werden. Vor allem um in Deutschland ein Abitur zu erreichen, haben diejenigen Migrantenjugendlichen einen immensen Vorteil, deren Eltern ein ähnlich hohes Bildungsniveau ausweisen. Da ich davon ausgehe, dass die Eltern der untersuchten Jugendlichen ihre Ausbildung in den Herkunftsländern absolvierten, zeigt sich hier, dass die intergenerationale Reproduktion von Bildungsungleichheiten also auch in einem erheblichen Maß ‚transnational‘ funktioniert.183 Für die Forschungsfrage dieser Arbeit ist nun von Interesse, was es für den relativen Bildungsvorteil der Aussiedler(innen) bedeutet, wenn statistisch kontrolliert wird, dass sich die Zusammensetzung der Migrantengruppen hinsichtlich der elterlichen Bildung unterscheidet. Tabelle 8-4 (Modell A-a, Sp. 2, Z. 1) zeigt, dass sich der Koeffizient der als Ausländer(innen) Zugewanderten von -0,12 auf -0,09 verringert. Diese Verringerung gegenüber dem Brutto-Modell ist statistisch signifikant (p < 0,05); dies ist in der Tabelle dadurch gekennzeichnet, dass der Koeffizient des Rechtsstatus fett gedruckt ist. – Fett und kursiv bedeutet ein Signifikanzniveau von p < 0,05, nur kursiv p < 0,10, Normalschrift keine signifikante Veränderung (vgl. Anmerkungen zu Tab. 8-4 und 8-5). – Die Reduktion der Bildungsdisparitäten durch die statistische Konstanthaltung des elterlichen Bildungsniveaus um drei Prozentpunkte ist von ihrer Substanz her zwar eher klein, im Vergleich zu den übrigen sechs unabhängigen Variablen relativ betrachtet aber die größte. Zugleich bleibt der Einfluss des Rechtsstatus selbst signifikant. Allgemein gesprochen sind also Bildungsunterschiede zwischen Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus teilweise – zu einem Viertel – , aber keineswegs vollständig, darauf zurückzuführen, dass die Eltern mit unterschiedlich viel kulturellem Kapital ausgestattet sind. Dieser Befund wird in seiner Pauschalität aber noch nicht meinen Hypothesen 5a bis 5c gerecht, wonach die gruppenspezifisch unterschiedlichen Niveaus der elterlichen Bildung differenzielle Effekte haben könnten. So konnte ich in Kapitel 7.1.7 zeigen, dass Aussiedlereltern einerseits seltener so gering gebildet, andererseits seltener so hoch gebildet sind wie Teilgruppen der anderen Migranteneltern. Um entsprechende, potenziell gegenläufige Effekte auf die Schuler183
Dies widerspricht dem Befund von Nauck u. a. (1998: 712f.), in deren Untersuchung bei Kindern der einstigen Arbeitsmigrant(inn)en die elterliche Bildung weniger ausschlaggebend als bei Deutschen ist.
246
folge der Kinder zu überprüfen, werden in Tabelle 8-6 daher die einzelnen Ausprägungen der Variable „elterliche Bildung“ schrittweise in das Modell A-a eingeführt (Sp. 2c in Tab. 8-6 ist mit Sp. 2 in Tab. 8-4 identisch). Wird in Rechnung gestellt, welche Eltern das ausländische Äquivalent eines Abiturs besitzen, vergrößert sich der Koeffizient des Rechtsstatus signifikant (von -0,12 auf -0,14 in Sp. 2a, Z. 1). Wie in Hypothese 5c angenommen, haben Aussiedlerjugendliche gegenüber den anderen Migrantenjugendlichen keinen noch größeren Bildungsvorsprung, weil Aussiedlereltern seltener als die anderen Migranteneltern ein hohes schulisches Bildungsniveau haben. Dieses Phänomen zeigt sich auch im Bezug auf Migrant(inn)en aus typischen ‚Flüchtlingsländern‘ und sonstigen Drittstaaten (Modell B-a) sowie auf Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus aus der ehemaligen Sowjetunion (Modell B-b) (Detailanalysen nicht abgebildet).184 Tab. 8-6:
Detailanalyse von Modell A-a (Spalte 2): Schrittweises Einführen der Ausprägungen der Variable „Bildung der Eltern“
Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Unabhängige Ausprägungen 1 Variable Rechtsstatus bei 1 Einreise (Ref. -0,12 Ausländer(in) Aussiedler(in)) 2 höchster Abi-Äquivalent 3 elterlicher MR-Äquivalent 4 Schulabschluss HS-Äquivalent 5 kein Abschluss 6 Konstante 0,68 0,01 7 R2
***
*** ***
2a
2b
2c
-0,14 ***
-0,10 ***
-0,09 ***
0,28 *** Ref. Ref. Ref.
0,34 *** 0,18 *** Ref. Ref.
0,33 *** 0,17 *** Ref.
0,62 *** 0,08 ***
0,54 *** 0,10 ***
-0,06 n. s. 0,55 *** 0,10 n. s.
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: vgl. Tab. 8-4.
Berücksichtigt man in einem nächsten Schritt das mittlere Bildungsniveau (Sp. 2b, Tab. 8-6), ist eine gegenläufige (und wiederum statistisch signifikante) Entwicklung zu beobachten: Der Koeffizient schrumpft wieder, und zwar unter den Wert des Bruttomodells in Spalte 1. Dass Aussiedlerjugendliche öfter zumindest einen Realschulabschluss schaffen, wird also – der Hypothese 5b entsprechend – dadurch begünstigt, dass deren Eltern deutlich häufiger als die der anderen Jugendlichen einen mittleren Schulabschluss im Herkunftsland erwarben, wo184
Ähnlich verhält es sich bei Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus aus Polen: Auch hier erklärt u. a. die höhere elterliche Bildung die gegenüber Aussiedlerkindern besseren Bildungschancen der Kinder. Da diese Gruppe mit n = 36 klein ist, erreicht der Regressionskoeffizient allerdings nie ein konventionelles Signifikanzniveau.
247
durch die Kinder von mehr kulturellem Kapitel im Elternhaus profitieren konnten. Dies trifft im differenzierten Vergleich insbesondere auf den Kontrast zwischen Aussiedler(inne)n und den Migrant(inn)en aus der Türkei sowie aus dem ehemaligen Jugoslawien zu. Bei Jugendlichen aus typischen ‚Flüchtlingsländern‘ und sonstigen Drittstaaten gleicht es sich nahezu aus, dass deren Eltern im Vergleich zu Aussiedlereltern zwar häufiger einen hohen Schulabschluss, aber seltener einen mittleren haben. Die Tatsache, dass die relativen Bildungsvor- und -nachteile von Aussiedler(inne)n gegenüber Teilgruppen der anderen Migrant(inn)en teilweise auf das kulturelle Kapital der Eltern zurückgeführt werden können, beruht dabei auf der variierenden Selbstselektion der Migrantengruppen: Keine Passage im deutschen Zuwanderungsrecht verlangte von erwachsenen Migrant(inn)en einen mittleren oder Abituräquivalenten Schulabschluss als Einreisebedingung. Allerdings hatte ich auch in Hypothese 5a argumentiert, dass mit der Herkunft aus weniger entwickelten Staaten, aus denen insbesondere Flüchtlinge kamen, auch ein höheres Ausmaß an absoluter Bildungsarmut unter Erwachsenen einhergeht, was sich wiederum benachteiligend auf die Bildungschancen der betroffenen Migrantenkinder ohne Aussiedlerstatus ausgewirkt haben sollte. Dieser kollektive Ländereffekt kann in den bisherigen Schätzmodellen (Tab. 8-4 und 8-5) entgegen meiner Erwartung bislang nicht gezeigt werden: Für die Chancen auf weiterführende Schulabschlüsse macht es keinen statistisch signifikanten Unterschied, ob der höchste Schulabschluss der Eltern das ausländische Äquivalent eines Hauptschulabschlusses ist oder ob weder Vater noch Mutter einen Schulabschluss besitzen. Daher scheint es auch für die Bildungsungleichheiten zwischen Migrantenjugendlichen keine wesentliche Rolle zu spielen, dass die Migranteneltern ohne Aussiedlerstatus häufiger als Aussiedlereltern keinen formalen Schulabschluss haben. Detailliertere Analysen haben jedoch ergeben, dass diese Differenzierung nichtsdestotrotz von Bedeutung ist – und zwar bei der Frage, ob Migrantenjugendliche überhaupt einen Schulabschluss in Deutschland erlangten oder ohne Abschluss ihr Leben bestreiten müssen. Entsprechend ist die abhängige Variable in dem folgenden Schätzmodell A-c in Tabelle 8-7 kodiert. Es wird die Wahrscheinlichkeit geschätzt, irgendeinen Schulabschluss zu erreichen, anstatt ohne Abschluss von einer allgemeinbildenden Schule abzugehen: Da nur 61 der Migrantenjugendlichen keinen Schulabschluss hatten, wird dieses Schätzmodell noch sparsamer als die obigen modelliert und nur diejenigen Kontrollvariablen aufgenommen, die im vollständigen Modell zumindest noch schwach signifikante Effekte (p < 0,10) aufweisen.
248
-0,05 0,01 0,03 -0,10 -0,05 -0,01 -0,03
Ausländer(in) Abi-Äquival. MR- Äquival. kein Aschluss arbeitslos 6-10 J. 11-17 J. *
n. s.
**
**
*
n. s.
**
0,98 0,02
-0,05
***
***
**
status
0,96 0,02
(Ref.)
0,03 0,03
-0,05
**
***
**
*
***
Bildung I
0,97 0,03
-0,08
0,01 0,02
-0,03
***
***
*
*
n. s.
*
Bildung II
0,97 0,04
-0,03
-0,07
0,01 0,02
-0,02
*
***
+
*
*
n. s.
+
-0,01 -0,03 0,99 0,04
-0,03
-0,08
0,01 0,02
-0,02
+
***
+
n. s.
+
*
*
n. s.
+
4 ~ plus Einreisealter
249
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus der Koeffizienten und – jeweils rechts neben R2 – der Verbesserung der Vorhersagekraft des Modells gegenüber dem Vorgängermodell (Sp. 2a-5, Z. 10, in Sp. 1 gegenüber dem Null-Modell): *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. Signifikanzniveau der Veränderung des Rechtsstatus-Koeffizienten (Sp. 2-8, Z. 1) im Vergleich zum jeweiligen Vorgängermodell: p< 0,01 (fett und kursiv), p < 0,05 (nur fett), p < 0,10 (nur kursiv).
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Rechtsstatus bei Einreise (Ref. Aussiedler(in)) höchster elterl. Schulabschluss (Ref. max. HSÄquivalent) Erwerbsstatus des Haushaltsvorstandes (Ref. erwerbstätig) Einwanderungsalter (Ref. 0-5 J.) Konstante R2
3 ~ plus Erwerbsstatus
Modell A-c (linear probability model): Schätzung des Erwerbs eines Schulabschlusses von Migrantenjugendlichen, Rechtsstatus dichotom unterschieden
Modell A-c: Wahrscheinlichkeit, einen Schulabschluss zu erlangen (Ref. kein Schulabschluss) Unabhängige Variablen Ausprägungen Brutto1 2a 2b mit Referenzkategorie Koeffizienten Nur ~ plus ~ plus für alle UV Rechtselterl. elterl.
Tab. 8-7:
Im Brutto-Modell spiegelt der Effekt des (dichotom unterschiedenen) Rechtsstatus mit -0,05 das signifikant höhere Risiko von Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus, keinen Abschluss zu bekommen, wider. Im in Spalte 2a abgebildeten Modell (Tab. 8-7), in dem die elterliche Bildung in die Schätzung eingeht, aber noch nicht zwischen Eltern ohne Abschluss und jenen mit dem ausländischen Äquivalent eines Hauptschulabschlusses differenziert wird, bleibt der Koeffizient des Rechtsstatus konstant. Führt man in Spalte 2b schließlich diese Differenzierung ein, so zeigt sich, dass Kinder von Migranteneltern ohne Schulabschluss einem signifikant höheren Risiko ausgesetzt waren, in Deutschland ebenfalls ohne Schulabschluss zu bleiben. Der diesbezügliche Vorteil von Aussiedlerjugendlichen geht auf diesen Zusammenhang teilweise, aber nicht vollständig zurück. Hier zeigt sich also der von mir vermutete indirekte, durch Zuwanderungsregulierung mit verursachte Kompositionseffekt (Hypothese 5a): Weil die Aussiedlerzuwanderung auf die ehemals sozialistischen Länder Osteuropas mit ihren gut ausgebauten Bildungssystemen beschränkt war, hatten die erwachsenen Aussiedler(innen) fast immer zumindest die Schulpflicht voll absolviert, was wiederum dazu beitrug, dass ihre Kindern nicht zu der Gruppe gehörten, die am stärksten gefährdet war, nur eine Sonderschule zu besuchen, die Hauptschule abzubrechen oder die im Herkunftsland begonnene Schulausbildung in Deutschland überhaupt nicht mehr fortzuführen. Zugleich verfolgte die bildungsbezogene Aussiedlerpolitik explizit auch das Ziel, ältere Aussiedlerjugendliche zumindest zu einem Hauptschulabschluss zu führen. Die allgemeinen politisch-rechtlichen Nachteile und die fehlende Extra-Förderung der Migrantenkinder ohne Aussiedlerstatus wurden dadurch verschärft, dass ein nicht unerheblicher Teil ihrer Eltern in ihren Herkunftsländern nur sehr wenig Schulbildung genießen konnte und daher deren Kinder einer besonderen Unterstützung durch deutsche Bildungsinstitutionen bedurft hätten.185 Nachhaltige Hilfestellung hätten die Kinder von gering gebildeten Eltern auch deshalb gebraucht, weil solche Eltern vermutlich besondere Schwierigkeiten hatten, Deutsch zu erlernen, und so ihren Kindern nicht die außerschulische Unterstützung bieten konnten, die deutsche Schulen als selbstverständlich und notwendig erachten (vgl. Kap. 4.2 und 4.3 sowie Nauck u. a. 1998: 715f.). Ein Hinweis darauf, dass eine niedrige Bildung der Eltern mit geringeren Deutschkenntnissen eingeht, bietet das Ergebnis des Jugendsurveys zum Sprachgebrauch in Zuwandererfamilien.
185
Sofern eine vermeintliche ‚Unterstützung‘ die Überweisung der Kinder auf eine Sonderschule für so genannte Lernbehinderte war, führte deren Besuch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu keinem regulären Schulabschluss (Powell/Pfahl 2008: 2).
250
Tab. 8-8: höchster elterlicher Schulabschluss AbiÄquivalent MRÄquivalent max. HSÄquivalent Gesamt N
Sprachgebrauch in den Familien der minderjährig Zugewanderten (16- bis 29-Jährigen) nach Bildung der Eltern nur/überwiegend Deutsch
Sprachgebrauch beide nur/überwiegend Sprachen Herkunftssprache in % (Zeilen)
Gesamt
N
26,4
46,0
27,6
32,2
91
29,2
51,0
19,8
35,6
103
17,2
41,1
41,4
32,2
92
24,4 68
46,3 132
29,3 86
100,0 -
286
Datenbasis: Jugendsurvey 2003; eigene Berechnungen. Anmerkungen: Grundgesamtheit analog zur Definition „großes“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentwerte design- und altersgewichtet; Signifikanzniveau der Verteilungsunterunterschiede: p < 0,05.186
In Familien, in denen die Eltern ein mittleres oder aber hohes Bildungsniveau aufweisen, unterscheidet sich der familiale Sprachgebrauch nicht signifikant. Jugendliche, deren Eltern nur ein niedriges Bildungsniveau haben, sprechen dagegen etwas seltener nur oder überwiegend Deutsch (p < 0,10). Gravierender ist jedoch, dass in diesen Familien häufiger nur die Herkunftssprache gesprochen wird (p < 0,01). Zwar wurde nach der gegenwärtigen Sprachpraxis gefragt, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass in Familien, in denen die Herkunftssprache dominant war, zu einem früheren Zeitpunkt Deutsch benutzt wurde.187 Durch den Einflussfaktor des kulturellen Kapitals der Eltern wird also indirekt auch die Wirkung der (nicht gemessenen) elterlichen Deutschkompetenzen auf die Bildungschancen der Kinder abgebildet. Aussiedlerkinder profitierten wahrscheinlich in schulischer Hinsicht davon, dass sie viel seltener als andere Migrantenkinder von der Kumulation nachteiliger Lernausgangslagen betroffen waren, die mit der Herkunft aus solchen bildungsarmen Elternhäusern, in denen 186
Personen, die im eigenen Haushalt lebten und daher im Jugendsurvey nicht zur Bildung ihrer Eltern befragt wurden, sind hier ausgeschlossen. Hinsichtlich der familialen Sprachpraxis ähneln sie denjenigen, deren Eltern ein mittleres oder höheres Bildungsniveau aufweisen. 187 Bei den Familien, die zum Befragungszeitpunkt auch oder nur Deutsch miteinander sprachen, ist dagegen mit den Querschnittsdaten des Jugendsurvey nicht zu klären, wie der Sprachgebrauch zu Beginn des Aufenthalts in Deutschland, also auch am Anfang der Schullaufbahnen der Kinder, ausgerichtet war. Wie in Kapitel 6.5 dargelegt, wird die Sprachpraxis daher als untauglich erachtet, als unabhängige Variable zur Schätzung des Schulerfolgs zu fungieren; vgl. auch Fußnote 158 in Kapitel 7.
251
die Eltern-Kind-Kommunikation nur in der Herkunftssprache möglich ist, verknüpft sind (s. auch Kap. 7.1.6). 8.2.3 Kompositionseffekt: Ökonomische Integration der Eltern In der Darstellung der deskriptiven Ergebnisse wurde auf das hohe Ausmaß ökonomischer Exklusion und finanzieller Marginalisierung der Migrantengruppen aufmerksam gemacht. Die graduellen Unterschiede – ob z. B. die Väter der Migrantenjugendlichen arbeitslos oder als Arbeiter erwerbstätig waren – sind auch mit ungleichen Bildungschancen der Kinder assoziiert, wie die bivariaten Koeffizienten in der Spalte 1 im Modell A-a (Tab. 8-4) zeigen. Fügt man die berufliche Stellung des Haushaltsvorstands als dritte unabhängige Variable in das Schätzmodell ein, fällt deren Effekt bei Kontrolle der elterlichen Bildung deutlich geringer aus. Die Wahrscheinlichkeit, einen weiterführenden Abschluss zu erlangen, sinkt um gut 6%, wenn der Vater oder die alleinerziehende Mutter ohne Arbeit war (Modell A-a, Z. 5). Die Kinder von Selbständigen haben um geschätzte 22 Prozentpunkte höhere Chancen, ein Abitur zu erlangen, als jene aus Arbeiterfamilien (Tab. 8-4, Modell A-b, Z. 7). Dass Kinder von Angestellten (und vereinzelten Beamt(inn)en) keine signifikant höheren Bildungschancen als Letztere haben (im Modell A-b erst ab Sp. 5, Z. 6), deutet auch darauf hin, dass im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung jene angestellten Migranteneltern eher in den unteren Hierarchiebereichen arbeiteten. Zunächst scheint die statistische Berücksichtigung der beruflichen Integration der Eltern die Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen nicht zu verändern (Modelle A-a, A-b, B-a, B-b), was gegen meine Hypothese 6b sprechen würde. Um zu zeigen, dass dem nicht so ist, werden ähnlich wie bei der elterlichen Bildung für den Einflussfaktor der beruflichen Stellung eine Detailanalyse vorgenommen, bei der die einzelnen Ausprägungen dieser Variable nacheinander in das Schätzmodell A-a aufgenommen wurden (s. Tab. 8-9; die Spalte 2 und 3c sind mit den Spalte 2 und 3 in Modell A-a, Tab. 8-4, identisch). Wenn als erstes die Ausprägung „arbeitslos/nicht-erwerbstätig“ in Spalte 3a eingefügt wird und so die Bildungschancen von Kindern arbeitsloser und erwerbstätiger Eltern verglichen werden, führt dies zu einer signifikanten Verringerung des Einflusses des Rechtsstatus auf die Chancen, einen weiterführenden Schulabschluss zu erlangen.188 Nur welchen beruflichen Status erwerbstätige 188
Deutlicher als im Vergleich der Bildungschancen unterschiedlicher Migrantengruppen zeigt sich in einem hier nicht abgebildeten Modell der negative Effekt der elterlichen Arbeitslosigkeit beim Vergleich von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund und der hier untersuchten Jugendlichen mit eigener Migrationserfahrung.
252
Migranteneltern haben (vgl. Sp. 3b und 3c), spielt hierfür keine Rolle. Entsprechend meiner Hypothese 6b sind die besonders hohen Bildungsrisiken von Migrantenjugendlichen, die als Ausländer(innen) einreisten, also teilweise auf die stärkere ökonomische Marginalisierung der Eltern zurückzuführen. Tab. 8-9:
Detailanalyse von Modell A-a (Spalte 3): Schrittweises Einführen der Ausprägungen der Variable „beruflicher Status des Haushaltsvorstands“
Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Unabhängige Ausprägungen 21 Variable Rechtsstatus bei 1 Einreise (Ref. -0,09 Ausländer(in) Aussiedler(in)) 2 Berufl. Status Arbeitslose 3 des HaushaltsArbeiter(in) vorstandes Angestellte/ 4 Beamte 5 Selbständige 6 Konstante 0,55 7 R2 0,10
***
***
3a1
3b1
3c1
-0,08 **
-0,08 **
-0,08 **
-0,08 * Ref.
-0,07 * Ref.
-0,06 + Ref.
Ref.
0,05 n. s.
0,05 n. s.
Ref. 0,56 *** 0,11 **
Ref. 0,56 *** 0,11 n. s.
0,07 n. s. 0,55 *** 0,11 n. s.
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: vgl. Tab. 8-4; 1) unter Kontrolle von elterlicher Bildung (Ref. HS-Äquivalent).
Dieser Zusammenhang zeigt sich im differenzierten Vergleich der Aussiedler(innen) etwa mit Migrant(inn)en aus dem ehemaligen Jugoslawien und den „sonstigen Drittstaaten“.189 Auch die die Schätzung der Wahrscheinlichkeit, ohne Schulabschluss zu bleiben (Modell A-c/Tab. 8-7), weist auf den angenommenen Kompositionseffekt hin. Wird statistisch berücksichtigt, ob der Vater oder die alleinerziehende Mutter arbeitslos war, fällt das erhöhte Risiko von als Ausländer(innen) zugewanderten Migrantenjugendlichen, zertifikatslos zu bleiben, etwas geringer aus, als wenn neben dem Rechtsstatus nur die elterliche Bildung kontrolliert wird. Auch wenn die Bildung der Eltern einen besonders starken Einfluss auf den Schulerfolg ihrer Kinder hat, so stellt die Kumulation von geringem kulturellem und ökonomischem Kapital eine besonders schlechte Ausgangslage für die 189 Bezüglich der geschätzten Wahrscheinlichkeit, ein Abitur zu erlangen (Modelle A-b und B-b), deuten Detailanalysen an, dass Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus, insbesondere aus der Türkei, der Ex-UdSSR und außereuropäischen Drittstaaten ein wenig davon profitieren, dass ihre Eltern häufiger selbständig waren und die Kinder von solchen Unternehmer(inne)n und Freiberufler(inne)n bessere Bildungschancen hatten.
253
Schulkarrieren ihrer Kinder dar. Von einer solchen Lebenssituation waren – auch aufgrund ausländerrechtlicher Diskriminierung und fehlender Integrationsprogramme – die Migrantenfamilien ohne Aussiedlerstatus besonders häufig betroffen. Hier zeigt sich, wenn auch nur bezogen auf das Risiko von Bildungsarmut, der staatlich beeinflusste Kompositionseffekt, der aus den Analysen der migrantengruppenspezifischen ökonomischen Rechte und Fördermaßnahmen abgeleitet wurde (Hypothese 6b). 8.2.4 Kompositionseffekt: Bundesländer Nach dieser Analyse, welche Folgen eine teils migrationspolitisch beeinflusste Ressourcenausstattung von Zuwandererfamilien mit günstigen und benachteiligenden Rechtsstatus auf die Schulerfolge ihrer Kinder hatte, werden nun die Konsequenzen der variierenden, durch Wohnortzuweisungen mit beeinflussten Siedlungsmuster für die Bildungschancen untersucht. In welchem Bundesland Migrantenjugendliche lebten und in welchem Bildungssystem sie somit zur Schule gingen, macht, wie die Aufnahme des Bundeslandtyps in die Modelle A-a und A-b (Tab. 8-4, jeweils in Sp. 4, Z. 8) zeigt, für den Erwerb von höherwertigen Schulabschlüssen einen erheblichen Unterschied. In der Ländergruppe Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland mit ihren im Anschluss an von Below (2002) als „traditionell“ bezeichneten Schulsystemen hatten Migrant(inn)en eine um 17 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit, ein Abitur zu erlangen, als in den anderen alten Bundesländern. Allerdings hatte bereits Kapitel 7.1.9 ergeben, dass die Migrantengruppen gleichmäßig auf die hier unterschiedenen Bundesländergruppen verteilt lebten (und dies, obwohl das Siedlungsmuster von Aussiedler(inne)n durch die Wohnortzuweisung staatlich mit geprägt wurde). Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass sich in den Schätzmodellen unter Kontrolle des Bundeslandtyps die Bildungsungleichheiten zwischen den Migrantengruppen nicht ändern – die entsprechende Kompositions-Hypothese 7a wurde demnach falsifiziert. 8.2.5 Kompositionseffekt: Gemeindegröße Im Vergleich zu Jugendlichen in größeren Städten hatten jene, die in Kleinstädten oder auf dem Land lebten, eine um sieben Prozentpunkte geringe Wahrscheinlichkeit, einen Mittlere Reife oder das Abitur zur erlangen (Tab. 8-4,
254
Modell A-a und A-b, jeweils Sp. 5, Z. 9).190 Diese klassischen Stadt-LandDisparitäten sind im Einklang mit meiner Hypothese 8a für einen relativen Bildungsnachteil der Aussiedlerjugendlichen gegenüber den anderen Migrant(inn)en mit verantwortlich: Der Koeffizient der Rechtsstatus-Variable steigt von -0,08 auf -0,09. Diese Veränderung ist statistisch signifikant, von ihrer Substanz her aber klein. Dieser moderate Kompositionseffekt kommt vor allem im Vergleich mit Migrantenjugendlichen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien zum Tragen (vgl. Tab. 8-5), die zwar hinsichtlich sozialer Ressourcen und ihrer rechtlichen Stellung gegenüber Aussiedlerjugendlichen deutlich benachteiligt sind, aber zumindest ein wenig von den besseren Bildungschancen in urbanen Räumen profitierten. Hätten die Aussiedlerjugendlichen also nicht so häufig in kleinen und ländlichen Gemeinden gelebt, wo auch heutzutage weiterführende Sekundarschulen schlechter zu erreichen sind, hätten sie noch etwas häufiger einen Realschulabschluss oder eine Hochschulreife erreicht. Diesen Zusammenhang interpretiere ich auch als unintendierte Nebenfolge der Wohnortzuweisung neu eingereister Aussiedler(innen), die aufgrund dieser ambivalent zu beurteilenden Intervention ihren ersten Wohnsitz in Deutschland viel häufiger als andere Migrant(inn)en in kleinen Kommunen hatten. 8.2.6 Kompositionseffekt: Kontrollvariablen In die Modelle A und B werden schließlich noch drei Kontrollvariablen eingeführt: das Einwanderungsalter und das Geschlecht der Befragten sowie die Familiengröße, d. h. die Anzahl der ledigen Kinder, die in den Migrantenfamilien lebten. Bei diesen drei unabhängigen Variablen können – anders als bei den vorangegangenen vier Einflussgrößen – aus der Ausgestaltung der rechtsstatusspezifischen Zuwanderungs- und Integrationspolitiken keine Hypothesen zu Kompositionseffekten abgeleitet werden. Dies bedeutet nicht, dass keine diesbezüglichen Kompositionseffekte erwartet werden, sondern lediglich, dass Verteilungsunterschiede bei diesen drei Merkmalen und entsprechende Effekte auf die Bildungsungleichheiten zwischen den Migrantengruppen nicht mit direkten oder 190
Nur aufgrund von Auf- und Abrundungen der R2-Werte im Modell A-b , Sp. 4 und 5, erscheint es, als würde die Erklärungskraft des Modells, das zusätzlich die Gemeindegröße kontrolliert, nicht anwachsen. Die Ergebnisse von Sensitivitätsanalysen geben Anlass darüber nachzudenken, unter welchen Umständen das Aufwachsen in kleinen Gemeinden auch (Bildungs-)Vorteile für Migrantenkinder haben könnte. Diese Sensitivitätsanalysen ergeben, dass die Schätzmodelle für einige Individuen fälschlicherweise vorhersagen, höchstens einen Hauptschulabschluss zu machen. Von diesen Jugendlichen aus gering gebildeten Elternhäuser bzw. Arbeiterfamilien lebten überproportional viele in kleinen/ländlichen Gemeinden.
255
indirekten Wirkungsweisen des Rechtsstatus in Verbindung gebracht werden können. Die statistische Kontrolle des Einreisealters führt zu einer leichten, aber signifikanten Reduktion des Koeffizienten der Rechtsstatus-Variable, da die hier untersuchten Aussiedlerkinder in etwas jüngeren Jahren als ihre Peers eingewandert sind (Tab. 8-4, Modell A-a, Sp. 7). Werden die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus weiter nach ihren Herkunftsländern differenziert (Tab. 8-4), zeigen sich hier unterschiedliche Kompositionseffekte: Beispielsweise verringert sich der Koeffizient der „sonstigen Drittstaatenangehörigen“, weil diese im Vergleich zu Aussiedler(inne)n häufiger während der Sekundarschulerziehung einwanderten, was mit besonderen Bildungsrisiken verbunden ist. Personen, die ohne Aussiedlerstatus aus der Ex-UdSSR (vermutlich als jüdische Kontingentflüchtlinge) einreisten, schneiden nicht noch besser als Aussiedler(innen) ab, weil sie – in diesem speziellen Teilsample (vgl. Kap. 8.1.2) – besonders häufig erst nach der Grundschule einwanderten. Bei der Kontrolle des Geschlechts wird deutlich, dass – in der Tendenz vergleichbar mit der deutschen Gesamtbevölkerung – Mädchen deutlich höhere Chancen haben, weiterführende Schulabschlüsse zu erlangen, als Jungen. Wegen der quantitativ ausgeglichenen Geschlechterverhältnisse innerhalb der verglichenen Migrantengruppen trägt diese Kontrollvariable aber nicht signifikant dazu bei, Bildungsungleichheiten zwischen ihnen zu erklären. Die Anzahl der ledigen Kinder im Haushalt dient nicht nur als Indikator für das innerfamiliale soziale Kapital der Befragten. Bei den überwiegend armen Migrantenfamilien bedeuten mehr Kinder auch ein noch geringeres Pro-KopfEinkommen und beengtere Wohnverhältnisse o. Ä. Die Familiengröße, die in ihrer Ausprägung nicht durch rechtsstatusspezifische Politiken beeinflusst wurde, verbessert nur die Vorhersagekraft der Modelle, die die Wahrscheinlichkeit schätzen, einen weiterführenden Schulabschluss zu erlangen (Modell A-a, B-a), ist jedoch für die vorhergesagten Chancen auf ein Abitur kaum relevant (Modell A-b, B-b). Da als Ausländer(innen) Zugewanderte, und hierunter primär jene aus der Türkei und Ex-Jugoslawien, im Schnitt mehr Geschwister als Aussiedlerjugendliche haben (vgl. Tab. IV-2 im Anhang IV), reduziert die Aufnahme dieser Kontrollvariable in die Modelle A-a und B-a den relativen Bildungsvorsprung von Aussiedler(inne)n signifikant. Kompositionsunterschiede, die bezüglich des Einreisealters und der Familiengröße existierten, sind teilweise – für etwa ein Viertel – aber keineswegs vollständig für die vorhandenen Bildungsdisparitäten zwischen den Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus verantwortlich. Diese Kompositionseffekte sind von rechtsstatusspezifischen Politiken weitgehend unabhängig.
256
8.2.7 Zwischenresümee zu Kompositionseffekten und verbleibenden Netto-Effekten Insgesamt verbleibt in dem Modell A-a (Tab. 8-4), das die Wahrscheinlichkeit, einen weiterführenden Schulabschluss zu erlangen, schätzt, ein immer noch signifikanter Vorteil von Aussiedler(inne)n gegenüber als Ausländer(innen) Zugewanderten von sechs Prozentpunkten.191 Von den ursprünglichen zwölf Prozentpunkten Unterschied konnten drei auf die theoretisch vorhergesagten Kompositionseffekte der elterlichen Bildung, des Erwerbsstatus der Eltern und der Gemeindegröße und weitere drei auf die Kontrollvariablen Einreisealter und Familiengröße zurückgeführt werden. Der relative Bildungsvorteil von Aussiedlerjugendlichen rührte u. a. daher, dass ihre Eltern seltener als die der anderen Migrantenjugendlichen ein niedriges Bildungsniveau hatten und arbeitslos waren. Die häufigere Kumulation solcher sozioökonomischer Nachteile unter Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus steigerte zudem deren Risiko, ohne Schulabschluss zu bleiben. Dagegen schneiden die als Ausländer(innen) Zugewanderten nicht noch schlechter ab, weil sie seltener als Aussiedler(innen) auf dem Land wohnten und ein höherer Anteil unter ihnen von einem Elternhaus mit viel kulturellem Kapital profitieren konnte. Der verbleibende Netto-Effekt des Rechtsstatus bei der Einreise unterstreicht die Plausibilität meiner weiteren Hypothesen zum Einfluss des Rechtsstatus von Migrant(inn)en und der hiermit assoziierten politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen auf Bildungschancen: Diese Annahmen betrafen die durch unterschiedliche Rechtsstatus gewährte bzw. verwehrte Bleibesicherheit (Hypothese 1), die zuwanderungs- und integrationspolitisch bedingten besseren Deutschkenntnisse der Aussiedler(innen) (Hypothesen 3/4) und schließlich die symbolischen Ex- und Inklusionen in Politik und öffentlichen Diskursen (Hypothese 9). Mit den verfügbaren Individualdaten lässt sich nicht nachzeichnen, wie genau diese vermuteten Ursachen gewirkt haben. Auf Basis der durchgeführten Überprüfung der Kompositionseffekte kann jedoch ausgeschlossen werden, dass die festgestellten relativen Bildungsvorteile der politisch-rechtlich privilegierten Aussiedler(innen) allein durch eine differenzielle soziale Zusammensetzung begründet sind, die nicht mit den indirekten Wirkungsweisen des Rechtsstatus in Verbindung steht. Faktoren wie der höhere Anteil von Aussiedlerjugendlichen, 191
Ein vergleichbares Modell, nur in Form einer binären logistischen Regression, hatte ich bereits mit den mir früher zugänglichen Daten des Jugendsurveys berechnet (Söhn 2008a: 420). Dort konnte ich nicht die berufliche Stellung der Eltern berücksichtigen, bei den Angaben zur elterlichen Bildung lagen mehr fehlende Werte vor, dafür wurde die Anzahl der Geschwister direkt erfragt. Der Vergleich der Jugendsurvey-Analysen und einer so ähnlich wie möglich modellierten logistischen Regression mit den Mikrozensus-Daten brachte sehr ähnliche Ergebnisse.
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deren Eltern mindestens ein mittleres Bildungsniveau haben, ihr im Schnitt niedrigeres Einreisealter und die geringere Familiengröße sind zwar zum Teil, aber keineswegs in Gänze für ihren relativen Bildungsvorsprung gegenüber anderen Migrantenjugendlichen verantwortlich.192 Wenn die Gruppe der Migrant(inn)en, die als Ausländer(innen) in die Bundesrepublik kamen, nach ihren Herkunftsländern aufgefächert wird, um eine Differenzierung zwischen einem exkludierenden und einem eher neutralen politisch-rechtlichen Aufnahmekontext abbilden zu können, ergibt sich folgendes Bild. Vor allem das hohe elterliche Kapital der Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus aus der ehemaligen Sowjetunion führt dazu, dass sie häufiger als Aussiedler(innen) weiterführende Schulabschlüsse erreichen, obwohl ihr politischer Aufnahmekontext nicht ganz so gut wie der von Aussiedler(inne)n war. Das im Vergleich zu Aussiedler(inne)n höhere soziale Prestige von Unionsbürger(inne)n (z. B. jenen aus Italien oder Griechenland, vgl. Kap. 5.9) war nicht ausschlaggebend für deren Bildungserfolg, ansonsten hätten die Kinder aus der EU besser als Aussiedler(innen) abschneiden sollen. Der zwar nicht mehr signifikante, aber von der Ausrichtung her negative Effekt des Status von EU-Bürger(inn)n lässt sich so deuten, dass der neutrale politisch-rechtliche Inkorporationsmodus bei diesen Jugendlichen, die aus überwiegend sozial benachteiligten Elternhäusern stammen, nicht ausreichend war, um Bildungsrisiken abzumildern. Die hohe Bleibeunsicherheit von Asylsuchenden, Bürgerkriegsflüchtlingen und anderen Ausländer(inne)n mit Duldung, deren arbeits- und sozialrechtliche Benachteiligungen sowie die ihnen entgegengebrachten Ressentiments hatten erwarten lassen, dass auch unter statistischer Kontrolle der unterschiedlichen Zusammensetzung der Migrantengruppen die ‚Netto‘-Bildungsungleichheiten vor allem zwischen Migrantengruppen am positiven und negativen Pol der rechtlichen Stratifizierung bestehen bleiben müssten. Übersetzt in die Logik meiner methodischen Vorgehensweise bedeutet dies, dass in den Modellen B-a und B-b vor allem die vier ‚unteren‘ Migrantengruppen signifikant negative NettoEffekte aufweisen sollten, deren politisch-rechtliche Inkorporationsmodi neutral (Familiennachzug) bis negativ (politisch unerwünschte Fluchtmigration) waren. Hier fallen die Ergebnisse weniger eindeutig als vorhergesagt aus: Gegen meine 192
Dass es sich hier, wie theoretisch angenommen, nur um einen relativen Bildungsvorsprung handelt, zeigt sich auch in einem in Anhang Vb (online) ausgewiesenen Schätzmodell (Tab. Vb-4), in dem Aussiedler(innen) im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund unter Kontrolle von Kompositionseffekten geringere Chancen auf weiterführende Schulabschlüsse haben. Nichtsdestotrotz fallen die Disparitäten zwischen Einheimischen und Zugewanderten ohne Aussiedlerstatus signifikant größer aus.
258
Erwartungen haben Migrantenjugendliche aus der Ländergruppe „Iran, Irak, Afghanistan, Afrika, Vietnam, sonstiger Mittlerer/Naher Osten“, woher im Untersuchungszeitraum viele Asylsuchende kamen, vergleichbare Chancen auf höherwertige Schulabschlüsse wie die Aussiedlerjugendlichen. Hier wären Detailuntersuchungen wünschenswert, die differenziert eruieren könnten, wie etwa die Kinder von Migrant(inn)en, die erfolgreich politisches Asyl erstritten, und diejenigen, die nie über die prekären Rechtsstatus von Asylsuchenden und Geduldeten hinaus gekommen sind, schulisch abschneiden. Im Einklang mit meinen Hypothesen haben Migrant(inn)en aus den „sonstigen Drittstaaten“, unter denen sich auch Flüchtlinge aus anderen Regionen der Welt befinden, ebenso wie Türkeistämmige (darunter neben Familienmigrant(inn)en auch Asylsuchende) und Migrant(inn)en aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten eine um gut zehn bis zwölf Prozentpunkte niedrigere ‚Netto‘Wahrscheinlichkeit, mehr als einen Hauptschulabschluss zu erlangen. Letztere haben zudem auch geringere Chancen, zu den Bildungserfolgreichsten, den Abiturient(inn)en, zu zählen. Da Migrant(inn)en aus dem ehemaligen Jugoslawien vermutlich größtenteils als Bürgerkriegsflüchtlinge kamen und somit die präziseste Annäherung an eine Migrantengruppe mit einem explizit negativen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus darstellen, entsprechen die für die Kompositionseffekte statistisch kontrollierten Bildungsungleichheiten zwischen ihnen und den politisch privilegierten Aussiedler(inne)n meinen theoretischen Erwartungen. 8.2.8 Sensitivitätsanalyse: Indirekter Test des Kompositionseffekts bezogen auf Deutschkenntnisse Meine Annahmen, dass die besseren Deutschkenntnisse von Aussiedler(inne)n bei ihrer Einreise und der integrationspolitisch unterstützte schnellere Deutscherwerb in den Anfangsjahren ihres Aufenthalts eine Teilerklärung für ihre relativen Bildungserfolge darstellen (Hyp. 3/4), können nicht direkt getestet werden. Für eine indirekte Überprüfung des zuwanderungspolitisch beeinflussten Kompositionseffekts der anfänglichen Deutschkenntnisse nutze ich die wissenschaftlich gestützte Information, dass die meisten Aussiedler(innen) aus Rumänien mit guten Deutschkenntnissen immigrierten. Bereits im ‚großen‘ Mikrozensus-Sample mit seinen höheren Fallzahlen zeigt sich in bivariaten Auswertungen, dass einerseits Rumäniendeutsche signifikant höhere Schulabschlüsse in Deutschland erlangten als die übrigen Aussiedler(innen) – ein möglicher Effekt der höheren Sprachkompetenzen zum Zeitpunkt der Einreise. Andererseits waren die übrigen Aussiedler(innen) immer 259
noch bildungserfolgreicher als die Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus. Mit dem ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample wird nun analog ein multivariates Schätzmodell berechnet, in dem die kleine Gruppe der identifizierbaren Rumäniendeutschen (N = 41) ausgeschlossen wird. Tabelle 8-10 weist für diese beiden alternativen Modelle A-a und A-a* die Netto-Effekte der Rechtsstatus-Variable aus, d. h. die übrigen sieben unabhängigen Variablen aus den Modellen in Tab. 8-4 sind kontrolliert. Tab. 8-10: Detailanalyse Modell A-a mit und ohne Rumäniendeutsche Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Modell A-a inklusive Rumäniendeutsche UV: Rechtsstatus bei Einreise: Ausländer(in) (Ref. Aussiedler(in)) Konstante R2 N Modell A-a* ohne Rumäniendeutsche UV: Rechtsstatus bei Einreise: Ausländer(in) (Ref. Aussiedler(in)) Konstante R2 N Vergleich des Rechtsstatus-Koeffizienten Modell A-a versus Modell A-a*: Signifikanzniveau
BruttoModell b
p
NettoModell1 b
-0,12
***
-0,06
0,68 0,01
***
0,66 0,19
p * ***
1546 -0,12
***
-0,05
0,68 0,01
***
0,66 0,19
***
+ ***
1505 n. s.
*
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines Mikrozensus-Sample“ in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus der Koeffizienten *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler; 1) zusätzlich kontrollierte unabhängige Variablen identisch mit denen im Modell A-a (Tab. 8-4).
Der Netto-Effekt des Rechtsstatus bei der Einreise fällt in dem Modell ohne Rumäniendeutsche kleiner aus, nämlich -0,05 statt -0,06, und ist mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von p = 0,06 auch nur noch schwach signifikant. Diese Differenz zwischen den Modellen mit und ohne Rumäniendeutsche ist zwar klein, aber statistisch signifikant (vgl. unterste Zeile in Tab. 8-10).193 Durch die Kontrollvariablen wurde dabei berücksichtigt, dass jene rumäniendeutschen 193
Für diesen Vergleich der Koeffizienten zwischen den beiden Teilstichproben kommt das gleiche Testverfahren der „seemingly unrelated regression“ zum Einsatz wie beim obigen Vergleich zwischen Modellen mit einer unterschiedlichen Anzahl unabhängiger Variablen (vgl. auch Kap. 8.1.3).
260
Kinder auch aus Familien mit relativ hoher elterlicher Bildung kommen. Diese Sensitivitätsanalyse unterstützt also die Annahme, dass die Deutschkenntnisse einer kleinen Minderheit unter den Aussiedler(inne)n zwar den Erwerb höherer Schulabschlüsse erleichterten. Zugleich kann dieser Startvorteil von einigen wenigen aber nur zu einem kleinen Teil, also keineswegs vollständig, die höheren Bildungschancen aller Aussiedlerkinder im Vergleich zu ihren ausländischen Peers erklären kann. Was hier rechnerisch nicht berücksichtigt werden kann, ist die Tatsache, dass diese Rumäniendeutschen nicht nur mit guten Deutschkenntnissen einreisten, sondern auch noch zu den Aussiedlerkohorten zählen, die noch nicht von den Einschnitten bei den aussiedlerspezifischen Integrationsprogrammen betroffen waren. Auf diese Intragruppenunterschiede geht das Unterkapitel 8.4 noch weiter ein.
8.3 Modifizierende Wirkungsweisen des Rechtsstatus auf Bildungschancen Nach der direkten und indirekten Überprüfung von Kompositionseffekten werden nun meine Annahmen getestet, ob durch die politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi von Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus die Wirkungsweise anderer Bildungsdeterminanten modifiziert wurde. Das ganze Bündel der Privilegien, die mit dem besonderen Rechtsstatus von Aussiedler(inne)n verbunden waren, und hierbei insbesondere die konkret bildungsbezogenen Integrationsmaßnahmen im Rahmen der Garantiefonds-Förderung könnten die Bildungsrisiken, die mit der Migration von einem Land in ein anderes verbunden sind, generell abgemildert haben. Dieses ‚Abfedern‘ der strukturellen Benachteiligung von Migrantenkindern im deutschen Bildungssystem durch den Aussiedlerstatus ist Teil des oben festgestellten Netto-Effekts. Zusätzlich wurden in Kapitel 5 mehrere Hypothesen zu spezifischeren Interaktionseffekten formuliert. Demnach ist zu erwarten, dass Risikofaktoren wie ein hohes Einreisealter (Hypothese 2), eine niedrige elterliche Bildung (Hypothese 5d), der Schulbesuch in einem Bundesland mit einer konservativen Bildungspolitik (Hypothese 7b) oder in kleineren Gemeinden (Hypothese 8b) bei Aussiedlerjugendlichen eine weniger negative Auswirkung auf Bildungschancen als bei anderen Migrantenjugendlichen haben. Die folgenden Ausführungen und in Tabellen dargestellten empirischen Ergebnisse konzentrieren sich, bezogen auf die abhängige Variable, auf die Vermeidung von Bildungsarmut (also auf die Unterscheidung kein Abschluss/Hauptschulabschluss versus Mittlere Reife/Abitur“), weil hier die größeren Intergruppenunterschiede vorliegen.
261
8.3.1 Interaktionseffekt: Einreisealter Bezogen auf den Einflussfaktor des Einwanderungsalters hatte ich aufgrund der Ausrichtung des weitgehend Aussiedlerkindern und -jugendlichen vorbehaltenen Integrationsprogramm des Garantiefonds erwartet, dass die mit steigendem Einreisealter wachsenden Bildungsrisiken nicht so groß wie unter den anderen Migrant(inn)en ausfallen und speziell in der Grundschule geförderte Aussiedlerkinder besser abschneiden würden (zum variierenden Effekt des Einreisealters vgl. auch Söhn 2011). Einen Test dieser Hypothese 2 liefert Tabelle 8-11. Wie diese zu lesen ist, wird nun etwas ausführlicher erklärt, da auch die anschließenden drei Tabellen nach derselben methodischen Vorgehensweise erarbeitet wurden. Wie in Kapitel 8.1.3 geschildert, wurde aus den zwei Variablen des Rechtsstatus und des Einreisealters eine kombinierte Variable, d. h. ein Interaktionsterm mit insgesamt sechs Ausprägungen in Form von Dummy-Variablen, gebildet. In sechs berechneten Schätzmodellen stellt je eine dieser Ausprägungen die alternierende Referenzkategorie des Interaktionsterms dar. Die Konstante des jeweiligen Modells entspricht der vorhergesagten Wahrscheinlichkeit für eine solche Referenzkategorie. Diese sechs Konstanten (mit 100 multipliziert) sind in Tabelle 8-10 abgebildet.194 In den Spalten rechts daneben geben die Signifikanzniveaus aus den sechs Modellen an, ob die Unterschiede zwischen den vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten, mindestens einen Realschulabschluss zu erlangen, statistisch bedeutsam sind. Wie im vollständigen Modell A-a in Tabelle 8-4 (Sp. 8) sind alle weiteren unabhängigen Variablen kontrolliert. Die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten beziehen sich demnach auf Migrantenjugendliche, die bei den unabhängigen Variablen jeweils zur Referenzkategorie zählen, also auf als Minderjährige Zugewanderte männlichen Geschlechts, deren Eltern das ausländische Äquivalent eines Hauptschulabschlusses haben, deren Väter oder alleinerziehende Mütter als Arbeiter(innen) erwerbstätig waren, die in großen oder mittelgroßen Städten in einem Bundesland mit einem reformierten Schulsystem und mit maximal einem Geschwisterteil zusammen lebten.195
194 Alternativ lassen sich die vorhergesagten Wahrscheinlichkeit berechnen, indem man in einem der sechs Modelle die dortige Konstante und die fünf Koeffizienten des Interaktionsterms jeweils addiert. Die Präsentation der bedingten Wahrscheinlichkeiten ist übersichtlicher, da in den Modellen mit den alternierenden Referenzkategorien des Interaktionsterms sich nicht nur die Werte der Regressionskoeffizienten b, sondern auch die der Konstanten ändern. 195 Wählt man bei den Kontrollvariablen andere Referenzkategorien, ändert sich bei den präsentierten bedingten Wahrscheinlichkeiten das absolute Niveau, nicht aber die Differenzen untereinander.
262
Tab. 8-11: Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und Einreisealter Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Vorhergesagte Interaktionsterm WahrscheinRechtsstatus Einreisealter lichkeit1 bei Einreise 1 Aussiedler(in) 0-5 J. 69 % 2 Ausländer(in) 0-5 J. 56 % 3 Aussiedler(in) 6-10 J. 60 % 4 Ausländer(in) 6-10 J. 53 % 5 Aussiedler(in) 11-17 J. 47 % 6 Ausländer(in) 11-17 J. 52 % 7 R2
Signifikanzniveaus für Modelle mit alternativen Referenzkategorien Ref.
**
**
***
***
***
**
Ref.
n. s.
n. s.
+
n. s.
**
n. s.
Ref.
+
**
+
***
n. s.
+
Ref.
n. s.
n. s.
***
+
**
n. s.
Ref.
n. s.
***
n. s.
+
n. s.
n. s.
Ref.
0,20
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. 1) Berechnung der vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten (Konstante * 100) unter Kontrolle folgender Variablen und für folgende Referenzkategorien: elterl. Bildung (Ref. HS-Äquivalent), berufl. Stellung (Ref. Arbeiter), Bundeslandtyp (Ref. reformiertes Schulsystem), Gemeindegröße (Ref. groß/mittel), Geschlecht (Ref. Männer), Familiengröße (Ref. 1-2 Kinder) (vgl. Tab. 8-4).
Das Ergebnis scheint im direkten Widerspruch zu meinen theoretischen Annahmen zu stehen: Bildungsungleichheiten zwischen Migrantenkindern, die während der Sekundarbildung einwanderten, und solchen, die im Vorschulalter kamen, fallen unter Aussiedler(inne)n drastischer (69% versus 47%, vgl. Z. 1 und 5) als unter den anderen Migrantenkindern (56% versus 52%, vgl. Z. 2 und 6) aus. Bei Letzteren übt das Einwanderungsalter gar keinen signifikanten Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, eine Mittlere Reife oder ein Abitur zu erlangen, aus. Aussiedlerkinder schneiden (nur schwach) signifikant besser als die anderen Kinder ab, wenn sie im Grundschulalter (60% versus 53%, vgl. Z. 3 und 4) oder – in stärkerem Maße und hoch signifikant – vor der Einschulung in die Bundesrepublik reisten (69% versus 56%, vgl. Z. 1 und 2). Integrationspolitisch könnte dieser relative Vorteil dadurch mit beeinflusst sein, dass Aussiedlerkinder häufiger deutsche Kindergärten besuchten (vgl. Kapitel 7.2.1), und ein Teil der im Grundschulalter migrierten Kinder noch vom durch den Garantiefonds finanzierten außerschulischen Nachhilfeunterricht profitieren konnte. Neben diesen bildungsbezogenen Integrationspolitiken könnte zudem der insgesamt vorteilhaftere Aufnahmekontext von Aussiedler(inne)n jenseits des Bildungssystems seine positive Wirkung eher entfaltet und zu besseren Lernerfolgen und Übergängen auf weiterführende Sekundarschulen geführt haben, wenn Aussied263
lerkinder schon in Deutschland die Grundschule besuchten.196 Die Kumulation sozialer und rechtlicher Benachteiligungen der Migrantenkinder ohne Aussiedlerstatus dagegen hinderte sie offenbar daran, von dem eigentlich objektiven Vorteil, ihre Schullaufbahn in Deutschland beginnen zu können, zu profitieren.197 Besondere Integrationsmaßnahmen für im Jugendalter migrierte Aussiedler(innen) scheinen jedoch nicht auf eine Art gewirkt zu haben, dass sie höhere Bildungschancen als ihre Migranten-Peers hätten. Zwar wurde sicherlich einzelnen Jugendlichen durch eine solche Unterstützung geholfen, vielleicht auch in der Form, dass sich ihre Schulnoten innerhalb des besuchten Bildungsganges verbesserten. Aber offensichtlich war die Förderung nicht so weitgehend, als dass die als 11- bis 17-Jährige zugewanderten Aussiedlerjugendlichen signifikant häufiger weiterführende Schulabschlüsse erlangen hätten, als es bei den im gleichen Alter eingereisten anderen Migrantenjugendlichen der Fall war. Möglicherweise ist bei allen jugendlichen Seiteneinsteiger(inne)n der in Kapitel 3.2.2 diskutierte institutionelle ‚Abwärtssog‘ erklärungskräftiger: Da in Deutschland neu einreisende Jugendliche, deren Deutschkenntnisse nicht als hinreichend erachtet wurden, mehrheitlich in Hauptschulen kanalisiert wurden (weil Realschulen und Gymnasien für die Unterrichtung von Deutsch als Zweitsprache kaum ausgerüstet waren), konnte die im Umfang ohnehin begrenzte ExtraFörderung für Aussiedlerjugendliche in Form von Hausaufgabenbetreuung etc. diese institutionelle Logik nicht durchbrechen. Aufgrund der zu geringen Fallzahlen kann nicht eigens multivariat getestet werden, ob Aussiedlerjugendliche, die nach der Vollzeitschulpflicht (also mit 16 oder 17) einreisten, seltener ohne Schulabschluss blieben – was das Ziel spezieller Vollzeitdeutschkurse war – als vergleichbare Migrantenjugendliche ohne Aussiedlerstatus. Wie oben in Modell A-c (Tab. 8-7) dargelegt, blieben die 18bis 20-jährigen Aussiedler(innen) des ‚kleinen‘ Mikrozensus-Samples insgesamt seltener zertifikatslos. Bezogen auf das ‚große‘ Mikrozensus-Sample der 18- bis 35-Jährigen zeigen bivariate Analyseergebnisse darüber hinaus, dass unter mit 16 oder 17 Jahren eingewanderten Jugendlichen diejenigen mit Aussiedlerstatus 196
Nicht ausgeschlossen werden kann, dass der relative Bildungsvorteil von in sehr jungen Jahren zugewanderten Aussiedlerkindern auch deshalb so groß ausfällt, weil – erinnert sei an die mathematisch unvermeidliche hohe Korrelation zwischen Einreisealter und -jahr – diese Kinder und deren Eltern zugleich in den Jahren in die Bundesrepublik kamen, als die politisch-rechtlichen Aufnahmebedingungen insgesamt noch besser waren, hier also eine besondere Kumulation von Vorteilen erfolgte. Vgl. dazu auch Kap. 8.4 zu Aussiedlerkohorteneffekten. 197 Dieses Ergebnis schließt an die PISA-Analysen von Segeritz u. a. (2010: 132) an, denen zufolge nur Jugendliche ex-sowjetischer Herkunft, nicht jedoch Türkeistämmige und solche „anderer“ Herkunft von dem Vorteil profitieren, in Deutschland geboren anstatt als Vorschulkind eingereist zu sein.
264
deutlich seltener (2,5%) als die anderen (21,4%) keinen Schulabschluss aufweisen. Auch wenn hier die sozialen Charakteristika der verglichenen Gruppen statistisch nicht berücksichtigt werden können, liefern diese Disparitäten doch Hinweise darauf, dass die integrationspolitischen Bemühungen, ältere Aussiedlerjugendlichen beim Erwerb eines Hauptschulabschlusses zu unterstützen, doch Früchte getragen haben. Viele Migrantenjugendliche mit einem schlechteren Rechtsstatus blieben auch in Ermangelung solcher pro-aktiven Maßnahmen dauerhaft am untersten Ende der Bildungshierarchie positioniert. Staatlicherseits hingenommen wurde diese Zertifikatslosigkeit gerade bei ausländischen Jugendlichen mit ungesichertem Rechtsstatus, die mit 16 und 17 Jahren nicht mehr der Teilzeitschulpflicht unterlagen und kein Anrecht auf staatliche (Aus-)Bildungsförderung hatten (vgl. Kap. 3.2.2). 8.3.2 Interaktionseffekt: Bildung der Eltern Eine weitere Teilhypothese (Hypothese 5d) bezog sich auf eine mögliche Interaktion des Rechtsstatus und der elterlichen Bildung: Wirkt sich eine geringe elterliche Bildung bei Aussiedlerjugendlichen weniger nachteilig auf ihre Schulerfolge aus als bei den anderen Migrantenjugendlichen? Haben Kinder aus bildungsarmen Elternhäusern einen relativen Bildungsvorteil, wenn sie den privilegierten Rechtsstatus von Aussiedler(inne)n innehatten? In der Tabelle 8-12 mit dem Interaktionsterm aus dem Rechtsstatus und der elterlichen Bildung wurden wie in der vorangegangenen Tabelle für die sechs Ausprägungen die bedingten Wahrscheinlichkeiten berechnet, zumindest einen Realschulabschluss zu erlangen. Das Ergebnis entspricht zumindest teilweise den Erwartungen. Bildungsdisparitäten zwischen Migrantenkindern, deren Eltern höchstens das ausländische Äquivalent eines Hauptschulabschlusses oder aber das eines Abiturs haben, sind unter Aussiedler(inne)n zwar erheblich (67% versus 93%, vgl. Z. 1 und 5), aber doch geringer ausgeprägt als unter als Ausländer(innen) Zugewanderten (58% versus 92% vgl. Z. 2 und 6). Zugleich ist ein hohes elterliches Bildungsniveau offenbar – im für seine allgemeinen sozialen Bildungsungleichheiten bekannten deutschen Bildungssystem – ein so ausschlaggebender Faktor, ja fast schon ein Garant dafür, höherwertige Schulabschlüsse zu erlangen, so dass hier der Vorteil eines privilegierten politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus offenbar keinen signifikanten Einfluss (vgl. Z. 5 und 6) mehr hat. Der Rechtsstatus spielt primär eine Rolle für Migrantenjugendliche, deren Eltern ein mittleres oder niedriges Bildungsniveau haben. Nur hier ist der Unterschied zwischen
265
Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus signifikant (vgl. Z. 1 und 2 bzw. 3 und 4). Tab. 8-12: Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und elterlicher Bildung Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Interaktionsterm Vorhergesagte WahrscheinRechtsstatus Höchster elterl. lichkeit1 bei Einreise Schulabschluss 1 Aussiedler(in) max. HS-Äquiv. 67 % 2 Ausländer(in) max. HS-Äquiv. 58 % 3 Aussiedler(in) MR-Äquivalent 84 % 4 Ausländer(in) MR-Äquivalent 73 % 5 Aussiedler(in) Abi-Äquivalent 93 % 6 Ausländer(in) Abi-Äquivalent 92 % 7 R2
Signifikanzniveaus für Modelle mit alternativen Referenzkategorien Ref.
*
***
n. s.
***
***
*
Ref.
***
*
***
***
***
***
Ref.
+
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n. s.
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+
Ref.
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Ref.
n. s.
***
***
*
**
n. s.
Ref.
0,20
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. 1) Berechnung der vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten (Konstante * 100) unter Kontrolle folgender Variablen und für folgende Referenzkategorien: berufl. Stellung (Ref. Arbeiter), Bundeslandtyp (Ref. reformiertes Schulsystem), Gemeindegröße (Ref. groß/mittel), Einreisealter (Ref. 0-5 J.), Geschlecht (Ref. Männer), Familiengröße (Ref. 1-2 Kinder) (vgl. Tab. 8-4).
Dieses Ergebnis interpretiere ich als einen Hinweis darauf, dass gerade bei Migrantenkindern mit einem ungünstigen sozialen Hintergrund die mit dem Aussiedlerstatus assoziierten integrationspolitischen Vorteile eine kompensierende Wirkung hatten. 8.3.3 Interaktionseffekt: Bundesländer Da in den Bildungspolitiken der untersuchten alten Bundesländer der Rechtsstatus von Schüler(inne)n in unterschiedlichem Maße eine Rolle für ihre Beschulung spielte, wurde in Kapitel 5 die Hypothese 7b abgeleitet, dass die Bildungsunterschiede zwischen Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus in der Gruppe von Bundesländern ausgeprägter sein sollten, in denen erst spät die formale Unterscheidung zwischen ausländischen Kindern und Aussiedlerkindern aufgegeben wurde. Dies trifft innerhalb der Gruppe der Bundesländer mit traditionellen Schulsystemen etwa auf Bayern und Baden-Württemberg zu. In der Ländergruppe mit reformierten Schulsystemen änderten die drei Flächen266
staaten Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Hessen bereits Anfang der 1990er Jahre, also bevor die meisten der hier untersuchten 18- bis 20-Jährigen deutsche Grundschulen besuchten, ihre Schulgesetzgebung derart, dass Migrantenkinder unabhängig von ihrem spezifischen Rechtsstatus gemeinsam unterrichtet wurden (vgl. ausführlich Kap. 3.2.2). Tab. 8-13: Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und Bundeslandtyp Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Interaktionsterm Vorhergesagte WahrscheinRechtsstatus Bundeslandtyp lichkeit1 bei Einreise 1
Aussiedler(in)
2
Ausländer(in)
3
Aussiedler(in)
4
Ausländer(in)
5
R2
reformiertes Schulsystem reformiertes Schulsystem traditionelles Schulsystem traditionelles Schulsystem
Signifikanzniveaus für Modelle mit alternativen Referenzkategorien
66 %
Ref.
n. s.
***
***
62 %
n. s.
Ref.
**
***
52 %
***
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Ref.
*
43 %
***
***
*
Ref.
0,20
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. 1) Berechnung der vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten (Konstante * 100) unter Kontrolle folgender Variablen und für folgende Referenzkategorien: elterl. Bildung (Ref. HS-Äquivalent), berufl. Stellung (Ref. Arbeiter), Gemeindegröße (Ref. groß/mittel), Einreisealter (Ref. 0-5 J.), Geschlecht (Ref. Männer), Familiengröße (Ref. 1-2 Kinder) (vgl. Tab. 8-4).
Das Schätzmodell mit dem aus dem Rechtsstatus und dem Bundeslandtyp gebildeten Interaktionsterm in Tabelle 8-13 weist Ergebnisse aus, die diese Erwartungen stützen. Migrant(inn)en, die in reformierten Bildungssystemen zur Schule gingen, hatten nicht nur insgesamt bessere Bildungschancen; der geringfügige Bildungsvorteil von Aussiedler(inne)n im Vergleich zu den Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus ist zudem nicht mehr signifikant (vgl. Z. 1 und 2). Nur in Bundesländern mit konservativer Bildungspolitik haben als Ausländer(innen) Zugewanderte – wieder unter Kontrolle der anderen Bildungsdeterminanten – eine deutlich (um ca. neun Prozentpunkte) geringere Wahrscheinlichkeit, zumindest die Mittlere Reife zu erlangen (vgl. Z. 3 und 4). Entgegen meiner Hypothese 8c scheint also die bundesweit einheitlich finanzierte Extra-Förderung (Garantiefonds) für Aussiedlerkinder keine solche Durchschlagskraft 267
gehabt zu haben, als dass sie in allen Regionen unabhängig vom bundeslandspezifischen Schulsystem zu denselben Vorteilen gegenüber ausländischen Kindern geführt hätte. Dieses Ergebnis sagt zunächst nichts darüber aus, ob die integrationspolitischen Vorteile des Aussiedlerstatus die Bildungsrisiken in den traditionellen Schulsystemen ausglichen, oder aber neu einreisende Schüler(innen) mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Ländern wie Bayern besonders diskriminierend behandelt wurden. Spezielle Unterrichtsformen wie die auf den Hauptschulbesuch orientierten bilingualen Klassen für ausländische Kinder in Bayern (vgl. Kap. 3.2.3.5) sprechen für die zweite Erklärung. 8.3.4 Interaktionseffekt: Gemeindegröße Als letzte Annahme zur differenziellen Wirkung von Bildungsdeterminanten wurde in Kapitel 5 die Hypothese 8b formuliert, dass aufgrund der Aussiedler(inne)n vorbehaltenen Integrationshilfen diese Migrantengruppe weniger von der strukturellen Benachteiligung kleiner und ländlicher Kommunen betroffen gewesen sein könnte als die als Ausländer(innen) Zugewanderten. Tab. 8-14: Detailanalyse Modell A-a: Interaktion aus Rechtsstatus und Gemeindegröße Abhängige Variable: MR/Abi (Ref. max. HS) Vorhergesagte Interaktionsterm WahrscheinRechtsstatus Gemeindegröße lichkeit1 bei Einreise 1 Aussiedler(in) groß/mittel 66 % 2 Ausländer(in) groß/mittel 61 % 3 Aussiedler(in) klein/ländlich 61 % 4 Ausländer(in) klein/ländlich 52 % 7 R2
Signifikanzniveaus für Modelle mit alternativen Referenzkategorien Ref.
n. s.
n. s.
**
n. s.
Ref.
n. s.
*
n. s.
n. s.
Ref.
+
**
*
+
Ref.
0,20
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 20-Jährige, N = 1546, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „kleines“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. 1) Berechnung der vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten (Konstante * 100) unter Kontrolle folgender Variablen und für folgende Referenzkategorien: elterl. Bildung (Ref. HS-Äquivalent), berufl. Stellung (Ref. Arbeiter), Bundeslandtyp (Ref. reformiertes Schulsystem), Einreisealter (Ref. 0-5 J.), Geschlecht (Ref. Männer), Familiengröße (Ref. 1-2 Kinder) (vgl. Tab. 8-4).
Die Förderleistungen des Garantiefonds sahen auch explizit die Erstattung von Fahrt- und Unterbringungskosten vor, wenn Aussiedlerkinder und -jugendliche 268
nicht vor Ort die Möglichkeit hatten, an einer Fördermaßnahme teilzunehmen. Das Schätzmodell in Tabelle 8-14 zeigt zunächst, dass in größeren Städten der relative Bildungsnachteil, den als Ausländer(innen) Zugewanderte gegenüber Aussiedler(inne)n aufweisen, mit gut fünf Prozentpunkten Differenz statistisch nicht bedeutsam ist (vgl. Z. 1 und 2). Ähnlich wie im Fall einer hohen elterlichen Bildung scheint bei für die Schulkarriere günstigen Opportunitätsstrukturen die rechtliche Stratifizierung zwischen Migrantengruppen eine eher geringe Bedeutung zu haben. Gleichzeitig ist die Bildungsbenachteiligung von Migrantenjugendlichen ohne Aussiedlerstatus in Kleinstädten und Dörfern besonders groß, und zwar (schwach) signifikant größer als die der Aussiedlerjugendlichen in solchen Orten (vgl. Z. 3 und 4). Somit konnte Hypothese 8b in der Tendenz bestätigt werden. 8.3.5 Zwischenresümee zu Interaktionseffekten Der empirische Test meiner Hypothesen zur modifizierenden Wirkung des Rechtsstatus auf die Bildungschancen hat teils erwartete, teils in der vorgefundenen Form nicht vorhergesagte Ergebnisse erbracht. Bezüglich der institutionell begründeten Stadt-Land-Disparitäten und den unterschiedlichen Schulpolitiken der Bundesländer deutet sich der erwartete kompensierende Effekt der aussiedlerspezifischen, intergrationspolitisch gestalteten Lebensumstände und Hilfsmaßnahmen an. Bei Aussiedlerjugendlichen fallen die Bildungsnachteile, die sich durch den Schulbesuch in infrastrukturell benachteiligten kleineren Gemeinden sowie in den schulpolitisch konservativer ausgerichteten Bundesländern ergeben, etwas geringer aus als bei den Migrant(inn)en ohne Aussiedlerstatus. Auch unter Migrant(inn)en aus gering gebildeten Elternhäusern haben Aussiedlerkinder höhere Chancen, zumindest eine Mittlere Reife zu erzielen, als die Vergleichsgruppe. Beim Einfluss des Einwanderungsalters war die modifizierende Wirkungsweise dagegen anders ausgerichtet: Alle Migrantenjugendlichen, die während der Sekundarstufe einwanderten, hatten unabhängig von ihrem spezifischen Rechtsstatus ähnlich schlechte Chancen, mehr als einen Hauptschulabschluss zu erlangen. Von dem offensichtlichen Vorteil, vor oder während der Grundschule in Deutschland eingeschult worden zu sein, konnten nur Aussiedlerkinder profitieren. Bei den anderen Kindern spielte – entgegen der gängigen Theorie – das spezifische Einwanderungsalter keine Rolle. Hier scheint die Kumulation von rechtlichen Nachteilen und der insgesamt zu geringen schulischen Förderung von Migrantenkindern im Vorschul- und Grundschulalter die Möglichkeiten, einen weiterführenden Abschluss zu erlangen, stark unterminiert zu haben. 269
Analytisch sind also zwei Phänomene zu unterscheiden: Zum einen führte die privilegierende Aussiedlerpolitik dazu, dass die – im Rahmen der allgemeinen Forschung zu Bildungsungleichheit – erwartbaren Risikofaktoren bei Aussiedlerjugendlichen abgeschwächt wurden. Zum anderen resultieren die multiplen Benachteiligungen von als Ausländer(innen) Zugewanderten teils daraus, dass diese kaum von der eigentlich günstigen Lernausgangslage, die ein niedriges Einwanderungsalter aus einer lebenslauftheoretischen Sicht bietet, ausreichend profitieren konnten. 8.4 Vergleich zwischen Aussiedlerkohorten In den bisherigen Analysen standen die Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichen, hierarchisch stratifizierten Rechtsstatus und damit verknüpften politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi im Vordergrund. Wie Kapitel 3 zeigte, blieben aber der besonders privilegierte Rechtsstatus der Aussiedler(innen) und die hiermit verbundenen zuwanderungs- und integrationspolitischen Regelungen über die Jahre des Untersuchungszeitraums (1987-2003) hinweg nicht konstant. Im Kapitel 5 wurde daher die „Grundhypothese Aussiedlerkohorten“ entwickelt, wonach die sich im Laufe der 1990er Jahre verschlechternden Aufnahmebedingungen auch zu schlechteren Schulabschlüssen der später einreisenden Aussiedlerkinder geführt haben könnte. Im Kapitel 7 wiederum konnte anhand der bivariaten Ergebnisse gezeigt werden, dass eine derartige negative Korrelation in der Tat besteht – und zwar sowohl bezogen auf die Anteile der Abiturient(inn)en als auch die derjenigen, die in Deutschland maximal einen Hauptschulabschluss erzielten. In den Modellen C-a und C-b (Tab. 8-14) spiegeln die Brutto-Effekte für die Zuwanderungskohorten, deren Kategorisierung sich an Veränderungen der Aussiedlerpolitik orientiert (vgl. Kap. 6.5), diese Bildungsungleichheiten wider. Im Folgenden wird dieser Zusammenhang unter Kontrolle weiterer Individualmerkmale auf seine Robustheit hin geprüft. 8.4.1 Kompositionseffekte: Einwanderungsalter und weitere Kontrollvariablen In einem ersten Schritt wird getestet, ob die Effekte auch unter statistischer Konstanthaltung des Einwanderungsalters Bestand haben. Denn das Einreisealter und das Zuwanderungsalter korrelieren deutlich miteinander (vgl. Kap. 8.1.2), und es gilt die theoretisch jeweils unterschiedlich begründeten Einflüsse auf Bildungschancen von einander zu unterscheiden. Im Vergleich von Spalte 1 270
und 2 in Tabelle 8-15 ist zu sehen, dass sich unter Kontrolle der einflussreichen (und bis hin zum vollständigen Modellen stabilen) Bildungsdeterminante des Einreisealters die Bildungsungleichheiten zwischen Aussiedler(inne)n der frühesten Zuwanderungskohorte (1987-1989), als die politischen Rahmenbedingungen am günstigsten waren, und späteren Kohorten deutlich verringern. Dies zeigt sich in beiden Modellen, aber besonders stark bei der Schätzung der Wahrscheinlichkeit, ein Abitur zu erlangen (Modell C-b).198 Die Magnitude der Effekte schrumpft um ein Drittel (z. B. Modell C-a, Sp. 2, Z. 1) bis hin zu mehr als die Hälfte (Modell C-a, Sp. 2, Z. 3). Da die Bildungsunterschiede zwischen den Aussiedlerkohorten aber auch unter Berücksichtigung des variierenden Einreisealters signifikant bleiben, betrachte ich Hypothese 10c als falsifiziert. Wenn also – etwa aus der Alltagsperspektive von Lehrer(inne)n – der Eindruck entsteht, dass Spätaussiedlerjugendliche sehr viel schlechter abschneiden als früher zugewanderte Aussiedlerkinder, so liegt das teilweise daran, dass die gegenwärtigen Schulabsolvent(inn)en häufiger als Teenager nach Deutschland kamen. In den 1990er Jahren als Kleinkinder migrierte Spätaussiedler(innen) sind noch nicht alt genug, um in die Beurteilung des durchschnittlichen Schulerfolgs von Spätaussiedler(inne)n mit einfließen zu können. Dennoch bleibt – vor allem bezogen auf die Chance, mehr als einen Hauptschulabschluss zu erzielen – die negative Korrelation zwischen dem Zuwanderungsjahr und den Bildungschancen von Aussiedler(inne)n auf einem statistisch signifikanten Niveau bestehen. Die Bildungsungleichheiten zwischen unterschiedlichen Aussiedlerkohorten fallen noch einmal geringer aus, wenn – in den Spalten 3 und 4 – statistisch berücksichtigt wird, dass die frühesten Aussiedlerkohorten häufiger als spätere Migrant(inn)en mit Aussiedlerstatus in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sowie in größeren Städten wohnten, wo Schüler(innen) generell höhere Chancen haben, die Mittlere Reife oder das Abitur zu erlangen. Die rigorosere Durchsetzung der Wohnortzuweisung von neu zugewanderten Aussiedler(inne)n könnte dazu beigetragen haben, dass sich insbesondere die ab 1996 einreisenden Spätaussiedlerkohorten in anderen Bundesländern und (kleineren) Gemeinden niederließen.
198
Unter Kontrolle des Einreisealters schwindet in einem nicht abgebildeten Modell auch der Bildungsvorsprung der Aussiedler(innen) aus Polen gegenüber solchen aus der Ex-UdSSR.
271
Einwanderungsalter (Ref. 0-5 J).
4 5
272
15 Konstante 16 R2
Bundeslandtyp 7 (Ref. reformiertes Schulsystem) 9 Gemeindegröße (Ref. groß) Geschlecht 12 (Ref. männlich) 13 Herkunftsland (Ref. Ex-UdSSR) 14
6
3
Zuwanderungskohorten (Ref. 1987-1989)
1 2
-0,15 *** -0,07 ** -0,18 *** 0,19 *** 0,14 *** 0,12 ** 0,07 **
mittel klein/ländlich
weiblich
Polen Rumänien Missing
-0,29 ***
-0,23 *** -0,11 *** -0,26 ***
-0,09 *** -0,15 ***
traditionelles Schulsystem
16-17 J.
1996-2003 6-10 J. 11-15 J.
1990-1992 1993-1995
0,71 *** 0,03 ***
-0,15 ***
-0,29 ***
-0,23 *** -0,11 *** -0,26 ***
-0,09 *** -0,15 ***
0,80 *** 0,05 ***
-0,23 ***
-0,13 *** -0,08 *** -0,20 ***
-0,06 ** -0,09 ***
0,85 *** 0,07 ***
-0,13 ***
-0,23 ***
-0,11 *** -0,08 *** -0,20 ***
-0,05 * -0,07 **
0,90 *** 0,08 ***
-0,05 ** -0,13 ***
-0,11 ***
-0,23 ***
-0,10 ** -0,08 *** -0,21 ***
-0,03 n. s. -0,05 *
0,81 *** 0,12 ***
+
***
n. s. * n. s.
0,19 ***
0,19 ***
-0,02 0,09 0,00 0,81 0,12
-0,06 ** -0,13 ***
-0,12 ***
-0,23 ***
-0,11 ** -0,08 *** -0,21 ***
-0,05 * -0,07 *
6 ~ plus Herkunftsland
-0,06 ** -0,13 ***
-0,12 ***
-0,23 ***
-0,10 *** -0,08 *** -0,21 ***
-0,03 n. s. -0,06 *
Modell C-a: Wahrscheinlichkeit, einen weiterführenden Abschluss zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss) Unabhängige Ausprägungen Brutto1 2 3 4 5 Variablen mit Koeffizienten ~ plus ~ plus ~ plus ~ plus Nur Referenzkategorie für alle UV EinreiseBundesGemeinde- Geschlecht Zuwandealter landtyp größe rungskohorte
Tab. 8-15: Modell C-a, -b (linear probability model): Schätzung der Schulabschlussartien von Aussiedler(inne)n unterschiedlicher Zuwandererkohorten
Einwanderungsalter (Ref. 0-5 J).
4 5
15 Konstante 16 R2
Bundeslandtyp 7 (Ref. reformiertes Schulsystem) 9 Gemeindegröße (Ref. groß) Geschlecht 12 (Ref. männlich) 13 Herkunftsland (Ref. Ex-UdSSR) 14
6
3
Zuwanderungskohorten (Ref. 1987-1989)
1 2
0,08 *** 0,14 *** 0,15 *** 0,03 +
weiblich
-0,11 *** -0,20 ***
Mittel klein/ländlich
Polen Rumänien keine Angaben
-0,10 ***
-0,27 ***
-0,14 *** -0,10 *** -0,21 ***
-0,06 ** -0,14 ***
traditionelles Schulsystem
16-17 J.
1996-2003 6-10 J. 11-15 J.
1990-1992 1993-1995
0,35 *** 0,02 ***
-0,14 ***
-0,06 ** -0,14 ***
0,44 *** 0,04 ***
-0,23 ***
-0,04 n. s. -0,08 ** -0,18 ***
-0,03 n. s. -0,07 **
0,47 *** 0,05 ***
-0,09 ***
-0,23 ***
-0,03 n. s. -0,08 ** -0,18 ***
-0,02 n. s. -0,06 **
0,55 *** 0,07 ***
-0,10 *** -0,18 ***
-0,06 ***
-0,24 ***
-0,01 n. s. -0,08 ** -0,19 ***
0,01 n. s. -0,03 n. s.
0,51 *** 0,08 ***
273
**
***
n. s. ** n. s.
0,08 ***
0,08 ***
0,03 0,12 -0,01 0,49 0,09
-0,10 *** -0,17 ***
-0,07 ***
-0,24 ***
0,00 n. s. -0,08 ** -0,19 ***
0,01 n. s. -0,02 n. s.
6 ~ plus Herkunftsland
-0,10 *** -0,18 ***
-0,06 ***
-0,24 ***
-0,01 n. s. -0,08 ** -0,19 ***
0,01 n. s. -0,04 n. s.
(Fortsetzung Tab. 8-15) Modell C-b: Wahrscheinlichkeit, ein (Fach-)Abitur zu erlangen (Ref. kein Abschluss/Hauptschulabschluss/Mittlere Reife) Ausprägungen BruttoUnabhängige 1 2 3 4 5 Koeffizienten Variablen ~ plus ~ plus ~ plus ~ plus Nur für alle UV mit ReferenzEinreiseBundesGemeinde- Geschlecht Zuwandekategorie alter landtyp größe rungskohorte
(Fortsetzung Tab. 8-15) Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: 18- bis 35-Jährige, N = 3685, zur Grundgesamtheit vgl. Definition „großes“ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Signifikanzniveaus der Koeffizienten und – jeweils rechts neben R2 – der Verbesserung der Vorhersagekraft des Modells gegenüber dem Vorgängermodell (Sp. 2-6, Z. 16, in Sp. 1 gegenüber dem Null-Modell): *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10, n. s. = nicht signifikant; robuste Standardfehler. Signifikanzniveau der Veränderung des Rechtsstatus-Koeffizienten (Sp. 2-6, Z. 1-3) im Vergleich zum jeweiligen Vorgängermodell: p< 0,01 (fett und kursiv), p < 0,05 (nur fett), p < 0,10 (nur kursiv). Das Signifikanzniveau der Veränderung des Koeffizienten wird nur entsprechend vermerkt, wenn der Koeffizient selbst signifikant unterschiedlich von Null ist oder erst im neuen Modell nicht signifikant wurde.
Allerdings sollte die Stärke des Effekts der Gemeindegröße auf den Schulerfolg mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden, da hier im Gegen-satz zum Teilsample der 18- bis 20-Jährigen (vgl. Kap. 8.2 und 8.3) die Kausalrichtung nicht ganz eindeutig ist: Da im Teilsample für den Aussiedlerkohortenvergleich die Untersuchungspopulation zwischen 18 und 35 Jahre alt war (vgl. Kap. 8.1.2), könnten auch einige derjenigen, die in kleineren Gemeinden ein Abitur erlangt hatten, bis zum Befragungszeitpunkt in Großstädte umgezogen sein, um dort zu studieren oder einer Beschäftigung nachzugehen. 8.4.2 Indirekter Test der Kompositionseffekte bezogen auf sprachliche und sozio-ökonomische Ressourcen In Kapitel 5 wurde die Erwartung formuliert, dass die Bildungsvorteile der frühen Aussiedlerkohorten auch auf die besseren Deutschkenntnisse der (weitgehend bis 1993 eingewanderten) Rumäniendeutschen (Hyp. 10a) sowie auf die höhere elterliche Bildung der unter den bis Anfang der 1990er Jahre Zugewanderten (Hyp. 10b) zurückzuführen sein könnte. Beide Hypothesen können nicht direkt getestet werden, da die Deutschkenntnisse zum Aufenthaltsbeginn im Mikrozensus nicht erhoben wurden (vgl. Kap. 6.5) und in dem für die Überprüfung von Zuwandererkohorteneffekten geeigneten Teilsample der 18- bis 35Jährigen nicht auf die Informationen über das Elternhaus zurückgegriffen werden kann. Zugleich wurde in Kapitel 7.3.3 zumindest für die Eltern der 18- bis 20-Jährigen gezeigt, dass die bis Anfang der 1990er Jahre zugewanderten Aussiedlereltern höher gebildet waren als spätere Kohorten und unter den früheren Kohorten vor allem Eltern aus Polen und Rumänien das meiste kulturelle Kapital aufwiesen (vgl. auch Tab. III-4 im Anhang III). Daher dient im Modell C in Tabelle 8-15 (Sp. 6, Z. 11 bis 13) das Herkunftsland als Proxy für diese familialen Ressourcen. Wird das Herkunftsland als letzte unabhängige Variable eingeführt, so weisen die Schätzmodelle für Rumäniendeutsche tatsächlich eine deutlich – um 274
neun bzw. zwölf Prozentpunkte – höhere Wahrscheinlichkeit auf, einen weiterführenden Schulabschluss (Modell C-a, Sp. 6, Z. 12) bzw. ein Abitur zu erlangen (Modell C-b, Sp. 6, Z. 12) als die Referenzgruppe der russlanddeutschen Peers. Der Unterschied zu Aussiedler(inne)n aus Polen sowie jenen, die Angaben zum Herkunftsland verweigerten, ist nicht signifikant (vgl. auch Fußnote 198 in diesem Kapitel). Allerdings verändert die Berücksichtigung der Herkunftsländer und der damit assoziierten typischen sprachlichen und soziokulturellen Kapitalien die Unterschiede zwischen den Aussiedlerkohorten nicht signifikant. Als alternative Art, die Hypothesen 10a und 10b zu überprüfen, wurde das Aussiedlerkohorten-Modell nur mit Aussiedler(inne)n aus der ehemaligen Sowjetunion, die während des gesamten Untersuchungszeitraums einwandern konnten, geschätzt und mit dem Modell C-a/-b verglichen (vgl. Tab. Vb-5 im Anhang Vb (online)). Dabei wurde die elterliche Bildung im auf Russlanddeutsche beschränkten Modell insofern konstant gehalten, als zumindest im kleinen Sample der 18- bis 20-Jährigen bei russlanddeutschen Eltern kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen ihrem kulturellen Kapital und dem Einreisejahr besteht. Die Effekte der Zuwandererkohorten fallen im auf Russlanddeutsche beschränkten Modell zwar geringer aus als im Modell C und sind nur noch schwach signifikant. Dem Wald-Test zufolge unterscheiden sich die Koeffizienten zwischen dem größeren und dem kleineren Modell aber nicht signifikant voneinander. Dies spricht dafür, dass die relativen Bildungsnachteile der Spätaussiedler(innen) nicht allein darauf zurückzuführen sind, dass sie nur seltener im Herkunftsland erworbene Deutschkenntnisse und die Erwachsenen unter ihnen weniger kulturelles Kapital als frühere Aussiedlerkohorten mitbrachten. Vielmehr scheint sich die relative Verschlechterung des ursprünglich sehr positiven politisch-rechtlichen Aufnahmekontextes auf die in Deutschland erzielten Schulerfolge negativ ausgewirkt zu haben. Demnach sind die Hypothesen 10a (Kompositionseffekt Deutschkenntnisse) und 10b (Kompositionseffekt Bildung der Eltern) als falsifiziert zu betrachten. Dieses Ergebnis steht unter dem Vorbehalt, dass die unterschiedliche Zusammensetzung der früheren und späteren Aussiedlerkohorten bezogen auf ihre bildungsrelevanten familiären Ressourcen bei der Schätzung der Schulerfolge nur indirekt gemessen werden kann. Dennoch zeigen die Bildungsungleichheiten zwischen Aussiedlerkohorten aller Herkunftsländer bei Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren, wie dem regionalen Bildungsangebot (Bundeslandtyp und Gemeindegröße) und dem Einreisealter, eine gewisse Stabilität. Unter Konstanthaltung dieser Merkmale hatten Aussiedler(innen), die in den integrationspolitisch günstigsten Jahren 1987 bis 1989 in die Bundesrepublik kamen, immer 275
noch eine um gut elf Prozentpunkte höhere Chance, zumindest eine Mittlere Reife anstelle eines Hauptschulabschlusses zu machen, als die ab 1996 zuwandernden Spätaussiedler(innen). Selbst wenn bessere Datensätze zeigen könnten, dass unter Russlanddeutschen im Laufe des Untersuchungszeitraums die mitgebrachten Ressourcen, wie etwa Deutschkenntnisse, geringer geworden sein sollten, so ließe sich dennoch schlussfolgern, dass die Integrationsförderung genau bei denjenigen Aussiedler(inne)n zurückgefahren wurde, die sie am dringendsten nötig gehabt hätten. Wie bereits beim Vergleich von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus spielt auch beim Intragruppenvergleich zwischen Aussiedlerkohorten ein Unterschied im politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus für die Chancen auf ein Abitur keine ursächliche Rolle. Offenbar ist ein vorteilhafter politischrechtlicher Aufnahmekontext weniger eine Sprungbrett auf die höchste Sprosse der bundesdeutschen Bildungsleiter als vielmehr ein relativer – wenn auch nicht absoluter Schutz – vor Bildungsarmut. 8.5 Zusammenfassung Ausgangspunkt dieses Kapitels waren die substanziellen Bildungsdisparitäten zwischen Migrantenjugendlichen mit und ohne Aussiedlerstatus sowie zwischen unterschiedlichen Aussiedlerkohorten. Die Bildungsungleichheiten zeigen sich vor allem bezüglich des Risikos, höchstens einen Hauptschulabschluss zu erlangen. Ziel des Kapitels war es, mittels multivariater Schätzmodelle zu klären, wie diese Unterschiede im Schulerfolg zwischen Zuwanderergruppen zustande kamen. Ein Hauptergebnis des Intergruppenvergleichs zwischen Migrant(inn)en mit unterschiedlichen Rechtsstatus ist, dass der hier untersuchte Effekt des Rechtsstatus auf die Bildungschancen zur Hälfte mit der divergierenden sozialen Zusammensatzung der verglichenen Zuwanderergruppen erklärt werden kann. Der verbleibende Netto-Effekt des Aussiedlerstatus – eine um sechs Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, zumindest einen Realschulabschluss zu erlangen – bleibt aber statistisch signifikant. Sowohl von der statistischen Erklärungskraft (R2) als auch der Effektgröße (b) her nimmt sich dieser Einflussfaktor zwar deutlich kleiner aus als die Wirkmächtigkeit des kulturellen Kapitals der Eltern, das zu den bedeutendsten sozialen Determinanten von Bildungschancen zählt. Vergleichbar ist die Magnitude des Netto-Effekts und der Erklärungskraft des Rechtsstatus mit der Größe der klassischen Stadt-Land-Disparitäten oder der relativen Nachteile von Schüler(inne)n aus kinderreichen Familien. Dabei zeigen sich beim differenzierten 276
Vergleich zwischen Aussiedler(inne)n und etwa den ex-jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlingen mit ihrem besonders nachteiligen politisch-rechtlichen Aufnahmekontext noch einmal deutliche größere Netto-Unterschiede (zehn Prozentpunkte Differenz), als im einfachen dichotomen Vergleich von Migrant(innen) mit und ohne Aussiedlerstatus sichtbar werden. Gründe dafür, warum diese Bildungsdisparitäten mit den hier analysierten Umfragedaten systematisch unterschätzt sein könnten, wurden in Kapitel 8.2.1 bereits kurz angesprochen und werden noch einmal ausführlicher im abschließende Kapitel 9 diskutiert. Im Folgenden werden die quantitativ-empirischen Ergebnisse zu der Fragestellung, wie der Einfluss des Rechtsstatus auf Bildungschancen wirkt, resümierend dargestellt und diskutiert. Tabelle 8-16 gibt einen Überblick darüber, ob die diesbezüglichen Hypothesen bestätigt oder widerlegt wurden, in der Reihenfolge, in der sie getestet wurden (vgl. analog Tab. 8-3). Zunächst zu den Punkten, die im Widerspruch zu der von mir angenommenen Bedeutung des Rechtsstatus für Bildungschancen zu stehen scheinen: Warum schnitten einzelne Teilgruppen der als Ausländer(innen) Zugewanderten trotz ihrer schlechteren politisch-rechtlichen Inkorporationsmodi sogar besser als Aussiedlerjugendliche ab? Bei jüdischen Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion konnte ihr Bildungsvorsprung gegenüber Aussiedler(inne)n weitgehend auf die hohe elterliche Bildung zurückgeführt werden. Dabei war deren rechtliche Stellung noch relativ gut. Aber auch Migrantenkinder außereuropäischer Herkunft, unter denen viele als Asylsuchende unter politisch widrigen Bedingungen in der Bundesrepublik aufgenommen wurden, hätten wohl noch schlechter abgeschnitten, wenn nicht ein gutes Drittel ihrer Eltern mit viel kulturellem Kapital (Abitur-Äquivalent) ausgestattet gewesen wäre. Darüber hinaus hat die Überprüfung von Interaktionseffekten ergeben, dass gerade bei Migrantenkindern aus gebildeten Elternhäusern der Rechtsstatus kaum Bedeutung für ihre Bildungschancen hatte. Eine hohe elterliche Bildung schwächt offenbar die mit einem schlechteren Rechtsstatus verbundenen Nachteile ab. Als ein indirekt wirksamer Nachteil hat sich die Wohnortzuweisung von neu zugewanderten Aussiedlerfamilien erwiesen: Da Aussiedler(innen) auch kleineren Kommunen zugeteilt wurden und sie dort – viel öfter als Migrant(inn)en im Allgemeinen – wohnen blieben, konnten sie aufgrund des dort eingeschränkten Bildungsangebots seltener weiterführende Schulen besuchen. Dieser moderate, integrationspolitisch mit beeinflusste Kompositionseffekt war allerdings der einzige, der zu Lasten dieser ansonsten privilegierten Migrantengruppe ging. Zudem schnitten in kleinen Gemeinden lebende Aussiedlerju-
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gendliche immer noch etwas besser ab als die in ähnlichen Orten wohnhaften anderen Migranten-Peers. Tab. 8-16: Bestätigte und falsifizierte Hypothesen zum Einfluss des Rechtsstatus auf Bildungschancen Hypothesen
Ergebnis der Ursache der Effekte Hypothesentestung (vgl. Tab. 5-1) Hypothesen zum Einfluss unterschiedlicher Rechtsstatus (Intergruppenvergleich) Testen von Kompositionseffekten 5a teilweise bestätigt Immigrationspolitik 5b elterl. Bildung bestätigt Selbstselektion 5c bestätigt Selbstselektion berufl. Stellung der 6b teilweise bestätigt Integrationspolitik Eltern 7a Bundeslandtyp falsifiziert Integrationspolitik 8a Gemeindegröße bestätigt Integrationspolitik indirekt bestätigt 1 Bleibesicherheit Integrationspolitik (Netto-Effekt) symbolische indirekt bestätigt 9 Integrationspolitik In/Exklusion (Netto-Effekt) indirekt bestätigt Immigrationspolitik + Deutschkenntnisse (Netto-Effekt und Integrationspolitik 3/4 der Kinder/Eltern Detailanalysen) teilweise bestätigt Immigrationspolitik Testen von Interaktionseffekten 2 Einreisesalter teilweise bestätigt Integrationspolitik 5d elterl. Bildung teilweise bestätigt Integrationspolitik 7b Bundeslandtyp bestätigt Integrationspolitik 7c Bundeslandtyp falsifiziert Integrationspolitik bestätigt 8b Gemeindegröße Integrationspolitik (schwacher Effekt) Hypothesen zum Einfluss unterschiedlicher Rechtsstatus (Intergrup-penvergleich) Testen von Kompositionseffekten 10c Einreisealter falsifiziert Selbstselektion 10a Deutschkenntnisse Selbstselektion indirekt falsifiziert 10b elterl. Bildung Selbstselektion Anmerkung: Die Überprüfung der Hypothesen bezieht sich im Wesentlichen auf die Wahrscheinlichkeit, maximal einen Hauptschulabschluss zu erlangen.
Welche Wirkungszusammenhänge erklären nun die relativen Bildungsvorteile von Aussiedlerjugendlichen? Zunächst einmal profitierten sie von Faktoren, die nicht genuin mit gruppenspezifischen Zuwanderungs- und Integrationspolitiken 278
zusammenhängen: Wenn Aussiedlerkinder häufiger zumindest einen Realschulabschluss in ihrer neuen Heimat erzielten, lag dies teilweise – aber nicht vollständig – daran, dass sie im Durchschnitt in einem etwas niedrigeren Alter einwanderten, seltener aus kinderreichen Familien stammten und ihre Eltern häufiger zumindest ein mittleres Bildungsniveau aufwiesen. Drei nachgewiesene Kompositionseffekte, die den relativen Bildungsvorsprung von Aussiedlerkindern zu einem Teil erklären, sind eng an die indirekte Wirkungsweise des Rechtsstatus gekoppelt: Da erstens die Aussiedlerzuwanderung auf das ehemals sozialistische Osteuropa mit seinen relativ gut ausgebauten Bildungssystemen beschränkt war, gibt es kaum Aussiedlereltern ohne Schulabschluss. Dies fungierte für ihre Kinder in Deutschland als ‚Schutz‘ vor der schlimmsten Bildungsarmut, d. h. dem Abgang von einer allgemeinbildenden Schule ohne Sekundarschulabschluss. Zweitens konnte ich zumindest indirekte Hinweise auf den zuwanderungspolitisch mit beeinflussten Effekt finden, dass bessere ‚mitgebrachte‘ Deutschkenntnisse – die kleine Gruppe der rumäniendeutschen Aussiedler(innen) diente hier als Proxy – eine Teilerklärung für eine günstigere Lernausgangslage darstellten. Drittens stellte es sich im Sinne eines durch rechtsstatusspezifische Integrationspolitik mit geprägten Effekts als förderlich heraus, dass Aussiedlereltern – ohne ausländerrechtliche Beschränkungen und mit Unterstützung besonderer Integrationsmaßnahmen – nicht ganz so häufig arbeitslos und arm waren wie die als Ausländer(innen) zugewanderten Migranteneltern. Auch unter statistischer Kontrolle der teils mit dem Rechtsstatus verbundenen, teils davon unabhängigen Kompositionseffekte bleiben Bildungsungleichheiten bestehen. Dieser Nettoeffekt zeigt sich zwischen Aussiedler(inne)n und solchen Teilgruppen von als Ausländer(innen) Zugewanderten, für die negative bis höchstens neutrale politisch-rechtliche Aufnahmekontexte typisch waren, d. h. insbesondere gegenüber den ex-jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlingen, aber auch Migrant(inn)en aus der Türkei und „sonstigen Drittstaaten“, aus denen neben Familienmigrant(inn)en auch Asylsuchende kamen. Mit Bezug auf das Konzept der gruppenspezifischen Inkorporationsmodi von Portes u. a. (2009: 1079) lässt sich zudem argumentieren, dass innerhalb dieser benachteiligten Migrantengruppen aufgrund des hohen Grades ihrer sozio-ökonomischen Marginalisierung kaum das Potenzial für ‚bildungsförderliche‘ eigenethnische Netzwerke bestand, und sie neben ausländerrechtlichen Diskriminierungen zudem mit negativen ethnisierenden Vorurteilen konfrontiert waren. Flüchtlinge konnten darüber hinaus durch traumatisierende Kriegs- und Fluchterfahrungen belastet sein. Gerade Türkeistämmige werden in der Bildungs- und Migrationsforschung häufig als Problemgruppe behandelt; dass eine substanzielle Minderheit unter 279
ihnen auch als Asylsuchende rechtlichen Benachteiligungen ausgesetzt war, wird dabei kaum thematisiert. Das sehr schlechte Abschneiden der von mir untersuchten ex-jugoslawischen Migrantenjugendlichen kontrastiert mit älteren Analysen zu Kindern der rekrutierten Arbeitsmigrant(inn)en, wo diejenigen aus dem ehemaligen Jugoslawien keineswegs die schlechtesten Bildungsergebnisse aufwiesen (Alba u. a. 1994: 217, 222). Dies unterstreicht meines Erachtens die Relevanz des prekären Rechtsstatus der Bürgerkriegsflüchtlinge im Deutschland der 1990er Jahre. Zudem lieferte der Intragruppenvergleich Hinweise darauf, dass – ähnlich wie es Portes und McLeod (1996: 263f.) für unterschiedliche Wellen kubanischer Flüchtlinge in die USA nachzeichnen – auch eine relative Verschlechterung eines Rechtsstatus-Typs seine Spuren hinterlassen kann. So erwiesen sich auch die Bildungsungleichheiten zwischen Aussiedlerkohorten, deren integrationspolitische Aufnahmekontexte sich im Laufe der 1990er Jahre verschlechterten, als relativ robust. Mit den Individualdaten des Mikrozensus können nicht alle integrationspolitischen Vorteile, die die politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen von Aussiedler(inne)n kennzeichneten, abgebildet werden – etwa die absolute Bleibesicherheit, die politische Legitimität sowie das Bündel aller Fördermaßnahmen, wie z. B. Deutschkurse für Erwachsene und das bildungsbezogene Garantiefonds-Programm. Die Kumulation dieser Vorteile hat insgesamt die Bildungsrisiken, die mit der Migration verbunden sind, reduziert, und diese Abschwächung ist Teil des Netto-Effekts des Aussiedlerstatus. Ob spezifische, in der Forschung gut belegte Bildungsdeterminanten bei Aussiedler(inne)n im Vergleich zu den anderen Migrant(inn)en auf eine modifzierte Art und Weise wirkten, wurde in Form von Interaktionseffekten überprüft. Die Bilanz ist hier durchaus gemischt. Die institutionellen Bildungsrisiken, die mit der Beschulung in kleineren Gemeinden und in Bundesländern mit geringeren Angeboten an weiterführenden Schulen verknüpft sind, fielen unter Aussiedlerjugendlichen etwas schwächer als unter als Ausländer(innen) Zugewanderten aus. Dies könnte sowohl für die Wirksamkeit der aussiedlerspezifischen Maßnahmen als auch für eine besondere Diskriminierung ausländischer Migrantenkinder sprechen. Da in Ländern wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Hessen, in deren allgemeinbildenden Schulen bereits in den frühen 1990er Jahre die formale Unterscheidung zwischen Aussiedler- und ausländischen Kindern aufgehoben wurde, die Bildungsungleichheiten zwischen Migrantenschüler(inne)n mit und ohne Aussiedlerstatus geringer ausfielen und beide Gruppen besser als ihre Peers in konservativen Schulsystemen abschnitten, spricht dies eher gegen die Bedeutung einer begrenzten außerschulischen Extra-Förderung (Garantiefonds) und für die 280
Wirkmächtigkeit der Strukturen und Unterrichtsgestaltung der Regelschulen selbst. Diesem Beispiel für eine nach ‚oben‘ gerichtete Nivellierung zwischen Migrantenkindern mit unterschiedlichem Rechtsstatus steht ein anderes Ergebnis für eine nach ‚unten‘ gerichtete Nivellierung entgegen: Jugendliche, die aus dem Ausland nach Deutschland immigrierten und hier die Sekundarbildung fortsetzten, hatten ungeachtet ihres Rechtsstatus deutlich geringere Chancen auf einen weiterführenden Schulabschluss als Kinder, die in einem jüngeren Alter einwanderten. Die institutionelle Logik in einem gegliederten Sekundarschulsystem, das gute Deutschkenntnisse als Voraussetzung für den Eintritt in höhere Bildungsgänge erachtet und in dem die meisten Seiteneinsteiger(innen) an dieser Eingangsvoraussetzung scheitern, entfaltete so eine diskriminierende Wirkung. Diese konnte offenbar nicht von einer aussiedlerspezifischen Zusatzförderung wettgemacht werden. Deren Nutzen zeigt sich aber in einer effektiven Verhinderung von Zertifikatslosigkeit unter als ältere Jugendliche zugezogenen Aussiedler(inne)n. Die Migrantenkinder ohne Aussiedlerstatus konnten im deutlichen Gegensatz zu Aussiedler(inne)n noch nicht einmal von dem objektiven Vorteil eines niedrigen Einreisealters profitieren. Die Bildungserfolge der Aussiedlerkinder, die vor dem Ende der Grundschule immigrierten, könnten teilweise durch die in diesem Alter effektiveren bildungsbezogenen Maßnahmen (erleichterter Besuch deutscher Kindergärten und bis 1994 extra Hausaufgabenhilfe für Aussiedlerkinder im Grundschulalter) begründet sein. Wichtiger waren vermutlich die allgemein günstigeren Aufenthaltsbedingungen, die die Bundesrepublik ihnen und ihren Eltern bot. Insgesamt entfalten privilegierte und benachteiligende Rechtsstatus und entsprechende politisch-rechtliche Inkorporationsmodi eher in den unteren Regionen verschiedener sozialer Ungleichheitsdimensionen ihren Einfluss – sei es bezogen auf die Bildungschancen der Kinder, sei es bezüglich der indirekt wirksamen sozio-ökonomischen Integrationschancen der Eltern. So war der Aussiedlerstatus bei Weitem keine Garantie für prestigeträchtige berufliche Positionen der Erwachsenen oder für ein Abitur der Kinder. Ausschlaggebend war der Aussiedlerstatus vielmehr bei der Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut auf Seiten der Eltern und dafür, dass bei den Kindern die Risiken von Bildungsarmut abgefedert wurden.
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9 Gesamtresümee und Ausblick
Ausgangspunkt der vorliegenden Studie war ein ‚natürliches Experiment‘, das in Einwanderungsländern stattgefunden hat und weiterhin stattfindet: Minderjährige wandern in ein Land ein und sind dort vor ähnliche Herausforderungen gestellt. Sie müssen die Schulsprache erlernen, als Seiteneinsteiger(innen) noch unbekannten Lehrstoff nachholen und sich an andere Lehrstile gewöhnen. Auch ihren Eltern ist das Bildungssystem des Aufnahmelands nicht vertraut und nicht zuletzt sind die dortigen Schulen mehr oder – häufiger – minder darauf eingestellt, Migrantenkinder aufzunehmen und Unterstützung anzubieten. Die Ausgangslagen der Kinder, die vor diesen Herausforderungen stehen, unterscheiden sich jedoch. Dies gilt nicht nur bezüglich ihres ökonomischen und kulturellen Hintergrunds, sondern auch bezüglich der vom aufnehmenden Staat zugewiesenen rechtlichen Status und der hieran geknüpften Integrationsförderung. Die Beantwortung der Fragen, ob und wie sich diese Ungleichbehandlung durch den Staat auf die Bildungschancen auswirken kann, stand im Zentrum dieser Arbeit. Bildungsungleichheiten stellen eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheiten innerhalb einer Gesellschaft dar. Durch die Analyse des Rechtsstatus von Migrant(inn)en als Determinante von Bildungschancen rückt zugleich in den Vordergrund, dass diese Gesellschaft nationalstaatlich konstituiert ist und diese Konstitution selbst als Quelle von Ungleichheiten fungiert. Denn nicht jedermann darf über die Außengrenzen hinweg nationalstaatliches Territorium betreten, und innerhalb des Landes errichtet der Staat durch die Zuweisung stratifizierter rechtlicher Statuspositionen eine Hierarchie unter Zugewanderten. Indem diese Arbeit den Fokus auf den Rechtsstatus legt, analysiert sie also die Konsequenzen einer Ungleichheitsachse, die für eine Welt aus Nationalstaaten konstitutiv ist. Somit trägt diese Studie dazu bei, die Soziologie sozialer Ungleichheit, die die Grenzen der untersuchten Gesellschaften oft nicht reflektiert (vgl. kritisch Wimmer/Glick Schiller 2002), weiterzuentwickeln. Zudem stärkt meine institutionalistische Perspektive auf Einwanderung, gesellschaftliche Teilhabe und Bildungschancen von Migrant(inn)en eine Migrations- und Bildungssoziologie, deren Blick über individuelle und familiale Determinanten hinaus geht und die durch die Analyse institutioneller Einflüsse auch die politische Gestaltbarkeit sozialer Gegebenheiten vor Augen führt.
282 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Am Fallbeispiel der Bundesrepublik Deutschland wurden Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus verglichen: die politisch privilegierten Aussiedler(innen), die nach ihrer Einreise die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen bekamen und von einer Reihe von Fördermaßnahmen profitierten, und Migrant(inn)en, die ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik als Ausländer(innen) begannen. Unter Letzteren hatten Asylsuchende und geduldete De-factoFlüchtlinge einen besonders nachteiligen Rechtsstatus inne. Empirisches Kernergebnis sind die deutlichen Bildungsdisparitäten zwischen Zuwanderergruppen mit und ohne Aussiedlerstatus. Aussiedler(innen) zählen viel seltener zu den Bildungsarmen. Unter ihnen ist mit 36,7% der Anteil der Hauptschulabgänger(innen) um acht Prozentpunkte, der Anteil der Abschlusslosen mit 2,2% um elf Prozentpunkte geringer als unter den anderen Migrant(inn)en. Um diese Bildungsdisparitäten zu erklären, wurde hier ein theoretisches Modell entwickelt, das von zwei grundsätzlich zu differenzierenden Mechanismen ausgeht, vermittels derer der Rechtsstatus von Migrant(inn)en ihre Bildungschancen im Aufnahmeland beeinflusst. Zum einen können mit den rechtlichen Zuwanderungswegen, die zu einem spezifischen Rechtsstatus hinführen, Einreisekriterien verbunden sein, die eine Selektionswirkung auf die sozialen Charakteristika der betroffenen Migrant(inn)en haben. Diese mitgebrachten sozioökonomischen oder sprachlichen Kapitalien von Migranteneltern wirken sich auch auf den Schulerfolg ihrer Kinder aus. Zum anderen prägen die zugewiesenen Rechtsstatus und damit verbundene Integrations- oder Desintegrationspolitiken die Aufenthaltsbedingungen von Zugewanderten. Solche rechtsstatusspezifischen staatlichen Inkorporationsmodi beeinflussen die Bildungschancen der Kinder direkt und, über die familiale Ebene vermittelt, indirekt. Unterschiedliche rechtliche Zuwanderungswege nur teilweise an bildungsrelevante Einreisekriterien geknüpft Bezogen auf die immigrationspolitische Dimension wurde zunächst konstatiert, dass demokratische Staaten wie die Bundesrepublik in ihrer Souveränität, Migrant(inn)en anhand von Kriterien auszuwählen, die sich an einer ‚Integrationsprognose‘ orientieren, rechtlich deutlich eingeschränkt sind. Dies betrifft insbesondere Migrant(inn)en, die als Flüchtlinge anerkannt sind oder aus menschenrechtlichen Gründen zumindest nicht abgeschoben werden können. Dabei unterlag im hier untersuchten Zeitraum, 1987 bis 2003, der Kreis der Herkunftsländer, aus denen Flüchtlinge ‚legitimerweise‘ kommen konnten, auch politischen Bewertungen und einem historischen Wandel. So konnten Osteuropäer(innen) nur bis zum Fall des ‚Eisernen Vorhangs‘ zur Gruppe der anerkannten und da283
mit rechtlich relativ gut gestellten Flüchtlinge zählen. Ebenfalls im Grundsatz universell legitimiert und durch das deutsche Grundgesetz geschützt ist die Immigration im Rahmen der Familienzusammenführung, neben der Fluchtmigration eine bedeutsame Zuwanderungsmöglichkeit für Minderjährige. Allerdings wurden bezüglich der Familienmigration sozio-ökonomische Hürden (Nicht-Bezug von Sozialhilfe, genügend Wohnraum) durch das Ausländerrecht errichtet. Bei Zuwanderungswegen, bei denen demokratische Rechtsstaaten nicht an menschenrechtliche Ansprüche gebunden sind, hat die Bundesrepublik bislang keine Immigrationsmöglichkeit geschaffen, die im großen Stil ausgewählten höher qualifizierten Drittstaatenangehörigen die dauerhafte Niederlassung erlaubt, wie es Kanada mit seinem Punktesystem tut. Im Rahmen der EU-Binnenmigration mussten erwachsene Migrant(inn)en, darunter Eltern minderjähriger Kinder, eine Beschäftigung haben, um sich in der Bundesrepublik niederlassen zu können; das Niveau der beruflichen Ausbildung war hier jedoch nicht festgelegt. Einzig ein kleiner Kreis von Drittstaatenangehörigen, die im Zuge von Ausnahmeregelungen für einige Jahre einer hochqualifizierten Beschäftigung nachgehen durften, verfügten aufgrund dieses ökonomischen Auswahlkriteriums zwangsläufig über ein hohes Ausmaß an kulturellem Kapital, von dem mitgebrachte Kinder auch in schulischer Hinsicht profitieren konnten. Um als Aussiedler(in) anerkannt zu werden, mussten Bedingungen erfüllt werden, die teilweise auch für die anschließenden Teilhabe- und Bildungschancen in der Bundesrepublik relevant waren. So spielten bei diesem Prototyp ethnischer Migration Deutschkenntnisse, die für den Schulerfolg von Kindern von unmittelbarer Bedeutung sind, für das Kriterium der „deutschen Volkszugehörigkeit“ eine im Laufe der 1990er Jahre zunehmend wichtige Rolle. Sprachkompetenzen wurden dabei mehr und mehr aus dem integrationspolitischen Blickwinkel als nützlich und notwendig für den individuellen Integrationsprozess betrachtet. Weil die Aussiedlerzuwanderung aber maßgeblich durch die politischen Ideologien der deutschen Volkszugehörigkeit und des Kalten Krieges begründet war, waren die sprachlichen Anforderungen eher gering und es gab etliche Ausnahmeregelungen. Dabei wanderten gerade bis Anfang der 1990er Jahren, in denen die Kriterien noch weniger streng waren, mehr Aussiedler(innen) mit guten Deutschkenntnissen ein als in den Jahren darauf, als mit der Einführung eines Sprachtests im Jahr 1996 die Anforderungen diesbezüglich strenger wurden – ein Lehrstück für die begrenzten Möglichkeiten staatlicher Immigrationsregulierung. Dennoch hat das ethnische Element der Aussiedlerzuwanderung ohne Zweifel dazu beigetragen, dass Aussiedler(innen) häufiger mit Deutschkenntnissen einreisten, als dies bei anderen Migrant(inn)en der Fall war. So hatten vor allem rumäniendeutsche Aussiedlerkinder gute Ausgangsbe284
dingungen an deutschen Schulen, was sich, wie die empirischen Ergebnisse zeigten, auch in höheren Schulabschlüssen niederschlug. Indem Aussiedler(innen) nur aus den ehemals sozialistischen Ländern Osteuropas kommen konnten, war diese Zuwanderungsmöglichkeit unintendiert auf Gesellschaften mit relativ gut ausgebauten Bildungssystemen beschränkt. In der Konsequenz gibt es unter erwachsenen Aussiedler(inne)n im Vergleich zu anderen Migrant(inn)en kaum Personen ohne allgemeinbildenden Schulabschluss. Migranteneltern aus ärmeren Staaten haben dagegen häufiger eine sehr geringe Bildung. Aufgrund der besonderen sozialen Selbstselektion von Fluchtmigrant(inn)en ist unter den Erwachsenen aus Ländern wie Iran, Irak und Afghanistan aber auch der Anteil der hoch Gebildeten beachtlich und höher als unter Aussiedler(inne)n. Rechtsstatus prägt Aufenthaltsbedingungen und Teilhabechancen im Aufnahmeland Zwar strukturiert das mitgebrachte kulturelle Kapital von Migranteneltern die Bildungschancen ihrer Kinder im Aufnahmeland in erheblichem Maße vor (s. unten). Dennoch beeinflusst der politisch-rechtliche Aufnahmekontext, den der Staat unterschiedlichen Zuwanderergruppen bietet, ob Kinder ihr Recht auf Bildung überhaupt realisieren können und wie gravierend sich die Belastungen, die sich mit der Migration von einem Staat in einen anderen stellen, auf den Schulerfolg auswirken. Das in der Migrationssoziologie von Portes und Kolleg(inn)en entwickelte Konzept der positiven, neutralen und negativen politischrechtlichen Inkorporationsmodi hat die vorliegende Untersuchung weiterentwickelt, indem unterschiedliche Arten von Rechten differenziert und jeweils verschiedene Mechanismen identifiziert wurden, wie die rechtliche Stratifizierung zwischen Migrantengruppen Bildungschancen beeinflussen kann. An erster Stelle ist mit den unterschiedlichen Rechtsstatus ein differenzieller Grad an Bleibesicherheit verbunden, der die Lebensumstände auf eine sehr existenzielle Art und Weise prägt – eine Ungleichheitsdimension, die die ‚normale‘ Ungleichheitsforschung, aber auch große Teile der Migrationssoziologie nicht im Blick haben. Die Selbstverständlichkeit, dauerhaft ein Leben in der Bundesrepublik führen zu können, wie sie Inländer(innen) genießen, wurde nur Aussiedler(inne)n von Beginn ihres Aufenthalts an durch den direkten Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit gewährt. Unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten waren es vor allem Asylsuchende und De-facto-Flüchtlinge mit Duldung, die oft jahrelang eine extrem unsichere Bleibeperspektive hatten, bevor sie Deutschland entweder verlassen mussten oder doch noch einen gesi285
cherten Aufenthaltsstatus erhielten. Die Lebensumstände der rechtlich prekarisierten Migrant(inn)en stellen nicht nur eine psychologische Belastung für die Lernentwicklung von Kindern dar. Darüber hinaus galt in mehreren Bundesländern für Kinder mit ungesichertem oder ohne legalen Rechtsstatus nicht die Schulpflicht, so dass das Risiko bestand, dass sie ihr Recht auf Bildung nicht realisieren konnten oder sich eine Einschulung zumindest zeitlich verzögerte. Rechtsstatus im Schulsystem von eingeschränkter Bedeutung, für außerschulische Extra-Unterstützung jedoch ausschlaggebend Jenseits dieses Problems des Zugangs zur Schule für rechtlich besonders benachteiligte Kinder ist die Bedeutung des Rechtsstatus von Migrantenschüler(innen) im Bildungssystem und bei bildungsbezogenen Integrationspolitiken durchaus ambivalent zu beurteilen. Gerade wenn man davon ausgeht, dass der pädagogische Bedarf aller Migrantenkinder zumindest im Grundsatz ähnlich ist, mag es aus heutiger Perspektive erstaunen, dass es für die Unterrichtung von Aussiedlerkindern einerseits und ausländischen Kindern andererseits jahrzehntelang unterschiedliche Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und in den Bundesländern – in Bayern und Baden-Württemberg bis Ende der 2000er Jahre – getrennte amtliche Erlasse, Richtlinien u. Ä. gab. Die Unterscheidung auf der Ebene der Normsetzung symbolisiert nicht nur eine horizontale, sondern auch eine vertikale Differenzierung der Migrantenschülerschaft – also nicht nur Verschiedenheit, sondern Hierarchie. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Spannung zwischen den Bildungszielen der Integration und der Vorbereitung auf eine Rückkehr in das Herkunftsland, wie sie nur in den ausländerspezifischen Regelungen formuliert waren. Gleichzeitig haben die exemplarischen Analysen des bayerischen und nordrhein-westfälischen Schulsystems ergeben, dass die Beschulungsvorschriften in den für die beiden Migrantengruppen getrennten Regelungswerken große Überlappungen aufwiesen, so dass man für den Unterricht in Schulen von einem universalistischen Trend sprechen kann, der sich in den politischen Reformen, die die Unterscheidung nach Rechtsstatus formal abschafften, fortsetzte. Der zunehmenden Gleichbehandlung neu zugewanderter Aussiedler- und ausländischer Kinder in Schulen standen allerdings Defizite bei der Beschulung von Migrantenkindern gegenüber, die diese ungeachtet ihres Rechtsstatus gleichermaßen betrafen: Hauptschulen waren die ‚Standardschulen‘ für Seiteneinsteiger(innen), sehr gute Deutschkenntnisse galten als Voraussetzung für den Besuch eines Gymnasiums, zugleich wurde Deutsch als Zweitsprache nicht
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flächendeckend unterrichtet und nicht durch eine entsprechende universitäre Ausbildung von Lehrkräften ausreichend professionalisiert. Festzuhalten bleibt aber auch, dass Aussiedlerkinder und -jugendliche im schulnahen Bereich durch die vom Bund finanzierten Garantiefonds klar privilegiert waren. Diese Förderprogramme umfassten z. B. eine Betreuung in Internaten, außerschulische Hausaufgabenhilfe und Deutschkurse für nicht mehr vollzeitschulpflichtige Aussiedlerjugendliche. Ökonomische und soziale Rechte sowie staatliche Deutschförderung beeinflussen Lebensumstände von Migrantenfamilien – Aussiedler(innen) klar im Vorteil Nicht zuletzt, weil im deutschen Schulsystem die Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten von Eltern generell eine wichtige Rolle für die Bildungschancen ihrer Kinder spielen, bleibt eine wissenschaftliche Analyse, die alleine die auf Migrantenkinder gerichtete Integrationspolitiken fokussiert, ‚auf einem Auge blind‘, wenn nicht auch indirekte, über die Eltern vermittelte Einflüsse des Rechtsstatus beachtet werden. Meine Analysen konnten im Anschluss an frühere soziologische Forschungen zu Wohlfahrtsstaat und Migration zeigen, dass es deutlicher als im schulischen Bereich bei ökonomischen und sozialen Rechten, die Erwachsenen und Familien zugestanden werden, zu einer klaren Kumulation von Vor- bzw. Nachteilen bei den unterschiedenen Migrantengruppen kam. Erwachsene Aussiedler(innen) konnten ihre Deutschkenntnisse in unentgeltlichen Sprachkursen aufbauen und verbessern. Die ihnen hierbei zustehenden finanziellen Transferleistungen lagen über dem sonst üblichen Sozialhilfeniveau. Die ökonomischen Rechte, d. h. der ungehinderte Zugang zum Arbeitsmarkt und zusätzliche Integrationsmaßnahmen, unterstützten die ökonomische Integration von Aussiedlereltern. Trotz Einschnitten bei den aussiedlerspezifischen Integrationsleistungen seit 1993 blieb das Niveau staatlicher Unterstützung deutlich über dem für andere Migrantengruppen. Unter diesen waren Asylsuchende und Geduldete durch zeitweilige Arbeitsverbote, reduzierte Sozialleistungen und die Residenzpflicht besonders benachteiligt. Asylberechtigte und jüdische Kontingentflüchtlinge dagegen waren Deutschen in sozialen und ökonomischen Rechten gleichgestellt und konnten teilweise an den gleichen Integrationsmaßnahmen wie Aussiedler(innen) teilnehmen. Ein eher neutraler politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus war für EU-Bürger(innen) und Familienmigrant(inn)en typisch, bei denen im Vergleich zu Aussiedler(inne)n die Elemente der aktiven Integrationsförderung weitgehend fehlten.
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Quer zu dieser Hierarchie zwischen Migrantengruppen mit mehr oder weniger Rechten lag die temporäre Einschränkung der Freizügigkeit bei den ansonsten privilegierten Aussiedler(inne)n. Mit Bezug auf die Bildungschancen der betroffenen Kinder war hier vor allem von Belang, dass durch die Wohnortzuweisung das Siedlungsmuster dieser Gruppe staatlich beeinflusst war. Da Aussiedler(innen) häufig in Kleinstädten und auf dem Land wohnten, hatten sie dort, wie einheimische Kinder auch, aufgrund des eingeschränkteren lokalen Bildungsangebots etwas geringere Chancen, weiterführende Schulabschlüsse zu erlangen. Betrachtet man die unterschiedlichen Bündel an zugestandenen Rechten und Leistungsansprüchen, die Aussiedler(innen) im Vergleich zu unterschiedlichen Teilgruppen der als Ausländer(innen) Zugewanderten besaßen, so ist in der Gesamtschau die Hierarchie zwischen diesen Gruppen offensichtlich. Wäre die Positionierung der unterschiedlichen Migrantengruppen in diesem hierarchischen Spektrum die einzige Bildungsdeterminante, müsste man eine vergleichbare Rangfolge bezüglich der realisierten Bildungschancen erwarten. Relativer Bildungsvorsprung von Aussiedler(inne)n nur teilweise auf günstigere familiale Ressourcen zurückzuführen Die quantitativ-empirischen Analysen mit dem Mikrozensus 2005 und dem Jugendsurvey 2003 zeigten hier jedoch ein komplexeres Muster von relativen Bildungsvor- und -nachteilen. Erst mit Hilfe dieser beiden Datensätze war es möglich, die historisch und hinsichtlich ihres Alters junge erste Zuwanderergeneration – hierunter insbesondere die Aussiedler(innen) – überhaupt zu identifizieren und über diese Gruppe repräsentative Aussagen zu treffen. Die Untersuchungspopulation der minderjährig Zugewanderten schneidet insgesamt deutlich schlechter als einheimische Peers ab und erlangte insbesondere seltener das (Fach-)Abitur. Aussiedler(innen) erzielten jedoch viel häufiger als die als Ausländer(innen) Zugewanderten mindestens einen Realschulabschluss (19 Prozentpunkte Differenz). Um die rechtliche Stratifizierung zwischen unterschiedlichen Subgruppen von Ausländer(inne)n empirisch abzubilden, dienten die Herkunftsländer der als Ausländer(innen) Zugewanderten als Proxy für die typischen anfänglichen Aufenthaltsstatus. Zwischen diesen Subgruppen variierte der Bildungserfolg erheblich. Migrant(inn)en aus der ehemaligen Sowjetunion, bei denen es sich vornehmlich um rechtlich relativ gut gestellte jüdische Kontingentflüchtlinge handelt, erlangten wesentlich häufiger als die noch privilegierteren Aussiedlerjugendlichen ein Abitur. Sehr viel schlechter als
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Letztere schnitten dagegen etwa Ex-Jugoslaw(inn)en, d. h. die rechtlich benachteiligten Bürgerkriegsflüchtlinge, ab. Mit multivariaten Analysen wurde überprüft, in welchem Maße andere soziale und institutionelle Bildungsdeterminanten für die festgestellten Bildungsungleichheiten zwischen Migrantengruppen mit unterschiedlichen politischrechtlichen Inkorporationsmodi verantwortlich waren. Dass Aussiedlerjugendliche häufiger von einem zumindest mittleren Bildungsniveau ihrer Eltern profitierten konnten und seltener als etwa türkische und ex-jugoslawische Migrant(inn)en aus kinderreichen Familien stammten, trug ebenso wie ihr im Schnitt etwas niedrigeres Einreisealter dazu bei, dass sie bessere Chancen hatten, einen Realschulabschluss zu erzielen. Die relativen Bildungsnachteile der Aussiedlerjugendlichen gegenüber den jüdischen Kontingentflüchtlingen wiederum lassen sich primär darauf zurückführen, dass Letztere besonders häufig in hoch gebildeten Elternhäusern aufwuchsen. Solche Kompositionseffekte beruhen weitgehend auf der variierenden Selbstselektion der Migrantengruppen, die von staatlicher Immigrationsregulierung nicht tangiert war. Andere Effekte der unterschiedlichen Zusammensetzung der Gruppen auf die Bildungschancen interpretiere ich hingegen als indirekte Wirkungsweise des Rechtsstatus und der daran gekoppelten spezifischen Zuwanderungs- und Integrationspolitiken. Aufgrund der Beschränkung der Aussiedlerzuwanderung auf osteuropäische Herkunftsländer mit ihren gut ausgebauten Bildungssystemen war unter Aussiedlereltern der Anteil ohne jeglichen Schulabschluss sehr gering, und diese familiale Ausgangslage konnte das Risiko abfedern, dass die Kinder in Deutschland zertifikatslos blieben. Hier waren substanzielle Anteile der als Ausländer(innen) Zugewanderten, insbesondere aus der Türkei und ExJugoslawien, erheblich benachteiligt. Eine integrationspolitisch beeinflusste indirekte Wirkungsweise des Rechtsstatus zeigte sich darin, dass Aussiedlereltern – wohl auch durch den freien Zugang zum Arbeitsmarkt und spezifische Integrationsmaßnahmen – seltener arbeitslos und einkommensarm waren und die stärkere ökonomische Marginalisierung der anderen Migranteneltern dazu beitrug, dass viele ihrer Kinder höchstens einen Hauptschulabschluss schafften. Die mit dem Mikrozensus quantitativ nicht messbaren weiteren Teilaspekte des positiven politisch-rechtlichen Aufnahmekontexts von Aussiedler(inne)n – etwa die absolute Bleibesicherheit und die staatliche Unterstützung beim deutschen Spracherwerb – spiegeln sich in dem verbleibenden signifikanten NettoEffekt des Aussiedlerstatus auf den Schulerfolg wider. Im Schätzmodell, das dichotom zwischen Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus unterscheidet und Kompositionseffekte in Rechnung stellt, zeigt sich eine um sechs Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit von Aussiedler(inne)n, zumindest einen Realschulabschluss zu erlangen. Dieser Vorsprung zeigt sich besonders deutlich 289
(zehn Prozentpunkte ‚Netto-Differenz‘) im Kontrast zu ex-jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlingen und Türkeistämmigen, die in dem untersuchten Zeitraum nicht nur als Familienmigrant(inn)en, sondern auch als Asylsuchende kamen. So wie Aussiedler(innen) von einem ganzen Bündel von Vorteilen profitierten, waren diese Migrantenkinder häufig durch eine Kumulation benachteiligender Faktoren belastet: die – in den statistischen Modellen berücksichtigte – teils sehr geringe Bildung der Eltern, deren ökonomische Exklusion und die Verschärfung der Einkommensarmut durch eine überdurchschnittliche Familiengröße sowie die empirisch nicht direkt messbaren negativen Auswirkungen der schlechteren Rechtsstatus (insbesondere der Bleibeunsicherheit) und negativer ethnisierender Stereotype. Die Wirkmächtigkeit des Rechtsstatus zeigt sich auch daran, dass die relative Verschlechterung des politisch-rechtlichen Aufnahmekontexts von (Spät-)Aussiedler(inne)n im Laufe der 1990er Jahre mit einem sinkenden Niveau der in Deutschland erzielten Schulabschlüsse einherging. Dieser Zusammenhang ließ sich nur teilweise darauf zurückführen, dass unter den früheren Aussiedlerkohorten jene aus Polen und Rumänien mehr kulturelles Kapital und Letztere zudem gute Deutschkenntnisse mitbrachten. Die Reduzierung der Integrationsmaßnahmen schlug sich in geringeren Bildungschancen von russlanddeutschen Spätaussiedler(inne)n nieder. Diese sind aber dennoch seltener von Bildungsarmut betroffen als die als Ausländer(innen) Zugewanderten. Rechtsstatus von Migrantenkindern modifiziert Wirkung anderer sozialer und institutioneller Bildungsdeterminanten Das jeweilige Bündel politisch-rechtlicher Vor- oder aber Nachteile erleichtert oder erschwert es also Migrantenkindern, die Herausforderung der schulischen Integration im Aufnahmeland zu meistern. Dieser modifizierenden Wirkungsweise des Rechtsstatus auf Bildungschancen wurde in dieser Arbeit noch eingehender nachgegangen, indem untersucht wurde, ob spezifische soziale und institutionelle Bildungsdeterminanten bei Aussiedler(inne)n auf eine andere Art und Weise als bei als Ausländer(innen) Zugewanderten wirkten. Untersucht wurden hier Interaktionseffekte des Rechtsstatus mit dem Einreisealter der Migrantenkinder, der Bildung ihrer Eltern, den bundesländerspezifischen Schulsystemen sowie den schulischen Stadt-Land-Disparitäten. Zum Teil konnte für solche familialen und institutionellen Kontexte, die allgemein höhere Bildungschancen begünstigen, kein signifikanter Einfluss des Rechtsstatus nachgewiesen werden. Migrant(innen), die mit dem schlechteren Status von Ausländer(inne)n ihren Aufenthalt begannen, erzielten ebenso oder 290
beinahe so häufig wie Aussiedler(innen) mittlere und höhere Schulabschlüsse, wenn sie aus höher gebildeten Elternhäusern stammten und in größeren Städten oder in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Niedersachen zur Schule gingen. Dort wurde im Gegensatz zu Bayern und Baden-Württemberg die formalrechtliche Unterscheidung zwischen ausländischen und Aussiedlerkindern schon in den frühen 1990er Jahren aufgehoben und es wurden generell weniger Schüler(innen) in Hauptschulen unterrichtet. Eine nicht nach oben, sondern nach unten gerichtete Nivellierung zwischen Migrant(inn)en mit und ohne Aussiedlerstatus zeigte sich für diejenigen, die während der Sekundarstufe als Seiteneinsteiger(innen) in das deutsche Bildungssystem wechselten. Diese waren gleichermaßen einem hohen Risiko ausgesetzt, höchstens einen Hauptschulabschluss zu erlangen. Der Nutzen von aussiedlerspezifischen Unterstützungsleistungen einerseits und ausländerrechtlichen Nachteilen (z. B. der fehlenden Teilzeitschulpflicht) andererseits könnte aber dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass bei älteren einreisenden Jugendlichen der Anteil der Abschlusslosen unter Ausländer(inne)n deutlich höher ist als unter Aussiedler(inne)n. Besonders eindrücklich weisen die Untersuchungsergebnisse zu Interaktionseffekten nach, dass nur Aussiedlerkinder von dem aus lebenslauftheoretischer Sicht günstigen Umstand, als Kleinkind oder im Grundschulalter migriert zu sein, in schulischer Hinsicht profitierten. Der positive politisch-rechtliche Inkorporationsmodus von Aussiedler(inne)n ermöglichte es, dass sie als Grundschüler(innen) eher ihre Lernpotenziale entfalten konnten und häufiger Realschulen und Gymnasien besuchten als andere Kinder mit niedrigem Einreisealter. Ingesamt liefert die vorliegende Untersuchung neue, detaillierte Erkenntnisse über die rechtlichen und sozialen Lebensumstände sowie die Ausprägungen und Ursachen von Bildungsungleichheiten zwischen Migrantenkindern. Zwar übte von allen in den quantitativen Analysen berücksichtigten Einflussfaktoren die – auch transnational wirkmächtige – elterliche Bildung den stärksten Einfluss aus. Dennoch konnte gezeigt werden, dass der Rechtsstatus signifikante Auswirkungen hatte und die hiermit verbundenen Zuwanderungs- und Integrationspolitiken die Bildungschancen von Migrantenkindern beeinflussten. Dabei ist die Größe des festgestellten Effekts des Rechtsstatus auf Bildungschancen in etwa vergleichbar mit den klassischen Stadt-Land-Disparitäten oder den relativen Nachteilen von Schüler(inne)n aus kinderreichen Familien, also Faktoren, deren Einflüsse auf Bildungschancen sich seit Jahrzehnten behaupten. Gerade die (Aus-)Bildung, die die Elterngeneration bereits im Herkunftsland erfahren hat, wird im Aufnahmeland in aller Regel allenfalls partiell verbessert. Solange sich an der Wirkung des kulturellen Kapitals der Eltern auf die 291
Bildungschancen der Kinder allgemein nichts ändert, solange bleibt die Verbesserung der politisch-rechtlichen Aufenthaltsbedingungen bislang benachteiligter Migrantengruppen eine wichtige Stellschraube staatlicher Interventionen, um mehr Chancengleichheit im Bildungssystem herzustellen (vgl. dazu unten mehr). Grenzen der methodischen Herangehensweise und Forschungsdesiderata In Anbetracht der in der Gesamtschau so offensichtlichen Ungleichbehandlung von Migrantengruppen mit unterschiedlichen Rechtsstatus durch den deutschen Staat ließe sich fragen, warum die vorgefundenen Bildungsdisparitäten nicht viel größer sind. Hier gilt es die Reichweite und die Aussagekraft der verwendeten Datensätze kritisch zu reflektieren. Vier Gründe möchte ich anführen, warum der hier nachgewiesene Effekt des Rechtsstatus nicht noch größer ist: Ein erster methodischer wurde bereits erläutert: Die Bildungsdisparitäten, die in dem multivariaten Schätzmodell erklärt wurden, sind in dem hierfür geeigneten Teilsample der 18- bis 20-Jährigen geringer ausgeprägt als in dem größeren der 18- bis 35-Jährigen. In der kleineren Stichprobe liegt der Anteil der Aussiedlerjugendlichen, die mindestens einen Realschulabschluss erlangten, um 13 Prozentpunkte über dem der als Ausländer(innen) Zugewanderten, im größeren Sample dagegen um fast 19. Der auf dem kleineren Sample beruhende Netto-Effekt des Rechtsstatus ist also eine konservative Schätzung. Drei weitere Gründe weisen über die Grenzen von Umfragedaten hinaus: So liegt zweitens der Fragebogen des Mikrozensus nur auf Deutsch vor, so dass vermutlich Migrant(inn)en mit sehr geringen Deutschkenntnissen nicht an dieser Umfrage teilnahmen. Dies könnte auf Aussiedler(innen) seltener als auf andere Zugewanderte zutreffen, da nur Erstere sprachbezogene Einreisekriterien erfüllen mussten und zugleich staatliche Unterstützung beim Deutscherwerb erhielten. Zweitens werden die ohnehin schon ausgeprägten Bildungsnachteile ausländischer Migrantenkinder dadurch unterschätzt, dass gerade diejenigen mit dem allerschlechtesten Rechtsstatus, nämlich undokumentierte Migrant(inn)en, denen der Staat keinen rechtmäßigen Aufenthalt zubilligt, in der Grundgesamtheit des Mikrozensus und wohl auch aller anderen standardisierten Umfragen nicht enthalten sind. Doch gerade für Zuwandererkinder ohne legalen Aufenthalt ist der bloße Zugang zum Bildungssystem nicht gesichert, da sie mit einer Einschulung das Risiko eingehen, entdeckt und abgeschoben zu werden. Diese Fälle, bei denen das Primat der staatlichen Migrationskontrolle über das Grundrecht auf Bildung eines Kindes gestellt wird, werden in Umfragedaten nicht 292
sichtbar, sind aber in die Gesamtbilanz der durch stratifizierte Rechtsstatus verursachten Bildungsungleichheiten einzubeziehen. Drittens unterschätzen die präsentierten Ergebnisse die Bildungsdisparitäten zwischen Migrantengruppen zugunsten der Zugewanderten ohne Aussiedlerstatus, weil es bei diesen im Gegensatz zu den Aussiedler(inne)n bis zum Erhebungszeitpunkt zu einer selektiven Abwanderung kam. Viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien mussten nach der Beendigung der dortigen Kampfhandlungen dorthin zurückkehren (Integrationsbeauftragte 2003: 129). Ähnliches gilt für diejenigen Asylsuchenden, die nach einem ablehnenden Bescheid die Bundesrepublik verlassen mussten. Zudem war der Nicht-Bezug von Sozialhilfe eine Bedingung, um eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, so dass es vermutlich zu einer Abwanderung der ökonomisch nicht erfolgreichen Zuwandererfamilien kam. Eine Entsprechung gab es bei Aussiedler(inne)n mit ihrem ‚bedingungslosen Bleiberecht‘ als deutsche Staatsangehörigkeit nicht. Unter Einbeziehung jener zurückgewanderten Ausländer(innen) wären die Schulerfolge der Migrantengruppe ohne Aussiedlerstatus vermutlich noch deutlich schlechter ausgefallen. Eine bewusste Beschränkung meiner Studie lag darin, dass nur Migrantenkinder mit eigener Migrationserfahrung untersucht wurden. Es gibt allerdings erste Hinweise darauf, dass die politisch-rechtlichen Aufnahmekontexte, die für erwachsene Migrant(inn)en nach ihrer Einreise prägend waren, durchaus auch für deren im Aufnahmeland geborene Kinder bildungsrelevant sind. So lässt sich eine indirekte Bestätigung meiner Ergebnisse, die die Bedeutung eines positiven Aufnahmekontextes unterstreichen, aus den PISA-Analysen von Segeritz u. a. (2010: 130-133) ableiten. Demnach schneiden in Deutschland geborene Jugendliche, deren Eltern aus der ehemaligen Sowjetunion und Polen stammen, deutlich besser ab als zugewanderte Jugendliche aus denselben Ländern und als Peers der zweiten Generation aus anderen Ländern. Erinnert sei daran, dass selbst für die Nicht-Aussiedler(innen) aus Polen und aus der ehemaligen Sowjetunion ein neutraler bis positiver politisch-rechtlicher Inkorporationsmodus charakteristisch war. Wenn Kinder von Migrant(inn)en nicht mehr die hohen Hürden überwinden müssen, die sich im deutschen Schulsystem den – in dieser Untersuchung im Mittelpunkt stehenden – Seiteneinsteiger(inne)n stellen, wirkt sich ein vorteilhafter Aufnahmekontext, den Eltern bei ihrer Einreise vorfinden und der ihre Integrationschancen kumulativ steigert, offenbar besonders deutlich auf die Schulerfolge ihrer hier geborenen Kinder aus. Für zukünftige Forschungen wäre es wünschenswert, bei als Ausländer(innen) Zugewanderten genaue Informationen über den anfänglichen Rechtsstatus zu haben und nicht als Proxy hierfür das Herkunftsland heranziehen zu müssen. So konnte ich in den Mikrozensus-Analysen nicht berücksichtigen, dass 293
etwa die Aufenthaltserlaubnis, die nachziehende Kinder von Drittstaatenangehörigen erhielten, ein deutlich besserer Rechtsstatus ist als die Aufenthaltsgestattung von Asylsuchenden oder die Duldung von De-facto-Flüchtlingen. Auch Informationen über die mitgebrachten Deutschkenntnisse und den Spracherwerb im Laufe des Aufenthalts hätten geholfen, die diesbezüglichen Wirkungsmechanismen direkter empirisch überprüfen zu können, als es die indirekten Vorgehensweisen in Kapitel 8 erlaubten. Ob mehr Detailinformationen, z. B. über die Teilnahme der Kinder und Eltern an bestimmten Integrationsmaßnahmen, die Ergebnisse der vorliegenden Analysen im Grundsatz verändert hätten, darf jedoch angezweifelt werden. Denn letztlich steht die Aussiedlereigenschaft stellvertretend für ein Bündel an rechtlichen und integrationspolitischen Vorteilen, die sich in ihrer Wirkung nicht vollständig auseinander dividieren lassen. Die Akkumulation der aussiedlerspezifischen Vorteile und der rechtlichen Nachteile von Flüchtlingen würde auch dann nicht anders ausfallen, wenn ein ‚idealer‘ Individualdatensatz mit umfassenden Informationen zur Verfügung stünde. Eine interessante Frage in Bezug auf die Auswirkungen des Rechtstatus, der in dieser Arbeit nicht nachgegangen werden konnte, wäre mit qualitativen Methoden zu eruieren: Wie nehmen Lehrkräfte und Schulleiter(innen) den Rechtsstatus von Schüler(inne)n wahr und wo wird er für die Organisation Schule handlungsrelevant? Da nicht durchweg, aber bei einigen Subgruppen von Zugewanderten ein nachteiliger Rechtsstatus mit geringer elterlicher Bildung und der Zugehörigkeit zu ethnisch stigmatisierten Gruppen Hand in Hand geht, stellt sich die Frage, wie diese benachteiligenden Faktoren im Zusammenspiel ihre Wirkung entfalten. Selbst wenn der Rechtsstatus vom Schulpersonal ignoriert würde, würde dies nicht bedeuten, dass er wirkungslos wäre. Vielmehr wirkt er weiterhin außerhalb der Schule über die in meiner Arbeit diskutierten unterschiedlichen Wege auf die Lernausgangslagen ein. Solche vermittelten Wirkungsweisen werden als indirekte Diskriminierung bezeichnet (Feagin/ Feagin 1986: 31f.). Schließlich wäre es erstrebenswert, die Bedeutung des Rechtsstatus für die Bildungschancen von Migrantenkindern im internationalen Vergleich zu eruieren. Beispielhaft haben bereits Steinbach und Nauck (2000) für Erwachsene die Auswirkungen eines positiven Aufnahmekontexts politisch privilegierter Migrant(inn)en in Deutschland und Israel untersucht. Vielversprechend wäre es auch, die Auswirkungen national unterschiedlicher Varianten des negativen politisch-rechtlichen Inkorporationsmodus in den Blick zu nehmen.
294
Relevanz der Untersuchung für zukünftige Entwicklungen in Deutschland und für politische Interventionen Wie helfen die Erkenntnisse dieser Arbeit, die gegenwärtigen Entwicklungen in Deutschland und zukünftige politische Reformen einzuschätzen? Zunächst zu zuwanderungspolitischen Interventionen: Die Untersuchung hat einerseits gezeigt, dass die Selektivität von Migrationsströmen, vor allem bezüglich des kulturellen Kapitals der Migranteneltern, die Integrationschancen erheblich vorstrukturiert. Zum Teil war diese Selektivität auch durch Immigrationsregulierungen beeinflusst. Andererseits wäre eine Politik, die darauf setzen würde, die Bildungschancen von Migrantenkindern durch eine Auswahl von nur höher gebildeten erwachsenen Migrant(inn)en zu erhöhen, problematisch. So können jüngste Versuche in Deutschland, die ‚besten‘ Immigrant(inn)en auszuwählen, um ‚Integrationsprobleme‘ zu vermeiden, als gescheitert erachtet werden: Da die Hürden zu hoch gesteckt wurden, blieb eine solche Einwanderung fast gänzlich aus. So bekamen im Zeitraum von Anfang 2005 bis Juni 2007 in der Bundesrepublik lediglich 959 Ausländer(innen) eine unbefristete Niederlassungserlaubnis (§ 19 AufenthG) für neu eingereiste Hochqualifizierte (Heß 2009: 22). Bezogen auf die ehemals politisch besonders protegierten Einwanderergruppen der Spätaussiedler(innen) und jüdischen Kontingentflüchtlinge haben die Regelungen im 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz, dessen „Ziel [es ist], Zuwanderung besser steuern und die Integrationserfordernisse stärker berücksichtigen zu können“ (BMI 2006: 46f.), vor allem zu einer Reduktion der Einreise geführt.199 Aber selbst in klassischen Einwanderungsländern stellt sich deren dezidierte Zuwandererauswahl bei näherem Hinsehen als nicht so streng und effektiv heraus, wie manche deutschen Befürworter(innen) einer solchen Politik denken. So kommt Reitz (1998: 22f.) in seiner vergleichenden Untersuchung von Kanada, den USA und Australien zu dem Schluss, dass das Ergebnis das kanadischen Punktesystem sei „to screen out the very least skilled workers, not to attract the most skilled“. Sein Fazit daraus: “A larger reality is that effective immigration control (...) might not be fully achievable.” Viel stärker unter der Kontrolle des Nationalstaats und damit einer demokratisch legitimierten Politik ist es, wie Zugewanderte nach ihrer Immigration behandelt werden. Hier ist es in der Zeit, die nach meinem Untersuchungszeitraum liegt, mit der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes zu deutlichen 199
Seitdem (ab 2005) von allen über 13 Jahre alten Familienangehörigen von Spätaussiedler(innen)n und seit 2006 von allen jüdischen Zuwanderern noch im Herkunftsland ein einfacher Deutschtest verlangt wird (BMI 2006: 22, 47) und Letztere einen „Nachweis der absehbar eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts“ (ebenda: 47) erbringen müssen, sind die Zuzugszahlen beider Gruppen erheblich zurückgegangen (BMI 2009: 276, 291).
295
Akzentverschiebungen gekommen. Zumindest bezogen auf die neu eingeführten Integrationskurse wurde die Grenze zwischen den ‚unterstützungswürdigen‘ Migrant(inn)en und jenen, bei denen kein dauerhafter Aufenthalt erwünscht ist, verschoben. Hauptsächlich Familienmigrant(inn)en, d. h. vor allem nachziehende Ehegatt(inn)en, zählen jetzt neben Spätaussiedler(inne)n und anerkannten politischen Flüchtlingen zu den Zugewanderten, denen der deutsche Staat ein symbolisches Integrationsversprechen gibt. Dabei fand eine Anpassung der Integrationsmaßnahmen in etwa an den Umfang statt, der Spätaussiedler(inne)n nach den Kürzungen in den 1990ern bis Anfang der 2000er Jahre zustand (vgl. Michalowski 2007: 99f.). Hier wurde also eine stärkere Inklusion, wenn auch auf niedrigerem Niveau, eingeführt. Dabei lässt sich durchaus strittig diskutieren, ob diese Maßnahmen ausreichend und effektiv sind und ob ein Misstrauen der Politik gegenüber dem Integrationswillen der inkludierten Migrant(inn)en nicht immer noch überwiegt. Gegenüber den rechtlich benachteiligten Migrant(inn)en im Asylverfahren und mit Duldung gilt jedoch immer noch eine dezidierte Desintegrationspolitik (Schönwälder 2004b: 1213). Diese Exkludierten könnten gar nicht mehr Unterstützung einklagen, selbst wenn sie es wollten oder wagten. Solange es für einen Nationalstaat wie die Bundesrepublik erwünschte und zumindest tolerierte Immigration einerseits und politisch unerwünschte Zuwanderung andererseits gibt, gehört die Hierarchie zwischen unterschiedlichen rechtlichen Statuspositionen zu einer immer wieder neu hergestellten Ungleichheit. Dementsprechend ist kaum zu erwarten, dass die außerschulische Benachteiligung, die sich aus der fehlenden Bleibesicherheit von rechtlich prekär gestellten Migrantenkindern und aus der arbeits- und sozialrechtlichen Benachteiligung ihrer Eltern ergibt, beseitigt wird. Für politisch wünschenswert und wohl auch eher realisierbar halte ich es daher, den Kreis der rechtlichen exkludierten Migrant(inn)en so klein wie möglich zu halten, indem eine Legalisierung oder Verbesserung eines prekären Rechtsstatus so einfach wie möglich wird. Wichtig und – wie etwa die USA und Spanien zeigen – auch möglich ist es, dass alle Migrantenkinder unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem spezifischen Rechtsstatus den gleichen Zugang zu Kindergärten, Schulen und beruflicher Ausbildung haben wie gleichaltrige Einheimische. Dies sollte ebenso für die Teilnahme an migrantenspezifischen Fördermaßnahmen gelten. Die Beschränkung von Integrationsprogrammen (Garantiefonds) auf privilegierte Migrantengruppen gehört der Vergangenheit an, aber eine systematische Deutschförderung für alle Migrantenkinder mit nicht deutschen Familiensprachen steht noch. Dabei ist der derzeit viel diskutierte Ausbau einer frühen Sprachförderung durchaus wünschenswert. Notwendig bleibt aber auch eine Verbesserung der schulischen Integrationsangebote für 296
neu zuwandernde Kinder und Jugendliche in der Primar- und Sekundarstufe, die wirklich fördern und nicht nur separieren. Eine Stärkung der universalistischen Inklusionslogik und der Integrationsanstrengungen im Bildungsbereich bezogen auf Kinder aus Migrantenfamilien sollte dabei idealerweise Hand in Hand gehen mit bildungspolitischen Reformen, die den Bildungserfolg von Kindern allgemein weniger abhängig von ihrer familialen Herkunft machen.
297
Anhang I: Die spezifischen Rechtsstatus ausländischer Zugewanderter: Eine Schätzung auf Basis amtlicher Statistiken
In diesem Anhang werden anhand amtlicher Daten quantitative Informationen über den Rechtsstatus von Migrant(inn)en zu Beginn und im Laufe ihres Aufenthalts vorgestellt. Während Aussiedler(innen) direkt nach der Einreise deutsche Staatsangehörige werden und meist in Deutschland bleiben, sind die anfänglichen Status und Verläufe bei Personen, die als Ausländer(innen) einreisen, vielfältiger: Sie können bis zu den von mir gewählten Beobachtungszeitpunkten, den Jahren 2003 (Jugendsurvey) und 2005 (Mikrozensus), entweder Ausländer(innen) geblieben sein, eingebürgert worden sein oder aber Deutschland verlassen haben. Bevor eines der drei möglichen Endergebnisse eintritt, kann sich der Aufenthaltsstatus von Ausländer(inne)n verbessern, z. B. durch eine Entfristung. Mit dem Mikrozensus und dem Jugendsurvey kann ich untersuchen, wer in Deutschland verblieben ist, ob diese Personen als Aussiedler(innen) oder Ausländer(innen) gekommen sind und wer von Letzteren inzwischen eingebürgert wurde. Weder in diesen Datensätzen noch in der Forschungsliteratur oder in Veröffentlichungen der amtlichen Statistik liegen jedoch Informationen über die spezifischen anfänglichen Rechtsstatus von Ausländer(inne)n vor. Dies ist eine gravierende Lücke in unseren Erkenntnissen über die Migrationsprozesse in der Bundesrepublik und über die Integrationsvoraussetzungen vieler Millionen Zugewanderter. Um diese Wissenslücke zu verringern, rekurriere ich auf amtliche Statistiken, insbesondere über Zuzüge, Asylanträge, den Aufenthaltsstatus und die Aufenthaltsdauer von Ausländer(inne)n. Da diese Daten oft aus unterschiedlichen Quellen stammen, sind nur Tendenzaussagen über die anfänglichen Rechtsstatus möglich, die aber in dieser Form in der Literatur bislang nicht vorliegen. Auf diese Ergebnisse wird bei der Operationalisierung des politischrechtlichen Inkorporationsmodus verschiedener Migrantengruppen in Kapitel 5 verwiesen. Des Weiteren werden in diesem Anhang Informationen darüber präsentiert, in welchem Maße Ausländer(innen) mit einem anfangs befristeten und/oder prekären Rechtsstatus diesen verbessern konnten und welche Informa298 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
tionen über Rückwanderungen vorliegen. Wo es möglich ist, werden Informationen zu minderjährig Zugewanderten präsentiert. Der anfängliche Rechtsstatus Unter den unterschiedlichen Rechtsstatus ausländischer Migrantenkinder zu Beginn ihres Aufenthalts lässt sich am einfachsten der von EU-Bürger(innen) bestimmen: 258 Tsd. minderjährige EU-Bürger(innen) wanderten von 1987 bis 2003 in die Bundesrepublik ein (Quelle vgl. Tab. I-2; eigene Berechnung). Das sind 12% aller minderjährig zugezogenen Ausländer(innen). Für die Gruppe der Drittstaatenangehörigen ist eine Differenzierung nach dem genauen anfänglichen Aufenthaltstatus komplizierter (und Aussagen speziell über minderjährig Zugewanderte sind zunächst nicht möglich). Um sich der Beantwortung der Frage anzunähern, welche Herkunftsnationalitäten unter den als Ausländer(innen) Zugewanderten ihren Aufenthalt in Deutschland besonders oft mit dem nachteiligen Rechtsstatus von Flüchtlingen begannen, werden in einem ersten Schritt Statistiken zu Asylerstanträgen ausgewertet. In der Tabelle I-1 ist jeweils die Anzahl der Drittstaatenangehörigen angegeben, die in den Jahren 1987 bis 2003 erstmalig einen Asylantrag in der Bundesrepublik stellten, sowie die Anzahl derjenigen, die in diesem Zeitraum hierher zuwanderten. (Die Spaltenprozente drücken die jeweilige Verteilung nach Herkunftsländern aus.) In der rechten Spalte wurden pro Herkunftsland die Anzahl der Asylerstanträge durch die der Zuzüge dividiert, um so den Anteil der Flüchtlinge, die ein Asylverfahren durchliefen, an allen zugewanderten Ausländer(inne)n abzuschätzen.200
200
Diese Prozentwerte (Anteil Asylanträge an allen Zuzügen) sind als Trendaussage zu verstehen, da die zwei verwendeten Statistiken aus verschiedenen Quellen stammen. In den Wanderungsstatistiken werden Zuzüge (Wanderungsfälle) von Nicht-Deutschen aus diversen Herkunftsländern gezählt. Theoretisch kann ein und dieselbe Personen mehrmals im Jahr in die Statistik eingehen (so sie sich bei jeder Ein- und Ausreise beim Meldeamt an- und abmeldet). Zudem könnte ein Ausländer aus einem bestimmten Herkunftsland nicht dessen Staatsangehörigkeit besitzen. Wie die Ausländerbeauftragten (1997: 214f.; 219) gehe auch ich davon aus, dass dieser theoretisch mögliche Umstand bei der überwältigenden Mehrheit der zugewanderten Ausländer(innen) nicht vorkommt. Dies bedeutet z. B., dass die Anzahl der Zuzüge von Ausländer(inne)n aus dem Iran im Wesentlichen der Anzahl der zugezogenen iranischen Staatsangehörigen entspricht.
299
Tab. I-1:
Vergleich der Asylerstanträge mit den Zuzügen aus Drittstaaten für die Jahre 1987 bis 2003
Herkunftsland
Europa ohne EU/EG – darunter: BosnienHerzegowina Bulgarien (ab 1988) Jugoslawien
Asylerstanträge
Zuzüge
Anteil der Asylsuchenden an allen Zuzügen aus dem jew. Herkunftsland in %
N
in % (Spalte)
N
in % (Spalte)
1.432.123
58,5
8.648.352
67,3
16,6
51.195
2,1
386.810
3,0
13,2
78.526
3,2
187.714
1,5
41,8
565.856
23,1
1.302.435
10,1
43,4
Polen
89.975
3,7
2.495.635
19,4
3,6
Rumänien Russische Föderation (ab 1991) Türkei
277.504
11,3
523.242
4,1
53,0
44.772
1,8
953.491
7,4
4,7
281.527
11,5
1.132.848
8,8
24,9
313.461
12,8
670.983
5,2
46,7
662.398
27,0
2.566.558
20,0
25,8
98.563
4,0
108.548
0,8
90,8
77.971
3,2
131.082
1,0
59,5
2,7
97.909
0,8
67,9
1,7
963.267
7,5
4,4
100
-
-
-
-
12.849.160
100
19,1
Afrika insg. Asien insg. – darunter: Irak Iran
Vietnam 66.502 Amerika/ Australien/ 41.922 Staatenlose Asylerstanträge 2.449.904 insgesamt Zuzüge insgesamt
Quelle: Statistisches Bundesamt (1991: 73) sowie BMI (2004: 92-95) für Asylerstanträge; Statistisches Bundesamt (2004a u. ältere Jahrgänge: Tab. „Wanderungen über die Grenzen Deutschlands nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten und Altersgruppen“ bzw. „Wanderungen zwischen dem Bundesgebiet und dem Ausland nach ausgewählten Herkunfts- und Zielländern sowie nach Altersgruppen“) für Zuzüge; eigene Berechnung.
300
Bei den größten Herkunftsgruppen unter den Asylsuchenden gibt es einige, bei denen der geschätzte Anteil der Asylsuchenden bei deutlich über 50% aller Zuzüge von Staatsangehörigen aus diesen Ländern liegt. Dies trifft auf die Herkunftsländer Iran, Irak und Vietnam zu. Auch vom afrikanischen Kontinent kam fast die Hälfte aller Migrant(inn)en als Asylsuchende in die Bundesrepublik. Unter europäischen Migrant(inn)en, die die Mehrheit aller Asylsuchenden und aller Zugewanderten stellten, weisen Zugewanderte aus dem ehemaligen Jugoslawien eine hohe Quote (42%) auf – wobei hier noch nicht diejenigen Bürgerkriegsflüchtlinge mitgezählt sind, die keinen Asylantrag stellten, sondern von Beginn an eine Duldung hatten. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Asylsuchenden-Anteil von über einem Viertel bei türkischen Staatsangehörigen, darunter rund vier Fünftel kurdischer Ethnizität (BMI 2006: 55). Die historisch neuere Immigration aus der Türkei ist also zu einem erheblichen Anteil, wenn auch nicht mehrheitlich, eine Fluchtmigration. In einem ersten Analyseschritt lässt sich festhalten, dass von Drittstaatenangehörigen am Beginn ihres Aufenthalts etwa ein Fünftel zu der rechtlich prekär gestellten Gruppe der Asylsuchenden zählte; bei einigen Herkunftsländern waren es deutlich mehr. Allerdings ist zu bedenken, dass viele Asylbewerber(innen) Deutschland wieder verließen, oft verlassen mussten. Unter denjenigen, die als Ausländer(innen) zuwanderten und mindestens bis 2003 blieben, ist der Anteil der einstigen Asylsuchenden vermutlich geringer als in Tabelle I-1 berechnet. Wie hoch er genau ist, ist nicht bekannt. Einen Minimalwert kann man aus der Anzahl der Personen ableiten, die im Jahr 2003 immer noch prekäre Rechtsstatus innehatten. Der Ausgangspunkt der nächsten Auswertungsschritte sind daher Querschnittsdaten über die genauen Aufenthaltstitel aller Ausländer(innen) im Jahr 2003, d. h. am Ende meines Untersuchungszeitraums. Die Tabelle I-2 zeigt nur relativ kleine Anteile von Ausländer(inne)n mit prekären Rechtsstatus, also einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung (zusammen 490 Tsd., d. h. 6,7%) auf. Für meine Untersuchungspopulation werden diese Anteile jedoch aus mehreren Gründen unterschätzt: Das Statistische Bundesamt weist erstens Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung nicht aus. Zweitens, umfasst die Statistik die Gesamtzahl von 7,3 Millionen Ausländer(innen) unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer sowie in Deutschland geborene Ausländer(innen) und somit viele Personen, die nicht zur Untersuchungspopulation gehören. Nur 3,4 Mio. Ausländer(innen) wohnten im Jahr 2003 erst seit maximal 15 Jahren in Deutschland (Quelle vgl. Tab. I-3, eigene Berechnung), d. h. sie waren
301
zwischen 1988 und 2003 immigriert.201 Nun liegt es in der Logik des Ausländerrechts, dass mit der Länge des Aufenthalts mehr und mehr Personen einen sicheren unbefristeten Aufenthaltstitel erwerben (wenn sie denn nicht wieder wegziehen). Geht man also davon aus, dass sich Personen mit Aufenthaltsbefugnis oder Duldung nur unter jenen Ausländer(inne)n mit maximal 15 Jahren Aufenthalt befinden, beläuft sich ihr Anteil auf 14,3% – also schon deutlich mehr als jene 6,7%. Diese 14,3% stellen, wie oben angekündigt, jedoch nur den minimalen Umfang von Ausländer(inne)n mit einem nachteiligem anfänglichen Rechtsstatus dar. Denn der Status Quo im Jahr 2003 sagt nichts darüber aus, wie viele Drittstaatenangehörige ihren Aufenthalt mit einen prekären Status begannen, aber bis 2003 verbessern konnten. Tab. I-2:
Aufenthaltsstatus von Ausländer(inne)n in Deutschland im Jahr 2003
Aufenthaltsstatus EU-Angehörige (EU-15) Drittstaatenangehörige, darunter Aufenthaltsberechtigung unbefristete Aufenthaltserlaubnis befristete Aufenthaltserlaubnis Aufenthaltsbewilligung Aufenthaltsbefugnis Duldung Status nicht ausgewiesen1 Gesamt
absolut 1.849.986 5.484.779 770.344 2.036.480 1.637.359 343.293 264.176 226.569 206.558 7.334.765
in % (Spalte) 25,2 74,8 10,5 27,8 22,3 4,7 3,6 3,1 2,8 100
Quelle: Statistisches Bundesamt (2005b: 60f.); Prozentwerte eigene Berechnung. Anmerkung: 1) Differenz zwischen der angegebenen Gesamtsumme und der Summe der Personen mit Angaben zum Aufenthaltsstatus.
Hierzu weitere Tendenzaussagen zu treffen, ist Gegenstand der nun folgenden Auswertungsschritte. Verglichen wird die Anzahl der Ausländer(innen), die im Jahr X eine Aufenthaltsbefugnis oder Duldung hatten, und die Anzahl derjenigen Ausländer(innen), die im selben Jahr erst eine eher kurze Aufenthaltsdauer von beispielsweise sechs Jahren aufwiesen.
201
Die in den amtlichen Statistiken vorgegebenen Zeiträume erlauben keine exaktere Anpassung an meine Grundgesamtheit der zwischen 1987 und 2003 Zugewanderten. Vgl. auch Anmerkung 2 in Tab. I-3.
302
1992 Spalte 1a Spalte 1b befristeter bis zu 4 J. Aufenthalts- Aufenthalt titel1 (1988-92 zugew.)2 Polen 255.702 156.644 Ehem. Sowjetunion 48.579 60.933 Türkei 949.868 231.211 BR-Jugoslawien3 581.826 372.267 Bosnien-Herzegowina 19.772 15.267 Kroatien 33.137 17.856 Iran 63.860 23.989 Afghanistan 32.029 21.600 Afrika gesamt 221.931 135.800 Gesamt (Nicht-EU/EG) 3.201.503 1.656.433
Jahr der Erhebung
1,6 0,8 4,1 1,6 1,3 1,9 2,7 1,5 1,6 1,9
Spalte 1a / Spalte1b 215.713 25.235 999.415 530.652 155.125 68.778 58.687 55.353 221.524 3.234.497
11.635 1.954 30.708 135.286 80.502 4.186 9.796 24.708 25.284 449.015
97.067 223.500 301.267 210.900 82.000 23.733 25.833 32.400 111.600 1.730.333
1998 Spalte 2a Spalte 2b Spalte 2c befristeter Aufenthalts- bis zu 6 J. Aufenthalts- befugnis / Aufenthalt Duldung (1993-98 titel1 zugew.)2 2,2 0,1 3,3 2,5 1,9 2,9 2,3 1,7 2,0 1,9
0,1 0,0 0,1 0,6 1,0 0,2 0,4 0,8 0,2 0,3
303
Drittstaatenangehörige mit befristeten und prekären Rechtsstatus im Verhältnis zu Ausländer(inne)n mit bis zu sechs Jahren Aufenthalt für die Jahre 1992, 1998 und 2003
Spalte 2a / Spalte 2c
Tab. I-3:
Spalte 2b / Spalte 2c
(Fortsetzung Tab. I-3)
Jahr der Erhebung
Polen Ehem. Sowjetunion Türkei BRJugoslawien3 BosnienHerzegowina Kroatien Iran Afghanistan Afrika gesamt Gesamt (NichtEU/EG)
215.711
Spalte 3b Aufenthaltsbefugnis / Duldung
Spalte c bis zu 6 J. Aufenthalt (1998-2003 zugew.)2 6.276 102.967
Spalte 3b / Spalte 3c
Spalte 3a befristeter Aufenthaltstitel1
Spalte 3a / Spalte 3c
2003
2,2
0,1
25.235 999.412
23.559 47.175
324.600 90.967
0,9 8,5
0,1 0,5
530.649
133.967
84.100
3,9
1,6
155.123 68.775 58.685 55.351
38.038 3.275 13.479 28.821
10.500 13.133 21.533 21.400
8,7 4,4 2,3 2,4
3,6 0,2 0,6 1,3
221.522
38.631
108.100
2,0
0,4
3.234.495
490.745
1.260.300
2,4
0,4
Quelle: Statistisches Bundesamt (2004b u. ältere Jahrgänge: Tab. „Ausländische Bevölkerung nach dem Land der Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus sowie Duldung“ bzw. „Ausländer nach Staatsangehörigkeiten und Aufenthaltsstatus“) für Spalten 1a, 2a, 2b, 3a, 3b; Statistisches Bundesamt (2004b u. ältere Jahrgänge: Tab. „Ausländische Bevölkerung nach dem Land der Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsdauer“ bzw. „Ausländer nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten und Aufenthaltsdauer“) für Spalten 1b, 2c, 3c; eigene Berechnung. Anmerkung: 1) alle Drittstaatenangehörige ohne jene mit „unbefristeter Aufenthaltserlaubnis“ oder (ebenfalls unbefristeter) „Aufenthaltsberechtigung“. 2) Von der Anzahl der Ausländer(innen) mit vier oder sechs Jahren Aufenthalt mussten die in diesem Zeitraum in der BRD geborenen ausländischen Kinder abzogen werden. Da deren Anzahl nicht bekannt ist, wurde als Annäherung jeweils 4/18tel bzw. 6/18tel der im Jahr 2003 minderjährigen, in Deutschland geborenen Ausländer abgezogen. 3) Die Bundesrepublik Jugoslawien entspricht den früheren Teilrepubliken Serbien-Montenegro. Das Statistische Bundesamt weist allerdings daraufhin, dass es bei der Zuordnung der Staatsangehörigkeit gerade bei Ausländer(inne)n aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien Unstimmigkeiten gibt (Statistisches Bundesamt 2004b: Methodische Einführung).
304
Prämisse ist, dass Personen mit einem ungesicherten Status vorwiegend in der Gruppe der kürzer ansässigen Ausländer(innen) vertreten sind.202 Übersteigt die Zahl der Ausländer(innen) mit prekären Status die Anzahl der seit sechs Jahren Ansässigen, so kann vermutet werden, dass die überwiegende Mehrheit dieses Personenkreises und darüber hinaus auch länger Ansässige entsprechenden benachteiligende Rechtsstatus innehatten. Fällt die Anzahl der Ausländer(innen) mit prekärem Status dagegen kleiner aus als die der seit sechs Jahren Ansässigen, impliziert dies, dass auch einige der Neuankömmlinge schon von Beginn an einen sicheren Rechtsstatus hatten. Mittels einer Division der beiden Werte wurde in Tabelle I-3 ein Quotient berechnet, um solche Trendaussagen zu quantifizieren und die Herkunftsnationalitäten untereinander vergleichen zu können. Ist der Werte des Quotienten > 1, hatten mehr als die seit sechs Jahren Ansässigen einen prekären Rechtsstatus; ist er < 1, erhielt ein Teil von ihnen bereits bei der Einreise günstigere Aufenthaltstitel. Diese Berechnungen wurden für die drei Zeitpunkte 1992, 1998 und 2003 durchgeführt – also für Zuwandererkohorten, die eher zu Beginn, in der Mitte und am Ende meines Untersuchungszeitraums einreisten. Unter einem nachteiligen Aufenthaltsstatus wird hier ein befristeter Aufenthaltstitel und zusätzlich für die Jahre 1998 und 2003, für die entsprechende Informationen vorliegen, als strengere Definition eine Aufenthaltsbefugnis oder Duldung als prekärer Status definiert.203 Das Jahr 1992 und die damals seit vier Jahren ansässigen, also zwischen 1988 und 1992 zugewanderten Ausländer(innen) bilden die frühen der von mir untersuchten Migrantenkohorten. Aus der Tatsache, dass 1992 deutlich mehr Drittstaatenangehörige einen befristeten Status hatten, als seit 1988 zugezogen waren, schlussfolgere ich, dass die allermeisten Neuzugewanderten aus Drittstaaten ihren Aufenthalt mit einer rechtlich befristeten Bleibeperspektive begannen. Eine Ausnahme bildet die kleine Gruppe der Ausländer(innen) aus der ehemaligen Sowjetunion. Der Quotient (Spalte 1a/Spalte 1b) der Türk(inn)en liegt dagegen sogar über dem Durchschnitt; und erst die Hälfte aller Türk(inn)en hatte 1992 einen unbefristeten Aufenthaltstatus. Die bereits länger ansässigen Landsleute türkischer Neuankömmlinge waren also eine noch nicht durchgehend aufenthaltsrechtlich abgesicherte Gruppe.
202 In 2003 lebten z. B. 43,1% aller Personen mit Duldung seit maximal fünf Jahren in Deutschland, nur 3,7% seit mehr als 13 Jahren in der Bundesrepublik (Integrationsbeauftragte 2003: 129; eigene Berechnung). 203 Aufenthaltsbefugnis und Duldung werden erst ab 1998 ausgewiesen; für 1993 bis 1997 gibt es keine Informationen zu Aufenthaltstiteln. Als Minderjährige Zugewanderte können nicht separat ausgewiesen werden.
305
Auch für den Personenkreis, der im Jahr 1998 bis zu sechs Jahren in der Bundesrepublik wohnte, also für die 1992 bis 1998 Zugewanderten, war ein befristeter Titel die Norm: Die Anzahl der jeweiligen Staatsangehörigen mit befristetem Aufenthaltsstatus überstieg die der seit sechs Jahren Ansässigen. Eine nun noch markantere Ausnahme waren wiederum Ausländer(innen) aus der ehemaligen UdSSR – unter ihnen jüdische Kontingentflüchtlinge, denen direkt mit der Einreise das Privileg einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zuteil wurde.204 Ab dem Jahr 1998 wurden auch Aufenthaltsbefugnisse und Duldungen statistisch erfasst. Hier werden große Unterschiede zwischen den betrachteten Drittstaaten offenbar. Vermutlich die Mehrzahl der Neuzugezogenen aus Serbien-Montenegro (inkl. dem Kosovo) und Bosnien-Herzegowina sowie Afghanistan, also zumeist Bürgerkriegs- und sonstige Flüchtlinge, lebten 1998 jeweils mit solch einem unsicheren Status. (Die Quotienten aus Spalte 2b/Spalte 2c liegen zwischen 1,0 und 0,8.) Darauf, dass dies auch noch auf eine substanzielle Minderheit der Ausländer(innen) aus anderen typischen Flüchtlingsherkunftsländern zutraf, deuten die errechneten Faktoren von 0,3 bei Iraner(inne)n und 0,2 bei Afrikaner(inne)n. Für die jüngsten Zuwandererkohorten, die im Jahr 2003 seit bis zu sechs Jahren Ansässigen, stellt sich – außer bei Pol(inn)en und Kroat(inn)en – die aufenthaltsrechtliche Situation noch einmal deutlich schlechter dar als bei den Zuwandererkohorten Mitte der 1990er Jahre. Die berechneten Quotienten sind bei allen Herkunftsnationalitäten größer als im Jahr 1998. Dass ein prekärer Status nicht nur auf wenige Jahre Ansässige beschränkt war, zeigt die Tabelle I3 gerade für die Bosnier(innen) und Serbo-Kroat(inn)en. Dies entspricht auch Auswertungen der Integrationsbeauftragten (2003: 129) zur Aufenthaltsdauer von Ausländer(inne)n mit Duldung, nach denen ca. 125.000 geduldete Bosnier(innen) und „BR-Jugoslawen“ im Jahr 2000 über sieben Jahre in der Bundesrepublik wohnten. In den eben diskutierten Statistiken wird die Anzahl der Ausländer(innen), die einen prekären Status innehatten, jedoch noch unterschätzt, weil Asylsuchende, also Personen mit einer Aufenthaltsgestattung, in den in Tabellen I-2 und I-3 verwendeten Statistiken nicht eigens ausgewiesen sind (vgl. Anmerkung 1 in Tab. I-2). In einem letzten Analyseschritt, der sich der Schätzung der Aus204
Als jüdische Kontingentflüchtlinge, die von Beginn an einen unbefristeten Aufenthaltsstatus hatten, wanderten von 1993 bis 2003 179.934 Migrant(inn)en aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik (BMI 2004: 31). In den Jahren 1991 und 1992, für die keine Statistiken über Zuzüge vorliegen, wurden 12.583 und 15.879 Aufnahmezusagen erteilt (Haug 2005b: 6). Neben dieser Gruppe fallen unter die ausländischen Migrant(inn)en aus der ehemaligen Sowjetunion die nicht-deutschen „weiteren Familienangehörigen“ von Spätaussiedler(inne)n (§ 8 BVFG), die ebenfalls sofort eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhielten. In den Jahren 1994 bis 2003 umfasste diese Gruppe insgesamt 83.000 Personen (vgl. BMI 2004: 89; eigene Berechnung).
306
länder(innen) mit nachteiligen rechtlichen Statuspositionen annähert, greife ich auf Statistiken zurück, die in einer gesonderten Auswertung der Ausländerbeauftragten (2001: 81; eigene Berechnung) die Anzahl der Personen in einem Asylverfahren für das Jahr 2000 ausweist. Addiert man die ca. 200 Tsd. Asylsuchenden zum Personenkreis, die in diesem Jahr eine Aufenthaltsbefugnis oder Duldung haben (Statistisches Bundesamt 2001a: 40ff.), wächst der Kreis der Ausländer(innen) mit prekärem Status deutlich an. Dieser steigt bei allen Drittstaatenangehörigen zusammengenommen um 43% (von 660 Tsd. auf 860 Tsd.), bei jenen aus Serbien-Montenegro um 38%, bei Afghan(inn)en um 43%, bei Türk(inn)en um 70% und bei Iraner(inne)n sogar um mehr als 100%. Dementsprechend wird in der Tabelle I-3 noch unterschätzt, wie verbreitet ein ungesicherter Rechtsstatus unter neu zugezogenen Ausländer(inne)n war. Betrachtet man die Auswertungen zu Asylsuchenden sowie zu Drittstaatenangehörigen mit Aufenthaltsbefugnis und Duldung in den Tabellen I-1 und I-3, lässt sich konservativ schätzen, dass wohl zwischen einem Fünftel und einem guten Drittel aller seit Ende der 1980er Jahre zugewanderten Drittstaatenangehörigen ihren Aufenthalt mit einem prekären Rechtsstatus begannen. Unter den für Fluchtmigration bedeutsamen Herkunftsländern waren es bei Staatsangehörigen z. B. aus der Türkei bis zu ein Viertel, aus Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina (weniger Kroatien) vermutlich mindestens drei Viertel, aus dem Iran zwischen einem Drittel und der Hälfte, aus dem afrikanischen Kontinent zwischen einem Fünftel und der Hälfte und aus dem Irak gut 90%. Die bisherigen Analysen zu Drittstaatenangehörigen bezogen sich auf Personen aller Altersgruppen. Bei Ausländer(inne)n, die als Minderjährige einreisten, war ein prekärer Rechtsstatus zu Beginn ihres Aufenthalts wahrscheinlich noch häufiger. Dafür sprechen meine Berechnungen (Quelle vgl. Tab. I-1), denen zufolge unter denjenigen Staatsangehörigen, die in hohem Maße (z. B. aus Ex-Jugoslawien, dem Iran) oder zu einem substanziellen Anteil (z. B. Türkei) anfänglich einen prekären Status innehatten, etwa ein Drittel bei ihrer Einreise minderjährig waren, bei allen Ausländer(inne)n waren dies im Schnitt nur 23%.205 Differenziertere Informationen gibt es schließlich noch zu zwei rechtlich besonders definierten Migrantengruppen zu, die in den bisherigen Statistiken nicht eigens ausgewiesen sind: jüdische Kontingentflüchtlinge und Familienmigrant(inn)en. Unter den 208 Tsd. jüdischen Kontingentflüchtlingen, die zwi205
Ansonsten gibt es nur vereinzelte nach Lebensalter differenzierte Auswertungen zu Aufenthaltstiteln von Ausländer(inne)n. Holzapfel berichtet (1999: 68) von 210.000 Kindern von Asylbewerber(inne)n und von Ausländer(inne)n mit Duldung im Jahr 1994. 1998 waren es noch mindestens 147.069 – so viele bezogen in diesem Jahr Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Statistisches Bundesamt 2001b: 95, Tab. 8.8.2; eigene Berechnung).
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schen 1991 bis 2003 immigrierten (BMI 2004: 31; Haug 2005b: 6), befanden sich 12% Minderjährige (Haug 2005b: 8), also gut 25.000. Über im Rahmen des Familiennachzugs nachgezogene ausländische Kinder existieren erst seit 1996 Visa-Statistiken des Auswärtigen Amts. Im Zeitraum von 1996 bis 2003 wurden 135 Tsd. Visa für nachziehende minderjährige Kinder ausgestellt (BMI 2004: 87; eigene Berechnung). Dividiert durch die Anzahl aller 581 Tsd. im selben Zeitraum zugezogener minderjähriger Ausländer(innen) ergibt sich ein Verhältnis von etwa eins zu vier. Da hier Kinder aus privilegierten Drittstaaten206 nicht erfasst sind, ist dieses Viertel nur eine Untergrenze für den Anteil der Familienmigrant(inn)en an allen Personen, die als minderjährige Drittstaatenangehörige in die Bundesrepublik zogen. Zudem machten sie unter den bis 2003 verbliebenen Migrant(inn)en vermutlich einen höheren Anteil aus, da eine Familienzusammenführung meist einen sicheren Rechtsstatus der Eltern voraussetzte. Ich schlussfolgere also, dass eine substanzielle Minderheit der untersuchten Migrantenkinder aus Drittstaaten Familienmigrant(inn)en waren.207 Verfestigung des Rechtsstatus und Abwanderung von als Ausländer(innen) Zugewanderten Unter Ausländer(inne)n, die in Deutschland blieben, kann es im Laufe des Aufenthalts zwar in Einzelfällen auch zu einer Verschlechterung des Aufenthaltsstatus gekommen sein, im Allgemeinen jedoch nimmt mit zunehmender Aufenthaltsdauer der Anteil derjenigen mit gefestigten Aufenthaltstiteln zu. Für eine besondere Art der Verfestigung eines Aufenthaltsstatus liefern Statistiken zur Asylanerkennung Anhaltspunkte. In den Jahren 1987 bis 2003 erhielten 154.414 Personen nach Art. 16/16a GG Asyl. 77.651 Flüchtlinge wurde in den Jahren 1994 bis 2003 mit dem ‚kleinen Asyl‘ eine Aufenthaltsbefugnis zugesprochen (Statistisches Bundesamt 1995: 123; eigene Berechnung; BAMF 2007: 95). Geht man davon aus, dass diese Migrantengruppen in Deutschland geblieben sind, und setzt man sie ins Verhältnis zu den 3,4 Millionen Ausländer(inne)n, die im Jahr 2003 höchstens 15 Jahre wohnhaft waren, so stellen Asylberechtigte (4,5%) und Konventionsflüchtlinge (2,2%) kleine Minderheiten dar. Die inzwi206
Nicht erfasst sind die von der Visumspflicht befreiten Nicht-EU-Bürger(innen) des Europäischen Wirtschaftsraums, der Schweiz, der USA, Australiens, Israels, Japans, Kanadas und Neuseelands (BAMF 2006: 35). 207 Neben den drei wichtigsten rechtlichen Zuwanderungswegen für Minderjährige – die Einreise als Aussiedler(in), Flüchtling oder im Rahmen des Familiennachzugs – zog eine nicht bestimmbare Anzahl von Kindern mit ihren als Arbeitsmigrant(inn)en einreisenden Eltern aus Drittstaaten mit in die Bundesrepublik.
308
schen Eingebürgerten können bei dieser Berechnung allerdings nicht beachtet werden. Bis zum Systemumbruch in den Ostblockstaaten konnten nicht-deutsche Migrant(inn)en aus osteuropäischen Ländern mit überdurchschnittlichen Anerkennungsquoten rechnen.208 Von den Asylsuchenden aus anderen Regionen schwanken die Anerkennungsquoten z. T. von Jahr zu Jahr erheblich. Für die Jahre 1987 bis 1995 ergibt sich unter den großen Gruppen der Asylsuchenden aus der Türkei, Afghanistan, Iran und Irak eine durchschnittliche Anerkennungsquote von 11%, 20%, 35% respektive 38% (Ausländerbeauftragte 1997: 285). Ab Mitte der 1990er Jahre war der Aufstieg vom prekären Status der Asylsuchenden in den sicheren eines Asylberechtigten nur noch selten möglich.209 Ausländer(innen), die schon am Anfang oder im Laufe ihres Aufenthalts einen sicheren Rechtsstatus erlangten, hatten, wenn sie die weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllten, die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Amtliche Einbürgerungsstatistiken weisen für Türk(inn)en und Ex-Jugoslaw(inn)en hohe Einbürgerungszahlen auf – also für Herkunftsländer, die eine ‚gemischte‘ Migrationsgeschichte aus Arbeitsmigration, Familienzusammenführung und Flucht haben. Unter den kleineren Gruppen von Drittstaatenangehörigen sind es augenfällig solche Gruppen, die häufig als Flüchtlinge einreisten und anerkannt wurden, z. B. solche aus dem Iran, Afghanistan, Libanon und Sri Lanka (Statistisches Bundesamt 2003: 63ff.). Einbürgerungen innerhalb meiner spezifischen Untersuchungspopulation können differenzierter auf Basis des Mikrozensus 2005 (vgl. Kapitel 7.1.4) untersucht werden. Wie dort gezeigt wird, weisen Personen aus dem Iran und aus Osteuropa überdurchschnittliche Einbürgerungsquoten auf, erreichten also besonders häufig die beste rechtliche Statusposition – die von Inländer(inne)n. Während amtliche Statistiken zu anfänglichen Rechtsstatus von Ausländer(inne)n und der Aufenthaltsverfestigung bereits nur Trends schätzen lassen, sind die Informationsdefizite über die Rück- oder Weiterwanderung von Personen, die als Ausländer(innen) in meinem Untersuchungszeitraum in die Bundesrepublik eingereist sind, noch viel größer. Denn amtliche Statistiken über Fortzüge von Ausländer(inne)n differenzieren weder danach, wie lange diese in der 208
Für Polen sank die Anerkennungsquote von 17% im Jahr 1986 auf 8% im Jahr 1987 und auf 2,7% im Jahr 1990 (Ausländerbeauftragte 1997: 285). Bei Asylsuchenden aus der Ex-UdSSR fiel sie 1990 erstmals unter 10%. Ab 1991 war eine Anerkennung für Osteuropäer(innen) so gut wie ausgeschlossen (während der jugoslawischen Bürgerkriege war eine Anerkennungsquote von 6% für ExJugoslaw(inn)en im Jahr 1995 das Maximum). 209 Für die Jahre 1996-1999 sind keine nach Nationalitäten differenzierten Asylanerkennungsstatistiken erhältlich. Im Zeitraum 2000-2003 sank für diese Gruppen die durchschnittliche Anerkennungsquote deutlich unter 10% Prozent (Korrespondenz mit dem BAMF vom 17.7.08).
309
Bundesrepublik gelebt haben, noch welchen Aufenthaltstitel sie zuvor hatten. Für in den Jahren 1987 bis 2003 zugewanderte Ausländerkinder kann man lediglich die 2,15 Millionen Zuzüge in diesem Zeitraum laut amtlicher Statistik (Quelle vgl. Tab. I-1; eigene Berechnung) den rund 800 Tsd. Personen gegenüberstellen, die meinen Schätzungen mit dem Mikrozensus zufolge bis zum Erhebungsjahr 2005 geblieben sind. Wer die offenbar fortgezogenen 1,35 Mio. Ausländerkinder sind, ist unklar. Da im Untersuchungszeitraum nur einem knappes Zehntel aller Asylanträge in Form des ‚großen‘ oder ‚kleinen‘ Asyls stattgegeben wurde und viele Bürgerkriegsflüchtlinge in ihr Herkunftsland zurückkehren mussten, liegt die Vermutung nach, dass viele der zurückgekehrten ausländischen Kindern in der Bundesrepublik eher prekäre Rechtsstatus innehatten.210 Insgesamt bleibt jedoch ein gravierende Forschungslücke bestehen: Es existieren keine repräsentativen Informationen über die Aufenthaltsdauer, die rechtliche Position und generell die sozialen Merkmale fortziehender Ausländer(innen).
210
Die 412 Tsd. Abschiebungen in den Jahren 1990 bis 2003 (BMI 2004: 118, eigene Berechnung) stellen lediglich ein Minimum der Fortzüge von Ausländer(inne)n mit prekärem Rechtsstatus dar, da eine im Umfang nicht bestimmbare Gruppe von Ausländer(innen) auch ‚freiwillig‘ in ihr Herkunftsland zurückkehrten, um die mit einer erzwungenen Abschiebung einhergehenden Sanktionen (z. B. Abschiebekosten, Wiedereinreiseverbote) zu vermeiden.
310
Anhang II: Verwendete Gesetzestexte, Richtlinien, Verordnungen inkl. Abkürzungen
Bundesebene AAG: Gesetz zur Regelung des Aufnahmeverfahrens für Aussiedler (Aussiedleraufnahmegesetz) vom 28.6.1990 AAV: Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (Arbeitsaufenthaltsverordnung) vom 18.12.1990 AFG: Arbeitsförderungsgesetz vom 25.6.1996, i. d. F. vom 23.9.1990 ArbErlaubV: Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer – Arbeitserlaubnisverordnung vom 2.3.1971, zuletzt geändert am 17.12.1997 ArGV: Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung – ArGV) vom 17.9.1998 ASAV: Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung) vom 17.9.1998 AsylVfG: Asylverfahrensgesetz vom 26.6.1992 AufenthG/EWG: Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG) vom 31. Januar 1980, i. d. F. vom 24.1.1997 AufenthG: Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) i. d. F. vom 25.2.2008 AuslG: Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz) vom 9. Juli 1990, i. d. F. 24.1.1997 AAG: Aussiedleraufnahmegesetz vom 1.7.1990 BVFG: Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) i. d. F. vom 28.6.1985, vom 2.6.1993 und Änderungen bis zum 30.7.2004 Einb.-Rl.: Einbürgerungsrichtlinien vom 15.12.1977
311 J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
EinglAnpG: Gesetz zur Anpassung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler und Übersiedler (Eingliederungsanpassungsgesetz) vom 22.12.1989 GG: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 sowie i. d. F. vom 30.6.1993 Hum HAG: Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.7.1980, zuletzt geändert am 29.10.1997 KfbG: Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz) vom 21.12.1992, BGBl KMK 1979: Neufassung der Vereinbarung „Unterricht für Kinder ausländischer Arbeitnehmer“. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8.4.1971, i. d. F. vom 26.10.1979 KMK 1996: Interkulturelle Bildung und Erziehung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 25.10.1996. KMK 1997: Eingliederung von Berechtigten nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in Schule und Berufsausbildung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 3.12.1971 i. d. F. vom 12.9.1997 KMK 2002: Vereinbarung zur Aufnahme von jüdischen Kontingentflüchtlingen und deutschen Staatsangehörigen aus den Vertreibungsgebieten in Sonderlehrgänge für Berechtigte nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 24.5.2002 RL-GF-H: Richtlinien des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit für die Gewährung von Zuwendungen an die Otto-Benecke-Sitftung e.V., Bonn, und die Vergabe von Stipendien durch die Otto Benecke Stiftung e.V. an junge Aussiedler, junge Zuwanderer aus der DDR und Berlin (Ost) sowie junge ausländische Flüchtlinge zur Vorbereitung und Durchführung eines Hochschulstudiums – sog. Garantiefonds-Hochschulbereich, vom 1.3.1988 Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen an die Otto Benecke Stiftung e.V., Bonn, für die Vergabe von Beihilfen durch die Otto Benecke Stiftung e.V. an junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie junge ausländische Flüchtlinge zur Vorbereitung und Durchführung eines Hochschulstudiums, „Garantiefonds – Hochschulbereich“, vom 28.2.1996 mit Änderungen vom 1.3.1998 RL-GF-SB: Richtlinien des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit für die Vergabe von Beihilfen zur schulischen, beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung junger Aussiedler, junger Zuwanderer aus der DDR und Berlin (Ost) sowie junger ausländischer Flüchtlinge – sog. Garantiefonds – Schul- und Berufsbildungsbereich vom 1.3.1988 Richtlinien des Bundesministers für Frauen und Jugend für die Vergabe von Zuwendungen (Beihilfen) zur gesellschaftlichen, d. h. zur sprachlichen, schulischen, beruflichen und damit in Verbindung stehenden sozialen Eingliederung junger Aussiedlerinnen und junger ausländischer Flüchtlinge „Garantiefonds – Schul- und Berufsbildungsbereich“ vom 1.1.1988 mit Änderungen vom 21.3.1994 Richtlinien für die Vergabe von Zuwendungen (Beihilfen) zur gesellschaftlichen, d. h. zur sprachlichen, schulischen, beruflichen und damit in Verbindung stehenden sozialen Eingliederung junger Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie junger ausländischer Flüchtlinge „Garantiefonds – Schul- und Berufsbildungsbereich“ von 1998 mit Änderungen zum 1.1.2002
312
1. SKWPG : Erstes Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993 SGB III: Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung – vom 24.3.1997 StAR – VwV : Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13.12.2000 RuStaG: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913 bzw. Staatsangehörigkeitsgesetz (StaG ) vom 15.7.1999 ZuwG: Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30.7.2004 WoZuG: Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler (Wohnortzuweisungsgesetz) vom 6.7.1989 sowie i. d. F. vom 26.2.1996.
Bayern: BStMfUuK 1984: Unterricht für Kinder ausländischer Arbeitnehmer. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 29.8.1984 BStMfUuK 1988: Eingliederung von Aussiedlerschülern in Bayern. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 28.12.1987 VSO: Schulordnung für die Grund- und Hauptschulen (Volksschulen) in Bayern (Volksschulordnung) vom 21.6.1986 sowie i. d. F. vom 2.7.1996 und 11.9.2008
Nordrhein-Westfalen: KMNW 1982: Unterricht für ausländische Schüler, Runderlass des Kultusministeriums NordrheinWestfalen vom 23.3.1982 KMNW 1988: Schulische und außerschulische Fördermaßnahmen für ausgesiedelte Kinder und Jugendliche, Runderlass des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen vom 18.10.1988 KMNW 1990: Schulische und außerschulische Fördermaßnahmen für ausgesiedelte Kinder und Jugendliche, Runderlass des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen vom 29.1.1990
313
J. Söhn, Rechtsstatus und Bildungschancen, DOI 10.1007/978-3-531-93364-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Ausländer, darunter aus:
ExUdSSR
EU
Polen
Türkei
sonstige Drittstaaten
außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘
ExJugoslawien
Gesamt
N
314
in % (Spalten je Merkmal) n. s. n. s. n. s. n. s. *** n.s * n. s. Geschlecht Männer 51,4 52,2 53,3 52,3 52,2 43,4 55,1 58,8 53,2 51,8 3295 Frauen 48,6 47,8 46,7 47,7 47,8 56,6 44,9 41,2 46,8 48,2 3210 *** n. s. *** * *** ** ** *** Alter 18-20 J. 29,2 26,0 32,5 25,5 21,5 18,8 30,7 29,2 26,2 27,6 1797 21-23 J. 28,0 24,2 31,5 27,1 29,9 20,4 26,6 25,4 19,4 26,2 1682 24-27 J. 26,8 24,7 21,1 24,4 23,4 25,2 21,5 24,5 29,2 25,8 1693 28-35 J. 16,0 25,1 14,9 23,1 25,3 35,7 21,2 21,0 25,1 20,4 1333 Gesamt 51,9 48,1 3,1 4,8 3,1 10,6 8,8 8,6 9,0 100,0 (Zeile) N 3685 2820 196 278 189 679 516 496 466 6505 Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); in der Zeile der Variablennamen: Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant.
Aussiedler
Tab. IV-1: Geschlecht und Alter von minderjährig Zugewanderten (18- bis 35-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Anhang IV: Ergänzende Tabellen zu Kapitel 7
Einreisejahr Mittelwert SD Einreisealter Mittelwert SD Famil. Migrationsbiographie1 Eltern/Kind gleichzeitig zugew. mind. ein Elternteil/ Kind ungleichzeitig zugew. 57,4
42,6
8,4
23,3
76,7
***
***
8,0 4,4
***
1995 4,7 *** 9,6 4,4
***
ExUdSSR
1993 4,4
***
Ausländer, darunter aus:
91,6
7,2 4,0
1993 3,8
Aussiedler
44,6
55,4
***
68,1
31,9
***
1992 4,1 * 6,1 4,2
+
Türkei
46,9
53,1
***
1993 4,5 n. s. 7,3 4,6
n. s.
Polen
35,8
64,2
***
1995 4,6 *** 9,5 4,6
***
sonstige Drittstaaten in % (Spalten je Merkmal)
1993 3,9 n. s. 6,9 3,9
n. s.
EU
31,0
69,0
***
1995 4,5 *** 8,9 4,7
***
außereurop. ‚Flüchtlingsländer'
44,3
55,7
***
1993 3,3 n. s. 7,3 3,4
n. s.
Ex-Jugoslawien
22,3
77,7
7,5 4,2
1993 4,1
Gesamt
315
266
1049
1557
1557
N
Tab. IV-2: Zuwanderungsjahr, Einreisealter, familiale Migrationsbiographie, Familienform, Familiengröße, Bundesland (gruppiert), Größe des Wohnorts und Geschlecht von minderjährig Zugewanderten (18- bis 20-Jährigen) nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
316
Familienform beide Eltern alleinerzieh. Elternteil Ledige Kinder im Haushalt Mittelwert SD Bundeslandtyp reform. Schulsystem tradition. Schulsystem Gemeindegröße große mittel klein/ländlich 38,1 44,4 17,5
***
54,4 15,6 30,0
***
28,0 26,8 16,0
44,5
41,6
43,2
55,6
58,4
n. s.
n. s.
56,8
1,9 0,8
2,4 1,1
n. s.
***
2,0 0,8
23,5
18,1
13,6
76,5
*
ExUdSSR
81,9
**
Ausländer, darunter aus:
86,4
(Fortsetzung Tab. IV-2) Aussiedler
38,4 35,3 26,3
**
48,5
51,5
n. s.
2,1 0,9
n. s.
6,9
93,1
n. s.
EU
n. s.
41,5 37,2 21,4
***
50,6
49,4
n. s.
3,4 1,8
***
10,7
89,3
38,2 36,7 25,1
+
20,9
79,1
+
2,0 0,8
n. s.
22,9
77,1
+
Polen
37,2 39,3 23,5
***
49,5
50,5
+
2,3 1,3
***
24,2
75,8
**
sonstige Drittstaaten in % (Spalten je Merkmal)
Türkei
44,4 27,3 28,3
***
29,8
70,2
*
3,3 2,0
***
19,4
80,6
+
außereurop. Flüchtlingsländer
30,4 45,0 24,6
**
37,8
62,2
n. s.
2,4 1,2
***
17,8
82,2
+
Ex-Jugoslawien
30,5 36,0 33,4
40,6
59,4
2,2 1,0
15,6
84,4
Gesamt
460 565 532
704
853
1557
235
1322
N
Ausländer, darunter aus:
ExUdSSR
EU
Türkei
Polen
sonstige Drittstaaten
außereurop. Flüchtlingsländer
Ex-Jugoslawien
Gesamt
N
317
in % (Spalten je Merkmal) + n. s. + n. s. n. s. * + n. s. Geschlecht Männer 52,7 57,7 51,7 65,1 53,6 49,9 55,7 66,3 56,2 54,9 835 Frauen 47,3 42,3 48,3 34,9 46,4 50,1 44,3 33,7 43,8 45,1 722 Gesamt 56,0 44,0 3,9 4,6 6,7 2,4 9,6 8,1 8,7 100,0 N 957 600 56 62 105 37 132 108 100 1557 Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); 1) nur Personen mit gültigen Angaben für beide Elternteile; in der Zeile der Variablennamen: Signifikanzniveaus der Verteilungs- bzw. Mittelwertsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant.
(Fortsetzung Tab. IV-2) Aussiedler
318
Schulbildung kein Abschluss HS-Äquivalent MR-Äquiv. Abi-Äquiv. Berufl. Stellung Selbständige Angestellte/ Beamte Arbeiter(innen) Arbeitslose/ Nicht-Erwerbst 21,0 28,9 42,0
19,8
53,2
24,5
48,9
29,4
17,1
4,6
***
***
8,1
5,5 30,6 23,3 40,6
***
ExUdSSR
17,5 32,6 15,3 34,6
***
Ausländer, darunter aus:
2,4
3,8 46,7 28,1 21,3
Aussiedler
***
30,1
26,9
30,6
12,4
***
15,5 36,3 13,6 34,6
31,4
39,8
20,7
8,2
***
3,1 38,4 16,2 42,4
***
Türkei
51,8
33,0
7,3
8,0
***
53,4 34,7 3,6 8,3
***
Polen
39,9
24,2
26,1
9,8
***
11,4 25,7 17,8 45,1
***
sonstige Drittstaaten in % (Spalten je Merkmal)
EU
52,9
23,2
16,9
7,0
***
26,5 23,6 13,9 36,0
***
außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘
43,0
37,6
16,4
3,1
***
18,2 49,9 14,0 18,0
***
Ex-Jugoslawien
33,2
41,1
20,4
5,2
10,6 39,7 21,8 27,9
Gesamt
946
1669
2266
3263
813 3450 1904 2350
N
Tab. IV-3: Schulbildung, berufliche Stellung und Haushaltseinkommen von als Erwachsene Zugewanderten, d. h. der ‚potenziellen Elterngeneration‘ der minderjährig Zugewanderten, nach Rechtsstatus bei Einreise und Herkunftsländern
Ausländer, darunter aus: ExUdSSR
EU
Türkei
Polen
sonstige Drittstaaten
außereurop. ‚Flüchtlingsländer‘ Ex-Jugoslawien
Gesamt
N
319
*** *** *** n. s. *** *** *** *** HHEinkommen1 unterstes 35,7 48,7 57,6 28,5 34,8 68,3 42,0 67,6 55,4 42,1 430 Quartil 2. Quartil 31,5 22,5 24,2 24,6 28,2 21,0 21,8 15,3 24,8 27,1 1772 3. Quartil 23,7 15,2 11,3 20,2 23,5 8,0 17,4 9,7 13,9 19,5 3674 oberstes 9,2 13,6 7,0 26,7 13,5 2,7 18,8 7,4 6,0 11,3 2713 Quartil Gesamt2 50,4 49,6 6,0 8,4 4,4 4,5 13,0 7,3 6,0 100,0 N 4768 3749 463 612 341 369 1020 547 397 8144 Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Personen, die als Erwachsene in den Jahren 1987 bis 2003 zuwanderten, zum Befragungszeitpunkt zwischen 43 und 59 Jahre alt waren und in den alten Bundesländern inkl. West-Berlins lebten. Unter diesem Personenkreis sollten schwerpunktmäßig die Eltern von den mit dem „großen“ Mikrozensus-Sample (s. o.) untersuchten Migrantenjugendlichen vertreten sein. Die Anteile der arbeitslosen und nicht erwerbstätigen Personen sind nicht direkt mit den Angaben zum ‚kleinen‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 7-6 zu vergleichen. Nicht nur sind die Eltern der dort untersuchten Migrantenjugendlichen etwas jünger als die hier berücksichtigten Erwachsenen beiderlei Geschlechts, in jener Tabelle beziehen sich die Angaben mehrheitlich (zu 84%) auf Väter. Frauen in ihren 40er- und 50er-Jahren sind jedoch häufiger als Männer nicht erwerbstätig. 1) bedarfsgewichtetes Haushaltsäquivalenzeinkommen; 2) die Verteilung nach Rechtsstatus und die in der untersten Zeile genannten ungewichteten Fallzahlen beziehen sich auf die Angaben zur Schulabschlüssen – dem Merkmal, bei dem am seltensten Angaben verweigert wurden; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); in der Zeile der Variablennamen: Signifikanzniveaus der Verteilungsunterschiede zwischen Aussiedler(inne)n und (Subgruppen der) als Ausländer(innen) Zugewanderten: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant.
(Fortsetzung Tab. IV-3) Aussiedler
Tab. IV-4: Schulbildung der Eltern, berufliche Stellung des Haushaltsvorstands und Haushaltseinkommen der Familien von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis 20-Jährigen) nach Herkunftsland
Höchster elterl. Schulabschluss *** max. HS-Äquivalent MR-Äquivalent Abi-Äquivalent Berufliche Stellung*** Selbständige Angestellte/Beamte Arbeiter(innen) Arbeitslose/NichtErwerbstätige HHEinkommen1 *** unterstes Quartil 2. Quartil 3. u. oberstes Quartil Gesamt N
ExUdSSR
Polen
Rumäk. A. nien in % (Spalten je Merkmal)
Gesamt
N
42,0 42,0 16,0
45,5 13,5 41,1
[39,2] [17,69] [43,3]
42,7 38,0 19,3
42,7 35,0 22,3
401 334 215
2,7 12,5 69,9
3,6 29,7 56,6
[9,3] [25,8] [50,5]
2,5 12,1 66,4
3,0 15,6 65,7
29 151 629
14,9
10,1
[14,4]
19,0
15,6
146
49,9 29,3 20,9 43,3 419
37,3 33,2 29,6 15,8 149
[23,5] [35,9] [40,6] 4,0 41
50,9 28,2 21,0 36,9 348
47,2 29,7 23,0 100 957
424 279 214 -
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚kleines‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveaus der Gruppenunterschiede: *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, n. s. = nicht signifikant. 1) bedarfsgewichtetes Haushaltsäquivalenzeinkommen
320
Tab. IV-5: Schulabschlüsse von minderjährig zugewanderten Aussiedler(inne)n (18- bis35-Jährigen) nach Herkunftsland ExUdSSR
Polen
Rumänien
k. A.
Gesamt
N
in % (Spalten) 2,1 30,9 28,6 38,3
1,7 35,9 35,4 27,0
2,2 36,7 33,18 27,92
77 1367 1206 1035
kein Abschluss HS MR Abi
2,9 41,5 32,4 23,2
1,6 29,3 30,9 38,3
Gesamt
19,9
8,5
2,5
21,0
100,0
-
N
1412
595
188
1490
-
3685
Quelle: Mikrozensus 2005 (FDZ); eigene Berechnung. Anmerkung: Zur Grundgesamtheit vgl. Definition ‚großes‘ Mikrozensus-Sample in Tab. 6-1; Prozentangaben gewichtet (Hochrechnungsfaktor); Signifikanzniveau der Gruppenunterschiede *** p < 0,001.
321
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