Annika Sehl Qualitätsmanagement im Videojournalismus
VS RESEARCH
Annika Sehl
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Annika Sehl Qualitätsmanagement im Videojournalismus
VS RESEARCH
Annika Sehl
Qualitätsmanagement im Videojournalismus Eine qualitative Studie der ARD-Anstalten
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Günther Rager
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Absolventenvereins des Instituts für Journalistik der Technischen Universität Dortmund.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-7030-1
Geleitwort
Die vorliegende Arbeit von Annika Sehl geht der Frage nach, wie sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement auswirkt. Dass dieses Thema auch in den öffentlich-rechtlichen Anstalten von großer Relevanz ist, muss nicht erst noch belegt werden. Der Kostendruck in der Fernsehproduktion führt zwangsläufig dazu, schon an der unmittelbaren Produktion für aktuelle Fernsehprogramme zu sparen. Dass auch mit kleineren Aufnahmeteams aktuelle Fernsehproduktionen erfolgreich gestaltet werden können, haben zahlreiche Sender im In- und Ausland bereits vorgemacht. Frau Sehl geht nun der Frage nach, wie die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in Deutschland Videojournalismus einführen. Sie gibt einen ersten Überblick, wie die ARD-Anstalten bei diesem, für sie sensiblen Thema vorgehen. In ihrem theoretischen Teil leitet Frau Sehl sehr sorgfältig die Qualitätsdimensionen her und erörtert die Maßnahmen, die für das redaktionelle Qualitätsmanagement ergriffen werden. In ihrem empirischen Teil hat die Autorin die VJBeauftragten der ARD-Anstalten befragt. Sie legt nun die Ergebnisse aus diesen Leitfadeninterviews und ihre Schlüsse aus teilnehmenden Beobachtungen in Redaktionen vor. Die Arbeit besticht durch ihre Sorgfalt und die Klarheit der Darstellung. Sie wurde mit dem Will-Schaber-Preis des Absolventenvereins des Instituts für Journalistik und dem Jahrgangsbestenpreis der Fakultät Kulturwissenschaften der Technischen Universität Dortmund ausgezeichnet. Prof. Dr. Günther Rager
Vorwort und Danksagung
Diese Arbeit „Qualitätsmanagement im Videojournalismus. Eine qualitative Studie der ARD-Anstalten“ soll eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf eine aktuelle Frage aus der journalistischen Praxis geben. Technisierung und Kostendruck haben längst auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dazu geführt, dass das Berufsbild Videojournalist auf dem Vormarsch ist. Ausgestattet mit kleiner DV-Kamera und Laptop, ist er Redakteur, Kameramann und Cutter in einer Person. Während die Befürworter im Videojournalismus die Arbeitsweise der Zukunft sehen, fürchten die Kritiker um die journalistische Qualität. Die vorliegende Arbeit verfolgt daher die Frage, durch welche qualitätssichernden Maßnahmen verhindert werden kann, dass die Kosten zulasten der Qualität reduziert werden. Die Untersuchung bietet einen ersten Überblick, wie die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) bei diesem Thema vorgeht. Das Buch ist meine Diplomarbeit, die ich im August 2006 am Institut für Journalistik der Universität Dortmund, seit 1. November 2007 Technischen Universität (TU) Dortmund, einreichte. Stand der Datenerhebung ist daher Oktober 2005 bis März 2006. Literatur wurde systematisch bis Juli 2006 berücksichtigt. Mein Dank gilt vor allem meinem Betreuer Prof. Dr. Günther Rager und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Lehrstuhls Journalistische Produktion und Journalismusforschung, die mir seit Beginn meines Studiums die Begeisterung für Themen der Journalistik und wissenschaftliches Arbeiten vermittelt haben. Für Kritik, Anregungen und Unterstützung während meines Diplomprojekts bedanke ich mich sehr, ebenso bei meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Roland Schröder. Das Kernstück der vorliegenden Arbeit bilden mündliche Leitfadeninterviews mit den Videojournalismus-Beauftragten, -Koordinatoren bzw. -Projektleitern der zehn ARD-Anstalten. Wenn sie mir nicht ihre kostbare Zeit geopfert und bereitwillig Auskunft zu allen Fragen gegeben hätten, wäre die Untersuchung nicht möglich gewesen. Bei ihnen allen bedanke ich mich herzlich. Dasselbe gilt für die Redaktionen hessen aktuell des Hessischen Rundfunks (hr) und Lokalzeit Düsseldorf des Westdeutschen Rundfunks (WDR), in denen ich teilnehmende Beobachtungen durchgeführt habe. Stefan Robiné von der Zentralen
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Vorwort und Danksagung
Fortbildung der Programm-Mitarbeiter ARD/ZDF (ZFP), seit 1. Januar 2007 ARD.ZDF medienakademie, hat dafür gesorgt, dass ich die entsprechenden Kontakte herstellen konnte. Danken möchte ich auch Daniel Riehling, der mich bei der grafischen Umsetzung unterstützt hat, und allen, die aufmerksam Korrektur gelesen haben. Dem Absolventenverein des Instituts für Journalistik und der Gesellschaft der Freunde der TU Dortmund danke ich für die Anerkennung, die sie der vorliegenden Arbeit haben zuteil werden lassen. Mein besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie, die mich auf meinem Weg stets bestärkt und unterstützt hat. Ich hoffe, dass dieser Text dazu einlädt, Chancen und Grenzen der videojournalistischen Produktionsweise zu diskutieren und dass er so selbst einen Beitrag zum Qualitätsmanagement im Videojournalismus leisten kann. Annika Sehl
Inhalt
1
Einleitung...................................................................................................... 15
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.5.1 1.5.2
Problemstellung............................................................................................. 15 Zielsetzung..................................................................................................... 16 Methodische Vorgehensweise ...................................................................... 17 Aufbau der Arbeit.......................................................................................... 18 Begriffsbestimmungen .................................................................................. 21 Redaktionelles Qualitätsmanagement .......................................................... 21 Videojournalismus ........................................................................................ 21
2
Redaktionelles Qualitätsmanagement...................................................... 25
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4
Journalistische Qualität................................................................................. 25 Zum Qualitätsbegriff..................................................................................... 26 Produktbezogene Qualitätsdimensionen...................................................... 30 Zusammenfassung und Ausblick auf die Empirie ...................................... 45 Total Quality Management (TQM) .............................................................. 48 Begriff des TQM ........................................................................................... 49 Aspekte des TQM.......................................................................................... 52 Theoretische Umsetzung des TQM-Modells in Redaktionen .................... 57 Zusammenfassung und Ausblick auf die Empirie ...................................... 71
3
Videojournalismus ...................................................................................... 73
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2
Diskussion...................................................................................................... 73 Stand der Forschung...................................................................................... 74 Darstellung in der Praktikerliteratur ............................................................ 91 Reaktion der Fach- und Medienpresse......................................................... 93 Zusammenfassung und Ausblick auf die Empirie ...................................... 97 Ist-Zustand in der ARD ................................................................................. 98
4
Hypothesen .................................................................................................119
10
Inhaltsverzeichnis
5
Methodische Umsetzung ..........................................................................129
5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4 5.5
Begründung des qualitativen Ansatzes ......................................................129 Teilstudie A .................................................................................................131 Kriterien der Befragtenauswahl..................................................................131 Erhebungsinstrument Leitfadeninterview..................................................133 Zur Situation der Datenerhebung ...............................................................134 Technische und methodische Aspekte der Datenauswertung ..................137 Teilstudie B..................................................................................................140 Kriterien und Prozess der Redaktionsauswahl ..........................................141 Erhebungsinstrument teilnehmende Beobachtung ....................................142 Zur Situation der Datenerhebung ...............................................................145 Technische und methodische Aspekte der Datenauswertung ..................148 Gütekriterien ................................................................................................148 Zusammenfassung.......................................................................................149
6
Ergebnisse...................................................................................................151
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
Journalistische Qualität...............................................................................151 Qualität als Leitmaxime der Redaktion .....................................................162 Publikumsorientierung ................................................................................166 Mitarbeiterorientierung ...............................................................................167 Prozessorientierung .....................................................................................172
7
Diskussion ...................................................................................................177
7.1 7.2 7.3
Zusammenfassung.......................................................................................177 Interpretation der Ergebnisse......................................................................182 Ausblick auf künftige Forschung ...............................................................183
Literatur................................................................................................................185 Anhang ..................................................................................................................197 Interviewleitfaden ..................................................................................................197 Beobachtungsbogen...............................................................................................202
Abbildungen und Tabellen
Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13:
Wegweiser durch die Arbeit ........................................................ 20 Fernsehjournalistische Produktionsweisen im Vergleich .......... 23 Einflussfaktoren bei der Bestimmung journalistischer Qualität 30 Wege der Operationalisierung von Qualität: normativer versus funktionaler Ansatz ....................................... 46 Die Normdefinition des TQM...................................................... 50 TQM-Modell................................................................................. 52 Plan-Do-Check-Act-Zyklus ......................................................... 55 Zusammenarbeit zwischen Chefredaktion und Geschäftsführung.......................................................................... 60 Überblick zum Ist-Zustand Videojournalismus in der ARD ...117 Theorien- und Hypothesenbildung ............................................120 Grundgerüst des Leitfadens........................................................134 Qualitative Auswertungssoftware MAXqda.............................139 Grundgerüst der Beobachtung ...................................................144
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4:
Erwartungen an VJ-Beiträge........................................................ 47 Überblick über die Leitfadeninterviews ....................................132 Überblick über die Beobachtungen beim hr .............................146 Überblick über die Beobachtungen beim WDR .......................147
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8:
Abkürzungen ARD BAF BBC BR CvD DGPuK DJV DV DVJS DW EB ems FAZ FR hr mdr NDR NiF ORB RB rbb SFB SR SWR SZ taz TQM VJ VR WDR ZDF ZFP
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland Bayerische Akademie für Fernsehen British Broadcasting Corporation Bayerischer Rundfunk Chef vom Dienst Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Deutscher Journalisten-Verband Digital Video Deutsche Videojournalistenschule Deutsche Welle Electronic Broadcasting Electronic Media School Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Rundschau Hessischer Rundfunk Mitteldeutscher Rundfunk Norddeutscher Rundfunk Nachricht im Film Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg, seit 1. Mai 2003 ist der rbb Nachfolger von ORB und SFB Radio Bremen Rundfunk Berlin-Brandenburg Sender Freies Berlin, seit 1. Mai 2003 ist der rbb Nachfolger von SFB und ORB Saarländischer Rundfunk Südwestrundfunk Süddeutsche Zeitung die tageszeitung Total Quality Management Videojournalist Videoreporter Westdeutscher Rundfunk Zweites Deutsches Fernsehen Zentrale Fortbildung der Programm-Mitarbeiter ARD/ZDF, seit 1. Januar 2007 ARD.ZDF medienakademie
1 Einleitung
1.1 Problemstellung „Hallo, Ihr [sic!] Dinos! Wollt Ihr untergehen oder die neue Welt mitgestalten?“ (Rosenblum in Foraci 2004, S. 16). So begrüßt der New Yorker Michael Rosenblum seine Kursteilnehmer1 am ersten Tag. In seinem Training für Videojournalisten (VJs) sitzen nicht nur Fernsehjournalisten, sondern oft auch Kameraleute und Cutter. Letzteren verkündet er: „Euren Beruf wird es bald nicht mehr geben. Sputet Euch!“ (Rosenblum in Foraci 2004, S. 18). Ob in den nächsten Jahren tatsächlich bestimmte Berufsbilder der TVBranche aussterben, sei dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass ein neues Berufsbild auf dem Vormarsch ist: der Videojournalist. Ausgestattet mit einer kleinen DVKamera und Laptop, ist er Redakteur, Kameramann und Cutter in einer Person. Die Anfänge des Videojournalismus reichen zurück in die 60er Jahre der US-Fernsehberichterstattung (vgl. Packer 1998, S. 39 zit. nach Mischel 2004, S. 14). Aber erst 20 Jahre später schaffte es Videojournalismus auf die Agenda deutschsprachiger Fernsehmacher – zunächst bei privaten Ballungsraumsendern (vgl. Lorenzkowski 1995). Spät erreichte das Phänomen dann auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Im September 2003 startete der Hessische Rundfunk (hr) einen knapp einjährigen Pilotversuch mit 30 Videojournalisten, die für die aktuelle Berichterstattung, z. B. in hessen aktuell, aber auch für Magazinbeiträge in Sendungen wie Service: Reisen eingesetzt wurden (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 6 f.). Inzwischen sind Videojournalisten beim hr fester Bestandteil verschiedener Redaktionen. Auch andere ARD-Anstalten stehen dem Videojournalismus offen gegenüber. Alle – mit der Ausnahme des Westdeutschen Rundfunks (WDR) –
1
In dieser Arbeit wird für die handelnden Personen aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Textes in der Regel die männliche Form verwendet. Das bedeutet natürlich nicht, dass bei Fernsehsendern nur männliche Personen arbeiten. Im Journalismus ist der Anteil an Frauen in den vergangenen Jahren ständig gestiegen – auch sie sind im Folgenden immer gemeint.
16
Einleitung
haben kürzlich Pilotprojekte durchgeführt oder Videojournalismus bereits in den Regelbetrieb integriert. Obwohl die Anzahl der Videojournalisten in den ARD-Anstalten wächst, besteht diesbezüglich ein Desiderat der Forschung. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es sich um ein sehr junges Wissenschaftsgebiet handelt. Erste Diplomarbeiten beschäftigen sich überwiegend mit dem Berufsbild des Videojournalisten. Wenige untersuchen die Qualität videojournalistisch produzierter Beiträge. Denn der Einsatz von Videojournalisten – gerade im öffentlichrechtlichen Fernsehen – hat die Debatte um Rationalisierung und Qualität neu entfacht. Dagegen ist noch nahezu unerforscht, wie Rundfunkanstalten und Redaktionen der neuen Produktionsweise mit Strategien des redaktionellen Qualitätsmanagements begegnen. Ausgangspunkt ist dabei die nahe liegende These, dass sich mit dem Videojournalismus ökonomische, technologische und organisatorische Rahmenbedingungen verändern und damit automatisch auch qualitätssichernde Prozesse reformiert werden. Diese Forschungslücke soll mit der vorliegenden Arbeit über das redaktionelle Qualitätsmanagement der ARD-Anstalten ein Stück weit geschlossen werden. Daneben kommt die Studie auch einem praktischen Bedarf nach. Denn einer ihrer wesentlichen Bestandteile ist eine komparative Analyse, in der idealtypische Sicherungsmaßnahmen der ARD-Anstalten aufgezeigt werden.
1.2 Zielsetzung Hauptziel der Arbeit ist es herauszuarbeiten, inwiefern sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement der ARD-Anstalten auswirkt. Als theoretischer Bezugsrahmen dient das Konzept des Total Quality Managements (TQM), das nach Wyss (2002) auf Redaktionen übertragen wird. Die Arbeit verfolgt nicht das Ziel, einen direkten Zusammenhang zwischen der Praxis des redaktionellen Qualitätsmanagements und journalistischer Qualität aufzuzeigen. Zwar ist es plausibel, dass ein solcher Zusammenhang besteht. Er ist jedoch empirisch nicht nachweisbar, da kausale Schlüsse vom redaktionellen Qualitätsmanagement auf die journalistische Qualität – wie auch umgekehrt – nur äußerst eingeschränkt möglich sind (vgl. Wyss 2002, S. 32 f.). Analysiert werden auch nur innerredaktionelle Sicherungsbemühungen (z. B. Redaktionsstatute oder Sendekritiken). Die Arbeit geht nicht auf das Netzwerk von Institutionen und Initiativen ein, die den Journalismus präventiv (z. B. senderexterne Aus- und Weiterbildung, Berufsverbände) oder korrektiv/ex post (z. B. Journalistenpreise) begleiten. Diese Effekte können von den Befrag-
Einleitung
17
ten dieser Studie, allesamt Akteure der ARD, kaum adäquat beantwortet werden. Zudem wird davon ausgegangen, dass außerredaktionelle Infrastrukturen des Qualitätsmanagements zwar wichtig sind, aber ins Leere laufen, wenn die Rundfunkanstalten und Redaktionen nicht über ein System der innerredaktionellen Qualitätssicherung verfügen, an das sich das außerredaktionelle Qualitätsmanagement nahtlos anschließen kann. So trägt beispielsweise die senderexterne Ausund Weiterbildung wenig zum Qualitätsmanagement bei, wenn die Sender aus Kostengründen Videojournalisten ohne eine entsprechende Ausbildung einstellen (vgl. Wyss 2002, S. 23). Die Studie bezieht sich nur auf die ARD und klammert das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) aus, weil das ZDF die Zustimmung zu einer empirischen Erhebung verweigert hat. Die Verantwortlichen begründeten dies damit, dass das ZDF zum Erhebungszeitpunkt im Frühjahr 2006 noch ganz am Beginn der Planung seines Pilotprojekts stand. Strategien, Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt sollten erst hausintern evaluiert werden, bevor Informationen nach außen gehen.2 Damit sind mit dieser Arbeit nur Aussagen über die ARD möglich und nicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland insgesamt.
1.3 Methodische Vorgehensweise Das qualitative Untersuchungsdesign umfasst zwei Teilstudien. In Teilstudie A wurde jeweils der VJ-Beauftragte, -Koordinator bzw. -Projektleiter der zehn ARD-Anstalten in einem mündlichen Leitfadengespräch befragt. Die Grundlage der Teilstudie B bilden jeweils fünftägige teilstrukturierte Beobachtungen in der Redaktion hessen aktuell des hr und der Redaktion Lokalzeit Düsseldorf des WDR. Die Befunde der Leitfadeninterviews bilden bei der Auswertung die Ausgangsbasis, die Ergebnisse aus den Beobachtungen dienen der Vertiefung und externen Validierung der Daten. Mit den Erhebungen wird nicht nur ein exploratives, hypothesengenerierendes bzw. -präzisierendes Interesse verfolgt, sondern auch ein hypothesenüberprüfendes. Die Daten wurden zwischen Oktober 2005 und März 2006 erhoben, so dass die Ergebnisse diesen Stand widerspiegeln. 2
Das ZDF hat inzwischen 31 Mitarbeiter aus Chefredaktion, Programmdirektion und Produktionsdirektion in einem 24-tägigen Grundtraining im Mai und Juni 2007 zu Videojournalisten ausgebildet (vgl. Ordolff 2007).
18
Einleitung
1.4 Aufbau der Arbeit Das nachfolgende Kapitel stellt zunächst die theoretische Grundlage der Arbeit vor und referiert den Forschungsstand. Die Gliederung gestaltet sich dabei symmetrisch. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem redaktionellen Qualitätsmanagement, Kapitel 3 mit dem Videojournalismus. Beide Blöcke werden in Kapitel 4 bei der Hypothesenformulierung zusammengeführt. Bevor Maßnahmen und Instrumente des redaktionellen Qualitätsmanagements benannt werden können, ist in Kapitel 2 zu klären, worin die zu sichernde journalistische Qualität überhaupt besteht. Daher wird zunächst dargelegt, inwiefern der journalistische Qualitätsbegriff definierbar und operationalisierbar ist. Es wird insbesondere auf die produktbezogenen Qualitätskriterien Aktualität, Relevanz, Objektivität und Vermittlung eingegangen. Anschließend werden die zentralen Organisationsprinzipien des TQM ausgeführt. Die TQM-Prinzipien der Ganzheitlichkeit, Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- und Gesellschaftsorientierung werden beschrieben, bevor die theoretische Umsetzung des TQM-Modells auf das redaktionelle Qualitätsmanagement erfolgt. Kapitel 3 gibt zunächst einen Überblick über das Thema Videojournalismus. Da bisher nur wenige wissenschaftliche Publikationen vorliegen, wird zudem die Praktikerliteratur dargestellt und auf die Diskussion in der Medien- und Fachpresse eingegangen. Dabei sollen die Chancen und Grenzen des Videojournalismus herausgearbeitet werden, um erste Kriterien für die Anlage der empirischen Untersuchung zu gewinnen. Anschließend wird auf den Ist-Zustand des Videojournalismus in den zehn ARD-Anstalten eingegangen, um so zu ermitteln, in welchem Umfang Videojournalisten eingesetzt werden. Auf der Basis von Kapitel 2 und Kapitel 3 werden in Kapitel 4 Ex-anteHypothesen gebildet, die die anschließende empirische Untersuchung strukturieren. In Kapitel 5 erfolgt die methodische Umsetzung der Untersuchung. Nach der Begründung des qualitativen Ansatzes werden Anlage, Durchführung und Auswertung der Teilstudien A und B detailliert beschrieben. Schließlich werden die Gütekriterien des Forschungsprozesses diskutiert. Die Präsentation der empirischen Befunde erfolgt in Kapitel 6 entlang der TQM-Prinzipien Qualitäts-, Publikums-, Mitarbeiter- und Prozessorientierung. Anhand der Aussagen der befragten VJ-Beauftragten, -Koordinatoren bzw. -Projektleiter wird demonstriert, wie sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement der ARD-Anstalten auswirkt. Die Hypothesen aus Kapitel 4 werden dabei überprüft und präzisiert sowie neue generiert.
Einleitung
19
Im Kapitel 7 werden die empirischen Befunde zusammengefasst und interpretiert. Postulate für künftige Forschung schließen die Arbeit ab. Abbildung 1 verdeutlicht den Aufbau der Arbeit grafisch und soll als Wegweiser dienen:
20
Abbildung 1:
Einleitung
Wegweiser durch die Arbeit, Quelle: eigene Darstellung
Einleitung
21
1.5 Begriffsbestimmungen Im Folgenden werden die grundlegenden Begriffe „redaktionelles Qualitätsmanagement“ und „Videojournalismus“ kurz skizziert.
1.5.1 Redaktionelles Qualitätsmanagement Unter redaktionellem Qualitätsmanagement wird die innerredaktionelle Qualitätsarbeit verstanden, wie sie die Redaktionsleitung in Zusammenarbeit mit der Redaktion betreiben sollte. Abzugrenzen ist das redaktionelle Qualitätsmanagement von der Qualitätssicherung, die auch außerredaktionelle Initiativen einbezieht, insbesondere die Infrastruktur des Journalismus (vgl. Ruß-Mohl 2005, S. 374 f.). Sprachlich suggeriert Qualitätssicherung außerdem, dass der Status quo gehalten werden soll. Tatsächlich geht es – zumindest im Sinne dieser Arbeit – aber darum, die Qualität ständig zu kontrollieren und zu verbessern (vgl. Ruß-Mohl 2005, S. 375). Diese inhaltlich-sprachliche Abgrenzung redaktionellen Qualitätsmanagements soll an dieser Stelle ausreichen. Das konkrete Konzept des Qualitätsmanagements, das dieser Arbeit zugrunde liegt, wird mit dem TQM-Modell in Abschnitt 2.2 vorgestellt.
1.5.2 Videojournalismus Was ist eigentlich ein Videojournalist? Ein „TV-Triathlet“ (Angeli 2003, S. 82) – so lautet die Kurzbeschreibung. Per Definition recherchiert, konzipiert und schreibt ein Videojournalist seine Fernsehbeiträge nicht nur selbst, er übernimmt auch die Aufgaben von Kameramann und Cutter (vgl. Gilgen 2003, S. 31; Belz/Haller/Sellheim 1999, S. 93). Die herkömmliche Arbeitsteilung zwischen Fernsehjournalist, EB-Team und Cutter fällt weg (vgl. Gehring/Holzmann 2004, S. 2 f.). Ziel des Videojournalisten ist es also, autark sendefertige Beiträge zu erstellen. Der Videojournalist Dushan Wegner drückt es so aus: „Du hast alle Freiheit. Du trägst alle Verantwortung. […] Du kannst dich nie auf andere herausreden. Es ist dein Film“ (Wegner 2004, S. 12).
22
Einleitung
In der Regel verwendet ein Videojournalist eine leichte, kleine Mini-DVoder DVCAM-Kamera3. Geschnitten wird zumeist am Notebook oder PC mit Schnittprogrammen wie z. B. AVID Xpress, Fast Purple oder Final Cut Pro (vgl. Ordolff 2005, S. 327). Die Möglichkeiten und die technische Qualität der Geräte haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert (vgl. Gehring/Holzmann 2004, S. 3). Sie sind mittlerweile auch so benutzerfreundlich, dass Videojournalisten sie mit geringem Ausbildungsaufwand einsetzen können (vgl. Ordolff 2005, S. 327; Gehring/Holzmann 2004, S. 3; Wegner 2004, S. 1; Angeli 2003, S. 82). Abzugrenzen ist der Videojournalist vom Videoreporter (VR)4. Der Videoreporter recherchiert und dreht ebenfalls selbst. Im Gegensatz zum Videojournalisten liefert er das gedrehte Rohmaterial für kurze Nachrichtenfilme, sogenannte NiFs, anschließend jedoch an die Redaktion. Dort wird es nachbearbeitet (vgl. Bermüller 2005, S. 82; Hessel 2005, S. 52; Gehring/Holzmann 2004, S. 3). In Abbildung 2 sind die unterschiedlichen Produktionsweisen der klassischen EB-Team-Produktion, des Videojournalisten und des Videoreporters im Vergleich dargestellt.
3
4
Eine genaue Beschreibung der Geräte findet sich in Bayerischer Rundfunk (Hrsg.) (62000), S. 88 f. Diese Unterscheidung ist besonders wichtig, weil manche Rundfunkanstalten die Begriffe synonym verwenden oder ausschließlich den Begriff Videoreporter gebrauchen, damit aber nach der hier verwendeten Definition Videojournalisten meinen.
23
Einleitung
Abbildung 2:
Fernsehjournalistische Produktionsweisen im Vergleich, Quelle: erstellt in Anlehnung an Gehring/Holzmann 2004, S. 2
2 Redaktionelles Qualitätsmanagement
In den nächsten Kapiteln werden die theoretischen Grundlagen für die anschließende empirische Untersuchung gelegt. Dieses Kapitel behandelt das redaktionelle Qualitätsmanagement, Kapitel 3 den Videojournalismus. Die anschließende Hypothesenbildung (Kapitel 4) führt beide Teile zusammen und leitet zur empirischen Untersuchung über. Bevor Maßnahmen und Instrumente des redaktionellen Qualitätsmanagements benannt werden können, ist zu klären, worin die zu sichernde Qualität überhaupt besteht. Im folgenden Abschnitt wird daher ein Qualitätsbegriff für diese Arbeit entwickelt (Abschnitt 2.1). Erst danach werden zentrale Prinzipien des TQM vorgestellt und auf den redaktionellen Alltag übertragen (Abschnitt 2.2).
2.1 Journalistische Qualität Zunächst wird diskutiert, inwiefern der journalistische Qualitätsbegriff definierbar ist (Abschnitt 2.1.1). Anschließend werden zentrale Dimensionen der journalistischen Qualität vorgestellt (vgl. Abschnitt 2.1.2). Dabei wird versucht, die oft recht allgemein gehaltenen Soll-Vorstellungen normativer Qualitätskonzepte zu präzisieren und der Messung zugänglich zu machen. Denn Operationalisierbarkeit journalistischer Qualitätsziele ist die Voraussetzung, um das TQM-Modell anzuwenden (vgl. Abschnitt 2.2). Ein Anspruch auf Vollständigkeit der Qualitätskonzepte und -kriterien besteht nicht. Gleichwohl liefert die Darstellung hinreichende Anhaltspunkte, um daraus ein Konzept für die empirische Untersuchung abzuleiten. Darauf wird in der Zusammenfassung und im Ausblick auf die Empirie eingegangen (vgl. Abschnitt 2.1.4).
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Redaktionelles Qualitätsmanagement
2.1.1 Zum Qualitätsbegriff In den frühen 1990er Jahren ist journalistische Qualität zum „In-Thema“ (Rager 1994a, S. 189) in der wissenschaftlichen und medienpolitischen Debatte geworden. Auslösend wirkten vor allem die zunehmende Kommerzialisierung der Medien, die durch die Einführung des privaten Rundfunks Vorschub erhalten hatte, sowie einzelne journalistische Fehlleistungen wie beispielsweise beim Gladbecker Geiseldrama (vgl. Fabris 2000, S. 364). Parallel dazu setzten sich Kommunikations- und vor allem Journalistikwissenschaftler mit dem Thema auseinander und versuchten sich an einer Definition journalistischer Qualität. Trotzdem muss heute – mehr als zehn Jahre nach der Publikationsflut zu diesem Thema5 – festgestellt werden: Einen in der Praxis wie in der Wissenschaft konsensfähigen Begriff journalistischer Qualität gibt es nicht – und wird es vermutlich auch so bald nicht geben (vgl. Hassemer/Rager 2006, S. 19). Rau stellte dazu jüngst fest: „Sich mit Qualität im Journalismus zu beschäftigen, erinnert nach wie vor an Don Quijotes Kampf mit den Windmühlen“ (Rau 2005, S. 65). Ähnlich plakativ hatte Ruß-Mohl die Problematik Jahre zuvor auf den Punkt gebracht: „Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln“ (Ruß-Mohl 1992, S. 85). Obwohl das Zitat immer noch zirkuliert, hat sich der Autor mittlerweile davon distanziert. Er vertritt nun die Auffassung, „dass sich journalistische Qualitätskriterien im Gegensatz zu Wackelpeter eben doch ‚festspinnen‘ und damit überprüfen lassen. Man braucht dazu allerdings eine Menge Hirnschmalz als ‚Klebstoff‘“ (Ruß-Mohl 2005, S. 56). Mangelt es also bloß an Hirnschmalz, dass journalistische Qualität immer noch nicht konsensfähig bestimmt ist? Wohl kaum. Vielmehr ist die wissenschaftliche Ausgangslage uneinheitlich. Bucher (2003) macht dafür fünf Faktoren verantwortlich: 1.
Qualitäten sind keine Eigenschaften, sondern Beobachterkonstrukte. Jede Definition erfolgt daher aus einer subjektiven Sichtweise. Ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Beobachterperspektiven ist nur durch Kommunikation möglich – was letztendlich auch der Sinn von Qualitätsdebatten
5
Zum Beispiel: Fahr (2001), Pöttker (2000), Breunig (1999), Haas/Lojka (1998), Karmasin (1996), Neuberger (1996), Hagen (1995a), Schröter (1995), Wallisch (1995), Schenk/Gralla (1993), Meier/Bonfadelli (1994), Rager (1994a), Bammé et al. (1993), Göpfert (1993), McQuail (1992), Ruß-Mohl (1992), Schatz/Schulz (1992) oder Rosengren/Carlsson/Tagerud (1991).
Redaktionelles Qualitätsmanagement
2.
27
ist (vgl. Bucher 2003, S. 12). Saxer hat die unterschiedlichen Beobachterpositionen typologisiert und folgende fünf „Argumentationspositionen“ (Saxer 2000, S. 189) herausgearbeitet: die Diskurse der Repräsentanten des Rechtssystems, der Medienpraktiker, der medienexternen Repräsentanten (z. B. Kirchen), der medienexternen Experten (z. B. Wissenschaft) und des Medienpublikums (vgl. Saxer 2000, S. 189 f.). Nicht nur die subjektive Wahrnehmung, auch die Vielfalt der möglichen Bezugspunkte erschwert es, einheitliche Qualitätsmaßstäbe anzulegen. So kann der Maßstab beispielsweise das Produkt, die genrespezifische Umsetzung, die Folgen der Berichterstattung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen oder die Recherche sein (vgl. Bucher 2003, S. 13). Auch RußMohl stellt fest: „Einen Qualitätsmaßstab gibt es nicht. Qualität ist unter anderem abhängig vom Medium, der Zielgruppe, dem Genre und auch der Quellenlage. Sie ist aber auch abhängig, von der Funktion, die Journalismus erfüllen soll. [...] Wer konkret werden will, darf dabei nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“ (Ruß-Mohl 1992, S. 85; Hervorhebung im Original).
3.
Zudem erschwert die Existenz konfligierender Prinzipien, Maßstäbe, Normen und Regelungen die Formulierung eines konsensfähigen Qualitätsbegriffs. So kann beispielsweise die Publikation einer Information handwerklich gefordert sein, jedoch den Persönlichkeitsschutz tangieren. Besonders deutlich wird der Konflikt am Doppelcharakter der Medien: Einerseits verfolgen sie ökonomische Ziele, andererseits erfüllen sie einen öffentlichen Auftrag.6 Das führt zu der Frage, nach welchen Prinzipien Journalismus beurteilt werden soll (vgl. Bucher 2003, S. 13).7
6
Eine Abhandlung dieses Doppelcharakters der Medien findet sich u.a. bei Beyer/Carl 2004, S. 87 f. An dieser Stelle sei allerdings noch darauf hingewiesen, dass dieser Doppelcharakter vor allem auf die privatwirtschaftlich organisierte Presse und den privaten Rundfunk zutrifft. Im Gegensatz dazu verfolgt der öffentlich-rechtliche Rundfunk kein Formal-, sondern ein Sachziel. Er ist verpflichtet, ein umfassendes Programm im Rahmen des Programmauftrags zu erbringen (vgl. Heinrich 1999, S. 88 f.). Dafür erhält er Rundfunkgebühren und finanziert sich nur zu einem kleineren Teil aus Werbeeinnahmen (vgl. Mast 102004, S. 184). Dabei gilt das Gebot der wirtschaftlichen Haushaltsführung (vgl. Beyer/Carl 2004, S. 47). Insofern kann sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem Trend zur Ökonomisierung nicht ganz entziehen (vgl. Trappel 52004, S. 446) Ausführliche Diskussionen dazu finden sich unter anderem bei Altmeppen (2003) und Karmasin (1996, 1998). Altmeppen geht davon aus, dass das Dilemma journalistischer Qualität in den Zielkonflikten zwischen Journalismus und Kommerzialisierung des Mediensystems liegt. Er fordert deshalb in der Qualitätsdebatte eine Entkopplung beider Bereiche (vgl. Altmeppen 2003). Karmasin (1996) zeichnet ebenfalls ein markt- und ein moralgesteuertes Modell des
7
28 4.
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Eine weitere Schwierigkeit in der Definitionsfrage besteht darin, Qualitätsstandards auf die Medienkommunikation anzuwenden. Selbst wenn die Qualitätsstandards übereinstimmen, müssen Bewertungen nicht gleich ausfallen. Denn sie beruhen auf bestimmten Deutungen und Interpretationen, die sich unterscheiden können. So wird beispielsweise bei Inhaltsanalysen die Angemessenheit der Erfassung des Untersuchungsgegenstandes angezweifelt (vgl. Bucher 2003, S. 14). Auch ist Qualität kein „statistischer Selbstwert“ (Meckel 1999, S. 31), sondern hat einen dynamischen Charakter. Rager zieht daraus den Schuss: „Schon deshalb wird Qualität ganz sicher nie mit einmal festgelegten DINNormen abprüfbar sein“ (Rager 1994a, S. 206). Es reicht also nicht aus, Qualität einmalig zu bestimmen oder nachzuweisen. Sie muss auch gesichert8 werden (vgl. Bucher 2003, S. 14). Die Ausdifferenzierung von Infrastrukturfaktoren (vgl. Ruß-Mohl 1994) und die Ansätze des TQM (vgl. Wyss 2002) werden in Abschnitt 2.2 eingeführt.
Neben diesen fünf von Bucher genannten Problematiken, Qualität konsensfähig zu definieren, werden von verschiedenen Wissenschaftlern drei weitere Ursachen ausgemacht: Immer wieder wird eine theoretische Fundierung der Qualitätsdebatte gefordert (vgl. Bucher 2003, S. 15; Pöttker 2000, S. 376). Doch diese gestaltet sich schwierig, da sich Qualitätskonzepte oft schon hinsichtlich des Verständnisses 9 von Journalismus unterscheiden (vgl. Fabris 2000, S. 373). Selbst wenn man sich auf einige Qualitätsdimensionen einigen kann, ist ihre Gewichtung bislang ungeklärt. Es stellt sich die Frage, ab wann von Qualität die Rede sein kann. Darf beispielsweise von Qualität gesprochen werden, wenn ein Fernsehbericht gut getextet, aber schlecht recherchiert ist? Rager stellt in den
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Journalismus (vgl. Karmasin 1996). Im Gegensatz zu Altmeppen vertritt er (1998) jedoch den Standpunkt, dass ein qualitativ hochwertiges publizistisches Produkt auch auf dem Markt erfolgreich sein kann. Diese Auffassung begründet er mit seinem Stakeholder-Modell. Demnach soll die Interaktion des Medienunternehmens mit der Umwelt zu einem transparenten Ausgleich der konfligierenden Ziele führen (vgl. Karmasin 1998). Der Begriff Qualitätssicherung ist dabei missverständlich, denn er hebt den Status quo hervor. Daher wird auch häufig der Begriff Qualitätskultur verwendet (vgl. Ruß-Mohl 2005, S. 375). Bucher unternimmt den Versuch, aus dem akteurs-, rollen- und systemorientierten Theorieansatz das jeweilige Qualitätsverständnis zu entwickeln, und kritisiert, dass in akteurszentrierten Theorien die strukturelle Qualitätssicherung ausgeblendet wird. Eine systemtheoretische Betrachtungsweise dagegen werfe die Frage auf, wie sich Normen und Werte begründen lassen, ohne dabei in eine deontologische Position umzuschlagen (vgl. Bucher 2003, S. 18 f.).
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Raum, ob „man überhaupt je soweit kommen [wird], etwas wie eine Skalierung für die Qualität der Dimensionen entwickeln zu können“ (Rager 1994a, S. 205). Einen ersten Näherungsversuch dazu unternahmen Rager und seine Mitarbeiter dennoch. In einer schriftlichen Befragung erhoben sie von rund 100 leitenden Redakteuren deutscher Tageszeitungen, welche Qualitätskriterien ihnen hinsichtlich ihrer Zeitung besonders wichtig sind und auf welche sie weniger Wert legen (vgl. Weber/Rager 1994, S. 1 ff.).10 Ruß-Mohl entwickelte ein „magisches Vieleck“ der Qualitätssicherung (Ruß-Mohl 1993, S. 190).11 In diesem Modell lassen sich nicht alle Qualitätsziele gleichzeitig erreichen. So kann beispielsweise mehr Verständlichkeit die Exaktheit der Darstellung gefährden. Daher müssen die Qualitätsziele im konkreten Fall überprüft, gegebenenfalls erweitert und gewichtet werden (vgl. Ruß-Mohl 1993, S. 189 ff.). Während sich Debatten zwischen Wissenschaftlern und Praktikern meist auf die Frage beziehen, ob es der Wissenschaft gelingt, die Medienkommunikation angemessen zu erfassen (vgl. Bucher 2003, S. 14; vgl. Punkt vier in diesem Abschnitt), sind einheitliche Qualitätsmaßstäbe auch unter Praktikern nicht gegeben. Vielmehr herrscht in der Praxis ein Pluralismus an tolerierten Standards und Normen (vgl. Saxer 1997, S. 48). Diese beruhen meist auf impliziten Theorien, die jedoch nur innerhalb der Redaktionen diskutiert werden (vgl. Buß 2003, S. 271). Sie stimmen nur zum Teil mit den Qualitätsmodellen der Wissenschaft überein (vgl. Fabris 2000, S. 372). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Versuche, journalistische Qualität zu bestimmen, immer die Perspektive der verschiedenen Anspruchsträger und den Bezugsaspekt deutlich machen müssen. Außerdem werden Qualitätskriterien immer aus bestimmten Normen, Prinzipien, Maßstäben oder Regelungen abgeleitet, die es zu benennen gilt. Darüber hinaus kann Qualität kein statischer Begriff sein. Abbildung 3 fasst die Einflussfaktoren auf die Bestimmung journalistischer Qualität zusammen:
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Die Ergebnisse basieren folglich auf Praktikeransichten. Ob es möglich ist, daraus eine Skalierung von Qualitätsdimensionen, die ja normative Urteile über journalistische Leistungen sein sollen, zu bilden, ist fraglich. Soweit gehen die Autoren allerdings auch nicht. Dazu vgl. auch Pöttker 2000, S. 376. Ruß-Mohl hat das Modell analog zu ähnlichen Modellen in der Wirtschaftspolitik aufgestellt. Auch dort werden damit Zielkonflikte beschrieben.
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Abbildung 3:
Einflussfaktoren bei der Bestimmung journalistischer Qualität, Quelle: erstellt in Anlehnung an Wyss 2002, S. 98
Für diese Arbeit bedeutet das, dass sich an dieser Stelle noch kein verbindlicher Qualitätsbegriff quasi „am grünen Tisch entwerfen“ (Sattelmair 2003, S. 9) lässt. Stattdessen muss der Untersuchungsgegenstand mit seinen Eigenschaften berücksichtigt und geprüft werden, ob er die Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen erfüllt. Diese Implikationen werden in Abschnitt 2.1.4 erarbeitet.
2.1.2 Produktbezogene Qualitätsdimensionen In diesem Abschnitt soll auf einige zentrale, vornehmlich produktbezogene Qualitätsdimensionen näher eingegangen werden. Die Darstellung der Qualitätsdimensionen Aktualität, Relevanz, Objektivität und Vermittlung12 soll verdeutlichen, dass produktbezogene Qualitätsziele operationalisierbar und damit im Sinne des TQM-Ansatzes messbar sind. Dies ist nötig, denn Verbesserungen können nur gelingen, wenn regelmäßige Kontrollen stattfinden und Fehler als solche erkannt werden (vgl. Wyss 2002, S. 94). Die Dimensionen beinhalten 12
Die Systematisierung nach diesen vier Dimensionen ähnelt der Ragers (1994a). Er nennt Aktualität, Relevanz, Richtigkeit und Vermittlung als Qualitätsdimensionen für die Zeitung. Sie entsprechen zudem in etwa dem, was Schatz und Schulz (1992) und später Fahr (2001) als Kriterien journalistischer Professionalität im Fernsehen anführen.
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wiederum eine Reihe von Unterkriterien. Dabei ist es eher eine pragmatische Frage, ob man Kategorien wie Unabhängigkeit (vgl. Pöttker 2000, S. 385 f.) oder Ethik (vgl. Rager 2000) innerhalb dieser vier Dimensionen oder als separate Dimensionen behandelt (vgl. Hassemer/Rager 2006, S. 20). Weil die Liste der Qualitätsdimensionen begrenzt zu sein scheint (vgl. Weber/Rager 1993, S. 14) und es keine Rolle spielt, ob einzelne Indikatoren als eigene Dimension oder Unterkategorie untersucht werden, spricht an dieser Stelle vieles für eine übersichtliche Vorgehensweise (vgl. Hassemer/Rager 2006, S. 20). Die Reihenfolge der Erläuterung richtet sich danach, an welcher Stelle im journalistischen Produktionsprozess sie eine Rolle spielen. Über ihre Gewichtung ist damit nichts gesagt, denn eine solche ist nach dem derzeitigen Forschungsstand nicht umzusetzen (vgl. Abschnitt 2.1.1). Auch sind die verschiedenen Dimensionen und Unterkategorien nicht immer trennscharf, sondern es kommt zu Überschneidungen. Aktualität Aktualität ist für Rager „die zentrale Dimension journalistischen Handelns überhaupt“ (Rager 1994a, S. 196). Sie unterscheidet Journalismus von anderen gesellschaftlichen Subsystemen wie etwa der Wissenschaft oder der Politik. Denn auch diese Teilsysteme stellen Themen für die öffentliche Kommunikation bereit – jedoch weniger ausgeprägt nach dem Kriterium der Aktualität (vgl. Rager 1994a, S. 196). Zeitlich lässt sich die Dimension der Aktualität daran messen, wie schnell ein Medium auf ein Thema oder Ereignis reagiert (vgl. Rager 1994a, S. 197). Hagen spricht in diesem Zusammenhang von einem „Ereignis-Lag“ (Hagen 1995a, S. 129), also der Zeitspanne vom Ereignis bis zur ersten Berichterstattung. Diese Auffassung bezieht sich auf die Tagesaktualität. Sie erschöpft die Dimension jedoch nicht. Sie vernachlässigt, was Rager als „latent[e] Aktualität“ (Rager 1994a, S. 197) und Pöttker als „Hintergrund- oder latente Aktualität“ (Pöttker 2000, S. 386) bezeichnen. Das heißt, wie gut es gelingt, den Gegenwartsbezug eines Themas plausibel zu machen. Als Beispiel nennt Rager soziale Probleme, die eine Gesellschaft zwar durchgängig beschäftigen, für die aber erst durch die Berichterstattung neue Aktualität geschaffen wird (vgl. Rager 1994a, S. 197). Pöttker fügt als weiteres Beispiel die Beschäftigung mit der Vergangenheit an. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, vermag er jedoch zu erklären: „Die spezifische Qualität des Geschichtsjournalismus gegenüber der wissenschaftlichen Fachhistorie liegt
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darin, dass Gegenwartsbezüge des Vergangenen plausibel hergestellt werden“ (Pöttker 2000, S. 386). Auch Merten differenziert zwischen Tagesaktualität und latenter Aktualität, verwendet jedoch andere Begrifflichkeiten. Für ihn ist Aktualität „sowohl an den Informationswert eines Ereignisses (Neuigkeit; Überraschung; Unerhörtheit) als auch an die Relevanz des Ereignisses für den Rezipienten gebunden. [...] Nur das, was informativ und relevant ist, kann Aktualität gewinnen, kann Aufmerksamkeit erzeugen. [...]. Aktualität [...] ist sowohl bezüglich der Informationskomponente als auch der Relevanzkomponente eine relationale Größe, also eine Beziehung zwischen Ereignis und Subjekt, die mit Aufmerksamkeit gleichgesetzt wird“ (Merten 1973, S. 219).
Informationswert und Relevanz eines Ereignisses sind somit Mertens zentrale Definitionsbegriffe. Aktualität wird zu einer Funktion der Relevanz. Neuberger knüpft an diese Überlegungen an und legt fest, dass publizistische Aussagen dann aktuell sind, wenn sie „für den Rezipienten (weitgehend) einheitlich (soziale Dimension) und gegenwärtig (zeitliche Dimension) relevant sind, weil an ihnen ein Interesse besteht, da von ihnen ein Nutzen erwartet wird, und weil sie noch nicht (oder nicht mehr) als Wissen präsent sind, also vermittelt werden müssen (Neuigkeit)“ (Neuberger 1996, S. 348).
Neuberger richtet seine Begriffsbestimmung also stärker an den Rezipienten aus. Demnach ist nicht ein aktuelles Ereignis das entscheidende Kriterium, sondern das Interesse und der Wissensbedarf der Rezipienten. In der Folge begreift Neuberger auch altes bzw. nicht abrufbares Wissen als aktuell, sofern es für die Gegenwart wieder an Bedeutung gewinnt. An dieser Stelle trifft er sich wieder mit Ragers Definition: „Aktuell ist alles heute, für die Gegenwart Bedeutsame, alles Neue oder nicht (hinreichend) Bekannte“ (Rager 1994a, S. 196). Berdi et al. verwenden anstelle von Aktualität den Begriff Neuigkeitswert – und betonen ebenfalls die zeitliche wie soziale Dimension: „Neuigkeit liegt dann vor, wenn Informationen entweder kurz nach dem Ereignis veröffentlicht werden oder einem großen Teil der Bevölkerung bislang unbekannt waren“ (Berdi et al. 1992, S. 46). Die verschiedenen Definitionen zeigen, dass Journalismus nicht nur möglichst schnell Ereignisse abbildet, sondern auch selbst Aktualität für Themen und Ereignisse schaffen kann. Das betont auch Blöbaum: „Somit kann es auf der Theorieebene nicht heißen, dass etwas (eine Information, ein Ereignis) aktuell ist, vielmehr wird etwas durch Veröffentlichung als aktuell konstruiert“ (Blöbaum 1994, S. 265). Rager weist darauf hin, dass im Gegensatz zur Politik oder Öffentlichkeitsarbeit dabei taktischen Erwägungen keine Rolle spielen sollten (vgl. Rager 1994a, S. 197).
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Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Aktualität eine zeitliche und sachliche (Abstand zwischen Ereignis und Bericht, Neuigkeit) sowie eine soziale Dimension (Relevanz, Herstellung von Aktualität durch Veröffentlichung) aufweist (vgl. Merten 1973, S. 219; Wyss 2002, S. 139). Das Verhältnis zwischen Aktualität und Relevanz ist dabei ein Beispiel für die eingangs genannten Interdependenzen. Relevanz Im Gegensatz zur Dimension der Aktualität, die ihre Bedeutung aus der Gegenwart zieht, „geht es hier um die Bedeutsamkeit selbst“ (Rager 1994a, S. 197; Hervorhebung im Original). Denn eine wesentliche Funktion des Journalismus ist es, „die Komplexität und Veränderlichkeit der Weltereignisse durch thematische Mitteilungen auf Ausmaße [zu reduzieren], die eine sinnvoll informierende Kommunikation erlauben, wobei dem Verstehensniveau und der Kapazität für Informationsverarbeitung der Öffentlichkeit Rechnung getragen wird“ (Rühl 1992, S. 128).
Diese Reduzierung von Komplexität setzt journalistische Selektion voraus – die unter anderem nach Kriterien der Relevanz durchgeführt wird. Relevanz ist somit ein wesentlicher Maßstab für die Qualität von Selektionsentscheidungen. Doch was ist ein relevantes Thema? Was ist das Wesentliche eines Sachverhalts? Die Frage nach der Relevanz einer journalistischen Produktion lässt sich nicht ein für alle Mal festlegen, denn sie ist, ähnlich wie Qualität insgesamt (vgl. Abschnitt 2.1.1), eine abhängige Variable: „Relevanz ist ein relationaler Begriff. Ein Sachverhalt oder Vorgang ist nie an sich oder aus sich heraus relevant oder bedeutsam, sondern immer nur in Bezug auf etwas anderes“ (Schatz/Schulz 1992, S. 696). Dabei arbeiten Schatz und Schulz in ihrer Definition sowohl die ereignis- und sachbezogene als auch die soziale Dimension der Relevanz heraus. Ereignis- und sachbezogene Aspekte stehen im Vordergrund, wenn es um die „Relevanz eines Sachverhalts [...] oder des Handelns eines Akteurs in der potenziellen oder real zur Entfaltung kommenden Wirkung auf andere Sachverhalte“ (Schatz/Schulz 1992, S. 696) geht. In Bezug auf soziale Beziehungen hingegen, „bei denen derartige reale oder potenzielle Wirkungen kommunikativ vermittelt werden, erzeugt Relevanz Betroffenheit oder Resonanz“ (Schatz/Schulz 1992, S. 696). Auf der Ebene der sach- und ereignisbezogenen Relevanz wird wiederum nach externer und interner Relevanz unterschieden. Bei der externen Relevanz geht es um die Bedeutsamkeit des Themas bzw. die sachliche Wichtigkeit eines
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Ereignisses (vgl. Hagen 1995b, S. 158 ff.). Schatz und Schulz führen die Nachrichtenwert-Theorie als „erste Grundlage für die Bestimmung quantitativer und qualitativer Kriterien“ (Schatz/Schulz 1992, S. 697) der Relevanz an. Sie unterscheiden folgende Relevanzfaktoren: Zahl der Betroffenen, Eintritts- und Schadenswahrscheinlichkeit, Wirkungsintensität, Zentralität des berührten Wertes, soziale Position, Unfreiwilligkeit, räumliche und ethnische Nähe, Irreversibilität und Nachhaltigkeit eines Ereignisses sowie Kompensierbarkeit seiner Wirkung (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 697 f.). Bei der internen Relevanz dagegen geht es nicht um die Frage, warum über ein Ereignis berichtet wird, sondern welche Informationen im Hinblick auf das Thema ausgewählt werden. Rager bezeichnet dies als „‚Feinauswahl‘ innerhalb eines Themas. [...] Kommen alle relevanten AkteurInnen vor oder gar zu Wort? Werden alle relevanten Argumente erörtert?“ (Rager 1994a, S. 198). Interne Relevanz kann also als Vollständigkeit in dem Sinne verstanden werden, dass alle relevanten Informationen enthalten sind (vgl. Bentele 1982, S. 139). Wyss schlägt vor, die Beantwortung der sogenannten W-Fragen (Wer?, Was?, Wann?, Wo?, Warum?, Wie?, Woher?) zur Erstellung der internen Relevanz heranzuziehen. Darüber hinaus fordert er, „sämtliche Sachverhalte zu berücksichtigen, welche die Rezipienten in ihre Gedankenmodelle einfügen können, damit sie das publizierte Thema besser verstehen“ (Wyss 2002, S. 135). Dazu zählt er beispielsweise die Berichterstattung über Folgen eines Ereignisses oder Bewertungen innerhalb einer Nachricht, die dem Rezipienten helfen können, Sachverhalte einzuordnen (vgl. Wyss 2002, S. 135). Diese Erklärungen machen auch deutlich, dass Relevanz nicht völlig unabhängig vom Publikum bzw. den Kommunikatoren festgelegt werden kann. Schatz und Schulz betonen, dass Relevanz bzw. Betroffenheit dadurch entsteht, „dass der in Frage stehende Sachverhalt die Befindlichkeit oder Lebenslage von Individuen oder sozialen Gruppen berührt, weil er objektiv oder in ihrer subjektiven Wahrnehmung für sie wichtige Normen und Werte, Bedürfnisse und Interessen, Meinungen und Einstellungen tangiert – positiv oder negativ, direkt oder indirekt, aktuell oder zukünftig“ (Schatz/Schulz 1992, S. 696).
Eine Ausrichtung des Relevanzbegriffs nach diesem Verständnis zielt auf eine rein zielgruppenorientierte Relevanz. Sie muss nicht, kann aber erheblich von der sach- und ereignisbezogenen Relevanz abweichen. Wyss weist darauf hin, dass bei Relevanzentscheidungen auch die Kommunikatorperspektive nicht ausgeblendet werden sollte. Er führt in diesem Zusammenhang Exklusivität als weiteres Qualitätskriterium an, das Relevanzentscheidungen beeinflusse: „Journalisten und Redaktionen rennen um die Wette nach exklusiven Informationen, wobei man sich einen Imagegewinn erhofft, wenn Eigenleistungen in anderen Medien zitiert werden“ (Wyss 2002, S. 137; vgl.
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auch Karle 1995, S. 22 f.). Folglich treffen Journalisten Relevanzentscheidungen nicht nur aufgrund von Routineprogrammen wie den genannten Nachrichtenfaktoren, sondern auch durch Rückgriff auf berufsspezifische Entscheidungsmuster (vgl. Wyss 2002, S. 137). Bleibt also festzuhalten, dass Relevanz eine sach- und ereignisbezogene sowie eine soziale Dimension aufweist. Diese lassen sich wieder in die Unterdimensionen externe und interne Relevanz sowie rezipienten- und kommunikatorbezogene Relevanz differenzieren (vgl. Wyss 2002, S. 133 ff.). Es gibt einzelne Ansätze zur Operationalisierung wie Nachrichtenfaktoren für die externe Relevanz und die W-Fragen für die interne Relevanz. Eine Studie, die systematisch und situativ Relevanz operationalisiert, ist jedoch nicht bekannt. Objektivität Die Dimension der Objektivität ist in der Wissenschaft und Praxis so ausführlich diskutiert worden wie kaum eine andere (vgl. Wyss 2002, S. 117). Trotzdem gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Bisherige Begriffsbestimmungen bleiben weitgehend allgemein und können nicht befriedigen (vgl. Wyss 2002, S. 118). Den Definitionsversuchen gemeinsam ist die Forderung, die Wirklichkeit möglichst unverzerrt und allgemein annehmbar darzustellen (vgl. Wyss 2002, S. 119). So formuliert Saxer: „Die Subjektivität von Beobachtern, welche die Umwelt beschreiben, soll so weit neutralisiert werden, dass nach allgemeinem Konsens diese Beschreibungen als wirklichkeitsgetreu gelten können. Das Objektivitätspostulat gründet mit anderen Worten in der sozialen Übereinstimmung, einen bestimmten Typus von Aussage als deckungsgleich mit der Realität anzuerkennen, weil diese Aussage offenbar der gemeinsamen Wirklichkeitserfahrung und dem gemeinsamen Sinnhorizont entsprechen“ (Saxer 1973, S. 8).
Konsens wird damit zum Überprüfungskriterium. Dieses Verständnis von Objektivität wird von Vertretern des Konstruktivismus jedoch angezweifelt (vgl. Merten/Schmidt/Weischenberg 1994). Denn nach dieser Theorie ist Realität nur ein soziales Phänomen, das durch Kommunikation zwischen Menschen entsteht. Eine objektive Abbildung der Realität ist gar nicht möglich, weil es so viele Realitäten wie Menschen und kognitive Systeme gibt. Eine ausführliche Diskus-
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sion der konstruktivistischen Sichtweise würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen.13 Für die Qualitätsdiskussion ist sie ohnehin nicht sehr hilfreich. Denn sie ist einer Operationalisierung des Qualitätsbegriffs und damit auch der Qualitätssicherung unzugänglich. Da setzen auch die Kritiker wie Saxer an: „Soweit der radikale Konstruktivismus das Postulat journalistischer Objektivität verwirft, beeinträchtigt er ein unentbehrliches Element demokratischer Kommunikationskultur und die Ausbildung journalistischer Kompetenz in einer sehr wichtigen Hinsicht. Er öffnet damit journalistischem Schlendrian im Umgang mit Fakten und journalistischer Rechthaberei Tür und Tore [...] “ (Saxer 1992, S. 2).
Aus diesen Gründen wird dieser Arbeit ein Objektivitätsbegriff zugrunde gelegt, der davon ausgeht, dass vorläufige Aussagen über die Realität durchaus möglich sind (offener Erkenntnisprozess, Konsensverfahren bei Beobachtungs- und Prüfmethoden, Methodenkritik und Transparenz als Voraussetzungen für intersubjektive Nachprüfbarkeit), und der damit an den kritischen Rationalismus anknüpft (vgl. Neuberger 2005, S. 326). Es lassen sich zwei Bedeutungsvarianten der Objektivität unterscheiden: Ein enges Objektivitätsverständnis umfasst nur die Fragen nach Richtigkeit und Wahrheit von Aussagen. Ein weiter Objektivitätsbegriff beinhaltet dagegen auch Normen wie Neutralität, Ausgewogenheit, Vielfalt, Vollständigkeit, Wichtigkeit, Maßstabsgerechtigkeit sowie die Trennung von Nachricht und Meinung (vgl. Neuberger 2005, S. 325). Dieser Arbeit wird ein weiter Objektivitätsbegriff zugrunde gelegt, da davon ausgegangen wird, dass mit einer Reihe von Hilfskriterien die Forderung nach Objektivität am besten operationalisierbar ist. Neuberger hat sich die Mühe gemacht, sämtliche Objektivitätskriterien aus der Praktikerliteratur zusammenzutragen, und dadurch eine lange Liste von Einzelkriterien aufstellen können. Darauf stehen neben Richtigkeit auch Maßstabsgerechtigkeit, Vollständigkeit, Ausgewogenheit, Vielfalt, Genauigkeit, Wichtigkeit, Neutralität oder Trennung von Nachricht und Meinung. Die Länge der Liste zeigt die Vielschichtigkeit des Qualitätsbegriffs. Wyss zieht daraus den Schluss, dass „der Objektivitätsbegriff in der Auseinandersetzung der Praktiker wie auch der Publizistikwissenschaftler überstrapaziert wird“ (Wyss 2002, S. 118 f.).14 13
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Daher muss an dieser Stelle ein Verweis genügen: vgl. u.a. Weischenberg 1992, S. 168 ff. und Saxer 1992, S. 178 ff. Auch andere Wissenschaftler zerlegten die Dimension der Objektivität in ihre Einzelteile und entwickelten so einen Katalog von Kriterien. Hagen nennt Richtigkeit, Transparenz und Sachlichkeit (vgl. Hagen 1995a, S. 134), Ruß-Mohl Faktentreue, Beachtung der Nachrichtenwer-
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Im Folgenden sollen daher gängige Kriterien der Dimension Objektivität herausgearbeitet werden, um der Vielschichtigkeit dieser Dimension gerecht zu werden, aber auch Interdependenzen zu zeigen. Zurückgegriffen wird dabei vor allem auf die Systematisierung von Fahr, da er Kriterien der Objektivität speziell für Fernsehnachrichten herausgearbeitet hat. Fahr unterscheidet zwischen Unparteilichkeit und Sachgerechtigkeit. Unparteilichkeit differenziert er weiter in Ausgewogenheit und Neutralität, Sachgerechtigkeit in Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit (vgl. Fahr 2001, S. 21). Nicht verständlich ist, dass Fahr Aktualität als ein Unterkriterium der Objektivität sieht. Er begründet dies damit, dass „das Qualitätskriterium Aktualität [...] prinzipiell im Konflikt mit anderen Kriterien wie Sorgfalt, Wahrheit, Genauigkeit, Vielfalt usw. (vgl. Scholl & Weischenberg 1998:180 ff.) [steht]. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass Aktualität und Sorgfalt zwei Pole einer Skala sind, auf der die Berichterstattung austariert wird“ (Fahr 2001, S. 26). Weiter unterstellt Fahr, dass Journalisten dazu tendierten, die Sorgfalt zugunsten der Aktualität zu vernachlässigen. Er schränkt jedoch ein, dass dies vom Selbstverständnis und der Ausrichtung des Mediums abhänge (vgl. Fahr 2001, S. 26). Dass eine hohe Aktualität zu Lasten der Recherche gehen kann, wird auch von anderen, wie Rager (1994a), genannt. Jedoch handelt es sich dabei um Interdependenzen zwischen der Qualitätsdimension Aktualität und Objektivität. Aktualität lediglich als Unterkategorie zu begreifen, scheint ihrer zentralen Bedeutung nicht gerecht zu werden (vgl. Grimmer 2004, S. 16). Fahrs Auffassung, dass Aktualität lediglich eine Unterkategorie der Dimension Objektivität ist, resultiert offenbar daraus, dass er die Systematisierung von Schatz und Schulz (1992), die sich auf ganze Fernsehprogramme bezieht, unmodifiziert auf das Format Fernsehnachrichten übertragen hat (vgl. Grimmer 2004, S. 16). Das Kriterium der Aktualität wird daher für diese Arbeit nicht unter dem Objektivitätsbegriff subsumiert. Ergänzt werden sollen die Kriterien der Objektivität im Fernsehen durch das Kriterium Transparenz. Denn gerade in der aktuellen Fernsehberichterstattung, in der die Aktualität in
te/Auswahlregeln, Trennung von Nachricht und Meinung, Vielfalt der Blickwinkel/Perspektiven, Fairness/Ausgewogenheit und Hintergrund (vgl. Ruß-Mohl 1994, S. 96), McQuail Factualness, Accuracy und Completeness (vgl. McQuail 1992, S. 205 ff.). Scholl und Weischenberg bieten eine hilfreiche Strukturierung des Objektivitätsbegriffs nach prozessualen und objektbezogenen Aspekten an: Mit prozessualer Qualität beziehen sie sich auf das journalistische Handeln und damit auf Kriterien wie Wahrheit, Vollständigkeit, Transparenz und Neutralität. Dagegen umfasst die objektbezogene Perspektive Kriterien wie eine verzerrungsfreie Darstellung im Sinne von Adäquatheit, Vielfalt und Ausgewogenheit (vgl. Scholl/Weischenberg 1998, S. 181).
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einem Spannungsverhältnis zur journalistischen Sorgfalt steht, kommt der Transparenz eine wesentliche Bedeutung zu. Im Folgenden werden so Richtigkeit, Sachlichkeit, Vielfalt, Ausgewogenheit und Transparenz als gängige Kriterien der Dimension Objektivität aufgeschlüsselt. Das Qualitätskriterium Richtigkeit kann zum einen aus berufskulturellen Forderungen, zum anderen aus gesetzlichen Bestimmungen abgeleitet werden (vgl. Wyss 2002, S. 120 f.). Letzteren Ansatz verfolgen Schatz und Schulz, indem sie sich auf das Gebot journalistischer Professionalität aus Rechtstexten beziehen, die allgemein einfordern: „Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen; teils (mitunter auch zusätzlich) sind einige der ‚anerkannten journalistischen Grundsätze‘ konkreter aufgeführt, so die Verpflichtung zu gewissenhafter Recherche und zur wahrheitsgetreuen Wiedergabe, Berücksichtigung der Auffassung von Betroffenen, Trennung von Nachrichten und Kommentaren“ (Schatz/Schulz 1992, S. 702).
Auch Hagen nennt das Medienrecht als Quelle, aus der sich beispielsweise anhand der Sorgfaltspflicht konkrete Forderungen nach Richtigkeit ableiten lassen (vgl. Hagen 1995a, S. 122). Genau wie bei der Überdimension Objektivität ist es beim Kriterium Richtigkeit sinnvoll, von einer Konsenstheorie auszugehen, da sonst erkenntnistheoretische Probleme entstehen (vgl. Wyss 2002, S. 122). Weil es dennoch Aussagen gibt, die nur theoretisch, aber nicht praktisch auf Richtigkeit zu überprüfen sind, nennen verschiedene Autoren Hilfsstrategien, um sich dem Kriterium der Richtigkeit zu nähern. Schatz und Schulz verweisen auf die Beantwortung der W-Fragen und auf die „Konsensüberprüfung“ (Schatz/Schulz 1992, S. 702). Erstere sieht auch Rager als „Sicherung dagegen, dass versehentlich oder gar absichtlich Informationen weggelassen werden“ (Rager 1994a, S. 201). Bei Letzterer wird nach Schatz und Schulz eine Liste mit allen wesentlichen Informationen zu einem Thema oder Ereignis erstellt. Anschließend wird beurteilt, in welchem Umfang der Beitrag diese Informationen abgedeckt hat. Pöttker weist darauf hin, dass sich in der journalistischen Praxis Routinen herausgebildet haben, um Richtigkeit zu sichern. Dazu zählt er die Norm, Informationen erst dann zu veröffentlichen, wenn mindestens zwei Quellen zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen (vgl. Pöttker 2000, S. 383). Rager, der Richtigkeit als eine reduzierte Version der Forderung nach Wahrheit sieht, wählt ebenfalls einen pragmatischen Zugang. Er fordert gründliche Recherche und Gegenrecherche sowie große Quellentransparenz, um „möglichst fehlerfrei und frei von logischen Widersprüchen zu berichten und unterschiedliche Meinungen möglichst unverfälscht wiederzugeben“ (Rager 1994a, S. 200). So sieht es auch Hagen und fordert Quellenvielfalt und Transparenz, um dem
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Rezipienten eine eigene Einschätzung der Wahrheitswahrscheinlichkeit zu ermöglichen (vgl. Hagen 1995a, S. 105). Vielfalt und Transparenz werden später in diesem Abschnitt als eigene Kategorien behandelt. Das Qualitätskriterium Sachlichkeit definieren Schatz und Schulz als Unparteilichkeit (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 703). Wesentlich ist das Postulat der Trennung von Nachricht und Meinung (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 704; Hagen 1995a, S. 116). Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass bereits die Gewichtung von Informationen oder schon ihre bloße Auswahl eine implizite Kommentierung darstellen kann (vgl. Fahr 2001, S. 24). Bei Fernsehbeiträgen kann neben der Textebene auch die Bildebene untersucht werden, „denn Bilder können durchaus unsachlich, emotional, subjektiv sein und als (unzulässige) Wertungen in tatsachenbetonten Darstellungen eingesetzt werden“ (Schatz/Schulz 1992, S. 704). Bei der empirischen Umsetzung des Kriteriums gehen die Meinungen auseinander. Fahr weist darauf hin, dass „gerade für letztere Überprüfungen nur schwer intersubjektive Kriterien gefunden werden können“ (Fahr 2001, S. 25). Auch Wallisch kommt nach der Sichtung der einschlägigen Literatur zu dem Ergebnis, dass der qualitative Anspruch der Trennungsnorm „für eine reale Umsetzung offenbar weitaus zu hoch“ ist (Wallisch 1995, S. 108). Hingegen vertreten Schatz und Schulz die Auffassung, dass sich die Trennung von Nachricht und Kommentar sowie eine sachliche Sprache empirisch relativ leicht überprüfen lassen (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 704).15 Vielfalt ist Voraussetzung für eine freie, umfassende und chancengleiche Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft. Ergänzend zu diesen Ausführungen soll hier die Bedeutung der Vielfalt als Hilfskonstruktion für die Annäherung an die Dimension der Objektivität genannt werden. So überlappt sich der Vielfaltsbegriff mit den Objektivitätskriterien Richtigkeit und Ausgewogenheit. Zum einen kann Quellenvielfalt helfen, Richtigkeit zu sichern. Zum anderen ist Vielfalt grundlegend für Ausgewogenheit, da diese die angemessene Darstellung mehrerer relevanter Aspekte oder Perspektiven zu einem Sachverhalt voraussetzt (vgl. Wyss 2002, S. 126; vgl. auch dieser Abschnitt, folgender Absatz). Hagen geht noch einen Schritt weiter, wenn er formuliert: „Vielfalt ist [...] vor allem deshalb ein so bedeutsames Qualitätskriterium, weil sich die Maßstäbe der proportionalen Repräsentation sozialer Sachverhalte eben meist nur sehr schwer festlegen lassen“ (Hagen 1995a, S. 126). 15
Dazu verweisen sie auf die Prinzipien „Evaluative assertion analysis“ von Osgood/Saporta/Nunnally (1956) und schlagen vor, die so ermittelten Evaluatoren als Indikatoren für mangelnde Professionalität zu interpretieren (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 704).
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Ausgewogenheit knüpft an Vielfalt an. Schatz und Schulz definieren sie wie folgt: „Ausgewogene Darbietung heißt [...], dass möglichst alle in der öffentlichen Diskussion des Themas vorgetragenen Argumente und Standpunkte berücksichtigt werden. Das impliziert auch, dass die jeweiligen Interessengruppen und ihre Repräsentanten angemessen zu Wort kommen, dass ferner die Sicht der unmittelbar Betroffenen – insbesondere bei kritischer und investigativer Berichterstattung – berücksichtigt wird“ (Schatz/Schulz 1992, S. 704).
Hagen betont in diesem Zusammenhang, dass „inhaltliche Einheiten in einem Verhältnis zu berücksichtigen [sind], das als gerecht angesehen wird“ (Hagen 1995a, S. 120). Ausgewogenheit kann also als Vielfalt und angemessene Berücksichtigung verschiedener Interessen innerhalb eines journalistischen Produkts verstanden werden. Das Kriterium der Ausgewogenheit ist vor allem für kontrovers diskutierte Themen von Bedeutung (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 703). Denn hier geht es nicht um die Darstellung von faktischen Informationen, die über die Kategorien Richtigkeit und Sachlichkeit objektiviert werden, sondern um die Sichtweisen und Wertungen von Sachverhalten. Rager formuliert hier anschaulich: „Das Ergebnis eines Fußballspiels kann leicht auf seine Richtigkeit geprüft werden – ob der Schiedsrichter aber eine Regel falsch angewandt hat, liegt auf einer völlig anderen Ebene. Es steht Meinung gegen Meinung – und gerade darin, das zu benennen, kann eine besondere Qualität der Berichterstattung liegen“ (Rager 1994a, S. 201).
Eine weitere Hilfsstrategie zur Sicherung von Objektivität ist das Kriterium der Transparenz. Es betrifft am häufigsten die Quellentransparenz, wie Hagen begründet: „Weil Journalisten viele Fakten nicht verifizieren können, wird von ihnen Transparenz verlangt: die Angabe der Quelle von Informationen und möglichst eine Einschätzung der Güte dieser Quellen“ (Hagen 1995a, S. 114 f.). Hagens Forderung spricht zwei Aspekte der Transparenz an: Quellenangabe und Quellenkritik. Die Quellenangabe ist dann besonders wichtig, wenn der Journalist Zweifel an der Richtigkeit des vermittelten Sachverhalts hat oder sein Bericht subjektive oder wertende Aussagen enthält. Ziel dabei ist, dem Rezipienten Informationen an die Hand zu geben, die es ihm ermöglichen, die Zuverlässigkeit eines Beitrags zu beurteilen (vgl. Wyss 2002, 129). Bucher und Schröter gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie die Beurteilung auf das Image des Senders ausweiten: „Das Wissen, ob ein Informationsbeitrag auf Eigenrecherche beruht oder aus einer anderen Quelle übernommen ist, kann entscheidend sein für die Einordnung des Beitrags und auch für die publizistische Beurteilung des Senders“ (Bucher/Schröter 1990, S. 533). Ähnlich argumentiert Neuberger. Er weist darauf hin, dass journalistische Angebote Vertrauens- und Erfahrungsgüter sind, die
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vom Rezipienten erst nach dem Konsum oder selbst dann nicht hinreichend beurteilt werden können. Daraus folgert er, dass Meta-Bewertungen wie die Transparenz Qualitätsbewertungen erleichtern und die Glaubwürdigkeit fördern (vgl. Neuberger 2005, S. 327). Auf die Bedeutung der Quellenkritik im Einzelfall verweist Wagner. Er bezeichnet die Einschätzung der Quelle als „Beglaubigungswissen“ (Wagner 1995, S. 200). Auch sie soll dem Rezipienten helfen, die Quelle einzuordnen und gegebenenfalls Interessenlagen dahinter zu erkennen. Schröter fordert zusätzlich zu Quellenangabe und Quellenkritik eine „Transparenz des Kommunikationskontextes“ (Schröter 1988, S. 186). Dabei bezieht er sich wiederum auf zwei Aspekte der Transparenz: So ist es für einen Rezipienten wichtig zu erfahren, in welchem Zusammenhang eine Quelle eine Aussage gemacht hat und unter welchen Recherche- und Produktionsbedingungen diese Aussage zustande kam (vgl. Schröter 1988, S. 186). Damit bezieht er auch die strukturelle Ebene mit ein. Ähnlich argumentieren Schatz und Schulz. Analytische Qualität sei dann gegeben, „wenn [...][Berichte] Hintergründe von aktuellen Ereignissen ausleuchten, Fakten interpretieren und kommentieren, wenn sie Missstände aufdecken, den Missbrauch von Macht anprangern und wenn sie auf eigener, aktiver und intensiver Recherche beruhen“ (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 704). In diesem Sinne können auch Kommentare, die als solche gekennzeichnet sind, als ein Zeichen von Transparenz angesehen werden (vgl. Wyss 2002, S. 704). Pöttker behandelt Transparenz implizit unter dem Kriterium Wahrhaftigkeit. Seine Darlegung bietet eine Zusammenfassung aller genannten Aspekte der Transparenz: „In der journalistischen Praxis bedeutet das, Quellen und ihre Abweichung zu benennen, im Zweifelsfall – etwa durch die Verwendung des Konjunktivs – Distanz zum Informationsinhalt zu bekunden, das Subjekt und seine Interessen hinter einem Text durchscheinen zu lassen, nach Möglichkeit Herausgeberrichtlinien und andere redaktionelle Vorgaben zu publizieren usw. Wahrhaftigkeit in diesem Sinne ist ein Qualitätsmaßstab, der zur Glaubwürdigkeit der Information beiträgt und damit ebenfalls deren Ankommen beim Publikum fördert“ (Pöttker 2000, S. 384).
Vermittlung Aktualität, Relevanz und Objektivität – die bisher genannten Dimensionen publizistischer Qualität umfassen implizit immer auch Bezüge zu den Rezipienten. Am deutlichsten ist dieser Bezug jedoch in der Dimension Vermittlung. Rager definiert,
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Redaktionelles Qualitätsmanagement „dass es bei ‚Vermittlung‘ nicht um Fragen der (technischen) Übermittlung von Inhalten geht. Vermittlung heißt vielmehr: Gegenseitige Bezüge herstellen zwischen KommunikatorInnen und Publikum, im Rückgriff auf gegenseitige ‚Erwartungs-Erwartungen‘ (vgl. Rühl 1980) Kommunikations-Beziehungen aufnehmen“ (Rager 1994a, S. 202).
Die Qualität der Vermittlungsleistung bemisst sich daran, „wie gut es gelingt, kommunikative Beziehungen zwischen Journalismus und Publikum aufzubauen“ (Rager 1994a, S. 202). Vermittlung umfasst, ähnlich wie die Objektivität, verschiedene Aspekte. So nennt Rager sechs Formen der Vermittlung für die Zeitung: angemessene journalistische Darstellungsform, genreadäquate Umsetzung, zielgruppengerechte Ansprache des Publikums, redaktionelle Vorgaben über Designs und Illustrationen, redaktionelle Gestaltungsregeln der Dramaturgie und das Bemühen um Verständlichkeit der Darstellung (vgl. Rager 1994a, S. 201 ff.). Die Auflistung zeigt, dass Vermittlung sowohl textliche als auch grafische bzw. bildliche Elemente umfasst. Im Folgenden sollen diese verschiedenen Aspekte unter den Kriterien Verständlichkeit in Text und Bild sowie Akzeptanz 16 dargestellt werden. Verständlichkeit ist die Voraussetzung jeglicher Kommunikation (vgl. Bucher 2005, S. 464), somit auch der journalistischen. Zur Optimierung der sprachlichen Verständlichkeit kann die journalistische Praxis auf zahlreiche Studien zurückgreifen, die jedoch überwiegend aus den 1980er Jahren stammen. Dabei lassen sich zwei grundlegend verschiedene Herangehensweisen unterscheiden: So gibt es eine Reihe formalistisch geprägter Studien, die am Material ansetzen und sprachstatistische Daten wie Wort- oder Satzlänge messen.17 Dieser Ansatz der Verständlichkeitsforschung schränkt Verständlichkeit auf sprachliche Phänomene ein und lässt Fragen nach dem Satzzusammenhang, der Textfunktion, dem Adressaten o. Ä. außen vor. Im Gegensatz dazu gehen andere Untersuchungen vom Rezipienten aus und messen, wie dieser Texte entschlüsselt18 (vgl. Bucher 2005, S. 467). Dabei gilt: Je besser die Entschlüsselung, desto höher die Verständlichkeit des Materials. Heute hat vor allem letzterer Ansatz Anhänger, da er den Rezipienten einbezieht und die Verarbeitung adäquat zum heutigen Forschungsstand beschreibt. 16
17 18
Diese Differenzierung orientiert sich zum einen an Fahr, der in der formalen Gestalt von Fernsehbeiträgen zwischen Gestaltung und Verständlichkeit unterscheidet und somit die Bild- und Textebene anspricht (vgl. Fahr 2001, S. 40 ff.). Zum anderen ist sie durch Wyss beeinflusst, der unter Vermittlung die Aspekte Akzeptanz, Interaktivität und Verständlichkeit fasst (vgl. Wyss 2002, S. 139 ff.). Vgl. u.a. Flesch 1949. Vgl. u.a. Dijk/Kintsch 1983.
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Die Studien dazu wurden mittels Experimenten oder Rezeptionsanalysen in verschiedenen Forschungsgebieten durchgeführt, vor allem in der Linguistik, der (Kognitions-)Psychologie und der Kommunikationswissenschaft.19 Im Mittelpunkt des Interesses stand in der Regel die Frage nach dem Verstehen und Behalten (vgl. u. a. Brosius 1998a; Robinson/Levy 1986). Denn je mehr Informationen ein Rezipient versteht und behält, desto besser erfüllten Medien ihre Informationsfunktion (vgl. Brosius/Berry 1990) – und damit auch ihre Vermittlungsleistung. Das Ergebnis der verschiedenen Untersuchungen lässt sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Verständlichkeit umfasst weit mehr als die verständliche sprachliche Formulierung von Texten. So gilt eine sinnvolle Vernetzung von Informationen innerhalb eines Textes als wichtige Voraussetzung für Verständlichkeit. Kontextinformationen (vgl. Tulving 1983), Redundanzen (vgl. Brosius 1989a) und Textkohärenz (vgl. Dijk/Kintsch 1978) können die Rezeptionsleistung verbessern. Auch neue Sachverhalte in Vorwissen einzuordnen hilft, Texte besser zu verstehen (vgl. Kepplinger/Daschmann 1997; Bucher 1986, S. 89). Auf der Ebene der sprachlichen Formulierungen ist das sogenannte Hamburger Verständlichkeitsmodell in der Praxis am verbreitetsten: Demnach machen Einfachheit, Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und zusätzliche Stimuli einen Text verständlich (vgl. Langer et al. 41990). Während die Forscher Langer, Schulz von Thun und Tausch dieses Ergebnis in induktiver Vorgehensweise erzielten, entwickelte Groeben mit einem deduktiven Ansatz ähnliche Faktoren: stilistische Einfachheit, semantische Redundanz, kognitive Strukturierung, konzeptueller Konflikt (vgl. Groeben 1982). In einer anschließenden Untersuchung prüfte Groeben sein Modell empirisch. Dabei zeigte sich, dass die Verständlichkeit von Texten am stärksten von der inhaltlichen Strukturierung abhängt. Darin zeigt sich einer der Gegensätze zum Hamburger Verständlichkeitsmodell, das die Einfachheit als wichtigste Dimension sieht. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Groeben empfiehlt, nicht jeden Text so weit wie möglich zu vereinfachen, sondern für bestimmte Adressatengruppen eine mittlere Verständlichkeit zu wählen (vgl. Groeben/Christmann 1989). Nicht nur sprachliche Verständlichkeit ist für die Vermittlung von Fernsehbeiträgen entscheidend, sondern auch die bildliche Umsetzung. Hier gilt dasselbe wie bei der Messung sprachlicher Verständlichkeit: Die Messung formaler Ein19
Einen Überblick über diese Studien, die auch im Folgenden zitiert werden, gibt Fahr 2001, S. 43 ff.
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heiten wie Einstellungslängen oder -größen macht unter dem Vermittlungsaspekt wenig Sinn – zumindest solange sie nicht mit der Wirkungsforschung verknüpft sind. Solche Wirkungsvermutungen beziehen sich meistens auf die Abstimmung von Bild, Ton und Text (vgl. Fahr 2001, S. 41). Die Güte der Verknüpfung wird auch unter dem Begriff Text-Bild-Schere diskutiert (vgl. u. a. Brosius 1998b; Wember 31983; Findahl/Höijer 1981). Die Bebilderung von Nachrichtenfilmen wird generell als erinnerungs- und damit verständlichkeitsfördernd angesehen (vgl. Brosius 1989b). Fahr stellt fest, dass die Klassifikation und Interpretation von Bildinhalten wie Bebilderung, Text-Bild-Schere oder Informationsgehalt für die deutschen Hauptnachrichtensendungen in jüngster Zeit selten umgesetzt wurden. Dafür macht er drei Ursachen aus: den hohen technischen und zeitlichen Aufwand der Erhebung von Bildmaterial, eine meist niedrige Reliabilität von Bildinterpretationen, die Verallgemeinerungen erschwert, und wenig gesicherte Wirkungszusammenhänge, die aus einer inhaltsanalytischen Untersuchung abgeleitet werden können (vgl. Fahr 2001, S. 41 f.). In ersten Untersuchungen zur Qualität im Videojournalismus werden dennoch umfangreiche Kategoriensysteme entwickelt, mit denen Verständlichkeit, inhaltliche und technische Qualität der Beiträge auch auf Bildebene untersucht werden können (vgl. Hessel 2005, S. 122 f.). Die Akzeptanz beim Publikum hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wesentlichen Qualitätskriterium der journalistischen Praxis entwickelt (vgl. Wyss 2001, S. 140). Rager sieht die Begründung in der Zunahme des Wettbewerbs (vgl. Rager 1994b, S. 169). Den Wünschen und Bedürfnissen des Publikums kommt eine zentrale Rolle zu. Schatz und Schulz gehen – in Anlehnung an den Uses-and-Gratification-Approach – davon aus, dass das Publikum beim Medienkonsum nach bestimmten Gratifikationen sucht. Dabei handelt es sich um anthropologische Universalien, die deshalb für einen Großteil der Menschen gleichermaßen gelten (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 706). Je mehr die Eigenschaften journalistischer Beiträge mit den anthropologischen Universalien übereinstimmen, umso positiver müsste folglich das Urteil des Publikums ausfallen. Schatz und Schulz sehen die Kategorien der Nachrichtenforschung wie Betroffenheit oder Kuriosität als Akzeptanzfaktoren (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 707). Darüber hinaus berücksichtigen sie individuelle Variationen der Gratifikationen wie z. B. persönliche Themeninteressen (vgl. Schatz/Schulz 1992, S. 707). Wyss sieht auch den Gebrauchswert bzw. Nutzen eines journalistischen Angebots als Gratifikationskategorie. So kann der Nutzen in einem Informationsgewinn, einem Wissenszuwachs zur Meinungsbildung oder in Unterhaltung liegen. Dementsprechend unterscheidet er kognitive (Orientierungswissen, In-
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formation), affektive (Unterhaltung, Eskapismus), interaktive (soziale Kompetenz) und integrative (Vertrauen und Glaubwürdigkeit) Bedürfnisse (vgl. Wyss 2002, S. 140 f.). Um die Bedürfnisse und Wünsche des Publikums zu kennen, betont RußMohl den Aspekt der Interaktivität. Sie geht über die bloße Publikumsforschung hinaus und fordert, dass Anliegen und Beschwerden der Rezipienten ernst genommen sowie den Rezipienten Möglichkeiten zum Dialog gegeben werden (vgl. Ruß-Mohl 2000, S. 11 ff.). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Dimension Vermittlung den stärksten Bezug zum Publikum aufweist. Das wird in den Kategorien Verständlichkeit in Text und Bild, vor allem aber in der Kategorie Akzeptanz deutlich. Sie gewinnt in der Praxis stetig an Bedeutung.
2.1.3 Zusammenfassung und Ausblick auf die Empirie Die vorangegangenen Erläuterungen haben zum einen gezeigt, dass Qualität nicht allgemein festgelegt werden kann. Je nach Akteur und Perspektive, aus der heraus journalistische Qualität diskutiert wird, werden andere Aspekte journalistischer Qualität in den Mittelpunkt gestellt. Daher ist für diese Arbeit ein konkreter Qualitätsbegriff noch zu entwickeln. Zum anderen wurde aufgezeigt, dass der journalistische Qualitätsbegriff durchaus operationalisierbar ist. Das haben die Ausführungen zu den Dimensionen Aktualität, Relevanz, Objektivität und Vermittlung verdeutlicht. Die Messung von journalistischer Qualität ist eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der TQM-Prinzipien in Redaktionen. Beide Ansätze – der normative und der strukturelle – bieten wichtige Hinweise für die folgende empirische Untersuchung. Sie lassen sich in einer funktionalen Interpretation des Qualitätsbegriffs zusammenführen. Übergeordnet ist dann nicht mehr die Frage, ob die Medien ihrer Aufgabe nachkommen, sondern welche Leistungen sie erbringen (vgl. Meckel 1999, S. 35). Nach diesem Qualitätsverständnis können Medien funktional oder dysfunktional sein. Sind sie beispielsweise als Informationsmedium konzipiert, sollen sie auch für Information beim Rezipienten sorgen. Sind sie dagegen als Unterhaltungsmedium geplant, besteht ihre Leistung in unterhaltenden Elementen (vgl. Meckel 1999, S. 36). Ausgangspunkt ist immer die Medienfunktion bzw. -leistung. Abbildung 4 stellt die unterschiedlichen Ansätze dar, wie nach dem normativen versus funktionalen Ansatz journalistische Qualität operationalisiert wird:
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Abbildung 4:
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Wege der Operationalisierung von Qualität: normativer versus funktionaler Ansatz, Quelle: Meckel 1999, S. 36
Qualität ist also kein statischer Begriff, sie variiert – je nachdem, welche Funktion man den Medien und ihren einzelnen Angeboten zuweist (vgl. RußMohl 1992, S. 85). Folglich kann kein Qualitätsbegriff festgelegt werden, ohne die Erwartungen der einzelnen Rundfunkanstalten in Bezug auf ihre VideojournalismusProjekte einfließen zu lassen. Daher sollen diese hier, im Vorgriff auf den späteren empirischen Teil, kurz zusammengetragen werden, um daraus Qualitätsindikatoren für diese Arbeit abzuleiten. Tabelle 1 gibt zunächst einen Überblick über die Erwartungen der einzelnen Rundfunkanstalten. Die Aussagen beruhen auf Fragebögen, die Vertreter der einzelnen Rundfunkanstalten im Vorfeld des 1. und 2. VideojournalismusRoundtables der Zentralen Fortbildung der Programm-Mitarbeiter ARD/ZDF (ZFP) in Hannover, seit 1. Januar 2007 ARD.ZDF medienakademie, ausgefüllt haben (vgl. Anhang zu ZFP 2005). Vom Südwestrundfunk (SWR) und Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) lagen keine Fragebögen vor. Daher wurden hier Angaben aus den Leitfadeninterviews (vgl. Abschnitt 5.2) verwendet.
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Tabelle 1:
Erwartungen an VJ-Beiträge, Quelle: erstellt mit Informationen aus ZFP 2005 (vgl. Anhang zu ZFP 2005) und eigenen Leitfadeninterviews
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Tabelle 1 verdeutlicht, dass sich die Erwartungen an den Videojournalismus bei den einzelnen Rundfunkanstalten ähneln: mehr Regionalität für das Programm, lebensnahe und authentische Berichterstattung, flexiblerer Arbeitseinsatz und Kosteneinsparungen bei gleich bleibender technischer und handwerklicher Qualität der Beiträge. Die Herangehensweise ist zum Erhebungszeitpunkt überwiegend noch offen. Die einzelnen Rundfunkanstalten versuchen, Erfahrungen zu sammeln und Einsatzgebiete – von der Produktion tagesaktueller NiFs und Beiträge über non-aktuelle Magazinbeiträge bis zur Auslandsberichterstattung – auszuloten. Für den Qualitätsbegriff dieser Arbeit bedeutet dies, dass die erläuterten grundlegenden inhaltlichen wie auch technischen Standards auch für den Videojournalismus gelten. Darüber hinaus muss sich die Leistung an den in Tabelle 1 genannten Zielvorgaben messen lassen. Sie konkretisieren die allgemeinen Qualitätsdimensionen für den speziellen Fall. So betont beispielsweise der Bayerische Rundfunk (BR) in der Dimension Aktualität, dass Videoreporter bzw. Videojournalisten bei nicht planbaren Ereignissen schneller zum Einsatz gebracht werden sollen als klassische EB-Teams. Oder in der Dimension Vermittlung gibt der hr eine intensivere, emotionalere Berichterstattung als Ziel an – in Ergänzung zum ansonsten eher informationsorientierten Programm. Zu betonen ist jedoch, dass sich die Videojournalismus-Projekte zum Erhebungszeitpunkt noch in der Experimentierphase befanden, in der herausgefunden werden sollte, ob sich der Videojournalismus besser für die Tagesaktualität eignet oder für die non-aktuelle Berichterstattung.
2.2 Total Quality Management (TQM) Über Qualität wird nicht nur in der Wissenschaft diskutiert. Vor allem in der Wirtschaft und selbst im öffentlichen Dienst spielen Qualität und Qualitätsmanagement eine wichtige Rolle (vgl. Held/Ruß-Mohl 2000). Veränderte Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren wie verschärfter internationaler Wettbewerb, gesättigte Märkte, zunehmende Verflechtungen von Unternehmen, die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors, veränderte Erwartungen von Kunden, Wertewandel bei den Mitarbeitern, Verschärfung ordnungspolitischer Rahmengesetze und der technologische Wandel (kurze Lebenszyklen, zunehmende Komplexität von Produkten und Dienstleistungen, neue Fertigungs- und Informationstechnologien) haben dazu geführt, dass die Beschäftigung mit Qualität zunehmend wichtiger geworden ist (vgl. Schildknecht 1992, S. 58). In diesem Kapitel wird daher das Führungskonzept des Total Quality Managements (TQM) vorgestellt. Dabei wird davon ausgegangen, dass das TQM-
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Modell auch für das redaktionelle Qualitätsmanagement ein sinnvoller Ansatz sein kann.20 Im Folgenden wird zunächst der Begriff des TQM definiert (vgl. Abschnitt 2.2.1). Im Anschluss daran werden mit Ganzheitlichkeit, Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- und Gesellschaftsorientierung sowie Messbarkeit wesentliche Aspekte des Ansatzes konkretisiert (vgl. Abschnitt 2.2.2). Schließlich wird das TQM-Modell nach Wyss (2002) auf Redaktionen übertragen (Abschnitt 2.2.3). Dabei sollen Chancen und Grenzen dieser Anwendung deutlich gemacht werden. In der abschließenden Zusammenfassung werden die Kernaussagen wiederholt und es wird ein Ausblick auf die Empirie gegeben. Denn die theoretische Darstellung des TQM-Konzepts ist die Vorarbeit für die anschließende empirische Untersuchung darüber, inwiefern sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement auswirkt.
2.2.1 Begriff des TQM TQM steht für umfassendes Qualitätsmanagement (vgl. u. a. Pfeifer 2001, Oess 1993, Schildknecht 1992). Es erschließt sich über folgende Definition (DIN ISO 8402): „Total Quality Management ist eine auf der Mitwirkung aller ihrer Mitarbeiter beruhende Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt und durch Zufriedenheit der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf den Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt“ (Hummel/Malorny 32002, S. 5).
Abbildung 5 verdeutlicht die Definition grafisch:
20
Eine kurze Herleitung und Begründung dieses Ansatzes sowie eine Abgrenzung von systemtheoretischen Konzepten und rein managementorientierten Ansätzen findet sich in Abschnitt 2.2.3.
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Abbildung 5:
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Die Normdefinition des TQM, Quelle: Hummel/Malorny 32002, S. 6
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Die Definition zeigt, dass TQM weit mehr Kriterien als nur ökonomische Entscheidungen umfasst. Gerade deshalb lässt es sich gut auf die Medienproduktion beziehen (vgl. Fabris 1997, S. 73). Eine detailliere Begründung und Übertragung des Konzepts auf die Medienproduktion findet sich in Abschnitt 2.2.3. Bereits seit den 1950er Jahren wurden zahlreiche Ideen zum Qualitätsmanagement entwickelt, die das Konzept des TQM beeinflusst haben. Dazu zählen u. a.:
Das 14-Punkte-Programm von Deming, das sich mit der Verbesserung von Qualität und Produktivität befasst (vgl. Deming 1982, S. 16 ff.), Das Konzept der Total Quality Control (TQC) von Feigenbaum, das bereits die interfunktionale Zusammenarbeit der Unternehmensbereiche und die Verantwortung aller Mitarbeiter für die Produktqualität betont; Außerdem stellt es auch schon die Erwartungen der Verbraucher in den Mittelpunkt (vgl. Feigenbaum 31991, S. 3 ff.), Die Company Wide Quality Control von Ishikawa stellt die Einbeziehung aller Mitarbeiter und den Ausbau der Kunden-Lieferanten-Beziehungen in den Mittelpunkt (vgl. Ishikawa 1989).
Aus diesen älteren Konzepten lassen sich drei Gemeinsamkeiten ableiten, die im TQM aufgegriffen wurden (vgl. Bruhn 1998, S. 32 f.) – wie eine Zerlegung des Begriffs in seine Bestandteile Total, Quality und Management verdeutlicht: Total bedeutet, dass es sich um eine ganzheitliche Strategie handelt. Alle betroffenen Bereiche eines Unternehmens (Prozessorientierung) und ihre Mitarbeiter (Mitarbeiterorientierung) sollen eingebunden werden. Es reicht nicht aus, wenn der Gedanke nur in der Führungsriege vorherrscht. Auch zu Kunden (Kundenorientierung) und Lieferanten soll ein partnerschaftliches Verhältnis aufgebaut werden. Nicht zuletzt soll sich das Unternehmen dialog- und mitwirkungsorientiert gegenüber der Öffentlichkeit zeigen (Gesellschaftsorientierung) (vgl. Pfeifer 2001, S. 5). Quality steht für die Qualität der Arbeit, der Prozesse und des Unternehmens, woraus die Qualität der Produkte erwächst (Qualität als oberste Zielgröße) (vgl. Pfeifer 2001, S. 5). Management bezeichnet schließlich die Führungsaufgabe „Qualität“, deren Planung, Steuerung und Überwachung (Messbarkeit/Vorbeugung) sowie die Führungsqualität (Vorbildfunktion, Team- und Lernfähigkeit fördern und Beharrlichkeit zeigen). Was jedoch nicht bedeutet, dass nur das Management die Strategie verfolgen muss. Richtig ist, dass das Management die Rahmenbedingungen für TQM setzt und die Verfolgung des Konzepts auf allen Unternehmensebenen fördert (vgl. Pfeifer 2001, S. 5 f.). Abbildung 6 fasst die Aussagen des TQM-Modells zusammen:
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Abbildung 6:
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TQM-Modell, Quelle: Wyss 2002, S. 69
2.2.2 Aspekte des TQM In diesem Abschnitt wird auf die genannten Merkmale des TQM näher eingegangen. Im Einzelnen sind das Ganzheitlichkeit, Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Prozessorientierung, Gesellschaftsorientierung und Kontrollmöglichkeit (vgl. Wyss 2002, S. 68 ff.). Diese Prinzipien werden erläutert, um das TQM-Modell anschließend für die Medienproduktion zu operationalisieren. Ganzheitlichkeit „Qualitätsanstrengungen gibt es an jeder Stelle der Unternehmung. Jeder ist für die Qualität seiner Arbeit verantwortlich, wobei das Prinzip der internen Kunden/Lieferanten eingeführt ist. Alle Prozesse sind betroffen“ (Seghezzi 1994, S. 57). Hier wird betont, dass ein Bemühen um Qualität auf allen Hierarchieebenen und in allen Arbeitsprozessen ansetzt.
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Qualität ist die oberste Zielgröße des unternehmerischen Strebens. Damit ist Qualitätsmanagement auch mehr als nur ein Managementansatz neben anderen wie beispielsweise Personal- oder Kostenmanagement. Es ist das oberste Ziel der Managementstrategie (vgl. Wyss 2002, S. 69 f.). Meckel verdeutlicht das Prinzip der Ganzheitlichkeit an einem Beispiel aus der Medienproduktion: Wenn ein Fernsehsender sich entscheidet, eine neues Magazin ins Programm zu nehmen, geht es nach althergebrachten Vorstellungen von Qualität lediglich darum, eine journalistisch und technisch fehlerfreie Sendung zu produzieren. Der TQM-Ansatz jedoch umfasst mehr. Die journalistische und technische Fehlerfreiheit ist dann nur noch Minimalanforderung. Hinzu kommen beispielsweise die konzeptionelle Zusammenarbeit von Redaktion und Produktion oder die partnerschaftliche Kooperation mit Zulieferern wie Produktionsfirmen und Außenbüros (vgl. Meckel 1999, S. 44). Kundenorientierung Ein besonders wichtiges Prinzip des TQM ist die Ausrichtung der Unternehmung auf den Kunden. Als Kunde zählt hierbei nicht nur der Käufer eines Produkts oder einer Dienstleistung. Auch Kunden-Lieferanten-Beziehungen sind zu berücksichtigen. Das heißt, auch eine weiterverarbeitende Abteilung – also der Mitarbeiter – wird als Kunde verstanden (vgl. Pfeifer 2001, S. 13 f.). Kundenzufriedenheit ist deshalb so relevant, weil sie die Existenzgrundlage eines Unternehmens ist und langfristigen Geschäftserfolg sichert (vgl. Pfeifer 2001, S. 14). Wichtig ist daher herauszufinden, welche Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Kunde an das Produkt, die Dienstleistung oder das Unternehmen hat. Sie werden von den Unternehmen mittels Befragungen, Beschwerden, Marktanalysen usw. erhoben. Aus den Ergebnissen werden Qualitätsmerkmale gebildet, die als Basis für die Erhebung der Kundenzufriedenheit dienen (vgl. Malorny 1996, S. 409). So können Verbesserungen des Produkts oder der Dienstleistung kundenorientiert realisiert werden. Um kundenorientierte Maßnahmen einleiten zu können, muss zudem sichergestellt werden, dass die Daten über die Kundenzufriedenheit den Mitarbeitern zugänglich gemacht und mit ihnen diskutiert werden (vgl. Malorny 1996, S. 465).
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Mitarbeiterorientierung Im TQM-Modell ist Mitarbeiterorientierung eine wesentliche Voraussetzung für die Einführung und Etablierung von Qualitätszielen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Humanressourcen einen langfristigen Wettbewerbsvorteil bieten können (vgl. Ciupka 1991). Dabei ist es Aufgabe eines Unternehmens, den Mitarbeitern die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsprogrammen zu ermöglichen (vgl. Schildknecht 1992, S. 150 f.) und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sie in ihren Handlungsspielräumen selbstständig denken und eigenverantwortlich handeln können (vgl. Malorny 1996, S. 453). Auf diese Weise sollen ihr Einsatzwille und ihre Kompetenzen bestmöglich für das Unternehmen genutzt werden. Eine erfolgreiche Mitarbeiterorientierung sollte auch zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeiter führen, die sich in einer Identifikation mit dem Unternehmen, ihren Aufgaben und der Führung ausdrückt (vgl. Pfeifer 2001, S. 12). Um das Ziel einer hohen Mitarbeiterorientierung im Unternehmen zu erreichen, müssen kontinuierlich Mitarbeiterbefragungen durchgeführt werden. Die so gewonnenen Daten werden dann in die Strategie der Unternehmung einbezogen (vgl. Becker 1997, S. 219). Prozessorientierung Das TQM-Modell versteht Qualitätsmanagement nicht als die Erfüllung von Qualitätsstandards, sondern – in Anlehnung an die japanische Tradition der Kaizen – als kontinuierlichen Verbesserungsprozess (vgl. Imai 1992). Auf diese Weise soll sich eine Unternehmung sich ändernden Rahmenbedingungen anpassen (vgl. Meckel 1999, S. 44). Deming hat in diesem Zusammenhang einen Zyklus entwickelt, der den Kreislauf von ständigen Aktivitäten zur Verbesserung anschaulich beschreibt. Er wird als Deming-Zyklus oder PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act-Zyklus) bezeichnet (vgl. Deming 1986, S. 88).
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Abbildung 7:
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Plan-Do-Check-Act-Zyklus, Quelle: Hummel/Malorny 32002, S. 82
In der Plan-Phase werden Daten über die gegenwärtige Situation erhoben, um einen Plan für die Veränderung bzw. Verbesserung zu erarbeiten. In der DoPhase wird dieser Plan ausgeführt. In der Check-Phase wird überprüft, ob der Plan die gewünschten Verbesserungen auch erzielt hat. Im positiven Fall wird die neue Maßnahme in der Act-Phase etabliert. Dieser Standard kann dann durch einen neuen Plan wieder in Frage gestellt werden. Damit verdeutlicht der PDCAZyklus, dass Sicherungsbemühungen im TQM immer prozeduralen Charakter haben (vgl. Oess 1993, S. 95). Meckel illustriert den Zyklus wiederum anhand eines Beispiels aus der Medienbranche. Wurde ein neues Magazin mit zufrieden stellender Quote ausgestrahlt, kann sich der Fernsehsender nicht auf diesem Erfolg ausruhen. Stattdessen müssen die Reaktionen der Konkurrenten beobachtet und analysiert und wiederum in die eigene Konzeption einbezogen werden. Dasselbe gilt für Zuschauerreaktionen, Erfahrungen der Redaktion, interne und externe Verbesserungsvorschläge. Nach jeder Sendung muss sich die Redaktion also fragen, ob sie das Optimum aus den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen herausgeholt hat (vgl. Meckel 1999, S. 44 f.). Um auf Veränderungen schnell und flexibel reagieren zu können, sind funktionale Schnittmengen mehrerer spezialisierter Bereiche zu vermeiden. Eine Möglichkeit ist ein abteilungsübergreifendes Projektmanagement, das neben der
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bestehenden hierarchischen Struktur aufgebaut wird (vgl. Malorny 1996, S. 475 f.). Die Leistung besteht darin, systematisch Prozesse, insbesondere die Kernprozesse einer Unternehmung, zu erkennen, zu leiten und zu lenken (vgl. Pfeifer 2001, S. 12). Sämtliche Mitarbeiter stehen dabei in einem internen Kunden-LieferantenVerhältnis: Der in der Wertschöpfungskette folgende Mitarbeiter ist der Kunde des vorherigen Arbeitsganges. Zudem ist er, sobald er seine Arbeit abgeschlossen hat, der Lieferant für den nachfolgenden Prozessabschnitt. Kundenorientierung spielt also auch bei diesen internen Prozessen eine wesentliche Rolle (Hummel/Malorny 32002, S. 91 f.). Gesellschaftsorientierung Neben der Kunden- und Mitarbeiterorientierung „werden Unternehmen aus gesellschaftlichem Blickwinkel zunehmend in die Pflicht genommen, d. h. Unternehmen müssen u. a. deutlich ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft artikulieren und danach handeln“ (Malorny 1996, S. 375). Diese Forderung geht auf den Stakeholder-Ansatz zurück, den u. a. Freeman ausführlich dargestellt hat. Er betont die Notwendigkeit, dass die Interessen aller, die durch das Handeln der Unternehmung betroffen sind (Stakeholder), berücksichtigt werden. Ansonsten könne es zu Konflikten zwischen dem Unternehmen und der Gesellschaft kommen (vgl. Freeman 1984). Karmasin differenziert zwischen den Ansprüchen interner Stakeholder wie beispielsweise Kapitalgebern, Unternehmensleitung oder Mitarbeitern und externer Stakeholder wie beispielsweise Kunden, Lieferanten oder Interessenvertretern, zwischen denen ein Interessenausgleich gefunden werden muss (vgl. Karmasin 1998). Vor diesem Hintergrund spricht sich Malorny dafür aus, „die im Unternehmen entwickelte Qualitätskultur öffentlich darzustellen und für ein positives Beziehungsklima zur Gesellschaft zu nutzen. Je größer das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Glaubwürdigkeit des Unternehmens ist, umso weniger Konflikte werden entstehen“ (Malorny 1996, S. 412).
Kontrollmöglichkeit Ein auf kontinuierliche Verbesserungen abzielendes Qualitätskonzept basiert auf Prüfungsverfahren, die den Qualitätsstandard regelmäßig bestimmen. Das setzt konkrete Qualitätsziele voraus, an denen sich der aktuelle Qualitätsstandard messen lässt. Weicht das Qualitätsziel vom Qualitätsstandard ab, müssen in ei-
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nem ersten Schritt die Ursachen hierfür gesucht und in einem zweiten Schritt, „Qualitätshemmnisse“ (Meckel 1999, S. 45) systematisch ausgeräumt werden. Das TQM-Konzept setzt also voraus, dass eine Bewertung der Qualität auf der Grundlage von Indikatoren, Messzahlen und Vergleichszahlen möglich ist. Dabei sind neben der Prozessperspektive auch die Kunden- und Mitarbeiterperspektive zu beachten (vgl. Wyss 2002, S. 76). Dazu hat die Betriebswirtschaft über 200 Werkzeuge definiert, die bei der Umsetzung helfen (vgl. Kamiske/Hahne 2000, S. 50 ff.). Meckel verdeutlicht auch dieses Prinzip anhand eines Beispiels aus der Medienproduktion. Wird ein neues Wochenmagazin in einer Fernsehanstalt eingeführt, werden Maßnahmen aus den übergeordneten Zielen der Anstalt abgeleitet, z. B. dass das bevorzugte Genre die Reportage ist oder immer ein eigenrecherchiertes Thema in der Sendung vorkommt. Nach jeder Ausstrahlung einer Ausgabe ist zunächst in der Redaktionskonferenz zu diskutieren, ob die Sendung die Qualitätsziele erreicht bzw. in welchen Punkten sie sie verfehlt hat. Danach ist gegebenenfalls von der Redaktionsleitung festzustellen, worin die Diskrepanz begründet ist. So könnte ein zu enges Zeitkorsett in der Vorbereitung und Produktion der Beiträge dafür verantwortlich sein, dass es nicht zu einem eigenrecherchierten Beitrag kam. Dieser „Fehler“ könnte dann ausgeräumt werden, indem die Redaktion nach Recherche- und Filmredakteuren umstrukturiert wird. Der Rechercheredakteur könnte sich ganz der Recherche widmen und der Filmredakteur ganz der bildlichen Umsetzung (vgl. Meckel 1999, S. 45 f.).
2.2.3 Theoretische Umsetzung des TQM-Modells in Redaktionen In diesem Kapitel wird das Modell des TQM auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen. Dabei handelt es sich um einen in der Praxis überaus beliebten Ansatz (vgl. Held/Ruß-Mohl 2000). Theoretisch fundiert und empirisch gestützt hat ihn jedoch erstmals Wyss in seiner Dissertation „Redaktionelles Qualitätsmanagement. Ziele, Normen, Ressourcen“ (vgl. Wyss 2002). Die Übertragung des TQM auf das redaktionelle Qualitätsmanagement ist dabei als Weiterentwicklung der Ansätze der klassischen Redaktionsforschung zu verstehen, die sich aus Ansätzen der Systemtheorie (vgl. u. a. Altmeppen 1999, Weischenberg 1992, Hienzsch 1990, Rühl 1979) und der Managementforschung (vgl. u. a. Rau 2000, Meckel 1999, Moss 1998) zusammensetzt. Denn Wyss geht davon aus, dass die bisherige Redaktionsforschung zu kurz greift. Er kritisiert, dass sowohl die systemtheoretische Konzeption als auch der managementorientierte Ansatz das Gestaltungspotenzial einzelner Organisati-
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onsmitglieder vernachlässigen – eine Kritik, die schon Wissenschaftler vor ihm geäußert haben (vgl. u. a. Neuberger 2000, S. 275; Langenbucher 1993, S. 127). Wyss zieht daraus den Schluss, dass redaktionelles Qualitätsmanagement sowohl bei der strukturbildenden als auch der handlungsbildenden Dimension ansetzen muss. Diese Forderung stützt er mit Beobachtungen von Altmeppen (1999). Sie haben deutlich gemacht, dass sich journalistisches Handeln und Redaktionsstrukturen gegenseitig prägen. So konkretisieren Journalisten beispielsweise in spontanen Kollegengesprächen normierende Sicherungsprogramme, erweitern oder deuten sie neu (vgl. Altmeppen 1999). Als theoretischen Bezugsrahmen für die Verknüpfung von Struktur und Handeln wählt Wyss den strukturationstheoretischen Ansatz von Anthony Giddens (31997)21. Giddens hatte die Theorie der Strukturation ursprünglich als Sozialtheorie aufgestellt. Ortmann/Sydow/Windeler zeigten, dass sie sich auf Organisationen anwenden lässt (vgl. Ortmann/Sydow/Windeler 1997). Wyss zieht sie heran, um „Regeln und Ressourcen zu identifizieren, die strukturiertes Handeln ermöglichen und beschränken“ (Wyss 2002, S. 53). Für Giddens ist Organisation reflexive Strukturation. Das heißt, dass Organisationen nur dort bestehen, wo Akteure ihr Handeln auf die Änderung oder Beibehaltung erinnerter oder erwarteter Strukturen ausrichten. Auf der Ebene des Handelns hebt die Theorie Kompetenz und Reflexivität des Handelns sowie die Routinisierung hervor. Auf der Ebene der Strukturen steht der Gedanke im Mittelpunkt, dass es immer wieder reflexiver Handlungen der Akteure bedarf, um Strukturen des Sozialen zu sichern. Folglich sind Handeln und Struktur keine Gegensätze, sondern bedingen sich vielmehr gegenseitig. Dieses Verhältnis begreift Giddens als Rekursivität (vgl. Giddens 31997). Auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen bedeutet dies, dass es sich dabei um qualitätsorientierte organisationale Regeln und Ressourcen der reflexiven Steuerung einer Redaktion handelt (vgl. Wyss 2002, S. 62). Genau das beansprucht das TQM-Konzept dann auch für sich. Die hier in aller Kürze aufgearbeitete theoretische Fundierung hat deutlich gemacht, dass sich das TQM-Konzept sinnvoll auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen lässt.22 Im Folgenden wird – in enger Anlehnung an Wyss – dargestellt, wie das TQM-Konzept ganz konkret auf die qualitätsorientierte Steuerung von Redaktionen übertragen werden kann. Ziel dabei ist es, 21
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Hier wird auf die deutschsprachige, dritte Auflage von 1997 zurückgegriffen. Grundzüge seiner Theorie formulierte Giddens jedoch schon 1984 in der Publikation „The constitution of society“. Für eine ausführliche Herleitung aus der Strukturationstheorie vgl. Wyss 2002, S. 36 ff.
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relevante Normen aus der redaktionellen Praxis zu identifizieren, Chancen und Grenzen des TQM-Ansatzes zu klären. Wyss identifizierte sechs für das redaktionelle Qualitätsmanagement relevante Kategorien: journalistische Qualität, journalistische Qualität als Leitmaxime der Redaktion, Publikumsorientierung, Mitarbeiterorientierung, Prozessorientierung und organisationsexterne Akteure. Auf die verschiedenen Ansätze zur Definition und Operationalisierung journalistischer Qualität wurde bereits in Abschnitt 2.1.2 ausführlich eingegangen. Organisationsexterne Akteure dagegen spielen für diese Arbeit keine Rolle, da mit der empirischen Untersuchung nur erfasst werden kann, wie die Rundfunkanstalten selbst, also innerredaktionell, Qualität managen. Daher kann auf die theoretische Umsetzung dieser Kategorie verzichtet werden. Die übrigen vier Kategorien werden im Folgenden auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen. Journalistische Qualität als Leitmaxime der Redaktion Nach dem TQM-Prinzip, das als obersten Leitwert einer Organisation die Qualität festlegt, heißt das: Die Redaktionsführung muss sich für die ganzheitliche Qualitätsorientierung einsetzen und andere begeistern, dasselbe zu tun. Die Redaktion stellt jedoch nur eine Abteilung innerhalb eines Medienunternehmens dar. Ihre Arbeitsbedingungen wie Personal, Zeit oder Finanzen sind von anderen Abteilungen abhängig. Das bedeutet, dass die Umsetzung des TQM in einer Medienorganisation die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung voraussetzt. Ein viel zitiertes Beispiel aus der Praxis ist die Los Angeles Times. Dort wurde ein Mitarbeiter aus der Marketingabteilung in die Redaktion eingegliedert (vgl. o. V. 1997, S. 65). Diese Form der Zusammenarbeit ist jedoch ambivalent zu beurteilen. Vorteilhaft kann die Zusammenarbeit dann sein, wenn sie der Chefredaktion Zugriff auf qualitätsrelevante Ressourcen ermöglicht. Zum Nachteil wird sie, wenn ökonomische Ziele die Oberhand gewinnen (vgl. Wyss 2002, S. 148). Ob und inwieweit Kostenmanagement allerdings zulasten des Qualitätsmanagements gehen muss, ist umstritten. Heinrich behauptet, dass Kostenwettbewerb23 zu geringerem Qualitätswettbewerb24 führt. Seine These begründet er mit 23
Unter Kostenwettbewerb versteht Heinrich dabei „[z]unehmende Anstrengungen der Anbieter, die sogenannte produktive Effizienz zu steigern, also durch Prozessinnovationen eine effizientere (= billigere) Produktionsweise zu erreichen. Die ist Wettbewerb mit dem Parameter Kosten [...] “ (Heinrich 1996, S. 166).
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Wettbewerbsproblemen im Mediensektor (vgl. Heinrich 1996, S. 166 ff.)25. Meckel dagegen vertritt die Auffassung, dass es keinen Widerspruch zwischen ökonomischem und Qualitätsdenken gibt (vgl. Meckel 1999, S. 133 f.), wie Abbildung 8 zeigt:
Abbildung 8:
24
25
Zusammenarbeit zwischen Chefredaktion und Geschäftsführung, Quelle: Meckel 1999, S. 150
Qualitätswettbewerb definiert Heinrich als „[z]unehmende Anstrengungen der Anbieter, die sogenannte allokative Effizienz zu steigern, also durch Produktinnovationen die Produktqualität immer mehr den Konsumentenpräferenzen anzupassen“ (Heinrich 1996, S. 165). Eine klassische Analyse solcher Wettbewerbsprobleme im Mediensektor findet sich auch bei Beyer/Carl 2004, S. 10 ff. und 51 f. oder Kiefer 1994. Eine umfassende Darstellung zu Marktversagen allgemein bieten Fritsch/Wein/Ewers 62005.
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Dagegen führt fehlender Kostenwettbewerb in Verbindung mit fehlendem Kostenbewusstsein nach Meckel zu Qualitätsverlust. Sie begründet dies mit den sogenannten Opportunitätskosten 26. Vereinfacht gesagt bedeutet das: Was an einer Stelle produziert wird, steht an anderer nicht mehr zur Verfügung. Daher müssten Fernsehsender zwangsläufig eine Reihe von kostengünstigen Sendungen wie z. B. Talkshows oder Wiederholungen im Programm haben, um an anderer Stelle das Geld für kostenintensivere Produktionen wie z. B. Dokumentationen zur Verfügung zu haben. „Kostenbewusstsein heißt daher, in der Regel möglichst günstig zu produzieren, um im Ausnahmefall teuer produzieren zu können, und [das] hat damit sehr viel mit der Schaffung von finanziellen Freiräumen und folglich mit Qualität zu tun“ (Meckel 1999, S. 134). Ob es möglich ist, Kosten- und Qualitätsziele gleichzeitig zu verfolgen, hängt also von der Unternehmensphilosophie und -führung ab. Für die Umsetzung des TQM-Ansatzes ist es erforderlich, dass die Medienorganisation nicht nur auf eine kurzzeitige Gewinnmaximierung abzielt, sondern ihr Kostenmanagement in eine umfassende und langfristige Qualitätsstrategie eingebettet hat. Die Qualitätsorientierung, nicht die Kostensenkung muss Leitmaxime sein (vgl. Wyss 2002, S. 154). Das TQM-Prinzip der ganzheitlichen Qualitätsorientierung kann auch durch Leitbilder untermauert werden (vgl. Malorny 1996, S. 390 f.). Sie sollen zeigen, was mit TQM bezweckt wird (vgl. Wyss 2002, S. 154). Für die Übertragung auf das redaktionelle Qualitätsmanagement bedeutet dies, nachzuweisen, ob und wie sich Ziele des Unternehmens im redaktionellen Leitbild widerspiegeln. So wird gefordert, dass die Redaktionen ihre Politik und Strategie auf der Basis relevanter Informationen wie Marketingdaten oder Benchmarking-Aktivitäten festlegen, regelmäßig aktualisieren und inner- wie außerhalb des Unternehmens bekannt machen. Darüber hinaus soll festgestellt werden, ob und inwiefern die Mitarbeiter darüber informiert sind. Solche redaktionellen Leitbilder können bestehen aus „Code of Conducts“, Ethik-Codes, Redaktionsstatuten, redaktionellen Konzepten mit entsprechenden publizistischen Grundsätzen oder anderen Richtlinien, die institutionalisierte Selbstverpflichtungen enthalten (vgl. Wyss 2002, S. 155 f.). Sie können helfen, Medienunternehmen im Sinne der festgelegten Ziele zu steuern. Darüber hinaus sollen sie Mitarbeiter motivieren und Unsicherheiten über berufskulturelle Verpflichtungen mindern (vgl. Saxer/Ganz-Blättler 1998). 26
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Opportunitätskosten in der Mikroökonomik als „Alternativkosten; entgangene Erträge oder Nutzen im Vergleich zu einer besseren Handlungsperspektive“ (Hadeler/Arentzen 152000, S. 2319).
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Redaktionelle Leitbilder können jedoch nicht unabhängig von den Ressourcen einer Redaktion betrachtet werden. So macht es beispielsweise nur dann Sinn, investigativen Journalismus im Leitbild festzuschreiben, wenn auch ein entsprechendes Redaktions- und Recherchesystem vorhanden ist (vgl. Wyss 2002, S. 156). Malorny weist darauf hin, dass Leitbilder nur dann ihre Funktion erfüllen, „wenn die Grenzüberschreitung mit aller Deutlichkeit geahndet wird“ (Malorny 1996, S. 540). Eine weitere Maßnahme der Führung, um das TQM-Prinzip in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern, stellen Lohnleistungssysteme dar. Mitarbeiter werden gemäß ihrer Leistung bezahlt (vgl. Wyss 2002, S. 159). Diese Maßnahme ist häufig in nordamerikanischen Redaktionen zu finden, bringt jedoch die Problematik mit sich, herkömmliche Leistungsmesssysteme auf eine Redaktion zu übertragen (vgl. Wyss 2002, S. 159). So erscheint es ungeeignet, die Leistung am bloßen Output eines Journalisten festzumachen, denn dieser kann je nach Tätigkeit – investigativer Reporter oder Nachrichtenjournalist – erheblich variieren. Über die Qualität der Arbeit ist mit diesem Messsystem ebenfalls noch nichts gesagt (vgl. Picard 1998, S. 76 ff.). Picard schlägt daher vor, die Produktivität der journalistischen Arbeit zu messen, und nennt dafür Tätigkeiten wie die Vereinbarung von Gesprächsterminen oder die Teilnahme an Mitarbeitertreffen (vgl. Picard 1998, S. 77 ff.). Doch auch komplexere Beurteilungsvarianten werden von Reportern wie vorgesetzten Redakteuren als unzulänglich kritisiert, wie Neumann (1997) für die Seattle Times herausgefunden hat. Hier wurden bei der leistungsabhängigen Prämienbezahlung die Bereiche „professional skills“ (handwerkliche Fertigkeit, Planerfüllung, Produktivität), „work habits“ (soziale Kompetenz, Kollegialität, Folgsamkeit) und „enterprise“ (persönlicher Einsatz und der Wille zur Weiterbildung) berücksichtigt (vgl. Neumann 1997, S. 183 f.). Publikumsorientierung Kundenorientierung ist ein zentraler Punkt im TQM-Modell. Denn Qualität wird als Erfüllung der Kundenanforderungen definiert (vgl. Schildknecht 1992, S. 98). Auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen bedeutet dies, dass die Bedürfnisse des Publikums zu erheben, zu erkennen und schließlich auch zu erfüllen sind. Das Programm soll nicht an den Rezipienten vorbei gestaltet werden. Das hört sich einfach an, doch in der Umsetzung bereitet diese Forderung Schwierigkeiten. Denn den einen Kunden gibt es im Journalismus nicht.
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Medienunternehmen setzen ihre Angebote sowohl auf dem Publikums- als auch auf dem Werbemarkt ab (vgl. u. a. Beyer/Carl 2004, S. 87 f.). Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist das Publikum die zentrale Anspruchsgröße journalistischen Handelns. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht dagegen spielt es nur indirekt eine Rolle – über die Reichweite zur Refinanzierung der Medieninhalte (vgl. Karmasin 1998, S. 230). Diese beiden Sichtweisen spiegeln sich auch in den verschiedenen Definitionen des Medienpublikums wider (vgl. u. a. Bonfadelli/Meier 1996, S. 5 ff.). In der medienökonomischen Forschung wird auch die Auffassung vertreten, dass sich Medien in ihrem Handeln in erster Linie an der werbetreibenden Wirtschaft ausrichten. Heinrich begründet dies damit, dass das Publikum die Qualität journalistischer Produkte weder vor oder während noch nach dem Kauf ausreichend bewerten kann (vgl. Heinrich 1999, S. 39 ff.). Er argumentiert zudem, dass die werbetreibende Wirtschaft – im Gegensatz zum Publikum – eher in der Lage ist, ihre Wünsche organisiert zu formulieren (vgl. Heinrich 1996, S. 174). Nicht zuletzt werden Defizite auf dem Werbeträgermarkt effektiver sanktioniert als auf dem Publikumsmarkt (vgl. Bonfadelli/Meier 1996, S. 10). Die Umsetzung des TQM-Prinzips zwingt die Redaktionen dazu, ihren eigenen Kundenbegriff zu definieren und Publikum und Werbewirtschaft nach ihrer Wichtigkeit als zentrale Anspruchsgröße zu erfassen (vgl. Wyss 2002, S. 177). Wenn eine Redaktion das Publikum als zentrale Anspruchsgröße identifiziert, muss sie den Publikumsbegriff weiter konkretisieren. Hier kommt das redaktionelle Marketing zum Zuge, das versucht, die Bedürfnisse und Wünsche des (potenziellen) Publikums mit nachvollziehbaren Methoden zu erheben, zu erkennen und schließlich auch umzusetzen (vgl. Siegert 2000, Rager/SchäferDieterle/Weber 1994). Ruß-Mohl sah vor über zehn Jahren im redaktionellen Marketing eine unabdingbare, zukunftsweisende Praxis: „Die Publikums- und Medienforschung horcht Leser, Hörer und Zuschauer regelmäßig aus und versucht, ihre Gewohnheiten und Verhaltensmuster zu erfassen und zu prognostizieren. So wie sich schon heute im Anzeigen- und Werbegeschäft kaum etwas ohne genaue Zielgruppenkenntnis bewegt, so wird es sich auf sich ausdifferenzierenden Medienmärkten künftig kaum noch eine Redaktion leisten können, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Publika nicht zu kennen und nicht ernst zu nehmen“ (Ruß-Mohl 1992, S. 105).
Rau stellt Jahre später fest, dass redaktionelles Marketing in deutschen Redaktionen noch nicht seinen Niederschlag gefunden habe. Er macht „den noch immer fehlenden Leidensdruck unter Journalisten“ (Rau 2000, S. 249) hierfür als Ursache aus. Rau traf seine Feststellung jedoch vor der sogenannten Medienkrise. Zumindest der Leidensdruck der Journalisten dürfte sich seitdem erhöht haben.
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Die systematische und konsequente Publikumsorientierung wird nicht von allen gutgeheißen, sondern zieht auch Kritik auf sich. So wird befürchtet, dass ökonomische Prinzipien journalistische Qualität und Professionalität dominieren (vgl. Gaziano/McGrath 1987, S. 332). Außerdem kann sie mit der journalistischen Autonomie und Unabhängigkeit kollidieren: „Dadurch, dass in Medienorganisationen Daten der Publikumsforschung so bereitgestellt werden, wie es die Werbewirtschaft fordert, (re-)produzieren sie die Legitimationsordnung, in der Publikumsorientierung als ökonomische Notwendigkeit aufgefasst wird. Dass Kriterien, die der mächtigen Werbewirtschaft nichts nützen, aufgenommen und berücksichtigt werden, scheint somit als eher unwahrscheinlich“ (Wyss 2002, S. 176).
Schließlich hat der Ansatz des redaktionellen Marketings auch Konsequenzen für den Umgang mit autoritativen und allokativen Ressourcen (vgl. Wyss 2002, S. 176). Grundvoraussetzung für Schlussfolgerungen aus der Publikumsforschung ist jedoch – und das sei betont –, dass Daten über Publikumsinteressen, bedürfnisse und -zufriedenheit überhaupt vorhanden und den Redaktionsmitgliedern zugänglich sind (vgl. Wyss 2002, S. 177).
Mitarbeiterorientierung Ein weiterer wesentlicher Stützpfeiler des TQM ist die Mitarbeiterorientierung. Dabei spielen Personalplanungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle. Im Journalismus sind diese umso bedeutender, da hier die einzelnen Mitarbeiter einen vergleichsweise großen Gestaltungsspielraum haben, wie Deters (2000) betont: „Die Nutzung von Human Ressourcen wird zum entscheidenden und zugleich kritischen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung, der Mensch ist die Schlüsselressource jeder Organisation. Denn: die Produkte von Medienunternehmen [...] kommen alle aus den Köpfen von Menschen und nicht aus Maschinen, sie leben von der Kreativität, dem Engagement und der Begeisterung aller Mitarbeiter“ (Deters 2000, S. 93).
Wyss ergänzt, dass „journalistische Entscheidungen nicht für jeden Fall vorfixiert sind, zum großen Teil auf Vertrauen basieren, spontan koordiniert ablaufen, nicht kleinteilig in einzelne Arbeitsschritte zerlegt werden können und journalistische Handlungen trotz starker Routinisiertheit durch einen hohen Grad an Unsicherheit gekennzeichnet sind“ (Wyss 2002, S. 179). Eine wesentliche Aufgabe der Personalplanung liegt daher darin, eine Redaktion mit der richtigen Quantität und Qualität von Mitarbeitern zu versorgen. Die Medienunternehmen können dabei die geeignetsten Kandidaten durch ver-
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schiedene Personalmarketinginstrumente wie Praktika oder die Zusammenarbeit mit Hochschulen auf sich aufmerksam machen und für sich gewinnen (vgl. Deters 2000, S. 97 f.). Deters hat sich ausführlich mit dem Personalmanagement und seiner Bedeutung für Medienorganisationen beschäftigt. Er definiert Personalentwicklung als „die Summe aller Maßnahmen, die [...] der Ermittlung, Erhaltung und der Förderung/Vermittlung der zur optimalen Wahrnehmung der jetzigen und künftigen Aufgaben erforderlichen [...] Qualifikationen und Leistungs-/Eignungspotenziale der Mitarbeiter dienen“ (Deters 2000, S. 108).
Neben der Personalrekrutierung ist damit die Aus- und Weiterbildung eine wesentliche Aufgabe des Personalmanagements. Denn eine „Spezies überlebt nur, wenn ihre Lerngeschwindigkeit zumindest so groß ist, wie die Änderungsgeschwindigkeit der Umwelt“ (Deters 2000, S. 107). Auch Mitarbeitergespräche sind wesentlicher Bestandteil der Mitarbeiterorientierung. In regelmäßigen Gesprächen zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, meist monatlich oder jährlich, sollen Ziele gesetzt und überprüft werden. Zum einen fördern solche Zielvereinbarungsgespräche die Orientierung der Mitarbeiter an den Unternehmenszielen (vgl. Deters 2000, S. 105). Zum anderen sind sie Teil der Evaluation des Soll-ist-Vergleichs (vgl. Buß/Gumbl 2000, S. 195). So werden beim WDR Sendungen auf der Grundlage von Zielvereinbarungsgesprächen, die mit den zuständigen Redakteuren vereinbart wurden, evaluiert (vgl. Tebert 2000). Ähnliche Programmbewertungen führen der hr (vgl. Metzger/Oehmichen 2000) und der SWR (vgl. Buß-Gumbl 2000) durch. Kritiker wenden jedoch ein, dass Zielvereinbarungsgespräche zwar eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für qualitative Verbesserungen sind. Denn oft werde vernachlässigt, wie die Ziele erreicht werden: „Spielt es keine Rolle, wie Ziele erreicht werden, kann es nach dem Stand der Qualitätswissenschaft zu keinem TQM-geführten Unternehmen kommen, da letztlich die Prozessqualität ausgeblendet wird“ (Malorny 1996, S. 429). Nach der TQMPhilosophie wird daher gefordert, dass nicht nur die Zielerreichung überprüft wird, sondern die Mitarbeiter auch in die Formulierung der Ziele eingebunden werden. Aus strukturationstheoretischer Perspektive sollen die Mitarbeiter die Bedingungen der Existenzsicherung ihres Unternehmens kennen, um mit ihrem Handeln die Reproduktion des Unternehmens gezielt zu steuern (vgl. Wyss 2002, S. 185). Nicht zuletzt sind Redaktionsstatuten ein zentrales Instrument des Qualitätsmanagements, das der Mitarbeiterorientierung förderlich ist. Redaktionsstatute regeln die Rechtsstellung von Journalisten innerhalb ihrer Medienorganisation.
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Sie sichern ihnen Freiraum gegenüber politischen und wirtschaftlichen Interessen ihres Arbeitgebers und Dritter zu. Man spricht in diesem Kontext auch von innerer Pressefreiheit, die den Redaktionen Mitbestimmung bei Entscheidungen in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zusichert (vgl. Branahl 1994, S. 143 f.). Riklin versteht unter Redaktionsstatuten Regelsysteme, die im Wesentlichen die folgenden Bestandteile beinhalten: publizistische Grundhaltung, Zielvorstellung und Profil der Zeitung, Tendenzschutz oder Rahmenkompetenz des Verlegers, Regelung der Mitwirkungsrechte der Redaktionsmitglieder, Mitsprache auch in personellen Fragen etwa bei der (Ab-)Berufung der Chefredaktion, Informationspflichten seitens des Verlags bei wichtigen Entscheidungen und Verfahren zur Konfliktregelung bei Streitfällen (vgl. Riklin 1996, S. 80). Redaktionsstatuten wurden in vielen Fällen eingeführt, um zu verhindern, dass mit dem Wechsel der Eigentumsverhältnisse eines Verlags ein Richtungswechsel der Zeitung verbunden ist (vgl. u. a. Branahl 1994, S. 145). Häufig haben Redaktionsstatute – entgegen der normativen Setzung – in der Praxis aber nur einen geringen Stellenwert (vgl. u. a. Branahl 1994, S. 153). Wyss merkt an, dass Redaktionsstatute angesichts der im TQM-Modell proklamierten Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung auch ihre ursprüngliche Funktion der Trennung dieser Bereiche verloren zu haben scheinen. „Redaktionsstatuten könnten aber in einer ‚modernen‘ Auflage als Regelungsinstrumente aufgefasst werden, die die im TQM-Ansatz viel gepriesene Mitarbeiterbestimmung und -einbeziehung formal regeln“ (Wyss 2002, S. 188).
Prozessorientierung Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen des Qualitätsmanagements betont das TQM vor allem den Prozesscharakter. An dieser Stelle können nicht alle qualitätsrelevanten Prozesse des redaktionellen Qualitätsmanagements berücksichtigt werden, denn die Liste ist zu lang. Deshalb wird – in Anlehnung an Wyss (2002) – exemplarisch auf den Kernprozess der Recherche eingegangen. Darüber hinaus werden zentrale Sicherungsinstrumente vorgestellt, die zur Planung, Kontrolle und Prävention redaktioneller Prozesse eingesetzt werden. Hauptsächlich sind das Beitragsabnahmen, Redaktionskonferenzen, auf denen über journalistische Qualität gesprochen wird, und Sendekritiken. Redaktionellem Qualitätsmanagement kommt in Bezug auf die Recherche die Aufgabe zu, den Prozess qualitätsorientiert zu steuern. Wyss identifiziert dabei drei Stufen der Steuerung:
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„Dem Recherchierjournalismus wird zunächst eine zentrale Bedeutung hinsichtlich journalistischer Qualität zugewiesen. Zudem wird das Konzept des Recherchierjournalismus (z. B. im Sinne des investigativen Journalismus) regelmäßig als Norm bei der Rechtfertigung und Beurteilung journalistischer Leistungen herangezogen. Schließlich werden die für die Durchführung von Recherchierarbeiten notwendigen autoritativen (Zuständigkeiten, technisch Apparaturen etc.) und allokativen (Budget) Ressourcen bereitgestellt [...] “ (Wyss 2002, S. 191).
In mehreren empirischen Studien wurde jedoch immer wieder auf die mangelnden strukturellen Bedingungen der Recherche wie beispielsweise Zeit- und Ressourcenknappheit hingewiesen (vgl. u. a. Esser 1998, S. 116 f.; Müller-Gerbes/ Rager/Werner 1992). Zudem fand Donsbach heraus, dass deutsche Journalisten weit weniger Zeit für die Recherche verwenden als ihre angelsächsischen Kollegen (vgl. Donsbach 1993, S. 146 ff.). Esser führt dies darauf zurück, dass sich in Deutschland, wie erwähnt, die spezialisierte Rolle des Reporters im Gegensatz zu dem im angelsächsischen Raum nie durchgesetzt hat (vgl. Esser 1999). Definitionen der Recherche betonen in erster Linie den Quellenaspekt: „Das Recherchieren ist im engeren Sinne ein Verfahren zur Beschaffung und Beurteilung von Aussagen über reale Geschehen, die ohne dieses Verfahren nicht preisgegeben, also nicht publik würden. Im weiteren Sinne ist es ein Verfahren zur Rekonstruktion erfahrbarer, d. h. sinnlich wahrgenommener Wirklichkeit mit dem Mittel der Sprache“ (Haller 62004, S. 5).
Haller teilt die Recherche in sechs Teilschritte ein und unterstreicht damit ihren Prozesscharakter: „1. Schritt: Relevanz einschätzen; wie wichtig und interessant ist das Ereignis/das Thema? 2. Schritt: Überprüfen der eingegangenen Informationen mittels Quellenkontrolle und Faktenkontrolle. 3. Schritt: Erweitern der Sachverhaltsinformationen zur Erhöhung der Informationsdichte und zur Beschaffung des Umfelds (Zusammenhang). 4. Schritt: Hypothesenbildung über Ursachen und Folgen; über Verantwortliche; über Urteile und Beurteilungen von Vorgängen. 5. Schritt: Hypothesenüberprüfung zur Bestätigung, Widerlegung resp. Modifizierung der Ausgangshypothese. 6. Schritt: Abfassen des Textes als Meldung, Bericht, Hintergrund, Feature, Report“ (Haller 62004, S. 84; Hervorhebungen im Original).
Aufgrund dieser Zwischenschritte beim Rechercheprozess geht auch Wyss davon aus, dass sich das TQM-Prinzip der Prozessorientierung auf den Recherchevorgang übertragen lässt (vgl. Wyss 2002, S. 195). So ist der PDCA-Zyklus (vgl. Abschnitt 2.2.2) auch bei der Recherche zu beachten. Danach durchläuft jeder Teilschritt die Planungs-, Durchführungs-, Kontroll- und Standardisierungsphase. Wyss konkretisiert die Planungsphase: Hier spielen Regeln, Normen und Ressourcen eine wichtige Rolle. So orientiert sich die Planung an einem be-
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stimmten Ziel, beispielsweise den Publikumspräferenzen. Zudem beeinflussen autoritative und allokative Ressourcen den Planungsprozess, da geklärt werden muss, ob sie in ausreichendem Maße vorhanden bzw. ob entsprechende Zuständigkeiten geklärt sind. Schließlich sind auch organisationsspezifische und professionelle Normen zu berücksichtigen, wie etwa die, dass versteckte Mikrofone verboten sind (vgl. Wyss 2002, S. 195). Wie die Recherche und andere qualitätsrelevante Prozesse kontrolliert werden, hängt von den Organisationsprinzipien einer Redaktion ab (vgl. Esser 1998, S. 432). So unterscheiden sich angelsächsische und deutsche Zeitungsredaktionen27 traditionell bezüglich ihrer Strukturen. Während der angelsächsische Newsroom prinzipiell eine Trennung zwischen Reporter und Redakteur vorsieht, überlappen sich diese Rollen in deutschen Redaktionen (vgl. Esser 2000, S. 119 f.). Donges und Jarren untersuchten in einer Fallstudie der Berichterstattung der Landespolitik durch Hörfunk und Fernsehen in Hamburg die Redaktionsstrukturen öffentlich-rechtlicher und kommerzieller Sender im Vergleich. Sie fanden heraus, dass in kommerziellen Sendern die Ressortstrukturen und damit die inhaltlichen Zuständigkeiten weniger differenziert sind. Daraus folgern sie, „dass durch das Fehlen fester Redaktionsstrukturen und dauerhafter, interner Regelungsmechanismen die redaktionelle Autonomie und Einheit verloren gehen kann, die als wichtige Bestandteile publizistischer Qualität, aber auch als Sicherungsmechanismus [...] gelten müssen“ (Donges/Jarren 1997, S. 198).
Die genannten Organisationsprinzipien einer Redaktion wirken sich auf das Qualitätsmanagement aus. So konnten Donsbach und Patterson in einer internationalen Journalistenbefragung nachweisen, dass in deutschen Redaktionen die redaktionelle Kontrolle durch Kollegen am geringsten ausgeprägt ist (vgl. Donsbach/Patterson 1992). Auch Esser stellt fest, dass in deutschen Zeitungsredaktionen das Gegenlesen mangelhaft entwickelt ist. Es wird häufig – wenn überhaupt – von Kollegen derselben Hierarchiestufe übernommen sowie als lästig und konfliktreich empfunden (vgl. Esser 1998, S. 434). Daher folgert Wyss, dass auf den ersten Blick das angelsächsische, arbeitsteilige Modell die Qualität besser sichert. „Die Vorteile sind offensichtlich: Neben der Systematisierung des Redigier- und Qualitätsprozesses gewährleistet das angelsächsische Spezialisierungs-Modell einen größeren Anteil an Eigenrecherche“ (Wyss 2002, S. 202 f.). Aber auch dieses Modell hat Schwächen in Bezug 27
Die Beobachtungen und internationalen Vergleiche von Esser (1998; 2000) beschränken sich auf Zeitungsredaktionen. Sie werden hier trotzdem aufgeführt, da empirische Studien für elektronische Medien, insbesondere für das Fernsehen, seltener und weniger ausführlich sind.
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auf das Qualitätsmanagement. So weist Esser darauf hin, dass im angelsächsischen Produktionsablauf durch die Vielzahl von Kontrollen Entscheidungen weit entfernt vom eigentlichen Ereignis getroffen werden. Dadurch kann es passieren, dass Redakteure Fehler in vorher richtige Berichte „hineinkorrigieren“ (vgl. Esser 2000, S. 121). Zudem führt die starke Arbeitsteilung dazu, dass die Motivation einzelner Redakteure aufgrund immer gleicher Tätigkeiten abnimmt (vgl. Moss 1998, S. 114) und ihre Identifikation mit dem Endprodukt sinkt (vgl. Neumann 1997, S. 237 f.). Wyss sieht die redaktionelle Teamorganisation als Möglichkeit, die Vorteile beider Organisationsprinzipien zu verbinden (vgl. Wyss 2002, S. 210). Teamorganisation, im TQM-Ansatz als fortschrittlich bezeichnet, ist in deutschen Redaktionen noch nicht weit verbreitet. Sie wird dann eingesetzt, wenn Themen nicht mehr in den klassischen Ressortstrukturen bewältigt werden können. Das gilt insbesondere, „um komplexe Querschnittsthemen, aber auch – bei gesteigertem Aktualitätsdruck – komplexe Einzelthemen in einer anspruchsvollen Weise präsentieren zu können“ (Weischenberg/Altmeppen/Löffelholz 1994, S. 158). Ob Teamarbeit tatsächlich für den Produktionsablauf in Redaktionen geeignet ist, kann noch nicht gesagt werden, da bislang zu wenige Erfahrungen vorliegen (vgl. Wyss 2002, S. 205). Redaktionskonferenzen sind eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente, um journalistische Qualität zu sichern (vgl. Wyss 2002, S. 205), und sie sind in den meisten Redaktionen Usus. Dabei kommen ihnen verschiedene Funktionen zu – von der Themenplanung über die Personalkoordination bis zur Kritik und Kontrolle (vgl. Wyss 2002, S. 205). Weber (1994) hat Redaktionskonferenzen nach zeitlichen und inhaltlichen Kriterien strukturiert: Routine-Redaktionskonferenzen, Wochenkonferenzen und Grundsatzkonferenzen. Routine-Redaktionskonferenzen finden täglich statt. Auf ihnen wird entschieden, welche Themen wie und von wem bearbeitet werden. Zudem wird in der Regel die zurückliegende Sendung besprochen. Auf Wochenkonferenzen plant die Redaktion dagegen langfristige Themen und diskutiert ausführlicher über Qualitätsfragen als auf den täglichen Konferenzen. Die Grundsatzkonferenz schließlich findet in längeren Abständen, z. B. einmal im Jahr statt. Sie dient der strategischen Ausrichtung und bietet Zeit und Raum, das redaktionelle Konzept zu diskutieren (vgl. Weber 1994, S. 109 f.). Von den verschiedenen Funktionen der Redaktionskonferenzen ausgehend folgert Weber, dass sie auch als Qualitätszirkel aufgefasst werden können, da in ihnen gleichzeitig Fehlerprävention und Qualitätskontrolle betrieben werden (vgl. Weber 1994, S. 110). Altmeppen hat Redaktionskonferenzen bei privaten Rundfunksendern beobachtet und betont dabei vor allem ihre Funktion der Wertevermittlung:
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Redaktionelles Qualitätsmanagement „Vor dem Hintergrund der vage und nicht schriftlich formulierten journalistischen Grundsätze der Redaktion und der unbestimmten und daher nur schwierig zu konkretisierenden Ziele des Senders [...] vergewissern sich die Journalistinnen und Journalisten bei den privatkommerziellen Sendern in den Konferenzen der geteilten Werte, Auffassungen und Ansichten“ (Altmeppen 1999, S. 157).
Meckel fand in Gesprächen mit Chefredakteuren jedoch heraus, dass Redaktionskonferenzen in der Praxis oft unter „Zeitmangel, fehlender Stringenz und Konzentration sowie unter Kommunikationsbarrieren leiden“ (Meckel 1999, S. 120), so dass die qualitätssichernde Funktion abnimmt. Sie stellt daher Regeln für die Durchführung von Redaktionskonferenzen auf: Sie sollen vorbereitet, zeitlich befristet und in ihrem Ablauf geplant sein. Zudem sollen sie moderiert werden, wobei die Wahrnehmung dieser Aufgabe wechseln kann (vgl. Meckel 1999, S. 122 f.). In die Redaktionskonferenz integriert sind meist Sendekritiken, die die Verständigung über journalistische Qualitätsziele fördern und Abweichungen sanktionieren sollen. Zum anderen werden dadurch qualitätsrelevante Normen aktualisiert und es wird auf diese Weise redaktionelles Handeln gesteuert (vgl. Wyss 2002, S. 208). „Der Output der Kritik (z. B. die Bestätigung von Qualitätsstandards) geht als neuer Input im Sinne von Handlungsanweisungen in künftige redaktionelle Praktiken ein. Blatt- und Sendekritiken entsprechen dann auch dem TQM-Prinzip der ‚Fehlerverhütung statt Fehlerkorrektur‘“ (Wyss 2002, S. 208).
Sendekritiken werden in der Literatur von vielen Autoren als zentrales Instrument der Qualitätssicherung angesehen (vgl. u. a. Meckel 1999, S. 51; Moss 1998, S. 179; Hienzsch 1990, S. 146 f.). Die Praxis bekommt dagegen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Schlüter stellt fest, dass die Kritik in den meisten Redaktionen aufgrund des Zeitdrucks zu kurz kommt (vgl. Schlüter 1995, S. 2).28
28
Schlüter bezieht sich auf die Blattkritik bei Zeitungen. Es kann jedoch vermutet werden, dass dieses Manko auch beim Fernsehen besteht.
Redaktionelles Qualitätsmanagement
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2.2.4 Zusammenfassung und Ausblick auf die Empirie Die Relevanz des TQM-Prinzips für das redaktionelle Qualitätsmanagement ist plausibel, da es „nicht ausschließlich den restriktiven Charakter von Strukturen betont, sondern darauf zielt, strukturelle Bedingungen zu schaffen, die eine qualitätsorientierte Produktion und somit journalistische Freiräume und Kreativität ermöglichen“ (Wyss 2002, S. 29).
Im vorangegangenen Kapitel wurden vor dem Hintergrund strukturationstheoretischer Überlegungen und in enger Anlehnung an Wyss (2002) die TQMPrinzipien der Ganzheitlichkeit, Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- und Gesellschaftsorientierung auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen. Das TQM-Prinzip der Ganzheitlichkeit weist der Führung einer Organisation die Hauptverantwortung für das Qualitätsmanagement zu. Übertragen auf die journalistische Qualitätssicherung bedeutet dies, dass auch hier die Geschäftsführung in die Pflicht genommen werden muss. Die Umsetzung des Prinzips der Ganzheitlichkeit gestaltet sich in Medienorganisationen jedoch besonders schwierig, da die Redaktionen nur eine Abteilung unter mehreren sind. Sie sind bei der Erfüllung ihrer qualitätsrelevanten Aufgaben von anderen Abteilungen, insbesondere der Geschäftsführung, abhängig. Redaktionelles Qualitätsmanagement setzt also eine gewisse Zusammenarbeit von Geschäftsführung und Redaktionen voraus, um Zugriff auf Ressourcen zu bekommen. Allerdings darf sich die Zusammenarbeit nicht zugunsten einer Kostensenkung auflösen. Qualität muss oberste Leitmaxime auf beiden Seiten sein. Auch bei der Umsetzung des TQM-Prinzips der Kundenorientierung auf Redaktionen treten Schwierigkeiten auf. Denn den einen Kundenbegriff gibt es nicht. Medienorganisationen setzen ihre Angebote zum einen auf dem Werbemarkt ab und verkaufen sie zum anderen auf dem Publikumsmarkt. Während aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Werbekunden zentrale Anspruchsgruppe sind, ist es aus kommunikationstheoretischer Sicht das Publikum. Die Bedeutung der Publikumsorientierung zeigt sich in der zunehmenden Bedeutung redaktionellen Marketings, das Publikumszufriedenheit zur obersten Leitmaxime erklärt. Mit dem Prinzip der Mitarbeiterorientierung betont das TQM-Modell die Handlungsperspektive. Es verdeutlicht, dass qualitätssichernde Strukturen von Redaktionen auch tatsächlich angewendet werden müssen. Als qualitätssichernde Maßnahmen wurden Personalmanagement und -entwicklung, Zielvereinbarungsgespräche und Redaktionsstatuten identifiziert. Auch das TQM-Prinzip der Prozessorientierung lässt sich sinnvoll auf das redaktionelle Qualitätsmanagement übertragen. Dabei sollen qualitätsrelevante Prozesse als solche bestimmt und ständig verbessert werden. Als Kernprozess
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Redaktionelles Qualitätsmanagement
journalistischer Produktion wurde die Recherche angeführt. Daneben stehen dem redaktionellen Qualitätsmanagement Beitragsabnahmen, Sendekritiken und Redaktionskonferenzen als Möglichkeiten zur Verfügung, qualitätsrelevante Prozesse im Hinblick auf festgelegte Ziele zu steuern. Diese Übertragung des TQM-Modells auf Redaktionen hat gezeigt, dass das redaktionelle Qualitätsmanagement im Hinblick auf die empirische Analyse operationalisierbar ist. Im empirischen Teil (Kapitel 6) soll anhand der identifizierten qualitätssichernden Maßnahmen die eingangs formulierte Forschungsfrage beantwortet werden.
3 Videojournalismus
Nachdem im vorherigen Kapitel das theoretische Grundgerüst des redaktionellen Qualitätsmanagements entwickelt wurde, wenden wir uns nun dessen inhaltlicher Seite zu. Zunächst wird ein Überblick über das Thema Videojournalismus gegeben. Anschließend wird auf den Ist-Zustand des Videojournalismus in den zehn ARD-Anstalten eingegangen (vgl. Abschnitt 3.2). Dieses Kapitel legt die Basis, um danach Hypothesen zu entwickeln (vgl. Kapitel 4).
3.1 Diskussion Da hierzu bislang kaum wissenschaftliche Publikationen (Abschnitt 3.1.1) vorliegen, wird zudem die Praktikerliteratur (Abschnitt 3.1.2) dargestellt und auf die Diskussion in der Fach- und Medienpresse (Abschnitt 3.1.3) eingegangen. Ziel ist es, eine möglichst umfassende Beschreibung des Berufsbildes sowie seiner Stärken und Schwächen zu geben, um erste Hinweise für die anschließende Untersuchung des redaktionellen Qualitätsmanagements zu erhalten.29
29
Der Stand der Forschung wird dabei bewusst nach Autoren geordnet referiert. Die Alternative, schon an dieser Stelle die Diskussion nach den Aspekten des TQM-Modells zu strukturieren, wurde aus zwei Gründen verworfen. Zum einen hätten alle Studien zerstückelt werden müssen, was ihren Gesamtansatz ausgeblendet hätte. Zum anderen wären einige Aspekte von Anfang an durch das Raster gefallen. Gerade das sollte aber bei einem qualitativen Untersuchungsansatz vermieden werden. Um dennoch eine inhaltliche Strukturierung zu bieten, auf deren Basis weitergearbeitet werden kann, werden in der Zusammenfassung (vgl. Abschnitt 3.1.4) Chancen und Gefahren des Videojournalismus klar aufgezeigt. Dies bildet die Ausgangslage für die anschließende Bildung von Hypothesen (vgl. Kapitel 4), die dann nach den Aspekten des TQMModells strukturiert sind.
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3.1.1 Stand der Forschung Im Folgenden wird größtenteils auf studentische Abschlussarbeiten zurückgegriffen, da bisher kaum wissenschaftliche Monografien oder Sammelbände vorliegen, die sich mit dem Thema Videojournalismus beschäftigen. Problematisch ist das insofern, als diese Diplomarbeiten und Dissertationen teilweise erhebliche methodische Mängel aufweisen, die ihre Gültigkeit einschränken. Um den Forschungsstand umfassend zu präsentieren, werden sie hier dennoch genannt, jedoch wird auf diese Defizite aufmerksam gemacht. Die Diplomarbeit von Lorenzkowski (1995) ist die erste recherchierbare wissenschaftliche Publikation zum Thema Videojournalismus. Die Absolventin der Universität Dortmund befasst sich darin mit der Praxis des Videojournalismus in deutschsprachigen Ballungsraumsendern. Mit dem Methodenmix Leitfadeninterview, schriftliche Befragung und passiv-teilnehmende Beobachtung30 untersucht sie Redaktionsstrukturen und Ausbildungskonzepte des deutschen Senders Hamburg 1 und der schweizerischer Sender TeleZüri und TeleBärn. Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Videojournalismus Revolution und Katastrophe zugleich ist. So bezeichnet sie Videojournalisten 31 als Revolution, weil sie „schneller und effizienter [arbeiten] als traditionelle Fernsehteams; sie produzieren Beiträge mit einer persönlichen Handschrift und aus einem Guss; sie machen eine aktuelle und professionelle Fernsehberichterstattung möglich“32 (Lorenzkowski 1995, S. 126). Eine Katastrophe hingegen sieht sie in der Ausbildung der Videojournalisten: „Sie beherrschen weder die journalistischen noch die techni30
31
32
Lorenzkowski führte Leitfadengespräche mit den Programmleitern und Ausbildungsredakteuren der drei untersuchten Sender. Aufbauend auf diese Ergebnisse konzipierte sie einen Fragebogen, den sie an Videojournalisten verteilte. Schließlich beobachtete sie vier Videojournalisten jeweils einen Tag lang (vgl. Lorenzkowski 1995, S. 43). Lorenzkowski verzichtet in ihrer Arbeit auf eine Definition der Begriffe Videoreporter und Videojournalist und verwendet sie synonym. Außerhalb des wörtlichen Zitates wird hier immer der Begriff Videojournalist verwendet, da die Mitarbeiter der drei untersuchten Sender in erster Linie Beiträge erstellen. Dennoch weicht ihre Arbeitsweise leicht von der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definition eines Videojournalisten ab. Denn nur die Videojournalisten bei Hamburg 1 schneiden ihre Beiträge auch selbst (vgl. Lorenzkowski 1995, S. 55). Bei TeleZüri (vgl. Lorenzkowski 1995, S. 61) und TeleBärn (vgl. Lorenzkowski 1995, S. 67) wird der Schnitt von einem Cutter umgesetzt. Hier führt die sorglose Undifferenziertheit zwischen Videoreportern und Videojournalisten zu konkreten inhaltlichen Implikationen. Denn gerade in der Tagesaktualität kann ein Unterschied vermutet werden – je nachdem, ob ein Videoreporter nur selbst dreht und anschließend die Vorteile der Arbeitsteilung nutzt oder ein Videojournalist auch noch am Laptop selbst schneidet.
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schen Seiten ihrer Arbeit; sie lassen den Qualitätsstandard von Fernsehbeiträgen ins Bodenlose absinken.“ (Lorenzkowski 1995, S. 126) Technisches Geschick, ein Gespür für gute Bilder und eine hohe Belastbarkeit zeichnen nach Lorenzkowskis Untersuchung einen guten Videojournalisten aus. Darüber hinaus fand sie heraus, dass Sender bei der Auswahl von VJBewerbern Wert auf journalistische Erfahrung legen, „denn Videoreporter, die nicht einen ihrer drei Berufe – den des Journalisten, des Kameramannes und des Tontechnikers – hinlänglich beherrschten, würden im anstrengenden journalistischen Tagesgeschäft schnell an ihre Grenzen stoßen“ (Lorenzkowski 1995, S. 127). Vorteile sehen die Videojournalisten der untersuchten Sender in der Kreativität und der Autonomie ihrer Arbeit. Nachteilig beurteilen sie die Doppelbelastung beim Drehen, die sich auf den Inhalt der Beiträge auswirke (vgl. Lorenzkowski 1995, S. 127). Problematisch schätzen die Videojournalisten auch das Arbeiten unter Zeitdruck ein. Dafür machen sie allerdings nicht die technikgeprägte Arbeitsweise, sondern die personelle Unterbesetzung der Redaktionen verantwortlich (vgl. Lorenzkowski 1995, S. 127). Die Arbeitsfülle wirke sich auf das publizistische Produkt aus, sodass „nicht distanziert-analytische Beiträge [...] das Programm [prägen], sondern schnell gestrickte Kurznachrichten“ (Lorenzkowski 1995, S. 128). Ebenfalls an der Universität Dortmund reichte Wittke (2000) seine Diplomarbeit zum Thema Videojournalismus ein. Er führte Leitfadengespräche mit Videojournalisten und ihren Ausbildern durch und erforschte so Anforderungen, Alltag, Ausbildung und Zukunft dieses Berufsbildes in Deutschland. Ähnlich wie Lorenzkowski kommt er dabei zu dem Ergebnis, dass Videojournalisten oft als Sparmaßnahme dienen. Das Resultat sieht Wittke in einer Deprofessionalisierung: „Die Videojournalisten haben kaum Zeit für die Recherche, kennen sich nur rudimentär mit der Kamera- und Schnitttechnik aus und sind der Doppelbelastung bei Terminen oft nicht gewachsen, sodass neben dem Aufpassen auf die Kamera, dem Auftreiben der Interviewpartner und dem Einrichten der Kamera oftmals die Qualität auf inhaltlicher Seite wie auch bei der Bildästhetik auf der Strecke bleibt“ (Wittke 2000, S. 114).
Chancen des Videojournalismus macht er hingegen in den Bereichen Dokumentation, Langzeitbeobachtungen, Features und Reportagen aus. Zum einen, weil „auf diesem Weg längere und aufwändigere Sendeformen wieder zurück in das Fernsehen [finden], die auch aus Kostengründen kaum noch in den Programmen zu finden sind“ (Wittke 2000, S. 116). Zum anderen, weil der Videojournalismus eine neue Erzählweise schaffe. „Das Fernsehteam aus drei oder vier Personen, begleitet von einer aufwendigen Technik hat jahrzehntelang die Situation
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beeinflusst und zu Inszenierungen und Wirklichkeitskonstruktionen im Fernsehen geführt. Dies wird beim VJ-Prinzip auf ein Minimum reduziert“ (Wittke 2000, S. 115). Günzel (2003) untersuchte in seiner Diplomarbeit an der Fachhochschule Mittweida Möglichkeiten und Grenzen des Videojournalismus. Als Methoden wählte er eine Fragebogenerhebung und Leitfadeninterviews bei vier Sendern bzw. Produktionsfirmen.33 Sein Fazit fällt negativ aus: „Der Einsatz eines Videojournalisten und das Ergebnis seiner Arbeit entspricht nicht dem, was man erwartet und erwarten kann. In den meisten Situationen gelingt es ihm noch nicht, seine Chancen und Möglichkeiten zum Vorteil zu nutzen“ (Günzel 2003, S. 45). Die Ursachen sieht Günzel in schlechter Ausbildung und Zeitdruck bei der Produktion (vgl. Günzel 2003, S. 45 f.). Hinzu komme, dass von Videojournalisten dieselben Ergebnisse erwartet würden wie von einem klassischen EB-Team: „Es ist absurd: Der Videojournalist darf keine eigene Handschrift entwickeln, um nicht aufzufallen. In der Branche fragt man sich, warum sich der VJ nicht so recht durchsetzt, ohne aber andererseits auf erforderliche Veränderungen in der Produktion eingehen zu wollen“ (Günzel 2003, S. 62 f.).
Mit Videojournalisten beim schweizerischen Privatfernsehen befasste sich Studer (2004) in seiner Abschlussarbeit an der Universität Bern. Er erforschte soziodemografische Daten, Ausbildung und beruflichen Werdegang, Arbeitsbedingungen und Berufseinstellung. Dabei fand er heraus, dass der typische Schweizer Videojournalist mit durchschnittlich 29 Jahren noch sehr jung ist und außerdem männlich und ledig (vgl. Studer 2004, S. 29 f.). In der Regel hat er an einer Universität ein geistes- oder sozialwissenschaftliches Fach studiert, jedoch in vielen Fällen nicht bis zum Abschluss (vgl. Studer 2004, S. 31). Ihre berufspraktische Ausbildung erfahren viele Videojournalisten – wie andere Fernsehjournalisten auch – durch Praktika und Volontariate (vgl. Studer 2004, S. 33). In die spezifischen Arbeitstechniken eines Videojournalisten, insbesondere Kamerabedienung und Schnitt, werden Videojournalisten in der Regel durch Kameraleute bzw. Cutter oder Redakteure eingeführt. Weitere Fertigkeiten müssen sie sich mittels Learning by Doing aneignen (vgl. Studer 2004, S. 34). Die meisten befragten Videojournalisten sind erst seit Kurzem journalistisch tätig, drei Viertel weniger als fünf Jahre zuvor. Bevor sie den Beruf des Videojournalisten ergriffen, arbeiteten viele von ihnen für Printmedien oder das Radio (vgl. Studer 2004, S. 35). 33
Fragebögen von der Produktionsfirma apm medien, von SAAR TV und dem hr wurden ausgewertet. Leitfadengespräche führte Günzel mit SAAR TV und der 6w Film- und Fernsehproduktion.
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Im Gegensatz zu ihrem verhältnismäßig kleinen Einkommen steht die hohe Arbeitszeit der Videojournalisten von rund 50 Stunden pro Woche (vgl. Studer 2004, S. 37 ff.). In dieser Arbeitszeit erstellen sie vier bis viereinhalb Beiträge (vgl. Studer 2004, S. 41). Das größte Zeitbudget, rund 70 Prozent, nimmt dabei die Produktionsarbeit ein. Nur 20 Prozent der Zeit werden für die Recherche aufgewendet. Da wundert es nicht, dass die Hälfte der befragten Videojournalisten über mangelnde Zeit für gründliche Recherche klagt (vgl. Studer 2004, S. 40). Nicht nur, indem er die Aufgaben des Fernsehjournalisten, Kameramannes und Cutters übernimmt, wird der Videojournalist zum Allrounder. Auch thematisch deckt er alle Bereiche ab. Daneben sehen sich immerhin drei Fünftel noch für bestimmte Spezialgebiete als zuständig bzw. geeignet an (vgl. Studer 2004, S. 41 f.). Ein weiterer Punkt ist die technische Ausrüstung, die den Videojournalisten zur Verfügung gestellt wird. Die Mehrheit ist damit zufrieden. Jedoch beklagen rund zwei Fünftel fehlendes, defektes oder schlecht gewartetes Material (vgl. Studer 2004, S. 42). Als problematisch an ihrer Arbeit sehen die befragten Videojournalisten Zeitdruck, eine hohe körperliche Belastung und Stress an (vgl. Studer 2004, S. 43 f.). Als wichtigste Eigenschaften für den Beruf des Videojournalisten schätzen die Befragten folgende Fähigkeiten ein: „Flexibilität, Schnelligkeit, Interesse an Menschen/Geschichten, gute Auffassungsgabe, mit anderen Menschen umgehen können, Allgemeinwissen, Kritik-/Reflexionsfähigkeit, Durchhaltevermögen, journalistische Fachkompetenz [und] Unparteilichkeit“ (Studer 2004, S. 48). Eher wichtig ist ihnen mehrheitlich: „technisches Know-how, Organisationstalent, Sachwissen (z. B. Spezialgebiete), auf Publikumsbedürfnisse einzugehen [und] Publikumskenntnisse“ (Studer 2004, S. 48). Vor dem Hintergrund seiner erhobenen Daten stellt Studer vier Forderungen:
verbesserte Ausbildung angemessene Bezahlung mehr Zeit für Recherche gute technische Ausstattung (vgl. Studer 2004, S. 54)
Böhnisch (2005) erforschte in seiner Diplomarbeit an der Universität Dortmund Chancen und Grenzen des Videojournalismus mit dem Schwerpunkt auf der permanenten Auslandsberichterstattung. Dazu führte er zum einen eine qualitative Befragung von 15 Videojournalisten durch, die teilweise auch aus dem Ausland berichten. Zum anderen unterzog er sich einem Selbstversuch, denn der
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Autor arbeitet seit 1999 als Videojournalist in Spanien. Seine Ergebnisse decken sich weitgehend mit denen der anderen Arbeiten: Als Vorteile kristallisieren sich heraus: Flexibilität, Autonomie der Arbeitsweise, eine nähere und authentischere Erzählweise und Kosteneinsparungen (vgl. Böhnisch 2005, S. 38 ff.). Als Nachteile macht er Akzeptanzprobleme der neuen Produktionsweise aus – sowohl beim Dreh als auch in den Redaktionen – (vgl. Böhnisch 2005, S. 41 f.), technische Unzulänglichkeiten des Tons (vgl. Böhnisch 2005, S. 51), eine hohe physische und mentale Beanspruchung (vgl. Böhnisch 2005, S. 58 f.) sowie Sicherheitsrisiken. Letzteres gilt besonders für die Berichterstattung aus Kriegsgebieten und Ländern mit einer hohen Kriminalitätsrate, in denen Videojournalisten Gefahren leicht zu spät wahrnehmen, wenn sie alleine und ganz mit dem Blick durch den Sucher beschäftigt sind (vgl. Böhnisch 2005, S. 60 f.). Böhnisch fand in seiner qualitativen Befragung zudem heraus, dass diese nachteiligen Aspekte des Videojournalismus von den Sendern teilweise durch eine flexible Auslegung der videojournalistischen Tätigkeit ausgeglichen werden. Je nach Drehsituation arbeitet der Videojournalist als „Einzelkämpfer“ oder wird durch einen Kameramann, einen Tonassistenten oder eine andere Hilfskraft unterstützt (vgl. Böhnisch 2005, S. 61 f.). Vor diesem Hintergrund modifiziert Böhnisch die gängige Definition eines Videojournalisten wie folgt: „Der Videojournalist ist die Person, die in Personalunion neben der journalistischen Tätigkeit, d. h. Recherche, Interview, auch die technische Tätigkeit der Kameraführung und des Schnitts übernimmt, beziehungsweise übernehmen kann. Videojournalisten arbeiten mit kompakten Kameras im DV-Format und schneiden auf digitalen Schnittplätzen, die sich entweder in einem Laptop, PC oder vergleichbaren Apple-Modellen befinden. Der Videojournalist arbeitet überwiegend allein, kooperiert jedoch je nach Einsatzbereich mit anderen Videojournalisten oder nimmt sich zur Unterstützung einen Kameramann oder Assistenten hinzu [...]“ (Böhnisch 2005, S. 97; Hervorhebungen im Original).
Vorteile und Konsequenzen des Videojournalismus arbeitet Hackel (2005) in seiner Diplomarbeit an der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld heraus. Per Fragebogen erhob er den aktuellen und zukünftig geplanten Einsatz von Videojournalisten in deutschen Sendeanstalten. 15 Sendeanstalten, die mit Videojournalisten arbeiten, gingen in die Untersuchung ein, dabei überwiegend öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalten und private Regional-, Lokal- und Ballungsraumsender (vgl. Hackel 2005, S. 9).34 Repräsentativ ist die Erhebung folglich nicht. Sie ergab, dass alle Sendeanstalten Videojournalismus35 für die 34
Vom Fragebogen unabhängig untersuchte er den Einsatz von Videojournalisten in der ProSiebenSat.1 Media AG. Da die Arbeit jedoch keinerlei Informationen über die Forschungsmetho-
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Produktion von Nachrichten und Reporterbeiträgen einsetzen. Fast alle nutzen die videojournalistische Produktionsform auch für Interviews oder das Einholen von O-Tönen. Rund drei Viertel der Befragten36 gaben an, Videojournalisten für Reportagen einzusetzen, und gut die Hälfte lässt sie auch Feature und Dokumentationen produzieren (vgl. Hackel 2005, S. 13). Darüber hinaus forderte Hackel die TV-Sender auf anzugeben, wie häufig sie Videojournalisten in den verschiedenen Genres einsetzen. Dabei kam heraus, dass Videojournalisten bei gut der Hälfte der Sender regelmäßig 37 Nachrichtenfilme produzieren. Bei den Genres Reporter-, Magazinbeitrag, Reportage und Wetterbilder sind sie in über 30 Prozent der Sendeanstalten häufig oder regelmäßig im Einsatz. Zudem ließ Hackel die Befragten angeben, wie hoch der Anteil an VJ-Material in den einzelnen Genres im nächsten Jahr bzw. in fünf Jahren sein wird38. Nach diesen Einschätzungen werden auch zukünftig vor allem Nachrichtenbeiträge, Interviews und Reporterbeiträge von Videojournalisten produziert (vgl. Hackel 2005, S. 73 f.). Als Beweggründe für den Einsatz von Videojournalisten gibt die Mehrheit „Kostendruck“, „Verbesserung des Programms“, „technische Innovation (Digitalisierung)“ und „VJ ist die Zukunft“ an (vgl. Hackel 2005, S. 16). Als Vorteile der videojournalistischen Produktionsweise empfinden die Befragten die flexible und selbstbestimmte Arbeitsweise, die größere Nähe zum Ereignis und zu den
35
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38
dik beinhaltet und dadurch die Ergebnisse nicht nachvollzogen werden können, werden sie hier ausgespart, zumal es sich auch nicht um verallgemeinerbare neue Erkenntnisse handelt. Eine Schwäche der Erhebung besteht darin, dass Hackel nicht zwischen Videoreportern und Videojournalisten unterscheidet. Daher geht aus den Ergebnissen nicht hervor, ob es sich um bloße Zulieferungen von Videoreportern handelt oder ob Videojournalisten Beiträge komplett in Eigenregie produzieren. Das wäre aber hilfreich zu wissen, um die Einsatzbereiche und Erfahrungen der einzelnen Sender einordnen zu können. Hier muss kritisiert werden, dass nicht aus der Arbeit hervorgeht, wer genau in den Sendern befragt wurde, d.h., ob es sich um eine Befragung von Videojournalisten, CvDs, Geschäftsführern etc. handelt. Auch das wäre sinnvoll zu wissen, um die Antworten einordnen zu können. Problematisch an der Befragung erscheint auch, dass Hackel nicht definiert, was er unter den einzelnen Zeitdimensionen wie „regelmäßig“ oder „häufig“ versteht. So bleibt ein großer Spielraum für die Interpretation dieser Begriffe. Hackel ließ die Befragten ankreuzen, wie hoch der Anteil an VJ-Material pro 100 Sendeminuten ist. Dazu standen die Kategorien 0, <5, <10, <30, <50 und 100 Minuten zur Verfügung. Genaue Werte sind aufgrund der weiten Abstände und der Natur der Schätzung nicht zu erwarten. Bei dieser Fragestellung fällt zudem besonders ins Gewicht, dass Hackel verschweigt, wer die Fragebögen in den Sendern ausgefüllt hat. Nur mit diesem Wissen könnte die Relevanz der Antworten beurteilt werden, denn es macht einen deutlichen Unterscheid, ob beispielsweise ein Videojournalist oder der Geschäftsführer eine solche Prognose formuliert.
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Protagonisten sowie neue Einsatzmöglichkeiten 39. Risiken sehen sie überwiegend für die Qualität40 (vgl. Hackel 2005, S. 66). Vereinzelt wurde jedoch auch die Meinung geäußert, dass eine schlechtere Aufnahmequalität und verwackelte Bilder bewusst als Stilmittel eingesetzt werden, um für mehr Authentizität zu sorgen, beispielsweise in der SAT.1-Serie Lenßen und Partner (vgl. Hackel 2005, S. 67). Als problematisch werden auch das Risiko der Überforderung, Akzeptanzprobleme (Amateur-Image) und die geringere Durchsetzungskraft eines Einzelnen gegen die Teams anderer Sender bewertet (vgl. Hackel 2005, S. 67). Mischel (2005) untersuchte in seiner Diplomarbeit an der Universität Dortmund Möglichkeiten und Grenzen des Backpackjournalismus. Damit sind Journalisten gemeint, die als Einzelkämpfer ihre Themen verschiedenen Mediengattungen wie Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet anbieten (vgl. Mischel 2005, S. 34). In einem Selbstversuch setzte Mischel drei Themen für Fernsehen, Radio und Internet autonom um und entwickelte daraus Hypothesen für die weitere Forschung. So regt er an zu prüfen, ob der allein arbeitende Backpackjournalist für die mediale Aufbereitung seiner Ergebnisse mehr Zeit benötigt als ein Team (vgl. Mischel 2005, S. 97). Das würde gegen seinen Einsatz in der Tagesaktualität sprechen. Außerdem fand Mischel heraus, dass Backpackjournalisten viel Zeit mit technischen Tätigkeiten verbringen. Daher vermutet er, dass unter Zeitdruck die journalistische Qualität leidet (vgl. Mischel 2005, S. 97 f.). 39
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Hackel stellt hier die Behauptung auf, dass durch die videojournalistische Produktionsweise das Genre Sozial-Reportage erst möglich wird. Das erscheint schwer nachvollziehbar, da konventionell gedrehte Sozial-Reportagen bereits allabendlich, beispielsweise bei Spiegel-TV, im Programm zu finden sind. Neu ist das Genre daher nicht. Möglicherweise hilft der geringere personelle und technische Aufwand jedoch, solche Geschichten persönlicher zu erzählen und die Einsatzmöglichkeiten zu erweitern – an dieser Stelle greift die Argumentation des Autors dann wieder. Hackel unterstellt dabei, dass „ein Videojournalist eine andere Qualität abliefert als ein EBTeam. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass ein Videojournalist nicht das Vorwissen und das technische Know-how wie ein ausgebildeter Kameramann hat. Darüber hinaus kann eine kostengünstige Kamera und ein qualitativ minderwertigeres Aufnahmeformat eines Videojournalisten nicht die Aufnahmequalität erbringen, die eine professionelle Kamera erreicht“ (Hackel 2005, S. 66). In dieser Pauschalität ist diese Aussage problematisch. Zum einen, weil sie Schlüsse zieht, die nicht zwingend so gezogen werden können. Gerade bei den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gibt es beispielsweise Videojournalisten, die gelernte Kameraleute sind und damit über das entsprechende technische Wissen verfügen (vgl. Abschnitt 3.2). Zum anderen, weil sie die Ergebnisse empirischer Studien wie die von Hessel (2005) (vgl. später in diesem Abschnitt) oder Sellmann (2005) (vgl. ebenfalls später in diesem Abschnitt) missachtet, die herausfanden, dass die technische Qualität bei videojournalistischer Produktionsweise oft nicht schlechter ist.
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Mühlenkord (2005) schrieb seine Diplomarbeit an der Business & Information Technology School in Iserlohn über Kostenmanagement versus Qualitätsmanagement im Videojournalismus. Dazu führte er eine Online-Befragung durch, an der 35 Videojournalisten teilnahmen. Zudem interviewte er drei redaktionelle Führungskräfte (Guten Abend RTL, RTL Nord; 17:30… live aus Berlin; hessen aktuell) in Leitfadengesprächen. Die Ergebnisse seiner nichtrepräsentativen Studie decken sich weitgehend mit dem, was Studer für die schweizerischen Videojournalisten herausgefunden hat: Die meisten Videojournalisten haben studiert und finden über ein Praktikum in den Journalismus. Rund 40 Prozent haben auch ein Volontariat absolviert (vgl. Mühlenkord 2005, S. 44). Mindestens ein Drittel der Befragten41 hat vor der videojournalistischen Tätigkeit schon in anderen Bereichen des Journalismus gearbeitet wie Print, Radio oder Fernsehen (vgl. Mühlenkord 2005, S. 45). Die spezifische videojournalistische Ausbildung erhalten sie überwiegend durch senderinterne Schulungen42 mit einer durchschnittlichen Gesamtlänge von drei bis vier Wochen (vgl. Mühlenkord 2005, S. 43). Die Arbeitszeit der befragten Videojournalisten lag leicht höher als die nicht selbstdrehender Kollegen, ihre Bezahlung war hingegen durchschnittlich etwas niedriger43 (vgl. Mühlenkord 2005, S. 45 f.). Den größten Teil ihrer Arbeitszeit verbringen Videojournalisten mit der Produktion. Für die Recherche werden hingegen nur knapp 26 Prozent des Zeitbudgets aufgewendet (vgl. Mühlenkord 2005, S. 47). Als negative Begleiterscheinungen ihrer Arbeit nennen die befragten Videojournalisten mehrheitlich Stress, eine hohe physische Belastung und Zeitdruck (vgl. Mühlenkord 2005, S. 48). In Übereinstimmung mit Böhnischs flexibler Definition des Videojournalismus fand Mühlenkord heraus, dass feste Videojournalisten nur in sechs und 41
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Bei der Befragung war eine Mehrfachantwort möglich. Daher lässt sich die Prozentzahl derer, die zuvor in anderen Bereichen des Journalismus tätig waren, nicht genau ermitteln. Aus den vorliegenden Daten lässt sich nur der Schluss ziehen, dass es mindestens ein Drittel gewesen sein muss. Mühlenkord konkretisiert leider weder, was in diesen Schulungen gelehrt und trainiert wird, noch wer sie durchführt. Somit können keine weiteren Schlüsse gezogen werden. Als Vergleichswert gibt Mühlenkord einen Wert aus dem Manager Magazin an. Demnach verdienen fest angestellte Redakteure (medienunabhängig) rund 44.000 Euro pro Jahr, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung haben. Ein Vergleich ausschließlich auf dieser Grundlage scheint nicht sinnvoll, weil Drittvariablen-Effekte ausgeblendet werden. So wird beispielsweise nicht berücksichtigt, inwiefern der Sender oder die Funktion des jeweiligen Redakteurs sich auf die Bezahlung auswirken. Solche Faktoren hätten in ein komplexeres Rechenmodell integriert werden müssen, um zu einem aussagenkräftigen Ergebnis zu kommen.
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freie Videojournalisten dagegen in acht von zehn Fällen als klassische Videojournalisten arbeiten. In den anderen Fällen handelt es sich um gemischte Produktionen 44 (vgl. Mühlenkord 2005, S. 49). Eine mengenmäßige Erhebung der Beiträge nach journalistischen Genres führte er nicht durch. Allerdings fragte er die beteiligten Videojournalisten nach ihren Tätigkeitsbereichen. Fast alle waren schon einmal für eine Reportage im Einsatz. Für die regionale Berichterstattung haben annähernd zwei Drittel schon gearbeitet, für Service-Themen, Porträts und boulevardeske Nachrichten rund die Hälfte45 (vgl. Mühlenkord 2005, S. 50). Die genannten Leitfadengespräche hat Mühlenkord nach Kategorien des Total Quality Managements ausgewertet. Sie geben ansatzweise46 wieder, wie die drei Redaktionen die Qualität videojournalistisch produzierter Programminhalte zu sichern versuchen – und gehen damit in dieselbe Richtung wie der empirische Teil dieser Arbeit. Dabei fand Mühlenkord heraus, dass die Qualitätsstandards für Videojournalisten nicht aufgeweicht werden (vgl. Mühlenkord 2005, S. 60). Bei der Mitarbeiterauswahl gewinnen die Kriterien Technikaffinität und -kenntnisse des Bewerbers an Gewicht (vgl. Mühlenkord 2005, S. 61). Negativ findet Mühlenkord, dass sich Videojournalisten noch nicht ausreichend gegenüber klassischen Fernsehjournalisten abgrenzen: „Das muss aber gelingen, damit die Produktionsform einen stetigen Zulauf von qualifizierten Mitarbeitern bekommen kann“ (Mühlenkord 2005, S. 61). Prämienmodelle und Anreizsysteme sind eine dieser Möglichkeiten (vgl. Mühlenkord 2005, S. 61). Problematisch sei außerdem, dass sich Videojournalisten typischen redaktionellen Kontrollprozessen wie beispielsweise dem zweiten Blick eines Cutters entziehen. Ein regerer Austausch unter den Redaktionskollegen könne da Abhilfe schaffen. Jedoch sind solche Vorkehrungen bisher nur ansatzweise vorhanden (vgl. Mühlenkord 2005, S. 62). Im Bereich der Zuschauerzufriedenheit kritisiert Mühlenkord die „mangelnde Möglichkeit, Zuschauerzufriedenheit gezielt im 44
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An dieser Stelle führt Mühlenkord nicht weiter aus, um welche alternativen Teamkonstellationen es sich handelt und in welchen Situationen sie mit welcher Begründung eingesetzt werden. Daher kann auch hier keine Schlussfolgerung gezogen werden. Auch hier belässt es Mühlenkord bei der bloßen Darstellung der Arbeitsgebiete. Positive wie negative Erfahrungen bei der videojournalistischen Produktion einzelner Genre werden nicht diskutiert. Daher können keine Konsequenzen für das Qualitätsmanagement abgeleitet werden. Mühlenkord orientiert sich dabei offensichtlich an Wyss (2002), der das Total Quality Management auf Redaktionen übertragen hat. Mühlenkord reißt wesentliche, wenn auch nicht alle, Punkte an. Es bleibt bei einem groben Überblick, in die Tiefe geht er zumeist nicht. Somit ist das Thema redaktionelle Qualitätssicherung immer noch eine Forschungslücke, die die vorliegende Arbeit versucht, für die ARD-Anstalten zu schließen.
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Hinblick auf VJ-Beiträge zu ermitteln“ (Mühlenkord 2005, S. 62). Das ist nicht ganz nachvollziehbar, denn der Zuschauer muss sich nicht für die Herstellungsweise eines Beitrages interessieren und diese erkennen können, um die Qualität eines Beitrages zu bewerten. Mühlenkord zieht aus seiner Arbeit das Fazit, dass in keiner der untersuchten Redaktionen ein Abfall inhaltlicher oder technischer Qualität billigend in Kauf genommen wird. Die Umsetzung qualitätssichernder Maßnahmen ist jedoch unterschiedlich ausgeprägt: „Qualitätssichernde Maßnahmen, die mit finanziellem Aufwand verbunden sind, werden bei den Öffentlichrechtlichen realisiert, wenn es journalistischen und handwerklichen Fähigkeiten der VJs zuträglich ist. Die kommerziellen Redaktionen beschränken sich aus Kostengründen überwiegend auf Bereiche des TQM-Modells, die im Idealfall keine finanziellen Aufwände verursachen“ (Mühlenkord 2005, S. 63).
Bermüller (2005) wählt für ihre Diplomarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg einen systemtheoretischen Zugang zum Videojournalismus. Sie untersucht am Beispiel des BR-Studios Franken, wie sich Videojournalismus auf Redaktionsstrukturen auswirkt. Von 23 journalistisch arbeitenden Redaktionsmitgliedern (Reporter, Chefs vom Dienst und Videojournalisten) beteiligten sich 17 an der Fragebogenerhebung. Davon waren jedoch nur zwei Videojournalisten. Die Antwortbasis ist folglich überaus gering und die Untersuchung kann lediglich eine Tendenz zeigen. Ihre Ergebnisse werden trotzdem relativ umfassend referiert, da sie mit einer Untersuchung von Redaktionsstrukturen in eine ähnliche Richtung geht wie diese Arbeit und somit – wenn auch auf sehr schmaler Datenlage – Hinweise geben kann. Methodisch greift sie auf einen Mix aus Leitfadeninterview mit dem Redaktionsleiter, standardisierter Befragung der Redaktionsmitglieder und passiv-teilnehmender Beobachtung zurück. Das Fazit ihrer nicht-repräsentativen Untersuchung lautet: „Da Videojournalismus in ein bestehendes System mit bewährten Strukturen eingeführt wird, ist die Wirkung begrenzt. Das System entscheidet nach seinen bewährten Strukturen über den Einsatz. Es wird nicht von heute auf morgen alles anders gemacht, sondern das Neue soweit integriert, wie es für ein besseres Funktionieren sorgt“ (Bermüller 2005, S. 129).
Im Detail vergleicht Bermüller u. a. Selektions-, Informationssammel-, Darstellungs- und Prüfprogramme im Videojournalismus mit Strukturen im herkömmlichen System Fernsehredaktion. Dabei stellte sie folgende Veränderungen fest: Selektionsprogramme: Grundsätzlich steckt im Videojournalismus das Potenzial, die Selektionsprogramme zu verändern. In der Realität werden Videojournalisten jedoch konservativ eingesetzt. Nur gelegentlich realisieren sie Beiträge, die sonst aus Kosten-, Zeit- oder Produktionsgründen nicht umgesetzt
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würden. Ein Beispiel dafür sind Auslandseinsätze (vgl. Bermüller 2005, S. 100 ff.). Im Hinblick auf die Erfahrungen der British Broadcasting Corporation (BBC) erwartet Bermüller jedoch, „dass nach einer längeren Erprobungsphase eine noch stärkere Veränderung der ausgewählten Themen hin zu solchen, bei denen sich die Vorteile des Videojournalismus zeigen, im Programm zu erkennen sein wird“ (Bermüller 2005, S. 130). Informationssammelprogramme: Die klassischen Informationssammelprogramme, also die Recherche, verändern sich durch den Videojournalismus nicht. Videojournalisten wenden die gleichen Recherchemethoden, beispielsweise Telefonrecherche oder Archivrecherche, an wie herkömmliche Fernsehjournalisten. Auch bei der Recherchedauer konnte Bermüller keinen Unterschied ausmachen.47 Veränderungen zeigen sich hingegen bei der Bildrecherche. Hier ist auffällig, dass Videojournalisten wesentlich mehr Material drehen als EB-Teams, um aus dem Material die besten Bilder auswählen zu können.48 Aufgrund der geringeren Personal- und Equipmentkosten haben sie zudem die Möglichkeit, mehrfach an einen Drehort zu fahren (vgl. Bermüller 2005, S. 108 ff.). Darstellungsprogramme: Während EB-Teams in der Regel Berichte produzieren, probieren sich Videojournalisten häufig an personenbezogenen Reportagen aus. Bei diesem Genre kommen die Vorteile der kleinen und leichten Kamera am meisten zum Tragen. Es zeigen sich allerdings auch technische Nachteile. Durch die Kamerakonstruktion, die nur auf einer Seite ein Display aufweist, können Videojournalisten ihre Interviewpartner bisher nur aus einer Blickrichtung aufnehmen. 47
48
Methodisch ist dieser Vergleich jedoch problematisch, denn Bermüller kann DrittvariablenEffekte nicht ausschließen, da sie ihre Daten im redaktionellen Alltag, nicht in einer Laborsituation erhoben hat. Die Gefahr der Drittvariablen-Effekte wird vor allem beim Thema gesehen, denn weitaus nicht alle Themen sind gleich rechercheaufwendig. Darüber hinaus kann auch das Vorwissen eines Videojournalisten oder Redakteurs sich auf die Recherchedauer auswirken, ohne dass daraus zwingend eine Aussage über die Qualität der Recherche ableitbar ist. Nicht zuletzt ist Bermüllers Sample (nur zwei Videojournalisten) viel zu klein, um die Ergebnisse auf eine aussagekräftige Basis zu stellen. Ob das jedoch die Qualität erhöht, kann nicht gesagt werden. Denn es sind zwei Varianten denkbar: Der Videojournalist ist erfahren, hat jedoch mehr Zeit als ein professioneller Kameramann, weil er billiger ist. Er dreht daher eine größere Auswahl sendbarer Bilder. Diese Erklärung wäre im Hinblick auf die Qualität positiv zu bewerten. Möglich – und m.E. wahrscheinlicher – ist jedoch auch Erklärung zwei: Der Videojournalist ist noch unerfahren und unsicher im Umgang mit der Kamera und filmt daher mehr Material. So stellt er sicher, überhaupt sendbares Material in die Redaktion zu bringen. Trifft diese Erklärung zu, ist die größere Bildauswahl nicht zwingend ein Vorteil im Vergleich zu sparsamer drehenden professionellen Kameramännern.
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Zudem neigen Interviewpartner dazu, direkt in die Kamera zu schauen, da der Videojournalist sich nahe der Kamera positioniert, um immer wieder einen Blick auf das Display zu werfen (vgl. Bermüller 2005, S. 112 ff.). Langfristig kann sich daraus eine Veränderung der „massenmedialen Wahrnehmung“ ergeben (Gehring/Holzmann 2004, S. 15). Prüfprogramme: Bei den Prüfprogrammen ergeben sich wenige Änderungen durch den Videojournalismus. Die Beitragsabnahme unterscheidet sich nicht zwischen herkömmlich und videojournalistisch produzierten Beiträgen. Auch die Unterstützung durch den Chef vom Dienst oder einen Assistenten ist vergleichbar. Eine Veränderung liegt lediglich darin, dass der Kameramann oder Cutter keine Prüfung mehr vornehmen kann. Diesen fehlenden „zweiten Blick“ versuchen die beobachteten Videojournalisten durch den intensiven Austausch mit ihren Kollegen auszugleichen (vgl. Bermüller 2005, S. 119 ff.). Darüber hinaus untersuchte Bermüller auch die soziale, zeitliche und sachliche Dimension des Videojournalismus und fand heraus, dass die neue Produktionsweise in der sozialen Dimension Konflikte zwischen Journalisten und Technikern minimiert. Der Grund liegt auf der Hand: Beide Berufsgruppen treten kaum noch in Kontakt zueinander (vgl. Bermüller 2005, S. 121 ff.). Was die zeitliche Dimension betrifft, konnte Bermüller aufzeigen, dass der Videojournalist schneller einsatzbereit ist, jedoch für die eigentliche Arbeit länger braucht. Das ist nicht überraschend, denn der Videojournalist hat seine Kamera stets bei sich und kann so spontan zu Einsätzen fahren, ohne vorbei ins Studio zu müssen. Bei der Produktion ist er dann jedoch aus zwei Gründen langsamer. Die Aufgabenteilung, die es ermöglicht, auch parallel zu arbeiten, fällt weg. Außerdem haben Videojournalisten in der Regel in den anderen beiden Bereichen nicht so viel Erfahrung wie professionelle Kameramänner bzw. Cutter. Dennoch werden auch sie mit zunehmender Erfahrung schneller (vgl. Bermüller 2005, S. 123 ff.). In der sachlichen Dimension stellte Bermüller fest, dass es Genres gibt, die sich für Videojournalismus besonders gut eignen. Dazu zählen Langzeitbeobachtungen von Personen, die sonst aus Kostengründen nicht zu realisieren wären. Ungeeignet sind Videojournalisten dagegen für analytische Beiträge über komplexe Themen, da hier die Ablenkung durch die Technik zu groß ist, um kritisch nachfragen zu können (vgl. Bermüller 2005, S. 125 ff.). Auf der Basis dieser Ergebnisse fordert Bermüller: „Soll jedoch durch den Videojournalismus eine stärkere Veränderung besonders in der Themenselektion und den Darstellungsformen entstehen, muss den Videojournalisten Spielraum gegeben werden, die der Produktionsweise innewohnenden Möglichkeiten zu erproben. Nur auf diese Weise würden sich mit der Zeit die herausgebildeten Routinen stärker verändern“ (Bermüller 2005, S. 133).
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Das Spannungsfeld zwischen journalistischer Qualität und Medienökonomie ist Thema der Diplomarbeit von Hessel (2005) an der Universität Leipzig. Darin widmete er sich der Frage: Stellt der Videojournalismus eine Alternative für die Fernsehberichterstattung der ARD dar? Zur Bearbeitung dieser Forschungsfrage zog er zwei Fallbeispiele heran: die Regionalmagazine hessenschau des hr und dabei ab zwei des Mitteldeutscher Rundfunks (mdr). In drei Schritten nähert er sich der übergeordneten Forschungsfrage. Auf der Ebene der Medienökonomie befragte Hessel die Redaktionsleiter der beiden Fallbeispiel-Sendungen. Die Ebene der journalistischen Qualität untersuchte er zum einen mithilfe einer Inhaltsanalyse videojournalistischer Beiträge49, zum anderen führte er Leitfadeninterviews mit jeweils zwei Videojournalisten der beiden Redaktionen. Bei der Inhaltsanalyse beurteilt Hessel zunächst den Gesamteindruck und bewertet anschließend detailliert die Ebenen Bild, Ton und Text50. Abschließend kommt er zu einem positiven Ergebnis: Die untersuchten Beiträge entsprechen überwiegend den angelegten Prüfkriterien (vgl. Hessel 2005, S. 149). Trotz des positiven Gesamteindrucks stellte Hessel jedoch in der detaillierten Analyse der Ebenen Mängel fest: Bei der technischen Umsetzung traten am häufigsten Probleme bei der Belichtung und dem Weißabgleich auf. Wurden Zoomfahrten eingesetzt, waren diese oftmals unruhig. Tonprobleme wie Störgeräusche traten gehäuft auf (vgl. Hessel 2005, S. 148). Diese Mängel mögen nicht wirklich überraschen. 49
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Hessel konzentriert sich ausschließlich auf die Untersuchung videojournalistisch produzierter Beiträge. Ein Vergleich mit konventionell produzierten Beiträgen lehnt er mit folgender Argumentation ab: „Ein wirklicher Vergleich wäre nur dann möglich, wenn auf beiden Produktionswegen ein und dasselbe Thema umgesetzt worden wäre. Praktisch findet das nicht statt. Da die Untersuchung nicht auf der Ebene eines Experiments durchgeführt wurde, sondern auf Basis der Redaktionspraxis, hätte kein vergleichbares Material herangezogen werden können. Selbst wenn man von der thematischen Ebene absieht und allein videojournalistische Beiträge anderen Sendeinhalten gegenüberstellen würde, ist eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Denn im Unterschied zur videojournalistischen Produktionsweise ist gerade beim Fallbeispiel dabei ab zwei vielfach völlig ungeklärt, wie das entsprechende Bild-Rohmaterial entstanden ist. So kann man a priori weder davon ausgehen, dass das angekaufte Rohmaterial durch ein klassisches Drei-Mann-Team erstellt wurde, noch, dass es sich generell um Bildmaterial von alternativen Team-Konstellationen oder gar von Videoreportern handelt.“ (Hessel 2005, S. 115) Mit diesem Ansatz kann Hessel zwar erforschen, ob videojournalistisch produzierte Beiträge Qualitätskriterien, die an Fernsehbeiträge gestellt werden, genügen. Eine Aussage darüber, ob videojournalistisch produzierte Beiträge von besserer oder schlechterer Qualität sind als herkömmlich produzierte, ist bei dieser Vorgehensweise jedoch nicht zu treffen. Damit untersucht Hessel alle drei Ebenen, die in den Aufgaben- und damit Verantwortungsbereich des Videojournalisten fallen.
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Unerwartet ist jedoch, dass die Bewertung der fernsehjournalistischen Kernkompetenzen nicht einheitlich positiv ausfällt: „So räumt die Mehrheit der Beiträge dem Bild als Informationsträger nicht den Vorrang ein (Gewichtung Text-Bild-Ton). Sechs der 17 Beiträge informieren nicht umfassend im Sinn der aufgestellten Kategorie51. Weitere zwei der untersuchten Beiträge zeigen deutliche Probleme bei der Aufbereitung und Umsetzung des Themas“ (Hessel 2005, S. 169). Die Leitfadengespräche über journalistisches Selbstverständnis, videojournalistische Arbeitsweise und Qualifikation führen insgesamt ebenfalls zu einem positiven Ergebnis. So sind sich die befragten Videojournalisten ihrer Rolle bewusst und kennen die fernsehjournalistischen Kernkompetenzen (vgl. Hessel 2005, S. 150 ff.). Defizite stellte Hessel hingegen bei der Qualifikation fest – zwar nicht auf der journalistischen Ebene, aber im Bereich Kamera, Schnitt und vor allem Ton. So kritisieren die befragten Videojournalisten vor allem die kurze Ausbildungszeit (vgl. Hessel 2005, S. 156). Auffällig ist zudem der kritische und reflektierende Blick der Videojournalisten auf die eigene Arbeit. Defizite und Möglichkeiten werden analysiert (Hessel 2005, S. 158). Hessel zieht eine Schlussfolgerung der Untersuchungsergebnisse zur Qualität: „Bei adäquatem Einsatz und redaktionell verantwortlichem Umgang bekräftigt dieses Ergebnis den alternativen Charakter des Videojournalismus als fernsehjournalistische Produktionsform“ (Hessel 2005, S. 170). Die Leitfadengespräche zur Medienökonomie führten zu dem Ergebnis, dass die Implementierung des Videojournalismus in die untersuchten Redaktionen nur einen von vielen Aspekten zum Thema Kostenbewusstsein darstellt. Zwar wird Videojournalismus unbestritten als kostengünstige Produktionsweise angesehen. Denn im Vergleich zur EB-Produktion machen die Redaktionen Kostenersparnisse von bis zu 50 Prozent aus52 (vgl. Hessel 2005, S. 162 f.). Doch zu direkten Kosteneinsparungen der Redaktionen führt dies nicht, denn die vi51
52
Der Terminus „umfassend“ bezog sich dabei nicht auf eine umfangreiche, „sondern erschöpfende Beantwortung der journalistischen W-Fragen“ (Hessel 2005, S. 145). Hessel weist schon selbst darauf hin, dass dieser Wert nicht verallgemeinerbar ist, da er von Beitragsthema, Beitragslänge und Drehort abhängt. Dabei zahlt sich Videojournalismus vor allem für längere, nicht tagesaktuelle Drehs an reisekostenintensive Orte aus. Bei der tagesaktuellen Kurzberichterstattung sieht der Redaktionsleiter der hessenschau hingegen keine Kostenersparnis, da Videojournalisten längere Produktionszeiten haben als EB-Teams, die durchschnittlich zwei Beiträge pro Tag drehen (vgl. Hessel 2005, S. 162). Auffällig an dem Wert ist, dass er sich stark von den zwölf Prozent Kostenersparnis unterscheidet, die der hr in seinem Abschlussbericht angibt (vgl. Abschnitt 3.2). Ein Grund mag darin liegen, dass Hessel Ausbildung und Erstinvestitionen der Sender bzw. anteilig der Redaktionen nicht einbezog (vgl. Hessel 2005, S. 165).
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deojournalistischen Beiträge sind meist zusätzlich zur regulären Produktion im Programm (vgl. Hessel 2005, S. 162 f.). Hessel folgert: „Dennoch bleibt der Videojournalismus im Sinne eines effizienten Kostenmanagements ein besonders attraktives Modul. Im Unterschied zu anderen redaktionellen Rationalisierungsmöglichkeiten ist das direkte Ergebnis des Videojournalismus stets ein journalistisches Produkt und nicht nur eine reine Kostenersparnis“ (Hessel 2005, S. 170).
Sellmann (2005) untersuchte in ihrer Abschlussarbeit im Studiengang Journalisten-Weiterbildung an der FU Berlin ebenfalls technische Schwächen im audiovisuellen Material von Fernsehnachrichten. Im Gegensatz zu Hessel verglich sie jedoch TV-Beiträge von Videojournalisten mit solchen von EB-Teams. Die Beiträge wurden dabei nach Dauer und Thema parallelisiert. In die Untersuchung gingen jeweils 25 Beiträge unterschiedlicher Nachrichtensendungen im Privatfernsehen ein. Das Kategoriensystem wurde in Gesprächen mit Praktikern – Redakteuren, Kameraleuten und Videojournalisten – aufgestellt. Ihre Haupthypothese, dass VJ-Beiträge von einer geringeren Qualität sind, konnte Sellmann nicht bestätigen. Im Gegenteil, die VJ-Beiträge enthielten sowohl nach Häufigkeit als auch bezogen auf die Gesamtdauer der Bilder weniger technische Schwächen. Nur bei Ton und Licht schnitten die Teams besser ab. Verbesserungspotenzial zeigte sich bei beiden Produktionsweisen in der Kategorie wackelige Bilder. Entscheidender als die Frage, VJ oder Team, sei, so Sellmann, die Erfahrung des Kameraverantwortlichen. Hat er wenig Erfahrung, fanden sich bei beiden Produktionsarten durchschnittlich dreimal so viele Bilder mit technischen Schwächen (vgl. Sellmann/Gehrau53 2005, o. S.).54 Sellmann schlussfolgert: „Die Studie hat gezeigt, dass VJs in der Bildqualität bei vergleichbaren technischen Ausgangsbedingungen nicht zwingend hinter klassischen Kamerateams zurückstehen müssen. Sie ist jedoch kein Beleg dafür, dass der Trend zum Videojournalismus ohne Qualitätsverluste einhergeht. Denn längst nicht in jedem Fall wird der VJ nur auf speziellen Terminen eingesetzt, auf denen er seine Stärken konsequent ausspielen kann. Oft ist der VJ einfach nur eine kostengünstige Lösung, um das Programm zu füllen. Werden dann noch Neulinge mit wenig Kameraerfahrung ins kalte Wasser geworfen, so ist das durchaus kritisch zu hinterfragen“ (Sellmann/Gehrau 2005, o. S.).
Auch Stotz (2005) untersucht derzeit in ihrer Dissertation an der TU Dortmund die Qualität videojournalistischer Beiträge. Beim 2. Videojournalisten53 54
Volker Gehrau ist der Betreuer der Abschlussarbeit. Da die Abschlussarbeit nicht zugänglich ist, wird hier aus einem Newsletter der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuk) zitiert, in dem Sellmann und Gehrau die Studie vorstellen.
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Roundtable der ZFP in Hannover 2005 stellte sie erste Ergebnisse daraus vor55. Dabei untersuchte Stotz in einem ersten Schritt jeweils 20 Nachrichtenblöcke der WDR-Sendungen Lokalzeit Ostwestfalen Lippe und Lokalzeit Köln sowie der hrSendung hessenschau. Dabei setzte sie die Lokalzeit Ostwestfalen Lippe als Kontrollgruppe der anderen beiden Sendungen ein, da dort fast keine videojournalistischen Beiträge laufen. Dieses methodische Vorgehen ist kritisch zu beurteilen. Stotz begründet zwar: „Bei gleichen Anforderungen, die im WDR-Programm insbesondere durch das einstimmige Format der Lokalzeit-Sendungsgruppe vorgegeben sind, liefert der direkte Vergleich einer Lokalzeit ohne VJ-Anteile mit einer Lokalzeit mit VJ-Anteilen einen aktuellen Querschnitt zum Thema: Veränderungen durch VJ-Einsätze in den Nachrichten“ (Stotz 2005, S. 48). Diese Argumentation erscheint jedoch nicht ganz schlüssig. Denn trotz eines einheitlichen Sendeformates können unterschiedliche Drittvariablen die Produktion vor Ort beeinflussen. So kann sich beispielsweise die Qualifikation der Mitarbeiter an beiden Orten stark unterscheiden, die Arbeitsbedingungen können differieren oder die Themenlage im Sendegebiet kann höchst verschieden sein. Ein Vergleich zwischen Lokalzeit ohne VJs und hessenschau mit VJs ist noch problematischer, da hier zudem nicht einmal mehr ein einheitliches Format gegeben ist, um beispielsweise Veränderungen in der Themenstruktur zu beschreiben. Daher wäre es sinnvoll zu prüfen, ob und wie sich die untersuchten Kategorien vor und nach der Einführung des Videojournalismus in einer Redaktion verändert haben. Auch bei dieser Vorgehensweise kann es natürlich zu Drittvariableneffekten kommen, wenn z. B. das Format währenddessen geändert wurde. Allerdings sind diese Einflüsse besser auszumachen und gegebenenfalls leichter zu korrigieren. Vor diesem Hintergrund sind Stotz’ Ergebnisse mit Vorsicht zu bewerten. Bislang prüfte sie die Gesamtzahl der gesendeten Nachrichtenthemen, technische und inhaltliche Schwächen und die Themenverteilung. Sie stellte fest, dass die Gesamtzahl der gesendeten Nachrichten zunimmt, wenn Videoreporter56 eingesetzt werden.57 Videoreporter liefern folglich ein zusätzliches Angebot (vgl. 55 56
57
Die Dissertation ist noch nicht abgeschlossen, so dass nur aus dem Vortrag zitiert werden kann. Auch hier muss kritisch angemerkt werden, dass Stotz in ihrem Vortrag immer den Begriff Videojournalist verwendet und auch in ihrer Untersuchung nicht zwischen dem in Sinne dieser Arbeit definierten Videoreporter und Videojournalisten unterscheidet. Da WDR und hr für die Produktion von NiFs aber in der Regel Videoreporter einsetzen, wäre dieses Differenzierung sinnvoll. Dies wurde beim 2. Videojournalismus-Roundtable auch von einer Vertreterin des hr angemerkt. Im Folgenden wird daher, wenn es sich um die Produktion von NiFs handelt, der Begriff Videoreporter verwendet, bei Beiträgen der Begriff Videojournalist. An dieser Stelle lässt sich die Methodenkritik an einem konkreten Untersuchungsergebnis festmachen. Stotz schreibt, dass im Kompakt-Block der Lokalzeit Ostwestfalen Lippe 113
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Stotz 2005, S. 48). Hieraus zieht Stotz den Schluss: „Offenkundig wird die Nachrichtenproduktion eher teurer, wenn VJs zum Zug kommen“ (Stotz 2005, S. 48). Auch diese Schlussfolgerung scheint zu schnell gezogen. Sie kann stimmen, muss aber nicht. Denn wenn die videojournalistische Produktionsweise deutlich billiger ist als die klassische – dafür sprechen Prognosen und erste Erfahrungen –, dann lassen sich die Einsparungen in neue Programmangebote wie diese investieren. Die Kosten steigen dadurch nicht. Die nahe liegende Vermutung, dass Videoreporter hauseigene EB-Teams ersetzen, konnte Stotz nicht bestätigen. Jedoch kaufen die Lokalzeit Köln und die hessenschau deutlich weniger fremd ein.58 Zudem werden in den beiden Sendungen, die Videoreporter und Videojournalisten einsetzen, weniger Archivbilder ausgestrahlt (vgl. Stotz 2005, S. 49). Die technische Qualität der Nachrichten betreffend kommt Stotz zu dem Ergebnis, dass die Fehlerquote bei beiden Produktionsweisen gering ist. Jedoch unterscheidet sich die Art der Mängel. Während sich bei den Nachrichten, die mit Kamerateam produziert wurden, Schnittfehler und Text-Bild-Scheren häuften, traten bei den videojournalistischen Nachrichten wackelige Bilder auf (vgl. Stotz 2005, S. 49). „Das lässt den Schluss zu, dass viele Videojournalisten das Arbeiten mit Stativ noch nicht als Notwendigkeit für eine professionelle Bildgestaltung verinnerlicht haben“ (Stotz 2005, S. 50). Dieses Ergebnis deckt sich mit dem von Sellmann. Auch die inhaltliche Qualitätsdimension Richtigkeit unterschied sich kaum zwischen beiden Produktionsformen. In beiden Fällen lag die Fehlerquote sehr niedrig. Einen Unterschied stellte Stotz hingegen im Vergleich NiF zu Meldung fest. Bei den Meldungen schlich sich häufiger der Fehlerteufel ein. Die Gründe vermutet Stotz in einer unterschiedlichen Recherche- und Bearbeitungsdauer (vgl. Stotz 2005, S. 50). Darüber hinaus untersuchte Stotz die Themenverteilung der Nachrichten in Hard News und Soft News. Unter Hard News fasst sie Themen aus Politik, Wirt-
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Themen gesendet wurden, während es im Kompakt-Block der Lokalzeit Köln 159 waren und in der hessenschau sogar 169. Das kann an der Einführung von Videoreportern und Videojournalisten liegen. Möglicherweise erklärt sich der Unterschied jedoch daher, dass die Nachrichtenlage in Köln, einer Millionenstadt, eine andere ist als in der Region Ostwestfalen Lippe und auch die hessenschau, die für ganz Hessen berichtet, mehr Themen zur Auswahl hat. Diese Unsicherheiten hätten mit der genannten alternativen Vorgehensweise weitgehend ausgeschlossen werden können. Für die Lokalzeit Köln liegt der Anteil der Zulieferungen bei null Prozent. Das legt die Vermutung nahe, dass bewusst auf Zulieferungen verzichtet wird – und das möglicherweise auch schon vor Einführung des Videojournalismus. Weitere Informationen dazu gibt Stotz jedoch nicht.
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schaft und Gesellschaft (Gesundheit, Religion, Umwelt, Verkehr, Wissenschaft, Forschung, Bildung), unter Soft News Kriminalität/Unfälle/Katastrophen sowie Kultur/Sport/Buntes und Prominenz. In einer separaten Kategorie Mixed codierte sie alle Themen, die keinen eindeutigen Schwerpunkt erkennen ließen. Dabei fand sie heraus, dass die Sendung Lokalzeit Köln einen deutlich niedrigeren Anteil an Hard News hat als die anderen beiden Sendungen. Gleichzeitig hat sie einen höheren Anteil an Themen aus dem Bereich Kriminalität/Unfälle/Katastrophen. Die Vermutung, dass Videoreporter vermehrt Themen aus dem letztgenannten Bereich produzieren, konnte Stotz bestätigen. Sowohl bei der hessenschau als auch bei der Lokalzeit Köln behandeln 40 Prozent der videojournalistisch produzierten NiFs Themen aus den Rubriken Kriminalität/Unfälle/Katastrophen. Stotz vermutet dafür drei Gründe: Erstens mag es sein, dass Videoreporter NiFs von Zulieferern ersetzen, die zuvor diese Themen abgedeckt haben. Zweitens verstehen viele Redaktionen Videoreporter als flexible Produktionseinheiten, die für unplanbare Ereignisse wie Unfälle eingesetzt werden. Drittens geht Stotz davon aus, dass die Bezahlung der untersuchten Videoreporter den thematischen Ausschlag gibt. Da sie pro NiF bezahlt werden, versuchen sie, so viele NiFs wie möglich zu produzieren. Ereignisse wie Unfälle oder Brände sind dabei mit weniger Rechercheaufwand zu realisieren als politisch kontroverse Themen und werden daher von Videoreportern bevorzugt (vgl. Stotz 2005, S. 51). In einem zweiten Schritt untersuchte Stotz Beiträge in 20 Sendungen der hessenschau. Im Gegensatz zu den Nachrichten stellte sie bei den Beiträgen fest, dass es kaum Unterschiede in der Themenverteilung zwischen EB-Teams und Videojournalisten gibt (vgl. Stotz 2005, S. 52).
3.1.2 Darstellung in der Praktikerliteratur Neben den referierten wissenschaftlichen Studien zum Thema Videojournalismus gibt es zwei deutschsprachige Publikationen, die der Praktikerliteratur zugeordnet werden können: „Der Videojournalist. So arbeitet man mit einer DVKamera und Schnittcomputer erfolgreich für das Fernsehen“ von Wegner (2004) und „Videojournalismus. Die digitale Revolution“ von Zalbertus und Rosenblum (2003).59 59
Nach Abschluss der Literaturrecherche ist folgendes Buch erschienen: Baur, Sandra (2006): Videojournalismus. Grundlagen, Instrumente, Praxistipps. Vdm Verlag Dr. Müller: Saarbrü-
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Wegner gibt eine Einführung in die technisch-handwerklichen Aspekte des Videojournalismus (vgl. Wegner 2004). Der Titel von Zalbertus und Rosenblum dagegen ist die abgetippte Form eines Vortrags von Rosenblum und eine Sammlung von Erfahrungsberichten (vgl. Zalbertus/Rosenblum 2003). Obwohl beide Bücher hilfreiche Tipps für die Praxis enthalten, sind sie nicht unkritisch zu rezipieren. Im Gegensatz zu wissenschaftlich-empirischen Studien, die den Anspruch auf Objektivität haben, sind diese Veröffentlichungen nämlich von Ansichten und Interessen der Verfasser geprägt.60 In der englischsprachigen Literatur ist Griffith (1998) das Pendant zu Wegner. Auch sein Buch „Videojournalism. The definitive guide to multi-skilled television production“ ist eine praktische Einführung vom „first shoot“ über „scriptwriting“ bis zum „editing“ (Griffith 1998). Darüber hinaus konnten zwei unveröffentlichte deutsche Unternehmenspublikationen recherchiert werden: Gering und Holzmann (2000) verfassten im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR) die Studie „Video-Journalismus – Marketing-Gag oder digitale Revolution im Fernsehen?“. Sie ist als Reaktion auf das VJ-Pilotprojekt des hr zu verstehen. Darin werden technische, betriebliche, betriebswirtschaftliche, personalwirtschaftliche und wahrnehmungsphysiologische Aspekte des Videojournalismus diskutiert. Die Studie kommt zu einem skeptischen Ergebnis, das sich in vier Punkten zusammenfassen lässt:
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Die technische Qualität von VJ-Produktionen ist sendbar. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Einschränkungen dieser Arbeitsweise dem Videojournalisten bekannt sein müssen und berücksichtigt werden. Risiken bestehen bei bestimmten Aufnahmesituationen wie beispielsweise schlechter Beleuchtung oder vielen Menschen. Hier kann es zu einem Qualitätsverlust kommen, auch im inhaltlichen Bereich. Die videojournalistische Produktionsform bietet Kostenvorteile, insbesondere bei Formaten mit hohem Zeit- und Reiseanteil. Unter wahrnehmungsphysiologischen Aspekten werden Risiken für die Wahrnehmung des qualitativ hochwertigen Fernsehens vermutet (vgl. Gering/Holzmann 2003, S. 6 ff.). cken. Für Mai 2008 ist zudem dieses Trainingshandbuch angekündigt: Streich, Sabine (2008): Videojournalismus. Ein Trainingshandbuch. UVK: Konstanz. Insbesondere sind dies wirtschaftliche Interessen. Hier sei darauf verweisen, dass Rosenblum eine eigene Firma zur Lehre des Videojournalismus besitzt, Rosenblum Associates. Zalbertus ist Mitgründer der Deutschen Videojournalistenschule (DVJS) und Geschäftsführer von AZ-Media und des Lokalsenders Center-TV, die beide auf Videojournalisten setzen.
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Vom hr (2004) liegt ein Abschlussbericht zum Pilotversuch Videojournalisten vor.61 Einen Einblick in den Stand der Diskussion in den einzelnen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten und einiger privater Anbieter bieten die Dokumentationen der ZFP (2004, 2005), die zu den jeweiligen deutschlandweiten VJRoundtables erstellt wurden.62
3.1.3 Reaktion der Fach- und Medienpresse Seit der Einführung des Videojournalismus bei Ballungsraumsendern widmet sich auch die Fachpresse dem Thema. Dabei konzentrieren sich die Veröffentlichungen in der Regel auf ein spezielles Ereignis wie beispielsweise den Start eines Aufbaustudiums für Videoreporter an der Bayerischen Akademie für Fernsehen 1994 (vgl. Neubauer 1994), den Pilotversuch Videojournalisten des hr 2003 – 2004 (vgl. u. a. Samloswki 2004; Klink 2003; Lehmann 2003; Nowara 2003) oder die Person Michael Rosenblum (vgl. u. a. Foraci 2004). Die Diskussion beruht dabei auf zwei Standpunkten: Die Kritiker sehen Videojournalismus als bloßes Kostensparmodell, das den Arbeitsdruck erhöhe und die Qualität verringere. Die Befürworter hingegen argumentieren, dass der Videojournalismus die Arbeitsweise der Zukunft sei. Er helfe, die im Fernsehjournalismus hohen Produktionskosten zu senken und die aufwendige Logistik zu vereinfachen (vgl. Spielkamp 2003, S. 5). Im Detail fürchten die Kritiker besonders um die Qualität der Recherche und Bildgestaltung: „Recherchemethoden, Fingerspitzengefühl, Textsicherheit, Lichtgestaltung, Bildaufbau, Wissen um Wirkung und Ästhetik: Ein Videoreporter wird von der Technik aufgezehrt, was zu Lasten der ‚unproduktiven‘, zeitintensiven Recherche gehen wird“ (Neubauer 1994, S. 76). Das bedinge einen verstärkten Sensationsjournalismus. „Einmann-Teams‘ werden sich nur über AVVoyeurismus, Sensationshascherei und den Preis Marktzutritt verschaffen – Willigkeit und Billigkeit statt gründlicher Recherche und adäquater Bildgestaltung“ (Neubauer 1994, S. 78). Das wiederum verschärfe den Verdrängungswettbewerb und „trägt bei zur Entprofessionalisierung“ (Tossuti63 in Roether 2002, S. 5). 61 62
63
Relevante Ergebnisse dieses Abschlussberichtes werden in Abschnitt 3.2 referiert. Wesentliche Argumente und Fakten aus dieser Dokumentation werden ebenfalls in Abschnitt 3.2 dargestellt. Roberto Tossuti ist Kameramann beim hr und erprobte die neue Arbeitsweise.
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Auch sei problematisch, dass der „zweite Blick“ fehle und die Beiträge das „eigene Kind“ seien (hr-Personalrat in Samlowski 2004, S. 43). Darunter könne die Außendarstellung eines Senders leiden und damit die Akzeptanz bei den Gebühren zahlenden Zuschauern (vgl. hr-Personalrat in Samlowski 2004, S. 43). Zudem komme die Ausbildung teilweise zu kurz (vgl. Hockenberry 2005, S. 25; Neuberger 1994, S. 74 ff.). Haller spottet beispielsweise über die Ausbildung an der Bayerischen Akademie für Fernsehen (BAF): „Ein paar Stunden Recherche vor Ort, Queerbeet-Interviewtechnik, ein bisschen Fernsehgeschichte, ein paar Tipps aus dem Medienrecht, Eigenheiten von Livesendungen und, vor allem: ‚Das Handwerkszeug: praktische Übungen mit Kamera, Licht und Schnitt‘ (BAF)“. So bleibe der Videoreporter „eher ein der Optik verpflichteter Kameramann als ein an Inhalten interessierter Journalist“ (Haller in Belz/Haller/Sellheim 1999, S. 95). Darüber hinaus sehen es Kritiker als problematisch an, „davon auszugehen, dass aus fähigen Cuttern über Nacht ebenso patente Kameramänner und Reporter werden“ (Maaßen64 in Klink 2003, S. 46). Mit anderen Worten: „Die Tätigkeit birgt die Gefahr, alles ein bisschen, aber nichts besonders gut zu können [...]“ (Belz/Haller/Sellheim 1999, S. 93). Die Befürworter hingegen führen vor allem zwei Argumente ins Feld: „Videojournalismus-Produktionen sind kostengünstig [und] [...] bereichern bzw. erweitern das bisherige TV-Programm“ (Neri 2005, S. 22). So bringen VJBeiträge beispielsweise mehr Regionalität ins Programm (vgl. Handwerk 2004, S. 20). Als weitere Vorteile nennen die Befürworter „Schnelligkeit, Flexibilität und Nähe zum Objekt“ (Neri 2005, S. 23). Durch geringe Größe und Gewicht der Kamera könne man sie flexibler einsetzen. Das führe zu ungewöhnlichen Perspektiven und Situationen (vgl. Neri 2005, S. 22) und somit möglicherweise zu einer neuen Bildsprache. Auch komme man mit der unscheinbaren Technik näher an Menschen heran (vgl. Kliebhan65 in Roether 2002, S. 3), Interviewsituationen gestalteten sich dadurch unbefangener (vgl. Klink 2003, S. 45). Es sei möglich, mehr Intimität herzustellen (vgl. Arnold66 in Roether 2002, S. 4). Rosenblum propagiert zudem, dass Videojournalisten die Autorenschaft in das Fernsehen bringen. Die selbstbestimmte Arbeitsweise ermögliche eine persönliche Handschrift der Beiträge (vgl. Rosenblum in Foraci 2004, S. 21). Begünstigt werde sie auch durch die Möglichkeit zu experimentieren, risikofreudiger zu
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Ludwig Maaßen leitet beim BR die journalistische Ausbildung. Bernd Kliebhan ist VJ-Beauftragter des hr. Mike Arnold bekleidet die Position des Senior Manager Nations and Regions bei der BBC.
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werden – auch auf die Gefahr hin, dass aus einer Geschichte nichts werde (vgl. Rosenblum in Foraci 2004, S. 21; Klein 67 in Handwerk 2004, S. 20). Uneinig ist man sich auch, was das Einsatzgebiet von Videojournalisten betrifft. Die einen sehen sie für kurze, unkomplizierte Nachrichtenfilme prädestiniert. Sie begründen ihre Einschätzung damit, dass „zum einen bei ihnen die Aktualität wichtiger [ist] als die perfekte Qualität, zum anderen [...] sich der Arbeitsaufwand in Grenzen [hält] [...]“ (Belz/Haller/Sellheim 1999, S. 94). Mit längeren und aufwendigeren Beiträgen, an die inhaltlich und handwerklich andere Ansprüche gestellt werden, sei der Videojournalist dagegen überfordert. Hier sei der Aufwand für Recherche und Produktion so hoch, dass man nur im Team weiterkomme. Zumindest, wenn sich die Produktionszeit in einem gewissen Rahmen halten solle (vgl. Belz/Haller/Sellheim 1999, S. 94). Andere, beispielsweise der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), sehen VJ-Beiträge hingegen in der nicht tagesgebundenen Produktion. Sie argumentieren, dass Videojournalismus zu einer enormen Arbeitsverdichtung führe, die sich gerade in der unter Zeitdruck stehenden aktuellen Berichterstattung auf die journalistische Sorgfalt auswirken könne (vgl. Deutscher Journalisten-Verband 2004, S. 20). Neben der Aktualitätsfrage spielen die Drehbedingungen eine Rolle. Die Interessenvertretung für Medienschaffende, Convexx AV, sieht Videojournalisten vor allen im regionalen, weniger in der Politikberichterstattung: „Im Kanzleramt kann ich mir einen Videojournalisten kaum niveauvoll vorstellen, bei einem Bienenzüchter in der Region ist das eher machbar“ (Hofmann68 in Fesel 2004, S. 18).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Fachpresse Videojournalismus durchaus differenziert diskutiert. Kritiker wie Befürworter führen aber weitestgehend Argumente an, die in der Regel auf eigenen beruflichen Erfahrungen beruhen. Skeptischer fällt das Bild aus, das die Tages- und Wochenpresse vom Videojournalismus zeichnet. Im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen Michael Rosenblum (vgl. u. a. Henk 2005, S. 57; Vorhoff 2004, S. 18; Lindenau 2002, S. 21) sowie der Pilotversuch des hr (vgl. u. a. Niedenthal 2003, S. 18; Pasch 2003, S. 24). Dabei wird an Polemik nicht gespart. So heißt es in der tageszeitung (taz) über Rosenblum: „Schon seit über zwanzig Jahren ist der amerikanische TV-Journalist Michael Rosenblum auf einer Missionsreise. Er will die Welt bekehren, auf seine Art Fernsehen zu machen. Sein Gott heißt VJ“ 67 68
Harry Klein arbeitet als stellvertretender Chefredakteur im SAT.1-Regionalstudio in München. Olaf Hofmann ist Projektmanager bei Convexx AV.
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(Vorhoff 2004, S. 18). In der Süddeutschen Zeitung (SZ) wird er als „Vater des Videojournalismus“ bezeichnet (Lindenau 2002, S. 21), in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) als „großer Motivator“ (o. V. 2003, S. 63) und in der Frankfurter Rundschau (FR) gar als „Guru“ (Fesel 2004, S. 18). Die Zeit bescheinigte Rosenblum, dass „selten [...] ein Einzelner solchen Einfluss auf das europäische Staats- und Gebührenfernsehen gehabt [habe]“ (Henk 2005, S. 57). Auf fachlicher Ebene werden die genannten Bedenken aufgegriffen. So wird befürchtet, dass Videojournalismus eine bloße Kostensparmaßnahme und eine Gefahr für die Qualität sei (vgl. Frickel69 in Fesel 2004, S. 18). Autoren bezweifeln, dass eine Person die Kompetenz besitze, drei Profis zu ersetzen (vgl. Frickel in Fesel 2004, S. 18). Vielmehr sieht man eine Überforderung des Videojournalisten: „Wer sich auf die Technik konzentrieren muss, kann sich einem Gesprächspartner nicht mehr mit der notwendigen Aufmerksamkeit widmen“ (Gangloff 2004, S. 37). Auch inhaltliche Oberflächlichkeit wird kritisiert: „Die Bilder sind degradiert zum bloßen Belegen des Dabeigewesenseins. [...] Die Beiträge sind verliebt in die Oberfläche; ausnahmslos bejahen sie das Objekt. Es sind gefühlige Belanglosigkeiten [...]“ (Henk 2005, S. 57). Unter ästhetischen Gesichtspunkten wird der Rationalisierungsvorteil als Nachteil ausgemacht: „Digicams brauchen keine künstliche Lichtquelle, und der Ton kommt aus dem angeschraubten Richtmikrofon oder dem verkabelten Protagonisten – als GeGestaltmerkmal fallen Ton und Licht also weg“ (Henk 2005, S. 57).
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Thomas Frickel ist geschäftsführender Vorstand der AG-DOK, der Interessenvertretung der Dokumentarfilmer, und selbst renommierter Dokumentarfilmer.
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3.1.4 Zusammenfassung und Ausblick auf die Empirie In der Literatur70 zeigen sich zwei Grundpositionen zum Thema Videojournalismus: Kritiker sehen die neue Produktionsweise als bloße Sparmaßnahme und fürchten um die technische und inhaltliche Qualität. In ersten empirischen Studien konnte die These der minderen Qualität jedoch nicht bestätigt werden. Als Gründe für diese Auffassung werden vor allem eine zu kurze Ausbildungszeit und die Arbeitsverdichtung genannt. So gehe die technische Tätigkeit zulasten der journalistischen, beispielsweise der Recherche. Auch dieses Argument konnte in einer ersten kleinen Untersuchung nicht verifiziert werden. Zudem wird kritisiert, dass eine Kontrollinstanz, wie ehemals der Cutter, fehlt. Hier brachte eine erste Erhebung Hinweise, dass Videojournalisten dieses Manko durch verstärkte Kommunikation mit ihren Kollegen auszugleichen versuchen. Nicht nur bei den medienwissenschaftlichen Kritikern und in den Sendern hat der Videoreporter und -journalist mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen, sondern gelegentlich auch beim Drehen vor Ort. Befürworter hingegen loben die Kostenvorteile des Videojournalismus – die im Übrigen auch bei den Kritikern unbestritten sind. Die ökonomische Arbeitsweise ermögliche es, die Regionalität der Programme auszubauen und teure Genres wie Langzeitbeobachtungen zu erhalten bzw. auszubauen. Inhaltlich heben Befürworter die Authentizität und größere Nähe der VJ-Beiträge hervor. Die autonome Arbeitsweise und größere Risikobereitschaft der Sender führe zudem zu Beiträgen mit einer persönlicheren Handschrift. Mithilfe einer Inhaltsanalyse wurden diese Kategorien jedoch noch nicht direkt erfasst. Möglicherweise liegt das daran, dass sie nur schwer zu operationalisieren sind. Welches Einsatzgebiet sich für Videojournalismus am besten eignet, ist ebenfalls umstritten. Die einen loben Schnelligkeit und Flexibilität der Selbstdreher und sehen sie daher in der tagesaktuellen Produktion. Die anderen war70
Die Zusammenfassung wagt eine Synopse der wissenschaftlichen Literatur, der Praktikerliteratur und der Medien- und Fachpresse. Dieses Vorgehen erscheint möglicherweise gewagt, da es empirisch fundierte Ergebnisse mit Behauptungen von Praktikern zusammen nennt. In diesem Fall wurde sich jedoch sehr bewusst für dieses Vorgehen entschieden, da die empirischen Studien bisher überwiegend mit Hilfe von Fragebögen oder Leitfadeninterviews gerade diese Praktikereinschätzungen abgefragt haben. Zudem wird im Folgenden durch die Verwendung des Konjunktivs deutlich gemacht, wann es sich um eine bloße Einschätzung der Kritiker bzw. Befürworter handelt. Wird hingegen auf die Ergebnisse empirischer Studien verwiesen, wird dies ebenfalls betont. Auf diese Weise ist eine Gegenüberstellung von Behauptungen und ersten empirischen Ergebnissen möglich.
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nen, dass unter Zeitdruck die Qualität leide. Sie argumentieren, dass ein Videojournalist zwar schneller als ein klassisches Team auf Ereignisse reagieren könne, verweisen jedoch auch darauf, dass er für die anschließende mediale Aufbereitung länger brauche. Das spricht gegen einen Einsatz im Tagesaktuellen.
3.2 Ist-Zustand in der ARD Im folgenden Abschnitt wird dargestellt, ob und in welcher Form Videoreporter und Videojournalisten in der ARD eingesetzt werden. Dabei geht es an dieser Stelle darum, eine Größenordnung zu vermitteln, Einsatzgebiete und Zielsetzungen zu nennen und so einen Überblick zu geben, der auch erste Hinweise für die Hypothesenbildung gibt. Nicht eingegangen wird auf Aspekte des Qualitätsmanagements wie Aus- und Weiterbildung, technische Ausrüstung, finanzielle Honorierung, Erfahrungen in der Produktion etc., da diese Daten umfassend und systematisch in der Auswertung (Kapitel 6) angesprochen werden. Die für den Überblick notwendigen Daten stammen aus der Sekundäranalyse interner Publikationen71. Sie werden ergänzt und aktualisiert durch Informationen aus den Leitfadengesprächen 72 und sind als Momentaufnahmen zum Zeitpunkt der Erhebung 2005/200673 zu verstehen. Zudem können sie den IstZustand nur soweit widerspiegeln, wie ihn die einzelnen Sendeanstalten kommunizieren. Die Vorstellung der Rundfunkanstalten erfolgt alphabetisch. Bayerischer Rundfunk (BR) Der BR74 setzt bereits seit 1994 Videoreporter im Studio Franken ein. Grund für die Einführung war, dass es damals in Nordbayern kaum Produktionsfirmen gab, 71
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Damit sind die Dokumentationen der ZFP zum Videojournalismus-Roundtable 2004 sowie 2005 gemeint (vgl. ZFP 2004; ZFP 2005), die vom NDR in Auftrag gegebene Studie (vgl. Gehring/Holzmann 2004) sowie der Abschlussbericht des Pilotversuchs Videojournalisten des hr (vgl. Hessischer Rundfunk 2004). Die Methodik wird in Kapitel 5 erläutert. Stand der ZFP-Dokumentation zum Videojournalismus-Roundtable 2005 ist September 2005. Die Leitfadengespräche mit den Vertretern der zehn ARD-Anstalten wurden zwischen Oktober 2005 und März 2006 geführt. Der BR ist seit 1948 Landesrundfunkanstalt des Freistaates Bayern. Er war 1950 Gründungsmitglied der ARD und ist heute viertgrößte ARD-Anstalt. In dem rund 70.000 km2 großen Sendegebiet leben gut 12,5 Millionen Menschen, die insgesamt knapp 6,9 Millionen Hörfunk- und
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die Rohmaterial für die Regionalnachrichten hätten zuliefern können (vgl. Sauer 2004, S. 87). Heute sind elf Hörfunkkorrespondenten in ganz Bayern als Videoreporter tätig (vgl. Sauer 2004, S. 88). Sie liefern nicht mehr nur für die Regionalnachrichten zu, sondern auch für andere Sendungen, z. B. von der Rundschau bis hin zur Tagesschau. Dabei ist der Arbeitsablauf so, dass sie nach dem Dreh das Material an das Studio Franken überspielen. Dort schneidet und bearbeitet es ein Kollege und bietet es den entsprechenden Redaktionen im Münchner Funkhaus an (vgl. Keller-May 2005a, S. 18). Das anfangs aus einem Mangel an freien Produktionsfirmen entstandene Konzept sieht der BR mittlerweile auch als einen „Beitrag zur Kostendämpfung“ (Sauer 2004, S. 86). Darauf aufbauend bildete der BR 2005 insgesamt 23 Videojournalisten aus, zwölf im Funkhaus in München und elf im Studio Franken (vgl. Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b). Dass der BR Videojournalisten mit in das Programm einbindet, hat vor allem redaktionelle Gründe. So erwartet man, dass die „Machart der Beiträge, ihre Erzählstruktur, unheimliche Vorteile bringt“ (Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b). Zudem sei es ein Ziel, „dass wir ein neues Sendeformat kriegen“75 (Keller-May 2005a, S. 19). Mit einer Ausnahme handelte es sich bei den Videojournalisten um freie Fernsehjournalisten (vgl. Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b). Die meisten von ihnen kommen aus den Redaktionen Rundschau oder Abendschau und werden dementsprechend auch für diese aktuellen Sendungen eingesetzt. Aber auch Magazinsendungen haben schon Interesse angemeldet (vgl. Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b). Welche Einsatzgebiete sich für Videojournalisten ergeben – vom klassischen Feuerwehreinsatz bis zu Reportagen – lotet der BR zum Erhebungszeitpunkt noch aus (vgl. Keller-May 2005a, S. 19).
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5,7 Millionen Fernsehgeräte angemeldet haben. Hauptsitz des BR ist das Funkhaus in München. Daneben unterhält er Fernsehstudios in München-Freimann und Unterföhring, das Studio Franken in Nürnberg, Regionalstudios in Würzburg und Regensburg sowie Korrespondentenbüros in 19 weiteren bayerischen Städten (vgl. ARD 2008a, sp.). Inzwischen hat der BR im Jahr 2007 acht Mal das VJ-Format Unterwegs in... ausgestrahlt. Fünf bis sieben VJs suchten sich dabei einen kleinen Ort, der selten im Fernsehprogramm vertreten ist. Ohne vorher zu recherchieren, fuhren sie einen Tag in diesen Ort und sammelten dort Geschichten. Das Format wird derzeit überarbeitet. Außerdem plant der BR, das Jugendmagazin Südwind, ein trimediales Produkt aus Hörfunk, TV und Online, stärker mit VJ-Beiträgen zu bestücken. Ein Doppeldeckerbus ist dabei eine Woche lang in einem Ort in Bayern. VJs schulen und unterstützen dort Jugendliche, die selbst die Filme für die Sendung erstellen (vgl. KellerMay/Jordan 2007).
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Der Output an VJ-Beiträgen beläuft sich auf rund zwei pro Woche (vgl. Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b). Neben den Videoreportern und Videojournalisten arbeitet der BR auch mit alternativen Teamkonstellationen: dem Ein-76 und Zwei-Mann-Team77 (vgl. Sauer 2004, S. 88). Die Übergänge sind also fließend. Deutsche Welle (DW) Die DW78 setzt seit 2003 offiziell Videojournalisten ein. Zuvor strahlte sie zwar schon vereinzelt derart produzierte Beiträge von freien Mitarbeitern oder Auftragsfirmen aus, in der Regel aber unwissentlich (vgl. Trippe 2004, S. 31). Die DW schulte bis 2007 24 feste und über 80 freie Journalisten. Der überwiegende Teil der fest Angestellten kommt aus den Redaktionen, aber auch acht Mitarbeiter der Produktion sind beteiligt (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b, Aktualisierung der Daten per E-Mail am 11. Juli 2007). Die VJs bei DW-TV steuerten in den ersten eineinhalb Jahren rund 220 Beiträge (ca. 650 Sendeminuten) zum Programm bei. Bis Mitte 2007 waren es bereits über 2.000 Sendeminuten (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b, Aktualisierung der Daten per E-Mail am 11. Juli 2007). Mit ihrem Einsatz verbindet die DW Erwartungen auf drei Ebenen:
Redaktionell: „Möglichkeiten und Programmfarben erweitern“. Technisch: „Auf vergleichbarem Niveau flexibler und variantenreicher (z. B. Einsatz von zwei Kameras) zu sein“.
76
Darunter versteht der BR einen AV-Mediengestalter mit eigener, kleiner Ausrüstung, der unabhängig von Dispo-Zeiten angerufen und eingesetzt werden kann. Derzeit gibt es drei solcher Ein-Mann-Teams beim BR (vgl. Sauer 2004, S. 88). Sie übernehmen auch leichte Recherchearbeiten vor Ort und bekommen dafür einen Honoraraufschlag für journalistische Tätigkeit (vgl. Sauer 2004, S. 84). Insofern unterscheiden sie sich nach der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definition nicht von einem Videoreporter. Damit wird beim BR die Konstellation aus einem Assistenten und einem Journalisten bezeichnet. Der Assistent dreht die Bilder, der Journalist holt den Ton ein und trägt das Stativ oder den Akkugürtel. Wenn er nicht vom Hörfunk kommt, wird er in der Tontechnik geschult (vgl. Sauer 2004, S. 88). Die DW ist seit 1960/62 Auslandsrundfunkanstalt der Bundesrepublik Deutschland und ebenfalls seit 1962 Mitglied der ARD. Ihr Hauptsitz ist seit 2003 Bonn. DW-TV ist allerdings in Berlin untergebracht. Außerdem betreibt die DW Studios für Hörfunk und Fernsehen in Brüssel, Moskau und Washington (vgl. ARD 2008b, sp.).
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Finanziell: „Mittel- und langfristig preisgünstiger zu produzieren, nach Amortisation der Anlaufkosten (Schulungen, Support, EquipmentBeschaffung)“ (Trippe 2005, S. 28).
Die DW setzt Videojournalisten verstärkt in der Auslandsberichterstattung ein, z. B. in Afghanistan oder im Kosovo (vgl. Kaempf 2005a, S. 13). Der Einsatz soll aber auch auf friedliche Gebiete ausgeweitet werden (vgl. Kaempf 2005a, S. 14). Darüber hinaus werden Videojournalisten für Magazinstücke abseits der Tagesaktualität genutzt (vgl. Kaempf 2005a, S. 13). „Ich will nicht verheimlichen, was sie nicht tun: Stundenaktuelle Nachrichtenproduktion, politische Regelberichterstattung (Reichstag, Ministerien), O-Töne abgreifen, da sollten die politischen Reporter ihre Hände und Füße frei haben. Das filmische Festhalten planbarer, absehbarer, einmaliger Momente, Stichwort Archivsicherheit“ (Trippe 2004, S. 32).
Die DW hat bis 2007 über 100 VJs, meist freie Journalisten aus dem Haus, geschult, von denen gut die Hälfte regelmäßig als VJ arbeitet. Diesen Status quo möchte sie zunächst halten. Außerdem geht sie davon aus, dass künftig VJs mit ihren eigenen Produktionsmitteln arbeiten, also ihre Beiträge als Produzent realisieren bzw. anbieten. Zudem werden entsprechend ausgebildete Videojournalisten von außen ihre Leistung anbieten, die dann, bei Bedarf, eingekauft werden können (vgl. Kaempf 2005a, S. 14). Für die Zukunft sieht die DW eine Produktion je nach Drehanforderungen: mit DV-Technik im Team, als Videojournalist oder in einer Zweierkonstellation (vgl. Kaempf 2005a, S. 14). Hessischer Rundfunk (hr) Der hr79 ist zum Erhebungszeitpunkt die erste Landesrundfunkanstalt in der ARD, die Videojournalisten nach einer neunmonatigen Pilotphase systematisch in das Programm eingebunden hat. Für verschiedene Redaktionen – von der hessenschau bis zur ARD-Sendung Abenteuer Erde – sind 63 Videojournalisten im Einsatz. Hinzu kommen 16 Videoreporter in den verschiedenen Studios und 79
Der hr ist seit 1948 Landesrundfunkanstalt Hessens. Er ist Gründungsmitglied der ARD und heute sechstgrößte ARD-Anstalt. In dem gut 21.000 km2 großen Sendegebiet leben 6,1 Millionen Menschen, die insgesamt 3,3 Millionen Hörfunk- und rund 2,7 Millionen Fernsehgeräte angemeldet haben. Der Hauptsitz des hr ist das Frankfurter Funkhaus. Darüber hinaus unterhält er fünf Studios in Kassel, Fulda, Gießen, Darmstadt und Wiesbaden sowie vier Korrespondentenbüros in Marburg, Limburg, Erbach und Eltville (vgl. ARD 2008c, sp.).
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Korrespondentenbüros des hr (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). Sie realisieren die ganze Bandbreite von 20-sekündigen Nachrichten im Film (NiFs) (Videoreporter) bis zu 30-minütigen Reportagen (Videojournalisten) (vgl. Metzger 2004, S. 18). Der Vorläufer des „Pilotprojektes Videojournalisten“ startete bereits 2001. Dabei wurden Hörfunkkorrespondenten in den hessischen Regionen zu Videoreportern ausgebildet, um mehr Regionalität in das Programm zu bringen (vgl. Metzger 2004, S. 21) – mit mehreren Auswirkungen: „‚Hessen aktuell‘ hat einfach mehr Material, und hat mit geringem Mehraufwand drei zusätzliche Ausgaben ins Programm nehmen können, wir sind in den Nachmittag gegangen. Zweiter Effekt: Grafiken werden durch Bewegt-Bilder ersetzt. Dritter Effekt: Menschen in Landkreisen merken das, dadurch ist die Verankerung spürbar besser geworden“ (Metzger 2004, S. 27).
Aufbauend auf diesen Erfahrungen startete der hr 2003 den „Pilotversuch Videojournalisten“. Im ersten Ausbildungsjahrgang wurden 43 Mitarbeiter, vier Festangestellte und 38 Freie zu Videojournalisten ausgebildet (vgl. Metzger 2004, S. 17). Schon in der Zeit des Pilotprojektes produzierten sie für ihre Redaktionen 836 Beiträge, rund 2.500 Sendeminuten (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 22). Im zweiten Ausbildungsjahrgang wurden weitere 20 Mitarbeiter geschult (vgl. Metzger 2004, S. 17). Ähnlich wie die DW verband der hr damit Erwartungen auf drei Ebenen:
Redaktionell: „Neue Sichtweisen und intensive/emotionale Geschichten – in Ergänzung zur üblichen, informationsorientierten Berichterstattung.“ Technisch: „Technischer und handwerklicher Standard, der gegenüber der klassischen, Beta-gestützten Produktion voll konkurrenzfähig ist.“ Finanziell: „Sinkende Produktionskosten, Ersparnisgewinne, die in Zeiten sinkender Budgets ins Programm gesteckt werden können“ (Metzger 2004, S. 17).
Um die ersten beiden Erwartungen zu überprüfen, näherte sich der hr aus drei Richtungen: Er richtete ein „Team Qualitätssicherung“80 ein, das Beiträge exemplarisch untersuchte. Eine unsystematische Auswertung von Minutenverläufen gab Hinweise darauf, wie Zuschauer auf Videojournalisten-Beiträge reagieren. Die hauseigene Medienforschung führte eine qualitative Untersuchung über die 80
Das „Team Qualitätssicherung“ setzte sich aus zwei Redakteurinnen, einer Cutterin und einer Kamerafrau zusammen.
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Wirkung von Videojournalisten-Beiträgen bei den Zuschauern durch (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 27). Im Folgenden werden die Ergebnisse kurz zusammengefasst:81
Die Beiträge sind handwerklich im Verlauf des Pilotprojektes besser geworden. Schwierigkeiten gibt es mit dem Weißabgleich, der Belichtung, der Quadrierung und dem Ton. Dem Schnitt fehlt teilweise der dramaturgische Bogen. Es gibt VJ-typische Einstellungen wie z. B. nah, halbnah folgend, die in der Summe langweilig wirken. Der Zuschauer bemerkt auf technisch-optischer Bildebene keinen Unterschied zwischen Fernsehbeiträgen, die mit einer Beta-Kamera aufgenommen wurden, und solchen, die mit einer Videokamera von einem Videojournalisten gedreht wurden. Exemplarisch analysierte Minutenverläufe zeigen, dass VideojournalistenBeiträge öfter sogenannte „Ausreißer“ nach oben produzieren (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 28 ff.).
Die ökonomischen Erwartungen erfüllten sich anfangs nicht, denn die Anschaffungs-, Ausbildungs- und Supportkosten waren so hoch, dass sich das Projekt nicht amortisierte (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 32). Davon unabhängig hat der hr die Kosten für einen herkömmlich produzierten Beitrag mit denen für einen Videojournalisten-Beitrag verglichen.82 Dabei hat er festgestellt, dass Videojournalisten-Beiträge rund zwölf Prozent günstiger in der Produktion sind (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 32). Trotzdem steht es für den hr außer Frage, dass „eine Entscheidung für den Einsatz von VJs keine rein wirtschaftliche, sondern [...] eine strategische Entscheidung sein“ muss (Hessischer Rundfunk 2004, S. 33). 81
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Die Methodik kann nicht umfassend beschrieben werden, da der hr die Studie nicht nach außen gibt. Die genaue Berechnung ist im Projektbericht nicht dokumentiert. Der hr weist aber schon selbst darauf hin, dass diese problematisch ist, denn „verglichen wird eine neue Produktionsweise, die ihre Kinderkrankheiten noch nicht hinter sich hat, mit einer eingeführten Produktionsweise, die viele Jahre der Entwicklung und Optimierung hinter sich hat. Verglichen wird darüber hinaus ein kurzer Erfahrungszeitraum von neun Monaten, der noch vielen ZufallEinflüssen unterlag, mit den Erfahrungen von Jahrzehnten [...]. Eine belastbare Analyse der Wirtschaftlichkeit von VJs wird insofern erst in einigen Jahren möglich sein, wenn diese zum selbstverständlichen Teil des Hessischen Rundfunks geworden sind“ (Hessischer Rundfunk 2004, S. 32).
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Der hr geht davon aus, dass in wenigen Jahren der Einsatz von Videojournalisten im Fernsehen genauso zum Alltag gehören wird wie der von selbst schneidenden und mischenden Redakteuren im Hörfunk (vgl. Metzger 2004, S. 20). Zudem sieht er eine „gemischte Produktionslandschaft aus VRs, VJs, EinMann-Teams, Zwei-Mann-Teams, Drei-Mann-Teams, Mini-Ü-Wagen, kleinen Ü-Wagen, mittleren Ü-Wagen und großen Ü-Wagen“, um, je nach Thema, das passende Produktionsmittel zu wählen. „So preiswert wie möglich, so teuer wie nötig. Und niemand fährt mehr mit dem Lastwagen zum Brötchenholen [...] “ (Metzger 2004, S. 20). Mitteldeutscher Rundfunk (mdr) Der mdr83 gründete 2004 eine „Arbeitsgruppe Videoreporter/Videojournalisten“84. Sie wurde beauftragt, ein redaktionelles Konzept für die Einführung von Videoreportern und -journalisten beim mdr zu erarbeiten (vgl. Lüdecke 2004, S. 47). Verschiedene Redaktionen setzten DV-Material jedoch schon lange vorher ein, vor allem in der tagesaktuellen regionalen Berichterstattung und teilweise für Doku-Soaps. Das Material wurde von Fremdfirmen geliefert. Ein Beispiel dafür ist das Mittagsmagazin dabei ab zwei um 14 Uhr. Bedingt durch die frühe Sendezeit und weite Entfernungen für Drehorte kauft der mdr rund 60 Prozent des Materials bei Produktionsfirmen aus dem Sendegebiet ein. „Das MDR-Magazin wäre anders nicht mit den geschilderten Themen bestückbar und auch gar nicht finanzierbar“ (Lüdecke 2004, S. 42). Mit der Qualität der Zulieferungen waren die Redaktionen jedoch nicht immer zufrieden. Da der mdr den Grund dafür nicht per se in der Produktionsweise sah, sondern darin, dass „die VR der freien Firmen selten eine entsprechende Ausbildung besitzen“ (Lü83
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Der mdr ist seit 1991 – Sendebeginn 1992 – gemeinsame Landesrundfunkanstalt der Freistaaten Sachsen und Thüringen sowie des Landes Sachsen-Anhalt. Seit 1992 ist er auch Mitglied der ARD und heute die fünftgrößte ARD-Anstalt. In dem ungefähr 50.000 km2 großen Sendegebiet leben rund neun Millionen Menschen, die insgesamt knapp 4,7 Millionen Hörfunk- und 4,2 Millionen Fernsehgeräte angemeldet haben. Der Hauptsitz des mdr ist Leipzig mit einer Betriebsstätte für den Hörfunk in Halle. Er unterhält drei Landesfunkhäuser in Dresden, Magdeburg und Erfurt und zwölf Regionalstudios in Dessau, Halle, Magdeburg, Stendal, Bautzen, Dresden, Chemnitz, Leipzig, Gera, Heiligenstadt, Suhl und Weimar. Darüber hinaus hat er Korrespondentenbüros in Chemnitz, Görlitz, Leipzig, Plauen, Quedlinburg und Saalfeld (vgl. ARD 2008d, sp.). Dieser Arbeitsgruppe gehören Mitarbeiter der redaktionellen wie produktionstechnischen Seite an. Neben der Zentrale sind alle Landesfunkhäuser eingebunden (vgl. Lüdecke 2004b, S. 47).
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decke 2004, S. 41), setzte er auf eine eigene Ausbildung von Videoreportern und Videojournalisten. Noch im selben Jahr startete das Pilotprojekt im Landesfunkhaus Sachsen. Die Fernsehdirektion Leipzig sowie die Landesfunkhäuser Sachsen-Anhalt und Thüringen zogen nach (vgl. Lüdecke/Mugrauer 2004, S. 41 f.). Folgende Punkte waren dabei für den mdr wichtig: „Wir erwarten vom Einsatz der VR/VJs zunächst eine Verbesserung der regionalen Berichterstattung sowie in der Tendenz eine höhere Qualität von DV-Beiträgen. Natürlich gehen wir davon aus, dass sich durch den Einsatz von VR/VJs auch Einsparmöglichkeiten ergeben. Beides ist uns gleichermaßen wichtig“ (Lüdecke 2004, S. 43 f.).
Insgesamt hat der mdr rund 80 freie Mitarbeiter aus Redaktion und Produktion zu Videoreportern und -journalisten ausgebildet (vgl. Lüdecke 2005, S. 22). Ihre redaktionellen Einsatzgebiete unterscheiden sich je nach Standort. Der Fernsehdirektion Leipzig geht es darum, Videojournalisten in die Redaktionen zu integrieren. Sie sollen non-aktuelle Beiträge produzieren, „wo sie – wenn’s schief geht – doch noch mal rausfahren können, oder auch im Schnitt lange ‚friemeln‘ können, das [sic!] das Ding ein Erfolg wird und nicht unter Zeitdruck wie bei meiner Sendung bis 14 Uhr auf den Sender müssen“ (Mugrauer in Lüdecke 2005, S. 23). An Videoreportern für NiFs hat sie dagegen kein Interesse, weil „wir so ein breites Netz an Freien [sic!] Firmen haben, die uns zu konkurrenzlos günstigen Preisen das Material Freihaus [sic!] liefern“ (Mugrauer in Lüdecke 2004, S. 49). Die drei Landesfunkhäuser Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben eine andere Strategie. Da es ihr Ziel ist, die regionale Berichterstattung zu erhöhen, setzen sie in erster Linie Videoreporter tagesaktuell ein (vgl. Lüdecke 2005, S. 22). In einer ersten Bilanz zeigt sich, dass der Einsatz von Videojournalisten stark von den Erfordernissen der einzelnen Redaktionen abhängt. „Deshalb wird das unterschiedlich gehandhabt in den einzelnen Bereichen: Es gibt VJs, die schon komplett produzieren, in den Funkhäusern wird gedreht und der Schnitt ist klassisch an den Schnittplätzen“ (Lüdecke 2005, S. 23). Sowohl das Ziel der Qualitätsverbesserung gegenüber freien Produktionsfirmen als auch die Regionalisierung des Programms, beispielsweise durch 200 zusätzliche NiFs im Magazin Sachsen-Anhalt heute, sieht der mdr erreicht (vgl. Mugrauer in Lüdecke 2005, S. 23). Eine Kostenersparnis habe es hingegen mdr-weit nicht gegeben, denn „wir hätten diese Beiträge sonst nicht gesendet“ (Lüdecke 2005, S. 23). Für die Zukunft erwartet der mdr, dass „das Thema VJ kein besonderes mehr darstellt, sondern die VJ/VR-Berichterstattung organischer Bestandteil der Beitragsgestaltung in unserem und anderen Sendern sein wird“ (Lüdecke 2004, S. 45).
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Norddeutscher Rundfunk (NDR) Beim NDR85 wird zum Erhebungszeitpunkt noch diskutiert, ob Videojournalismus eingeführt werden soll. 2005 liefen drei Pilotprojekte, die Videojournalismus ebenso testeten wie alternative Teamkonstellationen. So wurde im Landesfunkhaus Hannover das Reporterteam86 getestet. Im Landesfunkhaus Schwerin und den Außenstudios Greifswald und Rostock konzentrierte man sich darauf, Erfahrungen mit Videoreportern zu sammeln. Im dritten Piloten kaufte der NDR Reportagen von freien Produktionsfirmen, von denen er wusste, dass sie mit Videojournalisten arbeiten. Im Landesfunkhaus Schwerin wurden zwei freie Fernsehjournalisten kameratechnisch geschult, in den Studios Greifswald und Rostock jeweils einer. Ein halbes Jahr lang drehten sie NiFs und Rohmaterial für Beiträge. Fertig gestellt wurden die Werke mit Cutter im Schnitt. Durchschnittlich produzieren sie jede Woche drei bis vier Programmelemente (vgl. Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006). Erste Versuche, DV-Technik in der Regionalberichterstattung einzusetzen, gab es beim NDR schon zuvor. Allerdings verliefen sie nicht erfolgreich (vgl. Mechnich 2004, S. 100). Eingesetzt wird DV-Technik jedoch, „wenn die Umstände, unter denen die Dreharbeiten stehen, dies fordern“ (Mechnich 2004, S. 100). Dazu zählt der NDR die Berichterstattung aus Krisengebieten oder Dreharbeiten, bei denen ein Drei-Personen-Team keinen Zutritt hätte oder stören würde. Zudem sendet er semiprofessionell gedrehtes Material, das Agenturen anbieten (vgl. Mechnich 2004, S. 100). Im Zuge des Pilotprojektes Videojournalisten beim hr begann auch der NDR wieder über den Einsatz von Videoreportern und Videojournalisten zu 85
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Der NDR ist seit 1955/1956 die gemeinsame Landesrundfunkanstalt der Freien und Hansestadt Hamburg sowie der Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und seit 1992 auch Mecklenburg-Vorpommern. Seit seiner Gründung ist der NDR Mitglied der ARD und heute ihre drittgrößte Anstalt. In dem ungefähr 87.0000 km2 großen Sendegebiet leben rund 14,3 Millionen Einwohner, von denen fast 7,7 Millionen Hörfunk- und 6,6 Millionen Fernsehgeräte angemeldet haben. Der Hauptsitz des NDR ist das Funkhaus in Hamburg. Darüber hinaus unterhält der NDR vier Landesfunkhäuser in Hamburg, Hannover, Kiel und Schwerin, Studios in Braunschweig, Göttingen, Oldenburg, Osnabrück, Flensburg, Heide, Lübeck, Norderstedt, Greifswald, Rostock und Neubrandenburg sowie Korrespondentenbüros in Bremen und an mehreren Orten Niedersachsens (vgl. ARD 2008e, sp.) Als Reporterteam bezeichnet der NDR ein Team, das aus Journalist und Kameramann besteht. Einen Tontechniker gibt es nicht. Es handelt sich also um eine Verkleinerung der klassischen Konstellation (vgl. Mechnich 2004, S. 100).
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diskutieren. Dazu richtete er eine Arbeitsgruppe, „Neue Technikkommission Fernsehen“87, ein. Als Diskussionsgrundlage gab er zum einen eine Studie88 in Auftrag, die sich mit der von Michael Rosenblum vertretenen Ideologie89 beschäftigte. Zum anderen wurden von der hausinternen Produktionsabteilung verschiedene Dreh-Szenarien einmal als Reporterteam und einmal als Videojournalist durchgespielt, um die Grenzen videojournalistischen Arbeitens zu ermitteln90. Die Ergebnisse beider Studien bewertet der NDR kritisch: „Zusammenfassend kann man sagen, dass wir den Weg des Videojournalisten nicht für den Königsweg halten, da das Einsatzspektrum für diese Technik doch eher gering ist, wenn man auf journalistische und technische Qualität Wert legt“ (Mechnich 2004, S. 101). Dennoch hat der NDR nicht die Haltung, „dass so etwas der Teufel ist“, sondern versucht, „alle Systeme [zu] integrieren, so wie sie eben leistungsfähig und sinnvoll einsetzbar sind“ (Mechnich 2004, S. 101). Konkret heißt das: Für den NDR steht die Verkleinerung der klassischen EB-Teams im Vordergrund (vgl. Mechnich 2004, S. 102). Welche Rolle der Videojournalismus einnimmt, ist zum Erhebungszeitpunkt noch offen. Außerdem hält es der NDR für wichtig, die Technik in die Ausbildung von Fernsehjournalisten zu integrieren. Dazu dienen ein Seminar Gestaltung und Technik, das auch eine dreitägige VJ-Einheit enthält, sowie eine viertägige Schulung von fünf bis sechs Programmvolontären bei Messeseminaren anlässlich der Hannover Messe oder Cebit (Tschierse 2005, S. 42). In der Ausbildung sieht man das als „Unterwanderung von unten“: „Ich denke, all diese Volontäre kom87
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In dieser Arbeitsgruppe sind die Intendanz, das Programm und die Produktion vertreten (vgl. Mechnich 2004, S. 102). Dabei handelt es sich um die Studie Gehring, Uli/Holzmann, Thomas (2004): VideoJournalismus. Marketing-Gag oder digitale Revolution der Fernsehproduktion. Studie im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks (unveröffentlicht). Darmstadt: Flying Eye. Darin werden technische, betriebliche, betriebswirtschaftliche, personalwirtschaftliche und wahrnehmungsphysiologische Aspekte diskutiert. So wurden markige Sprüche Rosenblums erörtert, wie z. B. „Diese kleinen Videokameras und Editiersysteme sind die Gutenberg-Druckerpresse des 21. Jahrhunderts.“ (Rosenblum 2004, S. 33), „Sie legen die Macht des Fernsehens in die Hände eines jeden, der mutig genug ist, einen Versuch zu wagen.“ (Rosenblum 2004, S. 61) oder „In der Welt des Fernsehens wurden kreative Visionen und Leidenschaft wirksam vom Herstellungsmechanismus getrennt. Meiner Ansicht nach ist die Wiederherstellung dieser Verbindung der wichtigste Grundsatz unserer Neuerfindung dieses Mediums.“ (Rosenblum 2004, S. 38) Ob die Produktionsabteilung die Matrix durch tatsächliche Durchführung der einzelnen Drehsituationen ermittelt hat oder ob sie nur auf Annahmen basiert, geht aus der vorliegenden Matrix (vgl. NDR 2004, S. 1 ff.) nicht hervor.
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men irgendwann ins Haus, die kennen dieses Tool und möchten es gerne einsetzen“ (Tschierse 2005, S. 43). Radio Bremen (RB) Radio Bremen (RB) 91 bildete 2003 sechs Hörfunkkorrespondenten aus dem Studio Bremerhaven, zwei fest angestellte und vier freie, zu Videoreportern aus. Da die Landesrundfunkanstalt kein Fernsehstudio in Bremen unterhält, war die Region „immer ein wenig unterrepräsentiert im Programm“ (vgl. Rowohlt 2004, S. 54). Ziel war daher, „mehr Bilder aus der Region Bremerhaven ins Programm des Magazins ‚buten und binnen‘ zu bekommen, und zwar mit einem überschaubaren finanziellen und technischen Aufwand“ (vgl. Rowohlt 2004, S. 52). Die Videoreporter haben die Aufgabe, fertig geschnittene NiFs zu liefern92 (vgl. Rowohlt 2004, S. 54). Für die Zukunft ist zum Erhebungszeitpunkt jedoch auch die Überspielung ganzer Nachrichtenbeiträge geplant (vgl. Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b). Die Ausbildung von Videoreportern ist dabei eingebettet in das Gesamtziel von RB, in Zukunft bimedial oder trimedial zu arbeiten (vgl. Rowohlt 2004, S. 54). Ende 2004 schulte RB außerdem acht Videojournalisten im Funkhaus in Bremen, drei Mitarbeiter der Produktion und fünf Fernsehjournalisten (vgl. Rowohlt 2005a, S. 29). Damit verfolgte RB verschiedene Ziele: „Wir wollen zum einen neue Formen finden, neue Formen bedienen, neue Formen für den Zuschauer bereitstellen, also die größere Flexibilität, die größere Nähe“ (vgl. Rowohlt 2004, S. 55). Zudem sollen die Videojournalisten Material für klassisch hergestellte Beiträge zuliefern, z. B. O-Töne zu Zeiten, zu denen sonst freie Teams eingekauft werden mussten. Ebenso wie die Videoreporter werden die Videojournalisten für die regionale Nachrichtensendung buten un binnen eingesetzt. Sie erstellen dafür Magazinbeiträge, jedoch keine tagesaktuellen (vgl. Ro91
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Seit 1949 ist RB Landesrundfunkanstalt der Freien Hansestadt Bremen. Es war 1950 Gründungsmitglied der ARD und ist heute die kleinste Anstalt der Gemeinschaft. In dem rund 400 km2 großen Sendegebiet leben gut 664.000 Einwohner, die insgesamt rund 364.000 Hörfunkund gut 310.000 Fernsehgeräte angemeldet haben. Neben dem Funkhaus in Bremen unterhält der RB noch ein Studio in Bremerhaven (vgl. ARD 2008f, sp.). Da der Videoreporter beim RB die NiF also nicht nur dreht, sondern auch schneidet, weicht er leicht von der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definition ab. Trotzdem wurde der Begriff Videoreporter aus zwei Gründen übernommen. Zum einen erstellen diese Mitarbeiter von RB bislang nur fertige NiFs und keine ganzen Beiträge. Zum anderen wird so der Unterschied zu den Videojournalisten deutlich, die in Bremen ausgebildet werden.
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wohlt 2004, S. 55). Der Anteil von VJ-Beiträgen am Programm ist derzeit noch gering. RB geht von insgesamt rund 20 Beiträgen innerhalb des ersten Jahres aus (vgl. Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b). Für die Zukunft geht RB aber davon aus, „VJ-Beiträge als regelmäßiges auftauchendes Element im Programm [zu] haben, EB-Teams werden durch sie nicht ersetzt“ (vgl. Rowohlt 2004, S. 53). Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) 2004 erarbeite eine Arbeitsgruppe93 beim rbb94 ein Pilotprojekt Videojournalismus. Dass sie damit zu den „Spätzündern“ innerhalb der ARD zählt, begründet die Landesrundfunkanstalt mit der Fusion von SFB und ORB, die zunächst andere Prioritäten gesetzt habe (vgl. Laubenthal 2004, S. 61). Ab Sommer 2006 wurden zwölf Mitarbeiter zu Videojournalisten ausgebildet. Das Angebot stand festen und freien Mitarbeitern aller Bereiche offen. Mit der Ausbildung von Videojournalisten verfolgt der rbb drei redaktionelle Ziele und ein finanzielles (vgl. Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006):
93
94
Durch die kleinere Technik näher an Protagonisten heranzukommen und eventuell auch eine neue Bildsprache zu entwickeln; Davon erhofft sich der rbb, jüngere Zielgruppen anzusprechen; Die Blaulicht-Berichterstattung in der Nacht zu verbessern; Die These dahinter ist, dass ein Videoreporter oder -journalist, der die Kamera immer bei sich hat, flexibler und schneller einsetzbar ist als ein EB-Team; Die Regionalisierung der Berichterstattung auszuweiten; Kosten zu reduzieren.
Die Arbeitsgruppe besteht aus jeweils zwei Vertretern des Fernsehbetriebs und der Redaktionen (vgl. Laubenthal 2004, S. 61). Der rbb ist seit dem 01. Mai 2003 gemeinsame Landesrundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg und Mitglied der ARD. Er entstand aus der Fusion von ORB und SFB und ist heute die siebtgrößte ARD-Anstalt. In dem fast 30.000 km2 großen Sendegebiet, das abseits des Ballungsraumes Berlin/Potsdam relativ dünn besiedelt ist, leben fast sechs Millionen Menschen. Sie haben insgesamt rund drei Millionen Hörfunk- und knapp 2,7 Millionen Fernsehgeräte angemeldet. Hauptsitze des rbb sind die Funkhäuser in Berlin (Radio) und Potsdam (Fernsehen). Daneben unterhält er Studios in Cottbus, Frankfurt (Oder) und Regionalbüros in Perleberg und Prenzlau (vgl. ARD 2008g, sp.).
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Das Pilotprojekt ist bei den aktuellen regionalen Nachrichtenmagazinen Abendschau und Brandenburg aktuell angesiedelt. Da diese Redaktionen einen hohen Output haben, erhoffte sich der rbb davon eine „belastbare Zahl von Ergebnissen“ für die Projektauswertung (Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006). Jeden Tag sind drei Videojournalisten im Einsatz, zwei in Brandenburg und einer in Berlin. Sie werden für NiFs und Beiträge abseits der Tagesaktualität eingesetzt (vgl. Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006). Doch schon vorher drehten Fernsehjournalisten beim rbb vereinzelt selbst. Vor einigen Jahren wurde in Brandenburg ein Polizeireporter eingeführt, der mit einer DV-Kamera Bilder einholt. Zudem steht in den vier Studios in Cottbus, Frankfurt (Oder), Perleberg und Prenzlau jeweils eine Kamera bereit. In den Fernsehstudios Cottbus und Frankfurt (Oder) wird die Mini-DV-Kamera jedoch nur in Ausnahmesituationen eingesetzt. Es ist „eigentlich mehr so eine Notkamera, die im Schrank liegt, die Bedienungsanleitung liegt daneben, jeder hat sie mal in der Hand gehabt, und man kann damit drei Wackelbilder machen und dann sollte man sie auch wieder in den Schrank legen“ (Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006). In den Hörfunkstudios Perleberg und Prenzlau hingegen drehen Korrespondenten regelmäßig NiFs mit Beta-Kameras, in der Regel zehn Produktionstage im Monat. Darüber hinaus gibt der rbb gelegentlich Reportern die Möglichkeit, aus eigener Initiative im Ausland zu drehen. „Und wir schicken manchmal einfach so Reporter los, die dann zusehen sollen, wie sie mit der Technik, wir haben im Schrank so ein paar kleine Kameras liegen, zurechtkommen. Leute waren in Afghanistan, andere waren in Südafrika, die bringen tolle Reportagen zurück, da haben wir Serien gesendet, die sind alle aus Amateur-Material entstanden“ (Donker 2005, S. 33).
Weitere Videojournalismus-Erfahrungen sammelte der rbb durch seine Volontäre. Diese werden an der Electronic Media School (ems)95 in Potsdam-Babelsberg ausgebildet, u. a. im eigenständigen Drehen und der digitalen Bildbearbeitung. Bisher arbeiten sie nach ihrer Ausbildung noch nicht systematisch als Videojournalisten. Es gab allerdings Fälle, in denen sie alleine, zu zweit oder als Zweit-Kamera mit klassischem EB-Team eingesetzt wurden (vgl. Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006).
95
Die ems wurde 2001 als gemeinnützige Einrichtung gegründet. Sie bietet Aus- und Weiterbildung in den elektronischen Medienberufen an (vgl. Electronic Media School 2006, sp.).
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Saarländischer Rundfunk (SR) Der SR96 legte 2005 einen VJ-Pilotprojekt auf. 21 Videojournalisten nahmen an der einjährigen Qualifizierung teil. Alle sind freie redaktionelle Mitarbeiter. Sie stammen überwiegend aus Fernsehredaktionen. Nur wenige kommen vom Hörfunk (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Durch die Einführung des Videojournalismus erhoffte sich der SR finanziell, dass Fremdteams eingespart werden können. Redaktionell erwartete er eine größere Nähe und Authentizität der Beiträge, aber auch mehr Ferne, bezogen auf die Auslandsberichterstattung (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Die Videojournalisten arbeiten überwiegend für Magazine und erstellen dort Beiträge mit einer Länge von zwei bis fünf Minuten (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Im ersten Jahr kamen so rund 80 bis 90 Beiträge zusammen (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Zum Erhebungszeitpunkt plant der SR eine eigene Sendung für Videojournalisten. Dabei soll es sich um eine Reportage-Sendung handeln (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005).97 In der Anfangsphase greift der SR noch auf eine Mischproduktion zurück. Das heißt, der Videojournalist98 führt nach seinem Dreh einen Rohschnitt durch. Der Feinschnitt findet jedoch gemeinsam mit einem Cutter statt.99 Seine ersten Erfahrungen mit alternativen Teamkonstellationen sammelte der SR jedoch schon wesentlich früher. Bereits in den 80er Jahren und z. T. noch 96
97
98
99
Der SR ist seit 1957 Landesrundfunkanstalt des Saarlandes und seit 1959 Mitglied der ARD. Heute ist er zweitkleinste ARD-Anstalt. In dem rund 2.500 km2 großen Sendegebiet leben etwas mehr als eine Million Einwohner, die insgesamt rund 530.000 Hörfunk- und rund 466.000 Fernsehgeräte angemeldet haben. Sitz des SR ist Saarbrücken (vgl. ARD 2008h, sp.). Inzwischen, Anfang 2008, läuft die Videoreporter-Sendung Direkt dabei bereits seit etwas über einem Jahr. Sie besteht in der Regel aus einer dreiteiligen Reportage, einer Langzeitbeobachtung und einer Rubrik Saarländer in aller Welt, in der Saarländer der Redaktion selbst gedrehte Videos aus ihrer neuen Heimat schicken. Der Begriff Videojournalist weicht hier leicht von der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definition ab, da ein Videojournalist seine Beiträge komplett selbst produziert, also auch schneidet. Dennoch wird er für diese Mitarbeiter des SR verwendet, da sie ihre Beiträge immerhin grob vorschneiden und dabei teilweise auch strukturieren. Auf lange Sicht ist zudem geplant, dass sie auch den Feinschnitt selbst durchführen (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Dagegen scheint die alternativ mögliche Bezeichnung Videoreporter unpassend, weil Beiträge mit O-Tönen, die weit über NiF-Länge hinausgehen, umgesetzt werden, die Mitarbeiter einen Vorschnitt machen und weiterhin die redaktionelle Verantwortung tragen, anstatt sie an einen Bearbeiter abzugeben. Diese Arbeitsweise begründet der SR mit drei Argumenten: Vermeidung eines Konflikts mit der Cutterei, keine Überforderung der Videojournalisten im Schnitt und Abwarten der Umstellung der Schnittsysteme auf Digitalisierung (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005, S. 122).
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früher griff der Saarländische Rundfunk auf sogenannte Kamerareporter zurück. Dabei handelt es sich um selbstdrehende Journalisten, die mit herkömmlicher, professioneller Technik Produktionsengpässe überbrücken, NiFs drehen und Rohmaterial für Magazinbeiträge zuliefern (vgl. Ney 2004, S. 38)100. Derzeit sind vier solcher Kamerareporter für den SR im Einsatz und liefern durchschnittlich vier bis fünf Sendeminuten pro Tag (vgl. Ney 2004, S. 38). Sie laufen jedoch außerhalb des VJ-Pilotprojektes. 2003 startete der SR darüber hinaus bereits einen Pilotversuch „Feuerwehreinsätze mit Mini-DV“. Dieser musste jedoch 2004 wegen ungeklärter Honorierungsfragen gestoppt werden. Er wird jedoch als „Initialzündung“ für den späteren VJ-Piloten gesehen (Hepperle/Ney 2005, S. 27). Der SR sieht Videojournalisten als einen Teil der fernsehjournalistischen Produktionsweise. An einen Ersatz fester oder fester freier EB-Teams ist nicht gedacht, jedoch an die Einsparung von Aufträgen an Fremdfirmen (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Südwestrundfunk (SWR) Der Südwestrundfunk (SWR) 101 hat sein Pilotprojekt 2006 gestartet. Er bildet zum Erhebungszeitpunkt jeweils zwei Videojournalisten an drei Standorten aus, insgesamt also sechs. Mit einer Ausnahme handelt es sich um freie Mitarbeiter, alle stammen von redaktioneller Seite. An den Schulungen nehmen jedoch auch sechs Mitarbeiter der Produktion teil, die den Videojournalisten anschließend für den technischen Support zur Verfügung stehen (vgl. Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). 100
101
Am ehesten lässt sich die Arbeit der Kamerareporter mit der der Videoreporter nach der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definition vergleichen. Sie drehen selbst, liefern das Material anschließend jedoch an einen Bearbeiter ab. In Ergänzung zu der hier genannten Definition drehen die Kamerareporter des SR jedoch nicht nur NiFs, sondern liefern auch für Magazinstücke zu. Der SWR ist seit 1998 gemeinsame Landesrundfunkanstalt der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er ist hervorgegangen aus der Fusion des Süddeutschen Rundfunks und des Südwestfunks, ist Mitglied der ARD und heute ihre zweitgrößte Anstalt. In dem rund 55.600 km2 großen Sendegebiet leben mehr als 14,8 Millionen Einwohner, die insgesamt rund 7,7 Millionen Hörfunk- und 6,4 Millionen Fernsehgeräte angemeldet haben. Der SWR unterhält Funkhäuser in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz und Studios in Freiburg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Tübingen, Ulm, Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen und Trier. Darüber hinaus verfügt er über Korrespondenten- und Regionalbüros in 22 weiteren Städten des Sendegebietes (vgl. ARD 2008i, sp.).
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In Mainz gehören die Videojournalisten der Redaktion Landesschau an. Dabei handelt es sich um ein tägliches regionales Magazin. Dafür sollen sie in einem halben Jahr ungefähr 50 Beiträge produzieren, also durchschnittlich zwei pro Woche. In Stuttgart arbeiten die Videojournalisten für die Redaktion Ländersache. Das ist ein landespolitisches Magazin, das einmal pro Woche ausgestrahlt wird. Hier werden 15 Beiträge erwartet. In Baden-Baden schließlich werden sie für dasding-tv eingesetzt, eine wöchentliche Jugendsendung. Auch hier sollen die Videojournalisten während der Pilotphase 15 Beiträge produzieren (vgl. Wermann 2005, S. 26). Mit dieser Bandbreite der Einsatzgebiete will der SWR austesten, „wo sich das eignet“ (Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). Neben diesem Pilotprojekt berichten derzeit zwei Fernsehjournalisten ein halbes Jahr lang täglich von einer Hallig für das ARD-Buffet – ebenfalls ohne Kamerateam und Cutter. Dieses Projekt wertet der SWR parallel zum Pilotprojekt aus und konzentriert sich dabei auf die Aspekte Arbeitsbedingungen, Support und Schulungen (vgl. Wermann 2005, S. 26). Der SWR erwartet sich von der Einführung des Videojournalismus eine „neue Ästhetik, andere Themen, andere Zugänge, und auch Themen, die unter normalen Bedingungen nicht zu realisieren sind“. Kosteneinsparungen seien hingegen nicht die „Hauptantriebsfeder“ (Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). Unabhängig vom Pilotprojekt gibt es bereits seit Jahren beim SWR Elemente des Videojournalismus. Beispielsweise: „Journalisten liefern selbst gedrehte Nachrichten-Bilder, die von Cuttern weiter bearbeitet werden102 , Magazinjournalisten drehen Sequenzen in ihrem Beitrag selbst, die als gewolltes Stilmittel eingebaut werden, zwei Kollegen berichten ein Jahr lang von einer Hallig, Teilnehmer des New York Marathons werden per Digital Video (DV) begleitet, die 30 Minuten Reportage eines freien Produzenten über die Entstehung von Heimat 3 wird in ‚Mensch Leute!‘ gesendet“ (Wermann 2005, S. 25).
Dabei handelte es sich jedoch noch nicht um einen systematischen und reflektierten Einsatz von Videoreportern oder -journalisten, sondern um eine Arbeitsweise „unter pragmatischen Gesichtspunkten [...], um bestimmte Bilder verwenden zu können“ (Wermann 2005, S. 25). Perspektivisch überlegt der SWR zum Erhebungszeitpunkt, Hörfunkkollegen in den Regionen mit DV-Kameras auszurüsten (vgl. Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). Zudem kann man sich bei einem Projekterfolg vorstellen, 102
Diese Arbeitsweise entspricht dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Begriff des Videoreporters.
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künftig auch Produktionsmitarbeiter zu Videojournalisten auszubilden (vgl. Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). Westdeutscher Rundfunk (WDR) Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) 103 setzt keine Videojournalisten ein. Er beschränkt sich auf Videoreporter, die in den neun Regionalstudios, seit 1. Februar 2007 elf Regionalstudios, angesiedelt sind und Bildmaterial für die Nachrichten sammeln. Die NiF-Reporter werden von den Redaktionen eingesetzt, um Teamkapazitäten für Berichte und Reportagen frei zu haben (vgl. Hülsmann 2004, S. 91). Sie rekrutieren sich aus freien Reportern des WDR, die überwiegend nur im „Nebenamt“ selbst drehen (Hülsmann 2004, S. 91). Insgesamt sind es rund 50 Videoreporter (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). Das so gedrehte Material macht nach Schätzungen des WDR fünf Prozent104 des Sendevolumens der Regionalstudios und der Sendung Aktuelle Stunde aus (vgl. Hülsmann 2004, S. 93; Hülsmann 2005, S. 53 f.). Ein Grund, warum der WDR von einer Einführung von Videojournalisten derzeit noch absieht, liegt darin, dass er an einer Digitalisierung seiner Redaktions- und Produktionsprozesse arbeitet. „Denn in dem Augenblick, wo wir komplett digital Produzieren [sic!], wo wir unsere Senderegien digitalisieren, auch den Schnitt digitalisiert haben, gibt es auch die Notwendigkeit, dass sich unsere redaktionelle Arbeit insgesamt verändert, dass sich unsere redaktionellen Arbeitsplätze ergänzen werden und browsing-, rough cut-, Bearbeitungs-, [sic!] und Schnittmöglichkeiten. Insofern würde sich da auch wieder nach der Definition eine VJ Funktion [sic!] für den Redakteur oder den Freien ergeben, die wir in diese vernetzte Produktion integrieren werden.
103
104
Der WDR ist seit 1955/56 Landesrundfunkanstalt von Nordrhein-Westfalen. Er ist Gründungsmitglied der ARD und heute größte ARD-Anstalt. In dem rund 34.000 km2 großen Sendegebiet leben etwa 18 Millionen Menschen, die insgesamt gut 8,9 Millionen Hörfunk- und 8 Millionen Fernsehgeräte angemeldet haben. Hauptsitz des WDR ist das Funkhaus in Köln. Darüber hinaus unterhält er ein Funkhaus in Düsseldorf, Studios in Bielefeld, Dortmund, Köln, Münster, Aachen, Essen, Siegen, Wuppertal und seit dem 1. Februar 2007 in Duisburg und Bonn. Er verfügt über Büros in Arnsberg, Detmold, Kleve Paderborn und Rheine (vgl. ARD 2008j, sp.). Fünf Prozent hören sich vergleichsweise wenig an. Bedenkt man jedoch, dass der WDR für seine Regionalsendungen und die Aktuelle Stunde täglich eine Sendezeit von acht Stunden und 40 Minuten hat, rechnen sich fünf Prozent auf über 5.000 Sendeminuten hoch (vgl. Hülsmann 2005, S. 53 f). Damit sendet der WDR in absoluten Zahlen mehr videojournalistisch produziertes Material als der hr (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 22).
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Da ist möglicherweise aus diesem Grund so ein bisschen Abwarten [sic!] was eine Strategie oder einen genauen Plan anbetrifft, sinnvoll“ (Hülsmann 2005, S. 54).
Bislang bestärkten zwei weitere Argumente den WDR in seiner abwartenden Haltung. Man hielt die Technik für noch nicht ausgereift genug und wollte einen Konflikt mit dem Berufsstand der Kameraleute vermeiden (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). In diesen Punkten findet derzeit jedoch ein Umdenken statt: „Nun ist die Kameratechnik viel besser geworden und wir argumentieren gegenüber unseren Kameraleuten und deren Berufsorganisationen, dass es für einen Kameramann ja auch reizvoller ist, eine Dokumentation zu drehen, oder seine ganze Kreativität und sein Können auch bieten kann zur Realisierung eines Films und nicht zum Kölner Dom fahren muss, weil da ein Stück Stein runtergefallen ist oder irgendwo eine Würstchenbude brennt“ (Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006).
Insofern kann sich der WDR mittlerweile vorstellen, Videoreporter auch für zwei- bis dreiminütige Beiträge einzusetzen, insbesondere in Situationen, in denen sich Filmvorhaben mit nur einer Person besser realisieren lassen (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). Über ein VJ-Pilotprojekt, das auch den Schnitt einbezieht, wird beim WDR derzeit aus den genannten Gründen aber nicht konkret nachgedacht (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). Es gibt jedoch alternative Überlegungen, mit verkleinerten Teams zu arbeiten und so flexibler auf Drehanforderungen reagieren zu können (vgl. Hülsmann 2005, S. 54). Zusätzlich ist geplant, dass künftig nicht nur freie Mitarbeiter, sondern auch fest angestellte Redakteure an den Schulungen für Videoreporter teilnehmen und anschließend selbst drehen dürfen (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). Für die nächsten Jahre geht der WDR davon aus, dass Videojournalismus „eine Selbstverständlichkeit auch bei längeren Formen sein [wird]. Allerdings wird der VJ als eierlegende Wollmilchsau (Dreh, Schnitt, Autor) im WDR wohl nicht die Regel sein“ (Hülsmann 2004, S. 92). Auf längere Sicht erwartet man, dass sich die Fernsehproduktion radikal ändern und dann auch ein selbstständiger Schnitt am PC Realität sein wird. „Wir kennen die technischen Linien, aber die Realisierung wird Zeit brauchen, das ist klar“ (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). In der ARD steht also der Videojournalismus als fernsehjournalistische Produktionsform zum Erhebungszeitpunkt zur Diskussion. Dabei reicht diese von einer derzeitigen Ablehnung von Videojournalisten (WDR) über verschieden geartete Pilotprojekte (BR, mdr, NDR, RB, rbb, SR, SWR, DW) bis hin zur Integration von Videojournalisten in den Regelbetrieb (hr).
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Im Bereich der Videoreporter haben fast alle ARD-Anstalten Erfahrung gesammelt. In einigen Anstalten werden sie schon seit rund zehn Jahren für die NiF-Produktion eingesetzt (BR, WDR). Den konsequenten Schritt zum Videojournalisten vollzog als erster öffentlich-rechtlicher Sender in Deutschland der hr. Er ist auch der einzige, der Videojournalismus zum Erhebungszeitpunkt bereits in den Regelbetrieb überführt hat. Die meisten anderen ARD-Anstalten befinden sich noch in der Test- bzw. Auswertungsphase.105 Die Ziele der Pilotprojekte ähneln sich bei den einzelnen Anstalten: mehr Regionalität für das Programm, lebensnahe und authentische Berichterstattung, flexiblerer Arbeitseinsatz und Kosteneinsparungen bei gleich bleibender technischer und handwerklicher Qualität der Beiträge. Die Herangehensweise ist überwiegend offen. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln und Einsatzgebiete für Videojournalismus auszuloten. Das Experimentierfeld reicht von der Produktion tagesaktueller NiFs über Magazinbeiträge bis hin zur Auslandsberichterstattung. Vorbehalte äußerte der NDR. Trotz aller Skepsis führte er jedoch ein Pilotprojekt durch, das zum Erhebungszeitpunkt ausgewertet wird. Nur der WDR nimmt sich komplett aus der Entwicklung aus und führt keinen VJ-Piloten durch. Dabei spielen Qualitätsbedenken und der Einfluss auf bewährte Personal- und Produktionsstrukturen eine Rolle. Unabhängig davon setzt der WDR jedoch Videoreporter ein. Im Zuge des Videojournalismus wird in der ARD auch grundsätzlich über die fortschreitende Technisierung, über ökonomische Zwänge und alternative Produktionsmöglichkeiten wie beispielsweise bi- und trimediale Produktion und verkleinerte Teams diskutiert. Dabei sieht man es nicht mehr als unumstößlich an, dass redaktionelle und produktionstechnische Aufgaben getrennt sind. Dass die Grenze verwischt, zeigt sich auch darin, dass viele ARD-Anstalten Kameraund Schnitt-Module bereits in die Ausbildung ihrer Programmvolontäre integrieren. Perspektivisch sehen viele Anstalten eine Mischung der Produktionsformen, die den jeweiligen Drehanforderungen Rechnung trägt. Abbildung 9 fasst den Ist-Zustand des Videojournalismus in den ARD-Anstalten (Stand: März 2006) grafisch zusammen:
105
Mittlerweile, Anfang 2008, haben die meisten ARD-Anstalten Videojournalismus in den Regelbetrieb integriert.
117
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Sender
VR
VJ
----k. A.
VR
VJ
-----
4
21
12*
16
63
50
-----
6
8
-----
44
80 VR / VJ
* ab Sommer 2006 Abbildung 9:
11
23
-----
6
Sender
Alle Logos: ARD Überblick zum Ist-Zustand Videojournalismus in der ARD (Stand: März 2006), Quelle: erstellt in Anlehnung an Hessel 2005, S. 108
4 Hypothesen
Das vorherige Kapitel hat Chancen und Gefahren des Videojournalismus herausgearbeitet sowie den Ist-Zustand in den ARD-Anstalten dargestellt. Auf dieser inhaltlichen Basis sollen in diesem Kapitel Ex-ante-Hypothesen für die folgende empirische Untersuchung formuliert werden. Inhaltlich-formal strukturiert werden die Hypothesen durch das TQM-Modell. Eine solche Verzahnung von Theorie- und Empirieteil ist in der qualitativen Forschung, zu der diese Arbeit zählt, nicht zwingend und auch nicht unumstritten.106 Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen erscheint es jedoch sinnvoll, Ex-ante-Hypothesen zu entwickeln, anstatt konzeptions- und theorielos vorzugehen. Erstens, weil eine extensive Exploration aller möglichen Aspekte eine intensive Erschließung des Untersuchungsgegenstandes gefährdet hätte, die gerade Ziel der qualitativen Forschung ist (vgl. Hopf 1983, S. 50 ff.). Zweitens, weil das Risiko groß gewesen wäre, dass diese Arbeit mit viel Aufwand nur das herausbekommen hätte, was schon längst dem Status quo entspricht (vgl. Hopf 1996, S. 19). Drittens, weil eine Vollerhebung der ARD-Anstalten durchgeführt wurde. Diese war zwar nicht rein quantifizierend angelegt – und wurde auch nicht so ausgewertet –, dennoch ist es möglich, Tendenzen aufzuzeigen und besondere Beispiele herauszuarbeiten. Die theoretischen Vorannahmen wurden auch nicht als unumstößlich betrachtet. Im Gegenteil, um die Qualität der qualitativen Forschung zu sichern, galt: „Der Forschungsprozess muss so offen dem Gegenstand gegenüber gehalten werden, dass Neufassungen, Ergänzungen und Revisionen sowohl der theoretischen Strukturierung und Hypothesen als auch der Methoden möglich sind, wenn der Gegenstand dies erfordert“ (Mayring 52002, S. 28).
Abbildung 10 verdeutlicht das Vorgehen bei der Hypothesenbildung grafisch. A gilt für den Fall, dass ausreichend Vorwissen vorhanden ist, um Ex-anteHypothesen zu bilden und anschließend zu überprüfen. Dieses Vorgehen wird in der vorliegenden Studie überwiegend gewählt. Liegen keine Annahmen vor, 106
Kritik üben u. a. Hoffmann-Riem 1980, S. 345 f.; Lamnek 31995, S. 22 f.
120
Hypothesen
wird Weg B beschritten und explorativ vorgegangen. Eine Überprüfung der Hypothesen ist in letztem Fall dann jedoch nicht mehr Gegenstand dieser Studie.
Abbildung 10:
Theorien- und Hypothesenbildung, Quelle: Atteslander 102003, S. 39
Ob eine Hypothese positiv oder negativ, als Chance oder Gefahr, formuliert ist, hängt davon ab, für welche Ausprägung vor der Erhebung die meisten Indizien sprachen. Als solche dienten die Literaturlage, aber auch die Zielformulierungen der ARD-Anstalten in Bezug auf ihre Pilotprojekte (vgl. Abschnitt 2.1.3). Journalistische Qualität Aktualität Die referierten Untersuchungen haben gezeigt, dass Videoreporter in der Regel schneller einsatzbereit sind als klassische EB-Teams. Damit ist eine aktuellere Berichterstattung im NiF-Bereich möglich. Hypothese 1 lautet daher: H1:
Videoreporter werden für die NiF-Berichterstattung tagesaktuell eingesetzt.
Hypothesen
121
Hingegen gibt es für Videojournalisten Hinweise, dass sie für Beiträge deutlich mehr Zeit brauchen als klassische EB-Teams. Vorteile durch Arbeitsteilung und Professionalisierung fallen weg. Das legt die Vermutung nahe, dass unter Zeitdruck die Qualität sinkt. Um Qualitätseinbußen in der Tagesaktualität entgegenzuwirken, werden in diesem Fall zwei Möglichkeiten gesehen: Entweder werden Videojournalisten erst gar nicht in der Tagesaktualität eingesetzt oder sie haben bei Zeitdruck die Möglichkeit, auf einen professionellen Cutter zurückzugreifen. Daher lauten die Hypothesen 2 und 3: H2: H3:
Videojournalisten werden nicht tagesaktuell eingesetzt. Videojournalisten schneiden bei Zeitdruck mit einem Cutter.
Relevanz Was ist ein geeignetes VJ-Thema? Bisherige Studien und Praktikerbeiträge haben die Antwort auf diese Frage induktiv aus ersten Erfahrungen der Rundfunkanstalten und Privatsender hergeleitet. Chancen sehen sie vor allem in der Auslandsberichterstattung. Flug, Unterkunft, Spesen und Gehalt bzw. Lohn fallen nur noch für eine Person (VJ) an statt für drei (Redakteur, Kameramann und Ton-Assistent). Das ermöglicht Sendern, trotz Sparmaßnahmen Reportagen aus fremden Ländern zu produzieren und das eigene Image zu pflegen (vgl. Neri 2005, S. 22). Hypothese 4 lautet daher: H4:
Videojournalisten bereichern das Programm mit Reportagen aus dem Ausland.
Die vergleichsweise günstige Produktionsweise bringt aber auch Vorteile für das Pflichtprogramm – die lokale und regionale Berichterstattung. In nahezu allen Fernsehredaktionen werden mittlerweile die Anzahl der zur Verfügung stehenden Drehtage reduziert. „Jeder Drehtag ist ein EB-Tag und kostet Geld. Ähnliches gilt für den konventionellen Schnitt durch den Cutter: keine Experimente, kein Ausprobieren – keine Zeit. Denn Zeit ist Geld. Und an einem voll ausgestatteten Schnittplatz sogar sehr viel Geld“ (Angeli 2003, S. 87).
Das kann negative Folgen für die Quantität und Qualität des Bildmaterials haben (vgl. Neri 2005, S. 22). Hier sind Videoreporter eine Chance für eine kostengünstige umfassendere Berichterstattung. Hypothese 5 lautet daher: H5:
Videoreporter werden für die Regionalberichterstattung eingesetzt.
122
Hypothesen
Chancen des Videojournalismus können auch bei Themen vermutet werden, die davon leben, besonders nah an einen Menschen heranzukommen. Hier wirken sich die Vorteile des geringeren technischen und personellen Aufwands besonders aus: „Gerade bei kleineren Ereignissen bekommen sie so ganz andere Motive vor die Kamera als Kollegen, die mit EB-Team und ‚großem‘ Equipment anrücken“ (Zajonc 2003, S. 92). Hypothese 6 lautet daher: H6:
Videojournalisten werden für Themen eingesetzt, die nah am Akteur erzählt werden sollen.
Als ungeeignet angesehen werden Videoreporter und Videojournalisten dagegen für Themen, die komplizierte Drehbedingungen voraussetzen, wie z. B. die Tonaussteuerung bei Großkonzerten, oder inhaltlich anspruchsvoll sind, d. h. Drehen und gleichzeitiges kritisches Nachfragen erfordern. Hier sehen Experten Gefahren für die technische und inhaltliche Qualität der Beiträge. Die Hypothesen 7 und 8 lauten daher: H7: H8:
Videojournalisten werden nicht in technisch komplexen Drehsituationen eingesetzt. Videojournalisten werden nicht für inhaltlich komplexe Drehsituationen eingesetzt.
Objektivität Als wesentliches Kriterium der Objektivität wurde Richtigkeit identifiziert. Sie setzt gründliche Recherche und Gegenrecherche voraus. In der Literatur zum Videojournalismus wird die Recherche jedoch oft als Manko gesehen. Die Autoren unterstellen, dass die technischen Tätigkeiten zulasten der inhaltlichen Recherche gingen. Richtigkeit könnte demzufolge dann gesichert werden, wenn Videojournalisten nicht für inhaltlich komplexe Drehsituationen, in denen sie die Kamera bedienen und gleichzeitig recherchieren müssen, eingesetzt werden. Diese Hypothese wurde schon unter dem vorherigen Punkt eingebunden. Weitere Aspekte zur Recherche werden im Abschnitt zum Prinzip der Prozessorientierung diskutiert, weswegen an dieser Stelle keine Hypothesen gebildet werden.
Hypothesen
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Vermittlung Im Literaturteil wurden die Genres Dokumentation, Langzeitbeobachtung, Feature und Reportage als Chancen des Videojournalismus ausgemacht. Begründet wurde dies inhaltlich damit, dass VJ-Beiträge weniger inszeniert sind und eine größere Nähe ermöglichen. Darüber hinaus wurden Argumente dafür angeführt, dass die günstige Produktionsweise die Realisation dieses kostenintensiven Genres oftmals erst ermöglicht. Hypothese 9 lautet daher: H9:
Videojournalisten werden für längere Genres eingesetzt.
Qualität als Leitmaxime der Redaktion Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung Bisherige Studien identifizierten sowohl Kosteneinsparungen als auch Verbesserungen des Programms als Zielsetzungen von TV-Sendern, Videojournalismus einzuführen. Das TQM-Modell fordert, dass Rundfunkanstalten nicht nur auf den Kostenaspekt achten, sondern das Kostenmanagement in eine umfassende und langfristige Qualitätsstrategie einbetten. Hypothese 10 lautet daher: H10: Qualität ist oberste Leitmaxime bei der Einführung des Videojournalismus. Die Hypothese wird auf der Grundlage der Eigendarstellungen der einzelnen Rundfunkanstalten beantwortet, was Zielsetzung ihrer jeweiligen Videojournalismus-Projekte ist. Um die Gefahr einer beschönigenden Darstellung zu begrenzen, werden die Aussagen jedoch mit den tatsächlichen Aktivitäten der Rundfunkanstalten abgeglichen. Dazu gehört u. a., ob Ersparnisse, die sich aus der videojournalistischen Produktionsweise ergeben, in das Programm reinvestiert werden.
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Hypothesen
Redaktionelle Leitbilder Zu redaktionellen Leitbildern im Videojournalismus liegen noch keine Hinweise aus der Literatur vor. Daher können hier nur sehr vage Annahmen formuliert werden. Es wird erwartet, dass (noch) keine redaktionellen Leitbilder speziell für Videoreporter und Videojournalisten existieren. Denn fast alle ARD-Anstalten befinden sich zum Erhebungszeitpunkt noch in der Erprobungs- oder Evaluationsphase ihrer Pilotprojekte. Sie sammeln Erfahrungen, die über die spätere Strategie entscheiden. Schon allein deshalb erscheint es unwahrscheinlich, dass in den Rundfunkanstalten bereits redaktionelle Leitbilder speziell für Videojournalismus existieren. Darüber hinaus ist in ersten Studien angeklungen, dass Redaktionen versuchen, Videojournalisten in die vorhandenen Strukturen zu integrieren. Auch das spricht gegen ein gesondertes redaktionelles Leitbild. Dabei läge darin oder in der Ergänzung bisheriger Leitbilder die Chance, Stärken und Schwächen des Videojournalismus klar zu definieren und sinnvolle Einsatzbereiche nach innen und außen zu kommunizieren. Hypothese 11 lautet: H11: Es existieren keine gesonderten redaktionellen Leitbilder für Videojournalisten.
Lohnleistungssysteme Die Literatur gibt auch keine Hinweise darauf, ob Videojournalisten leistungsbezogen bezahlt werden. Daher kann hier ebenfalls nur eine vage Vermutung angestellt werden. Gewöhnlich bezahlt die ARD ihre fest angestellten Fernsehredakteure nach festen Sätzen und ihre freien Mitarbeiter nach Arbeitstagen oder Beitragssätzen. Die Qualität der Beiträge o. Ä. wird dabei nicht berücksichtigt. Es kann kein Grund dafür identifiziert werden, warum dieses System bei Videojournalisten anders gehandhabt werden sollte. Allerdings ist davon auszugehen, dass die freien Mitarbeiter für die zusätzlichen technischen Tätigkeiten, also das Drehen und Schneiden, eine Zulage erhalten. Ansonsten bestünde für sie wenig Anreiz, diese Tätigkeiten mit zu übernehmen. Hypothesen 12 und 13 lauten daher: H12: Videojournalisten werden nicht leistungsbezogen bezahlt. H13: Freie Videojournalisten erhalten Zulagen für das Drehen und Schneiden.
Hypothesen
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Publikumsorientierung Wie videojournalistisch produzierte NiFs und Beiträge vom Zuschauer wahrgenommen werden, ist bislang in der Literatur stark vernachlässigt worden. Lediglich vom hr ist aus dem Abschlussbericht des Videojournalisten-Projekts bekannt, dass er entsprechende Daten erhoben hat. Es wird daher vermutet, dass die anderen ARD-Anstalten solche speziellen Studien (noch) nicht durchgeführt haben. Denkbar sind dafür zwei Gründe: Erstens, das Sample ist noch zu klein, um zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen. Zweitens, videojournalistisch produzierte Beiträge werden nicht gesondert, sondern im Rahmen der allgemeinen Programmbeobachtung evaluiert. Hypothese 14 lautet: H14: Es werden keine gesonderten Zuschauerbefragungen durchgeführt.
Prozessorientierung Recherche Der Literaturüberblick hat Hinweise darauf gegeben, dass in der Tagesaktualität die Recherche bei Videojournalisten zu kurz kommt. Außerdem hat er gezeigt, dass sich Videojournalisten nicht für inhaltlich komplexe Themen eignen, die gleichzeitiges Drehen und kritisches Nachfragen erfordern. Zu beiden Aspekten wurden bereits Hypothesen gebildet (vgl. Hypothese 2, Hypothese 8). Weitere Annahmen bestehen vor der Untersuchung nicht. Daher wird darüber hinaus explorativ vorgegangen. Kontrollen im redaktionellen Produktionsprozess Der Literaturteil hat erste Hinweise gegeben, dass sich das Prozedere der Beitragsabnahme für Videojournalisten grundsätzlich nicht ändert. Da für die ARDAnstalten keine gegenteiligen Hinweise vorliegen, lautet Hypothese 15: H15: Videojournalismus verändert die reguläre Beitragsabnahme nicht. Allerdings kann vermutet werden, dass die Abnahme videojournalistisch produzierter Beiträge den CvD in besonderem Maße fordert. Er ist die erste und letzte
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Hypothesen
Kontrolle im Produktionsprozess, da der „zweite Blick“ des Kameramanns und des Cutters wegfällt. Er muss die inhaltliche und technische Umsetzung der Beiträge beurteilen. Ob und wie die ARD-Anstalten darauf reagieren, beispielsweise indem sie Videojournalisten schon während der Produktion einen zusätzlichen Ansprechpartner zur Seite stellen, CvDs besonders schulen oder eine zusätzliche technische Abnahme einrichten, ist ungewiss. Daher soll dieser zusätzliche Aspekt explorativ erforscht werden. Redaktionskonferenzen und Sendekritiken Die Literaturrecherche lieferte keine Hinweise dafür, ob und wie Videojournalismus Thema bei Redaktionskonferenzen und Sendekritiken ist. Daher können hier nur vage Annahmen formuliert werden. Es wird vermutet, dass die Qualität videojournalistisch produzierter Beiträge zu Beginn der Pilotprojekte umfassend diskutiert wird, um sich des Qualitätsbegriffs der Redaktion zu vergewissern, Einsatzgebiete für Videojournalisten festzulegen etc. Mit der Zeit, so ist zu vermuten, werden videojournalistisch produzierte Beiträge behandelt wie klassisch produzierte. Hypothese 16 lautet daher: H16: Zu Beginn der Pilotprojekte werden videojournalistisch produzierte Beiträge besonders intensiv in Redaktionskonferenzen und Sendekritiken diskutiert.
Mitarbeiterorientierung Personalrekrutierung Erste Studien haben gezeigt, dass Videojournalisten oftmals vor ihrer Ausbildung schon als klassische Fernsehjournalisten gearbeitet haben. Davon wird auch für die ARD-Anstalten ausgegangen. Höchstwahrscheinlich werden vor allem freie Mitarbeiter ausgebildet, da diese im operativen Geschäft tätig sind. Hypothese 17 lautet daher: H17: Die ARD-Anstalten bilden überwiegend freie Mitarbeiter zu Videojournalisten aus.
Hypothesen
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Im Literaturteil wurde immer wieder kritisiert, dass die Ausbildung der Videojournalisten in Kamera und Schnitt unzureichend sei. Die Studien bezogen sich allerdings weitgehend auf Privatsender. Hinweise auf die Ausbildung der Videojournalisten in den ARD-Anstalten liegen nur sehr begrenzt vor. Es kann jedoch vermutet werden, dass die ARD-Anstalten als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gerade an der Ausbildung nicht sparen. Nicht ganz einfach ist es bislang jedoch, den Begriff „hinreichende Ausbildung“ zu operationalisieren. Denn bisherige Studien vermeiden eine Festlegung, und eine offizielle Empfehlung, beispielsweise seitens des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), gibt es ebenfalls nicht. Daher wird hier die Einschätzung des Videojournalisten-Trainers Michael Rosenblum, der für diese Arbeit in New York interviewt wurde, herangezogen (vgl. Leitfadengespräch im Rosenblum 2005). Er hält eine Ausbildungszeit von drei Wochen für erfahrene Journalisten für adäquat, um sich mit DV-Kamera und Schnittsystem vertraut zu machen. Rosenblum wird hier als Maßstab genommen, weil er schon seit Jahren Videojournalisten weltweit ausbildet. Bis weitere Erfahrungen und Erkenntnisse über die notwendige Ausbildungslänge vorliegen, muss diese Einschätzung ausreichen. Hypothese 18 lautet: H18: Die Videojournalisten erhalten eine hinreichende Ausbildung. Über diese Grundausbildung hinaus ist es im Sinne des TQM-Modells wichtig, dass immer wieder Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden. Für die ARD-Anstalten, die zum Zeitpunkt der Erhebung teilweise gerade erst mit der Erstschulung beginnen, ist diese Frage möglicherweise zu früh gestellt. Dennoch soll bei der Auswertung dieser Aspekt explorativ beachtet werden. Zielvereinbarungsgespräche Aus der Literatur lassen sich keine Hinweise ableiten, ob die ARD-Anstalten Zielvereinbarungsgespräche mit ihren Videojournalisten führen. Es ist allerdings bekannt, dass mehrere Anstalten, wie beispielsweise der WDR, sie zur Programmevaluation einsetzen (vgl. Abschnitt 2.2.3). Ob schon während der Pilotprojekte Zielvereinbarungsgespräche mit Videojournalisten geführt werden, ist schwierig zu prognostizieren. Dafür spricht, dass die ARD-Anstalten klare Ziele an ihre Pilotprojekte formuliert haben (vgl. Abschnitt 2.1.3). Außerdem ist zu vermuten, dass auch die entsendenden Redaktionen gewisse Erwartungen haben. Dagegen spricht, dass Pilotprojekte naturgemäß immer auch einen gewissen Spielraum zum Experimentieren und Erfahrungssammeln lassen. Daraus folgt:
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Hypothesen
Videojournalisten wissen zwar über den Ablauf des Pilotprojekts Bescheid, darüber hinaus haben aber (noch) keine individuellen Zielvereinbarungsgespräche mit ihnen stattgefunden. Hypothese 19 lautet daher: H19: Es finden keine Zielvereinbarungsgespräche mit Videojournalisten statt.
Redaktionsstatute Aus der Literatur lassen sich keine Hinweise ableiten, ob und wie Videojournalismus Redaktionsstatuten beeinflusst. Es wird allerdings erwartet, dass sich Videojournalismus nicht auf die Redaktionsstatuten auswirkt, d. h. keine Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen werden. Denn Videojournalismus verändert zwar die technische Produktionsweise, nicht jedoch die Rechtsstellung des einzelnen Journalisten in der Medienorganisation. Hypothese 20 lautet: H20: Videojournalismus hat keinen Einfluss auf die Redaktionsstatuten. Nachdem der theoretische Teil der Arbeit die Grundlagen in den Bereichen redaktionelles Qualitätsmanagement und Videojournalismus umrissen hat, will der empirische Teil die Frage beantworten, wie sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement der ARD auswirkt. Dies geschieht im Wesentlichen auf der Basis von Leitfadeninterviews mit Vertretern aller zehn ARD-Anstalten (Teilstudie A). Zur externen Validierung wurden zudem teilnehmende Beobachtungen in ausgewählten ARD-Anstalten und Redaktionen durchgeführt (Teilstudie B).
5 Methodische Umsetzung
Dieses Kapitel legt die methodische Vorgehensweise detailliert offen. Dazu wird zunächst der qualitative Ansatz der Untersuchung begründet (vgl. Abschnitt 5.1). Anschließend wird ausführlich auf die gewählten Methoden – Leitfadeninterview und teilnehmende Beobachtung – eingegangen. Dabei werden das jeweilige Sample (vgl. Abschnitt 5.2.1, Abschnitt 5.3.1), das jeweilige Erhebungsinstrument (vgl. Abschnitt 5.2.2, Abschnitt 5.3.2) sowie die jeweilige Situation der Datenerhebung (vgl. Abschnitt 5.2.3, Abschnitt 5.3.3) und Auswertung (vgl. Abschnitt 5.2.4, Abschnitt 5.3.4) thematisiert. Schließlich werden die Gütekriterien diskutiert (vgl. Abschnitt 5.4) und wird die methodische Umsetzung zusammengefasst (vgl. Abschnitt 5.5).
5.1 Begründung des qualitativen Ansatzes Die Untersuchung basiert auf nicht standardisierten Erhebungsverfahren. Die gewählten Verfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt und in Bezug auf die Fragestellung und Zielsetzung dieser Arbeit beschrieben und begründet. Im Zentrum des methodischen Vorgehens stehen Leitfadeninterviews zum redaktionellen Qualitätsmanagement im Videojournalismus in den zehn ARDAnstalten (Teilstudie A). Unter Leitfadeninterviews107 werden hier Einzelinterviews verstanden, denen ein Leitfaden zugrunde liegt. Es handelt sich in diesem Fall um teilstrukturierte Interviews (für eine nähere Beschreibung des Leitfadens vgl. Abschnitt 5.2.2 und Anhang). Ihre Gestaltung orientiert sich an den Prinzipien des TQM-Modells (vgl. Abschnitt 2.2.2) und deren Umsetzung auf Redaktionen (vgl. Abschnitt 2.2.3). Interviewpartner waren die jeweiligen Videojour107
Rager et al. weisen darauf hin, dass der Begriff Leitfadeninterview in der Methodenliteratur so gut wie nicht zu finden ist. Statt dieses Oberbegriffs werden häufig die spezialisierten Unterformen getrennt voneinander genannt (vgl. Rager et al. 1999, S. 35). So unterscheidet beispielsweise Lamnek zwischen narrativen, problemzentrierten, fokussierten, rezeptiven und Tiefen- oder Intensivinterviews (vgl. Lamnek 1989, S. 68 ff.).
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Methodische Umsetzung
nalismus-Beauftragten, -Koordinatoren oder Projektleiter108 der Rundfunkanstalten (für genaue Informationen zum Sample vgl. Abschnitt 5.2.1; für eine nähere Beschreibung der Situation der Datenerhebung vgl. Abschnitt 5.2.3). Zur – zumindest teilweisen – Außenvalidierung der Leidfadeninterviews wurden zwei teilnehmende Beobachtungen in der Redaktion hessen aktuell des hr und der Redaktion Lokalzeit Düsseldorf des WDR durchgeführt (Teilstudie B). Auch hier wurde teilstrukturiert vorgegangen. Die Strukturierung wurde aufgrund der Aussagen in den Leitfadeninterviews entwickelt (für eine nähere Beschreibung vgl. Abschnitt 5.3.2) Mit der Erhebung wurde nicht nur ein exploratives, hypothesengenerierendes und -präzisierendes, sondern auch ein hypothesenprüfendes Interesse verfolgt (vgl. Kapitel 4). Die Interviews konzentrierten sich auf erste Erfahrungen mit dem Videojournalismus und auf redaktionelle Maßnahmen zur Sicherung der Qualität. Da bisher kaum Forschung zu diesem Bereich vorliegt und die Erfahrungen und Maßnahmen der einzelnen Rundfunkanstalten sehr vielfältig sind, wurde nicht mit vorab vorgegebenen Kästchen gearbeitet. Stattdessen wurde, um die Einzelfälle möglichst detailliert und differenziert zu erfassen, eine relativ offene Vorgehensweise gewählt. Dieses methodische Vorgehen sollte den Interviewten ausreichend Möglichkeit geben, individuelle Besonderheiten ihrer Projekte zu schildern. Das teilstrukturierte Vorgehen gewährleistet somit wesentliche Aspekte anzusprechen, aber auch gleichzeitig neue Aspekte zu berücksichtigen. Gerade bei einer Forschungsfrage, die sich mit den Auswirkungen einer neuen Produktionsweise auf traditionelle Qualitätssicherungssysteme einer Redaktion beschäftigt, scheint dies angebracht. Ein Interview ganz ohne Leitfaden wäre dagegen wenig sinnvoll gewesen, da damit im Vorfeld hätte nicht gewährleistet werden können, dass über alle relevanten Dimensionen des redaktionellen Qualitätsmanagements tatsächlich gesprochen wird. Andererseits wären auch stark strukturierte Interviews ungeeignet gewesen, da das Forschungsfeld bisher wenig erschlossen ist. Stark strukturierte Interviews hätten ausgeschlossen, dass die Befragten ihre Relevanzstrukturen einbringen und auf Besonderheiten ihrer Videojournalismus-Projekte hinweisen. Das Leitfadeninterview scheint am besten geeignet, möglichst detaillier108
Lediglich beim WDR konnte keine dieser Funktionen identifiziert werden, da der WDR kein Videojournalisten-Projekt auf den Weg gebracht hat. Dennoch setzt er Videoreporter für die regionale Berichterstattung ein. Daher wurde in diesem Fall der Chefredakteur der Landesprogramme im WDR-Fernsehen interviewt.
Methodische Umsetzung
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te und differenzierte Erkenntnisse über das redaktionelle Qualitätsmanagement in Bezug auf Videojournalismus zu gewinnen.
5.2 Teilstudie A 5.2.1
Kriterien der Befragtenauswahl
Die Auswahl der Befragten gestaltete sich bei einigen ARD-Anstalten wie beispielsweise RB recht einfach, da eine Person maßgeblich mit dem Projekt betraut ist. Bei anderen Rundfunkanstalten wie dem hr gestaltete sich die Auswahl des Interviewten schwieriger, da hier mehrere Personen maßgeblich in das Projekt eingebunden sind. So gibt es beim hr einen Projektleiter, den Leiter des hessen fernsehens, Jan Metzger, und einen VJ-Beauftragten, Bernd Kliebhan. In solchen Fällen wurden die Interviews aus zwei Gründen mit den Ansprechpartnern auf der unteren Hierarchiestufe geführt. Erstens wurde die Interviewerin schon bei der Interviewanfrage auf den VJ-Beauftragten verwiesen, da der Projektleiter als gleichzeitiger hr-Fernsehchef einen sehr vollen Terminplan hat und folglich diese Anfrage delegieren wollte. Daneben gibt es auch inhaltliche Gründe. Das Gespräch mit einem Ansprechpartner auf der unteren Hierarchiestufe bietet den Vorteil, dass er einerseits in die Planungen des Projekts eingebunden ist, gleichzeitig aber auch noch in das operative Geschäft. Er hat also einen umfassenderen Kontakt zu den Videoreportern bzw. Videojournalisten und ihrer Arbeitswirklichkeit als seine Vorgesetzten. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Befragten nach Rundfunkanstalt, ihre Funktion inner- und außerhalb des VJ-Pilotprojekts, Ort, Datum und Uhrzeit des Interviews sowie dessen Länge. Auf diese Daten zur Erhebungssituation wird in Abschnitt 5.2.3 näher eingegangen.
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Tabelle 2: 109
Überblick über die Leitfadeninterviews109 , Quelle: eigene Darstellung
Die Länge des Interviews beim BR musste geschätzt werden, das es hier ein technisches Problem mit dem Aufnahmegerät gab, weshalb die Aufzeichnung nach 31 Minuten aussetzte. Beim
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5.2.2 Erhebungsinstrument Leitfadeninterview Zu Beginn der Erhebung stand neben der Felderkundung und der Kontaktaufnahme mit den Befragten die Entwicklung des Interviewleitfadens110. Die Umsetzung der Forschungsfragen und Hypothesen in konkrete Fragestellungen erfolgte nicht nur aus der Literatur. Wichtige Anregungen zu einzelnen Aspekten des Leitfadens brachte auch der erwähnte 2. Videojournalismus-Roundtable der ZFP. Nach einem ersten Einsatz in einem Probeinterview111 wurde der Leitfaden korrigiert und ergänzt und auch noch während der ersten Interviews aufgrund der Felderfahrung leicht modifiziert. Der Leitfaden sollte zum einen sicherstellen, dass relevante thematische Aspekte so vollständig und vertiefend wie möglich erfragt werden. Dem wurde durch einen relativ langen und detaillierten Interviewleitfaden Rechnung getragen. Zum anderen sollten die Interviews offen sein für die Relevanzstrukturen und Besonderheiten der jeweiligen Rundfunkanstalten. Dies wurde gewährleistet, indem auf Themen und Themenschwerpunkte geachtet wurde, die die Befragten einbrachten und die nicht im Leitfaden vorgesehen waren. Zudem wurde mit spontanem, konkretisierendem Nachfragen gearbeitet. Nicht zuletzt richtete sich die Reihenfolge der Fragen nach dem Gesprächsverlauf und war nicht starr vorgegeben. Geachtet wurde jedoch darauf, dass in möglichst allen Interviews bestimmte zentrale Fragen angesprochen wurden. Aber auch dabei wurde Wert darauf gelegt, die Fragen in den Gesprächsverlauf zu integrieren und nicht an unpassender Stelle „abzuarbeiten“. Die Fragen im Leitfaden sind wörtlich ausformuliert. Das
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WDR war zusätzlich zum eigentlichen Interviewpartner, Harald Brand, noch dessen Referentin anwesend. Sie hielt sich jedoch weitgehend zurück. Nur gelegentlich unterstützte sie Brand mit Fakten oder fasste seine Aussagen zusammen. Es wird bewusst darauf verzichtet, Literatur zur Methodik des Leitfadeninterviews allgemein zu referieren. Denn es ist wohl sinnvoller, die allgemeinen Methodenbeschreibungen auf den konkreten Fall umzusetzen und ihn zu beschreiben. Für eine Einführung in die Methodik der Leitfadeninterviews vgl. u. a. Atteslandes 102003, S. 156-158; Froschauer/Lueger 2003 (zu qualitativen Interviews im Allgemeinen); Scholl 2003, S. 66-71; Rager et al. 1999. Das Probeinterview konnte nicht mit einem VJ-Beauftragten, -Koordinator oder -Projektleiter einer deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt geführt werden, da die Ansprechpartner aller ARD-Anstalten bereits für die eigentliche Erhebung vorgesehen waren. Der VJBeauftragte des ZDFs, Felix Peitz, konnte nicht für ein Interview gewonnen werden. Daher wurde der Leitfaden vorher an einer Videojournalistin getestet. So sollte herausgefunden werden, ob die Fragen grundsätzlich verständlich sind und die wesentlichen Bereiche der videojournalistischen Produktionsweise abdecken.
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heißt jedoch nicht, dass sie wörtlich so gestellt werden mussten. Vielmehr war es die Absicht, der Interviewerin eine Formulierungshilfe an die Hand zu geben. Die Reihenfolge der Fragen im Interviewleitfaden folgt keinem bestimmten Frageschema. Sie sind nach ihrem thematischen Zusammenhang geordnet. Die Themenkomplexe orientieren sich dabei an den Prinzipien des TQM-Modells (vgl. Abschnitt 2.2.2) und seiner Übertragung auf Redaktionen (vgl. Abschnitt 2.2.3). Sie bilden das Grundgerüst des Leitfadens:
Abbildung 11:
Grundgerüst des Leitfadens, Quelle: eigene Darstellung
Diese Auflistung bildet den Leitfaden jedoch nur unvollständig ab. Jeder dieser Dimensionen wurde im nächsten Schritt ein Bündel an Fragen zugewiesen, um die verschiedenen Dimensionen zu konkretisieren und für den Interviewten verständlich zu machen. Zur besseren Transparenz ist der ausführliche Leitfaden im Anhang dokumentiert. Unmittelbar nach den Leitfadeninterviews wurden zudem Protokolle angefertigt, in denen der Interviewkontext dokumentiert wurde. Die Protokolle haben einen unstrukturierten Charakter und bestehen aus unsystematischen Beschreibungen von Interviewsituation, Interviewtem und Interviewerin. Die Protokolle geben einen Eindruck von der Interviewatmosphäre und der Beziehung des Interviewten zur Interviewerin. Sie wurden in die Interpretation einbezogen und zur Reflexion des methodischen Vorgehens genutzt.
5.2.3 Zur Situation der Datenerhebung Im Folgenden wird näher auf die Situation der Datenerhebung eingegangen. Dazu zählen die Kontaktaufnahme zu den Befragten, Ort und Datum der Interviews sowie das Verhalten der Befragten. Der 2. Videojournalismus-Roundtable der ZFP vom 22. bis 23. September 2005 in Hannover bot eine gute Möglichkeit, mit den Vertretern der einzel-
Methodische Umsetzung
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nen Rundfunkanstalten in einen ersten, spontanen Kontakt zu treten.112 Schon in diesem frühen Stadium erhielten die Kontaktpersonen Informationen, auf deren Grundlage sie über ihre Gesprächsbereitschaft entscheiden konnten. Konkret waren dies Informationen zum Gesprächsgegenstand (redaktionelles Qualitätsmanagement im Videojournalismus), dem Rahmen (Diplomarbeit) sowie eine Begründung, warum sie als Person ausgewählt wurden. Ferner erhielten die Ansprechpartner in diesem ersten Kontakt die Information, dass die Interviewerin für das Interview persönlich zu der jeweiligen Rundfunkanstalt reisen und das Interview etwa 45 Minuten in Anspruch nehmen würde. Die Datenerhebung dauerte fast fünf Monate und damit wesentlich länger als veranschlagt. Verantwortlich hierfür waren teilweise mehrmonatige Wartezeiten auf den Interviewtermin. Dies lag zum einen daran, dass manche Rundfunkanstalten (z. B. der SWR) erst Anfang 2006 mit ihrem Pilotprojekt starteten und daher auch erst dann Informationen dazu geben konnten und wollten. Zum anderen handelt es sich bei den Befragten in den meisten Fällen um viel beschäftigte Führungskräfte, deren Terminplan und Prioritätenliste keine kurzfristigeren Treffen zuließen. Alle Interviews fanden in einer den Interviewten vertrauten und der Interviewerin fremden Umgebung statt: dem Hauptsitz bzw. den Landesfunkhäusern der jeweiligen Rundfunkanstalten. In einem Fall wurde das Interview aus pragmatischen Gründen in der Privatwohnung des Interviewten geführt. Die Gespräche unterschieden sich zum Teil erheblich voneinander. Sehr kommunikativ eingestellte Interviewte, die auch ohne Frage zu langen Monologen ausholten oder sich selbst Stichworte gaben, standen Interviewten gegenüber, die sehr punktgenau auf die Fragen antworteten und durch Nachfragen zu Konkretisierungen animiert werden mussten. Damit variierte auch die Interview112
Nur in zwei Fällen wechselte der Interviewpartner nachträglich. Beim hr wurde beim 2. Videojournalismus-Roundtable zunächst der Leiter des Videojournalisten-Projekts und Leiter des hessen fernsehens, Jan Metzger, angesprochen. Später vermittelte Jan Metzger die Interviewerin jedoch an den VJ-Beauftragten Bernd Kliebhan, da er selbst terminlich nicht für ein Interview zur Verfügung stand. Der zweite Fall war der WDR. Hier wurde im ersten Kontakt der Leiter der Aktuellen Stunde, Ingo Hülsmann, angesprochen, da dieser den WDR beim 2. Videojournalismus-Roundtable repräsentierte. Aus hierarchischen Gründen wurde die Interviewte später jedoch von Ingo Hülsmann an den Chefredakteur der Landesprogramme im WDR Fernsehen, Harald Brand, verwiesen. Die Zuständigkeit wurde damit begründet, dass der WDR als einzige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt kein Videojournalismus-Projekt auf den Weg gebracht und somit auch keinen entsprechenden Beauftragten oder Koordinator hat. Da jedoch die Videoreporter des WDR nahezu ausschließlich im Bereich der regionalen Berichterstattung eingesetzt werden, wurde Harald Brand als hierarchische Zuständigkeit bestimmt.
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dauer wesentlich. Sie lag zwischen 21 und 72 Minuten und betrug im Durchschnitt 44 Minuten 113. Neben diesem unterschiedlichen Gesprächsverhalten der Befragten machte die Interviewerin den Stand des jeweiligen Projekts als Einflussfaktor auf die Länge des Gesprächs aus. So ist es trivial, dass Vertreter von Rundfunkanstalten, die ihr Projekt schon vor einiger Zeit gestartet hatten (z. B. hr), ihre Ausführungen mit wesentlich mehr Beispielen illustrieren konnten als solche, die ihr Projekt zum Erhebungszeitpunkt erst vor Kurzem auf den Weg gebracht hatten (z. B. SWR) oder sogar erst kurz vor dem Beginn standen (z. B. rbb). Eine unterschiedliche Kooperationsbereitschaft der Befragten stellte die Interviewerin dagegen nicht fest. Sie hatte auch nicht den Eindruck, dass die jeweiligen Rundfunkanstalten das Leitfadengespräch zur bloßen positiven Selbstdarstellung nutzten. Vielmehr vermittelten die Befragten, dass sie die Pilotprojekte ihres Hauses reflektieren und die Interviewende an diesen Reflexionen teilhaben lassen. Nur beim hr und WDR waren die Standpunkte schon fester. Beim hr liegt dies daran, dass das Pilotprojekt schon in den Regelbetrieb übergegangen war (vgl. Abschnitt 3.2) und eine ausführliche Diskussion der Erfahrungen schon stattgefunden hatte. Beim WDR dagegen gibt es kein Pilotprojekt, so dass hier lediglich die augenblickliche Ablehnung begründet wurde. Der Interviewleitfaden lag den Befragten vor und während des Interviews nicht vor. Mit einer Ausnahme: Der WDR wollte den Leitfaden vor dem Interview via E-Mail zugesandt bekommen. Darauf ging die Interviewerin ein, um die Gesprächsbereitschaft weiterhin zu sichern. Eine Gefahr für die Validität der Aussagen sieht sie in diesem Fall aus mehreren Gründen weitgehend ausgeschlossen. Zum einen ist es für diese Auswertung größtenteils unerheblich, ob der Befragte die Fragen vorher kennt. Zum anderen stellte sich in besagtem Fall heraus, dass der Befragte den Leitfaden vorher gar nicht studiert hatte. Lediglich seine Referentin hatte ihn gelesen und dem Chef nach eigener Auskunft das Oberthema mitgeteilt. Auch sein Verhalten während des Interviews deutete darauf hin, dass er sich noch nicht eingehend mit dem Leitfaden beschäftigt hatte. Denn bei einigen Fragen benötigte er eine Pause zum Überlegen, bei faktenorientierteren Fragen musste er erst die Daten nachschlagen etc. Dennoch wurde dieser Sachverhalt bei der Auswertung berücksichtigt. Am Ende des Interviews äußerten einige Befragte, dass sie derzeit mit Anfragen von Studierenden überhäuft würden. In den meisten Fällen handele es 113
Bei diesem Durchschnittswert wurde der BR nicht in die Rechnung einbezogen. Wegen technischer Schwierigkeiten stoppte hier die Aufnahmezeit nach 31 Minuten, so dass keine genaue, sondern lediglich eine nachträglich kalkulierte Interviewlänge vorliegt. Dazu auch die folgende Fußnote.
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sich dabei jedoch um standardisierte Fragebögen, die ihnen wenig Möglichkeit gäben, auf individuelle Erfahrungen in ihren Projekten hinzuweisen. Die Möglichkeit, in einem nur teilstrukturierten Interview das redaktionelle Qualitätsmanagement ihrer Rundfunkanstalt in Bezug auf Videojournalismus zu schildern, empfanden sie daher als richtig gewählt. Auch äußerten sich einige Befragte positiv dazu, dass sich die Interviewerin die Mühe machte, das Interview nicht am Telefon zu führen, sondern persönlich anzureisen. In einem Fall, dem mdr, wies die Befragte sogar darauf hin, dass sie derzeit so viele Fragebögen erhalte, dass sie aus zeitlichen Gründen gar nicht mehr alle beantworten könne und wolle. Da sie jedoch wahrnahm, dass auch die Interviewerin einigen Aufwand betrieb, um das Gespräch zu realisieren, zeigte sie sich sehr kooperativ. Am Ende des Gesprächs bot die Interviewerin allen interessierten Befragten an, ihnen die Ergebnisse dieser Arbeit mitzuteilen.
5.2.4 Technische und methodische Aspekte der Datenauswertung Nach einigen technischen Informationen zur Materialbasis wird das computergestützte Verfahren der qualitativen Datenauswertung vorgestellt. Die Grundlage der Auswertung bildet eine vollständige, möglichst wörtliche Transkription des gesamten Audiomaterials in Standardorthografie.114 Parasprachliche Merkmale wie z. B. Lachen, Pausen oder Atmen wurden nicht erfasst, da dieser Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Analyse gestanden hätte. Denn es ging nicht um das Gesprächsverhalten des Interviewten, sondern um dessen faktische Aussagen.115 Die Leitfadeninterviews wurden mit einem analogen Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend am PC digitalisiert. Nach den technischen Problemen mit der Aufzeichnung beim BR wurden bei den meisten Folgeinterviews zusätzlich noch ein MD-Gerät und ein Mikrofon eingesetzt. Mögliche Nachteile einer Audio-Aufzeichnung, wie beispielswei114
115
Dr. Stefan Kaempf (DW), Bernd Kliebhan (hr) und Sabine Rossbach-Hesse (NDR) machten bei der Autorisierung der Interviews für diese Veröffentlichung Gebrauch davon, ihre Zitate sprachlich teilweise zu glätten. Dabei änderten sie inhaltlich aber nichts. Sprachlich erwiesen sich die Korrekturen auch als marginal. Die Interviewten entfernten lediglich Füllwörter und verbesserten grammatische Fehler und fehlerhaften Satzbau. Da es bei der Auswertung nicht um die sprachliche Formulierung der Sachverhalte ging, sondern allein um den Inhalt, wurde diese Art des Korrekturlesens nicht als Gefahr für die Validität der Untersuchung eingestuft. Kooperationsbereitschaft, Offenheit gegenüber der Interviewerin etc. wurden jedoch gesondert in begleitenden Protokollen erfasst, um die Validität der Interviewsituation einschätzen zu können (siehe auch Abschnitt 5.4).
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se die Verunsicherung eines Befragten, wurden nicht ausgemacht. Zumal es sich bei den Befragten um Menschen handelt, die schon ihres Berufes wegen öfter mit Aufnahmesituationen – wenn auch meist selbst als Interviewer – zu tun haben. Der Auswertungsprozess orientierte sich hauptsächlich an der allgemeinen Auswertungsbeschreibung von Schmidt (42005) sowie der konkreten Auswertung von Leitfadeninterviews im Projekt Familie und Rechtsextremismus von Hopf/Schmidt (1993)116. Im Folgenden werden die Schritte der Auswertung am konkreten Fall dieser Untersuchung näher erläutert. Mit der Entwicklung der Auswertungskategorien wurde bereits bei der Planung der Datenerhebung, etwa zeitgleich mit der Entwicklung des Interviewleitfadens, begonnen. Die Vorgehensweise ist somit zunächst theoriegeleitet. Die so entwickelten Kategorien wurden jedoch nicht – und das ist für den qualitativen Forschungsprozess wesentlich – als unumstößlich betrachtet, sondern als vorläufig. Bereits in der Interviewsituation konnte die Interviewerin einige Aussagen sofort bestimmten Hypothesen und Kategorien zuordnen, musste jedoch die Tragweite anderer bezweifeln und die Notwendigkeit weiterer Kategorien erkennen. Nach der Transkription der Interviews wurden folglich, in Auseinandersetzung mit dem Material, theoretische Vorannahmen ausdifferenziert, aber auch verworfen sowie neue Aspekte ergänzt. Die Bildung des Kategoriensystems erfolgte also in einem Wechselspiel zwischen theoretischen Vorannahmen und der Auseinandersetzung mit dem erhobenen Material. Dabei wurde computergestützt mit dem Softwareprogramm MAXqda gearbeitet. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht um ein Werkzeug zur Datenanalyse wie beispielsweise die Statistiksoftware SPSS zur Durchführung statistischer Analysen. MAXqda ist eine Software, die lediglich hilft, Texte zu strukturieren (vgl. Kelle 42005, S. 488). Die transkribierten Interviews summierten sich zu einer Länge von 155 Seiten. Hinzu kamen 71 Seiten Beobachtungsbögen sowie zahlreiche Interviewprotokolle und sonstige Anmerkungen. Die Verwaltung dieses Materials und damit auch der Überblick wurden durch die Verwendung der Software wesentlich erleichtert. Dies ist wesentlich, denn „das Vorhandensein großer Mengen schlecht organisierter Textdaten erhöht die Gefahr, dass theoretische Aussagen auf einige wenige (möglicherweise eilig herausgesuchte) Zitate gestützt und Gegenevidenz im Datenmaterial übersehen wird“ (Kelle 42005, S. 489). Darüber hinaus bietet MAXqda wei116
In diesem Text bieten die Forscherinnen einen detaillierten Einblick in die Methodik ihrer Untersuchung. Unter anderem beschreiben sie genau die Vorgehensweise bei der Auswertung.
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tere Funktionen, die helfen, die Güte qualitativer Auswertungsprozesse zu sichern. Über Codierungs- und Retrivalfunktionen konnten Kategorien bestimmten Textsegmenten zugeordnet und umgekehrt (Codierungsfunktion) sowie nach Textsegmenten mit derselben Codierung gesucht werden (Retrivalfunktion). Die gelegentlich geäußerte Befürchtung, dass die computergestützte Auswertung gegen die methodologischen Absichten des Forschers den Analyseprozess bestimmt (vgl. u. a. Kelle 42005, S. 500), konnte für diese Auswertung nicht bestätigt werden. Abbildung 12 zeigt die Oberfläche der Software während des Codiervorgangs:
Abbildung 12:
Qualitative Auswertungssoftware MAXqda, Quelle: eigener Screenshot
Danach wurden die Auswertungskategorien auf Memos definiert und jedes Interview dementsprechend verschlüsselt. Die Definitionen folgten den theoretischen Grundlagen dieser Arbeit. So wurde beispielsweise bei Aktualität zwischen zeitlicher und sozialer Aktualität unterschieden (vgl. Abschnitt 2.1.3).
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Methodische Umsetzung
Im folgenden Schritt wurden die einzelnen Auswertungskategorien und ihre Codierungen übersichtlich in Tabellenform dargestellt. Aus dieser Materialübersicht ergab sich auch die Häufigkeit bestimmter Kategorien in den Interviews. Schließlich wurden Einzelfälle vertiefend analysiert. Dabei wurden Hypothesen überprüft oder neue generiert.
5.3 Teilstudie B Um der Triangulation 117 in der qualitativen Forschung Rechnung zu tragen, wurde ein zweiter methodischer Zugang zum Forschungsfeld gewählt: teilnehmende Beobachtungen. Ziel war, eine Methode gegen die andere auszuspielen, um so eine möglichst hohe Validität der Feldforschungen zu erhalten (vgl. Denzin 21978, S. 304). Zum einen sollte damit sichergestellt werden, dass die Befragten in den Interviews nicht eine einseitig schönfärbende Darstellung des redaktionellen Qualitätsmanagements gewählt hatten. Aber auch ohne die Absicht der Befragten, ihre jeweilige Rundfunkanstalt in einem besonders guten Licht erscheinen zu lassen, bestand ein Validitätsproblem. Zwar wurde bei der Auswahl der Befragten darauf geachtet, dass es sich um Personen handelt, die sowohl einen Einblick in die Konzeption des jeweiligen Videojournalismus-Projekts als auch in den redaktionellen Alltag der Videoreporter bzw. Videojournalisten hatten (vgl. Abschnitt 5.2.1). Während der Interviews fiel jedoch auf, dass einige Befragte bei konkreten Fragen zum redaktionellen Alltag Schwierigkeiten hatten. So musste beispielsweise die Projektleiterin des mdr, Elke Lüdecke, bei der Frage passen, ob Videojournalismus den Rechercheprozess verändert hat. Hier sollte der Methodenmix dafür sorgen, dass nicht nur das Konzept des redaktionellen Qualitätsmanagements, sondern auch seine tägliche Umsetzung angemessen erfasst wurde.118
117 118
Dazu vgl. u. a. Flick 42005. Eine weitere Möglichkeit der Validitätsprüfung wäre gewesen, Videoreporter und Videojournalisten systematisch mit den Aussagen aus den Leitfadeninterviews zu konfrontieren. Dieser weitere Erhebungsschritt hätte jedoch den Arbeitsaufwand für diese Arbeit überstiegen.
Methodische Umsetzung
5.3.1
141
Kriterien und Prozess der Redaktionsauswahl
Die erste Frage, die in Zusammenhang mit der ergänzenden Erhebung zu klären war, betraf die Kriterien der Redaktionsauswahl. Eine Vollerhebung aller zehn ARD-Anstalten schied aus arbeitsökonomischen wie finanziellen Gründen aus. Eine Auswahl war unumgänglich. Ausgewählt wurden die Redaktionen hessen aktuell des hr und Lokalzeit Düsseldorf des WDR. Die Redaktion hessen aktuell produziert von Montag bis Freitag die gleichnamige regionale Nachrichtensendung um 15.00 Uhr, 16.00 Uhr und 17.00 Uhr. Die Lokalzeit Düsseldorf ist ebenfalls eine Sendung mit Nachrichten und Berichten aus der Region und sendet von Montag bis Freitag um 18.00 Uhr und von Montag bis Samstag um 19.30 Uhr. Die ergänzenden Beobachtungen sind nicht repräsentativ – und zwar weder für die ARD-Anstalten insgesamt noch für den hr oder WDR. Denn auch innerhalb der beiden Rundfunkanstalten bilden die ausgewählten Redaktionen nur einen Bruchteil der Bereiche ab, in denen Videojournalisten eingesetzt werden. Es kam jedoch auch gar nicht auf eine Repräsentativität der Erhebung an. Dazu war die Stichprobe zudem viel zu klein gewählt. Ziel war lediglich, Aussagen aus den Leitfadeninterviews am redaktionellen Alltag der Videoreporter bzw. Videojournalisten extern zu validieren und gegebenenfalls Aussagen aus den Leitfadeninterviews zu vertiefen. Die Auswahl der genannten Rundfunkanstalten und Redaktionen erfolgte aus inhaltlichen und pragmatischen Gründen. Inhaltlich – und das war auch der wesentlichere Grund – konnte mit dem hr der Vorreiter des Videojournalismus in der ARD beobachtet werden und mit dem WDR das Schlusslicht. Der redaktionelle Alltag in einer für Videoreporter bzw. Videojournalisten offenen Rundfunkanstalt stand einer, – zumindest Videojournalisten – abweisenden Rundfunkanstalt gegenüber. Die konkrete Auswahl der Redaktionen erfolgte in Kooperation mit der jeweiligen Rundfunkanstalt. Der VJ-Beauftragte des hr, Bernd Kliebhan, schlug als Redaktion hessen aktuell vor. Darauf ging die Forscherin ein, weil gerade diese Redaktion auch den höchsten Output an videojournalistisch produzierten Beiträgen hat. Zwischen Oktober 2003 und Juni 2004 sendete hessen aktuell 227 VJ-Beiträge – und damit 40,4 Prozent aller VJ-Beiträge im hr (vgl. Hessischer Rundfunk 2004, S. 22). Somit war die Wahrscheinlichkeit hoch, auch tatsächlich mehrere Videojournalisten bei der Arbeit beobachten zu können. Der Nachteil dieser Redaktion soll jedoch nicht verschwiegen werden: Da hessen
142
Methodische Umsetzung
aktuell eine Nachrichtensendung ist, konnten hier nur die tagesaktuelle Produktion und kürzere Beiträge beobachtet werden. Längere Reportagen oder Ähnliches konnten hier nicht im Entstehungsprozess verfolgt werden.119 Beim WDR war das Vorgehen ähnlich. Nach dem Leitfadengespräch mit dem Leiter der Regionalprogramme im WDR, Harald Brand, fragte die Interviewerin an, ob eine Beobachtung von Videoreportern beim WDR möglich sei. Infrage kam dazu eines der neun Regionalstudios, da die Videoreporter fast ausschließlich in der regionalen Berichterstattung eingesetzt werden. Harald Brand schlug daraufhin die Redaktion Lokalzeit Düsseldorf vor. Hier sollte die Forscherin die Möglichkeit haben zu beobachten, wie Videoreporter dieser Redaktion arbeiten und das redaktionelle Qualitätsmanagement funktioniert. Daneben wurde vereinbart, dass die Forscherin einen Tag in der Redaktion WDR aktuell verbringt und dort die Entstehung des Nachrichtenblocks verfolgt. Denn dieser wird u. a. mit Material von Videoreportern aus den Regionen beliefert.
5.3.2 Erhebungsinstrument teilnehmende Beobachtung Eine allgemeine Theorie der Beobachtung120 ist bislang nicht entwickelt worden. Stattdessen bestehen unterschiedliche Beobachtungsverfahren nebeneinander (vgl. u. a. Schnell/Hill/Esser 72005, S. 390; Lamnek 1989, S. 247). Die verschiedenen Varianten bieten in der Realität zahlreiche Kombinations- und Variationsmöglichkeiten (vgl. Klammer 2005, S. 200). Im Folgenden wird die gewählte Kombination dargestellt und werden ihre Vor- und Nachteile kurz erörtert. Im konkreten Fall entschied sich die Forscherin für eine offene Beobachtung. Offen bedeutet, dass die Beobachterin für die Beobachteten offen zu sehen war. Dafür sprachen zwei Gründe: die Praktikabilität der Untersuchung und ethische Überlegungen. Die Beobachterin war darauf angewiesen, Zutritt zu den Redaktionen zu erhalten und musste ihre Anwesenheit dort legitimieren. Zwar hätte sie sich beispielsweise auch als Praktikantin „einschleusen“ können und so ihre Absichten nicht offen legen müssen, jedoch hätte sie sich dabei viel schlechter auf die Beobachtung selbst konzentrieren können und das Vorgehen wäre 119
120
Es wäre daher hilfreich gewesen, Videojournalisten in einer weiteren Redaktion zu beobachten. Allerdings hätte dies den zeitlichen Rahmen dieser Arbeit gesprengt. Zumal die Beobachtungen nur eine zusätzliche Methode zur externen Validierung der Daten darstellen. Auch hier gilt wieder: Es soll nicht Literatur zur Methode der Beobachtung allgemein referiert, sondern die Vorgehensweise im konkreten Fall beschrieben werden. Für eine allgemeine Einführung zur Methode der Beobachtung vgl. u. a. Klammer 2005, S. 193 ff.; Gehrau 2004.
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143
ethisch zu hinterfragen gewesen. Auch die Nachteile der gewählten offenen Vorgehensweise wurden reflektiert. So wird in der Literatur häufig darauf hingewiesen, dass die Anwesenheit des Forschers bei der offenen Beobachtung zu einer Verzerrung der sozialen Wirklichkeit führen kann und das Ausmaß der Verzerrung kaum zu bestimmen ist (vgl. u. a. Klammer 2005, S. 201). Die Beobachterin schätzte diese Gefahr während der Beobachtung jedoch als gering ein. Zwar stellte sie sich an ihrem jeweils ersten Tag in den Redaktionen mit ihrem Thema121 vor. Jedoch zeigte das Verhalten der beobachteten Videoreporter bzw. Videojournalisten in den folgenden Tagen, dass sie die Rolle der Beobachterin weitgehend vergessen hatten. So wurde die Beobachterin beispielsweise während eines Drehs zum Tragen des Stativs aufgefordert oder im Schnitt nach ihrer Meinung gefragt. Die Beobachterin selbst übte sich in der Abwägung zwischen Nähe und Distanz. Auf der einen Seite versuchte sie nicht, sich so weit zu distanzieren, dass sie ganz außen vor war und sie als Beobachterin erst recht auffiel. Auf der anderen Seite vermied sie aber auch zu viel Nähe und Teilnahme, um den zu beobachtenden Prozess nicht zu beeinflussen. Für ein geringes Risiko der Verzerrung spricht auch, dass den beobachteten Personen vor der Erhebung vollständige Anonymität zugesichert wurde. Sie brauchten also keine Konsequenzen im Falle einer negativen Verhaltensweise befürchten. Die Entscheidung wurde zugunsten der teilnehmenden Beobachtung getroffen. Auch hier besteht die Problematik der Verzerrung sozialer Wirklichkeit durch die Beobachterin. Die Begründung, warum dennoch die Entscheidung für diese Variante fiel, soll nicht wiederholt werden. Ergänzt werden soll stattdessen ein weiterer Aspekt: das Protokollieren in der Situation. Die Teilnahme in der Situation erschwerte es gelegentlich, gleichzeitig umfassend zu protokollieren. Um die Reliabilität der Aufzeichnung nicht zu gefährden, notierte die Beobachterin in der Situation dennoch immer wesentliche Daten stichpunktartig mit einem Bleistift. Das ausführliche Protokoll erstellte sie dann am Abend mithilfe der Notizen am Computer. Diese Vorgehensweise erwies sich aus noch einem anderen Grund als notwendig: Nicht selten folgten Handlungssequenzen sehr schnell aufeinander. Der Recherche in der Redaktion schloss sich beispielsweise sehr plötzlich die Abfahrt zum Drehort an. Hätte die Beobachtende hier noch während der Fahrt zum Drehort die Ergebnisse der Recherche ausführlich protokolliert, hätte ihr die Aufmerksamkeit in der aktuellen Situation gefehlt. Das hätte die Validität der Daten infrage gestellt. Durch das ausführliche Protokollie121
Es wurde nur das Thema genannt, nicht die einzelnen, zu beobachtenden Kategorien.
144
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ren am Abend wurde diese Problematik weitgehend umgangen. Nicht zuletzt wurde auch deshalb darauf geachtet, dass die Beobachterin in der Situation nicht zu lange mit ihren Notizen beschäftigt war, um ihren Sonderstatus nicht weiter zu betonen. Nicht nur wann, sondern auch wie protokolliert wird, musste geklärt werden. Die Beobachterin entschied sich für eine eher strukturierte Beobachtung. Strukturiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Beobachterin vorher Gedanken macht, was sie beobachten will, und sich während der Beobachtung den entsprechenden Aspekten zuwendet. Es sollte nicht alles erfasst werden, sondern das, was dem Forschungsziel dient. Diese Vorgehensweise mag in der qualitativen Forschung zunächst ungewöhnlich erscheinen. Denn die idealtypische Form der qualitativ-teilnehmenden Beobachtung ist die unstrukturierte Beobachtung, „da sich diese Form am ehesten mit den methodologischen Prinzipien des interpretativen Paradigmas deckt“ (vgl. Lamnek 1989, S. 249). Dennoch wurde hier reflektiert eine andere Entscheidung getroffen. Die Beobachterin ging nämlich gerade nicht ohne jegliches Vorwissen ins Feld. Sie hatte zuvor schon die Leitfadengespräche mit den jeweiligen Rundfunkanstalten geführt. Sie sollten durch die Beobachtungen validiert werden. So ließen sich fundiert Beobachtungskategorien bilden, die es ermöglichten, redaktionelle Prozesse zu registrieren und reliabel zu protokollieren. Abbildung 13 zeigt die Oberkategorien des Beobachtungsbogens (vgl. Beobachtungsbogen im Anhang):
Abbildung 13:
Grundgerüst der Beobachtung, Quelle: eigene Darstellung
Der Aufbau des Beobachtungsbogens orientierte sich also am Tagesablauf bzw. dem Produktionsprozess. Fielen der Beobachterin während des Beobachtungsprozesses dennoch Prozesse oder Verhaltensweisen von Videoreportern bzw.
Methodische Umsetzung
145
Videojournalisten auf, die nicht als Beobachtungskategorie vorgesehen waren, wurden sie unsystematisch notiert. Die Erhebungen fanden in natürlichen Beobachtungssituationen statt. Die Alternative der künstlichen Beobachtungssituation bestand gar nicht. Denn es sollte nachvollzogen werden, wie sich Videojournalismus im Alltag auf die qualitätssichernden Strukturen einer Redaktion auswirkt. Hierfür musste in Kauf genommen werden, dass die Beobachtungssituationen komplex waren. Es handelte sich um eine Fremdbeobachtung. Dabei stellte sich die Frage, ob die Redaktion als Einheit oder einzelne Person beobachtet werden sollten. Für beides gibt es in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur Beispiele. So beobachtete Rühl beispielsweise Handlungsstrukturen in einer Zeitungsredaktion derart, dass er sich auf einen Platz setzte, vom dem aus er alles beobachten konnte (vgl. Rühl 1979). Altmeppen dagegen beobachtete pro Beobachtungstag nur eine Person (vgl. Altmeppen 1999). Prinzipiell tendierte die Beobachterin zur ersten Variante, da, ähnlich wie bei Rühl, Redaktionsstrukturen untersucht werden sollten. Sie sah sich jedoch sowohl beim hr als auch beim WDR vor das Problem gestellt, dass die zu beobachtenden Redaktionen nicht in einem Großraumbüro untergebracht sind, sondern in mehreren Einzelbüros. Aus räumlichen Zwängen musste daher die Beobachtung von Einzelpersonen gewählt werden. Diese wurden von der Themenvergabe am Morgen über die Produktion und Abnahme bis zur Sendekritik begleitet. Die Konzentration auf eine Person pro Tag bot die Möglichkeit, detailliertere Aufzeichnungen zu machen, als das bei der Beobachtung der gesamten Redaktion möglich gewesen wäre.
5.3.3 Zur Situation der Datenerhebung In der Begründung der gewählten Variantenkombination sind schon einige Informationen zur Situation der Datenerhebung angeklungen. Sie sollen im Folgenden ergänzt und systematisch dargestellt werden. Dabei wird zeitlich und inhaltlich nach den Aspekten vor der Beobachtung, der Beobachtete in der Situation und die Beobachtende in der Situation differenziert. Wie die Kontaktaufnahme zu den jeweiligen Redaktionen zustande kam, wurde bereits beschrieben (vgl. Abschnitt 5.3.1). Am ersten Tag der Beobachtung in der Redaktion hessen aktuell des hr stellte die Beobachtende sich und ihr Projekt in der Redaktionskonferenz vor und bat darum, jeden Tag einen Videojournalisten begleiten zu dürfen. Den potenziell Beobachteten wurde Anonymität zugesichert. Zudem wurde ihnen versprochen, bei Interesse über die Ergebnisse der Studie informiert zu werden.
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Methodische Umsetzung
Während der Beobachtungswoche vom 13. Februar 2006 bis 17. Februar 2006 bei hessen aktuell standen täglich zwei Videojournalisten im Dienstplan. Zudem arbeitete eine freie Mitarbeiterin überwiegend als Videoreporterin. Da im Mittelpunkt der Forschungsfrage der Vergleich zur herkömmlichen Produktionsweise steht, sollte daneben die Beitragsproduktion mit einem EB-Team beobachtet werden. Schon am ersten Tag zeigte sich jedoch, dass es für die Beobachterin nicht planbar war, an welchem Tag sie welche Produktionsweise beobachtet. Denn sie musste feststellen, dass die Videojournalisten, die im Dienstplan standen, nicht immer als solche eingesetzt werden. Theoretisch waren sie zwar beide in der Lage, eigenständig zu drehen und zu schneiden. Im redaktionellen Alltag wurden sie jedoch auch mit einem EB-Team losgeschickt, wenn ein solches vorhanden war, oder sie drehten zwar selbst, schnitten dann jedoch aus Zeitgründen mit einem Cutter. Die genaue Produktionsweise entschied sich oft erst während des Arbeitsprozesses. Das führte dazu, dass sich die Beobachterin beispielsweise vorgenommen hatte, an einem Tag einen Videojournalisten im Sinne der hier genannten Definition zu beobachten, sie am Abend jedoch das Protokoll über einen EB-Team-Einsatz schrieb und umgekehrt. Letztendlich konnten jedoch beide Produktionsarten beobachtet werden. Lediglich selbst geschnitten hat keiner der beiden Videojournalisten in der untersuchten Woche, da immer Aktualitätsdruck bestand. Daher konnten hierzu keine Beobachtungen gemacht werden. Jedoch auch die Erkenntnis, dass unter Zeitdruck immer auf einen Cutter zurückgegriffen wird, kann als Ergebnis angesehen werden. Tabelle 3 gibt einen Überblick darüber, welche Produktionsweise an welchem Tag beobachtet wurde:
Tabelle 3:
Überblick über die Beobachtungen beim hr, Quelle: eigene Darstellung
In der Redaktion Lokalzeit Düsseldorf des WDR war das Vorgehen etwas anders, da sich die Rahmenbedingungen unterschieden. Es gab grundsätzlich keine fest eingetragenen Videoreporter im Dienstplan. Vielmehr werden freie Mitarbeiter
Methodische Umsetzung
147
nach Bedarf rausgeschickt oder wenn sie selbst Themenvorschläge gemacht haben. Auch gibt es keine Redaktionskonferenz, bei der die Themen vergeben werden. Dies geschieht laufend durch den Planer. Somit war dieser auch die erste Anlaufstelle für die Beobachterin, um herauszufinden, welcher freie Mitarbeiter am jeweiligen Tag als Videoreporter im Einsatz war. Zudem gibt es ein Büro, in dem sich die freien Mitarbeiter aufhalten. Hier stellte sich die Beobachterin an ihrem ersten Tag vor und bat darum, die jeweiligen Mitarbeiter begleiten zu dürfen, sofern sie selbst drehen. Zudem wurde auch in dieser Redaktion ein Vergleich zur EB-Team-Produktion angestrebt. Während der Beobachtung zeigte sich, dass der Videoreporter-Einsatz im NiF-Bereich wesentlich seltener vorkam als erwartet. In der Regel wurde mit einem EB-Team gedreht. Gleichzeitig registrierte die Beobachterin – im Gegensatz zu den Aussagen im Leitfadengespräch –, dass es einen freien Mitarbeiter gibt, der auch längere Beiträge von zwei Minuten Länge mit einer privaten DVSchulterkamera eigenständig drehte. Die Nachbearbeitung und der Schnitt erfolgten jedoch jeweils mit einem Cutter. So konnte im Wesentlichen dieser eine freie Mitarbeiter bei der videojournalistischen Produktionsweise beobachtet werden. Eine breitere Basis an Beobachteten wäre natürlich wünschenswert gewesen, war aber nicht vorhanden. Um die qualitätssichernden Strukturen einer Redaktion und den Einfluss des Videojournalismus auf dieselben zu erfassen, zeigte es sich jedoch auch nicht als allzu erheblich, dass sich die Beobachtung weitgehend auf eine Person konzentrierte. Denn Strukturen wie Beitragsabnahmen, Sendekritiken oder Redaktionskonferenzen hingen in erster Linie nicht von der Einzelperson ab. Tabelle 4 vermittelt einen Überblick, welche Produktionsweise bei der Lokalzeit Düsseldorf an welchem Tag beobachtet wurde. Eine Ausnahme bildet der 24. Februar 2006. An diesem Tag wurde die Bearbeitung des Nachrichtenblocks in der Redaktion WDR aktuell beobachtet, da dafür Videoreporter aus der Region zuliefern:
Tabelle 4:
Überblick über die Beobachtungen beim WDR, Quelle: eigene Darstellung
148
Methodische Umsetzung
Auch die WDR-Redaktion begegnete der Forscherin aufgeschlossen und kooperativ. Ähnlich wie beim hr versuchte die Beobachterin in ihrem eigenen Verhalten die Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz zu schaffen.
5.3.4 Technische und methodische Aspekte der Datenauswertung Technisch und methodisch wurde bei der Auswertung der Beobachtungsbögen dieselbe Vorgehensweise wie bei der Analyse der Leitfadeninterviews gewählt. Die relevanten Informationen wurden nach Gesichtspunkten, die sich aus der Fragestellung ergaben, sortiert und anschließend interpretiert. Gegebenenfalls wurden sie mit interessanten Beispielen illustriert. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass die Erhebung qualitativ und nicht quantitativ angelegt war. Zwar war der Beobachtungsbogen aus den genannten Gründen teilstrukturiert konzipiert (für die Begründung vgl. Abschnitt 5.3.2), jedoch nicht so weit standardisiert, dass eine mathematische Auswertung infrage gekommen wäre.
5.4 Gütekriterien Im Folgenden wird erläutert, anhand welcher Kriterien die Wissenschaftlichkeit und die Güte der Untersuchung gesichert wurden. Dabei wurde von der Grundposition ausgegangen, dass für die qualitative Forschung eigene Kriterien angewendet werden müssen.122 Ein Katalog mit breit angelegten Kernkriterien wurde dazu von Steinke (42005) übernommen und auf die vorliegende Untersuchung angewendet. Wesentlich, um die Qualität dieser Arbeit zu sichern, war der Anspruch auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses. Denn nur durch Offenlegung können Ergebnisse vom Leser evaluiert werden. Dies war auch der Anspruch des Kapitels „Methodische Umsetzung“. Im Detail wurden deshalb 122
Demgegenüber stehen die Positionen, dass quantitative Kriterien auch für die qualitative Forschung gelten sowie die völlige Ablehnung von Kriterien (vgl. Steinke 42005, S. 319 ff.). Beide Positionen wurden reflektiert abgelehnt. Die erste Position wurde abgelehnt, weil deren Grundannahmen qualitativer Forschung kaum mit denen quantitativer Forschung vereinbar sind und eine Übertragung der Qualitätskriterien insofern nicht legitim erscheint. Der zweiten Position konnte nicht gefolgt werden, da die Zurückweisung jeglicher Qualitätskriterien Tür und Tor für Beliebigkeit und Willkürlichkeit qualitativer Forschung öffnet (vgl. Steinke 42005, S. 321 ff.).
Methodische Umsetzung
149
das Vorverständnis offen gelegt (vgl. Kapitel 4), der qualitative Zugang begründet (vgl. Abschnitt 5.1), die Samplings diskutiert (vgl. 5.2.1 und Abschnitt 5.3.1), die Erhebungsmethoden (vgl. Abschnitt 5.2.2 und Abschnitt 5.3.2) und der jeweilige Erhebungskontext dokumentiert (vgl. Abschnitt 5.2.3 und Abschnitt 5.3.3), Transkriptionsregeln benannt (vgl. Abschnitt 5.2.4), Informationsquellen immer präzise benannt und auf Limitationen der Forschung hingewiesen.123 Darüber hinaus wurden die Validität und die Reliabilität der Erhebung und Auswertung eingeschätzt. Die Validität scheint aus mindestens drei Gründen gegeben. Erstens konnten Interviewpartner gewonnen werden, die maßgeblich an der Konzeption und Umsetzung der Videojournalismus-Projekte beteiligt sind und somit über die notwendigen Informationen verfügen. Zweitens spricht vieles für valide Interviewsituationen, denn das Verhältnis zwischen Forscherin und untersuchten Personen war von Offenheit geprägt. Drittens wurde versucht, Validität gezielt durch Triangulation zu sichern. Durch den Einsatz komplementärer Methoden sollten mögliche Einseitigkeiten und Verzerrungen einer Methode kompensiert werden. Darüber hinaus konnte der Untersuchungsgegenstand auch tiefer erfasst werden. Die Teilstrukturierung der Leitfadengespräche und Beobachtungen sollten Reliabilität und eine gewisse Komparativität ermöglichen.
5.5 Zusammenfassung Im vorangegangenen Kapitel wurde dargelegt, mit welchen Methoden die empirischen Daten erhoben wurden. Das Untersuchungsdesign umfasste dabei zwei Teilstudien. In der Teilstudie A wurden teilstrukturierte Leitfadeninterviews mit den VJ-Beauftragten bzw. Projektleitern der zehn ARD-Anstalten geführt. Grundlage der Teilstudie B bilden jeweils einwöchige teilstrukturierte Beobachtungen der videojournalistischen und klassischen Produktionsweise in der Redaktion hessen aktuell des hr und der Redaktion Lokalzeit Düsseldorf des WDR. Die Befunde aus Teilstudie A bilden bei der Auswertung die Ausgangsbasis. Die 123
Eine weitere Möglichkeit, Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wäre gewesen, die Interviewtranskripte und ausgefüllten Beobachtungsbögen komplett im Anhang abzudrucken. Von dieser Möglichkeit wurde jedoch aus Platzgründen abgesehen. Die Transkripte der Interviews summierten sich allein auf 155 Seiten, die ausgefüllten Beobachtungsbögen auf weitere 71 Seiten.
150
Methodische Umsetzung
Beobachtungen dienten der Ergänzung und externen Validierung der in den Leitfadeninterviews gewonnenen Daten.
6
Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der empirischen Erhebungen kommentiert. Dabei sollen die Ergebnisse zunächst im Kontext der voran formulierten Hypothesen dargestellt und diskutiert werden. Gegebenenfalls gilt es, sie zu modifizieren sowie deduktiv weitere Hypothesen zu generieren. Deren Überprüfung kann Gegenstand künftiger Forschungsarbeiten sein.
6.1 Journalistische Qualität Aktualität Ausgangshypothese 1 lautete: H1:
Videoreporter werden für die NiF-Berichterstattung tagesaktuell eingesetzt.
Die Auswertung zeigt, dass fast alle ARD-Anstalten tatsächlich Videoreporter für die tagesaktuelle NiF-Berichterstattung einsetzen. Als Grund wird zum einen der vermutete Schnelligkeitsfaktor angeführt, beispielsweise vom rbb: „Wir wollen die Nachtlücke schließen. Das ist die klassische Blaulicht-Berichterstattung, wenn wir einige dieser Kameras Reportern mit nach Hause geben können, sind wir in unserem Flächenland Brandenburg möglicherweise schneller an den Ereignissen in der Nacht dran. Gilt auch für Berlin. Also wenn da schneller eine Kamera zu greifen ist, das geht manchmal einfach flotter, als wenn man ein EB-Team bestellt“ (Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006).
Zum anderen wird die Möglichkeit betont, kostengünstig die regionale Berichterstattung auszubauen (vgl. Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006; mit Lüdecke/mdr 2006; mit Kliebhan/hr 2005). Nur DW, SWR und SR setzen zum Erhebungszeitpunkt keine Videoreporter tagesaktuell ein. DW und SR begründen dies damit, dass es im Programm bzw. den teilnehmenden Redaktionen keine Sendeplätze für die tagesaktuelle Kurzberichterstattung gebe (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b; mit
152
Ergebnisse
Ney/SR 2005). Beim SWR bildet man derzeit nur Videojournalisten aus, kann sich aber vorstellen, das Projekt später um Videoreporter in den Regionen zu erweitern (vgl. Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). In der Tendenz kann die Hypothese also verifiziert werden. Die Ausgangshypothesen 2 und 3 bezogen sich nicht auf Videoreporter, sondern auf Videojournalisten und lauteten: H2: H3:
Videojournalisten werden nicht tagesaktuell eingesetzt. Videojournalisten schneiden bei Zeitdruck mit einem Cutter.
Die Auswertung zeigt, dass nur DW, SR und SWR Videojournalisten grundsätzlich nicht tagesaktuell einsetzen. Die Argumentation der DW bestätigt dabei die eingangs geäußerte Vermutung, dass Videojournalisten für die Produktion schlicht länger brauchen – und damit für die Tagesaktualität ungeeignet sind: „Zeitnahe Stücke sind für VJs häufig schon deshalb problematisch, weil jemand alleine in der Produktion einfach länger braucht. Arbeitsteilung spart dann wichtige Zeit und darum macht auch kaum ein VJ stundenaktuelle Stücke“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Das bedeutet jedoch nicht, dass die DW Videojournalisten nicht in tagesaktuellen Redaktionen wie der Politik oder den Nachrichten einsetzt – allerdings nur für semiaktuelle Themen wie beispielsweise das sogenannte Tagesthema: „Da werden Hintergründe beleuchtet, und das ist auch planbar. Wenn es etwa in Paris eine Woche lang jede Nacht gewaltsame Ausschreitungen gab und die Autos haben gebrannt, kann ein VJ gut ein Hintergrund-Tagesthemastück dazu realisieren“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Ähnlich handhaben es auch SR und SWR, die Videojournalisten ebenfalls im semiaktuellen Bereich einsetzen (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005; mit Wermann/SWR 2006). Eine mittlere Variante zwischen Tagesaktualität und semiaktuellen Themen praktizieren mdr, RB und rbb. Interessant ist dabei vor allem der Ansatz des mdr. Er setzt Videojournalisten zwar auch tagesaktuell ein, aber nur als zusätzliche Kamera. So können weitere Perspektiven zu einem Thema eingefangen werden, ohne dass die Hauptarbeitslast auf den Schultern des Videojournalisten liegt und droht, diesen zu überfordern: „Also schlichtweg, wir haben heute Landtagssitzung. Ich käme nie auf die Idee, da einen VJ hinzuschicken. Höchstens, wenn wir sagen, heute ist so ein spannendes Thema, es könnte möglicherweise in der Kantine hoch hergehen. Und wir wollen außer jetzt der offiziellen Berichterstattung von den Debatten im Plenarsaal halt noch Stimmungen mit einfangen. Wo ich dann
Ergebnisse
153
möglicherweise einen Videoreporter hinschicken würde und sagen würde, was läuft da. Aber dann sozusagen als Begleitung. Und das setzen wir sehr oft ein. Also der eine Kollege, der bei uns jetzt als Videoreporter arbeitet, der ist ja sehr oft, nach wie vor, mit dem Team draußen, nimmt aber seine Kamera mit und fängt da oftmals eine zweite Perspektive mit ein. Aber in der klassischen, schnellen, aktuellen Berichterstattung, vor allem, wenn es dann darum geht, die 2:30-Beiträge, wie auch immer, dann länger zu gestalten, sehe ich es nicht. Also ich befürchte dann eher eine Einschränkung in der Konzentration auf das Thema. Vor allem wenn es diffizile Themen dann sind“ (Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2005).
Bei RB und dem rbb sprechen eher pragmatische Gründe für einen gelegentlichen direkten Einsatz im tagesaktuellen Geschäft. Der RB setzt Videojournalisten dann tagesaktuell ein, wenn sich im Laufe des Tages ein NiF-Thema zu einem Beitragsthema erweitert. Grundsätzlich versuchen die Bremer solche Situationen aber zu vermeiden, weil man sie als sendegefährdend ansieht: „Das passiert eigentlich nur so in dem Sinne, dass mal einer sagt, das ist jetzt ein Nachrichtenfilmthema und während des Drehs stellt sich heraus, irgendwo ist es mehr und dann ist es plötzlich ein längeres Stück. Aber dass wir nun ganz gezielt irgendwie ständig den Einstieg, also das aktuelle Stück, was vorne sitzt, mit VJs besetzen, das ist nicht so, weil, das ist natürlich auch ein Risiko. Wir planen ja nicht so, dass wir zehn Stücke einkaufen und die besten fünf sind es, und die anderen fünf schmeißen wir weg, sondern das ist ja wirklich ziemlich gezielt, genau das produzieren, was wir senden und da zögern die CvDs zu Recht und sagen, wenn das ein knappes Stück ist von heute für heute, dann lieber mit Team“ (Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b).
Der rbb, eines der Schlusslichter in Bezug auf Videojournalismus, hat die Erfahrungen der anderen Rundfunkanstalten reflektiert und resümiert, dass sich Videojournalisten vermutlich nicht so gut für die Tagesaktualität eignen. Trotzdem setzt er sie zunächst dort ein, um eine größere Stichprobe für die anschließende Evaluation des Projekts zu erhalten: „Das Pilotprojekt ist angesiedelt bei den aktuellen regionalen Nachrichtenmagazinen Abendschau und Brandenburg Aktuell. Dadurch gewährleisten wir, dass, sagen wir mal, es einen großen Output gibt, der uns dann auch die Möglichkeit gibt, am Ende des Jahres zu gucken, was hat es gebracht. Wenn man die Erfahrungen der anderen anguckt, müsste man nämlich eigentlich sagen, dass es in der Aktualität möglicherweise falsch angesiedelt ist. Wir machen es also, wir wissen, dass es diese Erfahrungen gibt, machen es aber, weil diese Redaktionen einen so großen Output haben, dass man dort einfach eine belastbare Zahl von Ergebnissen bekommt. Außerdem sind sowohl Abendschau als auch Brandenburg Aktuell mitnichten Formate, die tags immer nur tagesaktuell produzieren. Also wir haben einen Anteil an Vorproduktionen, der bei gut 30 Prozent liegt“ (Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006).
Am anderen Ende der Skala stehen BR, hr und NDR. Sie setzen Videojournalisten bewusst in der Tagesaktualität ein. Im Fall des BR, dessen Videojournalisten überwiegend für die tagesaktuellen Sendungen Abendschau und Rundschau arbeiten, lässt sich dennoch eine reflektierte Themenvergabe erkennen. Aktuelle Termine,
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Ergebnisse „wo es darauf ankommt, parallel Dinge zu machen. Wo ich zeitgleich drehen muss und andererseits recherchieren muss. Dort, wo ich auch im direkten Konkurrenzdruck mit sehr vielen anderen Kollegen stehe, wo es halt wichtig ist, dass man vielleicht zu zweit oder zu dritt sich einen Stellplatz erkämpft, um da zu stehen, um ein Interview zu kriegen. Wo man parallel arbeiten muss“ (Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b),
sollen nicht mit Videojournalisten besetzt werden. Hingegen sieht der BR Videojournalisten im tagesaktuellen Einsatz immer dann als geeignet an, wenn es darum geht, das Subjektive eines Themas herauszuarbeiten oder, wenn die Drehbedingungen für die handlichere Technik sprechen: „Also zwei Fallbeispiele, die wir hatten, ist: Ein Streiktag im öffentlichen Dienst und da haben wir einfach einen Kollegen losgeschickt, der den Tag dokumentiert hat, wie kommt er, angesichts des Streiks mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, von zu Hause hierher in den Sender. Und da hat er ganz subjektiv seine eigenen Erfahrungen geschildert. Ein anderer Bereich ist dort, wo man halt schwierig mit einer größeren Ausrüstung hinkommt. Also zum Beispiel, wir haben die Wiesn, Oktoberfest hier, da ist ein Gedrängel ohne Ende. Da ist dann eine aufwendige Ausrüstung mit Zwei-Mann-Team durch Kabel verbunden und, und, und, und dann noch der Reporter dabei. Alles sehr schwierig zu steuern. Also wo die räumlichen Bedingungen, Gegebenheiten so schwierig sind, dass ich halt als Einzelperson mit einer nicht so großen Kamera sehr viel mobiler bin und beweglicher bin“ (Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b).
Alle drei Sender, BR, hr und NDR, geben ihren Videojournalisten aber die Möglichkeit – beim NDR ist es sogar Pflicht – mit einem Cutter zu schneiden. „Wenn einer tagesaktuell produziert und kommt mit hängender Zunge eineinhalb Stunden vor der Sendung an, da geht es mit Cutter einfach schneller. Der Cutter schneidet, der Reporter textet parallel“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Diese Aussage des hr wird durch die Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtungen bestätigt. In der entsprechenden Woche arbeiteten die Videojournalisten der Redaktion hessen aktuell häufig unter Zeitdruck und schnitten dementsprechend nie alleine am Laptop, sondern immer mit einem Cutter. Dieser Punkt ist wesentlich für das Qualitätsmanagement einer Redaktion. Während einige private Sender Videojournalisten auch in der Tagesaktualität den ganzen Produktionsprozess übernehmen lassen und damit unter Zeitdruck das Sinken journalistischer Qualität riskieren, lassen es die ARD-Anstalten nicht soweit kommen. Entweder werden Videojournalisten erst gar nicht in der Tagesaktualität eingesetzt oder sie haben die Möglichkeit, bei Zeitdruck mit einem Cutter zu schneiden. Eine Ausnahme bildet dabei noch der rbb, der Videojournalisten in seiner Erprobungsphase aus Gründen einer größeren Datenbasis auch tagesaktuell einsetzt. Als interessante Variante kann der Ansatz des mdr gesehen werden, Videojournalisten zusätzlich zu EB-Teams einzusetzen und so eine weitere Perspektive zu gewinnen.
Ergebnisse
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Das Ergebnis ist nicht überraschend. Denn die Vermutung liegt nahe, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Videojournalisten – im Gegensatz zu den meisten privaten Sendern – nicht nur aus Kostengründen einsetzen. Damit besteht auch keine Not, EB-Teams in der tagesaktuellen Berichterstattung zu substituieren oder professionelle Cutter im Fall der tagesaktuellen Produktion zu rationalisieren. Die Hypothesen waren daher zu Recht positiv formuliert. Relevanz Ausgangshypothese 4 lautete: H4:
Videojournalisten bereichern das Programm mit Reportagen aus dem Ausland.
Die Auswertung zeigt, dass bei weitem nicht nur die DW Videojournalisten für die Auslandsberichterstattung einsetzt. Auch hr, mdr und RB nennen Beispiele für Auslandseinsätze von Videojournalisten. Damit kann die Hypothese tendenziell bestätigt werden. Der mdr unterstreicht dabei die eingangs geäußerte Vermutung, dass die Auslandsreportagen der Videojournalisten größtenteils zusätzlich im Programm sind und mit einem EB-Team aufgrund der hohen Kosten nicht zustande gekommen wären. „Also da gibt es ein schönes Beispiel von den Kollegen in Sachsen, da hat mal einer eine Auslandsreise, ich glaube eine Busreise, nach Ungarn gemacht. Wo ich aus Kostengründen nie auf die Idee kommen würde und sagen würde, gut, da schicken wir jetzt halt mal ein Team mit für eine Woche und dann drehen wir mal“ (Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2005).
Neben der vergleichsweise kostengünstigen Realisierung von Auslandsdrehs nennt die DW eine weitere Chance. Noch werden Videojournalisten durch ihr unauffälliges Auftreten nicht zwingend als Journalisten wahrgenommen und haben dadurch die Möglichkeit, an Orten oder Motive zu drehen, für die ein konventionelles Team vielleicht nie eine Drehgenehmigung bekommen hätte: „[...] Der VJ fährt alleine irgendwohin und hat häufig den Vorteil, ins Ausland ohne große Zollformalitäten einzureisen, zudem ist der VJ mit der kleinen Kamera unauffälliger“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Gefahren identifiziert die DW allerdings bei Einsätzen von Videojournalisten in Kriegs- und Krisengebieten und sieht daher in der Regel auch ganz davon ab. Eine Ausnahme machte sie beim Tsunami in Südostasien Ende 2004. Einen Einsatz, den sie im Nachhinein jedoch auch kritisch beurteilt:
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Ergebnisse „Der Einsatz im Tsunamigebiet war insofern eine Ausnahme, weil die Reporter vor Ort nicht wirklich gefährdet waren. Allerdings ist die menschliche Belastung, die der VJ in solchen Situationen bewältigen muss, wie auch die Mitglieder von Hilfsorganisationen usw. nicht zu unterschätzen. Auch die VJs, die vor Ort waren, haben nicht mit den seelischen Belastungen gerechnet. Die waren schon mit ihren Aufgaben sehr gefordert, allein dies war eine starke Belastung. Nach einigen Tagen war ja klar, was dort tatsächlich passiert ist, zumindest dann hätte man reagieren können. Auch der Sender muss Verantwortung übernehmen, sollte, um es überspitzt zu sagen, Sorge tragen, dass die Mitarbeiter bei solchen Einsätzen auch psychisch stabil bleiben und nicht mit der Situation alleine gelassen werden“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Ohne diese Hilfsangebote hat der Videojournalist unter Umständen niemanden, mit dem er sich über belastende Eindrücke oder Erlebnisse austauschen kann. Hingegen können sich bei der EB-Team-Berichterstattung die Mitglieder eines Teams gegenseitig auch psychisch unterstützen. Daher sollen hier die Hypothesen generiert werden, dass Videojournalisten für die Kriegs- und Krisengebietsberichterstattung aufgrund von Sicherheitsrisiken nicht geeignet sind. In Katastrophengebieten brauchen sie – wenn man sie denn überhaupt einsetzt – eine intensive, auch psychische Betreuung. Ausgangshypothese 5 lautete: H5:
Videoreporter werden für die Regionalberichterstattung eingesetzt.
Hier zeigt die Auswertung, dass die Mehrheit der ARD-Anstalten Videoreporter tatsächlich in der regionalen Berichterstattung einsetzt. Die Hypothese kann tendenziell bestätigt werden. So haben BR, hr, mdr, NDR, RB und rbb gezielt Hörfunkkorrespondenten zu Videoreportern ausgebildet. Ziel war dabei, wie vermutet, mehr Bildmaterial aus den Regionen zu günstigen Konditionen zu bekommen, wie hr und NDR erläutern: „Bei den Videoreportern war die Zielsetzung ganz klar: mehr Stücke aus den Regionen zu vernünftigen Konditionen. Das könnte man bei entsprechenden Budgets natürlich auch mit Teams machen. Wenn man es bezahlen kann, könnte man in jedes Dorf ein permanentes Team setzen“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). „All’ das, was ich jetzt an Wortmeldungen im Programm habe, kann ich unter Umständen auch mit aktuellem Bild füttern, was mich dann eben nicht gleich 500 Euro angemietete Kamerakapazität kostet“ (Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006).
In der Ausbildung von Videoreportern in den Regionen liegt also eine Chance, die Bild- und Themenvielfalt kostengünstig zu erweitern. Sie wird von den ARDAnstalten überwiegend genutzt.
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Ausgangshypothese 6 lautete: H6:
Videojournalisten werden für Themen eingesetzt, die nah am Akteur erzählt werden sollen.
Hier zeigt die Auswertung, dass alle ARD-Anstalten ihre Videojournalisten gezielt für Themen einsetzen, bei denen es um eine authentische Erzählweise geht. Sie gehen wie vermutet davon aus, dass Videojournalisten die Realität weniger beeinflussen. Der hr erläutert: „Es ist völlig klar: Jede Anwesenheit von Fernsehmenschen, ob ein, zwei oder drei Personen, ganz egal, verändert die Situation, die sie aufnehmen. Das ist im Grunde trivial. Von daher kann Fernsehen im strengen Sinn gar nicht dokumentarisch abbilden, da es selbst ein Faktor im Geschehen ist. Ein Kamerateam taucht bei einer Demo auf und die Leute verhalten sich anders als wenn kein Kamerateam da wäre. Allerdings glaube ich, dass der Einfluss des Mediums auf das, worüber das Medium berichtet, beim VJ geringer ist. Und von daher habe ich die Hoffnung, dass VJs die journalistischeren Stücke machen können. Also die Stücke, die weniger auf Inszenierung setzen, also auf eine bewusste oder unbewusste Beeinflussung dessen, was vor der Kamera geschieht“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Der hr weist auch darauf hin, dass die größere Nähe in der Berichterstattung zulasten der journalistischen Distanz geht: „Häufig sind die Themen ein bisschen affirmativ. Aber wenn man das weiß, ist das kein größeres Problem – es gibt genug Themen, die man so umsetzen kann. Und wo ich das auch völlig problemlos finde. Wir hatten als Beispiel vor einiger Zeit eine Diskussion in Weimar, [...]. Es ging um eine Story über Lesben mit Kind. Da hat sich dann Christoph Maria Fröhder sehr aufgeregt, das sei distanzlos und nichts werde hinterfragt und all so was und da könnte man mal sehen, wohin das führt. Ja, das stimmt, das Stück ist distanzlos. Aber mir hat das Hinterfragen in dem Stück nicht gefehlt. Ich fand, das war kein Problem in diesem Stück. Allein die Innensicht eines lesbischen Paares, das ein Kind zeugen lässt und dann großzieht, finde ich schon absolut spannend. Da kann sich jeder dabei denken, was er mag. Also mir hat da nicht der Sexualpsychologe gefehlt, der mir in einem klugen Interview die Welt erklärt. Denn der gute Mann weiß letztlich auch nicht mehr als wir. Aber die Distanzlosigkeit ist im Grundsatz absolut ein Risiko für VJs, natürlich. Der Verlust von kritischer Distanz ist eine Gefahr“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Vor dem Hintergrund der Qualitätsdimension der Objektivität sind solche Innenansichten legitim. Bedingung ist jedoch, dass deutlich wird, dass es sich um affirmative und nicht journalistisch objektive Berichte handelt. Dass die ARD-Anstalten Videojournalisten gezielt für Themen einsetzen, die nah am Akteur erzählt werden sollen, ist nicht überraschend. Schließlich stellen sie ihre EB-Team-Produktion nicht komplett auf Videoreporter und Videojournalisten um, sondern setzen diese selektiv ein. Dabei können sie sich
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gezielt die Stärken des Videojournalismus, wie eben die nähere und authentischere Berichterstattung, zu Eigen machen. Die oftmals größere Nähe zu Akteuren kann allerdings zu ethischen Grenzfällen führen. Bei Videojournalisten entsteht offenbar schneller ein relativ intimes Gesprächsverhältnis zwischen Interviewer und Interviewtem als bei der klassischen EB-Team-Berichterstattung, bei der sich der Interviewte schon alleine aufgrund des enormen technischen und personellen Aufwands latent der Situation bewusst ist. Die kleine Kamera gerät schneller in Vergessenheit: „Damit verbunden ist aber auch eine große Verantwortung. Wir haben mal an so einem Arbeitsbeispiel gesehen, dass natürlich auch so eine gewisse Hemmschwelle damit überschritten werden kann. [...] Wir haben so ein Training gehabt, da ging es, ich sage mal, um Hartz IVEmpfänger. Und da war irgendwo, plötzlich war so ein bisschen die Grenze dann erreicht, wo dann die hohe Verantwortung des Journalisten dann einsetzt, nämlich nicht die Menschen vorführen“ (Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2006).
Videojournalismus erfordert daher eine noch größere ethische Reflexionsfähigkeit und einen verantwortlichen Umgang mit dem gewonnenen Material seitens der Videojournalisten. Die Ausgangshypothesen 7 und 8 lauteten: H7: H8:
Videojournalisten werden nicht für technisch komplexe Drehsituationen eingesetzt. Videojournalisten werden nicht für inhaltlich komplexe Drehsituationen eingesetzt.
Die Auswertung zeigt, dass sich die ARD-Anstalten den technischen wie inhaltlichen Grenzen der videojournalistischen Produktionsweise bewusst sind – und sie auch nicht überschreiten. Zunächst bestätigen verschiedene Rundfunkanstalten, dass sich Videojournalisten in inhaltlich komplexen Drehsituationen, in denen sie gleichzeitig die Kamera bedienen und kritisch nachfragen müssen, oftmals überfordert fühlen: „Beim Drehen also, was einzelne Kollegen geschildert haben, ist, wenn sie ein Interview führen, manchmal die Ebenen wechseln müssen und manchmal gucken, ist der überhaupt noch richtig eingesetzt im Bild und dann manchmal und dafür nicht mehr zuhören können und dann vielleicht eine Frage gleich noch mal stellen. Also da gibt es offensichtlich mit der linken und rechten Gehirnhälfte irgendwelche Probleme in der Zusammenarbeit“ (Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006, S. 140).
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Als Konsequenz werden sie von den meisten Rundfunkanstalten in der Regel auch nicht für solche Themen eingesetzt, bei denen die technisch-inhaltliche Mehrfachbelastung besonders hoch ist: „Es gibt Aufgaben, wo wir VJs mit Sicherheit nicht einsetzen. Also bei aktuellen Pressekonferenzen, wo man schnell reagieren muss oder auch Interviews mit sogenannten VIPs. Aber aktuelle Pressetermine, die gehen gar nicht anders als mit dem klassischen Team. Da muss der Kameramann routiniert sein, muss, wenn die Tür aufgeht, seine Kamera anmachen und ich muss mit, als Reporter mit meinem Mikrofon und gucken dass ich meinen O-Ton bekomme. Da kann man wahrscheinlich auch in Zukunft nicht einen alleine hinschicken“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Genauso wenig werden Videojournalisten – wie erwartet – als prädestiniert für technisch anspruchsvolle Themen angesehen und dafür eingesetzt – wie der NDR stellvertretend erläutert: „Also es gibt Grenzen. Ich habe ja schon Digitalisierung beim Hörfunk mitgemacht. Wir sehen ja auch Ihr kleines Diktiergerät, mit dem man Hörfunksendungen machen kann. Niemand käme auf die Idee, damit ein Sinfonieorchester aufzuzeichnen. Und das ist zum Beispiel die große Grenze. Wir haben auch Generalproben für Kulturtipps gedreht und festgestellt, das wird schwierig. Eine Totale in einem Raum mit wenig Licht, wo man eine gewisse Tiefe braucht und Weite, das wird nicht zu machen sein. Man wird auch ein Problem mit dem Ton haben. Ich nehme mal an, auch das klassische Interview ist relativ schwierig für einen VJ zu machen, weil man die Kamera immer auf sich selbst wenden muss. Das ist relativ schwer. Wenn nicht gar ausgeschlossen. Grenzen hat es auch bei Massenaufläufen, wenn es die einzige Kamera ist. Also wenn man sich vorstellt: Es ist Bundespressekonferenz, die Kanzlerin tritt ans Mikrofon. Alle schubsen und drängeln. Dann hat man es natürlich einfacher mit einer schweren Kamera auf der Schulter, man wird weniger abgedrängt, eher wahrgenommen. Und es ist leichter, die Kamera ruhig zu halten“ (Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006).
Das gilt für den Fall, dass Videojournalisten die Hauptkamera stellen. Als zusätzliche Kamera zu EB-Teams sieht sie der NDR in solchen Situationen allerdings schon: „Ich kann mir auch vorstellen, dass man mehr Bild von einer Veranstaltung generieren kann. Eine große Demo, ein Streik oder ein Popkonzert zum Beispiel disponieren wir mit ein oder zwei Kameras, mehr ist nicht drin, weil das sonst zu teuer wird. Also könnte man beispielsweise einem Reporter eine kleine Kamera in die Hand geben, damit er noch ein paar Close-ups und etwas, was er noch am Rand so einsammelt, drehen kann. Je mehr Kamera, desto mehr Bild. Und gerade in einem Regionalprogramm finde ich das ganz wichtig“ (Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006).
Dieser zusätzliche Einsatz ist vor dem Hintergrund des Qualitätsmanagements positiv zu bewerten. Denn dabei kann sich der Videojournalist Einzelaspekte gezielt vornehmen, die ihn nicht technisch oder inhaltlich überfordern. Denn er hat die Sicherheit, dass sich das EB-Team um die relevanten Aspekte kümmert.
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Sein Einsatz dient somit der Themenerweiterung oder -vertiefung – kurz: der Vielfalt. Für die ARD-Anstalten ist es also von Vorteil, dass sie – anders als einige private Sender – nicht überwiegend oder sogar ausschließlich mit Videojournalisten arbeiten. Sie ergänzen die klassische EB-Team-Produktion und müssen daher nicht in Bereichen eingesetzt werden, in denen sie technisch wie journalistisch hinter den bisherigen Qualitätsstandard zurückzufallen drohen. Sie können aber auch in solchen Situationen die EB-Team-Berichterstattung durch weitere Perspektiven bereichern. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die ARD-Anstalten Videojournalismus gezielt in Bereichen einsetzen, in denen sie seine Stärken vermuten, und nicht in solchen, in denen sie Schwächen sehen. Die konkreten Einsatzfelder und Erfahrungen stimmen dabei mit dem überein, was nach der Literaturlage vermutet wurde. Es muss aber auch betont werden, dass die ARD-Anstalten zum Erhebungszeitpunkt noch in der Phase des Erfahrungssammelns sind. Dabei kann auch einmal eine falsche Entscheidung getroffen werden oder eine, deren Tragweite vorher nicht ganz absehbar ist, wie das Beispiel der DW im TsunamiGebiet zeigt. Relevant im Sinne eines prozessorientierten Qualitätsmanagements ist es dann jedoch, die neu generierten Informationen auszuwerten und in die weitere Projektkonzeption einfließen zu lassen. Vermittlung Ausgangshypothese 9 lautete: H9:
Videojournalisten werden für längere Genres eingesetzt.
Die Auswertung zeigt: Alle ARD-Anstalten124 setzen Videojournalisten für Reportagen ein. Auch Porträts werden oft als Einsatzbereich genannt. Langzeitbeobachtungen wurden dagegen noch nicht in Angriff genommen. Insgesamt war die Hypothese also zu Recht positiv formuliert.
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Ausnahme ist der WDR, da dieser es bislang gänzlich ablehnt, mit Videojournalisten zu arbeiten (vgl. Abschnitt 3.2).
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Besonders hervorzuheben sind die Planungen des SR zum Erhebungszeitpunkt, eine eigene VJ-Sendung einzuführen. Sie soll gezielt die Stärken der Videojournalisten 125 im Reportage- und Porträt-Bereich herausstellen.126 Gleichzeitig soll die Sendung der Qualifizierung der Videojournalisten dienen. Denn der SR sieht einen besonders intensiven Support dafür vor (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Auch beim hr und BR ist die Idee, eine eigene VJSendung zu entwickeln, vorhanden, jedoch zum Erhebungszeitpunkt noch nicht so weit vorangeschritten (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005; mit Keller-May/BR 2005).127 128 Für die Einrichtung einer solchen Sendung spricht, dass Videojournalisten gemäß ihren Stärken eingesetzt werden können. Zudem gibt ihnen eine solche Sendung auch die Möglichkeit, zu experimentieren. Dies ist in festgelegten Formaten dagegen oftmals nicht möglich, wie auch der hr festgestellt hat: „Zum einen: Die VJs haben in den Redaktionen nach wie vor ein Akzeptanzproblem. Und versuchen deshalb möglichst unauffällig zu produzieren. Die VJs werden von der Redaktion in eine Ecke gedrängt, dass sie genauso produzieren, als hätte es ein Team gedreht. Das Zweite: Jeder hält das für Qualität, was er selbst am besten kann und immer schon gemacht hat. Die Redaktion hat seit Jahrzehnten einen bestimmten Qualitätsbegriff und den wollen sie erst mal von den VJs bestätigt haben. Und Punkt drei ist sicher die Formatierung, die sich inzwischen durch alle Sendungen hindurchzieht. Und die dabei definierten Kästchen im Sendeschema sind 125
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Der SR selbst bezeichnet sie als Videoreporter, da sie nicht selbst schneiden. Tatsächlich stehen sie damit zwischen den dieser Arbeit zu Grund liegenden Definitionen eines Videoreporters und eines Videojournalisten. Da ihre Diskrepanz zu einem Videoreporter, der lediglich kurze Nachrichtenfilme selbst dreht und anschießend an einen Bearbeiter übergibt, größer ist als zu einem Videojournalisten, der Beiträge dreht und schneidet, wird hier außerhalb der Zitate der Begriff Videojournalist verwendet. Inzwischen, Anfang 2008, läuft die Videoreporter-Sendung Direkt dabei bereits seit etwas über einem Jahr. Sie besteht in der Regel aus einer dreiteiligen Reportage, einer Langzeitbeobachtung und einer Rubrik Saarländer in aller Welt, in der Saarländer der Redaktion selbst gedrehte Videos aus ihrer neuen Heimat schicken (vgl. E-Mail von Ney vom 24.10.2007). Der hr hat mittlerweile ebenfalls ein eigenes VJ-Format: Die Redaktion Kochen & Genießen zeichnet mit VJs regelmäßig Kochkurse von Spitzenköchen auf. Außerdem wurde im Sommer 2007 die Doku-Soap Sommer am Edersee von sechs VJs gedreht. (vgl. E-Mail von Kliebhan vom 14.06.2007) Der BR hat 2007 acht Mal das VJ-Format Unterwegs in... ausgestrahlt. Fünf bis sieben VJs suchten sich dabei einen kleinen Ort, der selten im Fernsehprogramm vertreten ist. Ohne vorher zu recherchieren, fuhren sie einen Tag in diesen Ort und sammelten dort Geschichten. Das Format wird derzeit überarbeitet. Außerdem plant der BR das Jugendmagazin Südwind, ein trimediales Produkt aus Hörfunk, TV und Online, stärker mit VJ-Beiträgen zu bestücken. Ein Doppeldeckerbus ist dabei eine Woche lang in einem Ort in Bayern. VJs schulen und unterstützen dort Jugendliche, die selbst die Filme für die Sendung erstellen (vgl. KellerMay/Jordan 2007).
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Ergebnisse formatiert für die typische Beta-Produktionsweise. Es gibt keine ausgesprochenen VJ-Kästchen oder experimentelle Kästchen oder überhaupt kreativ offene Kästchen. Wir hätten ausgesprochen gern eine VJ-Sendung, in der wir einfach mal demonstrieren können, was alles machbar ist. Ich hoffe, dass wir so was irgendwann mal machen können“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Gegen eine solche VJ-Sendung lässt sich allerdings argumentieren, dass videojournalistische Beiträge nicht gettoisiert werden, sondern das gesamte Programm bereichern sollten.
6.2 Qualität als Leitmaxime der Redaktion Ausgangshypothese 10 lautete: H10: Qualität ist oberste Leitmaxime bei der Einführung von Videojournalismus. Die Auswertung zeigt, dass die journalistische Qualität und nicht Kosteneinsparungen die Leitmaxime bei der Einführung des Videojournalismus in den ARDAnstalten ist unter dem Motto „tolleres Programm für weniger Geld“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). Was sich im ersten Moment paradox anhört, erklärt sich im Detail. Insgesamt lassen sich drei Tendenzen erkennen: Erstens, die Ausbildung von Hörfunkredakteuren zu Videoreportern kostet die Rundfunkanstalten zusätzliches Geld, liefert dafür aber auch Bilder aus der Region, über die sie sonst nicht verfügten (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005; mit Lüdecke/mdr 2006). Zweitens, Videojournalisten ermöglichen kostenbewusste Drehs im Ausland, die zuvor oft mit dem Kostenargument abgelehnt werden mussten: „Die VJs produzieren in der großen weiten Welt Storys zur Preisen, als würden sie mit einem Team zur Hauptwache fahren. Also nutzen die Redaktionen das Produktions-Instrument VJ, dieses flexible, preisgünstige Instrument, um Sachen zu machen, die sie sonst nicht machen könnten. Und unterm Strich kostet es dann irgendwie dasselbe. Das ist ja auch sehr vernünftig. Es ist ja auch sehr vernünftig, jetzt nicht zu sparen auf Teufel komm raus und das Programm dadurch schlechter zu machen, sondern das Geld, das wir haben, möglichst sinnvoll auszugeben und damit möglichst tolle Sachen zu machen. Ich würde es für nicht sinnvoll halten, wenn wir ein kleines, regionales Programm mit noch minimaleren Ressourcen machen müssten“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Vor allem für die DW ist das ein wesentlicher Vorteil:
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„[...] Bei uns ist es wirklich so, dass wir uns mit den VJs leisten können, mehr Beiträge selber zu erstellen, auch im Ausland. Diese verstärkt die eigene Handschrift, weil wir mehr Reporter in Gebiete schicken können, aus denen wir vorher nicht mit eigenem sondern mit Fremdmaterial berichtet haben. Bei der Tsunami-Katastrophe zum Beispiel, haben wir an fünf Orte VJs hinschicken können und die haben dann herkömmlich im ON als Reporter ihre Statements, Aufsager usw. gemacht, Einschätzungen gegeben, aber sie haben auch eigene VJ-Beiträge erstellt. So konnten wir besser auf unser Zielpublikum hin wirken. Ansonsten hätten wir Material einkaufen müssen und daraus unsere Stücke zusammenbasteln können“ (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Drittens, beim Einsatz von Videojournalisten für die reguläre Berichterstattung nennen die Rundfunkanstalten zwar auch journalistische Aspekte wie größere Authentizität als Zielsetzung, verhehlen jedoch auch nicht den Ansatz, nach einer gewissen Anschubfinanzierung direkt Kosten einzusparen (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b; mit Donker/rbb 2006; mit Rowohlt/RB 2005b; mit Kliebhan/hr 2005). Denn in der regulären Berichterstattung verdrängen Videojournalisten ein klassisches Team. Alle ARD-Anstalten betonen jedoch, dass keine hauseigenen EB-Teams wegrationalisiert, sondern angemietete Teams von Produktionsfirmen eingespart werden sollen (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005; mit Rowohlt/RB 2005b; mit Kaempf/DW 2005b; mit Kliebhan/hr 2005). In keiner ARD-Anstalt ist – im Gegensatz zu manchem privaten Sender – geplant, die Produktion ganz auf Videojournalisten umzustellen. Vielmehr geht man von einem sinnvollen Nebeneinander aus (vgl. Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b; mit Lüdecke/mdr 2006; mit Rowohlt/ RB 2005b; mit Ney/SR 2005; mit Wermann/SWR 2006). Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die ARD-Anstalten Videojournalismus als kostengünstige Produktionsweise sehen, die journalistische Freiheiten sowie eine erweiterte Regional- oder Auslandsberichterstattung ermöglicht. Direkte Einsparungen ergeben sich nur, wenn Videojournalisten EB-Teams ersetzen, was darüber hinaus von einem überwiegenden Teil der ARD-Anstalten angestrebt wird. Jedoch geht man nicht von großen Einsparungen aus und plant auch nicht, den Videojournalismus auf alle Bereiche der Berichterstattung auszudehnen, um die Kosten weiter zu drücken. Es spricht daher vieles dafür, dass die ARD-Anstalten die Kostenstrategie in eine umfassende Qualitätsstrategie eingebettet haben.129 Hypothese 10 war daher zu Recht positiv formuliert. 129
Inzwischen, Anfang 2008, hat der BR seit einigen Monaten eine Qualitätsrunde eingerichtet. Sie besteht aus dem Produktionschef, dem VJ-Beauftragten, dem Programmgeschäftsführer, dem Chefkameramann, einem Vertreter aus dem Bereich Editing und einem Vertreter der VJs. Dieses Gremium legt die Rahmenbedingungen für den Einsatz von VJs beim BR fest. Dazu gehört, die technischen Standards festzusetzen sowie die Einsatzmöglichkeiten in unterschiedli-
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Redaktionelle Leitbilder Ausgangshypothese 11 lautete: H11: Es existieren keine gesonderten redaktionellen Leitbilder für die videojournalistische Produktionsweise. Die Auswertung zeigt, dass tatsächlich (noch) keine ARD-Anstalt ein redaktionelles Leitbild speziell für Videoreporter und Videojournalisten eingeführt hat. Auch hält nur der hr ein solches für notwendig (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). Andere ARD-Anstalten argumentieren, dass die allgemeinen Regelungen auch für die videojournalistische Produktionsweise gelten (vgl. Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b). Pragmatisch orientiert ist der Ansatz des BR. Statt Leitlinien für den Videojournalismus zu verschriftlichen, diskutiert er Chancen und Grenzen des Videojournalismus in Werkschauen: „Also wir entwickeln eigentlich so eine VJ-Kultur daraus, und dafür ist diese Werkschau da, dass die Planungskollegen eben mitbekommen, was kann ein VJ und wo steht der, worin steckt der besondere Reiz eines VJ-Stückes, und da merkt man schon sehr schnell, dass sie auch ein Gespür dafür bekommen, wo sie sagen, das wäre doch was für einen VJ oder nein, das kann er noch nicht machen, und deswegen ist das jetzt nicht so als Leitlinie festgelegt. Ich denke, da muss, es kann auch, und ich denke, es ist auch irgendwo ein Learning by Doing, es kann auch mal sein, dass man eben als VJ rausschickt und dann im Nachhinein feststellt, na das war jetzt doch nicht so das Richtige. Oder er war überfordert und sagt von sich aus, nein, also das nächste Mal nicht mehr, das ist sicherlich auch so eine Grenzerfahrung, die man machen muss. Da bin ich auf die falsche Seite gekommen und das war nix. Oder im Nachhinein, wo man sagt, das habe ich jetzt mit Team gedreht, hätte ich es doch nur allein gemacht“ (Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b).
Damit haben sich auch die im Hypothesenteil angestellten Vermutungen bestätigt. Die Rundfunkanstalten befinden sich zum Erhebungszeitpunkt noch in der Erprobungsphase und loten Chancen und Grenzen des Videojournalismus aus, aus denen später eine Strategie entwickelt werden kann. Mehrere Rundfunkanstalten erachten ein gesondertes oder erweitertes Leitbild jedoch auch gar nicht für notwendig. Möglicherweise liegt das u. a. daran, dass die Anzahl an Video-
chen Sendungen und die Honorierung der VJs. Ziel des BR ist es auch, eine Zertifizierung der VJs zu erreichen, um so die Qualität zu sichern. Dazu legen die VJs der Qualitätsrunde mehrere Arbeiten vor und bekommen dann die Entscheidung mitgeteilt, ob sie im BR als VJ arbeiten dürfen (vgl. Keller-May/Jordan 2007).
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journalisten in den einzelnen Rundfunkanstalten – abgesehen vom hr – auch noch keine kritische Masse erreicht hat. Lohnleistungssysteme Ausgangshypothesen 12 und 13 lauteten: H12: Videojournalisten werden nicht leistungsbezogen bezahlt. H13: Freie Videojournalisten erhalten Zulagen für das Drehen und Schneiden. Die Auswertung zeigt, dass Videojournalisten tatsächlich überwiegend nicht leistungsbezogen bezahlt werden. Die fest angestellten Videojournalisten erhalten von allen ARD-Anstalten nach wie vor ihr Gehalt nach festen Sätzen. Der mdr begründet diese Praxis wie folgt: „In dem Zusammenhang habe ich dann mal vor längerer Zeit daran erinnert, als die Digitalisierung des Hörfunks begonnen hatte, als dann Hörfunk-Redakteure dann ihre Sendungen plötzlich selber gefahren haben oder selber ihre Beiträge geschnitten haben oder wie auch immer, da hat auch kein Mensch darüber debattiert und hat gesagt, muss da jetzt irgendwo eine Gehaltserhöhung kommen. Das sind die technischen Prozesse, die sich in unserer Umgebung abspielen und auf die man sich einstellen muss“ (Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2006).
Freie Mitarbeiter, die als Videojournalisten arbeiten, werden ebenfalls nach dem allgemeinen Abrechnungssystem – nach Arbeitstagen oder Beiträgen – bezahlt. Eine leistungsorientierte Komponente fließt nicht ein. Einzige Ausnahme bildet der hr. Er stellt im Januar 2006 seine Abrechnung von Tagessätzen auf eine nach Beiträgen und Aufwand um. Hintergrund der Entscheidung war, dass der hr festgestellt hatte, dass Tagessätze die langsamer arbeitenden Videojournalisten bevorteilen und die schnelleren bestrafen: „Eine Bezahlung nach Tagen subventioniert Langsamkeit. Wenn Sie einen Marathonlauf nach Zeit bezahlen, dann kriegt der die höchste Gage, der erst nach vier Stunden ankommt. Die Bezahlung nach Tagen birgt keinerlei Incentive in sich, sich flottere Arbeitsweisen anzueignen. Besonders beim Schnitt können sie sich ja ewig vertrödeln. Und wir haben auch gemerkt, dass unsere Trainingsangebote, wie man den Schnitt so organisiert könnte, dass die Sache schneller geht, bei etlichen völlig ins Leere verpufft. Und zwar genau bei denen, die am langsamsten waren. Gut Ding will Weile haben, das ist gar keine Frage. Natürlich können wir beim Schnitt nicht nur auf die Stoppuhr schauen. Das Produkt wird schlechter, wenn sie zu wenig Zeit haben. Allerdings können sie sich ewig verfummeln und mit irgendwelchen kleinen, winzigen Tonbearbeitungen, die kein Mensch mehr hört, noch mal zwei Tage zubringen. Und das muss ja vielleicht nicht sein. Wir haben jetzt bei der Honorierung das Hörfunkkonzept übernommen:
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Ergebnisse Es wird bezahlt nach Beiträgen und es gibt ein abgestuftes System, einfach – kompliziert, sehr aufwendig – weniger aufwendig“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Zudem erhalten Videojournalisten aller ARD-Anstalten einen Zuschlag für ihre technischen Tätigkeiten, also das Drehen und Schneiden. Beim hr ist dieser Zuschlag schon in die neuen Beitragssätze integriert.130 Die Zuschläge liegen bei 20 Prozent (DW, rbb) (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005; mit Donker/rbb 2006) auf den Tagessatz oder 50 Euro für den eigenständigen Dreh (WDR) (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006) sowie 80 Euro (NDR) oder 100 Euro (RB) auf den Beitragssatz (vgl. Leitfadeninterview mit RossbachHesse/NDR 2006; mit Rowohlt/RB 2005). DW und SWR, die nach Tagessätzen abrechnen, betonen, ihren Videojournalisten anfangs mehr Zeit für die Fertigstellung eines Beitrages zu lassen – und ihnen somit einen Tagessatz mehr zu zahlen: „Es ist so, dass der VJ natürlich als Anfänger für die Arbeitsprozesse länger braucht als die Profis in den Bereichen. Darum räumen wir dem VJ am Anfang mehr Zeit für die Erstellung seines Beitrags ein. Ein VJ braucht mehr Zeit als ein Autor, der mit einem Kamerateam und einem Cutter sein Stück fertig macht“ (Leitfadeninterview mir Kaempf/DW 2005b).
Zudem zahlen einige ARD-Anstalten eine weitere Pauschale, wenn eigenes Equipment im Einsatz ist. Im Fall des WDR beträgt sie beispielsweise weitere 50 Euro (vgl. Leitfadeninterview mit Brand/WDR 2006). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die ARD-Anstalten das grundlegende Abrechnungssystem ihrer Anstalt auch auf den Videojournalismus anwenden, jedoch Zuschläge für die technischen Tätigkeiten zahlen.
6.3 Publikumsorientierung Ausgangshypothese 14 lautete: H14: Es wurden keine gesonderten Zuschauerbefragungen zur videojournalistischen Produktionsweise durchgeführt. Die Auswertung zeigt, dass – wie erwartet – zum Erhebungszeitpunkt tatsächlich nur der hr eine speziell auf den Videojournalismus zugeschnittene Zuschauerbe130
Nach dem alten Abrechnungsmodell zahlte der hr einen Zuschlag von 107 Euro pro Tag.
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fragung durchgeführt hat (für die Ergebnisse vgl. Abschnitt 3.2). Dafür lassen sich drei Gründe ausmachen: Erstens, die Projekte stehen teilweise noch ganz am Anfang (vgl. Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). Zweitens, die Stichprobe an videojournalistisch produzierten Beiträgen ist bei vielen noch zu klein, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Drittens, die videojournalistisch produzierten NiFs und Beiträge werden im Rahmen der allgemeinen Programmbeobachtung evaluiert (vgl. Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b, S. 89; mit Lüdecke/mdr 2006, S. 69; mit Brand/WDR 2006). Teilweise wird es sogar prinzipiell abgelehnt, die videojournalistische Produktionsform im Speziellen durch Zuschauer beurteilen zu lassen: „Ich wage zu bezweifeln, dass man dem Zuschauer wirklich die Frage stellen kann, schaue dir folgenden Beitrag an, siehst du einen Unterschied, ob das ein Videoreporter oder ein professionelles Kamerateam gedreht hat. Mit der Frage wird der Zuschauer wahrscheinlich gar nichts anfangen können, weil er sich ja nicht um den Produktionsprozess, wie ein Beitrag entsteht, den Kopf macht, sondern, der guckt sich das an und sagt, interessiert mich das Thema und ist das auch ordentliche Qualität, die die liefern“ (vgl. Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2006).
Die Argumentation erscheint allerdings etwas unausgereift. Denn eine entsprechende Untersuchung müsste und sollte sogar nicht derart angelegt sein, dass ein Zuschauer beurteilt, wie ein Beitrag produziert wurde. Dafür interessiert er sich vermutlich wirklich nicht. Es erscheint aber durchaus legitim, Themenpärchen aus Beiträgen, die mit EB-Team, und solchen, die von einem Videojournalisten produziert wurden, zu bilden und jeweils eine Produktionsart einem Zuschauer zur Bewertung vorzulegen. Ohne zu wissen, was die eigentliche Forschungsfrage ist, kann er Stärken und Schwächen der Beiträge beurteilen. Die Rundfunkanstalt erhielte damit Vergleichswerte, die möglicherweise helfen könnten, den Einsatz von Videoreportern und Videojournalisten zu optimieren.
6.4 Mitarbeiterorientierung Personalrekrutierung Ausgangshypothese 15 lautete: H15: Die ARD-Anstalten bilden überwiegend freie Mitarbeiter zu Videojournalisten aus.
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Die Auswertung zeigt erstens, dass tatsächlich überwiegend klassische Fernsehjournalisten zu Videojournalisten ausgebildet werden (vgl. u. a. Leitfadeninterview mit Keller-May/BR 2005b; mit Kaempf/DW 2005b; mit Kliebhan/hr 2005; mit Lüdecke/mdr 2006). Wie vermutet, handelt es sich dabei zweitens fast ausschließlich um freie Mitarbeiter (vgl. Leitfadeninterview mit KellerMay/BR 2005b; mit Kliebhan 2005/hr; mit Lüdecke/mdr 2006; mit RossbachHesse/NDR 2006; mit Rowohlt/RB 2005b; mit Ney/SR 2005; mit Wermann/SWR 2006). Die Auswahl der freien Mitarbeiter erfolgte je nach ARD-Anstalt unterschiedlich. Zu unterscheiden sind Rundfunkanstalten, die Pilotprojekte ausgeschrieben haben (z. B. mdr, RB) (vgl. Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2006; mit Rowohlt/RB 2005), und solche, bei denen die Redaktionen Projektteilnehmer entsenden konnten (z. B. hr, BR) (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005; mit Keller-May/BR 2005). In letzterem Fall sollte sichergestellt werden, dass die Videojournalisten eine Anbindung an eine Redaktion haben und dort auch tatsächlich die Möglichkeit und der Wille bestehen, sie videojournalistisch einzusetzen. Der hr schließt mit seinen Videojournalisten Verträge ab, die sie verpflichten, zwei Jahre nach der Ausbildung mindestens 50 Prozent ihrer Arbeitszeit als Videojournalist für das eigene Haus zu arbeiten. Suchen sie sich einen anderen Hauptarbeitgeber, müssen sie die Kosten der Ausbildung anteilig zurückzahlen (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). So versucht der hr das Risiko, das er durch die Ausbildung freier Mitarbeiter eingeht, zu begrenzen. Auch der rbb plant zum Erhebungszeitpunkt, eine entsprechende Klausel in den Ausschreibungstext aufzunehmen (vgl. Leitfadeninterview mit Donker/rbb 2006). Zudem zeigte sich, dass alle ARD-Anstalten – wenn auch in geringer Anzahl – Mitarbeiter der Produktionsseite in die Ausbildung einbezogen haben. Dabei ließen sich drei Zielsetzungen ausmachen: Erstens, Produktionsmitarbeiter sollen ebenfalls als Videojournalisten arbeiten können (z. B. hr) (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). Zweitens, Produktionsmitarbeiter sollen den Projektteilnehmern anschließend als Mentoren zur Verfügung stehen (z. B. mdr) (vgl. Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2006). Drittens, Produktionschefs, wie der Chefkameramann, sollen einen Einblick in die Projekte erhalten „um zu wissen, auf welcher Grundlage das Projekt passiert“ (Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die ARD-Anstalten überwiegend freie Mitarbeiter mit journalistischem Hintergrund zu Videojournalisten ausgebildet haben. In geringerer Anzahl schulen sie jedoch auch Produktionsmitarbeiter, teils um auch ihnen die videojournalistische Arbeit zu ermöglichen, teils um so Mentoren für die Videojournalisten zu gewinnen. Darüber
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hinaus kann die Öffnung der Projekte für die Produktionsmitarbeiter als geschickter Schachzug gesehen werden, die Angst und Skepsis dieser Mitarbeiter, die vielfach vorhanden ist, abzubauen. Aus- und Weiterbildung Ausgangshypothese 16 lautete: H16: Die Videojournalisten erhalten eine hinreichende Ausbildung. Die Auswertung zeigt, dass die ARD-Anstalten die gesamte Laufzeit ihrer Pilotprojekte, die zwischen einem halben und einem Jahr beträgt, als Qualifizierungsmaßnahme verstehen. Alle führten eine Grundschulung zu Beginn durch, der Aufbau- und Vertiefungsseminare sowie teilweise auch Jour fixe folgen. Die Länge der Grundschulung unterscheidet sich jedoch bei den ARD-Anstalten deutlich. Die längste Grundschulung führt der hr mit seinem dreiwöchigen sogenannten Boot-Camp durch. Die erste Generation hr-Videojournalisten wurde von Michael Rosenblum geschult. Mittlerweile setzt der hr seine eigenen Trainer ein (vgl. Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005). BR, DW und rbb schulen ihre Videojournalisten jeweils in einer 12-tägigen Grundschulung (vgl. Leitfadeninterview mir Keller-May/BR 2005b; mit Kaempf/DW 2005b; mit Donker/rbb 2006). In nur fünf Tagen bekommen dagegen die Videojournalisten beim NDR, mdr, RB, SR und SWR die Grundlagen beigebracht (vgl. Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006; mit Lüdecke/mdr 2006; mit Rowohlt/RB 2005; mit Ney/SR 2005; mit Wermann/SWR 2006). SR und NDR schulen allerdings auch nur die Handhabung der Kamera, da die Videojournalisten beider Sender aus grundsätzlichen Überlegungen heraus nicht selbst schneiden (vgl. Hypothese 3). Ein Großteil der ARD-Anstalten lässt seine Videojournalisten von der ZFP schulen (NDR, mdr, RB, SR) (vgl. Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006; mit Lüdecke/mdr 2006; mit Rowohlt/RB 2005; mit Ney/SR 2005) oder arbeitet zumindest eng mit ihr zusammen (SWR) (vgl. Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006). Neben den Grundlagenschulungen bieten fast alle ARD-Anstalten für ihre Videojournalisten Aufbau- und Vertiefungskurse an. Der SR sieht dabei mit 12 Tagen besonders viel Zeit für die Weiterbildung vor. Außerdem veranstaltet er einen wöchentlichen Jour fixe, bei dem die Videojournalisten sich untereinander austauschen können und Beiträge intensiv besprochen werden (vgl. Leitfadeninterview mit Ney/SR 2005). Andere Anstalten wie beispielsweise der mdr oder SWR planen mit drei bis vier Tagen deutlich weniger Zeit für die Weiterbildung
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ein (vgl. Leitfadeninterview mit Lüdecke/mdr 2006; mit Wermann/SWR 2006). Bei den Weiterbildungsangeboten verfolgen die Sender oft keinen starren Plan, sondern fordern ihre Videojournalisten auf zu äußern, in welchen Bereichen noch Bedarf besteht (vgl. Leitfadeninterview mit Lüdecke/MDR 2006). Der NDR hat gar keine Weiterbildungsangebote für die Videojournalisten. Dies liegt jedoch daran, dass der Pilot abgeschlossen ist und die Gremien zum Erhebungszeitpunkt über den Regelbetrieb verhandeln (vgl. Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006). Unter dem Strich erfüllt etwas mehr als die Hälfte der ARD-Anstalten das Kriterium der dreiwöchigen Ausbildung für Videojournalisten. Unterhalb liegen NDR (fünf Tage), mdr (neun Tage), RB (neun Tage) und SWR (acht Tage). Es muss jedoch auch bedacht werden, dass die einzelnen Pilotprojekte zum Erhebungszeitpunkt in vielen Fällen noch laufen oder gerade erst angefangen haben. Möglicherweise werden bei Bedarf weitere Seminare angeboten. Grundsätzlich scheint der Konsens zu bestehen, dass Videojournalisten ohne gründliche Ausbildung und permanente Fortbildung nicht professionell arbeiten können. Darüber hinaus wurde bei der Erhebung festgestellt, dass Videojournalisten verstärkt über Volontariate in die Funkhäuser kommen. Momentan haben bereits DW, hr, NDR, mdr, RB, rbb und SR ein Modul Videojournalismus in die Ausbildung des Nachwuchses integriert (vgl. Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005; mit Kliebhan/hr 2005; mit Lüdecke/mdr 2006; mit Rowohlt/RB 2005; mit Donker/rbb 2006; mit Ney/SR 2005, Tschierse 2005, S. 42 f.). Zielvereinbarungsgespräche Ausgangshypothese 17 lautete: H17: Es finden keine individuellen Zielvereinbarungsgespräche mit Videojournalisten statt. Die Auswertung zeigt, dass auf Projektebene tatsächlich keine ARD-Anstalt ein individuelles Zielvereinbarungsgespräch geführt hat. Erwartungen an die Projektteilnehmer wurden in der Regel durch Veranstaltungen im Vorfeld der Bewerbung, durch den Ausschreibungstext oder noch während der Ausbildung allgemein kommuniziert. Dabei sind die Erwartungen mehr oder weniger konkret gefasst, wie zwei Beispiele zeigen:
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„Nein, so Ziele haben wir nicht aufgebaut. Das haben auch die Kollegen vom hr, die das Seminar hier veranstaltet haben, die haben das sehr schön auch gemacht, dass die den entsprechenden Druck da aufgebaut haben, nach dem Motto, jetzt müsst ihr ran. Bloß jetzt nicht einschlafen lassen, sondern jetzt ran. Aber wir haben nicht gesagt, wenn du im ersten Quartal 15 Beiträge oder so was, das funktioniert ja in der Regel sowieso nicht, wenn man solche Dinge da formuliert. Aber ja nun Learning by Doing, das haben wir versucht, zu setzen sozusagen, dass bei dem einen hat es verfangen, bei dem anderen weniger“ (Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b). „Es wird im Ausschreibungstext drin stehen, dass die Leute bereit sein müssen, wenigstens die Hälfte ihrer normalen Arbeitszeit als Videojournalisten zu verbringen. Dass sie dafür eben etwas mehr Geld bekommen, dass sie, wenn sie aus dem Projekt vorzeitig aussteigen, Teile der Schulungskosten erstatten müssen. Und dass sie eben verpflichtet sind, an diesem einen Jour fixe dran teilzunehmen“ (Leitfadengespräch mit Donker/rbb 2006).
Unvorhergesehenerweise wurden individuelle Zielvereinbarungsgespräche jedoch teilweise in den entsendenden Redaktionen geführt: „Wir VJ-Koordinatoren sind nicht die Chefs der VJs. Die gehören zu ihren Redaktionen. Und in jeder Redaktion hat man sich hoffentlich mal sehr intensiv mit den Kollegen unterhalten. Von einigen weiß ich definitiv, dass mit ihnen sehr klare Gespräche geführt wurden, wo genau gesagt wurde, was Ziel der Sache ist“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Denn letztendlich bestimmen die Redaktionen, wo und wie Videojournalisten eingesetzt werden: „Die Auswahl der VJs geht in erster Linie von den Redaktionen aus und dabei weniger über Zielvereinbarungsgespräche oder ähnliches, sondern eher pragmatisch motiviert. Beispielsweise ein Kollege, der arabisch spricht, der sich auch mit der politischen Situation im Nahen Osten gut auskennt, und ein VJ-Training macht, kann in absehbarer Zeit auch als VJ vor Ort arbeiten. Der kann vielleicht einen ganz anderen Zugang finden, und das ist dann das Ziel der Redaktion, als es mit bearbeitetem Fremdmaterial möglich ist“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Eine umfassende Analyse, welche Redaktionen in welchen Rundfunkanstalten Zielvereinbarungsgespräche mit ihren Videojournalisten geführt haben, kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Da die Interviews nicht auf Redaktions-, sondern auf Projektebene stattfanden, konnten diese Daten nicht erhoben werden. Insgesamt kann man daher feststellen, dass es keine individuellen Zielvereinbarungsgespräche auf Projektebene gab. Für die Redaktionsebene gibt es Hinweise, dass dort Gespräche stattfanden. Um zu umfassenden und reliablen Aussagen darüber zu gelangen, wäre jedoch eine weitere Untersuchung nötig, die Redaktionsleiter und/oder Videojournalisten befragt.
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Redaktionsstatute Ausgangshypothese 18 lautete: H18: Videojournalismus hat keinen Einfluss auf die Redaktionsstatuten. Die Auswertung zeigt, dass sich die Einführung von Videojournalisten, wie erwartet, nicht auf die Redaktionsstatuten auswirkt. Sie werden weder geändert noch ergänzt, sondern gelten in ihrer allgemeinen Formulierung auch für Videojournalisten. Als Grund führen die ARD-Anstalten genau die Erklärung an, die auch vermutet wurde: Videojournalismus ändert zwar die technische Arbeitsweise, jedoch nicht die publizistische Grundhaltung einer Medienorganisation: „Das Redaktionsstatut befasst sich mit den ethischen Regeln des Journalismus. Ich kann jetzt da keinen Unterschied sehen zwischen einem ‚herkömmlichen’ Fernsehjournalisten und einem Videojournalisten. Es gelten dieselben Regeln, keine Schleichwerbung, keine Ehrabschneidungen, immer nur schön bei der Wahrheit bleiben und die Rundfunkfreiheit sichern. Also es gibt da keinen Unterschied“ (Leitfadeninterview mir Rossbach-Hesse/NDR 2006).
Dem Redaktionsstatut kommt folglich für das redaktionelle Qualitätsmanagement im Videojournalismus die allgemeine Rolle zu, jedoch keine besondere.
6.5 Prozessorientierung Recherche Zwei wesentliche Hypothesen zu diesem Aspekt des redaktionellen Qualitätsmanagements wurden bereits gebildet (vgl. Hypothese 2, Hypothese 8). Da keine weiteren Vermutungen bestanden, wurde darüber hinaus explorativ vorgegangen. Dabei ergab sich ein weiterer interessanter Hinweis. So haben mehrere ARD-Anstalten die Erfahrung gemacht, dass Videojournalisten schneller rausfahren und vor Ort recherchieren: „Also ich habe so ein bisschen das Gefühl, man fährt gelegentlich eher los, nach dem Motto, mal sehen, ich habe ja Zeit und ich belaste ja kein Team damit. Mal gucken, was passiert. Während man bei einem Team ja schon sieht, dass man möglichst strukturiert arbeitet und weiß, die und die Sachen haben wir heute auf dem Zettel und das und das wird passieren. Und insofern ist es da ein bisschen anders“ (Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b).
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Der Grund wurde auch schon identifiziert: Videojournalisten kosten weniger. Das lässt Experimente zu, die sonst oftmals von vornherein mit dem Kostenargument abgelehnt werden. „Diese Kamera gibt natürlich auch die Gelegenheit, mal eine ganz lustige Recherche beim Dreh zu machen. [...] oder ich laufe heute durch die Stadt und suche mir ein Thema und versuch mal was“ (Leitfadeninterview mir Rossbach-Hesse/NDR 2006).
In einer weiteren Untersuchung könnte also untersucht werden, ob das spontanere Drehen zu authentischeren oder eher konzeptloseren Beiträgen führt. Außerdem könnte überprüft werden, ob die Rundfunkanstalten Videoreportern tatsächlich diese Möglichkeit des Experimentierens geben. Kontrollen im redaktionellen Produktionsablauf Ausgangshypothese 19 lautete: H19: Videojournalismus verändert die reguläre Beitragsabnahme nicht. Die Auswertung zeigt, dass Videojournalismus die reguläre Beitragsabnahme der ARD-Anstalten tatsächlich nicht beeinflusst. Die Kriterien werden in der Regel weder nennenswert verschärft, noch aufgeweicht: „F: Hat sich Videojournalismus auf Ihre Beitragsabnahmen ausgewirkt? A: Nein, das ist sowieso recht streng. Also die Abnahmen sind eigentlich ziemlich tough hier, sozusagen, da wird schon inhaltlich gnadenlos geguckt und bei den Abnahmen gab es keine nennenswerten, keine Verschärfung sozusagen“ (Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005).
Bei der Auswertung ergaben sich darüber hinaus zwei weitere interessante Aspekte zu Kontrollen im redaktionellen Produktionsablauf. So erwähnte der hr, dass er plant, spezielle Kurse für CvDs anzubieten: „Auf die kommt jetzt plötzlich eine Aufgabe zu, auf die sie gar nicht vorbereitet sind. [...] Die CvDs tun sich bislang zum Teil wirklich schwer damit, beurteilen zu können, was jetzt gestalterisch okay ist. [...] Die müssten einfach viel mehr wissen von Kamera und Schnitt. An vielen Punkten kann man handwerkliche Schwächen ja entweder beim Schnitt noch korrigieren oder zumindest dem VJ mit auf den Weg geben, dass er es beim nächsten Mal besser macht. Und das können die CvDs nur zum Teil“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Auch der SWR weist auf die Bedeutung hin, CvDs mit der videojournalistischen Produktionsweise vertraut zu machen, um „dafür ein Gespür zu entwickeln, dass es, ja schon andere Macharten sind, aber natürlich die journalistischen Kriterien natürlich die gleichen sind“ (Leitfadeninterview mit Wermann/SWR 2006).
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Ein weiterer Aspekt, der von der DW und dem hr genannt wurde, ist eine vorgeschaltete technische Abnahme. Beide Rundfunkanstalten haben SupportCutter abgestellt, die Videojournalisten beim Schnitt mit Rat zur Verfügung stehen, aber auch eine erste technische Überprüfung vornehmen: „Wir haben einen doppelten Qualitätsfilter. Wir haben eine Support-Cutterin, bei der eigentlich jeder VJ mit seinem Stück vorbeikommen sollte, damit es unter handwerklichen Gesichtspunkten abgenommen wird. Sind die Bilder okay? Ist das intelligent geschnitten? Der kritische Blick der Cutterin ist da eigentlich institutionalisiert. Im aktuellen Stress, geht das leider in den Redaktionen oft unter und das Stück läuft an der Support-Cutterin vorbei. Oder es ist kaum noch Zeit für die Abnahme bei der Support-Cutterin. Bei längeren Stücken wird das aber regelmäßig gemacht“ (Leitfadeninterview mit Kliebhan/hr 2005).
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Videojournalismus die klassische Beitragsabnahme in den Redaktionen nicht verändert. Die CvDs sind allerdings verstärkt gefordert. Zum einen, weil sie nun in der Regel die einzige Kontrollinstanz sind. Zum anderen, weil sie verstärkt auch auf die technische Umsetzung der Themen achten müssen. Um die CvDs auf diese Aufgabe vorzubereiten und sie dabei zu unterstützen, realisieren ARD-Anstalten vereinzelt CvD-Schulungen oder führen eine erste technische Abnahme durch den Cutter wieder ein. Im Sinne des redaktionellen Qualitätsmanagements ist dieser Ansatz positiv zu beurteilen. Redaktionskonferenzen und Sendekritiken Ausgangshypothese 20 lautete: H20: Zu Beginn der Pilotprojekte werden videojournalistisch produzierte Beiträge besonders intensiv in Redaktionskonferenzen und Sendekritiken diskutiert. Die Auswertung zeigt, dass die videojournalistische Produktionsweise anfangs tatsächlich ein Thema bei Redaktionskonferenzen und Sendekritiken ist. Die Funktionen der Diskussion sind dabei vielschichtig. So erklärt der NDR, dass in Diskussionen Ängste und Vorbehalte gegenüber der neuen Arbeitsweise abgebaut werden mussten: „Natürlich ist das auf der einen Seite in der Produktion besprochen worden, ist natürlich auch in der Redaktion besprochen worden, auch hier sehr stark von Personalratsmitgliedern in der Redaktion, die natürlich dieselben Ängste haben. Stellt mir die Chefin eine Kamera auf den Tisch, muss ich jetzt ab sofort los und mein Backsteingotik-Feature selbst drehen? Aber diese Diskussion gab es natürlich. Da ist man schnell beim Billigfernsehen, bei schnell-schnell und
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husch-husch. Man muss sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, dass nicht alles was klein ist, auch billig und husch-husch ist“ (Leitfadeninterview mit Rossbach-Hesse/NDR 2006).
Die DW betont, dass in Redaktionskonferenzen und bei Sendekritiken Chancen und Grenzen des Videojournalismus ausgelotet werden: „Wenn ein Beitrag in die Kritik gerät, sei es jetzt positiv, so dass er hervorgehoben wird, und jemand sagt, ,Hey, das ist ein VJ-Stück gewesen, was man damit alles Tolles machen kann, das zeigen wir den anderen Kollegen‘. So ein Lob motiviert natürlich vor allem den Autor, den VJ der das Stück gemacht hat. Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass ein Stück gesendet wird, das ein bisschen grenzwertig ist und darüber diskutiert wird und überlegt wird, was man da besser machen kann. Aber letztendlich ist solche Reflexion nichts, was speziell an VJing und an den VJ-Beitrag gebunden ist, das findet und fand immer wieder auch sonst statt“ (Leitfadeninterview mit Kaempf/DW 2005b).
Ähnlich argumentiert RB: „Also es wird immer wieder die nicht zu beantwortende Frage gestellt, warum war das denn ein VJ-Stück. Da kann man nur fragen, warum war das andere ein EB-Team-Stück. Und also diese Idee, das bringt irgendwie was an Nähe oder an Dichte sozusagen, ist das jetzt sinnvoll oder nicht, das lässt sich ja nicht so 100-prozentig klar definieren. Das VJ, das nicht. Es ist einfach auch ein Ausprobieren bei uns in der Redaktion, das führt aber auch immer wieder zu dieser Diskussion: Was bringt es denn oder was bringt es nicht?“ (Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b).
Darüber hinaus nennt er noch einen anderen Aspekt: Videojournalistisch produzierte Beiträge müssen sich in der Sendekritik besonders bewähren, denn sie rufen sofort die Kritiker der neuen Arbeitsweise auf den Plan: „Das Problem ist, dass immer noch konferenzöffentlich ist, was eigentlich ein VJ-Stück ist, das liegt natürlich an der Disposition, dass der Kollege, der die Kamerateams disponiert, sagt, ich habe dafür gar kein Team und dann wird gesagt, ja, das ist ein VJ, aha, dann weiß es jeder. Und dann wird in der Kritik natürlich von bestimmten Leuten, die distanziert dem Ganzen gegenüberstehen, gesagt, ja, das war natürlich technisch nicht so gut. Aber hätte man es nicht gesagt, hätte es natürlich wieder keiner gemerkt. Also da bei der Sendungskritik eben, da wird gelegentlich angesprochen, aber das hat dann mehr wieder die technischen Gründe und weniger das Inhaltliche eigentlich“ (Leitfadeninterview mit Rowohlt/RB 2005b).
Dieselben Erfahrungen hat der hr zu Beginn seines Pilotprojekts gemacht. Inzwischen habe sich das aber normalisiert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die videojournalistische Produktionsweise zum Erhebungszeitpunkt, als die Projekte noch am Anfang stehen, explizit Thema in Redaktionskonferenzen und Sendekritiken ist. Bedenken werden geäußert, Chancen und Grenzen ausgelotet. Die Erfahrung des hr lässt annehmen, dass diese Diskussionen im Laufe der Zeit abschwächen. Auch dann wird zwar noch über die Qualität einzelner Beiträge diskutiert, jedoch nicht mehr im Besonderen über deren Produktionshintergrund.
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Im Folgenden werden die zahlreichen Einzelergebnisse der Studie gebündelt dargestellt (Abschnitt 7.1) und vor dem Hintergrund der theoretischen Erkenntnisse diskutiert (Abschnitt 7.2). Postulate für künftige Forschung schließen die Arbeit ab (Abschnitt 7.3).
7.1 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit verfolgte das Ziel herauszuarbeiten, wie sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement der ARD-Anstalten auswirkt. Damit greift sie eine Fragestellung von aktueller, praktischer Relevanz auf und hilft gleichzeitig, eine Forschungslücke ein Stück weit zu schließen. Die Studie ist entlang der TQM-Prinzipien Ganzheitlichkeit, Kunden-, Mitarbeiterund Prozessorientierung konzipiert. Das Datenmaterial wurde in zwei Teilstudien zusammengetragen. In Teilstudie A wurde jeweils der VJ-Beauftragte bzw. Projektleiter der zehn ARD-Anstalten in einem mündlichen Leitfadeninterview zwischen Oktober 2005 und März 2006 befragt. Grundlage der Teilstudie B bilden jeweils fünftägige teilnehmende Beobachtungen in den Redaktionen hessen aktuell des hr und Lokalzeit Düsseldorf des WDR im Februar 2006. Die Befunde aus den Leitfadeninterviews bildeten bei der Auswertung die Ausgangsbasis. Die Beobachtungsprotokolle dienten der Vertiefung und externen Validierung der Ergebnisse. Mit der Erhebung wurde nicht nur ein exploratives, hypothesengenerierendes Interesse verfolgt, sondern auch ein hypothesenüberprüfendes. Zentrale Ergebnisse werden nachfolgend zusammengefasst: „Das Fernsehen, so wie wir es kennen, ist in spätestens 5 Jahren tot!“ (Zalbertus/Rosenblum 2003, Umschlagtexte). Dieser gewagten These, mit der Michael Rosenblum gerne seine Vorträge über Videojournalismus einleitet, kann nach der vorliegenden Untersuchung der ARD-Anstalten nicht zugestimmt werden. Zwar ist es richtig, dass der Videojournalismus qualitätssichernde Prozesse beeinflusst. Dabei handelt es sich allerdings weniger um eine Revolution als um eine Reform. Videoreporter und Videojournalisten lösen die klassische Berichterstattung nicht ab, sie ergänzen sie nur. Sie werden soweit in das bestehende
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System der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung integriert, wie sie bessere Ergebnisse erwarten lassen. Das zeigt sich besonders deutlich an den funktionalen Leitungserwartungen und tatsächlichen Einsatzfeldern. Die theoretische Herleitung des TQM-Modells hat deutlich gemacht, dass Rundfunkanstalten und Redaktionen ihre Qualitätsziele definieren, diese operationalisierbar und messbar sein müssen. Denn nur so ist eine ständige Verbesserung im Sinn des TQM-Ansatzes überhaupt möglich. Mit den Qualitätsdimensionen Aktualität, Relevanz, Objektivität und Vermittlung wurden zentrale produktbezogene Qualitätsdimensionen identifiziert. Diese können jedoch von verschiedenen Rundfunkanstalten und Redaktionen unterschiedlich gewichtet werden. Für den Videojournalismus galt es, neu herauszuarbeiten, welche Leistungen er erbringen soll. Dabei zeigte sich, dass die ARD-Anstalten ihre journalistischen und technischen Standards nicht aufweichen. Darüber hinaus ähneln sich ihre Erwartungen: mehr Regionalität für das Programm, eine authentischere und lebensnahe Berichterstattung, flexibler Arbeitseinsatz und bei einigen Anstalten auch Kosteneinsparungen. Diese Zielsetzungen spiegeln sich auch in den tatsächlichen Einsatzbereichen von Videoreportern und Videojournalisten wider. Videoreporter werden naturgemäß für die schnelle und flexible NiF-Berichterstattung genutzt. Vorausgesetzt, sie haben ihre Kamera dabei, können sie oftmals schneller reagieren als EB-Teams. Eine Disposition wird nicht benötigt. Dagegen arbeiten Videojournalisten nur bei wenigen ARD-Anstalten tagesaktuell, da sie gerade für den Schnitt länger brauchen. Falls sie doch in der Tagesaktualität eingesetzt werden, haben sie immer die Möglichkeit, auf einen Cutter zurückzugreifen. So soll das Risiko gemindert werden, dass unter Zeitdruck die Qualität sinkt. Videojournalisten bereichern das Programm mit Reportagen aus dem Ausland und erweitern die regionale Berichterstattung. Beides sind Einsatzfelder, die auch mit EB-Teams besetzt werden könnten, aus Kostengründen jedoch häufig auf ein Minimum begrenzt waren. Beim Videojournalismus ist der finanzielle Aufwand überschaubar. Zudem werden Videojournalisten für Geschichten eingesetzt, die nah am Akteur erzählt werden sollen. Hier machen sich die Vorteile der kleinen Kamera und des geringeren Personalaufwandes am meisten bemerkbar. Die Programmmacher versprechen sich davon eine Reduktion des Zwangs zur Inszenierung. Bewusst nicht eingesetzt werden Videojournalisten dagegen für technisch und/oder inhaltlich komplexe Drehsituationen, die das Ein-MannTeam überfordern könnten und Qualitätseinbußen befürchten lassen. Allenfalls als zusätzliche Kamera dürfen sie Aspekte am Rand drehen, um so eine weitere Perspektive zur Berichterstattung beizusteuern. Die Hauptlast und Verantwortung liegt dann beim EB-Team. Bei alldem muss aber betont werden, dass sich die ARD-Anstalten zum Erhebungszeitpunkt 2005/2006 überwiegend noch in der
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Erprobungsphase befinden, in der Chancen und Grenzen des Videojournalismus ausgelotet werden. Das TQM-Prinzip der Ganzheitlichkeit weist der Unternehmensleitung die Hauptverantwortung für das Qualitätsmanagement zu. Bei Medienorganisationen ist dieses Prinzip jedoch schwierig umzusetzen, weil Redaktionen nur eine Einheit innerhalb der Medienorganisation darstellen. Bei der Erfüllung ihrer qualitätsrelevanten Aufgaben sind sie auf andere Abteilungen, insbesondere die Geschäftsführung, angewiesen. Redaktionelles Qualitätsmanagement bedingt also eine Zusammenarbeit von Redaktionen und Geschäftsführung, um Zugriff auf Ressourcen zu erhalten. Allerdings kann die Kooperation auch kontraproduktiv sein, wenn ökonomische Effizienz zu sehr im Vordergrund steht. Im Sinn des TQM-Modells muss immer das Qualitäts-, nicht das Kostenmanagement an erster Stelle stehen. Die empirischen Daten zeigen, dass bei der Einführung des Videojournalismus in den ARD-Anstalten tatsächlich überwiegend die journalistische Qualität und nicht die Einsparung von Kosten Priorität besitzt. Zwar sehen die Rundfunkanstalten Videojournalismus unstrittig als kostengünstige Produktionsweise. Insbesondere bei längeren Beiträgen und solchen, die mit hohen Reisekosten verbunden sind, zeigen sich die finanziellen Vorteile. Dennoch ist Videojournalismus in vielen Fällen nicht mit direkten Kosteneinsparungen gleichzusetzen, denn die von Videoreportern und Videojournalisten produzierten Beiträge sind meist zusätzlich zur regulären Berichterstattung im Programm. Nur in wenigen Fällen substituieren Videojournalisten EB-Teams, so dass es zu einer tatsächlichen Rationalisierung kommt. Bei keiner ARD-Anstalt werden allerdings hauseigene Teams eingespart, sondern weniger Aufträge an Fremdfirmen vergeben. Die Umsetzung des TQM-Prinzips der Publikumsorientierung auf Redaktionen gestaltet sich schwierig, da verschiedene Kundentypen, nämlich Werbekunden und das Publikum, mit unterschiedlichen Anforderungen erreicht werden müssen. Die ARD als Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ist – im Gegensatz zu privaten Sendern – nicht vom Werbemarkt abhängig, da sie das Privileg der Gebührenfinanzierung genießt. Zudem ist der Werbekunde zwar aus betriebswirtschaftlicher Sicht von Bedeutung, das Publikum aber aus kommunikationswissenschaftlicher. Letzteres ist die zentrale Anspruchsgruppe der Redaktionen. Das zeigt sich im redaktionellen Marketing, dessen Maxime es ist, Medienprodukte gemäß den Bedürfnissen und Wünschen des Publikums zu gestalten. Der Publikumsforschung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Aus den Leitfadeninterviews geht hervor, dass bislang nur der hr speziell auf Videojournalismus zugeschnittene Zuschauerbefragungen durchgeführt hat. Dafür werden drei Gründe genannt: Die Projekte stehen noch am Anfang, die Stichprobe an videojournalistisch produzierten Beiträgen ist noch zu gering
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und/oder Videojournalismus wird im Rahmen der allgemeinen Programmbeobachtung evaluiert. Mit dem Prinzip der Mitarbeiterorientierung betont das TQM-Modell die Handlungsperspektive. Denn es kommt nicht nur darauf an, dass formale Strukturen vorhanden sind, sondern auch, ob und wie diese angewendet werden. In der vorliegenden Studie wurde geklärt, wie die ARD-Anstalten Videoreporter und Videojournalisten rekrutieren und ausbilden, ob Zielvereinbarungsgespräche geführt werden und wie sich Videojournalismus auf die Redaktionsstatute auswirkt. Die Ergebnisse zur Mitarbeiterorientierung machen deutlich, dass die ARDAnstalten überwiegend Hörfunk- oder Fernsehregionalkorrespondenten zu Videoreportern schulen. Ihre Videojournalisten dagegen rekrutieren sie überwiegend aus freien redaktionellen Mitarbeitern des Haupthauses. Dies liegt darin begründet, dass die freien Mitarbeiter in der Regel die Reportertätigkeiten wahrnehmen, während die fest angestellten Redakteure eher im planerischen Bereich beschäftigt sind. Die Auswahl der Mitarbeiter unterscheidet sich je nach Rundfunkanstalt. Bei einigen werden die Projekte ausgeschrieben, bei anderen müssen sich potentielle Teilnehmer von einer Redaktion nominieren lassen. So soll sichergestellt werden, dass sie nach der Ausbildung über eine entsprechende redaktionelle Anbindung verfügen und das Erlernte auch einsetzen können. Das Risiko, dass freie Mitarbeiter nach einer kostenaufwändigen Ausbildung ihr Können bei einem anderen Sender einsetzen, versuchen zwei ARD-Anstalten durch entsprechende Verträge zu verhindern. Die anderen haben keine Vorkehrungen getroffen, da sie aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktlage oder der regionalen Lage ihrer Rundfunkanstalt die Gefahr als gering erachten. Zudem beziehen fast alle ARD-Anstalten – wenn auch in geringer Anzahl – Produktionsmitarbeiter in die Ausbildung ein. Entweder um ihnen ebenfalls den Zugang zu diesem neuen Berufsfeld zu ermöglichen oder um sie zu Mentoren auszubilden. Allerdings muss im ersten Fall sichergestellt werden, dass sie auch über eine entsprechende journalistische Grundausbildung verfügen. In dieser Hinsicht erscheinen die Konzepte einiger ARD-Anstalten noch wenig ausgereift und umfassend. Grundsätzlich besteht in den ARD-Anstalten Konsens darüber, dass Videoreporter und Videojournalisten ohne gründliche Aus- und permanente Fortbildung nicht seriös mit klassischen Teams konkurrieren können. Bei der Ausbildung der Programmmitarbeiter erreicht allerdings bislang nur die Hälfte der ARD-Anstalten die von Rosenblum empfohlene Ausbildungsdauer von drei Wochen. Die andere Hälfte liegt mit fünf bis neun Tagen deutlich darunter. Hier besteht also noch Nachholbedarf. Allerdings müssen die Teilnehmer, für die die jeweiligen Anstalten nur so kurze Schulungen vorsehen, auch nicht den Schnitt
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erlernen, sondern nur die Handhabung der Kamera. Neben den reinen Seminaren und Trainings haben einige ARD-Anstalten auch einen Jour fixe eingeführt, an dem aktuelle Schwierigkeiten besprochen und Beiträge kritisiert werden. Darüber hinaus wurde bei der Untersuchung festgestellt, dass Videojournalisten verstärkt über Volontariate in die Funkhäuser kommen. Denn viele ARDAnstalten haben Videojournalismus bereits in die Ausbildung des Nachwuchses integriert. Die Ergebnisse zeigen weiter, dass Zielvereinbarungsgespräche auf Projektebene nicht stattfinden. Erwartungen an die Projektteilnehmer werden lediglich im Vorfeld der Ausschreibung allgemein kommuniziert. Bei der Auswertung gab es jedoch Hinweise darauf, dass einzelne Redaktionen Zielvereinbarungsgespräche mit ihren Videojournalisten führen. Allerdings muss es bei diesen Hinweisen bleiben, da die Leitfadeninterviews auf Projekt- und nicht auf Redaktionsebene stattfanden und somit weiterführende Daten nicht erhoben wurden. Redaktionsstatute bleiben von der Einführung des Videojournalismus unberührt. Es gibt weder separate noch werden die bisherigen Statute geändert oder ergänzt. Denn Videojournalismus verändert zwar die Produktionsweise, nicht jedoch die publizistische Grundhaltung einer Medienorganisation. Das TQM-Prinzip der Prozessorientierung lässt sich ebenfalls sinnvoll auf Redaktionen übertragen. Nach diesem Prinzip sollen qualitätsrelevante Prozesse identifiziert und ständig verbessert werden. Als Kernprozess journalistischen Handelns wurde die Recherche dargestellt. Daneben verfügt das redaktionelle Qualitätsmanagement mit der Kontrolle im redaktionellen Produktionsablauf, den Redaktionskonferenzen und Sendekritiken über die Strukturen, um Prozesse im Hinblick auf Qualitätsziele zu steuern. Die Analyse zur Prozessorientierung ergab, dass rechercheaufwändige Themen Videoreporter und Videojournalisten leicht überfordern. Denn im Gegensatz zu ihren Kollegen, die mit einem EB-Team drehen, können sie sich nicht ausschließlich auf den Inhalt konzentrieren, sondern müssen nebenher auch auf die technische Umsetzung achten. Daher werden sie von den ARD-Anstalten auch nicht für solche Themen eingesetzt. Die reine Drehzeit betreffend wurden dagegen Beispiele genannt, wo Videojournalisten deutlich mehr Zeit zugestanden wurde, da die Produktionskosten wesentlich geringer sind. Auf die reguläre Beitragsabnahme wirkt sich Videojournalismus dagegen nicht aus. Kriterien werden weder nennenswert verschärft noch aufgeweicht. Die CvDs sind allerdings in höherem Maße gefordert. Zum einen, weil sie nun in der Regel die erste und letzte Kontrollinstanz eines Beitrages sind. Denn der vorherige „zweite Blick“ des Kameramannes und besonders des Cutters fällt weg. Zum anderen, weil sie dadurch auch verstärkt auf die technische Umsetzung eines Beitrages achten müssen. Um die CvDs auf diese Aufgabe vorzubereiten
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und sie zu unterstützen, führen einige ARD-Anstalten CvD-Schulungen im Rahmen ihrer Pilotprojekte durch. Teilweise realisieren sie auch wieder eine erste Abnahme durch einen sogenannten Supportcutter, der den Videojournalisten darüber hinaus auch für Fragen zum Schnitt zur Verfügung steht. Im Hinblick auf Redaktionskonferenzen und Sendekritiken zeigte sich, dass zu Beginn der Pilotprojekte noch viel und kontrovers über die neue Produktionsweise und die Umsetzung der Beiträge diskutiert wird. Einerseits weil Kollegen ihre Ablehnung kundtun wollen, andererseits aber auch um konstruktiv Chancen und Grenzen des Videojournalismus auszuloten.
7.2 Interpretation der Ergebnisse Die Bilanz des redaktionellen Qualitätsmanagements im Videojournalismus fällt für die ARD-Anstalten überwiegend positiv aus. Die empirische Analyse hat ergeben, dass die funktionalen Leistungserwartungen klar definiert sind. Die Pilotprojekte, die zum Erhebungszeitpunkt noch laufen, lassen aber naturgemäß einen gewissen Erprobungsspielraum zu. Videoreporter und Videojournalisten werden nicht per se für alle Bereiche der Berichterstattung eingesetzt, sondern gemäß der Chancen und Grenzen der neuen Produktionsweise disponiert. Für die nächsten Jahre spricht daher Vieles dafür, dass es bei den ARD-Anstalten nicht zu einer Substitution der EBProduktion durch Videojournalismus kommt. Wie das in der ferneren Zukunft aussieht, ist eine offene Frage. Da die ARD-Anstalten im internationalen wie nationalen Vergleich den Trend erst recht spät aufgegriffen haben, können sie dabei auf die Erfahrungen anderer Sender, beispielsweise der BBC, zurückgreifen. Auch erste wissenschaftliche Untersuchungen zum Videojournalismus basieren überwiegend auf Praktikeraussagen. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Leistungserwartungen der ARD-Anstalten an Videoreporter und Videojournalisten dem entsprechen, was in der Literatur als Stärke der Produktionsweise identifiziert wird, und das ausklammern, was als Schwäche benannt wird. Allerdings zeichnete sich bei einigen Anstalten das Risiko ab, dass an videojournalistisch produzierte Beiträge – über grundlegende Qualitätsstandards hinaus – dasselbe Raster angelegt wird wie an herkömmlich erstellte. Ein gewisser Raum für Experimente ist aber nötig, wenn weitere Chancen des Videojournalismus ausgelotet und neue Möglichkeiten der Programmgestaltung gefunden werden sollen. Diesen Raum müssen die Rundfunkanstalten ihren Videojourna-
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listen zugestehen, wenn sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, herkömmliches Fernsehen nur billiger produzieren zu wollen. Denn wie erwartet, setzen die ARD-Anstalten Videojournalismus nicht aus reinen Kostenerwägungen ein, sondern haben ihr Kostenmanagement vielmehr in eine Qualitätsstrategie eingebettet. Dies kann damit erklärt werden, dass sie als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten weniger dem Druck der Ökonomisierung unterliegen als die privaten Anbieter, wenn sie auch zu einem sparsamen Umgang mit den Gebühren angehalten sind. Zudem kann vermutet werden, dass sie sich ihrer Vorbildrolle bewusst sind und diese nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen. Beides begründet auch, warum sich die ARD-Anstalten erst so spät dem Trend geöffnet haben. Als wesentlichen Aspekt ihres Qualitätsmanagements nennen die ARDAnstalten übereinstimmend die Ausbildung. Da Videojournalisten die Aufgaben gleich dreier Gewerke übernehmen, müssen sie gut geschult werden. Bislang organisieren und finanzieren das die ARD-Anstalten noch selbst. Die Annahme scheint aber berechtigt, dass diese Aufgabe in Zukunft von externen Akteuren übernommen wird. Da der Markt für Videoreporter und Videojournalisten wächst, entstehen auch organisationsextern zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Das gibt den ARD-Anstalten die Möglichkeit, bereits fertig ausgebildetes Personal zu rekrutieren. Auch ist zu vermuten, dass sich Unsicherheiten in Redaktionen mit der Zeit legen. Denn das bestehende System des Qualitätsmanagements ist durch den Videojournalismus irritiert worden, hat sich, wo nötig, der neuen Produktionsweise angepasst und muss nun wieder zur Routine werden. Gleichzeitig zeigt sich schon eine neue Entwicklung. Für die crossmedialen Projekte der Anstalten – also die Verbindung aus Fernsehen und Online – scheint Videojournalismus ebenso unverzichtbar. Der jährliche VJ-Roundtable der ARD/ZDF medienakademie befasste sich 2007 bereits mit dem Thema „Videojournalismus im Internet“.
7.3 Ausblick auf künftige Forschung Wie sich Videojournalismus auf das redaktionelle Qualitätsmanagement auswirkt, ist bislang ein Desiderat der Forschung, das durch diese Arbeit ein Stück weit behoben wird. Die Methodenkombination aus mündlichen Leitfadeninterviews und teilnehmenden Beobachtungen hat sich dabei als sinnvoll erwiesen. Durch die Leitfadeninterviews konnten zahlreiche Daten erhoben werden, jedoch immer auf der Basis der Selbsteinschätzung und mit dem Risiko, dass die Befragten Sachverhalte ihrer Rundfunkanstalt beschönigen. Dieses zu minimieren
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und die Daten extern zu validieren, war Ziel der teilnehmenden Beobachtungen. Eine weitere Möglichkeit, die Daten zu ergänzen, zu vertiefen und zu validieren, stellt eine Konfrontation von Videoreportern, Videojournalisten und CvDs mit den Ergebnissen dieser Arbeit da. Ziel dieser Arbeit war es, das gesamte System redaktionellen Qualitätsmanagements im Videojournalismus zu beschreiben. Es wurde auf alle zentralen Aspekte eingegangen. Durch die Fülle der Aspekte war allerdings nur eine bestimmte Analysetiefe zu erzielen. In weiteren Untersuchungen könnten daher Einzelaspekte wie beispielsweise die Recherche detaillierter behandelt werden. Die Analyse des redaktionellen Qualitätsmanagements sollte darüber hinaus mit Produktuntersuchungen gekoppelt werden. Dass ein Zusammenhang zwischen redaktionellem Qualitätsmanagement und journalistischer Qualität besteht, erscheint logisch. Allgemeine kausale Schlüsse sind jedoch – wie bereits in Abschnitt 1.2 erwähnt – nur höchst eingeschränkt möglich. Dennoch könnte zumindest in einzelnen Fallstudien dieser Zusammenhang empirisch untersucht werden. Schließlich könnte auch ein Blick über den ARD-Tellerrand zu interessanten Ergebnissen führen. Die Ergebnisse dieser Arbeit könnten zum einen mit dem redaktionellen Qualitätsmanagement bei deutschen Privatsendern verglichen werden. Für Letztere liegt die Vermutung nahe, dass sie Videojournalismus in erster Linie aus Kostengründen implementiert haben. Die Unterschiede im Qualitätsmanagement dürften daher frappierend sein. Zum anderen könnte ein Vergleich mit Rundfunkanstalten im Ausland, vornehmlich der USA oder auch der britischen BBC, zu weiteren Hinweisen führen, wie Qualität im Videojournalismus gesichert werden kann.
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Anhang
Interviewleitfaden Name des Interviewpartners: … Ort und Datum des Interviews: … Vorbemerkung: Das Ziel der Untersuchung besteht darin herauszufinden, ob und wie Videojournalismus das redaktionelle Qualitätsmanagement der ARDAnstalten beeinflusst. Besteht Einverständnis mit einer Tonaufzeichnung?
Pilotprojekt Videojournalismus
Welche Aufgabe haben Sie im Projekt Videojournalismus? Unterscheidet Ihr Sender zwischen Videoreportern (VR) und Videojournalisten (VJs)? Nach welchen Kriterien wird differenziert? Wann hat Ihr Sender VR bzw. VJs eingeführt? Wie viele VR bzw. VJs arbeiten derzeit in Ihrem Sender? Wie viele sind feste und wie viele freie Mitarbeiter? In welchen Redaktionen werden sie eingesetzt? Welche Programmelemente produzieren die VR bzw. VJs in den jeweiligen Redaktionen? Wie hoch ist der Anteil an VR- bzw. VJ-Beiträgen in den entsprechenden Sendungen? Mit welcher Zielsetzung haben Sie das Videojournalismus-Projekt gestartet? Welche dieser Ziele betrachten Sie schon als erreicht?
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Anhang
Produktbezogene Qualitätskriterien
Was macht für Sie die journalistische Qualität eines Fernsehbeitrages aus? Hat die Einführung von VR bzw. VJs in Ihrem Sender die inhaltliche Qualität der Beiträge beeinflusst? Auf welche Weise? Hat die Einführung von VR bzw. VJs in Ihrem Sender die technische Qualität der Beiträge beeinflusst? Auf welche Weise? Geben Sie grundsätzlich alle Genres an VR bzw. VJs heraus? Welche Genres eignen sich Ihrer Erfahrung nach besonders? Welche eignen sich weniger? Welche gar nicht? Warum? Geben Sie grundsätzlich alle Themen an VR bzw. VJs heraus? Welche Themen eignen sich Ihrer Erfahrung nach besonders? Welche eignen sich weniger? Welche gar nicht? Warum?
Journalistische Qualität als Leitmaxime der Redaktion Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Intendanz
Kooperieren die Redaktionen und die Geschäftsführung beim Videojournalismus-Projekt? Wie sieht diese Kooperation aus? Welche Normenkonflikte bringt die Zusammenarbeit aus der Sicht der Redaktion eventuell mit sich? Wie sieht das bei der herkömmlichen Produktion aus?
Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Produktion
Binden die Redaktionen das Wissen der Kameramänner und Cutter ein? Wie werden sie eingebunden? Welche Normenkonflikte bringt die Zusammenarbeit aus der Sicht der Redaktion eventuell mit sich?
Redaktionelle Leitbilder
Existieren in den Redaktionen publizistische Leitbilder oder Ethik-Kodices speziell für VR bzw. VJs, die die Qualitätsziele transparent machen? Was steht darin? Unterscheiden sie sich von den Leitlinien für die herkömmliche Produktion. Inwiefern?
Anhang
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Leistungsbewertungssysteme
Werden Ihre VR bzw. VJs leistungsbezogen bezahlt? Wie sieht das bei Ihren Mitarbeitern aus, die mit einem klassischen EB-Team arbeiten? Wie werden freie VR bzw. VJs entlohnt? Wie Ihre freien Journalisten, die mit einem klassischen EB-Team arbeiten?
Publikumsorientierung
Werden in Redaktionen das Publikum und dessen Zufriedenheit als wesentliches Ziel journalistischer Qualitätssicherung aufgefasst? Worin zeigt sich das? Liegen Ihnen Ergebnisse aus der Publikumsforschung zu Ihrem Videojournalismus-Projekt vor? Welche? Sind (weitere) Untersuchungen geplant? Wird die Publikumsforschung als Instrument der Qualitätssicherung von Redakteuren und redaktioneller Führung anerkannt? Welche Normenkonflikte ergeben sich eventuell daraus? Werden Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Publikumsforschung für das Videojournalismus-Projekt gezogen? Welche? Bekommen Sie direkte Publikumsreaktionen auf VR- bzw. VJ-Beiträge? Kommen diese seltener oder häufiger vor, als bei herkömmlich produzierten Beiträgen?
Mitarbeiterorientierung Personalmanagement und -entwicklung
Aus welchen Bereichen kommen Ihre VR bzw. VJs (Redaktion, Kamera, Schnitt)? Wie werden Ihre VR bzw. VJs ausgebildet? Wie lange dauert die Ausbildung? Was umfasst sie? Wer lehrt? Gibt es Unterschiede in der Ausbildung von Redakteuren, Kameramännern und Cuttern? Welche? Bieten Sie eine regelmäßige Weiterbildung an? Wie sieht die aus?
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Anhang
Was sind die persönlichen und qualifikationstechnischen Voraussetzungen, um als VR bzw. VJs erfolgreich arbeiten zu können? Motivieren Sie qualifizierte Mitarbeiter, sich als VR bzw. VJs ausbilden zu lassen? Wie? Versuchen Sie, VR bzw. VJs nach der Ausbildung beim Sender zu halten? Wie? Ist Videojournalismus auch Teil Ihrer Volontärsausbildung? Welches Equipment verwenden Sie? Bekommen Ihre VR bzw. VJs eine eigene Kamera zur Verfügung gestellt? Bekommen Sie Feedback, wie zufrieden die VR bzw. VJs mit den redaktionellen Arbeitsbedingungen sind? Ist in Ihrem Sender geplant, dass VR bzw. VJs klassische EB-Teams auf lange Sicht komplett ersetzen?
Zielvereinbarungsgespräche
Finden in den Redaktionen Zielvereinbarungsgespräche mit den VR bzw. VJs statt?
Redaktionsstatuten
Existieren Regelungen in Redaktionsstatuten speziell für VR bzw. VJs? Was steht darin?
Prozessorientierung Recherche
Welchen Stellenwert hat bei VR bzw. VJs die Recherche als Instrument der Qualitätssicherung? Verändert Videojournalismus den Prozess der Recherche? Werden Beiträge von VR bzw. VJs von Kollegen inhaltlich geprüft? Wie sieht diese inhaltliche Kontrolle aus?
Anhang
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Kontrollen im redaktionellen Produktionsablauf
Wie sieht bei Ihnen ein Beitragsabnahme bei VR bzw. VJs aus? Worauf wird geachtet, inhaltlich wie technisch? In wie vielen Fällen muss ein Beitrag nachbearbeitet werden? Sind die Maßstäbe andere als bei herkömmlich produzierten Beiträgen?
Redaktionskonferenzen
Ist journalistische Qualität ein Thema bei Ihren Redaktionskonferenzen? Wird Videojournalismus dabei besonders thematisiert?
Sendekritik
Gibt es nach Ihren Sendungen eine regelmäßige Sendekritik? Werden Beiträge von VR bzw. VJs dabei besonders berücksichtigt?
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Beobachtungsbogen VR/VJs in Redaktion und Sendung Wie viele VR/VJs stehen im Dienstplan? Wie viele arbeiten tatsächlich als VR/VJ? Welche Programmelemente produzieren sie? Beobachtungsobjekt Welcher VR/VJ/ Autor wird beobachtet? Nur VR/VJ-Beobachtung: Aus welchen Bereichen kommt der zu beobachtende VR/VJ (Redaktion, Produktion)? Redaktionskonferenz und Themenvergabe Gibt es eine Redaktionskonferenz? Wird in der Morgenkonferenz die Quote der Sendung des Vortages genannt? Werden VR/VJ-Beiträge dabei besonders berücksichtigt? Werden zudem mögliche Themen diskutiert und vergeben? Welches Thema und Genre wird an den VR/VJ/das zu beobachtende Team vergeben? Aus welchen Gründen? Recherche im Sender Lassen sich Informationen im Sender recherchieren? Recherchiert der VR/VJ/Autor im Sender? Wie geht er vor? Wie viel Zeit verwendet er dafür? Wird er vom CvD oder dem CvD-Assistenten unterstützt? Findet vor dem Dreh ein Gespräch mit dem CvD statt?
Anhang
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Hinfahrt zum Dreh Wie lange dauert es, bis der VR/VJ/das Team abfahrbereit ist? Nur für EB-Beobachtung: Bespricht sich der Autor mit Kameramann und Assistenten? Recherche vor Ort Recherchiert der VR/VJ/Autor vor Ort? Wie geht er vor? Wie viel Zeit verwendet er dafür? Bemerkt der VR/VJ/das Team etwas? Entgeht dem VR/VJ/dem Team etwas? Dreh Nur VR/VJ-Beobachtung: Welches Equipment verwendet der VR/VJ? Nur VR/VJ-Beobachtung: Handelt es sich um eine Redaktionskamera (zugeteilt oder Pool) oder eine private Kamera? Wie lange dauert es, bis die Kamera bereit ist? Wie reagiert der Interviewpartner auf die Kamera? Hält der VR/VJ/Autor während des Interviews Kontakt zum Interviewpartner? Wie lange dauert der Dreh (ohne An- und Abreisezeiten)? Nur EB-Beobachtung: Kommt es zu einem Konflikt mit dem Kameramann oder Assistenten? Gibt es Anzeichen, dass das Thema nur durch einen VR/ VJ/Team umzusetzen ist? Gibt es Anzeichen, dass etwas nicht umgesetzt werden kann, weil eine Person alleine ist/weil mit einem Team gedreht wird? Hält der VR/VJ/Autor während des Drehs Kontakt zum CvD? Nachbearbeitung und Schnitt Spricht sich der VR/VJ/Autor nach dem Dreh mit den CvD ab?
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Werden Informationen gegen- oder nachrecherchiert? Nur VR/VJ-Beobachtung: Schneidet der VJ selbst? Nur VJ-Beobachtung: Steht ihm ein Cutter mit Rat zur Seite? Kommt es ggf. zu einem Konflikt mit dem Cutter? Wie viel Zeit verbringt der VJ/Autor im Schnitt? Beitragsabnahme Findet eine Textabnahme statt? Gibt es Kritik am Text? Was muss nachbearbeitet werden? Wie lange dauert die Abnahme? Findet eine Bildabnahme statt? Gibt es Kritik an den Bildern? Was muss nachbearbeitet werden? Wie lange dauert die Abnahme? Wie lange ist der Beitrag? In welchen Sendungen läuft er? Sendekritik Findet eine Sendekritik statt?
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