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Sonntag
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Praxisleitfaden Tierhomöopathie Vom Arzneimittelbild zum Leitsymptom
Christiane P. Krüger
9 Abbildungen
Sonntag Verlag · Stuttgart
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
Anschrift der Autorin: Christiane P. Krüger Höristraße 5 78337 Öhningen am Bodensee
[email protected]
䉷 2010 Sonntag Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Oswald-Hesse-Str. 50, D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: www.sonntag-verlag.com Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfotos: Hintergrundbild, mittleres und unteres Bild: Christiane P. Krüger Satz: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg Gesetzt auf CCS Textline (Linotronic 630) Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno, Calbe
ISBN 3-8304-9086-0 ISBN 978-3-8304-9086-9
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Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.
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Vorwort
Die tiermedizinische Homöopathie ist zwar eine immer häufiger gefragte Therapieform, dennoch fristet sie noch immer ein unterschätztes Dasein am Rande der Hochschulmedizin. Leider gibt es noch viel zu wenige Tierärzte, die es verstehen, die Homöopathie im Sinn ihrer ursprünglichen Lehre ohne Pharma-Präparate erfolgreich und konsequent einzusetzen und zu dokumentieren. Das therapeutische Potenzial der Tierhomöopathie ist bisher nicht im Entferntesten entdeckt geschweige denn ausgeschöpft worden. Der vielfältigen homöopathischen Literatur für Laien und Tierbesitzer können nur sehr wenige fundierte Fachbücher zur Seite gestellt werden, und noch vielmehr mangelt es an nachvollziehbaren Falldokumentationen. Einen kleinen Beitrag zur Überwindung dieser Missstände soll dieser „Leitfaden“ leisten, der im Sinn von J. T. Kent den Weg vom Verständnis der Arznei zu ihren Leitsymptomen ebnen will und damit das Herausfinden des passenden, heilenden Simile für seine Patienten unterstützen soll. Er enthält eine Vielzahl an neuen Erkenntnissen für die Tierhomöopathie. Oftmals waren es die eigenen Tiere, insbesondere Pferde, aber auch Patienten mit infauster Prognose, die mich veranlasst haben, immer wieder die Materia medica zu studieren und Symptome von Tieren aus der Humanhomöopathie zu verifizieren. Es fällt mir persönlich sehr schwer zu akzeptieren, dass ein heilendes Simile nicht gefunden werden kann. Auf diesem Wege sind zahlreiche neue Erfahrungen entstanden, die sich in der Praxis bestätigt haben und nun der Öffentlichkeit zugänglich werden sollen. Eine immense Zahl an Haustieren wird euthanasiert, denen durch die Homöopathie hätte geholfen werden können! Es wurde bewusst auf ein Sachwortverzeichnis verzichtet, da man sonst ein neues Repertorium generieren würde.
An dieser Stelle möchte ich all den HomöopathieLehrern danken, die mich aus den „homöopathischen Sackgassen“ auf den richtigen Weg von Hahnemann und Kent geführt haben, insbesondere Herrn Dr. Jost Künzli von Fimmelsberg und George Vithoulkas, ferner Alfons Geukens, Eugenio Candegabe, Alfonso Masi-Elizalde, Edward Whitmont und vielen anderen. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Tochter Ina Prisca, die mir unermüdlich mit geschicktem Rat und Wort in Text und Formulierung zur Seite stand und mit Lebensfreude und Humor so manchen Frust im bürokratischen Bereich zu vertreiben wusste, ferner meinem Sohn Franz, der mir die überwältigende Fülle der Datenverarbeitung näher brachte und unter großem Engagement die technischen Seiten des Schreibens ermöglichte und unterstützt hat. Den Tierärztinnen Dr. Gaby Pavel und Martine Jonglez sei Dank für zahlreiche fachliche Anregungen. Dank auch an Frau Iris Öhninger, Bäuerin aus dem Schweizer Thurgau, die mir ganz unverhofft den Kuhstall für die homöopathische Therapie erschloss. Es ist wahrhaft herzerfreuend, wie die an Homöopathie interessierten Schweizer Bauern ihren Tieren und einer gesunden Umwelt zugetan sind. Ferner gilt mein Dank den zahlreichen Teilnehmern meiner Seminare, die durch ihren homöopathischen Wissensdurst, ihre Mitarbeit und erfolgreiche Rückmeldungen aus eigener Praxis die Arbeit an diesem Buch vorangetrieben haben. Und nicht zuletzt danke ich Frau Dr. Ines George für ihr Engagement und die fröhliche Zusammenarbeit, ebenso ihrem Team vom Sonntag Verlag. Möge das Buch seinen Beitrag zum erweiterten Verständnis der Homöopathie leisten und eine erfolgreichere Therapie ermöglichen. Öhningen am Bodensee, Christiane P. Krüger
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Inhalt
Einführung 1
....................................................................
Human- und Tierhomöopathie . . . . . . . . . . . .
3.3 3.4
.
7
.
7
.
7
. . .
7 7 7
..............................................................
9
2
3.5
2
Vom Arzneimittelverständnis zum Leitsymptom . . . . . . . . . . . .
4
3.6 3.7 3.8
3
Zum Aufbau des Buches . . . . .
5
3.1 3.2
Signatur, Thema, Idee . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Allgemeiner Teil 1 1.1 1.1.1 1.2 1.3
1.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.6 1.6.1 1.6.2
Grundlagen der Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Homöopathie – Samuel Hahnemann . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung und Stand der Tierhomöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ähnlichkeitsgesetz . . . . . . . . . . . . Arzneimittelprüfung – Arzneimittelbild – Materia medica homöopathica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Lebenskraft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsweise der Homöopathie . . . Potenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss potenzierter Arzneien auf die Lebenskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliches Wirkungsprinzip der potenzierten Arznei . . . . . . . . . . . . . . Potenzierung – Speicherung einer Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Kriterien der Homöopathie – Entstehung von Krankheiten . . Hierarchisches Ordnungsprinzip in der Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Übersicht über das Arzneimittelbild Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeichen und Symptome des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerpunkte und Leitsymptome des pathologischen Geschehens . . . Auslöser und Modalitäten . . . . . . . . Ausgewählte Fallbeispiele . . . . . . . .
1
6
1.6.3
10 10 10 11
12 12 13 13 14 14 15 16 16 16
Die wesentlichen Kriterien zum Finden des Simile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Paradigmen der akademischen und homöopathischen Medizin . . . . . . . . 1.7.1 Paradigmen der Hochschulmedizin . 1.7.2 Paradigmen im modernen ganzheitlichen Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Krankheit – Heilung in der Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8.1 Krankheit – das Ergebnis einer „inneren Krankheitsbereitschaft“ . . . . . . . . 1.8.2 Unterdrückung einer Krankheit und Abfolge der Heilung . . . . . . . . . . . . . . 1.8.3 Heilung im Sinn der Homöopathie . . 1.9 Entstehung chronischer Krankheiten bei Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.1 Die angeborene Krankheitsdisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.2 Die erworbene Krankheitsdisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Hahnemanns Theorie über die Entstehung von Krankheiten . . . . . . . . . . 1.10.1 Akute und chronische Miasmen . . . . 1.10.2 Therapie akuter und chronischer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 18 18 18 20 20 21 22 22 23 23 28 28 28
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Inhalt 1.10.3 Einteilung von chronischen Krankheiten – chronischen Miasmen . . . . . 1.10.4 Arten von Miasmen . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.5 Äußerungen der Miasmen . . . . . . . . . 1.10.6 Miasmenlehre in der Tierhomöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.7 Zusammenfassung – Sinn und Aufgabe der Miasmenlehre . . . . . . . . . . . 1.11 Verschiedene Methoden der Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.1 Organotrope Homöopathie . . . . . . . . 1.11.2 Komplexmittel-Homöopathie . . . . . . 1.11.3 Homöopathie nach bewährten Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.4 Die Homöopathie Hahnemanns . . . .
Spezieller Teil – Arzneimittel
2
Praxis der Tierhomöopathie .
40
2.1 2.1.1
Die drei Säulen der Homöopathie . . . Die erste Säule – „Similia“ – der Tierpatient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zweite Säule – „Similibus“ – das homöopathische Arzneimittel . . . . . . Die dritte Säule – „Curentur“ – das Procedere der Heilung . . . . . . . . . . . . Ausnahmen im homöopathischen Procedere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das „lokale Übel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . „Einseitige Erkrankungen“ . . . . . . . . . Der Verlauf der Heilung . . . . . . . . . . . Folgeverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ziel der Homöopathie . . . . . . . . . Resümee von Kent . . . . . . . . . . . . . . . .
40
50 50 50 51 51 52 52
..............................................
53
30 30 30 34
2.1.2
37
2.1.3
37 38 38
2.2
39 39
2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4
40 45 45
Aconitum napellus . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
Lachesis mutus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
Antimonium crudum . . . . . . . . . . . . . .
60
Lycopodium clavatum . . . . . . . . . . . . . . 223
Apis mellifica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
Natrium muriaticum . . . . . . . . . . . . . . . 234
Arnica montana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
Niticum acidum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Arsenicum album . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
Nux vomica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Belladonna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Opium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
Bryonia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Phosphorus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Calcium carbonicum . . . . . . . . . . . . . . . 121
Plumbum metallicum . . . . . . . . . . . . . . 289
Calcium fluoricum . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Pulsatilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Calcium phosphoricum . . . . . . . . . . . . 144
Rhus toxicodendron . . . . . . . . . . . . . . . . 307
Causticum Hahnemanni . . . . . . . . . . . 155
Ruta graveolens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Conium maculatum . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Sepia succus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Dulcamara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Silicea terra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Hepar sulfuris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Staphisagria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
Hypericum perforatum . . . . . . . . . . . . 190
Sulfur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Ignatia amara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Thuja occidentalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Kalium carbonicum . . . . . . . . . . . . . . . . 202
VIII
Arzneimittel, Abkürzungen, Zeichen
Arzneimittel Acet-ac. Acon. Aeth. All-c. Aloe Alum. Ant-c. Ant-t. Apis Arg-n. Arn. Ars. Aur.
Aceti acidum (Acidum aceticum) Aconitum Aethusa Allium Cepa Aloe Alumina Antimonium crudum Antimonium tartaricum Apis Argentum nitricum Arnica Arsenicum Aurum
Bar-c. Bell. Bell-p. Benz-ac.
Baryta carbonica Belladonna Bellis perennis Benzoes acidum (Acidum benzoicum) Bryonia Bufo
Bry. Bufo Cact. Calc-c. Calc-f. Calc-p. Calc-s. Calend. Camph. Canth. Carb-ac. Carb-an. Carb-v. Caul. Caust. Cham. Chel. Chin. Chin-s. Cic. Cimic. Clem. Cocc.
Cactus Calcium carbonicum, Calcarea carbonica Hahnemanni Calcium fluoricum, Calcarea fluorica Calcium phosphoricum Calcarea sulfurica Calendula officinali Camphora Cantharis Carboli acidum (Acidum carbolicum) Carbo animalis Carbo vegetabilis Caulophyllum Causticum Hahnemanni Chamomilla Chelidonium majus China officinalis Chininum sulfuricum Cicuta virosa Cimicifuga (Actaea racemosa) Clematis Cocculus (Anamirta Cocculus)
Coff. Con. Coloc. Croc. Cupr. Cupr-ar. Cycl.
Coffea cruda Conium Colocynthis Crocus Cuprum Cuprum arsenicosum Cyclamen
Dros. Dulc.
Drosera Dulcamara (Solanum Dulcamara)
Echi. Euphr.
Echinacea angustifolia Euphrasia
Fl-ac.
Fluoris acidum (Acidum hydrofluoricum)
Gels. Goss. Graph. Guaj.
Gelsemium Gossypium herbaceum Graphites Guajacum
Ham. Hekla Hell. Hep. Hydr. Hyos. Hyper.
Hamamelis Hekla-Lava Helleborus Hepar sulfuris calcareum Hydrastis canadensis Hyoscyamus niger Hypericum
Ign. Ip.
Ignatia Ipecacuanha
Jod. Just.
Jodum Justitia
Kali-bi. Kali-br. Kali-c. Kali-m. Kali-s. Kreos.
Kalium bichromicum Kalium bromatum Kalium carbonicum Kalium muriaticum Kalium sulfuricum Kreosotum
Lach. Lap-a. Laur. Led. Lyc. Lyss.
Lachesis Lapis albus Laurocerasus Ledum Lycopodium clavatum Lyssinum = Hydrophobinum
Mag-c. Mag-p.
Magnesia carbonica Magnesia phosphorica
X
Einführung 1
Human- und Tierhomöopathie 2
2
Vom Arzneimittelverständnis zum Leitsymptom 4
3
Zum Aufbau des Buches 5
3.1 Signatur, Thema, Idee
6
3.2 Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels 6 3.3 Übersicht über das Arzneimittelbild
7
3.4 Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten 7 3.5 Zeichen und Symptome des Verhaltens
7
3.6 Schwerpunkte und Leitsymptome des pathologischen Geschehens 7 3.7 Auslöser und Modalitäten
7
3.8 Ausgewählte Fallbeispiele
7
I
2
I Einführung 1 Human- und Tierhomöopathie
Die homöopathische Medizin wurde vor mehr als 200 Jahren von Samuel Hahnemann begründet und existiert seither in unveränderter, noch immer gültiger und ebenso wirksamer Form. Hahnemann entwickelte das seit Urzeiten bekannte Gesetz der Entsprechung zu einem medizinischen System mit Diagnose und Therapie für den kranken Menschen: „Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden (Homoion Pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll.“ „Similia similibus curentur“ – „Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“ Homöopathische Arzneien sind hinsichtlich ihrer Wirkung am gesundem Menschen geprüft worden: Nach mehrmaliger Einnahme eines Arzneistoffes reagiert der Proband mit einem „spezifischen Leiden“, d. h. er bekommt definierte Krankheitssymptome. Ist nun ein Patient aus unterschiedlichen Gründen an eben diesem Leiden erkrankt, so kann ihn derselbe Arzneistoff – in angepasster Dosierung – wieder gesund machen. Dieser Stimulus gibt ihm den Impuls zur Eigenregulation, welche zur Heilung führt. Ein Spruch des Delphischen Orakels im alten Griechenland lautete: „Was krank macht, ist auch heilsam.“ Der homöopathische Arzt Dr. Eugenio Candegabe definiert den Sinn der homöopathischen Medizin in einem Satz: „Homöopathie ist im Grunde genommen . . . die Suche nach einer Medikation, die fähig ist, auf geistiger und körperlicher Ebene die fehlgeleitete Dynamik des Organismus, sich an die Welt anzupassen, tief greifend zu modifizieren.“
Gemäß diesen Prinzipien ruht ein enormes Potenzial an Heilungsmöglichkeiten in der homöopathischen Medizin. Hahnemann trat seit der Entwicklung der Homöopathie auch für ihre Anwendung am Tier ein. Die Humanhomöopathie hat in den letzten 40 – 50 Jahren eine enorme Entwicklung erlebt, um den Erkrankungen der Gegenwart gerecht zu werden. Generell hat eine Verschiebung im Schwerpunkt von Krankheiten bei Mensch und Tier stattgefunden. Während zu Hahnemanns Zeiten akute und infektiöse Pathologien im Vordergrund standen, so sind es heute eher vegetativ bedingte und chronisch verlaufende Zustände. Speziell für die Therapie von Haustieren gelten heute andere Bedingungen als noch vor 100 Jahren. Viele Kleintiere werden als Kind- und Partnerersatz gehalten und spiegeln in ihren Krankheiten die psychischen und körperlichen Probleme ihrer Bezugspersonen wider. Ferner gibt es Krankheitszustände von Tieren, die aus besonderen, spezialisierten Nutzungs- und Haltungsarten resultieren. Der homöopathische Therapeut muss z. B. den Erkrankungen des heutigen „Sportpferdes“ ebenso gerecht werden wie denen der Hochleistungs-Milchkuh oder denen von Ratten oder Meerschweinchen. Schließlich – und nicht zuletzt – hat sich auch das Verhältnis des Menschen zu Natur und Tier weiterentwickelt, sodass heute ein intensiverer Zugang zum Lebewesen zustande kommt. Das Potenzial der Homöopathie ist noch nicht im Entferntesten ausgeschöpft. Wenn der Zentralverein homöopathischer Ärzte verlauten lässt, die homöopathische Medizin für den Menschen stecke noch in den „Kinderschuhen“, so gilt das in noch wesentlich höherem Maße für die Tierhomöopathie. Die homöopathische Veterinärmedizin kann erst angemessen genutzt werden, wenn sie nach denselben Grundsätzen therapiert wie die heutige „klassische“ Humanhomöopathie. Nur vereinzelte Therapeuten setzen bereits heute die Homöopathie am Tier nach den Kriterien von Hahnemann und Kent ein.
1 Human- und Tierhomöopathie
nach
sicher Aude sapere Wage es, weise zu sein
dauerhaft angenehm schnell
deutlich
Homöopathischer Tempel
einzusehenden
„Krankheit und Arznei haben denselben Grund, nämlich das in der Tiefe der Natur ruhende, von daher wirkende Wesen – sein ARCANUM ist der Grund der Krankheiten, für die sie das Simile sind.“ Paracelsus
Gründen
Similia Ähnliches
Similibus durch Ähnliches
Curentur soll geheilt werden
kranker Mensch
homöop. Arznei
Procedere der Heilung
1) Ananmnese a) Untersuchung des Kranken b) Gesamtheit der Symptome c) sein Problem, Idee der Krankheit d) seine Lebenskraft 2) Gewichtung, Wertung, Hierarchisation der Symptome
Arzneimittelprüfung Arzneimittelbild Arzneimittellehre: Charakteristika Leitsymptome Idee der Arznei (Signatur, Symbol) Repertorium: seine Anwendung sein Gebrauch
1) Potenzierung der Arznei 2) Auswahl der Potenz 3) Anwendung der potenz. Arznei: a) Reaktion des Patienten auf die 1. Gabe b) Prognose der Erkrankung c) folgende Verschreibungen d) Verlauf der Heilung
Je besser die Beziehung zwischen Patient und hom. potenzierter Arznei
desto schnellere und intensivere Heilung
Heilung für den Menschen (§1 Organon Hahnemann)
„Wissenschaft ist in den Büchern und jeder genügend intelligente Mensch kann sie erlernen. – Aber die Kunst nicht: Kunst ist das Ergebnis von Sensibilität gepaart mit der Erfahrung des Künstlers – um zu handeln, muß man erst verstehen.“ Samuel Hahnemann
Abb. 1 Die drei Säulen der Homöopathie.
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I Einführung Im vorliegenden Buch wird erstmals für die Veterinärmedizin der Versuch unternommen, die Kernideen und Leitsymptome einiger der häufigsten homöopathischen Arzneimittel so darzustellen, dass sie den Anforderungen einer modernen homöopathischen Praxis gerecht werden, wie es heute in der Humanhomöopathie üblich ist. Damit möge sich die Tierhomöopathie ein wenig dem Niveau der Humanhomöopathie annähern. Es ist das wesentliche Anliegen des Buches, Impulse zum Verständnis von homöopathischer Arznei und Tierpatienten zu geben. Die Einsicht in das Wesen des Arzneistoffes lässt die homöopathischen Mittel zu lebendigen Bildern werden, in denen die Einzelsymptome einen Bezug zum Ganzen gewinnen. So erhält das Arzneimittelbild einen Zusammenhalt: Als in sich geschlossener Bewusstseinsinhalt steht es dem Gedächtnis für einzelne assoziative Bezüge zu den Zeichen und Symptomen der Patienten zur Verfügung. Dagegen bringt das reine Auswendiglernen von Symptomen und Indikationen genauso viel zusammenhangloses Stückwerk, als wollte man sich eine lebendige Fremdsprache durch Vokabellernen aus dem Lexikon aneignen. Das Verständnis von Wesen und pathophysiologischen Reaktionsweisen unserer Tierpatienten ist eine Voraussetzung für die Verordnung des passenden Simile. Kent sagt dazu: „Gedächtnis ist so lange nicht Wissen, solange die Sache nicht begriffen und angewandt worden ist.“
Jeder homöopathische Therapeut steht vor dem Problem, aus der unspezifischen Materia medica homöopathica das individuell passende Arzneimittel für Zustand und Pathologie des Patienten herauszufinden. Dabei zeigt jeder einzelne Patient einen unterschiedlichen Ausschnitt aus dem jeweiligen umfassenden Arzneimittelbild. Aber auch jede Spezies und manche Rassen zeigen schwerpunktmäßige Bezüge zu bestimmten Arzneimitteln oder deren Facetten. In den Arzneimitteldarstellungen werden ganz spezifische Eigenheiten der Haustiere in ihrer individuellen Ausprägung mit Pathologie aufgezeigt. Es handelt sich dabei größtenteils um Mittel, die über ein besonders breites Wirkungsspektrum verfügen und als Polychreste bezeichnet werden. Der homöopathische Arzneischatz, die „Materia medica homöopathica“, basiert auf Arzneimittelprüfungen am Menschen. Damit ist auch der Mensch für die Tierhomöopathie immer die entscheidende Bezugsgröße – für viele Therapeuten ein ungewohnter Denkvorgang. Dennoch finden wir am Tier nichts, das nicht – zumindest latent oder homolog – auch im Menschen vorhanden ist, seien es körperliche Organe, Verhaltensmuster oder die Grundform einer Pathologie. Die humanmedizinische Materia medica lässt sich erfahrungsgemäß grundsätzlich analog am Tierpatienten anwenden, bedarf jedoch in vielen Fällen besonderer Überlegungen. Ein versierter Humanhomöopath zu sein, impliziert nicht gleichzeitig den guten Tierhomöopathen – und umgekehrt.
2 Vom Arzneimittelverständnis zum Leitsymptom James Tyler Kent, einer der wichtigsten Nachfolger Hahnemanns, prägte den Aphorismus: „Erfasse zuerst das Mittel, dann die Leitsymptome.“ Dieser Ausspruch passt in vollkommener Weise zum Thema und Aufbau des vorliegenden Buches. Unter „Mittel“ versteht Kent die ursprüngliche Form und Bedeutung, die „grundlegende Natur“ eines Arzneistoffes, gleichsam als materieller Ausdruck einer geordneten „In-Form-ation“.
Leitsymptome nehmen darin eine wesentliche Stellung ein, sind den anderen Symptomen des Arzneimittelbilds übergeordnet und ermöglichen so den Zugang zum Krankheitsbild des Patienten. Das Verständnis der „grundlegenden Natur“ eines Mittels erleichtert das Erkennen von analogen Zusammenhängen und das bildhafte Erlernen homöopathischer Arzneimittel. Arzneimittelbilder umfassen Auslöser, Entwicklung und Schwerpunkt einer Pathologie, das Er-
3 Zum Aufbau des Buches scheinungsbild des Patienten, seine Gemütsverfassung und sein Verhalten. Wer ein Arzneimittel in seiner „grundlegenden Natur“ verstehen will, muss eine übergeordnete „Idee“ des Mittels im Sinn haben, welche dessen „Gesamtheit der Symptome“ gleichsam im Innersten zusammenhält und damit dem „Inbegriff der Symptome“ sehr nahe kommt. Das ist Hahnemanns Ausdrucksweise für das Wesentliche einer Arznei. Dieses „geistige Band“ macht die „Summe der Teile“ – der Einzelsymptome eines Arzneimittelbildes – zu „einem Ganzen“, das dem Homöopathen als erlernter und verstandener Bewusstseinsinhalt zur Verfügung stehen sollte. Autoren der Humanhomöopathie bezeichnen solche Darstellungen auch als „Essenz“, „Kernelement“, „Seele“, „Idee“ oder „Portrait“ eines Arzneimittels. „Ähnlichkeit“ – das Grundprinzip der Homöopathie – ist ein wenig präziser Ausdruck, der erst durch bestimmte Kriterien definiert werden muss. Die „Leitsymptome“ gehören zu diesen Kriterien der „Ähnlichkeit“ zwischen Arznei und Patient. Das sind solche Symptome eines Arzneimittels, die sich in der Arzneimittelprüfung und in der Therapie am Patienten als besonders herausragende Schwerpunkte gezeigt haben und gewissermaßen eine Schlüsselfunktion („Schlüsselsymptom“ oder „Keynote“) für die Wahl des passenden Mittels einnehmen. Sie gehören meist zu den
die Hahnemann im § 153 seines Organon als wesentliches Kriterium der Ähnlichkeit „besonders und fast einzig fest ins Auge zu fassen“ betont: „Vorzüglich diesen müssen sehr ähnliche in der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen.“ Als zweiten wichtigen Punkt für die Arzneimittelwahl erklärt Hahnemann in § 213 seines Organon: „Man wird nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem Krankheitsfalle zugleich mit auf das Symptom der Geistes- und Gemütsverfassung sieht.“ Auch diese Symptome können die Funktion von Leitsymptomen haben. Die „Geistes- und Gemütsverfassung“ entspricht dem Verhalten beim Tier. In manchen Arzneimittelbildern gibt sich das so deutlich zu erkennen, dass (wie beim Menschen) regelrechte Persönlichkeitsportraits von Hunden, Katzen, Pferden und anderen Tieren erstellt werden können. Bei all dem geht es nach Kent nicht um Spekulationen oder Hypothesen: „Homöopathie ist angewandte Wissenschaft und keine Theorie. Man versündigt sich gegen die Wissenschaft, wenn man ohne exaktes Wissen und ohne Begründung für sein Tun praktiziert.“
„sonderlichen, auffallenden, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptomen“,
3 Zum Aufbau des Buches Die Ausführungen des vorliegenden Buches sind nicht wie eine Arzneimittellehre konzipiert, sondern auf ein ganzheitliches Verständnis der Arzneien und deren Anwendung in der Praxis orientiert. Die einzelnen Angaben gründen sich prinzipiell auf den Arzneimittelprüfungen der Humanhomöopathie. Jahrzehntelange Erfahrung in der tierärztlichen Praxis ließen gewisse Schwerpunkte für spezielle Tier-Persönlichkeiten und deren Erkrankungen herauskristallisieren. In Teil II des Buches soll ein allgemeiner Teil skizzenhaft die Grundlagen und Praxis der ho-
möopathischen Medizin aufzeigen, um Missverständnissen in der Anwendung homöopathischer Mittel vorzubeugen. Diese Übersicht kann jedoch keineswegs das Studium der homöopathischen Grundlagenliteratur ersetzen (s. Literaturhinweise). Ferner sind hier wesentliche Gedanken über Wesen und Pathophysiologie („Miasmen“) einiger Spezies dargestellt, die den homöopathisch-arzneilichen Zugang erleichtern sollen. In Teil III werden die Strukturen von 33 wichtigen homöopathischen Mitteln dargestellt.
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I Einführung Die Tierhomöopathie hat ein weites und äußerst interessantes therapeutisches Feld zu bearbeiten: Schließlich geht es nicht nur um den Homo sapiens, sondern um eine Fülle an verschiedenen Spezies und Rassen, die alle über unterschiedliche Verhaltensmuster, Metabolismen und Krankheitsdispositionen verfügen, welche aber auch beim Menschen nicht unbekannt sind: Diese Individualität im Tier ebenso zu erkennen, ist der Weg der „Klassischen (Tier-)Homöopathie“, der Homöopathie Hahnemanns. Aus didaktischen Gründen sind die Darstellungen der Arzneimittel in folgende Abschnitte gegliedert: 1. Signatur, Thema und Idee des Mittels 2. Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels 3. Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte 4. Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten 5. auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens 6. Schwerpunkte und Leitsymptome des pathologischen Geschehens 7. Auslöser und Modalitäten 8. ausgewählte Fallbeispiele
Die Betrachtungsweise beider Autoren lässt sich unter dem Begriff der Signatur zusammenfassen. Auch einige moderne Autoren weisen auf solche Zusammenhänge hin, die teilweise so verblüffend erscheinen, dass sie nicht mehr allein dem Zufall zugeschrieben werden können (Whitmont, Appell u. a.). Damit soll keineswegs gesagt sein, dass allein durch hypothetisch konstruierte Analogien zwischen Art und Vorkommen bzw. Lebensweise einer Substanz oder Pflanze auf ihre pharmazeutische Wirkung oder auf ein Arzneimittelbild geschlossen werden könnte. Hier dient der Abschnitt „Idee und Signatur“ in erster Linie als Mittel der Didaktik, um die Arzneimittellehre verständlich und lernbar zu gestalten. Wer sich „dem Sehen im Lichte der Natur“ und den zugehörigen naturphilosophischen Gedanken öffnen will, mag die Zusammenhänge zwischen Eigenschaften der Ausgangssubstanz und dem Arzneimittelbild als Geheimnis der Schöpfung ansehen (Schlegel, Religion der Arznei). Wer dem nicht folgen möchte, möge die Darstellungen dieser komplexen Bilder lediglich als kuriosen, didaktischen Trick betrachten. Bekanntlich ist das gleichzeitige bildhafte und verstandesmäßige Erfassen von Lerninhalten hervorragend für Gedächtnisleistungen geeignet.
3.1 Signatur, Thema, Idee Die Signatur eines homöopathischen Arzneimittelbilds ist aus der Zusammenschau mit dem Ausgangsstoff eines Arzneimittels (Pflanze, Tierstoff, Mineral, Nosode) und dem Arzneimittelbild zu einem Thema bzw. einer Idee verdichtet worden. Die ursprüngliche Signaturenlehre beruht auf den archaischen Gesetzen des Hermes Trismegistos: „Wie oben so unten, innen wie außen, der Mikrokosmos entspricht dem Makrokosmos.“ Paracelsus nannte das Erkennen einer Signatur „das Sehen im Lichte der Natur“. Emil Schlegel und William Gutmann, beide bedeutende, weltweit bekannte homöopathische Ärzte der Vergangenheit, betrachteten die lebendige Gestalt der Pflanze, eines Tierstoffs oder eines Minerals mit ihren physiologischen und toxikologischen Eigenschaften als Ausdruck ihrer Wirkkräfte, die mit den Ergebnissen der Arzneimittelprüfung in einem naturgesetzlichen Zusammenhang stehen. Beide wollten damit einen Beitrag „zum Verstehen der Natur der Substanz“ leisten, welcher „dem Prozess der Kausalität übergeordnet“ ist.
3.2 Grundsätzliche
Eigenschaften des Mittels Die grundsätzlichen Eigenschaften des Mittels beschreiben die Wirkungsweise, deren Intensität sowie allgemein gehaltene Eigenschaften des Arzneimittels. Art und Schnelligkeit der Entwicklung der Pathologie bezeichnen die Dynamik des Krankheitsgeschehens. Daraus resultieren vereinzelte Hinweise auf eine möglicherweise angezeigte Wiederholung der Mittelgabe, abhängig vom Verlauf der Heilung. Manche Arzneimittel zeigen einen besonderen Bezug zu bestimmten Spezies oder Tierrassen und deren Disposition zu bestimmten Erkrankungen. Auch auf Gemeinsamkeiten bzw. Möglichkeiten einer Verwechslung mit anderen Mittel oder eine besondere Abfolge von Ergänzungsmitteln wird hingewiesen, ferner auf Verwechslungsmöglichkeiten mit ähnlichen Mitteln, Kontraindikationen und Missverständnisse.
3 Zum Aufbau des Buches 3.3 Übersicht über das
Arzneimittelbild Die Übersicht über das Arzneimittelbild dient der schnellen Orientierung über Schwerpunkte, Leitsymptome und wesentliche Modalitäten ohne Angabe von Einzelheiten.
3.4 Physiognomie und
Erscheinungsbild des Patienten Das Aussehen des Patienten, der erste Eindruck, kann durchaus Hinweise für die Mittelwahl geben: Haar- und Augenfarbe, körperliche Entwicklung und Gestalt, Körperhaltung, Körpertemperatur, Temperament. Natürlich ist diese Physiognomie in Relation zu Art und Schwere der Erkrankung zu setzen. Nicht jeder Patient muss dem angegebenen Bild entsprechen. Es handelt sich in der Homöopathie um Möglichkeiten der Abweichung vom „Normalen“. Negativsymptome sind grundsätzlich unter Vorbehalt einzuschätzen (s. Teil II).
3.5 Zeichen und Symptome des
Verhaltens Die beschriebenen Verhaltensweisen homöopathischer Tierpatienten wurden im Laufe von jahrzehntelanger Praxis beobachtet und immer wieder bestätigt. In chronischen Fällen gelingt es oft mithilfe dieser Verhaltenssymptome, das passende Mittel zu finden. Manchmal kann auch im Akutfall eine Verhaltensänderung als Schlüsselsymptom für das passende Arzneimittel gewertet werden. Aber nicht jeder Patient zeigt das beschriebene Arzneimittel-spezifische Verhalten. Manche Arzneien treten uns häufiger mit ihrem zugehörigen Verhalten gegenüber (z. B. Pulsatilla), manche weniger häufig. In den speziellen Fällen „einseitiger“ oder „lokaler Krankheiten“ (s. Teil II) fehlen solche Verhaltensweisen häufig gänzlich.
3.6 Schwerpunkte und
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Dieses Kapitel beschreibt Leitsymptome und gibt Anhaltspunkte für Indikationen, die jedoch nicht im Sinn von „bewährten Indikationen“ der organotropen Homöopathie zu verstehen sind (s. Teil II). Die Angaben resultieren aus den Arzneimittelbildern des Menschen, aus den Rubriken des Repertoriums sowie aus zahllosen praktischen Erfahrungen eigener homöopathischer Tierpraxis. Jeder Patient stellt immer nur einen Ausschnitt aus dem gesamten Arzneimittelbild dar, welcher meist begleitet ist von Modalitäten, die sich durch das gesamte Arzneimittelbild ziehen.
3.7 Auslöser und Modalitäten In diesem Abschnitt sind wesentliche Ursachen und Auslöser der Pathologie sowie die hauptsächlichen Modalitäten katalogisiert.
3.8 Ausgewählte Fallbeispiele Es handelt sich hier ausschließlich um Patienten, die einzig durch Homöopathie – ohne anderweitige Therapie – zur Heilung bzw. Besserung geführt wurden. Die Darstellungen und Kasuistiken entspringen den Erfahrungen und Beobachtungen an unzählbaren Patienten aus mehr als 25 Jahren Praxis. Leider sind im Laufe der Zeit durch mehrfache Ortswechsel viele Fall-Belege verloren gegangen. Häufig kommen in der kurativen Praxis die Erfolgsmeldungen der zurückliegenden Therapie erst Monate oder Jahre später, der Patient wird an neue Besitzer weitergegeben oder fällt einem Verkehrsunfall zum Opfer, sodass über eine langfristige Beobachtung nichts mehr ausgesagt werden kann. Dennoch reihen sich die Erfahrungen und Beobachtungen so aneinander, dass sich die praktischen Erfahrungen im Folgenden zusammenfassen lassen. In diesem Kapitel findet ein großer Teil der Leitsymptome seine Bestätigung in der Praxis. Die behandelten Erkrankungen kamen oft aus vergeblicher schulmedizinischer Vorbehandlung, waren zum Teil bereits „austherapiert“ oder zeigten eine infauste Prognose.
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I Einführung Die Fälle stammen größtenteils aus der eigenen Praxis, zum Teil von Dr. Hartmut Krüger und einige noch aus unserer gemeinsamen Praxis. Die Kasuistik soll den Weg von der Anamnese zur Mittelwahl, die praktische Anwendung dieser Leitsymptome demonstrieren. Es gelangen unterschiedliche Wege der Arzneimittelwahl zur Anwendung: In manchen Fällen gibt das Verhalten den Ausschlag, dann deutliche Modalitäten oder die „Gesamtheit der Symptome“. Teilweise handelt es sich um banale lokale Beschwerden, um Verhaltensstörungen oder um schwerwiegende Erkrankungen mit zweifelhafter Prognose. Akute, subakute, chronische und „konstitutionelle“ Verordnungen zeigen die Übertragung der Symptome des Patienten in die Ausdrucksweise des Repertoriums. Die verschiedenen Fälle von ein und demselben Mittel verweisen auf die unterschiedlichen Aspekte, die uns mit diesem Mittel begegnen können. Aus der Vielzahl bestimmter Beobachtungen ließ sich ein „Genius morbi“ (konstanter Krankheitsverlauf) konstruieren, der nun für den Praxisgebrauch zur Verfügung steht.
Als Beispiele seien erwähnt: Lycopodium für Harnwegsprobleme bzw. -steine von Katern Phosphor für das lineare eosinophile Granulom sowie für das Lippengranulom der Katze Phosphor für die Vergiftungen mit Petroleum („Ölpest“) Arsen, Phosphor, Nux vomica, Pulsatilla oder Lycopodium als häufigste Indikation für Katzen mit Nierendegeneration Apis, Bryonia, Nux vomica, Pulsatilla oder Pyrogenium als häufigste Indikation für die akute Hufrehe der Pferde Conium als häufigstes Mittel (neben anderen!) für den Mammatumor der Hündin Arsen für die Hauterkrankungen von Ratten usw. Thuja als häufigstes Mittel für chronisch kranke Esel Diese Angaben sind jedoch weder vollständig noch verbindlich. Gerade für den Tierpatienten gilt es noch vieles zu entdecken. Solche Forschungen und Erfahrungen sind in Zusammenarbeit mit Kollegen für die Weiterentwicklung der Homöopathie dringend erforderlich! Die angeführten Beispiele mit zum Teil überraschend schnell verlaufender Genesung von schwersten Krankheiten mögen dem Leser Mut machen, selbst nach der Lehre Hahnemanns zu therapieren und in seinem Sinn zu handeln: „Macht‘s nach, aber macht‘s genau nach!“
Allgemeiner Teil 1
Grundlagen der Homöopathie 10
1.1 Entwicklung der Homöopathie – Samuel Hahnemann 10 1.2 Das Ähnlichkeitsgesetz
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1.3 Arzneimittelprüfung – Arzneimittelbild – Materia medica homöopathica 12 1.4 „Lebenskraft“
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1.5 Funktionsweise der Homöopathie
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1.6 Qualitative Kriterien der Homöopathie – Entstehung von Krankheiten
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1.7 Paradigmen der akademischen und homöopathischen Medizin 18 1.8 Krankheit – Heilung in der Homöopathie 20 1.9 Entstehung chronischer Krankheiten bei Tieren
22
1.10 Hahnemanns Theorie über die Entstehung von Krankheiten 28 1.11 Verschiedene Methoden der Homöopathie 37
2
Praxis der Tierhomöopathie 40
2.1 Die drei Säulen der Homöopathie
40
2.2 Ausnahmen im homöopathischen Procedere 50 2.3 Der Verlauf der Heilung
51
II
10
II Allgemeiner Teil 1 Grundlagen der Homöopathie
Dieser allgemeine Teil soll dem Verständnis der homöopathischen Medizin dienen. Er wendet sich insbesondere an solche Leser, die der Homöopathie mit Skepsis gegenüberstehen. Der bereits praktisch tätige Homöopath möge einige Anhaltspunkte finden, dem Tierbesitzer fragliche Fakten zu erklären. Zusätzlich werden grundlegende Anstöße zum Verständnis und zur Anwendung der Homöopathie am Tier gegeben. Zahllose neue Theorien und Richtungen prägen heute die homöopathische Medizin. Sie sind nicht nur bedingt durch die konträren Paradigmen zwischen Schulmedizin und Homöopathie, sondern auch durch unterschiedliches oder mangelndes Verständnis der Homöopathen selbst. Unterschiedliche Richtungen der Homöopathie spielen besonders in der Tierhomöopathie eine beträchtliche Rolle (s. u.). Für die Heilung eines Patienten kommt es in erster Linie darauf an, seine Gesundheit nach Hahnemanns Forderung „schnell, angenehm, sicher und dauerhaft“ wiederherzustellen.
1.1 Entwicklung der
Homöopathie – Samuel Hahnemann Die Homöopathische Medizin wurde begründet von dem Arzt und Apotheker Dr. Christian Friedrich Samuel Hahnemann, geboren 1755 in Meißen, gestorben 1843 in Paris. Hahnemann lehnte die nicht reproduzierbaren Spekulationen und Mutmaßungen seiner Zeit über die Wirkung von Arzneien ab. Er verwarf strikt die damals neue Idee von Tierversuchen als Prüfmethode für ,menschentaugliche‘ Heilmittel. Zeit seines Lebens widmete er sich der Entwicklung der homöopathischen Medizin, deren therapeutische Möglichkeiten von seinen Nachfolgern bis heute noch nicht im Entferntesten ausgeschöpft sind. Im Jahr 1810 legte Hahnemann seine Erfahrungen, die Gesetzmäßigkeiten und Anweisungen für die Homöopathie im „Organon der Heilkunst“ (griech. organon = Werkzeug) nieder. Diese In-
struktionen bestätigen und bewähren sich tagtäglich in der homöopathischen Therapie von Patienten aller Art. Noch heute ist dieses „Organon“ weltweit das grundlegende Arbeitsbuch für die seriöse Homöopathie. Das Organon wurde von James Tyler Kent (1849 – 1916) mit Kommentaren versehen und als „Kent‘s Philosophy about Organon“ herausgegeben, in der deutschen Übersetzung „Vorlesungen Kent's zum Organon“ oder „Prinzipien der Homöopathie“. Dieses Werk ist heute noch die unverzichtbare Grundlektüre für Verständnis und Anwendung der Homöopathie Hahnemanns, auch für die Veterinärmedizin. Die homöopathische Medizin breitete sich im 19. Jahrhundert schnell weltweit aus. Eine große Blütezeit erlebte sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA, insbesondere durch den Einfluss von Constantin Hering und durch James Tyler Kent. Der Siegeszug der Pharma- und Chemotherapie brachte zunächst in Europa und Amerika einen Stillstand und den Rückgang für die Homöopathie. Erst seit etwa der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als der Schweizer Homöopath Dr. Pierre Schmidt und sein Schüler Dr. Jost Künzli die Werke von J. T. Kent auch den europäischen Ärzten zugänglich machten, begann in Europa wieder ein langsam fortschreitender Aufschwung für die Homöopathie. Ein weltweit wirksamer Impuls geht seit ungefähr 35 Jahren von dem griechischen Homöopathen Georgos Vithoulkas aus. Nach Vithoulkas ist die Homöopathie die „Medizin der Zukunft“.
1.1.1 Entwicklung und Stand der
Tierhomöopathie Von Hahnemanns Zeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es einige homöopathische Tierärzte, die beeindruckende Falldokumentationen hinterließen, diese aber leider nicht immer in nachvollziehbarer Form dargestellten. Boenninghausen, einer der besten Schüler zu Lebzeiten Hahnemanns, veröffentlichte eine ganze Liste erfolgreich behandelter Tierpatienten. Diese waren auch seine ersten Patienten, an denen er 1866 die 200. Centesimal-Potenz erprobte.
1 Grundlagen der Homöopathie Ab etwa 1950 war es das große Verdienst von Dr. Hans Wolter, dass er die Homöopathie für die Veterinärmedizin wieder zugänglich gemacht hat. Er arbeitete überwiegend gemäß der damals aktuellen „naturwissenschaftlich-kritischen Richtung“ nach organotropen Kriterien, womit man zwar manche akuten Erkrankungen erfolgreich angehen, aber chronisches Leiden meist nicht durchgreifend heilen kann. (Organotrope Homöopathie berücksichtigt in erster Linie das lokale Krankheitsgeschehen an einem Organ und lässt die Individualität des Patienten weitgehend außer Acht. Damit versuchte die naturwissenschaftlich-kritische Richtung der Homöopathie einen Kompromiss mit der Schulmedizin einzugehen.) Leider fristet die Tierhomöopathie heute noch immer ein vernachlässigtes Dasein am Rande der etablierten akademischen Medizin und wird vielfach als Placebo belächelt, obwohl die Tierbesitzer vermehrt nach homöopathischer Behandlung verlangen. Das Potenzial der homöopathischen Medizin wird besonders in der Veterinärmedizin noch immer gewaltig unterschätzt, was durch mangelhafte Therapieerfolge bestätigt wird. Die Ursache hierfür liegt größtenteils in ungenügender Kenntnis der homöopathischen Arzneimittel und des homöopathischen Procedere. Das Erlernen der Homöopathie erfordert ebenso viel Mühe wie ein gesamtes Medizin-Studium. Aber gerade dem akademischen Mediziner fällt es schwer, das analoge, phänomenologische, kybernetisch orientierte Vorgehen der Homöopathie in das gewohnte kausal-analytische Denken der heutigen Hochschulwissenschaft zu integrieren. Anerkennung und Verbreitung der homöopathischen Medizin leiden eminent unter dem insbesondere in der Medizin noch immer gültigen materialistischen Paradigma der letzten 250 Jahre.
1.2 Das Ähnlichkeitsgesetz Dem kategorischen Imperativ von Hahnemann „Similia similibus curentur“ liegt das Gesetz der Entsprechung zugrunde. Hippokrates und später Paracelsus sahen in der äußeren Natur die Entsprechung zum Menschen: „Der Mensch als Mikrokosmos ist ein Teil der großen Natur.“
„Die Natur des menschlichen Körpers ist ähnlich der großen Natur.“ „Durch das ähnliche Prinzip (der Natur) entsteht die Krankheit, und durch Anwendung des Ähnlichen wird die Krankheit geheilt.“ Diese überlieferten Thesen finden ihre Bestätigung im modernen Denken in kybernetischen Zusammenhängen: Die Veränderung eines Bausteins in einem Netzgefüge zieht automatisch eine Änderung anderer Teile nach sich; und wenn diese in den ursprünglichen Zustand reponiert werden, gelangt auch der erste Baustein wieder in seine Ausgangsposition. So kann jede Gesundheitsstörung als „ein Schrei nach dem Heilmittel“ angesehen werden, der das analoge Prinzip oder Muster aus dem Naturreich verlangt, welches der Krankheit entspricht, um die gestörte Balance der gesunden Lebenskraft im Patienten wieder herzustellen (C. Hering). Hahnemanns Verdienst ist es, das Ähnlichkeitsgesetz zu einem medizinischen System ausgebaut zu haben, das sowohl Diagnose („Arzneimitteldiagnose“) als auch Therapie (durch dieses Arzneimittel) beinhaltet. Er fordert eine Heilung, die nicht nur „schnell, angenehm, dauerhaft und sicher“, sondern auch „nach deutlich einzusehenden Gründen“ erfolgen soll. Damit appelliert er schon zu seiner Zeit an eine wissenschaftlich fundierte, reproduzierbare Arzneiwirkung: „Jede wahre Arznei wirkt zu jeder Zeit, unter allen Umständen auf jeden lebenden Menschen und erregt in ihm die eigentümlichen Symptome, sodass jeder menschliche Organismus jederzeit von der Arzneikrankheit behaftet wird.“ (Organon § 32) Allerdings richten sich seine Kriterien der Reproduzierbarkeit nach anderen Gesichtspunkten, als sie in der heutigen akademischen Naturwissenschaft üblich sind. Das Ähnlichkeitsgesetz „Similia similibus curentur“ bildet die Grundlage, die drei Säulen der homöopathischen Medizin (s. Abb. 1 in Teil I): „Similia“ entspricht dem Patienten (§§ 72 – 104 des Organon), „Similibus“ der homöopathischen Arznei (§§ 105 – 145 des Organon), „Curentur“ dem Procedere der Heilung (§§ 146 – 291 des Organon).
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II Allgemeiner Teil Nur eine Arznei, die dem Patienten in den wesentlichen „Zeichen und Symptomen“ am ähnlichsten ist, die eine optimal ähnliche Beziehung zum Patienten aufweist, kann diesen dauerhaft heilen („Similimum“ = das Ähnlichste). Dieses „Ähnlichste“ agiert nach einer Art Resonanzprinzip („Idiosynkrasie“), damit ist eine individuelle „persönliche Ansprechbarkeit“ gemeint (Berndt); in der Ausdrucksweise des englischen Biologen Rupert Sheldrake lässt sich die Beziehung zwischen Similimum und Patient auch als „morphische Resonanz“ bezeichnen.
1.3 Arzneimittelprüfung –
Arzneimittelbild – Materia medica homöopathica Die Anwendung des Ähnlichkeitsgesetzes fordert eine genaue Kenntnis der für den Patienten infrage kommenden Arznei, die in der homöopathischen Arzneimittelprüfung dokumentiert worden ist. Im § 22 des Organon heißt es: „Arzneien werden nur dadurch zu Heilmitteln, weil sie künstliche Krankheitssymptome erzeugen können.“ Um die pathogene Wirkung einer Arznei zu prüfen, nimmt ein gesunder Mensch in festgesetzten Intervallen eine gewisse Menge eines Arzneistoffes ein und bemerkt nach einiger Zeit spezifische Beschwerden. Diese werden in allen Äußerungen und Empfindungen gewissenhaft protokolliert. Die Symptome einer Arzneimittelprüfung treten sowohl bei toxischer Dosierung als auch bei Einnahme gehäufter Dosen potenzierter Arzneien ein, sogar wenn die Potenzstufe jenseits der Lohschmidt‘schen Zahl (oberhalb D 28 oder C 12) liegt, in der kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr enthalten ist. Hahnemann empfahl für die Arzneimittelprüfung die Einnahme der 30. CentesimalPotenz einmal pro Tag. In der Regel treten Prüfungssymptome nach 6 Tagen auf oder früher. Nach Aussetzen der Arzneimittelprüfung lassen diese wieder nach und klingen aus. Natürlich werden homöopathische Arzneien nicht bis zum Auftreten schwerer organischer Schäden geprüft. Solche Symptome im Arzneimittelbild leiten sich aus toxikologischen Beobachtungen her oder sind bei der Heilung von Kranken beobachtet und dokumentiert worden.
Die Ergebnisse einer Arzneimittelprüfung an verschiedenen Probanden sowie toxikologische Beobachtungen werden zusammengetragen als Arzneimittelbild, dessen Symptome durch erfolgreichen therapeutischen Einsatz am Patienten in vielen Fällen zusätzlich bestätigt wurden. Die „Zeichen und Symptome“ eines Arzneimittelbildes enthalten gewisse Schwerpunkte, die sowohl das pathologische Geschehen als auch die Gemütsverfassung sowie deren besonders spezifische Leitsymptome („Keynotes“) des Arzneimittelbildes in den Vordergrund stellen. Deren Kenntnis erleichtert ungemein die Auswahl der passenden Arznei für den Patienten. Inzwischen sind mehr als 500 Arzneistoffe gründlich am Menschen geprüft worden; es gibt zahlreiche weitere homöopathisch zubereitete Arzneien, von denen nur erst eine Teilwirkung erfasst wurde. Die Gesamtheit der homöopathisch geprüften Arzneien bezeichnet man als Materia medica homöopathica, die in den Arzneimittellehren dargestellt ist. Um die zahlreichen Symptome der Arzneimittelprüfungen für den Patienten „wieder zu finden“, wurden diese nach Körperregionen katalogisiert und sind im Repertorium (lat. reperire: wiederfinden) nachzuschlagen. Hier sind fast alle erdenklichen Zeichen und Symptome des Menschen mit den Angaben der jeweils dafür infrage kommenden Arzneimittel aufgezeichnet. Dieses Werk umfasst heute, je nach Herausgeber, 1 200 – 3 800 Seiten. Das Repertorium ist das unentbehrliche Handwerkszeug des Homöopathen, ohne das in vielen Fällen keine präzise Arzneimittelwahl erfolgen kann. Die Anwendung dieses Nachschlagewerks ist – insbesondere für das Tier – nicht einfach und wird am besten in „Repertorisationskursen“ unter entsprechender Anleitung erlernt. Heute bietet sich die Repertorisation mit dem Computer an; aber auch dies bedarf präziser Kenntnisse des Repertoriums und eine gewisse Einarbeitung, um ein Mittel richtig auswählen zu können.
1.4 „Lebenskraft“ Als verantwortliches Prinzip für Gesundheit, Krankheit und Heilung erkannte Hahnemann die „Lebenskraft“ oder „Dynamis“; dieser Begriff ist seit der Existenz jeglicher Art von Medizin bekannt
1 Grundlagen der Homöopathie – mit Ausnahme der heutigen ,Hochschulmedizin‘. In der traditionellen Chinesischen Medizin wird sie z. B. als ,Chi‘ bezeichnet. Die „Lebenskraft“ ist das belebende Prinzip, das einen Leichnam vom lebendigen Organismus unterscheidet. Eine gesunde Lebenskraft bringt uns Elan, Lebensfreude und eine belastbare, selbst regulierende Immunabwehr und die Kraft zur Restitutio bzw. Heilung von Krankheiten. Eine „aus dem Gleichgewicht geratene“ oder „verstimmte Lebenskraft“ verschafft uns schlechte Laune, reizbare oder depressive Stimmung, Erschöpfungszustände oder sorgt dafür, dass wir an Infekten, akuten oder chronischen Gesundheitsstörungen leiden. In Hahnemanns Organon heißt es: „Im gesunden Zustand des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den materiellen Körper belebende Lebenskraft unumschränkt und hält alle seine Teile in bewundernswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Tätigkeiten.“ „Krankheiten sind dynamische Verstimmungen unseres geistartigen Lebens in Gefühlen und Tätigkeiten“, das sind „immaterielle Verstimmungen unseres Lebens“. Die „Verstimmung der Lebenskraft“ kann sich in unzähligen Symptomen und Erkrankungen äußern. „Es gibt keine noch so kleine Zelle oder ein Gewebe, das nicht Lebenskraft enthielte.“ (Kent)
Dementsprechend wirken homöopathische Arzneien nicht auf Krankheitserreger oder gegen Krankheiten, nicht durch einen pharmakologisch definierten Effekt oder über einen „Blutspiegel“, sondern einzig durch Aktivierung dieser Lebenskraft, indem sie subjektives Wohlbefinden und eine belastbare Eigenregulation herstellen. In einem solchen gesunden Organismus haben Krankheitserreger keine Chance, pathogen zu wirken, ihnen wird durch eine gesunde Immunreaktion der Boden entzogen. Der § 1 des Organon bezeichnet einen wesentlichen Aspekt der Homöopathie:
„Des Arztes höchster und einziger Beruf ist es, kranke Menschen (das kranke Lebewesen – Anm. d. Verf.) gesund zu machen, was man Heilen nennt.“ Auch hier ist nicht die Rede von Krankheiten, von Erregern oder pathologischen Veränderungen, sondern von der Gesundwerdung des Menschen, zu verstehen wie die Definition von Gesundheit gemäß WHO (World Health Organisation): „Gesundheit ist körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden, nicht allein die Abwesenheit von Krankheiten.“ „Wohlbefinden“ ist ein subjektives, nicht quantitativ messbares Erleben, das wir beim Menschen ebenso wie beim Tier beobachten können.
1.5 Funktionsweise der
Homöopathie 1.5.1 Potenzierung Hahnemann entwickelte ein geniales Zubereitungsverfahren seiner Heilmittel: Er postulierte, die Arznei müsse der Dynamis, der Lebenskraft, angepasst, also dynamisiert oder potenziert sein. „Wir potenzieren deshalb, um das Mittel so fein zu machen, dass es die Lebenskraft einfließen kann. Wir müssen immer daran denken, dass die Lebenskraft eine geistige Substanz ist und dass das, was heilt, ebenfalls geistige Substanz sein muss.“ (Kent) „Potenzieren“ bedeutet ursprünglich „Kraft-Freisetzen“. In diesem Sinn ist der Vorgang des Potenzierens zu verstehen: Je intensiver potenziert worden ist, desto stärker ist die Wirkung. Unter Potenzieren versteht man das stufenweise Verdünnen mit jeweiligen dazwischen geschalteten starken Schüttelschlägen. Feste Stoffe oder Pflanzenteile werden jeweils 1 Stunde im Verhältnis 1 : 100 mit Milchzucker verrieben und anschließend, ab C 3, als Dilution (flüssige Zubereitung) weiterverarbeitet. Je nach Verdünnungsgrad spricht man von Dezimal-Potenzen (Verdünnungsschritt 1 : 10), von Centesimal-Potenzen (Verdünnungsschritt 1 : 100) oder von LM- oder Q-Potenzen (1: 50 000). Dezimal-Potenzen haben sich besonders im deutschsprachigen Raum durchgesetzt, die Cente-
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II Allgemeiner Teil simal-Potenzen Hahnemanns sind weltweit verbreitet und wirken intensiver als Dezimal-Potenzen. Für Q-Potenzen gelten besondere Dosierungsvorschriften. Der Vorgang des ,Potenzierens‘ oder ,Dynamisierens‘ trifft noch heute auf das Unverständnis der akademischen Wissenschaft, insbesondere wenn die Arznei soweit verdünnt ist, dass kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden sein kann (Lohschmidt‘sche Zahl ab D 28 oder C 12). Kent sagt dazu:
Daraus folgen wesentliche Überlegungen zur Auswahl der Potenz im Krankheitsfall (s. Kap. 2.3). Kent sagt dazu, Arzneien können nicht heilen, wenn sie nicht potenziert werden bis zu der Ebene, auf der der Mensch (Organismus) krank ist. „Unpotenzierte Arzneien wirken nur im niedrigsten Bereich . . . auf der äußersten Ebene.“
1.5.3 Mögliches Wirkungsprinzip der
potenzierten Arznei
„Alle Materie kann in ihren ursprünglichen strahlenden Zustand zurückgeführt werden.“ Diese „energetische“ oder „feinstoffliche“ Wirkung ist verständlicherweise nicht materiell-quantitativ nachweisbar. Dieses Phänomen ist bisher durch naturwissenschaftliche Forschung noch nicht erklärbar, weil hier offensichtlich physikalische Gegebenheiten zugrunde liegen, die nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Physik noch nicht nachvollziehbar sind. Man vermutet, dass sich durch den Potenzierungsvorgang in der Trägersubstanz (Wasser-Alkohol oder Zucker) gewisse strukturelle Veränderungen abspielen, welche eine Information speichern. Derartige Phänomene sind nicht neu, sondern werden schon lange z. B. für die Kristallanalyse biologischer Substanzen verwandt. Auch die kürzlich von Masaru Emoto festgestellten Kristallisationsphänomene von Wasser (Schneeflocken) unter bestimmten elektromagnetischen oder „energetischen“, nicht immer objektiv messbaren Einflüssen deuten dieses Geschehen an. Sogar Kent erwähnt bereits formbildende Einflüsse, „wenn wir die Eisblumen am Fenster ansehen“. Auch spektrographische Verfahren können Besonderheiten immateriell potenzierter Arzneistoffe sichtbar machen, nicht jedoch identifizieren.
1.5.2 Einfluss potenzierter Arzneien
auf die Lebenskraft § 26 des Organon besagt, dass die schwächere dynamische Affektion (die Krankheit des Patienten) durch die stärkere (die dynamisierte Arznei) gelöscht werde. Hahnemann nennt das Leiden des Patienten die „natürliche Krankheit“, die Wirkung der potenzierten Arznei die „Kunstkrankheit“. Das heißt, die „Kunstkrankheit“ (durch die Arznei) muss in geringem Maße stärker sein als die „natürliche Krankheit“ (des Patienten).
Das „morphogenetische Feld“ nach Rupert Sheldrake Eine sehr plausible Erklärung für die Wirkung homöopathisch potenzierter Arzneien bietet die Theorie über die „morphogenetischen Felder“ (Morphogenese, griech. Gestalt-erzeugend), die insbesondere von dem englischen Biologen Rupert Sheldrake formuliert wurden. Edward Whitmont, Kenner der Homöopathie und ehemaliger Chairman am C. G. Jung Institut New York, sprach bereits 1987 von „Bewusstseinsformen, die im Raum existieren analog den Feldern der Physik“. Damit ist ein informatives (in Form bringendes) Energiefeld gemeint, das einer Materie die Gestalt gibt. Die These „Energie formt die Materie“ ist ebenfalls nicht neu. Sogar Kent sagt, die Lebenskraft sei mit formgebender Intelligenz ausgestattet. Wer sich nun intensiver mit Sheldrakes Forschungen und Homöopathie beschäftigt, dem drängen sich Zusammenhänge zwischen der materiefreien Arznei und den Energiefeldern bzw. morphogenetischen Feldern auf. Nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie liegt es nahe, dass ein „Energiefeld“ übrig bleibt, wenn der Ausgangsstoff soweit ,herausgeschüttelt‘ worden ist, dass er nicht mehr materiell vorhanden ist. Das heißt, Homöopathie ist (sehr wahrscheinlich) eine Therapie mit morphogenetischen Feldern. Diese (vermutlich) durch „energetische Felder“ imprägnierte homöopathische Arznei kann bei fortgesetztem Kontakt zur Veränderung des körpereigenen „Energiefelds“ und damit zu Symptomen einer Arzneimittelprüfung führen. Der Pro-
1 Grundlagen der Homöopathie band nimmt gleichsam das „morphogenetische Feld“ der Ausgangssubstanz (z. B. einer Giftpflanze) in sich auf und bringt damit deren Eigenschaften im wahrsten Sinn „zum Ausdruck“: Er empfindet sie in psychischer und physischer Weise und kann sie durch seine Sprache verständlich machen. Hier sei nochmals auf die analogen Zusammenhänge zwischen Erscheinungsbild und Lebensweise der Pflanze (auch anderer Ausgangssubstanzen) und dem zugehörigen Arzneimittelbild hingewiesen, die im Sinn einer Signatur gedeutet werden und einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis von Arzneimittelbild und Patient beitragen können (s. Teil I). Wer also z. B. eine Arzneimittelprüfung mit Pulsatilla C 30 (oder anderer Zubereitung) durchführt, verhält sich in vielfacher Hinsicht so wie diese Pflanze, wenn sie sich in sprachlicher Ausdrucksweise für uns wahrnehmbar äußern könnte. Er sucht emotionelle Zuwendung, er möchte gern dem anderen Geschlecht gefallen, er leidet unter Sonnenhitze und bekommt davon Kopfschmerzen, leidet unter Verdauungsstörungen durch zu viel oder durcheinander Essen, unter schweren Beinen durch Stase des Kreislaufs usw. (s. Charakteristika von Pulsatilla). Wird aber dieses morphogenetische Feld einem Patienten mit eben diesen Beschwerden – also nach dem Ähnlichkeitsprinzip – einverleibt, dann wird sein Energiefeld, seine „verstimmte Lebenskraft“ wieder „ins Lot“ gebracht und er wird „gesund“. (Vgl. Abb. 8.) Rupert Sheldrake bezeichnet dieses Phänomen als „morphische Resonanz“. Diese Gedanken treffen sich auch mit den oben erwähnten Aussprüchen von Paracelsus (s. Abb. 1). Die Theorie der morphogenetischen Felder kann ferner erklären, warum wir bei Tieren viele Verhaltenszeichen und psychosomatischen Reaktionen beobachten, die eigentlich dem menschlichen Verstand zugeschrieben werden müssten. Die Deutung dieser Symptome im Sinn der Homöopathie, ihre Übertragung in die Ausdrucksweise der Arzneimittelbilder bzw. des Repertoriums und erfolgreiche Anwendung der so herausgefundenen Arzneien bestätigen diese Hypothese.
Diese Erklärungsmodelle können durch reproduzierbare Beobachtungen gestützt werden. Homöopathisch potenzierte Arzneien wirken z. B. nicht nur durch Resorption über die Schleimhaut oder durch Injektion, sondern auch durch Hautkontakt. Das heißt, Arzneimittelwirkungen können auch erzielt werden, wenn der Proband das potenzierte Arzneimittel lange genug (bei Potenzen in C 30 oder 200 – einige Stunden lang) auf der Haut, z. B. in der Hosentasche, trägt. Wenn ein Patient unmittelbar nach einer schweren Verletzung mit intensiven Prellungen (z. B. Sturz, Hirnerschütterung, Verkehrsunfall – ohne Knochenfraktur) sofort die diesem Trauma entsprechende Arznei in einer Potenz erhält, die der Läsion der Lebenskraft entspricht, also eine sehr hoch potenzierte Arnica (XM oder CM), kommt es erstaunlicherweise nicht oder nur in geringem Ausmaß zu den erwarteten Schmerzen, Hämatomen und deren Folgeerscheinungen (s. Kasuistik Arnica). Es ist mit medizinischem Wissen absolut nicht erklärbar, wie erwartete Konsequenzen einer Verletzung durch rechtzeitige Gabe der passenden Arznei in angemessener Potenz verhindert werden können.
1.5.4 Potenzierung – Speicherung
einer Information Die „Lebenskraft“ ist ein absoluter Wert, sie „belebt als geistartige Dynamis“ den materiellen Körper. Die Information für die Lebenskraft ist (oberhalb der 30. Centesimal-Potenz) rein qualitativer Art, weitgehend unabhängig von der Menge (Quantität: Anzahl der Globuli oder Tropfen) der verabreichten Arznei und ebenso unabhängig von Körpergröße und Körpergewicht. Dagegen wirken tiefe Potenzen (z. B. D 6, C 6, D 8, C 8, D 12) noch eher durch ihren materiellen Anteil und können nach Körpergröße dosiert werden. Für die Tierhomöopathie heißt das, oberhalb der C 30 spielt die Menge der applizierten Arznei eine untergeordnete Rolle: 1 Globulus wirkt auf die Lebenskraft einer Maus genauso wie auf die eines Elefanten.
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II Allgemeiner Teil 1.6 Qualitative Kriterien der
Homöopathie – Entstehung von Krankheiten Die Theorie von den morphogenetischen Feldern trifft sich auch mit der von Hahnemann und Kent beschriebenen Entstehung chronischer Krankheiten. Hahnemann nennt die Wichtigkeit der „Geistesund Gemütssymptome“. Kent betont, dass den körperlichen Erkrankungen Störungen des inneren Menschen vorangehen, die gemäß seinem „Wollen und Denken“ die grobstofflichen Krankheitserscheinungen nach sich ziehen. Das entspricht auch der alt überlieferten These „Der Geist formt die Materie“ – mit anderen Worten: Das ,morphogenetische Feld‘ – gesteuert von Bewusstsein und Verhalten – somatisiert die körperlichen Leiden. In diesem Sinn kann die Homöopathie als eine psychosomatische Medizin verstanden werden, das trifft auch für die Veterinärmedizin zu und bestätigt die Einflüsse des Besitzers auf sein Haustier.
1.6.1 Hierarchisches Ordnungsprinzip
in der Homöopathie Bekannterweise waltet in biologischen Systemen eine hierarchische Ordnungsstruktur. So sind Arten, Gattungen, Bewusstseins- und Entwicklungsstufen, Sozialstrukturen, Organsysteme und körperliche Funktionen etc. nach ihrem Rang geordnet. Die „Hierarchisation“ der homöopathischen Symptome des Patienten ist ein wesentlicher Faktor für die Arzneimittelwahl (s. u.). Die Tierhomöopathie orientiert sich – wie erwähnt – an den Arzneimittelprüfungen des Menschen. Der „Homo sapiens“ steht in der „Hierarchie“ der Lebewesen an oberster Stelle. Er ist „die Krone der Schöpfung“: „Gott schuf den Menschen nach Seinem Bilde, nach Seinem Bilde schuf er ihn.“ Kent beschreibt das in seinen Worten: „Der Mensch nimmt eine unvergleichliche Stellung neben dem Tier- und Pflanzenreich ein. In ihm vereinigen sich Himmel und Erde.“ Daher ist es durchaus sinnvoll, den tierischen Organismus am Menschen zu messen und die Abweichungen, Phänomenologie und Verhalten von Spezies und Rassen für die Homöopathie als Zeichen
bzw. Symptom zu nutzen. Auf diese Weise gelangen wir zu einer gewissen Anzahl von homöopathischen Arzneien, die bevorzugt – aber nicht ausschließlich – für Erkrankungen dieser Tierspezies oder -rasse infrage kommen. Damit ist es möglich, spezifische homöopathische Mittel (bzw. deren Teilaspekte) für bestimmte Tierspezies oder -rassen im Voraus einzukreisen (s. Kap. 1.10). Auf der körperlichen Ebene stehen die lebenserhaltenden Leistungen und Organe (Bewusstsein, Sinnesorgane, Herz-Kreislauf, Atmung) rangmäßig höher als z. B. die Funktion der Gliedmaßen. Geistes- und Gemütsverfassung bestimmen das Wollen und Denken des Menschen und sind den materiellen, körperlichen Symptomen übergeordnet. „Geist“ ist das, was uns zum Menschen macht, was uns das Ich-Bewusstsein, unsere Schöpferkraft und die freie Entscheidung über unsere Lebensgestaltung verleiht. Beim Tier spricht man stattdessen von „Verhaltenssymptomen“. Das „Wollen und Denken“ der Tiere bezieht sich zunächst auf die Funktionen von Lebens- und Arterhaltung sowie auf die Äußerung von Lebensfreude (z. B. Spieltrieb, Bewegungsdrang). Zu ergänzen ist, dass – auch entsprechend einer hierarchischen Lebensordnung, die eine Tierspezies geprägt hat – das „Wollen und Denken“ des Menschen durch willkürliche Zuchtauswahl zahlreiche Aspekte von rasseeigentümlichen Merkmalen geprägt hat. Somit ist er verantwortlich für nutzbringende Spezialisierungen oder vermeintliche Schönheitsideale wie auch für die damit verbundenen Krankheitsdispositionen.
1.6.2 Modalitäten Homöopathische Arzneien werden nicht nach klinischen Diagnosen verordnet, nicht beispielsweise gegen eine Streptokokken-Erkrankung, nicht gegen eine Diskushernie, nicht nach quantitativmessbaren Maßstäben. Das Kriterium ist vielmehr qualitativer Art und bezeichnet die Art und Weise (Modalität), wie sich die Erkrankung äußert und wie der Patient darunter leidet.
1 Grundlagen der Homöopathie Die Zeichen des Patienten, die Symptome und Modalitäten seiner Erkrankung sind der Ausdruck einer inneren Erkrankung und weisen den Weg zum passenden Mittel; sie sind nicht das Objekt, das therapiert wird! In der homöopathischen Anamnese müssen diese besonders untersucht werden. Sie beziehen sich auf das Wer: Wer hat diese Erkrankung? Wie ist seine Gemütsverfassung? Seine äußeren Merkmale, seine Vorgeschichte? Was: Was für eine Erkrankung, Schweregrad, Verlauf, Ausbreitung? Wo: Wo hat sich die Erkrankung lokalisiert? Wie: Wie äußert sie sich? Wie wird die Erkrankung subjektiv empfunden und geäußert? Was bessert, was verschlechtert den Zustand? Wann: Tageszeit, Jahreszeit, Wetter, unter welchen sonstigen Umständen? Seit wann? Warum: Was war los? Gab es einen, mehrere Auslöser, Zusammenhänge mit Ereignissen? Was begleitet: Gibt es Zeichen, Symptome oder Beschwerden, die mit der Erkrankung scheinbar nichts zu tun haben? Hat sich die Gemütsverfassung seitdem verändert? Was gibt es noch? Die homöopathische Arznei muss also dem Patienten individuell angepasst sein. Eine schematische Verordnung nach oberflächlichen Gesichtspunkten bringt nur selten eine Heilung, bestenfalls einen vorübergehend bessernden Effekt, der nach Absetzen der Arznei nicht anhält (Palliation). Patienten zeigen i. d. R. nur einen Ausschnitt, eine Facette aus dem Arzneimittelbild. Dasselbe Arzneimittel kann z. B. für ganz unterschiedliche Erkrankungen eingesetzt werden, wenn diese durch gemeinsame Modalitäten gekennzeichnet sind: Nux vomica kann beispielsweise für eine akute Infektion der Atemwege, für eine Gastroenteritis oder für einen akuten Lumbago u. a. verordnet werden, wenn alle diese Erkrankungen durch folgende Modalitäten gekennzeichnet sind: ausgelöst durch ,Kaltwerden‘, durch psychischen Stress, Arbeitsdruck, Stimulanzien (z. B. Kaffee, Nikotin) oder Pharma-Therapie (z. B. Analgetika, Antibiotika), begleitet von gereizter Stimmung,
heftiges Krankheitsgefühl mit intensivem Frieren, heftige Anstrengung (Tenesmus) bei Körperausscheidungen (Erbrechen, Husten, Stuhlgang), am schlimmsten morgens, besser abends, besser durch Ruhe. Umgekehrt können mehrere Patienten mit derselben Beschwerde, aber unterschiedlichen Modalitäten verschiedene Arzneien erfordern. Als Beispiel diene ein akuter Lumbago: Der erste Patient leidet unter Rückenschmerzen durch Überheben, kann nicht still stehen, sitzen oder liegen, muss sich häufig recken und strecken, trägt eine Wärmflasche auf dem Rücken, kann wegen nächtlicher Unruhe und Herumwälzen im Bett keinen Schlaf finden; einzig bei fortgesetzter langsamer Bewegung erfährt er Linderung und braucht Rhus toxicodendron. Der zweite Patient hat sich ebenfalls verhoben, aber liegt still und steif an die Wand gedrückt im Bett und vermeidet jede kleinste Bewegung, will weder untersucht noch berührt werden und wehrt energisch eine warme Bettflasche ab; er braucht Bryonia. Der dritte Patient hat bereits eine diagnostizierte Diskushernie durch einen Unfall und leidet unter einschießenden Schmerzen, die ins Bein ausstrahlen und dort ein Schweregefühl mit lokalen Lähmungserscheinungen auslösen; er braucht Hypericum. Der vierte Patient, eine Frau, beklagt sich über Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich, besser durch starken Gegendruck, sie erwartet ihre verspätete Mens, besser wird der Rücken nach längerem zügigen Gehen, am besten durch Rennen; sie kann wegen Knieschmerzen nicht niederknien; sie ist eine unzufriedene, überforderte Hausfrau mit drei Kindern, der daheim „das Dach auf den Kopf fällt“; sie braucht Sepia. Der fünfte Patient ist ein Geschäftsmann, täglich im Büro am Schreibtisch, der jeden Nachmittag am Feierabend nicht mehr von seinem Drehstuhl aufstehen kann, sondern sich erst langsam, Schritt für Schritt, wieder in Bewegung setzen muss. Außerdem plagen ihn seit der Pubertät Nierensteine. Aber seine Angst vor einer Operation, vor der Konkurrenz der Kollegen, vor dem Verlust von Image und Position lassen ihn weiterarbeiten; er braucht Lycopodium. Die Schulmedizin würde allen Patienten starke Analgetika verordnen.
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II Allgemeiner Teil 1.6.3 Die wesentlichen Kriterien zum
Finden des Simile Für viele an der Homöopathie interessierte Mediziner und Therapeuten besteht das größte Problem darin, dass es keine bindenden Vorschriften gibt, bei welcher Krankheit welches Mittel gegeben werden muss. Es handelt sich immer um eine Frage des Ermessens, welches Mittel das ,Ähnlichste‘ zum Patienten ist. Dieses Vorgehen muss neben der Arzneimittelkenntnis intensiv erlernt und geübt werden. Zahlreiche Beispiele sind dazu in der Kasuistik angegeben. Allerdings zum Finden dieses „Ähnlichsten“ gibt es die stringenten Kriterien und Anweisungen Hahnemanns, die hier nochmals genannt sein sollen: Der § 153 des Organon besagt, dass „die auffallenden, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome fast einzig fest ins Auge gefasst werden müssen, denn vorzüglich diesen müssen sehr ähnliche in der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen.“ Der § 213 des Organon erklärt zusätzlich: „Man wird nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem . . . Krankheitsfalle zugleich mit auf das Symptom der Geistes- und Gemütsverfassung sieht.“
Es ist längst bewiesen, dass die für naturwissenschaftliche Forschung noch immer vorausgesetzten linear-kausalen Zusammenhänge ebenso wie das „geschlossene System“ unter „identischen Bedingungen“ für biologische Systeme überholte und unhaltbare Hypothesen darstellen. Aber auf dieser Ebene rangiert heute noch immer die „Reproduzierbarkeit“ der meisten naturwissenschaftlichen Untersuchungen. Die Wurzeln des heutigen naturwissenschaftlichen Denkens gehen zurück auf Galilei, Descartes, Thomas Hobbes u. a. (16./17. Jh.), welche das linearkausale Denken und die materialistisch-mechanistische Anthropologie begründeten. Ein schreiendes Tier war für Hobbes nichts weiter als eine unbelebte „grölende Orgel“. Auf diesem Denken basieren heute noch die Tierversuche. Rudolf Virchow entwickelte diese Gedanken weiter und stellte 1858 die Thesen auf, jede Zelle, jedes Organ sei ein abgegrenzter, isolierter Organismus; dieser funktioniere analog zu mechanischen Geräten, die bei Fehlfunktion ebenso mechanisch repariert werden können, sofern man deren Ursache gefunden hat. Somit wurde das individuelle Kranksein immer mehr zum Modell reduziert (reduktionistische Medizin) und damit kausal-analytisch und instrumentell zugänglich gemacht (J. Rost).
1.7.2 Paradigmen im modernen
ganzheitlichen Denken
1.7 Paradigmen der
akademischen und homöopathischen Medizin 1.7.1 Paradigmen der
Hochschulmedizin An dieser Stelle erhebt sich nun die Frage, wie es sich erklärt, dass die heute an den Hochschulen gelehrte Medizin („Schulmedizin“) den Gedankengängen der Homöopathie gegenüber vorherrschend negativ eingestellt ist. Die derzeitige akademische Medizin basiert noch auf der Weltanschauung des 16. Jahrhunderts. Die Homöopathie – auch die moderne Biologie und Philosophie – denkt längst in multikausalen, vernetzten funktionellen Zusammenhängen und „offenen Systemen“, die auf Umweltreize jeder Art reagieren.
Diese Grundlagen des schulmedizinischen Denkens stehen heute den komplexen, multikausalen und multidimensionalen Anschauungen der Naturheilverfahren (Pischinger, Heine) gegenüber.
Das „Grundsystem“ nach Pischinger, Zentrum aller Regulationsvorgänge Die Ursache der Krankheit ist nicht in der Zelle lokalisiert, sondern in dem gestörten Zusammenwirken von Zelle und Interzellularsubstanz, was Pischinger als „Grundsystem“ bezeichnet. Die Zelle – jeden Organs oder Gewebes – ist umgeben von Bindegewebe oder, nach Pischinger, von „Grundsubstanz“, einem hochvernetzten Maschenwerk aus Eiweiß-Zucker-Molekülen, das als Filter und Diffusionsmedium funktioniert. Hier spielen sich die Vorgänge der kapillären Endstrombahn zwischen Arteriolen und Venolen ab, die durch Diffusion über den Interzellularraum
1 Grundlagen der Homöopathie der Grundsubstanz die Zelle ernähren, regenerieren und Abbauprodukte entsorgen. Hier enden bzw. beginnen vegetative und sensible Nervenfasern, die z. B. Quellungszustand und Ph-Wert des Matrixgewebes der Grundsubstanz steuern, die über Bindegewebszellen, Mastzellen und Zellmembranen bei immunologischem oder allergischem Geschehen mitwirken und die auch auf psychische Einflüsse reagieren. In diesem Interzellularraum spielen sich alle Regenerations- und Reparaturmaßnahmen von geschädigtem Gewebe ab. Das System der Grundregulation ist „die Drehscheibe des gesamten Stoffwechsels“ und kann „alle pathophysiologischen Vorgänge erklären“ (Pischinger). Wenn dieses Grundgewebe in seiner Funktion als Filter und Diffusionsmedium mit Abbauprodukten überlastet und „verstopft“ ist oder wenn durch Verschiebungen des Ph-Wertes oder der Ionenkonzentration der Quellungszustand verändert ist, kommt es automatisch zu Funktionsstörungen der Zelle bzw. des Organgewebes, möglicherweise zu Schmerzen und später zur Degeneration der Organzellen. Nun ist es nicht Ziel der Therapie, die Schmerzen oder Krankheitssymptome zu beseitigen, sondern die Funktion der Grundsubstanz wieder herzustellen und möglichst eine Restitutio ad integrum zu erzielen.
Wirkung der Homöopathie auf das System der Grundregulation Bei jedem Krankheitsgeschehen, insbesondere bei allen chronischen Krankheiten, ist die Funktion der Grundsubstanz durch Abbauprodukte („Schlacken“) blockiert. Die Aktivierung dieses „verschlackten“ Stoffwechsels, z. B. durch das passende Simile, kann kurzfristige Hyperthermie oder Entzündungserscheinungen auslösen, wodurch die „Schlacken“ aktiviert, freigesetzt, abgebaut und ausgeschieden werden. Während dieses Geschehens können aktuelle oder später alte Beschwerden kurzfristig aktiviert werden. In der homöopathischen Therapie chronischer Erkrankungen bezeichnet man das als „Erstreaktion“ (früher auch als „Erstverschlimmerung“). Diese ist als äußerst begrüßenswerte Heilreaktion zu verstehen und darf keinesfalls unterbrochen werden, durch welche Maßnahmen auch immer. Solche Reaktionen klingen nach kurzer Zeit ohne weiteres Eingreifen wieder ab.
Besonders eindrucksvoll ist die Wirkung eines homöopathischen Similes bei akuten Erkrankungen von Gewebe, das durch Pharma-Therapie nicht oder nur schwierig zu beeinflussen ist: Akute Hornhautverletzungen am Auge kommen unter richtiger homöopathischer Therapie schneller zur Restitutio. Akute Verletzungen von Sehnen, Knorpelgewebe oder Gelenken (z. B. beim Pferd) können vollkommen wiederhergestellt werden, wobei auch „lockere“ Bänder, fibrilläre Sehnenrupturen, verklebte Sehnenscheiden oder Exostosen ad integrum regenerieren – vorausgesetzt ist die Gabe des passenden homöopathischen Arzneimittels.
Paradigmen der Schulmedizin gegenüber denen der Homöopathie Der entscheidende Unterschied im praktischen Therapieansatz zwischen akademischer Medizin und Homöopathie besteht in Folgendem: Die Schulmedizin betrachtet und behandelt das isolierte Symptom, Organ oder Syndrom; wenn mehrere Erkrankungen vorliegen, werden diese isoliert betrachtet und schematisch behandelt. In Naturheilkunde und Homöopathie sind Krankheitssymptome Alarmzeichen und Produkte eines gestörten Regulationsgeschehens. Die Homöopathie betrachtet die objektiven und subjektiven Symptome des Patienten als Anhaltspunkte für die Wahl eines passenden Arzneimittels (oder einer bestimmten, gesetzmäßigen Abfolge von Arzneien), wodurch dann der gesamte Organismus „gesund gemacht“ wird. Goethe zeichnet im Faust das Dilemma zwischen der mechanistischen Philosophie gegenüber dem ganzheitlich vernetzten Denken; Mephisto, der materialistische Teufel, drückt das folgenderweise aus: „Willst ein Ding erkennen und beschreiben, musst erst den Geist heraus du treiben, hast dann die Teile in der Hand, fehlt – leider – nur das geistige Band.“ Das ,geistige Band‘ ist die Lebenskraft, was ,das Ganze‘ von der ,Summe seiner Teile‘ unterscheidet (Abb. 2).
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II Allgemeiner Teil
Der ganze Mensch
Chronische Krankheiten sind keine zufälligen Ereignisse oder „Abnutzungserscheinungen“, die über den Patienten von außen „hereinbrechen“, sondern „Gewebeveränderungen . . . sind das Ergebnis des Krankseins, sie sind nicht die Krankheit selbst“.
Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile.
„Es ist nicht Aufgabe des Arztes, die Auswirkungen der Krankheit, sondern die Krankheit selbst zu heilen.“ (Kent)
Homopathie
Schulmedizin
Von den Teilen zum Ganzen. Vom Ganzen zu den Teilen. ãZusammengeworfenÒ ãAuseinandergeworfenÒ = Sym-bol = Dia-bol
Einzelorgane Einzelsymptome einzelne Krankheiten
Mephisto: ãWillst ein Ding erkennen und beschreiben, musst erst den Geist heraus du treiben, dann hast du die Teile in deiner Hand, fehlt Ð leiderÐ nur das geistige Band.Ò
1.8.1 Krankheit – das Ergebnis einer
„inneren Krankheitsbereitschaft“ Krankheiten entstehen nach Hahnemann durch die „aus dem Gleichgewicht geratene Lebenskraft“, durch eine innere Krankheitsbereitschaft mit einer gestörten Eigenregulation. Die Symptome sind der Ausdruck der verstimmten Lebenskraft, aber nicht die Krankheit selbst. Zum Beispiel: Ein chronischer, juckender Hautausschlag ist das Symptom einer gestörten Ausscheidungsfunktion von Stoffwechselabbauprodukten bzw. einer Störung in der Grundsubstanz (s. o.), ausgelöst möglicherweise durch Stress. Die nach außen tretende Krankheit „entlastet“ gewissermaßen die Bereitschaft des Organismus, weitere Krankheiten zu entwickeln (gemäß § 202 Organon) (Abb. 3).
Abb. 2 Der Weg der Homöopathie und der Schulmedizin.
Die latente Krankheitsbereitschaft
1.8 Krankheit – Heilung in der
Homöopathie Das Krankheitsverständnis der Homöopathie ist – ähnlich der Chinesischen Medizin – ein grundsätzlich anderes als das der akademischen Medizin.
u§ert ein Symptom, entwickelt eine lokale Manifestation. Der Organismus scheidet etwas aus, dadurch vermindert sich die innere Krankheitsbereitschaft. Das Symptom ist eine Art Ventil der inneren Krankheit. Diese kommmt dadurch im Inneren vorerst zum Stillstand.
Abb. 3 Die Entstehung einer Krankheit.
1 Grundlagen der Homöopathie 1.8.2 Unterdrückung einer Krankheit Wird diese äußere Krankheitserscheinung bzw. das Symptom durch schulmedizinische Präparate beseitigt, so bleibt die „innere Krankheitsbereitschaft“ bestehen und produziert wahrscheinlich später wiederum dieselbe Erkrankung, möglicherweise erst nach einer gewissen Latenzzeit. Krankheiten entstehen also aus einer inneren Bereitschaft und äußern sich z. B. mit Ausscheidungen an der Körperoberfläche (Haut, Schleimhaut). Es ist nicht der Sinn einer Therapie, den Juckreiz und den Hautausschlag (die Auswirkung der Krankheit) zu beseitigen, sondern die Ursache anzugehen (die gestörte Ausscheidung). Doch diese ist nicht direkt zugänglich, sondern nur an ihren Auswirkungen (Symptomen) zu erkennen, die wiederum den Weg zum Simile, zum Heilmittel weisen. Mit diesem Heilmittel – und möglicherweise notwendigen Folgemitteln – gelingt es, die gesamte Krankheit, ihre Rezidive bzw. die Disposition und damit den Organismus zu heilen. Der Vorgang der Heilung hat wiederum in hierarchisch geordneter Reihenfolge zu geschehen: Zunächst müssen lebensbedrohliche Zustände überwunden und die lebensnotwendigsten Organe in eine bessere Funktion überführt werden. Haut und Extremitäten sind in diesem Sinn dem Zentralnervensystem, den Herz-Kreislauf-Organen oder einer lebenswichtigen Entgiftung durch Leber und Nieren untergeordnet. Hahnemann und Kent schreiben im Organon bzw. in den Vorlesungen über diese Hierarchie; Constantin Hering formulierte die Reihenfolge der Heilung dann zur Hering’schen Regel: Die Heilung erfolgt von oben nach unten, von innen nach außen und in der umgekehrten Reihenfolge, wie die Symptome aufgetreten sind. Übrigens findet sich dasselbe – ein wenig moderner formuliert – in der „Ausscheidungsfolge“ von Reckeweg.
und Abfolge der Heilung Wenn die Bereitschaft, Ausscheidungen nach außen abzusondern, durch pharmazeutische Präparate oder Operation unterbunden wird, bleibt das Krankheitspotenzial im Organismus erhalten und sucht sich letztlich ein anderes Erfolgsorgan. Entsprechend der hierarchischen Ordnung biologischer Systeme wird sich die Erkrankung dann auf einem höher stehenden, also an einem lebenswichtigeren Organ äußern. Anstelle eines „unterdrückten Hautausschlags“ kann nun z. B. ein Asthma oder eine Epilepsie auftreten – ein scheinbar neues Leiden, tatsächlich aber eine Variation der ursprünglichen Krankheit. In der Homöopathie nennt man dieses Phänomen „Folge einer Unterdrückung“ (Abb. 4).
Wenig spter produziert der Organismus nochmals dasselbe lokale bel evtl. sogar strker als zuvor. Die Lebenskraft ist ãgesundÒ, deren u§erungen lassen sich nicht so schnellãunterdrckenÒ.
Die Lebenskraft produziert anstelle des ersten ein anderes Symptom. Das ist keine neue Krankheit! Beispielsweise statt Hautausschlag jetzt eine Otitis externa oder statt Panaritium jetzt einen Hautausschlag. Oder alte und neue Manifestation wechseln einander ab oder wechseln mit anderen (Alternanzien): z.B. Gemtszustnde abwechselnd mit Hautausschlgen, Husten abwechselnd mit Hautausschlgen. Abb. 4 Das Phänomen der „Unterdrückung“.
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II Allgemeiner Teil Die Schulmedizin spricht dann von einer erfolgreichen Heilung des Hautausschlags und einer neuen Erkrankung eines anderen Organs. Im kausalen Denken der Schulmedizin wird, wie erwähnt, das Modell, das „lokale Ereignis“, betrachtet, nicht der lebendige Organismus. Aus der Sicht der Homöopathie ist es dieselbe Krankheit, die sich jetzt an einem anderen Erfolgsorgan äußert.
1.8.3 Heilung im Sinn der
Homöopathie Für die Therapie chronischer Krankheiten ist es notwendig, in der homöopathischen Anamnese „die Gesamtheit der Symptome“, den „Inbegriff der Krankheit“ des Patienten aufzunehmen (alle wichtigen und besonderen körperlichen und psychischen „Zeichen und Symptome“) und daraus gemäß dem Organon und Kents Vorlesungen das passende Mittel in angemessener Dosierung zu verabreichen. Heilung geschieht durch „Hinwegnahme des ganzen Inbegriffs der wahrnehmbaren Symptome“ (§ 17 Organon), also „Hinwegnahme“ der Ursache der Erkrankung. Für den Heilungsvorgang haben Hahnemann, Kent und Hering verbindliche Richtlinien aufgestellt, die sich seit insgesamt 200 Jahren bewährt haben. Entsprechend der erwähnten Hering’schen Regel muss die „Unterdrückungsfolge“, also z. B. Asthma oder Epilepsie, zuerst heilen. Dann kommt nochmals die ursprüngliche Krankheit zum Vorschein, die dann ihrerseits zur Heilung gebracht werden muss, möglicherweise durch ein homöopathisches „Folgemittel“. Jeder Verstoß gegen diese Reihenfolge der Heilung führt zum Fortschreiten der Erkrankung in bedenkliche Zustände und zu den jetzt so häufigen schulmedizinisch „unheilbaren Krankheiten“. Der Weg der Heilung wird nochmals kurz im Kapitel 2 beschrieben, sollte aber zusätzlich in der klassisch-homöopathischen Fachliteratur nachgelesen werden. Empfehlenswert sind neben Organon und den Vorlesungen von Kent z. B. das „Lehrbuch der Homöopathie“ von Genneper und Wegener, von Mathur „Prinzipien der homöopathischen Verschreibung“, von G. Köhler „Lehrbuch der Homöopathie“ und zusätzlich für die Tierhomöopathie von A. Schmidt der „Grundkurs Homöopathie für Tierärzte“.
Sinn und Aufgabe der Homöopathie bestehen in der Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der regenerationsfähigen und belastbaren Eigenregulation („Selbstheilungskräfte“), um sich an die Erfordernisse des Lebens anzupassen.
1.9 Entstehung chronischer
Krankheiten bei Tieren Die Symptome bzw. Krankheitserscheinungen chronischer Erkrankungen sind nur „die Spitze eines Eisbergs“. Bevor es zum Auftreten von Symptomen einer chronischen Krankheit kommt, sind die gesunden Eigenregulationssysteme durch verschiedene vorangehende Faktoren beeinträchtigt oder blockiert, was in diesem Zusammenhang als ,Grundbelastung‘ bezeichnet werden soll (Quintessenz, Rost) (Abb. 5). Die Grundbelastung, Ausgangsbasis für chronische Krankheiten, setzt sich beim Tier – analog dem Menschen – aus folgenden Faktoren zusammen: 1. angeborene Disposition von Spezies bzw. Rasse (angeborenes Miasma), 2. Toxinbelastungen im Grundsystem nach durchgemachten Erkrankungen, 3. Belastungen durch iatrogene Schäden, Impfungen u. Ä., 4. Belastung durch Haltung – Nutzung – Fütterung – Umwelt, 5. Einflüsse von juvenilen u. ä. Prägungen im Verhalten, Voraussetzung für spätere Somatisierung, 6. Traumen physischer und psychischer Art, 7. unbewusste und energetische Einflüsse des Tierbesitzers. Alle diese Aspekte müssen grundsätzlich in der homöopathischen Anamnese berücksichtigt werden. Für die Heilung des Patienten ist demnach nicht nur die passende Arznei ausschlaggebend, sondern auch die Verbesserung der Lebensumstände. Auch der „pathogene Einfluss“ des Tierbesitzers (s. u.) sollte so weit wie möglich verringert werden.
1 Grundlagen der Homöopathie Organerkrankung
Organerkrankung
Organerkrankung
Funktionsstrung
7 Unbewusste und energetische Einflsse des Tierbesitzers 6 Traumen physischer und psychischer Art
Regulationsstrung
Regulationsbelastung
Multikausalitt
5 Einflsse von juvenilen u. . Prgungen im Verhalten, Voraussetzung fr sptere Somatisierung 4 Haltung Ð Nutzung Ð Ftterung Ð Umweltbelastung 3 Belastungen durch iatrogene Schden, Impfungen u. . 2 Toxinbelastungen im Grundsystem nach durchgemachten Erkrankungen 1 Angeborene Disposition von Spezies und Rasse (angeborenes Miasma)
Abb. 5 Das „Eisberg-Phänomen“.
1.9.1 Die angeborene
Krankheitsdisposition Jeder Mensch, jede Tierspezies, jede speziell gezüchtete Rasse leidet unter erblich bedingten Prädispositionen für bestimmte Erkrankungen. Beim Menschen erfährt man diese ererbte Krankheitsdisposition aus der Familienanamnese. In der Humanhomöopathie fasst man die ererbte Bereitschaft zu bestimmten Erkrankungen oder zu auffallendem Krankheitsverlauf zum Teil unter dem Begriff „angeborenes Miasma“ zusammen, beim Tier verhält sich das analog.
1.9.2 Die erworbene
Krankheitsdisposition Eine erworbene Disposition zu bestimmten Erkrankungen setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, die zusätzlich einen Teil der „erworbenen miasmatischen Belastung“ darstellen kann.
Juvenile und pränatale psychische Prägungen Dieses Phänomen betrifft grundlegende Verhaltensweisen, die eine Prädisposition für spätere Erkrankungen im Sinn einer Psychosomatik schaffen können. Dazu gehören z. B. mangelnde Sozialisierung unter Artgenossen oder unzureichende Prägung auf den Menschen.
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II Allgemeiner Teil Die Auswirkung pränataler Traumen wird in der Human-Psychologie immer bekannter. Auch in der Tiermedizin stehen wir manchmal Verhaltensproblemen gegenüber, die sich trotz optimaler derzeitiger Haltungsbedingungen nicht erklären lassen: Wenn z. B. das Muttertier während der Trächtigkeit permanent um sein Überleben kämpfen musste, in Angst vor Hunger, Quälerei durch den Menschen und drohendem Totschlag lebte, so finden wir bei den Nachkommen solcher Tiere nicht selten eine Pathologie, die von solchen Bedingungen geprägt ist und beispielsweise das Mittel Arsenicum album erfordern könnte (s. dort). Allerdings ist es in solchen Fällen auch durch homöopathische Therapie nicht sicher, ob sich ein derart geprägtes Verhalten von Grund auf zu ändern vermag. Die beste homöopathische Therapie kann aus einem Jagdhund keinen Wohnungshund, aus einem liebenswürdigen Schoßhund keinen Schutzhund machen. Die Möglichkeit der Homöopathie besteht einzig in einer Regulation in Richtung einer beim Tier vorgegebenen Norm.
Einflüsse des Tierbesitzers Die Einflüsse des Tierbesitzers sind – ähnlich denen der Eltern auf ein Kleinkind – im Sinn eines prägenden „morphischen Feldes“ zu sehen (Sheldrake, s. o.). E. Whitmont sagt, Kinder leben immer das unbewusste Leben ihrer Eltern. Ein solcher pathogenetischer Faktor wurde in der bisherigen Tiermedizin weitgehend außer Acht gelassen. Im heute intensiver werdenden Verständnis einer ganzheitlichen Medizin werden immer mehr Beobachtungen registriert, die eine Beziehung zwischen der Pathogenese bzw. Erkrankung des Tiers mit Persönlichkeit und Krankheit der Bezugsperson erkennen lassen. Das Haustier ist – ebenso wie das Kleinkind – wehrlos den Einflüssen seines Besitzers bzw. der Eltern ausgeliefert. Es registriert und reagiert wie ein Sensor auf unbewusste Signale und auf das gesamte Energiefeld seines Besitzers oder seiner Familie. Man könnte das Haustier als einen Teil dieses Energiefelds betrachten, das solche Einflüsse genauso somatisiert wie seine Bezugsperson.
Oft genug benötigen der Besitzer und sein Haustier dasselbe oder zumindest ein nahe verwandtes homöopathisches Mittel. Hahnemann und Kent beschreiben, wie erwähnt, das Denken und Wollen des Menschen, seine Geistes- und Gemütssymptome seien „als Wichtigstes“ – neben den § 153-Symptomen – „ins Auge zu fassen“. Gemütssymptome können wir beim Tier in Form von Verhaltenssymptomen durchaus sehr deutlich registrieren. Aber ,der Geist‘ des Tieres ist für uns nicht fassbar. Hier sei die These in den Raum gestellt, dass ein Teil des ,Geistes‘ und ein Teil des ,Wollens‘ durch den Menschen auf das Haustier projiziert wird. Das könnte erklären, dass der Mensch und sein Haustier deutlichere Ähnlichkeit entwickeln, je länger sie beisammen sind – nicht nur in ihrem Verhalten, sondern auch in ihren Erkrankungen, ja teilweise sogar in ihrem Erscheinungsbild: „Wie der Herr, so‘s G‘scherr“: Der Beagle-Hund mit seinen immer wieder wunden, „durchgelaufenen“ Pfotenballen gehört zu einer Besitzerin, die sich über permanente Blasen an den Füßen und wund geriebene Fersen beklagt. Das magersüchtige, blasse, schwarzhaarige Mädchen besitzt ein ebensolches anämisches Pferd, das trotz aller Fütterung ohne klinischen Befund weiter an Gewicht verliert. Die 80-jährige versierte „Hundefachfrau“ mit Rektumkarzinom und Anus praeter besitzt einen Hund, der im Lauf von chronisch abszedierenden Analdrüsen dort unter schulmedizinischer Therapie allmählich ebenfalls ein Karzinom entwickelt. Folgendes Beispiel zeigt die Verbindungen zwischen Haustier und Besitzerin noch deutlicher: Als ich mich nach sommerlicher Pferdetherapie und gemütlichem Beisammensitzen unterm Sonnenschirm aus der Reiterrunde verabschieden will, tritt aus dem hinteren Stall noch eine junge, anscheinend sehr scheue Frau, Vera, auf mich zu und fragt nach einem Besuch bei ihren Pferden. Wir verabreden uns am Bahnhof einer Kleinstadt, um von dort zu ihrem abgelegenen Pferdestall zu fahren. Vor dem Bahnhof steht eine lange Schlange Park-and-RideAutos – von Veras Blondschopf ist nichts zu sehen. Ich warte. Da sie nicht auftaucht, fahre ich probehalber aus der Parklücke heraus. Gleichzeitig verlässt 100 m weiter vorn ebenfalls ein Auto die Reihe.
1 Grundlagen der Homöopathie Weil ich nun niemand Bekanntes sehe, stelle ich mich wieder auf den Warteposten, dasselbe tut das vordere Auto auch. Ich setzte zwar voraus, dass man sich bei einer solchen Verabredung zunächst begrüßt, war aber damit offensichtlich im Irrtum. Denn im nochmaligen Vorfahren stellt sich heraus, dass in diesem vorderen Auto tatsächlich die erwartete Vera sitzt. Sie winkt nun wenigstens, und wir fahren hintereinander hinaus auf die Felder, über geschotterte Feldwege, in der Mitte mit hohem Gras bewachsen, voller Schlaglöcher, stellenweise durch Traktoren so aufgewühlt, dass ich heftig um meinen Unterboden fürchte. Veras Geländewagen taucht zwar manchmal in einer Staubwolke unter, aber ihr macht das anscheinend nichts aus. Nach elendem Geholper kommen wir auf dem Hof an. Immerhin gibt es jetzt wenigstens eine kurze unpersönliche Begrüßung. Wir gehen in eine Scheune, steigen über einen am Eingang sitzenden hämmernden Mann hinüber, der den Gruß ebenfalls nicht erwidert, und gehen in einen stockdunklen Gang zwischen meterhoch gestapelten Strohballen. Vera geht wortlos voran, ich bleibe tastend zurück, hätte eigentlich eine Erklärung erwartet. Wir stehen dann vor ihren beiden Pferden, einem Schimmel und einem Rappen. „Da sind sie!“, meint Vera lapidar. Die Pferde stehen in einem großen hölzernen Schuppen, der den Berg hinunter auf eine riesengroße Weide mündet. Vera geht wortlos nach hinten, um den Rappen anzubinden „Der knabbert uns sonst nämlich an.“ Die 12-jährige Schimmelstute leide unter „kaputten Vorderbeinen“. „Ich habe sie vor 4 Jahren vom Schlachter gekauft. Ihr Vorbesitzer war vom Turniersport disqualifiziert worden, weil er sie mit einer Fahrradkette im Maul im Nachtspringen geritten hatte, dabei braucht sie gar kein Gebiss, sie ist so brav, sie macht alles von allein. Trotz ihrer kaputten Füße springt sie immer noch leidenschaftlich gern. Wenn man sie irgendwie stört, wird sie hektisch und dreht auf. Außer mir kann sie niemand reiten. Meine Mutter und ich gehen viel mit ihr zu Fuß spazieren, jemand anders kann sie nicht führen, dann haut sie ab.“ Während Vera mit monotoner Stimme erzählt, versuche ich Kontakt zu der Stute aufzunehmen, klopfe ihr sanft den Hals und halte ihr ein Stückchen Brot vors Maul. Die Schimmelin dreht den Kopf weg. Wäre sie nicht angebunden, dann würde sie fortgehen. Mir fällt ihr gequälter und indifferenter Gesichtsausdruck auf, die Ohren ohne Anteilnahme permanent nach hinten geklappt und tiefe eingezogene Gruben an den Wangen. Ich frage, ob die Stute immer so abweisend sei. „Ja, sie ist nur auf mich fixiert. Ich sage ja, kein anderer kann mit ihr umgehen, und erst recht nicht der da.“ Sie weist verachtungsvoll mit dem Kopf in Richtung des Mannes, über den wir gerade gestiegen sind.
Eine sonderbare Atmosphäre, die man am liebsten schnellstens verlassen möchte. Vera berichtet also, die Stute habe immer wieder Rückenschmerzen, gehe dann wie ein Brett ganz steif, habe öfter Koliken, bei diesem Sonnenwetter gehe sie nicht auf die Weide, sondern bleibe im Dunkeln, weil sie die Hitze und die Sonne nicht verträgt. Im Sommer bekomme sie Ekzeme, besonders an Mähne und Schweif. „Aber beim Reiten ist sie immer super, sie tut das, was ich denke und wird nie müde. Je länger ich reite, desto besser geht sie. Reitstunden tue ich ihr nicht mehr an, obwohl sie das sehr gut macht.“ Nach diesem Bericht ist das Mittel für die Stute klar, sie bekommt eine Prise Globuli Natrium muriaticum XM per os. Die Schimmelin wird losgebunden und verschwindet im dunklen Eck. Jetzt kommt der 6-jährige Rappwallach an die Reihe, das komplette Gegenteil der Stute: aufgeschlossen. freundlich, verschmust, mit wachem lustigem Gesichtsausdruck. „Normalerweise würde er jetzt im Gras stehen, aber wenn er mich hört, ist er da. Er geht vorn links lahm. An demselben Tage, als ich ihn gekauft hatte, ist er auf den Ellbogen gestürzt und hat sich eine Fraktur der Ulna zugezogen. Der Tierarzt machte ihm eine stabile Gipsmanschette, damit er sich bis zum Transport in die Klinik nicht hinlegen konnte. Er hat es aber trotzdem getan. Dadurch haben sich die Knochenteile so verschoben, dass die Verplattung sehr schwierig war. Und jetzt geht er nach 3 Jahren mit dieser Platte noch immer lahm.“ Ich rate ihr, zu röntgen und nach Möglichkeit diese Platte endlich entfernen zu lassen. „Aber dann muss er doch wieder fort von mir und leidet so, dass er nichts mehr frisst!“ Ich erkläre ihr, dass ihr Pferd mit der Platte noch viel mehr leide . . . und gebe ihm Calcium phosphoricum. Ich packe gerade meine Sachen zusammen, da fragt Vera, ob ich nicht auch noch eine Arznei für sie selbst hätte. Wir sitzen also auf einem Strohballen, die Schimmelin steht abseits im Dunkeln, der Rappe schleckt uns ab. Vera leidet immer wieder unter Rückenschmerzen, die trotz aller Therapie nicht besser werden, sie verträgt keine Hitze und keine Sonne, bekommt dann eine Sonnenallergie mit Hautausschlag, sie leide immer wieder unter starken Blähungen mit Bauchschmerzen – und „der Mann da“ ist ihr geschiedener Ehemann . . . Sie hat dieselben Symptome wie ihr Schimmel und braucht ebenfalls Natrium muriaticum. „Und dann hab‘ ich noch etwas: Als Kleinkind habe ich am Daumen gelutscht, so stark, dass er bis auf die Sehnen durchgebissen war. Darum bekam ich eine Gipsmanschette über den Ellbogen, damit ich den zum Daumenlutschen nicht mehr krumm biegen konnte. Ich habe ihn aber trotzdem heimlich krumm gebogen und weiter gelutscht. Dabei haben sich Elle und Speiche entzündet und sind in der Mitte zusammengewachsen. Ich habe heute noch Schmerzen und kann nicht gut schreiben.“
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II Allgemeiner Teil Nach zwei Monaten rufe ich Vera an, weil sie mir keine Rückmeldung gegeben hatte. Sie berichtet, ihre Rücken- und Bauchschmerzen seien viel besser und es gehe ihr gut. Auch die Schimmelstute könne jetzt viel besser laufen. Dem Rappen habe sie die Platte entfernen lassen und er lahme nun auch nicht mehr. Natrium-muriaticum-Patienten sind schnell zufrieden und vermeiden Kontakte. Darum hörte ich nur noch durch Dritte von ihr, es gehe ihr gut.
Das ist das eindrücklichste Erlebnis des morphogenetischen Feldes zwischen Mensch und Tier, das mir bisher begegnet ist. Die Reihe solcher Beziehungen zwischen psychischen Eigenheiten und Erkrankungen des Menschen und denen seines Haustiers lassen sich noch unendlich fortsetzen. Sie sind so eindrücklich, dass man sie nicht als Zufall bezeichnen kann. Wenn Kent die Gemütsverfassung des Menschen verantwortlich macht für die Pathogenese von Krankheiten, so ist es in diesem Zusammenhang erklärlich, dass diese auch die Krankheitsentstehung seines Haustiers beeinflusst. Das entspricht der Aussage von Jacques Millemann, homöopathischer Tierarzt aus dem Elsass, der das Haustier als „emotionellen Schwamm“ für die Gefühle seiner Bezugspersonen bezeichnet. Philipp M. Bailey, homöopathischer Arzt aus Australien, nennt diesen unausgesprochenen Einfluss von Eltern auf das Kind „psychische Osmose“ und meint damit dasselbe wie Millemann. Wie kann ein Haustier auf die Dauer fröhlich sein, wenn sein Besitzer ständig traurig ist? Wie kann ein ruhiger Stubenhocker einen überaus lebendigen, lauffreudigen Hund haben, ohne dass dieser krank wird? Wie kann ein cholerischer Wüterich einen friedlichen, liebevollen Hausgenossen besitzen? Wie kann ein Reitpferd mit seinem immer vor Angst schlotternden Reiter eine gelassene Gemütsverfassung haben? Haustiere sind permanent dem Energiefeld ihrer Bezugsperson (oder Familie) ausgesetzt und unterliegen dem „morphogenetischen Feld“ ihrer Besitzer. Damit manifestiert oder somatisiert jedes Haustier einen Teil der ihn umgebenden pathogenetischen Energiefelder und entlastet damit gleichsam seine Umgebung bzw. Besitzer. Das heißt, das Tier lebt täglich im „pathogenen Energiefeld“ seines Besitzers.
Bei genauer Beobachtung dieses Phänomens beginnt sich in der homöopathischen Praxis herauszustellen, dass die Genesung des chronisch kranken Tieres gründlicher und intensiver geschieht, wenn das Tier gleichzeitig mit seiner Bezugsperson homöopathisch behandelt wird. Das trifft noch in größerem Maße auf (vermeintliche) Verhaltensstörungen zu. Homöopathische Therapeuten von verhaltensgestörten Kindern lehnen z. B. die Behandlung des Kindes ab, wenn sich nicht auch die Eltern homöopathisch behandeln lassen. Vielleicht besteht die Zukunft der Tierhomöopathie in einer gleichzeitigen homöopathischen Behandlung von Mensch und Tier?
Haltung, Nutzung, Umweltbelastung Hahnemann weist ausdrücklich darauf hin, dass verbesserte Lebensumstände eine Voraussetzung für die Heilung darstellen. Dazu gehört eine angemessene artgemäße Bewegung, deren Mangel sich als ein pathogenetischer Faktor auswirken kann. Der Hund braucht seinen Spaziergang, aber keinen übermäßiger Laufstress am Fahrrad. Für das Pferd ist mehr Bewegung als 1 Stunde ImKreis-Laufen in der Reithalle notwendig, zusätzlich möglichst regelmäßiger Weidegang. Die Folgen von „falschem Reiten“ (schlechte Reiter, falscher Einsatz von Hilfszügeln usw.) sind hinlänglich bekannt. Nicht artgemäße Anstrengung für das Pferd (z. B. übermäßiges Springen), evtl. sogar mit psychischem Stress verbunden (Strafe), schafft die besten Voraussetzungen für Erkrankungen des Bewegungsapparates. Die Boxenhaltung der Pferde und Schweine oder die ausschließliche Anbindehaltung der Rinder sind nicht besser als die Legebatterien für die Hühner! Einer gewissen Umweltbelastung durch Herbizide, Insektizide, Auspuffgase, Elektro-Smog u. Ä. können wir uns kaum entziehen. Sie ist ein Faktor, der heute die Pathogenese chronischer Krankheiten vorantreibt.
1 Grundlagen der Homöopathie Fütterung Probleme durch Fütterungsfehler stellen einen besonders wichtigen Faktor für die Pathogenese bei Haustieren dar. Trockenfutter ist weder für Hunde noch für Katzen artgemäß! Der Darm unserer geliebten ehemaligen Raubtiere ist noch immer an „Nassfutter“ (Fleisch vom Beutetier) adaptiert. Und weder Hunde noch Katzen sind von Natur aus „Dauerfresser“, zu denen sie, dank der Futtermittelindustrie, heute größtenteils gemacht werden. Für den Dauerfresser Pferd schafft kurzfaseriges, pelletiertes Futter, womöglich noch bei SägemehlEinstreu, die besten Voraussetzungen für Verdauungs- und Stoffwechselbelastungen. Dasselbe gilt für rohfaserarmes, energiereiches Futter für Rinder. Verdorbene Futtermittel müssen gerade in der homöopathischen Anamnese bei unklaren Verdauungs- und Stoffwechselstörungen immer ins Kalkül gezogen werden.
Iatrogene und Therapieschäden Keine schulmedizinische Therapie, die auf das Beseitigen von Symptomen ausgerichtet ist, kann das Wiederauftreten bzw. Fortschreiten der Erkrankung verhindern. Aus der Funktion des ,Grundsystems‘ lässt sich ableiten, dass dort die Ablagerung von Resttoxinen erhalten bleibt. Hinzu kommen die toxischen Nebenwirkungen von Pharmapräparaten, die zusätzlich das System der Grundregulation belasten. Die offiziell verordneten jährlichen MehrfachImpfungen können das Immunsystem empfindlich schwächen. Von verschiedenen fachkompetenten Personen wurde festgestellt, dass die meisten Impfungen 2 – 6 Jahre lang einen Immunitätsschutz gewähren. Die Forderung nach jährlichen Impfungen steht außerdem nicht im Einklang mit der Lehrmeinung über die Funktion des Immunsystems. Hinzu kommt eine Belastung durch Mehrfachimpfungen: Das Immunsystem ist von Natur aus darauf ausgerichtet, jeweils nur auf einen Erreger zu reagieren (§ 7 Organon).
Hormonbehandlungen wirken sich bekanntlich nicht nur auf das behandelte Tier negativ aus (Störungen der Fruchtbarkeit, Endometritis u. Ä.), sondern leisten Vorschub für dieselben Erkrankungen der folgenden Generation. Regelmäßige Wurmkuren, z. T. mit hochtoxischen Produkten, sind eine überdimensionale Belastung für den Organismus. Eine vorhergehende Kotuntersuchung würde klären, ob überhaupt eine Wurmkur – und welches Präparat – angebracht wäre. Wer die Entwicklung von Erkrankungen der Haustiere in den letzten 25 Jahren verfolgt, muss feststellen, dass die chronischen, degenerativen und „unheilbaren“ Leiden bei Haustieren trotz aller Fortschritte der Schulmedizin erheblich zugenommen haben. Dasselbe stellt auch die Humanmedizin fest.
Resttoxine nach durchgemachten Krankheiten Auch nicht therapierte Erkrankungen können „Resttoxine“ im Organismus hinterlassen, welche die Grundbelastung verstärken. Diese können latent vorhanden sein oder sich mit der Beschwerde „nie mehr gesund seit . . .“ äußern.
Traumen – physische und psychische Psychische Traumen können durchaus Auslöser oder wenigstens als Begleitsymptom einen wesentlichen Anteil am Entstehen und Fortschreiten einer chronischen Krankheit bilden. Beim Natrium-muriaticum-Patienten findet sich z. B. in der Krankengeschichte besonders häufig eine Kummer-Symptomatik, bei Lycopodium-Patienten finden sich häufig Beschwerden im Zusammenhang mit Konkurrenz-Situationen oder rangmäßiger Zurücksetzung. Physische Traumen, Verletzungsfolgen sind ein weiterer möglicher Faktor der Grundbelastung. Beim Calcarea-Patienten sei in diesem Zusammenhang auch an die „Folgen von Überanstrengung“ erinnert.
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II Allgemeiner Teil 1.10 Hahnemanns Theorie über
die Entstehung von Krankheiten Hahnemann reflektierte Zeit seines Lebens über Wesen, Entstehung und Ursache von Krankheiten, die er – wie seit Hippokrates üblich – als „Miasma“ bezeichnete. Die Miasmentheorie der Homöopathie mit ihren exotischen Bezeichnungen von Psora, Sykose und Syphilis entfremdet die Homöopathie um ein Zusätzliches von der akademischen Medizin. Diese begrifflichen Konventionen bezeichnen in kurzgefasster Form solche Inhalte, die in anderen Worten weitschweifig umschrieben werden müssten. Das allein rechtfertigt ihren Gebrauch. Speziell für die Tierhomöopathie bedürfen diese Miasmen einer Definition: Die Lehre von den Miasmen erleichtert das Verständnis von Pathogenese, Reaktionsweisen und Krankheitsdispositionen der verschiedenen Tierspezies und -rassen. Hahnemanns Idee von der Pathogenese der chronischen Krankheiten ist eine geniale Entdeckung, die von jedem vorurteilsfreien Mediziner in der Praxis verifiziert werden kann.
1.10.1 Akute und chronische Miasmen Hahnemann postulierte in seinem Bemühen, die Krankheiten zu klassifizieren, akute und chronische Miasmen. Akute Miasmen (akute Krankheiten) werden zumeist durch Ansteckung erworben und treten oft mit so großer Heftigkeit auf, dass der Patient ohne Therapie stirbt. Sind sie weniger heftig, dann zeigt sich eine Erholungstendenz mit anschließender Spontanheilung. Akute Krankheiten sind demnach zeitlich begrenzt. Chronische Miasmen (chronische Krankheiten) dagegen dauern lebenslang und können nicht aus eigener Kraft überwunden werden; sie schreiten mehr oder weniger schnell bis zum Lebensende fort und können bestenfalls vorübergehend zum Stillstand kommen („Latenzphase“). „Die chronische Krankheit liegt im Inneren des Menschen“, diese „innere Verstimmung der Le-
benskraft . . . tritt als lokales Übel nach außen in Erscheinung“ und „entlastet“ damit die innere Krankheitsbereitschaft des Organismus (s. Abb. 3). Wird das „lokale Übel“ durch äußere Anwendungen oder Palliativ-Therapie (Symptombeseitigung) vertrieben, so schreitet die chronische Krankheit im Inneren weiter fort und führt schließlich zu organischen Schäden oder Erkrankungen von hierarchisch höheren Organen („Unterdrückung“; s. Abb. 4). Eine graphische Darstellung soll diese Anschauung verdeutlichen (Abb. 6). Die „innere Krankheitsbereitschaft“ (1) führt zum Auftreten von Symptomen, die „nach außen“ in Erscheinung treten (2). Wird ein Symptom durch äußere Maßnahmen beseitigt, tritt ein anderes verstärkt hervor (3). Wird nun wiederum eines oder werden beide Symptome „beseitigt“ (4), dann kann sich daraus eine sehr schwere Krankheit mit einem Schwerpunkt (6) oder eine „Multimorbidität“ (7) entwickeln oder es treten keine Symptome mehr nach außen in Erscheinung bei sehr hohem Krankheitspotenzial, was sich dann als „einseitige“, z. B. kanzeröse Erkrankung äußern kann (7). Chronische Krankheiten schreiten in allen mit Stress verbundenen Lebensphasen fort. Dazu gehören Zahnwechsel, Wachstum, Geschlechtsreife, Gravidität, Geburt, Laktation, hormonelle Umstellungen sowie jeder schwerwiegende psychische oder physische Stress. Ferner tragen Unterdrückungen akuter Erkrankungen oder anderer Symptome durch Palliation sowie übermäßige Impfungen entscheidend zum Fortschreiten chronischer Erkrankungen bei. Solche pathogenetischen Faktoren gelten für jeden lebendigen Organismus. Die heutige akademische Medizin musste feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten die Zahl und Schwere chronischer, schwierig zu behandelnder Erkrankungen bei Menschen und Tieren erheblich zugenommen haben, während akute Erkrankungen i. d. R. durch symptomatische Pharma-Therapie wie erwähnt „gut zu beherrschen“ seien.
1.10.2 Therapie akuter und chronischer
Krankheiten Der chronisch kranke Patient ist derzeit in einem Zustand, der ein Heilmittel erfordert. Diesem aktuellen Leiden ist ein langfristiges Geschehen vorangegangen, das in dem jetzigen Zustand gipfelt. Ohne Therapie würde die Pathologie des Patienten weiterhin fortschreiten.
1 Grundlagen der Homöopathie Kranker Patient mit Der Patient entwickelt Eine u§ere Krankheit wenigen Symptomen, u§ere Symptome, die wird unterdrckt. intensive innere Krankheit nimmt ab. Krankheitsdisposition.
1
2
Abb. 6 Entstehung chronischer Krankheiten.
3 4
u§ere Erkrankung mit deutlichen Symptomen.
5
Fortschreiten der inneren Krankheit, Rckgang sonderlicher Symptome, Zunahme pathognomonischer Symptome, ãeinseitige KrankheitenÒ (Organdege6 neration, Krebs).
Chronische Krankheiten stellen also einen dynamischen Entwicklungsprozess dar, der sich auf dem Boden einer speziellen Krankheitsdisposition entwickelt hat. Ein therapeutischer Ansatz für solche chronischen Krankheiten wird in der Homöopathie als „konstitutionelle Therapie“ bezeichnet. Die konstitutionelle Therapie umfasst den gesamten Organismus aus hierarchisch übergeordnetem Aspekt und berücksichtigt dafür „die Gesamtheit der Symptome“ des Patienten. Konstitution ist zu verstehen als die Summe aller angeborenen und erworbenen Faktoren, die zu einer bestimmten Krankheitsdisposition oder Pathologie führen. Therapiert wird mit einem so genannten „Konstitutionsmittel“. Dieser Ausdruck ist eigentlich falsch. Es gibt in der Homöopathie weder „akute “ noch „chronische“ noch „konstitutionelle“ Mittel, sondern nur Arzneien, die nach entsprechenden Kriterien verordnet werden. Dennoch ist der Ausdruck „konstitutionelle Therapie“ oder „Konstitutionsmittel“ einfacher und kürzer als die gesamte Umschreibung.
7
Fast jedes gut geprüfte Mittel kann ein „Konstitutionsmittel“ sein. Es haben sich jedoch bestimmte Mittel – meist die „Polychreste“ – schwerpunktmäßig für eine solche Therapie herauskristallisiert. Häufig kann damit auch eine für den Patienten banale, lokale Erkrankung zur Heilung gebracht werden. Am besten eignen sich dafür auch beim Tier höchste Potenzstufen, die nur einmal oder bei Bedarf in großem zeitlichem Abstand verabreicht werden. Die Therapie einer akuten Krankheit dagegen berücksichtigt für die Arzneimittelwahl einzig den derzeit aktuellen Zustand des Patienten, z. B. eine akute fieberhafte Infektion oder eine Gastroenteritis. Auch für subakute oder chronische Erkrankungen kann es notwendig sein, den aktuellen Zustand für die Arzneimittelwahl ins Zentrum der Betrachtung zu stellen, sofern er genügend homöopathisch brauchbare Anhaltspunkte dafür liefert. Dazu gehören z. B. traumatisch bedingte Bewegungsstörungen oder Folgen von Vergiftungen. Auf die Therapie einer akuten, subakuten oder chronischen Krankheit sollte immer eine „konstitutionelle Therapie“ folgen, um Rezidiven vorzubeugen.
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II Allgemeiner Teil In manchen akuten, subakuten oder chronischen Fällen kann auch eine konstitutionelle Therapie angebracht sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das aktuelle Geschehen nur unzureichende Anhaltspunkte für eine Arzneimittelwahl bietet. Dann kann das hierarchisch übergeordnete Mittel des gesamten Organismus auch das aktuelle oder lokale Geschehen wieder „ins Lot“ bringen.
1.10.3 Einteilung von chronischen
Krankheiten – chronischen Miasmen Im 19. Jahrhundert waren nur zwei chronische Krankheiten bekannt: Syphilis und Gonorrhö, beide werden – gemäß Hahnemann – in dem jeweils aktuellen Krankheitsstadium durch Geschlechtsverkehr übertragen. Die Folgen der Gonorrhö bezeichnete er als Sykose (Feigwarzen-Krankheit), die mit Warzen und Auswüchsen der Haut sowie anderen ausufernden Reaktionen einhergeht. Die Syphilis tendiert zu ulzerierenden und destruktiven Prozessen. Als zusätzliches Miasma postulierte er die Psora, „das Urübel der Menschheit“, das über Jahrhunderte von Generationen weitervererbt werde (§ 81 Organon) und das den Boden bereitet für das Entstehen aller Krankheiten. Den Ursprung der Psora (griech. Krätze) sieht er in einem unterdrückten oder nicht ausgeheilten Hautausschlag, dessen Folgen sich in unterschiedlichsten Pathologien über Generationen hinweg auswirken. Die scheinbar absurde Idee eines ursprünglich kausalen Hautausschlags gewinnt neue Bedeutung, seitdem erkannt worden ist, dass z. B. der Kot von Hausmilben toxische Proteine und liquorgängige Enzyme enthält, wodurch atopische Erkrankungen ausgelöst werden können.
1.10.4 Arten von Miasmen Chronische Miasmen werden auch durch Vererbung oder Ansteckung erworben. Hahnemanns Miasmentheorie ist mit dem heutigen medizinischen Wissen nicht mehr in jeder Hinsicht vereinbar, jedoch seine Theorie über das schwerwiegende Fortschreiten pathologischer Zustände nach Unterdrückung von Symptomen ist heute mehr denn je ein brisantes Thema und spielt auch in der Veterinär-
medizin eine über Generationen hinaus wirkende Rolle. Das angeborene oder ererbte Miasma kann zum Teil aus dem Symptomenbild des Patienten, zum Teil durch seine „Familienanamnese“ eruiert werden. Sie lässt die im Erbgut vorhandenen Faktoren für die Entwicklung bestimmter Krankheiten erkennen. Beim Menschen gilt es, z. B. das Vorkommen von Krebs, Diabetes, Tuberkulose oder Geschlechtskrankheiten sowie Art und Lokalisation anderer chronischer Erkrankungen zu erfahren. Diese Auskünfte dienen dazu, den „Hintergrund“ der Erkrankung zu erkennen, gleichsam den Boden, auf dem sich die aktuelle Pathologie abspielt. Die Therapie muss solche Angaben für die langfristige Abfolge von Arzneimitteln in chronischen Krankheitsfällen mit einbeziehen. Erworbene Miasmen werden durch verschiedene belastende Faktoren begünstigt. Dazu gehören z. B. nicht vollständig ausgeheilte Infektionen, Infektionskrankheiten oder andere Belastungen (s. o.). Zu den erworbenen Miasmen gehören auch die Folgen der vielfältigen Impfungen, sodass manche Autoren ein zusätzliches Impf-Miasma postulieren. J. H. Allen und andere Autoren beschreiben ein weiteres Miasma, die Pseudo-Psora oder das tuberkulinische Miasma, das sich aus psorischem und syphilitischem Miasma zusammensetzt. Als weiteres wird ein kanzeröses Miasma genannt, dem man eine Mischung aus Sykose und Syphilis zuordnet. Und schließlich lässt sich aus jeder Folge einer infektiösen Krankheit ein entsprechendes Miasma formulieren.
1.10.5 Äußerungen der Miasmen Es gibt Bücher füllende Beschreibungen miasmatischer Symptome, die hier nur kurz zusammengefasst seien. Die geschilderten Eigenschaften und Symptome sind als Tendenzen einer dynamischen Pathologie zu verstehen; sie können erkennbar sein, müssen aber nicht zwingend im Vordergrund stehen. Ausführlichere Angaben sind der erwähnten Literatur zu entnehmen.
Der psorische Patient Der psorische Patient leidet häufig unter chronischen Haut- und Schleimhaut-Erkrankungen mit
1 Grundlagen der Homöopathie „Erkältungskrankheiten“ und Lymphknotenschwellungen infolge mangelnder Funktion des Immunsystems. Die körperlichen und psychischen Reaktionen sind langsam und ruhig, sein Temperament neigt zum Phlegma. Essen ist eine seiner Lieblingsbeschäftigungen, was zu ausgeprägter Adipositas führen kann. Aber seine unkomplizierte Psyche ist von Angst und Mangel an Selbstwert und Durchsetzungsvermögen erfüllt, die ihn nur selten – aber dann heftig – aggressiv auftreten lassen. Er befindet sich im Zwiespalt zwischen Wollen und Handeln, es fehlt ihm häufig die Kraft, ein Ziel geradlinig durchzusetzen. Seine oft sture Beharrlichkeit lässt ihn mitunter zum langweiligen Gefährten werden. Alles Neue ist ihm unangenehm, er vermeidet Unwägbarkeiten. Sogar den Beginn eines neuen Tages verzögert er oft als Langschläfer. Heftige körperliche Anstrengungen sind nicht seine Sache, sie machen ihn müde und matt. Am wohlsten fühlt er sich in sicherer, vertrauter Umgebung. Er leidet beim Alleinsein oder bei Verlust von Angehörigen. Familienleben, Fortpflanzung und das mütterliche Nähren von Kindern gehören zu seinem Lebensinhalt. Unterdrückungen von Hautausschlägen oder Schleimhautabsonderungen lassen die Pathologie von außen nach innen fortschreiten (z. B. allergische Erkrankungen) und führen zu Unterfunktionen von Organen (z. B. Hypothyreose). Der Patient benötigt ein Antipsorikum.
Der sykotische Patient Der sykotische Patient verfügt über ein unzureichendes „Kontrollsystem“, er neigt zu exzessiven und schnellen psychischen und körperlichen Reaktionen: Ein kleiner Reiz ruft eine übermäßige Reaktion hervor. Emotionen sind spontan und überschießend. Freude, Liebe und Hass werden mit wenig Hemmung gezeigt. Sein Temperament ist eher sanguinisch oder cholerisch, er neigt zu eilig überstürztem Handeln – sowohl hinsichtlich Essen, Reden, Erotik, Aggressivität oder panischer Flucht – andererseits auch zu Pedanterie und übermäßiger Rechthaberei. Seine aktiven Sinnesfunktionen lieben Abwechslung und Bewegung, er verfügt meist über eine ausgezeichnete athletische Leistungsfähigkeit.
Stoffwechselfunktionen können übersteigert sein, er verlangt voll Heißhunger häufig nach Essen und kann Fasten schlecht ertragen. Ein Tumorgeschehen ist nicht selten. Die Haut neigt zu überschießenden Granulationen, Warzen oder Kondylomen, die Schleimhaut zu reichlichen, oft grünlichen Absonderungen. Erkrankungen des Urogenitalsystems gehören mit zu den Prädilektionsstellen des Sykotikers. Der Patient ist meist überempfindlich gegen Nässe und feuchte Kälte. Verschlimmerungen zeigen sich häufig am Nachmittag oder frühen Abend. Trotzdem gehört er oft zu den nachtaktiven Individuen, die den Vormittag gern verschlafen. Das operative Entfernen von Hautauswüchsen oder das künstliche Ruhigstellen mit Pharma-Präparaten führt zum Fortschreiten der Pathologie. Der Patient benötigt ein Heilmittel, das auch im sykotischen Bereich schwerpunktmäßig vertreten ist, ein Antisykotikum.
Der syphilitische Patient Der syphilitische Patient ist durch primär destruktive Reaktionen psychischer und physischer Art gekennzeichnet. Diese Reaktionen können unvermittelt ohne Warnung hervorbrechen und versetzen den Patienten selbst oder seine Umgebung in einen Zustand von Schrecken oder Hoffnungslosigkeit, der sich beim Menschen bis zum Suizid oder Verbrechen ausweiten kann. Er handelt leidenschaftlich und spontan ohne Rücksicht auf Verluste hinsichtlich seiner selbst oder anderer. Exzessive Liebenswürdigkeit kann spontan in eine ebensolche Gewalttätigkeit umschlagen. In diesem Miasma sind Automutilation (Selbstverstümmelung), Wahnsinn, Sexualverbrecher, Mörder und Terroristen zu Hause. Auch angeborene Miss- oder Fehlbildungen können dieses Miasma andeuten, das jedoch in diesem Zusammenhang nicht mit der Mangelentwicklung der Psora verwechselt werden darf. Die Destruktion kann alle Körpergewebe einschließlich Nerven- und Hirnfunktionen betreffen. Schwäche des Immunsystem und der Eigenregulation lassen primär destruktive Erkrankungen entstehen. Das operative Verschließen von Geschwüren sowie das Entfernen von Gewebeteilen oder Organen ebnen den Weg für weitere degenerative Prozesse.
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II Allgemeiner Teil Die Verschlimmerungszeit spielt sich voll Ruhelosigkeit und Verzweiflung meist in der Nacht und gegen Morgen ab. Der Patient benötigt eine homöopathische Arznei, die eine solche Art der Pathologie einschließt, eine antisyphilitische Arznei.
Der tuberkulinische Patient Diese Individuen verfügen über ein waches, unstetes Wesen. Die übermäßige Aktivität der Sinne lässt den tuberkulinischen Patienten alle Reize wahrnehmen. Sein meist sanguinisch-cholerisches Temperament lässt ihn rastlos nach neuen Eindrücken suchen. Körperkontakt und Liebesbeweise spielen eine große Rolle, dennoch ist sein Gehorsam nicht immer zuverlässig; er neigt zum Davonlaufen, zu widerspenstigem Verhalten oder Destruktivität. Sein körperlicher Ausdruck ist meist fein, grazil und elegant. „Tuberkulinische Mittel“ sind z. B. Phosphor, Arsen, Lycopodium, Calcium.
Miasmatische Einteilung von Arzneien Hahnemanns Ziel war bei all seinen Überlegungen eine Klassifikation von Krankheiten, um den homöopathisch-therapeutischen Zugang zu erleichtern. Er selbst und seine Nachfolger erkannten eine Vielzahl von „Antipsorika“, „Antisykotika“, antisyphilitischen und tuberkulinischen Arzneien. Die meisten Homöopathika gehören allen drei Miasmen an, wobei sich jedoch gewisse miasmatische Schwerpunkte herauskristallisiert haben (Abb. 7). Es ist allerdings nicht möglich, allein aufgrund eines vermuteten Miasmas ein heilendes Simile zu verordnen, wie es sich unschwer der Abbildung entnehmen lässt. Ausschlaggebend ist immer in erster Linie die Symptomatik des Patienten. Jedem Miasma wird eine schwerpunktmäßige Arznei (bzw. der Psora zwei Arzneien) zugeteilt. Ferner gehört zu jedem Miasma eine Nosode: Psorinum, hergestellt aus dem Inhalt eines Bläschens aus der Krätze-Krankheit (Skabies), Medorrhinum, hergestellt aus dem Sekret der Gonorrhö, Syphilinum (Lueticum), hergestellt aus SyphilisGeschwüren.
Die wichtigsten miasmatischen Kennzeichen, Mittel und Nosoden Miasma
Prinzip
Arznei
Nosode
Psora
Hemmung
Calc-.c., Sulfur
Psorinum
Sykose
Überschießen
Thuja
Medorrhinum
Syphilis
Destruktion
Mercurius
Syphilinum
Auch aus der akademischen Medizin sind analoge pathologische Reaktionsweisen von Gewebe bekannt, die man durchaus den drei Hauptmiasmen zuordnen kann: Tendenz zu Hypotrophie, zu Hypertrophie oder zu Destruktion. Die Meinungen zur Miasmentheorie sind jedoch auch unter den Homöopathen geteilt: Einige Autoren betonen ausdrücklich, dass es gemäß dieser Pathophysiologie keine weiteren als diese drei Reaktionsweisen geben kann. Andere Homöopathen konstruieren neue „Miasmen“. Manche alterfahrenen homöopathischen Experten mit mehr als 50jähriger Praxis verwerfen die Miasmentheorie als „Unsinn“, von anderen „modernen“ Therapeuten wird ein hypothetisches Miasma anstelle des Patienten zum primären Objekt der Therapie gemacht. Aber eine Verordnung aufgrund von Hypothesen führt zu unsicherer Therapie und verstößt gegen Hahnemanns Forderung nach „deutlich einzusehenden Gründen“ der Arzneimittelwahl.
Das Verständnis der miasmatischen Ausprägung Der unvoreingenommene Leser einer homöopathischen Arzneimittellehre wird sich vielfach über widersprüchliche Angaben innerhalb eines Mittels wundern. Im Arzneimittelbild von Phosphor z. B. wird der Patient geschildert als einer, der in exzessiver Weise liebevoll entgegengebrachte Sympathie erwidert, der aber gleichzeitig auch andere töten, voller Schrecken in Panik ausbrechen, aber auch schüchternes und reserviertes Verhalten zeigen oder völlig frei von jeglicher Angst sein kann. Wie mögen derart unverständliche Verhaltensweisen innerhalb eines Arzneimittelbildes zu verstehen sein?
1 Grundlagen der Homöopathie Miasmatische Zugehörigkeit der homöopathischen Arzneien Arzneimittel
Psora
Autor 1
Sykose Autor 2
Syphillis
Aconit
1
Bönninghausen
Antimonium c.
1
Apis
1
Aranea
1
Arnika
1
Arsenicum album
Autor 3
Bönninghausen
1
Kent
1
Kent
Pierre Schmidt
2
Kent
2
Kent
Julian
1
Kent
Bönninghausen
1
Kent
1
Kent
1
Bönninghausen
2
Bönninghausen
2
Kent
Belladonna
1
Bönninghausen
1
Pierre Schmidt
Bryonia
1
Bönninghausen
1
Kent
Calc. carbonicum
1
Bönninghausen
2
Kent
1
Boericke
Calc. fluoricum
1
Julian
1
2
Kent
Calc. phosphoricum
2
Erg. v. Kent
Carbo vegetabilis
2
Bönninghausen
1
Kent
Causticum
1
Kent
China
1
Conium
1
Kent
Bönninghausen
2
Kent
2
Bönninghausen
1
Pierre Schmidt
1
Guernsey
1
Bönninghausen
1
Kent
2
Kent
Dulcamara
1
Bönninghausen
2
Kent
Graphit
1
Bönninghausen
2
Kent
2
Clarke
Hepar sulf.
2
Bönninghausen
1
Kent
2
Kent
Hypericum Ignatia
Bei Traumen ist die miasmatische Zugehörigkeit nebensächlich! 1
Bönninghausen
Kali. carbonicum
2
Bönninghausen
1
Kent
1
Pierre Schmidt
Lachesis
1
Bönninghausen
2
Kent
2
Kent
Lycopodium
2
Bönninghausen
2
Kent
2
Kent, P. Schmidt
Mangan
1
Bönninghausen
2
Kent
Mercurius
2
Pierre Schmidt
1
Kent
4
Kent
Natrium mur.
2
Bönninghausen
2
Pierre Schmidt
Nitricum ac.
2
Bönninghausen
3
Kent
3
Kent
Nux vomica
1
Bönninghausen
1
Pierre Schmidt
1
Boericke
Opium
1
Bönninghausen
Phosphor
1
Bönninghausen
1
Pierre Schmidt
2
Kent
Psorinum
3
Bönninghausen
1
P. Schmidt, Allen, Nash
1
Clarke
Pulsatilla
1
Pierre Schmidt
1
Kent
Rhus tox.
1
Bönninghausen
1
Pierre Schmidt
Ruta
1
Pierre Schmidt
1 2
Kent
Sepia
3
Kent
Silicea
1
Bönninghausen
2
Kent
3
Kent
Staphysagria
1
Bönninghausen
3
Kent
2
Kent
Sulfur
3
Bönninghausen
2
Kent
2
Kent
Thuja
1
Bönninghausen
4
Pierre Schmidt
2
Kent
Abb. 7 Miasmatische Zugehörigkeit der besprochenen homöopathischen Mittel.
33
34
II Allgemeiner Teil Die Dynamik der Miasmen erklärt diese scheinbaren Ungereimtheiten. Das sei an einzelnen Aspekten aus dem Arzneimittelbild von Phosphor aufgezeigt: Der psorische Phosphor-Patient ist scheu, schreckhaft und schüchtern, lächelt verschämt und versucht sich zurückzuziehen. Erst nachdem er Vertrauen gewonnen hat, öffnet er sich und genießt die Zuwendung. In neuen Situationen muss er sich anfangs zurechtfinden, um dann am Leben teilzuhaben. Er entwickelt kurze heftige, aber auch chronische oder chronisch-latente Erkrankungen. Der sykotische Phosphor-Patient kommt stürmisch, voll strahlender Freude auf uns zu, umarmt uns oder erklärt in herzlichen Worten, wie sehr er sich freut. Durch eine Kleinigkeit kann heftiger Zorn ausgelöst werden. Er trägt seine Emotionen gleichsam auf dem Tablett vor sich her. Seine Distanzlosigkeit lässt ihn alle Sinnesreize überschießend beantworten. Er neigt zu heftigen, auch gefährlichen Erkrankungen. Der syphilitische Phosphor-Patient tritt exaltiert, erotisch, arrogant oder bemerkenswert „cool“ auf, folgt ohne Rücksicht auf Verluste seinen Launen und Trieben bis in ekstatische Erregungszustände, hat Freude an gefährlichen Unternehmungen, gleichgültig, ob sie ihn oder andere das Leben kosten. Er neigt zu primär destruktiven Erkrankungen. Ein solches miasmatisches Verständnis hilft, Arzneimittelbilder zu erlernen und die verschiedenen Ausprägungen plausibel zu machen. Es geht um übergeordnete Ideen oder Themen, die, wie bereits erwähnt, in der „Signatur“ zum Vorschein kommen und uns im gesamten Arzneimittelbild ähnlich musikalischen Variationen gegenübertreten. In diesem Beispiel von Phosphor lautet das Thema „nach außen Treten“: einmal in der negativen Variation von Schüchternheit, dann in exzessiver, distanzloser Form und schließlich „ohne Rücksicht auf Verluste“.
1.10.6 Miasmenlehre in der
Tierhomöopathie Wenn die Miasmen als eine Reaktionsart des Organismus verstanden werden, verdienen sie in der Tierhomöopathie eine ganz besondere Beachtung. Gerade bei den verschiedenen Tierspezies sind solche unterschiedlichen Reaktionsweisen deutlich zu erkennen.
Die „Familienanamnese“ des Menschen ist dabei analog den erblich fixierten Krankheitsdispositionen von Spezies und Rassen zu verstehen. Da die Arzneimittelprüfungen am Menschen durchgeführt worden sind, ist dieser – wie bereits mehrfach erwähnt – auch für die Tierhomöopathie der maßgebende Bezugsorganismus. Stellt man sich einige Tierspezies in menschlicher Gestalt vor, so liegen miasmatische Assoziationen auf der Hand. Im Folgenden seien diese pauschal skizziert:
Das Rind bzw. die Kuh Schon in den Klinik-Vorlesungen an der Universität war die Rede von pathophysiologischer Typisierung: vom „serösen Typ Pferd“, im Gegensatz zum „fibrinösen Typ Rind“. Der Kuhstall verbreitet eine Atmosphäre von Ruhe und mütterlicher Geborgenheit. Es riecht nach Milch, im Stall liegen die Tiere nach der Fütterung bedächtig kauend im Stroh, das Gefressene muss um der besseren Verdaulichkeit willen zweimal gekaut werden. Auf der Weide fressen die Tiere fast den ganzen Tag im langsamen Gehen und liegen ruhig zum Wiederkäuen und Verdauen. Die „Haut“ ist dick wie eine Schuhsohle, so schnell geht einer Kuh nichts unter ihr „Vollrindleder“. Dieser Prototyp des Muttertieres ist bodenständig und lebenslang mit Reproduktion und Ernährung von Nachkommen beschäftigt. Die psychischen und körperlichen Reaktionen sind langsamer als z. B. beim Pferd, als fibrinöser Typ entwickeln sich auch Infektionen nicht so überstürzt wie beim Pferd. Das Rind zeigt eine miasmatische Tendenz zur Psora. Werden diese Grundeigenschaften des Rindes in Beziehung zu homöopathischen Arzneien gesetzt, so treten besonders die „psorischen Versionen“ Calcium carbonicum, Calcium phosphoricum, Lycopodium und Pulsatilla hervor – neben anderen Arzneien. Zusätzlich ist beim Rind, im Gegensatz zu anderen Spezies, bei den winterlichen „Rinderflechten“ häufiger Psorinum angebracht als bei allen anderen Tieren.
1 Grundlagen der Homöopathie Das Pferd Das Pferd ist ein ganz anderer Reaktionstyp als das Rind. Von Natur aus auf Sensorium und Flucht spezialisiert, gehört es zu den reaktiven und aggressionsarmen Tieren, die lieber fliehen als sich einer gefährlichen Situation zu stellen. Beißen oder Schlagen gibt es fast nur unter unphysiologischen Haltungsbedingungen oder unter dem Einfluss von Krankheiten (Ausnahme z. B. das mongolische Wildpferd). Pferde sind in psychischer und physischer Hinsicht übersensibel: Eine scheinbare Kleinigkeit kann Panik auslösen. Eine kleine Verletzung kann innerhalb von Stunden zur Sepsis, ein Stoß mit dem Hufeisen gegen das Röhrbein zu übermäßigen Periostwucherungen führen, eine schlecht heilende Wunde kann überschießende Granulationen nach sich ziehen und ein geringes Kaltwerden nach Schwitzen kann gleich eine extreme, vielleicht lebensgefährdende Myositis auslösen. Der seröse Reaktionstyp ermöglicht heftige Blutungen, Ödeme, entzündliche oder seröse Ergüsse, wie sie bei keiner anderen Spezies beobachtet werden. Eine Mahlzeit mit angeschimmeltem Futter kann sofort „Asthma“ auslösen, ebenfalls Koliken mit heftigsten Schmerzreaktionen. Und schließlich kann das beeindruckend elegante Imponiergehabe des Pferdes – ritualisiert im Dressur-Reiten – die übermäßige Begeisterung vieler Menschen auslösen (sonst gäbe es nicht so viele Pferdeliebhaber!). Die Tendenz zur Entwicklung von Warzen, Granulomen und Sarkoidwucherungen rundet das Bild der „überschießenden Reaktionen“ ab. Beim Pferd sind meist Arzneien in ihrer sykotischen Ausprägung indiziert – wohlgemerkt ohne Beteiligung einer Gonorrhö. Durch diese Reaktionsweise des Pferdes gewinnen bestimmte homöopathische Arzneien bzw. deren Facetten einen besonderen Stellenwert, welche die Arzneiwahl erheblich erleichtern können. Die „überschießende“ Neigung zu Asthma-ähnlichen Reaktionen erfordert im akuten Zustand meist Arsenicum, Phosphor, Lachesis oder Nux vomica (andere sind aber nicht ausgeschlossen!). Anschließend sollte eine „konstitutionelle Therapie“ folgen. Die Neigung zu überschießenden Periostreaktionen durch traumatische Einflüsse verlangt anfangs häufig Ledum, in fortgeschrittenem Stadium Ruta und bei bereits vorhandenen Exostosen Calcium
fluoricum, sofern nicht eine konstitutionelle Therapie mit Phosphor, Calcium carbonicum oder Calcium phosphoricum (o. a.) angebracht ist. Es handelt sich bei diesen Zuständen nicht um primäre Störungen im Metabolismus der Knochensubstanz, wie es z. B. bei den syphilitischen Schienbein-Exostosen des Menschen der Fall ist, die Aurum, Mercurius oder Phytolacca o. Ä. verlangen. Auch die Strahlbeinlahmheit ist aus dieser Pathophysiologie abzuleiten: Die Folgen von Überanstrengung der Sehnenansätze verlangen im Anfangsstadium Arnica, später Ruta oder Rhus toxicodendron und im fortgeschrittenen Stadium Calcium phosphoricum – sofern keine Indikationen für andere konstitutionelle Mittel vorliegen. Die Arthrosen der Pferde haben nichts mit der „gichtigen Diathese“ oder mit gestörtem Nierenstoffwechsel zu tun. Darum kann z. B. Benzoes acidum bei den Lahmheiten der Pferde nicht tief greifend wirken. Vielmehr sind Mittel angebracht, die mit dem „Leistungssportler Pferd“ zu tun haben, mit Überanstrengung und den daraus folgenden „überschießenden“ Reaktionen. Dieser Reaktionsart kommt die Bezeichnung „angeborenes Miasma des Pferdes“ am nächsten, das je nach Rasse oder Typ noch weiter zu spezifizieren wäre.
Vögel Bei den meisten mitteleuropäischen Vögeln kann man ebenfalls eine Tendenz zur „sykotischen“ oder „tuberkulinischen“ Reaktionsweise erkennen, allerdings etwas anders als beim Pferd. Stellt man sich z. B. ein Huhn in Menschengestalt vor, so liegt die Tendenz zur agitierten hyperthyreotischen Stoffwechsellage nahe: Die „Übersteigerung“ zeigt sich in hastigen, eiligen Bewegungen, dauerndem Lautgeben, das in keinem Verhältnis zur Größe des Kehlkopfes steht, permanenter Futteraufnahme mit Speicherung im physiologischen Kropf; die normale Körpertemperatur liegt im Bereich dessen, was für andere Lebewesen Fieber bedeutet; die Erythrozyten enthalten Kerne, sind quasi „noch nicht fertig“; die Blutgerinnung funktioniert so schnell wie sonst bei keinem anderen Lebewesen; die Darmpassage ist so überstürzt, dass der Kot noch die Beschaffenheit von Dünndarminhalt aufweist; sogar die Reproduktionsvorgänge sind übersteigert: Die Eier werden vom Huhn unermüdlich „geboren“, sogar ohne je-
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36
II Allgemeiner Teil weils ersichtliches Zutun des Hahnes, sind aber wiederum „noch nicht fertig“, sie müssen nach Befruchtung extrauterin bis zur „Geburt“ der Küken warm und versorgt gehalten werden; anschließend schlüpfen unfertige, nackte Embryonen – wie Frühgeborene – aus der Schale. Auch das Sensorium dieser Vögel ist übersteigert: Wenn in einer Intensivhaltung von 30 000 Masthähnchen nur wenige Tiere einen panischen Schrecken erfahren (z. B. durch Schallmauerdurchbrüche von Bundeswehr-Düsenjägern), kann es geschehen, dass alle Artgenossen in absoluter Panik in eine Stallecke aufeinander rasen, sodass nur die oben Sitzenden überleben. Übrigens konnten mehrere Populationen dieser 30 000 Masthähnchen jeweils durch eine einzige Gabe von 5 g Jodum C 200 über das Trinkwasser von ihren Panikattacken geheilt werden. Eine alte Volksweisheit warnt davor, den Kochtopf, in welchem die Hühnereier gekocht werden, für andere Nahrungsmittel zu benutzen, weil man davon Warzen bekomme. Und tatsächlich wurden bei den Arbeitern dieser Geflügelschlächterei bevorzugt Warzen und Papillome an Händen und Gesicht festgestellt. Und schließlich sind gerade die Vögel „nicht geerdet“, sondern „viel zu leicht“ für diese Welt. Für diese Vögel kommen besonders entsprechende Polychreste in sykotischer oder tuberkulinischer Ausprägung infrage, die einen Bezug zum übersteigerten hyperthyreotischen Stoffwechsel aufweisen, wie Arsen, Jod, Causticum, Phosphor, Silicea, Thuja u. Ä., aber auch Tuberculinum avium. Calcarea mit seiner Neigung zum verlangsamten Stoffwechsel ist erfahrungsgemäß bei Vögeln weniger angebracht.
Kleinnager (Mäuse, Hamster, Ratten) Ähnlich verhält es sich mit manchen Kleinnagern, wie Mäusen, Hamstern, Ratten u. Ä.: Diese Tiere neigen zu übersteigertem Stoffwechsel, sind schreckhaft und nachtaktiv und haben das Bedürfnis zu „rennen“. Hier finden wir bei Erkrankungen sehr häufig Arsenicum album und ähnliche Mittel mit hyperaktivem Stoffwechsel indiziert.
Hauskatze Stellen wir uns den Prototyp der Hauskatze in Menschengestalt vor: Es entsteht eine bemerkenswert faszinierende Persönlichkeit von äußerst ansprechender Gestalt, elegant geführten Bewegungen in exquisiter sauberer Kleidung, sie besitzt eine fesselnde erotische Ausstrahlung mit einer sonderbaren Mischung aus Unnahbarkeit und Anziehungskraft. Im nächsten Moment wirft sie sich an uns, um sich aufdringlich in sexuelle Ekstase zu reiben. Diese verführerische erotische Erregung kann spontan in sadistische Aggressivität umschlagen, abhängig von der Laune dieser Persönlichkeit, die sich nie genau vorhersagen lässt. Zur Zeit der Ovulation können mehrere „Männer“ Eizellen befruchten, sodass „Zwillinge“ von unterschiedlichen Vätern abstammen können. Solche Sex-Orgien sind bekanntlich von schrillen Schreien oder tönendem Orgeln begleitet. Eine geregelte „Arbeit“ ist undenkbar (es gibt sehr selten Katzendressuren!), stattdessen geht diese Persönlichkeit lieber ihrem Vergnügen nach, lauert heimtückisch der wehrlosen Maus auf – nicht aus Hunger, sondern aus Lust – und spielt sie langsam mit Begeisterung zu Tode. Auf menschlicher Ebene wäre das ein sadistischer Lustmörder. Auf diesem Boden entwickelt die Katze – heute immer häufiger – heimtückische und primär destruktive Erkrankungen. Kein Wunder, dass unser liebes Schmeichel-Raubtier bevorzugt an Abwehrorganen (Immunsystem) und Aggressionsorganen (Maulhöhle) erkrankt. Kein anderes Haustier kann an einem protrahierten Schnupfen so schnell sterben wie die Katze! Nach diesen Ausführungen liegt die Zugehörigkeit der Katze zum syphilitischen Miasma auf der Hand, jedoch ohne Beteiligung von Spirochaeten: Sogar die Nosode der Syphilis, Syphilinum, hat erfahrungsgemäß noch nie einen deutlichen Effekt in diesem Krankheitsgeschehen der Katze gebracht! Mercurius dagegen kann durchaus erforderlich sein, Arsen und Phosphor sind jedoch ungleich häufiger indiziert. Wenn wir die angegebenen Grundeigenschaften der Katze repertorisieren, so erscheinen die Mittel Phosphor, Lachesis, Arsenicum, Lycopodium und Nux vomica unter den höchstrangigen Mitteln. Tatsächlich sind diese Mittel in ihrer „syphilitischen Facette“ am häufigsten indiziert, müssen natürlich aber individuell differenziert werden. Etwa zwei Drittel aller kranken Katzen benötigen eine dieser Arzneien.
1 Grundlagen der Homöopathie Hund Der Hund kann nun – je nach Rasse – verschiedenen „Miasmen“ angehören, wobei wieder ein Zusammenhang zum Tierbesitzer besteht. Es gibt auch unter den Hunderassen solche, die bevorzugt zu bestimmten homöopathischen Mitteln tendieren, genauso wie ihre Besitzer. Hier spielt wieder eine Art Koinzidenz (C. G. Jung) eine Rolle, die sich durch das morphische Feld erklären lässt: Warum hält sich der exaltierte Außenseiter einen „Kampfhund“? Warum führt die prüde alte Dame einen Dackelrüden mit überbetonter Sexualität und entsprechenden Organen an der Leine? Warum frisiert der Angeber seinen großen braunen Pudel zu einer prachtvoll auffallenden Figur?
1.10.7 Zusammenfassung – Sinn und
Aufgabe der Miasmenlehre Fasst man nun diese Gedanken zusammen, so erscheint die Frage: Was sind für unsere Tiere „ererbte Miasmen“? Ist es nicht ganz einfach das Miasma des Pferdes, das Miasma der Vögel, das Miasma der Katze, das Miasma des Pudels usw.? Ist das „Miasma“ der Tiere nicht letztlich ihr Tier-Sein? Vielleicht ist es doch sinnvoll, wieder zur pathophysiologischen Reaktionslage der Spezies und Rassen zurückzukehren, zu Hypo-, Hyperfunktion und Destruktion, als über hypothetische „Miasmen“ zu diskutieren? Dennoch sei der Sinn dieser Miasmentheorie kurz zusammengefasst: Sie vermittelt Verständnis für den Patienten, für seine Reaktionsweise. Sie vermittelt Verständnis für die Dynamik der Arzneimittelbilder, in ihrer unterschiedlichen Ausprägung. Sie kann richtungweisend sein für den Weg der Heilung entsprechend der Hering’schen Regel. Sie soll wegweisend wirken für das Finden von Folge- und Ergänzungsmitteln für die Heilung. Da es beim Tier weder Gonorrhö noch Syphilis gibt, sind die zugehörigen Nosoden (Medorrhinum und Syphilinum) hier ungleich seltener indiziert als beim Menschen, sie können einzig nach dem Ähn-
lichkeitsprinzip verordnet werden, ohne miasmatische Belastung der Eltern (mit Tripper oder Syphilis). Nur die Tuberkulose kann als erbliche Belastung bei Tieren regional unterschiedlich gehäuft auftreten, aber es empfiehlt sich, auch Tuberculinum nach der Simile-Regel zu verschreiben und nicht nach einem hypothetischen Miasma. Ob die homöopathisch potenzierten Impfstoffe einen wesentlichen therapeutischen Effekt ausüben, muss noch weiter untersucht werden. Es ist durchaus möglich, dass damit eine generationenlange Belastung im Sinn der Miasmen vorliegt. Hier liegt noch ein weites Feld zur Forschung offen. Wenn wir nun die „erworbenen Miasmen“ betrachten, stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Erörterungen: Die abgebildete Liste über die miasmatische Zugehörigkeit der Mittel (Abb. 7) lässt kaum eine Differenzierung für eine z. B. destruktive Krankheit zu. Für die Arzneimittelwahl ist es wichtig, das Mittel entsprechend der Dynamik der vorliegenden Pathologie zu verordnen. Entscheidend ist aber immer die Symptomatik des Patienten.
1.11 Verschiedene Methoden
der Homöopathie Die Aufforderung Hahnemanns: „Macht‘s nach, aber macht‘s genau nach!“, ist während der 200 Jahre des Bestehens der Homöopathie nicht immer befolgt worden. Es bildeten sich verschiedene Schulen und Richtungen heraus, die jede für sich die Zugehörigkeit zur optimalen Homöopathie beanspruchen. Auf dem Weg zum Simile kann es durchaus unterschiedliche Praktiken geben, aber es gibt nur eine „Reine Lehre“ der Homöopathie: Die Homöopathie in ihrer klassischen Form, getreu nach der Hahnemann’schen Methode. Und nur diese führt zum echten, dauerhaften Therapieerfolg, insbesondere in chronischen Krankheitsfällen. Was unter ,erfolgreicher Therapie‘ zu verstehen ist, soll im Folgenden erörtert werden.
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II Allgemeiner Teil Das Studium der Homöopathie Hahnemanns erfordert einen erheblichen Lernaufwand. Je gründlicher und intensiver das Studium, desto größer ist der spätere therapeutische Erfolg. Nur an wenigen Universitäten der Welt wird die Homöopathie gelehrt, in Europa nur an vereinzelten Lehrstätten, und an noch weniger Ausbildungsstätten wird der gelernte Wissensstoff fachgerecht geprüft. Um diesen umfangreichen Ausbildungsgang der Homöopathie abzukürzen, entwickelten sich bereits zu Hahnemanns Zeiten Möglichkeiten, wie man das Herausfinden des homöopathischen Simile vereinfachen oder abkürzen kann.
1.11.1 Organotrope Homöopathie In Anpassung an die schulmedizinische Diagnose wurde nicht die Individualität des Patienten in den Vordergrund gestellt, sondern – entgegen Hahnemanns Prinzipien – der Krankheitsname oder das erkrankte Organ. Daraus entwickelte sich die organotrope Homöopathie, die besonders mit tiefen Potenzen arbeitet und dem Organismus die Arzneiwirkung gleichsam aufzwingt. Die Gefahr einer organbezogenen Homöopathie besteht jedoch darin, dass sie oft genug zwar die Krankheitssymptome beseitigt, aber das ursächliche Krankheitsgeschehen unberührt lässt. Das lässt den Patienten häufig auf einer anderen, übergeordneten Ebene erkranken (Unterdrückung). Es ist kein Therapie-Erfolg, wenn z. B. ein Hund durch ein Komplexmittel zwar von seiner Gebärmuttererkrankung befreit wird, aber Wochen später wegen gehäufter epileptischer Anfälle euthanasiert werden muss. Dennoch hat die organotrope Homöopathie ihren festen Platz besonders in der Tiermedizin, ebenso in den homöopathischen Pharmazeutika.
1.11.2 Komplexmittel-
Homöopathie Um nun die organotrope Homöopathie mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit zur Wirkung zu bringen, wurden mehrere homöopathische Mittel mit einem bestimmten Organ- oder Krankheitsbezug in einem Präparat gemischt. Solch Präparate nennt man ,Komplexmittel‘ – im Gegensatz zur Einzelmittel-Homöopathie Hahnemanns.
So finden sich auf dem fast unüberschaubaren Pharma-Markt an Komplexmitteln zahlreiche ,Grippemittel‘, in denen verschiedene homöopathische Arzneimittel für akute Infekte der Atemwege gemischt werden. In der Hand von homöopathischen Laien können diese Mittel durchaus bei einzelnen Patienten wirksam sein, wenn das passende Simile zufällig in der Mischung vorhanden ist. Sollte das aber nicht der Fall sein, dann bewirkt das Mittel nichts, und es heißt: ,Die Homöopathie wirkt bei mir nicht‘. Gerade das ist der Punkt, gegen den sich Hahnemann ganz entschieden eingesetzt hat: Er wollte eine sicher wirkende Medizin, verordnet ,nach deutlich einzusehenden Gründen‘, deren Wirkung in gewissem Grade vorhersehbar ist. Hahnemann beschimpfte diese Richtung der Komplexmittel-Homöopathie als ,Bastardtherapie‘. Die heutige Komplexmittel-Homöopathie ist jedoch sehr weit verbreitet und eröffnet vielen Anfängern den Weg zur Einzelmittel-Homöopathie. Manche Therapeuten wollen auch heute noch wissen, welches Mittel nun dem Patienten geholfen hat, um es im nächsten entsprechenden Fall wiederum mit Erfolg verordnen zu können. Eigentlich gehört die Komplexmittel-Homöopathie nicht in die Hand von ausgebildeten Homöopathen, wenn doch nur das Lesen der Indikationen die Verordnung rechtfertigt. Die Vorteile der Komplexmittel-Homöopathie liegen auf der Hand: Das Fläschchen kann ohne viel Überlegung und ohne Kenntnisse der Homöopathie verordnet bzw. von jedermann in der Apotheke gekauft werden. In der Tiermedizin finden die Komplexmittel besonders dort Verwendung, wo eine individuelle Arzneimitteldiagnose – aus Unkenntnis oder Zeitmangel – nicht gestellt werden kann. Es gibt durchaus brauchbare und erfolgreich wirkende Komplexmittel, sofern sie eine gute SimileBeziehung zur Art der Erkrankung des Patienten aufweisen. Bei längerem Gebrauch dieser Mittel oder bei „homöopathischer Dauertherapie“ – wie es die Pharma-Hersteller fälschlicherweise mangels homöopathischer Kenntnisse nennen – besteht jedoch die Gefahr, dass ungewollte Arzneimittelprüfungen stattfinden.
1 Grundlagen der Homöopathie 1.11.3 Homöopathie nach bewährten
Indikationen Diese vereinfachte Variante der Homöopathie stellt klinische Indikationen in den Vordergrund, deren Mittel nach Rezept und in standardisierter Dosierung verordnet werden: „Man gebe bei . . . 3 bis 4 ⫻ tgl. 10 Tropfen D 6.“ Diese Art der Verordnung kann in akuten Situationen und gelegentlich auch bei chronischen Erkrankungen durchaus zur Heilung führen, wenn zufällig das Similimum gewählt wurde, aber ohne das sichere Fundament der Verschreibung nach der Homöopathie Hahnemanns. Aber meist verstößt dieses Vorgehen gegen Hahnemanns Forderung, „nach deutlich einzusehenden Gründen“, also reproduzierbar zu therapieren. Die Wahrscheinlichkeit von Unterdrückungen peripherer Symptome ist groß, und damit schreitet die Erkrankung ins Organische fort, d. h., bestimmte Symptome verschwinden und werden durch hierarchisch höher stehende ersetzt, z. B. nach dem scheinbar geheilten Hautausschlag tritt eine Epilepsie oder Nierendegeneration auf. Die homöopathische Therapie nach „bewährten Indikationen“ kann auch verstanden werden, wenn für eine bestimmte Erkrankungsart ein Arzneimittel infrage kommt, dessen Indikation sich eindeutig aus dem Arzneimittelbild ableiten lässt.
Solche Angaben treffen z. B. für einige „TraumaMittel“ zu: Arnica ist indiziert bei stumpfen Traumen, Quetschungen, Folgen von Sturz und Prellung. Calendula ist indiziert bei Wunden mit Substanzverlust, die per secundam heilen sollen. Staphisagria ist das Heilmittel für frische Verletzungen der Cornea. Conium ist das Mittel für den Katarakt nach stumpfen Augenverletzungen usw. Diese Art der Verordnung verdient aber eher die Bezeichnung. „Mittelwahl nach Schlüsselsymptomen“.
1.11.4 Die Homöopathie Hahnemanns Die Aufnahme der „Gesamtheit der Symptome“ mit Hierarchisation und homöopathischer Differenzialdiagnose (,Individualisation‘) ist die am besten wirksame Methode, um akute und chronische Krankheiten zu heilen, jedoch nicht die einfachste. Sie erfasst die Individualität des Patienten mit seinen ,Zeichen und Symptomen‘ nach den Gesetzen des Organon und erfüllt damit Hahnemanns Vorgaben im Sinne einer „sicheren Therapie“.
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II Allgemeiner Teil 2 Praxis der Tierhomöopathie
2.1 Die drei Säulen der
Homöopathie Wie in Abbildung 1 dargestellt, lässt sich der beste Überblick über die Homöopathie aus den „drei Säulen“ des Simile-Gesetzes ableiten: „Similia“ steht für den Patienten, „Similibus“ für die geprüfte homöopathische Arznei, „curentur“ für das homöopathische Procedere der Heilung. Das homöopathische Heilmittel wird durch Vergleichen zwischen „Zeichen und Symptomen“ des Patienten mit denen des geprüften Arzneimittels gefunden. Dafür gibt es bindende Vorschriften. Wenn diese außer Acht gelassen werden, kann die Homöopathie durchaus Schäden verursachen, wie jede andere Therapie auch. Das Simile-Gesetz besagt mit anderen Worten: Was nicht krank machen kann, hat auch keine Kraft zum Heilen. Die Homöopathie ist keine „Naturheilkunde“, die jeder Laie ohne Kenntnis auf Dauer einsetzen kann, sondern eine hochwirksame Medizin mit strengen Direktiven. Ihre Anwendung kann in einzelnen akuten oder leichten Fällen nach Anweisung durchaus auch von Laien ausgeübt werden, aber die Therapie chronischer Krankheiten setzt grundlegende Kenntnisse der homöopathischen Methodik voraus. Der Weg zum homöopathischen Heilmittel – zum Simile: Patient 앗 Erkennen von Zeichen und Symptomen 앗 Auswählen 앗 Bewerten 앗 Hierarchisieren 앗 Simile finden (Repertorisieren) 앗
Individualisieren und dabei Reaktionsweise von Spezies und Rasse („Miasma“) bewerten 앗 Mittel auswählen 앗 Potenz auswählen 앗 Mittel verabreichen 앗 Mittelwirkung beurteilen 앗 Folgeverordnung, soweit notwendig
2.1.1 Die erste Säule – „Similia“ – der
Tierpatient Der Patient muss in seinem individuellen Kranksein erfasst werden. Beim Tier können hier gewisse Sonderaspekte hinzukommen: Manche Spezies oder Rassen weisen typische Eigenheiten auf, welche die Mittelwahl erleichtern können. Unter dem Thema der „Miasmen“ sind einige solcher Besonderheiten bereits erwähnt worden. Wenn nun ein ganzer Tierbestand erkrankt ist, kann dieser wie ein einziger Organismus behandelt werden. Dabei ist mitunter ein „Genius epidemicus“ erkennbar, ein einheitlicher Krankheitsverlauf mit denselben Symptomen in einer größeren Population. Dieses Phänomen erlaubt eine Behandlung des ganzen Tierbestandes mit ein und demselben Mittel. In einem Stall mit 36 Mastkälbern verschiedenen Alters grassiert z. B. eine Atemwegsinfektion mit Tendenz zur Pneumonie. Mehrere kranke Tiere zeigen Symptome für die Indikation von Phosphor. Nun können alle übrigen Patienten vom Bauern selbst mit jeweils einer einzigen oralen Gabe einer Hochpotenz von Phosphor therapiert werden. Der Kostenaufwand ist mit einem Stallbesuch und wenigen Gramm Arznei minimal – gegenüber dem Aufwand, der mit schulmedizinischer Medikation erforderlich wäre.
2 Praxis der Tierhomöopathie Das sind wichtige Möglichkeiten, um die Gesundheitsversorgung der landwirtschaftlich genutzten Tiere in einem wirtschaftlich vertretbaren Maße zu halten. Mitunter kann auch die Eigentümlichkeit der Spezies und ihrer Pathologie zur Mittelwahl eines Tierbestands führen, wie es in Kapitel 1 anhand des Hähnchen-Mastbetriebes mit der Jodum-Therapie beschrieben wurde. Ein anderer Hähnchen-Mastberieb war an einem schulmedizinisch resistenten Durchfall erkrankt mit täglich 300 Tieren Verlust. Der Bestand konnte mit zwei Gaben Tuberculinum aviaire C 30 geheilt werden. Im Abstand von 2 Tagen wurden je 5 g Globuli über die Trinkwasseranlage verabreicht. Der „Genius morbi“ bezeichnet einen konstanten Verlauf von Krankheiten in definiertem pathologischem Geschehen. Dieser kann einem oder mehreren Mitteln zugeordnet werden, die anhand ihrer Modalitäten differenziert werden müssen. Solch einen Genius morbi gibt es z. B. bei den Harnwegserkrankungen der Kater oder beim linearen eosinophilen Granulom der Katze. Es gibt ein weites Forschungsfeld, um andere solcher Arzneimittelzuordnungen herauszufinden:
Das Symptom Aus den bisherigen Erklärungen geht hervor, dass die Homöopathie den Begriff „Symptom“ anders bewertet als die Schulmedizin.
Klinische und pathologische Symptome Die Schulmedizin nutzt in erster Linie die klinischen Symptome (objektivierbare Untersuchungsergebnisse, Laborbefunde, Röntgen u. Ä.) und pathologische Symptome, um eine Diagnose zu formulieren, die dann mit den verfügbaren PharmaPräparaten m. o. w. schematisch behandelt wird. Die klinische Diagnose ist eine quantitative Diagnose (Rost), die natürlich auch für die homöopathische Medizin vorausgesetzt wird. Für die homöopathische Mittelwahl nehmen klinische Symptome meist einen untergeordneten Stellenwert ein, liefern aber trotzdem unverzichtbare Anhaltspunkte für die Beurteilung des Heilungsverlaufs. Erfolgt dennoch eine homöopathische Therapie einzig nach klinischen Symptomen, so wird diese
wahrscheinlich – wenn überhaupt – nur einen vorübergehenden Effekt haben. Gerade in der homöopathischen Praxis werden oft Patienten mit Beschwerden vorgestellt, denen keine klinische Diagnose zugeordnet werden kann, die aber homöopathisch einer Heilung zugänglich sind.
Pathognomonische Symptome Pathognomonische Symptome kennzeichnen das klinische Krankheitsgeschehen, sie sind als ,normal‘ zu bewerten und haben für die Auswahl einer homöopathischen Arznei keinen Wert. Pathognomonische Symptome sind z. B. Durst oder fehlender Appetit bei Fieber, Schmerz bei einem Entzündungsprozess, Husten bei Bronchitis, Fieber und Apathie bei septischem Geschehen. Es ist ausgesprochen wichtig, zwischen pathognomonischen und homöopathisch verwertbaren Symptomen unterscheiden zu können. In diesem Zusammenhang soll trotz aller Trivialität daran erinnert werden, dass Zeichen und Symptome von Tieren nicht immer identisch mit denen des Menschen beurteilt werden dürfen. Wenn es in der Arzneimittellehre z. B. von Veratrum album heißt, der Patient esse seinen Kot, so ist das nicht gleichzusetzen mit dem Kotfressen eines Hundes: Ein Mensch, der Kot isst, leidet unter einer Geisteskrankheit, ein Hund unter Mineralstoffmangel. Andererseits können gewisse Besonderheiten einer Tierspezies oder Rasse durchaus zur Mittelwahl beitragen (s. Miasmen).
Homöopathische Symptome Das homöopathische Symptom bezeichnet das individuelle Kranksein des Patienten; es ist die Auswirkung der „inneren Erkrankung“ und dient als „Wegweiser“ für die Arzneimitteldiagnose und damit für die Auswahl des Simile. Homöopathische Symptome bezeichnen die Art und Weise (Modalität; s. Kap. 1.6.2) der Erkrankung, das Befinden des Patienten sowie Lokalisation und Dynamik der Pathologie. Einen besonderen Stellenwert nehmen die auffallenden, sonderlichen, eigentümlichen Symptome (§ 153 Organon) für die Auswahl eines homöopathischen Mittels ein. Das sind solche Symptome,
41
42
II Allgemeiner Teil die durch Sinneswahrnehmung auffallen, z. B. – auffallende Blässe von Schleimhäuten, – schnarchende Atmung, – übermäßig intensiver Körpergeruch, – übermäßig starke Berührungsempfindlichkeit, – auffallende Körpergröße oder andere körperliche Merkmale; die unter den gegebenen Umständen nicht erwartet werden, z. B. – Fieber ohne Durst, – Schmerzlosigkeit sonst schmerzhafter Prozesse, – ungetrübtes Verhalten oder sogar Hunger im Fieber, – Frieren im warmen Zimmer oder Stall; die abweichen vom Prinzip der Lebenserhaltung, z. B. – Automutilation (Selbstzerstörung), – Aggressivität innerhalb der Familie, gegenüber Jungtieren (Kindern), – Abneigung gegen Zuwendung. Gemütssymptome bezeichnen beim Tier das Verhalten, es gibt z. B. – besonders herzliche, liebevolle Tiere, – unterwürfige, rangtiefe Tiere, – mürrische, abweisende Stimmung, reizbare Tiere, – „Einzelgänger“, sogar bei Herdentieren, – Beschwerden durch Kummer, Zurücksetzung; Allgemeinsymptome, z. B. – Magenbeschwerden durch Überfressen, – gelblicher Scheidenausfluss, – Bauchschmerzen am Nachmittag, – Müdigkeit nach dem Fressen. Lokalsymptome decken sich zum Teil mit den klinischen Symptomen. Diese Symptome müssen in der homöopathischen Anamnese möglichst durch modalisierende Eigenschaften spezifiziert werden.
Die homöopathische Anamnese Die Anamnese ist ein wesentlicher Baustein für die Arzneimittelwahl. Hahnemann gibt in seinem Organon (§§ 83 – 89) genaue Anweisungen, die Kent mit wesentlichen Kommentaren ergänzt hat. Beim Tier ist es mitunter schwierig, homöopathisch verwertbare Angaben und Einzelheiten über die Art der Erkrankung zu erfahren, darum ist es empfehlenswert, die Anamnese so gründlich wie möglich vorzunehmen.
Aufgabe und Ziel der homöopathischen Anamnese ist es, Anhaltspunkte für die Mittelwahl in Form von Zeichen und Symptomen zu finden, die besonders kennzeichnend sind, die besonders betont sind, die möglichst vollständige Symptome angeben (mehrere Modalitäten; s. Kap. 1.6.2), die ausgeprägte, kennzeichnende Modalitäten zeigen, die zu den Leitsymptomen und Charakteristika eines Arzneimittels gehören, die ein besonderes Verhalten kennzeichnen, die zu den auffallenden, sonderlichen, eigenheitlichen Symptomen gehören. Die klinische Anamnese mit der klinischen Untersuchung ist eine der Voraussetzungen für die homöopathische Therapie. Dazu zählt zusätzlich das Erfragen von: Vorkrankheiten – deren Folgekrankheiten – Abfolge von Erkrankungen, vorangegangenen Therapien und deren Verträglichkeit, Impfreaktionen, Reaktionen auf diese Therapien, durchgeführten Operationen, Genesung, möglichen Folgen, Unverträglichkeit chemischer Substanzen (z. B. Antiparasitika), Fütterungsschäden (einschl. Zusatzstoffe, Vitamine, Mineralstoffe u. Ä.), Haltungsschäden Einsatz von Medikamenten: – pharmazeutische Medikamente (Immunsuppressiva, Hormone, Antibiotika u. Ä.), – homöopathische Mittel, Komplexmittel, Schüssler-Salze, – Phytotherapeutika u. Ä. Die homöopathische Anamnese gliedert sich in den Vorbericht, Spontanbericht des Besitzers und in die homöopathische Befragung und Untersuchung. Der Vorbericht eruiert: Vorbedingungen für die Erkrankung, Entstehung und Dynamik der aktuellen oder chronischen Erkrankung, frühere Krankheiten, deren Therapie und Ergebnis. Der Spontanbericht des Besitzers erklärt in seinen eigenen Worten das Krankheitsgeschehen. In der homöopathischen Befragung werden die Angaben des Spontanberichtes spezifiziert. An-
2 Praxis der Tierhomöopathie schließend wird der gesamte Organismus nach dem „Kopf-zu-Fuß“-Schema abgefragt: „Von Kopf zu Pfote“, „von Kopf zu Huf“ oder „von Kopf zu Klaue“ – jede Möglichkeit sollte genutzt werden, um homöopathische Symptome zu finden! Auch beim „normalen“ oder „unauffälligen“ Patienten lassen sich in den meisten Fällen Anhaltspunkte für eine Mittelwahl finden. Als Gedächtnisstütze diene diese Reihenfolge: Zentralnervensystem und Sinnesorgane Kopf Atemwege Herz-Kreislauf-System Thorax Verdauungsapparat Abdomen Urogenitalsystem Haut, Körperoberfläche Krallen, Hufe, Klauen Bewegungsapparat Schlaf Verhaltenssymptome. Letztere haben beim Tier denselben Stellenwert wie die Gemütssymptome beim Menschen. Für das Eruieren und Bewerten dieser Symptome gelten ebenfalls dieselben Kriterien. Natürlich handelt das Tier spontaner und weniger gehemmt als der Mensch und ist in diesem Sinn etwa gleichzusetzen mit einem Kleinkind. Das Tier äußert seine Empfindungen deutlich. Ferner sind auch klinische Ursachen für das Verhalten zu berücksichtigen. Auch unter den Gemüts- bzw. Verhaltenssymptomen besteht eine Hierarchie: Wesentlich ist in erster Linie der Lebenswille, anschließend die intellektuelle Ebene und schließlich die emotionelle Lage mit geprägten Eigenschaften. Unter den Verhaltenssymptomen sind folgende Kriterien herauszufinden: Reaktionsfähigkeit, Temperament, Leistungsfähigkeit, z. B. – Lebensfreude, Spielverhalten, Bewegungsdrang, – Reizbarkeit, Reaktion auf Sinneswahrnehmungen, – Lautäußerungen, – „Extroversion“, „Introversion“; Durchsetzungsvermögen, z. B. – Ausprägung von Dominanz und Aggressivität oder Nachgiebigkeit, Feigheit, – Gehorsam, Widersetzlichkeit;
Sozialverhalten, z. B. – sozialer Rang unter Artgenossen sowie gegenüber dem Menschen, – Einhalten von „Burgfrieden“, – Zurückhaltung, Schüchternheit, Verlangen nach Zuwendung, aufdringliches Wesen, – unterwürfiges Verhalten, – „sympathisches“, „unsympathisches“ Auftreten; Angst, Furcht; psychische Auffälligkeiten, z. B. – Ruhelosigkeit, – „Einzelgänger“ (Absonderung aus dem Sozialverband, von Herde, Familie); „Intellekt“, Lernvermögen; Lieblingsbeschäftigung. Mit bestimmten Untersuchungen kann sich der Homöopath zusätzlich über gewisse Eigenheiten oder Modalitäten informieren. Dazu gehört z. B. das Testen auf Berührungs-, Druck- oder Schmerzempfindlichkeit bestimmter Körperregionen. In der ganzen Anamnese kommt es darauf an, den Patienten als Individuum wahrzunehmen: Was unterscheidet ihn von anderen Artgenossen? Während des Gesprächs mit dem Tierbesitzer ist es überaus wichtig, den Patienten zu beobachten. Wenn das nicht ausreicht, könnte man bestimmte Situationen provozieren, um seine Reaktion zu beobachten. Möglicherweise sind die Angaben des Besitzers von seinen Idealvorstellungen, Selbstdarstellung oder Projektionen geprägt. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich sich z. B. zwei Eheleute über ihren gemeinsamen Hund äußern können! Bei jeder unklaren Antwort des Besitzers ist es wichtig, nachzufragen, was er damit meine! Am Ende vieler Aussagen sollte immer wieder die Frage: „Was gibt es noch?“ gestellt werden. Viele Tierbesitzer vergessen das Wichtigste, man muss ihnen mit konkreten Fragen helfen: „Was macht der Patient, wenn . . .?“ Die Aufnahme der Anamnese erfordert oft viel Geduld und Übung, um das Wesentliche vom weniger wichtigen zu unterscheiden. Unter den Verhaltenssymptomen genießen solche den höchsten Stellenwert, die gegen das Urprinzip der Lebenserhaltung verstoßen, z. B. plötzliche, unersichtliche Aggressivität ohne vorherige
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II Allgemeiner Teil Drohgebärden, Aggressivität gegen Untergeordnete oder Jungtiere, Absondern aus dem Herdenverband, mangelndes Abwehrverhalten bei einem Angriff von Artgenossen. Alle Angaben der Anamnese sollten sorgfältig dokumentiert werden, um so den folgenden Heilungsprozess überprüfen zu können. Dieser muss streng gemäß der Hering’schen Regel verlaufen. Anderenfalls sollte die Mittelwahl genau nach Fehlern überprüft und ein anderes, besser passendes Mittel gefunden werden.
Auswahl und Hierarchisation der Symptome Aus der Anamnese des Patienten werden nun nach den genannten Kriterien die wichtigen und kennzeichnenden Symptome herausgesucht. Um die Forderung Hahnemanns und Kents nach dem „allerähnlichsten“ Mittel für den Patienten zu erfüllen, ist das folgende Schema für die Hierarchisation der Symptome unerlässlich und einfach zu merken. Diese Hierarchisation erklärt das Kriterium der Ähnlichkeit am deutlichsten und wurde von Dr. Künzli auf seinen Seminaren und Vorlesungen veröffentlicht. I Auffallende, sonderliche, ungewöhnliche, charakteristische, eigenheitliche Zeichen und Symptome (§ 153 Organon) 1) Symptom an sich ist sonderlich 2) Symptom wird durch seine Modalität sonderlich 3) Symptom wird durch seine Lokalisation sonderlich 4) Symptom wird durch seine Empfindung sonderlich 5) Symptom wird durch seine Erstreckung zu einer Körperregion sonderlich 6) Symptom wird durch Beginn und Ende sonderlich 7) Symptom wird sonderlich, indem ein erwartetes Symptom fehlt 8) Auftreten von widersprüchlichen Symptomen 9) Symptom wird durch seine Begleitumstände sonderlich 10) Symptom wird durch sein periodisches Auftreten sonderlich 11) Symptom wird sonderlich, indem es abwechselnd mit anderen Symptomen auftritt 12) Symptom wird auffallend, indem es in ganz besonderer Abfolge auftritt
II Geistes- und Gemütssymptome 1) Willenslage 2) Gemütslage, Emotionen, Prägung 3) Vernunft und Verstand III Allgemeinsymptome 1) Sekrete und Wundverhalten (Farbe, Geruch, Beschaffenheit, Modalitäten, Temperatur) 2) Abneigungen, Zuneigungen, Unverträglichkeiten, Begierden 3) Menses, Sex 4) Schlaf und Traum 5) allgemeine Modalitäten IV Ursachen – Trauma (physisch oder/und psychisch) – Schreck, Shock – Operationen, Impfungen usw. V Lokalsymptome (Symptome ohne Modalitäten oder Definition) Dieses Schema lässt sich sinngemäß auch für die Tiermedizin anwenden. Grundsätzlich kann jedes Symptom zum „sonderlichen“ werden, wenn es nur intensiv genug ausgeprägt ist. Auch eine eindeutige Ursache kann „sonderlich“ sein, wenn die Erkrankung eindeutig erst seitdem existiert. Die „Lokalsymptome“ ermöglichen keine Differenzierung homöopathischer Mittel. Geübte Humanhomöopathen verwenden selten mehr als 6 Symptome eines Patienten. In der Tierhomöopathie mag das anders sein. Es ist eine Frage der Übung, so wenig wie möglich, aber dafür deutlich ausgeprägte Zeichen und Symptome für die Mittelwahl heranzuziehen.
Repertorisation Das Repertorium ist ein unverzichtbares Hilfsmittel. Die Symptome des Patienten müssen zunächst gedeutet, dann in die „Sprache“ des Menschen und schließlich in die Nomenklatur dieses Nachschlagewerks übertragen werden. Dieser Vorgang schreckt manchen Einsteiger in die Homöopathie als unüberwindliches Hindernis ab. In gezielten Seminaren über die Technik der Anamnese, Übertragung der Symptome in die Ausdrucksweise der Arzneimittelbilder und Repertorisation ist dieser Schritt jedoch erlernbar und fordert uns dann zum kriminalistischen Aufspüren des passenden Mittels auf. Dennoch muss nicht jeder Fall repertorisiert werden. Bei ausreichender Arzneimittelkenntnis
2 Praxis der Tierhomöopathie und nach guter Anamnese kann in manchen Fällen das Repertorisieren überflüssig sein. Andererseits ist es nicht möglich, ohne Arzneimittelkenntnis und ohne Wissen über den Gebrauch des Repertoriums homöopathisch zu arbeiten. Das umständliche Repertorisieren kann heute durch den Computer wesentlich erleichtert werden. Jedoch das Auswählen und Übertragen der Symptome in die Ausdrucksweise des Repertoriums muss auch hier zunächst erlernt werden.
2.1.2 Die zweite Säule – „Similibus“ –
das homöopathische Arzneimittel Jedes homöopathische Arzneimittel hat seine besondere, einzigartige Wirkung und kann durch kein anderes ersetzt werden (§ 118 Organon). Arzneimittelkenntnisse sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Praxis. Zusätzlich schärfen sie den Blick für eine differenzierte Anamnese; denn man kann nur fragen und aufspüren, was man bereits kennt. Für das beginnende Studium der Arzneimittellehre empfehlen sich Werke der Humanhomöopathie, die in fortlaufendem Text geschrieben sind, wie solche von Nash, Kent oder Dewey. Besonders in der veterinärmedizinisch-homöopathischen Literatur werden zahlreiche Mittel nur aus einem Blickwinkel dargestellt, während andere Aspekte fehlen. So ist z. B. Sepia keineswegs nur das Mittel für das erschöpfte alte Muttertier! Grob vereinfachende oder aphoristisch abgefasste Arzneimitteldarstellungen können heftig in die Irre leiten!
Individualisation Beim Repertorisieren und anschließenden Auswählen des Simile geht es nicht um mechanisches Zusammentragen und Summieren von Symptomen. Kent sagt dazu: „Es zeugt von einer wirklich oberflächlichen Kenntnis, wenn man einfach darauf achtet, dass sich die Symptome decken . . . Wenn du ein Mittel gibst, musst du sicher sein, dass die Natur des Mittels mit der Natur des Kranken übereinstimmt – wie auch die Symptome.“
Diesen Vorgang nennt Hahnemann individualisieren. Die „Natur des Kranken“ betrifft im Fall der Tierhomöopathie auch das „Wesen“ der Tiere, wie es im Kapitel der Miasmen (1.10) erwähnt worden ist. Nach der Repertorisation kristallisieren sich ein oder mehrere Mittel für den Patienten heraus. Jetzt stellt sich die Frage, welches ist das Similimum? Bei diesem Individualisieren muss der Therapeut den § 3 im Blickfeld behalten: Was ist dasjenige, das geheilt werden soll? Was ist die heilende Arzneikraft des infrage kommenden Mittels? Ferner: Passt das Mittel zur Art und Dynamik der Pathologie, zur Reaktionsweise, zur Pathophysiologie, zu den Verhaltenssymptomen dieses Patienten? Stimmen die Modalitäten überein? Welche Zeichen und Symptome konnten bisher nicht repertorisiert werden und wie passen diese in das fragliche Arzneimittelbild? Was ist durch dieses Mittel zu erwarten? Wie würde der Patient auf dieses Mittel reagieren? Im Zweifelsfall muss ein gutes, möglichst ausführliches Nachschlagwerk der Homöopathie herangezogen und nachgelesen werden. Negativsymptome eines Arzneimittels („der Patient hat aber doch nicht . . .“) sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Auch hier können nur detaillierte Arzneikenntnisse Aufschluss geben. Das Individualisieren mit der Arzneimittellehre auf dem Schreibtisch und einem Patienten im Sinn ist die beste und nachhaltigste Lernmethode!
2.1.3 Die dritte Säule – „Curentur“ –
das Procedere der Heilung Die potenzierte Arznei Homöopathische Arzneien stehen in verschiedenen Zubereitungsformen zur Verfügung. Tabletten und Milchzuckerverreibungen gibt es für tiefe Potenzen. Häufiger sind alkoholische Dilutionen. Diese müssen vor dem Gebrauch jedes Mal kräftig geschüttelt oder besser auf einen elastischen Gegenstand geschlagen werden. Dasselbe gilt auch für Injektionslösungen. Besonders für die Anwendung in der ambulanten Praxis eignen sich die homöopathischen Globuli. Sie bestehen aus Stärkemehl und Saccharose. Durch Auftropfen einer minimalen Menge der alkoholischen Dilution werden unarzneiliche Globuli mit der arzneilichen Information imprägniert.
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II Allgemeiner Teil Für die Praxis muss ein möglichst großes Repertoire an Mitteln in verschiedenen Potenzstufen zur Verfügung stehen. Globuli sind für Platz sparende Aufbewahrung ideal geeignet, zusätzlich kostengünstig und praktisch unbegrenzt haltbar, obwohl die Gesetzgebung anderes vorschreibt.
Kriterien der Verabreichung homöopathischer Arzneien Neben der optimalen Ähnlichkeitsbeziehung zum Patienten gibt es drei Kriterien für die Art der Verabreichung der Arznei: Die Arznei muss in ihrer Intensität, in ihrer Potenzstärke dem Patienten und seiner Erkrankung angemessen sein. Die Arznei muss hinsichtlich der Frequenz der Dosierung zu Schwere und Dynamik der Erkrankung passen. Die Dauer der Verabreichung muss dem Verlauf der Heilung angemessen sein.
Metapher zur Wirkungsweise homöopathischer Arzneien Die Wirkung von Potenzstärke, Frequenz der Dosierung und Dauer der Verabreichung lässt sich am einfachsten durch ein metaphorisches Bild verdeutlichen (Abb. 8): Der fest verwurzelte, aufrecht stehende Baum symbolisiert die ausgeglichene, gesunde, selbst regulierende Lebenskraft. Der Einfluss eines heftigen pathogenen Faktors, der die Kraft der Eigenregulation übersteigt, sei hier als Sturmwind dargestellt, der den Baum – entsprechend der gestörten Lebenskraft! – aus dem Gleichgewicht und zum Kippen bringt. Die „Therapie“ mit dem passenden Simile besteht in einem „künstlichen Sturmwind“ aus der anderen Richtung, gleichbedeutend mit dem Reiz durch eine dynamisierte Arznei. Eine „Therapie“ durch mehr Sonnenschein, Dünger, Feuchtigkeit oder Streicheleinheiten kann zwar dem Baum ein Weiterwachsen ermöglichen, aber in liegender Form. Das heißt: „Sonne“, „Dünger“ oder „Regen“ wären in diesem Fall nicht passende, „falsch“ gewählte Arzneien.
ãKnstlicher SturmwindÒ aus der anderen Richtung
Lebenskraft Sturmwind
Abb. 8 „Der Baum“ der Lebenskraft.
2 Praxis der Tierhomöopathie Natürlich ist diese Metapher cum grano salis zu verstehen. Der „Sturmwind“ aus der anderen Seite muss aber wohl dosiert sein: Er kann in kurzen, geringen Impulsen blasen, mehrere stärkere oder einen einzigen ganz intensiven Impuls geben. Der Impuls ist gleichzusetzen mit der Stärke der Potenz, die Zahl der „Windstöße“ mit der Frequenz der Gabe. Der kranke Organismus setzt diese Impulse für die Stärkung seiner Lebenskraft ein, das heißt, die Energie dieser Kraftstöße „verbraucht“ sich proportional zum Grad der aus dem Gleichgewicht geratenen Lebenskraft, zur Schwere der Erkrankung. Das bedeutet auch, dass die Intervalle der Arzneigaben mit fortschreitender Heilung immer größer werden müssen. Wie bereits erwähnt ist das zunehmende subjektive Wohlbefinden des Patienten das wesentliche Kriterium für die heilende Wirkung der Arznei und auch Maßstab für die Gesundung der Lebenskraft. Dabei wird verständlich, dass der Impuls durch den Sturmwind – bzw. die Arzneigabe – aufhören muss, sobald es dem Patienten besser geht. Um diesen Verlauf zu beurteilen, bedarf es der genauen Beobachtung des Patienten. Eine Fortsetzung der Arzneigaben – der Windimpulse – würde dazu führen, dass der Baum nach kurzer Besserung zur anderen Seite hin umstürzt, das heißt, seine ursprüngliche Krankheit verschlimmert sich wieder und entwickelt bei weiterer Fortsetzung der Medikation Symptome einer Arzneimittelprüfung. Es ist ein altbekannter Grundsatz der Homöopathie, dass die Arzneigabe niemals in eine beginnende Besserung hinein wiederholt werden darf. Leider findet sich dieser Hinweis nur allzu selten in der Literatur für homöopathische Laien. Dort sind Standardindikationen mit standardisierten Dosierungen empfohlen, die nur allzu oft zum Missbrauch mit homöopathischen Mitteln und zum Auftreten von Arzneimittelbildern führen. Wenn Hersteller von homöopathischen Pharmazeutika eine „homöopathische Dauertherapie“ propagieren, lässt sich ermessen, dass damit Schaden angerichtet werden kann. Umso schlimmer ist es, wenn z. B. in bekannter homöopathischer Literatur der Veterinärmedizin
Dosierungen für Höchstpotenzen angegeben werden, wie „ Arsen M, 2 ⫻ tgl. für eine Woche“, oder wenn gar veröffentlicht wird, für die Hüftgelenkdysplasie des Hundes solle man „Calcium fluoricum D 30 einmal täglich für 4 Wochen“ geben. Es ist bekannt, dass im Rahmen einer homöopathischen Arzneimittelprüfung mit C 30 bei einmaliger Einnahme pro Tag in der Regel nach 6 Tagen die Prüfsymptome der Arznei auftreten. Wenn nun ein Patient über einen derart langen Zeitraum ein „falsches“ Mittel verabreicht bekommt, dann sind Symptome einer Arzneiprüfung zu erwarten, die in der Literatur nachzulesen sind.
Verwendung „hoher“ und „tiefer“ Potenzstufen Die Höhe oder Stärke der Potenz muss der Therapeut nach seinem Ermessen und seiner Erfahrung erwägen. Tiefe Potenzen (bis C12) wirken weniger signifikant als höhere Potenzen. Sie decken ein breiteres, aber weniger spezifisches Spektrum des Arzneimittelbildes ab. Das heißt, eine tiefe Potenz kann bei wiederholter Gabe deutlich den Zustand eines Patienten bessern, während eine einmalige Gabe desselben Mittels in einer höheren Potenz keine Wirkung zeitigt. Dieses Phänomen gilt als Palliativeffekt. In der Regel kehren die Beschwerden nach Absetzen der Palliativ-Arznei in wenigen Tagen wieder zurück, sie wirken nicht „dauerhaft“ im Sinn Hahnemanns. Die Wirkungsweise der tiefen Potenzen wird für Komplexmittel genutzt, um ein möglichst breites „Spektrum“ der klinischen Erkrankung abzudecken. Wenn die tiefe Potenz das „Similimum“ ist, so kann auch diese durchschlagend im Akutfall wirken. In der Regel benötigt eine tiefe Potenz eine häufigere Gabe, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Als Injektion wirken tiefe Potenzen intensiver als bei einmaliger oraler Gabe. Höhere Potenzen wirken spezifischer, haben einen intensiveren Effekt als Tiefpotenzen. Allerdings wirkt auch die injizierte C 30 intensiver als eine einmalige orale Verabreichung. Ab 200. Potenz wirkt die Injektion genauso wie die orale Verabreichung. Wer auf der Injektion besteht, kann auch Globuli verwenden, die in physiologischer Kochsalzlösung aufgelöst sind.
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II Allgemeiner Teil Der Nutzen hoher Potenzen sei kurz zusammengefasst: Platz sparende Aufbewahrung, beliebige Applikation – oral, nasal, vaginal usw., Applikation einer beliebigen Zahl Globuli, auch in aufgelöster Form, schnelle und intensive Wirkung, kostengünstige Arznei.
Potenzwahl im Akutfall Hahnemann forderte, die „Kunstkrankheit“ (ausgelöst durch die homöopathische Arznei) müsse um ein geringes stärker sein als die „natürliche Krankheit“ (die des Patienten). Das heißt in anderen Worten: Eine heftige Krankheit benötigt auch einen heftigen Arzneireiz. Je höher die Potenz, umso intensiver ist die Wirkung. Wer also eine intensive Erkrankung möglichst schnell heilen möchte, benötigt eine entsprechend hohe Potenz. Das gilt sowohl für akute als auch für chronische Erkrankungen. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, wenn es heißt, man solle akute Krankheiten mit tiefen, chronische Krankheiten mit hohen Potenzen behandeln! In der hier vorliegenden Kasuistik ist die Wirkung hoher Potenzen bei akuten Erkrankungen vielfach beschrieben. Ein bisher gesunder Patient mit einer heftigen akuten Erkrankung gelangt am schnellsten zur Genesung, wenn er eine hohe Potenz bekommt. Das kann ein pflanzliches Mittel in der 1000. (M) oder 10 000. (XM) Potenz oder ein mineralisches Mittel in der 200. C-Potenz sein. Arzneien aus dem Tierreich nehmen eine Mittelstellung ein. Es gibt jedoch keine bindenden Vorschriften für die Potenzwahl. Häufig gelingt es, eine Erkrankung mit einer einzigen Gabe einer solchen hohen Potenz zu heilen. Wer es nicht wagt, derart hohe Potenzen einzusetzen, kann auch mit einer C 30 arbeiten. Allerdings muss dann der Arzneireiz häufiger gegeben werden: Dafür könnte man einige Globuli in etwas Wasser auflösen und davon wiederholt – z. B. alle 10 Minuten für 1 – 2 Stunden – etwas verabreichen. Dieses so genannte Verkleppern ist eine Methode, die gut für homöopathische Laien geeignet ist. Genauso wirksam ist die wiederholte Gabe von puren Globuli. Es ist auch möglich, die wiederholten Gaben über den ganzen Tag zu verteilen.
Im Allgemeinen wirken Arzneien in der C 30 langsamer und weniger effektiv als hohe Dynamisationen – dennoch mag es Ausnahmen geben. Nach einer solchen Arzneigabe ist es notwendig, das weitere Befinden des Patienten zu kontrollieren. Wenn das Fortschreiten der Heilung stagniert oder wenn es dem Patienten nach einer anfänglichen Besserung wieder schlechter geht, muss die Arzneigabe wiederholt werden. Viele Therapeuten befürchten hier eine „Erstverschlimmerung“. Das ist ebenfalls ein weit verbreiteter Irrtum. Im akuten Fall gibt es auch mit hohen Potenzen so gut wie keine solche Reaktion: Es wäre ja unsinnig, wenn Hahnemanns Nachfolger eine Methode entwickelt hätten, die im akuten Krankheitsfall schaden könnte. Im 19. Jahrhundert wurden zahllose Patienten mit lebensgefährlichen Erkrankungen mit hohen und Höchstpotenzen behandelt. Die Vorstellung, hohe Potenzen seien gefährlich, kann nur durch falsche Anwendung begründet sein. Nach der Verabreichung einer Arznei braucht der Therapeut insbesondere im brisanten Akutfall möglichst schnell eine Rückmeldung des Patienten, ob diese Arznei richtig gewählt war. Dieses Feed-back kann bei einer Tiefpotenz mehrere Stunden auf sich warten lassen. War nun die Arznei nicht das passende Simile, so geht wertvolle Zeit verloren und die ursprüngliche Erkrankung schreitet weiter fort, bis die „richtige“ Arznei gefunden ist. Wird aber ein Mittel in hoher Potenz falsch gewählt, so erkennt man im Akutfall innerhalb kurzer Zeit – meist weniger als 30 Minuten – das ungehinderte Fortdauern der akuten Symptome. Hiermit wird deutlich, dass neben einer gezielten homöopathischen Therapie keine zusätzliche therapeutische Maßnahme (z. B. Akupunktur, Schmerzmittel) stattfinden darf. Verfügt ein akut kranker Patient über eine schwache Lebenskraft (z. B. vorangegangene lange toxische Belastung, sehr alte Patienten, organische Schäden), so empfiehlt sich auch hier eine höhere Potenz. Mit einer C 200 kann bei Beachtung der genannten Direktiven kein Schaden angerichtet werden (Empfehlung von Dr. Künzli).
2 Praxis der Tierhomöopathie Vorteile hoher Potenzen im Akutfall (C 200, M, XM) schnell und deutlich erkennbarer Effekt schneller Wirkungseintritt, oft schon nach wenigen Minuten daher schnelle Bestätigung der richtigen oder falschen Mittelwahl, kein unentschiedenes zweifelndes Warten Heilung häufig bereits nach einer Einzelgabe deutliche Reaktion des Patienten, wenn eine Wiederholung der Arznei angebracht ist deutliche Zeichen, wenn ein Folgemittel angebracht ist
Potenzwahl im chronischen Fall Auch in chronischen Krankheitsfällen wirken hohe Potenzen effektiver und sind leichter zu dosieren als tiefe Dynamisationen, die wiederholt gegeben werden müssen. Verfügt ein Patient über eine gesunde Lebenskraft, so wirkt auch hier eine Einzelgabe einer Moder XM-Potenz am überzeugendsten. Eine C 200 bringt in vielen Fällen ein undeutliches, schwer überschaubares Ergebnis. Wurde der Patient jedoch langfristig mit immunsuppressiver Therapie behandelt, dann besteht nach der Gabe einer zu hohen Potenz die Gefahr einer starken Erstreaktion. Darum ist es wichtig – besonders bei Kortikiod-vorbehandelten Erkrankungen der Haut –, sich vorsichtig mit einer C 30 heranzutasten und diese zunächst ein- bis maximal zweimal pro Woche, dann in größer werdenden Intervallen zu geben. Die Verwendung von Q-Potenzen stößt beim Tier auf enorme Schwierigkeiten, weil der Tierbesitzer mit differenzierten Rückmeldungen über das subjektive Befinden des Tieres häufig überfordert ist. Wenn der Zustand des Patienten so weit gebessert ist, dass die Pharma-Therapie nach Ausschleichen abgesetzt worden ist, kann i. d. R. ohne Probleme auf eine langfristig wirkende 200. Potenzstufe übergewechselt werden. Natürlich kann auch die Verwendung tiefer Potenzen einen Heileffekt zeitigen, aber dieser schreitet langsamer und weniger deutlich fort; damit ist die Bestätigung der richtigen Arzneiwahl erschwert.
Vorteile hoher C-Potenzen im chronischen Fall einmalige Dosierung – am vorteilhaftesten in C 200, M oder XM deutliche Reaktion des Patienten ohne ZusatzTherapie keine Gefahr von Überdosierung Erstreaktion ist möglich, aber üblicherweise im erträglichen Rahmen bei akuten Zwischenerkrankungen sind Komplementärmittel erforderlich deutliche Reaktion, wenn eine Wiederholung der Arznei indiziert ist große therapeutische Sicherheit, wenn die Regeln der Homöopathie beachtet werden mehr als 100 Jahre Erfahrung! Aber die gewählte Arznei muss das richtige Simile sein, das „falsche“ Mittel bringt entweder keinen oder einen vorübergehenden (Palliativ-)Effekt und lässt die ursprüngliche Krankheit weiter fortschreiten.
Richtlinien von Kent zur Verwendung hoher Potenzen Kent empfiehlt für die Therapie chronischer Krankheiten aufsteigende Dosierungen von Dynamisationen, die der Reihenfolge nach genannt sind: Wenn die C 30 nicht mehr genügend wirkt, soll als nächst höhere Potenz die 200. gewählt werden; wenn diese keinen weiteren Heilimpuls gibt, soll auf die 1000. Potenz übergegangen werden – usw. Es hat sich bewährt, die gut wirksame Potenz in entsprechenden Abständen zu wiederholen, solange sie zufrieden stellend wirkt. Bei der „Wirkungsdauer“ homöopathischer Arzneien handelt es sich nicht um einen Blutspiegel oder einen „Stoff“, der sich im Organismus befindet. Vielmehr ist es der Impuls durch die Arznei, der imstande ist, die Lebenskraft für eine gewisse Zeit zu stabilisieren. Hohe Potenzen „wirken“ meist sehr viel länger als 35 Tage. Wenn der Organismus schwächenden Reizen ausgesetzt ist (immunsuppressive Therapie, übermäßiger Stress, toxische Einflüsse), so kann der Heilungsimpuls durch die Arznei vorzeitig „verbraucht“ werden. Wenn die angegebene „Wirkungsdauer“ unterschritten wird, stellt sich die Frage, ob das Arzneimittel wirklich ein gutes Simile oder nur ein Palliativ gewesen ist.
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II Allgemeiner Teil Kent-Skala und „mindeste Wirkungsdauer“ homöopathischer Arzneien in chronischen Fällen C 30 mindestens 14 Tage (wenn überhaupt richtige Potenz!) C 200 mindestens 4 Wochen, oft über 3 Monate C 1000 oder 1 M mindestens 35 Tage, oft mehr als 3 Monate C 10 M oder XM mindestens 35 Tage, meist mehr als 3 Monate C 50 M mindestens 3 Monate, meist mehr als 6 Monate C 100 M oder CM mindestens 6 Monate bis ein Jahr Diese Übersicht ist eine ganz wesentliche Hilfe für die Beurteilung chronischer Krankheitsfälle. Daraus ist keineswegs zu entnehmen, dass eine hohe Potenz jeweils nach 5 Wochen wiederholt gegeben werden sollte! Entscheidend ist einzig die Reaktion des Patienten.
Zu Hahnemanns Zeiten gab es keine „Sportpferde“. Wenn zu seiner Zeit ein Pferd etwas steif oder lahm ging, so war das nicht annähernd so folgenschwer wie heute bei einem kostbaren Spring- oder Dressurpferd. Die Kühe wurden seinerzeit noch mit der Hand gemolken, Hochleistungskühe sind erst das Produkt von menschlich gesteuerter Zuchtauslese der letzten 60 Jahre. Grundsätzlich sollte immer versucht werden, auch lokale Erkrankungen mit einem konstitutionell gewählten Mittel zu beeinflussen. Wenn das z. B. bei einer chronischen Lahmheit des Pferdes nicht gelingt, müssen andere Überlegungen zur Mittelwahl eines Simile einfließen. Solche Lahmheiten des „Sportpferdes“ sind meist traumatischer Natur und benötigen ein Mittel mit entsprechendem Schwerpunkt. Es ist durchaus möglich, dass ein solches Pferd Calcium phosphoricum oder Calcium fluoricum braucht, ohne dass dafür ein konstitutioneller Bezug vorliegen muss. Für die Kuh hat sich z. B. Ruta bei Schleimhautläsionen durch die Melkmaschine herausgestellt; es bleibt zu forschen, um weitere Mittel und deren Symptome für Reizungen des Eutergewebes oder subklinische Mastitiden zu finden. Entsprechende Erkrankungen sind beim Menschen nicht bekannt.
2.2 Ausnahmen im
homöopathischen Procedere 2.2.1 Das „lokale Übel“ Hahnemann betont immer wieder, dass ein „lokales Übel“ (lokale Erkrankung) niemals „ohne innere Ursache auf seiner Stelle verharrt oder sich gar verschlimmert ohne Zutun des ganzen, folglich kranken Organismus . . .“. Auch eine „lokale Erkrankung“ sei immer ein Produkt des ganzen Organismus. Aber Hahnemann behandelte keine Tiere unter den Voraussetzungen der heutigen Zeit. Es gibt bei unseren Haustieren diverse „lokale Erkrankungen“, die ein besonderes Vorgehen erfordern. Nicht jede „Lokalkrankheit“ kann mit dem „konstitutionellen Mittel“, das „die Gesamtheit der Symptome“ des Patienten integriert, geheilt werden. Dazu gehören z. B. viele Formen von Bewegungsstörungen der Pferde, ebenso zahlreiche Euterprobleme der heutigen Milchkuh.
2.2.2 „Einseitige Erkrankungen“ Als „einseitige Krankheiten“ bezeichnet Hahnemann solche, die sich durch keine oder nur sehr wenige Symptome auszeichnen. Er schreibt darüber in §§ 173 – 182 des Organon. In der Veterinärmedizin nehmen derartige Erkrankungen zurzeit sehr stark zu. Dazu gehören nicht nur Tumorgeschehen und Autoimmunerkrankungen, sondern z. B. auch die Viruserkrankungen der Katze, deren Immunsystem darauf unzureichend reagiert. Für solche Erkrankungen liegt wieder ein weites Forschungsgebiet für die Homöopathie offen. Das Vorgehen bei diesen Erkrankungen erfordert besondere Strategien. Diese sind besonders gut beschrieben in den Büchern von Dario Spinedi und einigen indischen Homöopathen.
2 Praxis der Tierhomöopathie 2.3 Der Verlauf der Heilung Nach dem Aufwand von Anamnese, Bestimmung der wahlanzeigenden Symptome, nach Repertorisation, Individualisation und Auswahl der Potenz hat nun der Patient endlich seine Arznei erhalten. Die nächste Frage lautet: Was ist zu erwarten? Was wäre optimal? Welche Reaktion des Patienten bestätigt die richtige Arzneimittelwahl? Im Akutfall müssen homöopathische Mittel innerhalb weniger Minuten oder Stunden – je nach Schwere und Dynamik des Falles – eine deutliche Besserung von Lebensfunktionen zeigen. Wenn im brisanten, lebensbedrohlichen Fall innerhalb 15 – 20 Minuten keine Reaktion erfolgt, dann besteht begründeter Zweifel an der Richtigkeit der Mittelwahl oder der Patient ist nicht mehr heilbar (z. B. innere Blutungen, irreversibler Volvulus). Ein chronischer Fall lässt sich oft genug erst nach 10 Tagen bis 3 Wochen beurteilen. Nach 2 – 8 Tagen tritt manchmal eine Erstreaktion auf, die sich mit mattem Allgemeinbefinden oder einer Verstärkung der aktuellen Symptome äußern kann. Der anschließende Heilungsverlauf muss streng nach der Hering’schen Regel verlaufen. Ist das nicht der Fall, sollte sofort die Anamnese nach einem anderen Mittel überdacht werden. Nach dessen Applikation erübrigt sich die Antidotierung des ersten Mittels. Die Hering’sche Regel besagt, dass sich zuerst die lebenserhaltenden Funktionen zusammen mit dem „subjektiven Wohlbefinden“ bessern müssen: Puls, Atmung und Bewusstseinslage nähern sich der Norm an, das Tier hebt den Kopf, bekommt einen entspannten Gesichtsausdruck, Appetit bzw. Durst oder fällt in ruhigen erholsamen Schlaf. Im weiteren Verlauf der Heilung einer chronischen Krankheit fällt den Tierbesitzern häufig als erstes Zeichen ein vielleicht längst vergessenes Spielverhalten auf: Das Ross macht plötzlich Bocksprünge, der Hund will herumtoben, die Katze geht wieder nach draußen oder spielt mit der Maus, die Kuh geht flotter zur Weide usw. Die Reaktionsarten auf eine homöopathische Arznei sind ausführlich in Kents Vorlesungen zum Organon beschrieben, ebenso im „Grundkurs Homöopathie für Tierärzte“.
Die Prognose einer chronischen Erkrankung kann erst nach der Reaktion des Patienten auf seine Arznei gestellt werden.
2.3.1 Folgeverordnung Kent sagt wörtlich: „Es ist so übel wie unnütz, eine zweite Gabe zu verabreichen, solange die Wirkung der ersten Dosis noch nicht aufgehört hat.“ Ferner betont er: „Höre nie mit einem Mittel auf, wenn es dem Patienten geholfen hat, bevor du es nicht mit einer höheren Potenz versucht hast.“ Diese höhere Potenz versteht sich in der Reihenfolge der oben stehenden Kent-Skala. Wenn nun das bisher wirksame Arzneimittel auch in höherer Potenzstufe keine Wirkung auf die restlich verbliebenen Symptome mehr zeigt, dann gilt es, ein Folgemittel herauszufinden. Die noch verbliebenen Symptome werden dann zur Auswahl dieses Mittel herangezogen. In der Literatur gibt es Verzeichnisse, in denen die Mittel in ihren Beziehungen dargestellt sind. In den meisten Fällen jedoch verläuft die Heilung von Tieren wesentlich weniger langwierig und kompliziert als beim Menschen.
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II Allgemeiner Teil 2.3.2 Das Ziel der Homöopathie
2.4 Resümee von Kent
Das Ziel einer homöopathischen Therapie ist das Wiederherstellen der Gesundheit, mit der Fähigkeit des Organismus, auf Reize angemessen – ohne Erkrankung – zu reagieren. Schwere Krankheiten oder „Multimorbidität“ sollen durch folgerichtige homöopathische Therapie zur Heilung geführt werden. Dabei können entsprechend der Hering’schen Regel insbesondere bei „einseitigen Erkrankungen“ frühere, verdrängte Symptome nochmals in Erscheinung treten (Abb. 9). Letztlich sollte der Patient „psychisches, körperliches und soziales Wohlbefinden“ leben.
Zum Abschluss sei nochmals J. T. Kent aus seinen Aphorismen zitiert:
ãMultimorbidittÒ u§ere Erkrankung
ãEinseitige KrankheitÒ
Weg der Homopathie: Alte Symptome kehren wieder.
Ziel der Homopathie: Ein belastbarer Organismus, der zur sinnvollen Eigenregulation fhig ist. Abb. 9 Das Ziel der homöopathischen Therapie.
Ein Mittel muss ähnlicher sein als das andere. Nun ist es so, dass jemand, der mit der Sache nicht vertraut ist, nicht imstande ist, die feineren Unterscheidungsmerkmale wahrzunehmen. Die einen sind eben farbenblind, während die anderen die Farben sehen. Der homöopathische Arzt muss seine Wissenschaft und Kunst unermüdlich studieren, bevor er ein Kundiger werden kann. Er wächst an ihr und wird gescheiter. Und er wird klarsichtiger und erfahrener in der Auswahl der Mittel für seine Kranken. Auch der Erfahrendste macht Beobachtungsfehler. Trotzdem muss er danach streben, das Ähnlichste unter den geprüften Mitteln zu finden und sich klarzumachen, dass es IMMER ein Ähnlichstes gibt.
Spezieller Teil – Arzneimittel Aconitum napellus
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Antimonium crudum 60 Apis mellifica
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Arnica montana
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Arsenicum album Belladonna Bryonia
85
106
113
Calcium carbonicum Calcium fluoricum
121 137
Calcium phosphoricum
144
Causticum Hahnemanni
155
Conium maculatum 165 Dulcamara
176
Hepar sulfuris
183
Hypericum perforatum 190 Ignatia amara
195
Kalium carbonicum Lachesis mutus
202
210
Lycopodium clavatum 223 Natrium muriaticum 234 Niticum acidum Nux vomica
249
257
Opium 266 Phosphorus
274
Plumbum metallicum Pulsatilla
289
295
Rhus toxicodendron Ruta graveolens
307
315
Sepia succus 321 Silicea terra
334
Staphisagria
343
Sulfur 352 Thuja occidentalis 364
III
54 Aconitum napellus
Aconitum napellus
Der blaue Eisenhut
Signatur, Thema und Idee des Mittels Aconitum napellus, der blaue Eisenhut, gehört zur Familie der Ranunculaceen. Das ist eine überaus sensible Pflanzenfamilie, der z. B. auch die Anemonen angehören. Sie erfordern ein besonders schonendes Umfeld. Umso erstaunlicher sind die Lebensumstände dieser Bergpflanze, die es versteht, sogar den extremen Stressfaktoren des Hochgebirges zu trotzen. Der blaue Eisenhut muss täglich aufs Neue gegen Sonnenhitze, intensive UV-Strahlung, gegen eisige Stürme und Frostnächte Widerstand leisten. Er existiert im ständigen Überlebenskampf mit den Unwirtlichkeiten des Hochgebirges, unter sich täglich wiederholenden lebensgefährdenden Umständen. Sein ganzes „Denken“ konzentriert sich voller Panik einzig auf das von Angst gehetzte Überleben. Unter solchen Bedingungen denkt man als Mediziner an „Adrenalin-Schock“. Genau dieses Phänomen findet sich im Arzneimittelbild:
Intensive, plötzlich auftretende Symptome, Panik und Todesangst begleiten die perakuten Krankheitserscheinungen von meist hochfieberhaften Erkrankungen. Aconit-Erkrankungen verlaufen niemals langsam und chronisch. Auch rezidivierende neurotische Panikattacken treten mit derselben Plötzlichkeit auf. Aber diese plötzlichen, mit Angst und Panik verbundenen heftigen Erkrankungen können unter denselben Bedingungen – plötzlicher Kälteeinfluss oder Panik machenden Umständen – immer wieder auftreten und sich als plötzliche Schmerzen, Entzündungen oder Angstzustände bemerkbar machen. Auch vergangene Panikerlebnisse können als „Flash-Back“ unter ähnlichen Bedingungen immer wieder wachgerufen werden. Hier eignet sich Aconit für die Therapie von chronisch wiederkehrenden Angstneurosen. Thema und Idee: Plötzliche und heftige Zustände und Erkrankungen, verbunden mit Todesangst, Hitze, Unruhe und überreizten Sinnesorganen.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Aconit ist ein sehr gut geprüftes Mittel mit Wirkung auf perakute Zustände. Diese können entweder als plötzliche Infektion oder Erkrankung durch als lebensbedrohlich empfundenen Schreck auftreten. Sie können auch als deren wiederkehrende jähe Manifestationen unter identischen Situationen – ähnlich Angstneurosen – auftreten. Eines der heftigsten, gefährlichsten und plötzlichsten Arzneimittel der Homöopathie mit dem Potenzial genauso schneller Heilung. Erkrankungen oder Erlebnisse werden wegen ihrer Heftigkeit als lebensbedrohlich empfunden – und mit Angst und Panik erlebt, – ferner mit Adrenalin-Ausschüttung bzw. deutlich gesteigertem Sympathikotonus
– und trockener, heftiger Hitze mit pulsierenden arteriellen Gefäßen.
Alle Kennzeichen der Entzündung: – Rubor (Rötung) – trockene Rötung! – Dolor (Schmerz) – Calor (trockene Hitze, Entzündung, Fieber) – Tumor (Schwellung), aber weniger ausgeprägt als bei andern Mitteln – Functio laesa (gestörte Funktion) – zusätzlich Angst, Panik, Unruhe.
Aconitum napellus Lokalisationen von Aconit-Erkrankungen sind an allen Körperteilen und Organen möglich, insbesondere an lebenswichtigen Organen: Sinnesorgane, (Zentral-)Nervensystem, Atemwege, Herz. Die Pathologie kann sich in kürzester Zeit zu lebensgefährdenden Zuständen entwickeln. Aconit-Erkrankungen betreffen i. d. R. einen kräftigen, reaktionsstarken Organismus.
Aconit ist nicht indiziert bei langsam verlaufenden Erkrankungen: – am wenigsten bei überwiegendem Vagustonus, – nicht pauschal „am Beginn von Erkrankungen“, – keineswegs bei jedem Unfall!
„Aconit-Angstneurosen“ gehen nicht immer mit den deutlichen, sofort erkennbaren Symptomen einher. Es ist durchaus möglich, dass sich solche Angstzustände urplötzlich und unvorhersehbar abspielen und so überraschend, wie sie kommen, auch vorüber sind. So können sich plötzliche, durch uns unbeherrschbare und unverständliche Panikzustände bei einem Tier äußern – mit einer begleitenden Pathologie, die durch kein anderes, noch so „gut gewähltes“ Mittel zu beherrschen ist. Solche Zustände sind am besten durch eine sehr hohe Potenz zu heilen, deren eindeutige heilende Wirkung sogar manchmal 2 – 3 Wochen auf sich warten lässt, denn es handelt sich dabei um eine schwerwiegende psychische Erkrankung. Solche Angstneurosen sind manchmal schwierig von Opium- oder Arsen-Zuständen zu differenzieren: Arsen-Patienten zeigen meist zusätzliche Symptome des Arzneimittelbildes. Opium-Patienten können zu einer Art Schläfrigkeit tendieren.
Wenn das akute „Aconit-Stadium“ einer Erkrankung unerkannt oder unbehandelt abgelaufen ist, kann sich eine „Belladonna-Pathologie“ daran anschließen.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: stürmische Krankheitsentwicklung plötzlich beginnende, übermäßig heftige (perakute) Infekte oft noch ohne Lokalisation; „Aufruhr“ im Immunsystem lokalisierte Erkrankungen mit lebensbedrohlichem Verlauf, z. B. heftige Erkrankungen lebenswichtiger Organe wie Sinnesorgane, Zentralnervensystem, Atemwege, Herz-Kreislauf heftige Erkrankungen mit unerträglichen Schmerzen Lokalisation auch an allen übrigen Körperteilen oder Organen möglich Auslöser: hochvirulente Erreger Einfluss von trockener Kälte („Erkältung“), kaltem Wind, plötzlichem Frosteinbruch Einfluss von als lebensbedrohlich empfundenen Schreckerlebnissen bei geschwächter Abwehrlage von sonst kräftigen Tieren unter genannten Umständen
heftige, plötzliche Traumen mit überaus heftigen, unerträglichen Schmerzen, deshalb Panik z. B. Augenverletzungen, Hitzschlag seltener auch bei Verletzungsschock (Arn., Hyper.) hochgradig schmerzhafte Neuralgien, ausgelöst z. B. durch eiskalten Wind oder Zugluft Chronische Aconit-Erkrankungen: Folgen von Angst, Schreck oder Panik, die sich auch beim Tier in der Folgezeit zu einer Art Angstneurose entwickeln können unter denselben oder ähnlichen Umständen kommt es wiederholt zu panischen Reaktionen (Op.) rezidivierende Erkrankungen mit gleicher Pathologie wie im beschriebenen Akutfall, ausgelöst durch denselben pathogenen Faktor (z. B. immer wieder durch kalte Luft rezidivierende plötzliche heftige Konjunktivitis)
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Aconitum napellus Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten verstärkter Sympathikotonus: ängstlich aufgeregter Zustand mit Tendenz zu Unruhe und Panik; Hypertonie übermäßige Empfindlichkeit auf alle Sinnesreize angstvoller Gesichtsausdruck, aufgerissene Augen, verspannte Ohren, gespannte Mimik trockene Hitze mit gestauten Gefäßen (Gefäßzeichnung beim Pferd) verstärkte Durchblutung von Haut, Schleimhäuten oder erkrankten Teilen, die zu Blutungen führen kann oder zu Zeichen sichtbarer Gefäßinjektion (z. B. beim Pferd) sichtbares oder deutlich fühlbares Pulsieren der Carotiden (Halsschlagadern) und oberflächlicher Schleimhautarterien
rote, sehr heiße, trockene Schleimhäute an Augen,Maul, Vulva (bei genitalen Erkrankungen) heiße Ohren und Nase, Hitze des erkrankten Körperteils Rötung von nicht oder schwach pigmentierten Kopfbezirken bzw. erkrankten Teilen intensive Hitze, manchmal unterbrochen von Kälte des ganzen Körpers, einzelner Körperteile oder von heftigem Schüttelfrost starke Muskelanspannung infolge Aufregung (Sympathikotonus)
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Krankheitssymptome bzw. Schmerzen werden extrem intensiv empfunden und entsprechend geäußert: ängstlicher Blick, angespannte Muskulatur, evtl. mit Zittern am ganzen Körper scheinbar unmotivierte, nicht beherrschbare Unruhe und Tendenz zu panischer Flucht Unruhe, Panikattacken, Tobsucht, evtl. abwechselnd mit stuporöser Apathie und Aufschrecken durch plötzliche, möglicherweise sogar geringe Sinnesreize (Op.) überstürzte, ziellose Fluchttendenz, will durchs Fenster o. Ä.
heftige verstärkte Atmung durch hohes Fieber oder Erregung Verlangen und vorübergehende Beruhigung durch Gesellschaft und Zuwendung Katze, Hund: möglicherweise unbeherrschbare Aggressivität im Sinn von „Notwehr“ Hund: panisches Schreien durch Schmerzen, Angst oder Schock Pferd: schnarchende Atmung durch Aufregung, hochgestellter Schweif flehmen durch Überempfindlichkeit gegen Gerüche oder Schmerzen
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Auge: Fremdkörper-Verletzungen mit schlimmsten Schmerzen und Angst heftige Konjunktivitis durch kalten Wind, kalte Zugluft Atemwege: perakute Entzündung von Rachen, Larynx, Lungen, Pleura mit heftigen Schmerzen und Husten Lungenblutungen durch Husten bei plötzlicher, seit wenigen Stunden bestehender Pneumonie Herz-Kreislauf-Erkrankungen: generelle Kreislaufprobleme im Zusammenhang mit Aconit-Modalitäten
Tachykardie, Arrhythmie heftiges Herzklopfen durch Aufregung, Schreck, Angst oder bei Fieber Endokarditis, Myokarditis, Perikarditis plötzliche Herzdekompensation Herzschmerzen erstrecken sich zu den Vordergliedmaßen, speziell Lahmheit am linken Vorderbein heiße Blutungen, auch infolge größter Aufregung oder Anstrengung (u. a. Mittel) Mamma: plötzliche, heftigste Mastitis, ausgelöst durch Kälte, Zugluft, Verletzung mit großem Schreck, Hitze und Rötung der Mamma
Aconitum napellus plötzliche, heftige Mastitis nach abruptem Abstillen, Trockenstellen (Bell., Bry., Calc., Puls. u. a.) Weitere Lokalisationen: perakute Infekte der Ohren, Harnwege, des Genitals, akute Arthritis Panikzustände oder Krampfkoliken auch unter der Geburt Wundinfektionen mit genannten Modalitäten heftige Schmerzzustände, Neuralgien mit unerträglichen Schmerzen
Pferd: heftigste Krampfkoliken durch die erwähnten Auslöser, mit den genannten Symptomen und Modalitäten; plötzlicher Kreuzverschlag am Beginn oder während anstrengender Arbeit bei trocken-kaltem Wetter oder Wind mit Aconit-Modalitäten und Auslösern (Bell.)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Kaltwerden durch trockene Kälte: durch plötzlichen Frosteinbruch; durch kalten Nord- oder Ostwind; durch kalte Zugluft; durch Baden in eiskaltem Wasser; durch plötzliche Abkühlung insbesondere bei erhitztem Körper oder während des Schwitzens; durch eiskaltes Trinken oder gefrorenes Futter (Magenbeschwerden, Kolik) (Puls., Ars.) Folgen von Überhitzung wie Sonnenstich oder Hitzschlag psychische Erregungszustände: Todesangst, Schreck, Aggressivität mit Angst; Folgen von übermäßig heftigem Zorn oder übermäßiger Freude; Unfallschock mit Aconit-Modalitäten (komplementär zu Arnica) Folgen von Überanstrengung mit Aconit-Modalitäten, z. B. nach Schwergeburt Beschwerden während des Zahnwechsels mit genannten Modalitäten Asphyxie Neugeborener mit heißem Körper und bläulichen Schleimhäuten, fehlender Puls (Op., Ant-t.) wichtigstes Mittel bei der Harnverhaltung Neugeborener (auch andere Mittel) Harnverhaltung nach der Geburt
Modalitäten: alle fünf Kennzeichen der Entzündung (s. oben) beginnend oder schlimmer abends und gegen Mitternacht (wenn aber das „Aconit-Trauma“ tagsüber auftritt, ist das keine Kontraindikation!) hohes, plötzlich beginnendes Fieber (bis 41⬚), schlimmer abends, gegen Mitternacht Laktation sistiert bei Fieber Verschlimmerung von Unruhe und Panik durch Sinnesreize, z. B. Berührung, Lärm Hitze einer Seite des Kopfes oder eines Ohres, andere Seite kalt Ruhelosigkeit abends, nachts, schlimmer im Dunkeln, besser bei Licht Verlangen und Besserung durch kühle Tränke, trinkt meist größere Mengen besser durch feuchtes Wetter bzw. einsetzenden Regen ausgelöst durch trocken-kaltes Wetter, aber im Fieber besser durch Abkühlung heftiger Schüttelfrost im Fieber mit klappernden Krallen oder Hufen, schlimmer nachts, abwechselnd mit Fieberhitze aber bei Schüttelfrost oder Frieren auch Besserung durch Wärme Pferd: Besserung durch eintretende Schweißabsonderung
Ausgewählte Fallbeispiele Kater Minou – „Angstneurose“ Winter 1983: Die Besitzerin des schwarzen Katers Minou – reine Wohnungshaltung – bekommt Besuch, der den mittelgroßen schwarzen Hund Korry
mitbringt. Dieser springt dem ahnungslosen Minou nach, der seinen Lebtag noch keinen Hund gesehen hat. Er flüchtet unter die Couch, wohin ihm der knurrende Korry wegen seiner Körpergröße nicht folgen kann. Nun liegt der Hund mit dem Kopf un-
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Aconitum napellus ter der Couch und verbellt lauthals den zitternden Kater, der Todesängste aussteht. Nach Verschwinden des Hundes kommt Minou erst Stunden später zögernd und stets fluchtbereit wieder zum Vorschein, mit panischem Blick und Herzklopfen. Beim kleinsten Geräusch rast er wieder unter die Couch. In der Folgezeit beruhigt er sich allmählich. Aber sobald von draußen das Bellen eines Hundes oder ein annähernd ähnliches Geräusch zu hören ist, gerät Minou wieder in Panik und verkriecht sich schlotternd vor Angst unter der Couch. Deshalb bekommt er Aconit XM, einmalige Gabe von ca. 5 Globuli. In der Folgezeit werden immer seltener Panikzustände bei Hundegebell beobachtet, die schließlich ca. 3 Wochen nach der Arzneigabe gänzlich ausbleiben. Allerdings ließ die Besitzerin – Minou zuliebe – niemals wieder einen Hund in ihre Wohnung. Beobachtungszeit: 5 Jahre. Dieser Fall steht für zahllose ähnliche Bespiele von „Angstneurosen“ bei Tieren!
Diagnose Perakute Laryngitis durch forciertes Einatmen eiskalter Luft.
Therapie Eine Gabe Aconit 200, eine Prise Globuli per os. Nach 5 Minuten verhält sich das Pferd gelassen und ruhig, nach 30 Minuten ist das Tier hustenfrei, ohne weitere Komplikationen. Husten – auch anderer Genese – wurde nie wieder beobachtet. Beobachtungszeit: 4 Jahre. Die Besitzerin war allerdings bemüht, ihr Pferd niemals wieder bei solchen Wetterlagen forciert zu trainieren.
Kolik bei einem Wallach (Fall von Dr. Hartmut Krüger) Ein 5-jähriger kräftiger Bayern-Wallach wird abends wegen plötzlicher Kolik vorgestellt – nähere Umstände oder Ursachen sind nicht bekannt.
Vollblutstute – perakute Laryngitis Vorbericht 2 1/2-jährige Galopper-Stute: Morgentraining am ersten kalten Dezembermorgen, erster Frost mit strahlend blauem Himmel. Die Stute hatte sich zuvor über einen frisch aufgeschütteten Sandhaufen aufgeregt, aber wieder beruhigt. Nach dem Galopptraining tritt plötzlich heftiger Husten auf. Das Pferd steht da wie schwer krank, hustet mit waagerecht vorgestrecktem Hals so heftig, dass es dabei den Kopf hin und her schleudert. Die Besitzerin vermutet zunächst, das Pferd habe sich verschluckt. Da aber der Husten in den nächsten Stunden kein Ende nimmt und das Pferd zunehmend unruhig erscheint, ruft die Besitzerin an.
Befund Die Stute steht mit weit aufgerissenen Augen und geblähten Nüstern in der Box, zuckt auf ein leises Geräusch zusammen und wandert dann hektisch und hustend umher. Das Tier ist seit dem Training vor ein paar Stunden noch immer warm, die Zeichnung der subkutanen Blutgefäße ist deutlich erkennbar, die Konjunktiven stark gerötet.
Wegen Kehlkopfpfeifens ist das Pferd bereits beim dritten Besitzer. Das inspiratorische Atemgeräusch besteht seit mindestens 6 Monaten. Die letzte Laryngoskopie liegt 3 Wochen zurück, das Pferd benötigte dafür die dreifache Dosis an Sedativum. Der Befund bestand in einer Laryngitis follicularis. Das Pferd sei immer extrem unruhig, könne nie still stehen und sei deshalb immer sehr schwer zu hantieren.
Befund Extrem unruhiges und aufgeregtes Tier, weit aufgerissene Augen, panischer Blick, keine Aggressivität. Das Pferd wirft sich auf den Boden, steht wieder auf, scharrt und wirft sich wieder nieder. Körpertemperatur 40,5 ⬚C, kein Durst, kein Schweiß, sehr heiße Haut, trocken-gerötete Konjunktiven und Maulschleimhaut. Eine genauere Untersuchung ist wegen aggressiver, panischer Abwehr mit Steigen und Niederwerfen nicht möglich; das Anlegen der Oberlippenbremse führt zu noch intensiverer Abwehr.
Aconitum napellus Therapie Das Pferd bekommt Aconit C 200, einmalige Gabe von ca. 10 Globuli per os. Etwa 20 Minuten später ist das Pferd ruhig, umgänglich und frei von Koliksymptomen. Auch am nächsten Morgen zeigt das Pferd keinerlei klinische Symptome. Das Pferd wird 4 Tage nach der Kolik wieder in Arbeit genommen mit langsam gesteigerten Anforderungen. Dabei fällt der Bereiterin auf, dass das inspiratorische Atemgeräusch verschwunden ist. Auch in der Folgezeit ist es nicht wieder aufgetreten – ein überraschender therapeutischer Effekt auf eine möglicherweise schon länger bestehende subklinische Erkrankung. Ob nun auch bei deren Genese eine Aconit-Erkrankung vorhanden war, ließ sich im Nachhinein nicht mehr feststellen.
Absatzfohlen – Panikreaktion Quarter-Horse-Stute, 10 Monate alt: Frau B. berichtet per Telefon Anfang April von ihrem Fohlen, das frisch von der Mutterstute abgesetzt worden ist, es verweigere die Futteraufnahme und verhalte sich „so hektisch“, das habe sie noch nie erlebt:
Gleich nach der Trennung von der Mutterstute sei das Fohlen dem Aufzüchter zu 6 anderen Absatzfohlen übergeben worden. Wegen Dauerregens konnten die Tiere noch nicht auf die Weide gelassen werden, sondern stehen nun vorübergehend isoliert in Boxen. Frau B. besucht voll Sorge ihr Fohlen, das in der fremden Box panisch umherrast. Die anderen Fohlen in den Nachbarboxen verhalten sich ruhig und fressen Heu. Frau B.’s Fohlen steht mit aufgerissenen Augen und weit geblähten Nüstern, alle Muskeln sind angespannt, es lauscht auf jedes Geräusch. Plötzlich wiehert es laut und schrill, rast im Kreis herum, stürzt in der glatten Einstreu nieder, springt wieder auf, bleibt stehen und lauscht wiederum. So verhalte sich das Fohlen nun schon seit gestern Abend. Es habe noch kein Futter angerührt. Sie wollte versuchen, Fieber zu messen; aber kaum hatte sie die Boxentür geöffnet, wollte das Fohlen mit einem Sprung der Box entfliehen. Dabei wurde sie von ihrem Pferdchen an die Wand gequetscht, stürzte nieder und kam schließlich mit heftigen Prellungen und gebrochenen Rippen davon. Eine Gabe Aconit C 200, aufgelöst in einer Spritze mit Wasser, per os gegeben, bringt das Fohlen in 15 Minuten zur Ruhe - und es beginnt Heu zu fressen, als wäre nichts gewesen.
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60 Antimoniumcrudum
Antimonium crudum
Grauspießglanz
Signatur, Thema und Idee des Mittels Antimon kommt in natürlicher Form in Verbindung mit Schwefel (Sb2S3, Schwefelantimon) vor und enthält zusätzlich Spuren von Arsen, Blei und Kupfer. Dank dieses rohen Vorkommens erhielt es den Namen „Antimonium crudum“ (crudus = lat. roh, unbearbeitet). Der wenig attraktive Name „Grauspießglanz“ rührt von seiner grauen, glänzenden und in schmalen Spitzen angeordneten Kristallstruktur. Antimonium crudum (Ant-c.) wurde schon im Altertum als Antiphlogistikum und Schminke für Hauterkrankungen eingesetzt; man gab ihm deshalb den Namen „Augenverschönerer“. Antimonium crudum gehört zu den am meisten gefühlsbetonten Mitteln. Bei erotischen Begegnungen stellt sich der Antimonium-crudum-Patient charmant bis aufdringlich-lasziv dar. In der Homöopathie gilt Ant-c. schon fast sprichwörtlich als „liebestolles“ Arzneimittel, insbesondere beim männlichen Geschlecht. Aufregung und unerfüllte Gefühlserwartungen – Enttäuschungen, Liebeskummer – somatisieren sich am ehesten im Solarplexus und verursachen Magen-Darm-Beschwerden. Die Liebe geht bekanntlich durch den Magen, ein besonderes Thema von Ant-c. ist der Appetit – zu viel oder zu wenig – ausgelöst z. B. auch durch Diätfehler. Die Folge von übermäßiger Schlemmerei schlägt sich meist in üppigen Körperformen nieder.
Eine zweite psychosomatische Reaktion auf übermäßige emotionelle Empfindlichkeit besteht darin, sich „ein dickes Fell“ anzuschaffen, damit der „weiche Kern“ nicht so leicht „berührt“ werden kann. Als besonderes Charakteristikum entwickelt Ant-c. krustige, schuppige Hauterkrankungen, die den Patienten neben seiner Adipositas noch weniger attraktiv erscheinen lassen. Kein Wunder, dass er sich als hässlich empfindet, sich weder ansehen noch anfassen lässt und sich mürrisch und ärgerlich zurückzieht. Diese schwielig-krustigen Hautverdickungen treten zu allem Überfluss besonders im Gesichtbereich, an Mund, Nase und Augen, auf, und selbst die beste äußerliche Schminke – wie der erwähnte Augenverschönerer – kann diese Entstellungen nicht übertünchen; einzig das potenzierte Ant-c. kann von innen heilen, indem es die „Schmerzen“ durch körperliche und seelische Berührungsempfindlichkeit auf ein angemessenes Maß reduziert. Emotionelle Höhen und Tiefen assoziiert man mit der Temperatur des Stimmungsbarometers: Die große Liebe ist bekanntlich besonders „heiß“, und distanziert-emotionslose Personen bezeichnet man als „cool“. Die wechselnde Emotionalität von Ant-c. somatisiert sich in einer Überempfindlichkeit gegen Wetterwechsel, gegen heißes und kaltes Wetter, gegen Erhitzung und Abkühlung. Thema und Idee: Launenhafte, emotionelle und erotische Überempfindlichkeit führt zu Magen-Darm-Erkrankungen, oft verbunden mit „gastrischen“ Hautausschlägen.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Ant-c. ist ein sehr intensiv und tief wirksames Mittel und darf nicht zu oft wiederholt werden.
Pathogenese des Menschen: Der Patient sucht in erotisch-sentimentaler Sehnsucht den idealen Partner (männlich oder weiblich), den es nicht geben kann, daraus folgen emotionaler Stress und schließlich Kummer mit Oberbauchbeschwerden mit mürrischer, abweisender Stimmung, der Patient zieht sich wochenlang zu-
Antimonium crudum rück, will nicht mehr berührt und angesehen werden, verfällt in Erschöpfung, Apathie und Schwäche, die erst bei der nächsten erotischen Begegnung ins Gegenteil umschlägt. Damit ist Ant-c. eines der launischsten und wechselhaftesten Mittel der Materia medica, ein wichtiges Mittel für Folgen von Liebeskummer mit anschließenden Magenbeschwerden (Nux-v., Natc., Ign., Coloc., Staph.) sowie den schwieligen, juckenden Hautausschlägen. Dieser aus der Humanhomöopathie bekannte „sentimentale Genießer von Liebe und gutem Essen“ ist unter den Tierpatienten nicht so deutlich erkennbar. Hier finden sich oft lediglich Ausschnitte aus dieser Pathogenese, die nur selten zurückverfolgt werden kann. Ant-c. gehört – wahrscheinlich aus mangelnder Kenntnis – nicht zu den alltäglichen Mitteln der Praxis und kann daher bei Hauterkrankungen oder Magenbeschwerden schnell übersehen werden. Hinzu kommt, dass es für die Tierhomöopathie bisher nur unzureichend beschrieben worden ist – mit Ausnahme der Arzneimittellehre von J. Millemann. Gerade im Akutfall bestehen durchaus Verwechslungsmöglichkeiten mit den „Routinemitteln“ für Verdauungsstörungen wie Nux-v. oder Puls. Ant-c. wird bei den „gefräßigen“ Hunden mit ihren Haut- und Magen-Darm-Störungen häufig unterschätzt. Bei chronischen Hauterkrankungen mit Entwicklung von hornigen Schwielen verwechselt man es leicht mit Graph. oder Sulf. Graph. ist jedoch weniger launisch und gereizt, bei Sulf. fällt der intensivere Körpergeruch auf. Die abweisende, mürrische Gemütsverfassung könnte man mit Nat-m. in Zusammenhang brin-
gen, das auch schwielige, aber keine verhornenden Hautausschläge bekommt. Auch Nat-m. kann eine widersprüchliche Gemütsverfassung zeigen, aber i. d. R. dominiert das reservierte Verhalten. Die wechselhaften, unverständlichen Gemütsschwankungen können auch an Ign. erinnern. Ferner besteht besonders bei Jungtieren Ähnlichkeit mit Cham. hinsichtlich Verdauungsbeschwerden und gereiztem Temperament. Der Ant-c.-Patient ist jedoch nicht so aggressiv wie Cham. Die Abneigung gegen das Angesehenwerden teilt Ant-c. mit Thuj., das aber weniger Bezug zu Magenbeschwerden aufweist. Trotzdem ist Ant-c. ein Mittel, das durchaus leicht an seinen Schwerpunkten und Modalitäten zu erkennen ist, wenn diese bekannt sind.
Schwein J. H. Clarke nennt Ant-c. das Hauptmittel für das Schwein. In der heutigen Praxis kommen jedoch bei Erkrankungen der Schweine weitaus häufiger andere Mittel infrage, wahrscheinlich eine Folge von verbesserten Haltungs- und Fütterungsbedingungen. Dennoch sollte man bei Verdauungsstörungen und hornigen Hauterkrankungen wie Ferkelruß gerade bei dem sensiblen Schweinepatienten auch an Ant-c. denken. In eigenen Erfahrungen hat sich Ant-c. tatsächlich als „Fresspulver“ für Schweine bewährt: Eine regelmäßige Gabe von Ant-c. D 12 lässt die Schweine bereits 1 Stunde vor der Fütterung mit Heißhunger schreien und kann das Erreichen des Mastgewichts um ca. 10 – 14 Tage verkürzen. Solche Angaben sind jedoch unter Vorbehalt zu sehen.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Schwerpunkt: Gemüt, Magen-Darm, Haut; mürrische, launische Patienten; meist mit unstillbarem Heißhunger; Ekzeme mit Magenbeschwerden („gastrische Ekzeme“); das Mittel für die schlimmste, anfallsweise „Liebestollheit“ Akute Erkrankungen: Verdauungsstörungen durch wahlloses Verschlingen jeglicher Nahrung, Überfressen, durch „Diätfehler“
durch Stress, Aufregung, Kummer durch Überhitzung oder Abkühlung unaufhörliches Erbrechen ohne Erleichterung (Ip.) Chronische Erkrankungen: Verdauungsstörungen (s. oben), chronisch oder rezidivierend meist mit Juckreiz und Hautausschlägen verbunden abwechselnd Durchfall mit Verstopfung Hautausschläge mit schmerzhaften Schwielen oder Verhornungen (Graph.)
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Antimonium crudum Störungen in Wachstum und Qualität von Krallen, Hufen, Klauen Beschwerden durch enttäuschte Liebe, Kummer, Zurückweisung Auffallende Begleitsymptome: weißer Belag der Zunge (wie weiß angestrichen)
Übelkeit nicht ⬎ durch Erbrechen (Ip.) Hunger nicht ⬎ durch Fressen Verschlimmerung aller Beschwerden durch Sommerhitze, strahlende Wärme Verschlimmerung der Beschwerden durch Kälte und Nässe Mangel an Lebenswärme
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten eher dunkel pigmentierte Tiere, oft kräftige Haarstruktur häufig verfilztes oder strähniges Fell Neigung zu Adipositas, besonders bei jungen Tieren in beginnender Geschlechtsreife faltige, „zu lockere“, schrumpelige Haut mit mangelnder Elastizität berührungsempfindliche Haut Tendenz zu berührungsempfindlichen Ekzemen, Krusten, Rhagaden; hornigen Ablagerungen Rhagaden, Krusten an Maulwinkeln, Nasenwinkeln, Augenwinkeln große Falten unter dem Kinn, häufig mit den beschriebenen Ekzemen wunde krustige, rissige Lidwinkel mit Neigung zum Zusammenkleben rissige Haut ums Maul
oft klebriger, stinkender Speichelfluss oft aufgetriebenes Abdomen bemerkenswert ist der verhältnismäßig unauffällige Körpergeruch dieser Tiere (außer Maulgeruch) „mürrische, abweisende Mimose“ will nicht angesehen, nicht angefasst werden, manchmal auch kitzlig Neigung zum Frieren, aber empfindlich gegen Hitze Hund: fein und sensibel, oft permanentes Jammern; oft krustiger, rissiger Nasenspiegel bzw. Nüstern (Graph., Aur., Petr.), mit Rhagaden; Lefzenekzem; will nicht auf den Arm genommen werden; „umkippende“ Stimme oder Aphonie nach kaltem Baden
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens launisches, wechselhaftes Wesen, gefühlsbetont, abwechselnd mit abweisender, mürrischer Stimmung meist phlegmatisches „introvertiertes“ Temperament anfallsweise überwältigende erotisch betonte Liebenswürdigkeit andere Emotionen werden nicht, kaum oder nur sehr fein gezeigt Abneigung gegen Gesellschaft, gern allein, will nicht angesprochen, angesehen werden Traurigkeit mit Seufzen, Benommenheit wenn zurückgewiesen, wird er mürrisch und abweisend, aber kaum aggressiv abwechselnd reserviert und freundlich dickköpfig, eigensinnig sehr verletzliche Patienten mit Magenbeschwerden
wasserscheu Angst mit Zittern (Ars. u. a.) Zusammenzucken bei leichtem, unerwartetem Geräusch Hund: werden subtile Beweise von Zuneigung nicht beachtet, zieht er sich mürrisch zurück (Ign.); Zu-nahe-Kommen oder Zuwendung kann zu hysterischem Verhalten (Ign.) oder Zorn führen; berührungsempfindlich, schreit, wenn angefasst, ohne echte Aggression; Zorn durch Kleinigkeiten; mürrisch, abweisend gegen alles, nichts kann ihn erfreuen, außer erotischen Begegnungen; dabei Anfälle von „erotischer Ekstase“, „überfreundlich im Fieber oder Brunst“; mürrisch abwechselnd mit überraschender Herzlichkeit oder Abneigung gegen Zuwendung; empfindlich gegen Lärm, Heulen beim Glockenläuten, bei Sirenen u. Ä.; oft Tagesschläfrigkeit
Antimonium crudum Leitsymptome des pathologischen Geschehens Kopf: manchmal Spasmen in Gesicht oder Extremitäten mit Verdauungsstörungen, Konvulsionen, Chorea Verdauungsapparat: Maul: weiße Zunge (wie mit weißer Farbe bestrichen), Landkartenzunge; Zahnfleischexkoriationen, zäher, meist übel riechender Speichel; Zähne hochgradig schmerzempfindlich, duldet keine Manipulation an den Zähnen Innerer Hals: Klumpengefühl mit spastischer Zusammenschnürung (Pferd: Koppen); Räuspern, Schluckzwang Appetit vermehrt, unersättliche Gier auf Futter; fehlend z. B. in der Rekonvaleszenz, oder trotz Hungers Magenbeschwerden durch Kummer, bei kleinstem Diätfehler; durch Überfressen (Puls., Nuxv.); nach Süßem, nach gegorenem oder saurem Futter (schlechte Silage, Obst auf der Weide); Magenbeschwerden durch Überhitzung, durch kaltes Baden; Aufstoßen, Regurgitieren, Schluckauf; Übelkeit beim Anblick des Futternapfes oder durch Geruch von Futter Gastritis katarrhalisch, ulcerierend; möglicherweise Weiterentwicklung der Pathologie bis zum Magenkrebs; Magenschmerzen mit Verzweiflung, Bauchschmerzen mit Benommenheit; Druck ⬍, Berührung ⬍ Übelkeit oft anhaltend, sogar mit Todesangst; nach reichhaltigen Speisen, bei Fieber, nach Überhitzung; durch Zärtlichkeiten und Liebkosungen; mit ineffektivem Würgen Erbrechen begleitet andere Erkrankungen, z. B. Fieber, auch ohne Übelkeit; nach Milch bei Jungtieren, geronnene Milch; nach Überhitzung; nicht ⬎ nach Erbrechen; geruchloses Erbrechen Durst extrem oder Durstlosigkeit, auch im Fieber Colitis mit Tenesmen Durchfall abwechselnd mit Obstipation; flüssiger Kot mit geformten Teilen; Durchfall ⬍ nachts; Nässen aus dem After, Entzündungen im Rektum mit Tenesmus Hauterkrankungen: schlimmer durch jede Form von Wärmeeinwirkung; nach kaltem Baden; Haut schlecht heilend, jede kleine Verletzung eitert; Abszesse, Blasen, Pickel wiederkehrend, juckend mit geröteter Haut nach Kratzen, Räude; Sonnenbrand; Risse, Fissuren, indurierte Haut, Nässen nach Kratzen, krustige Geschwüre; Verhärtungen,
hart wie Schwielen, mit hornigen Krusten oder Auflagerungen, Hyperkeratose Ulcera, Fisteln, krebsartig, sarkomatös, schmerzhaft Elastizität der Haut fehlt, als ob sie locker herumhängt; Sklerodermie Hautausschläge, begleitet von Verdauungsstörungen, Magenproblemen („gastrischer Ausschlag“); Knötchen, Bläschen, Erysipel, Knötchen-Urtikaria, Mykosen, Atherome; neigen zum Eitern, sondern grünliche blutige Flüssigkeit ab (einziges Mittel); krustig, ⬍ nach Kratzen, honigartige, gelbliche Krusten (Graph.); hornige Krusten auf dem Hautausschlag, evtl. mit schwielig verdickter Haut (Graph.); Urtikaria durch Magenbeschwerden, auch chronisch; Juckreiz ⬍ durch strahlende Wärme, beim Warmwerden, in der Sonne, bei Überanstrengung;; wund nach Kratzen, Wundkratzen; dann schwammige Schwellung oder schwartige Verdickung; ⬍ durch kaltes Baden bzw. Waschen Pferd: Jucken schwitzender Teile Schwein: Ferkelruß, krustige, wie hornige juckende Hautausschläge Lokalisation von Hauterkrankungen: bevorzugt an Kopf, Lidern, Lefzen, Ohren Otitis externa mit Juckreiz, Hautausschlag um und hinter den Ohren (Graph.) Nase: rissige, schorfige Nase, Nasenwinkel, Nasenflügel (u. a. Mittel) Augen: Warzen und Auswüchse an Lidern, Pusteln auf Cornea Gesicht und um das Maul: Geschwüre, wund, jucken, Akne, Pickel, Furunkel, wund machend, eiternd, juckend, feucht, schuppend-schorfig Hund: Lefzenekzem (u. a. Mittel!); hornige, schmerzhafte Schwielen unter den Pfoten Sonnenbrand Warzen, Papillome verschiedenster Konfiguration, Tendenz zum Verhornen Kuh: lange Euterwarzen Haare verfilzen, kleben zusammen, Alopezie Atemwege: empfindlich gegen Einatmen kalter Luft Schnupfen: Sinusitis frontalis, Retronasalkatarrh, chronischer Husten verstopfte Nase ⬍ im warmen Zimmer Husten beim Betreten eines warmen Raums
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Antimonium crudum durch Abkühlung während Überhitzung, ⬍ nach Nasswerden Fließschnupfen oder trocken, oder abwechselnd Absonderung wund machend, hart-trocken, wässrig, tropft aus der Nase Nasenbluten Extremitäten: Gliederschmerzen abwechselnd mit Durchfall Gliederschmerzen abwechselnd mit Schleimhautabsonderungen oder Magenbeschwerden Schmerzen in distalen Extremitäten, in den Pfoten, Hufen, Klauen beim Laufen müde Extremitäten mit mühsamem Gang Hund: schmerzhafte Schwielen der Pfoten Genital: Impotenz
Hautausschläge im Genitalbereich mit starkem Juckreiz Zyklusstörungen mit reichlich Ausfluss gesteigertes sexuelles Verlangen Krallen, Klauen, Hufe: verdicktes Horn, Verdickungen unter Hornoberfläche Deformitäten nach Nagelverletzungen (Hyper.) Wachstumsstillstand im Huf-Klauenhorn (wenn keine andere Möglichkeit, palliativ in D 8) Pferd: Hornsäule, Hornspalten, hohle Wand, Hufkrebs (Graph., Thuj.)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Enttäuschung, Kummer, Liebeskummer Beschwerden durch Ärger Beschwerden während des Zahnwechsels Beschwerden nach unterdrückten Hautausschlägen Beschwerden nach unterdrückten Schleimhautabsonderungen Beschwerden nach Baden in kaltem Wasser Beschwerden durch zu viel Sonnenbestrahlung, ⬍ bei Anstrengung in der Sonne Sonnenbrand, Sonnenstich Beschwerden durch strahlende Wärme (z. B. Rotlichtlampe) ⬍ durch Warmwerden, alles ⬍ durch heißes Wetter ⬍ durch Abkühlung bei Überhitzung Beschwerden durch Hitze und Kälte, ⬍ im Sommer Hautausschläge ausgelöst durch kaltes Baden oder Waschen
Juckreiz ⬍ abends Schwein: Beschwerden in überfülltem, engem Stall Modalitäten: ⬍ durch strahlende Wärme empfindlich gegen kalte Luft, gegen Kaltwerden ⬍ durch kaltes Baden lässt sich nicht die Zähne berühren Neugeborenes trinkt nicht ⬍ Vollmond, ⬍ durch Mondschein ⬍ linke Seite, vorn rechts und hinten links ⬍ im Sommer ⬎ an frischer Luft ⬎ durch Ausscheidungen, z. B. ⬎ bei Durchfall, ⬎ bei Absonderung aus der Nase ⬎ durch ruhiges Liegen, ⬍ durch Aufstehen Durstlos im Fieber Haut-Gangrän durch Verbrennungen Hund: ⬍ Treppengehen
Ausgewählte Fallbeispiele Die mürrische CockerspanielHündin Karina – Hautausschläge September 1994: 8-jährige schwarze, sehr adipöse Cockerspaniel-Hündin, kastriert im Alter von 11/2 Jahren. Frau H. kommt allein mit der Hündin und beklagt Folgendes:
„Ach, ich hätte mir das mit einem Hund ganz anders vorgestellt. Wir haben Karina vor 2 Jahren von Bekannten übernommen, damals war sie noch etwas lebendiger und freundlicher, jetzt mag sie anscheinend mit uns nichts mehr zu tun haben: Sie knurrt uns an, sobald wir mit ihr Kontakt aufnehmen und sie ansprechen. Sie wedelt nicht mehr mit dem Schwanz, außer manchmal, wenn sie einen Hund trifft, der ihr genehm ist. Auch ihre Vorbesitzer begrüßt sie nicht mehr.
Antimonium crudum Wir waren mit ihr schon x-mal beim Tierarzt: Sie hat immer wieder ein Lefzenekzem, entzündete Ohren und Augen. Und sie muss immer wieder kotzen und hört gar nicht mehr auf damit. Dann frisst sie ein paar Tage nichts und verliert endlich mal etwas an Gewicht. Aber sobald es ihr wieder besser geht, haut sie wieder ab und durchwühlt den nächsten Komposthaufen. Sie hat den Appetit eines Staubsaugers. Am schlimmsten war ihre Kotzerei zuletzt vor etwa 5 Wochen: In unserem Dorf war Sommerfest. Von hinten hat sie sich an Grillstände mit den Essensresten herangemacht und kam dann mit einem Bauch wie hochschwanger nach Hause. Das grässliche Würgen hörte auch nicht auf, als der Bauch schon längst leer war. Anschließend hatte sie dann fürchterlichen Durchfall und Juckreiz. Wir waren bei unserem Tierarzt, der sie 4 Tage lang in der Klinik behielt. Dort bekam sie wegen Flüssigkeitsverlust Spritzen und Infusionen. Jetzt hat sie wieder diesen Juckreiz und schüttelt sich dauernd die Ohren. Wir sind in den 2 Jahren, die wir Karina haben, mindestens jeden zweiten Monat beim Tierarzt gewesen, und ich habe wirklich genug von diesem blöden Hund. Wenn Karina wenigstens nett und freundlich zu uns wäre! Außerdem finde ich dieses schmierige Maul mit den verklebten Haaren so widerlich, dass es mich wirklich ekelt. Vor ein paar Wochen hat sie sogar meine kleine Tochter, 3 Jahre alt, gebissen. Sie war vor Karinas Platz gestolpert und lang hingefallen, da schoss Karina knurrend vor und zwickte sie kräftig in den Arm. Darum möchte ich Sie bitten, Karina jetzt einzuschläfern. Die Kinder wollen das natürlich nicht. Aber ich muss sie vor vollendete Tatsachen stellen, wenn wir aus dem Urlaub zurückkommen.“
Untersuchung und homöopathische Anamnese Die Hündin trägt, wie die meisten Cocker-Spaniel, lange Hängeohren und tiefe Falten im Gesicht, die Hauttextur ist locker und schwammig. Während unseres Gesprächs liegt Karina mit abgewandtem Kopf in der Ecke unterm Tisch. Auf meine freundliche Ansprache reagiert sie nicht. Schließlich zerrt die Besitzerin den Hund mit der Leine hervor. Karina steht nun ohne Anteilnahme neben ihr.
Das Fell ist glanzlos, besonders die Ohren von strähnigen Locken bedeckt. Der Nasenspiegel ist trocken, wie krustig, an den inneren Augenwinkeln klebt eingetrocknetes Sekret. „Weil sie meistens knurrt und die Zähne zeigt, traue ich mich auch nicht mehr, sie richtig zu bürsten.“ Bei näherer Inspektion auf dem Untersuchungstisch stellt sich heraus, dass sich die harten Krusten weder an Nase noch an den Augenwinkeln entfernen lassen. An den Nasenwinkeln zeigen sich unter den krustigen Auflagerungen Spuren von Rhagaden. Die Lefzen sind schmierig verklebt. Für die Untersuchung der Ohren und Gehörgänge müssen wir Karina einen Maulkorb anlegen, weil sie mit bösem Knurren um sich schnappt und die Besitzerin immer ängstlicher wird. Die Gehörgänge sind gerötet, enthalten teils schuppige Auflagerungen, teils schmierige Sekrete. An der Ohrbasis ist das Fell genauso feucht verklebt wie an den Lefzen. Während der Untersuchung knurrt die Hündin weiterhin und versucht zu beißen. Die schimpfende Besitzerin beeindruckt sie gar nicht. Wo hat Karina ihren Lieblingsplatz? Auf der Couch, in der Sonne oder an kühlen Orten? „Das kommt darauf an. Abends liegt sie natürlich am liebsten auf unserem Sofa, aber das verbiete ich ihr jetzt, weil sie alles verschmiert. Sie liegt dann angebunden im Flur auf ihrer Decke und ist sauer. Aber an heißen Tagen bleibt sie freiwillig im Flur.“ Wie verträgt sie heißes Sommerwetter? „Dann ist sie gar nicht zu gebrauchen, mag noch nicht einmal Gassi gehen. Sie hechelt dann wahnsinnig und tropft alles voll.“
Auswertung Der Fall von Karina ist so eindeutig, dass man eigentlich kein Repertorium braucht. Trotzdem sollen die entsprechenden Rubriken genannt werden. Sonderliche, auffallende Symptome: – Nase, Risse in den Nasenwinkeln – Gemüt, Gier im Essen – Haut, Hautausschläge mit Magensymptomen – Magen, Erbrechen ohne Erleichterung Gemütssymptome: – Gemüt, abweisende Stimmung – Gemüt, Abneigung zu antworten – Gemüt, Ärger durch Kleinigkeiten – Gemüt, Abneigung gegen Berührung
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Antimonium crudum Allgemeinsymptome: – Haut, Hautausschläge mit Magensymptomen – Magen, Erbrechen unaufhörlich – Abdomen, Durchfall nach Schwelgerei, Überessen – Abdomen, Durchfall durch Magenreizung – Mund, Speichel viskös – Gesicht, Hautausschlag um den Mund – Ohr, Jucken im äußeren Gehörgang Karina wird also nicht eingeschläfert, sondern bekommt Antimonium crudum C 200, 1 Gabe per os. Voller Skepsis nimmt die Besitzerin die Hündin wieder mit nach Hause. Zwei Wochen später berichtet sie: „Karina ist jetzt wie ausgewechselt: Sie ist freundlicher, wedelt manchmal wieder mit dem Schwanz, und man kann sich wieder mit ihr unterhalten. Nach der Arznei bekam sie einen Tag lang wieder heftigen
Durchfall, dass ich sie nun endgültig einschläfern lassen wollte. Aber die Kinder nahmen Karina mit in ihr Zimmer, was sie noch nie geduldet hat! Am nächsten Tag war der Durchfall vorbei, und nun wird das Kratzen jeden Tag besser. Auch das Fell hat wieder etwas Glanz bekommen.“ Im Januar fand Karina wieder Gelegenheit, Nachbars Kompost zu durchwühlen. Anschließend sei sie durch Schneematsch vollkommen durchnässt und verdreckt heimgekommen. An demselben Abend bekam sie wieder ihren Brechdurchfall. Ant-c. 200 wird wiederholt. Im Sommer benötigte sie nochmals Ant-c., jetzt in der M-Potenz. 1996 schickte ich einmal Ant-c. M und im Spätsommer Ant-c. XM, nachdem sich Karina wieder durch Überfressen den Magen verdorben hatte.
Apis mellifica
Honigbiene
Apis mellifica
Thema, Signatur und Idee des Mittels Das Bienengift wurde von Constantin Hering in die Homöopathie eingeführt. Er potenzierte und prüfte die frisch isolierte Substanz. „Apis“ war damals gleichbedeutend mit „Apisinum“, der homöopathischen Zubereitung des Bienengiftes. Im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) wird die Verreibung der ganzen Arbeitsbiene vorgeschrieben. Da aber der Darminhalt mit den Anteilen verschiedener Pollen regional unterschiedlich ist, können die Apis-Zubereitungen je nach Hersteller variieren. Apisinum, das potenzierte Gift der Biene, wird gemäß HAB (aber nicht nach Hering) aus dem getrockneten Bienengift hergestellt. Welche Zubereitung nun am ehesten der Arzneimittelprüfung entspricht, ist unklar. Auch im Repertorium differieren die Angaben zu Apis oder Apisinum. Die Signatur des Arzneimittelbildes von Apis findet sich sowohl im Bienenstock, im Leben der Bienen als auch in der Pathophysiologie des Bienenstichs. Der Bienenstock ist ein streng hierarchisch strukturiertes soziales Gefüge. Alle Mitglieder haben ihre speziellen Aufgaben, die sie nach „Stundenplan“ zielstrebig erfüllen; die Verständigung darüber erfolgt durch Pheromone und rituelle Verhaltensweisen – möglicherweise auch durch „morphische Resonanz“ im Sinn von Rupert Sheldrake. Der Apis-Patient kann von pedantischer Ordnung, andererseits auch von „fruchtloser Geschäftigkeit“ bis hin zu chaotischem Durcheinander erfüllt sein. Desorganisation ist ein wichtiges Thema; sie kann sich auf der psychischen wie physischen Ebene des Apis-Patienten manifestieren: Er hält sich für gesund, obwohl schwer krank; er kann sich infolge Verwirrung nicht konzentrieren, seine Bewegungen sind ungeschickt, Gegenstände fallen ihm aus der Hand, schließlich verfällt er in Delirium; auch die Koordination von hormoneller Steuerung, Immunsystem und Zellverbänden geht verloren. Besonders die Organisation von Körperflüssigkeiten gerät – im wahrsten Sinn – aus den Fugen.
Im Arzneimittelbild finden sich all die unterschiedlichen Rollen der Mitglieder des Bienenstaates wieder: Die Königin nimmt gleichsam die Stellung eines lebenden Ovars ein. Sie kann pro Tag 2 000 Eier produzieren, wird umhegt und gefüttert von ihren Dienerinnen, und zur Zeit der Brunst wird sie umschwärmt „von einer Horde sexuell rasender Männergesellschaft“ (Gawlik). Apis ist ein Mittel für Eierstockszysten, -schwellungen oder -verhärtungen, oft verbunden mit heftigem sexuellem Verlangen bis zur Nymphomanie. Nicht umsonst bezeichnet man das „flotte Bienchen“ als ein Mädchen, das „leicht zu haben“ ist. Andererseits leidet Apis unter sexuellen Exzessen genauso wie unter nicht erfülltem sexuellem Verlangen, mit anschließender Sterilität, Abortneigung oder Verhärtungen der Genitalorgane. Über das „richtige Maß an Sex“ herrscht Unklarheit. Der Apis-Patient kann auch ein unscheinbares Dasein fristen, erfüllt von Traurigkeit über Kummer durch Alleinsein oder Enttäuschung und ohne deutliche homöopathische Symptome. Die Bienenkönigin setzt ihren Stachel einzig zur Bekämpfung ihrer nachwachsenden Nebenbuhlerin ein: Konkurrenz, Herrschsucht und Eifersucht sind wesentliche Gemütssymptome des chronischen weiblichen Apis-Patienten. Dagegen sind die weiblich unterentwickelten Arbeitsbienen friedliebende und fleißige Staatsmitglieder – anonym, gleichgültig und ohne Freude (die Komplemente für Nat-m.); sie stechen nur, um ungebetene Gäste vom Bienenstock fernzuhalten. Bienen gelten generell als Symbol des Friedens: Der Apis-Patient kann sich milde und friedfertig präsentieren und zeigt oft eine Tendenz zu depressivem Verhalten oder grundlosem Weinen, insbesondere während Infektionen. Wenn die Bienen aber in ihrem Frieden gestört werden, z. B. durch Lärm, reagieren sie i. d. R. heftig gereizt und stechen – um daran zu sterben: Der Dienst am Ganzen ist wichtiger als das Individuum – wiederum ein Charakterzug von Nat-m. und seiner ethischen Gesinnung.
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Apis mellifica Die Drohnen, durch Parthenogenese gezeugte inaktive Männchen, erwachen einzig im Wonnemonat Mai, um in ungeordneter Ekstase die Königin zu umschwärmen, damit eine einzige von ihnen diese befruchten darf. Die Einzelbiene ist nur ein willenloser Bestandteil des Staates, ohne Bienenvolk geht sie zugrunde. Auch der Apis-Patient kann nicht allein sein und verlangt besonders bei Herzschäden oder in Todesangst nach Gesellschaft. Der Bienenstock benötigt eine konstante Temperatur von ca. 34 ⬚C. Bei frostigen Temperaturen erstarren die Bienen zum Winterschlaf. Dennoch können sie Kälte wesentlich besser ertragen als Hitze. Für sommerliche Wärme haben sie ein spezielles Kühlmanagement entwickelt: Feine Wassertropfen werden auf den Bienenstock verteilt und durch vibrierendes Flügelschlagen zum Verdunsten gebracht. Der Apis-Patient ist extrem überempfindlich gegen jede Form von Wärme, alle Symptome bessern sich durch Kälteanwendung. Apis hat einen besonderen Bezug zu Stichverletzungen, insbesondere solchen, die in Körperhöhlen eindringen. Der Stich einer Biene macht sich bei uns zunächst mit einem akuten, heftig stechenden, brennenden Schmerz bemerkbar. Alle akuten entzündlichen Apis-Zustände sind von solchen Schmerzen begleitet. Die hämolysierenden und osmotisch wirksamen Eigenschaften des Bienengifts vermindern die Kapillarpermeabilität des Gewebes und lassen blasse ödematöse Schwellungen entstehen. Die unmittelbare Umgebung sowie das Zentrum der Stichstelle sind dagegen leicht gerötet. Kälteanwendung verzögert die Diffusion des Bienengifts, vermindert das schnelle Fortschreiten der Permeabilität von Zellmembranen und bessert alle Apis-Beschwerden. Kälte vermindert auch die Virulenz des Bienengiftes: Stiche an heißen Tagen reagieren heftiger als solche bei kühlem Wetter.
Die vermehrte Wassereinlagerung ins Gewebe führt zu Spannungsschmerzen, sodass sich der Patient über eine hochgradige Berührungsempfindlichkeit der Stichstelle beklagt. Er verlangt nach einem Eisbeutel, aber dessen Berührung und Druck sind unerträglich; besser wäre – wie am überhitzten Bienenstock – ein vorsichtiges Besprühen mit kaltem Wasser. Die Tendenz zu Wasserretention („wassersüchtige Schwellung“ gemäß der alten homöopathischen Nomenklatur) ist meist von allgemeiner Durstlosigkeit begleitet. Nur im Froststadium im Fieber kann Durst vorhanden sein (wie Puls.). Niederlegen verlangsamt die Zirkulation und vermindert den Abtransport der Ödeme. Der ApisPatient ist unruhig, möchte am liebsten umhergehen; die Symptome verschlimmern sich im Liegen. Diese Modalitäten prägen das gesamte Arzneimittelbild von Apis. Die Ödeme zeigen eine besondere Affinität zu Körperhöhlen oder sammeln sich im Zwischenzellgewebe. Diese bilden – ähnlich wie der Honig in den Waben des Bienenstocks – prall-elastische, eindrückbare Schwellungen, die an der Haut der Tiere durch aufgestellte Haare imponieren. Honig (lat. „mel“) gilt seit jeher als Ideal des Guten und Erstrebenswerten und erinnert an das paradiesische Land, „wo der Honig fließt“. Im spätlateinischen und im heutigen homöopathischen Sprachgebrauch bedeutet „Amelioration“ die gesundheitliche Verbesserung. Genauso fühlt sich der schwer leidende Apis-Patient, wenn er endlich sein richtiges, heilendes homöopathisches Mittel bekommen hat. Thema und Idee: infektiöse, allergische oder „erotische“ Entzündung, anfangs wohlorganisiert, später zunehmende Neigung zu Desintegration, Flüssigkeitsretention mit Ödembildung in Körperhöhlen, Zysten und Interstitium, hitze- und berührungsempfindlich, begleitet von Unruhe oder Schläfrigkeit.
Apis mellifica Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Apis ist zwar ein sehr gut geprüftes und bewährtes Heilmittel der Homöopathie, aber in der Praxis nicht immer leicht zu erkennen und von andern Mitteln zu differenzieren. Gerade in der homöopathischen Tierpraxis wird es vielfach in seinem Wirkungsspektrum verkannt und unterschätzt. Mnemotechnisch ist das Apis-Bild leicht einzuprägen: Der Stich einer Biene bleibt als eindrückliches Erlebnis im Gedächtnis. Der anfangs heftige, stechende Schmerz wird gelindert durch einen Eisbeutel. Anschließend an den Stich entwickelt sich eine Schwellung, deren Zentrum rosa, die Peripherie blass und prall-glänzend geschwollen ist. In den nächsten Stunden und Tagen bleibt eine berührungs- und wärmeempfindliche Schwellung erhalten, meist begleitet von Juckreiz. Von der Apis-Pathologie wird bevorzugt das Interstitium betroffen, weniger das Organ-Parenchym. Am schlimmsten und schnellsten treten Apis-Beschwerden bei Patienten auf, die allergisch auf Bienengift reagieren. Dabei handelt es sich häufig um konstitutionelle Natrium-muriaticum-Patienten, die oft sogar auf ein Honigbrot allergisch reagieren. Apis ist das wichtigste akute Komplement zu Nat-m. (s. dort). Apis-Erkrankungen gehen i. d. R. mit entzündlichen, toxischen oder allergischen Schwellungen einher; das sind interstitielle Wassereinlagerungen mit eindrückbaren oder prallen, glänzenden Schwellungen. Diese sind meist begleitet von Empfindlichkeit gegen Berührung und Druck sowie Verschlimmerung durch Wärme sowie Durstlosigkeit und verminderter Absonderung von hoch stehendem Urin. Die Ödeme aus dem Apis-Arzneimittelbild können bei allergischer Disposition, bei Infektionen, bei infizierten Strichwunden, besonders in Körperhöhlen, bei toxischer Entzündung, lokal begrenzt, generalisiert oder an wechselnden Lokalisationen
in Erscheinung treten. Sie können als Anasarka (Unterhautödeme), als seröser Erguss mit säckchenähnlicher Schwellung, als angioneurotische (Qincke-)Ödeme an Gesicht, Lippen, Augen, an der Mundschleimhaut und oberen Atemwegen, an allen Schleimhäuten und der Submukosa, in Körperhöhlen (entzündlich, infektiös, toxisch) oder als Begleitsymptome von Erysipel-artigen Erkrankungen auftreten. Akut entzündliche Ödeme oder Ergüsse sind hochgradig berührungsempfindlich, verschlimmert durch jede Form von Wärme, meist von stechendbrennenden Schmerzen begleitet. Allergische oder toxische Ödeme oder Ergüsse zeigen nur einen unangenehmen Wundschmerz, bedingt durch Gewebespannung, und nicht immer die hochgradige Berührungsempfindlichkeit. Aber auch sie werden durch Kälteanwendung gebessert. Seltener sind schmerzlose Erkrankungen. In der Humanhomöopathie ist Apis eine der wenigen Arzneien (neben Arn., Ars., Op. u. a.), die sich trotz schwerer Erkrankung als beschwerdefrei zeigen. Beim Tier ist jedoch dieses Symptom nur schwierig in Zusammenhang mit Apis zu bringen. Infektionen, Erysipel, phlegmonöse Entzündungen neigen zur Entwicklung von Ödemen, nicht aber zu Abszedierung oder Eiterung; das Geschehen kann in Nekrose oder Gangrän übergehen und erfordert dann ein Folgemittel wie Ars., Arn., Puls. oder Sulf. (nicht jedoch Lach.!). Apis gilt auch in der Tierhomöopathie als eines der wichtigsten Mittel für allergische Reaktionen auf Insektenstiche. Diese Indikation darf aber nicht überbewertet werden. Apis ist in diesem Zusammenhang zuständig für den akuten Stichschmerz unmittelbar nach einem Bienen- oder Wespenstich. Meist kann eine einzelne orale Gabe einer C 30 diesen Schmerz lindern und das Fortschreiten der lokalen Entzündung verhindern. Es handelt sich hier nur um die unangenehme Erstwirkung des Stiches. Eine höhere Potenz oder eine fälschlich wiederholte Gabe kann die Reaktion auf diesen Stich unnötig komplizieren.
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Apis mellifica Apis ist in höherer Potenz angebracht, wenn nach einem solchen Stich innerhalb von Minuten die Schleimhäute der Atemwege anschwellen. Diese lebensgefährliche allergische Reaktion kann zu Erstickung führen. Eine Gabe Apis 200 kann diese Pathologie meist binnen Minuten zum Abklingen bringen und darf nur bei erneuter Verschlimmerung wiederholt werden. Sollte aber mit Apis keine sofortige Besserung eintreten, so ist an Acidum carbolicum zu denken, sofern kein Kortikoid verfügbar ist. Acidum carbolicum ist in der Homöopathie ein bekanntes Mittel für den anaphylaktischen Schock nach Insektenstichen, allerdings seltener vorkommend als Apis. Eine gleichzeitige Gabe beider Mittel verbietet sich, da sie sich als gegenseitige Antidote in ihrer Wirkung aufheben würden. Bleibt die Reaktion auf den toxischen Insektenstich als lokale Entzündung begrenzt, so wäre Ledum indiziert. Aber auch hier darf dieses Geschehen nicht überbewertet werden: Keineswegs jeder banale Insektenstich benötigt eine homöopathische Arznei. Apis hat sich jedoch beim echten Sommerekzem der Pferde (allergische, juckende Hauterscheinungen durch Insektenstiche) außer mit kurzfristiger Palliativwirkung als wenig wirksam erwiesen. Hufrehe beim Pferd (Klauenrehe beim Rind) ist eine der wichtigen Indikationen für Apis, was zu eindrucksvollen Heilungen führen kann. Die Pathophysiologie der Hufrehe wird bestimmt durch eine toxisch- oder allergisch-ödematöse Entzündung der Huflederhaut. Im schlimmsten Fall kann sich infolge dieses Ödems das Hufbein von der Huflederhaut lösen. Zusätzlich trägt die Zugbelastung des tiefen Zehenbeugers zur Hufbeinsenkung bzw. -rotation bei. Solche Veränderungen sind mit schlimmsten Schmerzen verbunden, führen häufig sogar zum Festliegen der Tiere. Die Schmerzen werden verständlich, wenn man sich das hochgradig entzündliche Ödem im starren Hufkapselbereich vor Augen führt, das der Zehenspitzengänger permanent durch sein Körpergewicht belastet. Häufig ist dieses Phänomen ein Grund für dauerhafte Unbrauchbarkeit des Pferdes. Bei rechtzeitiger Anwendung homöopathischer Mittel lässt sich diese Erkrankung langsam rückgängig machen. Bei der akuten Laminitis (Hufrehe) ist Apis von Bry., Nux-v., Puls. und Pyrog. zu differenzieren (s. dort).
Gemäß den Arzneimittelbeziehungen tritt die Apis-Hufrehe besonders bei konstitutionellen Natm.-, Ars.-, Lyc.- und Sulf.-Patienten auf, weniger bei konstitutionellen Phos.- oder Rhus-t.-Patienten. Auch bei den Folgen eines Hufabszesses, der Hepar s. erforderte, kann Apis eine anschließende Rehe oder Hufbeinsenkung sehr günstig beeinflussen. Im Gefolge einer Mauke mit Panaritium oder Paronychie, die Arsen erfordert, kann Apis die endgültige Heilung ermöglichen. Apis-Erkrankungen sind meist von Durstlosigkeit und mangelnder Ausscheidung von hoch stehendem Urin begleitet. Gemäß der Hering’schen Regel handelt es sich dabei um lebenswichtige Funktionen. Daher kann beginnender Harnabsatz zugleich mit Durst als erste positive Reaktion des Patienten und als Zeichen beginnender Heilung gewertet werden. Apis-Erkrankungen zeigen einige Gemeinsamkeiten mit denen von Lachesis: Beide Mittel sind im Fall von phlegmonösen Entzündungen berührungsempfindlich und hochgradig schmerzhaft, vertragen keine Wärmeanwendung, neigen zur Entwicklung von Ulcera oder Gangränen, haben eine Beziehung zu Zysten am Ovar und neigen zu Nymphomanie. Lach.-Erkrankungen sind jedoch eher auf der linken Körperseite lokalisiert, breiten sich von links nach rechts aus, Apis ist eher rechtsseitig lokalisiert und breitet sich von rechts nach links aus (wie andere Mittel); Lach. zeigt bei Schmerzen eher eine Tendenz zu Aggressivität, Apis eher eine zu Benommenheit. Bei Ovarzysten wird Lach. durch übermäßige Lautgebung – Heulen, Wiehern, Brüllen – und sexuelle Aktivität auffallen, Apis mehr durch Unruhe oder Depression infolge unerfüllter sexueller Bedürfnisse. Apis könnte mit Bryonia verwechselt werden. Aber Bry.-Erkrankungen bessern sich durch starken Druck, während Apis weder Berührung noch Druck verträgt. Die Hauterscheinungen von Apis könnten an die von Rhus toxicodendron erinnern. Solche von Rhus-t. sind jedoch durch eine Besserung von Wärme gekennzeichnet. In den gängigen Arzneimittellehren wird Apis als langsam wirkende Arznei beschrieben. Das trifft für chronische oder organisch bedingte Zustände
Apis mellifica zu (bereits eingetretene Hufbeinsenkung, Ovarzysten, fortgeschrittenes Panaritium usw.), nicht aber
für akute oder perakute allergische oder toxische Erkrankungen!
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Perakuter und akuter Verlauf: allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock; angioneurotisches Ödem der Schleimhäute an den oberen Atemwegen mit Erstickungsgefahr; akute Glomerulonephritis mit Anurie, begleitet von Benommenheit Subakuter und chronischer Verlauf: Die Verwendung als konstitutionelles Mittel ist besonders in der Tierhomöopathie seltener und nicht einfach zu erkennen. Apis-Patienten sind grundsätzlich warm- bis heißblütig; berührungsempfindlich bis zum Schreien; durstlos bei wenig Urinabsonderung; neigen zu Ödemen an Schleimhäuten, Serosen, Unterhaut; leiden unter rechtsseitigen Erkrankungen, die auf die linke Seite übergehen können; suchen Abkühlung, vermeiden jede Art von Wärme; bei trockenen, häufig geschwollenen Schleimhäuten. Akute Folgen oder Erkrankungen nach Bienenoder Wespenstich an Maul, Gesicht oder Ohren (Hund) mit schmerzhaftem Ödem und/oder anschließender Urtikaria; Ödeme an der Maulschleimhaut, an oberen Luftwegen, Lefzen, Gesicht oder Ohren (Lach., Carb-ac.) mit Erstickungsgefahr Schmerzhafte Entzündungen mit Ödem von Interzellulargewebe und Körperhöhlen: blassrosa Entzündungen, meist hochgradig berührungsempfindlich, im subakuten Fall weniger deutlich Entzündungen und submuköse Ödeme an Tonsillen, Pharynx, Larynx Otitis media und interna mit extremen Schmerzen Konjunktivitis, Blepharitis, Chemosis Erysipel im Gesicht mit Ödemen, Quincke-Ödemen allergische oder angioneurotische Ödeme der Schleimhäute der oberen Atemwege bis Erstickung
Meningitis, Enzephalitis, Hirnödem, mit zentralnervösen Symptomen und Stupor hochgradig schmerzhafte Pneumonie mit Nierensymptomen, Pleura-, Perikarderguss entzündliche Peritonitis mit Aszites und Berührungsempfindlichkeit des Abdomens Ovaritis, Adnexitis, Ovarzysten, Ödeme an Ovar oder Uterus Ödeme im männlichen Genitalbereich, entzündliche Hydrozele Nephritis, Glomerulonephritis, Nephrose, Anurie, Nierenversagen mit rasenden Schmerzen hormonelle Imbalancen, Hypersexualität, Eifersucht weiblicher Patienten, Abort weibliche Hormonimbalancen, Erkrankungen des rechten Ovars, rechtsseitige Mastitis akut infizierte Arthritis, Tendovaginitis, Bursitis (DD Bry.) mit Hydrops Panaritium, Paronychie mit Ödemen, ohne Abszedierung Pferd: Hufrehe toxischer, allergischer oder infektiöser Genese Rind: Klauenrehe toxischer, allergischer oder infektiöser Genese allergische Hautreaktionen: Urtikaria, Insektenstiche u. Ä. Tachykardie, Unruhe rheumatische Entzündungen (Fibromyalgie) Infektionen: durch perforierende Stichverletzungen in Körperhöhlen Erysipel, Phlegmose der Extremitäten, am Nabel Neugeborener entzündliche Ödeme aller Art, schmerzhaft, prall, besser durch Kälteanwendung entzündliche, toxische Ergüsse in Körperhöhlen oder Interstitium
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Apis mellifica Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Tiere mit blonden, hellen Haaren (kein ausschließendes Symptom!) Konstitutionen von Nat-m., Lyc., Ars., Sulf. (Komplementärmittel) warm- bis heißblütige Tiere, suchen kalte Plätze Ödeme, speziell um die Augen, Lidödeme (bei Tieren schwierig erkennbar) blasse, wie glasierte, trockene Schleimhaut durch Wassereinlagerung („wassersüchtige Schwellung“) pralle, glänzende Schwellungen, an geschwollenen Teilen sträuben sich die Haare oder säckchenähnliche Schwellungen mit deutlicher Berührungsempfindlichkeit dieser Teile
Die Tiere liegen niemals auf dem erkrankten Körperteil, sondern versuchen, ihn frei, ohne Berührung oder Auflagedruck zu lagern! akute Zustände mit hochgradigen Schmerzen, plötzlichem Aufschreien und Benommenheit Vermeiden von Wärme, sucht kühle Stellen (Hund: hecheln) plötzliche perakute allergische Zustände, bis hin zum anaphylaktischen Schock mit Atemnot infolge Ödems der Atemwege akutes Mittel für plötzliche allergische Reaktionen nach Insekten- oder Bienenstichen o. Ä. unruhige Tiere verändern ihre Lage, stuporöse Benommenheit im chronischen Fall hektische Lebendigkeit, z. B. bei Ovarzysten mit Nymphomanie
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Akut bis subakut: reizbare Unruhe besonders durch Berührung erkrankter Teile unerträglicher Juckreiz bei allergischen Erkrankungen Schläfrigkeit, kaum zu wecken bei zentralnervösen Symptomen, schweren Erkrankungen bei Enzephalitis, Meningitis: Benommenheit mit plötzlichem Aufschreien Chronisch: deprimiert, Kummerfolgen, besser durch Ablenkung oder Aufregung Eifersucht; mit viel sexuellem Interesse; misstrauisch, hektisch, unruhig launische, hektische weibliche Tiere ruhelose Eile, hyperaktiv, unruhig, zappelig; besonders bei nicht ausgelebtem sexuellen Bedürfnissen (z. B. Hündinnen, die während der Läufigkeit mit Rüden zusammen sind, die sie nicht decken dürfen)
Abdomen und Hals empfindlich gegen Einengung (Hund: Halsband) ,kindischer‘, nicht altersgemäßer Spieltrieb im Zusammenhang mit hormoneller Imbalance eifersüchtig, possessiv, egoistisch, lebhaft abwechselnd mit deprimiertem Wesen und scheinbar unmotiviertem Jammern Nymphomanie: abwechselnd sexuelle Aktivität mit hektischer Unruhe und Stupor Aufschrecken wegen Kleinigkeiten Unruhe, Zittern, Zucken, ungeschickte Feinmotorik lähmige Schwäche als evtl. Begleitsymptom mit mangelnder Reaktionsfähigkeit bei Nierenproblemen steifer Gang mit krummem Rücken Hund: jammert und mieft, unzufrieden, hektisch, besser durch Aufgaben und Ablenkung; im Akutfall: Aufschreien bei Berührung
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Ödeme: Quincke-Ödeme; allergische, toxische Ödeme (Insektenstiche, Bakterientoxine) Hirnödem, evtl. mit Lähmungen Ödem bei Niereninsuffizienz, Nierenversagen Lungenödem, Hydrozele, Ödeme an Extremitäten toxische, allergische Ödeme, insbesondere am Vorderkörper
Phlegmone, Erysipel, keine Eiterung Angina, Konjunktivitis mit Chemosis septische Infektionen mit Ödem, Zerstörung oder Ulzeration von Gewebe septische Infektionen nach perforierenden Stichverletzungen in Körperhöhlen, z. B. Gabelstich in Gelenk oder Sehnenscheide mit entsprechenden Modalitäten
Apis mellifica allergische Schleimhautödeme bis anaphylaktischer Schock, besonders der Atemwege
Pleuritis mit Pleuraexsudation, Erstickung, Perikarderguss
Infektionen: Fieber ohne Durst mit großer Hitze des Körpers, wenig Urin auch im Froststadium verschlimmert Wärme, evtl. dabei Urtikaria und Durst! (wie Puls.) lokale Hitze mit Kälte an anderer Stelle intermittierendes Fieber, Malaria-ähnliche Erkrankungen, Mittelmeer-Fieber adynamischer Verlauf Fieber ⬍ 15 Uhr Fieber mit Benommenheit
Verdauungsapparat: durstlos trotz trockener Schleimhäute aber eiskalte Tränke kann bessern (besonders bei Erkrankungen im Pharynx-Bereich) schmerzhaft aufgetriebenes Abdomen (Aszites) extrem empfindliche Bauchdecke, im chronischen Zustand nur leichte Berührungsempfindlichkeit ulzerierende Darmschleimhaut bei septischen oder fieberhaften Infektionen offener After mit unwillkürlichem Kotabgang
Kopf: Enzephalitis, Meningitis mit extremen Schmerzen Opisthotonus mit rückwärtigem Rollen des Kopfes (Bell., Strom., Op., Cupr., Cic.) Apathie, Benommenheit, Bewusstlosigkeit (Gels., Hell.) plötzliches schrilles Aufschreien bei zentralnervösen Symptomen oder heftigen Schmerzen Zähneknirschen bei zentralnervösen Symptomen ⬍ durch Berührung, speziell des Kopfes, ⬍ Wärme, ⬍ Bewegung rote Zunge, trockene Schleimhäute dabei durstlos, wenig Urin Otitis media: phlegmonöse Otitis, extreme Schmerzen mit Wimmern und plötzlichem Aufschreien hochgradig berührungsempfindliche Ohren bzw. Gehörgänge Folgemittel evtl. von Pulsatilla (Jus) Augen: Konjunktivitis mit glasiger Chemosis (Katze: häufiger Ars. als Apis) hochgradig schmerzhaft und berührungsempfindlich Ödeme der Lider und Augenumgebung (mögliches Begleitsymptom anderer Erkrankungen) wässriger oder geringer Tränenfluss Ulcus corneae, Hornhauttrübung, Chemosis Herpes-Infektionen in der Augenumgebung und auf der Cornea im Gefolge von Infektionskrankheiten, Staupe, Influenza o. Ä. Mund, Hals und Atemwege: Bienen-, Wespenstiche (Vesp.) Angina, Tonsillitis von der rechten zur linken Seite mit Schwellung wie Wassersäckchen starke Schwellung, trockenes Maul (Pferd: Beginn von Druse, Lach.)
Harnwege: akute Blasenentzündung, aufsteigend in Nierenbeckenentzündung Zystitis mit starkem Tenesmus, ⬍ nach Urinabgang, mit Ödem im Genitalbereich (Canth. ohne Ödem) dabei tropfenweiser Urinabgang trotz Anstrengung mit starken Schmerzen Niereninsuffizienz, nephrotisches Syndrom, Nierenkolik Nephritis nach septischer Allgemeininfektion Nierenversagen, evtl. mit schlimmsten Schmerzen, Schreien und Ödemen am ganzen Körper akute Glomerulonephritis („Bright-Krankheit“) bis Anurie Ödeme bei Nierenschäden, Albuminurie, stinkender Urin Urin blutig bis dunkelbraun, nachweisbare Zylinder Harnwegserkrankungen auch durch Allergie auf Pharma-Präparate mit heftigsten Schmerzen während und nach Urinieren Harnwegssymptome können als Begleitsymptom anderer Apis-Erkrankungen auftreten Genital weiblich: Alopecia areata durch hormonelle Imbalancen sexuelle Raserei, Nymphomanie (Zysten am rechten Ovar) Eierstocksentzündung, Adnexitis rechts (schwierige Diagnose), von rechts nach links gehend ödematöse Schwellung der Ovarien, Eileiter mit anschließenden Verklebungen Erkrankungen des rechten Ovars mit Schmerz im linken M. pectoralis; auch abwechselnde Seiten
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Apis mellifica Schmerzattacken dauern 15 Minuten (DD Kolik!) Ovarialzysten rechts mit vermehrtem sexuellem Verlangen (ähnlich wie Lach., aber ohne Aggressivität bei Berührung) fehlende Brunst aufgrund o. g. Ovarialstörungen (Kuh: Corpus luteum persistens neben anderen Mitteln) unregelmäßiger Zyklus, Azyklie (häufiges Folgemittel: Puls. oder Aristolochia) Ovarstörungen durch nicht ausgelebtes Sexualverhalten („unterdrückter Sex“) Abortneigung bis 3. Monat (Gabe von nicht indizierter Apis kann Abort auslösen) Metritis mit Berührungsempfindlichkeit des Bauches ödematöse, pralle, harte, rosafarbene, eindrückbare interstitielle Ödeme der Mamma (weniger Bezug zum Drüsenparenchym) Genital männlich: Prostatitis, Orchitis, Hydrozele mit obigen Modalitäten warmes allergisches oder toxisches Schlauchoder Skrotalödem (Nux: eher toxisch) Extremitäten: ungeschickte Feinmotorik ,wassersüchtige‘ Ödeme, eindrückbar oder prall, entzündlich und hochgradig schmerzhaft Huf- und Klauenrehe mit schnell eintretender Hufbeinrotation Phlegmone entzündliche, pralle schmerzhafte Ödeme, rosa Haare stehen ab wegen praller Schwellung Panaritium, Paronychie Hund: Krallenbettentzündung Kuh: Limax Synovitis, akute Arthritis mit Gelenkerguss, hochgradige Berührungsempfindlichkeit, ⬎ durch Kälte einseitige Lähmungen, evtl. mit Zuckungen bei zentralnervösen Erkrankungen Zellgewebsentzündungen, Phlegmone, Erysipel, Lymphangitis (Bufo); hochgradig schmerzhaft! (Lach., Hep.); besser durch Kälteanwendung, kalt abspritzen (Lach.), aber
⬍ durch Berührung mit dem Wasserstrahl; mit glänzender Haut, abstehenden Haaren, rosa Verfärbung (sofern bei dunkler Pigmentierung erkennbar); pralle Schwellung der Haut, hochgradig berührungs- und druckempfindlich; das Tier wird deshalb niemals auf dem erkrankten Fuß liegen septische Infektionen ohne Tendenz zur Eiterung bei Folgeerkrankungen kann Ars., Merc. oder Sulf. angebracht sein solche Erkrankungen besonders bei Tieren, die konstitutionell Nat-m. brauchen Haut: Hitze der Haut, unterbrochen von Schweiß (Pferd) allergische Hautausschläge, extremes Jucken, z. B. durch Insektenstiche (nicht beim Sommerekzem der Isländer) Hautausschläge; Urtikaria mit Schwellung, extrem berührungsempfindlich, juckend, ⬍ durch Wärme Urtikaria, z. B. nach Anstrengung, ⬍ durch Wärme, heftiger Juckreiz zystische Tumoren, Krebs Herz: Mitralinsuffizienz: jeder 3. – 4. Herzschlag setzt aus, evtl. Mitralinsuffizienz Herzklopfen beim Rechts-Liegen Pferd: Stichverletzungen perforierend; Nageltritt in Hufrolle, septische Podotrochlitis, septische traumatische Tendinitis Hufrehe perakut mit Senkung (bes. bei Nat-m.-, Lyc.-, Ars.-, Sulf.- und Hep.-Patienten; Apis, Bell.: heiße bis warme Hufe; Nux-v., Led.: kühlere bis lauwarme Hufe); Hufrehe bis zum Ausschuhen durch Huflederhautödem (bei Ars. Ausschuhen eher wegen trophischer Störungen, Gangrän der Huflederhaut); Hufrehe nach Nageltritt (perforierende Wunden); Hufbeinsenkung bei Hufabszess nach Hep. oder Sil. Apis-Hufrehe-Patienten neigen trotz Schmerzen zu Unruhe, z. B. Weben. Ödeme bei Niereninsuffizienz, Nierenversagen
Auslöser und Modalitäten des pathologischen Geschehens Auslöser: Infektionen Verletzungen mit septischen Infektionen infizierte Stichverletzungen, insbesondere Perforationen in Körperhöhlen
allergische Reaktionen auf Toxine aller Art: Insektenstiche, Endotoxine, Quinke-, toxische Ödeme Beschwerden durch Kummer (Liebesentzug, Enttäuschung, Alleinsein, Tierheim, Händler-Tiere)
Apis mellifica Beschwerden durch Schreck, Zorn, Eifersucht, belastende Ereignisse Beschwerden durch unterdrückte Hautausschläge, Urtikaria oder Exantheme Beschwerden durch unterdrückten Sex oder ,sexuelle Exzesse‘ hormonelle Imbalancen, Hormon-Therapie Folgen von Insektenstichen; Entzündung, Schwellung Sonnenstich, Sonnenbrand und andere Verbrennungen Modalitäten: rechtsseitige, einseitige, besonders von rechts nach links gehende Beschwerden ⬍ durch Berührung; ⬍ Druck, sogar ⬍ durch leichten Druck ⬍ durch jede Art von Wärme oder Wärmeanwendung, ⬍ durch warme Tränke ⬎ durch Kälte; ⬎ eiskalte Anwendungen, ⬎ durch kühle Luft, ⬍ warme Getränke ⬍ nach Schlaf, ⬍ im Liegen
⬍ 15 – 16 Uhr ⬎ durch Entblößen (Tiere dulden keine Decke, ertragen z. B. keine Rotlichtlampe) ⬍ im geschlossenen Raum ⬎ Bewegung, Lageänderung, Unruhe; ⬎ aufrecht Sitzen Bewegung erkrankter Teile ⬍, aber allgemeine Aktivität ⬎ durstlos, besonders im Fieber, aber Durst im Froststadium (wie Puls.) Entblößen ⬎ (Abscheren im Sommer) eine Seite warm, andere kalt Hauptkomplement zu Nat-m. Folge- und Ergänzungsmittel (9): Arn., Ars., Barc., Canth., Cupr., Gels., Graph., Hell., Jod., Kali-bi., Lyc., Merc-sulf., Nat-m., Puls., Sars., Stram., Sulf., Zinc. Unverträgliche Mittel: Phos., Rhus-t.
Ausgewählte Fallbeispiele Kuh Alda – Zysten mit Sterilität Juli 2003: Frau B. stellt mir ihre Rotfleck-Kuh vor, weil sie seit der letzten Geburt vor 41/2 Monaten nicht mehr stierig werde. Ihr Tierarzt habe Zysten am Ovar festgestellt, ob am linken oder rechten Ovar, kann sie nicht beantworten. Es ist ein heißer Sommerabend, das Thermometer zeigt noch immer 30⬚ an, die Sonne steht jetzt direkt auf den Stallfenstern der Westseite. Im Stall ist es unerträglich schwül-heiß. Sobald es draußen etwas abkühlt, kommen die Tiere wieder auf die Weide. Alda liegt teilnahmslos und schwer atmend beim Widerkauen nach der Abendfütterung. Sie bringt eine gute bis mittelmäßige Milchleistung, dritte Laktation. Widerwillig lässt sie sich auftreiben. Die Untersuchung des Blasenmeridians der Chinesischen Medizin ergibt eine deutliche Druckdolenz am rechten Punkt Blase 23 (zwischen 2. und 3. Lendenwirbel-Querfortsatz). Die Kuh beantwortet meine Palpation mit heftigem Kopf- und Schwanzschlagen. Bei Palpation den Bauchdecken weicht sie so weit aus, dass sie fast die Nachbarskuh tritt. Unwillig und gereizt schleudert sie wieder ihren Kopf, als ich ihre Kehle palpiere.
Die Bäuerin berichtet: Alda war immer eine ranghohe Kuh, aber nie angenehm zu hantieren. Sie mache alles, aber nur widerwillig. Nach dem letzten Kalben sei sie lange wie depressiv gewesen und habe die Ohren hängen lassen. Es sei schwierig, sie zu fangen oder zu führen, wenn z. B. die Klauen geschnitten werden müssen. Frau B. erwähnt noch, Alda gehöre zu den Kühen, die bei solcher Hitze am schwersten atmen. Übermäßiges Brüllen oder Aufspringen auf andere Kühe sei ihr nie aufgefallen. Wie viel Alda trinke, kann sie nicht beantworten.
Mittelwahl Es gilt nun, die 44 Mittel, die für Zysten am Ovar infrage kommen, zu unterscheiden. Werden die Rubriken „Sterilität“, „Amenorrhö“, „Abdomen, empfindlich gegen Druck“ und „Allgemeines, heißes Wetter verschlechtert“ zugezogen, bleiben noch 2 Mittel zur Auswahl: Lachesis und Apis. Die Wahl fällt wegen der Empfindlichkeit der rechten Seite und wegen unauffälligen Sexualverhaltens auf Apis.
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Apis mellifica Therapie
Therapie
Die Kuh bekommt ca. 5 Globuli Apis XM ins Maul. 3 Wochen später zeigt sie eine normale Brunst und wird erfolgreich besamt.
Die Kuh bekommt Apis M (die XM war gerade in den Spaltenboden gefallen und dort verschwunden). Nach 4 Tagen kann sie wieder laufen, nach einer Woche geht sie mit ihren Kolleginnen wieder auf die Weide. Die zweite Kuh kann 10 Tage nach der Gabe von Apis XM wieder ohne Probleme laufen – was den Bauern zum absoluten Stauen bringt. Kein Rückfall seit 2 Jahren!
Die Kuh Stilli – Klauenrehe 17.2.2004: Stilli ist eine starke, große, wohlgenährte Schwarzbunte. Sie hat vor 10 Tagen problemlos gekalbt, guter Abgang der Nachgeburt, keine Symptome einer Sepsis: „Jetzt kann sie nicht mehr aufstehen wegen der Klauen“, erklärt der Besitzer, Herr S. Nur zum Melken kann er sie mit dem elektrischen Treiber und mit Gewalt für einige Minuten zum Stehen bringen. Die Klauenschmerzen hätten 2 Tage nach der Geburt begonnen. Stilli hat bereits Antibiotika und Schmerzmittel bekommen, die aber nur kurzfristig besserten. Der Hoftierarzt meinte, man solle sie noch bis zum Ende der Wartezeit liegen lassen und sie dann schlachten. Aber der Bauer möchte Stilli behalten, weil sie eine sehr gute Leistung bringe.
Homöopathische Anamnese Beide Hinterfüße sind mittelgradig hart geschwollen. Die Mittelfußarterien zeigen – wie beim Pferd – hochgradige Pulsation an. Die Klauen sind warm. Offensichtlich hat die Kuh, im Gegensatz zum Pferd, größere Schmerzen an den hinteren als an den vorderen Klauen. Stilli liegt zurzeit auf der linken Seite, der Bauer achtet auf Lagewechsel und wendet sie regelmäßig. Durch Palpation des Klauensaums ist deutlich erkennbar, wie sich die Klaue an den Hinterfüßen senkt und sich die Klauenspitze nach oben wölbt. Die Kuh zeigt einen gequälten Gesichtsausdruck. „Wenn sie nicht so eine gute Kuh wäre, würde ich sie schlachten lassen“, meint der Bauer. Eine andere Kuh mit chronischer Klauenrehe, die schon seit mehreren Wochen bestand, zeigte bereits wie Türkenschuhe umgeformte Klauen mit nach oben gewölbter Klauenspitze an beiden Vorderfüßen. Sie kann zwar aufstehen und mühsam zum Melkstand laufen, jedoch nicht mit auf die Weide gehen.
Schwarzbunte Kuh Lämmli – Gabelstich Der Bauer war übers Wochenende in den Skiferien, er wurde durch seinen Lehrling vertreten. 3 Tage nach seiner Rückkehr stellt er bei Lämmli einen „dicken rechten Hinterfuß“ fest. Der Hoftierarzt diagnostiziert einen Gabelstich in die Sehnenscheide (den der Lehrling verschwiegen hatte), behandelt mit Antibiotika und Kortikoiden. Als die Kuh auf die Therapie nur unzureichend reagiert, empfiehlt er, sie ins Tierspital nach Zürich zu schicken. Dem Bauern ist das zu teuer, obwohl diese Kuh zu seinen besten Milchkühen gehört.
Homöopathische Untersuchung und Anamnese 8 Tage nach der Verletzung nach Entfernen des Verbandes: Das Tier kann den rechten Fuß nicht belasten und steht auf 3 Beinen. Der Einstich liegt wenig oberhalb des äußeren Fesselgelenks. Der Fuß ist bis zum Tarsus hart und warm geschwollen, das Tier zeigt deutliche Abwehr bei Druck am Fesselgelenk; keine Zeichen von Abszedierung oder Eiterung, wenig getrübtes Allgemeinbefinden, wahrscheinlich infolge antibiotischer Therapie.
Therapie Die Kuh bekommt Apis XM, 1 Gabe per os. Nach 2 Tagen erstes vorsichtiges Fußen, aber keine weitere Besserung. Daher nach weiteren 2 Tagen zweite Gabe von Apis XM.
Apis mellifica Jetzt beginnt der Fuß langsam von oben nach unten abzuschwellen, er ist weniger empfindlich gegen Berührung. Die Kuh fußt jeden Tag ein wenig besser. Nach einer Woche berichtet der Bauer, sie könne nun zwar laufen, hinke aber noch immer heftig. Er soll Apis 200 geben. Im Laufe der nächsten 10 Tage bessert sich die Belastbarkeit zunehmend. Der Bauer meldet keinen Rückfall.
Ergänzende Bemerkung Diese Verwendung von Apis gründet sich auf eine eigene Erfahrung mit meinem Sohn im Winter 1983, der sich als Achtjähriger bei einem Sturz im Schneematsch einen rostigen Nagel ins Kniegelenk bohrte, mit anschließender fieberhafter Gonitis mit Allgemeininfektion. Diese Infektion heilte ohne Antibiotika oder Kortikoide nach viermaliger Gabe von Apis 200 innerhalb von 4 Tagen aus, am 5. Tag fuhr er wieder mit dem Fahrrad zur Schule – ohne geringste Folgebeschwerden nach nunmehr 22 Jahren.
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Arnica montana
Bergwohlverleih
Signatur, Thema und Idee des Mittels Arnica montana – aus der Familie der Korbblütler – genießt seit alten Zeiten unter ursprünglich verschiedenen Namen den Ruf als Heilpflanze für Verletzungen. Auch ihre volkstümlichen Bezeichnungen „Fallkraut“ oder „Wundkraut“ deuten das an. Arnica hat ihren liebsten Standort im sonnenreichen Gebirge – dort, wo sich die Bergsteiger durch Prellung oder Sturz verletzen oder unter Überanstrengung leiden: Dann lindert der „Bergwohlverleih“ ihre Beschwerden. Johann Wolfgang von Goethe beschreibt die heilsamen Gewalt von Arnica: „Hier ist die Pflanze der raschen Heilung. Sei dir von außen gewaltsam Schaden getan, Stoß, Hieb – in ihr ist die wunderbare Hilfe nahe. Die Lebenskräfte strömen, der Puls kräftigt, das Herz ermutigt sich; was als blutiger Erguß, als Blutgeschwulst sich verlor, besinnt sich auf die richtige Bahn, Muskeln und Sehnen straffen sich, die Gestalt, verletzt und beschädigt, stellt sich wieder her. Die organische Empörung über den erlittenen Schaden, die wir Schmerz heißen, lindert sich, verebbt . . .“ Schmerz in jeder Form kostet Lebenskraft; ist sie durch Schmerz geschwächt, so lässt die Aktivität
des Immunsystems nach und ermöglicht die Entwicklung von Infektionen aller Art, insbesondere solche des geschädigten Gewebes. Arnica wirkt nicht nur schmerzlindernd und fördernd auf den Heilungsprozess, sondern auch prophylaktisch gegen Infektionen in verletztem Gewebe und ermöglicht eine Restitutio ad integrum im besten Sinne, wie sie Goethe beschreibt. In der Arzneimittelprüfung wird immer wieder das Gefühl von Zerschlagenheit, wie wund geschlagen, wie mit einem Knüppel geprügelt, als sei die Haut zu dünn, als sei das Bett zu hart usw., erwähnt. Diese „Als-ob“-Empfindungen der Arzneimittelprüfung erweisen sich in der Anwendung am Patienten in vielen Fällen als reale Tatsache. Das gilt übrigens auch für viele andere Mittel. Thema und Idee: Folgen von stumpfer Gewalteinwirkung mit Quetschungen und Zerschlagenheitsgefühl.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Arnica wird immer wieder pauschal dargestellt als das „Hauptmittel für Verletzungen“ schlechthin. Das trifft nicht in jeder Hinsicht zu. Kein homöopathisches Mittel kann für eine klinische Indikation empfohlen werden, wenn nicht wenigstens einige Modalitäten des Arzneimittelbildes mit den Beschwerden des Patienten übereinstimmen! In tiefen Potenzstufen (D 4, D 6) mag Arnica sogar vor und nach chirurgischen Eingriffen wirken. Aber die eindrucksvollste Wirkung entfaltet Arnica bei stumpfen Traumen mit Quetschung und
Exsudat im kapillaren Endstrombereich sowie auf Folgen von Überanstrengung des Organismus. Arnica ist kontraindiziert bei großen offenen oder stark blutenden Fleischwunden. Vor einer Gabe von Arnica nach einem Unfall sollten starke, innere Blutungen ausgeschlossen werden. Bei anderweitigen Verletzungen ist Arnica oft nicht das einzige Heilmittel, sondern häufig ist – je nach Art der Verletzung – eine Abfolge bestimmter Mittel nötig, z. B. Hyper., Rhus-t., Bry., Calend., Bellp., Ham., Mill.
Arnica montana Arnica ist eines der am häufigsten gebrauchten Mittel in der Alltagspraxis und darf in keiner Notfall-Apotheke fehlen! Arnica wird oft zitiert als das Hauptmittel für Operationen. Aber gerade nach chirurgischen Eingriffen stehen nur selten solche stumpfen Traumen durch Quetschung und mit dem berühmten „Zerschlagenheitsschmerz“ im Vordergrund. Vielmehr gibt es eine ganze Anzahl anderer Mittel, die im Umfeld einer Operation bessere Dienste leisten als Arnica, abhängig von den jeweils unterschiedlichen Auslösern und Beschwerden: z. B. Bry., Calend., Hyper., Bell-p., Staph. Wenn Arnica nach Operationen dennoch einen heilsamen Effekt hat, dann gründet sich dieser auf eine Art Palliativeffekt von sehr tiefen Potenzen wie D 4 oder D 6 („hohe Dosen“ nach Hahnemann – mit hohem Anteil an materiellen Wirkstoffen), die eher phytotherapeutisch als homöopathisch wirken. Vor Operationen gegeben führt eine C 30 zu verstärkten kapillaren Sickerblutungen, die das Operationsfeld unübersichtlich machen. Nur nach Operationen mit massiven Quetschungen von Weichteilgewebe kann Arnica, homöopathisch verordnet, sinnvoll wirken, z. B. nach komplizierten Weichteiloperationen oder Osteosynthese. Dagegen wirkt Arnica bei stumpfen Verletzungen von Weichteilen am überzeugendsten oft erst in höchsten Potenzen (XM). Es sei jedem homöopathischen Therapeuten empfohlen, bei einem selbst erlittenen Trauma (z. B. schwere Prellung, Schlag oder Sturz vom Pferd o. Ä.) eine Arnica XM einzunehmen. Nur so kann man sich von der Wirkung auf Schmerz und Resorption von Exsudaten überzeugen, die anderen Medikamenten bei entsprechender Indikation weitaus überlegen ist. Dasselbe gilt übrigens auch für Hypericum. Der angemessene Einsatz von Arnica-Potenzen richtet sich nach der Schwere der Erkrankung: Eine Dekubitus-Verletzung – z. B. unter einem stabilisierenden Verband – heilt nach einer oder vereinzelten Gaben der C 30 ab, während eine frische Hirnerschütterung eine XM-Potenz erfordert, um z. B. ein bereits vorhandenes subdurales Hämatom zur schnellen Resorption zu bringen (sofern nicht zuerst Opium oder ein anderes Mittel erforderlich ist). Die äußerliche Anwendung von verdünnter Arnica-Tinktur oder -Salbe (meist in 10%iger Urtinktur) kann heftige, Erysipel-artige Hautreaktionen aus-
lösen. Das gründet sich zum Teil auf reizende Bestandteile durch parasitierende Insekten in der Arnica-Blüte, zum Teil auf eine Überempfindlichkeit bestimmter Konstitutionstypen auf die konzentrierten Wirkstoffe der Arnica. Besondere Vorsicht ist geboten bei schwach pigmentierten Tieren, insbesondere bei Pferden mit fuchsfarbenem oder „blondem“ Fell sowie an unpigmentierten Hautbezirken. Insbesondere unter Verband kann sogar eine verdünnte Arnica-Tinktur heftige Hautreaktionen auslösen. Auf offene Wunden gebracht wirkt diese Zubereitung stark reizend und kann Zellgewebsentzündungen nach sich ziehen. Hahnemann empfahl für die äußerliche Anwendung der Arnica die erste bis dritte Centesimal-Potenz und warnte ausdrücklich vor der Verwendung der Pflanzentinktur! Der bekannte homöopathische Arzt Emil Schlegel beschreibt, wie er nach Einnahme eines einzigen Tropfens der Arnica-Tinktur Symptome einer Arzneimittelprüfung entwickelte. Anstelle der äußerlichen Anwendung von Arnica empfiehlt sich in jedem Fall eine verdünnte Calendula-Lösung als warme Wundspülung (5bis 10%ig) oder warmer Anguss-Verband (2%ig). Die homöopathische Einsatz potenzierter ArnicaPräparate (per os oder als Injektion) ist von diesen toxischen Wirkungen der Arnica-Tinktur nicht betroffen. Neuerdings sind auf dem Markt der diätetischen Futtermittel auch Zusätze von Arnica vertreten. Dabei ist es durchaus möglich, dass empfindliche Tiere bei längerer täglicher Gabe Symptome einer Arzneimittelprüfung entwickeln können. Arnica wird auch als ein Mittel für Influenzaähnliche Allgemeinerkrankungen beschrieben, die mit „Zerschlagenheitsgefühl“ und Geruch von Maul und Flatus „wie faule Eier“ einhergehen. Doch solche Zustände sind beim Tier ausgesprochen selten zu beobachten. Arnica ist sehr schnell und intensiv wirksam und muss bei schweren Verletzungen (z. B. Verkehrsunfall) je nach Schwere des Traumas wiederholt gegeben werden, sofern sich die gebesserten Symptome erneut verschlechtern; das betrifft auch den Einsatz in hoher Potenz.
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Arnica montana Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akut: bei stumpfen Traumen, Überanstrengung selten bei akuter Allgemeininfektion Subakute und chronische Folgen von Verletzungen Schwerpunkt von Arnica in der Tiermedizin: stumpfe Weichteiltraumen, Schlag, Sturz, Stoß, Prellung mit schmerzhaften kapillaren Hämatomen Schwellung, Entzündung bis zur Phlegmone verletzter Teile mit Verschlimmerung durch Bewegung Berührungsempfindlichkeit, wie ,wund geschlagen‘
evtl. mit körperlicher Ruhelosigkeit im Liegen, weil das Bett als zu hart empfunden wird Besserung durch kühlende Umschläge und Ruhe Folgen von körperlicher Überanstrengung mit „Zerschlagenheitsgefühl“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit diesen Modalitäten, z. B. alte Tiere Allgemeininfektionen mit diesen Modalitäten Spezielle Indikationen für die Tiermedizin: Kuh: Geburtstrauma (nach Schwergeburten bei allen Tieren) Schlagverletzungen, Verkehrsunfall Pferd: traumatische Hufrehe nach langen Ritten (Fahren) mit untrainiertem Pferd
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Die Physiognomie richtet sich nach der Schwere und Dauer der Erkrankung. Unmittelbar nach einem heftigen Trauma, z. B. Verkehrsunfall, befindet sich der Patient im (evtl. asphyktischen) Schock, schreit, hat Todesangst (Acon.) oder windet sich evtl. vor Schmerzen (Hyper.). Bei einem einige Stunden alten Trauma ist der Patient geprägt von Zerschlagenheitsgefühl, lässt sich nicht berühren und vermeidet jede Bewegung. Auch während Bewusstlosigkeit unmittelbar nach einem Trauma kann Arnica indiziert sein, jedoch ist beim Tier dieser Zustand möglicherweise schwierig von Opium zu differenzieren.
Nach schwerem Trauma kann der Arnica-Patient oft nicht still liegen, obwohl der Körper überall schmerzt. Das Lager erscheint ihm zu hart. Minuten nach der Arnica-Gabe entspannt sich der Patient und liegt ruhig. Möglicherweise lässt sich gerade beim Tier-Patienten außer der Causa ,Verletzung‘, ,Unfall‘ oder ,Überanstrengung‘ kein deutliches Symptom feststellen, das explizit auf Arnica hindeutet. In solchen Fällen bestätigt die anschließende positive Reaktion des Patienten die richtige Arzneimittelwahl.
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Im Akutfall: starke Schmerzempfindungen Berührungsängste erschweren die klinische Untersuchung evtl. Unruhe mit Hin- und Herwälzen auf dem Lager Abneigung gegen Aufstehen und Laufen
Bei den Folgen eines länger zurückliegenden Traumas: möglicherweise kein auffallendes Verhalten evtl. Schmerzäußerungen beim Palpieren des erkrankten Körperteils evtl. Bestehen bleiben der Angst vor Berührung
Arnica montana Leitsymptome des pathologischen Geschehens Akute Zustände: Erste Arznei bei allen stumpfen Traumen, Prellungen, Stürzen. (Cave: innere Blutungen! Dann ist zuerst Mill. indiziert!) diffuse Hämatome, verursacht durch Prellungen von Weichteilgewebe, mit hochgradiger Empfindlichkeit gegen Berührung (nicht geeignet für fluktuierenden Hämatome durch Verletzung großer Gefäße!) akute Allgemeininfektion – z. B. ähnlich Influenza (selten!) Subakute bis chronische Zustände: Folgen von Überanstrengung mit Steifheit, ,lahmes Gefühl‘, nicht genau zu lokalisieren keine Besserung durch Bewegung Chronische Zustände: chronische Folgen einer Verletzung, physisch und/oder psychisch „Seit dem Unfall nicht mehr gesund.“ (u. a. Mittel) Schmerzen seit dem Sturz, Verletzung, als ob diese nicht verheilt wäre (oft klinisch o. B.) eine konstitutionelle Arnica ist sehr selten, beim Tier nur schwierig zu eruieren Verletzungsarten, allgemein: Stöße, Quetschungen, Prellungen, Schläge, Unfälle: Verkehrsunfall Sturz Verrenkungen, Verstauchungen (Rhus-t., Bry u. a.) Quetschungen, evtl. auch nach einer Operation Dekubitus, Druckstellen körperliche Überanstrengung Spezielle Verletzungen: Hirnerschütterung, subdurale und ähnliche Hämatome Verletzungen des Rückens, der Wirbelsäule Schlag aufs Auge (Hyper., Ham., Symph.) Nasenbluten nach Verletzung der Nase, nach körperlicher Überanstrengung (Nux-v., Croc.) Beschwerden nach Zahnverletzungen, abgebrochenen oder extrahierten Zähnen Schlag, Stoß in den Magen (Nash), evtl. mit anschließender Asphyxie Schlagverletzungen durch Pferdehufe, Bissverletzungen durch Pferde
Muskelquetschung Operationen mit gewaltsam gezerrtem Gewebe (z. B. Osteosynthese) Schwergeburten mit Quetschungen im Beckenbereich (Bell-p.), Dekubitus, Sattel-, Geschirrdruck u. ä. Verletzungen, evtl. mit Exkoriation körperliche Überanstrengung, mit unklaren, steifen, evtl. nicht lokalisierbaren Bewegungsstörungen Hund: übermäßiges Fahrrad-Training Pferd: unsachgemäßes Anreiten junger Pferde; Springen, Jagdreiten mit untrainiertem Pferd Rind: Euterverletzungen durch Hornstoß, Geburtstrauma; Mastitis nach Zitzenverletzung Pferd, Rind: Prellungen, Quetschungen der Hufe, Klauen, der Huflederhaut, der Ballen (Led.) Arnica kann – wie Led. – hämatogenen Infektionen z. B. von Steingallen vorbeugen Folgen von Verletzungen: konstitutionelle Folgen von Wunden oder Verletzungen (= Schäden, die eine gesunde Eigenregulation im Sinn einer Gesunderhaltung des Organismus dauerhaft beeinträchtigen) chronische Verletzungsfolgen (Calc-c., Calc-f., Con., Ham., Hyper., Ign., Led., Nat-s., Stront.) Asphyxie, drohender Tod nach Verletzung (Hyper.) Bewusstlosigkeit, Koma, Schock nach Verletzung (Op.) traumatisches Fieber Gleichgültigkeit, Stupor, nach Verletzung Folgebeschwerden nach Hirnerschütterung, Kopfverletzung; Beschwerden seit einer Kopfverletzung bestehend (Nat-s.); Blindheit nach Kopfverletzung (einziges Mittel); vorübergehende Blindheit nach stumpfer Augenverletzung; Schwindel nach Hirnerschütterung (DD Acon., Cic, Nat-s., Op., Ruta); Meningitis nach Kopfverletzung (einziges Mittel); Schwerhörigkeit, Taubheit nach Kopfverletzung (einziges Mittel); Blutung der Nase, der Retina, nach Kopf- bzw. Augenverletzung; Betäubung nach Kopfverletzungen (u. a. Mittel) Ruhelosigkeit nach mechanischen Verletzungen (,als ob das Bett zu hart wäre‘) Chorea nach Verletzungen Angst, Todesangst bleibt nach Verletzung bestehen (Op., Acon.)
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Arnica montana Pneumothorax nach Thorax-Verletzungen komplizierte Knochenfrakturen Mastitis nach Verletzung der Mamma (einziges Mittel) (z. B. Hornstoß bei der Kuh, nach Arnica folgt bei Bedarf Bell-p. oder Con.) Schwäche der Extremitäten durch Überanstrengung Wundinfektion nach Quetschung o. ä. Trauma: verhindert Wundschmerz und Infektionen durch Quetschungen der Geburtswege; fördert oder verhindert Wundeiterung – je nach Stadium der Erkrankung; Zellgewebsentzündung bis Septikämie nach infizierter Quetschwunde Pferd: beginnende Phlegmone oder Hufabszess nach Quetschung der Huflederhaut (Led.) Verletzungen während der Trächtigkeit: Abort nach Verletzung (u. a. Mittel), speziell Bauchverletzung (einziges Mittel); Sturz während der Trächtigkeit
Affektionen der Harnwege nach Verletzung: Hämaturie z. B. nach Verkehrsunfall Beschwerden nach Überanstrengung: Herzerkrankungen, Herzbeschwerden nach Überanstrengung (Rhus-t.); Herzmuskeldegeneration, -dilatation nach Überanstrengung; Nasenbluten nach Überanstrengung Angina pectoris, Apoplex (u. a. Mittel!) Katze: Hämaturie nach Kippfenster-Verletzung (Quetschung von Niere und/oder Blase) Pferd: traumatische Hufrehe, z. B. durch ungewohnte Langstreckenritte (Ledum) Weitere Krankheitserscheinungen von Arnica: Allgemeininfektion, z. B. Influenza mit Zerschlagenheitsgefühl u. a. Arnica-Modalitäten (selten!) symmetrische Hautausschläge, speziell nach Trauma (Calc-p.: auf Narben) (solche Hautausschläge sprechen beim Tier eher auf Mittel an, deren Schwerpunkt im Bereich von Schilddrüsen-Erkrankungen liegt)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Verletzungen und deren Folgeerkrankungen (s. oben) Modalitäten: ⬍ durch Berührung ⬍ durch Erschütterung ⬍ bei feuchtkaltem Wetter ⬍ durch Bewegung ⬍ durch Anstrengung
⬎ durch Niederlegen ⬎ durch Liegen mit niedrigem Kopf Ergänzungs- und Folgemittel: Hyper., Op., Calend., Bell-p., Rhus-t., Ruta, Symph., Calc-c., Pyrog. Antidot: Kampher, Kampher-Salben (Eutersalbe, Huffett)
Ausgewählte Fallbeispiele Kontraindikation von Arnica Ein Urlauber brachte Ende Mai 1977 ein männliches Rehkitz mit abgemähten Vorderläufen, das er auf einer frisch gemähten Wiese allein, ohne Mutter, gefunden hatte. Nach seiner Vorstellung von Tierschutz sollte das Tier versorgt werden, er wolle es dann in seinem Garten aufziehen. Obwohl ich zur Euthanasie riet, bestand er auf der Wundversorgung. Das Tier lag voll im Schock auf dem Untersuchungstisch, die frischen Wunden waren trocken, keine Blutung. Die neu erworbenen ersten HomöopathieKenntnisse ließen mich an Arnica denken. Die Hö-
he der Potenz soll bekanntlich der Schwere der Erkrankung angepasst sein. Also injizierte ich einige aufgelöste Globuli Arnica XM. Augenblicklich begannen die Mittelfußarterien zu spritzen. Diese sofortige Wirkung schockierte mich einigermaßen, aber der Urlauber ließ sich jetzt wenigstens von der Notwendigkeit der Euthanasie überzeugen. Fazit: Arnica sollte man in hoher Potenz niemals bei großen Wunden mit Blutungen oder Blutungstendenz geben!
Arnica montana Labrador Largo – Folge einer Bissverletzung 28.8.2003: Largo, 3-jähriger Black Labrador-Rüde, hatte im Januar 2003 – also vor 7 Monaten – durch eine Beißerei eine Verletzung an der linken Vorderpfote zwischen den Ballen der 4. und 5. Zehe davongetragen. Diese war zwar gut verheilt, aber an dieser Pfote blieb eine Lahmheit bestehen. Die Besitzerin gab an 2 aufeinander folgenden Tagen je 1 ⫻ Silicea C 30, weil sie einen Fremdkörper vermutete, aber es änderte sich nichts. Dann ließ sie den Hund tierärztlich untersuchen: Das Narbengewebe sei verdickt. Es wurde operativ entfernt, nachdem durch Röntgen ein Fremdkörper ausgeschlossen worden war. Es wurde ein kugelförmiges Stück Narbengewebe entfernt. Die Wunde verheilte gut, aber Largo hinkte weiterhin auf dieser Pfote. Der behandelnde Tierarzt stellte ein nachgewachsenes Narbengewebe fest und wollte nochmals operieren, was die Besitzerin aber ablehnte und stattdessen homöopathische Behandlung suchte.
Untersuchung und Anamnese In der Praxis begrüßt mich Largo stürmisch und zeigt dabei den liebevollen Charakter seiner Rasse. Largo inspiziert während unseres Gesprächs alle Ecken der Praxis, guckt auf die Tische, holt aus den Papierkörben duftende Bonbonpapiere heraus und streut sie umher, bis er sich schließlich wie gelangweilt auf den Boden fallen lässt. Diese Beobachtungen beziehen sich auf eine möglicherweise angezeigte konstitutionelle Therapie. In der Praxis zeigt Largo keine Lahmheit. Die Besitzerin betont, Largo hinke ausschließlich auf Schotterboden, Kieselsteinen und auf frisch gemähten Wiesen und Feldern, nicht aber auf glatten Böden oder Asphalt. Die Untersuchung und Palpation der Pfote ergibt Folgendes: In der dünnen Haut zwischen dem 4. und 5. Zeh findet sich eine ca. 4 mm große knotige, gut epithelisierte Verdickung, die auf leichten Druck als schmerzhaft angegeben wird – kein weiterer Befund. Die Besitzerin berichtet über die damalige Beißerei: „Damals war Largo schon kastriert. Anfangs ha-
ben die beiden Rüden miteinander gespielt, dann stiegen sie knurrend aneinander hoch und dabei wurde Largo in diese Pfote gebissen. Zuerst vermutete ich eine durchgehende Verletzung, aber dann stellte sich an der Oberseite ein kleines Löchlein in der Haut heraus und an derselben Stelle an der Unterseite der Pfote ein größeres Loch. Ich habe die Wunden desinfiziert und mit Bepanthen-Salbe versorgt. Das ging sehr gut, die Pfote heilte zu, aber das Hinken blieb übrig. Dann kam die Operation beim Tierarzt, der diese kugelige Narbe entfernte. Unter Verband heilte die Wunde gut ab, allerdings stießen sich nach 4 Tagen die Fäden ab, ohne dass Largo an der Wunde geknabbert hatte. Kann das eine Folge der Silicea sein, die ich ihm zuvor gegeben hatte? An der Narbe stellte der Tierarzt dann Bläschen und kleine Risslein fest, die ich selbst aber nicht erkennen konnte.“ War die Wunde anfangs oder nach der Operation übermäßig schmerzhaft? „Nein, er hat sich gut mit Salbe versorgen und verbinden lassen.“ (Diese Frage betrifft die mögliche Indikation von Staphisagria.)
Therapie Als erste Diagnose vermutete ich ein Neurom, außerdem lag eine Verletzung an nervenreichem Gewebe vor. Darum gab ich eine Dosis Hypericum XM per os. An den folgenden Tagen hatte es den Anschein, als hinke Largo weniger. Aber 3 Wochen später meldet sich die Besitzerin nochmals, an Largos Lahmheit habe sich nichts geändert. Demnach leidet Largo nicht unter „Nervenschmerzen“, sondern es liegt eine banale Verletzungsfolge vor. Der Hund bekommt eine Dosis Arnica XM. 4 Wochen später berichtet die Besitzerin, die Lahmheit habe sich im Laufe von 10 Tagen allmählich gebessert. Jetzt könne Largo ohne Probleme auf Kieselsteinwegen und auf unebenem Grasboden rennen. Kein Rezidiv. Arnica kann durchaus auch noch lange nach einer – auch banalen – Verletzung oder Verstauchung indiziert sein!
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Arnica montana Fuchswallach Lancelot – Der Sprung über die Reithallenbande Oktober 1995: Der dreijährige Trakehner Fuchswallach springt während des Freilaufens in der modernen Reithalle über die geschlossene Bande durch das offene Hallentor ins Freie. Dazu muss erwähnt werden, dass die Begrenzung der Halle durch eine nach innen öffnende, ca. 1,60 m hohe Tür der Bande gegeben ist, die aus 4 cm starken, massiven Holzbohlen besteht, stabilisiert durch ein Stahlgerüst. Erwartungsgemäß gelingt dieser Sprung nicht reibungslos: Das Pferd bleibt mit dem rechten Knie an der Oberkante der Bande hängen, landet strauchelnd, aber trotzdem wohlbehalten auf dem gepflasterten Boden im Hof. Der Aufprall mit dem Knie riss ein ca. 10 ⫻ 20 cm großes Holzstück aus der Oberkante zweier Bohlen heraus und verbog drastisch den Stahlrahmen. Glücklicherweise hatte ich die homöopathischen Arzneien sofort verfügbar: Lancelot bekam sofort nach dem Unfall eine Gabe Arnica XM per os. Zu meiner eigenen Überraschung entwickelte sich nach diesem heftigen Trauma keine Schwellung und nicht die geringste Spur einer Lahmheit. Die Kratzverletzungen an der Haut heilten ohne Probleme. Aber die Besitzerin konnte dieses Geschehen in keiner Weise würdigen, sie fand es ganz normal. Einzig die Reparatur der Bande wurde recht teuer. Die Homöopathie kann bei rechtzeitiger Anwendung die schwersten Folgen akuter Verletzungen verhindern, ja sogar der Entstehung von Hämatomen und Zerrungen vorbeugen und damit langwierige Schmerzzustände oder Entzündungen vermeiden.
Beobachtungen mehrerer Bauern zur Verwendung von Arnica nach der Kuh-Geburt Während der Homöopathie-Kurse für interessierte Bauern empfehle ich, jeder Kuh nach der Geburt eine Gabe Arnica C 200 zu geben. Der Geburtsweg der Kuh erfolgt in gebrochener Linie, sodass keine Geburt ohne deutliche Quetschungen der betroffenen Weichteile verläuft. Die Bauern sind mit der Wirkung der Arnica sehr zufrieden, die Tiere stehen nach der Geburt besser auf und es kommt nur noch selten durch unbemerkte Rissverletzungen zur Entwicklung von Beckenboden-Phlegmonen; Cervix-Einrisse heilen leichter ab und ziehen keine Probleme durch Narben bei der nächsten Geburt nach sich. Eine Bäuerin berichtete sogar, sie habe seit der Anwendung von Arnica nur noch die Hälfte der früheren Tierarztkosten! Schwere Geburtstraumen bei der Kuh erfordern eine höhere Potenz und sogar wiederholte Gaben von Arnica. Bei Schwergeburten mit Geburtshilfe sollte die Arnica durch eine Hochpotenz von Hypericum unterstützt werden. Geburten bei anderen Haustieren erfordern – außer bei Schwergeburten – keine homöopathische Therapie, weil hier Weichteilquetschungen im Rahmen eines physiologischen Geburtsvorgangs nur in weit geringerem Maße vorkommen.
Arsenicum album
Arsenicum album
Weißes Arsenik
Signatur, Thema und Idee des Mittels Arsen ist eine hochgiftige Substanz und verfügt bei homöopathischer Anwendung über eine immense Heilkraft – entsprechend dem historischen Ausspruch: „Was krank macht, ist auch heilsam“. Arsen – oder besser: die arsenige Säure As2O3 – erzeugt im Vergiftungsbild eine Art unheilbarer „innerlicher Zersetzung“ mit Destruktion von Körpergewebe und quälendem Fortschreiten des Siechtums bis zum Tode. Die häufigste Verwendung fand Arsen im Mittelalter als tödliches Gift im Konkurrenzkampf von Fürsten- und Königshäusern. Die Gier nach Macht, Besitz und Reichtum waren die Motivationen für diesen Giftmord. Heute ist der Einsatz von Arsen für diesen Zweck weniger beliebt, weil es zu leicht und lange – sogar in alten exhumierten Leichen – in Haut, Haaren und Knochen, wo sich das Arsen anlagert, nachweisbar ist. Sonderbarerweise verwesen die Arsen-Toten langsamer als man es erwartet, sie können in mumifizierter Form erstaunlich lange kenntlich bleiben. Beim akut kranken Arsen-Patienten jedoch kommt es überraschend schnell zum körperlichen Verfall. Arsen ist ein Mittel für extreme Zustände. Die akute Vergiftung verläuft mit heftigsten Bauchkoliken, Sterbensübelkeit, Durst und Schlundkrämpfen, Erbrechen von Darminhalt, schließlich Untertemperatur, stinkenden Durchfällen mit Zersetzung innerer Organe, mit Nieren- und Leberversagen und führt schließlich unter grausam quälenden Schmerzen mit Aasgestank, Unruhe und Todesangst zum Ende. Hinzu kommt die quälende Gewissheit, dass niemand helfen kann. Von diesem Energie-Feld ist der Arsen-Patient geprägt: Unbewusst steckt in ihm die entsetzliche Todesangst vor folternden Schmerzen und dem grauenhaften Arsen-Tod. Um diesem quälenden Tod (durch Mord?) zu entgehen, entwickelt er – unbewusst – folgende Strategien, welche die Gemütsverfassung des Arsen-Patienten verständlich machen:
Er beobachtet wach und misstrauisch seine Umgebung, in steter Alarmbereitschaft, ob ihm etwas passieren kann. Damit nichts Unvorhergesehenes geschieht, muss gegen alles mögliche Negative vorgebeugt werden – alles muss perfekt, genau und richtig an Ort und Stelle sein, wo es schon immer war. Die Zeit wird exakt vorausgeplant, alle Gegenstände und Kleidung müssen perfekt, von bester Qualität und absolut sauber sein, vor allem mit dem Essen ist er heikel, denn es könnte ja verdorben oder vergiftet sein. Genügend Geld sollte für irgendwelche Notfälle natürlich reichlich auf dem Konto sicher parat liegen, der Kühlschrank sollte niemals leer werden und im Keller müssen für den Ernstfall sterile Getränke, Konserven und Notfallmedikamente gelagert sein. Jede kleinste gesundheitliche Unpässlichkeit wird hypochondrisch überbewertet. Auch Gesellschaft und Mitmenschen werden anspruchsvoll ausgewählt, denn auch sie müssen sauber, zuverlässig und ehrlich sein und über ein entsprechendes Bildungsniveau und andere hervorragende Eigenschaften verfügen. Partner und Angehörige dürfen sich fürsorglich um ihn bemühen, sofern er das braucht, aber sie müssen seine unausgesprochenen Wünsche freundlich und bedingungslos erfüllen. Widerspruch oder wohlgemeinte Ratschläge duldet seine Rechthaberei nicht, denn nur er weiß am besten, wie er seinem schmerzhaften Tod (wie lange mag das noch gehen?) vorbeugt. Wenn diese Freunde seine Forderungen nicht erfüllen, wollen sie ihm vielleicht schaden, ihn vergiften, ermorden oder sonst zum Tode bringen? Oder haben sie es gar auf sein Geld abgesehen? Vielleicht sollte er doch freundlicher zu ihnen sein, damit sie keine Antipathie gegen ihn entwickeln, wenn er sie braucht? Vielleicht erscheint in der dunklen Nacht – wenn alles schläft – ein Einbrecher aus der Verborgenheit oder es passiert ihm sonst etwas Schlimmes, gerade dann, wenn niemand da ist, ihm zu helfen? Vielleicht sollte er vor dem Zu-Bett-Gehen die Wohnung durchsuchen, eine Schusswaffe oder ein Messer zurecht legen, Medikamente parat stellen – er könnte ja Krebs bekommen – oder regelmäßig
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Arsenicum album aufstehen und kontrollieren, ob alles in Ordnung ist – oder den Fernseher anstellen, damit die dummen Banalitäten dort seine überreizten Sinne beruhigen – oder doch lieber auf der Couch schlafen? Oder könnte er nicht doch noch irgendetwas besser oder genauer machen, ist alles so, wie es sein muss? Ruhelose Achtsamkeit veranlasst ihn zu nächtlicher Aktivität, um alle möglichen Geschehnisse unter seiner Kontrolle zu halten Diese Art quälender Selbstsucht lässt ihn mit fortschreitender Pathologie zum arroganten, einsamen Misanthropen werden, der die wenigen Mitmenschen, die noch zu ihm halten, durch seine Zwanghaftigkeit und Ansprüche tyrannisiert. Er ist absolut kein angenehmer Zeitgenosse! Wegen dieser permanent unterschwelligen Todesangst sind Flucht- und Aggressionsschwelle niedriger als bei den meisten anderen Menschen; der Organismus agiert überschießend im Zustand vermeintlicher Lebensbedrohung, um dem Angreifer möglichst zuvorzukommen und ihn in Notwehr zu töten. Bemerkenswert ist der Bezug der Arsen-Pathologie zum Hals, das ist der Ort, wo das Messer, die meuchelnde Hand oder der Strick des Mörders ansetzt: Der Kehlkopf ist überempfindlich gegen äußeren Druck, dort werden Erstickungsgefühle bei Husten oder Schlucken empfunden, möglicherweise mit Glottisödem oder Gangrän, am äußeren Hals gibt es bevorzugt (aber auch sonst am Körper) juckende, mehlig-trockene oder ulzerierende Hautausschläge, dort sitzt die hyperaktive Schilddrüse, die Kropf und Basedow entwickeln kann oder schließlich einen spastischen oder paralytischen Torticollis. Zum morphischen Feld von Arsen gehört es auch, dass sich dieser Patient die Art seines beabsichtigten Selbstmordes gerade in eben der Art und Weise auswählt, die er am meisten fürchtet: durch Gift, durch Erhängen, mit dem Messer oder durch Verbrennen.
Um dieser ständigen Alarmbereitschaft im Kampf um das Überleben zu genügen, verfügt der noch nicht schwerstkranke Arsen-Patient über ein großes Potenzial an körperlicher Leistungsfähigkeit, der akut Kranke dagegen leidet unter einer Art tödlicher Schwäche bei der geringsten Anstrengung. Arsen ist ein Spurenelement, das wesentlich mit dem Energie- und Glykogenstoffwechsel zusammenhängt. In der österreichischen Steiermark gibt es seit Jahrhunderten die „Arsenesser“, die sich durch regelmäßigen Genuss subtoxischer Dosen von Arsen an diesen Stoff gewöhnt haben und schließlich sogar toxische Mengen vertragen. Arsen gibt ihnen mehr Ausdauer, Muskelkraft und Atemkapazität. Arsen ist auch ein altes Rosstäuschermittel: Die Pferde werden durch subtoxische Dosen nervös und „feurig“ und bekommen ein feines, glänzendes Fell. John Henry Clarke bezeichnet in seinem Dictionary of Materia Medica das Pferd als Prototyp der Arsen-Persönlichkeit. Das trifft sicher nicht auf jedes Pferd zu, aber vielleicht hatte er einen edlen Araber mit großer Rennleistung und hoher Fluchtbereitschaft vor Augen, der bei vermeintlichen Unannehmlichkeiten durchaus gezielt beißen, schlagen oder in panischer Flucht durchgehen kann. Das Thema dieser Überlebensstrategie äußert sich beim Tier in entsprechender Weise. Die hypochondrische Angst um die Gesundheit des menschlichen Arsen-Patienten findet sich auch beim Tier, das bei der kleinsten Unsicherheit in Todesangst und aggressivem Notwehrverhalten um sein Überleben kämpft. Arsen-Patienten werden möglicherweise von einem unerklärlichen plötzlichen Impuls getrieben, jemanden zu töten, sogar geliebte Familienmitglieder. Der Schwellenwert für das Gefühl von Lebensgefahr ist enorm herabgesetzt
Ferner gehört Arsen zu den wenigen Mitteln, die zu Selbstverstümmelung neigen. Das ist ein Phänomen, das am ehesten von Raubieren bekannt ist, die sich in Todesangst lieber den in der Falle klemmenden Fuß abbeißen, als ausgeliefert den kommenden Tod zu erwarten. Automutilation ist ein nicht selten beobachtetes Verhalten von Katzen.
Thema und Idee: Qualvoller Zerfall des Körpers mit berechtigter oder hypochondrischer Todesangst und vorbeugenden Überlebensstrategien.
Arsenicum album Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Die geschilderte Gemütsverfassung von Arsen schreibt man beim menschlichen Patienten den Einbildungen seines neurotisch-zwanghaften Verstandes zu. Ob es das auch beim Tier gibt, erscheint zweifelhaft. Dennoch liegen hier Zustände analog zu denen des Menschen vor – was wiederum an die Theorie eines Energie-Felds erinnert. Je nach Stadium und Schwerpunkt der Pathologie können die geschilderten neurotischen und zwanghaften Verhaltenselemente mehr oder weniger im Vordergrund stehen. Jedoch der „wunde Punkt“ eines jeden Arsen-Patienten ist die hypochondrische Angst, dass ihm etwas passieren könnte, er empfindet Unannehmlichkeiten nur allzu leicht als lebensbedrohend und handelt dann in vermeintlicher Notwehr mit rücksichtslosen Aggressionen oder panischer Flucht. Arsen gehört im chronischen Fall zu den intensiv und lange wirksamen Polychresten. Auch in schweren, lebensbedrohlichen Fällen wirkt es besser in hohen Potenzen, in der 200. oder höheren Potenzstufen. Auch schwerste, kritische Formen der Arsen-Pathologie reagieren eindrücklich auf die Gabe einer hohen Potenz. Arsen ist eines der wichtigsten und unverzichtbaren Mittel in der täglichen Klein- und Großtierpraxis. Hauptangriffspunkt im Arzneimittelbild sind alle lebenswichtigen Organe, alle großen Parenchyme sowie der Energiestoffwechsel, ferner Haut und Schleimhäute, besonders an Verdauungsapparat und Atemwegen. Arsen lagert sich bei toxischen Vergiftungen besonders in Haut, Haar und Nägeln ab und hat daher einen besonderen Bezug zu entsprechender Krankheitslokalisation; an Schleimhäuten und Organen kommt es zu stinkender Zersetzung und Organdegeneration. Arsen ist ein häufig gebrauchtes Mittel bei atopischen und malignen Erkrankungen, bei intermittierenden Fiebern ähnlich Malaria, ferner eines der wenigen Mittel, die für Botulismus-Infektionen angegeben sind (2. Mittel: Botulinum).
Als Mittel der Ersten Hilfe gehört es in jede Notfall-Apotheke, insbesondere für die akute Gastroenteritis und Futtermittelintoxikationen; für schwerste Erkrankungen, die oft aus der Sicht der Schulmedizin als unheilbar gelten; bei Verbrennungen 3. Grades mit Verkohlungen von Gewebe kann Arsen ganz wesentliche Hilfe leisten; außerdem ist es eines der Mittel, welche bei infausten Fällen im Sinn einer Sterbehilfe die Entscheidung zwischen Leben und Sterben herbeiführen können (Carb-v., Tarant-c.). Wenn Arsen im Akutfall indiziert ist, kann es gleichzeitig auch das konstitutionelle Mittel sein, das für die Zukunft den gesamten Organismus stabilisiert; das trifft ganz besonders auf die Katze zu. Arsen gehört in der Homöopathie zur Trias der „Brenner-Mittel“ – gemeinsam mit Phos. und Sulf. Empfindungen und Schmerzen sind von brennender Qualität, sogar bei Frieren oder Untertemperatur. Dieses wunderbare Leitsymptom ist jedoch beim Tier nur zu vermuten und daher nicht für eine Mittelwahl zu gebrauchen. Arsen ist bei chronischen Asthmatikern oft ein notwendiges Zwischenmittel, um den akuten Status asthmaticus zu beherrschen – insbesondere bei Dyspnoe bei heißem Sommerwetter. In der homöopathischen Literatur heißt es, man werde kaum einen chronischen Asthmatiker im akuten Schub ohne Zwischengabe von Arsen behandeln können. Arsen sublimiert unter bestimmten Umständen mit einem Knoblauch-artigen Geruch. Beim ArsenPatienten ist manchmal eine nach Knoblauch riechende Absonderung aus Maul oder Atemwegen wahrzunehmen. Mangel an Lebenswärme – Arsen ist eines der frostigsten Mittel der Materia medica: Zittern vor Kälte, bei akuten und chronischen Krankheiten Zittern, dass die Krallen bzw. Hufe auf dem Boden klappern (Nux) kalte Extremitäten, aber warmer Kopf liebt Wärme, liegt am, fast im Ofen, „Sonnenanbeter“! seltener auch geringe Wärmetoleranz selten Schwitzen, oft trockene Haut ohne Schweiß (Sil.) (Pferd)
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Arsenicum album häufig Tiere, deren Herkunft bzw. Zucht ursprünglich aus warmen Ländern stammt Chronische oder konstitutionelle Arsen-Patienten finden sich am häufigsten bei schlanken Tieren mit hyperaktivem Stoffwechsel und häufiger Nahrungsaufnahme bei schlechter Futterverwertung. Diese Tiere verfügen meist über ein übersensibles Sinnes- und Nervensystem und eine erhöhte Fluchtbereitschaft mit dem Verlangen, zu rennen oder sich zu verstecken. Arsen ist eines der wichtigsten Panikmittel der Materia medica. Solche Voraussetzungen bringen z. B. Windhunde oder hoch im Blut stehende Pferde mit. Das Rennpferd ist übersensibel und heikel; alles muss genau auf seine Ansprüche abgestimmt sein: das spezielle Futter, der richtige saubere Stall, der spezielle persönliche Umgang mit feststehenden Ritualen und schließlich auch das spezielle homöopathische Simile, z. B. Arsen. Dann sind exzellente Leistungen zu erwarten. Diese Eigenschaften müssen jedoch nicht zwingend für eine Verordnung von Arsen vorhanden sein. Wenn die Symptome stimmen, kann Arsen durchaus auch bei schweren Rassen angebracht sein. Aber auch Katzen verlangen besonders häufig Arsen für akute, chronische oder schulmedizinisch nicht heilbare Zustände (auch Phos., Lyc., Lach., Nux-v.). Neben der Katze ist Arsen häufig bei anderen nachtaktiven Tieren indiziert. Dazu gehören manche Kleinnager wie Mäuse und Ratten. Ihre Eigenschaften zeichnen sich zusätzlich aus durch eine Neigung, sich zu verstecken, zum Rennen und zum Hamstern von Nahrung (entsprechend „Angst vor Armut“). Arsen scheint z. B. das häufigste homöopathische Arzneimittel für die Ratte zu sein, insbesondere für deren trocken-schuppige Hauterkrankungen an der Kehle. Der Kollege Dr. Brandstätter aus Halle behandelte z. B. innerhalb von 4 Monaten 25 Ratten-Patienten erfolgreich mit Arsen in der 200. Potenz. Unzuverlässiges Verhalten mit Neigung zu Panik, Angstbeißen oder primärer Aggressivität kann auch durch pränatale bzw. miasmatisch ererbte Prägungen über mehrere Generationen erworben sein. Solche Eigenschaften kommen z. B. bei mitgebrachten streunenden „Urlaubshunden“ oder „Wildkatzen“ aus südlichen oder östlichen Ländern vor, deren Vorfahren seit Generationen täglich um ihr Überleben kämpfen mussten. Diese Tiere wer-
den manchmal wegen ihres vermeintlichen Problemverhaltens in der Praxis vorgestellt, wenn die Besitzer von einem seit Generationen frei lebenden verwilderten Tier z. B. das Verhalten eines „Schoßhundes“ oder einer „Kuschelkatze“ erwarten. Genauso wenig lässt sich ein russisches Edelrennpferd zum gemächlichen Spazierenreiten umfunktionieren. Die Homöopathie kann den Patienten zu seiner Norm zurückführen, sofern diese pathologisch verändert ist; sie kann ihn nicht in seinem Wesen verändern. Der konstitutionelle Arsen-Patient wird immer eine Neigung zu Angst und Misstrauen behalten, was der Besitzer wissen sollte. Wenn dem nicht Rechnung getragen wird, kann das Arsen-Tier zu den gefährlichsten, aggressivsten und unzuverlässigsten Haustieren gehören.
Miasmatische Ausprägungen Psora: – das ist der ruhigste, angenehmste Arsen-Typ, durchaus als nettes Haustier zu haben – aber dennoch mit einer Tendenz zu übertriebener Ängstlichkeit („nette Mimose“) – liebenswürdig, gehorsam und brav, übersensibel, scheu, mit unterwürfigem Gesichtsausdruck – Tendenz zu atopischen Erkrankungen – leicht zu verwechseln mit Phos. oder Sil. wegen seiner sanften, „aristokratischen“ Erscheinung Sykose – Neigung zu überschießenden Reaktionen auf psychischer und physischer Ebene – unzuverlässiges Verhalten wegen unvorhersehbarer Angst- oder Panik-Reaktionen (Angstbeißer) – Tendenz zu allergischen Erkrankungen (z. B. Atemwege, Verdauungsstörungen) – hoher sozialer Rang mit entsprechendem Aggressionspotenzial und Konkurrenzverhalten – hervorragende athletische Leistungsfähigkeit Ob man das Rennpferd dem sykotischen Miasma oder der Tuberculinie zuordnet, spielt eine untergeordnete Rolle. Arsen gehört wie Phosphor zu beiden Miasmen.
Arsenicum album Syphilis – Hauptvertreter: die Arsen-Katze, Ratte u. Ä. – primär aggressive Erkrankungen (aufgrund unzulänglicher Immunreaktion?) – destruktive Aggressivität, sogar bis zur Automutilation
Differenzierung Arsen kann am ehesten mit Phosphor verwechselt werden. Beide Mittel sind verwandt und wichtige gegenseitige Ergänzungs- und Folgemittel. Phos. ist jedoch i. d. R. kontaktfreudiger, genießt Streicheleinheiten und erwidert sie meistens. Der Phos.-Patient verfügt meist über ein ebenso glänzendes Fell wie Arsen, seine Ausscheidungen sind jedoch bei weitem nicht dermaßen aashaft stinkend wie die von Arsen. Phos.-Patienten zeigen im Akutfall nicht die rapide Abnahme der Lebenskraft wie Arsen; häufig erscheint der Phos.-Patient im Gegenteil trotz schwe-
rer Krankheit noch agil und munter. Beide Mittel können jedoch für schwerste Pathologien zuständig sein. Ferner ist der konstitutionelle Arsen-Kranke leicht mit Silicea zu verwechseln: beide Patienten sind meist von „vornehmer“ und gepflegter Erscheinung, eher zurückhaltend und leiden oft unter Hauterkrankungen. Sil. neigt jedoch weniger zu stinkenden Absonderungen. Durch Dominanz oder Strafe ist der Sil.-Patient eher einzuschüchtern, reagiert mit Demutsgebärden und Unterwerfung, während Arsen in Notwehr unter angstvollem Zittern aggressiv reagiert. Der Arsen-Hund beißt – als „Angstbeißer“ – panisch um sich; die Arsen-Katze kratzt und beißt mit kreischendem Fauchen und bösem Knurren und springt mit vorgestreckten Krallen und offenem Maul aus ihrem Versteck heraus, sobald sich jemand ungebeten nähert; das Arsen-Pferd wird sich in panischer Flucht entziehen oder, wenn in der Box eingesperrt, zitternd vor Angst um sich schlagen.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: erfolgt gerade bei Arsen je nach Immunitätslage unterschiedlich schnell Akute Erkrankungen: schnell und überstürzt auftretende Erkrankungen mit unverhältnismäßig schnellem Sinken der Lebenskraft und schnellem Eintritt des Todes Wichtiges und häufiges Mittel für chronische Krankheiten und konstitutionelles Mittel. Allgemeines: ernste Pathologie, schwerwiegende Erkrankungen im Akutfall: schnell fortschreitende Erschöpfung der Lebenskraft aashaft stinkende Absonderungen Verschlimmerungszeit nachts, nach Mitternacht Tendenz zu Ruhelosigkeit ⬍ nachts, Angst, panische Flucht oder Aggressivität Tendenz zum Frieren, Hypothermie, aber auch Schwäche in Sommerhitze Tendenz zu malignen Tumoren Verlangen nach kalten Getränken, wiederholt in kleinen Schlucken oder großen Mengen
Organdegeneration, Leber- oder Nierenversagen septische Infektionen, septisch infizierte Wunden mit Tendenz zu Ulzeration und Gangrän Tendenz zu Metastasierungen, d. h. Übergreifen einer Pathologie auf andere Organe mangelhafte Rekonvaleszenz nach schwersten Erkrankungen, Kachexie z. B. nach Malariaähnlichen Fiebern Atemwege: wund machender Nasenausfluss allergische Rhinitis, Bronchitis, Pneumonie, Lungenödem, Lungenemphysem, Herzinsuffizienz Erstickungsanfälle ⬍ nachts 24 – 3 Uhr, ⬍ 2 Uhr mit Unruhe Dyspnoe ⬍ im Liegen, ⬎ Aufsitzen Pferd: akuter Schub von chronischer Bronchitis mit Atemnot und Bauchatmung, ⬍ im Sommer Verdauungsapparat: akut: Stomatitis, schmerzhafte Gastroenteritis, Kolik und Durchfall, schwerster Art überraschend schnell sinkende Lebenskraft, Schwäche mit Exsikkosen und ungutem Verlauf Durst wiederholt auf kleine Schlucke kalten Wassers oder große Mengen aashaft stinkender Kot, schleimig, blutig chronische Colitis, Hepatitis, Leberzirrhose, Leberkarzinom, Aszites
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Arsenicum album zusammengebrochener Stoffwechsel Überforderung (z. B. Milchkuh)
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Haut: glänzendes Fell, manchmal sogar noch bei schwerer Krankheit, oder stumpf, staubig und fettig krustige, trockene Hautausschläge mit Absonderung von mehligen oder abschilfernden Schuppen oder feuchte Ekzeme, Absonderung zerstört primär das Fell (Nat-m., Lyc., Rhus-t. u. a.) starker Juckreiz, auch ohne Hautausschlag, ⬍ nachts, ⬍ im Kalten, ⬎ im Warmen Katze: Leckekzem (Phos.) Pferd: Warzen, flaches Sarkoid, entzündet, rot, schmerzhaft, eiternd, maligne, ulzerierend
fleischig, Fungus haematodes, Blumenkohl-ähnliche Wucherungen (Nit. ac.) Hautgeschwüre, nekrotisierendes Panaritium infizierte, phlegmonöse Wundinfektionen mit Tendenz zum Gangrän Verbrennungen 3. Grades mit Verkohlungen und Schock-Tendenz (das nächst schlimmere Mittel wäre Carb-v.) Extremitäten: Ödeme oder Anasarka bei fortgeschrittener Pathologie Arthrosen bei älteren Tieren Verhornungsstörungen von Haut und Hufen, brüchiges, unregelmäßiges Hufhorn Pferd, Rind: Erkrankungen der Hufe, schwerste Form toxischer Hufrehe Hund: Ausfallen der Krallen
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Im Akutfall steht die schnell progrediente Schwäche im Vordergrund des Geschehens, die beim chronischen Arsen-Patienten meist nicht primär zu beobachten ist. Im Gegenteil, der chronische ArsenPatient ist i. d. R. ein leistungsfähiger Sprinter oder „Marathon-Läufer“. Der „konstitutionelle“ Arsen-Patient ist ein meist edles, übersensibles, feinfühliges, sauberes, Tier: mit wachem Blick, verfeinerter Wahrnehmungsfähigkeit, wirkt elitär-aristokratisch (Sil.) der ,gepflegte Aristokrat‘ mit aashaftem Gestank aus dem Maul meist schöne, elegante Tiere, gepflegtes Äußeres auch unter unsauberen Haltungsbedingungen oft schmal und zierlich gebaut (wie Phos. und Sil.) häufig kurzhaarige, leicht frierende Tiere mit Zittern durch Kälte, lieben die Wärme liegen im Warmen, haben gern einen kühlen Kopf (Katze: liegt am kühlen Fenster, auf der Heizung) elegante Bewegungen mit gutem Muskeltonus (das Gegenteil vom „Trampeltier“) meist gesteigerte Stoffwechselaktivität bis Hyperthyreose und Basedow häufig schlechte Futterverwerter, fressen viel, trotzdem mager (Abmagerung bei Heißhunger) meist sehr viel Durst Feinmotorik: „bemerkenswert vornehm und präzise“ (Coulter): Er nimmt Leckerbissen ganz sanft und zart aus der Hand (Sil.), allerdings nicht im Zustand von Angst und Panik.
wenig ,kommunikativ‘ beim ersten Kontakt, ,schaut durch uns hindurch‘ sucht i. d. R. keinen Kontakt; lässt sich ungern untersuchen bevorzugt warme und weiche Liegeplätze, legt sich nicht auf schmutzigem Platz nieder je nach Schwere der Erkrankung, oft sogar in Agonie noch glänzendes Fell möglich (Phos.) Haarkleid oder Hautausschläge oft feinschuppig, wie mit Mehl bestäubt; oder trocken, abschuppend, seltener auch schmutzig, Hautausschläge möglicherweise am ganzen Körper; Haarbruch oder Haarausfall Tendenz zum Frieren schwere, akute Pathologie: – stinkende, Ekel erregende Ausscheidungen, insbesondere Geschwüre, Kot und Erbrechen – unerwartet schnell fortschreitende Schwäche und Hinfälligkeit, ⬍ durch die geringste Anstrengung – eingesunkene Augen, Facies hippocratica Dabei kann sich das aus der Human-Homöopathie bekannte ,innere Brennen‘ als Verlangen äußern, kalte Gegenstände abzulecken, z. B. Fußboden, Blumentöpfe o. Ä., oder kurzfristig kühle Plätze aufzusuchen.
Arsenicum album Hund
Pferd
häufig intensiver Befall mit Ektoparasiten lässt sich ungern auf dem harten Praxisfußboden nieder, sondern bleibt stehen stützt stattdessen oft Kopf und Hals auf das Knie des Besitzers (u. a. Mittel) häufig kurzhaarige, leichte Rassen – Windhunde, Dobermann u. Ä. oft altes Aussehen, vorzeitig graue Haare von uns wenig ansprechbar, eher reserviert, oder sogar primär warnendes, drohendes Knurren meist nicht zum Spielen zu animieren („ernst“) Angst, Knurren und oft Aggressivität auf dem Untersuchungstisch (Angstbeißer) Untersuchung ist manchmal nur mit Maulkorb möglich, aber Panik bei dessen Anlegen! oft aufgeregtes, ängstliches Hecheln und Zittern im Untersuchungsraum oft ängstliches oder unzufriedenes Miefen und Jammern in der Praxis (,durchdringendes Wehklagen‘, ,unzufrieden mit allem‘, Hahnemann) durstig, geht aber in der Praxis wegen des anfänglichen Misstrauens nicht an den Trinknapf
Katze Arsen ist hier eines der häufigsten Mittel für akute und chronische Krankheiten aller Art oft sehr widerspenstige Tiere, die sich kaum untersuchen lassen schreien, kratzen und beißen während der Untersuchung fliehen in Todesangst knurrend und fauchend in eine dunkle Ecke bei schwerer Pathologie aber auch apathisch, exsikkotisch, mit Kadaver-Geruch aber oft trotzdem noch aggressiv glänzendes Haarkleid oft sogar noch in der Agonie möglich Putzzwang bis zur Automutilation, Leckekzem (Phos.)
Hochleistungspferd, kein langsamer Spaziergänger, unzuverlässig und schreckhaft beim Reiten Prototyp des Rennpferdes (Phos., Lyc., Nat-m. u. a.) zarte Typen: manche Araber, englische und russische Vollblüter u. Ä., aber auch bei schwereren Rassen möglich schmal gebaut, mittelgroß, lange Beine, dünne Haut, nicht übermäßig athletisch bemuskelt meist straffer Muskeltonus eher stark pigmentierte Tiere, auch Schimmel u. a. ständige Aufmerksamkeit, straffe Ohren, sieht ängstlich und gestresst aus oft Schwellung um die Augen häufig altes Aussehen, vorzeitig graue Haare, Gruben über den Augen (Lyc., Nat-m., Calc-c.) manchmal wunde Maulwinkel (Nat-m., Sil. u. a.) oft nervös und unruhig, können nicht stillstehen (u. a. Mittel), ⬍ nachts erstaunlicherweise sind Arsen-Pferde meist sauber, obwohl sie oft in nasser, zerwühlter Box stehen (durch viel Trinken und Ruhelosigkeit nachts) oft leichtes Erschrecken durch Kleinigkeiten, panisches Zerren am Anbindestrick möglicherweise Tendenz zum flachen, anschuppenden Sarkoid, besonders an Crista facialis, Jochbein, Hüfthöcker
Hochleistungskühe mit zusammengebrochenem Stoffwechsel kalter Körper, Inaktivität des Pansens, keine Futter- oder Tränkeaufnahme Festliegen durch Erschöpfung oder Infektionen, nicht durch Hypokalzämie!
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Es sei ausdrücklich betont, dass die im Folgenden erwähnten Angst- und Fluchtreaktionen nicht bei jedem Arsen-Patienten im Vordergrund stehen müssen!
Der ausgeglichene Arsen-Patient am wohlsten fühlt sich der Arsen-Patient in gewohnter, bekannter Umgebung, immer zuverlässig versorgt von seiner vertrauten, ausgeglichenen Bezugsperson
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Arsenicum album bei Arsen-Patienten in solcher Umgebung ist die Angst untergeordnet, zeigt sich nur in gelegentlich verunsichertem Zustand, die Tendenzen zu Panik ist am Schlummern jedoch eine Tendenz zu dominantem Verhalten ist häufig! verlangt bevorzugte Behandlung gegenüber anderen Haus- oder Stallgenossen sauber, folgsam anschmiegsam, liebenswürdig, aber wählerisch und heikel, z. B. im Futter angenehme, ruhige Kameraden, wenn alles entsprechend seiner rituellen Fixation abläuft braucht aber viel schnelle Bewegung, muss rennen Arsen-Patienten sind intelligent wie Lyc.-, Sulf.oder Nat-m.-Patienten, können andere manipulieren! Arsen-Tiere sind häufig Ein-Mann(Frau)-Tiere, misstrauisch gegen andere, sogar evtl. gegen andere vertraute Personen überraschende äußere Reize können sofortige Flucht, Verstecken oder auch unbeherrschbare Aggression auslösen solche Reaktionen sind umso stärker, je weiter die chronische Pathologie fortgeschritten ist Hund: bleibt bei seinem Herrn, läuft nicht fort Hund, Pferd: diszipliniert, leicht und brav zu erziehen, aber unzuverlässig bei Stress, Panik
Misstrauen, Distanz ,emotionale Distanz‘ (Bailey), Distanz sogar zur eigenen Bezugsperson ängstliches Zurückweichen bei der Annäherung eines Fremden (Nat-m., Thuj., Sil.) misstrauisches Beschnuppern vor Kontakt- oder Futteraufnahme ruhig in gewohnter Umgebung, verunsichert, ängstlich, schreckhaft in fremder Umgebung meist in Defensiv-Haltung, weil ihn etwas bedrohen könnte manchmal primär aggressiv, um einer möglicherweise drohenden Lebensgefahr zuvorzukommen Angst und Panik vor dem Tierarzt, Furcht vor Schmerzen, nachtragende Aggressivität reserviert und misstrauisch zu Menschen, die nicht zur Familie gehören oder zu neuen Besitzern (wie Nat-m., Sep., Thuj.)
Gehorsam sensibel, oft leicht zu erziehen, ,duldet aber keinen Widerspruch‘, d. h. lässt sich nichts aufzwingen wirkt unterwürfig bei Ermahnungen („Gewissensangst“), aber keine echte Demut! Furcht, wenn etwas von ihm erwartet wird Zuverlässig außer bei Angst aber deutlich aggressiv bei Strafe, greift dann sogar die geliebte Bezugsperson an („Zorn durch Widerspruch“, „plötzlicher Impuls zum Töten“) in Angst-Zuständen oder bei Aggressivität wird jede Erziehung vergessen!
Dominanzverhalten autoritäre, ranghohe Persönlichkeit, Arroganz, Hochmut – mit freundlicher Oberfläche (Coulter) ständige Forderung nach Schutz, Pflege, Versorgung, Sicherheit seine offen gezeigte Dominanz schüchtert andere ein, vermittelt dem Arsen-Patienten das Gefühl von Sicherheit› häufig verwickelt in Beißereien mit Artgenossen (,Streitsucht‘), die dann bis zum Letzten ausgefochten werden – es geht um ,Leben oder Tod‘ ,Arsen-Tyrannen‘ lassen rangtiefere Tiere nicht an das gemeinsame Futter, aber haben Angst, wenn diese fortgehen, Panik, wenn allein, besonders nachts Notwehr und Todesangst kennen keine soziale Aggressionshemmung – kann spontan Rangtiefere angreifen, sogar sich unterwerfende Jungtiere, sobald er sich durch sie bedroht fühlt oft extremer Futterneid, Futtergier (,will töten‘, ,Geiz‘, ,Furcht vor Armut‘) – Hund: stiehlt bei vollem Fressnapf das Essen vom Tisch, das er dann aggressiv verteidigt – Pferd: beißt ins Boxengitter mit extremen Drohgebärden beim Fressen oder vertreibt andere Tiere vom gemeinsamen Fressstand – Hund, Pferd: mit gelegentlichen Drohgebärden tyrannisiert er seine Bezugspersonen, ist Mittelpunkt der Familie der soziale Rang sinkt mit Fortschreiten der Pathologie
Arsenicum album Angst mit Bereitschaft zu Aggressivität oder Flucht sobald das Tier etwas Ungewohntes bemerkt möglicherweise Angst vor allem Panik bei tierärztlicher Behandlung, z. B. schon vor der Annäherung mit der Spritze Hund, Katze: neigen dazu, sich in dunklen Ecken zu verstecken (besonders in der Tierarzt-Praxis) Katze: die Lycopodium-Katze sitzt auf dem Schrank, um alles überblicken zu können; die Phosphor-Katze sitzt auf unserem Schreibtisch, möglichst noch auf unserem Schreibpapier, und reibt sich an uns häufig hyperaktive Tiere jeder geringe Schmerz, jedes Unwohlsein wird als lebensbedrohlich empfunden plötzliches Um-sich-Beißen bzw. -Schlagen, wenn unerwartet angefasst panische Flucht, wenn z. B. ein klappernder Gegenstand zu Boden fällt Panik-Reaktionen bei geringer Verletzung, lässt sich kaum pflegen und verbinden Todesangst ⬍ nachts ⬍ nach Mitternacht, gegen 2 Uhr Panik-Reaktionen, wenn allein, besonders nachts oder tags in dunklen Räumen oder im Keller – Hund: zerbeißt panisch Gegenstände, Polster oder Möbel; dabei ohne Rücksicht auf seine dabei verletzten Zähne (Automutilation bei Panik); kann zwar allein im Flur schlafen, steht aber dann nachts auf und kontrolliert, ob seine Bezugspersonen noch da sind – Pferd: tobt, zerschlägt die Wände, rast durch den Zaun, Panik durch Weidezaun; Panik, wenn angebunden, zerreißt den Anbindestrick; möglicherweise Panik beim Transport im Anhänger (,Furcht enge Plätze‘); möglicherweise Panik in der Startbox vor dem Rennen (,Furcht enge Plätze‘; Beschwerden durch Erwartung, Lampenfieber – wie Arg-n.); wenn es sich bedroht fühlt, unerwartetes Schlagen, ohne Warnung
Unruhe ruhelose Achtsamkeit, muss umherwandern, ständig um sich schauen ständige Alarmbereitschaft, Unruhe treibt umher, besonders nachts
Hund und Katze: wechseln dauernd nachts ihren Liegeplatz, jammern; die Katze gehört zu den nachtaktiven Tieren, daher scheint es normal, wenn sie nachts unterwegs ist Bewegung bessert, Verlangen zu rennen, das bessert den Zustand
Aufregung Aufregung verschlimmert viele Symptome: – Durchfall durch Aufregung (u. a. Mittel) – Husten, Atemnot durch Aufregung (weniger als durch Anstrengung!) – Herzklopfen durch Aufregung
,Anspruchsvoller Pedant‘ alles zur genauen Zeit, nach genauem Plan (,um die geringste Kleinigkeit besorgt‘, Hahnemann) – z. B. Ritual beim Füttern, derselbe Fressnapf an demselben Platz, alles in derselben Abfolge – Katze: das gewohnte Futter, Ablehnung von ungewohntem Futter – Hund, Katze: Umzugs-Kartons bringen den Arsen-Hund/die Arsen-Katze total durcheinander (Calc.) Hund: – sauberes Fressen, gute Feinmotorik – anspruchsvoll: frisst möglicherweise nur aus der Hand, nicht aus dem Napf – eine neue Decke auf seinem Lager bringt ruheloses Wühlen und Kratzen, die Decke schlägt Falten, der Arsen-Hund kann nicht drauf liegen, jammert, heult, sucht Hilfe, gibt erst Ruhe, wenn die Decke glatt und faltenfrei hingelegt wird – spezielles Ritual beim Gassi-Gehen, sonst kein Urin- oder Kot-Absatz Katze: pedantischer ,Waschzwang‘, Tiere sind unaufhörlich dabei, sich zu putzen (Phos.) – dadurch möglicherweise Leckekzem, das zusätzlich zum Lecken anreizt, bis zur Automutilation Pferd: geht z. B. nur in eine saubere, frisch eingestreute Box – z. B. spezielles Ritual beim Satteln – wenn das nicht beachtet wird, lässt es sich nicht satteln
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Arsenicum album Weitere Besonderheiten im Verhalten von Arsen meist nachtaktive Tiere ernste Tiere, wenig Spielverhalten („lacht nie“) häufig unverhältnismäßig großes Bedürfnis nach schnellem Laufe (,Rennen bessert‘), Ehrgeiz, will an der Spitze von anderen laufen, will als erster das Futter haben, verlangt bevorzugte Behandlung, ,Egoismus‘ – nur auf sich selbst bedacht (Gegenteil zu Nat-m., Caust.) aggressiv sogar zu Rangniederen, bis zum ,asozialen‘ Verhalten Hund: – einer der schlimmste Angstbeißer der Materia medica! (Lyc., Nux-v., Phos. u. a.) – dabei ist es fraglich, ob eine homöopathische Therapie daran etwas ändern kann (s. oben) – ständig unzufrieden, kann nicht still sitzen, mieft und jammert, ohne ersichtlichen Anlass – Maulkorb löst Panikverhalten aus – Begrüßungen von Familienmitgliedern halten sich in Grenzen oder finden nicht statt – begrüßt evtl. nur seine engste Bezugsperson Katze: – chronische Arsen-Katzen-Patienten zeigen sich eher distanziert gegenüber ihrer Familie
– sind keine liebevollen „Schmusekatzen“ (im Gegensatz zur Phos.-Katze!) – die Katze ist unabhängiger, zeigt ihre ArsenEmotionen nicht so deutlich wie der Hund – trinkt i. d. R. gern Milch und nascht gern Butter Pferd: – kann der schlimmste, kopfloseste Durchgänger sein mit unbeherrschbarer Panik – möglicherweise Stereotypien oder Manegebewegungen wegen ,innerer Unruhe‘ – nicht geeignet als Schulpferd, Therapiepferd oder Kinderpferd – Arsen-Pferd braucht eine verlässliche Bezugsperson, die ihm Schutz und Halt gibt – geruchsempfindlich, mit Neigung zum Flehmen – hastig, eilig, kann kaum langsam gehen – extrem leistungsfähig und leistungsbereit (Nat-m.) (Distanzrennen, Galopper) – harte Zurechtweisungen können Panik oder Aggressivität auslösen Die Verhaltensprobleme verstärken sich, wenn das Arsen-Tier zu wenig freien Auslauf erhält bzw. nur in der Wohnung oder im Stall gehalten wird. Für primär gefährliche, aggressive Arsen-Tiere sollte die Euthanasie erwogen werden.
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Krankheiten: akut oder chronisch: Erkrankungen mit destruktiver Tendenz – Leukose (Phos.), Diabetes, Vergiftungen u. Ä. Immunschwäche, Virus-, bakterielle oder Autoimmun-Erkrankungen, besonders bei Katzen (Phos. u. a.) Versagen der Entgiftung mit Tendenz zu Leber-, Nierenversagen, Aszites, Schwäche, Entkräftung lebensbedrohlich, erschöpfend – oft verbunden mit Unruhe und Todesangst jedes Organsystem oder -parenchym kann betroffen sein alle Schleimhäute: Atemwege, Verdauungsapparat, Urogenital, Serosen Schleimhautdestruktion, Ulzera, Aszites, Krebs, Gangrän, auch innere Organe (Lach.) Verlust von Körperflüssigkeiten bis Exsikkose
Akute Erkrankungen: lebensbedrohliche Infektionen, Verletzungsfolgen, Vergiftungen, Stoffwechselentgleisungen heftiger, schnell progredienter Krankheitsverlauf mit unverhältnismäßig schnell fortschreitender Schwäche, schnelles Sinken der Lebenskraft ohne Therapie schneller Tod, möglicherweise bereits nach einem Krankheitstag oder wenigen Tagen lokale oder systemische Erkrankungen, mitunter ohne eindeutige klinische Diagnose Tendenz zu Destruktion von Gewebe Hypothermie oder Fieberschübe (Malaria-ähnliche Zustände) häufig unverhältnismäßig schnell eintretende Exsikkose Kadaver-ähnlich stinkende Absonderungen Ruhelosigkeit besonders nach Mitternacht
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Augen: tief liegende Augen bei schnell fortschreitenden Erkrankungen schmerzhafte Ekzeme oder Lidrandentzündungen, schuppig, krustig, trocken Konjunktivitis mit scharfem, wund machendem Tränenfluss, auch allergische Konjunktivitis Iritis, Retinitis, Katarakt, ausgeprägte Lichtscheu besonders bei der Katze: Hornhautulzera, Chemosis
absteigende Atemwegsinfekte: Rhinitis, Tonsillitis, entwickeln sich zur Bronchitis oder Pneumonie dabei scharfe, wund machende, wässrig-schleimige Absonderung aus der Nase manchmal Knoblauch-Geruch aus den Atemwegen allergische Atemwegserkrankungen, oft Folge von nicht ausgeheilten akuten Infekten (Pferd) im Akutfall mit unverhältnismäßig schnell fortschreitender Schwäche, Frieren bis Hypothermie hohes Fieber mit rezidivierenden Fieberschüben, intermittierendes septisches Fieber asthmatische Dyspnoe, besonders abwechselnd oder nach unterdrückten Hautausschlägen: im Winter oder durch Erkältung im Sommer; Erstickungsanfälle ⬍ nachts 24 – 3 Uhr, ⬍ 2 Uhr mit Angst und trockenem Husten; Patient legt sich deshalb nachts nicht mehr nieder (,Atmung ⬍ im Liegen, muss aufsitzen‘) Pferd: eines der Hauptmittel für allergisch bedingte akute Atemnot mit Bauchatmung (Phos., Thuj.); mit trockenem, kurzem Husten, oft mit tiefer Kopfhaltung wie Würgen; Arsen ist dabei häufig ein Mittel für den akuten Schub in einem chronischen Prozess; insbesondere im Sommer, bei heißem Wetter; manchmal trotzdem begrenzt leistungsfähig! Atemnot evtl. sogar besser durch Bewegung (Sep.)
Ohren: eines der wichtigen Mittel für die chronische Otitis externa, auch parasitaria (Lyc.), insbesondere bei der Katze stark juckend, trocken, wie mehlig abschuppende Otitis externa oder nässend mit aashaft stinkenden, wässrigen oder schmierigen, gelblichen, wund machenden Sekreten Hautausschläge an der Ohrmuschel, um die Ohren Juckreiz und Ohrenschmerzen besser durch Wärme, ⬍ im Kalten Augenentzündungen gleichzeitig mit schuppigem Haar und Otitis externa (einziges Mittel Arsen)
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Herzklopfen, Arrhythmie, Hypertrophie, Myokard-Degeneration, im Gefolge von septischen Infektionen Endo-, Peri-, Myokarditis, Klappenentzündungen Insuffizienz mit Tendenz zu Ödemen, Anasarka Blutungen insbesondere bei septischen Zuständen aus allen Schleimhäuten möglich, Hämaturie chronische anämische Zustände (besonders Katze) Herzbeschwerden, oft mit Atemnot, ⬍ im Liegen (Cact., Lach., Naja, Spong, Kalium-Mittel) Kollaps und Dehydrierung nach überdosierten Diuretika (Nux-v.)
Atemwege: Auslöser: Allergien oder Erkältungen in kalter Luft, bakterielle und Virusinfektionen akute Atemwegsinfekte und deren chronische Folgen, Bronchitis, Pneumonie, Pleuritis, Asthma
Verdauungsapparat:
Festliegen durch Schwäche, trotzdem Zeichen von Unruhe mit Bewegen eines Körperteils Tendenz zum Sterben; mit Versagen von Nieren, Leber und/oder anderer lebenswichtiger Organe Facies hippocratica, Todesangst mit Unruhe, Tod Chronische Erkrankungen: großes ,konstitutionelles‘ Heilmittel! langsam im Laufe des Lebens fortschreitende Arsen-Pathologie (bes. Katze) oder ein Mittel für schwere, chronisch-fortgeschrittene Pathologie nicht selten für schulmedizinisch ,austherapierte‘ Patienten Sensorium: überempfindlich gegen Gerüche, speziell gegen die von Futter Pferd: häufiges Flehmen (wie Phos.) überempfindliches Gehör (Phos.), Schreck durch leise, ungewohnte Geräusche Reizbarkeit durch alle Sinneseindrücke (wie Phos.), durch Freude ebenso wie durch Stress
Maulhöhle: Geruch nach Aas häufig starker Zahnstein, Destruktion, Zähne; Zahnfleisch-Ulzera, Aphthen bis Gangrän
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Arsenicum album wenig zäher, klebriger, stinkender Speichel (im Gegensatz zu Merc.) Schlucken evtl. erschwert wegen Entzündung, Trockenheit oder Ulzera von Pharynx/Larynx oder wegen spastischen Zusammenschnürens von Kehle oder Ösophagus Hals: Entzündung, Angina Magen: Gier nach Futter, mehr als der Patient auf einmal fressen kann („Angst vor Armut“) Misstrauen und Verweigerung von ungewohntem Futter hat seinen vollen Futternapf, geht trotzdem an den Tisch und stiehlt, trotz erwarteter Strafe Verlangen nach kalter Tränke, die aber ⬍ Verlangen nach Milch, Fett, Butter Erbrechen gleich nach der Futteraufnahme, gleich nach dem Trinken (im Akutfall) Erbrechen heftig, plötzlich, blutig, fäkal unaufhörliches Erbrechen mit Erschöpfung, acetonämisches und urämisches Erbrechen Magenulkus, Krebs, mit Inappetenz, Unruhe und Erbrechen nachts, Erbrechen von Blut Verdauungsstörungen: akute und chronische: ⬍ nach Mitternacht durch verdorbenes, gefrorenes Futter oder Wasser, Vergiftungen, septische Infektionen durch Fressen von Obst, besonders verdorbenes oder gefrorenes ( z. B. erster Frost im Herbst auf der Weide) durch kleinste Änderung des gewohnten Futters, Futtermittelallergien Rind: Pansenstillstand, durch Vergiftungen, z. B. mit Silofutter, Mais-Ustilago Verdauungsstörungen durch physische Überanstrengung Verlangen zu trinken in wiederholten kleinen Mengen; Erbrechen der kleinsten Menge Tränke oder Futter; aber keine Tränkeaufnahme bei ,Sterbensübelkeit‘! Folge: noch schnellere Exsikkose Übelkeit bzw. Futterverweigerung durch Geruch von Futter Gastroenteritis: Arsen folgt hier gut auf Verat.; bei unklaren Symptomen sollte zuerst Verat. gegeben werden (Verat. = das „pflanzliche Arsen“) schwerste Form mit extrem schneller Schwäche und Exsikkose bis zum Festliegen ⬍ nach Mitternacht, mit Unruhe auch nur einzelner Körperteile
mit Kolik und Durchfall, schwerster Art Erbrechen verwesten stinkenden Materials, Misere, Kot und Flatus stinken wie Aas Erbrechen sofort nach Futter- oder Tränkeaufnahme Kollaps bei Durchfall mit Erbrechen jeder Tränke, Exsikkose, Tod Destruktion von Darmepithel, Kolitis Folgen von verdorbenem Futter, Fleisch, Fisch, durch gefrorenes Futter oder Tränke Folgen von Pilzvergiftung, Tabakvergiftung, Faulgas-Vergiftung Kälber: Durchfall, z. B. durch kalte Tränke, binnen Stunden tödlich Hund, Katze: Parvo-Infektionen (Verat., Phos. u. a.) quälende Magen- und Bauchschmerzen ,Sterbensübelkeit‘ (lieber sterben als weiterhin diese Übelkeit ertragen) – Gesichtsausdruck! Exsikkose, Hypothermie Kot: scharf, wund machend, blutig, schleimig, stinkend häufig Abgang aashaft stinkender Blähungen Hunde: neigen oft zum unbemerkten Verlieren von normal geformtem Kot beim Laufen Leber-Nierendegeneration oder Tumoren, evtl. mit Aszites (Sterbehilfe bei nächtlicher Unruhe) Enteritis – Kolik beim Pferd (z. B. Colitis X) oft rezidivierende schwere Koliken mit Gefahr von Volvulus aashaft stinkender Kot, schleimig, blutig schnell eintretende große Schwäche, ruhiges Liegen unterbrochen von starken Schmerzattacken fehlende oder minimale Darmgeräusche, oft unterbrochen von schmerzhaftem lautem Kollern dabei teigige, kalte Hautkonsistenz, Untertemperatur Kolik mit ruhigen Phasen, liegt vor Schwäche wie tot (Op.), aber bewegt oft dabei einen Körperteil, z. B. bewegt dauernd den Kopf oder scharrt im Liegen mit einem Bein extreme Schwäche, kann sich kaum auf den Beinen halten bis Festliegen Schmerzattacken vor und während des Kotabsetzens oder bei kollernd einsetzender Peristaltik Stoffwechselentgleisungen: Urämie, Acetonämie, Leberkoma, Ikterus Diabetes – mit Hautreaktionen: Furunkel, Karbunkel, Gangrän
Arsenicum album Harnwege: Entzündung der Harnorgane (Blase, Niere) bis Nierendegeneration, Urämie Blase: häufiger Harndrang, besonders nachts, evtl. mit Tenesmus Blasenlähmung, Inkontinenz (nach Überdehnung, Geburt) Blutung aus der Harnröhre, stinkender Urin Nierenerkrankungen aller Art: unklare Albuminurie ohne weitere Symptome bis Nierenversagen Nephritis, Zystenniere, fettige Degeneration bis Schrumpfniere Fortgeschrittene Stadien der Glomerulonephritis, nephrotisches Syndrom (Katze!) (Phos., Nux-v.): blasse Haut, kachektisches Aussehen, Eiweiß-Abbau; Ödeme, Anasarka; großer Durst immer wieder auf kleine Schlucke kalten Wassers, ⬎ warme Getränke; Urämie, Schwindel, Koma, auch mit Diarrhöe, urämische Krämpfe: Cupr-ar.; Anurie oder hoch stehender Urin (Cupr-ar.) Genital: Erkrankungen des Genitals sind keine primären Schwerpunkte im Arsen-Krankheitsbild, können aber dennoch im Rahmen der übrigen Symptomatik mit vorhanden sein Tendenz zum Abort maligne Erkrankungen von Mamma, Uterus, im männlichen Genital mit stinkender Ulzeration Bewegungsapparat: Arsen-Patienten können genauso wie Phos. für kurze Zeit sehr viel Energie mobilisieren, „läuft mehr, als ihm gut tut“ gute Sprinter und Renner, Pferde sind aber für den Turniersport oft zu heftig und unzuverlässig Ödeme an den Hinterbeinen bei fortgeschrittener Pathologie Arthrosen bei älteren Tieren, auch deformierende Arthrosen (Caust., Calc-f.) Schmerzen von Extremitäten und Rücken durch Kaltwerden, ⬍ nachts mit Unruhe (Rhus-t.) schlimmste Formen von Kreuzverschlag (Pferd) Panaritium mit Tendenz zum stinkenden Gangrän (Lach.) Pferd: Erkrankungen der Hufe – akute oder chronische Huflederhautentzündung, chronische Hufbeinrotation; möglicherweise mit gangräneszierender Laminitis, Tendenz zum Ausschuhen (Apis, Pyrog.); Mauke-ähnliche Hauterkrankungen, die auf den Kronsaum übergreift mit Störungen der Hornbildung;
Verhornungsstörungen der Hufe – brüchige, krümelnde Hufe, verdicktes oder dünnes Hufhorn, Hornspalten; deformierte Hufe, mit Längs- oder Querrillen; Fäulnis oder Eiterung der weißen Linie mit Entwicklung von hohler Hornwand (einziges Mittel!); stinkende Zersetzung der Hufe, fortgeschrittenes Stadium von Huffäule Haut: häufig starker Befall mit Ektoparasiten (Natm., Lyc., Graph., Lach., Sulf., Tub.) häufig kalte Körperoberfläche, besonders im Akutfall teigige, kühle Konsistenz Pferd: Schweißmangel trotz Hitze und Anstrengung enorm, glattes glänzendes Fell, oft noch bei schwerer Krankheit oder stumpf, fettig, schmutzig, staubig, verfilzt, Haarbruch, Haarausfall, Alopecia areata atopische Hauterkrankungen Akne, Pickel, Bläschen, Atherome, Mykosen, Trichophytie krustige, trockene Hautausschläge mit Absonderung von mehligen oder größeren Schuppen oder feuchte Ekzeme, Absonderung zerstört primär das Fell besonders an der Ventralseite des Halses Juckreiz besser durch Wärme (Rhus-t.), im Gegensatz zu den meisten anderen juckenden Ekzemen Juckreiz ⬍ nachts,⬍ im Kalten, kratzt wund und blutig Lokalisationen von Hautausschlägen: besonders im Gesicht: um Maul, Augen, Nase, After, Skrotum; an der Ventralseite des Halses; Hautausschläge generalisiert am ganzen Körper, möglicherweise mit Haarbruch, Haarausfall Hund: Zwischenzehenekzem (oder nervöses „Nägelbeißen“?), Lefzenekzem Pferd: wunde Maulwinkel phlegmonöse Zellgewebsentzündungen besonders an den Extremitäten, noch ohne Abszess; stinken durch die Haut, später Ulzerierung (Lach.) septisch infizierte Wunden, Bissverletzungen von Tieren, Schlangenbiss (u. a.) stinkende Pyodermie, Impetigo Krallenbettentzündung, Panaritium chronisch oder rezidivierend Hund: mit schmerzhaftem Ausfallen der Krallen Pferd: Tendenz zum Ausschuhen bei toxischen Arsen-Erkrankungen (Pyrog.)
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Arsenicum album Putzzwang, Knabberzwang (Leckekzem der Katze), Kratzen, besonders nachts mit Unruhe; putzt den kleinsten Staub aus dem Fell Pferd: schnell wunde Maulwinkel; Warzen, Sarkoid, entzündet, rot, schmerzhaft, eiternd, maligne, ulzerierend
Auswüchse: fleischig, Fungus haematodes, Blumenkohl-ähnlich Verbrennungen 3. Grades, Verkohlungen mit schwersten Allgemeinerscheinungen (Carb-v.)
Auslöser und Modalitäten des pathologischen Geschehens Auslöser: akute schwere, septische Infektionen, durch Viren, Bakterien; auch Mykosen Folgen von Kälte, Kaltwerden, Erkältungen, Nasswerden, feuchte Kälte, Reisen ans Meer; Fressen und Trinken von Eis, Schnee, eiskaltem Futter oder zu kalter Tränke Infektionen mit malignem Verlauf: Tendenz zu Sepsis, Schwäche, Destruktion von Gewebe, Ulzerierung, Gangrän Folgen von Vergiftungen: Bisse oder Stiche von „giftigen“ Tieren: Schlangen, Ratten u. Ä.; Trinken von verdorbenem Wasser; Futtermittelvergiftungen Fleisch-, Fisch-, Pilzvergiftungen; Vergiftungen mit Faulgas Folgen von körperlicher Überanstrengung: zu große Rennleistung; Folgen von Verlust von Körperflüssigkeiten (Erbrechen, Durchfall, Laktation); nach der Geburt (Kalium-Mittel); nach oder bei Gastroenteritis Folgen von ungewohntem psychischem Stress: Trennung von Bezugsperson, fremde Umgebung; unsichere, ungewohnte, neue Situation; durch psychische Traumatisierung, Strafe, Schimpfe, Dressur, Einsperren, Dominanz; durch unsachgemäße, bedrohende Behandlung; ungewohnte Anforderungen; durch Angst und Schreck, Zorn mit Angst Folgen von unterdrückten Hautausschlägen Modalitäten: ⬍ nach 24 Uhr, besonders 1 – 2 Uhr nachts, wird aber vom Tierbesitzer oft nicht bemerkt
Ruhelosigkeit, treibt umher, ⬍ nach Mitternacht, wechselt den Platz, wandert umher trotz Schwäche Verlangen nach Gesellschaft, ⬍ wenn allein Abneigung gegen Gesellschaft, aber Furcht vor dem Alleinsein aashaft stinkende Absonderungen, wund machend ⬍ durch Wetterwechsel vom Warmen zum Kalten ⬎ und Verlangen nach frischer Luft ⬎ durch Wärmezufuhr, Sonne oder Zudecken, aber Platzangst unter der Decke (Katze) wiederholtes Verlangen nach kleinen Schlucken oder größeren Mengen kalten Wassers, besonders nachts ⬎ durch warme Getränke ⬍ durch feuchten oder dunklen, fensterlosen Stall, Zwinger (Keller, dunkle Garage) ⬍ durch zu wenig Bewegung ⬍ am Meer, ⬍ im Hochgebirge ⬎ durch Liegen mit erhöhtem Kopf, ⬎ aufrechtes Sitzen ⬍ Liegen auf erkrankter Seite Erbrechen sofort nach Fressen oder Trinken brennende Schmerzen, besser durch Wärmeanwendung Periodizität: jeder 2. Tag, alle 2 Wochen, jedes Jahr ⬍ im Sommer, ⬍ im kalten Winter ⬍ bei Vollmond, ⬍ bei Neumond
Arsenicum album Ausgewählte Fallbeispiele Minka – 20-jährige Katze mit Ekzem Hausbesuch 15.12.2000: Minka ist eine 20-jährige dreifarbige Katze, die vorgestellt wird wegen Juckreiz und Ekzem, das bereits seit ca. 2 Jahren in wechselnder Stärke besteht. „Minka ist in letzter Zeit deutlich magerer geworden, aber vielleicht hängt das auch mit ihrem Alter zusammen? Nur unter dem Bauch hängt noch immer das Fett – oder ist das nur Haut? – Dabei koche ich immer extra gute Sachen für sie, Forelle und Hackfleisch, manchmal bekommt sie das KatzenSenioren-Diätfutter. Sie trinkt jetzt viel mehr als früher: Jetzt nimmt sie pro Tag drei Tassen voll Wasser mit etwas Kaffeerahm, früher nahm sie nur eine Tasse pro Tag.“ Die Besitzerin (eine Lachesis-Frau) sprudelt über vor Erzählungen über ihre Katze. „Minka geht jetzt fast nicht mehr raus, nur mal kurz vor die Tür. Sie spielt auch nicht mehr.“
Untersuchung und Anamnese Minka sitzt auf der Lehne der Couch, die nahe am Fenster steht. Von dort steigt die Wärme des Heizkörpers unter dem Fenster zu ihr herauf, die sie permanent in eine warme Luftströmung einhüllt. Sie nimmt von mir keine große Notiz, reagiert nicht auf Streicheln, liegt fast apathisch auf der Stelle. Die Nase ist auffallend weiß, aber das sei bei Minka schon immer so gewesen. Der Ernährungszustand ist gut. Der ganze Katzenkörper ist – mit Ausnahme der Extremitäten – bedeckt von trockenen Krusten, die weder schmerzhaft sind noch sich ablösen lassen. Das Fell ist stumpf und fast wie staubig. Während wir über Minka sprechen, fährt sie plötzlich herum und knabbert an der Haut. „Sie hat bestimmt keine Flöhe! Ich habe das immer wieder mit Kämmen auf einem weißen Tuch überprüft.“ Die Krallen der Hinterfüße werden nicht ganz eingezogen. Die Nickhaut ist ein wenig vorgefallen, aber das sei auch schon immer so gewesen. Auskultation und Palpation ergeben keinen Befund. Außer an Hals und Kopf duldet das Tier jede Manipulation. Beim Blick in die Maulhöhle kommt es zu heftiger Abwehr, die Katze beißt, kratzt und springt dann fauchend davon.
Die Maulhöhle ist genauso schlohweiß wie die Nase; Zähne sind keine mehr vorhanden. An Kot und Urin sei nichts Auffallendes festzustellen. Wurmkuren führt Frau J. etwa alle 4 Monate durch. Was macht Minka nachts? – „Da ist sie ruhig, steht öfter mal auf und geht trinken. Mir ist nichts Besonderes aufgefallen! Nachts habe ich oft beobachtet, dass sie zusammengekauert vor ihrem Trinknapf sitzt, die Nase einen halben cm über der Wasseroberfläche, und immer wieder die Zunge hineinsteckt.“ Gibt es sonst noch etwas Besonderes zu berichten? „Minka ist ruhiger geworden. Sie lässt sich nicht mehr so gern knuddeln wie früher und springt dann fort.“
Mittelwahl und Symptome Hautausschlag krustig am ganzen Körper Allgemeines, weiße Verfärbung von gewöhnlich roten Teilen Durst vermehrt nachts, häufig nach geringen Mengen
Therapie Minka bekommt Arsen M, einige Globuli versteckt in einem Bröckchen Hackfleisch. Nachricht 2 Wochen später: Die Haut ist glatt und frei von Juckreiz. Minka ist wieder viel munterer und geht wieder raus. Sie trinkt pro Tag jetzt nur noch zwei Tassen leer. Anschließend geht es ihr gut. Die Besitzerin erzählt in der zweiten Hälfte 2002, Minka habe plötzlich tot auf ihrem Platz gelegen, sie sei 22 Jahre alt geworden!
„Unsere Katze spinnt!“ Frau B. stellt am 2.9.1998 ihre schwarze, langhaarige, kastrierte Katze vor, 9 Jahre alt. Das Tier ist auffallend adipös, wirkt in der Praxis träge, zieht sich auf dem Untersuchungstisch zu einer kaum fassbaren Kugel zusammen und knurrt böse. Die Besitzerin berichtet: „Minnie spinnt – besonders im Frühjahr. Im Winter ist es immer besser. Sie hat deshalb schon einige Hormonspritzen und -pillen bekommen – ohne Änderung.
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Arsenicum album Zum Beispiel während des Fressens: Sie sieht eine Fliege, starrt sie sekundenlang an und rast plötzlich unter den Schrank. Dann kommt sie nach einer Weile wieder vor, rupft sich büschelweise Haare aus, kratzt sich, und rast wieder voller Angst davon. Minnie ist schon immer extrem ängstlich gewesen. Sie hat auch Angst vor anderen Katzen. Wenn sie sich wirklich mal in den Garten traut, wird sie von anderen Katern geplagt. Jetzt spinnt sie schon den ganzen Sommer. Wenn ich mich mal über die Kinder aufrege, bekommt sie Panik, rast mir plötzlich wie eine Verrückte zwischen den Beinen durch, dass ich über sie stolpere. Dann kommt sie erst recht in Panik. Dass diese Katze es nicht begreift, dass sie mir nicht immer zwischen die Füße rennen kann! Ich bin schon mehrfach beinahe über sie gefallen. Aber sonst ist Minnie lieb. Sie hat immer einen Riesenappetit; ob sie wohl jemals satt ist? Wasser zum Trinken lehnt sie ab. Sie will immer nur Katzenmilch trinken. Vor fließendem Wasser hat sie keine Angst, wohl aber vor dem sprudelnden Wasserkocher! Bei jedem Lärm, auch wenn es an der Türe klingelt, oder bei Gewitter, oder wenn die Sirenen Probealarm haben, rast sie fort – unters Bett oder unter den Schrank, möglichst an Orte, wo man sie nicht hervorziehen kann. Und wenn ich es versuche – das haben wir früher getan – dann kann sie ganz ekelhaft beißen. Minnie ist nicht die kräftigste: Sie schafft es nur mit Mühe, auf den Tisch oder aufs Regal zu springen. Wenn ihr etwas nicht gefällt, dann kratzt und beißt sie ohne Warnung; z. B. wenn es ihr beim Kämmen plötzlich zu viel wird. Dann springt sie fort, beißt mich aber trotzdem noch schnell ins Bein. Wenn wir fortgehen, will sie auf den Speicher, dort hat sie ihren Platz, dort sind auch keine anderen Katzen. Nachts wandert sie immer zwischen unserem Schlafzimmer und der Küche hin und her. Bis zum Morgen ist immer ihre Katzenmilch leergetrunken. Im Bett genießt sie mal kurz das Streicheln. Aber sonst kommt sie nie auf den Schoß. Und wenn man sie trotzdem streichelt, beißt sie unversehens. Wenn wir sie gegen ihren Willen auf den Schoß nehmen, dann beißt sie so heftig, dass es blutet.
Vor der Sterilisation war sie noch nervöser: Damals hatten wir ihr ein Flohhalsband verpasst – sie hatte wirklich Massen an Flöhen! Mit dem Ding hat sie solange gekämpft, bis sie das Halsband im Maul hatte. Dann ist sie wie irre herumgerast und war überhaupt nicht zu beruhigen. Mein Mann hat sie dann mit einem dicken Lederhandschuh gepackt und das Flohhalsband durchgeschnitten. Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie dieses Biest getobt hat!“
Mittelwahl Inzwischen dürfte dem Leser das Mittel Arsen bekannt geworden sein: Gemüt, Todesangst, Raserei Gemüt, Furcht, überwältigende Panik-Attacken Gemüt, Beschwerden durch Zorn mit Angst Gemüt, leicht erschreckt durch Kleinigkeiten Gemüt, Furcht vor Menschen (gleichbedeutend mit „Artgenossen“) Gemüt, ruhelos nachts, treibt ihn von Ort zu Ort Magen, Durst nachts Allgemeines, Speisen und Getränke, Verlangen nach Milch Minnie bekommt eine Injektion mit Arsen XM. Die orale Verabreichung war mir zu gefährlich! Seither ist sie friedlich und wesentlich ruhiger. Sogar nachts schläft sie jetzt durch. Panikattacken hat es nie wieder gegeben, aber eine Schmusekatze ist sie dennoch nicht geworden.
Akaba – Vollblutstute mit chronischer Mauke und Sarkoid Akaba ist eine kleine, zierliche braune 9-jährige Vollblutstute. Sie war früher auf der Galopprennbahn, kam vor 4 Jahren wegen einer schlecht heilenden Fleischwunde zu Familie K. und lebt nun dort mit Stall und regelmäßigem Weidegang als Familien- und Hobbypferd. Akaba wird nebenbei vorgestellt, als ich die Lahmheit des zweiten Pferdes behandelte, ob man mit der Homöopathie nicht auch etwas gegen diese chronische Mauke tun könne. „Die alte Wunde am Ellbogen war nach einem halben Jahr intensiver Pflege abgeheilt. Die Narbe in der Gegend des linken Ellbogens ist da noch deutlich zu erkennen; die Aki lässt Fremde nicht an diesen Fuß herankommen, sie ist allergisch gegen
Arsenicum album jeden Tierarzt. Beim Hufschmied gab es jedes Mal Probleme, darum reiten wir sie jetzt mit Hufschuhen. Seit ca. 3 Jahren existiert nun die Mauke am rechten Hinterfuß.“ Die Zehe ist bis zur Mitte des Metatarsus teigig geschwollen, die Haut trocken-mehlig, der Kronsaum aufgeschwollen und von wulstigen, hornigen Schuppen bedeckt. Der zugehörige Huf ist wesentlich schmaler als der andere, das Horn weist auffallende Längsrillen auf und sei extrem bröckelig. Der Huf selbst zeigt das deutliche Bild eines Trachtenzwanghufs. Akaba habe – nur an diesem Huf – immer wieder unter Huffäule gelitten, was die Besitzer mit Jodoform-Äther oder Kupfervitriol behandelt hatten. Zurzeit ist der Huf trocken, stinkt aber trotzdem nach Fäulnis. Zeitweilig sei sie deshalb hinten rechts stark lahm gegangen. Über dem linken Auge am Jochbein und an der linken Gesichtsleiste fallen haarlose, abschuppende Stellen auf, die wie großflächige Warzen leicht aufgewölbt sind, ca. 5 ⫻ 5 cm groß. Der frühere Tierarzt habe das als Sarkoid bezeichnet. „Aber das stört uns nicht, solange es nicht weiter wächst.“ Die Besitzerin und Ihre Tochter berichten auf entsprechende Fragen, während die Stute ungerührt im Stall neben uns steht. Das zweite Pferd (Phos.) versucht dagegen dauernd Kontakt zu uns aufzunehmen, verrenkt sich fast den Hals, um seine Besitzerin zu stupsen und zu betteln. Akaba legt drohend die Ohren an, als ich ihre eingezogene Narbe am linken Ellbogen betrachte. „Von uns lässt sie sich dort gut putzen, aber Fremde lässt sie nicht dran.“ „Erzählen Sie etwas über Charakter und andere Besonderheiten von Akaba!“ „Wir reiten eigentlich nur zu zweit ins Gelände. Allein macht Aki oft Schwierigkeiten, bekommt furchtbare Schrecken, wenn irgendwo ein Floh hustet oder wenn ein Blatt an der falschen Stelle liegt. Andererseits kann sie ungerührt an neuen Holzstößen vorübergehen. Man weiß nie so genau, was ihr eigentlich Angst macht. In der Reitstunde wird Aki manchmal zu heftig; besonders wenn ein anderes Pferd mit der Gerte eins drauf bekommt, wird sie hektisch. Die Reitlehrerin darf sie nicht mehr reiten. Sie wollte einmal Aki korrigieren, nachdem sie mit mir so gesponnen hatte. Aber Aki bekam dadurch noch mehr Panik und ist mit ihr durchgegangen, sie raste wie auf der Rennbahn in einem Affentempo in der Halle im Kreis herum und war fast nicht zu bremsen. Erst als
ich die Longierpeitsche von vorn quer wie eine Bremse vor sie hinstreckte, blieb sie steigend stehen, dass die Frau schnell herunterspringen konnte. Das war wirklich ein Drama. Seitdem lässt sie die Reitlehrerin nicht mehr aufsteigen. Wirklich böse wird sie zu uns nie, nur gegen Tierärzte, auf die kann sie mit angelegten Ohren richtig aggressiv losspringen. Vielleicht merkt sie das am Tierarztgeruch? Aber übermäßig lieb und verschmust wie der andere ist sie nicht, eher wie eine alte arrogante Tante. Sie ist die Chefin über ihn. Wenn wir zusammen reiten, darf er sie nicht überholen, sonst versucht sie ihn zu beißen.“ Die weitere Anamnese erübrigt sich, das Mittel ist klar; Akaba bekommt zunächst 1 ⫻ pro Woche Arsenicum C 30. 5 Wochen später sind der linke Hinterfuß und der Kronsaum abgeschwollen, der Huf selbst noch unverändert. Die Besitzerinnen meinen, die Stute sei jetzt etwas weniger hektisch. Akaba bekommt 3 ⫻ im Abstand von 4 – 5 Wochen Arsen 200. Nach 5 Monaten zeigt der Huf im proximalen Drittel ein glattes Horn, das Sarkoid ist nur noch ca. 3 ⫻ 3 cm groß. In der Folgezeit bekommt die Stute in großen Abständen – ca. 3 – 4 Monaten – Arsen M und XM. Nach 2-jähriger Behandlung ist das Sarkoid verschwunden, der Huf glatt und schmerzfrei. Der Zwanghuf hat sich jedoch nur gering zurückgebildet.
Die Symptome Gemüt, Furcht, überwältigende Panik-Attacken Gemüt, zurückhaltend, reserviert Gemüt, Ehrgeiz Gemüt, misstrauisch Gemüt, Angst um die Gesundheit (dass ihr jemand Schmerzen bereitet) Gemüt, Zorn durch Widerspruch Gesicht, Warzen Extremitäten, Hautausschläge krustig um die Fingernägel, abschuppend am Fuß Extremitäten, Panaritium Extremitäten, deformierte Nägel, brüchige Nägel, deformierte Nägel
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Arsenicum album 14 Jahre Erfahrung mit eigenen Arsen-Hunden Im Folgenden eine Aufzählung von Erlebnissen mit Bestandteilen des Arsen-Bildes. Die geschilderten Ereignisse unterstreichen recht drastisch die Probleme, die mit Arsen-Hunden auftreten können. Bei unserem ersten Greyhound Galban erkannte ich erst 1989, als er schon 11 Jahre alt war, sein konstitutionelles Similimum Arsen. Den eigenen Angehörigen gegenüber ist man meist mit „homöopathischer Blindheit“ geschlagen. Mancher homöopathische Arzt oder Tierarzt wird sich an den beige gestromten Windhund-Rüden auf den Spiekeooger Wochen mit Dr. Künzli ab 1982 und später erinnern. Galban war ein ausgesprochen schönes Tier, grazil, elegant, anspruchsvoll, voll reservierter Freundlichkeit, aber mit dem schwierigen Charakter von Arsen ausgestattet – wie ich erst später erkannte. Er war der kleinste Angehörige seines Wurfes. Als Junghund genoss er eine optimale Aufzucht. Von seinem Züchter wurde er wegen einer langwierigen Verletzung an der Pfote wie ein Säugling verwöhnt und durfte im Bett schlafen, während seine Kollegen noch im Zwinger bei der Mutter waren. Bei uns erwies er sich als angenehmer, unauffälliger Familienhund, Erziehungsmaßnahmen konnten wir uns sparen, weil er einfach immer brav war und mit unterwürfiger Gestik fast alles tat, was er sollte. Er hatte seinen Stammplatz auf einem alten Sessel gegenüber der Eingangstür. Fremde – Bauern wie Pharma-Vertreter – wurde distanziert begrüßt oder ignoriert. Einem hundeängstlichen Handwerker ging er vorsichtig hinterher, stupste ihn erst mit der Nase und kniff ihn ohne Warnung ganz vorsichtig, aber kräftig von hinten in den Oberschenkel. Als der sich erschrocken plötzlich umdrehte, rannte Galli schreiend davon. Uns missfiel immer sein unterwürfiger Blick, als hätte er gerade eine Tracht Prügel bekommen oder würde gleich solche erwarten – was aber nachweislich nie in seinem Leben geschehen war. Aber Galli war nie unterwürfig, eher das Gegenteil. Die adäquate Rubrik ist „Angst, wenn etwas von ihm erwartet wird“ – einziges Mittel Arsen. Galli war ein gemeiner Dieb: Unserer Tochter fraß er in einem unbeobachteten Moment die Geburtstagstorte vom Küchentisch, knabberte mit Vorliebe an der Butter auf dem Frühstückstisch,
was wir zuerst an seinem Blick voll „schlechten Gewissens“ bemerkten, dann erst an den Spuren seiner Schneidezähne an der Butter. Wenn wir ihn mit strafendem Blick anschauten: „Galli – hast du etwa wieder . . .?“, dann versank er in Kniebeuge, wurde ganz klein und verkroch sich in seinen Korb mit dem Kopf zur Wand. Wenn er aber wirklich beim Stehlen ertappt wurde und eins mit der Zeitung drauf bekam, wurde er böse, bekam seinen wilden Blick mit ernstem Knurren und gefletschten Zähnen. Mit dem Fressen war Galli immer heikel und wählerisch, manchmal musste man ihn ausdrücklich bitten, doch etwas zu nehmen, manchmal fraß er erst, wenn man ihm den ersten Bissen aus der Hand gefüttert hatte. Wenn in seinem Futterbrei zu wenig Milch enthalten oder das Ganze zu zäh oder dickflüssig war, verweigerte er das Fressen (Arsen verlangt nach Milch!). Er fraß immer pikobello sauber, es spritzte nichts herum und es klebte dann an der Wand, wie wir das von seinem Vorgänger, einem Pudel-Mix, gewohnt waren. Wenn wir ihn aber während des Fressens stören mussten, weil er seinen Fressnapf in den Weg geschoben hatte, oder nur um ihn zum Fressen zu animieren („Das ist ja meins!“), dann konnte er empfindlich böse werden mit ernst gemeintem, furchterregendem Zähnefletschen und Knurren. Wir konnten Galli wegen seines komplizierten Charakters nicht den Nachbarn oder anderen Haushütern überlassen, sondern mussten ihn mitnehmen – ins Restaurant, Hotel oder zu Seminaren. Er erregte wegen seiner Schönheit und Bravheit häufig Aufsehen, ließ sich aber nur ungern bzw. ohne Anteilnahme von Fremden streicheln. Wer ihn überschwänglich umarmen wollte, erntete böses Knurren. Allerdings war es jedes Mal notwendig, sein höchstpersönliches graues Lammfell mitzunehmen. Ohne dieses weigerte sich Galli, sich niederzusetzen, stand stundenlang leise wimmernd mit dem Kopf auf einem unserer Knie geparkt. Dasselbe ereignete sich immer, wenn dieses Lammfell faltenschlagend verrutscht war – ein Greyhound seines Adels kann schließlich nicht auf unebenen Falten liegen! Während der Fahrten mit dem Auto hatte er seinen Platz auf der Rückbank. Wenn die beiden Kinder dort ebenfalls Platz haben mussten, konnte es Probleme geben. Wenn sie in einer Kurve zu dicht an Galli heranrutschten, fühlte er sich bedrängt und biss einfach zu. Beide haben mehr als eine Schramme im Gesicht davongetragen.
Arsenicum album Andererseits war Galli ein feiger Angsthase. Selbst die kleinsten bellenden Hunde konnten ihn in Angst und Schrecken versetzen, sodass wir ihn trösten und beschützen mussten. Wenn ihm sein leiblicher Bruder in der Nachbarschaft begegnete, begann er vor Angst zu schlottern und raste schnellstens nach Hause. Dieser Bruder – Ganymed – gehörte übrigens zu den wenigen Hunden, denen ich persönlich nicht allein ohne wirksame Notwehr-Waffe begegnen mochte – ebenfalls ein Arsen-Hund. Galli war schrecklich verfroren. Im Winter begann er bei jedem Stillstehen, sogar während er zum Urinieren sein Hinterbein hob, sofort vor Kälte zu zittern. Andererseits war er auch während heißer Sommertage „platt“ und wollte nicht gern laufen. Zum Reiten konnte ich ihn nicht mitnehmen, er verabscheute die Pferde, vielleicht aus Konkurrenzgründen? Während ich den Stall ausmistete, rannte er einfach die 2 km nach Hause. Wenn ich ihn aber wenige Meter von mir entfernt am Halsband mit einem Pferdestrick vor dem Stall anband, dauerte es nur wenige Minuten, bis der dicke Strick aus Panik durchgebissen war. War er aber nahe am Auto angebunden, so verlangte er im Auto zu sitzen, sogar in der Sommersonne, obwohl er 3 m weiter im kühlen, schattigen Gras hätte liegen können. Den Umzug an den Bodensee hatte Galli nach anfänglicher Nervosität gut überstanden. Ohne Leine konnte man jedoch kaum mit ihm spazieren gehen, weil er aus unerklärlichen Gründen plötzlich kehrt machte und nach Hause raste. Dort stand er dann zitternd und jammernd vor dem leeren Haus. Auf einem Spazierweg kam plötzlich unvermutet ein wütend kläffender Schäferhund an einen Gartenzaun gesprungen. Galli bekam solch einen Schrecken, dass er sich aufbäumte, aus dem Halsband schlüpfte und nach Hause rannte. In der Folgezeit war er um keinen Preis mehr zu bewegen, an diesem Zaun vorbei zu gehen – ohne dass dieser Schäferhund je nochmals aufgetaucht wäre. Mit ca. 10 Jahren bekam er schuppiges, trockenes Fell auf dem Rücken, litt unter heftigem Flohbefall und holte mich jede Nacht aus dem Schlaf: Nach ausgiebigem Kratzen stand er auf, schüttelte sich knallend die Ohren um den Kopf, warf sich wieder nieder, drehte sich x-mal auf seiner Decke, stand auf und legte sich nieder, stellte fest, dass seine Decke nun verrutscht und in Falten lag, kratzte sich, schüttelte sich . . . Schließlich quartierte ich ihn im Nebenzimmer ein, von wo er mich jede Nacht wim-
mernd besuchte und klagend vor meinem Bett stand, weil er sich ja ohne seine Decke hier nun nicht niederlegen konnte. Ich nahm ihn wieder in mein Schlafzimmer und stopfte mir zum Schlafen als letzte Lösung Ohropax in die Ohren. Allmählich zeigten sich Alterserscheinungen: Galli wollte nicht mehr rennen und schlich nur noch langsam hinter mir her. Die Krallen begannen ihm auszufallen. Anfangs dachte ich, er sei irgendwo hängen geblieben; aber dann ging die nächste Kralle aus – jedes Mal begleitet von lautem Schmerzgeschrei. Das Anlegen des Verbandes an der blutenden Pfote war wegen seiner hysterischen Angst davor ein immenser Aufwand. Eines Tages fiel mir auf, dass er – der wasserscheue, ewig frierende Hund – mit den Pfoten ruhig auf einer Treppenstufe im Zürichsee stand, was er an diesem Tage bei jeder Gelegenheit wiederholte. Will er seine Pfoten mit den schmerzenden Krallen kühlen? Endlich entdeckte ich all diese Symptome im Repertorium und in der Arzneimittellehre und gab ihm Arsen M. Die Folge war unglaublich: Galli wurde wieder jung, tobte wie ein Wilder in unserem kleinen Garten im Kreis herum, sprang plötzlich – mangels Platz – sich drehend in die Luft, raste dann in entgegengesetzter Richtung herum, dass die Rasenstückchen nur so flogen. Die Krallen regenerierten sich, das Fell wurde wieder glänzend. Die Arsen-Gaben mussten in Abständen von mehreren Monaten wiederholt werden. Im Alter von 12 Jahren starb Galli überraschend schnell an einer Vergiftung – Arsen-Schicksal.
Datzu Nach Galbans Tod geriet ich wiederum an einen fast genauso schönen Greyhound-Rüden ähnlicher Abstammung, der aber ohne genügende Sozialisierung bereits 4 Jahre im Zwinger – allerdings bei liebevoller Versorgung – verbracht hatte. Das erste Problem, als meine Tochter und ich ihn holten, bestand darin, ihm ein Halsband anzulegen: Datzu ertrug es nur mit angstvollem Knurren und Zittern. Das anschließende Pfotenwaschen von kotigen Lehmklümpchen mussten wir aus denselben Gründen abbrechen. In der Folgezeit wollte ich ihn nicht allein lassen, nahm ihn regelmäßig im Auto mit. Als ich ihn einmal währen eines Mittagessens für eine Viertelstunde allein im Auto lassen musste, fand ich mei-
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Arsenicum album nen Fahrersitz zerfetzt bis auf die metallenen Federung vor, den Hund voller Panik und mit blutendem Maul. Datzu wurde zum Schrecken der Umgebung: Er griff alle anderen Hunde aggressiv an, war mit seinen 35 kg kaum zu halten. Er war unerzogen und nicht zum Gehorsam zu bringen. Einzig Spazierengehen in hungrigem Zustand mit den entsprechenden Leckerbissen in der Tasche konnte ihn am Davonlaufen hindern. Das Treppensteigen war anfangs ein Drama, begleitet von panischem Knurren und Beißen. Ich zog mit Vorsicht und schützender Pappscheibe vor seinem Kopf am Halsband, Sohn Franz schob von hinten und Tochter Ina unterstütze ihn mit einem Handtuch unter der Brust in der Mitte – bis er es endlich gelernt hatte. Ein anderes Problem war sein Kotabsatz. Beim Laufen fiel ihm – wie einem Ross – der Kot aus dem After, ohne dass ich es bemerkte. Das zog uns den berechtigten Zorn der Mitfußgänger zu. Eines Tages hatte ich verschlafen, der Hund hätte rechtzeitig nach draußen gemusst und stand nun neben der Wohnungstür und ließ den Urin laufen. Glücklicherweise hatte ich einen neuen weißen Aufwischeimer parat und stellte ihn darunter: Mit Staunen stellte ich einen grünlich verfärbten Urin fest, der Teststreifen ergab einen extrem erhöhten Eiweißwert. Bisher hatte ich die Verhaltensprobleme der mangelnden Sozialisierung zugeschrieben, aber dieser Befund bewog mich, zusammen mit den bisherigen Beobachtungen, dem Hund Arsenicum XM zu geben. Darauf erfolgte – außer normalisierten und stabilen Urinbefunden – keine wesentliche Änderung. Wochen später hatte ich Datzu – wieder einmal auf einem homöopathischen Kongress – zu Hause meiner inzwischen 20-jährigen Tochter zur Versorgung ans Herz gelegt und sie gebeten, den Hund in der Nacht auf keinen Fall allein zu lassen. Bei meiner Heimkehr fand ich Folgendes vor: Die neue Messingtürklinke an der Innenseite der Haustür war sonderbar rau, ebenso die innere Klinke meiner Wohnungstür – und das Türblatt voller tiefer, spitzer Dellen – ebenso die danebenstehende Kommode! Und schließlich entdeckte ich dieselben Dellen auch an der inneren Seite der Zimmertür! Dann berichteten die Mitbewohner, der Hund wäre spät in der Nacht bis zum Morgen draußen herumgeirrt und hätte dauernd geheult und gebellt.
Als ich Ina zur Rede stellte, gestand sie, damals die ersten warmen Maiabende mit ihrem Freund allein am Bodensee verbracht zu haben. Datzu – so rekonstruierte ich – hat irgendwann in der Nacht voller Panik sein Alleinsein festgestellt, die nach innen öffnende Zimmertür solange zerbissen, bis er zur Wohnungstür gelangte, dann die ebenfalls nach innen öffnende Wohnungstür mitsamt der sich davor schiebenden Kommode zerbissen und beiseite geschoben und schließlich dasselbe mit der Haustür angestellt – ein teuerer Spaß. Datzu bekam Arsenicum 50 M, aber es änderte sich nichts. Ein anderes, wirkliches Horror-Erlebnis mit diesem Hund erschütterte mich noch mehr: Datzu hatte zu Hause seinen Schlaf- und Liegeplatz unter der Dachschräge auf einer großen Matratze hinter einer Couch. Ich hatte ihn zu einer Freundin mitgenommen und übernachtete dort. Datzus eigene Decke hatte ich für ihn auf dem Boden ausgebreitet. Ich selbst schlief daneben auf einer Matratze im Schlafsack, ebenfalls auf dem Boden. Irgendwann erinnerte ich mich im Halbschlaf, dass jemand an meinen Füßen drängelte und plötzlich erwachte ich voll Horror: Mein Hund stand mit gespreizten Vorderbeinen über meinem Gesicht, vor mir das geifernde Maul einer zähnefletschenden, aggressiv knurrenden Bestie. Reflexartig zog ich mir die Decke über den Kopf und rührte mich nicht mehr. Irgendwann stieg der Hund von mir herab und schlief weiter auf seiner Decke, aber mein Schlaf war anschließend nicht mehr der beste. Vielleicht meinte der Hund, ich liege auf seinem Platz, auf seiner Matratze, was diese Aggressionen – nach Mitternacht – auslöste? Wenig später saß ich eines Sonntagmorgens mit Sohn Franz gemütlich am Frühstückstisch. Da kommt dieser Hund, während wir ihm einen Moment den Rücken zudrehen, an den Tisch und stiehlt den angeschnittenen Brotlaib, trägt es auf seine Matratze unter der Dachschräge und kaut darauf herum – obwohl in der Küche sein halbvoller Fressnapf steht. Mit beherrschter Wut ging ich auf ihn zu und versuchte ihn aus „pädagogischen Gründen“ mit freundlichen Worten zu bewegen, mir das 30 cm lange Brot zurückzugeben. Als Schutz für mögliche Angriffe hatte ich ein großes Brotschneidebrett aus der Küche unterm Arm parat. Aber der Hund sprang überraschend voller Aggression auf mich los und zerriss mir den Handrücken.
Arsenicum album Meine bluttropfende Hand gab mir den letzten Anstoß für den Entschluss, mich von diesem ArsenHund zu trennen. Ein orales Beruhigungsmittel hätte der heikle Fresser – aus wahrlich berechtigter Furcht vor Vergiftung – nicht zu sich genommen, und eine herkömmliche Euthanasie mit Injektion wäre für alle Beteiligten ein gefährliches Unternehmen gewesen.
Ich fand – mit blutendem Herzen – einen Jäger, der Datzu ohne vorangehende Zwangsmaßnahmen im Wald mit einem gezielten Schuss ins Jenseits beförderte – wiederum ein Arsen-Schicksal. Alle diese Arsen-Ereignisse können im Arzneimittelbild wiedergefunden werden. Dieses langjährige Live-Studium hat mir das Arsen-Bild unauslöschlich eingeprägt.
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Belladonna – Atropa Belladonna Tollkirsche
Signatur, Thema und Idee des Mittels Atropa Belladonna gehört zu den Nachtschattengewächsen, die in den heimischen, feuchten Waldlichtungen zwischen Licht und Schatten gedeihen, zwischen ,Tag‘ und ,Nacht‘, gleichsam zwischen Wach- und Schlafzustand. Der Belladonna-Patient leidet häufig unter Bewusstseinstrübungen wie zwischen Traum und Wirklichkeit. Bei überwiegender Sonneneinstrahlung und Wärmewirkung verwelkt die Tollkirsche infolge übermäßiger Wasserverdunstung. Genauso wenig kann der Belladonna-Patient eine Wärmezufuhr oder Sonnenbestrahlung vertragen, und ebenso verdampft sein fiebernder Körper den Schweiß – ähnlich vorzustellen wie ein warm gerittenes, angestrengtes Pferd, das an einem kalten Abend im Freien schwer atmend in einer Wolke aus Dampf stehen bleibt, um sich zu erholen. Belladonna bedeutet ,schöne Frau‘ und diente in früheren Zeiten der Schönheit und Begehrlichkeit für das weibliche Geschlecht: Geringe Mengen der schwarz-glänzenden Tollkirschen machten den Weg frei für den ,tiefen, erotischen‘ Blick (Erweiterung der Pupillen) und eine gewisse, besonders sexuelle Enthemmung und Euphorie. Aber der Weg zur tödlichen Vergiftung ist dabei nicht weit. Beinamen wie ,Furiale‘ (die Rasende), ,Mortiferum‘, ,Mörderbeere‘ oder auch die englische Bezeich-
nung ,deadly nightshade‘ (tödlicher Nachtschatten) deuten nach der enthemmenden Erstwirkung die fatale Folgewirkung an. In der griechischen Mythologie ist die Göttin Atropos (Atropa Belladonna) eine der drei Moiren (Schicksalsgöttinnen): Die Göttin Klotho spinnt den Schicksalsfaden für die Menschen, Lachesis verteilt ihn und die Göttin Atropos (die Unabwendbare) schneidet ihn ab. Die Tollkirsche ist eine 1-jährige Staude, die etwa ab Ostern schnell in die Höhe schießt und innerhalb von 6 Wochen bis zu 2 m groß werden kann. Sobald aber – versteckt unter den Blättern – die ersten schmutzig blau-violetten Blüten erscheinen, kommt dieses Wachstum zum Stillstand. Manche Autoren bezeichnen das als „Energiestau“ und sehen darin eine Analogie zur Blutkongestion (Blutstau) zum Kopf im Belladonna- Patienten. Inhaltsstoffe sind insbesondere die Tropan-Alkaloide, die pharmakologisch im Sinn einer Hemmung des Parasympathikus wirken. Der erste Angriffspunkt sind erweiterte Pupillen mit ausgeprägter Lichtscheu und Sehstörungen. Weitere Wirkungen zeigen sich in trockenen, kongestionierten Schleimhäuten, gesteigerter Herzfrequenz mit peripherer Vasodilatation und Erschlaffung der glatten Muskulatur. Thema und Idee: Arterieller Stau – besonders zum Kopf bzw. zu lokalisierten Entzündungen, mit allen 5 Merkmalen der Entzündung: Rubor, Calor, Dolor, Tumor, Functio laesa.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Belladonna ist eines der wichtigen Mittel der Homöopathie, eines der häufigsten Mittel für fieberhafte Infektionen – sowohl für noch unspezifische Allgemeinerscheinungen wie für bereits lokalisierte Entzündungen. Aber auch zentralnervöse Erscheinungen (Meningitis, Enzephalitis, Epilepsie) mit Unruhe bis zur Raserei können das Bild bestimmen.
Belladonna gehört mit zu den „Deliriummitteln“ wie die anderen Nachtschattengewächse Hyos. und Stram. Fieberzustände können von Erregungszuständen, Muskelkrämpfen oder Stupor begleitet sein. Belladonna ist ein sehr wichtiges Mittel für die Gynäkologie!
Belladonna – Atropa Belladonna Belladonna-Erkrankungen folgen oft einem unerkannten Acon.-Stadium. Belladonna ist eines der wichtigsten Mittel für akute fieberhafte Infekte von konstitutionellen Calc.- und Nat-m.-Patienten. Bei gehäufter, falsch dosierter Einnahme homöopathischer Komplexmittel, die Belladonna in tiefer
Potenz enthalten, kann es zur Entwicklung von Arzneimittel-Prüfungssymptomen kommen. Besonders Pferde können bei regelmäßiger überhöhter Dosierung im Sinn einer Arzneimittelprüfung reagieren und z. B. an Kolik erkranken.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Belladonna ist i. d. R. ein Mittel, das in akuten Zuständen leicht zu zuerkennen ist: alle Entzündungszeichen: sehr heiß – sehr rot – sehr berührungsempfindlich; Schwellung – trockene Hitze mit pulsierender Blutkongestion, meist hohes Fieber – dampfende Hitze, trockene Schleimhäute – Funktionsstörung der erkrankten Organe – Kongestion mit pulsierender Blutfülle, schlechte Blutverteilung – pulsierende Carotiden – pulsierende Kapillaren, harter schneller Puls, stark akzentuierte Herzaktion – injizierte, oft sichtbar pulsierende Konjunktiven – rote, trockene Schleimhäute mit pulsierenden Gefäßen – deutliche Rötung erkrankter Teile, Hitze erkrankter Teile
– heiße Nase, heiße Ohren – akut beginnende Entzündungserscheinungen – evtl. zentralnervöse Erregung mit gesteigerter sensorieller Erregbarkeit – Erschlaffung glatter Muskulatur mit Bereitschaft zu spastischen Krämpfen – Schmerzen kommen und gehen plötzlich – spastisches Zusammenziehen von Ringmuskulatur – generelle Verschlechterung durch Erschütterung – Überempfindlichkeit der Sinnesorgane (Licht, Lärm, Berührung) – Stöhnen bei Beschwerden – Beschwerden – Schmerzen – Wehen – kommen und gehen plötzlich – Beschwerden kommen in schneller Abfolge – Fieber muss nicht immer vorhanden sein!
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Belladonna-Patienten verfügen i. d. R. über einen kräftig reagierenden Organismus: die Lebenskraft reagiert intensiv auf pathogene Reize i. d. R. heißer Kopf, warme Ohren, warme bis heiße Nase erweiterte sichtbare Blutgefäße, pulsierende Arterien rote, trockene Konjunktiven mit pulsierenden Gefäßen gerötete, trockene Maulschleimhaut und Zunge, evtl. aufgerichtete Papillen, evtl. Rachenentzündung entzündete Schleimhäute können eine Tendenz zum Bluten haben!
evtl. kalte oder genauso heiße Extremitäten mit Hitze des Körpers oder Kopfes deutlich akzentuierte Herzschläge, hart gespannte Arterien plötzlich auftretende, anfallsweise Schmerzen, die meist plötzlich oder allmählich enden Abneigung gegen Bewegung bzw. Erschütterung des Körpers im Fieber evtl. Erregung, Halluzinationen oder Stupor evtl. Hyperästhesie der Haut Begleitsymptom evtl. Torticollis nach links Erkrankungen besonders bei Jungtieren Hund, Katze: frequente Atmung oder Hecheln
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Belladonna – Atropa Belladonna Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens meist Äußerungen von Überhitzung Hund, Katze: Fieber, Hecheln Pferd, Rind: dampfende Hitze oder Schweiß Angst im Dunkeln, Verlangen nach Licht zentralnervöse Störungen: unbeherrschbare Aggressivität, Abneigung gegen Streicheln – dabei evtl. destruktives Verhalten – Hund: zerbeißt, zerstört Gegenstände
– konvulsivische Bewegungen des Kopfes oder anderer Körperteile – verwirrter, irrer Gesichtsausdruck, Augenausdruck – Raserei mit erstaunlichem, kaum beherrschbarem Krafteinsatz überempfindlich gegen alle Sinneseindrücke: schreckhaft durch Geräusche, Licht, Berührung
Leitsymptome des pathologischen Geschehens meist akute oder perakute Erkrankungen mit heftigem Verlauf plötzliches Auftreten und Verschwinden von Beschwerden, kein langsamer, energiearmer Verlauf Fieber: initiale Fieberzustände, beginnen plötzlich; remittierendes Fieber, Morgentemperatur 1,5 – 2 ⬚C niedriger als abends i. d. R. beginnend am Nachmittag, ca. 15 Uhr, oder am späten Abend schneller Temperaturanstieg auf 39 – 40 ⬚C, selten sogar bis 41 ⬚C; evtl. schneller Temperaturabfall selten auch nur Fieber am Tage kein kontinuierliches Fieber meist trockene (brennende) Hitze, besonders nachts und vor Mitternacht der Körper ist zu heiß, als dass der Schweiß kondensieren könnte Hitzestadium evtl. abwechselnd mit Frieren oder Schüttelfrost Fieberhitze evtl. mit kalter Körperoberfläche evtl. von kaudal aufsteigende Hitze hohes Fieber (40⬚) evtl. mit Bewusstseinstrübungen, Benommenheit, Konvulsionen mit wildem Delirium „Fieberkrämpfen“ Fieber und Entzündungen mit erweiterten oder pulsierenden Blutgefäßen Pferd, Rind: evtl. mit ,dampfender‘ Körperoberfläche Hitze: bei lokalisierter Erkrankung Hitze und Rötung des erkrankten Körperteils Fieberarten und -auslöser: Fieber durch Virusinfektionen ebenso wie durch bakterielle Erreger katarrhalisches, Entzündungsfieber, zerebrospinales Fieber, ,gastrisches‘ Fieber
Fieber durch ,Erkältungen‘ Fieber durch Tonsillitis u. Ä. Exanthem-Fieber ,Milchfieber‘, Puerperalfieber (Lach., Pyrog.) septisches Fieber, Septikämie Fieber bei Hitzschlag, Sonnenstich fieberhafte Erkrankungen nach Abscheren des Fells, anfangs Frieren Fieber häufig verbunden mit zentralnervösen Störungen, z. B. Kopf-Schief-Haltung Entzündungen: äußerliche oder innerliche Entzündungen empfindlich gegen Berührung, Erschütterung, starke Schmerzen mit heftiger Abwehr Phlegmone, unreifer Abszess, heiß, kurz vor der Eröffnung oder noch ungenügende Demarkation des entzündeten Gewebes beschleunigt die Reifung eines Abszesses oder bringt die Entzündung zurück – je nach Stadium abszedierende Entzündungen von Haut, Knochen, Gelenken, Synovitis, Sehnen, Muskeln, Nerven Entzündungen von Schleimhäuten, Blutgefäßen, Lymphangitis, Meningitis, Enzephalitis, Sinusitis Entzündungen der Atemwege aller Lokalisationen, des Verdauungsapparates Entzündung von Leber, Pankreas, Milz, Beckenorganen, Gallenblase, Peritonitis, Diaphragma Entzündungen, Abszesse an Ovarien, Uterus, Zervix, Beckenboden, Vagina, Vulva Entzündungen nach chirurgischen Eingriffen Erysipel, Gangrän Kopf – Zentralnervensystem: Meningitis, Enzephalitis mit Erregungszuständen oder Stupor, evtl. mit Trismus, Zähneknirschen, Opisthotonus
Belladonna – Atropa Belladonna Hitzschlag mit heißer, trockener Haut Epilepsie, Status epilepticus mit heißem Kopf trockene, rote Schleimhäute, auffallende Hitze des Kopfes meist Photophobie, Schließen der Lider, speziell bei Hirnreizung meist erweiterte Pupillen, seltener Kontraktion, evtl. mangelnde Reaktion auf Licht Schwindel durch kleine Bewegungen der Augen mit Fallen nach links, evtl. nach hinten evtl. Grimassieren Apoplex mit anschließenden Lähmungen Augenentzündungen mit Belladonna-Modalitäten akutes Glaukom
erfolglose Wehen – sitzen im Rücken Geburt geht nicht voran ineffektive Wehen Abort Drängen zur Scheide = ,Bearing down‘ speziell im ,dritten Monat‘, erstes Drittel der Gravidität, evtl. ausgelöst durch Medikamente (Nux-v.) drohender Abort mit Belladonna-Symptomen evtl. starke heiße helle Blutungen, mit Drängen (selten beim Tier) Nachgeburtsverhaltung heiße trockene Vagina Metritis, Ovaritis, Adnexitis mit BelladonnaModalitäten
Ohren: Hund, Katze: akute heiße Otitis externa, media oder interna, noch ohne Eiterung! mit heftigsten Schmerzen, Tier lässt sich nicht untersuchen (Hep., Lach.)
Stoffwechselstörungen – Acetonämie der Kuh: Konvulsionen aller Art mit Modalitäten siehe oben Benommenheit bis Delirium Lähmung der rechten Seite Schluckbeschwerden Mydriasis Zuckungen Gesicht – Körper – Rucken, Zucken Herumwerfen zwischen Krampfanfällen evtl. Erscheinungsbild wie Epilepsie mit Schaum vorm Maul verdrehte Augen, Nystagmus Aggressivität, Schlagen, Beißen sucht kühle Plätze
Atemwege: Hund: Zwingerhusten, konvulsiver Husten, ⬍ nach Mitternacht mit Belladonna-Modalitäten Verdauungsapparat: Durst auf große oder kleine Mengen kalten Wassers Entzündungen, Spasmen, Striktur, Lähmung Schlund oder Ösophagus Pferd: Kolik mit überwiegendem Bedürfnis, sich zu strecken, auch zusammenzukrümmen; mit dampfender Hitze, trockenen Schleimhäuten, sichtbarer Gefäßzeichnung der Haut; Krampfschmerzen kommen und gehen plötzlich Genital weiblich: Geburt spastisch verschlossene Zervix nach Fruchtwasserabgang
Mastitis: liegt auf der Seite, nicht auf der Mamma Mamma ist glühend heiß rote Streifen, die vom Zentrum der Entzündung ausgehen (soweit sichtbar) Mamma insgesamt stark gerötet
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Beschwerden durch Aufregung, Schreck, Furcht, Kummer, Liebesentzug, Zorn mit Angst Beschwerden während des Zahnwechsels Fieber, Entzündungen mit o. g. Modalitäten Eklampsie Futtermittelvergiftung, Pilzvergiftung, CO-Vergiftung, Folgen von Narkotika Folgen von Abscheren des Fells, von Nasswerden, speziell des Kopfes Folgen von Überhitzung, Sonnenstich, Hitzschlag Folgen von unterdrückten Hautausschlägen
Modalitäten: warme bis heiße Absonderungen, Schweiß eher betonte Symptome der rechten Seite, aber auch links ⬍ durch Hängelassen erkrankter Teile ⬍ durch Wärmezufuhr jeder Art ⬍ durch strahlende Wärme, insbesondere Sonne ⬎ durch Abkühlung Antidot zu China bzw. Chinin, Plumbum Komplementär besonders zu Calc.- und Nat-m.Konstitutionen
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Belladonna – Atropa Belladonna Ausgewählte Fallbeispiele Jungkatze Biene – Torticollis nach unterdrücktem Fieber Am 13.12.2000 wird ein 16 Wochen altes graues Kätzchen vorgestellt wegen angeblicher Verhaltensstörungen. Der Hals des Tierchens ist spastisch nach links gezogen, lässt sich aber mit sanftem Druck in die normale Position bringen. Anschließend kehrt er wieder in die Ausgangslage zurück. Das Kätzchen läuft in mehr oder weniger großen Bögen linksherum im Kreis. Die Besitzerin bezeichnet es sonst als ausgesprochen munter: „Man kann Bieni kaum ruhig halten, sie ist permanent in Bewegung und läuft manchmal wie ziellos in der Wohnung herum. Vor 10 Tagen waren wir bei einem anderen Tierarzt, weil Bieni nichts mehr fraß. Dort hatte sie sehr hohes Fieber und bekam eine Spritze. Danach ging es ihr zuerst besser, aber seit gestern Abend rennt sie nur noch im Kreis.“
Untersuchung Körpertemperatur 38,4 ⬚C, auffallend rote, warme, trockene Nase, stark gerötete Konjunktiven, deutlich vorgefallene Nickhaut, rote Zunge, verlangsamte Pupillenreaktion auf Lichteinfall, sehr kräftige, stark akzentuierte Herztöne. Die Untersuchung erträgt das Kätzchen ohne bemerkenswerte Abwehr. Die Besitzerin erzählt weiter: „Zu Hause liegt sie aber manchmal auch still in ihrem Körbchen und schläft ruhig. In der Nacht ist mir nichts Besonderes aufgefallen. Gestern hat sie sehr wenig gefressen, heute noch gar nichts. Vom Trinken habe ich nichts gesehen. Kot habe ich auch nicht gefunden, aber vielleicht hatte den schon die Nachbarin beseitigt? Ich war gestern den ganzen Tag nicht zu Hause.“ Keine weiteren klinischen Befunde oder Angaben durch die Besitzerin.
Mittelwahl Die Symptome deuten auf die Folgen einer „Unterdrückung“ bzw. eine Verschiebung der Symptomatik. Das akute Geschehen wurde durch PharmaTherapie beseitigt und äußert sich nun in einer zentralnervösen Erkrankung.
Folgende Symptome zeigen aber noch immer die Indikation für Belladonna, die das Kätzchen wahrscheinlich während der fieberhaften Ersterkrankung gebraucht hätte: äußerer Halt, Torticollis nach links gezogen Allgemeines, Gehen im Kreis Schwindel, dreht sich im Kreis nach links Gemüt, Ruhelosigkeit treibt ihn von Ort zu Ort Die geröteten Schleimhäute und die Nase, ferner die akzentuierten Herztöne deuten ebenfalls auf Belladonna.
Therapie Biene bekommt eine Gabe Belladonna M per os. Bis zum nächsten Morgen hat sich der Spasmus der Halsmuskeln gebessert. Am 16.12. berichtet die Besitzerin, Unruhe und Im-Kreis-Laufen habe sie nicht mehr beobachtet, gute Futteraufnahme, Biene spiele wieder lustig mit ihrer Gummimaus, aber dabei drehe sie manchmal noch den Kopf ein wenig nach links. 2 Monate später höre ich von der Nachbarin, die Biene zeitweilig versorgt, es sei von der Erkrankung nichts mehr zurückgeblieben, Biene sei lustig und munter.
Schweizer Braunvieh-Jungrind – Presswehen nach der Geburt Telefon-Anruf am 3.2.1998: Der Bauer berichtet über seine bedenklich kranke Kuh: „Die Kuh hat gerade vor 10 Minuten geboren, es hat alles sehr gut geklappt, sie hat sich gleich gut versäubert.“ Er meint den spontanen Abgang der Nachgeburt. „Jetzt hat sie extreme Presswehen, ich befürchte, dass sie die Gebärmutter herausdrückt. Was kann ich tun?“ Er berichtet nach entsprechenden Fragen: „Die Presswehen sind mit lautem Stöhnen verbunden, so etwas hört man nur ganz selten. Die Kuh ist extrem heiß, hat ein wahnsinnig pralles Euter, besonders das rechte Hinterviertel ist sehr rot und heiß. Das Flotzmaul ist gerötet, heiß und trocken, die Ohren ebenfalls heiß. Fiebermessen traue ich mich nicht, weil ich befürchte, dass sie dann noch mehr presst.“
Belladonna – Atropa Belladonna Herr Ö. soll ein paar Globuli Belladonna C 30 aus seiner homöopathischen Familienapotheke in Wasser lösen und der Kuh alle 3 – 5 Minuten eine 2ml-Spritze davon ins Maul geben. Nach ca. 15 Minuten soll er den Abstand der Gaben auf 15 Minuten ausdehnen, bis die Kuh aufhöre zu pressen. Besserung des Zustands bereits nach 20 Minuten. Herr Ö. gibt die Arznei noch zweimal im Abstand von 20 Minuten, dann ist die Kuh ruhig. Am nächsten Morgen ist die Kuh munter, frisst gut, kein Fieber, anschließend problemlose Laktation und erneute Besamung.
Epikrise Wahrscheinlich wäre dieser Fall mit einer höheren Potenz Belladonna, etwa M oder XM, noch etwas schneller und einfacher zu lösen gewesen. In akuten Fällen kann anstelle der notwendigen höheren Potenz auch eine kumulierte Gabe einer C 30 erfolgreich sein.
Akute Atemwegsinfektion einer Kuh (Fall von Dr. Hartmut Krüger aus dem Jahr 1981) Eine 6-jährige Fleckvieh-Kuh wird abends wegen Inappetenz und hohen Fiebers vorgestellt. Sie hat vor 3 Wochen ohne Probleme gekalbt und steht zurzeit auf dem Höhepunkt der Laktation. Der Vorbericht des Bauern ergibt, Milchmenge und Appetit seien am Morgen noch unbeeinträchtigt gewesen, aber beim Melken war sie ruhiger als sonst. Beim Fressen habe sie einige Pausen eingelegt.
Untersuchung Puls 110/min., Atmung 54/min., Temperatur 41,2 ⬚C, auffallend warme Haut, Haarkleid stellenweise feucht, Konjunktiven, Skleren und Vaginalschleimhaut trocken und stark gerötet, heißes, trockenes Maul, Pansenstillstand, Herztöne sehr deutlich akzentuiert und laut, Herzspitzenstoß deutlich fühlbar, bronchial verschärfte Atemgeräusche im ganzen Lungenfeld, keine Sekretgeräusche, Abendgemelk nur 1/2 l, Euter und Milch sonst o. B.
Gesamteindruck und Verhalten des Tieres Angespannte Muskulatur, starre Haltung mit vorgestrecktem Kopf, bei aufgelegter Hand ist ein leichter Muskeltremor fühlbar. Die Untersuchung wird mehrmals unterbrochen durch plötzliches Vorwärtsspringen des Tieres in die Anbindevorrichtung – ohne ersichtlichen Anlass. In den letzten Stunden wurde kein Kot abgesetzt, aber normales urinieren.
Diagnose Akuter Allgemeininfekt, Initialstadium einer Bronchopneumonie.
Therapie 5 ml Belladonna D 6 als subkutane Injektion. Nachkontrolle am nächsten Vormittag: Noch verlangsamte Futteraufnahme, Pansentätigkeit und Widerkauen o. B., Kot dickbreiig, Puls 76/min., Atmung 24/min., Temperatur 38,7 ⬚C., die morgendliche Milchleistung ist wieder auf 2/3 des Normalen angestiegen, Milch o. B. Gelegentliche Hustenstöße erinnern noch an das gestrige Geschehen. Deshalb werden nochmals 5 ml Belladonna D 6 injiziert. Falls der Husten nicht binnen der nächsten 48 Stunden aufhöre, solle sich der Besitzer nochmals melden. Eine weitere Therapie war jedoch nicht erforderlich.
Epikrise Dieser Fall wäre aus heutiger Sicht ebenfalls eleganter mit einer oralen Gabe weniger Globuli einer höheren Potenz zu lösen gewesen. Hier sei zusätzlich erwähnt, dass die Injektion tiefer Potenzen bis zur C 30 intensiver wirkt als 1 Per-os-Gabe.
Ponystute Greina – Kolik – Homöopathische Arzneiwirkung Eilbesuch am Abend des 20.4.1994: Die braune Kleinpferdstute habe eine Kolik.
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Belladonna – Atropa Belladonna Befund Das fette, massige Pony ist sehr heiß, schwitzt aber kaum, steht schwer atmend mit nach hinten gestreckten Hinterextremitäten in ihrer Box. Hat sie denn so getobt? „Ja, vor ein paar Minuten. Sie bekommt immer plötzlich anfallsweise Schmerzen, dann wirft sie sich krachend auf den Boden, strampelt ein paar Minuten ganz furchtbar, dann steht sie auf und bleibt ein paar Minuten ruhig bis zum nächsten Anfall. Wir haben schon versucht, sie zu führen, dabei hat sie sich aber auf dem Steinboden hingeworfen und sich über dem Auge alles aufgekratzt.“ Es gelingt gerade noch, zwischen zwei Schmerzattacken Fieber zu messen: Die Temperatur beträgt 40,5 ⬚C. Die Konjunktival-Schleimhäute sind stark gerötet, ebenso das trockene Maul. Die Herztöne auffallend stark akzentuiert. Die letzten Kothaufen sind nicht mehr zu finden. Hat sie so etwas schon früher gehabt? „Nein, so schlimm wie jetzt nicht. Aber gestern Abend war sie auch schon sehr warm und etwas unruhig, hat dauernd an der Tränke gestanden.“
Mittelwahl Das Mittel ist klar. Nach dieser Symptomatik kommt nur Belladonna infrage. In mir steigt ein Verdacht auf: Geben Sie ihr irgendwelche Medikamente? – „Nein, sie war noch nie krank.“ Doch die danebenstehende 12-jährige Reiterin protestiert aufgeregt: „Doch, sie hatte doch den schlimmen Fuß, als sie sich vorige Woche das Eisen heruntergerissen hatte! Da haben wir jetzt immer diese Tropfen gegeben!“ Sie rennt zum Stallschrank und bringt ein Fläschchen mit einem homöopathischen Komplexmittel, das für Verlet-
zungen zuständig sei. Darin sind 14 verschiedene Mittel in tiefen Potenzstufen enthalten, unter anderem Belladonna D 4. Und seit wann und wie oft habt ihr das gegeben? – „Jeden Tag dreimal 15 Tropfen, ich habe sie genau gezählt, seit voriger Woche, seit 6 Tagen.“ Die Besitzer werden aufgefordert, dieses Mittel nie mehr in dieser Dosierung zu verabreichen. Das Pferdchen sieht nach einer Calc-c.-Konstitution aus. Solche Tiere reagieren oft sehr sensibel auf allzu häufige Gaben solcher Komplexmittel.
Diagnose Krampfkolik durch Arzneimittelprüfung mit Belladonna.
Therapie Eine Gabe Belladonna C 200 per os. Nach 15 Minuten ist das Tier ruhig, die Atemfrequenz sinkt auf 14 Atemzüge pro Minute. Die Stute steckt die Nase ins Stroh und will fressen, was die Besitzer jedoch vorerst noch verhindern sollen. Sie binden die Stute vor dem Stall an, wo sie nun ganz vergnügt den anderen Pferden nachwiehert. Am nächsten Morgen liegt die Temperatur bei 37,8 ⬚C, keine weiteren Beschwerden.
Schlussbemerkung Als Arzneireaktion hätte auch eine Kolik mit Opium-Symptomen auftreten können, denn Opium gehört zu den Antidoten von Belladonna. Doch eine Opium-Kolik hätte andere Symptome gezeigt (s. dort).
Bryoniadioicaoder cretica
Bryonia dioica oder cretica Zaunrübe
Signatur, Thema und Idee des Mittels Die Kletterpflanze Bryonia ist ein hartnäckiger und ungebetener Gast im Hausgarten. Mit ihren schnell wachsenden, 5 – 8 m langen Ranken überwuchert sie das gepflegte Buschwerk. Ihre knotige, mächtig verzweigte Wurzel drainiert den Boden und entzieht den anderen Pflanzen das notwendige Wasser. Das üppige Wachstum hält so lange an, wie noch genügend Feuchtigkeit in der Erde vorhanden ist. Mit zunehmender Trockenheit im Spätsommer beginnt die Pflanze zu vertrocknen, um im nächsten Frühjahr wiederum reichlich zu wuchern. Bryonia besitzt einen besonderes Bezug zum „Wasserhaushalt“; im Arzneimittelbild wirkt sie besonders auf Gewebe, das mit „Feuchtigkeit“ zu tun hat: auf seröse Häute und Organe, die Gewebeflüssigkeit absondern oder enthalten. Diese können im Krankheitsfall seröse Ergüsse formen oder bei trockenen Entzündungen schmerzhafte Verklebungen von Gewebe entwickeln. Verständlicherweise leidet diese Pflanze mit ihren langen Wegen für die Versorgung der Ranken unter Einflüssen, welche die Verdunstung von Feuchtigkeit vorantreiben: Hitze und Sonne wird auch der akut kranke Bryonia-Patient grundsätzlich vermeiden. Bryonia klammert sich mit Vorliebe an hässlichen Gartenzäunen fest, was ihr den Namen „Zaunrübe“ verliehen hat. Neben dem Wasserhaushalt ist das Bemühen, sich fest anzuklammern, ein Hauptthema dieser Pflanze. Es scheint, als wolle sie jede Bewegung ihrer Ranken verhindern. Dieselben Modalitäten prägen das gesamte Arzneimittelbild. Auch die hochgradige Empfindlichkeit gegen Berührung und die Besserung durch starken Druck (festes Anklammern), was jede Beweglichkeit verhindert, bilden wesentliche Merkmale im homöopathischen Bild.
Die menschlichen Bryonia-Patienten versuchen z. B. bei ihrer schmerzhaften Bronchitis, Pleuritis oder Pneumonie ihren Thorax ruhig zu stellen, indem sie durch Verschränken der Arme versuchen, Druck auf die Brust auszuüben, um die schmerzhaften Atemexkursionen einzuschränken. Der Tierpatient drückt sich gern an eine feste Wand oder Unterlage und vermeidet jede Bewegung. Sogar der Gang zur Selbsttränke oder zum Trinknapf wird möglicherweise trotz der durstigen Verfassung vermieden. Das Thema Feuchtigkeit äußert sich besonders in Erkrankungen feuchter Körpermembranen bzw. solcher Schleimhäute, die aneinander gleiten, Flüssigkeit absondern oder sich in anderer Weise bewegen. In diesem Zusammenhang sind besonders die serösen Häute zu erwähnen. Hier finden sich akute, hochgradig schmerzhafte Erkrankungen mit serösen Ergüssen oder trockene, fibrinöse Entzündungen, die zu Verklebungen der Serosen führen können. Diese bessern sich durch Ruhe und festen Druck. Wärme verträgt der akute Bryonia-Patient nicht, weil Erhitzung das Austrocknen – im Sinn der Signatur der Pflanze – beschleunigen würde. Will man diese Signatur der Bryonia unter einem Begriff zusammenfassen, so gelingt das am besten mit der Idee von „Verlangen nach Ruhe und Sicherheit“: Bewegung – meist mit Wärmeentwicklung verbunden – bedeutet Veränderung und Unsicherheit für die Zukunft. Am wohlsten fühlt sich daher der Bryonia-Patient in den sicheren Verhältnissen von „Heimat“ und „Geborgenheit“. Der menschliche Bryonia-Patient „will nach Hause“ gehen. Beim Tier können Bryonia-Erkrankungen ausgelöst werden z. B. durch Absetzen vom Muttertier, durch Verkauf oder Stallwechsel, durch ungewohnte Überanstrengung oder Witterungsverhältnisse, Operationen und Ähnliches. Dazu gehören auch psychische oder „Gemütsbewegungen“, wie Beschwerden „durch Ärger“ und „Aufregung“ „Kränkung“ u. Ä.
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Bryonia dioica oder cretica Schließlich kann alles, was eine unerwartete Bewegung oder Veränderung mit sich bringt, eine Bryonia-Erkrankung verschlimmern oder auslösen. Weitere Zeichen für das Verlangen nach Sicherheit sind die „Angst vor der Zukunft“ und „Angst vor Armut“. Beim Tier äußert sich das in gierigem Verlangen nach Futter.
Insgesamt zeigt sich die Bryonia als ein Paradebeispiel für die analogen Beziehungen zwischen den Eigenschaften der Pflanze und dem geprüften Arzneimittelbild. Thema und Idee: Verlangen nach Halt und Stabilität, jede Unsicherheit oder Bewegung – im wörtlichen und übertragenen Sinn – führt zu Beschwerden.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels In der Tierhomöopathie ist Bryonia fast ausschließlich ein Mittel für akute oder subakute schmerzhafte Entzündungen, seltener für chronische Zustände, nur ausnahmsweise ein ,konstitutionelles‘ Mittel. Bryonia ist i. d. R. ein schnell und meist oberflächlich wirkendes Mittel. Die heftigen Entzündungserscheinungen und Schmerzen erfordern entsprechend intensiv wirksame Dosierung. Ausnahmsweise kann sogar eine XM-Potenz – im sehr schweren Fall – schon nach 1 – 2 Tagen wiederholt werden (z. B. perakute Tendovaginitis des Pferdes), bis eine deutliche klinische Besserung erkennbar wird! Aber Vorsicht vor Überdosierungen! Die bekannten und immer wieder beschriebenen „stechenden Schmerzen“ von Bryonia lassen sich beim Tierpatienten nicht feststellen! Stattdessen bemerkt man deutlicher die vermehrten Schmerzen durch Bewegung und Berührung.
Das berühmte Symptom „Patient liegt auf der schmerzhaften Seite“ ist ebenfalls beim Tier nicht immer leicht zu eruieren und kann erst durch eine entsprechende Untersuchung vermutet werden! Daher sind diese Zeichen beim Tier keine so eindeutigen Leitsymptome wie beim Menschen! Wenn nach anfänglichem Erfolg mit Bryonia keine Besserung des Patienten mehr erfolgt und sich die Symptome mit geänderten Modalitäten verschlechtern, dann ist ein Wechsel des Mittels angebracht, das die Heilung zu Ende führt. Dieses Phänomen ist häufig bei Verletzungen zu beobachten, bei denen oft mehrere „Verletzungs-Mittel“ nacheinander gegeben werden müssen, wenn es die Modalitäten fordern, z. B. kann nach Bryonia durchaus Rhus-t. indiziert sein – oder umgekehrt. Bei der Mastitis kommt als Folgemittel für den akuten Zustand häufig Phyt. infrage.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Perakute Zustände: nach Verletzung, Überanstrengung, Entzündung, Operation Akute Erkrankungen: entwickeln und steigern sich langsam – in Stunden oder Tagen – bis zu bedrohlichen Zuständen Verletzungsfolgen können auch in einen m. o. w. chronischen Zustand übergehen. Schmerzhafte Entzündung seröser Häute, Körperhöhlen oder Schleimhäute: Gelenke, Sehnenscheiden, Faszien, Muskeln, Pleura, Peritoneum, Perikard, Meningen, Lungen, Darm, Ovarien, Mamma mit Tendenz zu Erguss, Hydrops oder trockener Verklebung
Erkrankungen, die ätiologisch durch „Veränderung der Lebensverhältnisse“, „Gemütsbewegungen“ oder „unterdrückte Absonderung“ bedingt sind Wesentliche leitende Modalitäten: schlimmer durch jede Art von Bewegung, besser durch absolute Ruhe schlimmer durch Berührung schlimmer durch äußere Wärme besser durch starken Druck besser durch Abkühlung Einige spezielle Indikationen für die Veterinärmedizin: Metaphylaxe nach chirurgischen Eingriffen (Laparotomie, Arthroskopie u. Ä.) mit schmerzhaften Reizungen von Peritoneum oder Synovia
Bryonia dioica oder cretica Pneumonie, Bronchitis, Peritonitis mit extremen Schmerzen bei jeder Bewegung Hund: trockene Obstipation, z. B. nach Knochenfressen (Op., Plb.) Pferd: perakute oder akute Tendinitis/Tendovaginitis/Arthritis, schlimmer durch Bewegung
Rind: Fremdkörpererkrankungen mit diesen Modalitäten Fohlen, Kälber, Lämmer: Synovitis bei Lähme-Erkrankungen von Jungtieren (Puls., Sil.)
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten auffallendes Verlangen nach Ruhe mit Abneigung gegen jede Form von Bewegung und Erschütterung leidender Gesichtsausdruck ohne Wehleidigkeit! Stimmung ärgerlich, reizbar, launisch, gereizt durch jede Bewegung deutliche Schmerzäußerungen, Schreien bei jeder Bewegung oder schon vor der Berührung ruhige, zusammengekauerte oder gekrümmte Stellung
Tiere drücken sich an die Wand oder in eine harte Ecke ihres Lagers, liegen auf der erkrankten Stelle trockene Schleimhäute, trockenes Maul Patienten meiden strahlende Wärme, z. B. Sonne, Heizung, Rotlicht-Lampe lassen sich nicht zudecken, wehren sich gegen warme Umschläge Das in vielen Arzneimittellehren beschriebene Symptom „besser durch Liegen auf der schmerzhaften Seite“ lässt sich beim Tierpatienten nicht immer leicht eruieren!
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens auffallend ruhiges, scheinbar apathisches Verhalten mit mangelnder Anteilnahme „will in Ruhe gelassen sein“, will nicht gestreichelt werden, weil jede Bewegung die Schmerzen verschlimmert daher scheinbar abweisende Stimmung Aggressivität und Schmerzäußerungen erschweren die klinische Untersuchung des Patienten reizbare Stimmung, Aufregung durch Störung und Erschütterung Reizbarkeit bis Aggressivität, wenn Bewegung oder Zuwendung gefordert werden (Cham.) meist hochgradig empfindlich gegen Berührung, schreit plötzlich auf, noch bevor er angefasst wird bei Berührung extreme Anspannung des erkrankten Körperteils, manchmal mit Stöhnen oder Schreien weniger oder keine Schmerzen bei festem Anfassen, Festhalten oder intensivem Palpieren Patienten lassen sich hinstellen, bleiben dann dort bewegungslos, evtl. stöhnend stehen
je nach Lokalisation der Erkrankung unsicherer, steifer Gang, um jede Erschütterung zu vermeiden bei extremen Gelenkschmerzen (frisches Trauma, akute hochgradige Synovitis) kann gelegentlich trotz starker Schmerzen auffallende Unruhe des erkrankten Teils (Rhus-t.) beobachtet werden, aber Bewegung ⬍ die Schmerzen! extreme Muskel-Anspannung durch plötzliche Berührung (z. B. Abwehrspannung des Abdomens), dadurch unwillkürlicher Wind-, Kot- und Urinabgang häufig Heißhunger, gieriges Verlangen nach Futter Durst häufig oder nach großen Mengen (aber manche Patienten haben solche Schmerzen durch Bewegung oder durch den Gang zur Selbsttränke, dass sie keine Tränke nehmen und dehydrieren!) Hund: will nur ruhig und fest im Arm gehalten sein – oder besser: ruhig auf seinem Platz liegen Pferd: möglicherweise empfindlich gegen das Anziehen des Sattelgurtes
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Bryonia dioica oder cretica Leitsymptome des pathologischen Geschehens Fieber: entwickelt sich innerhalb von 2 – 3 Tagen möglicherweise intermittierendes Fieber mit Frieren, aber ohne Schüttelfrost, vermeidet trotzdem äußere Wärme mit Benommenheit (z. B. Meningitis) Fieber ⬍ abends 21 Uhr oder vor 24 Uhr Entzündungen seröser Häute: Pleura pulmonalis, costalis, Perikard, Peritoneum, Meningen Serosa-Auskleidung von Gelenken und Schleimbeuteln Sehnenscheiden, Muskulatur, Aponeurosen mit warmer, fluktuierender oder teigiger Schwellung Rind: Fremdkörper-Erkrankungen – Peritonitis, Pleuritis, Perikarditis Zentralnervensystem: Meningitis cerebralis oder cerebrospinalis (Bell., Stram., Hell., Apis u. a.) steife Haltung des Kopfes, Opisthotonus mit extremer Abneigung gegen jede Bewegung (wegen hochgradiger Schmerzen) sucht den Kopf gegen harte Wand oder Boden zu drücken möglicherweise unwillkürliche Kopf- oder Kaubewegungen manchmal als Folge von unterdrückten Hautausschlägen Augen: eines der wenigen, im Repertorium genannten Mittel für „rezidivierende Entzündung“ – aber es ist fraglich, ob Bryonia ein so wesentliches Mittel z. B. für die „periodische Augenentzündung“ des Pferdes ist! akute Entzündungen mit Rötung, eitrig-verklebten Lidern und geschlossenen Augen ausgeprägte Photophobie, evtl. Mydriasis kein wund machender Tränenfluss! Konjunktivitis, Iritis, Chorioiditis, Retinitis, Entzündung der Sklera (Rhus-t.) Iritis o. a. Folgen von Augen-Verletzung (u. a.) Augenschmerzen ⬍ durch Bewegung der Augen u. a. Bryonia-Modalitäten Atemwege: absteigende akute Infekte – Rhinitis, Laryngitis, Tracheitis bis Pneumonie oder Pleuritis ⬍ rechte Seite Reizhusten trotz Schmerzen mit Wundheitsgefühl eher Pleuritis sicca, seltener auch Pleuraerguss, meist mit Fieber hochgradig schmerzhafte Atmung, schmerzhafter Husten
Tiere versuchen, das Husten zu vermeiden, stattdessen stöhnende, ächzende Atemzüge stehen oder liegen an die Wand gedrückt Diagnose: kräftiges Klopfen an die Brustwand löst deutliche Schmerzreaktion aus! (⬍ Erschütterung) im Stehen wird evtl. durch Schmerzen beim Husten ein Vorderfuß plötzlich aufgehoben quälender, erschöpfender, trockener, kurzer, tiefsitzender Husten, auch anfallsweise evtl. tonloser, kurzer Husten feuchter, lockerer Husten mit Auswurf nur am Morgen dabei evtl. unterbrochene, stöhnende, flache Atmung oder angehaltener, ächzender Atem Husten ⬍ durch tiefes Atmen, beim Aufstehen vom Liegen Husten schlimmer im warmen Raum, im warmen Stall, unter Rotlichtlampe, in warmer Sonne Hund: Husten mit Erbrechen Pferd: eines der Mittel, die für Influenza infrage kommen können Verdauungsapparat: eines der Hauptmittel für Zahnschmerzen durch Zahnverfall (nicht Eiterung) oder Zahnverletzungen ⬎ durch konstantes Draufbeißen, ⬍ durch Kauen i. d. R. trockenes Maul, kein Speichelfluss Zunge weißlich bis gelbbraun, besonders im Zentrum Durst auf große Mengen, in häufigen Portionen man sollte dem Bryonia-Patienten die Tränke direkt aus der Hand anbieten! denn jede Bewegung – auch das Laufen zur Tränke – verschlimmert die Schmerzen! Magen-Verdauungsprobleme, Übelkeit, Erbrechen nach ungewohntem Futterwechsel Verdauungsstörungen nach kaltem Trinken bei Überhitzung Beschwerden durch Trockenfutter (Puls.) durch psychischen Stress Magenprobleme besser durch warme Tränke (Keynote! Einziges Mittel!) Hund: Verdauungsstörungen; Obstipation durch Trockenfutter oder Knochen (neben
Bryonia dioica oder cretica anderen Mitteln); Erbrechen unmittelbar nach dem Fressen; Erbrechen unverdaut, besonders 2 – 3 Stunden nach dem Fressen; vermehrter Appetit vor Beginn einer Erkrankung Abdomen: Schmerzäußerungen ⬍ bei leichter Berührung, mit spastischer Kontraktion der Bauchmuskeln (Nux-v.), oft begleitet von Schreien oder Stöhnen besser bei starkem Druck, lässt sich gut durchpalpieren, aber dann Loslassschmerz Aszites, Lebererkrankungen Peritonitis durch Darmerkrankung, Fremdkörper, nach Laparotomie (DD Lach. bei Tendenz zu septischen Zuständen!) Kuh: wichtiges Mittel für die Fremdkörper-Peritonitis, -Pleuritis, -Perikarditis Bauchschmerzen: ⬎ durch Anziehen der Hinterextremitäten, ⬎ durch Bauchlage Obstipation: Leitsymptom: hochgradige Empfindlickeit des Abdomens auf leichte Berührung (DD Lach.) besser durch starken Druck (DD Lach.) mit auffallender Trockenheit des Rektums, trockener, harter, krümeliger, evtl. sogar blutiger Kot chronische Obstipation, auch mit Kolik-Beschwerden durch Ärger, während, nach der Geburt, während des Zahnwechsels Obstipation möglicherweise abwechselnd mit Durchfall Schmerz im Rektum, während des Kot-Absetzens, Inaktivität des Rektums unwillkürlicher Kotabgang Hund: Obstipation nach Knochenfressen, auch mit Peritonitis (Op., Plb., Lach.) Kuh: produziert geformten Kot! Diarrhö: nach unterdrückten Hautausschlägen, nach „Gemütsbewegung“, Aufregung, Ärger nach Fressen von Obst, nach der kleinsten Unregelmäßigkeit im Futter ⬍ durch Bewegung, ⬍ bei heißem Wetter Genital: Entzündung der Beckenorgane (Apis, Pyrog., Rhus-t. u. a.) Abort Ovariitis rechts (Apis), Metritis mit Ödem, Salpingitis, mit Beteiligung des Peritoneums Erkrankungen durch fehlende Ausscheidung von Lochien
Euter – Gesäuge: akute Mastitis, die sich in ca. 2 Tagen entwickelt, mit den passenden Modalitäten Mastitis besonders am Beginn der Laktation und während des Abstillens (Puls.) harte warme, rosa phlegmonöse Schwellung, mit hochgradiger Berührungsempfindlichkeit, besser durch harten Druck Milch lässt sich wegen Gel-artiger Beschaffenheit und Schmerzen kaum ausmelken die Tiere liegen auf der kranken Mamma die Tiere vermeiden das Laufen, weil ⬍ durch jede Erschütterung auch übermäßige Milchleistung, evtl. mit Milch laufen lassen Bryonia wird bei der Mastitis gut gefolgt von Phyt. Kühe: sind wegen Reizbarkeit und Schmerzen evtl. unter Zwangsmaßnahmen zu melken (Cham.); Probleme nach dem Trockenstellen (Bell., Calc., Puls. u. a.) Sau, Hündin: lässt die Ferkel/Welpen nicht saugen, sondern liegt unverrückbar auf dem Gesäuge Jungtiererkrankungen: Polyarthritis („Kälber-“, „Fohlenlähme“) (DD Puls.), die Tiere können – wenn aufgestellt – ruhig stillstehen, aber nicht laufen Bronchitis, Bronchopneumonie, Pneumonie, Pleuritis Patienten vermeiden das Liegen unter der Rotlichtlampe, obwohl sie häufig frieren liegen an der Wand oder in der Ecke, suchen Gegendruck! Bewegungsapparat: hochgradige Lahmheit in der Bewegung, im Stillstehen eher schmerzarm (⬎ durch Druck des Körpergewichts) akute Arthritis, auch Polyarthritis mit wechselnder Lokalisation, Wechsel der Seiten (Puls.) evtl. Borrelien-Polyarthritis mit den passenden Modalitäten (Borrelien-Nosode) warmes geschwollenes Gelenk, Hydrops seröser Erguss im Gelenk, Sehnenscheide, Bursa mit warmer, entzündlicher Schwellung aber auch fibrinöse Verklebungen möglich akute Verstauchungen mit hochgradiger Lahmheit, mit warmer Schwellung des Gelenks (Rhus-t.) Sehnenzerrung, Bänderzerrung, Kapselzerrung (evtl. Folgemittel von Rhus-t. oder umgekehrt) akute, schmerzhafte Bursitis (z. B. Karpalbeule, Stollbeule, Piephacke) (Ruta, Arn.) seröser Erguss durch Verletzung, Distorsion
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Bryonia dioica oder cretica akute Arthritis-Schübe von chronisch-arthritisch veränderten Gelenken plötzliche, heftige Lahmheit während der Bewegung, „wie durch einen Fehltritt“ Pferd: geht lahmheitsfrei aus dem Stall, beginnt während der Bewegung plötzlich heftig zu lahmen, sogar im Schritt; lahmheitsfrei nach Ruhezeit, aber während der Bewegung wieder dasselbe Phänomen; Lahmheit ⬍ auf hartem Boden; schlechter beim Bergabgehen – wegen vermehrter Erschütterung der erkrankten Extremität; i. d. R. kein Mittel für die chronische Podotrochlose, aber möglicherweise für eine akute Entzündung der Bursa podotrochlearis mit den passenden Modalitäten; akute Laminitis, Hufrehe; akute Tendovaginitis mit fibrinöser Schwellung („Wade“, „Bogen“, „Banane“) Die oft zitierte subjektiv empfundene Modalität „Gliederschmerzen ⬎ durch Bandagieren“ (starker Druck) ist bei Tieren schwierig zu beurteilen! Rücken: Spannung und Steifheit, mit Spasmen der langen Rückenmuskeln,⬍ durch jede Bewegung Rückenschmerzen durch Diskopathie, Überanstrengung, Kälte, Nasswerden Lumbago, Torticollis mit heftigsten Schmerzen (Nux-v., Lyc., Hyper., Rhus-t.), nur besser in absoluter Ruhe
Verletzungen: besonders von Serosa-ausgekleideten Organen, Nerven, Gelenken mit warmer, entzündlicher Schwellung, Berührungsempfindlichkeit Distorsionen, Luxationen aller Gelenke möglich (oft Folgemittel nach Rhus-t. oder umgekehrt) Verletzungen, Zerrungen der Halswirbelsäule, z. B. nach Sturz (Rhus-t., Hyper.) Lumbago durch Überanstrengung, Zerrung Folge von Hirnerschütterung (Arn., Hyper.) Schmerzen ⬎ durch Ruhe, ⬍ durch Bewegung, ⬍ durch fortgesetzte Bewegung Schlagverletzungen u. Ä. gegen Thoraxwand, Rippenfraktur, kann kaum atmen Chirurgie: Hauptmittel für die Reizung des Peritoneums nach Laparotomie Reizung der Synovia nach Arthroskopie (in hoher Potenz besser wirksam als steroidale oder nicht steroidale Entzündungshemmer) schmerzhafte Zystenbildung seröser Teile nach Operationen (z. B. nach Resektion von Bursa) verhindert die Reizung und Verklebung seröser Häute nach Operationen übermäßige Schmerzen nach Operation, Übelkeit durch die geringste Bewegung weibliche Tiere: eine Gabe Bryonia C 200 oder M nach Laparatomie bringt überraschend schnelle Rekonvaleszenz, ohne nachfolgende Verklebungen!
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Unsicherheit, Veränderungen der Lebenssituation: Absetzen vom Muttertier, Verkauf, Stall-/Besitzerwechsel, Aufenthalt beim Händler u. Ä. Gemütsbewegungen: Zorn, Ärger, Demütigung, Verachtung (durch ein neues, ranghöheres Tier in der Familie oder Herde) (Staph., Lyc.) Folgen von unterdrückten Absonderungen, Hautausschlägen Folgen von „unterdrücktem Schweiß“ (z. B. Hitzestau durch Austrocknung, Solarium, Wind) Atemwegsinfekte, Verdauungsstörungen durch kaltes Trinken nach Überhitzung Beschwerden durch kalorienreiches Futter („reiche Speisen“) Beschwerden während des Zahnwechsels Operationen: beugen Schmerzen und Entzündungen seröser Häute und deren Verklebungen vor
erregerbedingte Infektionen seröser Häute, z. B. Staphylokokken-Arthritis ⬍ Bewegungsmangel („sitzende Lebensweise“) Modalitäten: eher ⬍ rechte Seite, aber nicht zwingend ausgeprägtes Verlangen nach Ruhe, will nicht gestreichelt werden ⬍ durch jede Art von Bewegung, ⬍ durch die geringste Bewegung ⬍ durch Berührung, aber ⬎ durch starken Druck Pferd: Bryonia-Lahmheit ⬍ durch Anguss-Verband, der sich langsam aufheizt, ⬎ durch kaltes Abspritzen ⬍ durch Erschütterung ⬍ durch Wärme (warmer Raum/Stall), ⬍ durch Hitze schlimmer oder ausgelöst durch warmes Wetter nach kühlen Tagen
Bryonia dioica oder cretica ⬍ durch Wetterwechsel von kalt nach warm (Puls., Kali-s., Sulf.) ⬎ durch kühle, frische Luft (Puls. u. a.) ⬍ 21 Uhr, ⬍ morgens beim Aufwachen i. d. R. großer Durst auf große Mengen oder häufige Aufnahme kleiner Mengen im Fieber häufig Frieren, ohne Besserung durch Wärme, eher ⬍ durch Wärme! Fieber ⬍ 21 Uhr, meist die ganze Nacht manchmal Zähneklappern bei Schüttelfrost im Fieber
Arzneimittelbeziehungen: Komplementär zu Alum., Kali-c., Nat-m. folgt gut auf Acon., Nux-v., Op., Rhus-t. Folgemittel nach Bryonia: Alum., Ars., Kali-c., Lyc., Nat-m., Nux-v., Phos., Puls., Rhus-t., Sep., Sulfur oft vor oder nach Rhus-t.-Distorsionen u. Ä.
Ausgewählte Fallbeispiele Yorkshire Rüde – Neuralgie
Klinische Diagnose
2-jähriger Yorkshire-Rüde, wurde 1994 vorgestellt wegen unklarer Schmerzäußerungen seit einigen Tagen. Die Besitzer stellen ihn mitsamt seinem Körbchen auf den Untersuchungstisch, mit den Worten: „Passen Sie auf, er beißt! Er beißt sogar uns, wenn wir nur an sein Körbchen herankommen! Das hat er noch nie getan! Und er will gar nicht mehr laufen. Wir tragen ihn – mit Jacke und Handschuhen zum Schutz gegen sein Beißen – draußen vor die Tür, dort macht er eine kleine Pfütze und will sofort wieder rein.“ Zur klinischen Untersuchung muss der Yorki schon seinen Korb verlassen und wird ohne ihn auf den Untersuchungstisch gesetzt. Durch festes Zupacken glaubten wir, seinen Bissen entgegenwirken zu können. Zum Erstaunen der Besitzer funktionierte das ohne Abwehr. Aber Auskultation und Fiebermessen führen zu kreischender Abwehr, während der sich das Tierchen zusammenkrümmt und am ganzen Körper verkrampft. Das wiederholt sich nun bei jeder Berührung. Atemwege, Herz-Kreislauf o. B. Körpertemperatur 38,8 ⬚C. Der After ist trocken, Kot habe das Tier seit gestern nicht mehr abgesetzt, habe weder gefressen noch getrunken. Nur ein kleines Häppchen Lieblingsfutter habe er aus der Hand genommen und aus dem vorgehaltenen Trinknapf ein wenig getrunken. „Und noch eins ist uns aufgefallen: Wenn er mal muss, geht er nicht mehr durch die Diele zur Wohnungstür wie sonst, sondern er schleicht immer an der Wand entlang, als ob er eine Stütze braucht.“ Ein Auslöser der Erkrankung ist nicht bekannt.
Neuralgischer Lumbago.
Therapie Bryonia XM, Gabe einiger Globuli per os. Am nächsten Tage kann der Yorki wieder springen wie in besten Zeiten.
Hündin Bessy – traumatische Peritonitis Bessy, 11/2 Jahre alt, schwarze Flat-Coated Retriever-Hündin, wurde gestern hysterektomiert. Wegen einer Nachblutung verlief die Operation nicht ganz einfach. Nun leidet sie unter starken Bauchschmerzen: Sie kann sich kaum bewegen, läuft langsam und steif wie ein Brett, schreit vor Schmerzen auf, sobald man die Bauchdecke berührt und vermeidet das gewohnte Lager an der Heizung. Körpertemperatur 39,1 ⬚C, Herz und Kreislauf sind ohne Befund; die Auskultation erträgt sie ohne Zeichen von Schmerzen oder Abwehr.
Diagnose Traumatische Peritonitis.
Therapie Sie bekommt 1 Gabe Bryonia XM per os und kann nach 2 Tagen wieder springen wie in besten Zeiten.
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Bryonia dioica oder cretica Kalb – Bronchopneumonie Ein schwarzbuntes Kalb, 4 Monate alt, leidet seit gestern – oder vielleicht schon seit vorgestern? – unter „Husten“, die Körpertemperatur beträgt jetzt am Vormittag 39,8 ⬚C, guter Ernährungszustand, kurze stöhnende Atmung, verschärfte Atemgeräusche. Das Kalb liegt auf der rechten Seite in die Ecke seiner Box gedrückt und rührt sich nicht, versucht so, sich der wärmenden Rotlichtlampe zu entziehen. Es hat weder Futter noch Tränke zu sich genommen. Gelegentlich ist ein leiser, kurzer, trockener Husten zu hören. Nach Berührung oder Klopfen an die Brustwand folgt ein schmerzhaft-gequältes Stöhnen. Auf die Füße gestellt, verharrt es in bewegungsloser, krummer Haltung; kurze, gepresste Atmung. Aus dem vor die Nase gehaltenen Eimer trinkt es gierig, aber die Selbsttränke wurde nicht benutzt.
Therapie Bryonia XM, 1 Gabe per os. Am gleichen Abend steht es an der Krippe, frisst etwas Heu und trinkt wieder selbstständig, nach 2 Tagen ist – auch auskultatorisch – kein pathologischer Befund mehr zu erheben.
4-jähriges Springpferd – akute traumatische Tendinitis Der Fuchswallach Holsteiner Abstammung, angehendes Superspringpferd, hat sich – wahrscheinlich beim Freispringen – vor 3 Tagen eine Tendinitis der Beugesehnen am linken Vorderfuß zugezogen. Eine richtige „Wade“, sehr warm, nur wenig druck-
empfindlich. Die Beugesehnen sind als ein warmer teigig-geschwollener Strang zu fühlen. Es liegt eine starke Stützbeinlahmheit vor. Diese fibrinöse Tendinitis erfordert Bryonia XM und absolute Boxenruhe. Der Pferdepfleger wird verpflichtet, das Bein so oft wie möglich mit kaltem Wasser abzuspritzen. Nun sitzt er auf einem Hocker in der Waschbox, hört Radio und hält unentwegt den dünnen Wasserstrahl auf die Sehnen. Nach 2 Tagen hat sich noch keine deutliche Veränderung eingestellt. Darum wird Bryonia XM wiederholt. Nach weiteren 2 Tagen ist die „Banane“ kleiner geworden und weniger warm. Die Lahmheit besteht weiterhin unverändert. Wegen mangelnden Fortschritts bekommt das Pferd 3 Tage später die dritte Dosis Bryonia XM. Nun geht es zusehends besser. Nach weiteren 3 Tagen ist die „Wade“ kaum noch zu tasten, die Lahmheit auf hartem Boden im Trab nicht mehr erkennbar. 1 Woche nach der letzten Arznei bzw. 20 Tage nach Anfang der Erkrankung beginnt man mit Schrittarbeit. Die Beugesehnen sind klar zu tasten und frei von Schwellungen. Im Trab auf Hallenboden ist keine Lahmheit mehr festzustellen. Der langsame Trainingsaufbau gelingt ohne Probleme. 4 Wochen nach Krankheitsbeginn ist das Pferd – ohne „Wade“ – wieder voll einsatzfähig. Allerdings muss in solchen Fällen streng individuell dosiert werden! Diese Angaben sollen kein Rezept für die „bewährte Indikation“ sein, sondern nur ein Beispiel eines dokumentierten Falles.
Calcarea carbonica Calcium carbonicum – Calcarea carbonica Hahnemanni
Signatur, Thema und Idee des Mittels Austernschalenkalk ist die Grundsubstanz von Calcium carbonicum oder Calcarea carbonica Hahnemanni. Die wenig attraktive Kalkschale wird von dem Muscheltier aus der Gattung der Weichtiere gebildet. Damit gehört Calcarea zu den homöopathischen Mitteln des Tierreiches und ist nicht identisch mit dem chemisch definierten Calciumcarbonat. Im Arzneimittelbild offenbart die Signatur dieses Lebewesens den Zwiespalt zwischen „hart“ und „weich“, zwischen mineralischer Muschelschale und schleimig-gestaltlosem Weichtier. „Schleim“ heißt im Griechischen „Phlegma“; und tatsächlich verfügen die meisten Calcarea-Patienten über ein phlegmatisches Temperament. Das ungeformte Muscheltier ist wie „zu weich für diese böse Welt“ und braucht für sein schlaffes, überempfindliches Gewebe den Schutz der „harten Schale“. Andererseits versteht es, mit unerwarteter Kraft dem gewaltsamen Öffnen der Muschelschalen passiven Widerstand zu leisten. Der Calcarea-Patient ist i. d. R. „von schlaffer Faser“, verfügt – wie das amorphe Muscheltier – über einen geringen Muskeltonus und ein schwaches Bindegewebe. Die Motorik wirkt daher meist plump und ungeschickt. Die feuchte Oberfläche des Weichtiers findet ihre Entsprechung im wenig differenzierten Mesenchym, in Schleimhäuten und Lymphorganen, die zu chronischen Katarrhen, zu Lymphknotenschwellungen, Entzündungen und Absonderungen neigen. Die Muschel wird allenthalben mit dem „weiblichen Prinzip“ assoziiert, mit dem Prototyp des „Yin“, dem Inbegriff für passive Empfänglichkeit. Calcarea-Patienten sind tatsächlich enorm empfindsam und verletzlich, haben „Angst vor der Grobheit anderer“, Angst vor Schmerzen und möchten deshalb am liebsten allen alles recht machen oder sich dem bestimmenden Einfluss anderer entziehen. Dennoch kann der Calcarea-Patient in bestimmten Situationen ein unverständlich stures, beharrliches Verhalten an den Tag legen: Wenn sein „har-
ter Dickkopf“ etwas nicht will, steht man ihm machtlos gegenüber. Einzig massiver Druck, scharfe Ermahnungen oder Strafe können die Sturheit übertreffen und Calcarea wieder in eine bereitwillige Stimmung versetzen. Auch das Vollbringen physischer Anstrengung bedarf eines gewissen Antriebs, um seine Faulheit in beflissenen Arbeitseifer zu wandeln. Nach Überwindung von anfänglicher Trägheit kann Calcarea durchaus leistungsfähig sein: Er kann eine anerkennenswerte Muskelkraft mobilisieren; er kann nach entsprechendem Training sogar eine gute Ausdauer-Leistung vollbringen, aber für schnelle Sprints oder athletische Hochleistungen ist er nicht geboren. Gruppen von Austern leben im flachen, durchlichteten Meer, stationär an Felsen angeheftet, sie bleiben ihr Leben lang im fest gefügten „Familienverband“ am „Dauerwohnsitz“. Auch der Calcarea-Patient ist i. d. R. sesshaft, liebt sein „trautes Heim“, lässt sich gern „bemuttern“ und versorgen und ist glücklich, wenn alle Familienangehörigen „zu Hause“ sind. Er treibt sich nicht gern herum, wie es andere Mittel tun; Reisen ist für ihn möglicherweise nur in Begleitung seiner „schützenden Muschelschalen“, seiner Familie oder seines Wohnwagens erstrebenswert, am liebsten besucht er bekannte Familienmitglieder in deren vertrauter Umgebung. Es ist nahe liegend, dass der Calcarea-Patient zu Erkrankungen neigt, wenn neue, unerwartete Lebenssituationen auf ihn zukommen, z. B. durch Wohnungs- oder Stallwechsel, Abgabe ins Tierheim oder Verkauf in fremde Hände; ja sogar ein Standortwechsel in ein und demselben Stall kann zu Problemen führen. All diese Impulse beantwortet der Calcarea-Patient i. d. R. mit stoischer Passivität. Allerdings kann er auch mit hektischem Eifer oder Panik reagieren, wenn Strafe, Grobheit oder damit verbundene Schmerzen drohen. Dieses Verhalten überfordert möglicherweise seine Leistungsfähigkeit und führt zu Erkrankungen durch Überanstrengung (Distorsionen, Sehnen-, Bänder-, Gelenkverletzungen).
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Calcarea carbonica Der Lebensinhalt der sesshaften Auster besteht darin, die Muschelschalen regelmäßig ein wenig zu öffnen, um in passiver Manier das ernährende Plankton hereinschwimmen zu lassen. Die Nahrungsaufnahme spielt eine ganz wesentliche Rolle im Dasein des Calcarea-Patienten. Der menschliche Calcarea-Patient ist stets um einen gefüllten Kühlschrank und eine Reserve auf dem Bankkonto bemüht, um seine „Angst vor Armut“ zu befriedigen. Beim Tier führt diese Verfassung zu unersättlichem Verlangen nach Futter. Die meisten CalcareaTiere verlangen intensiv nach großen Mengen „reichhaltiger Nahrung“ (kalorienreichem Futter) und können keinen Hunger ertragen. Calcarea-Tiere sind i. d. R. extrem verfressen, können ihre Gier mit sturer Ausdauer durchsetzen und finden immer irgendetwas zum vorübergehenden Besänftigen ihres beständigen Appetits. Calcarea gehört neben Puls., Lach., Ant-c., Sulf. und Kali. zu den am meisten adipösen Patienten. Ausnahmsweise gibt es aber auch magere Calcareas, z. B. bei Nutritionsstörungen in jugendlichem Alter. Die Muschelschalen der Auster sind aber dennoch mehrheitlich verschlossen. Der Calcarea-Patient setzt sich nicht gern den psychischen und physischen Reizen der Umwelt aus, die mit Schmerzen verbunden sein könnten. Wenn nun wirklich beim „Hereinschwimmen des Plankton“ ein Körnchen Sand ins Muschelinnere eindringt, dann entsteht ein schmerzhafter, chronischer Entzündungsreiz an der Schleimhautähnlichen Oberfläche dieses Muscheltieres, regt es zu vermehrter Absonderung von kalkhaltigem Sekret an und formt sich allmählich zur Perle aus, dem Symbol von Vollkommenheit. Grundsätzlich braucht der Calcarea-Patient meist für jede Aktivität einen besonderen „Push“. Ohne solche Reize würde Calcarea zum penetrant-langweiligen Gefährten werden. Calcarea-Patienten wirken häufig verschlossen und reserviert. Calcarea-Kinder wollen z. B. in der homöopathischen Anamnese verhindern, dass über ihre Unvollkommenheit gesprochen wird und halten der Mutter den Mund zu. Calcarea-Hunde versuchen nicht selten, sich der Anamnese zu entziehen und legen sich wie Nat-m. oder Thuj. mit abgewandtem Kopf an der Tür nieder oder verlangen quengelnd, nach draußen gelassen zu werden. Aber im Gegensatz zu Nat-m. oder
Thuj. ist Calcarea für freundliche Worte eher empfänglich und insbesondere jederzeit für Leckerbissen. Calcarea – mit seiner Affinität zur „Vollkommenheit“ – leidet unter Ermahnungen und Tadel, liebt umso mehr Schutz und Anerkennung durch Ranghöhere – Menschen oder Tiere – und schließt sich gern freundschaftlich an solche an. Das ist eine sinnvolle Strategie, um schmerzhafte Angriffe der Artgenossen fern zu halten. Unter Gleichaltrigen nimmt er selten einen hohen Rang ein, aber in einer Gruppe von untergeordneten Artgenossen kann er durchaus den streitsüchtigen „Macho“ spielen, oft in derselben unangenehmen Art und Weise wie Lyc. – ohne Aggressionshemmung gegen Jungtiere. Andererseits kann sich ein überängstlicher Calcarea-Patient sogar von Jungtieren einschüchtern lassen. Unter homöopathischer Therapie kann diese Calcarea-Persönlichkeit sehr wohl lernen, sich gegen die Aggressionen von Ranghöheren zu behaupten, aber sie ist nicht für die „Führungs-Position“ über andere geschaffen. Der Calcarea-Patient ist in den meisten Fällen nicht dumm, sondern weiß wie z. B. Lyc. genau, wann und auf welche Art und Weise er zu seinem Vorteil gelangen kann. Das Calcarea-Pferd oder -Pony lernt z. B., dass es sich gegen die Stromstöße des Elektrozauns weitgehend durch seine dichte Mähne schützen kann und drückt dann so lange gegen den dahinter stehenden Holzzaun, bis dieser nachgibt; oder es drängt nur zwischen den Stromstößen heftig hindurch; zur „Belohnung“ gelangt es dann auf die verbotene saftige Wiese. Was Calcarea einmal intensiv gelernt hat, vergisst es nicht wieder; auch das ist ein Zeichen seiner Beharrlichkeit. Doch bis das Gelernte richtig „sitzt“, können manchmal mühsame Wiederholungen nötig sein. Andererseits können allzu heftige erschreckende Impulse durchaus irrationale Panikattacken auslösen, die Calcarea ebenfalls sein Leben lang nicht vergisst (Acon., Stram., Op.). Calcarea-Patienten leiden unter einer Vielzahl von Ängsten: Erwartungsangst vor dem Unbekannten, vor der Zukunft, vor dem Verhungern, vor neuer Umgebung, vor neuen Artgenossen, vor dem Alleinsein, vor Schmerzen, vor unklar erkennbaren Gegenständen – kurz: Es gibt kaum etwas, das den Calcarea-Patienten nicht in Angst und Schrecken versetzen kann.
Calcarea carbonica Calcarea gilt in der Homöopathie als „Breitspektrum-Angst-Mittel“. Es heißt sogar, wenn jemand über mehr als drei Arten von Ängsten klagt, dann solle man in erster Linie an Calcarea denken. In diesem Zusammenhang wirkt seine sture Beharrlichkeit wie ein lebenserhaltender Fixpunkt, der ihn vor Unwägbarkeiten schützt. Das Ziel im Leben von Calcarea ist überschaubare Sicherheit in jeder Hinsicht, am besten wie das Leben des Säuglings im Mutterschoß oder als unabhängiger Selbstversorger auf dem Lande. Die Themen „Kind“ und „Mutter“ sind zwei weitere zentrale Punkte im Arzneimittelbild. Calcarea ist ein häufig gebrauchtes Mittel für lebensschwache Neugeborene und Erkrankungen im Säuglingsalter (wie Sil.). Calcarea weist naturgemäß (wie Calc-p.) auf den Calcium-Stoffwechsel hin: Dieses Arzneimittel spielt eine wesentliche Rolle im Wachstums- und Entwicklungsgeschehen: Viele Calcium-Patienten vermögen das mit der Nahrung angebotene Calciumcarbonat nicht zu assimilieren und leiden unter „Rachitis“ (verkrümmte Knochen, Schäden der
Wirbelsäule, Erkrankungen von Schleimhäuten und des lymphatischen Rachenrings). Beim erwachsenen Tier findet sich häufig ein „kindisches Verhalten“ wie das eines Jungtiers. Das kommt natürlich den Tierbesitzern entgegen, die ihr Haustier als Kindersatz betrachten (wie Puls.). Calcarea ist ferner ein wichtiges Mittel für den strapazierten Calcium-Metabolismus des Muttertieres während der Laktation (wie Calc-p.). Das ruhige Temperament, die Bequemlichkeit, der geringe Muskeltonus, ungeschickte Motorik, der insgesamt verlangsamte Stoffwechsel und die Tendenz zu Adipositas machen Calcarea zu einem hervorragenden Therapeutikum für hypothyreote Zustände. Thema und Idee: Aus der Spannung zwischen unnachgiebiger Härte und übersensibler Weichheit ergibt sich eine ausgeprägte Sensibilität für Reize aller Art, zugleich mit langsamer, gründlicher Sturheit. Sichere Geborgenheit im Mutterschoß wären Ziel und Ideal seiner psychischen und physischen Unzulänglichkeit.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Calcarea ist ein intensiv und lange wirksames Mittel, es kann tief greifende Verbesserungen in der gesamten Konstitution des Patienten bewirken. Es darf in angemessener Potenz nicht zu häufig wiederholt werden. Am besten wirksam ist die seltene Gabe einer sehr hohen Potenzstufe, die einige Monate auf den Organismus einwirken sollte. Der bekannte Schweizer Altmeister der Homöopathie, Dr. Künzli, warnte ausdrücklich vor Überdosierungen niedriger Potenzen und zu häufigen Gaben, sogar von purem Calcium-Pulver: Diese können während der Gravidität oder in der Wachstumsphase zu Störungen der Ossifikation führen, z. B. zu vorzeitiger Verknöcherung von Fontanellen oder Epiphysenfugen. Calcarea ist in Groß- und Kleintierpraxen ein häufig gebrauchtes konstitutionelles Mittel mit besonderem Schwerpunkt in der Therapie von Jungtieren.
Diese Calcium-Konstitution kann durchaus lebenslang bestehen bleiben. Oft kristallisiert sich aber mit zunehmendem Alter ein anderes konstitutionelle Mittel heraus, meist eines der Folge- oder Ergänzungsmittel (z. B. Lyc. oder Sulf.). Calcarea findet sich am häufigsten bei schweren Rassen, bei Tieren mit massivem, häufig großem Körperbau. Als Prototyp von Calcarea möge man sich einen jungen Bernhardiner-Hund vorstellen (aber keineswegs jeder Bernhardiner benötigt immer als Therapeutikum Calcarea carbonica, sondern sein individuell gewähltes Heilmittel). Calcarea ist z. B. das häufigste Mittel für neugeborene Kälber und für Rinder der „Fleischrassen“, ferner ist es häufig indiziert beim schweren Warmblut- oder Kaltblutpferd sowie bei manchen adipösen Kleinpferden, für schwere Hunderassen und sogar für die Schildkröte. Lebensschwache Fohlen leichter Rassen benötigen dagegen häufiger Sil. Wenn Calcarea im Repertorium bzw. Arzneimittelbild des Menschen unter „will wandern“ oder
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Calcarea carbonica „reisen“ angegeben ist, so könnte man einen Widerspruch zu dem bisher beschriebenen Bild vermuten. Dieses „Reisen“ oder „Wandern“ bezieht sich auf ein vom Verstand geprägtes Bedürfnis: Der menschliche Calcarea-Patient möchte unabhängig sein von Risiken und Aufregungen im Zusammenleben mit anderen Menschen, er „will von allen Menschen fort aufs Land“, möchte sich selbst versorgen und damit möglichst den Unwägbarkeiten der Zukunft entgehen, indem er selbst für sich vorsorgt. Das Calcarea-Tier wird sein „trautes Heim“ wahrscheinlich nur dann freiwillig verlassen, um auf Nahrungssuche zu gehen: Der Calcarea-Hund läuft davon, um die nächst gelegenen Komposthaufen nach fressbaren Resten zu durchstöbern; das Calcarea-Pferd drückt sich durch den Weidezaun, um an die nächste saftige Wiese zu gelangen.
Calcarea ist selten indiziert bei gewöhnlichen Hauskatzen, aber umso häufiger bei trägen, dicken Edelkatzen, z. B. Perser, Karthäuser. Calcarea-Patienten sind i. d. R. keine „Hochleistungssportler“: Springpferde der Klasse M oder S, Military-Pferde, gute Galopp- oder Trabrennpferde oder schnelle Windhunde werden wahrscheinlich kein Calcium carbonicum als konstitutionelles Heilmittel benötigen. Calcarea-Patienten bekommen häufig Beschwerden, die sich nach dem Mondrhythmus orientieren: z. B. epileptische Anfälle bei Voll- oder Neumond, zu- oder abnehmendem Mond.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute Erkrankungen: akutes Aufflackern konstitutionell bedingter Calcarea-Erkrankungen Störungen im Calcium-Stoffwechsel, z. B. nach der Geburt Lebensschwäche bei Neugeborenen (wie Sil.) Subakute bis chronische Erkrankungen: Folgen von Distorsionen oder Überanstrengung Chronische und konstitutionelle Therapie: häufigste Indikation von Calcarea Übersicht über pathologische Schwerpunkte: gestörter Calcium-Metabolismus mit verzögerten Wachstums- und Entwicklungsvorgängen dicke, aber weiche Knochen mit Tendenz zu Deformitäten oder Frakturen schwacher Muskeltonus mit Beschwerden durch Überanstrengung Entzündungsneigung von Schleimhäuten und Lymphorganen
Obstipation, Durchfall speziell von Jungtieren Hautausschläge wie Milchschorf, unheilsame Haut, Eiterungsneigung, chronische Otitis externa Eklampsie, Festliegen durch Hypokalzämie (Calc-p. u. a.) Neigung zu Distorsionen, Hüftluxation, Arthritis, Arthrosen, Schäden der Wirbelsäule Dysfunktion von Schilddrüse und Thymus Neigung zu Adipositas mitunter gute Leistungsbereitschaft, aber oft mangelnde Leistungsfähigkeit Tendenz zum trägen, aber beflissenen Phlegmatiker, „psychische Atonie“ Tendenz zu physischer und psychischer Schwäche mit ,Sturheit‘ und ,Faulheit‘ Epilepsie besonders bei zunehmendem und Vollmond
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Tiere mit blonder oder heller Fellfarbe und schwachem Bindegewebe, auch dunkel pigmentiert oft dickes, weiches Abdomen infolge hypotoner Muskulatur, oft dünner, kurzer Hals schmaler Thorax, dicker Bauch (Lyc., Nat-m., Sep.)
magere Extremitäten bei dickem Rumpf oft untersetzter Körperbau, Zwergwuchs oder groß gewachsene, atonische, schwach bemuskelte Tiere unverhältnismäßig großer Kopf (außer bei Kreuzungen von Rassen unterschiedlicher Größe) häufig gewölbte Stirn („Kindchen-Schema“)
Calcarea carbonica meist dicklich, plump, kräftiger Körperbau, seltener mager „sture Kinder mit einer Neigung zum Dickwerden“ (Schlüsselsymptom) aufgetriebenes Abdomen, besonders bei Jungtieren, evtl. mit Wurmbefall, Fehlgärungen, Flatulenz möglicherweise auch schlechte Futterverwerter („Abmagerung mit Heißhunger“), besonders bei Jungtieren häufig dicke Haut mangelnder Elastizität, häufig Ektropium, evtl. Zufallen der Augen Tendenz zu „lymphatischer Konstitution“, Lymphknotenschwellungen, durchsafteter Hautturgor altes Aussehen junger Tiere oder jugendliches Aussehen und Verhalten älterer Tiere meist phlegmatisches Temperament oft „Spätentwickler“, „Willensschwäche“, dabei evtl. ,kindisches‘ Verhalten manchmal trauriger Gesichtsausdruck Exophthalmus und Kropf im Rahmen von Erkrankungen der Schilddrüse plumpe, ungeschickte Bewegungen, Neigung zum Stolpern Langsamkeit in physischen und psychischen Reaktionen
Hund freundlich, wedeln oder bellen permanent, oft ohne ersichtlichen Grund „schüchtern“, desinteressiert, indifferent, abgewandt oder ungehemmt aufdringlich wirken oft ,kindisch‘ oder jünger als sie sind, erwachsener Hund spielt wie ein Welpe häufig aufgewölbte „Kindchen-Stirn“ (z. B. Bernhardiner u. Ä.) meist feuchtes Hecheln infolge Aufregung durch neue Umgebung oder fremde Menschen blicken verunsichert rings um sich herum verharren ungern im Stehen, setzen oder legen sich gleich nieder hinterlassen feuchte Spuren mit den Pfoten, kalter oder warmer, meist stinkender Pfotenschweiß wenig bemuskelt, eher verfettete Muskulatur Dauerfresser, Allesfresser sitzt oder liegt zufrieden und ruhig, unkomplizierte Tiere
pflegeleichter Hund, wenn man nicht über ihn stolpert ideale Hunde für die Familie, für Kinder, für alte Leute, für die Therapie
Pferd oft wuchtige Erscheinung, oft mit einem Mangel an Eleganz in seinen Bewegungen wirken infolge Fettansatz muskulöser als sie sind manchmal „Speckhals“, unverhältnismäßiger Fettansatz an der Halsoberlinie (wie Thuj.) Tendenz zu ungeschickten Bewegungen Neigung zum Stolpern und Einknicken im Carpus Hinterhufe greifen häufig im Trab in die Vorderhufe (Ballentritt) oft schmerzlos geschwollene Kehlgangslymphknoten ohne weitere Symptome oft dichteres oder längeres Fell als andere Pferde, evtl. mit feuchter Unterwolle Neigung zum übermäßigen Schwitzen, besonders bei Anstrengung, besonders hinter den Ohren Tendenz zu Durchtrittigkeit in Fesselgelenken Tendenz zu Bildung von „Gallen“, zystischen Erweiterungen von Sehnenscheiden, meist oberhalb der Fesselgelenke die Hufe hinterlassen auf kaltem Boden häufig feuchte Spuren („Fußschweiß“) freundlich bis uninteressiert, aber aufdringlich, sofern es um Leckerli oder Fressen geht keine Hochleistungs-Turnier-Pferde, gute Hobby-, Wander- oder Familien-Pferde
Rind Prototyp der schweren bis mittelschweren Mutterkuh mit großem Euter und mittelmäßiger Milchleistung (Hochleistungskühe und deren Kreuzungen brauchen häufiger andere Mittel) wichtiges Mittel speziell für schwere oder Fleischrassen häufigstes Mittel für die konstitutionelle Therapie von Kälbern mit sehr breitem Spektrum (s. unten) Kälber oft mit dichtem Fell und feuchter Unterwolle, besonders hinter den Ohren, hinter den Ellbogen und an den Flanken
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Calcarea carbonica Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens freundlich, aber nicht aufdringlich, außer für Leckerli oder Futter meist von ruhigem, faulem, phlegmatischem Temperament, i. d. R. wenig Eigeninitiative oft schüchterne, zurückgezogene Jungtiere, aber immer bestechlich durch Futter oft ängstlicher, jämmerlicher Blick, „wehleidiges“ Verhalten „clever“, um Anstrengung zu vermeiden und Futter zu finden oder zu stehlen freundlich und bemüht, alles richtig zu machen, aber stur und bockig, wenn er etwas nicht will wegen Sturheit Tendenz zum Ungehorsam oft „plump-vertrauliches Trampeltier“ muss ab und zu gepusht werden, sonst störrisch, weigert sich z. B. spazieren zu gehen braucht sehr viel Aufmunterung, guter Zuspruch oder „emotioneller Druck“ bessert im sozialen Verband meist in mittlerer bis tiefer Rangposition schnell Unterlegenheitsgebärde, aber notfalls heftige Abwehr, wenn Phlegma überwunden manchmal spontan aggressiv zu neuen Gefährten, möglicherweise sogar streitsüchtig aber schnell Demutsgebärden, wenn selbst angegriffen, jedoch keine Unterwürfigkeit blufft andere, besonders an der Seite eines Ranghöheren Angst vor Neuem, Unbekanntem sehr beeindruckbar durch Strafe, bemüht sich, es „nie wieder zu tun“, außer Futter stehlen „Furcht vor Krankheit“, d. h. wehleidig bei Schmerzen, beim Tierarzt lässt wegen „Angst vor Grobheit“ alles zitternd über sich ergehen oder kaum beherrschbare Panik Panik äußert sich nicht in kopfloser, zielloser Flucht wie bei Ars., sondern eher in Wegspringen, kurzem Davonlaufen, Zittern und Starrwerden vor Schreck Zittern bei Angst (auch beim Pferd), Zuspruch, Streicheln und Leckerbissen bessern Angst im Dunkeln, im Nebel (Hund: knurrt z. B. nicht erkennbare Gegenstände an)
Hund Es gibt von dem Basset „Wurzel“ unzählige Calcarea-Cartoons, die man regelrecht repertorisieren kann! Angst vor Grobheit, dann evtl. nervöses Pfotenkauen oder andere Automatismen empfindlich gegen „Familienkrach“, fühlt sich davon persönlich betroffen Pfotenkauen oder -lutschen bei psychischer Belastung Spielverhalten mit mäßigen Engagement: steht oft abseits und guckt zu, wie andere spielen macht mal einen Satz, hält inne oder rempelt andere ungelenk an, plumpes Herumhüpfen zufrieden zu Hause, wenn alle da sind, gern gestreichelt (Magnetismus ⬎) dort liegt er am liebsten neben der Familie auf dem Sofa (Puls., Phos., Lyc.) dennoch oft Stöhnen, jammern, ohne erkennbaren Grund unzufriedenes Miefen oder Bellen ins Leere (Puls., freut sich, wenn lieb angesprochen) geht nicht stromern, sondern höchstens in den Garten, bleibt vorsichtshalber hinterm Zaun läuft nur davon, um noch mehr Futter zu suchen bei allzu großer Angst rennt er nach Hause beste Rolle: Kindersatz bei kinderlosem älteren Ehepaar Schlimmstes: fort von zu Hause, alleingelassen in fremder Umgebung
Pferd brummt bei jedem Schritt und knickt dabei immer wieder im Carpus ein manche Calcarea-Pferde leiden unter Sattelzwang, lassen nicht gern den Sattelgurt anziehen versteht es meisterhaft, sich möglichst vor Arbeit und Anstrengung zu drücken einem schwachen Reiter zieht das Calcarea-Pferd mit Vorliebe die Zügel aus der Hand, geht an die nächste Wiese und frisst, der Reiter kann oben „verhungern“
Calcarea carbonica Leitsymptome des pathologischen Geschehens Wachstum: verzögerte Entwicklung von Jungtieren, körperlich und psychisch Schwäche bei Neugeborenen; ungeschicktes Laufen; träge, hypotone bis apathische Jungtiere Beschwerden durch zu schnelles Wachstum Zwergwuchs oder große Tiere Prophylaxe und Therapie von frischen Nabelentzündungen, besonders beim Kalb (Abszess: Merc.; entzündliche Phlegmone: Apis) blutige Absonderung aus dem Nabel aufgetriebenes Abdomen bei abgemagerten Jungtieren (Sil.) verzögerte Knochenentwicklung, weiche Knochen, Rachitis, krumme Beine, WirbelsäulenProbleme, ,Verkrümmungen‘, Senkrücken, Diskushernien u. Ä. Stellungsanomalien: zehenweit, bodenweit, kuhhessig Neigung zu Frakturen, besonders bei Jungtieren durch minimalen Anlass; schlechte Heilung von Knochenfrakturen, insbesondere bei Jungtieren; durchtrittige distale Extremitätengelenke (Calc-f., Calc-p. u. a.) Erkrankungen während des Zahnwechsels, verzögerter Zahnwechsel Hypotonie der Muskulatur verzögerte körperliche Entwicklung Junghund: wird spät stubenrein Kälber: Frühgeborene; lebensschwach, verspätetes Aufstehen, mangelnder Saugreflex Zentralnervensystem: Meningitis, Enzephalitis bei Neugeborenen (u. a. Mittel) Epilepsie (eines der wichtigsten Mittel!), evtl. ausgelöst durch Wurmbefall, ⬍ bei Vollmond Eklampsie, Festliegen o. Ä. durch Störungen im Calcium-Metabolismus (schwere Rinderrassen) hypothyreotes Struma, möglicherweise mit Phasen von Krämpfen oder Übererregbarkeit Schleimhäute: Konjunktivitis, Rhinitis, Sinusitis, schniefen, sabbern, glasige, schmierig-schleimige Absonderung Schleimhautkatarrhe durch Kälte und Zugluft mit Tendenz zu Chronizität, besonders bei Jungtieren Augen: Augenentzündungen akut, chronisch, rezidivierend
Konjunktivitis, Keratitis – mit Pusteln, Bläschen Iritis- möglicherweise mit Verklebungen, Retinitis Hornhauttrübung, Arcus senilis (Hund) (u. a. Mittel), Pterygium Katarakt bei Jungtieren (einziges Mittel!), auch bei erwachsenen Tieren Ektropium Entzündungen nach Augenverletzungen, Tränengangsstrikturen Entzündungen des Tränenapparates, auch eitrig verklebte Augen morgens, meist bei Jungtieren Tränenfluss, ⬍ im Freien offene Augen im Schlaf (u. a. Mittel), beim Tier aber ein weniger auffallendes Zeichen als beim Menschen Pferd: eines der Mittel für die periodische Augenentzündung Atemwege: Kurzatmigkeit bis Atemnot, durch oft nur geringe körperliche Anstrengung oft chronische Rhinitis mit reichlich schmieriger Absonderung Tonsillitis, auch chronisch Lymphknotenhypertrophie und -induration (bes. Mandibular-Lymphknoten), meist schmerzlos oft chronische oder rezidivierende Katarrhe, Husten in vielen Variationen, asthmatische Atmung Verdauungsapparat: vorzeitiger Zahnverfall bei Jungtieren, schwarze Zähne, Zahnwurzelabszesse Zähneklappern bei Aufregung, Frieren o. Ä. Zusammenbeißen der Zähne, Kaubewegungen, Zähneknirschen im Schlaf Epulis (Nit-ac., Thuj.), schmerzlos Heißhunger, Gier auf Futter Milch: Verlangen oder Unverträglichkeit i. d. R. viel Durst, besonders auf kalte Tränke Verlangen nach nahrhaften Speisen (Lyc., Nux, Puls., Sulf.) Unverträglichkeit von ,reicher‘ Nahrung (reich an Eiweiß oder Fett) Unverträglichkeit von Trockenfutter Verlangen nach Unverdaulichem: Sand, Steine, Kalk, Kotfressen u. Ä. durstlos im Fieber das Hauptmittel für chronischen lehmartigen Durchfall bei Kälbern heller bis ockerfarbener Kot oder Durchfall bei Jungtieren evtl. wegen Unverträglichkeit von Milch
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Calcarea carbonica eines der Hauptmittel für saure Dyspepsie, saueren Durchfall, speziell bei Jungtieren Wurmbefall u. a. Endoparasiten Übelkeit und Erbrechen beim Autofahren Obstipation ohne Drang und möglicherweise ohne Beschwerden Obstipation mit weißem Kot Diarrhö während des Zahnwechsels Abmagerung bei Heißhunger, meist viel Durst chronische Verdauungsstörungen Hund, Katze: Verlangen nach Salz, Süßem, Eiern; Unverträglichkeit von Trockenfutter Bewegungsapparat: schwacher Muskeltonus verursacht Tendenzen zu folgenden Problemen: Verstauchungen, Verrenkungen (Rhus-t., Ruta), Muskelschmerzen lockere, durchtrittige Gelenke, Hüftluxation, lockere Patella, Streckerlähmung (,Schlurfen‘!) Arthritis, Arthrosen, Wirbelsäulen-Erkrankungen, -Verkrümmung: Hüftgelenkdysplasie, Gelenkluxationen; Schwere der Glieder, ,müde Beine‘, rheumatische Schmerzen schlechte Frakturheilung systematisches Training bessert den Muskeltonus! Torticollis Pferd: Distorsionen der Zehengelenke; Gallen, Zysten an Gelenken und Sehnenscheiden im distalen Gliedmaßenbereich; Pulsation der Mittelfußarterien ohne Erkrankung im Hufbereich (,Hitze der Füße‘) (u. a. Mittel) Genital: meist deutlich ausgeprägter Sexualtrieb evtl. späte Geschlechtsreife, Zyklusstörungen aller Art Störungen der Wehentätigkeit (u. a. Mittel) Lactatio falsa durch Hypophysenstörungen (,Milch bei nicht schwangeren Frauen‘, u. a. Mittel) Mammatumoren (u. a. Mittel) Fluor reichlich vor der Geschlechtsreife Erkrankungen der Prostata Kryptorchismus ⬍ nach Coitus: Schwäche, Reizbarkeit, Schläfrigkeit, Erkrankungsbeginn u. Ä.
Kuh: große Euter, mit Tendenz zu Störungen im Calcium-Metabolismus (Calc-p.); spontanes Nachlassen der Milchleistung; Laufen lassen der Milch (eines der Hauptmittel bei der Kuh!) Haut: Hautausschläge wie Milchschorf Eiterungstendenz von Verletzungen unheilsame Haut, Eiterungsneigung, Seborrhöe, Pickel, Atherome (Meerschwein), Lipome trockene, rissige Haut im Winter, Juckreiz ⬍ im Kalten, Feuchten Ekzem der Ohren, des Gehörgangs (Lyc., Natm., Psor., Sulf., Thuj.), mit Juckreiz hormoneller Haarausfall, nach Geburt, Alopecia areata Vitiligo viele kleine, oft gestielte Papillome an Lippen, Larynx, Nasenhöhle, Vagina, die leicht bluten (nach Franco del Francia) zyklusbedingte Hautausschläge (u. a. Mittel!) Pferd: Urtikaria durch körperliche Anstrengung (Nat-m., Urt-u., Psor., Puls.); meist reichliches Schwitzen; evtl. Schweißmangel bei Anstrengung – führt zu Hitzestau und Schwäche Harnwege: eines der wichtigen Mittel für Inkontinenz Steinbildungen in Niere/Blase Leistung: faul, träge, schnell erschöpft, kann aber durchaus zur Leistung trainiert werden durch Ansporn oder Druck sehr beflissen, sich anzustrengen und zu lernen auffallende Schwäche nach dem Deckakt Hund: ideale Familienhunde, Kinderhunde, Therapie-Hunde; nicht für Schutzdienst geeignet, da zu wenig Aggression; guter Begleiter für lange Wanderungen, aber kein Fahrradtraining und kein Sprinten! Pferd: ideales Familien-, Hobby- oder Wanderpferd, kein Hochleistungspferd; eher ein Steher als ein Sprinter; kann aber bei entsprechendem Training durchaus akzeptable Leistungen bringen
Calcarea carbonica Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Überanstrengung, von Stress jeder Art Beschwerden während des Zahnwechsels, während des Wachstums, während der Geschlechtsreife Beschwerden bei der Rekonvaleszenz Beschwerden durch mangelnde Bewegung (,sitzende Lebensweise‘) Beschwerden durch Säfteverlust, z. B. Milchleistung Beschwerden durch Erwartung, Aufregung, emotionelle Belastung Beschwerden durch grobe Behandlung – mit permanenter Angst davor Beschwerden aller Art nach Coitus Beschwerden durch ,unterdrückte Schleimhautabsonderungen‘, ,unterdrückten Eiter‘ Beschwerden durch ,unterdrückten Schnupfen‘ Folgen von Erkältung, Zugluft, ⬍ nach Schwitzen Beschwerden durch Nasswerden, „nasse Füße“ Beschwerden durch „feuchte Wohnung“ – feuchter Stall, Zwinger u. Ä. Beschwerden durch Verlust der Sicherheit, Tierheim, Händler, unbekannte Zukunft Fehlernährung, zu kalorienreiche, eiweißreiche Kost Beschwerden durch Unverträglichkeit von Milch (Aeth., Sil.) Beschwerden durch Trockenfutter
Modalitäten: ⬍ rechte Seite ⬍ durch jede Art von Stress ⬍ während Wachstumsschüben, ⬍ während Gravidität, ⬍ nach der Geburt, ⬍ durch Laktation ⬍ männliche Tiere ⬍ nach Coitus (Schwäche oder Beginn von Erkrankungen) ⬍ während Zahnung und Zahnwechsel ⬍ feuchtkaltes Wetter, ⬍ Kälte, ⬍ im Winter, ⬍ im Frühling ⬍ morgens beim Erwachen, ⬍ nach Schlaf, kommt schwer in Gang ⬍ durch Anstrengung, Treppensteigen ⬍ durch Überhitzung beim Warmwerden, insbesondere bei Hitzestau mit dickem Fell ⬍ im Mondzyklus: = Periodizität: ⬍ bei Vollmond, ⬍ bei zunehmendem, abnehmendem Mond, ⬍ Neumond Periodizität an jedem 2. Tag ⬎ durch mäßig warm-trockenes Klima
Komplementär: Bell., Lyc., Nux-v., Rhus-t., Sil., Sulf., Tub. weitere: Dulc., Puls., Phos., Ars. u. a. bei Exostosen des Pferdes insbesondere auch Calc-f. bei Wachstumsstörungen auch Calc-p. u. a.
Ausgewählte Fallbeispiele Hinterwälder Kalb, 7 Tage alt – Entwicklungsrückstand Anfang April 2003: Ein Hinterwälder Kuh-Kalb, hellbraun-weiß gefleckt, wird von einem anthroposophisch geführten Mutterkuh-Betrieb vorgestellt wegen massiver Absonderung aus dem Nabel. Das Kalb ist entsprechend seiner Rasse groß und kräftig (nach üblichen Kuh-Maßstäben winzig). Umso mehr erstaunt der Vorbericht: Das Kalb habe nach der problemlosen Geburt nicht aufstehen wollen. Erst ca. 5 Stunden später wurde es vom Bauern auf die Füße gestellt und stand dann so unsicher, dass es die Zitzen immer wieder verlor und nur minimale Mengen trinken konnte.
Ohne zusätzliche Hilfe fiel es wieder in sich zusammen und döste vor sich hin. Erst am 2. Lebenstag konnte es wackelig stehen und hatte wegen seiner Größe zusätzliche Schwierigkeiten, die Zitzen selbständig zu finden. Am 3. Lebenstag kam es mit den anderen Kühen und Kälbern mit auf die Weide, war aber zu schwach, wieder in den Stall zu laufen und musste mit einer Schubkarre zurück gefahren werden. Aus dem Nabel sondere sich immer wieder reichlich Flüssigkeit ab: „Man kann sie richtig abmelken – jedes Mal etwa eine Tasse voll.“ Der Kot ist weißlich-breiig bis flüssig und auffallend übel riechend. Das Kalb liegt neben seiner Mutter und macht auch nach Antreiben keine Anstalten aufzustehen.
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Calcarea carbonica Erst als der Bauer es auf den Arm nimmt und hinstellt, bleibt es wacklig stehen und taumelt. Die ersten Schritte sind unbeholfen und steif, wir befürchten, dass es gleich wieder niederstürzt. Der Nabel ist gut faustgroß, weich und schmerzlos. Aus dem verkrusteten Nabelstumpf lässt sich etwas seröse Flüssigkeit herausdrücken. Der Verdacht auf Urachus-Fistel bestätigt sich nicht. Keine weiteren klinischen Befunde. Ich fordere den Bauern auf, das Kalb zum Laufen zu bringen. Mühsam lässt es sich anschieben und läuft einige steife, ungeschickte Schritte, und plötzlich beginnt es zu traben und vollführt übermütige Bocksprünge, sodass die noch liegende Kuh nach ihm brummt. Das Kalb ist nur schwierig wieder einzufangen, damit es die Arznei bekommen kann: Calc-c. XM, einmalige Gabe per os. Die Indikation von Calc-c. ist so klar, dass sich eine Repertorisation erübrigt. Bereits am nächsten Tag steht das Kalb gut auf, beginnt freiwillig zu laufen und es kommt wieder mit auf die Weide. Der Kot ist am nächsten Tag o. b. B. Nach 5 Tagen ist der Nabel trocken ohne jedes Sekret; die Umfangsvermehrung ist nach 10 Tagen vollkommen zurückgegangen.
Blasenblutungen bei einer Katze Die 7-jährige Mimi, grau gestromte und weiß geplattete Kreuzung aus Perser und Hauskatze, wird von Frau M., einer Kollegin, mit zum homöopathischen Arbeitskreis als Live-Patientin gebracht. Mimi – reine Stadtwohnungskatze – war wegen eines solitären Blasensteins (Calcium-Phosphat) operiert worden und hat nun, 2 Monate nach der OP, noch immer einen rosafarbenen, blutigen Urin. Schulmedizinisch ist alles Erdenkliche an Therapie gelaufen, die Wunde ist gut verheilt, nach Ultraschall und Röntgen sind in der Blase weder weitere Steine noch Gries vorhanden. Verhalten und Allgemeinbefinden der Katze sind ungetrübt. Einzig ihre frühere Marotte, den Besitzern aufs Bett zu urinieren, hat sich wieder ausgeprägt. Frau M. bringt die Katze in einem nach oben zu öffnenden Katzenkorb, stellt diesen auf einen Tisch, nimmt Mimi heraus und setzt sie mitten in unseren Halbkreis. Die Katze steht in ,Kniebeuge‘ und schaut sich verunsichert um nach all den ,Miau-‘ und ,Mimi-Rufen‘ der Teilnehmer. Dann wendet sie
sich in die Richtung ihres Korbes und schleicht mit hängendem Schwanz und gesenktem Kopf geduckt, langsam und vorsichtig neben den Stuhl, der dem Korb zunächst steht, schaut sich nochmals ängstlich um und springt zuerst auf den Stuhl. Die Besitzerin ruft: „Mimi, bleib doch mal hier!“ – Mimi schaut sich langsam nach ihr um und springt dann aber doch in ihren Korb hinein. Frau M. holt Mimi wieder hervor und behält sie nun auf ihrem Schoß. Aber Mimi fühlt sich auch dort nicht wohl – vielleicht, weil sie von einer Nachbarin gestreichelt wurde? Mimi geht langsam wieder in ihren Korb, den sie übrigens zu Hause verabscheut – rollt sich zusammen und ward nicht mehr gesehen. Die Besitzerin berichtet: „Dieses Verhalten passt zu Mimi. Sie braucht immer ihre schützende Umgebung. Da sind unsere anderen Katzen ganz anders: Wenn wir Besuch bekommen, streichen sie den Leuten um die Beine und sitzen sofort auf dem Schoß, um sich kraulen zu lassen. Mimi dagegen lässt sich nur von uns streicheln. Sie ist extrem auf uns bezogen. Unter unseren anderen 4 Katzen war sie schon immer Außenseiterin. Sie möchte eben gern Einzelkatze sein. Sie genießt es ungeheuer, wenn sie als Einzige mit meinen Eltern mit dem Wohnwagen in die Ferien reisen darf. Die anderen Katzen kommen im Urlaub in die Katzenpension. Wir haben es einmal versucht, auch Mimi dort zu lassen, aber da wäre sie beinahe gestorben: Sie saß nur in der Ecke, kam nicht zum Fress- und Trinknapf, saß immer nur da und zitterte vor Angst. Die anderen Katzen spielten, aber Mimi machte nicht mit. – Das ist auch zu Hause immer so: Mimi spielt nie mit unseren anderen Katzen, sondern nur mit uns. Auch zu Hause traut sie sich immer erst an ihren Fressnapf, wenn die anderen fertig gefressen haben. Und wenn die anderen schreiend miteinander raufen, rennt Mimi fort und sitzt in der hintersten Ecke unter der Couch – oder flüchtet in unsere Betten. Zu Mimis Vorgeschichte muss ich noch etwas erzählen: Mimi kam ursprünglich aus einem Wurf Katzen unserer Nachbarin. Ihre Mutter und alle Geschwister waren bei der Geburt gestorben. Weil die Nachbarn nun Mimi einschläfern lassen wollte, übernahmen wir sie und legten sie unserer eigenen Katze an, die gerade Junge hatte. Die Ziehmutter lehnte aber Mimi ab und versuchte sie fortzuschütteln und griff sie richtig an, sobald Mimi nur in ihre Nähe kam. Darum haben wir die Katzenmutter gewaltsam festgehalten, damit Mimi trinken konnte.
Calcarea carbonica Mimi wuchs dann als große, kräftige Katze heran. Sie ist heute noch unsere dickste und größte Katze, obwohl sie weniger frisst als die anderen. Aber Mimi hat sich nie viel mit den anderen Katzen abgegeben, sie hing immer an uns und hat jetzt noch Angst vor ihren Stiefgeschwistern. Sie ist die rangtiefste Katze. Sie rennt fort, wenn sie nur scharf angeschaut wird. Sie kann sich überhaupt nicht gegen die anderen behaupten, ist immer demütig und häuslich. Sie geht auch nicht auf den Balkon hinaus. Ihre Ziehmutter ist inzwischen gestorben. Seitdem hat sie etwas mehr ,Selbstbewusstsein‘, liegt auch mal neben dem einen Kater. Mimi hat sonst keine Launen. Beim Tierarzt hat sie Angst, lässt aber alles mit sich geschehen. Sie frisst nicht gern, was die anderen bekommen, sondern sie möchte am liebsten ihr Futter von uns ins Maul gesteckt bekommen. Sie trinkt aus dem tropfenden Wasserhahn. Die anderen saufen am liebsten aus den Blumenuntersetzern. Mimi ist ein richtiges ,Mamitüti‘ – ein verwöhntes ,Einzelkind‘ mit Sonderrolle.“ Mimi bekommt Calc-c. XM, 1 Dosis per os. Vier Wochen später berichtet die Besitzerin: „Die Blasenblutungen hörten gleich einen Tag nach der Arzneigabe auf. Mimi hat sich total verändert. Sie ist viel selbstsicherer geworden und sitzt zum Fressen jetzt neben den anderen! Sie kommt zur Futterzeit jetzt sogar in die Küche gelaufen, das hat es früher nie gegeben. Sie ist jetzt ausgesprochen fröhlich geworden und spielt sogar mit dem Kater. Früher sah sie immer unglücklich aus in der Gesellschaft der anderen Katzen. Jetzt ist sie ganz frei und unbelastet. Sie geht jetzt sogar mit auf den Balkon und ist von den Vögeln fasziniert.“
Hombro, Kaltblutwallach – juckender Hautauschlag Winter 1994: 12-jähriger massiver, schwerer, kleiner russischer Kaltblutschimmel-Wallach, ein wohlproportioniertes, schickes Pferd. Auffallend ist seine dicke, schwartige, faltige Haut, die beim Umwenden des klobigen Kopfes am Hals große, breite Falten schlägt. „Er ist ein unmäßiger Dickkopf, er kratzt und juckt sich ganz massiv. Beim Reiten bleibt er einfach stehen, zieht dem Reiter die Zügel aus der Hand und juckt sich an Hals und Vorderbrust mit den Zähnen. Der Reiter kann da oben machen, was
er will. Hombro ist völlig unbeeindruckbar von Gerte oder Prügel.“ Juckreiz sei bevorzugt seitlich am Hals und an der Schwanzrübe. Bei Hitze sei er müde und kaum in Trab zu bringen. „Erschrecken kennt er nicht; Zorn kennt er auch nicht, er ist ein total friedliches Pferd. Er schwitzt schneller als alle anderen Pferde beim Reiten, bei warmem Wetter tropft er. Er ist unter den anderen Pferden auf der Weide nicht ranghoch. Fressen ist sein Lebensinhalt. Bevor es Futter gibt, knallt er mit seinen riesigen Hufen an die Wände, dass es nur so kracht.“ Er wurde im Winter gekauft. Der Juckreiz habe im darauf folgenden Sommer angefangen. Seitdem wird er immer schlimmer. Auf den juckenden Bezirken ist das Fell kurzgeschubbert, aber erhalten. Die juckenden Stellen nässen nicht, aber durch starkes Kratzen werden die Stellen wund, und manchmal blutet es etwas, wenn er beim Schubbern allzu kräftig die raue Wand bearbeitet. Mit seinem Schubbern hat er sogar schon die fest verankerte Krippe aus der Wand gehebert. Gehorsam hält sich in Grenzen: Wenn er etwas nicht will, dann tut er es auch nicht, z. B. Hufe gibt er nur nach Laune. Man kann auch ohne ein Problem allein mit ihm ausreiten. Putzen liebt er, besonders das Kratzen mit dem Striegel. Man darf ihn aber nicht allein auf die Koppel stellen, dann geht er einfach durch den Elektrozaun, ohne sich von den Stromstößen aus der Ruhe bringen zu lassen. Gegen Gerte und Sporen ist er absolut immun. In der Reithalle gefällt es ihm nicht, dort ist er kaum vorwärts zu kriegen.
Mittelwahl Die Sturheit, Dickköpfigkeit, die Gier zum Fressen, die Neigung zum Schwitzen, die Art des Hautausschlags, vor allem im Sommer, sprechen für Calcarea carbonica.
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Calcarea carbonica Therapie Calc-c. XM, einige Globuli per os. Erst 6 Jahre später hörte ich, die Arznei habe durchschlagend gewirkt, das Ekzem sei seither nie mehr aufgetreten.
Andro, Hovawart-Rüde – Konditionsschwäche Andro ist ein sehr schöner Hovawart-Rüde, 6 Jahre alt. Er wird am 12.1.1999 von seinen Besitzern Frau und Herrn V. vorgestellt wegen Konditionsschwäche und Schmerzen in den Vorderbeinen. Er kommt aus einer ca. 100 km entfernten Kleinstadt. Herr V. ist ein molliger Mann, sehr auf seinen Zucht-Rüden fixiert. Seine Frau scheint fast verliebt in den Hund, so lobt sie seine Eigenschaften.
Bericht der Besitzer „Andro ist unser Zuchtrüde; wir haben eine eigene Hovawart-Zucht, zurzeit 2 bis 3 Hunde. Er hat schon 21 gesunde Kinder! Er wird auf Zuchtschauen immer sehr gut bewertet. Andros Mutter starb unter der Geburt, wir haben ihn mit der Flasche großgezogen. Im Alter von 8 Wochen verkauften wir ihn gesund und geimpft. Nach 7 Monaten mussten wir ihn wieder zurücknehmen, weil die Besitzerin ihn wegen Rheumas nicht mehr halten konnte. Darum haben wir uns entschlossen, ihn zu behalten. Wir hatten ihn ja sowieso schon immer ins Herz geschlossen. Er war damals ganz gesund, rund und pummelig.“ Andro steht wedelnd im Praxisraum, kommt dann langsam auf mich zu und beschnuppert mich freundlich. Aus einem Schreibtischteil dringt ihm der Duft von alten Leckerli in die Nase. Er drängelt sich an mir vorbei, schiebt mich mitsamt Schreibtischstuhl beiseite und drückt seine Nase schniefend gegen die Türritze des Schreibtischs. Dann legt er seinen dicken Kopf auf meinen Schoß und eine Vorderpfote gleich daneben und wedelt. Die Besitzer berichten weiter: „Früher war A. eher handscheu, im Laufe der Jahre hat sich das aber gegeben. Nur wenn er weiß, dass er etwas falsch gemacht hat, rennt er jetzt noch weg.
Ja, sein Problem: A. hat immer wieder gehinkt, am meisten vorn rechts. Wir waren schon bei mehreren Tierärzten, aber keiner konnte etwas feststellen. Wir können doch den Hund nicht dauernd mit Schmerzmitteln füttern!“ Der Hund mit seiner sabbernden Schnauze auf dem Schoß wird mir zu aufdringlich, ich schiebe seine rechte Vorderpfote und seinen Kopf von mir herunter. Als ich die Pfote in die Hand nehme, schreit er kurz auf. Ist A. sonst schon mal krank gewesen? „Im Sommer vor 2 Jahren hatte er eine Blasenentzündung; die Nieren waren in Ordnung. Ob er sich beim Baden in dem Dreckwasser infiziert hat? Oder ob er sich erkältet hat? Es war ein sehr heißer Sommertag. Denn wenn es nicht warm genug ist, geht er nicht ins Wasser. Als erstes Symptom blieb er damals beim Gehen plötzlich stehen und schaute nach hinten. Tröpfchenweise ging etwas Urin ab. Das steigerte sich dann so, dass er vor Schmerzen schrie. Er wollte pinkeln, aber es kam nichts. Er musste, stand 5 Minuten und wartete, dann kam erst der Urin – dabei hat er dann ganz wollüstig gestöhnt. Einmal war der Urin blutig, dann aber meistens nur weißlich. Die Urinuntersuchung ergab eine Blasenentzündung mit Blutspuren, und A. wurde mit Antibiotika behandelt. Im Winter hatte er dann eine zweite Blasenentzündung, er bekam wieder Antibiotika, aber 2 Wochen später trat sie wieder auf. A. bekam in diesem Winter 8 Wochen lang Antibiotika. Nach dem Buch von Dr. Wolff gaben wir ihm Dulcamara; danach war dann die Blase ein Jahr lang gut. Und wenn er jetzt wieder Anzeichen dafür hat oder so steif steht, wenn er sein Bein hebt, dann bekommt er wieder Dulcamara. Manchmal kommt der Urin tröpfchenweise. Es sieht so aus, als wäre die Öffnung der Harnröhre verklebt und es dauert etwas, bis sie frei ist. Dann hatte A. noch eine andere Therapie: Ein Heilpraktiker stellte einen Calcium-Mangel fest und spritze etwas. Danach war A. erst mal super gut. Aber das hat dann sehr schnell nachgelassen. Er war dann nie mehr richtig leistungsfähig. Beim Hundesport ist er zwar willig, aber sehr schnell matt. Unter dem Einfluss der Antibiotika war er viel leistungsfähiger! Aber diese Schwäche war dann immer sein Problem. Wenn er auf dem Spaziergang nicht mehr kann, bleibt er einfach stehen oder legt sich hin. Dann braucht er eine Pause. Und mit etwas Ermutigung geht er dann langsam wieder weiter.
Calcarea carbonica Wir haben ihm dann selbst ein Calcium-Präparat zugefüttert. Seitdem sind seine Gelenke besser. Früher hat er immer an den Gelenken geschleckt und sie ganz ins Maul genommen, richtig misshandelt! Aber das ist jetzt gut. A. hat sehr oft eine tropfende Nase, und er niest mindestens einmal am Tag.“ Und was ist jetzt mit den Gelenken? „Da hat er immer nach dem Spielen Probleme, besonders wenn er viel spurtet und herumspringt. Das sind zwei Arten von Beschwerden: Einmal lahmt er meistens vorne rechts, manchmal auch vorn links. Das wird nach ein paar Tagen von allein wieder gut. Das ist unabhängig vom Wetter. Meistens tritt es auf nach dem Spielen. Das Zweite sind seine Gelenke: Er nimmt immer die Vorderfußgelenke (Carpalgelenke) ins Maul, hat zeitweilig unaufhörlich daran geschleckt und hineingebissen. Alle Untersuchungen beim Tierarzt waren ohne Befund. A. hat auch – nach Röntgen – sehr gute Hüftgelenke. Aber er macht uns Sorgen, er ist nur zu 90% fit. Alina, seine fette Schwester, ist viel agiler, dabei hat sie 5 kg Übergewicht! Gegen sie ist A. ja schlank!“ Wie äußert sich diese Konditionsschwäche? „Wir haben einen bestimmten Spazierweg auf den Schlossberg. Am Anfang galoppiert er den Berg hoch, dann schlafft er ab, obwohl dort weniger als 10% Steigung sind! Seine Verfassung wechselt: Mal ist er 2 Tage lang gut drauf, dann 2 Tage lang schlecht, dann 1 Tag fit. Er wurde auch schon auf Borrelien untersucht, aber das Ergebnis war negativ. Auch das EKG war ohne Befund. Und wenn er mit seiner dicken Schwester spielt, schlafft er nach einer Weile ab, während sie noch lange nicht k.o. ist. Beim normalen Laufen hat er immer Schaum in den Mundwinkeln stehen, das habe ich bei anderen Hovawarts noch nie so deutlich gesehen. Im Sommer war er noch schlechter drauf als jetzt. Aber beim Decken ist er gut, er könnte dann gleich noch mal! Sein Deckverhalten ist ganz typisch für ihn: Er ist vorher enorm ungeduldig. Das geht ihm nicht schnell genug, besonders wenn die Hündin nicht ganz still steht. Und dann will er zu schnell wieder von der Hündin runter und quietscht dauernd, weil es ihm wehtut. Aber wenn es nicht anders geht, legt er ergeben seinen Kopf auf ihren Rücken und wartet seufzend.
Nach dem Decken ist er müde und schläft. Auch am nächsten Tag ist er meistens nicht gut drauf, mag nicht richtig auf dem Spaziergang laufen – vielleicht hat er sich mit seiner ganzen Aufregung überanstrengt? A. hat ein starkes Rechtsbewusstsein: Wenn wir ihn schimpfen, und er sieht ein, weshalb, dann ist es gut. Wenn er keinen Grund einsieht, nimmt er meine Hand ins Maul, als wollte er fragen: ,Was soll das jetzt?‘ Er ist ein sehr intelligenter Hund. Wenn es A. nicht gut geht, kann er nicht gut ins Auto springen. Er schlägt sich dann die Hinterfüße beim Einsteigen an und schreit dabei auf. Wenn er den Sprung nicht gleich schafft, dann will er gar nicht mehr ins Auto rein. Er legt dann nur eine Pfote auf die Stoßstange und weigert sich, hineinzuspringen. Er regt sich dann furchtbar darüber auf. Wenn ich ihn dann auffordere, steht er wedelnd vor dem Auto und tritt von einem Fuß auf den anderen, springt aber nicht hinein – obwohl das nun wirklich knapp einen halben Meter hoch ist – wegen der Hunde fahren wir einen Kombi, in den es gerade hineingeht, ohne Absatz. Wenn wir dann fortwollen, muss ich den Riesenhund auf den Arm nehmen und hineinsetzen. Morgens ist A. besser zu Fuß als am Mittag. Wenn er den Tag über Ruhe hatte, kann es sein, dass er abends fröhlich explodiert und mal richtig rennt. Ich glaube, er regeneriert sich zu langsam. Wenn A. erschöpft ist, dann gähnt er auffallend viel.“
Befragung Fütterung: „A. bekommt Trockenfutter, das wir für ihn aber aufweichen.“ Fußschweiß wurde noch nie beobachtet. Keine Impfreaktion. Guter Appetit, sauberes Fressverhalten. Rangordnung? „Früher hatte er einmal Streit mit einem anderen Hund, aber nie wieder. Er ist sehr dominant.“ „A. hat wenig Durst, er trinkt nicht gern eiskaltes Wasser und nicht aus jedem Bach. Wenn es im Sommer heiß ist, legt er sich am liebsten in jeden Bach hinein.“ A. wird nur im Haus gehalten, hat keinen Zwinger. Wenn er will, kann er in den Garten gehen. Kotabsatz? „Sein Kot ist unauffällig. Eine zeitlang war er mal etwas heller. A. sucht lange, bis er den richtigen Platz gefunden hat. Dann trippelt er viel umher und verteilt den Kot auf ca. einem Quadrat-
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Calcarea carbonica meter. Er kotet nie auf Asphalt. – Aus dem Maul richt er oft wie nach Fisch.“ Sex? „Das ist normal entwickelt. Wenn er nicht gut drauf ist, hebt er zum Urinieren auch nicht sein Bein. Sein Harnstrahl ist eher dünn. Beim Decken – wenn die Hündin richtig steht – ist er super. Aber Hypersex hat er auch nicht: Onanie haben wir noch nie gesehen. Und wenn in der Nachbarschaft eine Hündin läufig ist, heult er nicht die Nächte durch wie andere Rüden. Klammern gibt es auch nicht. – Er ist ein ganz prima Hund.“ Was noch? „A. hatte mal ein schlechtes Fell, hat dann Biotin bekommen, dann wurde es besser. Aber das ist schon sehr lange her. Vor einem Jahr hatte er mal Husten mit weißlichem Auswurf. Er wurde homöopathisch behandelt. Er hatte auch mal tränige Augen und bekam homöopathische Spritzen. Wir haben zu Hause Fußbodenheizung. In den letzten Tagen sucht A. immer kalte Plätze zum Liegen. Er schläft gern auf kühlem Boden, liegt gern an der Haustüre oder dort, wo wir uns aufhalten. Im Sommer ist er am liebsten draußen im Garten im Gras. Und wenn die Terrassentür zu ist, will er sofort rein. Er liegt auch mal in der Sonne, geht aber fort, sobald es ihm zu warm wird.“ Haut? „A. hat 3 Haarbalggeschwülste auf dem Rücken und an der Brust. Wenn man drauf drückt, kommen Unmengen weißen Talgs heraus. Flöhe hatte er nie, aber gelegentlich im Sommer Zecken. – Und Insekten nerven ihn ungeheuer, obwohl sie ihm ja mit seinem dicken Pelz nichts anhaben können. Dann rennt er davon.“ A. hat jetzt eine ganze Weile ruhig auf dem Boden gelegen. Inzwischen ist er aufgestanden und bettelt wedelnd seinen Besitzer an, legt ihm den Kopf auf den Schoß, reibt seine Schnauze an seiner Hose und wird liebevoll betätschelt. Dann geht er zu seiner Besitzerin und legt ihr die Vorderpfote auf den Schoß. Noch etwas zur Haut? „A. hat wenig Körpergeruch, auch nicht bei Regen.“ Wetter? „A. ist sehr empfindlich gegen Sonnenhitze. Dann legt er sich am liebsten in den nächsten kalten Bach. Auch wenn es ihm im Haus zu warm wird – ab 24⬚ Zimmertemperatur geht er am liebsten raus, besonders im Winter, oder sucht sich eine kühle Stelle zum Liegen. Autofahren geht gut, aber wenn es dort zu warm ist, wird A. unruhig.“
Wie ist seine soziale Rangordnung? „A. ist ein ausgesprochener Macho. Mit Hündinnen gibt es kein Problem, er lässt sich von seinen Frauen sehr viel gefallen. Aber er wehrt sich, wenn es ihm zu viel wird. – Er signalisiert überall: ,Ich bin hier der King‘, aber er lässt sich von uns zur Ordnung rufen.“ Der Besitzer erzählt das nicht ohne Stolz! Und wie ist es mit Rüden? „A. ist nicht feige und auch nicht mutig. Wenn ein anderer Rüde kommt, dann ist er froh, wenn der abgerufen wird, froh, wenn der andere geht. Aber er würde sich niemals freiwillig unterwerfen! Dafür hat er zu viel Stolz! Aber er hat eine hohe Reizschwelle: Er lässt sich fünfmal zwicken, aber dann gibt er zurück! Wenn er nicht gut drauf ist, dann liegt seine Reizschwelle niedriger und er wird aggressiver. Er kann dann sehr schnell giftig werden. Er brummt auch alles an – z. B. unbekannte Spaziergänger oder einen Mülleimer, der sonst nicht an dieser Stelle steht. A. ist sehr kontaktfreudig und ausgeglichen. Spielen ist seine große Leidenschaft – aber nicht stundenlanges Herumtoben, sondern eher das Kabbeln und Umeinanderrollen, sanftes Knabbern oder Pfoten-Festhalten. Und er klaut uns Essen. Wenn wir ihn erwischen, sieht er es ein. Aber er kann mir auch mal die Zähne zeigen! Neulich hat er an der Butter auf dem Frühstückstisch geknabbert.“ Angst? „Wenn es irgendwo etwas Neues gibt, was er nicht genau identifizieren kann; z. B. wenn er im Nebel Mülltonnen am Straßenrand sieht, so knurrt er die an. Das ist sicher ein Zeichen von Unsicherheit. Das Martinshorn oder die Kirchenglocken verunsichern ihn. Aber das wird von Jahr zu Jahr besser. Allein bleiben kann er gut. Er trägt dann seine Teddybären herum, die noch aus seiner Kindheit in seiner Ecke liegen. Im Auto ist er manchmal sehr aufgeregt. Er ist ein sehr guter Wachhund, besonders wenn draußen ein anderer Hund vorbeigeht. Schimpfe ist ihm egal. Über Besuch freut er sich. Wenn der ihn nicht genug beachtet, zwickt er die Leute und will spielen. Jeder Besuch muss ihn gehörig begrüßen – auch der Handwerker. Wenn ihn etwa jemand übersieht, legt oder stellt er sich ihm einfach wedelnd in den Weg und lässt ihn nicht vorbei.“ Würde er Sie auch beschützen in einer kritischen Situation? „A. ist ein guter Schutzhund. Aber seine Schwester hat eine niedrigere Reizschwelle.“
Calcarea carbonica Eifersucht? „Wenn seine Schwester da ist, kann er sie schon mal zwicken. Aber sonst gibt es keine Eifersucht. Er ist einfach immer da, Sie sehen es ja.“ Familienstreit? Laute Worte? „Das ist ihm egal. Außerdem gibt es das bei uns praktisch nie. Unsere Kinder sind 17 und 20 Jahre alt, er akzeptiert sie alle. Spazierengehen kann er auch mit unseren Freunden oder Bekannten. Darin ist er ganz unkompliziert. Beim Ballspielen mault er manchmal: Wenn ich sage ,nun bring doch den Ball her‘, den er grade in den Dreck gelegt hat, dann protestiert er maulend und brummt. Dann muss ich den Ball selbst holen, sonst ist er weg.“ Tierarzt? „ Da hat er Angst – vor jeder Blutabnahme. Mit Kindern spielt er am liebsten mit, ist aber recht grob und kann sie schon mal über den Haufen rennen. – Diese kleinen Hunde, diese Kläffer mit den hellen Stimmen, die geht er an, brummt und blafft. Die fallen dann fast in Ohnmacht durch seine laute Stimme. Und er genießt das Sieger-Sein. Welpen geht er gern aus dem Weg, die mag er nicht.“
Mittelwahl Mir geht sehr intensiv Calcarea durch den Sinn, denn die Mehrzahl seiner Symptome spricht für Calc-c. Dennoch lasse ich mich von den Interpretationen der Besitzer täuschen und verwende die Negativsymptome: Calcarea ist nicht dominant, erst recht kein Macho! Und Calcarea hat i. d. R. viel Durst! 12.1.1999: A. bekommt Lycopodium XM. 26.1.1999: „Es hat sich nichts Auffallendes verändert. Er hat keine Blasenreizung mehr. Aber er hat noch immer diesen plötzlichen Leistungsabfall und legt sich dann nieder. Von Schmerzen in den Pfoten haben wir nichts mehr gemerkt.“ 5.2.1999: „Wir haben das Gefühl, A. ist selbstbewusster geworden. Beim Spazierengehen ist er uns schon einmal davongelaufen, das hat er noch nie getan. Bis vor einer Woche war er ganz super drauf, dann ist er wieder abgefallen. Er tropft jetzt wieder aus der Nase. Beim Autofahren ist er jetzt sehr unruhig und findet gar keine Ruhe. Wenn er sich angestrengt hat, ist er sehr erschöpft. Gestern war er ein paar Stunden allein zu Hause. Als wir wiederkamen, war er total erschöpft.
Aber er hat viel mehr Elan: Mittags um 13 Uhr fordert er seinen Spaziergang. Das hat er noch nie getan.“ 25.2.1999: „A. ist krank. Er liegt nur herum und spuckt und schäumt und hat Durchfall. Der Stuhl schießt heraus. Aber wund ist er nicht. Er hat nur die halbe Portion gefressen. Er liegt jetzt immer an der Haustür an der Ritze und schnieft hinaus. Im Ganzen ist er ziemlich gedämpft. Er hatte sehr viel Schnee gefressen. Die Vorderfüße sind gut.“ Er bekommt per Telefon Pulsatilla LM 18 verordnet, je nach Verfassung, alle 2 – 3 Tage 1 Dosis. 12.3.1999: Die Besitzer haben A. aus Angst keine Arznei gegeben, sondern waren bei ihrem regionalen Tierarzt. „A. hatte dann die ganze Nacht Brechdurchfall. Jetzt hat er 1 Woche lang starke Antibiotika bekommen. Er ist jetzt nicht mehr so leidend. Aber fit ist er noch lange nicht wieder. Wir hatten Besuch von einem Tierheilpraktiker, der einen Tumor neben der Milz feststellte. Deshalb waren wir nochmals bei unserem Tierarzt, der aber nach Röntgen und Ultraschall nichts feststellen konnte. Der THP gab uns Arzneimischungen und hat auch etwas gespritzt, damit der Tumor kleiner werde. Er meinte dann, es sei eine Blasenentzündung im Kommen. Er gab ihm dann noch etwas zum Abschwellen der Schleimhaut. Aber A. steht trotzdem so komisch da und guckt immer nach hinten. Er läuft nicht gut. Wir waren noch mal beim Tierarzt, der durch Ultraschall eine verschleimte Blase und eine vergrößerte Prostata feststellte. Er verordnete Kürbiskerne. Die Blutuntersuchung ergab keinen Befund. Aber jetzt hat A. schon wieder Durchfall!“ A. bekommt nochmals Lycopodium XM. 24.3.1999: „Unsere beiden Hunde haben so einen komischen Kot, wie mit Darmschleimhaut überzogen. Dabei hatte ich auf selbst gekochtes Diätfutter umgestellt. Jetzt bekommen sie wieder Fertigfutter, und der Kot ist wieder besser. A. geht es jetzt wieder gut, aber er kann sich nicht anstrengen. Nach der letzten Arznei geht es ihm jetzt auf jeden Fall wesentlich besser. Aber er uriniert noch immer in einem dünnen Harnstrahl. Er hebt jetzt aber wieder richtig das Bein.“ 30.3.1999: „A. geht es immer noch nicht gut. Er hat unter der Treppe Staub gefressen und Queckengras gekaut. Nun liegt er da und schläft. Er hatte
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Calcarea carbonica auch so einen Insektenstich, hat danach so komisch geschluckt und gehustet, als ob er etwas im Halse hätte. Er hat jetzt schon wieder Durchfall. Wenn er aufsteht, macht er jetzt erst einen ganz krummen Buckel und streckt sich. Insgesamt scheint er ein wenig apathisch, liegt mit dem Kopf zwischen den Pfoten und rührt sich nicht, wenn ich komme. Sein linkes Auge ist geschwollen und seine Nase tropft.“ Besuchstermin – der aber abgesagt wird. 31.8.1999: „A. hat eine Prostatitis, das dritte Mal in letzter Zeit. Das hat begonnen, nachdem er eine Hündin decken sollte, die nicht stand. A. hat es immer wieder versucht, aber im entscheidenden Moment sprang sie beiseite. Als sich dann noch eine Blasenentzündung entwickelte, bekam er wieder Antibiotika. Jetzt ist er zu 80% gut, aber schnell müde. Er riecht unangenehm nach Hund. A. ist immer kritischer, wenn er krank ist. Er signalisiert uns: ,Bitte lasst mich in Ruhe!‘ Aber er würde niemals beißen.“ Die Prostatitis äußerte sich mit allgemeiner Abgeschlagenheit. „Wir dachten zuerst, es wäre die Blase. Er konnte wieder nicht richtig urinieren. Der Tierarzt stellte eine faustgroße Prostata fest. Vorher war er 3 Tage lang auf einem Hundelehrgang, danach war er total platt. Jetzt kann er wieder sein Bein heben und entleert den Urin stoßweise. Jetzt ist er wieder etwas besser drauf, total willig, aber sehr schnell erschöpft. Er trinkt sehr wenig, auch bei heißem Wetter. Seine Gelenke sind jetzt ganz gut, aber er schleckt noch immer viel daran. Wenn es sehr heiß ist, geht er in den Keller vor die Tiefkühltruhe. Wenn er angegriffen wird, imponiert er, zeigt gern den Chef. In der Schutzhund-Ausbildung kann er jetzt sogar beißen, aber er ist nicht belastbar. Er verteidigt sein Futter gegen andere Hunde. Und wenn man ihn ungerechterweise straft, dann nimmt er meinen Arm in die Schnauze, als wollte er sagen: ,Jetzt ist aber Schluss‘. Aber er beißt mich nicht.“
Er bekommt jetzt endlich Calcarea XM, die Besitzer bestehen darauf, das Mittel mit nach Hause zu nehmen und es erst später zu geben. Sie geben es erst am 5.10.1999. 9.10.1999: A. schleckt oft am Penis. Der Urin kommt stoßweise. Keine Veränderung. 19.10.1999: „Seit 4 Tagen geht es A. zum ersten Mal sehr gut. Aber heute baut er wieder ab: Er schäumt, frisst Gras und ist sonst wahnsinnig verfressen. Er beobachtet jeden Menschen: Wenn einer die Hand in der Hosentasche hat, erwartet er, dass der etwas zum Fressen für ihn herausholt. Er will dann gar nicht gehorchen.“ 13.11.2000: „A, war bisher sehr gut. Gegenüber früheren Zeiten ist es ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht! Wir wussten gar nicht, dass wir so einen tollen Hund haben!“ 10.1.2001: „A. ist wieder abgeschlagen, hat wieder eine Tropfnase. Vom Tierarzt bekam er deshalb Cinnabaris, das aber nicht geholfen hat.“ 2. Gabe Calcarea XM. Seither geht es A. sehr gut. Die wahlanzeigenden Symptome für Calcarea sind: Allgemeines, Schwäche nach dem Coitus Allgemeines, Schwäche nach leichter Anstrengung Gemüt, empfindlich, überempfindlich gegen Schmerzen Gemüt, Furcht vor Schmerzen Gemüt, Furcht vor Tieren, Insekten Extremitäten, Ungeschicklichkeit (plumpes „Anrempeln“) Haut, Atherome Gemüt, Langsamkeit (hohe Reizschwelle) Dieser Fall zeigt deutlich, dass man sich nicht von den wohlwollenden Interpretationen oder Projektionen der Besitzer täuschen lassen darf, sondern den Patienten „vorurteilsfrei“ wahrnehmen sollte.
Calcium fluoricum naturalis
Calcium fluoricum naturalis Flussspat
Signatur, Thema und Idee des Mittels Calcium fluoricum, Flussspat – CaF2 – ist eine spröde, schwere Verbindung, bestehend aus Calciumcarbonat und dem Salz der Flusssäure. Das homöopathische Mittel vereint beide Eigenschaften: Das eher „träge“ Calcium carbonicum hat sich mit der aggressivsten Säure, der Flusssäure, verbunden, die sogar Glas (Silizium) verätzen kann. Damit ist es Antidot und Synergist zu Silicea, dem Element der sinnvollen Organisation eines jeden Organismus (siehe Sil.). Calc-f. wird in der Arzneimittelprüfung die ohnehin schon schlaffe Struktur des Calcium-Organismus zusätzlich desorganisieren: Chaotische Haltlosigkeit und mangelndes Zusammenspiel physischer und psychischer Kräfte sind die Folge. Andererseits kann auch ein Wechsel zwischen großer körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit mit Schlaffheit und Müdigkeit beobachtet werden. Das Calcium-Salz der Flusssäure kommt im Organismus in höchster Konzentration im Zahnschmelz vor, dem Gewebe der größten Härte und Widerstandsfähigkeit, ferner in allen elastischen
Fasern und Strukturen, in Gefäßwänden und in den oberflächlichen Anteilen der Knochen. Ein Verlust der Elastizität und Organisation führt im Rahmen des Arzneimittelbildes zu Erschlaffung, Verhärtung, Hypertrophie, Anergie oder mehreren dieser Tendenzen zu gleicher Zeit – auf physischer wie auf psychischer Ebene. Wie in den Arzneimittelbildern von Fl-ac. und Sil. ist auch bei Calc-f. die elementare Organisation des Lebewesens betroffen, wobei sich aber jedes dieser Mittel vom anderen unterscheidet und keines durch ein anderes ersetzt werden kann. Calc-c. ist in jeder Hinsicht von dem Bestreben nach Sicherheit erfüllt; Fluor bezieht sich auf Härte und Stabilität. Daraus folgt für Calcium fluoricum das Prinzip der stabilen Sicherheit. Thema und Idee: Verlust an Stabilität, Widerstands- und Regenerationsfähigkeit nach Belastungen, was sich in Verhärtungen, Elastizitätsverlust oder Zerstörung von Gewebe äußern kann.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Calcium fluoricum ist ein sehr intensiv und lange wirkendes Arzneimittel. In chronischen Prozessen wirkt es oft langsam und protrahiert, da es tief greifende Reorganisationsvorgänge in Gang setzen muss. Daher darf es – ebenso wie Sil. – nicht zu häufig gegeben werden, um das Erscheinen von Symptomen einer Arzneimittelprüfung zu vermeiden! Franco del Francia, bekannter homöopathischer Tierarzt aus Italien, betont die schnellere und bessere Wirkung von sehr hohen Potenzen (XM). Aber diese Dynamisation sollte der Schwere der Erkrankung angepasst sein! Hohe Potenzen von stark wirkenden mineralischen Mitteln sind, gerade bei den „lokalen Erkrankungen“, nicht immer
angebracht. Möglicherweise reicht eine Gabe C 200 aus! Calc-f. sollte – sofern überhaupt notwendig – in großem Abstand von mehreren Monaten verabreicht werden (außer bei infektiöser oder krebsartiger Knochenerkrankung). Calc-f. wirkt sehr lange nach! Für viele Calc-f.-Erkrankungen gibt es schulmedizinisch keine effektive, heilende Therapie. Calc-f. präsentiert sich in der Anamnese nicht so offensichtlich wie z. B. Calc-c. Vom Unkundigen lassen sich Calc-f.-Erkrankungen kaum repertorisieren, man muss das Mittelbild und die Rubriken im Repertorium kennen. Es gibt jedoch aus einigen Teilaspekten des Gesamtbildes bestimmte Symptome, die gerade für
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Calcium fluoricum naturalis die Homöopathie am Tier besonders prominent sind. Diese sollen hier besonders berücksichtigt werden. Zahlreiche klinische Indikationen resultieren aus dem „Knochensalz“ von Schüssler für das „schwache Bindegewebe“; diese betreffen zum großen Teil klinische Indikationen, die sich nicht immer mit den Gesetzen der Homöopathie Hahnemanns vereinbaren lassen. Julius Mezger hat Calc-f. neben den bis dahin bekannten klassischen Studien nachprüfen lassen und zahlreiche, auch klinische Symptome dieses Mittels beschrieben, die aber nicht immer eine eindeutige Differenzierung zu anderen Mitteln ermöglichen. Der von Mezger empfohlenen Angabe „kann bei chronischen Entzündungen lange Zeit fortgegeben werden“ muss entschieden widersprochen werden! Beim Tier finden sich häufig Indikationen für Calc-f., die sich auf ein lokales Geschehen beziehen. Aus überwiegend wirtschaftlichen Gründen müssen solche „Lokalübel“ (§§ 173 ff. des Organon) – z. B. Folgen von Überanstrengung oder Verletzungen beim Pferd – behandelt werden, obwohl sie für die Lebensqualität des frei lebenden Pferdes eigentlich unbedeutend sind oder unter natürlichen Lebensbedingungen kaum vorkommen. Gerade die unten erwähnten Folgen von Überanstrengung oder Verletzung (z. B. von „Sportpferden“) sind ausgesprochene „Zivilisationserscheinungen“, ausgelöst durch widernatürliche Nutzung. Hahnemann forderte für die Heilung eines Organismus angemessene (artgemäße) Lebensbedingungen! Calc-f. hat eine besondere Affinität zum Metabolismus von festen und elastischen Strukturen: Knochen, Zähne, Gelenkkapseln, Sehnen, Bursen, Faszien, Muskeln, Drüsen, Gefäßen und Gefäßwänden. Neben Con. ist es eines der wichtigsten Mittel für chronische Verletzungsfolgen mit der speziellen Beziehung zu Verhärtungen oder Elastizitätsverlust (Arn.): Con. ist vorherrschend zuständig für Verhärtungen im Weichteilgewebe mit Tendenz zu Malignität, Calc-f. eher für Verhärtungen von straffem Fasergewebe oder Periost mit Tendenz zu Ossifikation. Sollten sich solche Knochenzubildungen an Gelenken zu Ankylosen formieren, so wäre am ehesten Fl-ac. angebracht. Speziell bei symptomarmen Fällen von Krebs oder solchen des Bewegungsapparates („einseiti-
gen Krankheiten“) oder „lokalen Übeln“ (Organon §§ 173 f.) muss auch Calc-f. erwogen werden. Calc-f. ist besonders für die Pferde-Patienten ein interessantes Mittel, das in seiner Wirkungsweise vielfach unterschätzt wird. Dieses Mittel ist in der Tierhomöopathie bei keiner anderen Spezies so häufig indiziert wie beim Pferd! Bei Erkrankungen im distalen Gliedmaßenbereich ist es schwierig von Calc-p. zu differenzieren. Calcf. verbessert sich – im Unterschied zu Calc-p. – i. d. R. durch fortgesetzte Bewegung. Ob diese Tatsache wirklich als Differenzierung zu bewerten ist, müssen noch weitere Praxiserfahrungen beweisen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass sich besonders bei dem „lokalen Geschehen“ von Verletzungsfolgen kaum eine deutliche Symptomatik von Gemüt oder Allgemeinsymptomen äußert. Hinter der Symptomatik von Calc-f. steht häufig ein anderes, konstitutionelles Mittel, insbesondere beim Pferd. Die übermäßig schnelle Entwicklung von Exostosen im distalen Extremitätenbereich des Pferdes nach Schlagverletzungen ist als „auffallendes, sonderliches Symptom“ von Calcf. zu werten. Für die chronische Strahlbeinlahmheit des Pferdes muss Calc-f. von Calc-p. und Sil. differenziert werden. Diese Erkrankung kann mit homöopathischen Arzneien durchaus einer Heilung zugeführt werden. Trotz all der aufgeführten Angaben bedarf das Arzneimittelbild von Calc-f. gerade beim Tier noch vieler Ergänzungen und Bestätigungen aus der Praxis. Eine weitere Verbindung zwischen Calcium und Fluor ist Lapis albus, synonym mit Calcium silicofluoricum. Es handelt sich dabei wieder um ein sehr intensiv und lange wirksames Mittel, das noch unzureichend geprüft ist und vorsichtig dosiert werden sollte. Es wirkt – dank seiner Bestandteile – genauso intensiv auf die bindegewebige Organisation bzw. bindegewebige Verhärtung und könnte z. B. als Ultima Ratio beim Pferd in chronischen Fällen von Hufrehe in fortgeschrittenen Stadien bei Hufbeinrotation (Hufbeinsenkung) erwogen werden. Im akuten Reheschub ist es kontraindiziert, weil dabei ein anderer Genius morbi vorliegt.
Calcium fluoricum naturalis Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: Calc-f. ist i. d. R. kein Mittel für akute Erkrankungen, akute Verletzungen oder akute Entzündungen! Subakut bis chronischer Verlauf: i. d. R. langsam sich entwickelnde Prozesse: Verletzungsfolgen, Gewebeverhärtungen, Elastizitätsverlust; chronische Folgen von Überanstrengung, Sehnen, Bänder, Muskeln Chronischer Verlauf: allmählich sich entwickelnde chronische Erkrankungen, denen mit richtiger homöopathischer Akut-Therapie hätte vorgebeugt werden können! bindegewebige Verhärtungen oder Elastizitätsverlust harte, evtl. maligne Tumoren Pathologische Schwerpunkte: Gewebeverhärtungen, besonders nach Verletzungen Gewebeerschlaffung, Schwäche, Verlust der Elastizität des Bindegewebes Erkrankungen von Schleimhäuten und Lymphsystem Auge: Gerstenkorn, beginnender Katarakt Maul: fehlgestellte Zähne, Zahnschmelzdefekte, Zahnfleischabszesse Drüsen: Infiltration und Verhärtungen, z. B. Struma, Hyperthyreose Ohr: chronische Mittelohreiterung Atemwege: chronische Rhinitis, Sinusitis mit Zersetzung der Nasenknochen (Sil.)
Magen-Darm: Heißhunger mit Unruhe und Futterneid („Angst vor Armut“); Entzündungen mit Verhärtungen der Mesenterialdrüsen; Kot schwierig auszutreiben, Jucken am Anus Genital: Uterussenkung, Vaginal-Prolaps (nach Franco del Francia) Mastitis: chronischer Zustand mit Verhärtung oder steinharten Knoten Bewegungsapparat: chronische, traumatisch bedingte Exostosen, nach erfolgloser Gabe von Ruta (Pferd); Ganglion, Knochenzysten; venöse Stase Osteochondrose der Wirbelsäule und ähnliche Erkrankungen der Wirbelkörper Spezielle Indikationen für die Tierhomöopathie: Verhärtungen in Faszien, Gelenkbändern, Kapseln, Sehnen (Carb-an., Con., Lap-a., Sil.) knöcherne Infiltrate am Periost Verklebungen seröser Häute nach Operationen Corpora libera im Gelenk (einziges Mittel!) Arthrosis deformans, speziell nach Überanstrengung komplizierte Knochenfrakturen, mit schlechter Heilung, mit Osteomyelitis oder Fistelbildung Hund: steinharte Mamma- oder Drüsentumore, Osteosarkom (Phos., Hekla u. a.) Pferd: Verhärtungen, Exostosen nach Schlagverletzungen (indiziert nach Arn., Led. oder Ruta); Griffelbeinexostosen bei jungen Pferden („Remontenkrankheit“), Ruta im Anfangsstadium; fortgeschrittene Zustände von Spat und anderer Arthrose; Chip-Frakturen mit Exostosenbildung
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Bei den rein „lokalen“ Erkrankungen, z. B. Verletzungsfolgen (§§ 185 ff. Organon) sind oft weder auffällige Physiognomie noch Verhalten zu beobachten. Die Symptome des Patienten erinnern möglicherweise an Calc-c., Calc-p., Lyc., Sep, oder Phos.; Calc-f.-Patienten sind i. d. R. lebhafter als Calc-c. oft unharmonischer Bewegungsablauf mit überschießenden Bewegungen (Vithoulkas Arzneimittellehre)
möglicherweise schlaffe, schwache Muskulatur auffallende Tendenz zu überstreckten Gelenken im distalen Gliedmaßenbereich kann vorhanden sein („weiche Fesseln“ beim Pferd, „Spreizfuß“ beim Hund) häufig Heißhunger mit Besserung nach dem Fressen „schlechte Futterverwerter“ mit „Abmagerung bei Heißhunger“ oder Tendenz zu Adipositas möglicherweise Tendenz zu Hyperthyreose mit Exophthalmus
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Calcium fluoricum naturalis Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens keine klaren differenzierenden Verhaltenssymptome i. d. R. keine „Schmusetiere“ Unruhe, aber meist Mangel an Durchhaltevermögen und Ausdauer hastige Ungeduld und Reizbarkeit, evtl. im Wechsel mit Trägheit und Desinteresse Mangel an Initiative
nervös, ängstlich ohne ersichtlichen Grund, schwer zu kontrollieren (nach Franco del Francia) ausgeprägter Heißhunger bis zur Fressgier und Futterneid („Angst vor Armut“) (wie viele andere Mittel!) Unruhe, speziell bei Hunger, ⬎ nach dem Fressen
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Chronische Krankheiten: Calc-f. ist ein wichtiges Mittel für besondere chronische Zustände. Auge: rezidivierende Gerstenkörner, Verhärtungen, Knötchen an den Lidrändern Keratitis, Hornhautulzera, fleckige Hornhauttrübung beginnender Katarakt Ohr: chronische Mittelohreiterung mit Tendenz zu Nekrose oder Sklerose (Sil.) Kalk-Ablagerungen am Trommelfell Otosklerose, Verklebungen, Verhärtungen der Gehörknöchelchen (Thiosinamin) Kopf: Periostitis, Exostosen an Schädel und Kiefer, besonders am Unterkiefer (Hekla, Merc., Phos.) (harte) Warzen am Kopf Hals: harte Knoten der Schilddrüse, Struma, Hyperthyreose, evtl. mit Exophthalmus chronische steinharte Indurationen der Kehlgangslymphknoten Atemwege: chronische Rhinitis, Sinusitis mit stinkender Zersetzung der Nasenknochen (Sil.) chronische Entzündung, Schwellung und Verhärtungen im lymphatischen Rachenring selten bei altem Lungenemphysem mit Bronchiektasien (Pferd: nicht bei frischer, allergischer Dyspnoe, sondern bei veralteten, chronischen Zuständen mit Verlust der Lungenelastizität! Solche Zustände sind aber selten!) Herz-Kreislauf-Gefäße: chronische Entzündung von Blutgefäßen Arteriosklerose, Aneurysmen, erschlaffte Gefäßwandmuskulatur (Varizen) Neigung zu venöser Stase, ⬍ bei heißem Wetter evtl. mit sezernierenden Fisteln, schmerzlos (evtl. bei destruktiver Mauke)
Herz: fibrinöse Auflagerungen an Herzklappen oder Perikard Pferd: Ödeme der Hinterextremitäten mit erweiterten Venen Verdauungsapparat – Abdomen: Maul: Zahnfehlstellungen, Zahnschmelzdefekte, Staupegebiss (Flac., Sil.) beim Hund; vorzeitiger Zahnverfall, besonders bei jungen Tieren (u. a.); Zahnfleischabszesse, Zahnfleischulzera, Zahnfisteln (u. a.); Beschwerden, Schmerzen von Zahnwurzeln, Lockerung gesunder Zähne Magen: Heißhunger mit ausgeprägter Unruhe, Ärger und Futterneid vor dem Fressen; alles ⬎ nach dem Fressen Abdomen: Flatulenz, Leberschmerzen; chronische Entzündung von Mesenterialdrüsen; Kot schwierig auszutreiben, Rektum-Fissuren (u. a.); Verklebungen nach Operationen (Thiosinamin) Genital: Uterussenkung, Uro-, Pneumovagina, Vaginal-Prolaps (nach Franco del Francia) (vorrangig Sep.!) Mastitis chronisch, mit steinharten Knoten, steinharte Mammatumoren der Hündin Verklebungen des Eileiters (Thiosinamin) extreme Auftreibung des Abdomens in der Trächtigkeit, weiter bestehend nach der Geburt Muskel-Faszienbruch (auch Lap-a.) Kuh: zu versuchen bei Elastizitätsverlust des Lig. suspensorium mammae Haut: Narben: Verdickungen, Verhärtungen, Keloid Abszesse: chronische Eiterungen, von Zellgewebe, Drüsen, Knochen, Gelenken Rhagaden mit verhärteten Rändern
Calcium fluoricum naturalis Verbrennungen mit Destruktion von Gewebe durch Strahlen-Therapie nach Tumorbehandlung (Phos., Rad., X-Ray) knöcherne, verknöcherte Tumoren (einziges Mittel) Pferd: chronische, rissige, fistelnde, ulzerierende Mauke, mit Tendenz zu Destruktion des Kronsaums/Krallenbetts (Ars.) Tumore: Hämangiom, Fungus haematodes (sehr großes Sarkoid-Wachstum! DD Nit-ac.) Exostosen, Zysten, Fibrome, Enchondrom, Hirntumor Krebs: Osteosarkom, Krebs der Wirbelsäule (Tub.), Magenkrebs, Drüsen: Hodgkin, Lymphknoten, männliches und weibliches Genital, Mamma allgemein Krebs nach Verletzungen (Con.) Bewegungsapparat: Erkrankungen des Bewegungsapparates können zu den ,einseitigen‘ oder ,lokalen‘ Krankheiten im Sinn der §§ 173 ff. des Organons gehören (insbesondere beim Pferd) Wachstumsprobleme der Knochen, verzögerte Knochenentwicklung, verdickte Knochen auffallend überstreckbare Gelenke an Carpus, Zehengelenken seltener Kontraktion der Zehenbeuger (wie Caust. u. a.) leichtes Verrenken, Verstauchen bei geringem Anlass chronische Folgen von Verstauchungen, Zerrungen, Luxationen mit Tendenz zur Entwicklung von Arthrosen Corpora libera im Gelenk (einziges Mittel) (werden erfahrungsgemäß durch Calc-f. resorbiert!) steife Gelenke mit Krepitationsgeräuschen chronische Synovitis (Conium mit Verhärtungen darin, Calc-f. mit Verkalkungen) Ganglion, chronische Bursitis mit Tendenz zu Kalzifizierung Verhärtungen in Muskeln, Faszien, Gelenkkapseln, Sehnen, Bändern mit Tendenz zu Kalzifizierung Knochenschmerzen bei Belastung (Calc-c.) Knochenzysten komplizierte Knochenfrakturen, mit Ostitis und evtl. Fistelbildung (Sil.) Tendenz zu Knochenfrakturen, schlechte Frakturheilung, speziell bei Jungtieren übermäßige Exostosen im Laufe oder nach Frakturheilung (besonders Pferd) (Calc-p., Symph.)
eines der Mittel, die beim Osteosarkom infrage kommen (Aur., Con., Phos. u. a.) Arthritis, Arthrosis deformans Besserung bei fortgesetzter Bewegung (im Gegensatz zu Calc-p.) Hund: Ellbogenarthrose, z. B. nach Operation des frakturierten Proc. anconaeus (Calc-p.); schwerste Formen von Hüftgelenkdysplasie, evtl. mit spontaner Luxation; speziell bei Tieren mit Calc-c.- oder Lyc.-Konstitution Rücken: alle Arten von Wirbelsäulenerkrankungen, Verkrümmungen der Wirbelsäule Krebs der Wirbelkörper Osteochondrose, Verkalkungen in der Wirbelsäule, speziell der Halswirbelsäule (Calc-p.), ⬍ in Ruhe, ⬎ Bewegung, ⬎ Wärme chronischer Lumbago (Rhus-t., Sil.), besonders nach leichter Anstrengung Pferd: chronische Formen von „Kissing Spines“, Verwachsungen von Dornfortsätzen (akut: Ruta) Verletzungen: speziell chronische Folgen (u. a. Mittel) von Verletzungen Verletzungen durch Fremdkörper (Sil., Hep.) chronische Folgen von Verstauchungen, Knochenfrakturen mit verzögerter Heilungstendenz chronische Folgen von Operationen, Adhäsionen Verhärtungen nach Verletzungen Folgen von Überanstrengung Folgen von chronischen Knorpelläsionen (u. a. Mittel) Spezielle Indikationen für den Bewegungsapparat des Pferdes: Durchtrittigkeit im Fesselgelenk, weiche Fesselung (auch andere Mittel) Senkrücken alter Pferde, besonders nach chronischer Überanstrengung, evtl. gleichzeitig durchtrittige Fesselgelenke (alte Zuchtstuten, alte Kaprioleure) chronische Sehnenschäden: Knoten, Schwellung von Sehnen – nach fibrillären Zerreißungen (evtl. im Anschluss an Rhus-t. oder Ruta, wenn diese nach entsprechender Zeit nicht den gewünschten Effekt bringen) (Thiosinamin) Verklebungen von Sehnenscheiden (Thiosinamin) chronische Verhärtungen, Exostosen nach Knochentrauma (einziges genanntes Mittel, doch man denke im Akutfall zuerst an Arn., Led. oder Ruta)
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Calcium fluoricum naturalis traumatisch bedingte Arthrosen fortgeschrittene Stadien von Spat, Carpal-Arthrose, Schale, Leist u. a. deformierende Arthrosen (Caust., Calc-p., Fl-ac.) Griffelbeinexostosen bei jungen Pferden (,Remontenkrankheit‘), akut: Ruta ältere Exostosen nach Griffelbeinfraktur chronische, oft traumatisch bedingte Periarthritis mit Exostosen an Sehnenansätzen Chip-Frakturen mit Exostosenbildung chronische, verhärtete Bursitis: Carpalbeule, Stollbeule, Piephacke u. a. krachende, steife Gelenke, „Mangel an Synovia“,
⬍ linke Seite chronische Synovitis: Tendenz zu chronischen, harten Gelenk- und Sehnenscheidengallen (u. a. Mittel!); chronische Synovitis im Tarsalgelenk durch Corpora libera oder Chip-Frakturen Zittern im Carpalgelenk nach Überanstrengung (u. a.) Erkrankungen der Hufe und Klauen: brüchiges Horn; deformierte Hufe-Klauen; Hypertrophie des Huf-, Klauenhorns (u. a. Mittel); ulzerierendes, tief eindringendes Panaritium (Fl-ac., Nit-ac., Sil. u. a.)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: chronische Folgen von Überanstrengung von Sehnen, Gelenken, Muskeln und Bändern chronische Folgen von Verletzungen allgemein, von Fremdkörperverletzungen chronische Folgen von Knochentrauma, Periosttraumen chronische Folgen von Distorsionen, Luxationen, Überanstrengung chronische Folgen von Knochenfrakturen, speziell bei Jungtieren chronische Folgen von Operationen, speziell mit Verklebungen von Gewebe Modalitäten: ⬍ heißes, schwüles Wetter, ⬍ durch direkte strahlende Wärme, ⬍ durch Sonne ⬍ Kälte, ⬍ kalte Luft, ⬍ durch feuchtkaltes Wetter oder Kälte, ⬍ durch Wetterwechsel aber Gelenk- und Rückenbeschwerden ⬎ durch Wärme
⬎ durch heiße Anwendungen ⬍ durch Anstrengung Schmerzen des Bewegungsapparates: schlimmer am Anfang der Bewegung; besser durch fortgesetzte Bewegung; ⬍ bei Schneeschmelze ⬍ linke Seite (Calc-c.: eher rechtsseitig) ⬎ durch starken Druck, ⬍ durch leichten Druck ⬎ durch Futteraufnahme, ⬎ nach dem Fressen grasgrüne Absonderungen Hufe, Klauen, Krallen, Haarkleid wachsen auffallend schnell evtl. reichlich stinkender Schweiß metastasierende Erkrankungen Komplementär: Rhus-t., Ruta Folgemittel: Calc-c., Calc-p., Sil., Bry., Nat-m., Kali-m.
Ausgewählte Fallbeispiele Griffelbeinexostosen einer jungen Springpferdstute
Die Stute wird deshalb seit einem halben Jahr nicht mehr geritten und steht seit mehreren Monaten auf der Weide.
Samara, 4-jährige braune Warmblutstute, wird im Sommer auf der Weide vorgestellt wegen multipler Exostosen – halb haselnuss- bis walnussgroß – an den inneren Griffelbeinen der Vorderextremitäten. Ferner bestehen deutliche „Gallen“, zystische Auftreibungen der gemeinsamen Sehnenscheiden aller Fesselgelenke.
Therapie Im Juli 2002 eine einzige Gabe Calc-f. M. Darauf bilden sich die Griffelbeinexostosen sehr langsam, fast unmerklich zurück.
Calcium fluoricum naturalis Im Frühjahr 2003 wird wieder mit Reiten begonnen, weil die Griffelbeinauftreibungen und die „Gallen“ wesentlich zurückgegangen sind. Im Juli 2003 sind die Griffelbeinexostosen und „Gallen“ fast vollständig verschwunden, obwohl das Pferd, inzwischen 5-jährig, jetzt regelmäßig für Springprüfungen der Klasse L bis M trainiert wird. Der ganze Bewegungsablauf hat sich seither bedeutend verbessert, der Trab ist wesentlich raumgreifender geworden.
Samara ist im Begriff, ein Spitzenpferd für den Springsport zu werden. Die Stute besteht die tierärztliche Ankaufsuntersuchung ohne Beanstandung und wird daher im Frühjahr 2004 für sehr teures Geld verkauft. Bis 2005 Spring-Training ohne weitere Erkrankung. Dieser Fall steht für einige ähnlich verlaufene Exostosen.
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Calcium phosphoricum Calcium phosphoricum
Signatur, Thema und Idee des Mittels Calcium phosphoricum enthält – wie alle zusammengesetzten Mittel – im Arzneimittelbild die Charakteristika beider Komponenten, von Calciumcarbonat und Phosphor. Beide Mittel haben so widersprüchliche Grundstrukturen, dass man sie sich schwerlich in ein und demselben Konstitutionstyp vorstellen kann: Der Calc-p.-Patient kann mehr zur Calcarea-Seite tendieren, mit lymphatischer, träger, phlegmatischer Verfassung, oder er kann mehr von dem sanguinischen, überschießenden Temperament des Phosphor-Anteils zeigen; zum dritten kann er zwischen den beiden Mitteln gemeinsamen Symptomen stehen: schnelle Erschöpfbarkeit und Schwäche bei Anforderungen aller Art, abwechselnd mit unentschlossener nervöser Unruhe, Hyperaktivität und athletischer Leistungsfähigkeit sowie Erkrankungen von Drüsen (Lymphknoten, Euter bzw. Gesäuge). Aus diesen Gründen ist die Indikation von Calc-p. manchmal schwierig zu verifizieren; es gehört zu den Mitteln, die oft nach der ersten Fallaufnahme und Repertorisation nicht zu eruieren sind. Calciumphosphat ist einer der Hauptbestandteile des Knochens. 99% des Kalkes im Skelett bestehen aus phosphorsaurem Kalk, nur 1% aus Calciumcarbonat. Das homöopathische Calc-p. hat naturgemäß seinen Wirkungsschwerpunkt im Bereich des Calcium-Phosphor-Metabolismus. Es ist nahe liegend, dass sich das Calc-p.-Arzneimittelbild besonders auf die Phase des Wachstums, auf den Bewegungsapparat und den strapazierten CalciumPhosphor-Stoffwechsel währen der Laktation bezieht; dabei darf es jedoch nicht nach klinischen Gesichtspunkten, etwa im Sinn einer Mineralstofftherapie, sondern einzig nach homöopathischen Symptomen verordnet werden.
Eine der Prädispositionen für Störungen im Calcium-Phosphor-Stoffwechsel wächst durch falsch dosierte Gaben von Vitamin D3, das in den meisten Standard-Mineralstoffmischungen enthalten ist, sowie durch überdosierte Mineralstoffgaben. Bei regelmäßiger Sonneneinstrahlung ist eine Vitamin-D3-Zufuhr (insbesondere beim Pferd) nicht nur überflüssig, sondern kann durchaus schaden – wie es jedem homöopathischen Mediziner bekannt ist. Dadurch kann Wachstumsproblemen und späteren Bewegungsstörungen Vorschub geleistet werden. Im Knochen finden permanent Aufbau-, Abbauund Umbauprozesse statt, die je nach Aktivität und Intensität von Bewegung wechseln. Der Knochen kann sich durch sinnvolles Training an bestimmte Belastungen durch Zug, Druck und Dehnung gewöhnen. Werden jedoch die am Knochen ansetzenden Strukturen (Sehnen, Bänder, Kapseln) überanstrengt, so kommt es durch anaeroben Stoffwechsel zur pH-Verschiebung ins saure Milieu (Milchsäure-Ansammlung), was wiederum zu lokalen Imbalancen im Calcium-Phosphor-Gleichgewicht führen kann. Erfahrungsgemäß entwickeln sich dann dort bevorzugt Störungen in der Kalzifizierung der äußeren Lagen des Knochens oder sogar die ersten Vorstufen für Arthritiden. Das gilt besonders für die Arthritiden und Arthrosen der Pferde, dort ganz speziell für die „Strahlbeinlahmheit“. Thema und Idee: Imbalancen hinsichtlich des Verhaltens und des Calcium-PhosphorMetabolismus, insbesondere durch Wachstum, Anstrengung und Laktation.
Calcium phosphoricum Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Calcium phosphoricum ist – ebenso wie Calcium und Phosphor – ein intensiv und lange auf den Organismus wirksames Arzneimittel. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich einer Disposition zu Drüsen-, Stoffwechsel- und Knochenerkrankungen. Verschiedene Zubereitungen von Calcium-Phosphor-Verbindungen sind homöopathisch nur kurz geprüft worden; ein Teil des Arzneimittelbildes resultiert – wie bei Calc-f. – aus dem Einsatz von Schüssler-Salzen. Schüssler selbst sagte, man müsse Calc-p. (wie Calc-f.) „lange und häufig geben und mit Geduld abwarten“. Dagegen warnt Lathoud: „Wird Calc-p. zu lange und zu häufig gegeben, kann es bis zur Entwicklung von Kretinismus führen.“ (Siehe auch Calc-f.) Dr. Künzli, einer der Altmeister der Homöopathie aus St. Gallen, Schweiz, konstatierte, sogar Calcarea könne bei übermäßigem Einsatz zu Störungen in der Kalzifizierung von Knochen führen. Wenn man dazu in Betracht zieht, dass viele Probanden bei homöopathischen Arzneimittel-Prüfungen bereits nach wenigen Tage regelmäßiger Dosierung Arzneimittelsymptome entwickeln, dann lässt sich die Folge von überdosierter homöopathischer oder Mineralstoff-Therapie mit Calcium-Präparaten – besonders während des Wachstums – erahnen. Die Grundeigenschaften von Calc-p. lassen sich nach Vithoulkas in die drei nachfolgenden Bestandteile gliedern: 1 Calcium-Phosphor-Metabolismus: Calc-p. wird als Heilmittel in der Tierhomöopathie, insbesondere im Pferde- und Hundesport, vielfach unterschätzt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im CalciumPhosphor-Metabolismus des Rindes (Calc-c.) und des Schweins (Phos.). Der Einsatz in tiefen Potenzen oder in Form von Schüssler-Salzen gehört zur Mineralstoffstherapie und kann bei langfristigen Gaben durchaus Symptome einer Arzneimittelprüfung erzeugen, die dann höher potenziertes Calc-p., Calc-c. oder Sil. (o. a.) benötigen. Gerade beim „Sportpferd“ ist es ein sehr wichtiges und häufig indiziertes Mittel.
Die heutigen Warmblutpferde, die für den Sport gezüchtet werden, haben in den letzten 30 – 35 Jahren um ca. 5 – 15 cm an Größe zugenommen. In den 1960er Jahren hatten z. B. die Trakehner noch ein Stockmaß um 160 cm (⫾ 5 cm), heute verlangt man mindestens 165 cm. Früher war man der Ansicht, ein Pferd müsse eine karge Aufzucht genießen, damit es „hart“ und widerstandsfähig werde. Entsprechend kleiner waren die Tiere. Heute müssen z. B. die dreijährigen Warmbluthengste groß und kräftig bemuskelt ihren 100-Tage-Test bewältigen, obwohl sie erst im Alter von 6 Jahren ausgewachsen und belastbar sind. Unterstützt werden vorzeitiges Wachstum, Bemuskelung und Leistungsfähigkeit durch darauf ausgerichtete Fütterung mit entsprechenden Zusatzstoffen. Unter diesen Vorbedingungen sind Störungen in der Balance des Calcium-Phosphor-Stoffwechsels (Ernährungsschäden) nahe liegend und betreffen insbesondere den Bewegungsapparat. In den letzten 2 Jahrhunderten war die Indikation von homöopathischem Calc-p., bzw. Mitteln mit ähnlichem Wirkungsschwerpunkt, durch Unterernährung und Mangelzustände bedingt, heute eher durch das Gegenteil. Probleme durch Fehlernährung sind beim heutigen zivilisierten Menschen in den Hintergrund getreten; bei Tieren – insbesondere bei Pferd, Hund und Schwein – sind sie durch Fütterungs-, Aufzucht- und Haltungsschäden (schwerverdauliches Trockenfutter, Pellets, Futterzusätze, Bewegungsmangel mit kurzzeitiger starker Anstrengung) zurzeit wahrscheinlich sogar häufiger als beim Menschen. Aus Klinik und Erfahrung wäre Calc-p. – zumindest für das Pferd – im Repertorium zu ergänzen für Gliederschmerzen an den Ansatzstellen von Sehnen und Bändern. Calc-p. ist aber bei weitem nicht das einzige Mittel, an das z. B. bei degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates (z. B. beim Pferd) gedacht werden muss. Grundsätzlich können viele andere Mittel infrage kommen. Wichtig ist dabei einzig, dass die homöopathischen ,Zeichen und Symptome‘ mit dem Simile-Gesetz und den Grundlagen der Homöopathie Hahnemanns übereinstimmen! Im Rahmen von Geburt und Laktation kommt dem Calcium-Phosphor-Metabolismus eine besondere Stellung zu.
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Calcium phosphoricum Bei der heutigen hochgezüchteten Milchkuh kann Calc-p. derartige Imbalancen besser ausgleichen als Calc-c., das häufiger für die schweren Fleischrassen indiziert ist. Calc-p. ist unter den Beschwerden durch „Säfteverlust“ – hier gleichbedeutend mit Milchleistung – neben anderen Mitteln 3-wertig vertreten. Auch bei andersartigem Verlust von Körperflüssigkeiten, z. B. nach langwierigen Durchfällen, besonders in der Wachstumsphase, darf Calc-p. nicht vergessen werden. Hier kann es besonders bei kleinwüchsigen Kümmerern angebracht sein. 2 Beschwerden durch „schlechte Nachrichten“ Dieser wesentliche, auslösende Faktor für die Calcp.-Pathologie ist beim Tier schwierig nachzuvollziehen. „Schlechte Nachrichten“ sind auf jeden Fall intensiv empfundene Negativ-Erlebnisse eines empfindsamen Organismus. Das können entsprechend den Angaben des Repertoriums Beschwerden durch Aufregung, Angst, Kummer, enttäuschte Liebe (z. B. Verkauf, Trennung, von der Gruppe, vom Welpen, Fohlen, Kalb), durch Misshandlung oder psychischen Druck (Turnierpferde, Hundedressur), durch Zorn und Groll (z. B. neues Herden-, Familienmitglied), durch Erwartung, „Lampenfieber“ (Turnierpferde, Hundesport), in der Menge, in Gesellschaft (z. B. Integration in eine neue Population, Massentierhaltung), mit Schwäche nach jeder deprimierender Emotion sein. Der Calc-p.-Patient kann über negative emotionale Schocks nur schwierig hinwegkommen, verfällt dann in Apathie, Erschöpfungszustände und die Pathologie schreitet weiter fort. Das sind nun beim Tier Faktoren, die im Rahmen einer Anamnese nicht leicht in Erfahrung zu bringen sind und auch in anderen Mittelbildern, z. B. Caust., beobachtet werden.
Bei Katzen findet sich die Calc-p.-Indikation seltener als bei anderen Tieren, weil sich diese den genannten Stress-Faktoren i. d. R. eher entziehen; schließlich wird auch ihr Bewegungsapparat nicht zum Leistungssport herangezogen. Anders ist es beim Schwein: Hier muss diesem Metabolismus ein viel höherer Stellenwert beigemessen werden. 3 Beschwerden durch kalte und nasskalte Witterung, Schneewetter und Zugluft Das sind weitere wesentliche pathogene Faktoren, die sich – auch als Modalität – durch das ganze Arzneimittelbild ziehen. Gerade beim Pferd werden durch Osteopathen vielfach Blockaden im Ileosakrale festgestellt, wobei auch eine Indikation von Calc-p. zu überlegen wäre. Diese klinische Indikation ist aber noch kein hinreichender Grund, homöopathisches Calc-p. einzusetzen. Rückenverspannungen bei Pferden resultieren sehr häufig aus Fehlbelastungen, durch schlechtes Reiten oder Missbrauch von Hilfszügeln und verlangen zunächst häufiger nach Rhus-t., Ruta oder ähnlichen Mitteln. Beim Menschen wird Calc-p. besonders im Zusammenhang mit Streckmuskeln betont, die jedoch hier einen anderen Stellenwert genießen als z. B. beim Pferd. Die Druck- und Zugbelastungen liegen hier besonders im Bereich den überstreckten Zehengelenke samt Bänder- und Sehnenapparat, somit besteht in dieser Hinsicht kein wesentlicher Widerspruch zum Arzneimittelbild. Calc-p. ist (nach den Regeln der klassischen Homöopathie) gerade beim Tier kein leicht zu identifizierendes Mittel, da es oft nur wenige auffallende und sonderliche Symptome zu eruieren gibt. Die beschriebenen Anhaltspunkte ebenso wie die Kasuistik mögen dazu beitragen, die Arzneiwahl zu erleichtern.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Chronische Krankheiten: konstitutionelles Mittel auch akute Gebärparese der Kuh Hauptangriffspunkte im pathologischen Geschehen: Knochen, Bewegungsapparat, Wirbelsäule, Rücken, besonders während des Wachstums
Knochennähte (Epiphysenfugen, Schädelknochen, Ileosakrale, Symphyse, Knochenfrakturen) Ansatzstellen tragender Sehnen und Bänder (Ruta) am Bewegungsapparat physische und psychische Überanstrengung
Calcium phosphoricum Besondere Indikationen der Tierhomöopathie: Hund: Häufiges Mittel für Arthrosen des Ellbogengelenks, speziell nach Operation des Proc. anconaeus
Für die Indikation einer Podotrochlitis oder Podotrochlose mit oder ohne röntgenologische Veränderungen sollte immer zuerst die gesamte Symptomatik für die Mittelwahl betrachtet werden.
Rind: Hypokalzämie um die Geburt, Gebärparese Pferd: Auftreibungen an den Epiphysenfugen junger Pferde häufiges Mittel bei subklinischer und chronischer Strahlbeinlahmheit
Die geschilderte Therapie für die Strahlbeinlahmheit des Pferdes ist nicht im Sinn einer „bewährten Indikation“ zu verstehen! Es können dafür durchaus auch andere Mittel infrage kommen.
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten meist große und schlanke Tiere, aber auch Zwergwuchs oder Entwicklungsstillstand hochwüchsige Jungtiere (Calc., Nat-m., Phos., Sulf.), oft mit schmalem Thorax schlaksige Bewegungen, groß, schmal und mager großer Kopf mit dünnem Hals oft agile, magere, schlechte Futterverwerter (Abmagerung, „Marasmus mit Heißhunger“, besonders bei Jungtieren) zarte, kränkliche Jungtiere, Kümmerer (Lyc., Phos., Sil. u. a.) oft rotes Fell, Rotfüchse unter den Pferden oft ein lebhafter, ungeduldiger „Irrwisch“, kann nicht still sitzen oder stehen, dennoch schnell erschöpft häufiges Verlangen, tief Luft zu holen (andere „Seufzermittel“: Ign., Bry., Calc., Lach., Sulf. u. a.) häufig überstreckte Zehengelenke (Calc., Calc-f., Phos., Sep., Sulf.) und Gliedmaßenfehlstellungen auffallend aufgetriebene schmerzhafte Epiphysenfugen und deren Entzündungen (Jungtiere) Epiphysenerkrankungen verbunden mit steifem Laufen und dem häufigen Bedürfnis zu liegen diese besonders während des Wachstums („Wachstumsschmerzen“), aber oft auch später erkennbar Prädisposition zu Knochenfrakturen, oft aus geringfügigem Anlass
dünne, zarte Extremitäten – im Vergleich zum Rumpf („Beine zu zart, um den Körper zu tragen“) spätes „Laufen Lernen“, spätes Aufstehen bei Neugeborenen (Sil., Caust., Nat-m., Calc. (Kalb), Phos. u. a.) Neigung zum Frieren (nicht so auffallend wie z. B. bei Sil.!) Hund: verdickte Epiphysenfugen, oft erkennbar nahe Carpus oder Knie; Carpalgelenk überstreckt, große, gespreizte Pfoten Pferd: häufig große, elegante, wohl proportionierte Turnier- oder speziell Springpferde Abmagerung am Hals (Calc., Nat-m.) Schweiß im Gesicht, speziell über den Augen bei alten, erschöpften Pferden oft herabhängende Unterlippe eher Auftreibungen oberhalb der Fesselgelenke oder an den Griffelbein-Epiphysenfugen (nicht zu verwechseln mit traumatisch bedingten Überbeinen oder Griffelbeinfrakturen!) Verschiebungen im Bereich von Schädelknochen bei Pferden („Hörner“, ca. 1 cm große Erhebungen an den Knochensuturen der Stirn) könnten ein Leitsymptom für Calc-p. sein durchtrittige Fesselgelenke, evtl. überstrecktes oder vorbiegiges Carpalgelenk
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens häufig übersensibel für emotionale Erlebnisse lebhaft, unruhig, unbeständig, leiden unter Langeweile, machen Unsinn, launenhaft oft unglaublich verspielt, Knabbern, Zerren, zerbeißen alles Erreichbare
ruhelos (DD Tub., aber Tub. tendiert eher zur Destruktivität!) alles besser durch dauernde Abwechslung Beknabbern von Pfoten, Körperteilen oder Gegenständen – im Sinn von „Daumenlutschen“
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Calcium phosphoricum (wie Nat-m., Calc., Lyc., Sil., Sulf.), evtl. Ursache von Leck-Ekzemen an den Vordergliedmaßen bei Hunden (Leck-Ekzeme der Katze kann man als eine Art Masturbation verstehen!) bei Überforderung oder fortgeschrittener Pathologie müde, teilnahmslos, mürrisch oder reizbar wie Cham., schnell zornig, insbesondere durch „Ungerechtigkeit“ oder „Widerspruch“ Schwäche durch irgendwelche Formen von Schreck, Ärger, Schock („Beschwerden durch schlechte Nachrichten“) wie Calc. bei Überforderung besser durch Alleinsein, durch Ruhe ängstlich, besonders abends, im Dunkeln Durchfall durch Aufregung oder Angst (u. a.) Verschlechterung durch physische und mentale Anstrengung schwieriges Lernen, ⬍ durch „geistige Anstrengung“ (z. B. zu viele Eindrücke in der Hundeschule) bei Überforderung abweisende Stimmung, lehnt Zuwendung ab, will allein sein Fressen wird verweigert z. B. durch Angstzustände Widersetzlichkeit durch allzu strenge Erziehungsmaßnahmen oder Leistungsanforderungen
Hund „Langeweile“, will von draußen ins Haus und wieder nach draußen, „weiß nicht, was er will“ unzufriedenes Jaulen, Unruhe, will dies und das, verlangt dauernd nach Beschäftigung nervt die Besitzer und uns während der Anamnese will herumstromern, dauernd unterwegs sein („reisen“) – nicht nur, aber auch wegen Sexualität
will weg von zu Hause und wieder zurück nach Hause, läuft davon rennt ziellos von einem „duftenden“ Baum zum nächsten („er liest im Buch der Natur“) wenn eingesperrt, macht er Unsinn, zerbeißt Sachen aus Langeweile lernt, verschlossene Türen zu öffnen, zerrt Tischdecken herunter usw.
Pferd Das Spektrum von Calc-p.: vom spritzigen, temperamentvollen, aufgeregten Turnier- oder Rennpferd, mit bester athletischer Leistungsfähigkeit (Lyc., Sep., Caust., Natm., Lach., evtl. Phos. u. a.) über den „bockigen Gaul“, den niemand mehr reiten kann, weil er sich wegen früherer Misshandlung gegen alles widersetzt (Caust., Sep., Phos., Nat-m., evtl. Lyc.) zum erschöpften, mürrischen ausgemergelten Schulpferd (Caust., Nat-m.) bis zum müden, gleichgültigen „Gnadenbrotpferd“, ausrangiert wegen Lahmheit (Nat-m.) der häufige Ortswechsel auf Turnieren kann dem noch gesunden Calc-p. sehr entgegenkommen die Besitzer sagen dann, er gehe auf den Turnieren besser als zu Hause („besser durch Ablenkung“) Widersetzlichkeit durch zu viel Zwang („erträgt keine Ungerechtigkeit“, „reizbar durch Widerspruch“) Widersetzlichkeit gegen (Hilfs-)Zügeleinwirkung wegen „Steifheit der Cervicalregion“ überforderte, „saure“ Pferde, die alles Gelernte verweigern Pferde, die im Gelände „absichtlich“ kehrt machen und schnellstens „nach Hause“ rennen Pferde, die den Reiter „absichtlich“ absetzen, wenn er sich durchsetzen will
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Chronische Krankheiten: „Konstitutionelles“ Mittel auch für chronische „lokale Erkrankungen“ des Bewegungsapparates. Wachstum: häufiges Mittel für Probleme während der Wachstumsphase (Hund: bis 11/2, Pferd: bis 6 Jahre) Zwergwuchs, Hochwuchs, zu schnelles Wachstum bei Jungtieren
Erkrankungen während des Zahnwechsels zu schnelles oder zu langsames Wachstum, teilweise mit Abmagerung Wachstumsstörungen im Bereich von Knochennähten: aufgetriebene oder entzündete Epiphysenfugen; sogar mit Epiphysenlösung (Sil.) (stabilisierende Maßnahmen erforderlich!); vorzeitige Verfestigungen im Bereich
Calcium phosphoricum der Schädelnähte, Ileosakralgelenk, Symphyse; Folgen von Problemen im Knochenumbau, bei Heilung von Knochenfrakturen (Calc., Sil., Symph.); Wachstumsschmerzen, Rachitis, schwacher Knochenbau Gliedmaßenfehlstellungen, Knochenverkrümmungen, besonders bei Jungtieren (Calc., Sil., Lyc.) schwache, überstreckte Zehen- bzw. Carpalgelenke mit Disposition zu Verstauchungen Disposition zu Knochenfrakturen, aus geringfügigem Anlass mit schlechter Heilungstendenz, unzureichende Kallus-Bildung (Symph.), besonders bei Jungtieren (Calc-c., Calc-f., Sil.) Hund: Frakturen des Proc. anconaeus aus geringfügigem oder nicht ersichtlichem Anlass; mit auch nach OP zurückbleibender Lahmheit, Epikondylitis, speziell ⬍ bei kaltem Wetter Pferd: Griffelbeinfrakturen trotz polsternder Gamaschen (Ermüdungsfrakturen); auch Gleichbeinfrakturen durch Überanstrengung junger Pferde (Galopper, Traber) Bewegungsapparat: Schwerpunkt Kopf, Hals, Vordergliedmaßen – Beschwerden der Halswirbelsäule Steifheit, Schwäche der Halsmuskulatur, besonders durch Kälte und Zugluft (Dulc., Rhus-t. u. a.) Knochenauftreibungen bei Arthritis, Arthrosen im Gelenkbereich, Periarthritis Hygrome, Synovitis (Calc., Sil.) Erkrankungen besonders der Vordergliedmaßen, Arthritiden an Schulter-, Ellbogen-, Carpalund distalen Zehengelenken Schmerzen (meist) im distalen Bereich der Zehenbeuger (besonders Pferd) Bursitis, Schleimbeutelzysten (z. B. Olecranon, Carpus) (Arn., Bry., Caust., Ruta, Sil.) Zysten (Ganglion, „Gallen“) im Bereich von Gelenkkapseln (wie Ruta), Sehnenescheiden Schwäche der Gliedmaßen mit müdem, schlaffem Gang, ohne energische Dynamik Lahmheiten ⬍ durch Bewegung, ⬍ im Freien, ⬍ bei kaltem, windigem Wetter keine oder nur unbedeutende Besserung durch Einlaufen (!) auffallende Kälte der Extremitäten chronische Schmerzen in alten Knochenfrakturen, besonders bei kaltem Wetter Huf-, Klauen-, Krallengeschwür mit Periostbeteiligung
Hund Arthrosen im Cubitalgelenk, z. B. nach Entfernung des Fraktursegments des Proc. anconaeus Hüftgelenksarthrose (Lyc.) u. a. Arthrosen
Pferd Schwäche und Abmagerung der Halsmuskulatur Steifheit, Schwäche der Nackenmuskeln, kann den Kopf kaum heben (Fohlen, Jungpferd) steife oder lockere Muskulatur an den Halsseiten Verspannungen der Halsmuskeln z. B. durch starkes „Zusammenstellen“ oder durch falsch eingesetzte Hilfszügel; solche Faktoren stören die Balance und das Zusammenspiel der stoßdämpfenden Motorik der Vordergliedmaßen und schaffen damit frühzeitig die Voraussetzungen für späteren Verschleiß! weiche Fesselung, überstreckte Zehengelenke, „lockeres“ Carpalgelenk, evtl. mit Zittern Periostitis und ähnliche Auftreibungen an Gelenken, an Kondylen, insbesondere an den Zehengelenken, Griffelbeinen („Remontenkrankheit“) Lahmheiten durch Beschwerden der Zehenbeuger (Ruta) Insertionstendinopathien (u. a. Mittel) am Unterstützungsband zur tiefen, oberflächlichen Beugesehne, im Fesselträger-Apparat (wie Ruta) Erkrankungen im Sinn der Strahlbeinlahmheit (akut: eher Ruta), bestehend aus Bursitis, Insertionstendinopathie und Osteoporose des Strahlbeins (Podotrochlose) empfindliche, „fühlige“ Hufe, Huflederhautreizungen (keine akute Laminitis!) Rücken: Verkrümmungen der Wirbelsäule Spondylitis, Spondylose (infolge schwacher oder überanstrengter Muskulatur) Lumbago durch Überanstrengung (Rhus-t.) Rückenschmerzen bei kaltem Wetter – durch Zugluft Pferd: Rückenprobleme bei jungen, angerittenen Pferden mit schwacher Rückenmuskulatur; Verletzungen, Verspannungen der Wirbelsäule durch schwere Reiter („schweres Heben“); „Kissing Spines“ (Ruta); Verspannungen durch falsch eingesetzte Hilfszügel, schlechtes Reiten; Rückenverspannungen, „Schiefheit“; Beschwerden der Ileosakralgelenke Atemwege: Neigung zu tiefen Atemzügen, „Seufzen“
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Calcium phosphoricum Rachenkatarrh chronisch, Tonsillitis, Pharyngitis Hypertrophie, Schwellung der Kehlgangslymphknoten (Calc-c.) Husten, evtl. mit Dyspnoe, ⬍ durch Anstrengung, ⬍ während des Zahnwechsels Hund: Atemwegssymptome bei Analfisteln Verdauungsapparat: Maul: verzögerte Zahnung oder Zahnwechsel; schneller Zahnverfall, schlechte Zähne bei Jungtieren Magen: Indigestion nach zu kalter Tränke; Milchunverträglichkeit bei Jungtieren (Calc-c., Magnesium-Mittel, Nat-p. u. a.); verweigert Muttermilch (Calc., Sil.), Erbrechen von Muttermilch; ausdrückliches Verlangen nach Futter nachmittags 16 Uhr; empfindlicher, leicht verdorbener Magen, Übelkeit, Erbrechen Hund: oft Verlangen nach Speck, Schinken, evtl. Fisch; Übelkeit beim Autofahren (u. a.) Pferd, Rind: oft Verlangen nach Salz bzw. Leckstein Abdomen: blutige Absonderung aus dem Nabel bei Neugeborenen (Calc.); Nabelkoliken, Bauchschmerzen durch Blähungen; häufig stinkende Flatulenz; Bauchschmerzen vor dem Kotabsatz; Durchfall – auch chronisch – herausschießend, herausspritzend, Entleerung mit viel Blähungen; Durchfall bei Welpen, Kälber, Fohlen („Säuglingen“); Kot grünlich und locker, schleimig, evtl. auch mit kleinen weißen Punkten (wie Phos.); Durchfall durch Aufregung; Durchfall stinkend nach Verwesung Anus: Wundheit, Analfisteln, Analfissuren, Jucken; schwieriger Kotabsatz (z. B. Pferd: Schlagen mit dem Schweif, Stehenbleiben zum Misten) Stoffwechselstörungen: im Ca-P-Metabolismus beim Rind (leichte Milch-Rassen, Calc-c.: eher für solche von Fleisch-Rassen) und Schwein
Hypokalzämie, Gebärparese (Mag-c.), Schwäche der Hinterhand Harnwege: häufiger Harndrang, Schmerzen in Harnröhre Phosphaturie – Glomerulonephritis Genitalien: verzögerte Geschlechtsreife, Infantilismus genitalis (eines der wichtigsten Mittel) Zyklusstörungen, verminderte Libido, Sterilität Senkung des Uterus, Prolaps, dadurch Schmerzen im Ileosakrale! eiweiß-, cremeartiger Fluor (Nat-m.) heftige sexuelle Reizbarkeit Nymphomanie, unwiderstehliches sexuelles Verlangen, heftige Masturbation, ⬍ in Laktation sexuelle Reizbarkeit sogar bei Kastraten (Wallach) Schwäche nach langem Stillen („Säfteverlust“) mit rheumatischen Beschwerden (China, Natm.) Gebärparese der Kuh (Mag-c.) Stute: fehlende Leistungsfähigkeit zum Reiten nach Abfohlen; Kind verweigert die Muttermilch wegen salzigen Geschmacks Milchkuh: unklare, subklinische Eutererkrankungen (erhöhte Zellzahl) Haut: trocken, gereizt, schnell wund schlechte Narbenbildung, Narben brechen auf, Hautausschläge auf Narbengewebe Urtikaria durch Kälte, nach (kaltem) Baden juckende Hautausschläge (u. v. a.) Fisteln, Ulcera Schweiß an einzelnen Körperteilen Schlaf: häufiges Strecken und Gähnen (Caust., Ign., Nux-v., Rhus-t. u. a.) matt am Morgen (Calc., Lyc. u. a.) (,Morgenmuffel‘) Blut: Anämie, Leukämie
Auslöser und Modalitäten Modalitäten: ⬍ durch alle Vorgänge, die mit Wachstum und Anstrengung zu tun haben: ⬍ während des Wachstums; ⬍ während des Zahnwechsels ⬍ durch Überforderung beim Lernen, bei psychischem Stress, Leistungsdruck, Prüfungen; ⬍ durch Verlust von Körperflüssigkeiten; ⬍ durch Operationsfolgen
⬍ linke Seite ⬍ durch Nässe und Kälte, ⬍ durch nasskaltes Wetter, ⬍ durch Ostwind ⬍ Schneeschmelze, ⬍ Schneeluft (Sep.) ⬍ durch Angst (= Anstrengung) ⬍ durch schlechte Nachrichten (s. oben) ⬎ im Sommer, ⬎ bei trockenem, warmem Wetter
Calcium phosphoricum ⬎ im Liegen ⬎ Abwechslung Verlangen nach Salzigem, Speck Appetit vermehrt 16 Uhr Auslöser: zu schnelles Wachstum (Phos.) allgemein ⬍ durch Anstrengung (Calc. + Phos.!) physische Überanstrengung durch Heben, Anstrengung der Bewegungsorgane Kalt- und/oder Nasswerden geistige Anstrengung, durch überfordernde Lernprozesse
sexuelle Überanstrengung Kummer – unerwiderte – enttäuschte Liebe unerfreuliche Nachrichten (s. oben) Komplementär zu Ruta, DD evtl. Tub., Calc-f. Erkrankungen der Diaphysen: Conchiolinum Sil.: mehr Neigung zu Hautentzündungen, Eiterungen, Obstipation, dicker Bauch, Frieren, mehr Schweiß
Ausgewählte Fallbeispiele Fuchswallach – Entwicklungsrückstand (Fall von Dr. Hartmut und Christiane Krüger aus 1984)
men durch eine renommierte Pferdeklinik ergaben keinen klaren Befund. Nun soll als letzte Möglichkeit die Homöopathie herhalten.
Untersuchung Der in der Entwicklung zurückgebliebene und abgemagerte 2-jährige bayerische Warmblut-Fuchswallach wurde aus Mitleid aus einem vom Tierschutzverein aufgelösten Pferdebestand gekauft. Trotz guter Fütterung wollte er nach 3 Monaten immer noch nicht an Gewicht zunehmen. Der Besitzerin fällt auf, dass ihr Pferdchen immer den Kopf hängen lässt, immer mit dem Kopf nahe am Boden herumläuft, als würde es sich ständig „zum Fressen niederbücken“. In seiner ersten Box mit einer Krippe, die für ein Pony extra niedrig montiert war, habe es sein Kraftfutter gut aufgenommen. Der Fuchs habe stets sehr gierig alles leer gefressen, weil er ja „kurz vor dem Verhungern“ gewesen sei. Nach Umstellung in eine andere Box mit einer Krippe für Großpferde habe er scharrend und kratzend vor der vollen Krippe gestanden, sei aber gar nicht ans Futter herangegangen. Er warf den Kopf mit angelegten Ohren hin und her; anfangs wusste keiner, was man davon halten sollte, bis endlich ein Mädchen auf die Idee kam, ihm sein Kraftfutter auf den Boden zu streuen. Das war also der Trick, den Fuchs wieder zum Fressen zu bringen. Aber auch nach einer Wurmkur und reichlichen Kraftfuttergaben wollte aus dem „Kleiderständer“ kein Pferd werden, obwohl er vom Verhalten her lustig, frech und übermütig war. Schließlich habe man eine Verletzung der Halswirbelsäule vermutet. Doch die Röntgenaufnah-
Motilität der Halswirbelsäule o. B. Das Pferd wird in Trab und Galopp im Auslauf bewegt. Dabei fällt auf, dass der Fuchs den Kopf offensichtlich nicht höher als bis zum Schultergelenk heben kann. Wenn man ihn manuell höher heben will, lastet dieser mit vollem Gewicht auf unserem hebenden Arm – ohne Abwehr. Außer einem bisher immer heftig herausspritzenden, grünlichen Durchfall und häufigem Blähungsabgang sind keine klinischen Symptome zu finden. Die Rangordnung unter den Artgenossen ist so tief, dass der Fuchs auf eine isoliert eingezäunte Weide gestellt worden ist. Gegen die Angriffe seiner Kollegen auf der früheren gemeinsamen Weide habe er sich zwar heftig zur Wehr gesetzt, sei aber trotzdem immer wieder von den anderen Pferden gebissen und verletzt worden.
Symptome ,Abmagerung bei Heißhunger‘, ,kann nicht den Kopf halten‘, ,Schwäche der Cervicalregion‘, ,Stuhl spritzt heraus‘, ,Stuhl grün‘, ,Durchfall chronisch‘ ergeben als einziges Mittel Calcium phosphoricum, das in der XM per os als einmalige Dosis gegeben wird. Nach 4 Wochen kommt die Rückmeldung: Der Fuchs trage nun seinen Kopf in derselben Höhe wie
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Calcium phosphoricum die anderen Pferde, er könne jetzt auch aus der normalen Großpferdekrippe fressen. Es sehe so aus, als habe er „schon an Substanz zugelegt“. Der Kot sei jetzt richtig „geapfelt“. Etwa ein Jahr später hören wir, der Fuchs habe sich wider Erwarten „zu einem phantastischen Pferd entwickelt“. Wesentlich später erfuhren wir, der Fuchs sei auf Material-Prüfungen bereits hoch bewertet worden. Zusatzbemerkung: Selbst wenn ein Befall mit Kokzidien die Ursache für den chronischen Durchfall mit Abmagerung gewesen sein sollte, ist das kein Grund, von diesem Therapie-Konzept abzuweichen. Kokzidien sind bekanntlich eine Folge von gestörter Darmflora, die am besten durch das passende Simile in Ordnung gebracht wird.
Irländer-Wallach Brandy – Strahlbeinlahmheit 11-jähriger Irischer brauner Halbblut-Wallach, ein kräftiger Riesenathlet mit mehr als 170 cm Stockmaß. Er gehört seit ca. 5 Jahren zu seinen Besitzern, war beim Ankauf noch fast ungeritten. Er wird zum ersten Mal vorgestellt am 10. April 1998 wegen nachgewiesener Podotrochlose. Er gehe seit ca. 5 Monaten vorn links lahm. Er ist Hobbypferd von Frau und Herrn A., ist schon Springkonkurrenzen bis 1,20 m gegangen und kleinere Dressurprüfungen. Im letzten November habe er sich an einem Cavaletti angeschlagen. Am nächsten Tage sei er nach 10 Minuten Reiten stark lahm gegangen, besonders in verstärkten Gangarten. Der zugezogene Tierarzt vermutete eine Tendinitis im Unterstützungsband zum tiefen Zehenbeuger. Die Ultraschalluntersuchung brachte aber keinen Befund. Brandy bekam 2 Wochen Ruhe verordnet. Anfangs ging er lahmheitsfrei, aber nach Belastung stellte sich die Lahmheit wieder ein. Nachdem sich das dreimal wiederholt hatte, wurde geröntgt und eine Szintigraphie an der Universitätsklinik in Bern vorgenommen, mit unklarem Befund.
Im Laufe weiterer Diagnostik, auch mit diagnostischen Injektionen, wurde dann die Podotrochlose festgestellt und eine Neurektomie vorgeschlagen. Brandy habe schon immer ,fühlige‘ Hufe – Huflederhautreizung – und wurde deshalb mit Ledersohle zwischen Huf und Eisen beschlagen. Damit sei er auch auf hartem Boden gut gelaufen.
Homöopathische Anamnese Brandy empfängt uns ganz vergnügt in seinem Paddock vor der Box, geht aber gleich wieder hinein, weil es draußen wirklich gießt: Sturm und Nieselregen und ein durchweichter Reitplatz lassen keine Untersuchung im Freien zu. Die Reithalle sei mit Unterricht belegt. Also kann Brandy nur kurz draußen vorgetrabt werden: Es ist eine deutliche Stützbeinlahmheit vorn links erkennbar. Der Rest der Anamnese spielt sich in Brandys Box ab, was sich etwas schwierig gestaltet: Brandy nimmt intensiven Anteil an meinem Gespräch mit der Besitzerin: Nachdem er diese vergebens nach zusätzlichen Leckerli untersucht hat, gilt seine ungeteilte Aufmerksamkeit meinen Sachen: Jacke und Schuhe werden berochen, dem angelnden Vorderhuf kann ich mich gerade noch entziehen. Schließlich hat er es auf meinen Schreibblock abgesehen. Er ist unaufhörlich in Bewegung und geht im Kreis um mich herum, versucht immer wieder an meiner Schreibmappe zu knabbern, steht mir dabei auf dem Fuß oder schlägt mir seinen Schweif um die Ohren. Die Besitzerin versucht ihn am Halfter festzuhalten – ein Ding der Unmöglichkeit. Schließlich bitte ich sie, mit Brandy in einer Boxenecke zu stehen, während ich auf seiner Krippe meine Notizen machen wollte. Aber Brandy steht keine Sekunde still. Die energische Schimpfe und das Drohen mit der Gerte nimmt Brandy zum Anlass, entsetzt schnarchend beiseite zu springen und mich dabei fast über den Haufen zu rennen. Brandys Charakter schildert Frau A. als ruhig – außer wenn etwas los sei – so wie jetzt. „Wenn irgendwo etwas herumliegt, was gestern noch nicht da lag, kann er wilde Tänze aufführen. Aber wenn er in dem Moment etwas anderes sieht, ist das erste vergessen und uninteressant. Er ist eine Mimose, aber eine besondere Sorte. Donnernde LKWs auf der Straße sind z. B. uninteressant, die gibt es jeden Tag. Aber wenn jemand eine Schubkarre mit Hindernisständern in 20 m Entfernung
Calcium phosphoricum über eine Bodenunebenheit fährt, dann explodiert er. Die vorbeifahrende Eisenbahn hat ihn einmal zum Durchgehen gebracht, nachdem er sie vorher schon ein paar Mal ignoriert hatte. Als er seinen Zunder abgelassen hatte, fiel er in den Schritt und ging weiter, als wäre nichts gewesen. Oft genug benimmt er sich wie ein ungezogenes Spielkind.“ – Brandy macht es gerade vor: Er hat den roten, lang herunterhängenden Schal seiner Besitzerin im Maul und zieht daran. Er springt entsetzt beiseite – mit dem Schal im Maul. Die entsprechende Hektik von Frau A. regt ihn noch mehr auf, aber Brandy setzt keinen Huf nach draußen in den Regen. Schließlich taucht vor der Box Frau A.’s Hund auf, groß, nass und voller Sand. Er springt beiseite vor Brandys Sätzen und steht nun jaulend vor der offenen Box. Brandy sieht ihn mit gespitzten Ohren und stürzt plötzlich mit flach angelegten Ohren auf ihn los. Frau A., die ihn noch am Halfter hält, wird wieder in der Box herumgewirbelt, und ich versuche, meine Schreibblätter zu retten. Frau A. schimpft lauthals mit ihrem Pferd. Brandy schaut sie mit pfiffigem Gesichtsausdruck von weit oben herab an. „Brandy frisst alles. Sofort nach dem Reiten geht er an die Tränke. Ich glaube, er trinkt ziemlich viel. Er hatte schon immer Schwierigkeiten, sich unterzuordnen. Er wurde von einer sehr guten Dressurreiterin ausgebildet und versuchte bei jeder Gelegenheit seine Tricks. Sie musste ihn mit enormer Konsequenz erziehen: Wenn er plötzlich weggesprungen ist, ritt sie zurück und wiederholte die Lektion. Anfangs gab es dann ziemliche Kämpfe, er hat oft genug eins auf die Jacke bekommen. Aber er lässt sich von Strafe nicht sonderlich beeindrucken, sondern nimmt die Gerte oft zum Anlass für Rodeo-Bocksprünge. Anfangs war er wirklich sehr schwierig zu beherrschen. Jetzt ist es beim Satteln noch immer ein Tanz: Er beißt dabei in alles hinein, was er nur erreichen kann – in die Bürste oder den Striegel, zerkaut die Zügel, auch auf dem Sattel haben seine Zähne Spuren hinterlassen. Und er hat eine besondere Begabung, einem auf den Fuß zu treten. Man weiß nie, wohin er beim Satteln den nächsten Schritt setzt. Er hatte vor etwa 3 Jahren an den Hinterbeinen eine Mauke, die mit einer Cortisonsalbe behandelt wurde.
Gegen Insekten ist er empfindlich: Das Brummen kann ihn richtig ärgern, er schießt dann mit angelegten Ohren hinter der Bremse her. Wenn im Sommer die Mücken oder Bremsen fliegen, kann man ihn nur in der Halle reiten; er ist pausenlos am Schütteln und Schlagen. Beim Hufschmied ist er brav. Wenn er gerade liegt, braucht er manchmal lange, bis er sich dann entschließt, endlich aufzustehen. Manchmal muss ich ihn dann mit der Gerte auftreiben. Durch den Sattel bekommt er leicht Scheuerstellen im Fell. Beim Putzen hat er sich manchmal richtig affig, meistens ist er ungeheuer kitzlig. Aber wenn er etwas anderes Interessantes sieht, kann er wie ein Standbild still stehen. Wenn wir zur Futterzeit vom Reiten noch nicht wieder im Stall sind, dann kann er wahnsinnig aufdrehen und ist kaum zu halten. Am liebsten würde er dann im rasenden Galopp in seine Box stürmen. Beim Reiten ist er ausgesprochen eigenwillig. Für einen Anfänger ist er ungeeignet. Vom Reiter verlangt er eine ganze Menge, am meisten einen sicheren Sitz und ungeteilte Aufmerksamkeit. Jede kleinste Gelegenheit nutzt er aus, um irgendwelchen Unsinn zu machen. Wenn man ihn korrekt reitet, kann er enorm gut springen.“ Wetter? – „Darüber kann ich nicht viel sagen, er ist keinen Tag gleich zu reiten. Seine Launen und das Durchsetzungsvermögen des Reiters bestimmen, wie er geht. Wenn es draußen sehr heiß ist, geht er etwas ruhiger, und man braucht ihn nicht so lange abzugaloppieren, damit er seinen Zunder rauslässt. Er schwitzt nicht auffallend viel – nur an Halsseiten und Flanken. Wenn wir mit einem anderen Pferd zusammen ins Gelände gehen, ist er noch lustiger und will als erster vorangehen.“ Zorn? – „Nein. Er ist viel zu verspielt. Er will nur seinen Schabernack mit uns treiben, kann nie still stehen, findet alles lustig und Anlass, übermütig herumzutoben. Stolpern gibt es nie. Schimpfe ist ihm egal. Einen kräftigen Hieb mit der Gerte quittiert er mit einem genauso heftigen Luftsprung, der aber nicht böse gemeint ist. Brandy ist ungeheuer frech, absolut kein Schmusepferd! Streicheln beantwortet er mit Beißen und Knabbern. Verladen im Anhänger ist kein Problem.“
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Calcium phosphoricum Therapie Nach dieser stressigen Anamnese bleibt nur noch ein Mittel: Calcium phosphoricum; er bekommt es als XM-Potenz per os.
Mittelwahl Symptome zu seinem auffallenden Verhalten sind: Frohsinn, ungezogen, verträgt keinen Widerspruch, wechselhafte Stimmung, Ruhelosigkeit treibt ihn von Ort zu Ort und alles wird besser durch Ablenkung. Man könnte noch an Lebhaftigkeit und Frechheit denken, aber dann würde nach exakter Repertorisation Lachesis oder Tarantula herauskommen. Aber diese Mittel haben keinen Bezug zum pathologischen Geschehen. Calc-p. hat aber die Symptomatik von Überanstrengung, insbesondere der Problematik der Bursa podotrochlearis (Extremitäten, Bursitis an Gelenken), die Folgen von Überheben und Überanstrengung und die „leichte Verstauchung“.
Verlauf Die vorsichtige Besitzerin lässt ihn noch 2 Monate auf der Weide und beginnt dann wieder mit dem Reiten. Anschließend geht er bis zum Sommer 2001 ohne Lahmheit, ist weiterhin TOP-leistungsfähig, übermütig und lustig. Er braucht jede Menge Galopp, um sich auszutoben.
Im August 2001 beginnt eine Lahmheit auf dem anderen Vorderfuß. Derselbe Tierarzt stellt dieselbe Diagnose wie vor 3 Jahren – Podotrochlose. Brandy stellt zur Entlastung immer den rechten Vorderfuß nach vorn. Brandy bekommt wieder Calc-p. XM. Die Besitzerin stellt ihn zunächst auf die Weide und beginnt Mitte September wieder langsam mit Reiten. Ab Mitte Oktober ist er wieder voll im Training – ohne Lahmheit. 4.10.2001: Die Lahmheit ist fast gut, aber Brandy stellt zur Entlastung den Huf noch nach vorn. Daher Gabe des wichtigsten Komplementärmittels zu Calc-p., eine Gabe Ruta XM. 12.10.2001: Brandy geht lahmheitsfrei und wird jetzt antrainiert. 2.3.2002: Im Lauf der Anamnese des Hundes der Besitzerin erfahre ich, dass es Brandy sehr gut gehe, er wird voll geritten und wieder gesprungen. 12.9.2002: Brandy lahmt seit kurzer Zeit auf dem anderen Vorderbein. Er bekommt wieder Calc-p. XM. 9.4.2003: Erneut steifer Gang, eine Gabe Calc-p. 50 M. Bis Juni 2005 ist keine neuerliche Lahmheit aufgetreten. Er wird regelmäßig und ausgiebig geritten. Zu erwähnen ist noch, dass sich Brandy äußerst schwungvoll und raumgreifend bewegt. Zwischen den Arzneigaben wurde er – wenn nicht anders angegeben – regelmäßig geritten und gesprungen.
CausticumHahnemanni
Causticum Hahnemanni Ätzstoff
Signatur, Thema und Idee des Mittels Causticum oder Ätzstoff ist ein Produkt, das Hahnemann entwickelt hat, um „das Prinzip der Lauge“ in der Homöopathie nutzbar zu machen. Die komplizierte, langwierige und alchemistisch anmutende Herstellung prägt das Arzneimittelbild. Einer der Ausgangsstoffe ist Marmor, der sich im Erdaltertum langsam im Laufe von Jahrmillionen am Boden der Urmeere aus Kalkablagerungen und Spuren von Meerestieren unter mächtigen tektonischen Kräften auskristallisiert hat. Dieser Marmor wird zur Herstellung von Causticum aus dem Steinbruch gebrochen, gebrannt, in Aqua destillata gelöscht und zerfällt dann unter brodelnder Hitze und Entweichen von ,Kalk-Dunst‘ in ein weißes Pulver. Der zweite Hauptbestandteil ist Kalium-Bisulfat, das geglüht, geschmolzen, abgekühlt, pulverisiert und dann in kochendem Wasser gelöst wird. Beide Reagenzien werden miteinander verrührt, dann destilliert; zurück bleibt Gips und als klares Destillat der ,Ätzstoff‘, eine ätzende, scharf riechende Substanz, die überwiegend Kalilauge, aber auch Spuren von Eiweiß enthält. Diese klare Flüssigkeit ist die Causticum-Urtinktur, die anschließend mit Milchzucker verrieben wird. Causticum gehört wegen seines Kaliumanteils zur Gruppe der Kalium-Mittel. Der Herstellungsprozess besteht in zahlreichen Zerstörungsprozessen: Glühen, Brennen, Schmelzen, Abkühlen, Verätzen und Verdampfen. Das sind insgesamt lebensfeindliche und zerstörende Maßnahmen, deren Einzelaspekte sich im Arzneimittelbild wiederfinden: Der Marmorstein enthält bereits abgestorbene Lebewesen. Er wird zerbrochen, geglüht und gelöscht. Hiermit werden gleichsam uralte Leidensprozesse nochmals wiederholt. Das mehrfache Brennen und Glühen hat im Arzneimittelbild seinen Bezug zu brennenden und wunden Schmerzen und zu Verbrennungen. Causticum ist eines der wichtigsten Mittel für schwere Verbrennungen (2. Grades) und deren Folgeerscheinungen (z. B. Kontrakturen von Gewebe).
Das „Löschen“ und „Verätzen“ kommt z. B. in den Magenbeschwerden zum Ausdruck, die empfunden werden, „als ob im Magen Kalk gelöscht würde“. Wer so viele „Verbrennungen“ und „Austrocknungen“ durch Destillation ertragen hat, liebt verständlicherweise eher die feuchte Atmosphäre und erlebt trockene Luft als problematisch. So wie die Substanz ist der Patient den schmerzhaften Ereignissen des Lebens ausgeliefert, ohne dass er sich dagegen wehren kann. Causticum-Patienten haben oft viel seelischen Kummer, z. B. durch Sorgen, Tod von Angehörigen, enttäuschte Liebe oder durch lebensfeindliche Autoritäten (Ungerechtigkeit), durchgemacht. Das eigene Leiden lässt ihn empfänglich werden für das der anderen und macht Causticum zu einem der mitfühlendsten Mittel der Materia medica. In Erwartung von weiterem Leiden versucht sich der Causticum-Patient wenigstens gegen vermeidbares Unheil aufzulehnen. Kein Wunder, dass er schlimme Situationen im Voraus befürchtet (Beschwerden durch Erwartung), Vorsichtsmaßnahmen ergreift, sich gegen Ungerechtigkeiten auflehnt und schließlich zum Anarchisten wird, weil er sich gegen die – nach seinem Dafürhalten – ungerechten Vorschriften entsprechender Autoritäten oder Regierungen auflehnt. Eine erlittene Ungerechtigkeit führt zu heftigem Widerspruch gegen jede ähnliche Situation. Causticum kann ausgesprochen aggressiv und kriegerisch werden. Nicht umsonst ist es ein wichtiges Komplement zu der mitunter aggressiven Staphisagria. Aber nicht jeder Causticum-Patient ist widerspenstig und reizbar. Es gibt durchaus freundliche, herzliche und kooperationsbereite Causticum-Persönlichkeiten, die lediglich eine übermäßig starke Sensibilität gegen Ungerechtigkeiten mitbringen und sich ungern Vorschriften beugen, die ihren Überzeugungen widersprechen. Wer sich nicht gegen solche Traumen zur Wehr setzen kann, wird krank im Sinn von Causticum:
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Causticum Hahnemanni Entsprechend dem Leiden der zubereiteten Substanz ist Causticum besonders für ausgelaugte, erschöpfte Patienten zuständig, die nach psychischem und/oder schwerem körperlichem Leiden dem Leben nicht mehr gewachsen sind; die gesunde, alles koordinierende Lebenskraft lässt nach und schwindet, langsam entwickeln sich Lähmungen, Inkoordination oder Konvulsionen, das Leben zieht sich aus dem Organismus zurück – und übrig bleibt eine steife und starre Form: deformierende Arthrosen, Polyarthritis, Kontraktur von Beugesehnen, generelle Steifheit bis zur Lähmung, beim Menschen z. B. Erkrankungen wie PCP oder multiple Sklerose. Und wer in dieser Art leidet, empfindet Ängste, dass sich diese Ereignisse wiederholen könnten, leidet unter Erwartungsangst, befürchtet, dass auch seinen Lieben etwas Schlimmes zustoßen könnte.
Das Thema Mitleid spielt eine wichtige Rolle: Es handelt sich oft um mitleiderregende Patienten oder um solche, die besonderes Mitleid für andere Leidende aufbringen. Je nach Stadium der Pathologie finden sich solche Eigenschaften auch beim Tier: Es gibt übertrieben „mitfühlende Tiere“, die sich z. B. für das Wohlergehen von rangtiefen oder jungen „Kollegen“ einsetzen oder „verbrauchte“, „ausgelaugte“ Patienten, die langsam Lähmungserscheinungen an bestimmten Organen oder Körperteilen entwickeln. Aber nicht bei jedem Patienten müssen solche Tendenzen bereits erkennbar sein. Thema und Idee: Langsam entstehende und fortschreitende chronische Krankheiten mit dem Thema „Leiden“: fürsorgliches Mitgefühl mit dem Leiden anderer; Auflehnung gegen Autoritäten, die ungerechtes Leiden verursachen; psychisches und/oder körperliches Leiden, langsam fortschreitend bis zu Inkoordination oder lähmender Erstarrung.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Hahnemann betonte ausdrücklich die mächtige Kraft dieses Antipsoricums, das bereits in der 30. Centesimal-Potenz 30 Tage lang wirken soll. Das versteht sich natürlich im Verhältnis zu Schwere und Aktualität der Erkrankung. Causticum gehört mit zu den großen Polychresten der Homöopathie mit einem sehr weiten Wirkungsspektrum. Es kann für Erkrankungen an jedem Organsystem zuständig sein. Auch beim Tier können in der Causticum-Pathologie alle Organsysteme betroffen sein; aber es gibt bestimmte Schwerpunkte, die sich je nach Spezies und Nutzung in mancher Hinsicht von denen des Menschen unterscheiden. Causticum kann gerade beim Tier sehr leicht mit Phosphor verwechselt werden, aber das nicht passende Simile verschlimmert die Symptomatik. Darum ist es in diesem Zusammenhang wichtig, den Verlauf der Heilung gemäß der Hering’schen Regel zu beobachten. Ein wesentliches differenzierendes Merkmal zwischen beiden Mitteln ist beim Menschen möglich: Phosphor ist i. d. R. mehr aufs eigene Wohl bedacht, Causticum kann sich selbst vergessen, opfert sich für Gerechtigkeit und Wohlergehen Benachteiligter.
Causticum ist unter allen Haustieren am häufigsten bei Pferd und Hund indiziert. In der Therapie von Katze, Kuh, Schwein und anderen Haustiere spielt es eher eine untergeordnete Rolle. Beim Pferd (neben Phos. und Lach.) eines der wichtigsten Mittel der Stimmbandlähmung („Roarer“, Kehlkopfpfeifer“). In der Pferdezucht ist bekannt, dass diese Disposition in gewissen Blutlinien vererbt wird. Aus der Sicht der Homöopathie ist das nichts Besonderes: Sehr häufig brauchen die Kinder bzw. die Nachzucht dasselbe Mittel wie ein Elternteil, sie müssen aber nicht an denselben Erkrankungen leiden. Causticum folgt gut auf Rhus-t., wenn sich nach Sehnen- oder Gelenkverletzungen – besonders der Beugesehnen des Pferdes – Beugekontrakturen entwickeln. Causticum passt gut zur Sep.-Konstitution, wenn die „alte, erschöpfte, ausgelaugte Mutter“ Lähmungserscheinungen entwickelt. Der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn von Causticum kann besonders bei akutem Ärger und seinen Folgebeschwerden die Indikation Staph. nahe legen.
Causticum Hahnemanni Die Lähmungserscheinungen von Causticum können sehr leicht mit denen von Plb. verwechselt werden (nähere Abgaben siehe Plb.).
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute Erkrankungen: entwickeln sich in 1 – 3 Tagen, häufig Erkältungsfolgen, z. B. Atemwege, Zystitis; Komplementärmittel für akute Zustände vieler anderer konstitutioneller Mittel Chronische Krankheiten: chronische Folgen von Verrenkungen, Überanstrengung (Rhus-t.), Verbrennungen Konstitutionelles Mittel Nervensystem: vegetative, sensorische und/oder motorische Anteile neuromuskuläre Störungen: Lähmungen, Inkoordination, Epilepsie, Schwindel; Unruhezustände, Chorea Sensorium Epilepsie bei Voll- und Neumond
Bewegungsapparat: „Rheuma“, Arthritis, Arthrose, auch deformierende, und andere Gliederschmerzen chronische Verrenkungsfolgen Beugekontrakturen, Sehnen-Stelzfuß Atemwege: Erkrankungen der oberen Luftwege, Laryngitis, Kehlkopflähmung Haut: Hautausschläge; hornige u. a. Warzen, besonders an den Akren Harnwege: Inkontinenz, Lähmung des M. detrusor; Reizblase, Blasenentzündungen, Blasenschwäche nach Überdehnung, nach Schwergeburt Folgen von Verbrennungen mit Narbenkontrakturen
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten schlank, dunkel pigmentiert, meist mit ,straffer Faser‘, seltener mit hellem Fell Schimmelpferde oft ,dicker Bauch und dünne Beine‘ (d. h. wenig Muskulatur an Schulter und Oberschenkeln) oft schmaler Thorax, wenig bemuskelt Pferd: eingefallen zwischen Nüstern und Masseteren, mageres Gesicht; gestresster Blick, Ohren nach hinten geklappt; hängende Unterlippe evtl. auffallend häufiges Gähnen (Kali-c.) Herabhängen der Lider, oder häufiges Zufallen der Augen Warzen im Gesicht an den Akren, über den Augen, an den Lippen Warzen hornig, blutig, verschiedenster Konfiguration häufig steife Bewegungen, besonders steif beim und nach dem Aufstehen von längerem Liegen oft ungeschickter Bewegungsablauf, Inkoordination, Stolpern, Neigung zum Fallen auffallend häufiges Recken und Strecken – Pferd: Beim Putzen oder Hufe-Auskratzen muss sich das Pferd beispielsweise zuerst vorn
lang strecken, dann hinten lang – wie ein Hund, der gerade vom Lager aufsteht. – Hund: Dieses Zeichen ist weniger hoch zu bewerten, weil es im Verhaltensmuster häufiger vorkommt als beim Pferd. deformierende, äußerlich sichtbare Arthrosen Verkürzung der Beugesehnen der Vorderextremitäten (Sehnen-Stelzfuß) Lähmungen: Zunge, Gesicht rechtsseitig, Bewegungsapparat, Blase (Einnässen s. u.) chronisch heisere Stimme (Phos.) – Pferd: Kehlkopfpfeifer, Stimmbandlähmung oder Follikel, heiseres Wiehern – Hund: heiseres Bellen, Miefen (Phos.) (bei der Katze viel häufiger Phos. als Caust.) evtl. auffallender Reizhusten, andauernd, keuchend Hund: neigt zum Jammern, wimmern bei der Untersuchung auch Debilität – Imbezillität (körperlich oder geistesbehindert) auffallende Zuckungen im Schlaf
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Causticum Hahnemanni Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Verhalten je nach Vorgeschichte wenn unbelastet, kann das Verhalten ganz unauffällig und freundlich sein je mehr Misshandlung, desto auffälliger, widerspenstig bis aggressiv auch sehr sensibel und fein, sympathisch, wenn nicht mit schlechten Erfahrungen vorbelastet überempfindlich gegen vermeintliche Ungerechtigkeit freundlich, aber nicht so überschwänglich wie die meisten Phos.-Patienten distanziert, aber nicht abweisend, misstrauisch gegen Fremde (u. a.) eher ernst, nicht übermäßig verspielt, ängstlich, vorsichtig mitunter Dominanzprobleme mit Besitzer (Sep. u. a.) lassen sich ungern anfassen, besonders nach schlechten Erfahrungen kann sehr schnell aggressiv werden, sogar bissig, jähzornig bis ,Töten‘ widerspenstig gegen autoritäre Erziehungsmaßnahmen („Anarchist“) – Hund: knurrt Besitzer an, wenn geschimpft (Ars. u. a.) aber perfekt, wenn man sich mit ihm gut versteht (Sep.) sensibel, eigensinnig, auch dominierend, ,diktatorisch‘ ordnet sich dominierenden Personen nicht gern unter, dann evtl. widersetzlich ,trotzig‘, ,ungezogen‘ (Sep.), ,allergisch‘ gegen ungerechte Autoritäten (Pferde dürfen nicht zu grob angefasst werden, werden sonst ,sauer‘; sehr leistungsbereit, wenn das Verhältnis zum Reiter stimmt! Braucht liebevollen und vor allem einsichtigen Reiter!) schmerzempfindlich, körperlich und seelisch, egal, ob bei anderen oder bei ihm selbst empfänglich für ,Stimmungen‘ anderer, daher Nachahmer von Untugenden anderer (Weben bei Pferden); lässt sich sehr leicht von der Aufregung anderer ,anstecken‘
,mitfühlend‘, besonders für Untergeordnete, Hilfsbedürftige, Jungtiere – Hündin: adoptiert Katzenwelpen – Hund: ,sorgt‘ für das Baby der Familie; leidet unter Familienstreitigkeiten, verteidigt das geschimpfte Kind – Wallach: hütet liebevoll die Absatzfohlen, übernimmt Mutterrolle – Pferd: geht dazwischen, wenn sich andere prügeln; ist in dem Moment nicht zu reiten, wenn ein anderes vom Reiter geprügelt wird Beschwerden durch Kummer und Misshandlung – z. B. ,pensionierte‘ Pferde, die nicht mehr geritten werden – neues junges Pferd wird an seiner Stelle angeschafft (,Kränkung‘, ,Demütigung‘) – überforderte Pferde, z. B. durch Hilfszügel, zu viel Springen u. Ä. – Pferd wird verkauft an Händlerstall, fort von Kontaktperson, dann Apathie und Schwäche Ruhelosigkeit, ,trebt umher‘ – Pferd: wandert in der Box umher (evtl. eine Form von Chorea), Stereotypien; Kopfwerfen, Weben, schlimmer bei geringster Erregung (z. B. Futterzeit); kann angebunden nicht still stehen, tritt permanent hin und her; morgens zerwühlte Box durch „Wandern“ (Ars.) leichtes Erschrecken, durch Kleinigkeiten – besonders für plötzliche Geräusche, gegen plötzliche Berührung – schreckhaft mit Tendenz zu sich steigernder Erregbarkeit – Erregbarkeit steigert sich mit zunehmender Aufregung anderer – Konvulsionen, Chorea, Epilepsie durch Schreck, Aufregung Pferde sind meist empfindlich gegen das Anziehen des Sattelgurtes bis zum ,Sattelzwang‘ (Lach., Lyc., Nux-v., Calc. u. a.)
Causticum Hahnemanni Leitsymptome des pathologischen Geschehens Zentralnervensystem: Schwäche – Inkoordination – Ataxie – Gefühllosigkeit – Lähmung, auch einzelner Muskelgruppen Narkolepsie (Pferd): plötzliches Umfallen beim Schlafen im Stehen Konvulsionen – Chorea – Epilepsie – Zuckungen – Spasmen – Stereotypien: durch Schreck, Angst, Strafe, durch Kaltwerden, kalt Baden; nach Verbrennungen, Verbrühungen; nach der Geburt; durch unterdrückten Hautausschlag (u. a.); durch degenerative Hirn-Erkrankungen; bei Jungtieren, Zahnwechsel, synchron mit Zyklus, (,infantile Zerebralparese‘, Phos.); morgens, abends, aus dem Schlaf (u. a.); ⬍ bei Vollmond, ⬍ bei Neumond Epilepsie: vorher Unruhe, läuft wie ziellos umher, läuft (rechtsherum) im Kreis; im Anfall: Zungenbiss, Schaum vor dem Maul, unwillkürlicher Urinabgang, Schrei, tonische, klonische Krämpfe; nach dem Anfall lange schwach oder Schwindel, evtl. Lähmung Schwindel, konvulsive Bewegungen des Kopfes: Pferd: Headshaking nach Verletzungen der Halswirbelsäule (Festhängen im Halfter), nach Herpes-Infektionen (u. a. Mittel) Hund, Katze: Schwindel oder Konvulsionen nach Erkrankungen des Innenohrs, evtl. mit Nystagmus; läuft (rechts herum) im Kreis (Bell., Calc., Thuj.) Lähmungen – Inkoordination: allmählich, sich langsam entwickelnde Lähmungen, besonders der rechten Seite; Fazialislähmung (rechts) kann aber schnell beginnen, z. B. nach unterdrücktem Hautausschlag; langsam fortschreitende oder geringe Muskelatrophie bei Lähmungen; Auslöser: durch Apoplex, Schreck, Trauma, ,ungerechte‘ Behandlung; durch Kälte (Acon.), Zugluft, kalt Baden, Nasswerden; nach Infektionskrankheiten(!); durch Überanstrengung, auch chronische (physische und psychische), Geburt; durch unterdrückte Hautausschläge, nach Entfernung von Warzen, Tumoren; durch Nervendegeneration Lähmungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, auch innerer Organe: Augenlider, Gesicht, Fazialisparese rechts; Zunge/Lippen – mit Biss-Verletzungen der Zunge oder Wangenschleimhaut; Kehlkopf – Stimmbänder
(Pferd: ,Roarer‘: DD Phos., Nux-v., Lach., Rhus-t. u. a.); einseitige Lähmung, Lähmung von Gliedmaßen, der Beugemuskeln (Nat-m.); Lähmung der rechten Vorderextremität mit gleichzeitiger Lähmung der Zunge; Lähmung von Sphinkteren bzw. Ringmuskeln (Anus, Blase, Pharynx, Larynx, Ösophagus); Kälte gelähmter Teile Inkoordination: Grobmotorik ist nicht optimal koordiniert: schlechtes Aufstehen Neugeborener, unkoordinierte Bewegungen; ungeschicktes Laufen, Stolpern, Einknicken im Karpalgelenk, Fallen (s. u.) (Hund: kann z. B. nicht schwimmen); Inkoordination von Zunge, Larynx-Pharynx-Muskulatur; Verschlucken fester und flüssiger Nahrung; Schluckzwang „Kloßgefühl“ im Hals (Pferd: Koppen); Steckenbleiben von Futter mit anschließendem Reizhusten; Rektum: Stuhl geht ab im Stehen; Gefühllosigkeit; Spasmen, ineffektiver Drang; Harnverhaltung nach Laparotomie oder Inkontinenz, auch nächtliche Enuresis; Wehen unkoordiniert; Zucken in den Extremitäten – lähmiges Zittern; Muskelzittern, unwillkürliche Kontraktionen, Zuckungen Bewegungsapparat: Kraftlosigkeit der Extremitäten, rheumatische Steifigkeit mit Ungeschicklichkeit Gliederschmerzen, ,Rheuma‘ Arthritis, Arthrosen, auch deformierende, Polyarthritis ⬍ auf der rechten Seite Kontrakturen der Beuger an den Vordergliedmaßen, Kontrakturen an Hals- und Rückenmuskulatur chronische Folgen von Überanstrengung, Zerrungen (folgt gut auf Rhus-t.) Arthritis, Arthrosen, evtl. mit schlimmsten Deformierungen (besonders beim Pferd) ⬍ am Anfang der Bewegung, ⬎ durch fortgesetzte Bewegung Verletzungen: Folgen von Verrenkungen, Luxation, Erschütterungen, Stauchungen Hals/Rücken: Torticollis nach rechts, Steifheit der rechten Halsseite (Pferd: lässt sich nicht nach links biegen) Torticollis durch kalte Luft Verrenkungen der Halsmuskulatur, auch bei Neugeborenen Headshaking (Chorea) nach Festhängen im Halfter o. Ä. mit Zerrungen der Halsmuskulatur
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Causticum Hahnemanni Steifheit der Nackenmuskulatur, ,Kopf wie nach hinten gezogen‘ steifer Rücken, ⬎ durch fortgesetzte Bewegung Pferd: geht nicht „durchs Genick“ Extremitäten: Ungeschicklichkeit, Neigung zum Stolpern, sogar auf ebenem Boden Neugeborene haben Schwierigkeiten mit Aufstehen und Laufen, fallen um Schwäche und ,Müdigkeit‘ der Extremitäten, Spasmen und Kontrakturen von fibrösem Gewebe keine optimale Koordination im Bewegungsmuster (z. B. Hund kann nicht schwimmen) Lähmungen, Radialis, Tibialis-Lähmung (Plb., bei traumatischer Ursache: Hyper.), anfangs erkennbar an abgewetzten Krallen, Hufen (u. a. Mittel!) auffallendes Knacken der Gelenke, besonders am Anfang der Bewegung Hund: Hüftgelenkserkrankungen mit Tendenz zu Luxation und Arthrosen (Lyc.) Huhn: Marek-Lähme (Kannengießer oder Pischetsrieder?)
Pferd Causticum ist ein häufiges und wichtiges Mittel für die Behandlung von Lahmheiten und Bewegungsstörungen, insbesondere bei stark beanspruchten Tieren! Allerdings haben bei diesem Konstitutionstyp geringe Verstauchungen oder Zerrungen die Tendenz, sich so wie im Folgenden geschildert zu entwickeln. Einknicken im Karpalgelenk, Stolpern mit anschließendem Stürzen (Calc., Nat-m., Phos.) auch unmotiviertes Stürzen, ohne ersichtlichen Anlass Erkrankungen und Schmerzen der Zehenbeuger an den Vorderextremitäten Verhärtung, Verknorpelung bis Verknöcherung der gemeinsamen Sehnenscheiden oberhalb und um die Fesselgelenke dabei häufig Verkürzung (,Kontraktion‘) der Zehenbeuger mit ,lockerem Karpalgelenk‘ dabei oft steile Fesselung (nicht durchtrittig!) dabei oft Zittern in Stillstehen im Karpalgelenk damit verbunden Tendenz zu ,Trachten-Zwanghufen‘
häufig deutliche Überempfindlichkeit der Huflederhaut auf hartem, unebenem Boden Pferd wehrt sich beim Hufschmied gegen das Klopfen beim Hufe-Ausschneiden eines der Mittel für schlimmste, deformierende Arthrosen, katastrophale Röntgenbefunde! ,Schale‘ besonders an Huf-, Kron- und Fesselgelenk, Spat mit Deformitäten (Calc-f.) ,Hufknorpelverknöcherung‘ – bis zur Ankylosierung! Man fragt sich, wie solch ein Tier überhaupt noch laufen kann!
DD Calc-p. Calc-p. betrifft eher die Schäden an Sehnenansatzstellen und Knochensuturen, Caust. eher deformierende Arthrosen, Verknöcherung und Kontraktion der vorderen Zehenbeuger – ähnlich wie Lyc., Natm., Sil., Ruta u. a. Calc-p. findet sich häufiger bei jüngeren Tieren bzw. durch Überanstrengung während der Wachstumsperiode. Diese Beobachtung soll aber weder Causticum bei jungen Pferden noch Calc-p. bei älteren Tieren ausschließen! Calc-f. hat eher Exostosenbildung durch Periosttraumen. Ohren: Hund, Katze: chronische Erkrankungen nicht selten! Ohrenschmalz vermehrt chronische Otitis media mit chronisch stinkenden blutig-eitrigen Absonderungen Innenohrerkrankung mit Schwindel und Laufen im Kreis und evtl. Nystagmus (Con.) Lähmung des N. acusticus mit Schwerhörigkeit, Taubheit Atemwege: Infektionen: beginnen evtl. mit steifen, schmerzhaften Halsmuskeln und Schluckbeschwerden Lokalisationen: Kehlkopf: Heiserkeit, dann Stimmlosigkeit, ⬍ morgens (DD Phos.); Laryngitis durch ,überanstrengte Stimme‘ (u. a.); akute oder chronische Laryngitis, Stimmbandauflagerungen, Polypen; Kehlkopf empfindlich gegen Berührung; wichtiges Mittel für die Laryngitis des Pferdes! Pferd: Husten ist oft leicht auslösbar (Phos., Lach.); Laryngitis entwickelt sich bis zur Stimmbandlähmung (Phos. u. a.)
Causticum Hahnemanni Tracheitis, Bronchitis: trockener Reizhusten, Kitzelhusten unaufhörlich; klingt, als hätte sich der Patient verschluckt; Husten ⬍ durch forcierte Atmung, besonders Ausatmen (Stimmäußerung) (Phos.: Inspiration); die vom Menschen bekannte Modalität ,Husten besser durch einen Schluck kaltes Wasser‘ ist beim Tier wahrscheinlich kaum erkennbar; Husten besser in feuchter Luft – ist beim Tier ebenfalls kaum festzustellen; Schluckzwang wegen Schleim im Hals; erschöpfender und quälender Husten, schwieriger Auswurf, Hustenreiz ⬎ durch Auswurf; im Akutfall schmerzhafter Husten evtl. mit Strangulationsgefühl bis Asthma (Phos.) Heiserkeit eher morgens, Phos. morgens und abends häufig seufzender, tiefer Atemzug (u. a.) häufige Folgeerkrankung: chronische schmerzlose Heiserkeit oder Stimmlosigkeit (Phos.) Verdauungsapparat: Maul: Zungenlähmung bzw. Steifigkeit, beißt sich in Wange oder Zunge; roter Mittelstreifen der Zunge; Arthrose des Kiefergelenks mit Knacken; Zahnschmerzen, Zahnfleischentzündungen, Abszesse, Fisteln Hals: schwieriges Schlucken, Kloßgefühl; eines der Mittel für Kopper (Pferd) Magen: schlechte Fresser; Lutschen am Leckstein oder Mineralsalz; trinkt sehr gern frisches kaltes Wasser aus Eimer, Bach oder Brunnen, lieber als aus der Selbsttränke; Verlangen nach Geräuchertem, Salami, Schinken, nach Salz; Abneigung gegen Süßes; Pferde lehnen Zucker ab; saure Dyspepsie, ⬍ nach Teigwaren Aftersymptome hochgradig schmerzhaft
Harnwege: Harnwegs- Blasenentzündungen durch Kaltwerden Harnwegsbeschwerden nach Geburt, nach Operationen, durch Überdehnung der Blase häufiger Harndrang, evtl. vergeblicher Harndrang Inkontinenz, unbemerkter Urinabgang, evtl. infolge Lähmung des Sphinkters; Lähmung durch überdehnte Blase (des M. detrusor vesicae); Lähmung nach Hysterektomie o. a. Bauchoperationen Inkoordination: Urin nur in aufgerichteter Stellung (Hund) nur gleichzeitig mit Stuhl Urinabgang bei Husten (Stute) Störungen der Blaseninnervation (Enuresis + Enkopresis) Haut: Intertrigo Narbenkontrakturen – speziell nach Verbrennungen harte Verhornungen, harte Haut Warzen: hornige Warzen, speziell an Vordergliedmaßen nahe Krallen, Hufen, Klauen; gestielte Warzen, evtl. am ganzen Körper; eiternde, ulcerierende Warzen; Warzen im Gesicht, Nase, Nasenspitze; eines der Mittel für das Sarkoid des Pferdes; equines Sarkoid, hornig, blutig; besonders an den Akren: auf der Nase, Nasenspitze, an den Lippen; Jochbein, Augenbogen, Stirn schlechte Narbenbildung nach Operationen oder Verletzungen, Narbenkeloid, Verhornungen Milch versiegt durch Kummer.
Auslöser und Modalitäten Auslöser: kaltes trockenes Wetter, kalter trockener Wind, Ostwind (ähnlich Acon.) Nasswerden mit folgender Erkältung, ⬍ durch Zugluft durch kalt Baden ⬍ in trockener Zimmerluft ⬎ bei feuchtem Wetter, Nebel generell Folgen von emotioneller Aufregung, sogar geringe Aufregung ⬍ Folgen von Leid und Kummer, Schreck, Misshandlung, Ungerechtigkeit Folgen von Überanstrengung, Überheben (Reiter), Verletzung
Zerrung, Verrenkungen, Überdehnung, Verstauchung (Rhus-t.) Verbrennungen, Röntgen-Verbrennungen unterdrückte Hautausschläge (danach neurologische Symptome, Lähmungen) lange schwere Krankheit mit entsprechenden Symptomen Bleivergiftung (alte Pferdeställe!) Modalitäten: Beschwerden der rechten Seite ⬍ durch Aufregung jeder Art, auch geringe! ⬍ z. B. Motorik, Lähmung, Epilepsie, Inkontinenz ⬍ durch Aufregung anderer, wird angesteckt
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Causticum Hahnemanni ⬍ bei klarem trockenem Wetter ⬍ Wetterwechsel zum Kalten ⬍ unterdrückte Hautausschläge ⬍ 15 – 16 Uhr ⬍ durch Schwitzen ⬎ Regen, feuchtes Wetter, ⬎ feuchte Wärme ⬎ durch kalte Getränke ⬎ Bettwärme ⬍ Erschütterung
Pferd: Verschlimmerung aller Beschwerden durch Laufen, speziell Trab auf hartem Boden; Bewegung auf weichem oder tiefem Boden ist weniger problematisch; Abneigung gegen Würfelzucker Komplementärmittel: Sepia, Lach., Merc., Staph. u. a. unverträglich mit Phos.
Rhus-t.,
Graph.,
Ausgewählte Fallbeispiele Katja – Trakehner Stute mit Laryngitis Katja ist eine bildhübsche kleine Trakehner Fuchsstute, 9 Jahre alt, Hobbypferd. Sie gehört seit 11/2 Jahren zu ihrer jetzigen Besitzerin, aber bereits früher soll sie wiederholt gehustet haben. Sie wird im Juli 1994 vorgestellt.
Vorbericht Katja habe eine chronische Laryngitis und Bronchitis, das sei im letzten Winter und schon bei der Vorbesitzerin diagnostiziert worden. So schlimm wie jetzt sei es aber noch nie gewesen, am letzten Wochenende sei die Besitzerin sogar beim Ausritt abgestiegen. „Sonst ist Katja immer topfit gewesen und hatte eine Bombenkondition! – Und neuerdings hat sie ganz spröde Hufe, bisher waren sie immer sehr gut. Bisher hat sie immer beim ersten Galopp 2- bis 3mal gehustet, dann war es vorbei – im Winter genauso wie im Sommer.“
Untersuchung und homöopathische Anamnese Husten ist ohne bemerkenswerte Abwehr sehr leicht auslösbar, Katja hustet dann 3-mal, trockener, oberflächlicher Husten, ohne Anstrengung, dann folgen noch ein paar ,raue‘ Atemzüge – wie Räuspern. Atemgeräusche sind nicht auszukultieren. In der Bewegung an der Longe hustet Katja wiederholt, was sie aber nicht in der Bewegung einschränkt. Im Galopp ist kein Atemgeräusch zu hören.
Atem- und Herzfrequenz sowie Beruhigungswerte sind o. B. „Katja geht im Winter wie im Sommer gleich gut. Sie ist ein sehr fleißiges Pferd. Nur im Moment ist sie etwas träger – das kenne ich gar nicht von ihr. Sie ist ideal zu reiten, wenn sie weiß, was sie soll, und wenn man sie nicht überfordert. Aber wehe, man fasst sie zu hart an, dann kann sie ganz ekelhaft werden, mit dem Kopf schlagen und steigen, bis man unten ist. Das hat sie sogar mit dem Reitlehrer geschafft. Aber ohne Anlass ist sie nie widersetzlich! Ich könnte jeden Anfänger auf ihren Rücken setzen, sie würde höchstens stehenbleiben. Aber wehe, er gäbe ihr eins mit der Gerte! Sonst ist sie eher hart im Nehmen. Straßenverkehr kann sie nicht aus der Ruhe bringen und auch keine tobenden Hunde, die ihr zwischen den Beinen durchrennen. Im Gegenteil, unseren Hund – Schäferhundmischling – liebt sie. Er wird sogar extra begrüßt und darf ihr die Nase ablecken. Sie erlaubt ihm sogar, mit ihr aus derselben Schüssel ihr Müsli zu fressen! Eigentlich müsste es Katja in diesem Offenstall mit täglichem Weidegang mit den anderen Pferden bestens gehen. Wir sind im April hier eingezogen. Vorher hatte Katja in einem Reitstall in einer Box gelebt und mich jedes Mal fast über den Haufen gerannt, wenn ich sie rausholte. Ich glaube, sie hatte dort so etwas wie Platzangst, sie ging nur ungern in die Box hinein und hat dort fast immerzu gewebt. Hier ist sie viel ruhiger, weben gibt es nur, wenn sie aufgeregt ist und gleichzeitig angebunden steht. Im Ein-Pferde-Anhänger konnte man sie nicht transportieren, dort konnte sie keinen Moment stillstehen. Im Zwei-Pferde-Hänger ging das besser. Vielleicht hat sie Platzangst?
Causticum Hahnemanni Und noch etwas Bemerkenswertes: Katja kann auf gar keinen Fall allein sein. Wenn alle anderen Pferde draußen sind und ich Katja zum Putzen im Stall vor dem Reiten anbinde und einen Moment aus dem Stall gehe, dann tobt sie, steigt, schüttelt sich und ist nicht mehr ansprechbar. Neulich hat sie dabei das Halfter zerrissen. Dunkelheit ist ihr egal, sie ist dann vielleicht etwas wachsamer. Gewitter oder Traktorenlärm interessieren sie nicht. Übermäßig schreckhaft ist sie auch nicht. Sie frisst gern, viel und gierig, aber Futterneid habe ich noch nie beobachtet. Letzten Herbst hatte sie an einem saukalten Tag mal einen Ansatz für eine Kolik. Ich habe sie dann warm eingedeckt und bin langsam mit ihr im Hof herumgegangen, darauf hat sich ihr Bauchweh wieder beruhigt. Den Menschen ist sie nicht besonders zugeneigt. Besonders bei der Bodenarbeit in Round Pen wendet sie sich immer ab. Man muss sie wie eine Mimose anlernen. Bei der kleinsten Überforderung ist sie beleidigt und dreht mir dann den Hintern zu. Aber nachtragend ist sie nicht. Gegen andere Pferde ist sie dominant. Auch bei mir versucht sie sich immer wieder durchzusetzen, aber sie würde nie schlagen oder beißen. Wenn sie sauer auf mich ist, weigert sie sich z. B., mir zum Auskratzen die Hufe zu geben. Und nach dem Reiten benutzt sie mich zum Schubbern, dass ich fast umfalle. Ich konnte ihr das noch nicht abgewöhnen. Am besten akzeptiert sie mich, wenn ich die Gerte in der Hand habe, aber dann besteht wieder die Gefahr, dass sie sauer wird und gar nichts mehr geht.“ Angst? – „Katja ist sehr misstrauisch. In fremder Umgebung muss sie öfter stehenbleiben und zuerst schauen. Notfalls muss ich im Wald absitzen und sie an neuen Holzstößen o. Ä. vorbeiführen. Panik bekommt sie vor allen Sprühdosen. Insektenspray darf ich bei ihr nicht anwenden, sonst dreht sie total durch. Letzten Sonntag haben wir allen Pferden Wurmkuren gegeben. Katja war am schlimmsten: Zu dritt, mit Decke übern Kopf haben wir ihr die Paste eingetrichtert! Die Arbeit im Round Pen liebt sie gar nicht. Vom Stall fortgehen ist jedes Mal ein Kampf. Sie klebt an ihrer Herde. Aber wenn wir dann unterwegs sind, liebt sie das Vorwärtsgehen, das Galoppieren; sie muss sich erst mal austoben, bevor sie für langsamere Gangarten
zu haben ist. Je intensiver wir im Gelände reiten, desto besser wird sie. 12 km Galopp sind das beste Ventil für sie! Erst nach dem Reiten kann man mit ihr Bodenarbeit machen.“ Zorn? Angelegte Ohren? – „Das gibt es trotz allem selten. Wenn ihr etwas nicht passt, setzt sie sich zur Wehr, steigt, hängt sich in den Strick oder tanzt herum, aber echtes Drohen gibt es selten. Aber eifersüchtig ist sie! Wenn ich einem anderen Pferd ein Leckerli gebe, dann greift sie dieses Pferd ganz böse an, sogar ihren Kumpel! Zum Menschen verhält sie sich indifferent. Sie braucht keinen Menschen, aber ihre Pferdekollegen – je mehr, desto besser. Dort kann sie sich auch mal mit angelegten Ohren zeigen, aber die anderen akzeptieren sie. Sie ist gleichrangige Chefin mit einem noch nicht lange kastrierten Wallach. Die beiden stehen gern zusammen. Während der Rosse ist sie ziemlich sexy, besonders wenn sie einen Hengst sieht. Kürzlich kam ein Jährlingsstütchen in die Herde, ein kleines Welsh-Pony. Katja schloss gleich mit ihr Freundschaft und ließ kein anderes Pferd an sie heran. Katja ist ein Pferd mit zwei Gesichtern: Lieb und nett, wenn man nichts Besonderes von ihr fordert, und ekelhaft, wenn sie etwas tun soll, was sie nicht will. Schwitzen gibt es nicht übermäßig, Warzen habe ich noch nicht gesehen. In der Box ist sie ein Ferkel, mistet überall verstreut. Aber draußen im Paddock geht sie nur auf die allgemein benutzte Miststelle. Katjas Wiehern klingt wie heiser, sie hat keine laute Stimme, aber das hängt sicher mit dem Husten zusammen.“
Mittelwahl Causticum-Symptome sind selten so deutlich ausgeprägt wie bei diesem Pferd. Im Vordergrund steht Katjas widerspenstiges Wesen, andererseits ist sie wieder sehr kooperativ, es muss nach ihrem „Willen“ gehen. Die Rubrik „Gemüt, widerspenstig“ trifft sicher zu, aber man meint, sie vertrage „keinen Widerspruch“, dort ist mit Recht kein Causticum enthalten: Denn Causticum-Patienten sind nicht empfindlich gegen jeden Widerspruch, sondern speziell gegen „ungerechten Widerspruch“, gegen Maßnahmen, die sie nicht verstehen: Katja akzeptiert keine Gerte, keine Wurmkur, man muss ihr alles äußerst vorsichtig
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Causticum Hahnemanni beibringen, trotz ihrer Widersetzlichkeit legt sie nicht die Ohren an; das kennzeichnet ein ganz besonderes Verhalten. Es ist natürlich vermessen, einem Pferd eine Urteilsfähigkeit über Gerechtigkeit zu unterstellen. Jedoch die Theorie von Sheldrake rechtfertigt solche Vermutungen. Die übrigen Symptome sind: Gemüt, Angst beim Alleinsein (nicht: Furcht vorher, sondern Angst beim Alleinsein!) Gemüt, diktatorisch (dominantes Verhalten) Gemüt, leicht beleidigt Gemüt, Furcht an engen Plätzen (Platzangst im Anhänger) Larynx, empfindlich gegen Druck Stimme, Heiserkeit schmerzlos Larynx, Entzündung Allgemeines, fortgesetzte Bewegung bessert. Das Weben ist bekanntlich schwierig zu beeinflussen und hat etwas mit mangelndem Wohlbefinden zu tun. Gerade Causticum ist ein Mittel, das einen ganz besonderen Bezug zu Stereotypien aufweist.
Synonyme für das „Weben“ der Pferde können sein: Gemüt, Ruhelosigkeit, muss sich dauernd bewegen Gemüt, Ruhelosigkeit im Sitzen Kopf, unwillkürliche Bewegungen des Kopfes.
Therapie Katja bekommt Causticum XM, einige Globuli per os. 2 Wochen später ruft die Besitzerin an, sie habe ein ganz neues Pferd! Katja gehe so gut wie nie zuvor, sie mache sogar während der Bodenarbeit ein freundliches Gesicht! Husten sei – außer in den ersten Tagen nach der Arznei – nicht mehr aufgetreten. Auch am Anfang des Galoppierens huste sie nicht mehr. Katja sei jetzt ein richtig umgängliches Pferd geworden. Im Mai 1996 meldet sich die Besitzerin wegen eines Nageltritts mit Hufabszess, der gut auf Hepar sulf 200 und Calendula-Umschläge reagierte. Husten sei nie wieder aufgetreten.
Conium maculatum
Coniummaculatum
Gefleckter Schierling
Signatur, Thema und Idee des Mittels Conium maculatum, der gefleckte Schierling, ist eine Umbellifere, die weltweit an Weg- und Wiesenrändern vorkommt. Die häufig mannsgroße Schierlingspflanze mit ihren filigranen Blüten- und Fruchtständen vertrocknet nach zweimaliger Sommerblüte und hinterlässt verholzte, starre, brüchige und hohle Stängel, im Englischen wird sie daher „Strohpflanze“ genannt. Genauso weltweit bekannt wie diese Pflanze selbst ist auch ihre Geschichte von der Hinrichtung des Sokrates, der nach Austrinken des Schierlingsbechers das akute Vergiftungsbild eindrucksvoll vorstellte: Beginnend mit Schweregefühl in den Beinen setzte sich die Giftwirkung mit aufsteigender Lähmung allmählich fort mit Muskellähmung der Beine, dann der Hüften, mit Gefühllosigkeit und Zittern, anschließend entwickelten sich langsam zunehmende Zwerchfellslähmung mit Atembeschwerden und schließlich kam es zum Tod durch Herz- und Atemlähmung. Der ganze Vorgang war begleitet von bemerkenswerter Gleichgültigkeit ohne Angst oder Erregung. Diese Gleichgültigkeit, Mangel an Reaktion oder Reizbarkeit gegenüber Einflüssen, die sonst heftig beantwortet werden, sind bezeichnend für viele Conium-Zustände, wobei keineswegs immer ,aufsteigende Lähmungen‘ vorliegen müssen. Aus der Geschichte der Medizin ist die Verwendung Conium für Erregungszustände beschrieben worden. So gelang es z. B., Delirium und Raserei nach Vergiftungen mit Secale-verseuchtem Getreide (,Antonius-Feuer‘) mit Conium zu heilen oder sexuelle Erregungszustände (Priapismus) durch äußere Anwendung von Coniumsaft zu beruhigen. Gerade letzteres Thema im Arzneimittelbild ist für die Tiermedizin ein wichtigerer Schwerpunkt als für die Human-Homöopathie: Conium ist das Similimum für Erkrankungen (Schwäche, Lähmungen, Tumoren u. Ä.) im Gefolge von sexueller Überreizung mit unbefriedigter Libido, besonders männlicher Tiere („Folgen von unterdrücktem Sexualverlangen“).
Einerseits bildet die Überreizung, andererseits die Abnahme von reaktiver Sensibilität zwei der wichtigen Polaritäten im Arzneimittelbild von Conium. In diesem Spannungsfeld kann sich die Entwicklung der Pathologie abspielen. Mangelhafte Regulation und Regeneration führen im Conium-Bild zu subakuten Entzündungen mit Verhärtungen insbesondere von Nerven, Drüsen- und Fasergewebe sowie auch zu reduziertem Wach-Bewusstsein. In dieses Bild gehören auch die Folgen von Verletzungen, Überanstrengung und Imbalance der Sexualhormone. Diese Verhärtungen haben gerade bei Conium die Tendenz zu maligner Entartung. Hier sei an Hahnemanns berühmten Pfeife rauchenden Patienten erinnert, der durch den permanenten Druck seiner Pfeife auf die Unterlippe dort einen Lippenkrebs entwickelte und durch Conium geheilt wurde. Schwindel ist ein im Arzneimittelbild besonders betontes Symptom (griech. koneisthai = sich im Kreise drehen). Der Conium-Organismus ist auch hinsichtlich seines Gleichgewichtsorgans nicht imstande, der Dynamik des Lebens zu folgen: Die geringste Augen- oder Kopfbewegung, sogar das „Umdrehen im Bett“, kann Schwindelzustände auslösen. In diesem Zusammenhang sei auf eine bemerkenswerte Beobachtung der Tierhomöopathie hingewiesen: Der Mensch kann durch Verstandeskontrolle sagen, er habe das Gefühl, als ob sich alles im Kreise drehe. Das Tier versucht solche Empfindungen zu kompensieren, indem es sich tatsächlich im Kreise dreht. Wenn also dein Tierpatient im Kreis herum läuft, so ist auch an Conium zu denken, obwohl es im Repertorium nicht unter ,Schwindel, läuft im Kreis‘ erwähnt wird. Conium-Zustände entwickeln sich i. d. R. langsam; daher ist Conium ein Mittel für subakute und chronische Zustände, meist begleitet von bemerkenswerter psychischer Gleichgültigkeit.
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Conium maculatum Thema und Idee: Auf psychischer und/oder physischer Ebene entwickeln sich nach starken vegetativen oder sensorischen Reizen allmäh-
lich Adynamie, Lähmung oder Verhärtung, möglicherweise gefolgt von malignen Tumoren.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Hahnemann beschreibt Conium in der „Reinen Arzneimittellehre“: „Der Schierling gehört unter die am schwierigsten nach ihrer Erst- und Nachwirkung auszuforschenden und zu beurteilenden Arzneien.“ Conium ist gerade für die Veterinärmedizin ein wichtiges Mittel, das keineswegs nur im Rahmen seiner „bewährten Indikationen“ wirkt und daher in seinem Wert bisher weit unterschätzt wurde. Die Symptome entwickeln sich i. d. R. langsam von kaudal nach kranial. Lähmungen entwickeln sich langsam, evtl. erst im Laufe von Jahren (Ausnahme: Apoplexfolgen). Der Besitzer von Conium-Tierpatienten realisiert diese zunehmende Schwäche manchmal kaum und führt daher die Abnahme der Bewegungsfreude auf das Alter des Tieres zurück, was aber in ConiumFällen keineswegs immer zutrifft. Die aufsteigenden Lähmungen sind fast ausschließlich schmerzlos, meist zentralnervös, durch Verletzungen der Wirbelsäule oder durch Nervendegeneration bedingt. Lähmungserscheinungen können auch – evtl. ebenfalls ,aufsteigend‘ – innere Organe betreffen (Rektum, Blase, Zwerchfell, Lunge, Schlucken u. Ä.). Angst, Depression, Adynamie begleiten als mentale Parese häufig die Conium-Pathologie. „Schwindel beim Bewegen des Kopfes“ oder „beim Umdrehen im Bett“ sind beim Tier schwierig zu erkennen und bedürfen genauer Beobachtung. Wenn wir jedoch ein Taumeln in der Hinterhand nach Kopfschütteln, beim Aufstehen vom Liegen oder bei interessiertem Wenden des Kopfes beobachten, sollte besonders an Conium gedacht werden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Conium-Pathologie betrifft das Genitale: Hier sind besonders die „Beschwerden durch unterdrückten Sex“ hervorzuheben. Damit sind nicht primär die Folgen von Kastration oder Sterilisation gemeint, sondern eine zugrunde liegende intensive Libido, deren Erfüllung beim Tier durch äußere Umstände verhindert wird. Demzufolge wäre ,Beschwerden durch unbefriedigten Sex‘ die passendere Bezeichnung. Zum Beispiel kann ein stark sexuell betonter Hengst an einer ConiumPathologie erkranken, wenn er in Gegenwart rossiger Stuten nicht oder nicht mehr decken darf; oder der Rüde lebt in Gemeinschaft mit Hündinnen, von denen er während der Läufigkeit jedes Mal getrennt wird. Entsprechendes gilt für Eber, Bullen und andere männliche Tiere. Damit ist nicht der banale ,Liebeskummer‘ z. B. von Rüden gemeint, wenn in der Nachbarschaft eine Hündin läufig ist. An dieselbe Pathogenese muss auch – allerdings seltener – bei weiblichen Tieren gedacht werden. „Beschwerden durch unbefriedigten Sex“ können im Bild von Conium z. B. sein: langsam beginnende Apathie, ,Reaktionsmangel‘ auf Sinnesreize – außer sexuellen Reizen „lähmige Schwäche“, Abneigung zu laufen, Stolpern langsam entstehende Lähmung der Hinterhand, u. a. Lähmungserscheinungen insbesondere Tumoren im Genitalbereich, Hodentumor (Staph., Apis, Graph.) Tumoren von Prostata, Ovar, Uterus Inkontinenz bzw. Dysurie. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass es noch diverse andere Mittel für „Beschwerden durch unbefriedigten Sex“ gibt, die entsprechend andere pathologische Folgezustände entwickeln. Conium ist weiterhin eines der wichtigsten und häufigsten Mittel für Tumoren, Zysten und Krebserkrankungen. Maligne Krankheiten gehören
Conium maculatum nach Hahnemann zu den ,einseitigen Krankheiten‘ (§ 173 Organon), bei denen häufig keine oder kaum weitere Symptome zu eruieren sind. Ein vielfach unterschätzter Schwerpunkt von Conium betrifft verschiedene Folgeerscheinungen von Verletzungen und Überanstrengung. Neben Arn. ist es 2-wertig in der Rubrik „chronische Verletzungsfolgen“ vertreten, die sich nach Art des Arzneimittelbildes von Conium entwickeln. Ebenso wie Sil. (u. a.) ist Conium zu erwägen für schlecht heilende oder wieder aufbrechende Wunden, insbesondere bei gleichzeitig vorliegenden oder frisch operierten Zysten oder malignen Tumoren. Conium kann auch ein wichtiges Heilmittel für chronische Lahmheiten sein, wenn gleichzeitig andere Conium-Symptome beobachtet werden können. Diese können durchaus schulmedizinisch weder klar zu lokalisieren bzw. zu diagnostizieren sein. Ferner ist dabei ein Gemütssymptom bemerkenswert: Traurigkeit, Depression seit einer Verletzung (Arn., Hyper., Nat-s.), insbesondere nach Kopfverletzung (fehlender Übermut und Spieltrieb).
Conium spielt auch eine wesentliche Rolle in der Therapie von Weichteil-Verhärtungen, auch von drüsigen Organen, die im Gefolge von Verletzungen auftreten und die möglicherweise eine Tendenz zu maligner Entartung entwickeln können (z. B. Mamma- oder Hodenverhärtungen). Aber auch gutartige, langsam entstandene Verhärtungen durch Einwirkung von Druck gehören zu den Indikationen von Conium, so z. B. die Liegeschwielen von Hunden und Rindern oder die schmerzlosen, schwieligen Hautverdickungen (Granulome) beim Pferd infolge Geschirr- und Satteldruck. In der Literatur wird Conium als ein „Mittel für alte Leute“ beschrieben, was jedoch keineswegs immer zutreffen muss! Wegen Trägheit, langsamer Reaktion und mangelnder Bewegungsfreude (z. B. nach Verletzungen) ist durchaus eine Verwechslung mit Calc-c. möglich! Bei lokalen oder Krebs-Erkrankungen sind keineswegs immer deutliche Gemütssymptome von Conium zu beobachten!
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Subakutes Geschehen: wichtig für Folgen von Verletzungen oder Apoplex Chronisches Geschehen: langsam fortschreitende chronische Erkrankungen, Lähmungen einseitige Erkrankungen (Tumorgeschehen) meist allmählich auftretende Beschwerden Verletzungsfolgen: Katarakt, Zysten, Weichteilverhärtungen, Schwäche nach Verletzungen Verhärtungen von Drüsenverletzungen mit Tendenz zur Malignität Folgen von unterdrücktem, unbefriedigtem sexuellem Verlangen (Rüden, Hengste) Neurologische Erkrankungen: Rektionsmangel, Mangel an Reizbarkeit Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Reaktionsmangel, lähmige Schwäche Innenohrschwindel Lähmungserscheinungen der Hinterhand, mit Ausbreitung nach kranial
Tumorgeschehen: schwerpunktmäßiges Mittel für malignes Geschehen mit Tendenz zur Metastasierung (z. B. Knochenmetastasen) häufigstes Mittel für Mammatumoren, Mammakarzinome der Hündin (Phos. u. a. Mittel) Krebsgeschehen der Genitalorgane, Hodentumore Symptome häufig begleitet von nicht erklärbarer Lichtscheu Wichtige Indikationen: Pferd: Serom (seröser Erguss) durch heftigen Sturz oder Schlag auf starke Muskelpartien Hengst: Schwäche, Tumoren, wenn das Tier bei heftiger Libido nicht decken darf Hündin: eines der häufigsten Mittel für maligne Mammatumoren Alle Tiere: Verhärtungen oder Zysten von Weichteilgewebe nach Traumen; Katarakt nach stumpfer Verletzung des Augapfels Hund: Blutohr
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Conium maculatum Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten häufig ältere Tiere oder vorzeitige Alterung allmählich, fast unmerklich zunehmende psychische und physische Schwäche dabei in manchen Fällen Zittern der Extremitäten, beginnend an den Hinterextremitäten Zittern besonders alter Tiere durch Schwäche Tendenz zum Niederlegen häufig zufallende Augen, Schließen der Lider, dadurch schläfriges Aussehen oft Photophobie ohne Augenerkrankung (wichtiges mögliches Begleitsymptom anderer Erkrankungen) schlechte Futterverwerter („Abmagerung bei Heißhunger“) häufig dumpfes Verhalten mit wenig Anteilnahme
schmerzlose Weichteilverhärtungen bis Krebs evtl. unerklärlich steife Bewegungen, speziell auf hartem Boden, da ⬍ durch Erschütterung Abneigung gegen schnelles Laufen Schwäche durch leichte Anstrengung möglicherweise Frieren mit Zittern, ⬎ durch Sonnenwärme kleine, verstreute Verhärtungen unter der Haut wie vergrößerte Lymphknötchen möglicherweise häufig in „Knie-Ellbogen-Lage“, Vorderkörper liegend, Hinterhand hockend oder aufgestellt („Gebetshaltung“) Gefühllosigkeit erkrankter Teile
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens allmählich zunehmende Anteilnahme bis Gleichgültigkeit Abneigung gegen Gesellschaft, mürrisches Wesen, ,depressiv‘ plötzliche, heftige Reizbarkeit, Streitsucht abwechselnd mit Apathie mangelnde Anteilnahme, verschlossen, dumpf bis Demenz Schwindel mit Taumeln wie Ataxie – zu beobachten z. B. beim Schütteln (Hund, Katze, Pferd), wenn der Hund zu seinem Herrn aufschaut („Bewegen des Kopfes“), Taumeln beim Aufstehen vom Liegen, Laufen im Kreis („Schwindel beim Bewegen der Augen“ lässt sich beim Tier kaum beobachten!) ,Verwirrung‘, Orientierungslosigkeit, ⬍ nach Schlaf übermäßiger Sexualdrang, häufige sexuelle Erregung, häufiges Onanieren
evtl. Reaktionsmangel, Mangel an Reizbarkeit auf andere Sinneseindrücke – Rüden: lechzen nach jeder Hündin, sind kaum zu bremsen, klammern – Hengste: mit stark ausgeprägtem Sexualverhalten stehen im Stall mit Stuten und dürfen trotz intensiven Sexualverlangens nicht decken gieren nach jedem Kothaufen, dabei exzessive sexuelle Erregung möglicherweise mit anschließender Schwäche oder Trägheit mit zufallenden Augen wollen/können nicht laufen trotz energischen Reiters ,das faulste Pferd im Stall‘, einzig wach in Gegenwart einer rossigen Stute mit sexueller Erregung, danach wieder schwach und apathisch
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Schwäche, lähmungsartige Erschöpfung, besonders ,alter Leute‘; nach schweren Krankheiten; nach „sexuellen Exzessen“, männliche Zuchttiere, Masturbation (Gels., Cocc. mit Lähmung); Folgen von „unterdrücktem Sex“ Augen: Zufallen der Augen, evtl. mit Schwellung der Oberlider
übermäßige Lichtempfindlichkeit mit reichlich Tränenfluss, ⬎ im Dunkeln Photophobie auch ohne ersichtliche Augenerkrankung evtl. Lähmung der Augenmuskeln oder Lider, Exophthalmus Nystagmus bei Schwindel
Conium maculatum rezidivierende Gerstenkörner Hornhauttrübung nach Entzündung durch Fremdkörper (Euphr., Sil.) Katarakt nach Augenverletzung Schlaf mit halb offenen Augen (häufig bei Tieren, daher kein sonderliches Symptom) Ohren: Ohrenschmalz vermehrt, dunkel, wie weiches Wachs, evtl. rot, schleimig Schwerhörigkeit, oder überempfindlich gegen Geräusche Innenohrschwindel nach verschleppter, eitriger Otitis (Hund, Katze) (Caust. u. a.) Schwindel mit Taumeln oder Umfallen, beim Bewegen oder Schütteln des Kopfes Schwindel bei Wechsel der Lage oder beim Aufstehen vom Liegen, evtl. mit Nystagmus Schwindel beim Abwärtsgehen (z. B. Treppe) läuft im Kreis (Caust. u. a.) Hund: Othämatom, das nach Hamamelis-Gabe bestehen bleibt chronische Verhärtung nach Othämatom Atemwege: Husten beim tiefen Atmen, bei Lagewechsel Reizhusten aus oberen Atemwegen Husten gleich nach dem Niederlegen (Dros., Nux-v. u. a.), ⬍ nachts anfallsweise muss dann aufsitzen, dann auch Husten besser Husten durch die geringste Kälte-Exposition (Nux-v., Hep.) lockerer Husten ohne Auswurf (u. a.) Husten bleibt bestehen nach Atemwegsinfekt Diese Erkrankungen in Begleitung anderer Conium-Symptome! Verdauungsapparat: Maul: Schleimhautentzündung, -schwellung, stinkende Absonderung; Gangrän der Schleimhaut, der Zunge; Lähmung der Zunge; dunkel verfärbte Zähne Hals: Schwellung mit späterer Verhärtung der Parotis; Schlucken erschwert, Lähmung von Pharynx, Ösophagus; evtl. Spastik im Ösophagus; „aufsteigender Kloß im Hals“ (Koppen beim Pferd, neben vielen anderen Mitteln) Magen: leeres Aufstoßen; Magengeschwür mit Tendenz zur Perforation mit „Gebetshaltung“ („Knie-Brust-Lage“); Degeneration der Magenschleimhaut bis Magenkrebs; dabei blutigschleimiges Erbrechen; Verlangen nach Salz Abdomen: gespanntes Abdomen, Leberschwellung, Krebs; Bauchschmerzen ⬍ durch Laufen auf hartem Boden; schwieriger Kotabsatz; Obstipation mit ineffektivem Drang; Rektumlähmung, evtl. mit Einkoten im Schlaf
Kot: möglicherweise flüssige und feste Bestandteile gemischt; Schwäche und Zittern nach dem Kotabsatz; Blähungsdyspepsie nach Milch Kreislauf: Puls abwechselnd kräftig und schwach, Herzarrhythmie bei ,alten Leuten‘ (als Begleitsymptom anderer Conium-Erkrankungen) Harnwege: Urinieren unterbrochen, Aussetzen des Harnstrahls, trotz Pressens (Thuj., Med.) Blasenlähmung verzögerter Abgang von Urin, ⬍ bei Aufregung, ⬎ durch Entspannung Inkontinenz, Harntröpfeln älterer Rüden oder Hündinnen Genital: Wichtiges Mittel für Zuchttiere! Genital männlich: Impotenz – trotz heftiger Erregung und ausgeprägter Libido chronische Prostatitis, Prostataadenom bis Krebs spontaner Abgang von Prostata-Sekreten (z. B. ,Tropfen‘ bei Rüden) Hodenverhärtung, Hodentumore, Hodenkrebs – ⬍ nach ,unterdrücktem Sex‘ (s. o.) Hodenquetschung mit anschließender Verhärtung (Arn., Hyper., Bell.) bis Krebs Genital weiblich: chronische Entzündungen, Verhärtungen, Adenome bis Krebs an Ovarien, Uterus, Mamma wund machender Ausfluss Zyklusstörungen aller Art Erschöpfung nach der Geburt mit Photophobie Mamma: neben Phos. eines der häufigsten Mittel für maligne Mammatumoren und -karzinome (benigne Mammatumoren – i. S. von Milchstau – brauchen oft anfangs Puls., z. B. nach Lactatio falsa) meist schmerzlose, derb-elastische Verhärtungen, Knoten bzw. Tumore (u. a. Mittel!) Mammaverhärtungen bzw. Tumore nach Kontusionen u. a. Verletzungen (Arn., Bell.) evtl. sogar nach geringfügiger Verletzung Quetschung der Mamma, die unbemerkt geblieben ist; daher ist es bei malignen Mammatumoren immer wichtig, in erster Linie an Conium zu denken! Mammakarzinom nach Exstirpation von erkranktem Uterus und Ovarien (Unterdrückung!), mit anschließender schlechter Wundheilung
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Conium maculatum Mammakarzinom auch nach schulmedizinischer Therapie mit Sexualhormonen ulzerierende Mammatumoren sondern durch Conium weniger Sekret ab, stinken nicht mehr, kapseln sich ab, sodass ein operationsfähiges Stadium erreicht wird Atrophie oder Hypertrophie der Mamma äußerliche Anwendung von Conium soll zum Schrumpfen hypertropher Mamma führen Milchproduktion trotz Abstillens/Trockenstellens (Puls.) Milch noch lange nach dem Abstillen (ohne Abmelken!) Mastitis während der Trächtigkeit (Phos.) Krebs – Tumoren – Sarkome – Adenome – Fibroadenome aller Art speziell traumatisch bedingte Tumoren, nach Quetschung von Weichteilgewebe besonders maligne entartete Drüsen mit Verhärtung Skirrhus (bindegewebiger Krebs) evtl. Tendenz zu Bildung von Zysten oft reicht eine kleine Verhärtung nach Trauma an der Mamma aus, um eine Conium-Erkrankung auszulösen (Spinedi) neben anderen Mitteln auch Epitheliom (Hydr., Ars., Clem.); Mamma-, Uterus-, Hoden-, Prostatakarzinom; Lungenkrebs; Knochenkrebs; Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, Leukose, Leukämie; zystische Tumoren, Neurome, Fungus, Kondylome; Krebskachexie, Schmerzerleichterung bei Krebs; auch benigne Tumoren; Entzündungen mit tumorähnlichen Verhärtungen von Weichteilgewebe Zentralnervensystem: Schwindelzustände, Innenohrschwindel Schwindel, Übelkeit, Erbrechen beim Autofahren (Cocc. u. a.) Hemiplegie nach Apoplex Paraplegie nach Wirbelsäulentrauma (u. a. Mittel!) Inkoordination im Bewegungsablauf, auch nach Kopf- oder Wirbelsäulentrauma Schwäche und aufsteigende Lähmung der Hinterhand Extremitäten: langsam fortschreitende Lähmung, Inkoordination unsicherer Gang, Ataxie beginnend beim Aufstehen vom Liegen schmerzlose, ,aufsteigende‘ Lähmungen ungeschicktes Laufen, Stolpern
Pferd: Einknicken im Carpus im Schritt wegen Muskelschwäche (Calc-c.); alte Pferde, die sich wegen Schwäche der Hinterhand nicht mehr niederlegen Haut: Atherome, Knötchen, Zysten, auch von Drüsengewebe, Epitheliom, Lupus carc. evtl. fehlender Schweiß trotz Anstrengung (Pferd) Verletzungsfolgen: ,chronische Folgen von Verletzungen‘ adynamische, schmerzarme Entzündung von Wunden mit Tendenz zu Verhärtungen Weichteilverhärtungen, Zysten nach Verletzungen, Stößen, Verstauchungen (Calc-f. hat eher Verhärtungen mit Tendenz zu Verknöcherung bzw. Kalziumeinlagerung) Folgen von Verstauchungen, Luxationen, Knochenfrakturen, auch komplizierte Synovitis nach Verletzung traumatisch bedingtes Ulkus (Arn.) (z. B. chronische, ulzerierende Abszesse, z. B. Druckstellen am Tarsus bei Rindern unter Stallhaltung) Serom bei Pferden nach Sturz auf Hinterbackenmuskulatur Othämatom des Hundes, auch dessen Spätfolgen mit Verhärtungen Katarakt, nach Verletzungen des Auges Hornhauttrübung nach Augenverletzung, evtl. mit Verklebung zwischen Iris und Linse verhärtete regionäre Lymphknoten, die nach infizierter Verletzung nicht abschwellen Verletzungen der Wirbelsäule, des Kopfes bis Paraplegie Pferd: eines der Heilmittel für das Wobbler-Syndrom Empfindlichkeit gegen Erschütterung nach Wirbelsäulentrauma (Thuj.) Verletzungen von Nerven (Hyper.) Verhärtungen, schmerzlos, ausgelöst durch Druck schwielige, verhärtete Granulome, ,Liegeschwielen‘ (Pferd: Satteldruck) Druckstellen, Liegeschwielen, die eine Tendenz zu Malignität entwickeln „konstitutionelle Folgen von Wunden“ oder Verletzungen (,nie wieder gesund seit . . .‘) Schnittwunden, Stichwunden mit obigen Symptomen schlecht heilende Wunden, Aufbrechen alter Narben schlecht heilende Wunden nach Tumor-Operationen
Conium maculatum schmerzhafte Wunden, Verletzungen an Drüsen o. a. Weichteilen
Folgen von Überanstrengung, Erschöpfung nach geringer Anstrengung
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Trauma, besonders von Drüsen, Weichteilen Folgen von andauernder Druckeinwirkung Folgen von unbefriedigtem Sex: durch unterdrückte Libido, „enttäuschte (sexuelle) Liebe“ Folgen von Pharma-Therapie mit Geschlechtshormonen Folgen von hormoneller Imbalance Folgen operativer Entfernung erkrankter Genitalorgane Folgen von Sterilisation, Kastration (entspricht dem Klimakterium des Menschen) Folgen von Säfteverlust (Verlust von Körperflüssigkeiten) Beschwerden durch Mangel an Bewegung Beschwerden nach Kummer Schwäche nach wiederholtem Einsatz von Betäubungsmitteln (Op.) Modalitäten: Beschwerden überwiegend der rechten Seite Abneigung gegen Bewegung ⬎ durch fortgesetzte Bewegung, ⬎ durch langsames Gehen
⬎ im Freien an frischer Luft ⬎ durch Ruhe ⬍ nach Schlaf Periodizität alle 2 Wochen ⬍ im Winter, ⬍ durch Kälte alles ⬎ durch Wärme ⬍ nach Futteraufnahme ⬎ nach Koitus zittrige Schwäche nach dem Kotabsatz ⬎ durch Wärme Pferde: laufen mit Reiter wesentlich schlechter als ohne, das Reitergewicht verschlimmert entsprechend dem Symptom „Kleider werden als zu schwer empfunden“ Die wichtigsten Komplementärmittel: Phos., Sil. Die wichtigsten Folgemittel: Arn., Ars., Bell., Calc., Lyc., Nux-v., Phos., Puls., Rhus-t., Stram., Sep., Sil., Sulf. Folgemittel nach Verletzungen: Ac-sulf. Komplementär: bei Obstipation zu Nux-v.
Ausgewählte Fallbeispiele Die Kuh Olga – „Krämpfigkeit“ und traumatisch-entzündliche chronische Liegeschwiele Schwarzbunte Kuh, 3. Laktation, mittelmäßige Milchleistung, problemlose Geburten, Anbindehaltung mit Kurzständen, regelmäßiger Weidegang. Die Tiere stehen auf Gummimatten, die mit etwas Sägemehl und Stroh eingestreut werden. Olga hat schon lange Schwierigkeiten mit dem Aufstehen vom Liegen. Sie zeigt dabei eine besondere Art im Bewegungsablauf: Sie streckt zuerst ein Vorderbein, das der Liegeseite gegenüber steht, nach vorn und stemmt sich dann mühsam mit der zitternden Hinterhand nach oben. Der Bauer erklärt, Olga sei schon beim Trockenstellen ,krämpfig‘ gewesen. Außerdem sei sie eine der langsamsten Kühe beim Weideaustrieb und gehe immer am Ende der Herde.
Lateral am linken Kniegelenk findet sich eine harte, wie knorpelige, schmerzfreie Neubildung: Darauf angesprochen, erklärt der Bauer, Olga sei vor Jahren auf dem Betonboden vor dem Hof schwer gestürzt. An beiden Sprunggelenken finden sich lateral große, schwartige, schmerzlose Verdickungen, mit jeweils einer kleinen Öffnung, die zurzeit verschorft sind. Der Bauer berichtet, sie habe schon lange diese ,Abszesse‘, der Hoftierarzt habe sie schon eröffnet, aber es entleere sich immer nur ganz wenig Flüssigkeit. Die Kuh bekommt Conium M. Bereits am nächsten Tag kann Olga besser aufstehen, was in der Folgezeit dann ohne Mühe geschieht. Der Rückgang der Verhärtungen erforderte allerdings mehrere Wochen, die Verschwartungen des Gewebes blieben zum Teil erhalten, wären
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Conium maculatum möglicherweise mit einer Folgeverordnung noch weiter zurückgegangen. Allerdings kann keine Heilung erwartet werden, wenn das Tier weiterhin dem ursächlichen Trauma, Liegen auf harter Unterlage, ausgesetzt ist. Die Rubriken aus dem Repertorium lauten: Allgemeines: Wunden ohne Heilungstendenz Haut: Ulzera, traumatisch, Ulzera schmerzlos, Ulzera verhärtet, Ulzera fistelnd Gemüt: Langsamkeit Extremitäten, Beine, lähmungsartige Schwäche synonyme Rubriken für die ,Krämpfigkeit‘: – Extremitäten, Zittern der Beine beim Laufen, der Oberschenkel beim Laufen – Extremitäten, Zittern des Fußes beim Aufstehen – Allgemeines, Zittern durch Schwäche.
Serom bei einer 21/2-jährigen Angloaraber-Stute 14.8.2004: Die überraschte Besitzerin findet ihre junge Stute mit einem reichlich fußballgroßen Hämatom/Serom lateral am linken Oberschenkel vor. Solche Hämatome/Serome entstehen speziell beim Pferd durch heftigen Sturz auf die Muskulatur, meist der Hinterbacken, und enthalten i. d. R. seröse Flüssigkeit und nur wenig koaguliertes Blut. Üblicherweise werden diese Serome gespalten und antibiotisch versorgt. In der Nachbehandlung sind diese Verletzungen wegen Infektionsgefahr oft recht aufwendig. In diesem Fall stellt sich heraus, dass die Jungstute aufgrund einer Verwechslung zum Freispringen eingesetzt worden war und sich dabei offensichtlich bei einem Sturz verletzt hat.
Untersuchung Das fluktuierende Riesenhämatom ist trotz frischer Verletzung erstaunlich schmerzarm. Nur wenn man die darin enthaltene Flüssigkeit mit deutlichem Druck bewegt, kommt es zu geringen Abwehrbewegungen; geringe Lahmheit im Trab. Die Besitzerin besteht auf homöopathischer Behandlung ohne chirurgische Intervention. Nach vergeblichem Einsatz zweier homöopathischer Mittel (Hamamelis und Acidum sulf) sowie einer Heparin-60 000-Salbe bekommt das Pferd am 4.9.2004 Conium XM, darauf binnen einer Woche eine deutliche Verkleinerung des Seroms.
Am 14.9.2004 wird Conium 200 wegen Stillstands der Besserung gegeben, darauf drastischer Rückgang des Seroms, bis nichts mehr davon zu sehen oder zu tasten ist. Am 23.9. 2004 ist noch eine kleine fluktuierende Umfangsvermehrung erkennbar, die sich aber bis zum 1.10.2004 vollständig zurückbildet. Das fußballgroße Hämatom hat sich also unter dem Einfluss von Conium binnen knapp 3 Wochen ohne chirurgische Intervention und ohne Rest-Verhärtungen zurückgebildet. Die wegweisenden Rubriken aus dem Repertorium sind folgende: Allgemeines: Verletzungen von Weichteilgewebe Allgemeines: Schmerzlosigkeit von sonst schmerzhaften Prozessen Allgemeines: Tumoren, gutartig, Zysten. Conium hat sich bereits bei mehreren anderen Seromen dieser Art bewährt.
Bonny – Schäferhündin, Astrozytom der Milz Herr I. stellt am 14.10.2002 seine 9-jährige Schäferhündin Bonny vor, im Alter von 1 1/2 Jahren kastriert, seitdem Inkontinenz, die durch tägliche Gaben von Canephedrin in Grenzen gehalten wird.
Vorbericht Bonny ist am 1.10.2002 im Tierspital der Veterinärmedizinischen Universität Zürich wegen eines akut perforierten Milztumors operiert worden. Seit dem vorangegangenen Freitag, 25.9.2002, habe die Hündin nichts mehr gefressen. Der ortsansässige Tierarzt diagnostizierte nach Blutbild eine Infektion und gab ein Antibiotikum. Vorübergehend sei es der Hündin besser gegangen. Am Abend des 1.10.2002 habe die Hündin nicht gefressen, Temperatur 40,1⬚; deshalb fuhr der Besitzer zum Tierspital nach Zürich, wo die Hündin sofort wegen akuter lebensgefährlicher Blutungen operiert wurde. Der (erst am 17.10.2002 bei mir eingetroffene) Befund der histologischen Untersuchung des Tumors ergab ein Hämangiosarkom (Astrozytom) der Milz mit zweifelhafter Prognose. Vom Tierspital Zürich erfuhr ich später, dass Tiere mit diesem Befund wegen infauster Prognose
Conium maculatum meist sofort während der Operation euthanasiert werden, weil die Überlebenschance trotz IntensivTherapie nie mehr als 3 Monate betrage.
Untersuchung Doch diese Diagnose stand mir am 14.10.2002 noch nicht zur Verfügung. Bonnie wird mir in gutem Zustand mit bestem Allgemeinbefinden vorgestellt. Die Bauchnaht ist noch geklammert, ich bin beauftragt, die Klammern zu entfernen. Allerdings zeigt diese Hautwunde keinerlei Heilungstendenz, zwischen den Klammern klafft die Haut stellenweise noch 1,5 cm auseinander; darum verzichte ich momentan auf das Entfernen der Klammern. Herr I. bittet darum, etwas Homöopathisches zur Prophylaxe eines Rezidivs zu verabreichen. Ohne den pathologischen Befund bleibt im Moment aus homöopathischer Sicht einzig die Verordnung eines „konstitutionellen“ Mittels:
Homöopathischer Bericht nach entsprechenden Fragen am 14.10.2002 Bonnie kommt mit großem Ansturm in die Praxis, freut sich „riesig“ über mich, als ob ich eine alte Bekannte wäre. Die Hündin steht im besten Ernährungszustand, glattes, glänzendes Haarkleid, aber durchtrittige Pfoten. Die enge Stellung der Ohren lässt auf Stress schließen. „Bonnie konnte schon lange nicht mehr richtig bellen.“ Hatte sie Bauchschmerzen? – „Kurz bevor sie krank wurde, hat sie noch kräftig mit unserer Gans am Pferdestall gestritten! Sie war topfit, war immer eifersüchtig auf unsere Pferde und hat wie wahnsinnig gebellt. Sie hat immer fröhlich gespielt, war immer wie etwas überdreht, hat immer herumgetobt, hatte immer sehr viel Energie. Die Sache begann am 1. Oktober ganz dramatisch: Gegen 17.30 Uhr hörten wir ein Geräusch in Bonnies Bauch. Danach verkroch sie sich auf dem Balkon. Im Nachhinein konstruierten wir, das war wahrscheinlich der Zeitpunkt, an dem der Tumor geplatzt ist. Gegen 19 Uhr, 19.30 Uhr wollte sie nach draußen und war dabei ziemlich apathisch, wollte dabei aber zu unserer Überraschung ins Auto, denn sie liebt das Autofahren.
Unser Tierarzt stellte massive Bauchschmerzen und bläuliche Schleimhäute fest und schickte uns nach Zürich ins Tierspital. Da ist nun unsere Bonnie eine Schauspielerin, zunächst zeigte sie sich dort sehr fit. Aber nach dem Röntgen und den übrigen Befunden wurde sie gleich operiert. Bei der Operation entfernte Dr. B. ca. 10 cm große Gewebeteile aus der Milz. Dann wurde die ganze Milz entfernt. Aus der Bauchhöhle wurden 0,8 l blutige Flüssigkeit entfernt. Die Operation hat sie also sehr gut überstanden, aber seit gestern ist sie sehr kurzatmig. Drei Tage nach der Operation war sie erstaunlich fit, dann bekam sie trotz der Antibiotika Fieber. “ Was gab es bisher an Krankheiten? – Bonnie hatte im Alter von 2 – 3 Jahren entzündete Follikel an der Nickhaut, die ausgeschabt wurden. An der Flanke hatte sie Warzen, die im Alter von 2 Jahren entfernt wurden. Unter der rechten Achsel und an der Brust hatte sie Lipome, die ebenfalls entfernt wurden. Flöhe hatte sie nie übermäßig. Vor Jahren hatte sie eine Ohrenentzündung, die ausgespült wurde. Die Zähne sind gut – mit Ausnahme der Schneidezähne, die sie durch Steinetragen abgewetzt hat. Bonnie ist vorschriftsmäßig jedes Jahr geimpft worden. Sie ist ein extrem braver und gehorsamer Hund, freundlich fast zu jedem. Zu Fremden, die ins Haus kommen, ist sie distanziert. Sie trinkt viel, besonders am Abend. Zurzeit hat sie einen sehr starken Haarwechsel. Nachts schläft sie im Wohnzimmer, schläft extrem tief und träumt viel. Morgens muss man sie erst vor dem Gassi-Gehen wecken; vielleicht ist sie ein Morgenmuffel? Bei Regenwetter schläft sie auch viel und geht nur ungern nach draußen. Bonnie hat ein überschäumendes Temperament. Ich könnte sie draußen nicht anbinden. Zu fremden Hunden ist sie böse und aggressiv, solange wir dabei sind, sie kann dann richtig rabiat werden, aber ohne zu beißen. Wenn sie aber allein einem anderen Hund begegnet, ist sie vorsichtiger und geht dem lieber aus dem Weg. In der Welpenschule war sie immer vorneweg. Aber dort war sie nur schwer erziehbar, sie fand immer irgendwelche Möglichkeiten zum Abhauen und ihren Spaß zu haben. Für unseren Hausgebrauch reicht ihr Gehorsam. Wenn man mal mit ihr
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Conium maculatum schimpft, bricht für sie eine Welt zusammen und sie fällt dann auf den Rücken. Zum Schutzhund würde sie sich niemals eignen, dafür wäre sie zu feige. Aber sobald unser Einflussradius überschritten ist, nutzt sie das aus und geht ihrer Wege. Angst gibt es vor den Pferden, die sie aber trotzdem aus sicherer Entfernung lauthals bellend jagt. Bei Knall und Gewitter geht sie ins Eck hinter den Schreibtisch. Beim Tierarzt hat sie Panik, zittert und knurrt dazu. Wenn wir Besuch bekommen, bringt sie all ihre Spielsachen und will im Mittelpunkt stehen. Sie trinkt wahnsinnig viel, 2 – 3 l pro Tag, und muss auch entsprechend viel urinieren.“
Mittelwahl Gemüt, herzlich, liebevoll Gemüt, Feigheit Gemüt, unterwürfig Gemüt, Zorn mit Angst (beim Tierarzt) Gemüt, nachgiebig (extrem brav und gehorsam) Allgemeines, Wunden heilen langsam Allgemeines, kanzeröse Erkrankungen Allgemeines, schlechter nach dem Schlaf Magen, Durst extrem (möglicherweise pathognomonisch als Folge von Canephedrin) Die Hündin bekommt Lycopodium C 200, Canephedrin soll abgesetzt werden! Die Operationen und Unterdrückungen sind möglicherweise der Anlass für das maligne Geschehen. 22.10.2002: Nach Absetzen der Antibiotika tritt wieder Fieber auf, Temperatur 40,1 ⬚C morgens um 6 Uhr. Aber die Hündin hat getrunken und gefressen. Der Haustierarzt gibt am Nachmittag und Abend Rimadyl. Am nächsten Tag ist die Hündin wiederum überdreht, tobt herum, frisst gut und trinkt extrem viel. Darum bekommt sie am 23.10. 2002 Phosphor M (Hunger im Fieber). Extreme Inkontinenz: Ihr Lager ,schwimmt‘ am Morgen, ein häufig beobachtetes Phänomen nach Absetzen von Canephedrin. 5.11.2002: Das Fieber besteht weiterhin mit sprunghaftem Temperaturwechsel. Extrem viel Durst, die Hündin trinkt ca. 3 l pro Tag – dabei heute etwas abgeschlagen. Extrem viel Urin. Nachts steht
sie manchmal auf und sucht eine andere Lage. Sie legt sich auffallend vorsichtig nieder. Hat sie Folgen von der Narkose? Oder Folgen von Ephedrin? Die Hautnaht klafft noch immer in großen Abschnitten, schließt sich und bricht an anderer Stelle wieder auf. Die Bauchhaut ist unverschieblich mit der Bauchdecke verwachsen. Keine Eiterung, nur Sekretion von geringer Menge Wundwasser. Calendula 200 Rp. Absprühen mit CalendulaTee. 15.11.2002: Nicht besser. Endlich die Idee: Conium 200, 1 Gabe (malignes Tumorgeschehen, verbunden mit der Rubrik: Allgemeines, Wunden ohne Reaktion, ohne Heilung). Darauf schließt sich innerhalb von 2 Tagen die OP-Wunde. Der große Durst und die Enuresis lassen allmählich nach. Diese ,Idee‘ wird bestätigt durch das Eintreffen des pathologischen Befundes: Astrozytom der Milz. 10.3.2003: Bonnie ging es bisher sehr gut. Die Besitzer haben einen jungen Jack-Russel-Welpen aufgenommen, mit dem Bonnie unermüdlich spielt. Aber jetzt hat sie mit dem Aufstehen am Morgen Probleme, läuft dann ganz steif, ebenso nach jedem Aufstehen vom Liegen. Hat sie einen Muskelkater vom Herumtoben? Rhus-t. M Übrigens ist jetzt die Bauchhaut über der Bauchdecke so frei verschieblich wie bei anderen Hunden z. B. nach einer Mammaoperation. Vielleicht ist dieses Phänomen ein Zeichen für Conium? Weitere Beobachtungen sollten das bestätigen. 25.3.2003: Bonnie hat wieder vermehrt Probleme mit der Hinterhand beim Aufstehen. Ist das ihr Alter? Sie ist ja immerhin schon 10 Jahre alt! Das Einnässen ist fast ganz gut! Bonnie spielt mit ihrer Leine, das habe sie noch nicht einmal als Junghund getan! Lycopodium XM 10.9.2003: Bonnie hat wieder Probleme beim Aufstehen vom Liegen, besonders mit dem rechten Hinterfuß. Lycopodium XM, 2. Gabe. 4.5.2004: Wieder vermehrte Inkontinenz im Schlaf. Wahrscheinlich wird sie von dem Kleinen zu sehr überfordert. Sie sei nach wie vor fröhlich und munter und jage ab und zu die Pferde. Lycopodium XM, 3. Gabe.
Conium maculatum 12.7.2004: Der Besitzer berichtet aufgeregt per Telefon, Bonnie habe einen Kreislaufkollaps. Er sei schon bei seinem ortsansässigen Tierarzt gewesen, es läge keine innere Blutung vor. Ihr Herz sei in Ordnung. Bonnie habe beim Laufen wieder Schwierigkeiten mit der Hinterhand, nach dem gestrigen Spaziergang sei es viel schlechter geworden. Aus beruflichen Gründen kann er nicht die 40 km fahren, um zur Praxis zu kommen. Am darauf folgenden Tag stellt er die Hündin im Tierspital Zürich vor, wo sie wegen massiver Lungenmetastasen euthanasiert wird – im Alter von fast 11 Jahren.
Epikrise Bonnie hätte für ihre Hinterhandschwäche wahrscheinlich wieder Conium bekommen müssen, dann wären keine Metastasen aufgetreten. Aber so weit war mir das Vorgehen im malignen Geschehen damals noch nicht gegenwärtig und der Besitzer konnte nicht in die Praxis kommen. Lycopodium war sicher das richtige „konstitutionelle Mittel“, aber nicht das passende für das Krebsgeschehen, für die „einseitige Erkrankung“. Bonnie hat nun ihre Lebenserwartung nach dem Astrozytom immerhin über 19 Monate in gutem Allgemeinbefinden übertroffen, und ein Schäferhund wird selten viel älter als 11 Jahre.
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Dulcamara
Bittersüßer Nachtschatten
Signatur, Thema und Idee des Mittels Solanum Dulcamara ist eine Kletterpflanze mit violett-blauen, feinen Blüten, gelben Fruchtständen sowie grünen und roten Beeren. Den Namen ,Bittersüß‘ erhielt die Pflanze durch den Geschmack ihrer Blätter, die anfangs bitter, aber dann süßlich schmecken und nur eine geringe Toxizität besitzen. Dulcamara wächst bevorzugt auf feuchten Böden, am üppigsten im Uferbereich von bewegtem Wasser und überwuchert dort das Ufergestrüpp. Der Standort von Dulcamara zeigt eine besondere Affinität zum feuchten, wässrigen Element: Die Dulcamara-Beschwerden werden bevorzugt durch Feuchtigkeit und Nässe mit gleichzeitiger Kälte oder Verdunstungskälte ausgelöst. Die Beschwerden im Arzneimittelbild von Dulcamara werden insbesondere durch Bewegung gebessert. Die pharmazeutischen Wirkstoffe von Dulcamara finden sich vermehrt an warmen Herbsttagen mit kalten Nächten, einer schon fast sprichwörtlich bekannten, verschlimmernden Modalität im Arzneimittelbild. Ein besonderer Schwerpunkt der Pathologie liegt in von ,Feuchtigkeit‘ durchtränkten oder bezogenen Organen, z. B. den Schleimhäuten von Atemwegen, Verdauungsapparat und Harnwegen, sowie in Hautausschlägen, die nach intensivem Kratzen zum Nässen neigen. Nässe und Kälte haben in der Chinesischen Medizin ihr Korrelat im Funktionskreis Niere.
Im Arzneimittelbild findet sich ein wesentlicher Schwerpunkt der Pathologie in diesem Bereich: Entzündungen von Blase und Niere, die insbesondere durch Kälte, Feuchtigkeit und Nässe ausgelöst werden. Außerdem hat Dulcamara einen besonderen Bezug zu Ödemen und Schwellungen – zum Stau im Bereich der Körperflüssigkeiten, welche ebenfalls zum Funktionskreis Niere gehören. In der Chinesischen Medizin gibt es – ähnlich der Hering’schen Regel in der Homöopathie – die ,Ausscheidungsfolge‘: Was auf natürlichem Wege – über Niere, Darm, Atemluft – nicht ausgeschieden werden kann, muss über die Haut eliminiert werden. Dulcamara ist eines der wichtigsten Mittel für Folge-Erkrankungen nach unterdrückten Absonderungen. Dulcamara hat im Arzneimittelbild einen intensiven Bezug zu Hauterkrankungen aus dem allergischen Formenkreis sowie dem Wechselspiel mit Schleimhauterkrankungen. Thema und Idee: Erkrankungen des „Funktionskreises Niere“ der Chinesischen Medizin (im Zusammenhang mit den Themen „Wasser“, „Kälte“ und „Feuchtigkeit“): Beschwerden der Harnwege und Beschwerden durch kalte Nässe.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Im Vordergrund stehen die Causa bzw. die Modalitäten Verschlimmerung durch Nasswerden, Beschwerden durch nasskaltes Wetter, Feuchtigkeit und Temperaturwechsel zum Kalten. Folgen sind ,katarrhalische‘ oder ,rheumatische‘ Erkrankungen. Der zweitwichtigste Schwerpunkt sind Erkrankungen nach unterdrückten Absonderungen: Schleimhautabsonderungen der Atemwege sowie Hautausschläge.
Häufig indiziert bei Harnwegserkrankungen durch nasse Kälte. Weiterhin können entzündliche oder allergische Erkrankungen der Atemwege (Bronchitis oder Heuallergie beim Pferd) sowie allergische Hauterkrankungen eine wesentliche Rolle in der Dulcamara-Pathologie spielen. Die Auslöser oder Begleitsymptome mit Verschlimmerung durch Nässe und Kälte sind oft erst bei genauem Nachfragen zu eruieren; wenn uns
Dulcamara diese entgehen, werden allzu leicht falsche Mittel verordnet und der Fall gilt scheinbar als ,blockiert‘ oder ,aussichtslos‘. Genauso kann es mit dem ,undurchsichtigen‘ Thuja-Patienten (ebenfalls Beschwerden durch Feuchtigkeit, ferner häufig Warzen!) geschehen! Für Pferde sind die Dulcamara-Beeren hochgiftig; das zeigt vielleicht an, dass Dulcamara gerade beim Pferdepatienten gar nicht selten indiziert ist, jedoch nicht immer erkannt wird. Darum sollte gerade beim Pferd auch an eine Dulcamara-Pathologie gedacht werden, die dem Ungeübten – ebenso wie Thuj. – leicht verborgen bleiben kann. ,Nasswerden‘, z. B. im Regen auf der Weide oder durch Schwitzen, ist gerade beim Pferd kein seltener Faktor in der Pathogenese. Bei Atemwegserkrankungen des Pferdes sollte – neben anderen Mitteln – auch immer Dulcamara mit in Betracht gezogen werden. Ein häufiges Begleitsymptom der Dulcamara-Pathologie sind Warzen, ebenso kalte (nicht entzündliche) Unterhautödeme. Die reizbare, diktatorische Gemütsverfassung muss nicht immer im Vordergrund stehen!
Es bestehen sehr viele Ähnlichkeiten zu Rhust.: der Rhus-t.-Schwerpunkt ist aber oft verbunden mit Folgen von Überanstrengung beide Mittel werden besser durch Bewegung bei Rhus-t. steht die Steifigkeit am Anfang der Bewegung im Vordergrund sowie die Besserung durch fortgesetzte Bewegung Rhus-t. ist häufiger im Zusammenhang mit entsprechenden Traumen indiziert (s. dort) Dulcamara schwerpunktmäßig eher bei Harnwegsinfekten, Allergien und Atemwegserkrankungen beide Mittel können bei Bronchitis indiziert sein, entscheidend sind differenzierende Modalitäten und besondere Begleitsymptome beide Mittel können bei Hauterkrankungen, ,Erkältungen‘, Folgen von Nasswerden indiziert sein Rhus-t. kommt in der Praxis wesentlich häufiger vor als Dulcamara. Dr. Mohinder Singh Jus betont, Dulcamara sei eher für die Folgen von Nasswerden bei Menschen mit wenig Bewegung indiziert, im Gegensatz zu Rhust., das eher durch Kaltwerden nach dem Schwitzen durch Anstrengung angebracht sei.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute, subakute Zustände: Folgen von Kälte und Nässe oder Begleitumständen mit dieser Modalität Chronische Krankheiten: meist Folgezustände dieser Ursachen Atemwege: akute Erkrankungen, absteigende Atemwegsinfekte, evtl. mit Dyspnoe und ,Asthma‘ allergische Atemwegserkrankungen Bewegungsapparat: Myalgien jeder Lokalisation möglich, Rückenschmerzen, Torticollis, besser durch Bewegung
Verdauungsapparat: Durchfall, Kolik, durch feuchte Kälte, gefrorenes Futter (Ars., Puls.), ⬍ vor Kotabsatz Durchfall abwechselnd mit Hautausschlägen, abwechselnd mit ,Rheuma‘
Harnwege: Entzündungen der Harnwege durch Nässe, Kälte, akut, chronisch oder rezidivierend, ⬎ durch Wärme Haut: Hautausschläge aller Formen, unklare allergische Hautausschläge Hautausschläge weich-krustig, am ganzen Körper, besonders im Kopfbereich wunde, haarlose Stellen, diese mit Schwellung, Hitze und Rötung, Tendenz zu Superinfektionen Urtikaria durch Kaltwerden, durch Zugluft Warzen durch Feuchtigkeit Auslöser: Folgen von Kalt- und Nasswerden Folge-Erkrankungen nach unterdrückten Absonderungen, Hautausschlägen ⬎ durch Bewegung ⬎ durch Wärme, ⬎ durch trockenes Wetter
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Dulcamara Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten eher dunkel pigmentierte Tiere oft sofortige verschlimmernde Reaktion auf Kälte, Verdunstungskälte oder Zugluft Tiere meiden deshalb kalte, zugige Plätze oder diese verschlimmern sofort die Pathologie
verfrorene Tiere (,Mangel an Lebenswärme‘), aber nicht immer deutlich besser durch Wärme Zittern im Kalten Warzen, evtl. im Gesicht, evtl. in Gruppen angeordnet (s. u.)
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Abwehrverhalten mit Drohen ohne echte Aggressivität, Streitsucht – Hunde: knurren – Pferde: legen drohend die Ohren an eher ranghohe Tiere, nicht unterwürfig
Eile, Ruhelosigkeit, Ungeduld Aber das Verhalten muss nicht immer in dieser Art verändert sein! Viel häufiger ist in diesem Zusammenhang gänzlich unauffälliges Verhalten!
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Gesicht: Lähmung durch feuchte Kälte Warzen im Gesicht, evtl. in Gruppen stehend Augen: Konjunktivitis durch feuchte Kälte Hund: Konjunktivitis nach kaltem Baden; häufig verbunden mit Hautausschlag und Juckreiz der Lider oder Ohren Ohren: Hund: schmerzhafte, juckende Otitis, z. B. durch Baden in kalten Teichen, durch kalte Nässe Atemwege: akute Erkrankungen, beginnen oft mit Hautausschlag (s. dort) absteigende Atemwegsinfekte: Erkrankungen der oberen Atemwege, dann Bronchitis, die übergeht in Dyspnoe und Asthma auch akute, fieberhafte Atemwegsinfekte, evtl. verbunden mit Hauterscheinungen (s. u.) feuchter Husten, Schleimrasseln, schwieriger Auswurf schmerzhafter Husten, quälender Husten ⬍ feuchte Kälte allergische Atemwegserkrankungen, mit Dyspnoe Atemnot schlimmer im Kalten, ⬍ bei nasskaltem Wetter, ⬍ bei kalter Zugluft manchmal heisere Stimme Pferd: eines der Mittel für die chronische Bronchitis; mit asthmatischer Komponente, ausgelöst durch Nass- oder Kaltwerden; ⬍ durch kühlen Nebel und feuchtkaltes Futter, z. B. kaltes, feuchtes Heu im Offenstall
Bewegungsapparat: Myalgien jeder Lokalisation möglich: steifer Nacken, Torticollis Rückenschmerzen, Steifheit der Extremitäten, besser durch Bewegung (Pferd!) Lumbago, Steifheit durch feuchte Kälte (jagdlich geführte Hunde; Pferd) (,chronisches Rheuma‘) Schwäche bis Lähmung durch kalten oder feuchten Liegeplatz Lähmung durch unterdrückten Hautausschlag Pferd: Rückenprobleme, Steifheit beim Reiten, evtl. ausgelöst durch Nasswerden; Schwellung, Ödem der hinteren Extremitäten Verdauungsapparat: Verlangen nach kalten Getränken mit anschließender Verschlimmerung (Rhus-t. trinkt Warmes!) Kolik durch feuchte Kälte, ⬍ vor Kotabsatz Durchfall, abwechselnd grün und gelb, zäh, blutig Durchfall nach Wetterwechsel zum Nasskalten Durchfall durch zu kalte Tränke (u. a.) Durchfall, Bauchschmerzen durch gefrorenes Futter (Ars., Puls.) Durchfall abwechselnd mit Hautausschlägen Durchfall abwechselnd mit ,Rheuma‘ Harnwege: Entzündungen der Harnwege durch Nässe, Kälte, akut, chronisch oder rezidivierend Harnwegsentzündungen durch eiskalte Tränke Blasenentzündung, Nierenschmerzen, Harndrang Schmerzen während und nach dem Urinieren Harndrang anhaltend, Tenesmus, evtl. tropfenweise Entleerung, erfolgloser Drang
Dulcamara Harndrang sofort nach Kaltwerden Urin: scharf, wund machend; Geruch: stinkend, evtl. nach Ammoniak Sediment blutig, eitrig, schleimig Harnwegsbeschwerden besser durch Wärmeanwendung Hund: Harnwegsentzündungen durch kaltes Baden, speziell im Winter (Jagdhunde!); Inkontinenz, Einnässen durch diese Erkrankungen; Blasenlähmung, auch chronisch, ursprünglich ausgelöst durch Nässe; Harnverhaltung, Strangurie (Welpen in feuchten Zwingern) Haut: Hautausschläge aller Formen, unklare allergische Hautausschläge (Hund: z. B. Flohhalsband) Hautausschläge krustig, am ganzen Körper (Ars., Psor.) Hautausschläge besonders im Kopfbereich gelbliche, weiche Krusten im Gesicht, Oberlider, Achseln, Kniefalte, Schwanzfalte, Genital krustige, schorfige, abschuppende Hautausschläge
durch Kratzen entstehen wunde, haarlose Stellen diese evtl. mit Schwellung und Superinfektion Einrisse, stark juckende Schrunden, die gelbliche Flüssigkeit absondern, teils übel riechend Tendenz zum Kratzen, bis zu wunder, blutiger Haut, ⬍ durch Berührung mit Wasser (Sulf.) Hautausschläge mit Hitze und Rötung der Haut auch zyklusabhängige Hautausschläge Urtikaria durch Kaltwerden, durch Zugluft Urtikaria mit Fieber und Gliederschmerzen herpesähnlicher Ausschlag mit Juckreiz im Genitalbereich (männliches und weibliches Genital) Warzen entstehen durch Feuchtigkeit, feuchte Liegeplätze, feuchte Aufenthaltsorte, fleischig, dick, gestielt, stecknadelkopfgroß oder groß, evtl. hornig, hart, flache Warzen, evtl. in Gruppen angeordnet Pferd: trockene, schuppige Haut, kein Schwitzen bei Anstrengung Dulcamara ist eines der Hauptmittel für Folgen von unterdrückten Hautausschlägen.
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Kalt- und Nasswerden, Pferd: auch durch Schwitzen (Verdunstungskälte) Folgen von Zugluft nasskaltes Wetter hohe Luftfeuchtigkeit bei kühlen Temperaturen, Nebelwetter kalter Wind Leben in feuchten Räumen, Stallungen, Zwinger Folgen von Liegen auf feuchtem Boden Folgen von nassem Fell bei kühlen Temperaturen (Schweiß oder Nasswerden) Wetterwechsel von warm nach kalt Folgen von kalter Zugluft an sonst warmen Orten Folgen von unterdrückten Hautausschlägen Folgen von unterdrückten Absonderungen aus den Atemwegen Hund: Folgen von kaltem Baden, besonders während der kalten Jahreszeit Pferd: z. B. Zugluft im überwärmten Stall durch offene Oberlichtfenster; Folgen von feuchten, kühlen Sommernächten auf der Weide Pferd, Rind: Folgen von nasser Einstreu, nassen, sumpfigen Weiden (,nasse Füße‘)
Modalitäten: ⬍ nachts,⬍ vor Mitternacht ⬍ durch Kälte und ⬍ Feuchtigkeit, betrifft alle Beschwerden ⬍ insbesondere durch Wechsel von heiß zu kalt ⬍ durch kalte Zugluft, besonders im sonst warmen Raum (Klimaanlage) ⬍ am Ende des Sommers mit heißen Tagen und feuchtkalten Nächten ⬍ und überempfindlich gegen kalte Luft ⬍ Beschwerden der linken Seite ⬍ durch kaltes Futter oder Tränke ⬍ bei abnehmendem Mond ⬍ in Ruhe (Rhus-t.); ⬍ nach Aufstehen von längerem Liegen ⬎ durch Bewegung ⬎ durch Wärme ⬎ durch trockenes Wetter Komplementär- und Folgemittel: Ars., Bar-c., Calcarea, Kali-s., Lyc., Nat-s., Rhus-t., Sep., Sulf.
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Dulcamara Ausgewählte Fallbeispiele Cornello – Württemberger Wallach – chronischer Husten Cornello ist ein hoch im Blut stehender Württemberger Rappe, 31/2 Jahre alt. Frau B. hat ihn vor 4 Wochen gekauft; ich machte selbst die Ankaufsuntersuchung beim Händler. Beim ersten Kontakt mit C. in der Box drehte er dem Besucher zunächst das Hinterteil zu und wandte sich mit ,mürrischem‘ Gesicht ab. Der Verkäufer ging mit lauter Stimme auf das Pferd zu und versuchte mit Dominanz dagegen anzukommen. Aber C. legte die Ohren an und ließ sich nicht greifen. Erst als die zukünftige Besitzerin von der anderen Seite kam, konnte sie C. am Halfter nehmen. Frau B. entschloss sich trotz des gelegentlichen Hustens und entgegen meiner Empfehlung zum Kauf. Im neuen Stall machte sich verstärkter Husten bemerkbar. Reklamationen beim Händler waren erfolglos; dieser meinte, C. habe einmal im Regen draußen gestanden und deshalb würde er nun ein wenig husten, aber das wäre nicht schlimm. – Und schließlich war die Gewährsfrist abgelaufen . . . Am 3.11. 1994 wird mir also C. vorgestellt – wegen nunmehr chronischen Hustens. C. steht zur Untersuchung angebunden auf der Stallgasse. Während ich hinten um ihn herumgehe, legt er die Ohren an und hebt unverkennbar drohend einen Hinterfuß. Die Besitzerin – eine beherzte und gar nicht zimperliche Sepia-Frau – meint: „Ja, C. hat ein wenig Hengstmanieren. Er spielt gern mit den Lippen herum und kneift dann. Er hat schon so oft eins drauf gekriegt, es nutzt alles nichts. Man muss eben mit ihm ein bisschen aufpassen. In der Box ist er besonders gegen Fremde ausgesprochen giftig. Vielleicht ist er zu spät kastriert worden. Außerdem ist er wahnsinnig futterneidisch zu anderen Pferden. Dann tobt er mit wüstem Drohen in seiner Box herum und beißt ins Gitter. Beim Putzen ist er ein richtiger Lausbub. Aber man weiß nie, ob er es ernst meint oder ob er nur spielt.“ Die klinische Untersuchung bringt keinen Befund. Atemgeräusche sind unerheblich, das Zuhalten der Nase duldet C. kurzfristig, bis er den Kopf wegschleudert. Durch starken Druck auf die oberen Trachealspangen lässt sich ein feuchter, kräftiger Hustenstoß auslösen.
Die Besitzerin berichtet: „Beim Reiten versucht er immer wieder, seinen Kopf durchzusetzen. Die Gerte akzeptiert er nur selten. Aber mit Gewalt geht bei ihm gar nichts mehr. In der Box kann es sein, dass er bei einer schnellen, unbedachten Bewegung mal eben zubeißt. Man darf ihn nie aus den Augen lassen. Manchmal versucht er es zuerst ganz behutsam, an mir herumzuknibbeln, dann immer fester, und wenn ich ihm das durchgehen lasse, kann er mal richtig zubeißen. Und wenn er dann eins mit der Gerte bekommt, dreht er sich herum und schlägt zurück. Manchmal denke ich, er sucht den Streit, er sucht die Herausforderung, um zurückschlagen zu können. In der Reithalle ist er unheimlich neugierig und muss alles untersuchen. Wenn die Halle an der langen Seite offen steht und draußen fährt ein Traktor vorbei, kann er urplötzlich tolle Bocksprünge hinlegen. Ein andermal hat er etwas anderes zu sehen, und derselbe Traktor interessiert ihn überhaupt nicht. Wenn in der Halle irgendetwas verändert ist, muss er das zuerst anschauen, bevor er mich aufsitzen lässt. Und wenn ich anfange, ihn zu arbeiten, muss er oft zuerst testen, wie weit er gehen kann. Er ist oft ausgesprochen ungezogen, aber nicht immer. Er hat eben seine Launen. Auch mit anderen Pferden probiert er es: Wenn einer 5 – 10 m weit entfernt ist, macht er sich wichtig mit Imponiertrab. Und wenn das andere Ross näher kommt, droht er mit angelegten Ohren. Aber er ist auf der Weide kein ranghohes Tier, aber bekommt von den anderen auch keine Prügel. Dafür ist er auch viel zu flink und zu schlau, als dass er eins gewienert bekäme.“ Und wie verhält er sich sonst zu ihnen? – „Er ist alles andere als ein Schmuser, eher ein ausgebuffter Rüpel.“ Wie steht er zu Wasser? Beine abspritzen? Regenwetter? „Regen hasst er, man muss ihn aus dem Stall ziehen für die paar Schritte zur Halle. Das Abspritzen der Beine klappte anfangs gar nicht. Ich glaube, er hasst das nasse Element! Das Waschen funktioniert inzwischen etwas besser, aber er liebt es ganz und gar nicht. – Der Husten kommt immer schubweise, vielleicht weniger an wärmeren Tagen und eher bei Nebel oder Regen.“
Dulcamara Mir fallen einige stecknadelkopfgroße Warzen an Ganasche und rechter Nasenseite auf, die in zwei Gruppen nahe beieinander stehen. „Ja, die sind erst in den letzten 2 Wochen entstanden!“ Die Untersuchung in der Bewegung bringt keinen nennenswerten Befund, keine Dyspnoe. Die homöopathisch verwertbaren Symptome sind: Warzen im Gesicht, klein, in Gruppen Streitsucht diktatorisch Launenhaftigkeit abweisende Stimmung leicht zum Zorn geneigt Abneigung und Verschlimmerung durch Nässe. Nach Repertorisation bekommt er Dulcamara C 200; leider hatte ich keine höhere Potenz bei mir. Der Husten klingt wenige Tage später ab. Im April 1995 tritt er Husten wieder auf, nachdem C. die ersten Male wieder auf der feuchten Graskoppel stand. 2. Gabe Dulcamara 200 und nochmals am 20.6.1995. Die Warzen sind noch immer unverändert vorhanden. Der kurze Abstand der Arzneigaben versteht sich durch die zu niedrige Potenz. Das Pferd hätte mindestens eine M- oder XMPotenz gebraucht. Im August 1995 tritt nochmals Husten auf. C. bekommt Dulcamara M. Dann hörte ich 5 Jahre nichts mehr von ihm. Erst im Mai 2000 ruft die Besitzerin wieder an, C. huste jetzt wieder. Bisher sei er gesund gewesen. Neue Anamnese: C. hat ein auffallend glänzendes Haarkleid. Die früheren Warzen im Gesicht sind nie wieder aufgetreten. Seit ca. 10 Wochen gibt es alle 2 – 3 Tage besonders beim Reiten Husten, kurze, trockene Hustenstöße, 10- bis 15-mal hintereinander. Ein Anlass sei nicht zu finden, weder Wärme, noch Kälte, noch Nässe. Dulcamara wird wiederholt, zeigt aber keine Wirkung. Im Laufe der revidierten Anamnese stellt sich jetzt die Indikation von Phosphor heraus. C. ist zwar noch immer frech, aber er ist jetzt ausgesprochen verschmust, lässt sich mit ,Lustgesicht‘ kraulen und verwöhnen.
Die geänderte ,Gemütsverfassung‘, das Fehlen der auffallenden Warzen sowie einige neue Symptome weisen auf das Mittel Phosphor hin, das er in 2004 nochmals benötigt.
Kater Jasper – generalisierter juckender Hautausschlag 31.4.1994: Jasper ist ein grauer kastrierter Siamkater, 2 Jahre alt. Er wird vorgestellt wegen eines krustigen Hautausschlags am ganzen Körper mit extremem Juckreiz. Der Vorbericht der Besitzerin während eines Hausbesuchs lautet folgendermaßen: „Der Kater hat vor ca. 3 Wochen ein neues Flohhalsband bekommen. Als er es 2 Tage trug, bekam er so etwas wie eine Raserei, er war nicht mehr zu halten, raste nur noch im Zimmer umher. Wir wussten nicht, was tun; die einzige Idee war, ihm das Flohhalsband abzunehmen. Daraufhin wurde er wieder ruhiger. – Nach einer Woche begann er wie zu glühen, wurde ganz heiß und kratzte sich wahnsinnig. Mit Schrecken fiel mir auf, dass sein ganzer Kopf voll war von einem trockenen, krustigen Ekzem. Das breitete sich in den nächsten Tagen über den ganzen Körper aus. Am Tage ist er pausenlos am Kratzen, nachts schläft er ruhig unter unserem Bett. Dabei macht er keinen richtig kranken Eindruck! Er frisst gut, trinkt allerdings mehr als gewöhnlich. Durch sein dauerndes Knabbern und Schlecken erbricht er täglich Haarbüschel. Er sucht jetzt besonders warme und dunkle Ecken als Liegeplätze. – Und noch etwas Komisches: Er hat zwei Warzen dort, links seitlich am Hals bekommen.“ Bei der Untersuchung zeigt sich der Kater freundlich und gelassen. Die Warzen sind rund und fleischig, etwa halb so groß wie Erbsen; sie sehen aus wie voll gesaugte Zecken. Der Körper des Tieres strahlt große Hitze aus, als Homöopath denkt man an die dampfende Belladonna-Hitze; die Körpertemperatur ist jedoch normal. Am ganzen Körper finden sich trockene Krusten, z. T. rot-schorfig – wahrscheinlich durch Wundkratzen –, z. T. weiß- bis gelblich-krustig. Die Besitzerin ist eine sehr freundliche, etwas redselige Frau. Sie entschuldigt sich für den auffallend feucht-muffigen Geruch in ihrer SouterrainWohnung: „Was glauben Sie, was wir für Ärger mit
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Dulcamara dem Vermieter haben! Jedes Mal, wenn es etwas länger regnet, wird es so feucht in dieser Wohnung, sogar die Betten sind ganz klamm!“ Mit dieser scheinbar gar nicht zu ihrer Katze gehörigen Bemerkung weist sie den Weg zum passenden Mittel.
Mittelwahl Die wichtigen Symptome sind: Beschwerden durch Leben in feuchten Räumen Hautausschlag krustig am ganzen Körper Hitze der Haut ohne Fieber Juckreiz heftig Warzen fleischig, glatt Hautausschlag, allergisch (gegen das Flohhalsband).
Therapie Jasper bekommt Dulcamara M, 1 Dosis per os. Der Juckreiz lässt bereits am selben Tag nach. Das Ekzem heilt im Lauf der nächsten Woche gänzlich ab. Sogar die Warzen seien innerhalb von ca. 3 Wochen verschwunden.
Kein Rezidiv. Ergänzend muss erwähnt werden, dass die Familie mitsamt Kater wenig später aus der feuchten Wohnung in eine bessere umzog. Beobachtungszeit: 7 Jahre. Differenzialdiagnostisch könnte neben Dulcamara noch Arsenicum album in Frage kommen, eines der häufigsten Mittel bei Katzen. Aber Arsen hat Warzen anderer Art. Ferner ist Arsenicum eines der Hauptmittel für nächtliche Ruhelosigkeit, aber Jasper verhält sich gerade in der Nacht ruhig und kratzt sich kaum. Warzen sind bei Katzen ein recht seltenes Phänomen und daher als „sonderliches Symptom“ zu betrachten. Ob dieses generalisierte Ekzem nun durch Allergie auf das Flohhalsband oder aus anderen Gründen entstanden ist, sei dahingestellt. Immerhin ist Dulcamara eines der wenigen im Complete Repertory unter ,Hautausschläge, allergisch‘ (Ars., Psor.) genannten Mittel. Allerdings ist dies eine nicht differenzierte klinische Rubrik, die bekanntlich in der Homöopathie Hahnemanns immer mit Vorsicht zu betrachten ist. Entscheidend sind vielmehr die auffallenden Begleitsymptome und die evtl. besondere ,Gemütsverfassung‘.
Hepar sulfuris calcareum ostrearum
Hepar sulfuris calcareum ostrearum Kalk-Schwefel-Leber
Signatur, Thema und Idee des Mittels Hepar sulfuris – auch Calcium sulfuratum Hahnemanni genannt – ist nicht identisch mit Calcium-Sulfuricum (Calciumsulfid, Gips), sondern – wie Causticum – eine persönliche Schöpfung von Hahnemann. Die Ausgangsstoffe sind Schwefelblüte und Austernschalenkalk. Letzterer enthält nicht nur Calcium, sondern zusätzlich andere Minerale und minimale Spuren von Eiweiß (Absonderungen des Muscheltiers). Sulfur und Calcarea werden 10 Minuten lang in Weißglut miteinander im abgedichteten Schmelztiegel vereinigt, der auch nach dem Glühprozess nicht eröffnet wird. Schwefel ist bekanntlich ein sehr reaktionsfreudiges Element, das sich ab 260⬚ selbstständig entzünden kann. Zusammen mit den (minimalen) Stickstoffbestandteilen im Austernschalenkalk dürften sich explosive Gase entwickeln, die nicht entweichen können, die Reaktion wird verhindert; nach dem Abkühlen ist diese Bereitschaft nicht mehr vorhanden, gleichsam unterkühlt und abgebremst. Das fertige Produkt wird Kalkschwefelleber genannt, weil diese Verbindung eine leberähnliche, grau-rötliche Farbe aufweist. Nach Erkalten wird der Schmelztiegel eröffnet und das Produkt in Milchzucker verrieben. Aber weitere Abkühlung ist unerträglich, der Hepar-Patient leidet so intensiv wie kaum ein anderer unter Kälte (neben Nux-v., Psor., Sil.). Es ist nahe liegend, dass Hepar sulfuris etwas mit ,Heftigkeit‘ und ,Entzündung‘ zu tun hat, heftiger als der Schwefel für sich allein. Die ,abgebremste Explosivität‘ wird beim nächsten aktivierenden Anlass entsprechend heftig hervorbrechen. Sobald irgendetwas den Hepar-Patien-
ten berührt oder ärgert, kann sich diese Explosivität in Form von heftiger aggressiver Abwehr äußern; nicht nur Zorn, Wut und Entzündungen brechen dann hervor, sondern sogar eingedrungene Fremdkörper werden ,herausgestoßen‘. Die ,Entzündung‘ dieses Arzneimittels (Phlegmone) ist hochgradig schmerzhaft und verschafft sich dann in Form eines Abszesses endlich den ,Durchbruch‘ nach draußen. Der Eiter stinkt nach zersetztem Eiweiß, sauer oder wie alter Käse, ebenso die Ausdünstung des gesamten Körpers bzw. der Schweiß. Hepar ist überempfindlich gegen fast alles: gegen alle Sinnesreize, Kälte, Berührung, Lärm und natürlich gegen Schmerzen. Das Thema ,Reizbarkeit‘ – ,Explosivität‘ zieht sich durch das ganze Arzneimittelbild: Einerseits kann der Hepar-Patient erstaunlich gleichgültig, andererseits irrational grausam, streitsüchtig, destruktiv sein; Schmerzen, Frieren, Rachsucht, Wut und Hass können ihm sogar den plötzlichen Impuls zum Mord oder zur Brandstiftung bringen. In der alten homöopathischen Literatur heißt es: „Der Barbier will plötzlich seinen Kunden mit dem Rasiermesser töten“ und „die Mutter will plötzlich ihr Kind ins Feuer werfen und sich selbst hinterher“. Der Schwellenwert für gewalttätige Ausbrüche ist enorm niedrig – auf körperlicher und seelischer Ebene. Thema und Idee: Verletzlichkeit körperlich und seelisch mit heftiger explosiver Reaktion, Überempfindlichkeit gegen Schmerzen, Kälte, Sinnesreize – körperlich und seelisch, mit überschießender, explosiver, entzündlicher Wirkung, die sich Durchbruch nach außen verschafft.
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Hepar sulfuris calcareum ostrearum Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels alle Arten von Entzündungen, Phlegmone bis zur Abszessbildung, evtl. mit Sepsis lokale und allgemeine Erkrankungen betrifft die Haut, Schleimhäute und Drüsengewebe unheilsame Haut, schlecht heilende Wunden mit Eiterungstendenzen, treibt Fremdkörper aus Ekzeme, Pyodermien: stinkende Absonderungen Überempfindlichkeit aller Sinnesorgane mit Aggression Bei einem primär aggressiven Tier mit stinkender Absonderung sollte man auch an Hepar denken! Hepar wirkt i. d. R. schnell und kann durchaus die Eiterung verhindern, wenn es rechtzeitig gegeben wird. Anderenfalls führt es zu einem lokalisierten oder sogar abgekapselten Abszess und kann so eine generalisierte Sepsis verhindern. In der organotrop orientierten Homöopathie wird betont, Hepar bewirke in der 3. Dezimalpotenz eine beschleunigte Eiterung, während die 10. oder eine höhere Potenz die Resorption beschleunigen soll.
Diese Ansicht resultiert noch aus der ,naturwissenschaftlich‘ orientierten Richtung und hat nichts gemeinsam mit der Homöopathie Hahnemanns. Wenn Hepar D 3 einen Eiterungsprozess beschleunigt, so geschieht das durch den chemischen Einfluss der Kalk-Schwefel-Verbindung. Dagegen wirkt eine höhere Potenz, ausgewählt nach den Prinzipien Hahnemanns, im Sinn der Dynamik des pathologischen Prozesses: Wenn noch eine phlegmonöse Entzündung ohne Eiterbildung vorliegt, kann Hepar diesen Prozess ohne Abszedierung zur Heilung bringen. Wenn aber bereits eine Eiterbildung vorhanden ist, kapselt Hepar sulfuris diese ab und führt zur Eröffnung, ohne dass sich eine septische Allgemeininfektion ausbreitet. Die gereizte Gemütsverfassung tritt bei lokalem Entzündungsgeschehen nicht immer in den Vordergrund. Insbesondere Rinder reagieren bei einem Hepar-Geschehen weit weniger heftig als Pferd, Katze und Hund. Hepar sulfuris ist eines der häufig gebrauchten Mittel in der Alltagspraxis – außerdem eines der zornigsten und aggressivsten Mittel der Materia medica!
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akutes Geschehen: schnell sich entwickelnde Phlegmone, Abszesse, Pyodermien, Eiterungen nicht primär Sepsis (wie Lach.), eine Sepsis kann sich im Laufe der Erkrankung entwickeln akute Atemwegsinfekte Subakute Erkrankungen: entwickeln sich langsam in 2 – 3 Tagen Phlegmone, hochschmerzhaft, subakuter Hufabszess, Panaritium
Abszesse, Entzündungen, die nicht reifen wollen (Reaktionsmangel) Atemwegsinfektionen, Drüsenabszesse (z. B. Pferd: Druse) u. a. Allgemeininfektionen Chronische Erkrankungen: z. B. Asthma abwechselnd mit Hautausschlägen, nach unterdrückten Hautausschlägen chronisch-rezidivierende Abszesse, Eiterungen
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten eher helles Fell, ,schlaffe Faser‘, auch dunkel pigmentiert, faul, aber enorm reizbar, verfroren sucht sogar bei warmem Wetter die Wärme! – Hund: liebt Heizkissen! sucht sich einen warmen Platz (Heizung) zum Niederlegen, nicht an zugigen Türritzen
evtl. ,Schwellung der Oberlippe‘ Zittern durch Frieren, auch stellenweise, ⬍ durch Zugluft legt sich gern nieder, krümmt sich wegen Frierens zusammen mürrisches Aussehen, abweisende Stimmung, unfreundlich
Hepar sulfuris calcareum ostrearum Drohgebärden (Knurren, angelegte Ohren, Beißen, Schlagen) keine Angstbeißer, sondern aggressiv bei Annäherung! ohne oder mit Drohgebärden struppiges Haarkleid, übelster Körpergeruch immer Hyperästhesie der erkrankten Hautstellen mit Zorn bei Berührung! Fell evtl. stellenweise von Eiter verklebt, evtl. schmerzhaftes Jucken, Wundkratzen
evtl. Alopecia areata, evtl. schlaffe Haut, Verhärtungen, Atherome, Intertrio überempfindlich gegen Schmerzen (Cham.) und Berührung (Arn.) evtl. spontan aggressiv, ,will töten‘ (wie Nux-v., Tarant-c., Merc.) bei langhaarigen Tieren ist die Tendenz zum Frieren nicht immer deutlich zu beobachten bei aggressiven Hunden, Pferden mit stinkenden Hautausschlägen an Hep. und Merc. denken!
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens im Akutfall bei einem lokalen Abszess muss nicht diese extreme Reizbarkeit im Vordergrund stehen Reizbarkeit nur, wenn dieser untersucht und berührt wird, Jähzorn schon vor der Berührung im konstitutionellen Fall treten diese Verhaltenssymptome deutlicher in Erscheinung reagiert auf freundliche Ansprache mit Abwehr (Knurren, Drohen, angelegte Ohren) Tiere sind schlecht zu hantieren, schwierig zu untersuchen wegen Aggressivität unzufrieden, ,rachsüchtig‘, nachtragend, boshaft, vergisst nichts niemals fröhlich, lacht nie, ernst, nicht verspielt, überempfindlich gegen seine Umgebung überempfindliche Reizbarkeit gegen Sinneseindrücke Furcht vor Berührung, will allein sein, Ruhe haben (Nux-v., Bry.)
Reizbarkeit, besonders morgens, ⬍ in kalter Luft, ,im Froststadium im Fieber‘, beim Schwitzen will töten, unberechenbar, gezieltes Beißen, Schlagen (Merc., Nux-v., Lyss.) aggressiv auch gegen Familienmitglieder, die er sonst mag erträgt keinen Widerspruch Hast, Eile, Ungeduld duldet keine Zuwendung, wenn krank, lässt sich nicht gern pflegen (Lyc., Cham.) übermäßige Empfindlichkeit für alle Sinneseindrücke – gegen Berührung mit Zorn und Reizbarkeit – gegen Schmerzen, heftiger Zorn! – Zorn durch Frieren
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Entzündungen: aller Art, Phlegmone, Abszess, Eiterung, Gangrän, Ostitis mit den genannten Modalitäten Entzündungen nach chirurgischen Eingriffen, Eiterung der Wundnähte Phlebitis, Ostitis, Periostitis, Lymphangitis, Synovitis, besonders nach Verletzung Reaktionsmangel bei Eiterungen Superinfektionen auf Hautausschlägen, auch großflächig, mit stinkender Eiterbildung (Pyodermie) infizierte hochschmerzhafte Verletzungen, evtl. mit Fremdkörpern Hund: besonders im Nacken und an Halsseite, versackte Abszesse, nach Bisswunden mit Eiterung von Nacken bis Kehle
Katze: Biss- und Kratzverletzungen (bes. im Kopfbereich, an der Schwanzwurzel), evtl. schwierig von Lach. zu differenzieren! Hund, Katze: Krallenbettentzündungen, Panaritium (u. a.) Pferd: Entzündungen besonders im distalen Extremitätenbereich (,Einschuss‘, ,Rotlauf‘), Entzündungen der Kehlgangslymphknoten (Druse u. Ä.); Spezifikum für den manifesten Hufabszess (noch nicht manifest: Arn., Led.) Rind, Schaf: Klauenabszess, Klauen-Sohlen-Geschwür (u. a.) Haut: unheilsam, jede kleine Verletzung entzündet sich, wird sehr schmerzhaft, abszediert und eitert
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Hepar sulfuris calcareum ostrearum Akne mit kleinen, sehr schmerzhaften Abszessen hochgradig schmerzhafte infizierte Ekzeme, Furunkel Pyodermie mit stinkenden Absonderungen Absonderung, Eiter dick-weißlich, gelblich, blutig, scharf-wund machend, stinkend, faulig durch Eiterung werden Splitter abgestoßen (Sil.) Pferd: infizierte Exkoriationen, Scheuerstellen, Intertrigo, Infektionen aus minimalem Anlass; dadurch Entzündungen bis Eiterung; Schwitzen durch Schmerzen, aber extrem empfindlich gegen Abkühlung Augen: Entzündungen – Lidrandentzündungen, eitrig, stinkend, berührungsempfindlich durch Kaltwerden Konjunktivitis, Keratitis, Iritis, Retinitis, Neuritis des N. opticus Eiterung der vorderen Augenkammer, eitrige Choroiditis, eitrige Iritis, mit Hypopyon möchte Augen schließen Keratitis mit Bläschen, mit Trübung, Ulcus corneae, Linsenvorfall Onyx corneae (Acon., Merc., Rhus-t.), Pannus Orbitalphlegmone Entzündungen nach Verletzungen, Fremdkörpern mit wund machendem, stinkendem, graugelbem Eiter chronische Blepharitis, Gerstenkorn sehr schmerzhaft mit Abszess, ⬎ durch Wärme (Sil.) Hautausschläge um die Augen, wunde Lider, verklebte Lider, bes. morgens und nachts Ektropium (durch Entzündungen erworben) Tränengangsstriktur nach Entzündung alle Augenerkrankungen ⬎ durch Wärme (auffallend! meist sind Augenentzündungen ⬎ durch Kälte!) Ohren: akute und chronische Otitiden eitrige Otitis externa und interna, so empfindlich, dass man sie nicht untersuchen kann dann sollte man zuerst Hepar C 200 geben und am nächsten Tag untersuchen plötzliche hochgradig schmerzhafte Ohrenentzündungen mit Phlegmone und Abszess stinkende chronische Absonderung mit extremer Berührungsempfindlichkeit Entzündungen, Eiterungen nach Ohrverletzungen Ohrenschmalz vermehrt, stinkend, juckend
stinkend nach altem Käse, wund machender Eiter, evtl. mit Perforation des Trommelfells Hund: bringt das schmerzende Ohr so nahe wie möglich an den Ofen! Gesicht: Schwellung der Oberlippe ,wie Kaninchen‘ Fazialisneuralgie durch Kälte mit fürchterlichen Schmerzen (Ars., Mag-p., Rhus-t.) Akne eitrig, viele kleine, schmerzhafte Abszesse um das Maul, an den Follikeln der Sinushaare Atemwege: Nase: chronische stinkende Sinusitis (aber viel häufiger sind Lyc., Nux-v., Sep., Puls.!); Niesen, bei Temperaturwechsel vom warmen Raum in kalte Luft, speziell in kalte trockene Frostluft; Sinusitis, Schnupfen mit diesen Modalitäten; dicke, eitrige Absonderung; stinkendes eitriges Sekret aus der Nase, begleitet von deutlichem Frieren Hals: ,Erkältungskrankheiten‘ (Lyc., Nux-v., Phos., Puls., Sep., Rhus-t. u. a. sind häufiger!); chronische oder akute Tonsillitis, Pharyngitis, Laryngitis mit Stinken und Tendenz zu Eiterung; Halsentzündung mit starken Schmerzen, Frösteln, Tendenz zu Phlegmone und Eiterung, Fremdkörpergefühl; evtl. mit Regurgitieren (Pferd: Druse) (DD Lach., aber ⬎ Kälte); mit übermäßigen Schmerzäußerungen; kann warme Tränke oder Futter besser aufnehmen als Kaltes (Lach. nicht!) Pferd: Luftsackeiterung, eitrige Druse bzw. Phlegmone, Abszesse; phlegmonöse, hochgradig schmerzhafte Entzündungen der Kehlgangslymphknoten; kann nicht oder nur unter Mühe schlucken (Lach., Phyt.) Husten: beim Tief-Atmen, sobald der Patient ins Freie kommt, in kalter Luft; starkes Schwitzen beim Husten (Pferd): durch Stimm-Äußerungen; endet evtl. mit Niesen; Husten asthmatisch, ⬍ in kalter Luft, erstickend; Asthma keuchend, erstickend, ⬎Kopf nach hinten, ⬎ Sitzen; Atemnot und Asthma nach unterdrückten Hautausschlägen akute Atemwegserkrankungen: beginnen mit Berührungsempfindlichkeit, heftigen Halsschmerzen, Frieren bei kleinstem Luftzug; ärgerliche Stimmung, Berührungsempfindlichkeit, Zorn; dann evtl. Schnupfen mit Niesen, Tonsillitis, Pharyngitis, Laryngitis, Tracheitis, Bronchitis; gelblich stinkende Absonderung aus der Nase bzw. Auswurf; evtl. Heiserkeit im Kalten, bellender, schmerzhafter Husten, evtl. mit Würgen, Erbrechen; ⬍ gegen Mitternacht
Hepar sulfuris calcareum ostrearum Verdauungsapparat: Maul: Zahnfleischentzündungen, -phlegmone und -eiterungen, Zahnwurzelabszesse, Zahnfacheiterungen; nach außen durchgebrochene Zahnfisteln; lässt sich wegen Schmerzen mit heftiger Widersetzlichkeit nicht untersuchen (Lach., Merc.); extrem stinkendes Maul (Ars., Merc., Phos. u. a.); schmerzhafte Phlegmone, Entzündungen, Abszesse im Zusammenhang mit Gebisssanierung; Eiterung nach Zahnextraktion, Abszess nach Zahnverletzung; ⬍ durch Kauen und Zusammenbeißen! (im Unterschied zu Phyt., Lach.); alles ⬎ durch Wärme, ⬍ durch Kälte Hund: legt sein Maul nahe an den Ofen! Abdomen: Verlangen nach Saurem (?) – das ist beim Tier schwierig zu eruieren; Gastritis durch Ärger (?) ebenfalls schwierig zu finden; darum müssen andere Hepar-Symptome den Weg leiten; Verdauungsschwäche, Flatulenz, Dyspepsie, verbunden mit anderen HeparSymptomen; Diarrhö während des Zahnwechsels, chronisch, durch unterdrückten Hautausschlag; Obstipation abwechselnd mit Diarrhö, weicher Kot trotzdem schwierig zu entleeren; Lebererkrankungen: Hepatitis, Leberabszesse (Lach.), Peritonitis; evtl. säuerlicher Kot; Hautausschläge, Wundheit um den Anus, Rektumfisteln
Hund: Rektumabszesse, hochgradig schmerzhafte, eiternde Analdrüsenabszesse (schmerzlose: Calc-s.!) Genitalien: Abszesse, Zellgewebsentzündung im Beckenbereich nach der Geburt (u. a. Mittel) Hündin, Katze: schlecht heilende OP-Wunden nach Hysterektomie, Sectio; Abszesse, Furunkel im Genitalbereich (Spezifikum) Mamma: Mastitis mit Hepar-Symptomen: hochgradig schmerzhaft mit Aggressivität bei Berührung; phlegmonöse Mastitis mit Tendenz zum Abszess, evtl. mit Sepsis (andere Mittel sind häufiger!); stinkende Eiterung, Ulzera bei Mammakarzinom (Kreos.)
Folgemittel Wenn sich trotz Abkapselung und Abszedierung durch Hepar anschließend eine Nekrose des betroffenen Gewebes entwickelt, ist Lach. als Folgemittel angebracht. Wenn der Abszess nicht unter dem Einfluss von Hepar abheilt, sondern weiterhin fistelt, dann schließt Sil. die Wunde bzw. Fistel. Wenn sich nach Missbrauch von zu häufigen, nicht gerechtfertigten Gaben von Sil. Abszesse entwickeln, dann werden sie unter Hepar sulfuris abheilen.
Auslöser und Modalitäten Auslöser: kalter trockener Wind, Ostwind, Zugluft Infektionen nach Wunden, Verletzungen, Operationen (,homöopathisches Antibiotikum‘) Folgen von unterdrückten Hautausschlägen (Sulf.) Modalitäten: ⬍ durch Kälte = leisesten Luftzug (,friert, wenn er nur die Hand unter der Bettdecke hervorstreckt‘) ⬍ durch jede Art von kalter Luft , ⬍ trocken-kaltes Wetter (DD Acon.!) alle Symptome ⬍ durch Kälte, dadurch auch Reizbarkeit mit Jähzorn! ⬍ auch durch Einatmen kalter Luft Husten ⬍ durch Einatmen kalter, kühler Luft, daher ⬍ beim Gehen im Freien ⬍ durch Temperaturwechsel, ⬍ aus dem Warmen ins Kalte ⬎ durch feuchtes Wetter alles ⬎ durch Wärme (3-wertig) ⬍ durch leichteste Berührung, auch Druck von Geschirr (,Kleidung‘)
auch ⬍ durch Verbände oder kühle Wundwaschungen auch ⬍ durch Berührung mit der Unterlage, auf der er liegt ⬍ durch Sinneseindrücke: Geräusch, Lärm, Gerüche, Tageslicht ⬍ durch Bewegung des erkrankten Teils links oben, rechts unten, bevorzugt rechte Seite, auch links ⬍ morgens und abends, ⬍ nachts Periodizität: täglich, alle 4 Wochen, alle 4 Monate, jeden Winter Fieber mit viel stinkendem Schweiß und Durst ⬍ linke Seite (Skinner) Arzneimittelbeziehungen: Hepar antidotiert: Merc. (Hahnemann) Schwermetallvergiftungen Sil., z. B. wenn falsch angewandt (s. u.) Folgemittel: Sil., z. B. wenn Abszesse nach Eiterungen nicht schnell abheilen
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Hepar sulfuris calcareum ostrearum Ausgewählte Fallbeispiele Mirco – Hufabszess und Druse nach „Missbrauch“ von Silicea 6-jähriger Württemberger Wallach, Besitzerin ist eine 70-jährige Lachesis-Frau, die sowieso ,immer alles besser weiß‘. Sie hat vor einiger Zeit an einem Homöopathie-Kurs teilgenommen, auf dem verkündet wurde, man solle jedem Pferd zur „Verbesserung seiner Kondition“, für „besseres Haarkleid und Hufwachstum“, „überhaupt zur Vorbeuge gegen Krankheiten“ zweimal im Jahr „eine Kur mit Silicea D 12, einmal täglich über 2 Wochen“ verabreichen. Das Ergebnis ist nun eine unklare Lahmheit vorn links, seit mehr als 10 Tagen. Der schulmedizinische Tierarzt hatte bereits ,Entzündungshemmer‘ verabreicht, die aber nur vorübergehend besserten. Deutliche +++-Pulsation der Mittelfußarterie, ein gering erwärmter Huf und Verschlimmerung der Lahmheit auf hartem Boden deuten auf die Diagnose einer Laminitis. Die Untersuchung durch die Hufzange zeigt eine lokal begrenzte Schmerzempfindlichkeit. Mirco bekommt Hepar sulfuris C 200, 1 Gabe, worauf die Lahmheit im Laufe von 10 Tagen langsam besser wird. Ein Nachschneiden lehnt die eigensinnige Besitzerin ab. Sie will fortan nur noch im weichen Hallenboden reiten. 6 Wochen später stellt der Hufschmied beim Ausschneiden für den nächsten Beschlag eine abgekapselte extrem stinkende Eiteransammlung im alten Hufhorn fest, wobei es ihn verwundert, dass das Pferd nicht lahm gehe. Die Besitzerin meint: „Aber es geht doch Mirco jetzt gut, nachdem der Dreck raus ist!“ 3 Jahre später stellt sie mir Mirco aufs Neue vor, er sei so matt und habe „dicke Lymphen“. Die Kehlgangslymphknoten sind beiderseits schmerzhaft geschwollen und berührungsempfindlich, das sonst so friedliche, brave Pferd wehrt sich massiv gegen die Untersuchung. Körpertemperatur 38,8⬚, kein Husten. Ihr zweites Pferd, ein 24-jähriger Wallach, leidet unter denselben Symptomen. Beide Pferde stehen in einem gut gepflegten Reitstall, aber nicht in nebeneinander liegenden Boxen.
Mirco und der Senior bekommen beide Hepar sulfuris C 200, worauf sich die Kehlgangslymphknoten eröffnen und einen stinkenden Eiter absondern. Nach Abheilen der Abszesse geht es 1 Woche später beiden Pferden wieder gut. Ein durch die Besitzerin zusätzlich zugezogener, schulmedizinisch orientierter Stalltierarzt diagnostiziert bei beiden Pferden „Druse“, obwohl kein anderes Pferd im Stall unter ähnlichen Krankheitserscheinungen leidet, nicht einmal die BoxenNachbarn. Die Besitzerin meint dazu: „Es ist doch gut, wenn durch Silicea der Dreck rauskommt! Das habe ich so gelernt!“ Leider wird noch immer solch ein homöopathischer Unsinn durch Laien oder unzulängliche ,Homöopathen‘ verbreitet, die keine, eine falsche oder unzureichende homöopathische Ausbildung genossen haben! Es gibt zahllose Beispiele von falscher Verabreichung von Silicea! Die Symptome durch eine in dieser Weise ,gestörte Lebenskraft‘ treten allerdings meist nicht unmittelbar im Gefolge einer solchen ,Kur‘ auf, sondern lassen oft 2 – 4 Monate auf sich warten, sodass weder Tierärzte noch Besitzer den Zusammenhang zu der verabreichten Silicea herstellen. Jede Therapie – auch die homöopathische – hat ihre Gesetze! Wenn sie nicht beachtet werden, folgen entsprechende Reaktionen. Das ist mit falsch dosierten schulmedizinischen Präparaten nicht anders.
Boxerwelpe – pflaumengroßer Abszess 1983: Ein Boxerwelpe, 1 Woche alt, Scheitel-SteißLänge erst ca. 20 cm, wird in der Praxis vorgestellt wegen eitriger Entzündung des vor 3 Tagen kupierten Schwanzes (damals war es noch üblich, den Boxer-Hunden Ohren und Schwanz zu kupieren). Er ist schlapp, bewegungsunlustig und zeigt keinerlei Sauglust. Die Wunde am Schwanzstummel ist stark gerötet, hochgradig schmerzhaft und berührungsempfindlich. Spontan sondert sich tropfenweise gelblicher Eiter von unangenehmem Geruch aus
Hepar sulfuris calcareum ostrearum der Wunde ab. Auf der rechten Seite des Kreuzbeines, fast schon über dem Hüftgelenk, befindet sich ein im Verhältnis zur Körpergröße mächtiger, reichlich pflaumengroßer, fluktuierender Abszess. Hepar sulfuris C 200 lässt den Welpen am nächsten Tag bereits wieder munter mit seinen Geschwistern herumkrabbeln und er saugt wieder. Der Abszess eröffnet sich wenige Stunden nach der Gabe von Hepar sulfuris, sondert ,ein paar Esslöffel‘ stinkenden Eiters ab und ist binnen weniger Tage abgeheilt, die Schwanzwunde trocken, keine weitere Therapie, keine Antibiotika.
Susi – Pekinesenhündin – Pyodermie Die Pekinesenhündin Susi wird 1984 in der Sprechstunde vorgestellt wegen einer krustigen „Gewebeverhärtung“, wie sich die besorgte Besitzerin ausdrückt, die sie schon ca. 1 Woche beobachte. Außerdem falle ihr schon seit ein paar Wochen ein sehr übler Körpergeruch ihrer Hündin auf.
Susi ist uns von früheren tierärztlichen Behandlungen als disziplinierte, aber nicht aggressionsfreie Lachesis-Patientin bekannt. Jetzt setzt sie der eingehenden Untersuchung recht ungnädigen Widerstand entgegen. Am Übergang der rechten oberen Schulterblattgegend zum Hals findet sich, versteckt zwischen wohlgepflegtem, langem rotem Fell, eine ca. 5 cm große harte Kruste, unter der gelbgrauer, stinkender Eiter hervorquillt. Die erkrankte Hautpartie wird entgegen der heftigen Abwehr der Hündin ausrasiert. Die Epidermis ist hochgradig gerötet und berührungsempfindlich, aber nicht geschwürig verändert; die Körpertemperatur liegt im Normbereich. Zum Trost der Besitzerin wird die unschöne Hautgegend mit Aluspray abgedeckt – was allerdings der Hündin so unangenehm ist, dass sie dabei laut aufschreit. Auch diese Beobachtung passt zum Arzneimittelbild: Luftzug und (Verdunstungs-)Kälte verschlimmern. 1 Dosis Hepar sulfuris C 200 lässt die Pyodermie binnen 1 Woche komplikationslos abheilen, keine andere Therapie.
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190 Hypericum perforatum oder perfoliatum
Hypericum perfoliatum
Johanniskraut
Signatur, Thema und Idee des Mittels Johanniskraut (frz. Mille pertuis, engl. St. John‘s worth) ist jedermann bekannt. Seine leuchtend gelben Blüten erstrahlen um ,Johanni‘ in voller Pracht; das ist die Jahreszeit der längsten und intensivsten Sonneneinstrahlung und der kürzesten Nächte. Das Johanniskraut findet sich bevorzugt an Orten, wo der ,ruhende Boden‘ aufgegraben oder frisch umgepflügt, gleichsam frisch verletzt worden ist. Die in Unmengen produzierten Samen können jahrelang ungekeimt im dunklen Erdboden verweilen, treiben aber aus, sobald sie ans Tageslicht gelangen. Die Pflanze wächst dann bevorzugt an lichtreichen Orten, zwischen Steinen oder Schutt von Ruinen. Die Blättchen des Johanniskrautes enthalten winzige helle und dunkle Punkte, die das Blatt wie von Nadelstichen durchbohrt erscheinen lassen; daher leitet sich der Name ,perforatum‘ oder ,perfoliatum‘ ab, der nichts weiter bedeutet als ,durchbohrt‘ bzw. ,durchlöchert‘. Die hellen Punkte in den Blättern des Johanniskrauts enthalten ein ätherisches Öl, die dunklen das rot fluoreszierende Hypericin. Dieser rote Stoff wird auch freigesetzt, wenn man die Blüten zwischen den Fingern zerreibt. Die ,Perforationen‘ des Johanniskrauts symbolisieren im Volksglauben – zusammen mit dem roten Saft der Pflanze – die Wunden der Märtyrer und Stigmatisierten, was man für ,Teufelswerk‘ hielt. Weil nun dem Teufel persönlich die heilsame Wirkung des Johanniskrauts zuwider war, habe er seinerzeit vor lauter Ärger diese Blätter durchlöchert. – Aber nun enthalten gerade diese ,Durchlöcherungen‘ den heilsamen ,roten Saft‘. Penetrierende Wunden an Handflächen oder Fußsohlen sind ein Schlüsselsymptom für den homöopathischen Einsatz von Hypericum (neben Led.). Sicher hätte man das Leiden der in früheren Zeiten Gekreuzigten mit hoch potenziertem Hypericum erleichtern können . . . In der Tierpraxis sind Verletzungen des Therapeuten,
die dringend Hypericum benötigen, gar nicht selten; da gibt es die Hunde- und Katzenbisse (s. u.), da steht uns ein beschlagenes Pferd mit dem Stollen auf dem Zeh oder bei der Untersuchung der Maulhöhle gerät uns ein Finger zwischen die Zähne . . . Das rote Johanniskraut-Öl war schon im Altertum bei Hippokrates bekannt und wurde auch von Paracelsus empfohlen, z. B. für die Therapie von Verletzungen, Verbrennungen, Nervenschmerzen oder Krämpfen. Heute hat sich die Phytotherapie die Anwendung von Hypericum als ,Psychotonicum‘ und ,Stimmungsaufheller‘ zunutze gemacht; es wird eingesetzt, um die ,Winterdepression‘ der lichtarmen Jahreszeit zu überwinden. Tiere, die frisches Johanniskraut im Übermaß zu sich nehmen, erleiden keine Nachteile, solange sie sich im Dunkeln aufhalten. Wenn sie aber intensiver Sonneneinstrahlung, insbesondere an wenig pigmentierten Körperstellen, ausgesetzt sind, wird ,das Licht zum Gift‘, d. h. sie können infolge von Photosensibilität an schweren Verbrennungen und nervösen Störungen bis hin zu zentralnervösen Krämpfen erkranken. Die enge Beziehung des Johanniskrauts zum Licht deutet den Bezug zum Nerven-Sinnes-System an, was z. B. auch im Arzneimittelbild von Phos. zum Ausdruck kommt. Wer am ,nervenreichen Gewebe‘ intensive Verletzungen erleidet (z. B. Finger- und Zehenspitzen, Hirnerschütterung, Rückenmarkverletzungen o. Ä.), der ist im Moment keiner anderen Empfindung fähig als ausschließlich der eines überwältigenden Schmerzes. Umso wohltuender ist das Wahrnehmen der einsetzenden Wirkung eines hoch potenzierten Hypericums, wenn sich dieser ,totale Schmerz‘ innerhalb weniger Minuten wie eine dunkle Wolke entfernt. Dann beantwortet man diese ,Bewusstseinsaufhellung‘ mit einem aufatmenden „Aah!“ und beginnt sich wieder als Mensch zu fühlen.
Hypericum perfoliatum Thema und Idee: Verletzungen – und deren Folgen – von Nerven und nervenreichem Ge-
webe, überwältigende Schmerzen bis hin zu Krämpfen und Tetanus.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Hypericum gilt als ,Arnica für die Nerven‘, ist das Hauptmittel für ,Verletzungen von Nerven und nervenreichem Gewebe‘. Dazu gehören insbesondere Zentralnervensystem, Sinnesorgane, Gliedmaßenspitzen und Genitalien sowie alle peripheren Nerven. Weiterhin kann Hypericum grundsätzlich bei jeder unverhältnismäßig schmerzhaften Verletzung – gleichgültig welcher Genese und Lokalisation – indiziert sein. Hypericum wirkt dabei besser, schneller und intensiver als jedes Schmerzmittel, kann u. U. sogar intensiver lindern als Morphin-Präparate. Hypericum ist eines der wichtigsten und häufigsten Trauma-Mittel in der täglichen Praxis! Es lindert nicht nur Schmerzen, sondern kann wie die anderen Trauma-Mittel eine schnelle Restitution ermöglichen. Daher ist es ein Mittel, das meist im allgemeinen TraumaGeschehen „untergeht“ und dessen Wirkung vom Homöopathen als selbstverständlich übergangen wird. Ebenso erfordert jede traumatisch bedingte Lähmung (peripherer Nerven oder ausgehend vom Rückenmark) zunächst Hypericum, sofern nicht wesentliche Modalitäten ein anderes Mittel indiziert erscheinen lassen (z. B. Nux-v., Arn., Rhus-t., Con.). Die Hypericum-Schmerzen verletzter Teile, insbesondere im distalen Bereich der Extremitäten, haben die Eigenart, dass sie sich entlang der Nervenbahnen weiterentwickeln (,aszendierende Neuritis‘) und schließlich zentralnervöse Krämpfe auslösen können: Trismus, Konvulsionen (Tetanus) mit ruckartigem Werfen des Kopfes nach hinten (Opisthotonus) und tonischen Streckkrämpfen der Vorderextremitäten. Ohne Hypericum – wenigstens in der XM-Potenz verabreicht – gilt dieser Zustand als infaust (Geukens).
Übrigens soll Hypericum – neben Led. – die beste Tetanus-Prophylaxe sein (Arn., Led., Phys., Tetox, Thuj.). Das soll aber nicht heißen, dass ab sofort auf die Tetanus-Impfung, insbesondere beim Pferd, verzichtet werden kann! Hypericum steht mit in der ersten Phalanx der ,Trauma-Mittel‘. Akute Verletzungen gehören zu den wenigen Gelegenheiten in der Homöopathie, während der mehrere Mittel auch in hoher Potenz in bestimmter Abfolge innerhalb kurzer Zeit indiziert sein können. In der Humanhomöopathie gibt es gemäß den Äußerungen des Patienten die Möglichkeit, die Indikation dieser Mittel klar nach ihren Symptomen festzustellen. Beim Tier fehlen die Angaben über die Modalitäten der Empfindung, wie z. B. Richtung, Art und Entwicklung von Schmerzen bzw. Beschwerden. Umso wichtiger ist es, die Symptome und Indikationen der Trauma-Mittel zu kennen. Beim Tier ist es z. B. kaum möglich, nach einer Hirnerschütterung (z. B. Verkehrsunfall) Hypericum und Arnica zu differenzieren. Sofern keine Blutungen an inneren Organen vorliegen (das würde Arn. zunächst ausschließen), sind Hypericum und Arn. jeweils in XM-Potenz im Abstand von wenigen Minuten zu geben (welches zuerst, entscheidet evtl. der Fall); das hat schon manchem UnfallPatienten das Leben gerettet. In schweren Fällen muss – unter Berücksichtigung der Entwicklung der Symptomatik – sogar eine so hohe Potenz wiederholt werden. Dagegen wirkt eine Gabe der C 30 in solchen Fällen wie ein „Tropfen auf den heißen Stein“ oder gar nicht.
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Hypericum perfoliatum Thema und Idee: Verletzungen – und deren Folgen – von Nerven und nervenreichem Ge-
webe, überwältigende Schmerzen bis hin zu Krämpfen und Tetanus.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Hypericum gilt als ,Arnica für die Nerven‘, ist das Hauptmittel für ,Verletzungen von Nerven und nervenreichem Gewebe‘. Dazu gehören insbesondere Zentralnervensystem, Sinnesorgane, Gliedmaßenspitzen und Genitalien sowie alle peripheren Nerven. Weiterhin kann Hypericum grundsätzlich bei jeder unverhältnismäßig schmerzhaften Verletzung – gleichgültig welcher Genese und Lokalisation – indiziert sein. Hypericum wirkt dabei besser, schneller und intensiver als jedes Schmerzmittel, kann u. U. sogar intensiver lindern als Morphin-Präparate. Hypericum ist eines der wichtigsten und häufigsten Trauma-Mittel in der täglichen Praxis! Es lindert nicht nur Schmerzen, sondern kann wie die anderen Trauma-Mittel eine schnelle Restitution ermöglichen. Daher ist es ein Mittel, das meist im allgemeinen TraumaGeschehen „untergeht“ und dessen Wirkung vom Homöopathen als selbstverständlich übergangen wird. Ebenso erfordert jede traumatisch bedingte Lähmung (peripherer Nerven oder ausgehend vom Rückenmark) zunächst Hypericum, sofern nicht wesentliche Modalitäten ein anderes Mittel indiziert erscheinen lassen (z. B. Nux-v., Arn., Rhus-t., Con.). Die Hypericum-Schmerzen verletzter Teile, insbesondere im distalen Bereich der Extremitäten, haben die Eigenart, dass sie sich entlang der Nervenbahnen weiterentwickeln (,aszendierende Neuritis‘) und schließlich zentralnervöse Krämpfe auslösen können: Trismus, Konvulsionen (Tetanus) mit ruckartigem Werfen des Kopfes nach hinten (Opisthotonus) und tonischen Streckkrämpfen der Vorderextremitäten. Ohne Hypericum – wenigstens in der XM-Potenz verabreicht – gilt dieser Zustand als infaust (Geukens).
Übrigens soll Hypericum – neben Led. – die beste Tetanus-Prophylaxe sein (Arn., Led., Phys., Tetox, Thuj.). Das soll aber nicht heißen, dass ab sofort auf die Tetanus-Impfung, insbesondere beim Pferd, verzichtet werden kann! Hypericum steht mit in der ersten Phalanx der ,Trauma-Mittel‘. Akute Verletzungen gehören zu den wenigen Gelegenheiten in der Homöopathie, während der mehrere Mittel auch in hoher Potenz in bestimmter Abfolge innerhalb kurzer Zeit indiziert sein können. In der Humanhomöopathie gibt es gemäß den Äußerungen des Patienten die Möglichkeit, die Indikation dieser Mittel klar nach ihren Symptomen festzustellen. Beim Tier fehlen die Angaben über die Modalitäten der Empfindung, wie z. B. Richtung, Art und Entwicklung von Schmerzen bzw. Beschwerden. Umso wichtiger ist es, die Symptome und Indikationen der Trauma-Mittel zu kennen. Beim Tier ist es z. B. kaum möglich, nach einer Hirnerschütterung (z. B. Verkehrsunfall) Hypericum und Arnica zu differenzieren. Sofern keine Blutungen an inneren Organen vorliegen (das würde Arn. zunächst ausschließen), sind Hypericum und Arn. jeweils in XM-Potenz im Abstand von wenigen Minuten zu geben (welches zuerst, entscheidet evtl. der Fall); das hat schon manchem UnfallPatienten das Leben gerettet. In schweren Fällen muss – unter Berücksichtigung der Entwicklung der Symptomatik – sogar eine so hohe Potenz wiederholt werden. Dagegen wirkt eine Gabe der C 30 in solchen Fällen wie ein „Tropfen auf den heißen Stein“ oder gar nicht.
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Hypericum perfoliatum geltritt; mit Lazeration (einziges Mittel); danach evtl. Konvulsionen tonisch oder mit tetanischer Steifheit (Tetanus); schmerzhaftes Panaritium schlaffe oder spastische Lähmungen der Gliedmaßen nach Trauma; evtl. mit Zittern der Extremitäten; evtl. mit Kälte der Extremitäten Pferd: Hauptmittel für den Nageltritt (Led.); Hauptmittel für Verletzungen des Kronsaums; dadurch unbeeinträchtigtes Nachwachsen des Hufhorns, ohne Deformitäten Hund, Katze: Hauptmittel für Verletzungen der Krallen, ausgerissene Krallen Weitere Lokalisationen: schmerzhafte Verletzungen von Gesicht, Auge, Zunge, Nase, Zähnen, Genital übermäßige Schmerzen nach Zahnextraktionen Schmerzen nach Rippenfrakturen (Bry.) Schmerzen nach Verletzung der Mamma, ⬍ Bewegung (Arn., Bell-p.) Harnverhaltung nach der Geburt, nach Beckenoperation, Blasenkrämpfe nach Operation Harnröhrenspasmen nach Steinentfernung oder Operation Amputationsneuralgien (All-c. u. a.) traumatische Orchitis Schmerzen nach Ovarektomie, Hysterektomie, Laparotomie Schmerzen, Beschwerden nach Schwergeburt, nach Geburtshilfe! Kuh: Mit Hypericum kann neben Arn. ein wesentlicher Faktor für das ,Festliegen‘ und andere postpartale Probleme ausgeschaltet werden!
Schmerzen: schießen plötzlich ein, blitzartig, und lassen langsam nach oder quälende Dauerschmerzen ausstrahlende Schmerzen, evtl. entlang der Nervenbahnen (Neuritis) wandernde Schmerzen, auch Gelenkschmerzen Wunden: übermäßig schmerzhafte Wunden, Verletzungen Entzündung von Wunden, Entzündungen nach Operationen klaffende Wunden (Calend.) Schnittwunden mit übermäßigen Schmerzen (Staph. u. a. Mittel) schmerzhafte Wunden mit Caro luxurians (u. a.) Stichwunden (u. a.), Schussverletzungen (u. a.) Lazerationen (zerrissene Wunden) (u. a.) Perforationswunden, Durchbohren von Extremitätenspitzen, Gelenken, Sehnenscheiden Wunden durch Splitter Haut: schmerzhafte Narben Gangrän nach Verletzungen, nach Verbrennungen (u. a.) Photosensibilität (im Arzneimittelbild sonderbarerweise ein untergeordnetes Symptom, im Repertorium findet sich Hypericum nicht einmal in der Rubrik ,Sonnenbrand‘!) Begleitsymptome: evtl. sehr schneller Puls, besonders abends und nach Mitternacht evtl. Zittern evtl. heißes Gesicht
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Sturz, Schlag, Unfall, Verletzung Folgen von Kopfverletzungen, nach Schädelbruch, Wirbelsäulen-Trauma Beschwerden nach Lumbalpunktion, Operationen an der Wirbelsäule Operationen mit unverhältnismäßigen, nicht erklärbaren Folgeschmerzen Augenverletzungen, erweiterte Pupillen Folgen von Verbrennungen (Ars., Canth., Caust.) Folgen von Überanstrengung von Muskeln, Überheben (u. a.) Schwäche nach Operation (Acet-ac., Carb-v., Stront.)
Schmerzen, Lähmung nach Injektion, wenn ein Nerv getroffen wurde Modalitäten: ⬍ nachmittags und ⬍ abends ⬎ durch Ausstrecken verletzter Teile ⬎ durch kalte Umschläge ⬍ Kälte, Kaltwerden, ⬍ durch Nebel-Wetter ⬍ durch Berührung ⬍ im warmen Raum Ob mit Hypericum tatsächlich eine manifeste Tetanus-Infektion geheilt werden kann, erscheint fraglich. C. Hering nennt in diesem Zusammenhang neben Hyp. noch Acon., Bell., Bry., Chin., Ign., Merc., Nux-v., Sec., Verat.
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Hypericum perfoliatum Hinzugefügt sei als eine Ultima Ratio bei manifester Tetanus-Infektion das möglichst hoch potenzierte Tetanotoxin oder Strychninum nitricum.
Ausgewählte Fallbeispiele Paraplegie bei einem Hasen Am 30.12.1995 wird mir von einem weinenden 12jährigen Mädchen eine 3 Jahre alte schwarz-weißgefleckte Stallhäsin vorgestellt. Mutter und Tochter kommen gerade von einem anderen Tierarzt, der zum Einschläfern des gelähmten Tieres geraten hatte. Das Mädchen berichtet: „Ich habe Mucki am 20. Dezember morgens mit gelähmten Hinterfüßen in ihrem Hasenstall gefunden. Ich habe keine Ahnung, was passiert sein könnte. Wie waren dann bei dem Tierarzt, von dem ich gerade komme.“ Die Mutter – als frühere Arzthelferin weiß sie ein wenig Bescheid – erklärt, Mucki sei ohne den geringsten Erfolg mit Kortikoiden und B-Vitaminen behandelt worden. Eine Röntgendiagnose wurde nicht erstellt. Die Untersuchung des Tieres ergibt eine schlaffe, schmerzlose Lähmung beider Hinterfüße. Das Allgemeinbefinden ist ungetrübt. Die Häsin bewegt sich offensichtlich ohne Schmerzen mithilfe der Vorderbeine vorwärts; die hinteren Extremitäten werden nachgeschleift. Bei Palpation der Wirbelsäule ist keine Schmerzreaktion festzustellen. Der rechte Hinterfuß reagiert auf Nadelstiche mit Akupunkturnadeln überhaupt nicht, der linke scheint eine minimale Abwehr anzudeuten. Futter- und Wasseraufnahme sowie Kot- und Urinabsatz sind normal. Da mit größter Wahrscheinlichkeit ein Trauma als Ursache vorliegt, bekommt der Hase – allerdings mit wenig Hoffnung – Arnika C 200 und einige Stunden später Hypericum C 200 in Wasser gelöst als einmalige Gabe per os. Ich rate den Besitzern, eine Röntgenaufnahme erstellen zu lassen, was sie jedoch aus Kostengründen ablehnen. In den nächsten Tagen ist weder eine Besserung noch eine weitere Verschlechterung der Lähmung zu beobachten.
Am 11. Januar 1996 wird die Häsin wieder vorgestellt: Der neurologische Befund ist unverändert. An Hinterfüßen und Bauch sind großflächige Dekubitus-Wunden entstanden. Jetzt rate auch ich dem Mädchen zum Einschläfern des Tieres. Aber die Besitzerin will unbedingt, dass wir es „noch mal versuchen“. Das Häschen bekommt Hypericum XM per os, das die Besitzerin noch zweimal im Abstand von je 1 Woche wiederholen soll – mit der Auflage, die Wunden mit Calendula-Salbe und äußerster Sauberkeit zu pflegen. Vier Wochen später (um den 10. Februar, also ca. 7 Wochen nach dem ursprünglichen Trauma) kommt ein überraschender Anruf, das Häschen sei gesund und könne wieder wie in besten Zeiten herumhoppeln! Nach jeder Gabe Hypericum seien die Hinterbeine beweglicher geworden, und am 3. Tag nach der letzten Gabe sei es wieder richtig gesprungen. Die Besitzerin ist glücklich; Mucki geht es bis heute gut, Lähmungserscheinungen sind nicht mehr vorhanden. Der häufigen Wiederholung der XM-Potenz liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Heilimpuls durch die homöopathische Arznei im Falle eines derart schwerwiegenden Krankheitsgeschehens offenbar schneller „verbraucht“ ist als bei einer „konstitutionellen“ Behandlung. In jedem Fall einer Paraplegie – ausgenommen infauste Röntgenbefunde – sollte noch ein Versuch mit Hypericum unternommen werden; möglicherweise sind solche Lähmungen auch nach längerem Bestehen wenigstens zum Teil reversibel. Anschließend an die Gabe von Hypericum können sich Symptome entwickeln, die ein ,Folgemittel‘ anzeigen, möglicherweise in erster Linie Phos. o. a.
Ignatia amara
Ignatiaamara
Bittere Fiebernuss
Signatur, Thema und Idee des Mittels Die Ignatia – St. Ignatiusbohne, Faba Sancti Ignatii, Nux pepita, Strychnos Ignatii – ist eine attraktive, haltlose Kletterpflanze aus Ostindien, die ähnlich Spalierobst mit paarweise angeordneten, holzigen Ästen an Stützen entlang rankt. Ihre traubenartigen Blüten duften betörend und haben eine ähnlich benebelnde Wirkung wie die von Gelsemium. Ihre orange Frucht enthält die 2 – 3 cm großen unregelmäßigen Samen, die Ende des 17. Jahrhunderts von Ignatius von Loyola nach Europa importiert wurden. Diese Samen trugen seinerzeit die Eingeborenen als Amulett um den Hals, weil man ihnen eine heilsame Wirkung gegen alle Krankheiten nachsagte – sonderbarer Weise sollen sie auch verhängnisvollen Liebeszauber lösen können. Heute werden die Ignatia-Samen einzig in der Homöopathie medizinisch genutzt. Die Inhaltsstoffe der Ignatiusbohne sind identisch mit denen der Frucht des Nux-vomica-Baumes, Ignatia enthält jedoch etwa ein Drittel mehr Strychnin gegenüber Brucin; in der Nux vomica sind beide zu ungefähr gleichen Teilen enthalten. Beide haben mit der Reflexausbreitung über neuronale Synapsen im Rückenmark zu tun. Die sensible Ignatia-Patientin leidet unter übermäßiger emotioneller Reizaufnahme, sie hat kein Ziel, sie braucht wie der Ignatia-Baum einen Halt, den sie am besten in sozialen Bindungen findet. Dort ist sie übermäßig empfänglich für die kleinsten Unpässlichkeiten, sie leidet nur allzu leicht unter emotionellem Stress, sie weiß eigentlich gar nicht so recht, was und wohin sie will. Sie kann ihre Eindrücke weder beantworten noch verarbeiten, gerät außer Fassung, verliert im emotionellen Chaos die Orientierung. Ignatias Rezeption und Reaktion auf emotionelle Reize sind unkoordiniert und übersteigert.
Ihr Ziel ist eigentlich soziale Integration, Liebe und Sicherheit. Aber realisiert sie das? Oder überreagiert sie? Der Ignatia-Baum verliert – ohne am Spalier festgebunden zu sein, Halt und Kontrolle über seine Ranken, die Ignatia-Patientin die Koordination ihrer Gedankenrichtungen im überwältigenden Chaos ihres Innenlebens. Ihre „wunden Punkte“ sind Kummer über enttäuschte soziale Bindungen oder Schockerlebnisse. Sogar die kleinsten emotionalen Verletzungen – eingebildete oder tatsächliche – können überdimensionale Folgen nach sich ziehen (eine Analogie zum Krampfgift Stry.). Mangelnde Integration solcher Eindrücke lässt sie verzweifeln und weinen, sogar angebotene Hilfe kann sie nicht adäquat einordnen. Ignatia wurde ursprünglich eine Wirkung gegen alle Krankheiten nachgesagt; und so kann sie die widersprüchlichsten, ungewöhnlichsten und skurrilsten Symptome somatisieren, die kein rationaler Verstand nachvollziehen kann und die bei uns nur ungläubiges Kopfschütteln auslösen. Nicht umsonst heißt es, eine ertrunkene Ignatia solle man stromaufwärts suchen gehen. Ignatia-Symptome sind häufig weder in der Arzneimittelprüfung noch im Repertorium zu finden. Wegweisend ist einzig der Ursprung, welche Art Stress welche „widerspruchvollen und abwechselnden Symptome“ ausgelöst und somatisiert hat, und welche Modalitäten bessern oder verschlechtern. Thema und Idee: Die Folgen nicht integrierter emotioneller Eindrücke – besonders im Bereich sozialer Bindungen oder psychischen Schocks – somatisieren sich in ungewöhnlicher Art und Weise.
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Ignatia amara Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Ignatia wurde von Hahnemann selbst geprüft und gehört zu den relativ kurz wirksamen Arzneien, die bei Bedarf nach 6 – 10 Tagen wiederholt werden müssen. Dennoch kann Ignatia überraschende und eindrucksvolle Ergebnisse hervorbringen. Manche Tiere benötigen Ignatia als konstitutionelles Mittel, bis sich ihre emotionelle Überempfindlichkeit stabilisiert hat. Ignatia ist das widersprüchlichste Mittel der Materia Medica Homöopathica. Zugrunde liegt eine übermäßige Sensibilität, Reizbarkeit von Sinnesorganen und Nervensystem. Emotionelle Reize werden nicht adäquat verarbeitet, somatisieren sich stattdessen als psychisch bedingte Krankheiten, Schmerzen, Krämpfe, Lähmungen oder paradoxe Reaktionen – als Folge von ungeregelter Reflextätigkeit. Auch ein Wechsel zwischen körperlichen und psychischen Symptomen kann zum Bild von Ignatia gehören (wie bei Cimic., Lach., Plat. u. a.). Dieses irrationale Somatisieren aller möglichen Beschwerden ist für uns oft so schwer nachzuvollziehen, dass wir nur ungläubig den Kopf schütteln. Wenn wir uns in einer Anamnese dabei ertappen, sollten wir an Ignatia denken! Sogar beim Lesen der Arzneimittelprüfung kann uns das passieren, sodass wir das Realisieren von ungläubigem Kopfschütteln auf diese Weise trainieren können. Wenn wir vor einer Überfülle an sonderlichen, nicht repertorisierbaren Symptomen stehen, sollten wir in erster Linie an Ignatia denken. Ignatia-Patienten sind aber nicht ausschließlich bemitleidenswerte „Mimosen“, sondern können mit ihrer Launenhaftigkeit besonders als Hund andere Familienmitglieder dominieren oder mit ihrer Hysterie regelrecht tyrannisieren. Ein wichtiges Merkmal im Ignatia-Geschehen ist das Sich-Hineinsteigern in ein m. o. w. spastisches Geschehen. Das kann sich auf der Ebene der Atmung mit anfänglichem Seufzen bis zum AsthmaAnfall steigern, wenn es z. B. in der Familie lauten Streit gibt oder wenn z. B. der Hund im Laufe von Erziehungsmaßnahmen gestraft wird. Spastische Reaktionen können manchmal durch minimale Stressfaktoren ausgelöst werden, die für uns nicht nachvollziehbar sind.
Wenn schon beim menschlichen Ignatia-Patienten irrationale, nicht nachvollziehbare Reaktionen vorkommen, so können sie beim Tier noch schwieriger zu rekonstruieren sein. Es ist grundsätzlich wichtig, bei unerklärlichen Verhaltensweisen oder klinischen Symptomen auch an Ignatia zu denken! Es heißt in mancher homöopathischen Literatur, Ignatia sei die weibliche Nux vomica. Natürlich schreibt man in unserer patriarchalischen Gesellschaft die Emotionen eher dem weiblichen Geschlecht zu, und natürlich finden wir in der Humanhomöopathie mehr Frauen und Kinder als Ignatia-Patienten, das schließt aber die Männer keineswegs aus. In der Tierwelt spielt das keine Rolle. Hier kommt Ignatia überwiegend bei sensiblen und zart besaiteten Individuen männlichen und weiblichen Geschlechts vor. Kummer und Schreck sind besonders in der Tierhomöopathie wichtige pathogenetische Faktoren für eine Ignatia-Pathologie. Verlust von Artgenossen oder anderen Mit-Haustieren Kummer über die kurzfristig verreiste Bezugsperson Trennung vom geliebten Besitzer, Tierheimaufenthalt, Stress durch neue Besitzer Trennung zwischen Muttertier und Jungtier Zusammensein mit neuen Haus- oder Artgenossen, die möglicherweise dominieren nicht verarbeitete Schreckerlebnisse, Erziehungsmaßnahmen Kummer und Zurücksetzung über ein neugeborenes Baby der Familie usw. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen mit allen Möglichkeiten, die emotionelle Probleme auslösen können. Im Repertorium steht, Ignatia sei das Mittel für den „frischen Kummer“, Nat-m. das für den „alten Kummer“. Das stimmt nur zum Teil; auch die Natm.-Symptomatik kann durch einen frischen Kummer wieder hervorgebracht werden, und Ignatia kann durchaus für chronische Kummer-Zustände das passende Simile sein. Ferner gibt es außer den genannten noch weitaus mehr „Kummermittel“ mit anderen Modalitäten.
Ignatia amara Es heißt, kein homöopathisches Mittel habe derart widersprüchliche, abwechselnde und scheinbar unerklärliche Symptome wie Ignatia. Das trifft auch auf die Tierhomöopathie zu. Die Symptome können so ungewöhnlich sein, dass man sie nicht im Repertorium findet, alle Symptome sind bei Ignatia möglich. Vielleicht ist das eine grundlegende emotionelle „Fehlschaltung“ des Vegetativums? Zum Beispiel: Es können schwere Krankheitszeichen vorliegen ohne entsprechenden klinischen Befund. totale Schwäche abwechselnd mit fröhlicher Lauffreude
abrupter Stimmungswechsel zwischen Reizbarkeit und Herzlichkeit, Freude und Traurigkeit Fressen ungewöhnlicher Nahrungsmittel, während das normale Futter verweigert wird heftige Ohrenschmerzen ohne Otitis usw. Ignatia ist eines der wichtigsten Komplementärmittel zu Nat-m., Puls. und Sep. Konstitutionelle Patienten von Ars., Calc-c., Lyc., Puls., Sep., Sil., Sulf. können durch emotionellen Stress in akute Zustände kommen, in denen Ignatia indiziert ist.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute und subakute Beschwerden sind die häufigsten Indikationen. chronische Zustände oder konstitutionelle Indikationen Entwicklung: plötzlicher oder langsamer, kaum merklicher Beginn oder chronischer Verlauf Der Auslöser einer Ignatia-Pathologie ist beim Tierpatienten nicht immer nachzuvollziehen oder zu rekonstruieren. häufig akute Zustände von Nat-m.- oder Sep.-Patienten Psychische Auslöser: Kummerfolgen, Eifersucht, Enttäuschung, Kränkung, Demütigung
Schreck auch über vermeintliche Kleinigkeiten anscheinend unsinnige Phobien, „seelische Unordnung“ Symptome: oft scheinbar schwerwiegende Pathologie ohne klinischen Befund Symptome, die der Pathologie widersprechen Wechsel zwischen körperlichen und Verhaltenssymptomen Krampfzustände, Konvulsionen, Chorea, Spasmen aller Organe möglich perverser Appetit bei Magen-Darm-Störungen, Inappetenz oder Heißhunger Lähmung durch Kummer Hautausschläge, Fell- oder Federknabbern, Krallenbeißen durch psychische Auslöser
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten übermäßig sensible bis hysterische Individuen oft überaktive kleine Hunderassen hysterischer Besitzerinnen meist hübsches, elegantes Aussehen, freundlicher Blick häufiger dunkel pigmentiert, aber auch helles Haar sehr wach, nehmen jede Regung wahr (wie Phos.)
meist sensible Jungtiere, weibliche oder kastrierte männliche und übersensible männliche Tiere Spastische Symptome unterschiedlicher Art fallen nicht immer gleich auf den ersten Blick auf und sind auch dem Besitzer nicht immer gegenwärtig, z. B. Seufzen, Spasmen in Atmung oder Verdauungsapparat u. Ä.
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Ignatia amara Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens hypersensible, schnell reagierende, leicht zu beeindruckende Tiere Überempfindlichkeit aller Sinne Beschwerden von Ausgrenzung, Isolation, Verkauf, Ungeliebtsein, Zurücksetzung, Besitzerwechsel launischer Stimmungswechsel, z. B. reaktionslose Apathie abwechselnd mit Übererregbarkeit sehr liebes Familientier – das einzig auf Streit und Stress in der Familie hysterisch reagiert – oder auf Strafe und Ermahnungen Eifersucht zwischen den Tieren eines Besitzers, oder zwischen Besitzerpartnern wechselhaft, widersprüchlich, launisch, hysterisch, vegetativ extrem labil Stimmung nie vorauszusehen, abweisend, ängstlich, böse oder liebenswürdig
– freundlich – plötzlich bissig – fröhlich – total depressiv, hysterisches Schreien beständiges Jammern, Miefen alles unterbrochen von tiefen Seufzern oder Verlangen, tief zu atmen oder schluchzender Atmung sucht beständig Aufmerksamkeit und weist sie dann zurück mitfühlend; bekommt dieselbe Krankheit wie der Besitzer, aber ohne Befund steigert sich in Symptome hinein, Symptome verstärken sich durch ihr Ausleben Abneigung gegen Tabakrauch unsinnige, unverständliche Phobien, z. B. vor Vögeln, harmlosen Fliegen alles besser durch Ablenkung oder anstrengende Bewegung
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Auffallende sonderliche Zustände: schwerwiegende Pathologie ohne klinischen Befund Symptome, die der Pathologie widersprechen Wechsel zwischen körperlichen und Verhaltenssymptomen Schwäche besser durch Anstrengung (Sep., Natm., Ars.) Der ganze Zustand bessert sich durch Ablenkung, lange Spaziergänge, Anstrengung, Rennen. Fieberhafte Erkrankungen durch emotionalen Stress oft ohne klinischen Befund Zentralnervensystem: Konvulsionen durch Aufregung, Schreck, Strafe, Schock, Kummer; bei Jungtieren; während des Zahnwechsels; bei der Geburt, durch Husten, durch Wurmbefall tonisch-klonische Krämpfe Lähmung nach Kummer, Schock, Schreck (u. a. Mittel) Spasmen im Gesicht, Lidkrämpfe (man denkt an eine Augenerkrankung) Atemwege: Überempfindlichkeit gegen Gerüche, z. B. Tabakrauch permanentes Niesen krampfhaftes Gähnen
Husten durch emotionelle Eindrücke wiederholte tiefe Atemzüge, Seufzen permanenter Husten (man denkt an Zwingerhusten), wird schlimmer, je mehr er hustet sich steigernder Krampfhusten bis zum Asthma, Blauwerden der Zunge „Affektasthma“ mit Glottisspasmus und Stridor Pferd: Koppen, plötzlich beginnend Verdauungsapparat: Zungenbiss beim Fressen Spasmen im Ösophagus, Schluckkrämpfe (man denkt an Schlundverstopfung!) Magenbeschwerden ⬎ durch ausgefallenes, schwer oder unverdauliches Futter Dysphagie besser durch Fressen von etwas Festem Übelkeit mit dem Unvermögen zu erbrechen, ineffektives Würgen, ⬍ durch weiteres Würgen Schluckbeschwerden, Ösophagusspasmen besser durch festes Futter, harte Brocken perverser Appetit bei Magen-Darm-Störungen Verlangen nach Unverdaulichem oder Ungewöhnlichem Inappetenz ohne oder mit Abmagerung, durch Kummer Heißhunger durch Kummer u. Ä. Erbrechen, Würgen krampfhaft, auch ohne Erbrechen
Ignatia amara Kolik, Durchfall nach Schreck, Angst, Aufregung Rektumspasmen, Tenesmus nach dem Kot Reflexübererregbarkeit beim rektalen Fiebermessen (wie Nux-v.) Obstipation oder Durchfall durch emotionalen Stress, Reisen Obstipation mit vergeblichem Drang Pferd: plötzliches Koppen (Ösophagusspasmen) bei psychischer Belastung, Schluckauf Harnwege: plötzlicher, zwingender, vermehrter Harndrang mit negativem Urin-Befund Inkontinenz aus psychischen Gründen Besserung aller Beschwerden durch reichlichen Harnabgang Genital: vermehrter oder verminderter Sex-Drang unerklärliches Sexualverhalten, unklare Deckbereitschaft („Will sie oder will sie nicht?“) Zyklus fehlt durch Kummer
launisches bis aggressives Wesen während der Brunst Milch schwindet durch Kummer Scheinschwangerschaft mit hysterischen oder spastischen Beschwerden unkoordinierte Wehen oder Wehenschwäche mit hysterischem, widersprüchlichem Verhalten Bewegungsapparat: Neuralgien, Krämpfe wandernde Lahmheiten, Lumbago Lähmung durch Kummer Haut: Knabbern und Kratzen durch psychisch bedingte Übersprungshandlungen Juckreiz bis zum Hautausschlag durch psychischen Stress Pfotenekzeme durch Lecken („Daumenlutschen“, „Nägelbeißen“) Hautausschläge aufgrund psychischer Traumen
Auslöser und Modalitäten Modalitäten: Besserung aller Symptome durch körperliche Anstrengung kann unermüdlich rennen (DD Nat-m., Sep., Ars.), auch bei scheinbar schwerer Krankheit ⬍ durch Tabakgeruch u. a. starke Gerüche ⬍ durch jede Art von psychischer Erregung ⬎ durch Druck (Bry.) ⬎ durch Wärme ⬎ oder ⬍ durch Zuwendung Auslöser: übermäßige Sensibilität auf Sinnesreize und Emotionen: Folgen von Kummer durch schwerwiegenden oder unbedeutenden Anlass Folgen von Trennung geliebter Tiere oder menschlicher Bezugspersonen Liebeskummer, Stress durch Brunst einer „Freundin“ Stress während der Brunst ohne „geliebten Partner“
Beschwerden durch Kränkung, Demütigung, dominante Familienmitglieder Beschwerden durch Schimpfe, Erziehungsmaßnahmen, Streit oder Trennung der Besitzer Beschwerden durch neugeborenes Baby oder neues Haustier, Eifersucht Beschwerden durch Schreck, Unfall, psychischen Schock Beschwerden durch übermäßigen Eu-Stress, angenehme Erwartung (Coff.) Beschwerden durch Konflikt zwischen zwei Besitzern, sie sich in ihrer Haltung zum Tier widersprechen Beschwerden durch Reisen, Ortswechsel, Umzug, Tierheimaufenthalt Beschwerden durch Heimweh, neue Wohnung
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Ignatia amara Ausgewählte Fallbeispiele Yorkshire-Hündin Kessy – Würgen und Erbrechen beim Autofahren November 1998: Kessy kommt mit ihrer modisch aufgepeppten ca. 50-jährigen Besitzerin. Diese erklärt in heftigem Wortschwall die Geschichte ihrer 2-jährigen Yorkshire-Hündin: „Wissen Sie, ich habe meine süße Kessy nun seit mehr als 1 1/2 Jahren. Ich bin sehr viel beruflich mit dem Auto unterwegs und nehme sie immer mit.“ Kessy hat sich von ihrem Arm losgestrampelt und untersucht nun hektisch die Praxis: Sie rennt hin und her, schüttelt sich, begrüßt mich freundlich, schaut hierhin und dorthin, bis die Besitzerin plötzlich laut und heftig ruft: „Kessy, jetzt komm endlich hierher!“ Kessy zuckt zusammen und nimmt neben ihr auf dem Boden Platz. „Ja, und jetzt geht das alles nicht mehr, Kessy hat vor ungefähr 3 Monaten angefangen im Auto zu würgen und dann zu kotzen. Das hat sie früher nie gemacht. Wir waren schon bei einem anderen Tierarzt, der gab mir Tropfen. Aber davon wurde Kessy so depressiv und hat dann auch zu Hause gekotzt. Sie hat sogar schon abgenommen!“ Kessy ist eigentlich in sehr gutem Ernährungszustand, das Fell glänzt. Sie sitzt freundlich wedelnd auf dem Untersuchungstisch. Die klinische Untersuchung bringt keinen Befund. Dann rennt sie wieder in der Praxis umher. Sie lässt sich von mir zum Spielen und Bellen animieren. Haben sie denn irgendeinen Anhaltspunkt, was das Erbrechen ausgelöst haben könnte? – „Nein, keinen.“ Wann ist denn das letzte Mal geimpft worden? – „Vor einem dreiviertel Jahr, aber da war alles noch gut.“ Was war denn vor 3 Monaten, da war es August? – „Da war ich mit Kessy im Urlaub in Österreich! Auf der Hinfahrt war alles noch gut, auf der Rückfahrt hatte sie schon das Würgen, aber noch nicht das Kotzen.“ Und an ihrem Urlaubsort, ist dort etwas Besonderes geschehen? – „Nein, ich sag ‘s doch!“ Erinnern Sie sich, wann Kessy das erste Mal erbrochen hat, war das im Auto oder schon vorher? – „Nein, das war auf einer Ausflugsfahrt im Auto.“ Was war da los, hatte sie sich irgendwie den Magen verdorben, etwas Schlechtes gefressen? – „Nein, um
Gottes Willen, Kessy bekommt nur das Beste, da passe ich immer auf!“ Wie erbricht Kessy, gleich nach dem Einsteigen ins Auto oder wenn Sie schon ein Stück gefahren sind, oder auf einer kurvenreichen Strecke? – „Ach, Sie stellen aber auch Fragen! Kessy springt also ins Auto, sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz. Früher hat sie immer aus dem Fenster geschaut, das tut sie jetzt nicht mehr. Jetzt liegt sie zusammengerollt mit dem Kopf zur Lehne, als ob sie beleidigt wäre, hat aber keinen Grund dafür. Wenn ich anfahre, macht sie schon so komische Bewegungen mit dem Hals wie so ein Huhn und schluckt. Dann steht sie auf, geht in den Fußraum und beginnt zu würgen, das steigert sich dann immer mehr. Wenn ich anhalte und sie raus lasse, dann ist plötzlich alles gut und sie rennt fröhlich herum. Wenn wir wieder einsteigen und weiterfahren, geht das gleich wieder los. Das Kotzen kam erst seit diesen Tropfen vom Tierarzt, die haben alles verschlimmert.“ Und wenn sie jetzt gekotzt hat, geht es ihr dann anschließend wieder besser? – „Nein, sie liegt dann eine Weile still im Fußraum und macht weiter diese Würgebewegungen. Aber sie macht dabei keinen kranken Eindruck! Wenn ich daran denke, wie es mir geht, wenn ich mal kotzen muss!“ Also zurück zu ihrem Ausflug im Urlaub in Österreich: Sind sie dort viele Kurven gefahren? – „Ja wie das so in den Bergen ist. Einmal wäre ich beinahe mit einem Kleinbus zusammengerasselt. Ohne meine Geistesgegenwart hätte es Tote gegeben. Ich konnte gerade noch bremsen, es gab nicht mal einen Blechschaden.“ Und wie hat Kessy darauf reagiert? – „Sie war völlig verstört. Sie wurde vom Beifahrersitz gegen das Handschuhfach geschleudert und hockte dann schlotternd am ganzen Leibe im Fußraum. Gott sei Dank ist ihr nichts passiert. Draußen rannte sie dann kopflos umher. Ich habe sie dann die ganze Zeit auf dem Arm gehabt. Für die Rückfahrt wollte sie gar nicht ins Auto einsteigen und hat immer noch gezittert. Ich glaube, seitdem hat sie dieses Würgen.“ Hat sich seitdem sonst noch etwas an ihrem Verhalten geändert, ist sie vielleicht ängstlicher geworden? – „Nein, Sie sehen doch, es geht Kessy sehr gut! Angst kennt sie nicht. Sie greift sogar größere Hunde an, wenn die unverschämt zu ihr werden!“
Ignatia amara Wenn sie mit dem Auto anhalten, während Kessy würgt, bevor Sie miteinander aussteigen – was macht Kessy dann? – „Darauf habe ich noch nicht geachtet, aber ich glaube, sie macht weiter diese Bewegungen wie ein Huhn.“
Mittelwahl Gemüt, Beschwerden durch Schreck Magen, Würgen ineffektiv Allgemeines, Fahren im Wagen verschlechtert Nach diesen beiden Rubriken kommen noch 13 Mittel infrage. Diese Kopfbewegung „wie ein Huhn“ kann man als Spasmen im Bereich des Ösophagus deuten. Es handelt sich nach dieser Beschreibung wahrscheinlich um ein neurotisches Geschehen. Eigent-
lich würde man erwarten, dass Kessy nicht mehr freiwillig ins Auto einsteigt, ferner überrascht es, dass die Übelkeit offensichtlich augenblicklich ohne Folgen vorüber ist, wenn sie aus dem Auto ausgestiegen ist – ein unerwartetes, widersprüchliches Symptom. Nun kommen nach Elimination noch Arn., Ars., Bell., Bry., Ign., Puls. und Rhus-t. infrage. Am besten passt jedoch zu dieser quicklebendigen, sensiblen Hündin mit ihrem sonderbaren, krampfartigen Symptom – und ihrem Kontakt zu ihrer überkandidelten Besitzerin – die Ignatia. Kessy bekommt eine Prise von ca. 5 Globuli Ignatia XM per os. Bereits auf der Heimfahrt und in der Folgezeit sei kein Würgen oder Erbrechen mehr aufgetreten.
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202 Kalium carbonicum
Kalium carbonicum
Pottasche
Signatur, Thema und Idee des Mittels Kalium ist – wie alle Alkali-Metalle – ein äußerst reaktionsfreudiges Element und kann zahlreiche Verbindungen eingehen. In der Homöopathie sind ca. 40 Kalium-Mittel bekannt, aber nur wenige davon gut geprüft. Kalium carbonat wird in der alten niederdeutschen Nomenklatur als Pottasche bezeichnet. Diese wurde durch Auslaugen von Pflanzenasche mit anschließendem Eindampfen in Topfgefäßen (Topf, ndt. Pott, daher ,Pötten‘) als farblose, kristalline Substanz gewonnen und ist das Endprodukt, das nach Zerstörung der lebendigen Pflanze übrig bleibt. Im homöopathischen Arzneimittelbild gilt Kalic. bevorzugt als Arznei für Patienten mit nachlassender Lebenskraft, für reaktionsschwache oder alte Patienten – am Ende ihrer Reaktionsfähigkeit. Der Prozess des Verdampfens hat einen Bezug zur Luft, im körperlichen Bereich zu den Atemwegen: Kali-c. ist eine wichtige Arznei für fortgeschrittene Erkrankungen der Atemwege mit beginnenden oder bereits eingetretenen organischen Schäden an der Lunge. Beim Veraschen bleiben anorganische Substanzen übrig; analog dazu kann man die Funktion der Nieren ansehen. Kalium-Ionen sind essenziell für den Quellungszustand im Pflanzenprotoplasma und für die Photosynthese. Darum verwendet man Kalium im Pflanzenanbau als Düngemittel. Im Arzneimittelbild finden sich zahlreiche Indikationen für Erkrankungen der Harnwege, meist verbunden mit Wasserretention und Ödemen, die sich im Gesicht, an Extremitäten, als Aszites oder Hydrothorax äußern können. Veraschen bezeichnet ferner einen Erstarrungsprozess. Übrigens findet Kali-c. auch Verwendung zur Fixierung histologischer Präparate. Der Kalium-carbonicum-Patient ist in seiner Lebensführung starr und rigide, i. d. R. fixiert auf stabile Gewohnheiten, z. B. auf einen festgelegten
Tagesablauf, Spaziergang, Ruhe- und Essenszeiten, er kann sich mangels Flexibilität nur schwer an Neuerungen anpassen, kann mit seinem launischkonservativen Charakter eine behindernde Last für die Familie sein. Kalium-Präparate, z. B. Kalilauge, haben die Eigenschaft, durch ihre ätzende Wirkung tief ins Gewebe eindringen zu können. Die Absonderungen des Kali-c.-Patienten aus erkrankten Schleimhäuten sind i. d. R. scharf und ätzend. Kalium gilt als gesteinsbildendes Mineral und kommt durch Verwitterung und Auslaugen des Bodens in Form verschiedener Salze vor, z. B. als ,Abraumsalz‘ über Salzlagerstätten. Auch in diesem Zusammenhang tritt der Bezug zum Endstadium eines dynamischen Vorgangs in Erscheinung und wird auch in der homöopathischen Medizin meist in diesem Sinn für fortgeschrittene pathologische Zustände mit häufig bereits eingetretenen Organschäden eingesetzt. Im tierischen und menschlichen Organismus kommen 96% des Kaliums innerhalb der Zellen vor und sind dort nur schwierig nachzuweisen, ebenso wie mitunter die Kalium-Symptomatik beim Patienten nicht leicht zu eruieren ist. Die Hauptaufgabe von Kalium-Ionen im Stoffwechsel besteht in der Regulation des Fließgleichgewichts im Säure-Basen-Haushalt, die mit zu den lebenserhaltenden Funktionen des Organismus gehört. Kalium-Mangelzustände können nur durch schwere Mineralstoffimbalancen ausgelöst werden (z. B. durch langfristigen Einsatz von Diuretika); allein durch Mangel- oder Fehlernährung kann kein Kalium-Mangel provoziert werden kann. Das Natrium-Kalium-Fließgleichgewicht spielt eine wesentliche Rolle für die Erregungsbildung und Erregungsleitung im Nervengewebe. Kalium liefert hier die Energie für Ionenverschiebungen, die entgegen dem osmotischen Gefälle ablaufen, ist daher insbesondere für die ,Erholungsphase‘ nach abgelaufenen Erregungspotenzialen und für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus zuständig. Das homöopathische Kali-c. ist ein wichtiges Heilmittel für Rekonvaleszenz nach erschöpfen-
Kalium carbonicum den Erkrankungen, z. B. Herzmuskelinsuffizienz und -degeneration oder fehlende Regeneration nach schweren Krankheiten oder Schwergeburten. Auch die Erholung durch den Schlaf gehört in den Problembereich von Kalium-Patienten: Die Verschlimmerungszeit liegt nach Mitternacht, zwischen 2 und 5 Uhr.
All diese Angaben wirken ernst, nüchtern und ermüdend, genauso wie der Kalium-carbonicum-Patient. Thema und Idee: Erschöpfung der Eigenregulation des Organismus mit mangelnder Rekonvaleszenz, daher Fortschreiten der Erkrankung auf organischer Ebene bis zur Degeneration mit einer Neigung zu Wasserretention.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels James Tyler Kent beschreibt Kali-c. als ein Mittel, das sowohl als Arzneimittelbild als auch am Patienten schwierig zu erfassen ist. Die Patienten zeigen trotz schwerer Krankheit oft nur wenige Symptome, die beim Tierpatienten meist noch schwieriger zu eruieren sind als beim Menschen. Kali-c. ist i. d. R. ein Mittel für die „innere Medizin“, und hier besonders zuständig für ,Yin-Krankheiten‘ (langsam fortschreitende innere Erkrankungen bei erschöpfter Eigenregulation). Hier ist es ein lange und intensiv auf den Organismus wirkendes Mittel, das durchaus einem Fortschreiten innerer Erkrankungen vorbeugen kann, wenn es rechtzeitig verabreicht wird. In weniger protrahierten Krankheitszuständen – z. B. Arthitiden, Erkrankungen im Lendenwirbelbereich – können auch heftige, stechende Schmerzen im Vordergrund stehen (wie bei Bry.). Aber die in der Arzneimittellehre beschriebenen ,stechenden‘ und wandernden Schmerzen an Gelenken oder Wirbelsäule sind beim Tier schwierig zu festzustellen. Kalium carbonicum gilt als homöopathisch sehr gut geprüftes Mittel mit weitem Wirkungsspektrum (Polychrest). Dennoch ist es in der tierärztlichen Praxis bei weitem kein alltägliches Mittel. Die Erkrankungen unserer Haustiere erfordern häufiger andere Mittel. Die Arzneimitteldiagnose ,Kali-c.‘ ist gerade beim Tier nicht leicht zu erstellen. Häufig ist es auch nicht das erste Mittel, das bei einer chronischen Krankheit erforderlich ist, sondern nimmt die Funktion eines ,Folgemittels‘ ein, z. B. nach Lyc., Nat-m., Nux-v., Phos. oder Thuj. Darum ist es besonders in der Tiermedizin schwierig,
einen Patienten zu schildern, der aufgrund dieses einen Mittels gesund geworden ist. Kali-c.-Patienten sind meist nicht erst seit wenigen Tagen krank. Möglicherweise schreitet der Krankheitszustand so langsam fort, dass die Tierbesitzer diesen Vorgang als einen normalen Alterungsprozess ihres Haustiers ansehen. Daher werden die Patienten erst im fortgeschrittenen Stadium ihrer Pathologie vorgestellt. Solche Umstände erschweren das Erkennen des richtigen Mittels. Oft handelt es sich bei Kali-c.-Kranken tatsächlich um ältere Patienten, um Organschäden, verschleppte oder schulmedizinisch ,austherapierte‘ Erkrankungen kurz vor dem Erwägen von Euthanasie. Aus diesem Grunde warnt Kent bei solchen Patienten vor dem Gebrauch zu hoher Potenzen (M oder XM), da diese die Regulationsfähigkeit des belasteten Organismus überfordern können. Kali-c.-Patienten sind oft sehr empfänglich für Bakterientoxine, möglicherweise erklärt das protrahierte Krankheitsabläufe mit Tendenz zu (subklinischer) Endokarditis. In der Literatur wird beschrieben, Kalium-Mittel seien kontraindiziert bei fieberhaften Zuständen, insbesondere bei Erregung im Fieber. Dagegen sind Kalium-Erkrankungen meist von niedriger Körpertemperatur begleitet. Die möglicherweise heftigen Schmerzäußerungen von Kali-c. können an die von Bry. erinnern; doch Bry.-Schmerzen verschlimmern sich durch die kleinste Bewegung, und der Bry.-Patient hat nicht die Verschlimmerungszeit nach Mitternacht. Ferner besteht durchaus Verwechslungsgefahr zwischen Kali-c. und Ars.: Beide Mittel haben ihre Verschlimmerungszeit nach Mitternacht, beide
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Kalium carbonicum neigen zu Frostigkeit, Unruhe und Schwäche und kommen bei älteren, geschwächten Tieren infrage. Aber Kali-c. schwitzt sehr leicht bei geringster Anstrengung, Ars. friert weniger bei Bewegung und verspürt bei weitem nicht so schnell körperliche Hitze wie Kali-c. Im peripartalen Geschehen besteht Verwechslungsmöglichkeit mit Sep. (die auch Kalium enthält), jedoch Sep.-Zustände sind ungleich viel häufiger als Kalium! Dieses Mittel steht eher „in zweiter Reihe“ bei Schwäche, sollte aber nicht vergessen werden.
Es gibt in der homöopathischen Materia medica eine ganze Reihe anderer Mittel, die Kalium enthalten und – ebenso wie die Kalium-Salze – einen gewissen Bezug zu Schwäche aufweisen können. Dazu gehören z. B. Sep. und Caust. Alle diese Mittel haben in gleicher Weise eine sehr tief greifende und lang dauernde Wirkung auf den Organismus. Kalium ist in manchen Komplexmitteln in tiefer Potenz enthalten. Solche Präparate können bei unangemessenem Gebrauch zu den Symptomen von Arzneimittelprüfungen führen!
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Chronische, langsam fortgeschrittene Krankheitszustände Subakut bei Erkrankungen der Atemwege, nach der Geburt, bei Rekonvaleszenz; heftige, stechende Gelenkschmerzen Schwerpunkt: neuromuskuläre Schwäche, Zittern, Zucken verzögerte Rekonvaleszenz nach schwächenden Krankheiten Präkanzerose Erkrankungen der Atemwege, Lunge, Bronchitis, Pneumonie, Asthma, Husten, Lungenödem Herzerkrankungen Magenbeschwerden, Verdauungsstörungen meist chronischer Natur, mit sehr viel Flatulenz
chronische Erkrankungen der Nieren Harnretention, Ödeme, besonders bei Lebererkrankungen Ödeme: um die Augen, speziell der Oberlider, der Gliedmaße, Lungenödem, Aszites, Anasarka Ödeme, bei denen Diuretika keine oder nur geringe Wirkung zeitigen Steifheiten, Arthritiden, Arthrosen, Beschwerden der Wirbelsäule Schleimhautkatarrhe mit gelblicher bis oranger Absonderung (wie alle Kalium-Mittel) Beschwerden durch jede Abweichung vom Gewohnten, durch Wetterwechsel zum Kalten
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten oft adipöse, dunkel pigmentierte Tiere, seltener „blond“, mit schlaffen Muskeln, schlaffem Turgor oft lockere, schlaffe Haut schütteres Haarkleid oder lokaler Haarausfall, besonders bei hormoneller Imbalance Hautausschläge im Gesicht oft wenig sympathische Tiere, gleichgültig, reaktionsarm, schwach wenig Mimik und emotionelle Äußerungen, stilles Leiden langsame Bewegungen wegen Schwäche, besonders der Hinterextremitäten
häufig blasse, weiße, anämische Schleimhäute Ödeme um die Augen, besonders am Oberlid (beim Tier schwierig zu erkennen) Lidödeme sind ein häufiges, auffallendes Begleitsymptom der Kali-c.-Pathologie Ödem einer oder beider Hinterextremitäten (Pferd), Schlauchödem Schwäche und Trägheit wegen organischer oder erschöpfender Erkrankungen wenig Anteil an Sinnesreizen, Adynamie Vegetativum reagiert eher vagoton Neigung zum Frieren (beim Tier wegen des Haarkleids nicht immer erkennbar)
Kalium carbonicum Besserung durch Wärme, Vermeiden von kalten oder zugigen Plätzen trotzdem schnelles Schwitzen bei leichter Anstrengung Flatulenz, möglicherweise mit Bauchschmerzen schmerzhafte Auftreibung des Unterbauches mit Blähungen
in manchen Fällen heftige Schmerzempfindungen (wie Bry.) extreme, stechende Schmerzen evtl. mit Unruhe, da besser durch leichte Bewegung wandernde Schmerzen, Schmerzen an kleinen Stellen (beim Tier schwierig festzustellen)
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens unauffällige, ,langweilige‘ Patienten, wenig Emotionen, unzufrieden, ängstlich oder launenhaft, possessiv, mürrisch gegen ,Familienangehörige‘ gestörtes unfreundliches Sozialverhalten, besonders zu Bezugspersonen oder Hausgenossen aber möglicherweise freundlich zu Fremden (Lyc., Nux-v. u. a.) Beschwerden durch Alleinbleiben, besonders abends und im Dunkeln Abneigung oder Zorn durch freundliche Zuwendung, besonders bei Schmerzen Reizbarkeit und Ungeduld bei Hunger plötzliches Erschrecken, durch Lärm, durch Berührung, durch scheinbare Kleinigkeiten aufgeregt in neuen, ungewohnten Situationen ,Gewohnheitstiere‘: ausgeglichen im gewohnten Tageslauf, aufgeregt, ängstlich bei Abweichungen Abneigung gegen Gesellschaft, aber Angst, allein zu sein schnell erschöpft durch leichte Anstrengung, mit Schwitzen bzw. Hitzegefühl Hyperästhesie besonders der distalen Extremitäten (Ant-c., Lyc., Lach., Staph.) lässt sich oft nicht anfassen wegen Kitzligkeit verfroren, sucht warme Plätze, vermeidet Zugluft und kalten Wind
kaum Spielverhalten, gleichgültig gegen spielende Artgenossen wenig gefühlsbetont, wenig Zeichen von Lebensfreude
Hunde alte ,Routiniers‘, werden mürrisch oder krank bei Änderungen im gewohnten Tagesablauf dickköpfig, stur und widersetzlich bei gefordertem Gehorsam (Calc-c., Bar-c. u. a.) auffallendes Hecheln nach dem Fressen berührungsempfindliche Pfoten wollen bei kaltem Wetter nicht nach draußen gehen schnell erschöpft durch leichte Anstrengung, mit Schwitzen bzw. Hitzegefühl (Hecheln)
Pferd Ödeme der Extremitäten, einer Hinterextremität ohne Ursache, über den Augen, Schlauchödem kitzlig beim Putzen lässt sich wegen Berührungsempfindlichkeit ungern oder gar nicht die Hufe aufheben empfindliche Hufe auf hartem Boden
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Herz: Niedervoltage: Puls unregelmäßig, schwach, intermittierend Hyper- oder Hypotonie, Arteriosklerose Herzschmerzen, heftiges Herzklopfen mit Tendenz zum Kollaps, Herztumult Herzinsuffizienz, Herzgeräusche durch Klappenschäden, evtl. mit Lungenödem Degeneration des Herzmuskels Herzhypertrophie durch Überanstrengung
Puls möglicherweise frequent, unregelmäßig, intermittierend, schwach bakterielle Endokarditis, Myokarditis bei Atemwegserkrankungen o. a. Infektionen und deren Folgezuständen Atemwege: alle Beschwerden der Atemwege mit Verschlimmerung nach Mitternacht, (2)3 – 5 Uhr absteigende Atemwegsinfekte (Schnupfen, erstreckt sich zur Brust)
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Kalium carbonicum Rhinitis mit Krustenbildung, Sinusitis mit gelber, gelbgrüner, evtl. blutiger Absonderung Bronchitis, Pneumonie, Pleuritis, Pleuraerguss, Lungenödem mit Schmerzen im Rücken Atemwegserkrankungen speziell bei Jungtieren (Acon., Ant-t., Ip., Lyc., Phos.) Atemnot, Asthma, sitzt oder steht mit dem Kopf nach vorn gebeugt Tiere legen sich selbst bei schwersten Atemwegserkrankungen nicht nieder! Atemnot bei schnellem Gehen Atemnot, Atembeschwerden bei tiefer Kopfhaltung (Spong) Atmung rasselnd, laut, Luftschnappen, giemend Asthma bei jungen und alten Tieren, evtl. gleichzeitig mit Hautausschlägen rezidivierendes Asthma mit periodischen Attacken, Asthma nach Anstrengung Asthma ⬍ bei feuchtem Wetter Herzasthma mit Husten Husten trocken, hart, erschöpfend, spastisch, schmerzhaft, erstickend, Kitzelhusten Husten heftig, Auswurf fliegt heftig aus dem Maul (Chel.) Husten bei Temperaturwechsel, ⬍ im Winter Würgen und Erbrechen beim Husten, bei Lungenödem Husten nach der Geburt Folgen von nicht ausgeheilten Atemwegsinfekten, auch nach antibiotischer Therapie Erschöpfung durch Atemwegserkrankungen (Carb-v.) Hund: Zustände von Dyspnoe und Schwäche bei alten Hunden mit obigen Modalitäten Pferd: fortgeschrittene Stadien von chronischobstruktiver Bronchitis (Dämpfigkeit) (Ars., Phos.); bei alten, ausgelaugten Pferden, weniger bei akuter Heuallergie; Koppen Verdauungsapparat: Magen- und Verdauungsbeschwerden durch emotionelle Aufregung, z. B. durch Angst, Stress in der Familie u. ä. Verdauungsbeschwerden überwiegend ⬍ nach Mitternacht, 3 – 5 Uhr Verdauungsbeschwerden speziell nach dem Fressen Speichelfluss im Schlaf Globusgefühl im Hals, ⬎ durch Aufstoßen (Koppen) Verschlucken, Ösophagusstriktur, Lähmung des Ösophagus
Fressen kleiner Bissen wegen Schwierigkeiten beim Schlucken oder wegen Schmerzen im Larynx Ärger, Ungeduld, Unruhe durch Hunger, aber schlechter oder schläfrig nach dem Fressen Magen, Verdauungsbeschwerden durch Aufregung, Schreck Magen-, Verdauungsprobleme durch kalte Tränke, wenn erhitzt, oder bei heißem Wetter Oberbauch empfindlich gegen Druck Abneigung gegen Futteraufnahme beim Sehen von Futter Magengeschwür Verlangen nach Süßem Flatulenz, kein Kali-c. ohne Flatulenz, ⬍ nach Fressen mit aufgetriebenem Abdomen gluckernde Geräusche besonders nach der Futteraufnahme Koliken durch eingeklemmte Blähungen, Tympanie, ⬎ durch Windabgang Tendenz zu Obstipation, Schafkot, oder Diarrhö abwechselnd mit Obstipation Diarrhö tagsüber oder nachts, chronisch, schmerzlos, nach Milch Unruhe, Bauchschmerzen vor dem Kotabsatz schwieriger Kotabsatz, ineffektiver Drang After- und Analdrüsen-Probleme, Fissuren, Fisteln Harnwege: Nierenfunktionsstörungen, rezidivierende Nierenerkrankungen bis Anurie, auch in Trächtigkeit Nephritis, Pyelonephritis, besonders links, durch Kalt- oder Nasswerden, ⬎ durch Wärme chronische interstitielle Nephritis Inkontinenz, Einnässen besonders im Schlaf Schmerzen der Blase langsamer Harnfluss trotz starken Dranges Genital weiblich: verspätete Geschlechtsreife (Puls., Graph., Nat-m., Caust.) Beschwerden nach Kastration Hautausschläge um die Vulva (Graph., Sep., Staph.), zyklusabhängig wund machender Vaginalausfluss Rückenschmerzen bei Erkrankungen des Uterus Rückenschmerzen mit Ischias, besonders nach Geburt, ⬍ im Liegen Störungen in Zyklus und Fruchtbarkeit, schwache Brunst Neigung zum Abort, besonders um das erste Drittel der Gravidität
Kalium carbonicum Schwäche und Rückenschmerzen während der Gravidität gestörte, ineffiziente Wehen mit Erschöpfung und übermäßigen Schmerzäußerungen Atonie des Uterus extreme, lähmungsartige Schwäche der Hinterextremitäten nach der Geburt fehlende Rekonvaleszenz nach der Geburt (Ars.) Schwäche durch Laktation („Säfteverlust“) Nachgeburtsverhaltung (Aristolochia, Canth., Caul., Goss., Sabad., Sep., Puls.) eines der (selteneren) Mittel für fest liegende Kühe nach der Geburt kann nicht aufstehen wegen Schwäche der Hinterbeine und im Rücken Pferd, Kuh: schlechter Vaginalschluss nach erschöpfender Geburt (häufiger Calc-c., Lyc., Sep.) Genital männlich: Ödeme des Skrotum, Präputium, schmerzhafte Hydrozele Impotentia coeundi Pferd: Schlauchödem alter Pferde Bewegungsapparat: Lähmungsartige Schwäche der Muskeln, an Beinen, Hüften
Schwäche der Hinterextremitäten, Rückenschmerzen besonders nach der Geburt (fest liegende Kühe) Rückenschmerzen, Lumbago, neuralgisch oder bei Spondylosen u. Ä. Rückenschmerzen mit Schmerzen im linken Hinterbein (Ischias) Rückenschmerzen ⬎ durch langsame Bewegung, kann nicht still liegen Arthritis, Arthrosen, Rückenschmerzen ⬍ nach Mitternacht; ⬍ im Kalten, ⬍ feuchte Kälte Ödem einer oder beider Hinterextremitäten Hund: kann wegen Schwäche der Hinterbeine nicht ins Auto springen, keine Treppe gehen (Con. u. a.); Hyperästhesie der Pfoten, der distalen Extremitäten Haut: schlechte Wundheilung, leichte Verletzlichkeit Pferd: Schweiß verletzter, schmerzhafter Körperteile Ödeme: äußerliche Ödeme, evtl. mit sackähnlichen, fluktuierenden Schwellungen innerliche Ödeme (Lungenödem, Aszites) Ödeme alter Tiere Ödeme bei Herzkrankheiten Ödeme nach bakteriellen Infektionen
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Überanstrengung, erschöpfenden Krankheiten und Zuständen: Beschwerden nach Geburt, Abort, Laktation, Säfteverlust iatrogene Schäden mit Mineralstoffimbalance oder Herzschäden (Digitalis u. Ä., Diuretika, Laxanzien) Beschwerden durch Aufregung, durch Schreck Kaltwerden, besonders, wenn erhitzt Rückenschmerzen nach Verletzungen der Wirbelsäule (u. a. Mittel!) Folgen von unterdrückten Hautausschlägen Fischvergiftung Modalitäten: ⬍ Abkühlung, ⬍ nach Erhitzung ⬍ im Winter ⬍ abends, ⬍ nachts 2 –3 –5 Uhr, Schmerz treibt aus dem Bett
stechende Schmerzen, ⬍ Druck, ⬎ durch Liegen auf schmerzhafter Seite Schmerzen, Beschwerden ⬎ durch Zusammenkrümmen ⬍ vor und nach der Futteraufnahme ⬍ durch Anstrengung, Aufregung, Schreck ⬍ nach der Geburt Pferd: Schweiß schmerzhafter Teile Ergänzungsmittel: Ars., Carb-v., Nat-m., Nit-ac., Nux-v., Phos. Folgemittel: Ars., Carb-v., Fl-ac., Lyc., Nit-ac., Phos., Puls., Sep., Sulf.
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Kalium carbonicum Ausgewählte Fallbeispiele Benno – Mischlingsrüde mit „Altersschwäche“, Husten und Herzbeschwerden Dezember 2002: Benno ist ein stockhaariger, mittelgroßer, sehr adipöser Mischlingsrüde – wahrscheinlich hatten seine Eltern etwas von Terrier oder Schnauzer-Rassen. Sein ursprünglich schwarzes Fell ist überall durchsetzt von grauen Haaren. Benno ist 12 Jahre alt, sehr adipös und kommt in kurzen mühsamen Schritten neben seinem Besitzer in die Praxis gelaufen. Dieser beklagt sich über seine Altersschwäche: Benno könne nicht mehr gut laufen und leide unter heftigen Hustenanfällen, besonders nachts und beim kurzen Spaziergang: „Wir haben Benno jetzt aus unserem Schlafzimmer ausgesperrt, weil wir nachts wegen seines Hustens nicht mehr schlafen können. Wir waren schon bei unserem Tierarzt, der Benno wegen seiner Herzbeschwerden Tabletten gab, die aber nur wenig geholfen haben. Er meinte dann, sein Herz sei vergrößert, die Herzklappen seien geschädigt, und wenn es nicht mehr anders gehe, sollten wir Benno einschläfern lassen.“
Untersuchung und Anamnese Bennos Bewegungsablauf ist langsam und schleppend. Besonders die Hinterhand erscheint sehr schwach, der Hund kann kaum die Hinterfüße vom Boden heben, sie schleifen fast auf dem Boden. Die Krallen sind kurz abgewetzt. Benno setzt sich sofort, sitzt eine Weile wie apathisch und legt sich dann nieder. Meine freundliche Ansprache ignoriert er, wedelt nicht einmal mit dem Schwanz. Die Auskultation des Herzens ergibt deutliche, aber undefinierbare Strömungsgeräusche. Die Herztöne sind schlecht abgesetzt und immer wieder arrhythmisch. Eine Palpation von Bennos tonnigem Leib ist wegen seiner Adipositas nicht möglich, er hat mindestens 5 kg Übergewicht. Das Präputium erscheint geschwollen, aber das habe Benno schon lange.
„Er bekommt gar nicht so viel zu Fressen. Aber wenn er Hunger hat, dann jault er so unerträglich, dass wir ihm etwas geben müssen. Nach dem Fressen schläft er immer und sabbert dann seine Decke voll. Auch wenn er ausgeschlafen hat, ist er nicht zum Gassi-Gehen zu überreden. Er hat seine Zeiten: Morgens gehen wir gegen 9 Uhr, nachmittags gegen 3 Uhr und abends gegen 8 Uhr mit ihm Gassi. In der Zwischenzeit döst oder schläft er. In letzter Zeit muss er sehr häufig fürzeln, das stinkt manchmal ziemlich eklig. Nach dem Morgenspaziergang gibt es Futter: Wir geben ihm manchmal Trockenfutter, manchmal Frischfleisch mit Kartoffeln, Benno frisst alles. In den letzten Jahren ist er immer träger geworden. Früher konnte man ihn zum Toben oder zum Spielen animieren, jetzt mag er kaum noch eine kleine Runde laufen. Nachts hat er in den letzten Jahren manchmal gemieft. Aber jetzt ist er unerträglich geworden. Vielleicht hat er nachts Herzanfälle? Er sitzt dann auf seiner Decke und hat diese Hustenanfälle wie Asthma: Er keucht und röhrt wie ein alter Asthmatiker, steht auf, läuft herum und setzt sich wieder hin und keucht. Ach ja, seine Stimme wurde in den letzten Monaten immer heiserer und leiser. Jetzt kann er kaum noch bellen. Beim Gassi-Gehen muss er jetzt auch öfter stehen bleiben und keuchen. Vor 3 Jahren hatte er eine schwere Lungenentzündung und musste deshalb 6 Tage in der Tierklinik bleiben und noch 2 Wochen lang Tabletten bekommen. Es dauerte lange, bis er sich wieder erholt hatte, aber richtig munter ist er nie wieder geworden. Dieses Gewicht hat er auch erst in den letzten 3 – 4 Jahren bekommen, früher war er immer schlank und kräftig; wir haben mit ihm viele Fahrrad-Touren unternommen. Sein jetziger Zustand hängt sicher mit seinem Alter zusammen. Sonst ist Benno nie krank gewesen. Wir haben ihn auch jedes Jahr impfen lassen.“ Kot und Urin o. b. B. Die Nachfrage nach den nächtlichen „AsthmaAnfällen“ ergibt, dass diese immer in der Zeit „ nach 2 oder 3 Uhr bis vor dem Aufstehen“ auftreten.
Kalium carbonicum Mittelwahl
Therapie
Wahlanzeigende Symptome sind: Adipositas alter Leute Speichelfluss im Schlaf Extremitäten, Schwäche der Beine Extremitäten, Schwäche nach geringer Anstrengung Extremitäten, lähmungsartige Schwäche Gemüt, Gleichgültigkeit gegen alles Husten, spastischer Husten nach Mitternacht Husten alter Leute Brust, Herzgeräusche durch Klappenerkrankung Brust, Hypertrophie des Herzens (möglicherweise durch Überanstrengung bei Fahrrad-Touren?) Brust, Folgen von vernachlässigter Pneumonie (möglicherweise der Auslöser der Erkrankung) Flatulenz und Schwellung des Präputiums unterstreichen die Indikation von Kalium carbonicum.
Benno bekommt 1 Gabe Kalium carbonicum C 200. In der folgenden Nacht hören die Besitzer erstmals keinen Husten! Benno wird innerhalb der nächsten 10 Tage wesentlich munterer. Auf seinen täglichen Spaziergängen ist er weitaus weniger durch Schwäche und Husten eingeschränkt und trägt sogar wieder Stöcke herum, was er in den letzten Jahren nie mehr getan hatte. Die Herzgeräusche, eine gewisse Schwäche und Langsamkeit bleiben allerdings bestehen, was bei der organischen Herzerkrankung auch zu erwarten ist. Eine Fortsetzung der homöopathischen Therapie hätte sicher den Zustand des Tieres noch weiterhin verbessert. Aber die Besitzer sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Sie lassen den Hund im Februar 2004 wegen eines erneuten „Asthmaanfalls“ bei ihrem früheren Tierarzt euthanasieren.
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Lachesis mutus
Brasilianische Buschmeister-Schlange
Signatur, Thema und Idee des Mittels Lachesis, die südamerikanische BuschmeisterSchlange, gehört zu den giftigsten Schlangen der Erde. Sie bevorzugt kühle Regionen und meidet die Sonne wie der Lachesis-Patient. Dank ihrer enormen Energie kann sie lange Zeit ohne Nahrungsaufnahme überleben. Eine besonders bemerkenswerte Eigenschaft ist ihre Tendenz, Störenfriede intensiv zu verfolgen; dieses Phänomen unterscheidet sie von den meisten anderen Schlangen. Im Arzneimittelbild finden sich fast alle symbolischen und etymologischen Zusammenhänge zum Thema ,Schlange‘ wieder, im übertragenen und wörtlichen Sinn: Ihre 2,5 cm langen Giftzähne enthalten ein schnell wirkendes Gift, das in erster Linie „Blutzersetzung“ (Hämolyse, Blutungsneigung, Thromben) bewirkt, anschließend Sepsis, Gewebezerfall und Tod. „Zersetzung“ auf physischer und emotioneller Ebene (Intrigen, Boshaftigkeit, Eifersucht) sind ein wesentliches Thema des Lachesis-Patienten. Damit ist im Arzneimittelbild auch der Bezug zu Angst und Lebensgefahr hergestellt. Seit Alters her gilt die Schlange als ,Verführerin‘, als hinterlistig (links), launisch und letztlich als ,Inbegriff des Bösen‘. Dementsprechend ,böse‘ Erkrankungen – mit destruktiver Tendenz – finden sich im homöopathischen Indikationsbereich. Dennoch übt Lachesis auf ihre Umgebung durch ihren hypnotisch wirkenden, starren Blick aus lidlosen Augen und ihre sexuell betonte Eleganz eine faszinierende Anziehungskraft aus. Diesen Eindruck beschreiben oft die Besitzer von LachesisTieren, insbesondere von der Katze. Die Lachesis-Katze ,umschlingt‘ mit ihrem geschmeidigen Körper besitzergreifend und eifersüchtig ihre Bezugsperson, befreundete Artgenossen oder andere Tiere. Der Lachesis-Hund besitzt – im wahrsten Sinn – „sein Frauchen“ und springt jedem Fremden voll giftiger Eifersucht bissig ins Gesicht. Das ,Schlingen‘ bezieht sich besonders auf Schlund und Kehlkopf, dem verwundbarsten Punkt der Schlange: In diesem Bereich spielen sich besonders häufig Lachesis-Erkrankungen ab (z. B. Angina, Druse, Pharyngitis, Laryngitis) mit einer Ten-
denz zu Erstickungserscheinungen. Die Berührungsempfindlichkeit der Kehle ist ein wesentliches homöopathisches Diagnostikum für die Indikation von Lachesis (Phos.). Schlangen verfügen nicht über einen Gehörssinn, stattdessen über hochsensible Wahrnehmung von Berührung und Vibration, die den meisten Menschen verschlossen ist (auch eine Art ,Hellsichtigkeit‘). Hyperästhesie ist jedoch ein hochrangiges, auffallendes Symptom, besonders lokalisiert an erkrankten Körperteilen, während starker Druck eher bessert oder sogar gesucht wird. Zu diesem Phänomen gehört auch das ,sonderliche Symptom‘ vom Verschlucken beim Trinken (leichte Berührung verschlimmert), während die Aufnahme von fester Nahrung beschwerdefrei ertragen wird oder sogar Halsschmerzen bessert (starker Druck bessert). Das Thema „Einengung“ ist ein weiteres wesentliches Problem der Schlange, die bekanntlich in regelmäßigen Abständen ihre einengende Haut abwirft. Bei Hautieren ist das „sich Häuten“ analog zum Fellwechsel zu verstehen. Tatsächlich beginnen oder rezidivieren Lachesis-Erkrankungen gehäuft um diese Zeit, im Frühjahr und Herbst. Vom Lachesis-Patienten wird jede Einengung als lebensbedrohlich empfunden und bekämpft (Platzangst, Furcht vor Ersticken, wenn die Nasenatmung eingeschränkt ist). Sogar ,emotionale Einengung‘ durch dominierende, autoritäre Bezugspersonen oder Artgenossen kann Verhaltensstörungen oder Krankheit auslösen. Die Schlange verfügt über außerordentliche Vitalität, die ebenfalls keine Einschränkung verträgt. Für seine übermäßige Aktivität braucht der Lachesis-Patient gleichsam ein Ventil, das die überschüssige Energie in Bewegungsdrang, Spieltrieb, Lautäußerungen und/oder Sexualität herauslässt. Falls solche Lebensäußerungen nicht möglich sind oder verhindert werden, pervertiert diese Vitalität in Verhaltensstörungen (z. B. Aggressivität, Hyperaktivität) oder entsprechende somatische Erkrankungen.
Lachesis mutus Diese wiederum finden Erleichterung, sobald die ,Aktivität‘ auf körperlicher Ebene wieder in Gang kommt, d. h. wenn Ausscheidungen einsetzen. Ein wichtiges Schlüsselsymptom für LachesisPatienten ist der alternierende Wechsel zwischen physischen und Verhaltenssymptomen. Unter diesem Aspekt ist Lachesis auch ein häufig gebrauchtes Mittel für ,Unterdrückungsfolgen‘, die durch jede Pharma-Therapie oder durch Operationen eintreten können: Folgen von unterdrückten Hautausschlägen, unterdrückten Schleimhautabsonderungen, unterdrückter Hormon-Produktion (unterdrückte Brunst, Hormontherapie, Hysterektomie eines erkrankten Uterus u. Ä.). Die ,schlangenhafte Fortbewegung‘, das ,Schlängeln‘, findet seine Entsprechung in der glatten Ringmuskulatur, z. B. in Spasmen von Arteriolen, Ösophagus, Cardia und anderen Ringmuskeln. Der betreffende Schmerz wird vom Menschen als ,zusammenschnürend, krampfend‘ beschrieben. Nicht zuletzt ist der Schlaf ein besonderes Lachesis-Problem. Die Schlange steht symbolisch für
,Weisheit‘ und ,Wachheit‘, ferner können die lidlosen Augen nicht gänzlich geschlossen werden. Wenn Lachesis trotzdem zum Schlafen kommt, verschlimmern sich alle Beschwerden. Die Verschlimmerung durch Schlaf beim Erwachen führte zu der Formulierung: Der Patient ,schläft sich in die Verschlimmerung hinein‘. Es geht ihm nach dem Erwachen schlechter, was aber nicht zwangsläufig nachts geschehen muss. Lachesis-Patienten gehören häufig zu den nachtaktiven Lebewesen. Lachesis-Patienten können faszinierend sympathisch wirken, aber im nächsten Moment überraschend auf uns losstürzen und in schlimmster Weise angreifen. Die Zwiespältigkeit ist ein wesentliches Merkmal der Schlange. Gemäß biblischer Überlieferung war sie der Anlass, die selige paradiesische „Einheit“ in die schmerzhafte, irdische „Zweiheit“ und „Ver-zwei-flung“ zu zerteilen. Aber ihr tödliches Gift ermöglicht dann wieder die Rückkehr aus unserer Welt ins selige „Nirwana“ – das ist der Kreislauf der Schlange. Thema und Idee: Vitalität, Aktivität, Sexualität, ,Schlingen‘, ,Umschlingen‘, Besitzergreifung, Eifersucht, ,Zersetzung‘, Sepsis, Nekrose, Tod.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Lachesis – eingeführt in die Homöopathie von Constantin Hering – ist ein unverzichtbares und nicht ersetzbares homöopathisches Mittel! Lachesis ist eines der häufigsten Mittel der Alltagspraxis! Das enorm breite Spektrum reicht von psychischen über hormonelle Störungen bis zur schwersten Sepsis. Das Arzneimittelbild von Lachesis verfügt über eine elementare Modalität: Alle Beschwerden werden besser durch Ausscheidungen aller Art, schlimmer, sobald diese verhindert bzw. „unterdrückt“ werden. Eine grundsätzliche Besserung erfolgt auch, wenn alte Ausscheidungen wieder in Gang kommen.
Daher ist gerade bei Lachesis-Patienten der Verlauf der Heilung gemäß der Hering’schen Regel eine besonders wichtige Forderung. „Unterdrückungen“ können beim Lachesis-Patienten fatale, möglicherweise irreversible Folgen nach sich ziehen. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems stehen bei Lachesis nicht in dem Ausmaß im Vordergrund wie bei anderen Schlangen-Mitteln, z. B. bei Naja. Lachesis ist neben Ars. und Phos. das dritthäufigste Mittel für Hauskatzen. Außerdem ist es eines der wichtigsten Komplementärmittel zu Lyc.
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Lachesis mutus Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: akute Erkrankungen schnell und heftig fortschreitend, ohne Therapie lebensgefährlich Sepsis bei Infektionen und Infektionskrankheiten schwere allergische rezidivierende Schübe chronisches ,konstitutionelles‘ Mittel Pathologische Schwerpunkte: linksseitig beginnende Erkrankungen, Ausbreitung auf die rechte Seite Verschlimmerung nach dem Schlaf überempfindlich gegen Berührung, Hyperästhesie besonders von erkrankten Teilen Kehlkopferkrankungen schnell fortschreitende septische Infektionen oder Infektionskrankheiten mit Tendenz zu Endo- und Myokarditis Tendenz zu ulzerierenden, gangräneszierenden Entzündungen schwere akute und chronische allergische Erkrankungen bis Schock
schwere Vergiftungen mit Tendenz zu Hämolyse, auch Autointoxikationen blutige, hämolytische Absonderungen Hormonsystem, Ovarzysten, Ovariitis, Tumoren, Pyometra (auch geschlossene Form) Puerperalsepsis, übermäßige Brunst mit Hysterie, Zyklusstörungen bis Nymphomanie Blutungsneigung, dunkles Blut, dunkle Sickerblutungen aus septischen Infektionen nekrotisch-hämorrhagische Geschwüre, schlechte Wundheilung phlegmonöses, ulzerierendes eosinophiles Granulom der Katzen Epilepsie aus dem Schlaf heraus Atemnot aus dem Schlaf Launen: übelste Aggressivität kann abwechseln mit extremer Liebenswürdigkeit Hyperthyreose oder sonstige Erregbarkeit, die sich zur Ekstase steigern kann abwechselnde körperliche und psychische Beschwerden
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Bei chronischer Krankheit bzw. als ,konstitutionelles‘ Mittel: lebhafte, sehr extrovertierte, ,emotionelle‘, attraktive Tiere, oft rotes oder dreifarbiges Fell ,lustig‘ und ,witzig‘, zermürben mit ihrer Lebhaftigkeit die Nerven ihrer Besitzer! häufig überaktiv und hektisch, scheinbar unerschöpfliche Energien, fordern ständige Aufmerksamkeit Müdigkeit wird überraschend schnell regeneriert aber i. Allg. schlechter morgens bzw. aus dem Schlaf heraus sehr wache Sinne (Phos.), lebhafte Mimik, wacher Blick elegante Tiere mit viel Charme und ,Sex-Appeal‘ trotzdem häufig Tendenz zu Fressgier und Adipositas plötzlich, unvermutet ausbrechende Aggressivität (Stram.), evtl. abwechselnd mit Freundlichkeit Berührungsempfindlichkeit besonders im Kehlkopfbereich, an erkrankten Orten und am Abdomen
oft wiederholte, kräftige Lautäußerungen (,Geschwätzigkeit‘), oft verbunden mit Husten Lautäußerungen in unterschiedlichen Tonlagen, wie ,Erzählen von Geschichten‘ (Phos.) aber auch Heiserkeit bis Stimmlosigkeit, Kehlkopflähmung, Stimmbandlähmung Speichelfluss bei anhaltenden Lautäußerungen auffallende Bewegungen mit der Zunge, wie Lippenlecken, Schmatzen u. Ä. Tendenz zu Exophthalmus (Phos.) (z. B. Zwerghunde), Struma, besonders links i. d. R. warmblütige Tiere, Hitze, heiße Räume werden meist nicht gut vertragen liegt eher auf der rechten Seite, links Liegen ⬍ Ödeme bei Herz- oder Lebererkrankungen, nach Infektionen Hund, Pferd: oft extrem berührungsempfindlich, was oft heftige Aggressivität auslösen kann Akuter Zustand: Die Symptome der Pathologie richten sich nach Art, Dauer und Schwere der Erkrankung. septische Erkrankungen mit Indifferenz, Apathie, Festliegen, Delirium, Gewebedestruktion schnell fortschreitend in lebensgefährliche Stadien
Lachesis mutus evtl. ,Herabfallen des Unterkiefers‘ Tendenz zu Blutungen, Ekchymosen, Petechien livide Verfärbung erkrankter Teile Stase, arteriell oder venös, mit Tendenz zu Ulzeration, Gangrän oder Nekrose im Gefolge manchmal hämolytischer Ikterus hochgradige Berührungsempfindlichkeit erkrankter Teile mit bläulicher Verfärbung Atemnot, Erstickungsanfälle, Verschlucken beim
Trinken schnarchende Atmung (bei Erkrankungen der oberen Atemwege oder nach Apoplex o. Ä.) Verlangen nach frischer Luft und tief zu atmen generelle Besserung des Zustands durch Ausscheidungen jeder Art
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Bei chronischer Krankheit bzw. als ,konstitutionelles‘ Mittel: ausdrucksstarke, extrovertierte, emotionell betonte Tiere manchmal Verhaltensstörungen abwechselnd mit körperlichen Symptomen aufdringlich, zudringlich, überschreitet die Individualdistanz zum Menschen und zu Artgenossen häufig überschießendes Temperament, LachesisLebhaftigkeit wirkt ,ansteckend‘ und erheiternd hektisch, chaotisch-hyperaktiv, intensiver Bewegungsdrang auch übermäßig liebenswürdig (Phos., Puls., Lyc.), sucht permanent Körperkontakt häufig übermäßig verspielt und agil (Phos.) intelligente Tiere, die dauernd Unsinn machen, Clownerei meist ranghohe Tiere, ,arrogant‘, ,verachtungsvoll‘ für andere Tiere, sogar Streitsucht neckt und ärgert gern seine Besitzer, Artgenossen, andere Tiere, treibt sie herum, stiftet Streit und Unruhe plötzliche, unvermutete Aggressivität, aggressives Hervorschießen wie eine „Natter“ Streitsucht abwechselnd mit Liebenswürdigkeit oder Fröhlichkeit rivalisierend mit Konkurrenten, besonders um weibliche Artgenossen Streben nach höherer Rangordnung (Lyc., Nuxv.), will andere „besitzen“, beherrschen permanentes Spielen und neckendes Herausfordern, besonders abends, braucht Beschäftigung! oft auffallende häufige Lautäußerungen (u. a. Mittel!) mit kräftiger Stimme Besitzer berichten, ihr Tier würde mit ihnen ,reden‘: Hunde bellen unaufhörlich (,Kläffer‘), ohne außer Atem zu kommen; Katzen steigern
sich vom ,Miauen‘ ins Schreien, ,Jodeln‘ und ,Orgeln‘; Pferde sind häufig am ,Blubbern‘ bis zum Wiehern, wenn jemand vorbeikommt; Kühe brüllen immer wieder, ohrenbetäubend, mit überschlagender Stimme; Schweine sind pausenlos am Quietschen und Grunzen, ohne ersichtlichen Anlass seltener auch ,stille Natur‘ ohne Lautäußerungen sehr aufmerksam und wach für die Umgebung Misstrauen bei Annäherung mit sofortiger Bereitschaft zu Aggressivität Tiere lassen sich ungern Arznei eingeben (aber Lachesis-Katzen ,gieren‘ nach ihrer richtigen Arznei!) Eifersucht auf andere Tiere, auf Besitzer, auf Familienangehörige, mit gefährlicher Aggressivität ,possessives Verhalten‘ zu Freunden oder Bezugspersonen, Eifersucht gegen andere, aber die Tendenz zu Eifersucht muss nicht immer ausgeprägt sein meist unabhängig von Zuwendungsbeweisen, selten auch unterwürfig, neigt eher zum ,Widersprechen‘ ,lenkt gern die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich‘ ,steht gern im Mittelpunkt, „Showmaster“ (Phos., Lyc., Puls.) meist ausgeprägte Launenhaftigkeit, Freundlichkeit abrupt wechselnd mit Aggressivität widersprüchliches Verhalten, ,abwechselnde und widersprüchliche Zustände‘ aggressiv durch Berührung der Kehlkopfgegend, des linken M. sternocleidomastoideus aggressive und intensive Abwehr bei Berührung oder Zuhalten der Nüstern Lachesis-Tiere lassen sich ungern die Maulhöhle untersuchen
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Lachesis mutus Reizbarkeit, besonders morgens, wenn aus dem Schlaf geweckt, oder nachts, beim Erwachen ,intelligent‘, verstehen, sich Vorteile zu verschaffen, z. B. im Stehlen von Futter liebt es, Aufgaben zu erfüllen, genießt entsprechende emotionelle Zuwendung! brauchen Aufgaben und Beschäftigung, anderenfalls suchen sie sich diese auf ihre Art oder werden krank ideale ,Zirkustiere‘, wenn die Dressur artgemäß und sinnvoll ausgeübt wird! leidet aber enorm unter Langeweile, Zurücksetzung oder ,Kummer‘ Kummer kann sogar langfristig Erkrankungen auslösen oft noch sexuelles Verhalten bei Kastraten! Leistungsfähigkeit: wenn einfühlsam gefordert, ist Lachesis ein idealer, fleißiger Arbeitspartner! enormes Aktivitätspotenzial, bis Ruhelosigkeit, besonders am Abend häufig Hyperaktivität, welche die Besitzer entnervt, unermüdlicher Bewegungsdrang
Hunde oft Zwerghunde (oft mit Exophthalmus!), die auf dem Arm sitzen und bei unserer Annährung aggressiv die Zähne fletschen und beißen (,Zorn durch Berührung‘) misstrauisch, besonders gegen Fremde, die ihrer Bezugsperson zu nahe kommen, Eifersucht! oft aggressiv, wenn festgehalten (⬎ durch ,Beengung‘) widerspenstig, nicht leicht zu erziehen, will in erster Linie ,Unterhaltung und Spaß‘ (Phos.) neigen zum Stromern und Davonlaufen brauchen Anregung und Beschäftigung, anderenfalls Verhaltensstörungen ständiges Miefen bei Ungeduld oder mangelnder Beschäftigung überempfindlich gegen den Druck des Halsbands
Katze häufig Dauerrolligkeit, sogar bei sterilisierten Tieren (hypophysäre Steuerung) extremes Verlangen, sich an etwas zu reiben, gestreichelt zu werden (,Magnetismus‘) steigert sich dabei in (sexuelle) Erregung mit immer lauter werdendem Schreien hinein währenddessen plötzlich ausbrechende Aggressivität, Beißen, Kratzen (Phos.) widerspenstig bis aggressiv, wenn festgehalten, z. B. auf dem Untersuchungstisch auffallend gespreizte Zehen mit ,Fußeln‘, besonders in ,erotischer Ekstase‘
Pferd schöne Pferde, die es verstehen, ihre Show abzuziehen und so im Mittelpunkt zu stehen aber unbrauchbar während der Rosse, oft Dauerrosse bis Nymphomanie sogar ein Wallach kann noch Hengstverhalten zeigen und eifersüchtig seinen ,Harem‘ dirigieren! bei ,Langeweile‘ Tendenz zum Koppen oder anderen Untugenden Zorn und heftige Abwehr bei Druck auf die Kehle (z. B. Auslösen von Hustenreflex) Tendenz zu Sattelzwang Schwer kranker Zustand: stuporös, Apathie, Festliegen bis Bewusstlosigkeit, evtl. automatische Bewegungen kaum aufzutreiben Stöhnen, Jammern Inappetenz, kein Trinken oder Verschlucken beim Trinken stumm oder immer noch ,geschwätzig‘, später apathisch bis delirös
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Entzündungen, Infektionen Sepsis – Thrombose – Nekrose – Gangrän oft bei protrahierten Erkrankungen oder bei primär virulentem Krankheitsgeschehen mit destruktiver Tendenz mit Berührungsempfindlichkeit, aber ⬎ durch starken Druck
blutige, lackfarbene Absonderung, livide Verfärbung erkrankter Teile, Zyanose erkrankter Teile abgeschnürte Verletzungen – z. B. Zunge, mit Tendenz zur Gangrän Atemwege: Obere Atemwege: Rhinitis mit stinkendem, wund machendem, evtl. blutigem Sekret
Lachesis mutus dabei überempfindliche Nase/Nüstern gegen Berührung; überempfindlich gegen Zuhalten der Nase! Tonsillitis mit Tendenz zur Abszedierung, Retropharyngeal-Abszesse (u. a. Mittel), schwerste Formen Rachen, Larynx, Pharynx, Phlegmone, Abszesse, Ulzerierung, Sepsis Entzündung und Eiterung der regionalen Lymphknoten: dünner, wund machender Eiter oder Nasenausfluss; schlechte Kreislaufsituation; kalter Schweiß; Blutungsneigung; ⬎ durch kalte Tränke, neigt aber zum Verschlucken beim Trinken Rachenentzündung blaurot (Ars.), mit starker Schwellung bis Phlegmone, übelster Maulgeruch kann nicht schlucken, evtl. Mundbodenphlegmone (Merc., Phyt.) oft mit Petechien Verschlucken beim Trinken, Regurgitieren, Flüssigkeiten kommen zur Nase heraus Laryngitis mit Stimmlosigkeit, evtl. Stimmbandlähmung, Kehlkopflähmung, Glottislähmung Pferd: schwerste Formen von Druse u. Ä., evtl. anschließende Stimmbandlähmung Katze: im Verlauf von Katzenschnupfen laut schnarchende Atmung und erstickende Atemnot häufiges Räuspern bis Würgen mit Erstickungsanzeichen evtl. Reizhusten, Kitzelhusten, ausgehend vom Kehlkopf wenig Speichel (Gegenteil von Merc.!), Speichelfluss einzig deshalb, weil dieser nicht geschluckt werden kann Speichelfluss bei Lautäußerungen zähe Speichelansammlung verursacht Erstickungsanfälle ,Asthma‘, Dyspnoe Pferd: häufig bei COPD (Ars., Phos., Ant-t., Nux-v. u. a.); allergisches Asthma, chronisch, auch ,Herzasthma‘ mit organischen Herzschäden; beginnend aus dem Schlaf (nachts oder morgens); Atemnot mit Hechelatmung, beim Pferd mit Bauchatmung („Dämpfigkeit“); Hustensalven, trocken, Asthma, Atemnot ⬍ durch leichte Berührung des Kehlkopfes; Aggressivität durch Berührung von Kehle oder Nüstern; Asthma, Husten ⬍ beim Fressen, ⬍ durch Lautäußerungen; ⬍ durch Überhitzung, heißes
Wetter, ⬍ im warmen Stall, warmen Raum, ⬎ in frischer Luft; meist ⬍ im Liegen, Tiere meiden dann das Abliegen, ⬎ durch Vorwärtsbeugen; Verlangen nach kalter Tränke, warme Tränke ⬍; evtl. ausgelöst durch unterdrückten Hautausschlag ,Rheuma‘ im Gefolge von Tonsillitis (fokaltoxisches Geschehen) (Phyt., Guaj., Echi.) Bronchitis, Bronchopneumonie, Pneumonie: Aspirationspneumonie mit Tendenz zum Lungengangrän (Ars., Phos. u. a.); Husten durch Lautäußerungen; erstickender Husten; spastische Dyspnoe; schwieriger Auswurf, Sekret wird geschluckt; nach langem trockenem Reizhusten Auswurf von Mengen schaumigen zähen Schleims, dann ⬎; Husten wie Krümel verschluckt in Trachea oder Larynx Verdauungsapparat: Zunge zittert oder geht vor und zurück Zungengangrän nach Abschnürung durch Röhrenknochenringe o. Ä. (Hund) evtl. Landkartenzunge ⬎ schlucken von Festem, Verschlucken, Regurgitieren beim Trinken septische Peritonitis, z. B. nach Abdominalchirurgie, bei Endometritis u. Ä. (Pyrog.) Bauchschmerzen ⬎ durch Zusammenkrümmen allergische o. a. Kolitis mit Destruktion der Darmschleimhaut Kot durchsetzt von schwärzlichen Streifen, wie ,verbranntes Stroh‘, stinkt nach Aas (Ars., Carbv.) Tenesmus durch Sphinkterkrampf Nekrosen von inkarzerierten Darmteilen Diarrhö, akut oder chronisch, mit Tendenz zu Sepsis und Hyperästhesie des Abdomens Pferd: wichtiges Ergänzungsmittel bei schwerster Kolik bei Abschnürung, Invagination von Darmteilen; mit blutigem Punktat der Bauchhöhle; kann durchaus die Regeneration inkarzerierter Darmteile ermöglichen; Schluckprobleme, Spasmus im Ösophagus, Schluckzwang durch Fremdkörpergefühl, Koppen Hund: Unterstützung der Regeneration von lädierten Darmteilen nach oder während Fremdkörperop.; nach oder während KnochenkotVerstopfung Hund, Katze: z. B. Parvo-Infektion (Verat., Ars., Phos.); Zungenlähmung nach Apoplex mit Unvermögen zu trinken
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Lachesis mutus Herz-Kreislauf: auffallend dunkles Blut, arterielles Blut hat die Farbe von venösem Blut verminderte Sauerstoffbindung durch partielle Hämolyse mit Tendenz zum Kollaps Thrombenbildung, Embolie, Gerinnungsstörungen Thrombophlebitis mit hochgradiger Berührungsempfindlichkeit, z. B. nach der Geburt Thrombose, Thrombophlebitis und Nekrose der V. jugularis nach paravenöser Injektion/Infusion (Crot h.) Ödeme nach Herz-, Nierenerkrankungen oder im Gefolge von Infektionen Kreislauflabilität und -depression im Gefolge anderer Erkrankungen, z. B. Sepsis, Kolik, Volvulus Herzhypertrophie, Herzbeschwerden mit bläulichen Schleimhäuten (u. a. Mittel) Pferd: Ulzera nach Thrombophlebitis im distalen Extremitätenbereich Zentralnervensystem: Konvulsionen, Epilepsie aus dem Schlaf heraus, beginnt mit Schrei Apoplexfolgen mit linksseitiger Lähmung Genital: Zyklusstörungen, durch Aufregung, neuer Stall, fremde Artgenossen, auch nach Hormon-Therapie Ovarialzysten und Tumore mit Tendenz zu Sterilität, Dauerbrunst, Nymphomanie Ovariitis, Salpingitis, Endometritis mit enormer Überempfindlichkeit während rektaler Untersuchung Hauptmittel für die Endometritis puerperalis (Pyrog., Echi.) mit livider Vaginalschleimhaut Ret. sec. mit Endometritis puerperalis (Pyrog.) Rind: Festliegen wegen septischer Endometritis puerperalis (Pyrog.) Ovariitis, beginnend links, Salpingitis, Endometritis, besonders nach hormoneller Therapie Peritonitis im Gefolge von Ovariitis, Salpingitis, Endometritis, Hyperästhesie des Abdomen Mamma: Rind: Rückgang der Milchleistung am Abend vor Beginn einer Erkrankung; primär septische Mastitis mit bläulicher Verfärbung des betroffenen Mamma-Abschnitts Beschwerden, Erkrankungen nach Kastration (synonym mit Klimakterium) männliche Kastraten mit ausgeprägtem Sexualverhalten Extremitäten: ,Rheuma‘ durch fokaltoxisches Geschehen (Zahnwurzelgranulome, Tonsillitis u. Ä.)
Panaritium, Limax bis Sepsis, Knochennekrose, hochgradig schmerzhaft, mit bläulicher Verfärbung rechtsseitiger (oder linksseitiger) ,Ischias‘, bes. in Gravidität, evtl. mit Hyperästhesie Haut: schlechte Wundheilung, Tendenz zu Infektionen Wunden bluten stark nach Verletzungen, nach OP, z. B. Zahnextraktion Blutungen mit dunklem, teils hämolytischem Blut! septische Wundinfektionen besonders durch ,Bisse giftiger Tiere‘: Hunde-, Katzen-, Ratten-, Insekten-, Schlangenbisse u. Ä. Wundinfektionen, Phlegmone, Erysipel, Nekrose, Gangrän, Ulzera Narben bleiben bläulich, brechen wieder auf, evtl. Narbenkeloid an berührungsempfindlichen Narben hormonell bedingter Haarausfall, besonders während der Trächtigkeit
Katze ulzerierende Hautform des eosinophilen Granuloms mit bläulicher Nekrose, meist der linken Extremität
Kuh sehr häufig vorkommend bei vielen Erkrankungen des Rindes (physiologisches ,Regurgitieren‘) Erkrankungen kündigen sich oft an durch abendlichen symptomlosen Rückgang der Milchleistung Milchsekretion sistiert plötzlich zu Beginn einer Mastitis oder Endometritis genitale Erkrankungen, Schwerpunkt nach der Geburt – und Folgeerkrankungen Ovarzysten links beginnend, dann rechts, Nymphomanie, Brüllen akute Mastitis mit schneller Tendenz zu Sepsis (z. B. Pyogenes-Mastitis) glänzend, bläulich geschwollenes Euter (Apis: rosa) Milch bläulich, wässrig, evtl. mit ,Fetzen‘ im Schalmtest Mamma bei Mastitis blaurot (Phyt.), bläulich mit dunklen Streifen, Lymphangitis (Bell.) Mastitis wird morgens beobachtet, beginnt ,aus dem Schlaf‘
Lachesis mutus Mastitis vor Beginn der Laktation, kurz vor der Geburt Mastitis nach dem Trockenstellen (,unterdrückte Milch‘) (Puls., Calc-c., Bell., Con.) Besserung des Zustands geht beim laktierenden Tier oft mit gesteigerter Milchleistung einher
Muttersau Hauptmittel für den MMA-Komplex der Muttersau (Mastitis-Metritis-Agalaktie) mit bläulich tingiertem Gesäuge, bläuliche Areale an Gesäuge und Vaginalschleimhaut eines der wichtigsten Mittel für den ,Rotlauf‘ – septikämische und Haut-Form Rotlauf evtl. mit Herzbeteiligung (Endokarditis)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Infektionen und deren Folgeerkrankungen, fokaltoxisches Geschehen Beschwerden durch Ärger, Zorn, Kummer, Schreck Beschwerden durch unterdrückte Ausscheidungen, Absonderungen, Hautausschlag Folgen von Hysterektomie von erkranktem Ovar oder Metra! (,unterdrückte Ausscheidung‘) Beschwerden durch autoritäre, dominierende Besitzer (,emotionelle Unterdrückung‘) Beschwerden durch Konkurrenz, Eifersucht, ,enttäuschte Liebe‘ Beschwerden durch Zugluft Beschwerden durch heißes oder schwüles Wetter (Puls.) Modalitäten: Beginn der Erkrankung: linke Seite; morgens, aus dem Schlaf heraus (besser gegen Abend, wie Nux-v.) ⬍ leichte Berührung, ⬎ starker Druck ⬍ linke Seite, Beschwerden gehen von der linken zur rechten Seite violett oder bläulich tingierte Farbe erkrankter Teile ⬍ nach Schlaf! schläft sich in die Verschlimmerung hinein, bzw. ⬍ morgens ⬎ sobald Ausscheidung (z. B. Mens, Schnupfen, Auswurf, Ausschlag) auftritt
meist ⬍ durch strahlende Wärme, Sonnenhitze,⬍ im warmen Zimmer, schwüles Wetter ⬍ atmosphärische Wechsel ⬍ Frühling und Herbst, ⬍ Fellwechsel! ⬍ durch warmen Wind, ⬍ in Extremtemperaturen, ⬍ vor Gewitter, ⬎ durch gemäßigte Temperatur ⬍ in kalter Zugluft, ⬎ in frischer Luft, im Freien ⬍ durch Anwendung von Wärme, ⬍ durch warme Umschläge ⬍ durch warme Getränke ⬎ durch Ablenkung und Aktivität ⬎ durch alle Arten von Ausscheidungen (Absonderung von Haut oder Schleimhaut) ⬍ durch unterdrückte Absonderungen (evtl. Milch fehlt vor Beginn der Erkrankung) ⬍ vor der Brunst, ⬎ während der Brunst liegt auf der rechten Seite, links liegen unmöglich wund machende, meist stinkende Absonderungen, die bessern, sobald abgesondert Verhaltensstörungen abwechselnd mit körperlichen Symptomen leichtes Verschlucken beim Trinken, Hals, Kehlkopf empfindlich gegen Druck Atemwegsaffektionen abwechselnd mit Hautausschlägen möglicherweise durstlos im Fieber
Ausgewählte Fallbeispiele Miezi – latente Peritonitis August 1996: Frau L. bittet um einen dringenden Hausbesuch wegen ihrer ,todkranken‘ Katze. Frau L. wohnt – offenbar provisorisch – in einer kleinen Souterrain-Wohnung, die mit Möbeln so
vollgestellt ist, dass man sich nur mit Mühe durchs Zimmer zwängen kann. Nach dem Klingeln an der Haustür tönt eine Stimme: „Kommen Sie bitte durch den Garten, ich muss Miezi erst einsperren! Sie hat immer Panik, wenn jemand Fremdes kommt.“
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Lachesis mutus Ich schlüpfe durch die Terrassentür ins Haus. Frau L. sitzt am Telefon und winkt, ich solle mich setzen. Von der kranken Katze ist keine Spur. Sie verhandelt über den Verkauf einer Millionenvilla. Nach dem Gespräch macht sie sich auf die Suche nach ihrer Katze, die aus dem Schlafzimmer panisch unter die diversen Schränke und Tische flüchtet. „Ja, wissen Sie, Miezi hat in ihrem Leben so viel mitgemacht, sie hat panische Angst vor jeder Berührung! Sie war eine Straßenkatze. Ich habe sie gefunden, als sie aufs Schwerste misshandelt worden war. Der ganze Bauch war offen, ein Stück Darm hing heraus. Vom Tierarzt wurde sie dann in mehreren Operationen wieder zusammengeflickt. Seitdem ist sie krank. Sie konnte damals vor Schmerzen gar nicht laufen und noch heute kann sie nicht auf die Couch springen. Dann hatte sie chronischen Schnupfen und musste X Spritzen bekommen. Danach bekam sie eine Ohrenentzündung und musste wieder dauernd zum Tierarzt. Voriges Jahr musste ich sie noch mal operieren lassen, weil sie durch die Verwachsungen im Bauch wieder nicht mehr laufen konnte. Danach bewegte sie sich wieder etwas besser, aber auf einen Baum zu klettern schafft sie nicht. Und jetzt geht es ihr wieder so schlecht, vielleicht können Sie ihr ohne Operation helfen?“ Frau L. ist mit erstaunlicher Behändigkeit zwischen Stühlen, Tischen und Schränken herumgerannt, und schließlich entwischt die Katze wieder nach nebenan ins Schlafzimmer, wo wir sie gemeinsam endlich fangen können.
Untersuchung Miezi ist eine grau getigerte Katze mit viel Weiß, sehr adipös. Sie reagiert extrem empfindlich auf jede Berührung: Das Abdomen spannt sich wie ein Brett. Dabei geht ein lauter Flatus ab. Fiebermessen ist wegen extremer Abwehr nicht möglich. Die Kehlgangslymphknoten sind beiderseits ca. haselnussgroß geschwollen und sehr schmerzhaft. Miezi faucht und krallt, aber Frau L. hält sie fest. Bei der Berührung des Mauls wäre sie beinahe wieder entkommen. Aber durch das aufgerissene Maul beim Fauchen ist wenigsten die extrem blasse Schleimhaut mit bläulicher Ulzera am Zahnfleisch erkennbar. An der Nase kleben gelbliche einge-
trocknete Sekrete von Katzenschnupfen. Nach dem Fauchen ist die Atmung offenbar behindert und klingt wie ein Schnarchen. Durch die Aufregung ist die Herzfrequenz fast nicht zählbar. Futteraufnahme, Trinken, Kot und Urin seien unauffällig. Frau L. nennt Miezi trotz aller Abwehr lieb und sehr anhänglich. „Miezi liegt mir unendlich gern auf dem Schoß, reibt sich an mir und steigert sich dann vor Freude in Miauen, Schreien und Singen hinein. Aber streicheln lässt sie sich nicht. Wenn ich sie mal zu fest anfasse, springt sie mir ins Gesicht oder rast fauchend davon.“ Miezi bekommt Lachesis 200. 1 Woche später berichtet Frau L., Miezi lasse sich erstaunlich gut anfassen und sogar streicheln; auch das Laufen gehe viel besser! Wochen später meldet sie sich nochmals, der Schnupfen sei jetzt wieder ganz schlimm. gelb und klebrig, die Nase sei zeitweilig ganz zugeklebt und Miezi schniefe so laut, dass man es noch im Nebenzimmer höre. Sie bekommt darauf Lycopodium 200 . Anschließend ist Frau L. mit ihrer Katze zufrieden.
Araber-Wallach – asthmoide Bronchitis 2.5.1998: Shoumin, 12-jähriger, zart gebauter, kleiner Araber-Schimmel, aber von adipöser Statur wie seine Freiberger Gefährtin. Er war bereits am 8.2.1997 wegen einer Hufrehe mit Hufbeinsenkung vorgestellt worden und hatte damals sehr gut auf eine Gabe Causticum angesprochen. Er konnte dann ca. 1/2 Jahr später ohne Beschwerden auch auf hartem Boden voll geritten werden. Jetzt wird berichtet, er habe seit 2 oder 3 Monaten eine chronische Bronchitis, habe eine ziehende Atmung und sei schon ohne Besserung mit ACE und Ventipulmin behandelt worden.
Untersuchung Viel zu adipöser Araber mit unangenehmem Temperament. Er wird seit Jahren im Offenstall mit großem Auslauf gehalten, Einstreu mit Stroh; seit dem Winter wird Grassilage von guter Qualität gefüttert.
Lachesis mutus Wenig Anteilnahme, anfangs fast stuporöser Eindruck, dann plötzlich starke Abwehr bei der Untersuchung, beißt mit flach angelegten Ohren um sich. 12 Atemzüge/min, 40 Pulse/min; Atmung deutlich doppelschlägig, bei Exspiration ist bereits eine leichte ,Dampfrinne‘ erkennbar. Nüstern nicht auffallend gebläht. Auskultation: Minimal verstärkte vesikuläre Geräusche. Husten ist nicht auslösbar durch Druck auf die ersten Trachealspangen; aber diese Manipulation löst heftigste Abwehr aus. Erst Minuten später hustet er in einzelnen Hustenstößen, trocken und würgend mit gesenktem Kopf; dann kein weiterer Husten.
Homöopathische Beobachtungen und Anamnese Der Schimmel steht anfangs teilnahmslos vor seinem Stall. Seine Freiberger Kollegin, 3-jährige Stute, kommt zum Zaun, uns zu begrüßen. Shoumin wirft seinen Hals herum wie ein Hengst und droht mit flach angelegten Ohren und entblößten Zähnen hinter ihr her. Dann steht er wieder wie teilnahmslos mit nach hinten geklappten Ohren da. Die Besitzerin berichtet, er sei schon immer der Chef und noch nie verschmust gewesen, aber so böse wie jetzt sei er sonst nicht. Zur Begrüßung bekommt er ein Stückchen Mohrrübe, was ihn zu einem sehr interessierten Gesicht animiert: Plötzlich sind die Ohren steil aufgerichtet, und das Pferd gewinnt eine ganz andere Ausstrahlung. Ziemlich aufdringlich verlangt er nach weiteren Rüben und droht in Richtung der Freibergerin. Auffallend ist wieder der krasse Gegensatz zwischen freundlichem und aggressivem Gesichtsausdruck. Die Untersuchung macht Shoumin – wie gesagt – wieder zu einem ,Giftzwerg‘: Leckerli möchte er mit freundlichem Gesicht haben, aber anfassen lässt er sich nur unter Zwang. Das sei erst in den letzten Wochen so in Erscheinung getreten, sagt die Besitzerin. Husten und Atmung seien schlimmer bei warmem Wetter.
Therapie Er bekommt eine Gabe Lachesis 200. Seither sind weder Husten noch Dyspnoe aufgetreten.
Zuletzt sah ich ihn im Rahmen einer Anamnese der Freiberger Stute am 12.10.2001. Er hat inzwischen erfolgreich mehrere lange Wanderritte absolviert.
Golda – Nymphomanie, chronische Bronchitis und HeadshakenUnterdrückungsfolgen mit traurigem Ende Golda, 6-jährige Goldglänzende Württemberger Fuchsstute, wird am 21.4.2000 zum ersten Mal vorgestellt.
Spontanbericht Die Stute gehört seit 21/2 Jahren Frau B. Seit dem Alter von 3 Jahren hustet sie; es wurde wiederholt eine COPD festgestellt. Seit 3 Jahren bekommt sie wegen rissiger Hufe hoch dosiertes Biotin, ohne Effekt. Besonders der linke Hinterhuf sei spröde und habe Hornspalten. Außerdem leide die Stute unter Dauerrosse: „Während des Reitens im Gelände bleibt sie des Öfteren plötzlich stehen, rührt sich trotz Gerte und Sporen nicht mehr von der Stelle, stellt die Ohren zur Seite und rosst. Das Putzen geht meistens gut, aber sie ist sehr kitzelig, besonders am Bauch, quietscht oft und schlägt dabei aus. Am schlimmsten ist es in der Reithalle, ca. 1 km vom Stall entfernt: Golda beginnt immer schon 100 m vor der Halle zu rossen. Wenn sie dann in der Halle ein anderes Pferd sieht, geht sie im Vorraum der Halle bis zur Bande, hängt dort ihren Hals über die Holzbegrenzung und rosst aus Leibeskräften: Hinten steht sie dann nur noch in Kniebeuge, und vorn drückt sie den Hals dermaßen auf die Holzkante, dass schier die Augen herausquellen. Voriges Jahr hat sie deshalb vom Tierarzt Tabletten bekommen, die aber nicht halfen. Letzten Sommer war es zeitweilig so schlimm mit ihr, dass sie in der Halle in Gegenwart von anderen Pferden überhaupt nicht zu reiten war. Sie blieb trotz aller Prügel permanent stehen und blitzte, ging keinen Schritt mehr voran. Sogar der Reitlehrer hat es nicht geschafft, sie wieder zum Gehen zu bringen.
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Lachesis mutus Daraufhin bekam Golda 2 Hormonspritzen; dann wurde es etwas besser: Sie rosste nur noch alle 3 Wochen, dann aber jedes Mal 1 Woche lang sehr intensiv. Wenn man ihr zu sehr mit der Gerte kommt, kann es auch sein, dass sie für ein paar Sätze wie ein Rodeopferd bockt. Aber wenn ich sonst – also ohne Rosse – im Gelände die Gerte einsetze, geht sie ab wie eine Rakete. Mit Gewalt und sehr mühsam kann man sie longieren. Aber meistens bleibt sie alle 5 Minuten stehen und rosst.“
Homöopathische Anamnese Golda wird in einem alten Stall mit darüber gelegener uralter Scheune gehalten. Tagsüber geht sie mit ihrer Mutter auf die nahe gelegene Weide. „Während der Rosse zog sie oft die Flanken ein und hielt die Luft an, anschließend trat Husten auf.“ Futteraufnahme, Trinken, Kot und Urin o. b. B. Keine Flatulenz. Voriges Jahr eine Kolik. Zurzeit ist sie sehr sauber, platziert den Mist nur in eine Boxenecke, aber im letzten 3/4 Jahr hatte sie ihren Mist überall in der Boxe verstreut. Golda uriniert jedes Mal nach dem Reiten. „In der Gruppe mit anderen Pferden können wir sie nicht auf die Weide stellen, sie schlägt und verprügelt alle anderen Pferde außer ihrer Mutter. Goldfee – die Mutter – hat sie wirklich fest im Griff, Golda würde nie ihre Mutter schlagen, dann bekäme sie Prügel. Auch wenn beim Reiten in der Gruppe ein anderes Pferd zu dicht kommt, droht sie und schlägt dann. Golda hat kein gutes Sozialverhalten gelernt: Sie ist hier im Stall bei uns geboren und – abgesehen vom Weidegang bei schönem Wetter – in dieser kleinen Box mit ihrer Mutter aufgewachsen. Als ich damals anfangen wollte, sie zu reiten, war sie zu stark für mich: Sie ist nur gestiegen und hat gebockt, hat mich sogar angegriffen. Sie war ein richtiger Rüpel. Ich habe sie dann für ein paar Monate in den Stall des Reitlehrers gegeben. Der hat sie erst richtig erzogen. Anfangs hat sie sich auch beim Hufschmied wie ein Schwein benommen. Wir mussten ihr sogar ein paar Mal ein Beruhigungsmittel geben. Jetzt hat sich ihr Verhalten wesentlich gebessert.
Hautprobleme gab es nie. Auf Insekten reagiert sie etwas empfindlich und bekommt leicht Quaddeln. Sattelzwang gibt es nicht, aber ich gurte immer langsam und allmählich fest. Bei Wetterwechsel oder feuchtem, schwülem Wetter ist der Husten schlimmer. Heute, bei diesem Wärmeeinbruch, atmet sie schwerer. Zurzeit schwitzt sie bei Anstrengung sehr stark.“ Erzählen Sie etwas über Goldas Charakter! – „Ihre markanteste Eigenschaft ist ihr Dickkopf. Wenn sie etwas nicht will, tut sie‘s ums Verrecken nicht! Andererseits ist sie auch sehr auf den Menschen bezogen und überaus intelligent. Neue Kommandos versteht sie schnell und gut. Mir gehorcht sie auf Pfiff: Im Gelände bin ich mal wegen ihrer Bocksprünge heruntergefallen. Golda rannte 200 m weiter, und als ich pfiff, kam sie sofort zu mir zurück. Draußen kennt sie jeden Weg. Sie ist ein Gewohnheitstier, weicht ungern von den gewohnten Routen ab. Man kann gut mit ihr allein ausreiten, aber auch mit anderen oder fremden Pferden geht es gut. Auf Schenkel reagiert sie nicht gut, ist aber dafür sehr sensibel im Maul. Das Verladen klappt mit ihrer Mutter zusammen sehr gut. Aber man kann sie unmöglich allein in den Hänger bekommen. Aber Durchfall – durch Aufregung – bekommt sie dabei nie. Zurechtweisungen und Schimpfe nimmt sie normalerweise an.“ Angst? – „Oh, es gibt vieles, wovor sie Angst hat: Manchmal ist es ein Auto, was sonst an anderer Stelle steht, mal ist es eine Pfütze. Wenn sie im matschigen Boden einsinkt, bekommt sie Panik. Aber Waschen und Abspritzen klappt einwandfrei. Am widersetzlichsten wird sie, wenn sie Prügel bekommt; dann steigt sie und bockt.“ Spielerei, Knabbern? – „Am liebsten beknabbert sie den Hufschmied. Wenn sie den lange genug und intensiv berochen hat, beginnt sie meistens zu rossen.“ Goldas Stimme? – „Sie kann mächtig wiehern – manchmal wie ein Hengst. Aber man kann sich manchmal sogar mit ihr unterhalten, wenn sie in der richtigen Stimmung ist: Dann blubbert sie dauernd vor sich hin, z. B. beim Putzen kann das vorkommen.“
Lachesis mutus Untersuchung Durch leichten Druck auf die ersten Trachealspangen sind mehrere trockene Hustenstöße auslösbar. Allerdings stößt diese Maßnahme auf ganz massive Abwehr: Golda wirft den Kopf herum und droht mit angelegten Ohren. Der gesamte Rücken ist druckempfindlich. Am sensibelsten reagiert sie auf den AkupunkturPunkt B 23 (Niere, Ovarien). Druck auf diesen Punkt lässt Golda herumspringen, und sie versucht mich zu schlagen und vorn zu beißen. Der linke AP-Punkt Lu 1 ist ebenfalls druckdolent, ebenso KG 12. Die Druckempfindlichkeit ist generell auf der linken Körperseite deutlicher ausgeprägt als rechts. Die Auskultation der Lunge ergibt beiderseits deutliche, stark giemende Geräusche. Die Atmung ist sehr flach, die Atemfrequenz wechselt und liegt zwischen 30 – 40 Atemzügen/ min. 21.4.2000: Lachesis M. 2.5.2000: Husten häufiger, aber keine Atemnot. Golda ist wieder rossig, aber reitbar. 5.5.2000: Rosse und Husten sind heute zum ersten Mal etwas besser. Mai 2000: Gutes Verhalten beim Reiten und Putzen, gestern war sie mit einem Wallach auf der Weide. Golda habe ihn ,angemacht‘ wie einen Hengst und habe dabei auch wieder gerosst, heute rosse sie nicht mehr. Die Besitzerin beobachtet, dass Golda Sand frisst. (Lachesis hat Verlangen nach Unverdaulichem.) 31.5.2000: Stallbesuch: Golda rosst seit 5 Tagen intensiv, ist momentan nicht zu reiten. Placebo. Am nächsten Tag ist die Rosse vorbei. 19.6.2000: Rosse beginnt seit heute und dauert 5 Tage. 19.7.2000: Rosse seit 4 Tagen, Golda ist aber zu reiten. Die Besitzerin ist glücklich über ihr Superpferd! Golda sei noch nie so gut zu reiten gewesen! Ende August 2000 war ich für ein paar Tage im Urlaub. In dieser Zeit verletzte sich Golda an einem Schlehendorn, der ins Carpalgelenk eindrang. Im Universitäts-Tierspital Zürich wird die Verletzung chirurgisch und antibiotisch versorgt. Die Besitzerin staunt anfangs, wie gut sich Golda dort hantieren lässt. Aber von einem Tag auf den anderen beginnt sie wieder zu rossen mit den schlimmsten Abwehrreaktionen. Plötzlich habe man kaum noch an sie herankommen können. Golda gilt nun als gefährliches Pferd.
Gleichzeitig sei auch wieder Nasenausfluss und Husten aufgetreten. Die gynäkologische Untersuchung ergab einen großen Follikel am linken Ovar. Anfangs riet man der Besitzerin von einer Operation ab; aber als sich das aggressive Verhalten in den folgenden Tagen nicht bessert, lässt sich die Besitzerin zu einer beidseitigen Ovarektomie überreden. 27.9.2000: Golda geht es gut, die OP-Wunden seien gut verheilt. 24.10.2000: Stallbesuch wegen erneutem Husten.
Untersuchung Golda beriecht aufdringlich meine Jacke. Mit weit geblähten Nüstern wird sie immer aufgeregter, als sie am Ärmel andere Pferde und sicher auch meinen Hengst riecht. Sie steigert sich immer mehr hinein, wiehert blubbernd, schubst mich herum, weicht aber auf energische Ansprache zurück. Die eben noch steil nach vorn gerichteten Ohren sind plötzlich flach angelegt, Golda schießt wie eine Giftnatter mit entblößten Zähnen auf mich los. Kaum riecht sie wieder die Düfte meiner Jacke, sind im nächsten Moment die Ohren wieder steil aufgerichtet, die Nüstern gebläht, die Atmung schnarcht aufgeregt. Berührung von Flanken und Bauch lösen noch mehr Aufregung und Abwehr aus. Schließlich steht Golda in ihrer Box und tobt unsinnig herum, schlägt mit den Hinterfüßen gegen die Wand, wirft ihren Kopf umher, springt im Kreis herum, wirft sich gegen die Wand, wirft wieder den Kopf umher. Die Besitzerin versucht sie zu beruhigen, wird aber unsanft an die Wand gedrückt und bekommt Goldas Schädel um die Ohren. Entsetzt schauen die übrigen Reiter Goldas Tobsuchtsanfall zu. Nachdem sich Golda nach eine Weile wieder etwas beruhigt hat, holen wir sie nochmals aus der Box und ich versuche, sie zu untersuchen. Leichtes Streichen über die Unterseite des Halses löst wieder heftige Aggressionen aus. Golda springt mir mit angelegten Ohren fast ins Gesicht; unmittelbar danach wieder interessiertes Beriechen meiner Jacke mit blubberndem, hengstartigem Wiehern. Klarer Fall: Golda braucht wieder Lachesis M. Es dauert noch einige Tage, bis sie sich wieder ,normal benimmt‘ und bis der Husten aufhört. 5.12.2000: Bisher war Golda sehr gut zu hantieren und zu reiten. Seit vorgestern wieder Husten.
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Lachesis mutus Das Heu riecht muffig und schimmelig. Lachesis XM. 15.5.2001: Plötzlich wieder Atemnot. Golda ,hüstelt‘, ist gut zu reiten und friedlich zu hantieren. Lachesis XM. 8.9.2001: Seit vorgestern sei Golda wieder ,unmöglich‘: Sie hustet, hat giemende Bauchatmung und tobt wieder mit extremem Kopfwerfen in der Box herum. Atemfrequenz bei ca. 30 Atemzügen/ min. Sie lässt sich weder anbinden noch reiten. Sogar unter dem Sattel werfe sie dauernd den Kopf herum und versuche, ohne ersichtlichen Grund zu steigen. Die Besitzerin weint, ist völlig mit den Nerven am Ende wegen ihres ,spinnenden‘ Pferdes. Wir denken über einen evtl. Auslöser nach: Vor 3 Tagen hatte es einen heftigen Sturm gegeben, der in dem offenen Scheunenraum über den Pferdeboxen sehr viel Staub aufgewirbelt hatte. Ich empfehle der Besitzerin, sich einen anderen Stall zu suchen. Golda bekommt wieder Lachesis XM. Es dauert ca. 1 Woche, bis sich die Atmung normalisiert und bis der Husten vorüber ist. Das Headshaken wird in dieser Zeit ebenfalls besser, braucht aber ca. 3 Wochen, bis es endgültig verschwindet. März 2002: Phlegmone am linken Vorderfuß, hochgradig berührungsempfindliche Schwellung bis zum Carpus. Lachesis XM. Während der dreitägigen Genesung ist Golda „fit wie ein Turnschuh“. Frau B. geht mit ihrem Pferd spazieren, aber Golda ist trotz der Phlegmone vor Übermut kaum zu halten. Am dritten Tag sind Schwellung und Schmerzen vorbei. Im Herbst tritt ein kurzer Bronchitis-Husten auf, der diesmal mit Phosphor abklingt. In der Zwischenzeit ist Frau B. mit ihrem Pferd sehr zufrieden. Im Frühjahr 2003 beginnt die ovarektomierte Stute wieder zu rossen, genauso schlimm wie früher! Sie ist aggressiv, greift beim Longieren ihre Besitzerin an. Diese ist empört, hat das Tierspital in Zürich die Ovarien nicht vollständig entfernt?
Golda kommt wieder nach Zürich und wird endoskopiert. Dabei stellt man an Darmschleimhaut und Peritoneum zahlreiche hormonell aktive Follikel fest. Diese werden entfernt. Golda war schon bei der Einlieferung ins Tierspital aggressiv und unleidlich. Aber nach der Entfernung der Follikel lässt sie sich gar nicht mehr hantieren, sie tobe wie eine wahnsinnige, beiße und schlage, sie sei nicht mehr in den Behandlungsraum zu bringen, die Pfleger befürchten, verletzt zu werden. Im Einverständnis mit der Besitzerin wird das Pferd erschossen.
Epikrise Das ist ein trauriges, aber deutliches Beispiel für Folgen von Unterdrückungen im Sinn der Homöopathie. Die Lachesis-Therapie hatte offensichtlich bis Ende August 2000 sehr gut gewirkt. Nach der Verletzung mit dem Schlehendorn hätte die Stute wieder ihre homöopathische Arznei gebraucht, ist aber stattdessen schulmedizinisch behandelt worden. Hinzu kam die Entfernung der Ovarien, des „Zielorgans“ ihres pathologischen Zustands, während aber die zugrunde liegende Störung in der hormonellen Steuerung bestehen blieb. Anschließend trat die alte Atemwegsproblematik wieder auf und zusätzlich die neue zentralnervöse Erscheinung (Tobsuchtsanfall, Headshaken). Die Pathologie verläuft entgegen der Hering’schen Regel. Aber erneute Gaben von Lachesis bringen das wieder in Ordnung. Im Frühjahr 2003 hätte die Stute für das Wiederauftreten der alten Symptome wieder Lachesis bekommen müssen. Stattdessen wurde das „Zielorgan“ ihrer Pathologie erneut beseitigt. Die Unterdrückungsfolge war die offenbar zentralnervös bedingte Aggressivität. Vielleicht hätte man diese wieder mit Lachesis oder Hyoscyamus heilen können.
Lycopodiumclavatum
Lycopodium clavatum
Keulenbärlapp
Signatur, Thema und Idee des Mittels Das Arzneimittel Lycopodium wird aus den winzigen Sporen der Bärlapp-Pflanze hergestellt. Lycopodiaceen gehören zu den ältesten Pflanzengattungen der Erde. Einstmals, unter den atmosphärischen Bedingungen des Erdaltertums vor ca. 300 Millionen Jahren, waren Bärlapp-Gewächse hohe Bäume. Lycopodium clavatum ist dank seines „Durchhaltevermögens“ bis heute erhalten und rankt nunmehr als „Bodenfichte“(„Ground Pine“), ca. 10 – 15 m lang horizontal am Waldboden entlang. Nach oben sendet es saftig begrünte, 15 – 20 cm lange Ästchen, nach unten verankert es sich durch kleine Wurzelsprosse, zusätzlich zur Ausgangswurzel. Dieser Bewuchs des Waldbodens ist enorm widerstandsfähig, selbst Fußtritte scheinen ihm nichts auszumachen; die LycopodiumÄstchen richten sich sofort wieder auf, ohne geknickt zu werden. Das Thema „Überleben“, auch unter widrigsten Umständen, ist eine charakteristische Eigenschaft des Lycopodium-Patienten. Homöopathisch verwendet werden die winzigen Sporen dieser Pflanze. Sie sind so stabil und widerstandsfähig, dass sie vor der homöopathischen Aufbereitung viele Stunden in einer Kugelmühle zerrieben werden müssen, bevor es gelingt, diese Ausgangssubstanz nutzbar zu machen. Lycopodium-Sporen wurden in vergangener Zeit als „Theaterblitz“ verwendet: Tausende der winzigen Sporen wurden in die Luft geblasen und angezündet. Deren fetthaltiger Überzug ließ eine Stichflamme entstehen, die Schauspieler konnten dabei kurzfristig ihre „besondere Rolle“ darstellen, aber mangels Brennsubstanz kam es schnell wieder zum Verlöschen der Flamme, sodass nicht viel mehr als ein kurzer Bluff übrig blieb. Die meisten Lycopodium-Patienten streben intelligent und mit diplomatischem Geschick nach Selbstdarstellung und eigenen Vorteilen. Der harte Konkurrenzkampf gegen Nebenbuhler ist ein häufiger, kräftezehrender Lebensinhalt.
Ohne Konkurrenz genießt er eine angesehene Rangordnung im sozialen Bereich, ein bequemes Leben ohne viel Mühen und Arbeit mit vielen Vergnügungen. Solange sich der vierbeinige Lycopodium-Patient im Einflussbereich seines ranghöheren Besitzers befindet, folgt er gehorsam, freundlich, ja sogar oft unterwürfig. Sobald aber die Möglichkeit besteht, sich diesem Einzugsbereich zu entziehen, nutzt er das zum eigenen Vorteil aus. Rangtiefere Artgenossen oder Menschen erfahren seinen Eigensinn, Prahlerei und Arroganz und – in zweifelhaften Situationen – seine oft ängstliche, sogar hinterhältige Aggressivität. Auch eine gewisse Feigheit in unsicherem Umfeld gehört zur geschickten Überlebensstrategie. Tadel, Fehlschläge oder mangelnde Anerkennung nimmt er hin, ohne sie zu äußern, aber innerlich treffen ihn gerade Demütigung und Kränkung an seinem empfindlichsten Punkt und können langwierige schwere Erkrankungen nach sich ziehen. Der opportune Weg des geringsten Widerstands zum eigenen Vorteil ist für ihn immer der richtige. Seine intelligente und präzise geplante Strategie vermeidet unwägbare Risiken oder zu viel Verantwortung. Lycopodium ist eine der wichtigsten Arzneien für ängstlich-zögerndes Verhalten und Erwartungsangst. Die „aufgeblähte“ Selbstdarstellung von Lycopodium findet ihren Gegenpart in Blähungsbereitschaft der Verdauungsorgane. Jede beklemmende Enge (lat. angina) stört ihn, sei es enge Kleidung, ein enger Raum oder eine Menschenmenge, in der er die Übersicht verliert. Krankheiten der „Enge“ können sich in rezidivierender Angina tonsillaris oder Angina pectoris äußern. Eine konservative Lebenshaltung gehört zu den wirksamen Strategien angstgeprägten Überlebenswillens, kann aber auch zur „Versteinerung“ führen. So findet sich eine Veranlagung speziell zu Nierensteinen, Harngries und Gicht. Ferner gibt es Gallensteine als inkorporierten Ärger, der aus Gründen des Opportunismus nicht ausgesprochen wird.
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Lycopodium clavatum Die Bärlapp-Pflanze verfügt über einen problematischen Metabolismus: Für den Zuckerstoffwechsel z. B. sorgt die Symbiose mit einem Pilz. Ohne diesen wäre Lycopodium nicht imstande, sein Chlorophyll zu produzieren. Entsprechend neigen Lycopodium-Patienten auch zu Diabetes. Der allgegenwärtige Stress um das Aufrechterhalten seines Images geht ihm besonders an Leber und Nieren. Grundsätzlich gehören Stoffwechsel-Probleme schwerpunktmäßig zu den Schwachpunkten des Lycopodium-Patienten. Die Fortpflanzung der Bärlapp-Pflanze ist eine komplizierte Angelegenheit: Sie benötigt für eine Reproduktion 7 Jahre, um Sporen, Prothallium, männliche und weibliche Anteile, Befruchtung und schließlich eine neue Pflanze hervorzubringen. Kein Wunder, dass der Lycopodium-Patient häufig unter Fertilitätsstörungen leidet. Auch in der Entwicklung des jungen Organismus können Kümmerlinge mit krummen Knochen und mangelnder Intelligenz vorkommen, allerdings auch das Gegenteil: frühreife, vorlaute Hochintelligenz.
Im Übrigen können auch andere entgegengesetzte Polaritäten des potenten Machos im Vordergrund stehen: ein schwächlicher, feiger Organismus mit mangelnder Intelligenz in untergeordneter Stellung. Lycopodium verfügt mit all diesen Signaturen über ein enorm breites Spektrum an Ausprägungen von Charaktereigenschaften. Das Bild spannt sich aus zwischen dem unterwürfigen, lebensuntüchtigen Angsthasen, über den feigen, hinterhältigen Kriecher, den zielstrebigen Emporkömmling, den bluffenden Angeber, den liebevoll-väterlichen Chef bis hin zum unpersönlichen, omnipotenten Regenten und Organisator. Ebenso groß ist die Variationsbreite seiner Erkrankungen – vom banalen Infekt bis zu schwersten lebensgefährdenden Erkrankungen. Thema und Idee: Überlebensstrategie, Selbstwert, Konkurrenz, aufstrebender Opportunist, Feigling, Sicherheit.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Das Streben nach gehobener Position bei Mensch und Tier ist ein Kennzeichen von Lycopodium und entspricht weitgehend dem heutigen „Geist der Zeit“. Lycopodium-Patienten sind nicht immer leicht zu erkennen. Sie können dank ihrer Anpassungsfähigkeit so unauffällige Symptome haben, so „normal“ erscheinen, dass der Tierbesitzer kaum etwas Charakteristisches äußern kann. Daher ist es durchaus mit anderen Mitteln zu verwechseln. Bei manchen Patienten kann aber auch eine antiautoritäre Widersetzlichkeit bis zur unverschäm-
ten Frechheit an Mittel wie Caust. oder Sep. denken lassen. Mit nachgiebigen Menschen treibt Lycopodium gern seinen Schabernack, woraus möglicherweise vermeintliche Verhaltensstörungen resultieren. In der Regel ist jedoch der Lycopodium-Patient durch autoritäres Auftreten einzuschüchtern (Puls., Sil., Staph.). Eine konsequente Erziehung befähigt Lycopodium zu höchsten Leistungen. Seine Intelligenz lässt z. B. den LycopodiumHund (z. B. Schäferhunde) bei entsprechender Ausbildung zum zuverlässigen Schutz- oder Suchhund werden.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute Erkrankungen: akute Erkrankungen entwickeln sich langsam, im Laufe einiger Tage; i. d. R. nicht perakut entwickeln sich häufig im Rahmen einer zugrunde liegenden Lycopodium-Konstitution Chronische Erkrankungen: Lycopodium ist eines der Mittel mit dem weitesten Wirkungsspektrum für alle Arten chronischer Erkrankungen
Beginn: häufig auf der rechten Seite, dann Übergang auf die linke Seite oder streng einseitige Beschwerden Verschlimmerung: am späten Nachmittag bis Abend, durch Kaltwerden Atemwegsinfekte: Schnupfen (Katzen), Sinusitis, Angina, Bronchitis, Pneumonie, Nasenflügelatmung
Lycopodium clavatum Folgen von nicht ausgeheilten Atemwegsinfekten (bes. Pferd, Kalb) Otitis bei Hunden und Katzen, insbesondere mit Ohrmilben und reichlichem Ohrenschmalz Verdauungsapparat: Magenprobleme, Gastritis, Megakolon, Flatulenz, Kolik, Diarrhö, Obstipation Ulzera, Infektionen, Krebs Appetit ⬍ beim Beginn zu Fressen, ⬍ Anblick, ⬎ durch Fressen Hunger nachts, bettelt oder stiehlt Futter in der Nacht ⬍ durch kalte Tränke, ⬍ Kaltwerden müde nach dem Fressen Abmagerung trotz guten Fressens Flatulenz mit Kolik-Neigung häufig druckempfindliches Abdomen
Schwerpunkt Leber, Nieren: Steine, Nephritis, Organdegeneration, Aszites, Krebs entsprechende Stoffwechselstörungen Urogenitalerkrankungen aller Art, Nierensteine, Blasensteine, Kolik, Inkontinenz Fertilitätsstörungen, Mammatumoren, gleichgültig gegen Junge Bewegungsapparat: Arthritis, Arthrosen, Rheuma, Gicht, Rückenbeschwerden ⬍ am Anfang, ⬎ durch fortgesetzte Bewegung Torticollis, Lumbago, „Dackellähme“ (Nux u. a.), Erkrankungen der Hüftgelenke Haut: verschiedenartige Hautausschläge, zerstören das Fell stinkende Pfoten, Fußschweiß
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Haarkleid hell oder dunkel pigmentiert, helle Augen bei dunklem oder rotem Fell im Sommer häufig viele dunkle Flecke im Fell, an der Nase oder an wenig pigmentierten Augen (Sommersprossen) meist wacher, ,intelligenter‘ Blick oft ,gestresster‘, angespannter Gesichtsausdruck, der das Tier älter erscheinen lässt als es ist oft eng stehende Ohren; Längsfalten an der Stirn oft bereits in jungen Jahren ergraute Haare im Gesicht häufig frühe Geschlechtsreife oder spätreif, evtl. sogar Kümmerer mittelgroß, evtl. auch Zwergwuchs schmaler Thorax, dicker Bauch; evtl. sogar Hängebauch häufig Abmagerung trotz guten Fressens, schlechte Futterverwerter schlau, freundlich bis überfreundlich und entgegenkommend (wie Puls. oder Phos.!) aber leicht gekränkt, kaum nachtragend, auf Anerkennung bedacht, aber kein primärer „Schmuser“ oft gelbe Zähne Nasenflügelatmung bei Erkrankungen der Atemwege Haarausfall bei hormoneller Imbalance, nach Geburt oder nach Kastration
Hund eines der häufigsten Mittel für Schäferhunde, Dackel, Jagdhunde, Turnierpferde u. a. intelligente Tiere Längsfalten zwischen den Augen; graue Schnauze schon in jungen Jahren freundliches Wedeln mit dem Schwanz, wenn angesprochen (Puls., Phos.) oft sehr unterwürfiges Wesen (Puls., Sil.); möglicherweise sogar nachgiebiger Charakter oder ,sieghafter‘, ,triumphierender‘ Ausdruck oft intensiver Geruch „nach Hund“ (wie Sulf.)
Katze trägt weniger deutliche äußere Merkmale des Mittels als andere Tierarten daher nicht einfach bei Katzen zu erkennen autarke Tiere, keine „Schmuser“, sitzen gern an erhöhten Plätzen
Pferd häufig Schimmel, alle Farben sind vertreten, Braune mit Birkauge Fliegenschimmel im Sommer (Sommersprossen) oft schon in jungen Jahren eingefallene Gruben über den Augen; sieht vorzeitig gealtert aus oft eingefallene Wangengruben (Stressgesicht), eng stehende Ohren häufig elegante Pferde mit sehr viel Charme und Ausstrahlung
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Lycopodium clavatum Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens sehr breites Spektrum der Persönlichkeiten – vom „feigen Kriecher“ bis zum „souveränen Führer“, je nach miasmatischer Ausprägung – Psora: rangtief, ängstlich, unterwürfig, „wesensschwach“, Angstbeißer, suchen Schutz und Sicherheit – Sykose: feige Angeber, Angstbeißer, Führungsqualitäten, leistungsfähig – Syphilis: unnahbar, reserviert, machtliebend bis aggressiv; in Gefahr aggressiv und destruktiv durch Angst und „Notwehr“ (wie Ars.) Allgemeines: häufig gestörtes Sozialverhalten, mit mangelnder Aggressionshemmung gegen rangtiefe Individuen „Radfahrer-Verhalten“: nach oben ducken, nach unten treten" – freundlich zu Dominanten, aggressiv zu Untergeordneten und Jungtieren häufig intelligentes Streben nach höherem Rang häufig ausgeprägte Eifersucht gegen Konkurrenten unterwürfige, feige Opportunisten brav und gehorsam, wenn von kompetenter Person gefordert, aber widersetzlich, wenn möglich der schlaue Erfinder von Möglichkeiten, die ihn zu seinem Ziel führen Sicherheit und Schutz steigern sein „Selbstwertgefühl“: schließt sich gern an ranghöhere Artgenossen an; ranghoch in Begleitung seiner Bezugsperson, aber feige, wenn allein; Unsicherheit in fremder Umgebung, Misstrauen gegen Fremde; kann sich aber durchaus an Veränderungen anpassen Zurücksetzung, Demütigung, Kränkung, Konkurrenz lösen Erkrankungen aus männliche Tiere sind meist sehr sexuell betont, weibliche können recht kokett sein Muttertiere sind oft gleichgültig gegen ihre Jungen; verlassen oder kümmern sich nicht um sie vermeiden oft das Urinieren in Gegenwart anderer (wie Nat-m.) meist empfindlich gegen starke Gerüche (Pferd: Flehmen) Verhaltensspektrum: „höflich“, freundlich zuvorkommend, plumper Rüpel, feige, reizbare Aggressivität oder Souverän „sieghafter“, „herrischer“ Blick rangtiefster, wehrloser „Prügelknabe“
rangtief und hinterhältig-aggressiv zu anderen Rangtiefen, z. B. zu Jungtieren, neuen Herden-, Familienmitgliedern oder zu Kranken Streitsucher mit rangähnlichen Kollegen, Streben nach höherer Position, Konkurrenzverhalten braves, sehr gehorsames Wesen, immer bereit, seinem ranghohen Besitzer zu dienen (Hund, Pferd, Rind) stur, dickköpfig, ungeeignet zur Dressur bei fehlender Dominanz der Bezugsperson Ungehorsam ohne massiven autoritären Druck nutzt bei jeder Gelegenheit seinen Eigensinn, sein Verlangen, eigene Bedürfnisse zu befriedigen liebt es, wenn möglich oder opportun, seine Macht zu demonstrieren, Imponiergehabe sehr intelligent, lern- und anpassungsfähig oder dummer Rüpel, rempelt plump andere an, wirft andere um, demonstriert dann seine Dominanz, blufft mit Aggressionen aggressiv, wenn rangtiefere Menschen oder Tiere über ihn bestimmen wollen liebe, nette, nachgiebige Tiere, die aber extrem aggressiv werden, wenn in die Enge getrieben, bis zum aggressiven „Töten“ oder freundlicher, gehorsamer, leistungsbereiter Souverän (geheiltes oder gesundes Lycopodium) intelligente einfallsreiche Betteltiere, verlangen oder stehlen ihre Leckerbissen Diskrepanz zwischen Feigheit und Dominanz: versteht sich mit Charme zu produzieren und durchzusetzen, wenn es die Situation erlaubt geht in opportunistischer Weise den Weg des geringsten Widerstands duckt sich feige vor Ranghöheren durch dominante Zurechtweisung i. d. R. schnell einzuschüchtern dominierend gegenüber Rangtieferen, unsicheren Individuen oder Kindern, oft sogar aggressiv bei Strafe oft nicht primär widersetzlich, „schluckt“ seinen Ärger und wird evtl. davon krank duldet von Rangtieferen keine Opposition, keinen „Widerspruch“ wird aggressiv, wenn von nicht kompetenter Seite zurechtgewiesen primäre Aggressivität nur, wenn in die Enge getrieben („Zorn mit Angst“)
Lycopodium clavatum gibt nach, wenn von Ranghöheren angegriffen, kann sich dann evtl. nicht wehren („nachgiebig“) Distanz und Entgegenkommen: oft freundlichdistanziert nimmt Zuwendung gern an, aber verlangt sie meist nicht so ausdrücklich wie Puls. oder Phos. oder sehr unterwürfig, Hunde fallen evtl. auf den Rücken (wie Puls., Sil., Staph.) oder bestechlicher „Jedermanns-Typ“, freundlich zu jedem kein primär emotioneller Typ (Ausnahmen beim Hund) nicht aufdringlich wie oft Puls., trotzdem „dankbar“ für Zuwendung besonders bei Krankheit eher abweisende Stimmung häufig „Hypochonder“, überempfindlich gegen Beschwerden oder Schmerzen
Hund oft „schüchtern“ und abhängig vom Schutz durch den Besitzer oder ranghöherer Kollegen daher häufig scheinbare Verhaltensprobleme (!) passt sich gut an neue, kompetente Besitzer an „Wesensschwäche“, insbesondere durch unsichere Bezugspersonen Zurechtweisungen von unsicheren, rangtieferen Personen können zu Aggressivität führen oft bestechliche „Jedermannshunde“, z. B. manche Beagles, Pudel u. a. (wie Puls.) aggressiv, wenn die beschützende Bezugsperson in der unmittelbaren Nähe ist, sonst feige, oft reserviert und zurückhaltend tyrannisiert schwächere Familienmitglieder, z. B. Kinder und andere Tiere im Haus häufig ausgeprägter Futterneid, stiehlt auch vom Tisch, wenn unbeobachtet häufig sehr ängstlich, zittern durch Angst, schreien laut vor Unbehagen, Angst oder Freude häufig Hecheln mit Stimmäußerung, das sich zum Heulen steigert Stromer, läuft davon, sucht „Unterhaltung“, geht jagen oder auf „erotische Exkursionen“ kein „Kuschel-Tier“, auch bei Krankheit erträgt er nicht sehr gern die Zuwendung sitzt gern an erhöhten Orten, wo er Übersicht hat häufig „Morgenmuffel“, morgens nicht gut für Aktivitäten zu motivieren nervöses Kauen oder Lecken an den Vorderpfoten („Daumenlutschen“)
Dackel: mit liebenswürdig-ungezogenem Charme Jagdhunde, die eine strenge, konsequente Erziehung brauchen intelligente, gut dressierte Schäferhunde (Schutzhunde, Katastrophen-Hunde) wenn kompetent erzogen, sind LycopodiumHunde hervorragende und zuverlässige Tiere! häufig angenehme, unauffällige, „normale“ Haushunde
Katze Angeber, „genießt“ sein „Pascha-Dasein“ (wie Ars.-Katzen) freut sich über Zuwendung, sucht sie aber nicht so wie die Phos.-Katze, kein „Kuschel-Tier“ Unsauberkeit durch Konkurrenz neuer Hausgenossen (Phos., Puls.) sitzt gern an hohen Orten, um die „Übersicht“ zu haben, z. B. auf dem Küchenschrank
Pferd ehrgeizig, möchte in der Gruppe meist an erster Stelle gehen „Lampenfieber“, Unruhe, Aufregung z. B. vor einem Turnier oft aufgeregt, beunruhigt durch zu viele neue Pferde, durch zu nahe vorbeilaufende fremde Pferde oft Platzangst im Transporter, in engen Boxen (noch extremer: Arg-n.) häufig Durchfall durch Aufregung; zuerst fest, dann immer dünnflüssiger die Leistungsbereitschaft hängt von der Qualität des Reiters ab schwache Reiter haben wenige Chancen Neigung zum Kauen und Knabbern an Gegenständen
Rind wenn ein ranghöheres Tier im Weg steht, gibt die Lycopodium-Kuh oft ihren Unmut durch Hornstöße an Rangtiefere weiter unmotivierte Aggressivität gegen Jungtiere solche scheinbar unmotivierte Aggressivität gegen Rangtiefere ist in symptomarmen, chronischen Fällen oft ein wegweisendes Symptom für Lycopodium
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Lycopodium clavatum Leitsymptome des pathologischen Geschehens Otitis: Hund und Katze: akut oder chronisch verlaufend meist rechtsseitig, nach links fortschreitend oder rein einseitig chronische, langwierige oder rezidivierende Otitis externa Otitis mit Schmerzen, Juckreiz mit reichlich Absonderung von stinkenden, schmierigen, eitrigen Sekreten oder mit reichlich Ohrenschmalz häufigstes Mittel für die Otitis externa mit Ohrmilbenbefall Gehörverlust nach Otitis Atemwegsinfekte: Rhinitis, Sinusitis, Angina, Laryngitis, Pharyngitis, Bronchitis, Pneumonie, Nasenflügelatmung oft zähe, klumpige, klebrige (wie Kali-bi.) oder rahmige gelbliche Absonderung aus der Nase Rhinitis mit Schniefen bzw. Schnauben meist wund machende Absonderung Katarrh der oberen Luftwege: entwickelt sich oft zur Sinusitis frontalis; absteigende Atemwegsinfekte in die Bronchien, dann evtl. Pneumonie akute Pneumonie mit Nasenflügelatmung Lungenkrebs (u. a.) verschleppte, nicht ausgeheilte Bronchitis oder Pneumonie
Pferd Druse (Puls., Lach., Hep. u. a.) mit Nasenflügelatmung Druse beginnt rechts, geht dann nach links Schwellungen, Entzündungen, Abszesse der Kehlgangslymphknoten (Hep.) Sinusitis mit klebrig-pappiger Absonderung (wie Kali-bi.) chronischer Husten, chronische Bronchitis Pneumonie, häufiges Mittel für die COPD beim Pferd, auch evtl. bei akuten allergischen Schüben (neben Ars., Nux-v., Phos., Lach. u. a.)
Hund, Katze häufig klebrige, gelblich zähe Absonderung, evtl. gemischt mit flockigem Schleim Absonderung verklebt die Nasenlöcher, dabei oft schniefende Atmung, bes. Jungtiere
Sekret-Bläschen vor den Nüstern synchron mit der Atmung Schnupfen besonders bei Jungtieren und Neugeborenen (Nux-v.) „Stinknase“ durch übel riechende Absonderung, evtl. auch mit Blut durchsetzt (bes. Katze) häufig (morgens) verklebte Augen eines der häufigsten Mittel für diese Art von Katzenschnupfen Verdauungsapparat: Maul: Beschwerden durch bzw. während des Zahnwechsels vorzeitiger Zahnverfall bei Jungtieren (Calc-c., Calc-p., Phos., Staph., Sil. u. a.) Zahnwurzelabszesse, Zahnfisteln, Zahnfleischentzündungen und -geschwüre stinkender Maulgeruch (wie viele andere Mittel) Lähmung der Zunge (Op., Caust., Plb.) Warzen auf der Zunge offenes Maul im Schlaf mit Speichelfluss leicht geöffnetes Maul, Zunge schaut zwischen den Schneidezähnen heraus Neigung zum Lecken und Knabbern aus Nervosität oder Langeweile Hund, Katze: Lockerwerden von Zähnen mit Empfindlichkeit Abdomen: akute, subakute, meist aber chronische Magen-Darm-Erkrankungen aller Art mit genannten Modalitäten, vor allem ⬍ am späten Nachmittag bis frühen Abend alle Arten von Oberbauchbeschwerden, Aufstoßen häufig Leber- und gleichzeitig Nierenbeschwerden (!) sehr häufig Tendenz zu Flatulenz, Gärungsdyspepie mit aufgetriebenem Abdomen Koliken bei Jungtieren Organdegeneration, fast jeder Art eines der wichtigsten Mittel für Aszites (aber nicht bewährt für FIP der Katze) Krebs (an Magen, Leber, Darm, Nieren u. a.) Stoffwechselstörungen, fast jeder Art (Nux-v.!) chronische Lebererkrankungen, Dyspepsie, Flatulenz, häufiger Blähungsabgang häufiges Mittel für Diabetes (aber häufiger Phos. u. a.) Dysfunktionen des Pankreas (bes. Schäferhund, neben Phos.)
Lycopodium clavatum Magen: Magen-Darm-Beschwerden durch nicht geäußerten Ärger Dyspepsie, Magen-Darm-Geschwüre bis Krebs Futter- und Tränkeaufnahme: gern Aufnahme von Süßigkeiten Appetit kommt beim Beginn des Fressens Appetit schwindet bei den ersten Bissen, beim Anblick des Futters gelegentlich Hunger nachts (Phos., Chin.) schnell satt, Sattfressen verschlechtert, müde nach dem Fressen Verschlechterung oder Beschwerden durch eiskalte Tränke Flatulenz mit latenter oder rezidivierender Kolik-Neigung Darm – Rektum: Parasitenbefall, auch Kokzidien, Lamblien u. a. (Bowel-Nosoden!) Kot erst fest, dann weicher, bis Durchfall Durchfall durch Aufregung (DD Phos.) häufig chronische Obstipation
Hund akute, chronische Verdauungsstörungen, Ulzera, Flatulenz, Obstipation, schlechter auf Reisen Übelkeit und Erbrechen durch Autofahren frisst häufig Gras, oft latente Übelkeit druckdolente Leber bei Palpation häufig druckempfindliches Abdomen, z. B. beim Hochnehmen akute und chronische Diarrhö, auch durch Endoparasiten Kot zuerst fest, dann immer weicher bis flüssig, in einer Portion oder während eines Spaziergangs
Pferd Koliken eher subakuter oder chronischer Art, z. B. Blinddarmkoliken ⬍ am späten Nachmittag oder Abend oft verbunden mit Rückenschmerzen („Karpfenrücken“), ⬎ durch fortgesetzte Bewegung oft verursacht oder begleitet von Harnwegserkrankungen nicht deutlich besser durch Herumführen besser durch Massage, Reiben des Bauches (wie Plb., Podo.) Abwehr gegen engen Sattelgurt, Sattelzwang (u. a.)
Rind Verdauungsstörungen aller Art (akut: häufig Nux-v.) Leber- und Stoffwechselerkrankungen, Ketose (Nux-v., Phos., Flor de Piedra u. a.) Prophylaxe von Stoffwechselentgleisungen, bei Vorhandensein von konstitutionellen Lyc.-Merkmalen Harnwege: Infekte aller Art, Nieren-, Blasensteine evtl. mit Kolik Nephritis, Nephrose, Nierenversagen, Nierendegeneration bis Urämie Harnverhaltung Neugeborener (Acon., Apis, Ars.) Konkremente in Niere und Blase mit Kolik-Erscheinungen Entzündungen der Harnwege, auch rezidivierend, besonders bei männlichen Tieren ausgelöst häufig durch Kalt- und Nasswerden (Rhus-t., Dulc.) häufiger Harndrang manchmal rotes Urinsediment erfolgloser oder häufiger Harndrang, Tenesmus, Inkontinenz Schmerzen schlimmer vor, besser nach dem Urinieren
Hund eines der möglichen Mittel für Inkontinenz häufiger Harndrang mit Jaulen
Katze Harnabsatzprobleme, Harngries bei kastrierten Katern (DD Sars., Nux-v.) Niereninsuffizienz bis Nierenversagen mit Tendenz zu Urämie (wie Ars., Phos., Nux-v.)
Pferd unklare Miktionsstörungen mit aufgekrümmter Lendenwirbelsäule (Karpfenrücken) Wallach, Hengst: häufiges Ausschachten mit vorbereitender Körperhaltung ohne Harnabgang Genital: meist sexuell betonte Tiere, gelegentlich auch fehlender Geschlechtstrieb häufig frühzeitige Geschlechtsreife Zyklusstörungen, Sterilität, rechtsseitige Ovarzysten, Mammatumoren (Puls., Con., Phos. u. a.)
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Lycopodium clavatum verzögerter Descensus testiculorum bei Jungtieren (Nux-v., Calc-c., Aur. u. a.) Prostataentzündung, -vergrößerung Wirbelsäule: alle Arten von Wirbelsäulenverkrümmungen, Spondylitis, Diskopathien, Lumbago (Nux-v.) Torticollis, Hals meist nach rechts gezogen Hund: eines der Hauptmittel für subakute und chronische Diskusbeschwerden (,Dackellähme‘) (Phos.) (im Akutfall häufiger Nux-v., Hyp., Rhus-t.) Pferd: eines der häufigsten Mittel für „Rückenprobleme“, „festgehaltener Rücken“ beim Reiten; besser durch fortgesetzte Bewegung; Schwierigkeiten beim Satteln („Sattelzwang“) (Caust., Lach., Nux-v.) Gliedmaßen: „rheumatische“ Gliederschmerzen vielfältiger Art; Gicht mit erhöhter Harnsäure, Gichttophi chronische Folgen von Verrenkungen und Verstauchungen (wie Rhus-t.) Hüftgelenksarthrosen (besonders Schäferhund) Lahmheiten besser durch fortgesetzte Bewegung häufig Kälte einer Extremität, die andere warm Pferd: häufiges Mittel für vielfältige Arten von chronischen Lahmheiten; Arthrosen (Schale); Sehnenerkrankungen (Fesselträger) (Rhus-t., Ruta, Calc-c., Calc-p., Sil.); empfindliche Huflederhaut; auch Vorstufe von Laminitis, die im Akutfall Nux-v., Bry. oder Apis benötigt Haut: „Sommersprossen“ u. ä. kleine bräunlichen Pigmentflecke an hellen Hautbezirken Hautausschläge beginnen i. d. R. rechts, breiten sich nach links aus Pickel, Furunkel, Abszesse, Akne häufig bei subakuten und chronischen Hauterkrankungen, die primär „das Haar zerstören“
d. h. verbunden mit wundgekratzten haarlosen Hautbezirken (Rhus-t., Ars., Mez., Merc.) aus den Hautausschlägen (bes. im Gesicht) evtl. Absonderung von reichlich seröser bis klebriger Flüssigkeit (Apis, Maland.) intensiver Juckreiz, besonders an Nachmittag und Abend, kratzt wund, Krustenbildung manchmal schlechte Wundheilung, Fisteln, chronische, ulzerierende Abszesse Hund, Katze: Lippen- und Lefzenekzem, mit Juckreiz, Exkoriation und Krustenbildung; stinkende Pfoten, Fußschweiß Pferd: fauler Strahl bei sauberer Einstreu und guter Pflege Allgemeines: Tumoren und Krebsgeschehen, eines der wichtigen Mittel für: Lungenkrebs Magenkrebs Leberkrebs Darmkrebs Blasenkrebs Prostatakrebs Krebs der weiblichen Geschlechtsorgane Rektumkarzinom Tumorgeschehen der Haut mit gewisser Einschränkung auch Mammatumoren (Carb-ac., Con. u. a.) Kümmern, Zwergwuchs und verzögerte Entwicklung bei allen Tierarten trotz bester Pflege möglich, besonders nach durchgemachter Pneumonie Komplementär zu Nux-v., Lach., Calc-c., Chin., Kali-Mitteln, Apis nicht nach Sulf. indiziert! in manchen chronischen Prozessen Reihenfolge: Calc-c., Lyc., Sulf.
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Erkrankungen durch „Demütigungen“, dominanter Besitzer (die evtl. auch Lycopodium benötigen!) Beschwerden durch Konkurrenz, mangelnde Beachtung, neue dominante Kollegen o. a. Tiere Beschwerden durch Kränkung, Zurücksetzung, übermäßig autoritäre Bezugspersonen Folgen von Leistungsstress, Beschwerden durch Aufregung, Erwartung Beschwerden durch Furcht, Kummer, nicht geäußerter Ärger
Beschwerden durch Kaltwerden, Nasswerden Beschwerden durch Bewegungsmangel, bei reicher Fütterung Beschwerden durch Erwartung, durch Aufregung Modalitäten: Symptome beginnen rechts, gehen dann nach links oder rein einseitige Symptome, auch linksseitig Beschwerden am späten Nachmittag, ⬍ ca. 16 bis 20 Uhr
Lycopodium clavatum schlechter ab 4 Uhr morgens besser nach 24 Uhr meist schlechter morgens, nach dem Schlaf („Morgenmuffel“) schlechter im warmen Raum/Stall, besser in frischer Luft besser durch kalte Anwendungen aber schlechter durch kalte Tränke
schlimmer bei nassem Wetter schlimmer durch körperliche Einengung, Platzangst eine Pfote/Extremität warm, die andere kalt besser durch fortgesetzte Bewegung, schlimmer am Anfang der Bewegung oft Verlangen nach süßen Leckerli („Schokoladenhunde“, klopfende Bettelpferde)
Ausgewählte Fallbeispiele Absatzfohlen Gari – beginnende Kolik Sommer 1996, abends, 21 Uhr.
Vorbericht Die Züchterin bemerkte, dass ihr 9 Monate alter brauner Trakehner-Hengst Gari seit 3 – 4 Tagen nicht genügend Kot abgesetzt hat. Er ist vor 4 Wochen von der Mutterstute abgesetzt worden. „Heute Abend hat er in den 5 Stunden, seitdem er von der Weide wieder im Stall ist, nur 2 Portionen harten, knolligen Mist abgesetzt, jedes Mal mit Abgang von etwas Blähungen; das hatte er früher nie. Manchmal schlägt er nach dem Bauch. Er macht ein angespanntes Gesicht mit eingezogenen Wangengruben.“
Untersuchung T 38,6⬚. Draußen war es tagsüber sehr heiß gewesen. Das Pferd hat eine warme Körperoberfläche, schwitzt aber nicht. Keine auffallenden Koliksymptome, lediglich arrhythmische, z. T. verschärfte Darmgeräusche, gelegentlich mit geringem tympanischem Klingeln. Was war los gewesen? – Hat er etwas Ungewohntes gefressen? Zu viel Klee? – War er aus der Koppel ausgebrochen? – Hat er früher schon ähnliche Symptome gehabt? Die sehr gewissenhafte Besitzerin verneint alle Fragen. Keine weiteren klinischen Symptome. Nettes, gut zu hantierendes Pferd.
Homöopathische Anamnese Erzählen Sie etwas über Charakter und Verhalten des Pferdes. – „Also Gari ist eindeutig der Chef über die anderen beiden Hengstfohlen. Als der Fuchshengst vor einer Woche neu dazu kam, hat sich Gari zuerst zurückgehalten, dann aber enorm aufgespielt – so lange, bis sich der Fuchs unterwarf, obwohl er 3 Monate älter war als Gari. Zu mir ist Gari das bravste von den drei Fohlen. Die beiden anderen sind dermaßen frech, dass ich mich ihnen nur mit der Gerte in der Hand nähern kann, sonst behandeln sie mich wie ihresgleichen. Trotzdem hat auch Gari seine übermütigen Hengstmanieren. Zum Menschen – nicht nur zu mir – ist er aber immer ruhig und umgänglich, nur Kinder würde ich nicht dranlassen. Aber ein Schmuser war er noch nie.“ Die Symptome sind: Folgen von Demütigung und Stress bezüglich seines sozialen Ranges, diktatorisches Verhalten, aber brav zu dominanten Personen. Die Verordnung erfolgte nicht nach Repertorisation, sondern nach den Begleitumständen und der „Idee“ von Lycopodium. Lycopodium LM 18, am Abend noch zweimal in stündlichem Abstand, und je 1 Dosis an den nächsten 2 Tagen. Eine andere Potenz war momentan nicht verfügbar. Am nächsten Tag T 37,8⬚. Kolikähnliche Symptome wurden nie wieder beobachtet.
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Lycopodium clavatum Rüde Ako – Ekzem 7-jähriger Retriever-Border-Collie, schwarz-weißStichelhaar-gefleckter kastrierter Rüde. Die Besitzer stehen schon vor der Praxistür, als ich ankomme. Der Hund windet sich an der Leine um die Beine seiner Besitzerin und heult. Auch in der Praxis hört das Jaulen nicht auf. „Das macht er in fremder Umgebung immer so. Neulich hat er während einer halben Stunde Autofahrt unaufhörlich geheult, weil ihm das nicht gepasst hat. Sonst fährt er sehr gern Auto.“ Der Rüde wird vorgestellt wegen eines juckenden Hautausschlags, links seitlich der Schwanzwurzel, der seit ca. 2 Wochen besteht und sich immer weiter ausbreitet. Dort findet sich eine feuchte, ca. 6 cm große haarlose Stelle mit schorfigen Krusten ringsum. Nach Ablösen der Krusten entsteht ein erweiterter feuchter, haarloser Bezirk. Andere klinische Zeichen sind nicht erkennbar. Die Fütterung erfolgt überwiegend mit Trockenfutter. Dabei bemerkt die Besitzerin, vielleicht trinke der Hund zu wenig? Der Kot sei manchmal sehr fest. Rp. Futterumstellung. Erzählen Sie mir etwas über das Wesen ihres Hundes! – „Der Ako ist immer ganz lieb. Wir haben ihn als Welpen bekommen. Ich bin seine Bezugsperson, mit meinem Mann (MS-Patient) und mit den erwachsenen Kindern kommt er gut aus. Auch mit dem Schäferhund der Tochter verträgt er sich, hat aber immer Angst vor ihm, obwohl Ako der Ältere ist. Wenn ich mal ein paar Tage fort bin, straft er mich mit Ungehorsam: Bei der kleinsten Gelegenheit haut er ab, durchstöbert die Komposthaufen und hat dann die große Kotzerei. Ich brauche nur einen Blick von ihm abzuwenden, z. B. beim Wäscheaufhängen im Garten, und schon ist er fort. Vor anderen Hunden zieht er sich ängstlich zurück. Er läuft sogar vor Welpen davon. Wenn er von einem anderen Hund angeknurrt wird, setzt er sich hin oder legt sich nieder und wedelt mit dem Schwanz. – Nur wenn er von einem Hund immer wieder allzu sehr zum Spielen bedrängt wird, zeigt er mal die Zähne und rennt dann davon. Richtigen Zorn kennt er nicht. Mit anderen Hunden spielt er schon, aber nur, wenn er Lust dazu hat. Am liebsten klebt er an meiner Seite.“
Wie hat er das heiße oder schwüle Wetter ertragen? – „Das macht ihm gar nichts aus.“ Wenn er mal draußen herumtobt, legt er sich gern in einen Bach oder trinkt? – „Das kann es mal geben, wenn er viel gerannt ist. Aber sonst geht er höchstens mit den Pfoten ins Wasser.“ Ako hechelt vor Aufregung und pfeift bei jedem Atemzug. Die ungeduldigen Ermahnungen seiner Besitzerin, er solle doch endlich still sein, quittiert er mit lautem Schreien. Man könnte denken, er habe starke Schmerzen. Schließlich stellt sich noch heraus, dass die Analbeutel prall gefüllt sind. Zum Entleeren ist es kaum möglich, an den Hinterleib des Hundes heranzukommen: Laut schreiend rennt er an der Leine um die Beine der Besitzerin, legt sich mit Unterlegenheitsgebärde auf den Rücken und strampelt mit den Beinen. Die Besitzerin – sonst eine energische Frau – kann ihn kaum halten. Schließlich liegt sie fast auf dem Boden über dem Hund, dieser schreit zum Gotterbarmen, und endlich lässt sich eine große Menge Analbeutelflüssigkeit entleeren. Aber danach herrscht nicht etwa Ruhe, sondern der Hund schreit weiter. Endlich bekommt er seine „Kügeli“ und verlässt jiepernd die Praxis.
Mittelwahl Gemüt, Weinen, lautes Gemüt, Ungehorsam Gemüt, nachgiebig Gemüt, Furcht vor Schmerzen Gemüt, überempfindlich gegen Schmerzen (synonym mit „übertriebene Angst beim Tierarzt“) Haut, Hautausschlag absondernd, zerstört das Haar
Therapie Der Hund bekommt Lycopodium XM, eine Einzelgabe. Darauf schwindet innerhalb einer Woche der Juckreiz, und die Ekzemstelle wird trocken. Nach 3 Wochen berichten die Besitzer, es sei kaum noch etwas zu sehen, es wachsen an der ehemals kahlen Stelle wieder schwarze Haare. Keine weiteren Probleme mit den Analdrüsen. Beobachtungszeit: 3 Jahre, kein Rezidiv.
Lycopodium clavatum Zorro – schwarzer Kater mit Harnwegsproblemen 10.4.1995. Zorro ist ein pechschwarzer imposanter Kraftkerl mit rundem Katergesicht, obwohl kastriert, ca. 7 Jahre alt, ein lebenslustiger Freigänger. „Seit ein paar Wochen hat er eine Blasenentzündung. Zuerst haben wir es nicht gemerkt, weil er immer draußen ist und nur zum Fressen und Schlafen heimkommt. Dann erschien er uns sehr matt und er jammerte dauernd. Durch Zufall sah ich, dass er im Garten hockte und beim Urinieren aufschrie. Wir gingen zum Tierarzt. Zorro bekam Spritzen, es wurde besser, aber er blieb matt. Nach einer Woche begann dasselbe von vorn. Wir bekamen vom Tierarzt Nieren-Diät-Futter und Zorro bekam wieder Spritzen. Der Tierarzt stellte im Urin Blasensteine fest und meinte, wenn es nicht besser würde, müsse man Zorro operieren. Aber das wird mir nun doch zu teuer. Und dieses Diät-Futter frisst er nicht, er frisst stattdessen die Brekkies der Nachbarin. Gestern und vorgestern habe ich ihn zu Hause eingesperrt. Er macht furchtbaren Terror, sitzt vor
der Terrassentür, schreit und will raus. Immerhin geht er wenigstens aufs Katzenklo. Gestern und heute hat er beim Pinkeln wieder so geschrieen. Was können wir nur machen?“ Zorro lässt sich widerstrebend untersuchen. Außer einer stark gefüllten Blase und etwas verwaschenen Schleimhäuten ist kein Befund zu erheben. Wie verhält sich Zorro zu Ihnen, ist er nett, ein Schmuser oder zurückhaltend oder was? „Er hat seine Launen. Nein, ein Schmuser ist er wirklich nicht, er kommt nur mal kurz zum Streicheln, wenn er will.“ Wie steht er zu anderen Katzen draußen? „In unserem Garten ist er der King. Er heißt nicht umsonst Zorro! Bei der Nachbarin ist er vorsichtig, muss immer erst die Lage peilen, ob nicht ihre Katze in der Nähe ist. Die lauert ihm nämlich manchmal auf und verprügelt ihn. Dann reißt er schnellstens aus, kommt zu mir in die Küche und klagt mir sein Leid." Nach diesen Angaben ist das Mittel klar: Zorro bekommt wie so viele anderen Kater mit diesen Problemen Lycopodium XM, 1 Dosis per os. Damit hat sich die Blasensache erledigt und ist nicht mehr aufgetreten.
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Natrium muriaticum
Kochsalz – NaCl
Signatur, Thema und Idee des Mittels Seit Hahnemanns Zeiten ist Natrium muriaticum, Kochsalz, ein umstrittenes Arzneimittel, weil man diesem Bestandteil der täglichen Nahrung jegliche Arzneiwirkung absprach. Die Homöopathie nutzt jedoch die feinstofflich dynamisierten Arzneien, die lediglich in ihrer energetischen Wirkung Analogien zum grobstofflichen Ausgangsstoff zeigen. Kochsalz ist ein wesentlicher Regulator osmotischer Vorgänge. Es bewegt sich dabei im Spannungsgefälle der Wasserbindung: zwischen Verfestigung zum Salzklumpen (Steinsalz) und dem Zerfließen bis zur Auflösung, dem „unsichtbar“ oder „überflüssig Werden“ im anderen Medium. Im Wasserhaushalt des lebendigen Organismus spielt das Kochsalz eine wesentliche Rolle. Auch das Arzneimittelbild zeigt Imbalancen in der Durchsaftung von Gewebe, die sowohl als übermäßige Trockenheit wie auch als verstärkte Durchtränkung mit Sezernierung von Körperflüssigkeiten in Erscheinung treten kann. Auch im psychischen Bild findet sich dieselbe Dynamik: Der Natrium-muriaticum-Patient leidet unter der Diskrepanz zwischen starrer Zurückgezogenheit und exzessiver Hingabe für andere Individuen. Die „psychische Feuchtigkeit“ (lat. „Humor“) mangelt dem mehrheitlich ernst und übelnehmerisch veranlagten Natrium-muriaticum-Patienten. Ferner haben Natrium- und Chlorid-Ionen im Organismus wesentlichen Einfluss auf die Übertragung nervöser Impulse und deren Beantwortung. Psychische Reizbeantwortung bezeichnet man auch als „Emotionen“, ein „Herausbewegen“ von Gefühlen. Der Natrium-muriaticum-Patient hält diese zurück und wirkt verschlossen, abweisend und introvertiert. Kochsalz benutzt man in der Küche überwiegend zum Würzen von Speisen: Salz – im rechten Maß angewandt – verleiht der Zunge das geschmackliche Wohlbefinden; das einer ungewürzte Suppe ist fade und „langweilig“; man lässt sie stehen. Gemäß dieser Signatur liegt ein Schwerpunkt des Arzneimittelbildes im Thema „Erregbarkeit“
und Ausgleich (Osmose) zwischen „Höhen und Tiefen“: Die Pathologie schwankt zwischen unverhältnismäßig überschießender oder gebremster Erregbarkeit auf psychischer und körperlicher Ebene oder in langweiliger Monotonie. Die enorme Sensibilität gegen seelische Verletzungen aller Art führt zu misstrauischem, zurückgezogenem Verhalten. Nat-m.-Patienten halten ihre Gefühle zurück, verschließen sich damit aber nicht nur dem Leid, sondern auch den Freuden des Lebens. Es gibt wie in der ungesalzenen Suppe wenig pointiertes Erleben. Die Patienten verhalten sich unnahbar-reserviert und wirken „langweilig“, sind daher wenig sozial integriert, fühlen sich als „überflüssige“ Außenseiter oder werden sogar als Mobbing-Opfer verstoßen – und ertragen alles, scheinbar widerspruchslos. Stattdessen versuchen sie, ihr Alleinsein zu kompensieren, indem sie sich für alles Mögliche als selbstlose und hingebungsvolle Helfer engagieren. In ihrer beständigen Leistungsbereitschaft, Rücksichtnahme und Aufopferung für andere vernachlässigen oder verneinen solche Individuen die eigenen Lebensansprüche; die Folge sind Traurigkeit und schließlich schwerste Depressionen. Seit alters her nutzt man Salz zum Konservieren und Fixieren, um verderbliche Stoffe aus der Vergangenheit für die Zukunft haltbar aufbewahren zu können. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur immer wieder die biblische Geschichte von Lot‘s Weib erwähnt: Lot und seine Familie sollten das moralisch verdorbene Sodom und Gomorrha (Sodium: engl. Natrium; vgl. Sodomie) verlassen. Gott befahl ihnen, nicht zurückzublicken. Lot‘s Weib tat es dennoch und erstarrte zur Salzsäule. Das Zurückblicken auf die Vergangenheit und insbesondere das „Konservieren“ alter, kummervoller Erfahrungen, die in fataler Weise auf die Zukunft projiziert werden, machen das Leben des Natrium-muriaticum-Patienten, kompliziert durch die passenden psychosomatischen Erkrankungen, zu einem langen, quälenden Leiden, das „geduldig bis zum Tode“ ertragen wird. Der Natrium-muriaticum-Patient mauert sich gleichsam in seiner schmerzhaften Vergangenheit
Natrium muriaticum ein (murus, lat. die Mauer) und martert sich bis zum lebendigen Erstarren. Seine häufig übermäßigen moralischen Ansprüche prädisponieren zusätzlich sein Außenseitertum. Infolge Kummers und übermäßiger Aufopferung für andere entwickeln sich Erschöpfungszustände und schließlich schwere chronischen Krankheiten. Die Ausgrenzung aus der sozialen Gemeinschaft und das Abstandnehmen von Freuden und positiven Emotionen somatisieren sich häufig in allen Variationen des allergischen Formenkreises. Kompensierend für emotionelle Abgrenzung schließt sich der Nat-m.-Patient nach mühsam überwundener Distanz sehr eng an eine oder wenige Kontaktpersonen oder ein Tier an. Wenn solche Verbindungen dann enttäuscht oder durch äußere Ereignisse beendet werden, leidet der Nat-m.-Patient unermesslich, möglicherweise sein ganzes Leben lang. Andererseits geben sich die Nat-m.-Patienten voll und ganz der Erfüllung ihrer selbst auferlegten moralischen Pflichten und Aufgaben hin, sind „rücksichtsvoll“, hilfsbereit und zuverlässig, vollbringen enorme Leistungen für andere und fordern nichts für sich, weil sie Pflichterfüllung für mora-
lisch selbstverständlich halten und an der Wahrhaftigkeit von Zuwendung und Lob zweifeln. Nat-m. erträgt alles, ist extrem „hart im Nehmen“, man kann ihm – fast – alles zumuten, und er wird sich selten beklagen. Wenn er aber trotz aller selbstlosen Leistungsbereitschaft dennoch hart und strafend misshandelt wird, kann sich eine resignierte, gehässige Abwehr gegen jeden Kontakt entwickeln, die sich bis zur scheinbar unmotivierten Aggressivität bei jeder Annäherung steigern kann. Jedoch primär tendiert der Nat-m.-Organismus nicht zu Aggressivität. Im Grunde seines Herzens möchte er getröstet und geliebt werden, gesteht sich das aber nicht zu, weil er glaubt, dafür etwas leisten zu müssen. Entgegengebrachte Sympathie weist er ab, weil er an deren Wahrhaftigkeit und seinem Selbstwert zweifelt. Natrium-muriaticum-Patienten neigen dazu, sich in unerfreulicher Vergangenheit zu verstricken und erleiden häufig tragische Lebensumstände. Thema und Idee: Psychisch und physisch gestörte „Osmose“: Zurückhalten von Körperflüssigkeiten und Emotionen bis hin zum „Erstarren“ oder „Überflüssig-Werden“.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Natrium muriaticum ist ein sehr gut geprüftes, lange und intensiv wirksames Heilmittel. Nach der beschriebenen psychischen Pathogenese von Nat-m.-Krankheiten könnte man annehmen, diese Probleme seien vom verstandesmäßigen Denken des Menschen geprägt. Aber wie in der Einführung beschrieben, ist der Patient offensichtlich von seinem „morphogenetischen Feld“ erfüllt und geformt, das ohne Mitarbeit des Verstandes wirkt und das dem homöopathischen Simile entspricht. So ist es erklärlich, dass auch Tiere aufgrund derselben psychische Verfassung erkranken können wie der Mensch und dieselben Reaktionsweisen und Kompensationsmechanismen entwickeln (s. Vorspann und Kasuistik). Nicht jeder Nat-m.-Patient muss durch negative emotionelle Erfahrungen geprägt sein, aber seine Gemütsverfassung – sein morphogenetisches Feld – schafft die Voraussetzungen für Enttäuschungen und Kummer-Erlebnisse in seinem Leben.
Häufig ist diese Prädisposition von Eltern ererbt oder bereits pränatal erworben. Kennzeichen eines „Haustiers“ ist seine Domestikation, sein Bezug zum Menschen. Umso erstaunlicher ist oft der erste Eindruck, den wir von einem Nat-m.-Tierpatienten gewinnen: Diese Tiere zeigen häufig ein Verhalten, das für domestizierte Rudel- bzw. Herdentiere untypisch und auffallend ist: Sie nehmen wenig Anteil an unserer Zuwendung, kehren sich um, fort von uns, oder drehen den Kopf beiseite. Überall in der Tierwelt gibt es ein Begrüßungsritual, in das wir als Bezugspersonen wie ein übergeordneter Artgenosse eingeschlossen sind. Ein zweiter auffallender Eindruck besteht häufig in seinem teilnahmslosen, „depressiven“, „toten“ Gesichtsausdruck. Die menschlichen Natrium-muriaticum-Patienten zeichnen sich oft durch eine monotone, emotionslose Redeweise aus, beim Tier findet sich oft nur ein Mangel an mimischem Ausdruck mit überwiegendem „Unmutsgesicht“.
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Natrium muriaticum Wenn diese Tiere allerdings zu einem fürsorglichen liebevollen Besitzer gehören und ein „angenehmes“ Leben ohne „Härten“ führen, dann kann dieses Phänomen allerdings weniger deutlich ausgeprägt sein. Aber häufig sind die Natrium-muriaticum-Patienten schon durch die Hände mehrere Besitzer gegangen, ins Tierheim, zum Händler oder in eine anonyme Massenhaltung abgeschoben worden, sodass „Heimweh“ und „Kummer“ entstehen. Am schlimmsten ist die Situation, wenn sich dieses Tier sehr eng an eine bestimmte Bezugsperson oder einen Artgenossen angeschlossen hat und diese verliert. Dann kann auch das Natrium-muriaticum-Tier in einen Zustand kommen, in welchem diese Traurigkeit und das Verlangen nach Alleinsein mitsamt der physischen Pathologie lebenslang anhält. Natrium-muriaticum-Pferde können z. B. häufig problemlos allein oder mit artfremden Stallgenossen wie Hasen oder Ziegen gehalten werden und sind damit scheinbar zufrieden.
Pferd Im Zusammenhang mit Natrium muriaticum sei daran erinnert, dass in der Vergangenheit das Ziel der Pferdezucht in „Härte“, Genügsamkeit und Leistungsfähigkeit bestand. „Härte“ bezeichnete anspruchslose Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Diese Eigenschaften prägten die Zuchtauslese für das frühere Militär- und Arbeitspferd, auf deren Basis auch die heutige Zucht von „Sportpferden“ beruht. Gerade bei Hochleistungspferden gehört Nat-m. zusammen mit Lyc., Phos., Calc-p. und Sep. zu den häufigsten Konstitutionsmitteln. Die augenfälligsten Vertreter der „harten und genügsamen“ Leistungspferde sind die Islandpferde. Mindestens 80% aller Isländer benötigen Natrium muriaticum als konstitutionelles Heilmittel (was jedoch nicht das sog. Sommerekzem einschließt). Die Leistungsbereitschaft dieser Tiere wird kaum von einer anderen Pferderasse übertroffen. Allein das Missverhältnis zwischen dem Gewicht des erwachsenen Reiters zur Körpergröße des kleinen Pferdes mag das verdeutlichen. Die Islandpferde arbeiten und laufen bis zur letzten Erschöpfung, bis
zur „Selbstaufgabe“, sind häufig übersensibel für emotionelle Reize und schlechte Behandlung, zeigen es aber nicht – höchstens in „depressivem“ und „totem“ Gesichtsausdruck. Man verlangt Höchstleistungen und hält sie oft unter extrem harten Bedingungen („Robusthaltung“, z. B. Weidehaltung im Winter ohne Unterstand) – sie ertragen alles. Ob sie sich dabei wohl fühlen oder gar „glücklich“ sind, ist eine andere Frage. Auch viele nordische, für extreme Genügsamkeit und kühles Klima gezüchtete bzw. adaptierte Kleinpferde benötigen Natrium muriaticum, was manchmal – je nach Auskunftsfähigkeit des Besitzers – schwierig von Calc-c. zu differenzieren ist. Beide können zu reichlicher Adipositas neigen, aber Calc-c.-Patienten verfügen i. d. R. nicht über die enorme Leistungsfähigkeit wie Nat-m.
Hund Unter den Hunderassen finden sich ebenfalls zahlreiche Vertreter dieses Typs. Ein besonders dichtes, langes Haarkleid kann den Nat-m.-Patienten (wie Thuj.) kennzeichnen. Die typischen „Ein-MannHunde“ wie Chow-Chow benötigen häufig Nat-m., ebenso die Huskies, die zusätzlich das besondere Merkmal der hellen Augen bei sonst starker Pigmentierung aufweisen.
Katze Bei Katzen kommt die Nat-m.-Persönlichkeit seltener vor, hier findet sich häufiger Phos., Ars. oder Lyc. (u. a.). Dennoch ist Nat-m. bei der Katze keineswegs auszuschließen.
Kuh Umso häufiger findet sich Nat-m. im Kuhstall. Wer sich die übliche Milchkuh-Haltung aus homöopathischer Sicht genauer betrachtet, wird feststellen, dass dort „der Kummer“ sehr verbreitet ist: Die Kuh bringt ihr Kalb zur Welt, es liegt möglicherweise nach einer nächtlichen Spontangeburt in der Mistrinne, die Kuh kann sich nicht umdrehen, um es abzulecken. Am nächsten Morgen kommt es in Rufweite in die Kälberbox. Der Mutterinstinkt lässt die Kuh nach ihrem Kalb rufen, das Kalb will zu seiner Mutter und wächst nun wie ein Waisenkind heran. Damit sind die besten Voraussetzungen für eine Nat-m.-Pathologie gegeben, aber auch z. B. für die von Calc-c. und Calc-p.
Natrium muriaticum Wer sein Haustier als Kameraden liebt, möchte es glücklich oder mindestens zufrieden wissen. Die Natrium-muriaticum-Tiere danken das i. d. R. durch fröhliche Leistungsbereitschaft, nicht mit diesem depressiven, teilnahmslosen Gesichtsausdruck. Sie werden „glücklicher“, anteilnehmender und zeigen Freude, wenn ihr Besitzer kommt. Aber die Depression liegt oft wie ein Bann auf dem Verhalten dieser Patienten. Als konstitutionelles Heilmittel kann Nat-m. helfen, diesen Bann zu brechen. Immer wieder berichten die Besitzer solcher Tiere, sie entwickelten nach diesem Mittel ein offeneres Wesen, nähmen mehr Anteil und wären jetzt „lockerer“ und fröhlicher. Dementsprechend ist die abweisende Stimmung oder mangelnde Anteilnahme bei solchen Nat-m.Patienten weniger ausgeprägt, wenn sie durch ihre Besitzer sehr viel Zuwendung und Liebe erfahren und in einer „Wohlfühl-Atmosphäre“ gehalten werden. Hahnemann forderte für das Gesund-Werden seiner Patienten als Voraussetzung verbesserte Lebensbedingungen, was auch die familiären Verhältnisse einbezieht. Das trifft insbesondere für die sensiblen Natrium-muriaticum-Patienten zu! Die noch nicht schwerwiegend erkrankte oder die bereits genesene Nat-m.-Persönlichkeit verfügt über körperliche und psychische Flexibilität, sinnvolle Anpassungsfähigkeit psychischer und körperlicher Art, liebevolle Hingabe ohne Selbstentwertung und angemessene vegetative Erregbarkeit und Vitalität. Wenn ein Tier-Besitzer gar nichts Besonderes über sein chronisch krankes Tier äußern kann, sondern einzig: „Er (sie) ist immer nur brav, zurückhaltend und gehorsam, nicht übermäßig verschmust, nicht übermäßig ängstlich, nicht übermäßig fröhlich, eben ganz normal.“, dann sollte man in erster Linie an Natrium muriaticum denken, an ein Leben ohne Höhen und Tiefen. In rührseligen Tiergeschichten wird oft der typische Nat-m.-Hund beschrieben: Der treue Hund folgt seinem Besitzer in den Tod, indem er auf seinem Grabe sitzend verhungert, anstatt sich einer liebevollen, neuen Kontaktperson anzuschließen.
Solche Situationen gibt es tatsächlich: Es wurde in der Schweizer Presse kürzlich eine Kuh geschildert, die sich nach dem Tode ihres Bauern im Stall losriss und auf dem Friedhof neben seinem Grab stehend wieder gefunden wurde – obwohl sie niemals zuvor den Friedhof kennen gelernt hatte. Natrium muriaticum ist eines der wichtigsten Mittel für rührselige Tierschützer, die häufigsten Gäste in der Tierarztpraxis, die sich mit übermäßigem Engagement mehr dem Wohlergehen von Tieren als dem ihrer Mitmenschen oder ihrer selbst widmen. Infolge von Kummer und Enttäuschungen handeln sie häufig nach dem Motto: „Tiere sind besser als Menschen.“ Solche Persönlichkeiten schaffen sich häufig aus Mitleid ein Nat-m.-Tier an und leben in einer Art „Ehe“ mit ihm, aus der Überzeugung, dieses Tier sei das einzige Lebewesen, das sie versteht – und umgekehrt. Trotz aller überschwänglichen Fürsorglichkeit, die solch ein Mensch seinem Tier zuteil werden lässt, reagiert das Nat-m.-Tier oft mit abweisendem oder aggressivem Verhalten oder entwickelt häufig eine Art „allergische Reaktion“ – Ekzem, Asthma o. Ä. – gegen seinen Besitzer (oder vielleicht auch gleichzeitig mit ihm?). Andererseits finden Nat-m.-Tierpatienten wie die Menschen ihre Freude im Dienen und Helfen: Nat-m.-Hunde eignen sich hervorragend als Blinden-Führhunde, Begleiter von Behinderten oder als Psychotherapie-Hunde. Nat-m.-Pferde verhalten sich liebevoll und vorsichtig im Umgang mit Reitanfängern, Behinderten und Kindern, geben ausgezeichnete Therapie- oder Voltigier-Pferde ab. Nat-m.-Hunde sind oft dauerhafte Tierheimbewohner, die wegen ihres reservierten Verhaltens niemand haben möchte. Die Phos.-, Lyc.- oder Puls.-Tiere finden schnell neue Abnehmer, die abweisenden, traurigen mürrischen Natrium muriaticums warten und leiden lange, bis sich ein mitleidiger Nat-m.-Mensch findet. Tierheime werden oft von Nat-m.-Menschen betreut, erhalten Spenden von Nat-m.-Menschen für Tiere, die Nat-m. als Heilmittel brauchen! Das Nat-m.-Bild ist von tiefer Tragik geprägt.
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Natrium muriaticum Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: selten für subakute Erkrankungen: ausgelöst durch Kummer, bei bereits vorliegender Nat-m.-Konstitution bei Folgen von Verätzungen, Kochsalzvergiftungen (Phos.) durch salzreiches Futter Chronische Krankheiten: sehr häufig vorkommendes konstitutionelles Mittel Gestörte Assimilation: mangelnde Futteraufnahme reichliche Futteraufnahme mit ungenügender Aufnahme von Nährstoffen mit Abmagerung Abmagerung bei Heißhunger Schwäche, Erschöpfung, Anämie Gestörte Dissimilation: Ansammlung von Stoffwechselprodukten – daher Allergien, „Rheuma“ gestörte Flüssigkeitsbalance mit Ödembildung Ekzeme, Urtikaria, Atopien, fettige Haut, Seborrhöe, „Asthma“, Herzleiden Schleimhautkatarrhe, wund machende oder gelatineartige Absonderungen trockene Schleimhäute Fieberschübe, rezidivierend, häufig unklarer Pathogenese malariaähnliche Protozoenerkrankungen (z. B. Leishmanien, Theileria, Piroplasmen, Ehrlichien, Babesien – wie Chin. u. ä. Mittel) Atopische Erkrankungen: z. B. Hausmilbenallergie, unklare Futtermittelallergie Atemwegserkrankungen: häufig allergisch bedingt Haut: Ausschläge: Befall mit Ektoparasiten Haarausfall, auch hormonell Otitis externa, häufig mit Ohrmilbenbefall Absonderungen: eiweißartig, chron. Durchfall, Flatulenz
Schilddrüse: Über- oder Unterfunktion, Labilität, Struma, Basedow, Abmagerung oder Adipositas Augen: trocken oder schleimige eiweißartige Absonderung, Tränenfluss im Freien, im Wind Verdauungsapparat: Stomatitis, Aphthen am Zahnfleisch, oder um die Lippen, manchmal Landkartenzunge Nahrungsmittelallergien, Flatulenz, chronischer Durchfall Hunger um 10 – 11 Uhr oder gleichgültig gegen Futter, frisst nicht wegen Kummers (Ign.) Abneigung oder Beschwerden durch schwer verdauliches oder blähendes Futter, Fett Harnwege: urinieren manchmal nur allein Inkontinenz, auch möglicherweise ausgelöst durch Kummer Genital: verspätete Geschlechtsreife, Sterilität eiweißartiger Fluor, trockene Vagina, daher Abneigung gegen Decken Azyklie, fehlende Brunst, oft ausgelöst durch Kummer, Erschöpfung, Anämie Bewegungsapparat: Rücken-, Gliederschmerzen, Arthritiden, Arthrosen, „Rheuma“ degenerative neurologische Erkrankungen Blutzusammensetzung: Anämie, Leukämie, Leukopenie, Splenomegalie „Psychischer Stoffwechsel“: höchste Leistungsbereitschaft bis zur Überforderung übersensibel für seelische Traumen, die das weitere Leben prägen beleidigt, nachtragend, übelnehmerisch, „stiller Kummer“ Kummer wird „konserviert“, dabei ist dann kein Raum mehr für Lebensfreude
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten häufig Spezies und Rassen, die an extreme Genügsamkeit oder Mangelzustände adaptiert sind nordische, dicht- oder langhaarige Spezies bzw. Rassen, die an kühles Klima adaptiert sind Züchtung auf körperliche Leistungsfähigkeit
häufig stark behaarte Tiere (Deck- und Langhaar oder gesamte Decke) (z. B. Chow-Chow, Schlittenhunde, ursprüngliche Kleinpferde) häufig stark pigmentierte Tiere, Schimmelpferde häufig dunkles Fell und helle Augen (z. B. Husky, braune Pferde mit Birkauge) (wie Lyc. und Sep.)
Natrium muriaticum ergraute Haare schon in jungen Jahren (Lyc. u. a.) oft Tendenz zu Vitiligo-ähnlichen weißen Flecken häufig fettiges, glanzloses, trockenes, auch schmutziges Haarkleid (Thuj., Sulf.), Haarbruch haarlose, juckende, oft nässende Hautausschläge häufiger Befall mit Ektoparasiten (Hund: Ohrmilben) frühzeitig gealtertes Aussehen relativ junger Tiere, vorzeitig gealterte Patienten häufig Hautausschläge mit primärem Haarverlust der betroffenen Stellen oft dünner Hals und dicker Bauch (Sil., Lyc., Calc.) warmblütig oder verfroren Tiere liegen gern auf hartem Boden (im Gegensatz z. B. zu Ars.) brave, disziplinierte, ernste Tiere mit zurückhaltendem Wesen, gebremste Emotionalität intensiv auf eine oder einzelne Kontaktpersonen/Tiere bezogen Kümmerer mit dünnem Hals verzögerte motorische Entwicklung oft blasse Schleimhäute bei Anämie oft trockene Schleimhäute, trockene Verstopfung, trockene Nase magere Tiere trotz guten Appetits, schlechte Futterverwerter oder sehr adipöse Tiere feinblasige Schaumstreifen am Zungenrand Landkartenzunge (rote Flecke auf weißlichem Grund oder umgekehrt) häufig Unverträglichkeit von Hitze und Sonne Erhitzung mit „Hechelatmung“ oder Hitzestau bis Hitzschlag oder Sonnenstich
Hund häufig reservierte, verhätschelte „Ein-Mann(Frau-)Hunde“ als Partner- oder Kind-Ersatz reserviert, abweisend oder sogar aggressiv zu Fremden häufig wie deprimierter Gesichtsausdruck mit hängenden Ohren und wenig Anteilnahme Tendenz zu Lefzenekzem sitzen oder liegen in der Praxis oft mit abgewandtem Kopf oder abseits von uns reagieren mit Unbehagen, wenn sie wahrnehmen, dass sie das Zentrum des Gesprächs sind (Thuj.)
Pferd dünner, langer Hals, schmaler Thorax mit verhältnismäßig breitem Becken oder dickem Bauch „drahtig“ gebaut, auffallend mager bei guter Futteraufnahme oder übermäßiger Fettansatz häufig „trauriger“, leidender Gesichtsausdruck, hängende Ohren, wenig Anteilnahme oft herabhängende Unterlippe manchmal bei Anstrengung Schweiß auf dem Nasenrücken schwache Bemuskelung mit übermäßiger Leistungsbereitschaft und -fähigkeit Scheuerstellen, Haarbruch durch Sattel, Zügel, Decke oder Schenkeldruck des Reiters Tendenz zu Vitiligo-Flecken an Maul und After u. a. häufig verzögerter Haarwechsel im Frühling mit Überhitzung und „Hechelatmung“ oft fehlender Schweiß trotz Erhitzung mit „Hechelatmung“ oder Hitzestau bis Hitzschlag oder Sonnenstich häufig wunde Maulwinkel, die trotz Pflege und gebisslosen Reitens nicht heilen wollen häufig Wundwerden zwischen den Hinterschenkeln („Wolf“) häufig Hautausschlägen in Gelenkbeugen (Fesselbeuge, Schwanzfalten, Mauke) häufig Hautausschläge im Bereich von Deckhaar (Mähne, Schweif, Kötenbehang) dunkelfarbige oder Schimmelpferde, Birk- oder Fischaugen bei sonst dunklem Fell häufig Abweisen von Zuwendung problemlose Einzelhaltung oder in nicht artgemäßer Gesellschaft
Rind häufig mürrische, aber brave Einzelgänger stumpfes, struppiges Fell oft auffallend herabhängende Ohren oft unerwartet sehr gute Milchleistung trotz Abmagerung oder schlechter Kondition meist sehr gute Muttertiere, opfern sich auf für die Nachzucht übermäßig große Euter oder Atrophie des Euters häufig wunde Haut zwischen Euter und Hinterschenkel
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Natrium muriaticum Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Die Grenze zwischen „Hingabe“ und „zurückgezogenem Erstarren“ kann in unterschiedlichen Richtungen verschoben sein, abhängig von der Schwere und Dauer der Erkrankung: Nicht jeder Nat-m.-Patient ist primär zurückgezogen und abweisend, aber eine Tendenz dazu ist bei jedem Nat-m.-Patienten vorhanden. oft geprägt von Kummer, Verlust von Kontaktperson, Artgenosse oder Jungtier, viele Vorbesitzer „stiller Kummer“, d. h. trauriges Verhalten ohne „Trost“ und Zuwendung anzunehmen, ohne Jammern einzig kummervolles Zurückziehen oder seitdem beginnende chronische Krankheiten die Tiere lassen ohne wesentliche Anteilnahme vieles mit sich geschehen – ohne Abwehr verweigern sogar unser angebotenes Leckerli, drehen den Kopf weg unbestechliche Tiere, nehmen nichts von Fremden an „Abneigung gegen Gesellschaft, besser wenn allein“, Einzelgänger unter Herdentieren kein schnelles Anschließen an neue Kontaktpersonen (Sep., Thuj.) hohe Individualdistanz – Streit und Aggressivität bei zu dichter Population mehrerer Nat-m.-Tiere (z. B. häufig bei Islandpferden) eher auf Besitzer bezogen als auf Artgenossen (wie ein Kind, das nur mit Erwachsenen spielt) häufig „ehrgeizige“ Tiere, wollen in der Gruppe an der Spitze gehen, lassen sich ungern überholen manchmal auch aufsässig und widersetzlich gegen dominante Besitzer
Hund brave Tiere, man braucht sie kaum zu erziehen, erfüllen oft alle Anforderungen von allein pflegeleichte Tiere, „lesen dem Besitzer die Wünsche von den Augen ab“, nachgiebig wenig Emotionen außer zum Besitzer keine „hysterischen Kläffer“, wedeln und schauen immer wie fragend ihren Besitzer an oft sogar „langweilige Tiere“ wie die Suppe ohne Salz – nur immer brav Fröhlichkeit abwechselnd mit Traurigkeit manchmal unerklärliche Furcht vor Insekten – sogar bei langhaarigen Hunden
in der Praxis: – wenn wir ihn rufen, verhält er sich reserviert, sucht meist keinen Kontakt – meidet Blickkontakt zu Fremden, hält Blickkontakt zur Bezugsperson – meist ernste Tiere, lassen sich kaum zum Spielen animieren – legen sich neben Besitzer nieder mit abgewandtem Kopf oder Blick – oder liegen in einer Ecke des Raumes, den Kopf zur Wand gedreht – wedeln „höflich“ mit dem Schwanz, wenn wir ihn freundlich ansprechen, schauen dann „fragend“ den Besitzer an Beziehungen – Aufgaben: – eher Bezug zum Menschen als zu Artgenossen – lehnen evtl. sogar Geschlechtspartner ab – gleichgültig gegen Freuden, Spielen – knurrt manchmal sogar andere Hunde an, die mit ihm spielen wollen – hervorragende Ein-Mann(Frau)-Hunde – hervorragende Blindenhunde, KatastrophenHunde, Therapie-Hunde – ideale Jogger- oder Fahrrad-Hunde, die nie ermüden, außer bei heißem Wetter – eignen sich ideal als „Partnerersatz“ oder „Kindersatz“ für allein stehende Menschen – in der Familie mit Kindern werden sie oft als Sonderlinge bezeichnet, weil sie sich bestimmten Personen oder Kindern anschließen, andere jedoch ablehnen – dennoch entgegenkommend, rücksichtsvoll zu Rangtieferen: gute Kinderhunde, oder ziehen sich in unangenehmen Situationen zurück; würden nie ein Kind oder Welpen beißen; versuchen, evtl. knurrend, sich einer unangenehmen Situation zu entziehen; würden nur im äußersten Notfall ein Kind kneifen – spielen evtl. nur mit ihrer Bezugsperson, weniger mit anderen Hunden lebhaft: Labilität der Schilddrüse als möglicher Auslöser einer Pathologie – ruhelos, hektisch, ungeduldig, Eile bis Hysterie – jammern, hecheln – immer wacher durch Anstrengung, unermüdlicher Läufer – aber auch Trägheit, Faulheit
Natrium muriaticum anspruchsvoll: – übersensibel gegen schlechte Behandlung – nehmen Zurechtweisungen übel, nachtragend – zu viel unerwünschte Zuwendung kann Knurren oder Aggressivität auslösen – nach vorangegangener Misshandlung auch spontane Aggressivität möglich mit Zorn bei jeder Annäherung – will umsorgt sein, zeigt darüber aber keine Freude – aber wenn nicht versorgt, grollt er beleidigt – alles muss seinen festgelegten Ablauf haben: Futterzeit, Futterart (wählerisch), der richtige Sitzplatz, die richtige Umgebung fortgeschrittene Pathologie: entfremdet der Familie, mürrisch, nicht ansprechbar, gereizt – oft sogar bissig, wenn man ihm zu nahe tritt – abweisend, sehr schnell erregbar, mürrischer Kettenhund – Zorn auf Leute, die ihm irgendetwas Schlechtes angetan haben, z. B. der Tierarzt – reizbar, wenn angesprochen
Pferd lässt sich von Fremden oft ungern berühren, hantieren oder reiten drehen dem Besitzer und besonders fremden Menschen die Kruppe zu (Thuj.) trotz liebevoller Behandlung je nach Intensität psychischer Traumen: Desinteresse oder Drohgebärden bei Annäherung des Menschen harte Hochleistungspferde, Arbeitspferde, genügsam, anspruchslos geben ihr Letztes, verausgaben sich, wenn gefordert (Islandpferde) hart, genügsam, erträgt alles („quält sich selbst“), dennoch leistungsbereit bis zum Letzten im Herdenverband oft abseits stehender Außenseiter kann ein hochrangiges Leitpferd sein (wie Sep.) oder rangmittlere Tiere bis zum gemobbten Außenseiter
wenig Äußerung von Lebensfreude, ernst, wenig Übermut, während der Arbeit keine übermütigen Bocksprünge sehr „disziplinierte“ Pferde, die trotz innerer Erregtheit brav und ruhig stehen bleiben Ein-Mann(Frau)-Pferde neuer Besitzer muss lange warten, bis sich das Nat-m.-Pferd ihm zuwendet aber zu viel Zuwendung führt zu zornigem Verhalten, Schlagen, Beißen, Stoßen Nat-m.-Pferde lassen sich erstaunlich gut allein, ohne Pferdegesellschaft, halten (Thuj.), schließen sich evtl. an ein anderes Haustier – Hund oder Kaninchen – an und leiden, wenn diese Tiere nicht mehr da sind Nat-m.-Pferde finden sich besonders unter den Kleinpferden nordischer Herkunft nahezu 90% aller Islandpferde brauchen Nat-m. als konstitutionelles Mittel (was aber nicht die Disposition zum Sommerekzem betrifft) auch bei Haflingern ist neben Calc-c. (u. a.) häufig Nat-m. vertreten
Rind Rinder aller Rassen können Nat-m. erfordern ebenfalls brav und unauffällig, nicht übermäßig freundlich und nicht übermäßig streitbar im Herdenverband kann es an allen Rangstellen gefunden werden, dominant bis nachgiebig lassen sich ungern ansehen, versuchen sich abzuwenden und fortzugehen wenn im Fressgitter eingesperrt, lassen sie sich ungern anfassen oder streicheln, werfen dann den Kopf hoch und zeigen ihre evtl. zornige Abneigung gegen Kontakt (aber die Sep.-Kuh zeigt das noch wesentlich heftiger!) auch Rinder zeigen wenig „Emotionen“: wenn das neugeborene Kalb in die Kälberbox gebracht wird, leidet die Nat-m.-Kuh still mit hängenden Ohren, meist ohne zu brüllen, ohne ihren „Kummer“ zu zeigen Nat-m. ist hier genauso wie bei anderen Tieren ein sehr häufig gebrauchtes Mittel
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Natrium muriaticum Leitsymptome des pathologischen Geschehens Nat-m. wird selten als Akutmittel gebraucht, sondern meist als konstitutionelles Mittel für chronische Krankheiten. Fieberschübe, rezidivierend, unklarer Genese oder z. B. durch Borrelien, Infektionen aus tropischen Ländern (nicht nur Malaria!) evtl. verbunden mit Milzschwellung bei solchen Erkrankungen manchmal komplementär zu Chin. Augen: trocken oder schleimige eiweißartige Absonderung Tränenfluss durch Wind Schilddrüse: Hyper- oder Hypothyreose, Struma, auch Exophthalmus alle Schilddrüsenbeschwerden können durch Kummer ausgelöst sein Herz: alle möglichen Formen von Herzinsuffizienz Herzrhythmusstörungen im Laufe der Pathologie meist ausgelöst durch Kummer Atemwege: Sinusitis, Bronchitis; allergische Atemwegserkrankungen, evtl. seufzende Atmung chronische Sinusitis, Rhinitis (aber nicht Katzenschnupfen!) mit wässrigem, klebrigem Sekret, evtl. grünlicher Schleim Allergische Erkrankungen: sind bei Nat-m. in allen Formen möglich
Pferd Disposition zu Heustaub-Allergie mit chronischem Husten, Heuschnupfen, Heuasthma, meist wenig oder uneingeschränkt durch Anstrengung Asthma: – ⬍ im warmen Raum/Stall, ⬎ in frischer Luft – ⬍ in schwülfeuchtem Wetter – ⬍ 17 – 19 Uhr, ⬍ 4 – 5 Uhr morgens – im akuten Status asthmaticus sind meist Komplementärmittel erforderlich, wie Lach., Nuxv., Ars., Phos. chronischer Katarrh der oberen Luftwege mit eiweißartiger Absonderung Verdauungsapparat – Stoffwechsel: Stomatitis, Aphthen am Zahnfleisch, Zahnfleischschwellung Landkartenzunge
schlechte oder gute Fresser, abgemagert oder fett Nahrungsmittelallergien, Unverträglichkeiten (Pferd: evtl. rez. Koliken) alle möglichen Verdauungsstörungen, Dyspepsie bis Magenulkus, auch chronischer Durchfall Neigung zu Flatulenz, Blähungskoliken Verdauungsbeschwerden durch ⬍ kalte Getränke: durch Milch; durch nahrhafte, „reiche Speisen“, zu energiereiches Futter, Kraftfutter; durch Schweinefleisch; durch Teigwaren Verlangen nach Salz: nach gesalzenem Futter, nach Salzleckstein frisst oft gern Fisch (sogar manche Islandpferde!) Magengeschwüre durch Kummer Abmagerung mit Heißhunger Appetit vermehrt nach dem Essen Diabetes (Phos.) Pferd: Koppen durch „Kloß im Hals“, ⬍ nach Trinken (Zusammenschnüren) Hund: Hunger um 10 – 11 Uhr, wenn er noch nicht gefressen hat; Inappetenz durch Kummer (Ign.); Blähungen durch Nudeln Urogenital: Inkontinenz (Hündin), ist ihr sehr „peinlich“! ausgelöst evtl. durch Kummer oder gestörte Motorik des Schließmuskels urinieren nur allein (selten! wie Lyc.) chronische Nierenerkrankungen späte Geschlechtsreife chronischer, eiweißartiger Ausfluss Herpes genitalis Hund: Läufigkeit schwach oder fehlt bei/nach Kummer Rind, Pferd: eiweißartiger Fluor, symptomlose Sterilität, trockene Vagina; Zyklusanomalien, durch Kummer, Stress, Stoffwechselbelastungen, Anämie Bewegungsapparat: ein wichtiges Mittel für die Arthrosis deformans (EWH), Gliederschmerzen, Arthrosen, Rheuma die große Leistungsbereitschaft ohne Rücksicht auf Ermüdung fördert die Tendenz zu Erkrankungen des Bewegungsapparates! Rückenschmerzen, Spondylosen u. Ä., Diskushernien (akut Nux, Hyp.) Rückenschmerzen ⬎ durch Druck (Hund: Rückenlage) degenerative Erkrankungen des Nervensystems wiederkehrende Neigung zu Verrenkungen, Distorsionen der Gliedmaßen (u. a.)
Natrium muriaticum Pferd: Rücken-Beschwerden durch ,Heben‘ (schwerer, ungeschickter Reiter); schlechte Hufe, brüchig, rissig, empfindlich; empfindliche Huflederhaut; ungeschickte Motorik, stolpert beim Laufen Pferd, Rind: ein wichtiges Mittel für die Disposition zu Huf-Klauen-Rehe (akut Apis, Bry.), ausgelöst durch „reiches Futter“ und Stoffwechselstörungen Haut: Disposition für alle Arten von Ektoparasiten Hautausschläge aller Art, meist stark juckend, mit der Neigung zum Wundkratzen „Unterdrückung“ dieser Hauterscheinungen führt entweder zu vorübergehender Besserung oder zum Auftreten anderer Erkrankungen (z. B. allergische Atemwegsprobleme, Epilepsie, Tumoren) im Winter entstehen häufig an den Ekzemstellen therapieresistente Mykosen „Hautausschlag feucht, zerfrisst das Haar“ (Kent) (trifft auch für trockene Hautausschläge zu!) Ekzem breitet sich aus, mit primärem Haarausfall, Ekzem trocken oder feucht zu Beginn der Hautausschläge meist Bläschen (Rhus-t.), die aber im Fell oft nicht erkannt werden starker Juckreiz führt zu heftigem Kratzen, Knabbern, Scheuern; es entstehen wunde Bezirke, die verkrusten und dann bei erneutem Kratzen aufreißen Verschwartungen und Rhagaden, kommen durch Kratzen zum Bluten Gesicht: Hautausschläge über Augen, am Rand der Nase, Lefzenekzem, wunde Lippen oft Herpesbläschen um das Maul Pickel ums Maul mit Haarausfall Haarausfall evtl. hormonell bedingt (Thyreoidea), evtl. Zyklus-bedingt; Haarausfall bei Jungtieren; nach der Geburt, während der Laktation
Hund trockene Nase mit Krusten Disposition zu allergischen, atopischen Hauterkrankungen (Allergie auf den Besitzer?) Otitis externa ist eine Form eines Ekzems, das zum Thema „Haut“ gehört (Gehörgangsekzem ist seltener beim Menschen als beim Hund, deshalb im Repertorium im Kapitel ,Ohr‘ unzureichend vertreten) Otitis ext. mit trockenen, juckenden Krusten Hautausschlag zerstört das Fell (Ars., Lyc., Rhust., Psor.) „Hautausschläge in Gelenkbeugen“ – Schwanzfalte, Innenseite Oberschenkel, hinter Ellbogen Zwischenzehenekzem Hautjucken kann auch psychisch bedingt sein, analog zu „Daumenlutschen“ oder „Nägelbeißen“
Pferd häufig Mauke („wund zwischen den Zehen“) Mauke: Hautausschlag trocken, nässend, krustig, rissig (Sepia an den Vorderbeinen, Maland.) Hautausschläge „am Haaransatz“ – am Stirnschopf, Mähnenrand, am Schweifansatz Schweiß und Wundwerden zwischen den Oberschenkeln rissige Hufe, rissiger Kronsaum häufig Mangel an Schweiß trotz Überhitzung, stattdessen evtl. Urtikaria häufig angebracht zur Nachbehandlung von Apis- oder Bry.-Hufrehe wunde Maulwinkel
Auslöser und Modalitäten Auslöser: alle Beschwerden evtl. Folgen von Kummer, Alleinsein, Zurücksetzung: Geburt eines Babys, Anschaffen eines neuen Haustieres, Trennung von einer geliebten Bezugsperson oder Tieres, Ehescheidung der Besitzer, Übergang in einen neuen Stall, in eine neue Herde (Heimweh) Folgen von Vernachlässigung Folgen von autoritärer, dominanter Behandlung z. B. in der Ausbildung
Folgen von lange zurückliegendem Kummer, Enttäuschung Beschwerden durch Demütigung, Misshandlung, Mangel an Zuwendung Beschwerden durch „unterdrückten Zorn“ (cholerischer Besitzer, dem sich das Tier nicht zu widersetzen traut)
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Natrium muriaticum Folgen von Kopfverletzung, Rückenverletzung Folgen von Überanstrengung Folgen von Verlust von Körperflüssigkeiten (z. B. Blut, Milch, Durchfall, Schweiß), nach der Geburt, Schwäche mit Anämie, hohe Milchleistung Folgen von zu viel Sonnenbestrahlung, „Sonnenallergie“ (Schweißfriesel) Salzvergiftung (z. B. Schwein, Hund, DD Phos.) Modalitäten: periodisch wiederkehrende Beschwerden Beschwerden kommen und gehen mit der Sonne widersprüchliche und abwechselnde Symptome ⬍ vormittags 10 – 11 Uhr ⬍ durch Sonne, speziell auf dem Kopf, ⬍ bei heißem, schwülem Wetter, ⬍ Überhitzung empfindlich gegen Sonne (Sonnenbrand, Sonnen-Allergien) Beschwerden durch Wetterwechsel von kalt nach warm (z. B. Föhn) Wärme- und Kälte-Intoleranz Folgen von Nässe, von nassen Weiden
Komplementär zu Apis, Ign., Sep., Lyc., Lach., Ars., Nux-v. und Phos. Auch wenn Nat-m. deutlich das richtige „konstitutionelle Mittel“ ist, sind für allergische Erscheinungen häufig Zwischengaben anderer passender Mittel erforderlich (z. B. Ars., Dulc., Sep., Ign., Nuxv., Lach., Phos. u. a.). Ein allergisches Geschehen oder eine Autoimmunerkrankung kann nur selten durch ein einziges homöopathisches Mittel geheilt werden, meist ist, abhängig von der homöopathischen Symptomatik, eine Abfolge bestimmter Mittel erforderlich, die aber streng nach den Regeln der Homöopathie Hahnemanns, Kents u. a. erfolgen müssen (Hering’sche Regel). Gleichzeitige Gaben mehrerer Mittel verwirren das Bild und führen zu vorübergehenden, undurchsichtigen Effekten oder zu Misserfolgen.
Ausgewählte Fallbeispiele Holzi – Hund mit Hautausschlag Holzi ist ein 9-jähriger Bernhardiner-Riesenschnauzer-Pyrenäen-Hund, ein Riesenhund. Ich kenne ihn als Begleithund seiner Husky-Kollegin, die wegen eines nach der Operation rezidivierten und metastasierenden Mammakarzinoms zweimal bei mir in der Praxis war und vor ca. 5 Wochen im Alter von 18 Jahren euthanasiert werden musste. Holzi ist mir als liebenswürdiger, aufmerksamer, zurückhaltender und braver Hund im Gedächtnis. Jetzt wird er am 27.5. 2001 vorgestellt wegen Atembeschwerden und Juckreiz. „Holzi ist kurzatmig und röchelt auch bei kühlem Wetter. Seit 2 Wochen frisst er nicht mehr richtig.“ Mir fällt auf, dass Holzi nicht wie sonst herumschnuppert und sich nicht niedersetzt, sondern teilnahmslos neben seinem Herrn steht. Dieser berichtet nach entsprechenden Fragen: „Neuerdings ist er aggressiv gegen andere Hunde, das hat es früher nie gegeben. Aber zu Menschen ist er freundlich wie immer. Holzi ist am 5.7.1992 geboren und kam im Alter von 8 Wochen zu uns. Weil er immerzu Holzstöckchen herumtrug, haben wir ihn Holzi getauft.
Er hat Zeit seines Lebens mit Sina, der HuskyHündin, Rücken an Rücken geschlafen. Jetzt kratzt er sich sehr viel, die Haut ist oft gerötet – soweit man das sehen kann, besonders an der Brust zwischen den Ellbogen und am Bauch. Und er schüttelt oft die Ohren. Wenn ich heimkomme, steht er jetzt nicht mehr an der Türe, mich zu begrüßen; er bleibt auf seiner Decke liegen oder kommt nur ganz langsam zu mir geschlichen. Früher war er viel geselliger. Wenn ich mich jetzt zu ihm auf den Boden setze, geht er fort. Früher ist er immer aufgestanden zum Nachsehen, wenn er ein fremdes Geräusch gehört hat. Jetzt ist er wie apathisch. Vor ein paar Wochen hat er noch Gartenabfälle geklaut. Wenn ich jetzt mit ihm spielen will, knurrt er mich an, das hat er noch nie getan. Holzi sucht jetzt vermehrt kühle Plätze im Schatten. Er ist nicht ängstlicher geworden, hat aber nach wie vor einen Horror vor dem Staubsauger.
Natrium muriaticum Alleinbleiben kann er noch immer gut, oder er bleibt bei meiner Tante. Vor kurzem hatte er 6 Zecken auf einmal, das gab es auch noch nie.“ Inzwischen hat sich Holzi neben seinem Herrn niedergelassen, liegt mit dem Kopf von uns abgewandt. Er lässt sich gut, aber ohne Anteilnahme untersuchen, außer deutlicher Rötung der Bauchhaut mit Juckreiz kein klinischer Befund.
Mittelwahl Folgende Zeichen und Symptome werden herangezogen: Gemüt, Beschwerden durch Tod von Eltern oder Freunden Gemüt, Verweilen bei unangenehmen vergangenen Ereignissen Gemüt, Reizbarkeit bei Traurigkeit Gemüt, Abneigung gegen Gesellschaft; besser, wenn allein (keine Begrüßung) Gemüt, Trost verschlechtert (Abneigung gegen Zuwendung) Gemüt, gleichgültig gegen Vergnügen (fehlendes Spielverhalten) Haut, Läuse (Synonym für Zeckenbefall).
Therapie Holzi bekommt Natrium muriaticum XM, 1 Gabe per os. 12.8.2001: Juckreiz und Hautrötung seien am 2. Tag nach der Arznei gut gewesen. Er war anschließend auffallend lustig und fidel. „Jetzt ist er wieder wie gedämpft, und die Haut beginnt wieder zu jucken.“ Natrium muriaticum XM, 2. Gabe. 28.1.2003: Es gehe Holzi sehr gut. 3.6.2003: „Holzi wird wieder kurzatmig. Seitdem er im Teich gebadet hat, beginnt der Juckreiz und die Hautrötung am Bauch wieder.“ Natrium muriaticum XM, 3. Gabe. 28.5.2004: Holzi ist nun 12 Jahre alt, er kommt zur Begrüßung wieder zu mir, das erste Mal seit dem Tod seiner Husky-Gefährtin. Er hatte eine eitrige Konjunktivitis am linken Auge. Er kann jetzt nur noch mit Schwierigkeiten die Treppe steigen. Vor 5 Wochen sei er an einem warmen, schwülen Tag in der Hinterhand zusammengebrochen. Die Hautrötung sei seit diesen ersten warmen Tagen wieder schlimmer geworden, besonders seit einem Bad im kalten Bach.
Der Besitzer gibt Harpagophytum und Padma 28 und meint, damit gehe es Holzi besser. Holzi bekommt wieder Natrium muriaticum XM. 9.7.2004: Das linke Auge ist wieder entzündet und eitert, dafür bekommt er Euphrasia C 200. 13.8.2004: Holzi geht es seinem Alter entsprechend gut. 8.2.2005: Holzi hat sich bei einem Schneeausflug eine Harnwegsentzündung zugezogen, die der Besitzer von einem ortsansässigen Kollegen antibiotisch behandeln lässt. Wenig später stirbt Holzi an „Altersschwäche“ im Alter von 13 Jahren.
Der traurige Wellensittich – Federnrupfen Frau L. fragt am 18.5.1998 nach einer Therapie für ihren grünen weiblichen Wellensittich, der seit einigen Wochen seine Federn ausrupft. Zur Vorgeschichte erzählt Frau L., im Februar sei der männliche Partner des Vogels gestorben. In der Voliere befinden sich noch zwei weitere Wellensittich-Weibchen und ein Männchen. Die Grüne zog sich von den anderen Tieren zurück, saß abseits und spielte nicht mehr. Aus Mitleid kaufte Frau L. ein zusätzliches Sittich-Männchen – in der Hoffnung, die traurige Grüne würde sich nun diesem Neuling anschließen. – Aber stattdessen biss sie ihn trotz seiner Zuneigungsbeweise weg; er schloss sich einem anderen Weibchen an, und die Grüne „frönte“ weiter ihrem „Kummer“, saß abseits und rupfte ihre Federn aus. Nun traf es sich, dass wiederum eines der Männchen starb und nochmals ein neues zugekauft wurde. Doch auch dieses lehnte die Grüne ab und sie saß weiterhin „verdrossen“ allein.
Mittelwahl Die homöopathischen Symptome sind: Gemüt, Beschwerden durch den Tod von Eltern oder Freunden Gemüt, Verweilen bei unangenehmen vergangenen Ereignissen Gemüt, Abneigung gegen Gesellschaft; besser, wenn allein Gemüt, Zorn durch Trost (Zuwendung) Gemüt, Beißen von Fingernägeln (Synonym für Federnrupfen).
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Natrium muriaticum Therapie
Gemüt, Zorn, wenn getröstet Gemüt, Abneigung gegen Gesellschaft, besser, wenn allein
Die Grüne bekommt am 18.05.1998 Natrium muriaticum C 200 in Wasser gelöst in den Schnabel. Die Besitzerin berichtet am 6. Mai 1998: „Im Laufe der Woche nach der Arzneigabe wurde sie immer lebendiger und schloss sich dann mehr und mehr an die anderen an. Jetzt ist sie der Star des neuesten Männchens und poussiert den ganzen Tag mit ihm herum. Sie ist wie ausgewechselt! Ich habe solch eine Freude daran! Die Federn sind noch nicht nachgewachsen, aber sie rupft jedenfalls nicht mehr.“
Natrium muriaticum XM, einige Globuli per os. Darauf erfolgte wieder Gewichtszunahme; es treten keine neuerlichen Mastitiden mehr auf.
Die Kuh Alice – rezidivierende Mastitiden
Sandy – 12 Jahre alt, dunkelbraun ohne Abzeichen, Turnierpferd für Rennpass-Rennen. Sandy wird zum ersten Mal vorgestellt im Februar 1998.
4.7.2001: Schwarzbuntes mittelschweres Jungrind, erste Geburt im April 2001. Seit der Geburt hatte Alice schon 3 Mastitiden am rechten Vorderviertel und zuletzt zusätzlich am rechten Hinterviertel – mit geringen klinischen Symptomen; jeweils antibiotische Therapie. Alice magert seitdem zusehends ab, obwohl sie gut frisst. Sie liegt häufig ab. Der Bauer berichtet: „Alice steht am Ende der Reihe. Wenn wir mit dem Melken anfangen, dann muht sie so, als ob sie jammert. Nach dem Melken ist das besser. Jetzt magert sie immer mehr ab, alle Rippen stehen heraus, obwohl sie ganz gut frisst. – Sie hat immer noch ihr dickes Winterfell. Sie ist eine Komische. Wenn ich an ihren Kopf komme, dreht sie ihn weg und ist überhaupt nicht gut zu hantieren. Eigentlich ist sie auch sonst überängstlich und lässt sich nicht behandeln oder putzen. Streicheln mag sie auch nicht, am wenigsten am Kopf. Dann stößt sie uns sogar mit den Hörnern fort. Auf der Weide sondert sie sich ab. Sie ist absolute Einzelgängerin.“ Alice bekam ihr Kalb nicht zum Ablecken; es kam sofort in die Kälberbox.
Mittelwahl Gemüt, Beschwerden durch den Tod des Kindes (Kalb nicht gesehen und abgeleckt?) Allgemeines, Abmagerung mit Heißhunger Gemüt, Trost verschlechtert (Abneigung gegen Zuwendung)
Therapie
Sandy – Islandwallach – Sommerekzem
Vorbericht Sandy gehört zu einer Herde von ca. 30 Isländern, die den Winter über bis etwa Mitte März auf einem abgezäunten, gekrimmten, riesigen Acker mit wenig Heckenbewuchs lebt. Einen Weideunterstand gibt es nicht. Heu wird regelmäßig zugefüttert. Die Pferde werden im März zum Hof zurückgeholt und nach der Winterpause wieder antrainiert.
Homöopathische Anamnese Die Besitzerin und ich sind zur abseits gelegenen Weide gefahren. Als sie den Elektrozaun öffnet, um Sandy zur Untersuchung und Anamnese herauszuholen, erschrickt der Wallach über die am Boden liegende knackende Elektrolitze und reißt aus. Im Rennpass geht es über den nächsten frisch gepflügten Acker. Aber nachdem er sich ausgetobt hat, kehrt er zum Koppeleingang zurück, wo auch das Heu liegt, und lässt sich ohne Probleme aufhalftern und an eine geschützte Stelle neben einer benachbarten fremden Scheune – an einem steilen Hügel gelegen – führen. Es ist kalt, windig und nieselt ein wenig, aber Sandy spürt davon nichts unter seinem mindestens 10 cm langen Winterfell. Nur mir weht es die eingenässten Blätter Papier davon. Sandy ist noch immer sehr aufgeregt, die Ohren spielen, und seine Muskulatur steht unter Hochspannung. Bei jedem anderen Pferd würde ich jetzt erwarten, dass es sich bei der kleinsten Gelegenheit
Natrium muriaticum losreißt und wieder davonstürmt – nicht so der Sandy: Er steht gespannt am locker durchhängenden Halfterstrick und beobachtet mit aufgestelltem Schweif, was um ihn herum passiert: Einige Meter unter uns wird gerade eine Herde Kälber in den Auslauf getrieben. Unter lautem Blöken toben die Tiere durcheinander. Sandy ist so angespannt, dass er nur auf den Hufspitzen steht. Trotzdem rührt sich kein Huf von der Stelle. Ich drücke der Besitzerin meine Bewunderung aus über das wohlerzogene Pferd, aber sie meint nur achselzuckend: „Die Isländer sind nun mal so.“ Die Besitzerin berichtet also über Sandy und antwortet auf entsprechende Fragen: „Er ist ein sehr temperamentvolles Pferd, ein richtig hektischer Typ. Sandy ist vor 21/2 Jahren aus Island importiert worden. Er war bisher nie krank und hat nie besonders auf eine Impfung reagiert. Das Ekzem begann 1997 im April bis Mai an Bauch und Kruppe, auch etwas seitlich der Mähne. Im fortgeschrittenen Sommer schubbert er an der ganzen Mähne, sodass im Spätsommer nur noch wenige kurze Mähnenbüschel übrig bleiben. Im Sommer kämpft er den ganzen Tag lang gegen die Mücken: Er ist pausenlos am Schlagen, Schütteln oder Schubbern oder am Herumtanzen. Direkte heiße Sonnenbestrahlung vermeidet er und geht dann bei uns am Hof nach Möglichkeit unters Dach. Aber Morgensonne genießt er auch im Sommer. Seine Stellung in der Herde ist ziemlich ranghoch, aber er ist nicht der Chef. Sein Rang wird widerspruchslos von den anderen Pferden akzeptiert. Als er neu zu uns kam, hatte er Schwierigkeiten, sich zu behaupten. Er steht jetzt meistens mit seinem dunkelbraunen Partner zusammen auf der Weide. Vor ranghöheren Pferden weicht er aus. Wenn im Sommer die Fohlen kommen, spielt er als „Vizegroßvater“ mit den Kleinen. Sonst ist er weder verspielt noch verschmust noch in irgendeiner Weise aggressiv. Charakterlich ist er sehr anständig. Normalerweise kann man ihn gut von der Weide holen; er bleibt dann stehen, bis ich ihn aufgehalftert habe und zum Mitgehen auffordere. Er kann gut allein bleiben und lässt sich ohne Probleme allein reiten. In den Wintermonaten haben wir keinen direkten Kontakt zu den Pferden. Wir bringen nur Heu und füllen den Wasservorrat auf. Trotzdem gibt es beim Reiten und Antrainieren kein Problem mit
ihm; er steht zum Putzen und Satteln unangebunden still.“ Sandy steht noch immer gespannt an derselben Stelle. Wenn es nichts Besonderes zu sehen gibt, sinkt die Schwanzrübe locker nach unten; wenn auf der Kuhweide neben uns etwas los ist, richtet er sie wieder auf und steht voll Spannung auf den Hufspitzen. Von uns nimmt er wenig Notiz, bettelt nicht und schaut überwiegend durch uns hindurch. Ein beruhigendes Leckerli nimmt er während der Anamnese zwar mit wenig Interesse ins Maul, vergisst es aber vor Aufregung zu kauen. Die Besitzerin fährt fort und berichtet auf entsprechende Fragen: „Sandys Hufe sind nicht gut. Sie sind sehr klein, bröckelig, laufen sich viel zu weit ab und wachsen schlecht nach. Sobald er ins Training kommt, muss er wieder beschlagen werden. Aber mit dem Haarwechsel hat er keine Schwierigkeiten. Ohne Ekzem ist sein Fell schön glänzend. Sandy ist ein hektisches Pferd mit unerschöpflichem Vorwärtsdrang. Seine beste Leistung bringt er auf Kurzstrecken. Wenn ihm etwas nicht passt, kann er durchgehen und ist kaum zu halten. Wenn man dann mit ihm schimpft, wird es noch schlimmer und er kann sich in eine Panik hineinsteigern. Er würde rennen, bis er umfällt. Müdigkeit gibt es bei ihm nicht, obwohl er bei Anstrengung sehr laut und schnell schnauft. Er ist ein sehr hartes Pferd und sehr gehorsam. Widersetzlichkeit gibt es nie, und eine Gerte braucht er ebenfalls nie. Auf den Turnieren ist er immer sehr aufgeregt. In der Gruppe muss er an der Spitze gehen. Er erträgt es nicht, wenn ihn ein anderes Pferd überholt. Er hat einen enormen Ehrgeiz und Kampfgeist.“ Gibt es auch Durchfall durch Aufregung? – „Nein, nie.“ Angst? – „Die einzige Angst, die er zeigt, betrifft laute Kuhglocken.“
Mittelwahl Gemüt, diszipliniert (einziges Mittel: Nat-m.!) Gemüt, nachgiebig (extremer Gehorsam) Gemüt, ernst Gemüt, fleißig Gemüt, sehr viel Ehrgeiz Gemüt, überempfindlich gegen Grobheit Gemüt, gleichgültig, Apathie in Gesellschaft Allgemeines, Rennen bessert Extremitäten, brüchige Fingernägel
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Natrium muriaticum Allgemeines, Exposition von Sonne verschlimmert Allgemeines, Insektenstiche Gemüt, Furcht vor Tieren, Insekten Aus der Repertorisation dieser Symptome geht eindeutig Natrium muriaticum hervor.
Therapie und Verlauf Sandy bekommt am 26.2.1998 Natrium muriaticum XM, einige Globuli per os. 11.5.1998: Sandy beginnt sich zu kratzen. Er bekommt in 3-tägigem Abstand Rhus-t. LM 18. 20.5.1998: Es geht gut, Sandy hat noch kein Ekzem am Bauch. 03.6.1998: Sandy hat – im Gegensatz zu den Vorjahren – nur vereinzelte kleine Ekzemstellen, und die Mähne ist voll erhalten! Die Hufe bröckeln nicht mehr. Er ist sehr fit und leistungsfähig. 9.7.1998: Sandy kratzt wieder vermehrt: Natrium muriaticum XM, 2. Gabe. 8.8.1998: Keine wesentliche Besserung des Ekzems. Trockene Krusten mit runzliger Haut entlang dem Mähnenkamm und an vereinzelten Stellen am Rumpf. Die letzte Rhus-t.-LM-18-Gabe war am 28.5.1998. Er soll wieder alle 3 – 5 Tage – je nach Stärke des Juckreizes – Rhus-t. LM 18 bekommen. Für den Rest des Jahres bleibt das Ekzem auf dem letzten Stand, ist aber trotzdem nicht so stark ausgeprägt wie in den vorangegangenen Sommern. 24.3.1999: Sandy bekommt wieder Natrium muriaticum XM, Vorbeuge gegen Sommerekzem. 5.5.1999: Sandy beginnt wieder mit Ekzem, er soll bei stärkerem Juckreiz alle 2 – 3 Tage Rhus-t. D 12 bekommen.
7.7.1999: Sandys Ekzem hält sich in Grenzen; er sieht unvergleichlich besser aus als vor einem Jahr um diese Zeit. Jetzt hat er nur eine kleine Ekzemstelle. Auch die Bauchnaht ist gut. 18.8.1999: Sandy geht es gut. Das Ekzem war noch nie so gering wie in diesem Sommer. Die Gabe von Rhus-t. D 12 ist nie notwendig gewesen. Sandy wurde im Winter 1999/2000 verkauft, darum konnte ich nichts mehr über ihn in Erfahrung bringen.
Epikrise Natrium muriaticum ist nach der Symptomatik sicher das „richtige“ konstitutionelle Mittel für Sandy. Seine Allgemeinverfassung bessert sich deutlich. Dennoch ist das Similimum für das Sommerekzem noch nicht gefunden. Immerhin lässt es sich meistens mit Natrium muriaticum einigermaßen bessern, sodass wenigstens keine Superinfektionen zustande kommen. Bei manchen Ekzem-Pferden kann durchaus Natrium muriaticum zum Abheilen des Hautausschlags führen, sodass die Tiere sogar ohne Decke auf der Weide stehen können. Hier gilt es noch Folgendes zu klären: Im Gegensatz zu anderen Ekzemerkrankungen nimmt das „Sommerekzem“ offensichtlich eine Sonderstellung ein. Diese Tiere sind nicht „krank“ und reagieren nicht wegen einer grundlegenden toxischen Belastung im Sinn einer Autoimmunerkrankung, sondern einzig auf den Speichel der Gnitzen, diesen winzig kleinen Mücken. Hier muss die Homöopathie noch forschen, um für den „Genius morbi“ des Sommerekzems ein Similimum zu finden.
Nitricum acidum
Nitricum acidum
Salpetersäure
Signatur, Thema und Idee des Mittels Nitricum acidum, Salpetersäure, ist eine starke Säure, bestehend aus Stickstoff und Sauerstoff. Ihre stark ätzende Wirkung kann tief ins Gewebe eindringen. Diese Eigenschaft nutzt man seit Alters her zum Verätzen von Warzen und Granulationen. Organische Stickstoffverbindungen enthalten in ihrer Bezeichnung die Silbe ,Azo‘, griechisch: ,das Leben verhindernd‘ und etymologisch verwandt mit „Ätzen“. Alle homöopathisch genutzten Stickstoffverbindungen haben mit gestörten Oxydationsprozessen zu tun, mit einer Art ,Ersticken‘ von Körpergewebe. Die farblose Flüssigkeit zersetzt sich unter Lichteinwirkung in ein rotbraunes Gas, das reizend auf alle Schleimhäute wirkt, insbesondere auf die Atemwege bis hin zu Erstickungsgefahr. Verätzungen treten an jedem Gewebe auf, das mit dieser Säure in Berührung kommt. Nach Expo-
sition treten zuerst gelbe, entzündliche Erosionen auf. Je nach Reaktionslage des Organismus entstehen anschließend Geschwüre mit Nekrose oder reichlich überschießenden, hämangiomähnlichen Granulationen, oft verbunden mit intensiven, stechenden Schmerzen. Eine besondere Beziehung besteht zu den Körperöffnungen, speziell an Übergängen von Haut zu Schleimhaut. Vom Menschen ist der rigide, ätzende, zerstörerische Charakter des Nit-ac.-Patienten bekannt, der aber beim Tier eher selten so deutlich zu beobachten ist. Salpetersäure war früher ein wichtiger Bestandteil von Schießpulver, was zusätzlich auf die zerstörerischen Eigenschaften dieses Mittels hinweist. Thema und Idee: Angreifen – Zersetzen – Zerstören von lebendiger Substanz.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Nit-ac. wird i. d. R. zu selten verordnet, weil das Mittel durch falsche Vorurteile nicht herausgefunden wird. Oft erkennt man erst nach erfolglosem Einsatz eines anderen Homöopathikums die Indikation von Nit-ac. Gerade beim Tier steht hier nicht immer der Bezug zur Syphilis im Vordergrund! Vielmehr hat Nitac. auch einen Schwerpunkt in Krankheitsfällen vom Typ der Psora und Sykose. Hier spielt es häufig eine Rolle für ,lokale‘ oder ,einseitige‘ Erkrankungen (Organon §§ 173 f.). Als Folgebehandlung ist anschließend eine ,konstitutionelle Therapie‘ empfehlenswert, um für den gesamten Organismus wieder eine belastbare Eigenregulation zu erzielen. Nit-ac. ist ein wichtiges und nicht seltenes Mittel für Warzen (ebenso wichtig und fast so häufig und ähnlich gestaltet wie bei Thuj.!) und andere Neubildungen – auch malignen – an Haut und Schleimhaut.
Neben Thuj. ist es eines der häufigsten Mittel für das equine Sarkoid, mit dem Bild von m. o. w. granulierenden und blutenden Tumoren, die ähnlich erscheinen wie Hämangiome. Ferner kommen vor: Schleimhautkatarrhe mit Tendenz zur Bildung von Krusten, nach deren Entfernen Ulzeration, Nekrose grundsätzlich wund machende, stinkende Absonderungen, schmutzig, gelbgrün Splitter-Schmerzen (Arg-n., Kali-c., Nat-m., Hep., Sil.) kann aber auch durchaus schmerzlos sein oder das Tier äußert diese Schmerzen nicht wichtiges Ergänzungsmittel zu Thuj., insbesondere beim Schimmelpferd, häufig ohne die spezifischen Gemütssymptome oder die vielbeschriebenen Splitterschmerzen.
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Nitricum acidum Nit-ac. ist – neben Hep. – eines der Mittel für den ,Missbrauch von Quecksilber‘, was zu Hahnemanns Zeiten gegen die Syphilis durchaus vorkam. Aber auch heute wird – gerade in der Tierhomöopathie –
homöopathisch potenzierter Merc. vielfach falsch und in zu häufigen Gaben eingesetzt, sodass in solchen Fällen durchaus Acidum nitricum indiziert sein kann.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akut: Mittel für chemische Verätzungen (Nat-m., Rhus-t. u. a.) Subakut: Mittel für fortgeschrittene schwerste, lebensgefährdende Erkrankungen (Atemwege, Darm, Krebs) Chronisch: langsam sich entwickelnde Zustände mit Tendenz zur Destruktion Zersetzung im psychischen und körperlichen Bereich: „ätzendes“ Verhalten, mürrische, „hypochondrische“ Reizbarkeit, abweisende Stimmung Tendenz zum Frieren erschöpfende, langwierige, schwere Erkrankungen Geschwüre und ulzerierende Erkrankungen an Haut und Schleimhäuten, Krebs stinkende, scharfe Absonderungen blutende, überschießende, nicht heilende Warzen oder Granulationen, auch maligner Art
Pferd: Sarkoid, Schimmel-Melanom, überschießende Granulome an Wunden Der in der humanmedizinischen HomöopathieLiteratur so deutlich beschriebene Nit-ac.-Charakter entspricht am ehesten dem syphilitischen Konstitutionstyp, beim Tier finden wir aber viel häufiger die psorische und sykotische Ausprägung von Nit-ac.! Es müssen keineswegs immer stechende Schmerzen oder destruktive Prozesse vorhanden sein. Der psorische Vertreter von Nit-ac. ist i. d. R. unauffällig, nicht in jedem Fall müssen ausgeprägte Gemütssymptome vorhanden sein. Den sykotischen Nit-ac.-Patienten sehen wir am ehesten beim Pferd, z. B. beim Sarkoid-Patienten, auch der muss keineswegs immer die charakteristischen unguten Gemütseigenschaften haben.
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten selten ausgeprägte Physiognomie, nur in ausgeprägten Fällen schwerste oder degenerative Erkrankungen häufig stark pigmentierte Patienten Mangel an Lebenswärme (bei langhaarigen Tieren nicht immer erkennbar!) Warzen oder Auswüchse an den Lidern, an den Lippen, über den Augen verfrorene Patienten, Tendenz zu kalten Extremitäten, frieren sogar noch bei strahlender Wärme schnell fortschreitende Erschöpfung und Schwäche stuckernder, kurzer Gang wegen Empfindlichkeit gegen Erschütterung (z. B. Pferd) überempfindlich gegen alle Sinneseindrücke
extreme Ängstlichkeit vor der tierärztlichen Untersuchung zeigt sich bei vielen Patienten und ist kein Leitsymptom Die vom Menschen bekannten splitterähnlichen Schmerzen sind beim Tier nicht festzustellen, man könnte bei plötzlichem Aufschreien vor Schmerzen daran erinnert werden. Aber das wäre kein verlässliches Symptom. Schmerzen kommen und gehen plötzlich stinkende, wund machende, meist gelbgrüne Absonderungen bei schweren Erkrankungen besteht Verwechslungsgefahr mit Ars.-Zuständen: – destruktive Tendenz – Patient muss liegen wegen extremer Schwäche und Hinfälligkeit – bis Kachexie – evtl. Fieber ohne Durst
Nitricum acidum Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens das Verhalten des vierbeinigen Nit-ac.-Patienten deckt sich in der Regel nicht mit dem in der humanhomöopathischen Literatur beschriebenen boshaften, egoistischen Charakter; nette, freundliche oder unauffällige Nit-ac.-Patienten sind viel häufiger; manchmal unversöhnliches, übelnehmendes, nachtragendes Wesen ,hypochondrische Angst‘, dass ihm Schmerzen zugefügt werden (entspricht der ,Angst um die Gesundheit‘ (Ars.) wehleidige Tiere, überempfindlich gegen Schmerzen, zittern vor Angst oder beißen sogar (Maulkorb!); das wird aber bei vielen anderen Mittel auch beobachtet, insbesondere bei ängstlich-unsicheren Besitzern
ausgeprägte Nit-ac.-Patienten erscheinen ,mürrisch‘ und ,abweisend‘, lassen sich ungern streicheln kein ,Schmusetier‘, Abneigung gegen Zuwendung unerwünschte Annäherung kann sogar Beißen auslösen. (,will töten‘), sogar in der eigenen Familie heftiger, aggressiver Zorn, besonders gegen bestimmte Personen, die ihm Leid zugefügt haben aber auch liebevolles, herzliches, mildes Verhalten! Fröhlichkeit! leichtes Erschrecken aus unerheblichen Gründen ruheloses Umherwandern (Arg-n.) Hunde: lieben das Autofahren!
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Auge: Entzündungen, Pusteln, Bläschen auf Konjunktiva, auf der Kornea Ulcus corneae, hochgradig schmerzhaft, mit Neigung zur Perforation Kondylome, Warzen, Tumore am Lid Iritis, Pannus, Adhäsionen der Pupillen, Katarakt, Photophobie Pferd: eines der Mittel, an das man bei der ,periodischen Augenentzündung‘ (Iridocyclitis) des Pferdes denken sollte Ohr: Hund: jauchige, stinkende, ulzerierende Otitis, fortgeschrittenes Stadium mit Ulzerationen und Destruktion des Innenohrs Atemwege: Schnupfen mit ,bösartigem‘ Verlauf (aber sehr selten beim Katzenschnupfen-Komplex) Ozäna („Stinknase“) mit harten Borken, die Geschwüre hinterlassen Bronchitis mit erstickenden Krämpfen destruktive Folgen von ,Erkältungen‘ mit Erkrankungen der Lungen stinkender Atem und Auswurf mit „Splitterschmerzen“ im Hals dabei Wundwerden von Lippen und Maulschleimhaut Verdauungsapparat: Maul: schwammiges, leicht blutendes Zahnfleisch schwammige, auch schmerzlose Tumoren am Zahnfleisch (Calc-c., Thuj.) tiefe Risse in der Zunge, in alle Richtungen
Ulzera – schmerzhaft – an den Maulwinkeln, Lippen Ulzera an Zunge, Zahnfleisch, Tonsillen, Rachen, Ösophagus (Merc.) Ulzera am Übergang zwischen Lippenschleimhaut und Zahnfleisch Warzen an den Lippen wund machender, stinkender Speichelfluss, stinkender Atem wichtiges Ergänzungsmittel für Ars. bei der Stomatitis der Katze, insbesondere bei Vorliegen von Tumoren im Maul innerer Hals: Inkoordination beim Schlucken, Verschlucken Magen: peptische Magengeschwüre frisst Sand und Kalk u. a. Unverdauliches Unverträglichkeit von Milch Hund: Erbrechen mehrere Stunden nach der Futteraufnahme schwerste Enteritis (,Typhoid‘) mit stinkendem, grünlichem, schleimigem Kot mit Tenesmus Erkrankungen wie Colitis ulcerosa mit eitrigschleimigem, stinkendem Kot mit Tenesmus Rektum: schmerzhafte Erkrankungen der Analdrüsen: Rhagaden, Fisteln, Ulzera, Granulationen mit Tenesmus, sogar nach Abgang von weichem Kot (Merc., Puls., Sulf.) Schmerz hält noch Stunden nach Kotabsatz an Hund: dreht sich plötzlich um und leckt intensiv und lange am After, sogar während des Spa-
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Nitricum acidum ziergangs; stinkende Absonderung aus dem After; chronische, hochgradig schmerzhafte Erkrankungen der Analdrüsen; gehen über in Rektumkarzinom Gliedmaßen: Folgen von Verletzungen, Verrenkungen, Luxationen (viele andere Mittel!) charakteristisch: Verschlimmerung im Trab auf hartem Boden (⬍ Erschütterung) Knacken der Gelenke bei Bewegung ,rheumatische‘ Gliederschmerzen durch Kälte, kaltes oder nasses Wetter (Caust., Dulc., Lyc., Nat-s., Puls., Rhod., Rhus-t., Sep., Sil., Thuj.) ⬍ am Anfang der Bewegung, besser durch schnelle Bewegung, Rennen ⬎ durch passive Bewegung, z. B. Fahren empfindliche Huflederhaut, „fühlige Hufe“ (Caust., Calc-p., Graph., Lyc., Nat-m., Nat-s., Sil., Sulf. u. a.) Rücken: besonders Pferd: Verletzungen der Wirbelsäule ,durch Überheben‘, d. h. durch Reiten! Lumbago durch ,Überheben‘ (Rhus-t. u. a. Mittel) krampfartige, schmerzhafte Steifheit des Rückens (unabhängig vom Sattel) Spannung und Steifheit im Lendenbereich, im Lumbosakralbereich das sind Pferde, die mit Reiter einen verspannten, ,unreinen‘ Schritt gehen, schlecht galoppieren können, im Trab den ,Rücken nicht hergeben‘; evtl. gleichzeitig Sarkoid evtl. mit segmentalem Schweißen (Schlüsselsymptom fürs Pferd) mit Schweiß an Händen und/oder Füßen Lumbago durch ,Kaltwerden‘ (Rhus-t., Dulc.) Urogenital: häufiger Harndrang, ⬍ nachts dabei Schmerzen in der Harnröhre mit intensivem Lecken Urin stinkt wie Ammoniak meist ausgeprägtes sexuelles Verlangen Urethritis, Strikturen, Ausfluss evtl. blutig Prostatitis, Balanitis Vaginitis wund machender, übel riechender Vaginal-Ausfluss Auswüchse, Tumoren am äußeren und inneren weiblichen oder männlichen Genital Warzen, Auswüchse an Genital, Präputium und After Haut: stinkende Hautausdünstung Hautausschläge an stark behaarten Teilen schmerzhafte Furunkel, Karbunkel sich ausbreitende Hautausschläge
Hund: Lefzenekzem, Fissuren, Ulzera der Lippen und Maulwinkel mit starken Schmerzen; stinkende Absonderung aus den Ohren Pferd: lokales oder segmentales Schwitzen nach Verletzungen der Wirbelsäule; Hautausschläge, Urtikaria durch kalte Luft, durch Anstrengung schorfige, blutende Warzen am Präputium und After (Thuj.) Tumoren, Warzen, Kondylome (besonders beim Pferd) ausgestanzte Ulzera, füllen sich mit leicht blutenden Granulationen, genannt ,Fungus haematodes‘ auch für große, runde, schwammartige Granulationen an Wunden, speziell beim Pferd weiche Warzen blutend, bluten bei Berührung, mit dünner Haut überzogen, schmerzhaft Warzen groß, zerklüftet und blutend, wie ein Blumenkohl Auswüchse flach, ausgebreitet, haarlos, neigen zu Exkoriation Warzen hornig, eingedellt, gestielt, klein, entzündet, juckend, feucht-absondernd, stinkend, schmerzhaft Beschwerden nach unterdrückten (entfernten) Warzen (z. B. maligne Erkrankungen); nach Entfernen der Warzen entwickeln sich evtl. Ulzera, Granulome wachsen, ohne Heilungstendenzen Kondylome, blutend, flach, ausgebreitet Pferd: Schimmel-Melanom Fungus haematodes (eine Form des Sarkoids beim Pferd): Blutschwamm-ähnliche, üppig wuchernde, große Tumoren – Haselnuss- bis Kindskopf-Größe; beim Pferd besonders in Sattelgurt-Lage, Genitalbereich oder Ellbeuge; über den Augen, am Lidrand, am After, am Sternum (Sattelgurtlage); die Patienten lassen sich das blutige Sarkoid nicht gern waschen oder abspritzen! (⬍ Kälte); wächst nach operativer Entfernung häufig wieder nach oder hinterlässt typische Nit-ac.-Ulzera ohne Heilungstendenz; auch beim Esel vorkommend (Thuj.) Ulcera, Geschwüre – mit unregelmäßigen Rändern, dringen tief ins Gewebe ein füllen sich dann mit wuchernden, roten, leicht blutenden Granulationen schmerzhaft oder schmerzlos oder mit grauer oder speckiger Basis mit erhabenen und verhärteten Rändern
Nitricum acidum auch krebsartige Ulzera, oder z. B. lokalisiert an Mammatumoren Tendenz zur Perforation (Fl-ac., Kali-bi., Merc., Sil.) Absonderung stinkend, jauchig, blutig, wund machend
Krebs: Hirntumor, Epitheliom, Sarkom der Haut, Fungus haematodes Lupus carcinomatous, Lipom, Sarkom, Osteosarkom, Skirrhus, maligne Ulzera von Drüsen
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Beschwerden durch emotionelle Aufregung, Angst oder Zorn Beschwerden durch Streit in der Familie Beschwerden durch den Tod von Bezugspersonen, Verkauf an neue Besitzer Beschwerden durch autoritäre, harte Erziehung Missbrauch von Merc. – falsche Dosierung, zu häufige Gaben (Hep.) Modalitäten: Mangel an Lebenswärme ⬍ abends, ⬍ nach Mitternacht, ⬍ im und nach Schlaf ⬍ durch Temperaturwechsel, ⬍ durch Wetterwechsel, ⬍ durch kalten Wind ⬍ durch Waschen oder Baden, besonders kalt waschen
⬍ durch Schwitzen ⬎ durch Fahren im Auto ⬎ durch warme oder heiße Anwendungen Schmerz kommt plötzlich Schmerz beginnt plötzlich und hört plötzlich wieder auf Schmerz beginnt allmählich Schmerz beginnt allmählich und hört allmählich auf Schmerz beginnt auf einer Seite, geht zur anderen und verschlimmert sich dort (Lyc., Nat-m., Arg-n.) Komplementärmittel: Ars., Thuj., Sulf. Antidot zu Merc.
Ausgewählte Fallbeispiele Wallach Domino – Ulkus nach operiertem Sarkoid, Ulkus im Maul Februar 1994: Domino ist ein braver 18-jähriger dunkelbrauner Württemberger Wallach. Er trägt die dressurmäßig ambitionierte Besitzerin mit derselben Geduld wie ihre 2- und 4-jährigen Kinder, der Familienvater reitet häufig gemütlich ins Gelände. Ich beobachte schon den ganzen Winter bewundernd, wie die Besitzerin ihr Pferd immer mit Sattel, aber ohne Sattelgurt reitet. Jetzt sprechen mich beide Besitzer an, Domino fresse so schlecht wegen eines Geschwürs im Maul, ob es nicht etwas Homöopathisches dafür gebe. An der inneren Umschlagstelle der Oberlippe zum Zahnfleisch findet sich ein ca. 2 ⫻ 3 cm großes, stinkendes Geschwür mit unregelmäßigen Rändern, das rundum von breiigen Heuresten bedeckt ist.
Der sonst so brave Wallach lässt sich nur ungern untersuchen. Ferner sei vor 3 Monaten ein Golfball-großes Sarkoid in der Sattelgurtlage mitten auf dem Sternum entfernt worden. Aber die Wunde zeige trotz aller bisherigen tierärztlichen Bemühungen keine Heilungstendenz. Darum werde das Pferd also ohne Sattelgurt geritten. Dieses schmerzarme Geschwür am Sternum ist bedeckt von einer schmierigen, klebrigen und ekelhaft stinkenden Absonderung. Diese Symptomatik lässt klar die Indikation von Nit-ac. erkennen. Eine Gabe der 200. Potenz per os lässt das Ulkus im Maul nach 4 Tagen und das am Sternum nach einer Woche problemlos abheilen. Beobachtungszeit: 6 Jahre, frei von Rezidiven; dann wurde das Pferd auf einen Gnadenbrot-Hof gegeben.
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Nitricum acidum Wallach Terry – Ulzeriertes Sarkoid und Adynamie nach Zytostatika-Therapie Am 12. Juni 2002 wird mir der 6-jährige hellbraune Vollblut-Wallach Terry, ehemaliger Galopper, vorgestellt. Er leidet seit einem dreiviertel Jahr unter Sarkoiden bzw. deren Folgeerscheinungen.
Vorbericht Terry hatte im Bereich der linken ventralen Brustseite, nahe dem Sternum, etwa in der Lage des Sattelgurts, ein Sarkoid. Dieses hatte sich anfangs (ab Herbst 2001) als unbedeutende, aber immer wieder blutende „Warze“ gezeigt. Diese Neubildung wurde operativ entfernt, nachdem es etwa 3 cm Durchmesser erreicht hatte. Anschließend wuchs es wieder nach und erreichte die Größe eines Hühnereis. In der Nachbarschaft entwickelte sich währenddessen eine zweite Neubildung. Der erste Tumor zeigte – bei regelmäßiger Anwendung von desinfizierenden Wundsprays – eine teils hornige, schorfige und teils blutende, schwammige Oberfläche. Im April 2002 wurden beide Tumoren entfernt. Um einem Rezidiv vorzubeugen, wurden beide Operationswunden mehrmals – im ca. 2-WochenIntervall – mit dem Zytostatikum Cis-Platin unterspritzt (Cis-Platin verwendet man in der Humanmedizin als Zytostatikum bei malignen Hodentumoren). Den Besitzern gegenüber wurde ausdrücklich betont, dieses Präparat habe eine rein lokale, keine systemische Wirkung. Die letzte Injektion hatte 4 Wochen vor meinem Besuch stattgefunden. In demselben Zeitraum hatte das Pferd wegen „Rückenschwierigkeiten“ (Steifheit) Injektionen in die Rückenmuskulatur erhalten.
Untersuchung und homöopathische Anamnese Terry begegnet mir als freundliches, aufmerksames und zugewandtes Pferd. Meine Leckerli nimmt er gern und behutsam aus der Hand. Er scheint ein sehr feines Pferd zu sein, aber nicht übersensibel. Aber er verlangt nicht nach weiteren Leckerbissen, sondern steht – auch während der Untersuchung – ruhig, gelassen und desinteressiert.
Husten lässt sich nicht auslösen, aber der Akupunktur-Punkt B 13 ist deutlich druckdolent, ebenfalls B 18 und 19; Terry verspannt sich und drückt dabei heftig den Rücken weg. An den Lokalisationen des Sarkoids befinden sich zwei Ulzera mit mäßig feuchter Oberfläche, ca. 6 und 3 cm Durchmesser. Die Ränder sind erhaben, induriert, schmerzfrei und unregelmäßig begrenzt, ohne Heilungstendenz. Die Ulkus-Fläche ist ausgefüllt von zahllosen, rosafarbenen, etwa stecknadelkopfgroßen Granulationen, die bei leichter Berührung nicht bluten. Aber an ein Anlegen des Sattelgurts ist nicht zu denken. Berührung führt zu derselben Kontraktionen der Haut wie durch den Kontakt mit den Fliegen. Die Besitzer waren angewiesen worden, die Ulzera mehrmals am Tage mit einer Fluoro-Uva-Salbe (Zytostatikum) zu pflegen. Terry steht auch weiterhin ohne Anteilnahme, fast schläfrig in seinem Paddock, während seine Nachbarn neugierig über den Zaum schauen und betteln. Terry sei in letzter Zeit immer müder geworden und galoppiere nicht einmal auf der Weide, ja, man müsse ihn richtig hinterher ziehen. Sein Fell ist auffallend dünn und absolut glanzlos. Die Besitzer berichten: „Die Mähnenhaare werden immer weniger, und die Hufe wachsen auch nicht mehr. Der Hufschmied hatte große Schwierigkeiten, Terry wegen der neuerdings bröckelnden und ausbrechenden Hufe zu beschlagen. So etwas habe er bei ihm noch nie beobachtet. Terry hat sich jetzt schon mehrfach die Eisen heruntergerissen, obwohl er gar nicht herumtobt.“ Was gibt es noch zu berichten? – „Terry hustet schon eine ganze Weile, sobald er antrabt. Aber jetzt geht er gar nicht mehr vorwärts, er schleicht nur noch im Schritt herum, sogar auf der Weide. So kennen wir ihn eigentlich gar nicht. Früher war er ein lustiges, aufgewecktes Pferd und man musste manchmal aufpassen wegen seiner Bocksprünge.“ Terrys Extremitäten sind im Bereich der Fesselgelenke gering geschwollen; an allen vier Beinen ist eine deutliche Pulsation der Mittelfußarterien zu fühlen. „Terry geht besonders in den letzten Wochen auf hartem Boden und auf Kies so staksig. Er steht jetzt am liebsten nur schläfrig in seinem Paddock in der Sonne. Ich reite ihn manchmal ohne Sattel ins Gelände, dann wird er ein bisschen munterer. Aber sobald wir ein bisschen traben, muss er furchtbar schnaufen. In letzter Zeit frisst er immer schlechter
Nitricum acidum und langsamer und magert immer mehr ab. Früher war er ein ganz anderes Pferd. Er ist erst seit diesen Spritzen so müde.“ Also – wie war Terry denn früher? – „Früher ist er extrem gern gesprungen, Dressur war ihm immer zu langweilig. Er lässt sich gut putzen, ist aber manchmal kitzlig. Aber wenn ich mit ihm schimpfe, steht er wieder still. Früher hat er sich beim Hufschmied immer ganz wahnsinnig aufgeführt, bis der ihn mal zusammengebrüllt hat. Seitdem steht er brav. Gegen die Gerte hat er sich immer gewehrt, sogar bei der Reitlehrerin. Aber wenn sie ihn dann richtig anpackte, ging er prima. Im Gelände musste man früher immer etwas aufpassen: Terry nutzte meine Unaufmerksamkeit gern mal aus und machte, was er wollte. Mit einem Kind oder Anfänger machte er Unsinn, gehorchte nicht oder blieb stehen und fraß Gras. Er war nie übermäßig ängstlich, sondern eher frech. Auf den Turnieren hat er sich immer furchtbar aufgeregt. Er hatte vor 2 Jahren mal einen Verschlag und bekam dafür Berberis C 30. Aber das ist schon lange gut. Wenn er von anderen Pferden bedroht wird, kann er sich gut zur Wehr setzen. Aber dem Herdenchef geht er lieber aus dem Weg. Vor dem Tierarzt hat er furchtbare Angst: Für diese Injektionen in das Sarkoid brauche er jedes Mal eine Beruhigungsspritze. Auch bei Impfungen oder Wurmkuren spinnt er immer. Er lässt sich gut verladen, war aber im Anhänger vor lauter Angst immer patschnass geschwitzt und hat gezittert. Auf einer Military-Prüfung hatte er mal eine Kolik, aber ich glaube, das kam durch seine Nervosität und Aufregung. Terry ist kein Schmusepferd; er mag es nicht, wenn man ihn am Kopf streichelt. Er bettelt nicht übermäßig und klopft auch nicht gegen die Boxentür. Er begrüßt mich nicht mit Wiehern, nur bevor es Futter gibt. In der Box ist Terry sehr sauber, platziert seinen Mist immer in derselben Ecke. Früher war er sehr hengstig, darum ist er mit 3 Jahren kastriert worden.“
Mittelwahl Die Lokalisation – „Warzen am Sternum – und die Art des Geschwürs – gezackte, indurierte Ränder mit den kleinen Granulationen – sprechen für die potenzierte Salpetersäure.
Therapie Terry bekommt am 12.6.2002 Nitricum acidum XM, 1 Gabe per os. Nach 10 Tagen rufen die Besitzer an, die Geschwüre seien zugeheilt, ob sie jetzt wieder den Sattel auflegen dürften. Aber sein Allgemeinzustand sei noch unverändert. Ich bitte sie im Hinblick auf die Heilungszeit, damit noch mindestens 10 Tage zu warten.
31.8.2002 Zweiter Besuch Die Ulcera sind tatsächlich abgeheilt. Es ist noch eine geringe Verdickung am Rand der ehemaligen Geschwüre vorhanden. Die Narben sind überwiegend von glatter Haut überzogen, es sind nur vereinzelte Haare nachgewachsen. Im Zentrum der Narben fehlt stellenweise das dunkle Pigment. Terry ist aber noch immer abgeschlagen, hat noch immer ,fühlige Hufe‘, aber die habe er schon immer, erklären jetzt die Besitzer. Terry trägt jetzt einen Beschlag mit Ledersohlen und Stiften. Die Pulsation ist noch genauso zu palpieren wie vor 7 Wochen. Er hat noch weiter an Gewicht verloren, obwohl er gut frisst: Er bekommt jetzt morgens und abends je 3 l Hafer, ausreichend Heu und frisst zusätzlich auf der Weide Gras. Das Fell ist ein wenig dichter geworden. „Husten haben wir nicht mehr beobachtet. Terry ist noch immer so schläfrig und will nicht vorwärts gehen, obwohl er schon dreimal von einer Physiotherapeutin wegen seiner Verspannungen im Rücken behandelt worden ist. Er wacht immer erst ein bisschen auf, wenn es im Gelände wieder nach Hause geht. Wir reiten fast nur im Schritt. Galoppieren ist sehr mühsam, er ist sehr kurzatmig. Er schwitzt beim Reiten kaum.“ Keine Wetter-, Temperatur- oder andere Modalitäten. Die Auskultation der Atemwege ist unergiebig, Husten ist nach wie vor nicht auslösbar.
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Nitricum acidum An der Longe ist Terry kaum vorwärts zu bringen, er galoppiert nur ein wenig, wenn ihn die Longierpeitsche immer wieder berührt. Anderenfalls fällt er in einen langsamen Zockeltrab. Die Atmung ist dabei übermäßig frequent, beruhigt sich aber in knapp 10 Minuten auf den Ruhewert.
Therapie Nach den Angaben über Terrys Wesen und Verhalten sprechen die Symptome für Lycopodium.
Er bekommt am 31.8.2002 Lycopodium M, 1 Gabe per os. Im Laufe der nächsten 3 – 4 Wochen erholt sich Terry und wird wieder lustig wie früher. Rezidive des Sarkoids sind bisher nicht aufgetreten. Die Besitzerin reitet wieder Turniere, seit 2004 Military-Prüfungen. Bis Mitte 2005 ist kein Rezidiv aufgetreten, Terry ist gesund und munter.
Nux vomica
Nux vomica
Die Übelnuss – Die Unheilsnuss
Signatur, Thema und Idee des Mittels Nux vomica, die „Unheilsnuss“, ist die Frucht eines stabil verwurzelten, immergrünen Baumes, heimisch in Indien. Die Inhaltsstoffe der Nux vomica bestehen überwiegend aus Krampfgiften, wie Strychnin und Brucin. Diese Alkaloide lösen Muskelspasmen bis zum permanenten Tetanus aus, anschließend folgt mangelnde Erregbarkeit und Lähmung. In vielen Literatur-Angaben wird Nux vomica auch „Brechnuss“ genannt. Aber das Erbrechen heißt lateinisch „vomitus“; dagegen bedeutet „vomica, vomicae, Femininum“ das „Unheil“, das „Übel“. Vielleicht mag gerade diese Bemerkung als Eselsbrücke für das Arzneimittelbild der „Übelnuss“ mit ihrem widerwärtigen Brechreiz, der quälenden Übelkeit und anderen Erkrankungen durch „unheilvolle“ Giftstoffe dienen.
In der Arzneimittelprüfung tritt der Wirkungsmechanismus dieser Alkaloide und Krampfgifte zutage, indem der Schwellenwert für Reize aller Art herabgesetzt wird: Anfangs überreagiert der Proband in der Arzneimittelprüfung mit Spasmophilie und psychischer Erregbarkeit, anschließend folgt verminderte Reaktion, Apathie bis zur Lähmung. Sensorische oder toxische Reize, Stoffwechselimbalancen, Stress aller Art, ungesunde Lebensweise und alle extremen Belastungen (z. B. Kälte, Überanstrengung, Infektionen) sind pathogene Faktoren für Nux-vomica-Erkrankungen. Die Therapie mit Nux vomica stabilisiert den Organismus in seiner Reaktionsweise, führt Toxine zur Ausscheidung und ermöglicht eine adäquate Reizbeantwortung und Reizverarbeitung. Thema und Idee: Reizüberflutung mit übermäßig aufwendigen Reaktionen bis zur Lähmung, viel Aufwand mit wenig Effekt.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Nux vomica ist ein sehr gut geprüftes Arzneimittel der Homöopathie für akute, subakute und chronische Erkrankungen. In der täglichen homöopathischen Tierpraxis ist Nux vomica eine der am häufigsten gebrauchten Arzneien. In der klassisch-homöopathischen Literatur wird ausdrücklich betont, dass Nux vomica kein „Antipsoricum“ sei, also nicht als einziges Mittel zur „konstitutionellen“ oder Therapie von chronischen Krankheiten geeignet ist, sondern von einem tiefgreifenderen Mittel gefolgt sein sollte. Nux-vomica-Patienten werden als sehr verfroren beschrieben; Nux-v. ist eines der verfrorensten Mittel der ganzen Materia medica. Dennoch kann dieses sehr nützliche Leitsymptom gerade bei langhaarigen Tieren nicht immer beobachtet werden.
Auch Reizbarkeit oder Aggressivität müssen nicht zwingend bei jedem Nux-Patienten auffallen. Für die homöopathische Mittelwahl kommt es darauf an, diejenigen Symptome des Patienten aufzunehmen, die jetzt vorhanden sind. NegativSymptome wie z. B. fehlende Reizbarkeit mit freundlichem Wesen sind im Zweifelsfall kein Grund, die Indikation von Nux-v. auszuschließen. Bei ausführlichem Studium des Arzneimittelbildes fallen Parallelen zur Tetanus-Erkrankung auf. Hier darf man Nux-v. nicht überbewerten, zumal die Nux-Erkrankung anfangs besonders die Hinterhand betrifft – was ja bei Tetanus nicht immer der Fall ist. Im Fall einer Tetanus-Erkrankung ist vielleicht eher das potenzierte Strychnin oder die Tetanus-Nosode zu bevorzugen. Nux vomica gilt wie Sulfur als „Reiniger“ von „Schlacken“ und toxischen Produkten. Potenz und Dosierung müssen dabei der Schwere der Erkrankung angemessen sein. Bei einer schweren Intoxikation, Stoffwechselstörung oder Lähmung
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Nux vomica kann durchaus die 200. Potenz zu schwach sein, um eine Heilung zu erreichen. Allerdings gibt es auch andere Homöopathika für solche Zustände: Phos. ist nach Nux-v. das zweite Mittel für Vergiftungen, die mit Blutungsbereitschaft einhergehen. Wenn im Fall einer Vergiftung mit auffallender Schwäche vergebens Nux vomica gegeben wurde, kann auch Ars. indiziert sein.
Nebenwirkungen hormoneller Therapie (Kortikoide, Geschlechtshormone) sind mit Nux-v. i. d. R. nicht zu beherrschen – sie erfordern Sulf. Nebenwirkungen durch Geschlechtshormone, speziell mit Erkrankungen des Urogenitals, indizieren häufig Sep., Lach. oder Puls. Komplementärmittel zu den großen Polychresten wie Lyc., Sep., Puls., Calc., Nat-m., Phos. u. a.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute, subaktue und chronische Zustände, Letztere sollten anschließend mit einem „Konstitutionsmittel“ auskuriert werden Anfangs Übererregung, Reizbarkeit, Spastik, dann Schwäche bis Lähmung gesteigerte Reflexerregbarkeit „Der gestresste Organismus“ durch toxische Belastungen fast aller Art: Hauptmittel für Vergiftungen fast jeder Art, Umweltgifte, Futtermittelschäden Entgleisungen des Stoffwechsels, insbesondere des Leber- und Nierenstoffwechsels iatrogene Schäden, Missbrauch von Medikamenten Überempfindlichkeit für Medikamente und deren Nebenwirkungen selten sogar überempfindlich für homöopathische Arzneien kann Überreaktionen abschwächen Infektionen, Stoffwechselerkrankungen entwickeln sich allmählich auch mit Schweiß oder starker Neigung zum Frieren, Schüttelfrost, ⬎ durch Wärme
Atemwege: Rhinitis, Sinusitis, morgens wässriges Sekret, abends verstopfte Nase wund machendes Nasensekret Pharyngitis, Laryngitis, Bronchitis, allergische Rhinitis, allergische Bronchitis, Asthma Verdauungsapparat: Leberbelastungen und -erkrankungen Magen-Darm-Erkrankungen mit schnellem Beginn Erbrechen und Durchfall mit Krämpfen, Würgen, Tenesmus eines der wichtigsten Kolikmittel beim Pferd Obstipation, Darmlähmung (Rind: Pansenstillstand) Ileus, Inkoordination von Peristaltik Lumbago, Diskopathien, „Dackellähme“, Nachschleppen, Lähmung der Hinterextremitäten Nierenerkrankungen Zentralnervensystem: Neuralgien, Lähmungen, Krampfanfälle Modalitäten: Beginn morgens, oder nachts 4 Uhr, abends oft besser ⬍ durch Kälte, ⬎ durch Wärme
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Das Erscheinungsbild kann sehr variieren, abhängig von Schwere der aktuellen Erkrankung, von Dauer und Intensität einer möglicherweise zugrunde liegenden Erkrankung. fast alle Konstitutionstypen können unter Nuxvomica-Erkrankungen leiden, insbesondere: – kräftige, reaktionsfähige Tiere, mit ,straffer Faser‘ – besonders dunkel pigmentierte Tiere – oft adipös mit labilem Leberstoffwechsel, evtl. auch mager nach „Stress“
– Zivilisationsschäden durch Bewegungsmangel und üppige Ernährung – männliche Tiere mit ausgeprägter Sexualität, aber auch weibliche Tiere häufig gestresster Ausdruck, eng stehende Ohren (Stirnrunzeln beim Menschen) oft Aggressivität während der klinischen Untersuchung häufig lähmige Schwäche, beginnend in der Hinterhand (Nachschleppen der Beine, wie Phos.)
Nux vomica heftige bis unerträgliche Schmerzen, oft mit Jammern oder Schreien (niedrige Schmerzschwelle) Apathie bis Lähmung, je nach Schwere der Erkrankung Frieren, eines der verfrorensten Mittel der Materia medica, Fieber mit Frieren bis Schüttelfrost sucht warme Plätze
Schwäche und Lähmung, besser durch Aufregung und Ablenkung sehr häufig Hyperästhesie der Haut, besonders empfindlich an Bauchwand und Rücken meist deutliche Druckdolenz an den Reflexzonen der Leber am Blasenmeridian häufig saubere Tiere manchmal schlechte Futterverwerter („Abmagerung mit Heißhunger“)
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens ungeduldige Reizbarkeit – solange noch Reaktionsfähigkeit vorhanden ist Zorn, Aggressivität, zornige Eifersucht, sogar diktatorische Tyrannen: – Aggressivität auch gegen Familienangehörige – Nux-Tiere sind oft schwierig zu behandeln, zeigen abweisendes Verhalten – Aggressivität auch gegen Artgenossen, bis zur Streitsucht – Hund: knurrt die sonst geliebten Besitzer an während seiner Nux-Erkrankung; inszeniert Raufereien, Beißereien – Pferde: Beißen, Schlagen, auch beim Reiten, gegen andere Pferde, aggressive Boxenpferde mit wenig Bewegung (u. a. Mittel!) Zorn auch ausgelöst durch Kontaktaufnahme oder Berührung, „Zorn, wenn gestört“ Beschwerden durch Zorn, heftiger Zorn, manchmal mit Zittern, mit Angst Beschwerden durch nicht geäußerten Zorn (unterdrückter Zorn) Beschwerden durch zu strenge autoritäre Erziehung (Demütigung) Konkurrenzdenken: – Rangstreitigkeiten, Futterneid auf Artgenossen oder andere Tiere, stiehlt Futter! – Streitsucht männlicher Konkurrenten, besonders um sexuelle Angelegenheiten widerspenstig gegen Erziehungsmaßnahmen („Verträgt keinen Widerspruch“) rebelliert gegen vorgegebene Rangordnung
plötzliche Wutausbrüche, dann wieder freundlich, abrupter Stimmungswechsel Aggressivität und Reizbarkeit müssen nicht zwingend vorhanden sein! – können auch erst durch entsprechende Provokation zum Vorschein kommen – oder „ganz normales“, unverändertes Verhalten sogar Indifferenz, sondert sich ab – von Artgenossen oder Familie, will in Ruhe gelassen sein häufig ,ruhelose Geschäftigkeit‘, Ungeduld – Pferde: wandern in der Box, streiten mit Nachbarn, schlagen gegen die Wand, beißen ins Gitter – Hunde: neigen zum Stromern überempfindlich gegen alle Sinnesreize daher häufig zentralnervöse Reizung bis zu Krampfanfällen, Konvulsionen, Epilepsie will absolute Ruhe, Zorn, wenn gestört Apathie – zieht sich zurück an warmen Ort grundsätzlich schlechteres Befinden am Morgen, ab 4 Uhr, „gereizte Morgenmuffel“ munterer und allgemein besser abends bis nachts überempfindlich gegen Gerüche, z. B. Tabak erhöhte Schmerzempfindlichkeit, zornige Hypochonder anspruchsvolle, „ungnädige Mimose“, nichts ist dem Patienten recht (Ars. u. a.) großer sexueller Drang
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Nux vomica Leitsymptome des pathologischen Geschehens Perakuter Verlauf: Vergiftungen, Lumbago, Diskushernie Akuter Verlauf: Allgemeininfektionen, toxische Belastungen meist heftiger Krankheitsverlauf Schmerzen beginnen plötzlich, heftig Subakuter Verlauf: Stoffwechselerkrankungen mit Leber-, Nieren-Beteiligung Allgemeinerkrankungen: Infektionen durch Kälte langer Aufenthalt im Kalten, nach Abscheren des Fells entwickeln sich im Laufe von 1 – 2 Tagen mit Kälteschauern, ⬍ bei Bewegung, Luftzug, sobald entblößt, abwechselnd mit Schwitzen Schüttelfrost, großes Verlangen nach Wärme Verdauungsapparat: Spasmen der Kaumuskulatur (Trismus) bis Lähmung („Herabfallen des Unterkiefers“) Zahnschmerzen nach Zahnbehandlung, nach Zahnfüllungen Schlundverstopfung die geringste Berührung im Gaumen oder Rachen löst Würgereiz aus Inkoordination der Peristaltik – Spasmus, Retroperistaltik bis Lähmung „verdorbener Magen“, Gastritis, Indigestion, Gastroenteritis, Kolik, Invagination, Ileus verbunden mit Frieren, Schüttelfrost und Reizbarkeit, später Lähmung Magen: Schluckauf, Aufstoßen; Folgen von Überfressen (Puls., Op., Carb-v. u. a.); Futtermittelintoxikationen aller Art, mit Indigestionen; Verlangen nach stark gewürztem, fettigem oder salzigem Futter; Verlangen nach Unverdaulichem (Sand, Kalk, Blumentopferde u. a.); Trägheit, Schläfrigkeit nach der Futteraufnahme; Übelkeit; Erbrechen mit sehr viel krampfhaftem Würgen, dann Erbrechen einer kleinen Menge; Besserung nach Erbrechen, oft nur vorübergehende Besserung; fäkales Erbrechen bei Ileus; Übelkeit, Würgen, Erbrechen beim Autofahren (Cocc. u. a.); Appetit fehlt durch Stoffwechselstörungen: nach pharmazeutischen Medikamenten, durch stressbedingte Gastritis, durch Überempfindlichkeit gegen den Geruch von Futter, keine Futteraufnahme („schnell satt“) nach Fressen einer geringen Menge, trotz Hungers
Abdomen: Hyperästhesie gegen Berührung und Druck; gegen Druck beim Auf-den-Arm-Nehmen, gegen Druck des Geschirrs (Hund); gegen Anziehen des Sattelgurts (Pferd) Rectum: Spasmus der Schließmuskeln bei rektaler Untersuchung oder Kontakt mit dem Fieberthermometer ist ein wichtiges Diagnostikum für Nux -v.; oft Durchfall abwechselnd mit Verstopfung; Tenesmus, schwieriger Kotabsatz, oft kleine Mengen mit sehr viel Drängen, oft erfolglosem Pressen; Tenesmus vor und während des Kotabsatzes, nicht anhaltend nach Kot; Kotdrang während des Urinierens Mekonium-Verhaltung bei Neugeborenen – eines der häufigsten Mittel! (wie Op.); waches Verhalten (Op. eher schläfrig); häufiger, erfolgloser Tenesmus abwechselnd mit Kolikzeichen und ruhigem Liegen
Hund Indigestionen durch Überfressen mit Speiseresten (Puls.) Indigestionen nach Fressen von verdorbenem Futter, Kompost; Indigestionen durch Hartfutter oder Raw-Hide-Stücke (Kauknochen); Verdauungsbeschwerden durch Stress, insbesondere Leistungsstress; Obstipation, schwer zu entleerender Kot
Pferd Verdauungsstörungen, Inappetenz Koliken nach verdorbenem Futter, nach schimmeligem Heu, schlechter Grassilage, oft verbunden mit Husten, Hufrehe durch ,reiches Futter‘, zu viel Kraftfutter bei zu wenig Bewegung (Puls.) Folgen von Überfressen (Puls.) nach pharmazeutischen Präparaten, Wurmkuren, Sedativa, nach OP; durch Kaltwerden, während Rosse oder Trächtigkeit (Puls.); Krampfkolik, Obstipationskolik bis -ileus, Volvulus, Retroperistaltik; sekundäre Magenüberladung, paralytischer Ileus; Kolik beginnt oft während des Fressens; Kolik mit Unruhe, Reizbarkeit, berührungsempfindliches Abdomen; oft krampfartig gespannte Bauchmuskeln; anfallsweise Schmerzen mit Strecken und Zusammenkrümmen; Wälzen, Aufstehen, Niederwerfen; dabei manch-
Nux vomica mal Abgang von explosionsartigen Flatus; manchmal Schwitzen am Bauch; oft erfolgloses Drängen zum Kotabsatz; geringe Besserung, aber meist schlechter durch Herumführen, läuft mit aufgekrümmtem Rücken; ⬍ in kalter Luft, ⬎ durch Wärme, ⬎ durch Auflegen einer Decke; Darmatonie nach konventioneller Kolikbehandlung, nach Spasmolytika und anderen PharmaPräparaten sekundäre Magenüberladung durch Ileus, Volvulus, oder Retroperistaltik mit Kot-Erbrechen bei Untersuchung des Abdomens krampfartiges Anspannen der Bauchmuskeln Begleitsymptome: – Schwäche der Hinterhand, Ausgleiten beim Aufstehen – Nachschleppen der Hinterextremitäten
Rind Verdauungsstörungen aller Art durch verdorbenes Futter, schlechte Silage, Pilzbefall Verlangen nach warmer Tränke, Unverträglichkeit kalter Tränke Pansenatonie, Pansenlähmung, Labmagenverdrehung, Fehlgärung sehr häufiges Mittel bei Stoffwechselimbalancen neben Phos. und Lyc. das häufigste Mittel bei Acetonämie (u. a. Mittel!)
Schwein Verdauungsstörungen durch Füttern von Speiseresten Magenulkus durch Stress, zu dichte Population Atemwege: Nasenbluten durch plötzliche Überanstrengung (Arn.); z. B. Geburt, Würgen (Hund) allmähliche Krankheitsentwicklung, morgens beginnend absteigende Infekte, Rhinitis bis Bronchitis, Pneumonie, Influenza, Asthma häufig bei Sinusitis (Lyc., Sep., Kali-bi. u. a.) wund machendes Nasensekret morgens wässriges Sekret, abends verstopfte Nase (Hund, Katze) verstopfte Nase, Schniefen bei Neugeborenen und Jungtieren (Hund, Katze) (Samb., Lyc.) begleitend: wässriger Tränenfluss Augen Fieber: eher mäßige Temperaturen; beginnt morgens; mit Kälteschauern, Schüttelfrost, ⬍ sobald entblößt, sucht sehr warme Plätze
Gliederschmerzen bei Fieber Schüttelfrost, ⬎ unter Rotlichtlampe oder Decke, so warm wie möglich! Frieren ⬍ durch leichteste Bewegung, trotz warmer Bedeckung Pferd: akute bis subakute asthmoide Bronchitis; z. B. durch schimmeliges Heu, Futtermittelintoxikation; gewaltsamer Husten mit unwillkürlichem Urinabgang (Stute), mit lautem Abgang von Flatus Herz-Kreislauf: häufiges Mittel für Reizbildungsund Reizleitungsstörungen am Herzen iatrogene und toxische Herzbelastungen (z. B. Narkosefolgen, Antiparasitika, Herbizide u. a.) oft ausgelöst durch Medikamente, die einen Einfluss auf die vegetative Reaktionslage ausüben (z. B. Canephedrin beim Hund) Herzarrhythmie, jeder 4. – 5. Herzschlag setzt aus Herz-Kreislauf-Probleme durch Vergiftungen, auch durch länger zurückliegende Faktoren! Harnwege: Nephritis, Blasenkatarrh, Blasenvarizen, Blasensteine erfolgloser Harndrang, Tenesmus, häufiger Harndrang, besonders nachts kann Urin nicht halten, urinieren unwillkürlich wegen Tenesmus oder plötzlichen Dranges Entleerung tropfenweise, unbefriedigend, aber keine Harnsperre! Blasenlähmung nach Geburt, Kastration, nach Überdehnung (wie Caust.) auch schmerzhafte Lähmung, vollständige Blasenlähmung Nierenschmerz – krampfartig, ⬍ durch Bewegung, erstreckt sich ins Genital; vor oder während des Urinierens; Schreien vor dem Urinieren (Hund); Nierenkoliken (Ergänzungsmittel zu Lyc.) Urin stinkend, trübe, blutig, dunkel, schleimig, Sediment eitrig, rotes Ziegelmehl Genital: starker Sexualtrieb, möglicherweise ohne Erektion Entzündungen von Genitalorganen beider Geschlechter Harnverhaltung nach der Geburt Zentralnervensystem: Konvulsionen durch Fieber, durch Ärger Konvulsionen überwiegend der rechten Seite Bewusstlosigkeit durch unerträgliche Schmerzen (u. a. Mittel)
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Nux vomica Lähmungen: Hemiplegie links, Paraplegie, Lähmung innerer Organe, von Sphinkteren; spastische oder schlaffe Lähmung, oft durch Diskushernien oder Kaltwerden Hund: Dackellähme; Lähmung nach Apoplex (Phos. u. a.), nach Vergiftungen, nach Fieber; Lähmung durch Kaltwerden bei Wetterwechsel von warm nach kalt Pferd: Penislähmung nach Medikamenten und anderen toxischen Belastungen Bewegungsapparat (häufig begleitende Symptome anderer Erkrankungen): Rückenschmerzen, Lumbago, Dackellähme-Syndrom spastische Lähmungen, dann Parese/Paralyse (Plb.) – eines der wichtigsten Mittel! Lähmung der Hinterhand – Nachschleppen der Beine beim Gehen Muskelkrämpfe in den Extremitäten Torticollis nach links, z. B. durch Zugluft (Rhus-t.) Gliederschmerzen bei Fieber Vergiftungen: mit Giftstoffen, Medikamenten fast jeder Art (Ars., Phos., Op. u. a.)
Vergiftungen durch ,Schlaftabletten‘, Secalealkaloide, Amphetamine, Kaffee, Alkohol, Nikotin Vergiftungen durch Blei, Quecksilber, Magnesium, Phosphor, Halluzinogene Antidot gegen Missbrauch von Cham., Ars. Narkosefolgen (Phos.), Darmatonie Missbrauch von Purgativa Pferd: akute Hufrehe durch toxische Einflüsse (Apis, Bry., Puls., Pyrog.); legt sich häufig nieder (Bry. nicht) Rind: Indigestionen bei Kälbern durch Milch mit Antibiotika-Rückständen! Häufige Begleitsymptome: Hyperästhesie: empfindlich und zornig durch leichteste Berührung, besonders Abdomen, Rücken; will nicht angefasst werden – will Ruhe haben; der nette Haushund knurrt dann sogar seine Besitzer an; überempfindlich gegen Sinnesreize, verkriecht sich; Schwäche, Nachschleppen bis Lähmung der Hinterextremitäten; Rücken- und Gliederschmerzen bei Fieber; Zähneknirschen bei Schmerzen
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Stress, physisch und psychisch, übersteigerte Leistungsanforderungen „ungesunde“, sitzende Lebensweise“: Stubenhocker, Boxenhaltung, Anbindestall Bewegungsmangel mit reichlichem Futter Vergiftungen, verdorbenes Futter, Überfressen, ungewohntes Futter Nebenwirkungen und Vergiftungen durch pharmazeutische Arzneimittel (s. o.) „Nachtschwärmerei“, z. B. Rüden, die nachts läufigen Hündinnen nachgehen trocken-kaltes Wetter, feucht-kalt, kalter Wind – nicht primär durch Nasswerden! Sitzen, Liegen auf feuchtkaltem Boden (neuer Hundezwinger, „Robusthaltung“ bei Pferden) Exzesse aller Art Stoffwechselimbalancen, Leber- und Nierenprobleme mit gestörtem Metabolismus Folgen von Säfteverlust (u. a. Mittel) Folgen von unterdrückten Absonderungen aller Art, von unterdrückten Hautausschlägen (Sulf. u. a.)
Beschwerden durch Zorn, ,Zorn mit Angst‘, Schreck, Schock Beschwerden durch Enttäuschung, Demütigung, Efersucht Beschwerden durch ,Gnadenbrot‘ (Verlust der Arbeit) (Ign.) Modalitäten: ⬍ morgens, erwacht 3 – 4 Uhr schwieriges, langsames Wach-Werden („Morgenmuffel“) Niesen, Katarrh morgens, wässriges Sekret, abends verstopfte Nase wässrige Augen Reizung im Rachen ⬎ abends, wacher, lebendiger, lustiger ⬎ durch Aufregung (!), wenn jemand Fremdes kommt, ⬎ durch Ablenkung ⬍ rechte Seite, aber linksseitige Lähmungen ⬍ durch trockenes, windiges Wetter, ⬍ kalte Luft ⬎ durch Ruhe ⬍ Wetterwechsel von warm nach kalt Periodizität alle 4 Wochen ⬍ bei Neumond scharfe, wund machende Absonderungen
Nux vomica Ausgewählte Fallbeispiele Buddy – Arzneimittelintoxikation einer Hündin Buddy ist eine große Schweizer Sennenhündin, 12 Jahre alt. Sie wird im April 2001 vorgestellt, weil sie schlecht laufen kann, nicht gut frisst und in den letzten 2 Wochen stark abgemagert ist. „Buddy war schon immer eine Langsame und Gemütliche. Den Winter über ist es ihr bisher gut gegangen, wir gingen täglich 1 – 2 Stunden spazieren. Aber jetzt hält sie nur noch 15 Minuten durch, dann legt sie sich auf der Straße hin und mag nicht mehr laufen. Wir waren schon vor 2 Wochen bei einem anderen Tierarzt, weil sie vorn rechts etwas hinkte. Sie bekam eine „Arthrose-Spritze“. Am ersten Tage danach lahmte sie nicht mehr, fraß aber kaum. Am nächsten Tag hat sie schleimiges Zeug erbrochen und war sehr schlapp. Und jetzt ist sie seitdem verstopft, macht nur alle 2 Tage ganz mühsam etwas knolligen harten Kot. Dabei bekommt sie immer Nassfutter und hatte bisher noch niemals Verstopfung! Seitdem geht es ihr immer schlechter. Sie erbricht zwar nicht mehr, aber frisst kaum und ist inzwischen deutlich abgemagert. Seit der Arthrosespritze rutschen ihr nun immer die Hinterfüße weg, auf glattem Boden wie hier hat sie große Mühe, aufzustehen und zu gehen. Dabei konnte sie vor drei Wochen noch ohne Mühe ins Auto springen! Ich habe ihr 10 Tage lang Arnica-Kügeli gegeben, dann wurde das Laufen für 3 Tage besser, dann aber wieder schlechter.“
Untersuchung Große, kräftige Hündin, stumpfes Fell, schlechter Ernährungszustand. Die Akupunkturpunkte des Blasenmeridians für Leber und Niere sind deutlich druckdolent; keine Muskelatrophie. Die Hündin hält sich auf dem glatten Boden nur mühsam auf den Beinen; die Hinterfüße gleiten zur Seite. Außer den Bewegungsstörungen lassen sich keine weiteren klinischen Befunde erheben. Buddy ist ruhig, von freundlichem Gemüt, keine Abwehr, keine Angst.
Diagnose Iatrogener Schaden durch die „Arthrose-Spritze“ und Lumbago. Sie bekommt eine Dosis Nux vomica XM und kann prompt am nächsten Tag wieder besser laufen. Auch die Futteraufnahme normalisiert sich wieder. Nach 4 Tagen ist sie wieder „dieselbe wie früher“.
Vergiftung bei einem Meerschweinchen Samstag Mittag, 29.6.96, ruft die verzweifelte Besitzerin eines Meerschweinchens an, ihre Tisi sei so schwer krank, es gehe ihr immer schlechter; sie kommt gleich in die Praxis: Weibliches hellbraunes Meerschweinchen, 8 Monate alt, ca. 400 g schwer. Die Besitzerin erzählt: „Gestern Abend war Tisi schon ein bisschen matt. Heute früh frisst sie nichts mehr und liegt so apathisch im Käfig herum. Das andere Meerschweinchen ist lustig und munter! Heute früh bekam ich einen Riesenschrecken, als Tisi plötzlich in die Luft schnellte und in der anderen Ecke des Käfigs landete. So etwas habe ich noch nie gesehen!“ Die klinische Untersuchung ergibt ein reaktionsarmes Tier, das nur beim Aufheben kurz quietscht, sich aber sonst ohne Abwehr hantieren lässt. Die Körpertemperatur ist insbesondere an den Extremitäten sehr kalt, Maulschleimhaut und Konjunktiven sind blassgrau, die Pupillen weit geöffnet und reagieren kaum auf Licht, Körperöffnungen sind sonst o. B.; Kotabsatz wurde nicht beobachtet.; die Herztätigkeit ist stark arrhythmisch, ca. alle 4 – 8 Herztöne setzt sie für 2 – 3 Schläge aus. Die schulmedizinische Prognose ist nicht gut. Was war gestern los? – „Nichts besonderes.“ Könnte eine Vergiftung vorliegen, war das Tier draußen? – Die Besitzerin erinnert sich plötzlich und erstarrt vor Schreck: „Ja natürlich! – Wir haben sie allein zum Spaß für die Kinder draußen auf dem Weg laufen lassen; sie hat viel am Gras geknabbert. Am Tage zuvor war dort ein Unkrautmittel gespritzt worden!“ Die Kälte des Körpers, plötzliche Krampfzustände, Apathie und mangelnde Reflexerregbarkeit so-
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Nux vomica wie die Herzarrhythmie nach einer Vergiftung lassen an Nux vomica denken. In der XM-Potenz erhält es 4 Globuli, aufgelöst in Kochsalzlösung per os. Zusätzlich soll die Besitzerin das kranke Tier auf eine wärmende Unterlage setzen. 4 Tage später berichtet die glückliche Besitzerin: „Am Samstag hat sie noch ganz schlaff herumgelegen. Aber seit Sonntagmorgen ist sie wieder fit, spielt mit ihrer Kollegin und frisst wieder! Die Augen reagieren wieder, sie ist wieder ganz gesund!“
Vergiftung mit Holzschutzmittel bei 5 Pferden An einem frühsommerlichen Morgen 1982 ruft ein entsetzter Stallbesitzer an, seine 5 Pferde seien im Begriff zu sterben, lägen am Boden und könnten nicht mehr aufstehen. Als Ursache berichtet er Folgendes. Er hatte gestern den neu mit Holz verschalten Stall für seine Turnierpferde mit Xylamon (sehr toxisches Holzschutzmittel) gestrichen. Am Abend zog ein Regenwetter auf. Der erwachsene Sohn holte die Pferde von der Weide und schloss Stallfenster und Türen, um den Regen auszusperren. Für diese schwerwiegende Vergiftung bekommen alle Pferde eine subkutane Injektion von Nux vomica XM, einige Globuli aufgelöst in Kochsalzlösung. Fenster und Türen werden soweit wie möglich geöffnet. Nach ca. 8 Stunden können alle Pferde mit Mühe wieder aufstehen und werden auf der Weide untergebracht. Alle Pferde genesen nach dieser einen Gabe vollkommen ohne weitere Therapie, aber der Stall ist für weitere Nutzung unbrauchbar.
Die Katze Iris – Nierenversagen 23.5.1999: Die Besitzerin von Iris, damals noch Veterinärmedizin-Studentin und bereits versierte Homöopathin, ist verzweifelt: Iris, ihre langhaarige Bluepoint-Katze, soll wegen Nierenversagens eingeschläfert werden. „Alle ihre Geschwister sind schon tot, alle wegen Nierenversagens!“
Vorbericht und Anamnese „Der Tierarzt stellte einen Schaden an der rechten Niere fest. Seit 2 – 3 Tagen hat Iris wässrig tränende Augen und einen Nickhautvorfall. Vor einer Woche war sie noch topfit! Vor 6 Tagen hat sie nach dem Herumtoben plötzlich gelahmt, ist dann plötzlich umgefallen. Kann das ein epileptischer Anfall gewesen sein? Sie hat sich rechtsrum gedreht wie eine Schraube, und das rechte Hinterbein weggestreckt. Dann lag sie ein paar Sekunden lang wie bewusstlos im Opisthotonus mit rechtsseitigem Streckkrampf der Vorderpfote. Als sie wieder zu sich kam, hat sie laut miaut und gejammert. Ich habe sie dann ein paar Minuten gestreichelt, dann stand sie auf, als wäre nichts gewesen. Nur das Laufen mit den Hinterfüßen war nicht in Ordnung. Ich bin also mit ihr sofort zum nächsten Tierarzt gegangen. Der stellte einen extrem hohen Wert an Kreatinin (1,5fach erhöht) und Harnstoff (8fach erhöht) fest, auch der Calcium-Wert war erhöht, außerdem habe Iris eine hochgradige Anämie. Iris bekam ein Anabolikum und eine Infusion. Nun frisst sie gar nichts mehr und liegt nur noch an der warmen Heizung oder im Bett unter der Decke. Nachts wärmt sie sich zusätzlich an mir, dass es mir sogar zu warm wird. Das hat sie noch nie getan. Sie hat kein Fieber. Der Kot ist steinhart, lang und dünn – aber das schon seit Jahren. Sie ist eine sehr gutmütige Katze, lässt sich sogar staubsaugen. Sie hat schon immer reichlich stinkenden Fußschweiß und hinterlässt besonders im Sommer feuchte Tapsen. Wenn unser Hund sie belästigt, schlägt sie mit der Pfote nach ihm, aber ohne Krallen. Sie vermeidet Auseinandersetzungen. Wenn unsere beiden Hunde miteinander spielen, zieht sie sich erhaben zurück. Unsere andere Katze beißt in solchen Situationen und schlägt mit den Krallen. Sie ist eine sehr sanfte Katze, kann sich aber durchsetzen, wenn sie etwas will, das sogar sehr penetrant, sie ist ausgesprochen launisch. Wenn sie sich beleidigt oder übergangen fühlt, dann reklamiert sie beleidigt und miaut so lange, bis man sie streichelt. Wenn ich dazu gerade keine Zeit habe, z. B. in der Küche mit Kochtopf-Fingern, dann geht sie beleidigt, aber würdevoll davon. Iris ist eine sehr gute Mäusefängerin. Im Sommer sitzt sie manchmal den ganzen Tag lang vor einem einzigen Mauseloch.
Nux vomica Die zweite Katze, die Rote, bedrängt sie manchmal, dann geht Iris weg. Mit den anderen Katzen draußen kommt Iris gut aus. Sie schläft sehr viel: 1 Stunde Schlaf, 2 Stunden Rausgehen. Sie lässt sich besonders jetzt gern den Bauch massieren. Trotz des langen Fells hat sie dort keine verfilzten Stellen. Sie schläft gern vor dem Fernseher oder liegt bei uns auf der Couch. Aber sie ist keine Schmusekatze. Wenn wir Besuch bekommen, flüchtet sie. Zu Fremden hält sie gern eine gewisse Distanz. Draußen könnte man sie nicht fangen. Vielleicht hat sie jetzt Koordinationsstörungen? Wenn sie erschrickt, stolpert sie manchmal über einen Kieselstein oder über ihren Trinknapf. Ich habe den Eindruck, in letzter Zeit stimmt die Koordination der Hinterbeine nicht mehr. Aber das wechselt. Manchmal zieht sie hinten die Krallen nicht richtig ein. Vielleicht stolpert sie deshalb? Iris mag sehr gern Fisch. Gestern hat sie gar nichts getrunken und keinen Urin abgesetzt. Iris ist schon ewig nicht mehr rollig gewesen, obwohl sie nicht kastriert ist. In letzter Zeit ist sie unheimlich schreckhaft geworden. Iris ist feige: Wir hatten mal ein 3 Monate altes Kätzchen zu Besuch: Iris ließ sich von diesem ängstlich fauchenden Tierchen in die Flucht schlagen. Der Urin riecht übrigens normal. Mir ist auch kein auffallender Geruch aus dem Maul aufgefallen.“ Klinisch ist sonst nichts Bemerkenswertes festzustellen, kein Geruch nach Urämie.
Mittelwahl Das ist wirklich ein schwieriger Fall, weil man versucht ist, die ursprünglichen, konstitutionellen Zeichen mit den aktuellen Symptomen zu vermischen. Die wesentlichen Symptome und Rubriken aus dem Repertorium sind: Allgemeines, warme Umschläge bessern Allgemeines, Konvulsionen mit Fallen Allgemeines, Konvulsionen der rechten Seite Allgemeines, tonische Konvulsionen
Allgemeines, harter Druck bessert (Massage des Bauches) Extremitäten, Schwäche der Beine beim Laufen Extremitäten, Ungeschicklichkeit der Beine, stolpert beim Laufen Nieren, Beschwerden im Allgemeinen Iris bekommt nach langem Überlegen eine Gabe Nux vomica C 200 und ist seither gesund (letzter Kontakt im Juni 2005). Als konstitutionelles Mittel braucht sie Phos.
Ruppi – Homöopathische Arzneimittelvergiftung 12.1.2004: Eilbesuch: Eine verzweifelte Hundebesitzerin ruft an: Ihr Hund habe solche Bauchkrämpfe, sie kommt innerhalb von 10 Minuten in die Praxis und bringt ihren mittelgroßen schwarzen Mischlingshund, kastrierter Rüde. „Ruppi hatte Abfälle vom Kompost geklaut und eine Woche lang Verstopfung. Darum habe ich ihm zur Entgiftung seit 5 Tagen von diesem Mittel 4- bis 5-mal am Tage 10 Tropfen gegeben. Aber jetzt geht es ihm gar nicht mehr gut. Das kann doch nicht geschadet haben?“ Sie zeigt ein homöopathisches Komplexmittel, das Chamomilla, Nux vomica und Tabacum in der D 6 enthält. Der Hund ist hochgradig berührungsempfindlich und ungebärdig, das Abdomen ist bretthart verspannt. Der Hund schreit und versucht zu beißen, das Abdomen ist nicht zu palpieren. Beim Fiebermessen schreit er auf, das Thermometer ist trotz Befeuchtung nur schwierig in den After einzuführen. Die Temperatur beträgt 39 ⬚C. Durch die häufigen Gaben der zum Teil nicht indizierten Arzneien hat der Hund ein Arzneimittelbild entwickelt. Der Hund erhält eine Injektion mit aufgelösten Nux-vomica-C-30-Globuli. Die Per-os-Gabe war mir wegen seines Beißens zu gefährlich. Eine Stunde später ruft die Besitzerin an, ihr Hund sei jetzt schmerzfrei. Am nächsten Tag produziert Ruppi mehrere Riesenportionen Kot und ist seither beschwerdefrei.
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266 Opium – Papaver somniferum
Opium – Papaver somniferum Mohn
Signatur, Thema und Idee des Mittels Opium – Schlafmohn – Poppy – Laudanum – ist seit ältesten Zeiten bis heute ein viel gebrauchtes Mittel für psychische und physische Schmerzen sowie für den „Vergessen-bringenden Schlaf“. Die Opium liefernde Mohnpflanze stammt ursprünglich aus Mesopotamien und Persien, verbreitete sich von dort über die ganze Welt und hat mit ihrer besonderen Affinität zum Nervensystem regelrecht Geschichte gemacht. Der Papaver somniferum spendet den besten Mohnsaft an warmen Tagen mit intensiver Sonneneinstrahlung und kühlen Nächten. Weil aber die Pflanze die orientalischen Temperaturen nicht verträgt, baut man sie dort in einer Höhe oberhalb von 1000 m an. Opium-Genuss vermindert die Hitzetoleranz, erweitert die Venen von Gesicht und Oberkörper und verursacht so ein heißes, dunkel-gedunsenes Aussehen, das auch in der homöopathischen Arzneimittelprüfung beobachtet wird. Der weißliche Mohnsaft wird aus der noch unreifen Samenkapsel gewonnen: Diese wird am Abend angeritzt, über Nacht sickert der begehrte Saft hervor und erstarrt bis zum Morgen zu einer gummiähnlichen Masse. Diese dient als Ausgangssubstanz für das gebrauchsfähige Opium. Auch Aufschwemmungen von Mohn-Samen, besonders in Wein, haben eine ähnliche, aber schwächere Wirkung. Seit jeher wird der Schlaf mit Anergie, Emotionslosigkeit und Tod assoziiert. Den Tod hielt man für eine intensivere Art des Schlafes. Mohn war immer verbunden mit der Idee des Vergessens in der Zeit zwischen Sterben und Wiedergeburt, wie zwischen Abend und Morgen, während der dieser Mohnsaft aus der Samenkapsel sickert und erstarrt. Der griechische Gott des Schlafes, Hypnos, und sein Zwillingsbruder Thanatos, der Gott des Todes, wurden gewöhnlich zusammen mit Mohnpflanzen dargestellt. Der griechische Mythos von Demeter ist eng mit dem Mohn verbunden: Hades, der Gott der Unterwelt, hatte ihre geliebte Tochter Persephone entführt. Die trauernde Mutter fand im tiefen Seelenschmerz vorübergehenden Trost in einer Bezie-
hung zu Mekon, einem jungen Mann aus Athen. Als Mekon starb, verwandelte sie ihn in eine Mohnpflanze (Mekon, griech. Mohn). Das Getränk Mekonion – das sind in Wein aufgeschwemmte Mohnsamen – gab ihr anschließend Seelenruhe und ließ sie den Schmerz um ihre verlorene Tochter vorübergehend vergessen. Als „Mekonium“ wird in der Medizin der schwärzlich-grünliche Darminhalt von neugeborenen Menschen und Tieren bezeichnet. Ist es Zufall oder wieder ein Produkt des ,morphogenetischen Feldes‘, dass gerade Opium eines der drei Hauptmittel für die lebensgefährliche Mekonium-Verhaltung ist? (Die anderen beiden Mittel sind Nux-v. und Kali-br.) Opium bekam im Laufe seiner Geschichte die schönsten Namen: Gotteshand, Vertreiber von Kummer, Milch des Paradieses oder heiliger Lebensanker. All das kündet von der Illusion weltferner Zufriedenheit. In der Zeit zwischen dem 19. bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts war das Einnehmen von Opium so gebräuchlich wie heute das Aspirin. Jedes weinende Kind, jede Frau mit Mensesoder klimakterischen Beschwerden bekam oder nahm Opium ein – das besonders in England. Dieses ,Opium fürs Volk‘ ließ die Industrie in England aufblühen und war der ,Balsam‘ für die hart arbeitende Bevölkerung, die ohne Widerspruch, ohne Empfindung für Freud oder Leid dumpf ihre schwere Arbeit leistete. Die heutige medizinische Forschung kennt die Opiat- oder Opioid-Rezeptoren, die in all den Organen gehäuft vorkommen, bei denen wir im Arzneimittelbild von Opium besondere Schwerpunkte finden. Opiat-Rezeptoren finden sich gehäuft im Atemzentrum, was die aus dem Arzneimittelbild bekannte Tendenz zu Atemdepression, Asphyxie oder Cheyne-Stokes-Atmung erklärt. Ferner besteht ein Bezug zum Brechzentrum, das besonders durch Apomorphin, einem Opium-
Opium – Papaver somniferum Bestandteil, angesprochen wird. Pharmazeutisch angewandtes Apomorphin verursacht heftiges Erbrechen, was z. B. nach Verschlucken von Fremdkörpern indiziert sein kann. Homöopathisch zubereitetes Apomorphin ist ein Palliativ (oder Ultima Ratio) für zentralnervöses, unstillbares Erbrechen, das z. B. auch durch Halluzinogene ausgelöst sein kann. Schließlich gibt es in der Muskulatur des Verdauungsapparates gehäufte Opiat-Rezeptoren; gerade hier liegt in der Tierhomöopathie ein wesentlicher Schwerpunkt für Opium-Indikationen: paralytischer Ileus und Darmatonie mit lebensgefährlichen Obstipationen. Zahlreiche weitere Rezeptoren finden sich im Gehirn: Die zentrale vegetative Steuerung reagiert auf Opium, das die Aktivität von NeurotransmitterSubstanzen beeinflusst. Heftige psychische Einflüsse – Schreck und Aufregung „durch Freud und Leid“ – können diese Zentren negativ beeinflussen und Störungen auf psychischer und physischer Ebene auslösen, wie es die Arzneimittelprüfung zeigt. Opium- bzw. Morphin-Derivate (Bestandteile des Opiums) werden noch heute medizinisch genutzt. Morphium, ,König der Schmerzmittel‘, lindert schwerste Schmerzzustände und kann eine willkommene psychische Gleichgültigkeit bringen.
Dieser analgetische Effekt affiziert bei indizierter Dosis nur wenig das Sensorium und die Willkürmotorik – im Gegensatz zu anderen stark wirksamen Analgetika. Die Schläfrigkeit tritt erst in hohen Dosen ein. Wer sich aber mit Opiaten (z. B. Heroin) betäubt, verkauft gleichsam seine Seele an den Teufel; denn die Opiat-Rezeptoren verlangen regelmäßig wiederholte und höhere Dosen von der „Milch des Paradieses“, bis die toxischen Wirkungen schließlich tatsächlich in die „intensivste Form des Schlafes“ führen. Das mag vielleicht daran erinnern, dass auch mit der Homöopathie die fortgeschrittene Opium-Pathologie nicht immer heilbar ist, z. B. bei OpiumKolik oder -Ileus des Pferdes. Die Homöopathie vermag zwar vieles zu heilen, im Sinn einer Restitutio – doch der „Gevatter Tod“, der Thanatos, steht manchmal als unerwünschter Pate neben dem Opium-Patienten. Thema und Idee: Irreale Zufriedenheit und Schläfrigkeit, Lähmung von Vegetativum, Reflexen und Sensorium, möglicherweise mit plötzlicher sensorieller Überreaktion, Lähmung von glatter Muskulatur, schmerzhaft oder schmerzlos, unterbrochen von intermittierenden Spasmen, Asphyxie durch zentrale Atemlähmung, unterbrochen von tiefer schnarchender Atmung.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Wie bei den meisten Giftstoffen gibt es in der Arzneimittelprüfung die so genannte Erstwirkung, dann die umgekehrte Folgewirkung. Aus dieser Tatsache leiten sich die zum Teil widersprüchlichen Einzelsymptome her. In der Arzneimittelprüfung von Opium kommt es anfangs zu euphorischen, schmerzfreien Zuständen, in der zweiten Reaktionsphase zu physischen und psychischen Schmerzsensationen, die etwa denen der Entzugserscheinungen ähneln; solche Symptome können auch beim homöopathischen Opium-Patienten mehr oder weniger deutlich beobachtet werden. Die zufriedene, gleichgültige Stimmung ist nicht immer vorhanden; auch die Schläfrigkeit muss in leichteren Fällen nicht immer im Vordergrund stehen. Aber je schwerer die Erkrankung, desto deutlicher geben sich diese Symptome zu erkennen.
Zustände von ungetrübtem Bewusstsein können durchaus mit Schläfrigkeit oder Schreckhaftigkeit abwechseln. In der Veterinärmedizin gehören Opiate mit zu den für die Chirurgie üblichen Betäubungsmitteln. Gegen seltene, aber mögliche Folgeschäden sollte man nicht nur an Nux-v., sondern neben Phos. (und anderen Mitteln) auch an Opium denken. Homöopathisch indiziertes Opium muss bei Bedarf in einzelnen Fällen wiederholt werden; die „Wirkungsdauer“ (s. Einführung) richtet sich nach der Stärke der gegebenen Dynamisation und nach der Schwere der Erkrankung. Eine wiederholte Gabe von dynamisiertem Opium kann besonders bei schweren Obstipationen angebracht sein, bis die Kotmassen endgültig ausgetrieben sind. Evtl. kann Plb. als Komplementärmittel die Heilung beenden; oder Opium kann die Heilung nach dem anfänglich wirksamen Plb. vollenden.
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Opium – Papaver somniferum Die Arznei sollte aber – wie immer in der Homöopathie – nur dann wiederholt dosiert werden, wenn nach deutlicher anfänglicher Besserung eine erneute Verschlechterung im Befinden des Patienten eintritt. Opium-Patienten halten sich – wie erwähnt – in der Nähe des „Paten Thanatos“ auf, darum muss die wiederholte Gabe von Opium genau überlegt sein. Hahnemann verwandte Opium C 30 als Zwischenmittel, wenn seine gut gewählten Arzneien nicht genug wirkten.
Möglicherweise bestand aber die Ursache dafür in dem damals weit verbreiteten Gebrauch von Mohnsaft als Schlafmittel! Auch bei Krebs-Erkrankungen soll eine Zwischengabe von Opium das Ansprechen des folgenden Mittels verbessern können. Entscheidend für die Dosierung ist einzig die Reaktionsweise des Patienten!
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akutes oder perakutes Geschehen: Verletzungen, Hirnerschütterung, Apoplex, Schreckfolgen Meningitis, Enzephalitis Hitzschlag, Sonnenstich Stupor im hohen Fieber Obstipation, Kolik, Invagination, Ileus Asphyxie oder zentralnervöse Störungen bei Neugeborenen Chronisches Geschehen: chronische Folgen von Schreck („Angstneurosen“), Verletzung usw. Schwerpunkte von Opium: Imbalancen der vegetativen Steuerung, mit Tendenz zu Reaktionsmangel, Schläfrigkeit und mangelhafter Reflex-Erregbarkeit ausgelöst durch Trauma, Schreck, intensive Emotionen, toxische oder Stoffwechselstörungen beim Tier evtl. ,idiopathische Erkrankung‘, da eine eindeutige Causa nicht immer rekonstruierbar ist Erkrankungen auf neurologischer Basis bzw. gestörte Funktion von Neurotransmittern
Meningitis, Enzephalitis mangelndes Schmerzempfinden abwechselnd mit überempfindlichem Sensorium Schläfrigkeit begleitet häufig die Beschwerden in allen Variationen bis hin zum Koma schwerste Obstipationskoliken, paralytischer Ileus, Volvulus, Invagination Erkrankungen von Neugeborenen, Jungtieren, von alten Tieren Folgekrankheiten nach Narkose oder überdosierter Bell. bzw. Atropin Spezielle Indikationen für die Tierhomöopathie: Asphyxie und Lebensschwäche bei Neugeborenen Koma nach schweren Traumen, Stoffwechselentgleisungen, Apoplex, Hitzschlag langfristige „Angstneurosen“ als Folgen von Schreck (Acon.) Hund: Obstipation durch Knochenkot Pferd: schwerste Obstipationskolik, paralytischer Ileus
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten abgeschlagener, müder Eindruck, evtl. vorzeitig gealtertes Aussehen Mangel an Reaktion, mangelnde Abwehr, mangelnde Reflexerregbarkeit (Pupillenreflex, Griff ins Ohr) meist kontrahierte, aber möglicherweise auch erweiterte Pupillen bemerkenswerte Gleichgültigkeit gegen äußere Reize, oder plötzliche Überempfindlichkeit! häufig verminderter Muskeltonus
Zustände, die eigentlich Schmerzen verursachen, sind schmerzlos (Stram. u. a.) Schläfrigkeit, Bewusstlosigkeit, besonders nach Kopfverletzung, evtl. bei Fieber, o. ä. Zuständen evtl. mit tiefer schnarchender Atmung, bes. bei Exspiration schläfriger Blick, herabfallende Lider, häufiges Gähnen möglicherweise Kieferklemme, Trismus, Risus sardonicus oder Facies hippocratica
Opium – Papaver somniferum zwischenzeitlich große Wachheit und gute Reaktion, überwache Sinne überempfindlich gegen geringen Lärm, Geräusche oder Berührung abwechselnd Schläfrigkeit mit scheinbar wachem Ausdruck warmes Gesicht, warme Ohren und Nase, rote bis bläuliche Schleimhäute warme Körperoberfläche, sucht kühle Plätze, wenig Hitzetoleranz, vermeidet jede Art von Wärme heißer Schweiß (Pferd), besonders am Kopf
Lähmung der Zunge, kann nicht trinken Speichelfluss durch Lähmung der Lippen, halb offenes Maul durch Schwäche Trismus oder Zähneknirschen Schock nach Verletzung, nach Hitzschlag, Sonnenstich – mit Reaktionslosigkeit unsicherer, taumelnder Gang, Schwindel Neugeborene: Asphyxie, Cheyne-Stokes-Atmung, mangelnde Reflexerregbarkeit – Enzephalitis mit Zähneknirschen – häufiges ,Einschlafen‘, mangelnde Sauglust oder mangelhafter Saugreflex
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Reaktionsmangel, verlangsamte Wahrnehmung, vermindertes Schmerzempfinden schläfriges Stehen, Sitzen, Liegen, guckt vor sich hin, reagiert nicht oder verzögert auf Ansprache oder grundlose plötzliche Munterkeit kein Verlangen nach Gesellschaft, kann gut allein sein
oder ängstliche Unruhe beim Alleinsein („verlassenes Gefühl“) in der Therapie von scheinbar unerklärlichen Angst- und Panikzuständen („Angstneurosen“) sollte nicht nur an Aconit, sondern auch an Opium gedacht werden (Zittern, ängstliche Unruhe)
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Zentralnervensystem: Asphyxie, mangelnde Lebenskraft mit Schläfrigkeit der Neugeborenen, das häufigste Mittel für diese Probleme – neben Ant-t. (Fruchtwasseraspiration), Laur. (Asphyxie und Zyanose) und Acon. (Panik, Schreckfolgen, Unruhe) Augen können nicht offen gehalten werden, fallen zu, meist verengte oder ungleiche Pupillen Asphyxie mit Cheyne-Stokes-Atmung Narkolepsie; evtl. mit schnarchender oder röchelnder Atmung Koma oder Schläfrigkeit: nach Kopf- oder Wirbelsäulentrauma; bei Urämie oder Stoffwechselerkrankungen; schnarchende, röchelnde Atmung im Schlaf oder bei Bewusstlosigkeit, evtl. Asthma; Tiefschlaf, Koma mit plötzlichem Aufschrecken Schlaf mit offenen Augen (ist beim Tier weniger auffallend zu werten als beim Menschen) Analgesie: Empfindungen, die eigentlich Schmerzen verursachen, sind schmerzlos Eklampsie, peripartale Stoffwechselstörungen Kuh: Acetonämie o. Ä. mit neurologischen Symptomen (Bell.) Konvulsionen, Epilepsie durch Hitzschlag, Sonnenstich (Apis, Bell.)
Epilepsie nach Schreck, meist aus dem Schlaf heraus (u. a. Mittel); epileptische Anfälle, bläulich-rot, mit Schrei vor oder während des Anfalls; dabei Augen nach oben verdreht, Zungenbiss, Schaum vor dem Maul; nach Epilepsie weiter halb bewusstlos, schläfrig, Koma, orientierungslos Apoplex und Folgeerscheinungen, Lähmung, z. B. alter Hunde: offenes Maul, evtl. Lähmung oder dauernde Bewegung der Zunge; taumelnder Gang, Schwindel Lähmung der Beine, Paraplegie, Hemiplegie, meist schmerzlos, selten schmerzhaft; Lähmung nach Vergiftungen (Blei-Vergiftung, z. B. Pferdeställe in uralten Bauernhäusern mit bleiernen Wasserrohren); Lähmung innerer Organe, Blase, Rektum; kann evtl. den Kopf nicht heben; Lähmung nach Narkose, nach Laparotomie übermäßige Empfindlichkeit des Gehörs, auch im Koma; kann sonst nicht hörbare Geräusche wahrnehmen, leichtes Erschrecken ZNS-Entzündungen: zerebrospinale Meningitis, Enzephalitis, besonders von Neugeborenen
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Opium – Papaver somniferum konvulsivische Bewegungen des Kopfes, Rollen, Werfen, hin und her, auf und ab eines der Mittel, die für das ,Wobbler-Syndrom‘ infrage kommen mit entsprechenden Symptomen (Arn., Hyp., Nat-s., Con., Calc., Phos. u. a.) schweres Fieber nach Sonnenstich oder Hitzschlag Fieber: mit Schläfrigkeit bis zum Koma, möglicherweise schnarchende Atmung fieberhafte Enzephalitis, Meningitis mit anschließenden Lähmungen Fieber mit Fieberkrämpfen aus dem Schlaf heraus (Bell., Stram., Cupr.), bevorzugt bei Jungtieren heiße Körperoberfläche, meist trockene Hitze ohne Schweiß (Pferd), außer am Kopf evtl. heißes Gesicht mit kaltem Körper Verdauungsapparat: evtl. Lähmung der Zunge; Tiere können nicht trinken, gestörte Futteraufnahme Hund, Katze: kann nicht die Nase lecken, die Lippen oder das Fell putzen Spasmen oder Lähmung des Ösophagus, kann nicht schlucken leichtes Verschlucken von Futter und Flüssigkeiten meist viel Durst Erbrechen in allen Variationen, auch unstillbar Verstopfung ohne Drang mit oder ohne Bauchschmerzen schwere Verstopfung oder Diarrhö nach intensiven Emotionen, Schreck oder Freude mit extrem harten Kot-Ballen Darmatonie, Darmlähmung, nach Laparotomie, nach Spasmolytika (Nux-v.), nach Narkose Ileus durch Kolik, durch gestörte Koordination der Peristaltik (Plb., Nux-v.), Invaginationsileus Erbrechen von Kot bei Ileus (Miserere) Kot schwierig zu entleeren trotz Pressens (vergeblicher Drang) Kot trocken, teilweise ausgetrieben und zurückschlüpfend evtl. offener After, mangelnder Tonus und Reflexerregbarkeit des Schließmuskels dabei oft mangelnder Muskeltonus im Schwanz Kot knotig, steinhart, krümelig, schwarze, braune, graue steinharte Kotballen oder wie zäher Schafkot evtl. Durchfall abwechselnd mit Obstipation Mekonium-Verhaltung bei Neugeborenen (Nux-v., Kali-br.)
Obstipation des Hundes: schwerste Obstipation, z. B. nach Knochenfressen, ,Knochenkot‘ (Plb.) meist atonische Verstopfung unverhältnismäßig große Anschoppungen im Dickdarm, mit dilatierten Darmteilen, Ileus Kot-Anschoppung ohne Drang dabei oft halboffener Anus (Plb.), der Schließmuskel reagiert nicht auf taktile Reize evtl. ,Zurückschlüpfen‘ des halb ausgetretenen Kotes Bauchdecken nur gering verspannt bei kräftigem Druck aufs Abdomen wenig oder keine Abwehr (im Gegensatz zu Nux-v.!) evtl. enorm aufgetriebenes Abdomen durch angestaute Kotmassen anfangs evtl. trotzdem noch Futteraufnahme (Empfindungslosigkeit) dabei Aufsuchen kühler Plätze, evtl. häufiges Hecheln evtl. je nach Symptomatik – Folgemittel Plb. oder Opium ist nach Plb. indiziert bei beginnender Sepsis oder Darmnekrose Lach. erwägen Kolik des Pferdes: Obstipationskoliken mit Darmatonie, paralytischer Ileus, Volvulus oder Invagination; es besteht Ähnlichkeit zwischen Opium- und Plb.-Koliken, wobei sich der Plb.-Patient wesentlich unruhiger verhält mit Intervallen von Toben und rücksichtslosem Niederwerfen und Wälzen beide Mittel können bei einer Obstipationskolik bei Auftreten entsprechender Symptomatik nacheinander indiziert sein Opium: Schmerzäußerungen sind bei weitem nicht so heftig wie die von Plb. überraschend ruhiges Verhalten des Patienten, nur vorübergehende Attacken von Unruhe und Wälzen, dann schläfriges Liegen oder Stehen, mit zufallenden Augen beide Mittel (Op. und Plb.) können schwitzen durch Schmerzen Auskultationsbefund bei beiden Mitteln: kaum vorhandene oder absolut fehlende Darmgeräusche, möglicherweise nur tympanische Klingelgeräusche Schmerzen treten besonders dann auf, wenn die Peristaltik kurz in Gang kommt Opium-Kolik wird – entgegen der sonstigen Opium-Modalitäten – besser durch Wärmeanwendung wenn die Kolik-Schmerzen erheblich zunehmen, ist evtl. Plumbum als Folgemittel angezeigt, um die Heilung zu beenden (s. dort)
Opium – Papaver somniferum Opium- und Plb.-Koliken sind die schlimmsten Obstipationskoliken des Pferdes, die Prognose sollte immer vorsichtig gestellt werden; aber homöopathische Heilung ist durchaus möglich, wenn nicht ein Volvulus oder eine Invagination vorliegt. Möglicherweise ist zusätzlich bei blutigem Punktat der Bauchhöhle und Kreislaufdepression eine Gabe Lachesis 200 notwendig, um abgeschnürte Darmteile wieder zu regenerieren. Eine solche Kolik-Therapie sollte aber einem erfahrenen homöopathischen Tierarzt vorbehalten sein! Bei schulmedizinischem Standpunkt wäre für manche Opium-(Plb.-)Kolik eine Operation indiziert, deren Prognose aber in solchen Fällen ebenfalls fraglich ist.
Harnwege: Blasenlähmung, Harnverhaltung durch Schreck, nach Geburt, nach Unfall Genital: Abort durch Schreck Beschwerden während und nach der Geburt Haut: Reaktionsmangel; schlechte Wundheilung, Wunden brechen auf Extremitäten: Zittern nach Schreck unsicherer Gang mit Stolpern, ,Nachschleppen der Beine beim Gehen‘, Sensibilitätsstörungen Kälte der Extremitäten Hund: streckt die Hinterextremitäten nach hinten (Plb.) Hund, Katze: evtl. schweißige Vorderpfoten
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Beschwerden durch alle möglichen übermäßig intensiven Emotionen Beschwerden durch Schreck, Schock, Verletzung: Konvulsionen, Chorea und neurologische Störungen Furcht bleibt nach Schreck zurück (Acon. u. a.) Beschwerden durch Enttäuschung, Kränkung, Demütigung Beschwerden durch Tadel (,Schimpfe‘) Beschwerden durch Kummer Beschwerden durch Zorn mit Angst oder mit Schreck Beschwerden durch übermäßige Freude Folgen von Operationen, Laparotomie (Darmlähmung) Folgen von Kopfverletzung, Hirnerschütterung Folgen von Narkose (insbesondere mit Opiaten) oder Spasmolytika
Folgen von Sonnenstich oder Hitzschlag mit neurologischen Störungen oder schwerem Fieber mangelhafte Rekonvaleszenz nach schweren Erkrankungen Vergiftung mit Blei: Lähmungen, Kolik (z. B. durch uralte Wasserleitungen in alten Ställen!) Vergiftung durch Auspuffgase, Kohlenmonoxid Folgen von unterdrückten Hautausschlägen Reaktionsmangel (u. a. Mittel) Modalitäten: ⬍ durch Hitze, ⬍ heißes Wetter, ⬍ durch Sonnenbestrahlung, ⬍ durch erhitzt werden ⬍ nach dem Schlaf, Erkrankungen beginnen evtl. aus dem Schlaf heraus Periodizität alle 21 Tage Reaktionsmangel, wenn „gut gewählte Mittel“ nicht wirken, allerdings vorausgesetzt, sie waren wirklich gut gewählt und nicht „falsche Mittel“ durch ungenügende Anamnesetechnik oder mangelnde Arzneimittelkenntnis
Ausgewählte Fallbeispiele Opium Antidot gegen Atropin bzw. Belladonna Atropin wird in der Ophthalmologie der Schulmedizin als Mydriatikum angewandt. Nicht selten sind bei empfindlichen Individuen, insbesondere
bei manchen Pferden, Obstipationskoliken bzw. paralytischer Ileus die Folge. Viele homöopathische Komplexmittel enthalten Belladonna (Hauptbestandteil: Atropin), welche bekanntlich kritiklos in Dauer und Dosierung auch von Laien eingesetzt werden, wobei durchaus Reaktionen im Sinn einer Arzneimittelprüfung ausge-
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Opium – Papaver somniferum löst werden können. Hier kann sowohl die potenzierte Belladonna oder das Opium – je nach vorliegender Symptomatik – das passende Antidot sein. Davon soll der folgende Fall berichten. Es geht hier um einen menschlichen Patienten, den Hundebesitzer Herrn B., 56 Jahre alt. Wegen einer seltenen Augenerkrankung musste er jede Woche in die ophthalmologische Universitätsklinik nach Erlangen und diente dort als Beispiel für die Studenten. Für die Untersuchung erhielt er als Mydriatikum Atropin-Augentropfen; jedes Mal leuchteten mehr als 20 Personen in sein Auge. Jeder untersuchende Lichtstrahl bereitete dem Mann starke Schmerzen, die noch etwa 3 – 4 Stunden nach der Untersuchung anhielten. Danach fühlte er sich immer, sogar noch am Folgetag, sehr erschöpft. Wegen anschließender Sehstörungen und fortbestehender Mydriasis musste er 3 – 4 Stunden in der Klinik abwarten, bevor er heimfahren durfte. Bemerkenswert war seine widerspruchslose Verfügbarkeit für diese unangenehmen Prozeduren. Um ihm diese Tortur zu erleichtern, empfahl ich ihm, jedes Mal unmittelbar nach Ablauf der Untersuchung zweimal im Abstand von 15 Minuten Opium C 30 einzunehmen. Zu seinem Erstaunen hatte er anschließend weder Schmerzen, Schwäche noch Photophobie. Die Mydriasis ging 10 Minuten nach der Einnahme zurück, sogar der Arzt konstatierte erstaunt eine normale Pupillenreaktion. Die 3 Stunden Wartezeit konnte er sich ersparen und gleich wieder selbst im Auto nach Hause fahren. In der Folgezeit verweigerte er sich dann diesen unergiebigen Untersuchungen – auch ein Effekt von Opium? Aber seine Augenerkrankung konnte dadurch nicht beeinflusst werden.
Kolikverdacht und Inappetenz bei einer Stute (Fall von Dr. Hartmut Krüger)
Der Besitzer meldet sich, weil seine 12-jährige Quarter-Stute seit etwa einer Woche nicht mehr richtig frisst und weil Kolik-Verdacht besteht. Bei meinem Eintreffen wird die Stute im Schritt herumgeführt, wobei sie sich automatenhaft verspannt bewegt. Sie zeigt kein Interesse an meiner
Annäherung und an der nachfolgenden Untersuchung in der Box. Mir fällt auf, dass das Tier am Kopf schwitzt, besonders unter dem Halfter im Nacken ist das Fell nass. Dieser Schweiß sei schon seit ein paar Tagen beobachtet worden, ohne dass das Pferd zuvor geritten worden wäre. Das Fiebermessen lässt die Stute ohne Reaktion geschehen, sie hebt weder die Schwanzrübe noch klemmt sie diese ein, Temperatur 39⬚. Weitere Untersuchung: auffallend rote Skleren, ungleiche Pupillen, enger als in dem dämmrigen Stall erwartet; das Gesicht ist wärmer, Zunge und Zahnfleisch stärker gerötet als üblich. Die Untersuchung erfolgt ohne die geringste Abwehr des Tieres, sogar das Innere der Ohren kann widerspruchslos betastet werden. Der Puls ist etwas schneller als erwartet, die Atemfrequenz unauffällig, Herz und Lunge o. B. Das Abdomen ist leicht gespannt, lässt sich aber ohne Abwehr mit der Faust eindrücken. Die Darmgeräusche lassen leichtes tympanisches Klingeln erkennen, andere Darmgeräusche sind deutlich vermindert. Der Kot ist trocken, die Kotballen sind nicht geformt, sondern zerbröseln.
Bericht und Befragung des Besitzers Der Zustand habe etwa vor 1 Woche begonnen. Das Pferd werde für Western-Turniere trainiert und gehe täglich mindestens 2 Stunden im Gelände. Die Stute wurde anfangs trotz mangelnden Appetits weiter geritten, aber sie sei plötzlich ungewohnt ängstlich, verspannt und unsicher. Wegen starken Schweißausbruchs führte sie der Besitzer zu Fuß nach Hause. Am nächsten Tag ergab sich dasselbe. Der Hoftierarzt gab wegen Kolikverdacht eine Novalgin-Spritze; darauf fraß die Stute am Abend besser, aber am folgenden Tag war der Zustand wieder wie zuvor. Seitdem wird sie nur noch täglich geführt und nicht mehr geritten. Keine Impfungen in den letzten Monaten, ebenfalls keine Wurmkur, kein frischer Hufbeschlag, keine psychische Belastung. Nach langem Fragen erinnert sich der Besitzer, die Stute habe sich auf dem letzten größeren Ausritt vor ca. 8 Tagen vor irgendetwas Undefinierbarem heftig erschrocken, sei beiseite gesprungen und habe aufgeregt geschnaubt. Das gebe es sonst
Opium – Papaver somniferum nie. Er habe aber keinen erklärbaren Grund für dieses Verhalten finden können. Danach schien ihm die Stute etwas aufgeregt, aber sonst sei alles in Ordnung gewesen. Aber am nächsten Tage habe sie sich schon nicht mehr normal reiten lassen und nicht mehr normal gefressen. Nach dem vorliegenden Bild entscheide ich mich für Opium. Ich habe aber nur eine Dynamisation in der C 30, XM und Q 18 bei mir. Die 30. C-Potenz erscheint mir zu schwach, die XM-Potenz zu stark. Und so entschließe ich mich für eine Auflösung der Q 18, die täglich einmal gegeben werden soll, und kündige einen Nachbesuch in 3 Tagen an.
Nach 3 Tagen finde ich die Stute fressend vor. Die anfangs reduzierte Heuportion ist seit gestern wieder auf die Normalmenge heraufgesetzt worden, weil die Stute mit der halben Portion unzufrieden war und vernehmlich gegen die Boxentüre klopfte. Sie ist aufmerksam und will ins Freie. Körpertemperatur 37,4⬚, lebhafte Darmperistaltik ohne tympanische Nebengeräusche, gut geballter Kot. Opium Q18 wird abgesetzt. Der Besitzer soll die Arbeit wieder aufnehmen, soll insbesondere dort vorbeireiten, wo sich der vermutete Schreck abgespielt hat. Eine Woche später kommt die Nachricht, die Stute laufe wunderbar und hätte auch mit der besagten Schreck-Stelle keine Probleme.
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Phosphorus Phosphorus
Signatur, Thema und Idee des Mittels Der Name des bekannten chemischen Elements „Phosphor“ stammt aus dem Griechischen: „Phos“ bedeutet „Licht“, der Wortstamm „phor-“ bedeutet „Bringen“, „Tragen“; „Phosphor“ ist der „Lichtträger“ oder „Lichtbringer“. Im Lateinischen heißt eben dieser Lichtbringer „Lucifer“, den man mit dem entgegengesetzten Prinzip, dem Teufel, assoziiert; auch diese Seite findet sich im Arzneimittelbild von Phosphor. Licht ist das Urprinzip des Lebens: Licht ist für alle Vorgänge des Lebens ein essenzieller Faktor; ohne Licht ist das Leben zum Sterben verurteilt. Zwischen diesen beiden Polen spannt sich das Arzneimittelbild Phosphor aus: von exzessiver Lebensfreude (gesundes Leben ist Freude), Wachstum, über gestörte Lebensvorgänge zur Destruktion, Degeneration, Krebs und schließlich bis zum Sterben. Phosphor ist eines der wichtigsten Polychreste der Homöopathie mit fast „grenzenlosem“ Wirkungsspektrum, überall auf der Erde verbreitet, wirksam bei Menschen, Tieren und Pflanzen. Licht leuchtet grenzenlos, kann bekanntlich sogar „die Finsternis“ durchdringen. Das Thema „Grenzenlosigkeit“ ist ein übergeordnetes Stichwort für viele Facetten dieses Arzneimittelbildes. Der Begriff „Licht“ steht auch für „Bewusstsein“. Phosphor-Patienten sind meist sehr wach, aufmerksam und übermäßig empfänglich für alle Sinneseindrücke ihrer Umgebung. Hier kann sich die Phosphor-Persönlichkeit nur schwierig „abgrenzen“, ihre Reizschwelle ist sensibilisiert. Reize aller Art können auf körperlicher und psychischer Ebene überschießend und ungehemmt aufgenommen und beantwortet werden – was schließlich in Überforderung und Erschöpfung gipfelt. C. Coulter hat folgende treffende Aussage eines Phosphor-Patienten festgehalten: „Ich fühle mich wie ein ausgestreckter Nerv.“
In der Regel ist die Phosphor-Persönlichkeit gefühlsbetont, extrovertiert, ihr sanguinisches oder cholerisches Temperament mit launenhaften Emotionen ist oft kaum zu zügeln. Allerdings kann auch eine schüchterne, ängstliche Zaghaftigkeit mit plötzlichem überschießendem Schrecken und Flucht im Vordergrund stehen. Liebenswürdigkeit überwältigt den PhosphorPatienten genauso wie Aggressivität, die ihn möglicherweise im Affekt bis zum morden treibt. Die meisten Phosphor-Patienten zeigen sich von ihrer übermäßig freundlichen Seite und pflegen entgegengebrachte Zuwendung heftig zu erwidern. Das gilt in besonderem Maße für Tiere, deren Emotionalität nicht wie beim Menschen von Verstand und Etikette begrenzt wird. Wenn Kummer oder Mitgefühl mit dem Leiden anderer überhand nehmen, kann der Phosphor-Patient durchaus auch einen melancholisch-depressiven Eindruck bis hin zum „Weltschmerz“ erwecken. Phosphor-Kinder sind meist sehr wach und intelligent, aber die Konzentration auf den geforderten Lernstoff lässt zu wünschen übrig: Sie beschäftigen sich lieber damit, was ihnen Spaß, Abwechslung und Freude bereitet, und das sind meistens Angelegenheiten, die nicht zum Lehrplan gehören wie spielerische Streiche und Dummheiten, die beim Tier dem „unerwünschten Verhalten“ zugeordnet werden. Selbstbeherrschung, Pflichterfüllung und Gehorsam gehören nicht zu Phosphors Stärken. „Licht“ ist physikalisch definiert als ein Phänomen der elektromagnetischen Strahlung. Phosphor ist das einzige nicht radioaktive Element, das aus sich selbst heraus leuchten kann; dazu ist eine besondere „Atmosphäre“ mit bestimmter Sauerstoffkonzentration erforderlich, die den Phosphor in einen anderen Oxydationszustand überführt. So besitzt auch der Phosphor-Patient eine besondere Empfänglichkeit für die Atmosphäre, in der er „leuchten“, ausstrahlen und andere mit seiner Herzenswärme „anstecken“ kann. Phosphor steht gern im Mittelpunkt und genießt es, andere mit Schönheit oder Heiterkeit zu erfreuen.
Phosphorus Seine mitfühlende Sensibilität für die „Ausstrahlung“ seiner Gefährten lässt ihn im Voraus spüren, welcher Art diese Menschen oder Lebewesen sind. Andere „außersinnliche Wahrnehmungen“ führen zu Vorahnungen, die sich häufig bewahrheiten. Phosphor-Tiere – insbesondere Katzen – sind überaus leicht durch die Ausstrahlung oder Stimmung ihrer Bezugspersonen zu beeinflussen und reagieren in besonderem Maße mit gedämpfter Stimmung oder gar Krankheit auf eine disharmonische „Atmosphäre“ in ihrer Umgebung. Das bezieht sich auch auf meteorologische „elektrische“ Aspekte: Phosphor-Patienten leiden oft unter Angst bei Blitz und Donner, ja sie reagieren oft schon mit Panik auf das herannahende Gewitter, das wir noch gar nicht wahrnehmen. Manche Hunde fühlen sich aber auch im Gegenteil durch den Donnergott Zeus fröhlich oder zornig stimuliert und verbellen ihn lauthals mit Wut und Ausdauer. Das „leuchtende Licht“ des Phosphor-Patienten wirkt sympathisch, verbreitet eine Art unwiderstehlichen Charme: Seine oftmals körperliche Schönheit mit glänzendem Haar, großen leuchtenden Augen und schlanker, ästhetischer Gestalt lässt ihn elegant und anziehend erscheinen und strahlt nicht selten eine erotische Faszination aus. Das wird noch unterstrichen durch sein häufig anschmiegsames Wesen, das nach Streicheleinheiten oder „Magnetismus“ verlangt. Große, strahlend leuchtende Augen geben dem Organismus einen besonderen Glanz. Die Augen von Wildtieren werden nicht zu Unrecht als „Lichter“ bezeichnet. Zahlreiche Augenerkrankungen sind eine hervorragende Indikation für den homöopathischen Phosphor: Er kann sowohl für banale Bindehautentzündung wie auch für schwerste Schäden am Innenauge bis zur Blindheit zuständig sein. Das „strahlende Licht“ kann sich auch als übermäßige Empfänglichkeit für physikalische Strahlung äußern. Bei Unverträglichkeit oder Folgeerkrankungen durch Einwirkung von Hitze, strahlende Wärme und Verbrennungen, insbesondere durch Röntgen oder radioaktive Strahlen, kann Phosphor indiziert sein. Phosphor gehört zu den „Brenner-Mitteln“, d. h. seine Beschwerden sind häufig von brennenden Empfindungen oder Schmerzen begleitet: Brennende Schleimhäute besonders bei Atemwegserkrankungen lassen den Patienten ein Verlangen nach eiskalten Getränken oder Eiscreme äußern.
All die genannten Manifestationen setzen ein hohes Potenzial an Energie voraus. Und bekanntlich spielt der Phosphor bzw. seine Verbindungen im lebendigen Organismus eine Hauptrolle im physischen Energiestoffwechsel, in Perzeption, Reizleitung und -beantwortung. Der Bezug zu diesem Energiehaushalt erklärt viele Facetten des Arzneimittelbildes: Phosphor-Patienten vertragen i. d. R. keinen Hunger, werden schwach oder gereizt bis zur Aggressivität, wenn der Blutzuckerspiegel infolge mangelnder Regulation absinkt; das führt z. B. zum Heißhunger, bevor das Mittagessen auf dem Tisch bereitsteht, gegen 11 Uhr vormittags. Phosphor-Patienten nehmen häufig sogar in fieberhaften Zuständen ihre Mahlzeiten wie gewohnt zu sich, obwohl man bei Fieber die übliche Appetitlosigkeit erwartet. Manchmal sind sie dabei so munter, dass man keine Krankheit vermutet. Umgekehrt kann sich ein gestörter Energiestoffwechsel auch in Schwäche und zunehmender Abmagerung trotz guten Appetits äußern. Oder die reichlich angebotene Nahrung wird nicht genügend verwertet, und der Patient bleibt trotz guten Essens mager, scheidet sogar manchmal unverdaute Nahrung wieder aus. Ein exzessiver Einsatz von Energie-Reserven kann den Phosphor-Patienten in Zustände plötzlicher Schwäche bis zur Ohnmacht führen. Die Aktivität der Schilddrüse ist eng mit dem Energiestoffwechsel verknüpft. Phosphor gehört mit zu den Arzneien, die häufig für hyperthyreote Zustände infrage kommen. Die Muskelleistung von Phosphor-Patienten kann – je nach Stadium der Pathologie – übermäßig gut oder in Kraftlosigkeit zusammengebrochen sein. Phosphor findet sich häufig bei Organismen, die zu athletischen Hochleistungen fähig sind oder auch bei müden, durch lange Krankheit oder Überanstrengung ausgemergelten Individuen. Das „Überschreiten von Grenzen“ manifestiert sich beim Phosphor-Patienten häufig auch in seinem Blutgefäßsystem: Bei jeder Erkrankung kann es zu Blutungen oder blutigen Absonderungen kommen, die sich sowohl in Form harmloser Hämatome, brüchiger Blutgefäße oder sogar als Störungen der Blutgerinnung äußern. Das „Licht“ hat seine „Schattenseiten“: Es gibt kein Organsystem, das nicht vom „Phosphor“ affiziert werden könnte. Das Spektrum reicht von der übergeordneten hypophysären Steuerung bis zu Hautausschlägen. Schwerste Krankheitszustände
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Phosphorus können mit Zusammenbruch des Energiestoffwechsels, auch mit Degeneration eines oder mehrerer Körperparenchyme (Blut, Lunge, Leber, Pankreas, Milz, Nieren, Drüsen) einhergehen und sind – sofern noch eine Regenerationsfähigkeit besteht – durchaus einer Therapie mit homöopathischem Phosphor zugänglich. In diesem Krankheitsstadium überwiegen dann meist verminderte Wahrnehmung, Depression und Abneigung gegen Gesellschaft. Auch hier kann der „grenzenlose“ homöopathische Phosphor das vermeintlich bevorstehende Lebensende „durchdringen“ und es vorerst noch eine Weile hinauszögern. Das Gleiche gilt für lebenszerstörende Therapien
wie Chemo- oder Radiotherapie bei Krebs, die mithilfe von homöopathischem Phosphor weitaus besser vertragen werden. Die extrem unterschiedlichen psychischen und physischen Äußerungen des Phosphor-Patienten sind ohne die Idee an „das Licht“ und das Spektrum der unzähligen Nuancen von Spektralfarben schwer zu verstehen. Thema und Idee: Urprinzip des Lebens in seiner gesamten Vielfalt – Lebensfreude, Leuchten, Ausbreiten, Kommunikation, Durchdringen, Abgrenzen, Zurückziehen, Zusammenbrechen, Zugrundegehen.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Phosphor ist ein sehr gut geprüftes homöopathisches Mittel, das sich in seinem breiten Wirkspektrum für die Heilung zahlloser Patienten bewährt hat. Seine intensive und tief greifende Wirkung schließt neben der Psyche auch jedes Körpergewebe ein. Somit gehört er zu den wichtigsten und häufigsten Mittel in der täglichen Praxis – für die akute, subakute, chronische und konstitutionelle Therapie bei allen Tierarten in unterschiedlichsten Krankheitsstadien. Krebserkrankungen, insbesondere Mammakarzinome, treten bevorzugt bei Tieren mit einer Phosphor-Konstitution auf, die zuvor mit Geschlechtshormonen therapiert wurden („Abspritzen“ der Läufigkeit oder Lactatio falsa bei Scheinschwangerschaft). Hier ist jedoch bei der Hündin auch an Conium zu denken. Die schüchternen Phosphor-Patienten sind leicht mit Silicea zu verwechseln. Die Patienten beider Mittel können sehr zartgliedrig, extrem verfroren, schüchtern, von sehr feinem Wesen sein. Hier gilt es besonders aufmerksam die Zeichen und Symptome aufzunehmen und zu differenzieren.
Phosphor-Ausprägungen bei unterschiedlichen Spezies Hund Die Phosphor-Pathologie kann bei allen Hunderassen vorkommen. Besonders prädisponiert sind häufig rothaarige Tiere mit schnellem Reaktionsvermögen, heftigem Temperament und meist liebevoll-charmantem Verhalten. Bei einigen Rassen kommt Phosphor gehäuft als konstitutionelles Mittel vor, dazu gehören z. B. Zwergrassen (wie JackRussel), Setter, Dobermänner, Border-Collies, Windhunde, „Kampfhunde“ und andere. Die Entscheidung für ein Mittel sollte jedoch immer in erster Linie die vorliegenden Zeichen und Symptome berücksichtigen! Die überschwängliche Herzlichkeit von Hunden ist nicht nur ein Zeichen von Phosphor. Im Repertorium wird in der Rubrik „erwidert Zuwendung“ zusätzlich Pulsatilla erwähnt. Ferner findet sich dieses Verhalten auch häufig bei konstitutionellen Lycopodium-Hunden. Diese Mittel lassen sich einzig an den übrigen Zeichen und Symptomen unterscheiden: Der Pulsatilla-Hund neigt, im Gegensatz zum Phosphor, zur ergebenen Unterwürfigkeit und fällt dabei häufig auf den Rücken. Auch der Lycopodium-Hund kann manchmal dieses Verhalten zeigen („servil, unterwürfig“).
Phosphorus Phosphor tendiert mit seinen Liebesbezeigungen häufig zum Spielen, mitunter auch zu Kampfspielen. Das Gehen und Laufen des – nicht schwer kranken – Phosphor-Patienten imponiert durch Eleganz und tonisch geführte Bewegungen. Pulsatilla wirkt dagegen manchmal eher ungeschickt und plump – vergleichbar mit einem Phosphor-Zicklein neben einem Pulsatilla-Lamm.
Katze Phosphor gehört neben Arsen zu den häufigsten Mitteln für die Hauskatze (nicht für die Edelkatze!). Dieses elegante, erotisch betonte Tier zeigt wesentliche Facetten aus dem Gesamtbild von Phosphor, die man der Syphilis-ähnlichen Ausprägung zuordnen könnte. Das liebevolle Schmeicheln kann abrupt und unerwartet in Kratzen und Beißen übergehen, für uns oftmals völlig unverständlich. Dieses ehemalige kleine Raubtier fängt seine Beute nicht in erster Linie, um Hunger zu stillen, sondern aus Spaß, und spielt sie dann zu Tode. Der Prototyp der Katze in Menschengestalt wäre ein sadistischer Lustmörder. Im Hinblick auf dieses ererbte Aggressionspotenzial ist es nicht verwunderlich, dass die Katze häufig auch an ihren Abwehr- und Aggressionsorganen erkrankt, an Maul und Zähnen sowie dem Immunsystem. Kein anderes Haustier wird nach Art der Katze von derartigen primär aggressiven und destruktiven Erkrankungen befallen. Die Phosphor-Katze „umgarnt“ uns schnurrend, reibt sich an unseren Beinen und sitzt plötzlich auf dem Schreibtisch mitten auf unserem AnamneseBlatt, um sich dann – immer aufdringlicher – an unserem Gesicht zu reiben. Die Lycopodium-Katze ist weit weniger anschmiegsam, sitzt lieber auf dem Schrank, um von dort die große Übersicht zu genießen.
Die Pulsatilla-Katze lässt sich am liebsten von ihrem Frauchen „betüteln“.
Kuh Ganz anders liegt die konstitutionelle Situation des Rindes bzw. der Kuh: Hier kommt der konstitutionelle Phosphor eher bei den „feinen“, hochgezüchteten Rinderrassen und deren Kreuzungen vor (z. B. Jersey, Guernsey, manche Holsteiner). Umso häufiger erscheint hier die Phosphor-Pathologie bei akuten und subakuten Stoffwechsel- und Eutererkrankungen.
Ziege Phosphor ist bei Ziegen – mit ihren wachen Sinnesorganen und geschickten, energiegeladenen Bewegungen – eines der häufigsten konstitutionellen Mittel.
Schwein Beim Schwein ist die Phosphor-Konstitution etwa genauso häufig wie die von Calcium phosphoricum.
Pferd Pathologische Zustände von Phosphor finden sich häufig beim heutigen Reitpferd, insbesondere bei Erkrankungen der Atemwege. Konstitutionelle Phosphor-Pferde finden sich oft (aber bei weitem nicht ausschließlich!) unter englischen und arabischen Vollblütern und deren Kreuzungen, ganz besonders häufig bei Rotfüchsen oder Kastanienbraunen. So zeigt jede Spezies ihre „spezifische Interpretation“ des Arzneimittelbilds.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: heftige, schwere akute Krankheiten, subklinische und chronische Krankheiten mit langsamer Entwicklung; sehr wichtiges und häufiges konstitutionelles Heilmittel Entwicklung der Pathologie: heftige, schwere akute Krankheiten; chronische Krankheiten
eines der wichtigsten und häufigsten konstitutionellen Mittel Zentralnervensystem: Durchblutungsstörungen, Apoplexie, Tumoren Krampfanfälle, Epilepsie, Demenz Lähmungen, auch traumatischer Genese, Lähmung von Sphinkteren Nachschleppen der Beine bei akuten Erkrankungen, Inkoordination
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Phosphorus häufigstes Mittel für alte Tiere mit Inkoordination oder Schwäche der Hinterhand (Con.) Atemwege: Rhinitis, Niesen, Tonsillitis, Laryngitis, Bronchitis, Pneumonie blutige Absonderungen Asthma, allergische Erkrankungen Nasenflügelatmung, Struma, Basedow Katze: schmerzlose Heiserkeit Pferd: Recurrenslähmung, Kehlkopfpfeifer Herz-Kreislauf: organische Herzerkrankungen, „Herzhusten“ Gerinnungsstörungen, Blutungsneigung Auge: Conjunctivitis, Iritis, (degenerative) Retinitis, Lähmung des Sehnerven, Blindheit Stoffwechsel: Energie- und Fettstoffwechsel, Glykogenstoffwechsel, Diabetes mögliche Degeneration oder Atrophie aller Parenchyme (Leber, Lunge, Nieren usw.) Milzerkrankungen, Pankreaserkrankungen: Fettstuhl Stoffwechselstörungen aller Art, Schwäche
Verdauungsapparat: Kieferexostosen, Ulzera im Maul, Speisenaufstoßen viel Durst auf kalte Tränke, Magenerkrankungen, Erbrechen, Ulkus, Krebs Durchfall, oft unwillkürlich; offener, gelähmter After degenerative Magen- oder Darmerkrankungen Kot oft lang und dünn, unverdaut, mit weißen Körnern, geruchsarm Harnwege: Nierenerkrankungen, -versagen, Degeneration, Blutungen, Urämie Blasenlähmung, Enuresis Genital: Polypen, Krebs, Blutungen, Mammatumoren und -karzinom Haut: Elastizitätsmangel Katze: eosinophiles Granulom Tumore: benigne, maligne, metastasierende, ulcerierende Tumoren verschiedenster Lokalisationen Autoimmunerkrankungen
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten schöne Tiere mit feinem, glänzendem Haarkleid blondes, insbesondere rotes, kastanienbraunes oder dreifarbiges Fell, auch dunkle Pigmentierung oft kleine dunkle Flecke im Sommer an wenig pigmentierten Stellen (Sommersprossen) braune oder hellbraune Flecke auf dem Abdomen (wie Sep.) Schimmelpferde, im Sommer kleine dunkle Flecke bis zum Fliegenschimmel große ausdrucksvolle Augen, lange Wimpern auffallend lebhafte Mimik, manchmal Exophthalmus häufig sehr große, schlanke Tiere, mit wenig Unterhautfettgewebe, seltener auch adipös magere, drahtige Typen trotz guter Futteraufnahme bei kurzhaarigen Tieren deutlich erkennbare Muskelkonturen bei dünner Haut deutliche Zeichnung von Blutgefäßen häufig schmerzlose Heiserkeit, krächzende Stimme, Stimmbandlähmung oder Polypen wacher Blick, wache Sinne, gespannter Ausdruck, volle Aufmerksamkeit
alle Sinnesorgane sind angespannt, besonders in der Dämmerung reagiert, auch mit plötzlichem Schreck, auf jedes kleinste Geräusch oder Bewegung man möchte das Tier unwillkürlich streicheln und beruhigen, was den Zustand bessert manchmal trotz schwerer Krankheit noch lebhaft und munter, aber – wie zu erwarten – auch Apathie und Teilnahmslosigkeit zittert vor Angst scheu, schüchtern, ängstlich, übertriebene Panik durch Lärm oder Berührung meist sehr lieb, lecken uns ab, sanft, liebevoll, erwidern Zuneigung (Leitsymptom wie Puls., Lyc.) übermütige Spaßmacher, Clownereien, Spielen Katzen, Kampfhunde: schnell und überraschend aggressiv ruhelos, kann nicht still stehen oder sitzen Verlangen, gestreichelt zu werden, aber häufig empfindlich gegen leichte Berührung, kitzlig übermäßig geruchsempfindlich, schnelles Flehmen blutige Absonderungen oft Nachschleppen der hinteren Extremitäten (Nux-v.) oder andere Lähmungen Haarausfall büschelweise
Phosphorus Hund häufig kurzhaarige Rassen, auch „Kampfhund“Rassen, Dobermann, Australian Shepherds, Border Collies u. Ä. Zwergrassen, manchmal mit Exophthalmus (Lach.) überaus lebendige Hunde, die immer rennen, kläffen und spielen (z. B. Jack Russel)
Katze der Prototyp der Hauskatze, elegant, erotisch, leidenschaftliche Ekstase, Putzzwang verlangt nach „Magnetismus“ (Schmeicheln, Reiben) launenhafte Herzlichkeit und destruktive Aggressivität „Lustmörder“ (Beutefang und -spiel aus „Lust“, nicht wegen Hungers) häufig schmerzlose Heiserkeit, krächzendes Miauen oft primär destruktive Erkrankungen
Pferd
elegante Dressurpferde, aber unzuverlässiger Gehorsam, launenhaftes Verhalten drahtige Springpferde, die aus jeder Lage wie die Katzen springen können gute Distanzpferde ausdrucksvolle Mimik, geruchsempfindlich, schnelles Flehmen häufig Kehlkopfpfeifer, Roarer, durch follikuläre Laryngitis oder Recurrenslähmung brauchen wegen ihrer Erregbarkeit einfühlsame Reiter
Kuh glänzendes Fell, häufig edles Aussehen wie ein Vollblut-Pferd wacher interessierter, Anteil nehmender Blick große, oft vorstehende Augen, lange Wimpern häufig große Tiere mit schmalem Thorax, lange Beine oft hager mit markant vorstehenden Hüfthöckern und deutlich markierten Lendenquerfortsätzen häufig rotes oder kastanienfarbenes Fell, auch andere Farben feine, eher kleine Euter mit großer Milchleistung
häufig Hochleistungspferde, Vollblut-Pferde, Galopper, Araber oder deren Kreuzungen, auch Kleinpferde
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Das Verhalten kann je nach Spezies, Rasse oder von Tier zu Tier abhängig vor der miasmatischen Ausprägung unterschiedlich sein: kann auch bei ein und demselben Individuum extrem schwanken häufig ausgesprochen liebenswürdige Tiere, angenehm im Umgang, brav, aber nicht immer gehorsam ungehemmt fröhlich, ungestüm, unbesonnen, ungezügeltes Temperament oder schüchtern, zurückhaltend, ängstlich aggressiv oder übertrieben liebenswürdig milde, aggressionsfreie, sogar nachgiebige Individuen oder diktatorisch, besonders zu Familienmitgliedern, launisch, was ihnen gerade einfällt oder beide Zustände abwechselnd liebevolle Herzlichkeit, erwidert Liebesbezeigungen bei Zuwendung
– Verlangen nach Zuwendung, „Magnetismus“, kitzlig – Katzen: Streicheln, Reiben – sehr lieb, freundlich, lecken, knabbern – aufdringlich, unverschämt, frech, verlangen nach Aufmerksamkeit übermäßige Empfindsamkeit, „Mimosen“ – sehr leicht zu beeinflussen, leiden unter Streit in der Umgebung oder Familie – können sich nicht abgrenzen, fühlen sich persönlich betroffen von Familienstreit – reagieren auf jede Stimmung in ihrer Umgebung, trösten die traurige Bezugsperson – schnell gekränkt, aber nicht nachtragend – empfindlich gegen alle äußeren Eindrücke, gegen alles Neue – häufig „wesensschwache“ Tiere, die der Besitzer beschützen muss – sehr zu beeindrucken durch Dominanz, dann Aggression oder Demut
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Phosphorus oft ungezügeltes Temperament – ungestüm, kopflos, irrational, „spinnen“ – affektgeladen, schwer erziehbar, schnelle Widersetzlichkeit – Sinn für Vergnügungen, schnell amüsiert, vergessen alles andere – gleichgültig gegen die eigenen Jungen, schleppen sie fort oder „vergessen“ sie – Pflicht und Gehorsam sind lästig – „melancholisch“, wenn traurig Angst mit unbeherrschbarer Panik oder absolut furchtlos – Angst häufig mit Zittern – Angst-Aggression, „Angstbeißer“ (wie Ars.) – oder freundlich mit plötzlichem Wechsel in Aggression – Angst beim Alleinsein, Unruhe, im Dunkeln, im Zwielicht – verlangen nach Gesellschaft, brauchen liebevollen Zuspruch – Angst bei Gewitter, Sturmwind, Blitz, Knall, Lärm – mit Panik – Angst bei Sturmwetter – zittert – Erwartungsangst, „Lampenfieber“ – Angst, Schreck auch ohne ersichtlichen Grund, plötzliche Panikanfälle (z. B. Hasen) – Hund, Katze: urinieren und Koten vor Angst – Angst vor Wasser, vor Waschen, Abspritzen, vor Baden im See, durch einen Bach zu laufen Aggressivität – manchmal schnell und unvermutet aggressiv, handeln überstürzt im Affekt, exzessive Wut – Eifersucht gegen neue Haus- oder Herdenmitglieder, leiden darunter oder werden krank – Destruktivität, zerstören alles im Affekt, z. B. beim Alleinsein – diktatorisches, tyrannisches Verhalten, abhängig von den Eigenschaften des Besitzers Energie – intelligent, lernen schnell, aber unaufmerksam, unzuverlässig – selten erschöpft, übermäßiger Bewegungsdrang, wollen immer beschäftigt sein – oder schnell erschöpft nach kurzer Anstrengung, schnell erholt nach kurzer Ruhepause – schnell gelangweilt, suchen neue Eindrücke – schnell zum Spielen zu animieren – neigen bei Langeweile zu „Untugenden“ oder „unerwünschtem Verhalten“ – Automatismen, Stereotypien bis zur Chorea – wenn krank, auch gleichgültig gegen alles, mit Abneigung gegen Gesellschaft, wollen nur noch Ruhe
– oft nachtaktive Tiere, ruhelos nachts (wie Ars.)
Hund meist sehr kontaktfreudig, schließt sich schnell an neue Besitzer an bleibt wegen seines aufgeschlossenen Wesens selten lange im Tierheim wird dann wegen unsicheren Wesens, Ungezogenheit oder Überaktivität wieder zurückgegeben der „psorische“ Phosphor-Hund: – zurückhaltend und schüchtern, reserviert, sitzt hinter Frauchens Hosenbein – wenn freundlich angesprochen, schlappt er mit der Zunge und wedelt schüchtern – zittert vor Angst, aber gut zu beruhigen, freut sich oft exzessiv über Zuspruch – manchmal panische Flucht auf dem Untersuchungstisch – aber immer wach und aufmerksam (Ars.) – wenn er Vertrauen gefasst hat, kommt er auch zu uns, genießt das Streicheln – erwidert dann Zuneigung durch Lecken oder legt die Pfote auf den Schoß der „sykotische“ Phosphor-Hund: – springt uns lustig und völlig unbefangen entgegen, zeigt unerklärliche Freude – freut sich, als wären wir alte Freunde, will dauernd „küssen“ und „geküsst werden“ – nimmt ganz vorsichtig unsere Hand oder den Arm ins Maul – kommt zu uns, legt Kopf oder Pfote auf den Schoß, leckt uns ab – springt bei jedem freundlichen Wort in ekstatischer Freude in die Luft – Zuneigung kennt oft keine Grenzen – „wilder kleiner Teufel“, bellt unaufhörlich in einer Art Ekstase, schreit – sogar unverschämt aufdringlich und lästig, wir können uns seiner kaum erwehren – oder milde und zärtlich – oft Hunde, die gern zum Tierarzt gehen (wie manche Pulsatilla-Hunde) – schnell zum Spielen zu animieren, neckische Gebärden – fängt den Schwanz, z. T. ausgesprochen albern, spielt Possen, „chaotisch“ (wie Calc-p.) Aggressivität, Beißen, spontan im Affekt („Kampfhunde“!)
Phosphorus Eifersucht oder Depression, wenn Konkurrenz ins Haus kommt Beschwerden durch alle möglichen Emotionen, durch „Gefühlserregung“: – durch Kummer, enttäuschte Liebe, das „unterminiert“ die Konstitution – hellfühlend, spürt im Voraus, wenn Besitzer kommt, was der vorhat – urinieren oder koten vor Angst, sogar auf dem Untersuchungstisch – dabei oft plötzliche Anfälle von Toben – Panik (wie die Hasen) Erziehung – affektgeladene Tiere sind schwer erziehbar – schnell abgelenkt, kann sich nicht konzentrieren – aber schnelle Auffassungsgabe, leicht beeinflussbar – guter Gehorsam, aber nur für Sekunden – oder unterwürfig, mit erstaunlicher Bravheit, immer fixiert auf Befehle, nachgiebig – hat nur den Besitzer im Visier, die Kommunikation ohne Worte – aber trotzdem nie ganz zuverlässig – nicht geeignet als Blindenhunde (besser: Puls., Calc-c.) – wegen seines Frohsinns sicher ein guter Therapiehund für Kranke
Katze überaus lieb, verschmust, häufig sehr aufdringlich manchmal plötzliche Aggressivität mit Beißen und Krallen undurchdringliches Wesen, für uns unerklärliche Launen „wilde kleine Teufel“, denen man wegen ihres Charmes nichts übel nehmen kann
leidet unter undefinierbaren Veränderungen im Haus, reagiert dann mit Unsauberkeit
Pferd meist freundlich, liebevoll, anhänglich, wiehert dem Besitzer entgegen oft lebhafte, aufmerksame Anteilnahme, Betteln, abhängig vom Besitzer häufig launische Spielereien, Clownereien und Ungehorsam bei schlechter Behandlung aggressive Beißer und Schläger
Kuh oft beim ersten Kontakt schreckhaft und scheu, springt bei Berührung beiseite anschließend Neugier, Interesse, guckt uns interessiert an wenn sie Vertrauen gefasst hat, angelt sie mit der Zunge und brummt uns hinterher dann gern gekrault und gestreichelt erwidert Zuwendung durch Lecken und sanftes Stupsen mit dem Kopf bei Laufstall-Haltung oft ausgesprochen aufdringlich, steht immer hinter uns, guckt interessiert zu, was wir machen, lutscht am AnamneseBlatt oft Neigung zu Spielereien und Übermut zeitweilig oder bei Ärger auch heftige Abwehr oder Aggressivität Eigensinn und Widersetzlichkeit gegen den Menschen, wenn dieser grob mit dem Tier umgeht bei fortgeschrittener Pathologie weniger wache Sinne bis Apathie manchmal Zähnebeißen bei schwerer Krankheit manchmal Gleichgültigkeit gegen das eigene Kalb
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Energiehaushalt: häufig sehr leistungsfähige Tiere, unermüdliches Rennen nach Anstrengung durch kurze Pause schnell erholt aber in Krankheit schnelles Sinken der Lebenskraft (jedoch nicht so schnell wie bei Ars.!) oder umgekehrt, schwere Erkrankungen mit anfangs kaum merklichen Symptomen
Nachschleppen der Beine (Nux v.) oder im Gegenteil, enorme Sprungkraft; Nasenflügelatmung, Struma, Basedow Kuh: Tendenz zu Schwäche durch Milchleistung; Schwäche der Beine, kann nicht gut aufstehen, frisst aber (andere Mittel!)
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Phosphorus Zentralnervensystem: Lähmungen, Ataxie, Inkoordination (auch Borreliose) Apoplexfolgen, häufigstes Mittel für alte Tiere mit Inkoordination oder Schwäche Wirbelsäulenverletzungen mit anschließenden Koordinationsstörungen, Lähmung (Hyper.) eines der wichtigsten Mittel für Epilepsie und ähnliche Konvulsionen, Chorea Auge: Conjunctivitis, Iritis, Retinitis, Ablösung, Degeneration der Retina Lähmung, Atrophie des Sehnervs, Blindheit Glaukom, Katarakt, retrobulbärer Tumor Tränenfluss im Wind Atemwege: eines der häufigsten Mittel für Affektionen der Atemwege: besonders rezidivierende Infekte Pferd: Tendenz zu chronisch obstruktiver Bronchitis; speziell nach nicht ausgeheilten Atemwegsinfekten („Husten“); mit asthmoiden Schüben und Atemnot (Ars., Ant-t., Lach., Nuxv.); mit expiratorischer Dyspnoe, Bauchatmung („Heuallergie“, „Dämpfigkeit“), trockener, hackender Husten mit „Würgen“, schleudernde Kopftiefhaltung, gewaltsame, explosive Hustenstöße mit Abgang von Flatus und Urin, möglicherweise mit bereits eingetretenem Lungenemphysem Schnupfen, Niesen, Pharyngitis, Laryngitis, Bronchitis, Pneumonie; (allergisches) Asthma, häufig absteigende Atemwegsinfekte Auslöser: Infektionen, Kaltwerden, Überforderung, Impfung gegen Herpes-Infektion, Husten, Laryngitis nach Intubieren bzw. Inhalationsnarkose Modalitäten: ⬍ durch Temperaturwechsel (von Stall nach draußen und umgekehrt), ⬍ in der Dämmerung, morgens und abends; häufig schon morgens oder vormittags hohes Fieber häufig Hunger im Fieber! i. d. R. Verlangen nach eiskalter Tränke, seltener auch nach warmer Tränke oft heftiger Husten, erschüttert den ganzen Körper unaufhörlicher Kitzelhusten, Reizhusten schmerzhafter Husten (heben dabei ein Vorderbein) Hund, Katze: Nasenflügel kleben am Septum (Clarke), zusammengeklebte Nüstern die bekannten brennenden Schleimhäute von Phosphor sind beim Tier kaum festzustellen
Obere Atemwege: Nasenbluten hell, wenig Gerinnungsneigung Katze: häufig sprühendes Niesen, Niesen anfallsweise Pferd: Schnauben trockene Nase wechselt mit Absonderung oder verstopfter Nase dabei oft blutige oder blutstreifige Absonderung trockenes Maul und Rachen allergische Rhinitis mit wässrig-schleimigem Sekret, Juckreiz Pferd: Headshaking Nasenschleimhaut empfindlich gegen die eingeatmete Luft oder besondere Gerüche Sinusitis, Angina, beginnt rechts, dann links oder beiderseits Schmerzen beim Schlucken Tonsillitis, Pharyngitis, retropharyngealer Abszess (Lach.) Laryngitis – Tracheitis: Heiserkeit, stimmlos, schmerzhaft oder schmerzlos Pferd: Recurrenslähmung, Kehlkopfpfeifer (Lach., Nux-v., Caust.) follikuläre Laryngitis, Herpesbläschen Heiserkeit ⬍ morgens und ⬍ abends Kehlkopf empfindlich gegen kalte Luft ⬍ durch Einatmen Kehlkopf empfindlich gegen Berührung, Husten leicht auslösbar, z. B. durch Druck des Halsbands oder manuellen Druck auf die Kehle harter trockener, kratzender Husten, der vom Kehlkopf ausgeht ⬎ warm einhüllen Bronchitis – Bronchopneumonie – Pneumonie – Pleuritis: quälender, schmerzhafter Husten, ⬍ abends bis Mitternacht, ⬍ Temperaturwechsel Nasenflügelatmung Brustschmerzen beim Husten, hebt manchmal das Vorderbein beim Husten unterdrückt den Husten, weil so schmerzhaft (wie Bry.) Hund, Katze: würgender Husten, manchmal mit Erbrechen Sputum schleimig, blutig oder blutstreifig asthmatische Atmung ⬍ abends, kurzer, hackender, trockener Husten muss aufsitzen, mühsame Dyspnoe – Bauchatmung Pneumonie, besonders rechter Unterlappen Rasselgeräusche
Phosphorus kann dabei nicht auf der linken Seite liegen, nur rechts! evtl. Lungenblutung (wie Acon.) Weitere Lungenerkrankungen: Lungenabszess, Lungengangrän nach Verschluck-Pneumonie (Ars., Lach. u. a.) Lungenödem, Emphysem Begleitsymptome: heiße Pfoten oder Hufe Hunger im Fieber, besonders nachts, gleich nach dem Essen Zahnfleischbluten Verlangen nach salzigen Speisen, kalten Getränken, Schneefressen roter Mittelstreifen auf Zunge Ekchymosen, Petechien Herz-Kreislauf-Erkrankungen: generell Tendenz zu Kreislaufstörungen, Herzschwäche organische Herzerkrankungen, mangelhafte Blutgerinnung Blutungsneigung, Nasenbluten, stark blutende Wunden, helles Blut Purpura haemorrhagica Anämien, Erkrankungen blutbildender Organe – Leber, Milz, Knochenmark Myo-, Endokarditis Herzdilatation, Hypertrophie Myokardinsuffizienz, Klappenerkrankungen nach bakteriellen Infektionen heftiges Herzklopfen durch Emotionen jeder Art, durch Anstrengung liegt eher auf der rechten Seite Stoffwechsel: Fettstoffwechsel, Glykogenstoffwechsel – Diabetes, Schwäche Diabetes insipidus Myokarddegeneration, Leberdegeneration, Nierendegeneration Eklampsie in der Gravidität hepatogene Enzephalopathie Hyperthyreose, Basedow, Kropf, Exophthalmus Verdauungsapparat: Kieferexostosen, Kiefernekrosen besonders Unterkiefer Abszesse an Zähnen oder Zahnwurzeln Ulzera im Maul Katze: Blutungen aus dem Zahnfleisch Spasmen im Ösophagus Pferd: Koppen gastrointestinale Reizung, Hyperämie der Magenschleimhaut Zusammenschnüren oder Erschlaffung von Cardia oder Pylorus
Speisenaufstoßen, Luft viel Durst auf Kaltes, erbrochen, sobald warm im Magen unstillbarer Durst, Diabetes mellitus und insipidus Appetit nachts oder bei Fieber, gleich nach dem Essen Verlangen nach Salz, Fisch Hunger kann nicht ertragen werden ⬍ 11 Uhr Beschwerden nach salzigen Speisen Erbrechen nach Trinken kleinster Menge, blutig Abdomen: Bauchschmerzen, ⬍ Erschütterung (wie Bell., Bry.) Lebererkrankungen, Hepatitis, fettige Degeneration, Zirrhose, Atrophie, Ikterus Pankreatopathien, Milzerkrankungen, Splenomegalie, Aszites (nicht FIP) Fettstühle, Blähungen, Tympanie Magenschmerzen ⬎ durch kalte Speisen, Ulkus, Krebs Abdomen oft druckempfindlich bei Lebererkrankungen Entzündungen der Darmschleimhaut, auch degenerativer Art Durchfall mit oder ohne Schwäche (häufig bei jungen Katzen) unwillkürlich, offener After, oft gemischt mit weißen Körnchen Hund, Katze, Rind: Kot oft lang und dünn, „Bleistiftstuhl“ Hund, Katze: Kot unwillkürlich, beim Husten, fällt oder tropft heraus beim Laufen Pferd: auffallend kleine Ballen Kot mit unverdauten Bestandteilen Durchfall abwechselnd mit Verstopfung Durchfall durch Aufregung (wie Arg-n., Lyc.) Rektumvorfall, Schleimhautpolypen wichtiges Mittel für Parvo-Infektionen (Verat., Ars.) Harnwege: Nephritis, Glomerulonephritis, Nierenversagen, fettige Degeneration, Urämie – mit Müdigkeit ⬍ morgens – mit Schwellungen um die Augen, Gesichtsödem – mit Inappetenz, Magenbeschwerden, hellem Durchfall besonders nach Infektionen, während Gravidität Katzen: Nierenerkrankungen, bis Urämie („Nierenkatzen“ auch: Ars., Nux-v.) Nierensteine, Blasenpolypen, Blutungen aus der Blase Blasenlähmung, Enuresis, Inkontinenz
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Phosphorus Urin: vermehrt, vermindert, wie Fleischbrühe, dunkel, schaumig, milchig, Hämaturie Genital: erotisches Verhalten, meist viel Sexverlangen (besonders Katze) Sex leicht erregbar, durch Streicheln (Katze), Onanie, Nymphomanie Zyklusstörungen, Sterilität Blutungen, starke Läufigkeit viel Blut Polypen, Krebs Mamma: Laktation ohne Geburt (Milch bei nicht Schwangeren), Prolaktin-Tumoren Scheinschwangerschaft ohne Mutter- oder Nestbauverhalten Tendenz zu Phlegmonen, Erysipel, besonders der linken Mamma mit Tendenz zur Entzündung des Unterhautfettgewebes mit Tendenz zur Eiterung, Abszess, dann Verhärtungen fistelartige bläuliche Ulzera harte livide sehr große, überdimensionale Schwellung auch strangartige Verhärtungen berührungsempfindlich bei Mastitis wenig wässrige Milch blutige Milch, rosa bis bräunlich reizbar bei Berührung, sonst eher lieb Kuh: häufig sehr gute Milchleistung; lässt die Milch laufen (Calc-c., Phyt., Puls., Sil.); alle Formen von Eutererkrankungen; fehlende oder nachlassende Milchleistung; Schwäche durch große Milchleistung (Ph-ac., China, Calc-c., Calc-p. u. a.); rissige Fissuren an den Zitzenöffnungen (Calc-c., Phyt., Sep., Sil., Sulf.) Mammakarzinom, eines der wichtigsten Mittel, bei der Hündin jedoch anfangs häufiger Conium, Phosphor ist hier ein gutes Folgemittel auf Conium, besonders bei Ulzera Für die Behandlung von Krebs ist ein spezielles Vorgehen erforderlich.
Haut: „Sommersprossen“ unheilsame Haut, Neigung zu Entzündungen und Eiterungen Blutungsneigung, Petechien, Ekchymosen, Purpura haemorrhagica (Lach. u. a.) stark juckende Hautausschläge, kratzt wund (wie viele andere Mittel) Hund: Zwischenzehen-, Pfotenekzeme, zahlreiche andere Hautausschläge Psoriasis-ähnliche Hautausschläge, schuppige Ichthyosis, knötchenartige Verhärtungen, Atherome Sklerodermie, Inelastizität, pergamentartig mazerierte Haut Fungus-hämatodes-ähnliche Auswüchse, Hämangiome Pferd: große, blutige Sarkoide (Nit-ac.) teigige Ödeme, mit eindrückbarer Oberfläche eiternde Geschwüre, ulzerierende Tumore, jauchig, blutig Katze: eosinophiles Granulom an der Lippe, lineares eosinophiles Granulom mit Lichenifizierung Bewegungsapparat: spätes Aufstehen von Neugeborenen nach der Geburt Nachschleppen der Beine bei akuten oder chronischen Erkrankungen (z. B. bei alten Pferden) toxisch bedingt, durch Schwäche, Inkoordination oder durch Verletzungen Ungeschicklichkeit, Stolperneigung, Tendenz zum Fallen und Hinstürzen Erkrankungen der Knochen, Verkrümmung, Ostitis, Osteomyelitis, Knochennekrose schlecht heilende Frakturen traumatische Folgen mit „lockeren Bändern“ (neben vielen anderen Mitteln) speziell lockere Bänder am Kniegelenk, Patellaluxation (DD Lähmung der Strecker) Bursitis Hüftgelenkserkrankungen (Lyc.) Torticollis nach links Zittern einer oder mehrerer Extremitäten Panaritium, sogar mit Periostbeteiligung (Sil. u. a.).
Phosphorus Auslöser und Modalitäten Auslöser: Kummer, Demütigung, Aufregung, z. B. auf dem Hundeplatz, Turnierplatz, Erwartungsspannung Vergiftung, Stoffwechselentgleisungen, Organdegeneration Erkältung, Kaltwerden, Zugluft, Infektionen pensionierte Turnierpferde: Kummer, Demütigung Schreck, Zorn, Kummer, Konkurrenz, alle Emotionen Überanstrengung Kaltwerden
Modalitäten: ⬍ vormittags 11 Uhr bzw. vor der Fütterung ⬎ Magnetismus, ⬎ Zuspruch ⬍ morgens und abends ⬍ Zwielicht ⬎ durch Essen, ⬎ durch Reiben, Magnetismus, ⬎ durch Zuspruch Hunger bei Fieber, bei Krankheit, nachts liegt nicht links, außer bei Lebererkrankungen Durst oder durstlos im Fieber Beschwerden gehen von rechts nach links Durchfall durch Aufregung Verlangen nach Eiswasser Katzen, Kleinnager: ruhelos nachts, nachtaktiv
Ausgewählte Fallbeispiele Die Kuh Chara – Acetonämie
„Ölpest“ – die Katze Susi
Nach einem sommerlichen Homöopathie-KursAbend bittet mich ein teilnehmender Bauer dringend in seinen Kuhstall. Ich bin weder von der Kleidung her noch abends gegen 23 Uhr auf einen Besuch im Kuhstall eingestellt, lasse mich aber – nolens volens – überreden. Wenig später bereue ich diesen Entschluss, denn der Kuhstall ist leer, die Kühe sind auf der Weide. Doch der Bauer drängt, es sei eine seiner besten Milchkühe, die schon jetzt, 4 Wochen vor der Geburt, „Aceton“ habe. Und er werde gleich mit Chara da sein. Ich mache mich auf eine längere Wartezeit gefasst, aber schon nach wenigen Minuten kommt der Bauer zum Stalltor herein, den Arm um den Hals seiner Kuh geschlungen. Sie trottet mit schleppender Hinterhand brav neben ihm her – eine zierliche Schwarzbunte mit großen, ausdrucksvollen, vorstehenden Augen. Er nimmt den Arm von ihrem Nacken, die Kuh bleibt neben ihn stehen und lehnt sich sanft an ihn, während er sie freundlich streichelt. Bei diesem Verhalten können nur zwei homöopathische Mittel infrage kommen, die derart freundlich sind: Pulsatilla oder Phosphor. Die Differenzierung entscheidet für Phosphor, weil dieses Mittel eher für einen Schwerpunkt im Stoffwechselgeschehen zuständig ist als Pulsatilla. Chara bekommt Phosphorus M. Die Acetonämie normalisiert sich innerhalb von 3 Tagen, anschließend normale Geburt und Laktation.
16.9.1997. Empörter Anruf: „Da hat doch irgendein Idiot unsere Katze vor 5 Tagen mit Benzin übergossen! Ich habe sie schon gewaschen und gründlich schamponiert, habe Nux vomica C 30 gegeben und ihr extra gutes Fleisch gekauft, aber jetzt hängt sie herum, frisst nicht, kann nicht mehr laufen und ist ganz schlapp.“ In der Praxis stellt sich heraus, dass die Katze wahrscheinlich in ein Gefäß mit Altöl gerutscht ist, das in glitschigen Fässern an Autowerkstätten gelagert wird. 15 Jahre zuvor hatten wir in der Kleintierpraxis eine Periode, in der eine ganze Serie solcher „ÖlKatzen“ vorgestellt wurden. Diese Tiere sind alle nach Wochen, manchmal erst nach Monaten unter Vergiftungserscheinungen mit Lebersymptomen verendet bzw. euthanasiert worden – trotz aller schulmedizinischen und homöopathischen (Nuxvomica-)Therapie. Es muss also außer Nux vomica noch ein anderes Mittel gegen Öl-Vergiftung geben.
Untersuchung und Anamnese Die früher sehr hübsche langhaarige dreifarbige Susi ist in den letzten 5 Tagen stark abgemagert. Die Hinterhand ist schmerzhaft und tonisch gelähmt, dort ist bereits eine deutliche Muskelatrophie eingetreten. Das Haar ist großflächig ausgefallen, die Haut der ganzen Hinterhand ist gerötet und faltig, zeigt kaum noch Elastizität, stellenweise ist sie bereits pergamentartig mazeriert, aber nicht berüh-
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Phosphorus rungsempfindlich. Die Prognose ist sehr zweifelhaft.
Therapieversuch In den „Arzneibeziehungen“ sind die Antidote für Petroleum aufgeführt, von denen Phosphor am ehesten eine Ähnlichkeit zu dem vorliegenden Fall aufweist: Haut, Gangrän, hart wie Pergament, Haarausfall Extremitäten, Schmerz gelähmter Teile Allgemeines, Abmagerung erkrankter Teile
Therapie Susi bekommt Phosphor C 100, einige Globuli, in etwas Kochsalzlösung aufgelöst per os. 17.9.1997: Susi hat zum ersten Mal wieder 2 Teelöffel Futter gefressen. Die Blase sei gelähmt, das hat Frau St. gestern nicht erwähnt. „Susi uriniert und bleibt in ihrem Urin sitzen. Und sie schnurrt nicht mehr so wie sonst. Sie kann sich nur im Kriechen etwas fortbewegen.“ Die Blasenlähmung passt zum Phosphor-Bild. Keine Therapie. 18.9.1997, 10 Uhr vormittags: „Susi hat 200 g Hackfleisch gefressen! Sie kann aber noch nicht laufen. Jetzt sitzt sie wieder teilnahmslos da. Sie uriniert noch unter sich. Man kann sie nicht hochnehmen, dann schreit sie. Das Fell ist noch ganz struppig, obwohl ich sie noch mal gewaschen habe. Gestern Abend habe ich ihr einmal Phosphor C 30 gegeben.“ Sie soll die Arzneigabe einmal täglich wiederholen und wieder berichten. 22.9.1997: „Susi ist munterer. Sie macht noch unter sich. Das Laufen geht eine Spur besser. Sie kann den Schwanz noch nicht heben. Sie frisst und trinkt gut, hat sogar normalen Kot abgesetzt, aber natürlich nicht im Katzenklo. Die wunden Stellen am Rücken sind am verschorfen. Susi putzt sich aber nicht.“ Phosphor C 30, wegen Besserung nur noch alle 2 Tage per os. 25.9.1997: „Susi kann jetzt wieder gut laufen, geht jetzt wieder aufs Katzenklo und will unbedingt raus. Sie ist draußen sogar auf einen Stein gesprungen. Wir haben sie jetzt eingesperrt, und nun meckert sie dauernd, weil sie sonst den ganzen Tag draußen ist.“ Phosphor C 30 nur noch alle 3 Tage per os.
30.9.1997: „Susi ist sauber, sie wird an der Leine draußen spazieren geführt. Sie kann laufen, aber noch nicht rennen oder springen. Sie hat noch Mühe, auf der Katzentreppe in den ersten Stock zu klettern. Sie frisst gut und hat an Gewicht zugenommen. Sie putzt sich auch wieder. Den Schwanz trägt sie wieder in den Himmel gehoben wie früher. Die Haut am Rücken blättert ab, aber es wachsen noch kaum neue Haare. Sie sucht sehr intensiv unseren Kontakt und schnurrt wie eine Wilde!“ Noch keine neue Arzneigabe. 9.10.1997: „Susi war abgehauen und ist jetzt ganz schlapp, sie kann wieder kaum noch gehen.“ Phosphor C 200. Danach geht es ihr gut. Sie kann wieder springen, spielen und klettern und bekommt allmählich wieder ihr früheres glänzendes Fell. 18.3.1998: Susi ging es bisher sehr gut – glänzendes Fell, dick, rund und lustig. „Heute früh kam sie nach Hause und stank wie ein ganzes Chemie-Labor! Hat ihr jemand Gift gegeben? Gestern war sie noch munter!“ Susi erscheint schwach, hat wieder den eingefallenen Gesichtsausdruck, grau-gelbliche Schleimhäute, keine Futteraufnahme. Klinisch ist nichts Auffallendes festzustellen. Also bekommt sie wieder Phosphor, jetzt in der C 1000 (M). Es dauert 2 Wochen, bis Susi wieder ganz fit ist. Hat sie von der Petroleum-Vergiftung doch einen Leber-Nieren-Schaden davongetragen? 20.4.1998: „Heute stinkt Susi wieder nach Chemie und ist schlapp. Sie frisst wenig und will nicht raus gehen.“
Befund Die sonst so brave Susi ist heute widerspenstig, lässt sich kaum untersuchen. Maul, Kehle und Abdomen sind extrem berührungsempfindlich. Lachesis 200, 1 Gabe per os. Wahrscheinlich handelt es sich jetzt um eine Vergiftung mit einem anderen Stoff, möglicherweise durch eine vergiftete Maus. 21.10.1998: „ Wir waren kaum zu Hause, da war Susi wieder munter und wollte raus. Jetzt lauert sie mir wieder auf und krallt sich lustvoll in meine Schuhe.“ Seither geht es Susi gut. Beobachtungszeit: 4 Jahre. Das war der erste gut gegangene Fall von Öl-Vergiftungen bei Katzen. Im Lauf des nächsten halben
Phosphorus Jahres folgten noch 4 weitere Katzen, die ins Altöl gefallen waren. Nach den Erfahrungen mit Susi erhielten sie gleich Phosphor C 200, das in einem sehr schweren Fall sogar im Abstand von einer Woche wiederholt werden musste. Alle diese Katzen wurden ohne Rezidiv und ohne bleibende Schäden gesund. Später fragte eine Kollegin wegen einer „Öl-Katze“ an, die schon mehrere Tage in einer Öl-Tonne gelegen hatte und kurz vor dem Sterben war. Diese Katze bekam 1 einzige Gabe Phosphor XM und wurde tatsächlich im Laufe von 2 Wochen gesund. Sehr wahrscheinlich könnte der homöopathische Phosphor auch die Tieropfer der Ölkatastrophen an den Meeresküsten retten!
Amaurose bei einem jungen Setter-Hund Am 12.9.95 stellt ein junger Mann seinen 18 Monate alten roten Setterrüden in der Praxis vor, dieser habe „Probleme mit den Augen“. „Mein Hund Pico ist in den letzten Wochen mehrmals die Treppe heruntergefallen und läuft immer häufiger gegen Stühle und andere Gegenstände. Ich wollte schon vor 3 Wochen kommen, hatte aber wegen meiner Ausbildung keine Zeit. – Im Frühling dieses Jahres ist er anderweitig vom Tierarzt wegen einer chronischen allergischen Bindehautentzündung mit diesen Tropfen behandelt worden; das war schlimmer auf dem rechten als auf dem linken Auge.“ Er zeigt ein leeres Fläschchen mit Augetropfen, das ein Antibiotikum und Kortikoid enthält. Die Untersuchung ergibt eine Blindheit auf dem rechten Auge mit maximaler Mydriasis; auf Lichteinfall erfolgt keinerlei Pupillenreaktion; eine Handbewegung aufs Auge zu wird nicht mit Lidschlag oder anderen Reaktionen beantwortet. Der Augenhintergrund lässt keine pathologischen Veränderungen erkennen. Am linken Auge ist das Sehvermögen offensichtlich kaum eingeschränkt, allerdings ist der Pupillenreflex auf Lichteinfall deutlich langsamer als üblich.
Diagnose Amaurose auf dem rechten Auge.
Homöopathische Anamnese Pico ist ein ausgesprochen schönes Tier mit seidig glänzendem rotbraunem Haarkleid. In beständiger Unruhe trippelt er um seinen Besitzer herum. Dieser versucht das unruhige Tier mit sanften Worten zu beruhigen, welche den Hund so in Freude versetzen, dass er immer wieder „liebevoll“ die Hand oder den Arm seines Besitzers ins Maul nimmt. „Nun sitz doch mal still! Sitz, Pico!“ – Brav setzt sich der Hund nieder, steht aber im nächsten Moment gleich wieder auf und tanzt weiter herum. Der junge Mann entschuldigt sich: „Pico ist von Natur aus ein nervenschwacher, unruhiger Hund!“ Weiter erzählt er über das Tier: „Pico ist sehr aufgeweckt. Er nimmt alles wahr, was es nur gibt. Er ist sehr, sehr anhänglich und geht mir, wenn ich zu Hause bin, nicht von der Seite. Sogar draußen entfernt er sich nie mehr als 10 m von mir. – Er ist ein vollkommen schreckhaftes Tier, besonders nachts. Ich glaube, ich müsste den Hund beschützen, wenn nachts einmal etwas los wäre! Er hat Angst vor allem Unbekannten, vor Nebel, vor dem leisesten unbekannten Geräusch und vor unbedeutenden Kleinigkeiten. Dann stellt er vor Angst die Rückenhaare auf – wie andere Hunde es tun, wenn sie wütend sind, beginnt am ganzen Körper zu zittern und gibt ein ängstliches Knurren von sich, das unterbrochen ist von ängstlichem Miefen und Suche nach Blickkontakt. Auch bei Gewitter hat er Angst, lässt sich aber gut von mir trösten. – Nachts schläft er am liebsten, indem er auf mir drauf liegt, oder er platziert seinen Kopf auf meiner Brust.“ Kann er auch böse werden? „Nein, nie! Er geht zu allen Menschen hin, die ihn freundlich ansprechen. Knurren gibt es nur bei Angst. – Wenn die Angst allzu groß wird, kann er sich sogar einnässen – wie ein Welpe. Anfangs dachte ich, dieses Verhalten würde mit zunehmendem Alter verschwinden, aber es kann heute noch immer vorkommen.“ Sozialverhalten? „Wenn Pico einen anderen Hund sieht, bleibt er stehen und schaut oder rennt fort. Sogar vor Welpen hat er Angst! Er lässt sich ohne Gegenwehr von anderen beißen. Unter seinen Wurfgeschwistern war er der schwächste und rangtiefste Hund.“ Sexualverhalten? „Ich glaube, er ist ein Spätzünder. Er verhält sich noch immer eher wie eine Hündin; er hebt zum Urinieren noch nicht einmal das Hinterbein. Für läufige Hündinnen interessiert er sich nicht mehr als für andere Hunde. Sexuelle Erregung, Klammern oder Onanieren habe ich noch nie beobachtet.“
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Phosphorus „Im Alter von 4 – 5 Monaten hatte er eine Wachstumsstörung mit Lähmungserscheinungen, die nacheinander an allen Beinen auftraten. Der Tierarzt konnte – außer spezieller Fütterung mit Kalk und anderen Zusätzen – nichts machen und meinte, das würde aufhören, wenn der Hund erwachsen wäre.“ Gehorsam? „Wenn ich Pico laut ermahne, duckt er sich wie ein geprügelter Hund. Wenn man dann freundlich mit ihm redet, platzt er förmlich vor lauter Beweisen von Liebe! Erziehung ist schwierig. Pico hat seinen eigenen Kopf. Auf dem Hundeplatz ist er völlig unkonzentriert, aufgedreht und manchmal richtig verstört. Er ist ganz außer sich, wenn er so viele Hunde sieht! Wenn 3 oder 4 Hunde um ihn herumtoben, steht er da und weiß gar nicht, was er machen soll: springt plötzlich in die Luft, verrenkt sich den Hals, um alles zu sehen, zittert am ganzen Leibe. Es braucht dann eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hat und ansprechbar wird.“
Mittelwahl Die entscheidenden Symptome sind: Auge: Lähmung des Sehnerven, Amaurose Gemüt: herzlich, erwidert Zuneigung Gemüt: leicht erschreckt durch Kleinigkeiten Gemüt: Angst im Dunkeln Gemüt: Furcht bei Gewitter Gemüt: Furcht vor Menschen (synonym für „Furcht vor anderen Hunden“) Gemüt: nachgiebig (lässt sich widerstandslos beißen) Gemüt: beeinflussbar Gemüt: Ruhelosigkeit im Sitzen (dauerndes Herumhüpfen)
Gemüt: Beschwerden durch Zorn mit Angst Gemüt: kindisches Verhalten (Verhalten wie ein Welpe) Allgemeines: infantile Lähmung Allgemeines: Zittern durch Angst Extremitäten: Zittern durch Aufregung Allgemeines: Entwicklung verzögert Allgemeines: nervöse Schwäche, Neurasthenie Allgemeines: Magnetismus bessert (Verlangen und Besserung durch Streicheln). Der Hund bekommt ca. 3 Globuli Phosphor XM als einmalige Gabe per o. s. 4 Tage später stellt ihn der Besitzer wieder vor: Picos rechte Pupille ist im Sonnenlicht genauso kontrahiert wie die des anderen Auges, zeigt auch im Dunkeln eine normale Reaktion. Das rechte Auge reagiert normal auf visuelle Reize; Pico stößt beim Laufen nicht mehr an Gegenstände, d. h. sein Sehvermögen ist wieder hergestellt! Weitere 3 Tage später stellten sich wieder schmerzhafte Lähmungserscheinungen besonders an den Hintergliedmaßen ein, welche aber im Laufe der nächsten 3 Tage wieder verschwanden. Dabei handelt es sich um eine „Erstreaktion“ auf das homöopathische Mittel, wodurch eine „schlafende“, noch nicht ausgeheilte Erkrankung aktiviert wird und anschließend zur endgültigen Heilung kommt. Solche Reaktionen sind Zeichen einer positiven Mittelwirkung und dürfen – als vorübergehende Erscheinung – nicht extra therapiert werden.
Plumbum metallicum
Plumbum metallicum Blei
Signatur, Thema und Idee des Mittels Blei ist ein weiches Metall, das unedelste Schwermetall, giftig in allen seinen Verbindungen und unbekannt hinsichtlich seiner physiologischen Wirkung. Die Verwendungsformen von Blei sprechen für alles andere als lustige Lebensfreude, Blei gilt als Symbol für Schwere, Isolation, Stabilität und Langsamkeit. Die starre materielle Form führt zu einem Mangel an Beweglichkeit und damit zu Inkoordination, Lähmung und Tod. Blei ist gemäß der Astrologie der Träger des ,Saturn-Prinzips‘. Saturn heißt im Griechischen Kronos, in lateinischen Buchstaben „Chronos“ geschrieben. Die langsame zeitliche Entwicklung einer Pathologie führt zu chronischen Krankheiten.
Saturn ist der Greis, der mit einer Sichel die reife Saat erntet, der „Knochenmann“, der mit der Sense den Lebensfaden abschneidet. Saturn gilt als ,Hüter der Schwelle‘ für Grenzerlebnisse zwischen Leben und Tod, kann aber auch im Sinn von ,Stirb und Werde‘ einen wohlstrukturierten Neubeginn bringen. Thema und Idee: Verzögerung, Unabänderlichkeit, Stillstand, Trennung, Verdichtung, Zusammenziehen, Inkoordination, Festwerden, Alter, Tod; Chaos und andererseits neu koordinierte Struktur und Funktion.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Die akute Vergiftung betrifft wie alle Schwermetallvergiftungen eine Reizung der Schleimhäute des Verdauungsapparates. Die chronische Vergiftung bzw. Arzneimittelprüfung bringt allmählich schwere organische, irreversible Schäden hervor: Gestörte Zellatmung, Schäden am blutbildenden System, Arteriosklerose und Gefäßspasmen führen zur Degeneration der großen Körperparenchyme und zu Stoffwechselstörungen. Ausgelöst bzw. begleitet werden diese pathologischen Zustände auch durch die Kontraktion und Inkoordination von Muskelfasern, insbesondere der Gefäßmuskulatur. Degenerative Veränderungen am Nervensystem führen zu Sensibilitätsstörungen, Spasmen, Inkoordination und Lähmungen mit schnell eintretender Muskelatrophie. Tendenz zu Schwäche und Lähmung der Extensoren, besonders der Vorderextremitäten. Der Verlauf von Plumbum-Erkrankungen ist geprägt von Zittern, Hyperästhesie der Haut, Spasmen, Lähmung, Atrophie mit lokaler Kälte, evtl. Zuckungen im gelähmten Körperteil; oft anfangs schmerzhafte, dann schmerzlose, schlaffe Lähmung. Plumbum ist nicht primär ein Mittel für traumatisch bedingte Lähmungen (seltene Ausnahmen).
Es gibt auch heute noch Bleivergiftungen! Wer z. B. ein altes, verfallendes Bauernhaus zum Pferdestall umrüstet, könnte durch alte Bleirohre der Wasserleitung mit Bleikoliken oder Lähmungen rechnen. Im Akutfall ist Plumbum aceticum dem elementaren Blei vorzuziehen, da die Zubereitung aus dem löslichen Bleiacetat einen schnelleren Wirkungseintritt bringt. Im akuten Kolikgeschehen, bei schwersten Obstipationen kann Plumbum gut gefolgt werden von Opium und umgekehrt. Die Lähmungserscheinungen von Caust. sind leicht mit denen von Plumbum zu verwechseln: Beide beginnen allmählich, beide können durch unterdrückte Hautausschläge, Überanstrengung oder Kälte bedingt und mit Kälte der betroffenen Teile verbunden sein, beide können Kontrakturen der Beugesehnen haben. Caust.: Lähmung der Beuger. Plumbum-Lähmungen gehen mit auffallend schneller Muskelatrophie einher; schlaffe Lähmungen; mit anfänglicher Hyperästhesie oder solche der nicht erkrankten Seite; betroffen sind in erster Linie die Strecker; progressive Lähmungen eher im Vorderkörper.
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Plumbum metallicum Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute Erkrankungen: auch diese Symptome beginnen nicht plötzlich, sondern allmählich häufiges Mittel für schwerste, lebensgefährliche Darmerkrankungen, Vergiftungen Chronisch: Lähmungserscheinungen, Apoplexfolgen, Degenerationserscheinungen Neuritis, Neuralgien, Schleimhautreizung, Spannung 씮 Sensibilitätsstörungen Lähmung atonische Obstipation 씮 Rektumlähmung Obstipation mit heftigsten Spasmen, Volvulus, Ileus, Koterbrechen Hund: Knochenkotverstopfungen Pferd: Obstipationskolik
Nephritis, Nierendegeneration, Schrumpfniere progressive neurologische Erkrankungen Lähmungen allmählich beginnend, mit schnell fortschreitender Muskelatrophie Ataxie, Inkoordination Lähmung der Strecker, Radialislähmung, aufsteigende Lähmungen verbunden mit Hyperästhesie der Haut Zittern, Zuckungen, Schwäche mit Zittern bei Anstrengung
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Der noch nicht schwer kranke Plumbum-Patient – wie ihn z. B. Vithoulkas beschreibt – wird in der Praxis kaum vorgestellt werden, weil die Tierbesitzer in diesem Stadium noch keinen Grund für eine Therapie sehen. Wenn er wirklich in dieser Phase als Patient kommt, ist es sehr schwierig, Plumbum als Simile zu finden. Meist leiten dann erst akute Exazerbationen von Hyperästhesie mit Schwäche oder Spasmen den Weg zu diesem Mittel. Verrenkungen des Körpers, sonderbare Stellungen: – Hund: liegt wie ein Fragezeichen – Pferd: hundesitzige Stellung – Kuh: steht in verkehrter Reihenfolge auf Cauda-equina-Syndrom mit langsam fortschreitender Lähmung Pressen ineffektiv zum Kot In fortgeschrittenem Stadium der Pathologie: häufig alte Tiere, evtl. Muskelatrophie (,wie ein wandelndes Skelett‘) oder altes, verfallenes Aussehen, oft tiefliegende Augen glanzloses, schmutziges, evtl. fettiges Haarkleid Verhalten gedämpft wie bei einem alten Tier, wenige Äußerungen von Lebensfreude Schläfrigkeit ist möglicherweise ein Begleitsymptom von Plumbum-Erkrankungen (Op.)
Beschwerden sind häufig begleitet von sonderbaren Körperstellungen lähmungsartige Schwäche mit Hyperästhesie der Haut verminderte Reflex-Erregbarkeit, evtl. mit lokalen Zuckungen, Zittern langsam sich entwickelnde Hinfälligkeit mit sinkender Lebenskraft dabei oft Lähmung der Oberlider mit Zufallen der Augen häufig begleitet von Zittern schlaffe Lähmungen Lähmungen mit schnell fortschreitender Muskelatrophie bis zur Kachexie evtl. totale Muskelatrophie infolge Zerebralsklerose Tendenz zur Lähmung der Extensoren, insbesondere der vorderen Extremitäten, evtl. mit Zittern aber auch Lähmung von Beugern bzw. der ganzen Gliedmaße Erkrankungen beginnen oder sind häufig begleitet von einer Hyperästhesie der Haut evtl. stinkende Ausscheidungen, Tendenz zu Obstipation Darmkrämpfe, Obstipation mit spastisch zusammengezogenen Bauchdecken
Plumbum metallicum Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens wenig Lebensfreude, langsame, gedämpfte Bewegungen Mangel an Reaktionsfähigkeit, verlangsamte Perzeption und Reaktion, auch auf sensible Reize Erregung kann mit Stupor abwechseln evtl. Zittern der Extremitäten, besonders der vorderen
Zittern evtl. gefolgt von tonisch-klonischen Muskelkrämpfen, besser durch reibende Massage evtl. generalisiertes Zittern, z. B. auch von Lippen oder Kopf
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Zentralnervensystem: Apoplexfolgen, z. B. alter Hunde (Arteriosklerose?) Lähmung nach der Geburt (Caust., Rhus-t., Caul.) Eklampsie mit epileptiformen Krämpfen allmähliche Verlangsamung aller Funktionen: langsames Laufen, schlimmer durch Bewegung; verzögerte Reflexe; verlangsamte Anteilnahme, gedämpftes Verhalten bis zum Stupor; anfangs evtl. abwechselnd mit Intervallen von Erregung, Krämpfen, Zuckungen und Zittern Zittern und Krämpfe auch einzelner Muskelgruppen mit plötzlich einschießenden Schmerzen später Zunahme von Sensibilitätsstörungen; Stimmbandlähmung? dann Lähmung mit überraschend schnell eintretender Muskelatrophie; Kälte des erkrankten Körperteils Lähmung meist anfangs schmerzhaft, später schmerzlos; aufsteigende oder absteigende Lähmung; Lähmung einer Gliedmaße, Hyperästhesie der anderen; Lähmung oder Inkoordination einzelner Organe; Lähmung einzelner Muskelgruppen mit Muskelatrophie; Caudaequina-Syndrom mit Atrophie der Rückenund Hinterbackenmuskulatur; Inkoordination der Extremitäten, Ataxie evtl. anfangs mit heftigen Schmerzen; Lähmung der Vordergliedmaßen, Radialislähmung (besonders vorn rechts), möglicherweise das erste Zeichen für den Beginn einer Plumbum-Erkrankung; Einknicken im Karpalgelenk, Stolpern durch Überwiegen des Beuger-Tonus (Caust., Calcc.); Hund: erkennbar durch abgewetzte Krallen der Vorderpfoten Pferd: evtl. dadurch Entstehung von Stelzfuß (Caust.) mit Kontraktion der Beugesehnen
Hemiplegie oder Paraplegie, z. B. nach Apoplex oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems; Zuckungen im gelähmten Teil Neuralgien, auch Dauerschmerzen: Schmerzen ,entlang den Nervensträngen‘ (z. B. ähnlich Ischias), strahlen aus in alle Richtungen; schlechter durch Bewegung; besser durch Reiben und starken Druck; schlechter durch Berührung; Schmerzen kommen und gehen langsam; nehmen nach schmerzarmem Intervall wieder zu Epilepsie mit anschließendem Schlaf und Lähmung (Op.) Verdauungsapparat: spastische, unkoordinierte Kontraktionen der Darmmuskulatur mit ,akutem Abdomen‘ schmerzhafte Krämpfe der Mm. recti abdominis (,Einziehen des Bauches‘) hochgradige Schmerzen, die plötzlich und in Intervallen wiederholt auftreten Strecken und Zusammenkrümmen bessert vorübergehend, besonders Strecken der Hinterextremitäten beständiger Druck aufs Abdomen bessert, kräftiges Reiben bessert aber Berührung verschlechtert (Hyperästhesie) später Darmlähmung mit der Gefahr von Darmnekrose (evtl. zusätzliche Gabe von Lach.) dabei evtl. Kreislaufdepression bis Kollaps schmerzhafte Spasmen im Rektum, die das Austreiben von Kot verhindern evtl. später Lähmung des Rektums Darmkrämpfe sind evtl. begleitet von Muskelkrämpfen in den Extremitäten, auch lokaler Muskelgruppen Inkoordination der Peristaltik kann zu Invagination, Ileus oder Volvulus führen unspezifische Magen-Darm-Erkrankungen mit den angegebenen Modalitäten
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Plumbum metallicum Hund Inkoordination der Darmmuskulatur, mit Kolikschmerzen, bis zur Invagination (nach eigener Erfahrung war es tatsächlich möglich, eine frische Darminvagination mit Plumbum in einmaliger Gabe einer C 1000 innerhalb von 3 Stunden zu lösen [unter Röntgenkontrolle] und eine normale Darmperistaltik wiederherzustellen) Plumbum-Symptome sind häufig beim Fremdkörperileus erkennbar – dabei häufig eingezogene Bauchdecken; hier besteht aber die Indikation für chirurgische Intervention und nicht für Homöopathie! schwerste Obstipation nach Knochenfressen (Op.) – Abdomen hart, gespannt, berührungsempfindlich, aber Reiben und Druck bessern – Ileus mit Koterbrechen – nach der Phase der Kolikschmerzen häufig Darmlähmung, evtl. sogar Lähmung des Anus – der weiß-krümelige Knochenkot steckt im oft offen stehenden Rektum und kann nicht herausgebracht werden (Lähmung des Rektums) – durch das Volumen des angeschoppten Kotes sind in diesem Stadium nur selten die aus dem Arzneimittelbild bekannten aufgezogenen Bauchdecken erkennbar – aber die spastisch kontrahierten Bauchdecken sind zu palpieren Darmlähmung mit Obstipation von Kot nach ,normalem‘ Futter: – aufgetriebenes gespanntes Abdomen, mit knotigem Kot wie Schafdung – aneinanderklebende Kotbällchen, die sehr schwer ausgetrieben werden können
Pferd schwerste Obstipationskoliken mit Indikation zur Operation, meist in Kolonlagen und Beckenflexur Plumbum-Koliken treten meist abends bis nachts auf, können sich tagelang hinziehen stark gespannte Bauchdecken, oft stark aufgetriebenes Abdomen durch angeschoppte und tympanisch aufgetriebene Darmteile Auskultation ergibt Stillstand der Peristaltik mit lokalen tympanischen Geräuschen (Op.) bei der Auskultation zeigt sich die Berührungsempfindlichkeit des Abdomens
heftigste, anfallartig auftretende Schmerzen mit rücksichtslosem Niederwerfen und Toben in den Intervallen schläfriges Stehen mit gelegentlichem Scharren mit dem Vorderbein: – Stupor abwechselnd mit Toben (,Delirium‘), Zähneknirschen – Pferde stehen zwischenzeitlich gestreckt wie ein Sägebock Plumbum-Koliken verlaufen oft mit bedrohlicher Kreislaufdepression, die sich aber nach der Gabe von Plumbum bessern sollte; anderenfalls evtl. zusätzliche Gabe von Lach. wegen Inkarzeration von Darmteilen (blutiges Punktat der Bauchhöhle); wenn das nicht bessert, dann infauste Prognose! bei mangelnder Reaktion auf Plumbum evtl. Gabe von Op. (Komplementärmittel) Gehen verschlechtert (Führen bei Kolik ⬍ !), Erschütterung ⬍ evtl. begleitet von Angst mit kaltem Schweiß liegt auf dem Bauch, weil Druck bessert Begleitsymptome: – Lähmung, Krämpfe, evtl. nur Zittern der Hinterextremitäten bei Kolik (Op., Nux-v. u. a. Mittel) – Schwitzen am Abdomen (Nux-v.) – Abdomen berührungsempfindlich, aber Reiben bessert – häufiger Harndrang spricht nicht gegen den Einsatz von Plb., da dieser oft mechanisch bedingt ist durch Druck von angeschoppten Darmabschnitten auf die Blase Zeichen positiver Wirkung: – der gequälte Gesichtsausdruck entspannt sich – Besserung der Kreislaufsituation – Nachlassen der Schmerzattacken, die dann anfangs leichter und in größeren Intervallen auftreten – dann das leichte Einsetzen von Darmgeräuschen und der Abgang von Gasen Bis der angeschoppte Darminhalt aufgelöst und zum Rektum transportiert ist, kann es 24 Stunden dauern. Bei Bedarf (Wiederbeginn heftiger Schmerzen) muss Plumbum nachdosiert werden. Bei blutigem Punktat der Bauchhöhle sollte wegen evtl. Darmnekrosen zusätzlich eine Einzelgabe Lach. 200 gegeben werden. Ergänzungsmittel evtl. Op. (heißer Schweiß)
Plumbum metallicum Plumbum-Koliken verlaufen beim Pferd langsam, die Heilung braucht Zeit und kostet den Therapeuten starke Nerven. Eine zu frühe Wiederholung des Mittels kann in solchen Fällen den Fall ,verderben‘! Die homöopathische Behandlung solcher Koliken beim Pferd sollte Tierärzten vorbehalten sein, die über genügend homöopathische Kenntnisse und Erfahrung verfügen! Ferner sollte der Tierbesitzer unbedingt sein Einverständnis erklären.
Genital: ,Neigung zum Abort‘ (mehrere Aborte!) infolge Gefäßspasmen im Uterus und mangelnder Entwicklung des Myometriums Harnwege: Blasenspasmen, Harndrang chronische Nephritis, Nierendegeneration bis Urämie Vergiftungen: Urämie mit Koma Folgen von Fischvergiftung Folgen von schlecht vertragener Narkose, besonders nach Einsatz von Opiaten Folgen von überdosiertem Ars. oder Chin. (Chinin)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von unterdrückten Hautausschlägen Folgen von Aufregung und Erwartung Kolik durch Kaltwerden, durch Obstipation Folgen von trockenem, hartem Futter Folgen von Fischvergiftung Hund, Katze: Knochen, Knorpel, Trockenfutter Pferd: z. B. ungewohnte Umstellung auf Fütterung von Pellets (Puls.), sonstige Futterumstellung Modalitäten: Bauchschmerzen ⬍ durch Berührung, ⬎ durch starken Druck und Reiben Bauchschmerz ⬍ durch Bewegung, ⬍ durch Erschütterung Bauchschmerz besser durch Zusammenkrümmen, abwechselnd Strecken, Hinterextremitäten zeitweilig nach hinten herausgestreckt
⬎ durch Ruhe und Liegen ⬍ durch Kälte und frische Luft Hyperästhesie der Haut als begleitendes Symptom, vor der Lähmung Pferd: Koliken häufig ⬍ nachts; ⬍ durch Herumführen, wollen nicht traben (wie Acon., Bella. u. a.) Hund: will nicht aus dem Auto springen Komplementär: Op., Rhus-t. Antidot gegen ,Opium-Vergiftung‘, d. h. indiziert bei Koliken oder nach Einsatz von Opiaten: Bell., Op. Antidot: Ant-c., Ars., Bell., Caust., Coloc., Hep., Hyos., Lyc., Merc., Nat-s., Nux-v., Op., Plat., Stram., Sulf., Zinc
Ausgewählte Fallbeispiele Terrier – chronisch rezidivierender Durchfall (von Dr. Hartmut Krüger) Terrier-Zwergschnauzer-Mischling, Rüde, 18 Monate
grau-beiger
Vorbericht Als der Hund 1 Jahr alt war, begleitete er seine Besitzer in den Urlaub in der Toskana. Am Strand fraß
er einen toten Fisch. Am folgenden Tage begann ein Brechdurchfall mit blutigem Kot, extremer Schwäche, Durstlosigkeit, mit Verlangen nach Wärme und Zuwendung. Dabei erschien ein Hinterbein wie gelähmt. Der Hund wurde vom ortsansässigen Tierarzt behandelt. Der Brechdurchfall wurde geheilt, aber seitdem – nunmehr 6 Monaten – leidet der Hund unter chronisch-rezidivierenden ,Bauchkrämpfen‘. Der Appetit sei vermindert, der Durst vermehrt. Mehrmals in einer Woche trete Inappetenz, schleimiges Erbrechen und Durchfall auf, der zu etwa einem Viertel aus gallertigem Schleim bestehe. Das
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Plumbum metallicum sei verbunden mit Zittern und Krämpfen der Bauchdecken und Hinterbeine: Der Hund verdrehe dabei den Hinterkörper gegenüber dem Vorderkörper, wobei das Hinterteil hochgestreckt werde.
Untersuchung Liebenswürdiger Hund, munter, selbstbewusst, guter Ernährungszustand, unauffällige Körperöffnungen und Schleimhäute, verspanntes Abdomen bei Berührung, keine aggressive Abwehr, keine Äußerungen von Schmerz.
Therapie Nux vomica XM, 1 Gabe per os. Darauf erfolgt schnelle Besserung, die aber nur 1 Woche anhält, anschließend Rückfall in die alte, bekannte Symptomatik, dann keine Änderung innerhalb der folgenden Woche. 2 Wochen nach der ersten Medikation: Nux-v. XM, 2. Gabe. Keine Rückmeldung von Seiten der Besitzer. Erst 6 Monate später wird der Hund wiederum vorgestellt. An den früheren Symptomen habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Jetzt beklagen die Besitzer plötzliches Fieber, 40 ⬚C und Durchfall mit stark gestörtem Allgemeinbefinden. Der Hund sei jetzt sehr reizbar zu Joggern und Fahrradfahrern geworden und sucht besonders die Nähe zur Tochter der Besitzer. Diese ist zwar sonst auch seine Spielgefährtin, aber außerhalb der Spielphasen bestehe keine auffallende Bindung zu ihr. Sogar nachts möchte er jetzt in ihrem Bett schlafen, das habe es bisher noch nicht gegeben. Der Hund trinke häufiger als sonst, zittert oft und liegt trotzdem gern in einem frischen Erdloch. Nachts schlafe er ruhig. Der Hund bekommt Arsenicum album C 200, 1 Gabe per os. Nach einem Tag hat er wieder Normaltemperatur, geformten, aber weichen Kot und normale Lebhaftigkeit. Aber nach 48 Stunden wird er wieder schwächer und unruhig, zeigt die bekannten Krampfzustände an Bauch und Hinterextremitäten, liegt wieder mit verdrehtem Vorderkörper in Schulter-Brustlage. Die Reaktion des Patienten auf Nux vomica und Arsenicum zeigt, dass diese Mittel nicht das passende, heilende Simile waren.
Es ist gerade beim Tierpatienten nicht immer möglich, sofort das richtige Mittel zu finden!
Resümee nach zwei falschen Mittelgaben Folgen von Fischvergiftung verdrehte und verkrampfte Körperhaltung (,Gemüt, Gesten, nimmt sonderbare Haltung ein‘) Krämpfe der Hinterbeine während Kolik Verlangen nach einem Freund (neue enge Beziehung zur Tochter) Darauf wird Plumbum C 200 gegeben.
Verlauf Die Krämpfe hören innerhalb der nächsten Stunde auf, das Allgemeinbefinden ist wenig später sehr gut. Nach 48 Stunden kommt es zu einem leichten Rückfall, der aber von allein wieder verschwindet (Erstreaktion). Nach 20 Tagen ungestörten Allgemeinbefindens wiederum Bauchkrämpfe und Durchfall. Der Kot riecht wie das verabreichte Dosenfutter. Das Mittel – Plumbum C 200 – wird wiederholt. Erst nach 31/2 Monaten kommt es wiederum zu diesen Zuständen: Der Hund zittert, zeigt wieder die verdrehte Körperhaltung mit aufwärts gestrecktem Hinterkörper, er verweigert Futter und Tränke. Darauf erfolgt die 3. Gabe Plumbum C 200 mit schneller Besserung und anschließender Beschwerdefreiheit. Kein Rückfall; die Besitzer berichten noch 2 Jahre später, es seien nie wieder Krämpfe oder Durchfall beobachtet worden.
Epikrise Nach den Regeln von Hahnemann und Kent ist es nicht sinnvoll, ein hochpotenziertes Mittel wiederholt zu geben, wenn es keinen Erfolg gebracht hat (wie hier die Nux-v.). Die Heilung wäre wahrscheinlich schneller eingetreten, wenn anstelle der zweiten Gabe Plumbum 200 die nächst höhere Potenz (Plumbum M) – entsprechend der Kent-Skala – gegeben worden wäre.
Pulsatilla
Pulsatilla
Kuhschelle – Küchenschelle
Signatur, Thema und Idee des Mittels Die bei uns heimische Pulsatilla pratensis oder nigricans gehört zur Familie der Anemonen. Ihre Blütezeit liegt in dem meist etwas unwirtlichen April, was den unbefangenen Leser in Erstaunen versetzt: Eine Anemone im April? – Jedem ist die Empfindlichkeit eines Anemonenstraußes bekannt: Wassermangel, Wind oder Sonnenwärme, überhaupt Temperaturstürze lassen Anemonen sehr schnell zugrunde gehen, aber nicht immer die Pulsatilla. Diese Tatsache ist schon eines der durchgehenden homöopathischen Symptome: Pulsatilla ist zuständig für abwechselnde und widersprüchliche Zustände, wie das Aprilwetter – auf psychischer und körperlicher Ebene. Pulsatilla zeichnet sich im Arzneimittelbild durch sonderbare Durstlosigkeit aus, besonders dann, wenn man eigentlich Durst erwartet, z. B. bei Fieberhitze. Das Verlangen zu trinken kann aber immer dann auftreten, wenn man nicht damit rechnet, z. B. wenn die Pulsatilla unter Schmerzen leidet. Allerdings ist auch ausnahmsweise vorhandener Durst kein Grund, Pulsatilla als infrage kommendes Heilmittel zu verwerfen, wenn die übrigen Symptome stimmen. Die Pulsatilla-Patientin bekommt auch andere Beschwerden im Zusammenhang mit Feuchtigkeit, so durch ,Nasswerden‘ oder ,nasse Füße‘. (Wenn hier wiederholt von der Pulsatilla-Patientin gesprochen wird, so heißt das keineswegs, dass Pulsatilla ausschließlich beim weiblichen Geschlecht indiziert ist. Diese Bezeichnung resultiert vielmehr aus dem weiblichen Endbuchstaben der PulsatillaPflanze.) Der April ist in unseren Breiten der Monat mit den sprichwörtlichen drastischen Wetterwechseln; auch im Arzneimittelbild bringt der Wetterwechsel meist eine deutliche Verschlimmerung der Pulsatilla-Beschwerden, insbesondere der Wechsel vom kalten zum warmen Wetter; in den Alpen-Regionen ist das der Föhn. Auch generell leidet Pulsatilla unter warmem, heißem Sommerwetter bzw.
unter Sonneneinstrahlung. Sie ist dann schlapp, vermeidet jede Anstrengung und nutzt jede Gelegenheit zur Abkühlung. Es gibt kaum einen Pulsatilla-Patienten, der nicht unter Temperaturen über 26 ⬚C leidet. Am schlimmsten ist dieser Zustand im warmen Zimmer ohne Frischluft und umso unangenehmer, je mehr „Menschen“ sich in diesem Raum aufhalten. Zum Arzneimittelbild gehört hier schon fast sprichwörtlich die „Ohnmacht im menschenvollen Raum“, die wir jedoch beim Tier kaum beobachten. Der Pulsatilla-Hund wird sich mit penetrantem Gejammer melden und nach draußen verlangen. Das Pulsatilla-Pferd und die Pulsatilla-Kuh aber leiden still im warmen, stickigen Stall zusätzlich unter Bewegungsmangel und werden dann früher oder später dadurch krank. Im April gibt es bekanntlich auch frostige Nächte, die wiederum der Pulsatilla zu schaffen machen. An den Blütenblättern kann man dann Spuren von Erfrierungen entdecken. Pulsatilla ist eines der Hauptmittel für Frostbeulen und erfrorene Zehen beim Menschen. Eine weitere Eigenschaft des Aprilwetters ist der kühle, frische Wind. Nicht umsonst heißt die Pulsatilla in England ,Wind-Flower‘. Die Pulsatilla-Patientin hat ein ausgesprochenes Verlangen nach frischer Luft, und so gut wie alle Pulsatilla-Erkrankungen erfahren eine Besserung im Freien. Aber andererseits leidet Pulsatilla auch unter einem ,zu Viel‘ an Wind. Leichte Bewegung durch Wind tut Pulsatilla gut, ebenso langsames Spazierengehen an frischer Luft; das ist ebenfalls eine Modalität, die sich durch das ganze Arzneimittelbild zieht. Pulsatilla ist wie Calcium carbonicum nicht zum Sprinten geboren und ebenso wie dieses ein angenehmer Gefährte für ruhige Leute, die ebenfalls gern ,langsam spazieren gehen‘. Aber ohne ,Wind‘ und Bewegung gerät ihr Vegetativum durcheinander: der Blutdruck sinkt, das venöse Blut staut sich in erschlafften Venen, Stoffwechsel und Verdauung werden verlangsamt, Pulsatilla wird träge, müde und traurig. Erst nach einem ,langsamen Spaziergang‘ geht es ihr wieder besser.
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Pulsatilla Frische Luft muss sie haben, aber nicht zu viel, nicht zu kalt und nicht zu warm, keine Zugluft, aber doch etwas Wind. Die Pulsatilla-Patientin ist in vielen Dingen wählerisch, mäklig, anspruchsvoll, gewissenhaft in – meist unbedeutenden – Kleinigkeiten und unzufrieden und weiß nicht immer, was sie eigentlich will. Aber wenigstens erzeugt sie damit Aufmerksamkeit, und das ist ein wesentlicher Faktor in ihrem Leben. Die Kernidee des ganzen Arzneimittelbildes von Pulsatilla ist: Wer hübsch ist, will auffallen und geliebt werden. Pulsatilla-Hunde sind meist ,Jedermannshunde‘, sie gehen mit jedem mit und verhalten sich sogar zu ungebetenen Hausbesuchern oder Einbrechern freundlich. Das Pulsatilla-Pferd ist das beste und liebste Familien- und Kinderpferd, das man sich wünschen kann; die Pulsatilla-Kuh ist mit ihrem ,lieben Blick‘ der Prototyp der milchspendenden Mutter. Der Pulsatilla-Hund wartet miefend vor der WCTür, bis sein Frauchen wieder da ist, oder wir haben – wo immer wir gehen und stehen – die nasse, kalte Pulsatilla-Hundeschnauze in der Hand. Die Pulsatilla-Kuh steht hinter uns und stupst dauernd mit ihrem nassen Maul. Das Pulsatilla-Pferd muss ständig mit freundlich aufgestellten Ohren die Hosentaschen nach Leckerbissen inspizieren. Die ,Mutterschaft‘ ist ein befriedigender Lebensinhalt für die Pulsatilla. Das kommt z. B. in der Scheinschwangerschaft der Hündin mit deutlichem Nestbau-Verhalten zum Ausdruck. Hier ist Pulsatilla das häufigste Heilmittel (seltener Cycl., auch die ,kalte Pulsatilla‘ genannt). Pulsatilla genießt es, wenn sie von allen ,auf Händen getragen‘ wird, anderenfalls kann sie äußerst depressiv erscheinen; Pulsatilla-Menschen neigen zu tränenreicher Traurigkeit, wenn sie sich vernachlässigt fühlen. In diesem Zusammenhang muss auch Pulsatillas Tendenz zu egoistischer Eifersucht erwähnt werden, schließlich ist sie – und kein anderer – der einzig liebenswerte Mittelpunkt der Welt! Andererseits kann Pulsatilla anfangs ausgesprochen ,schüchtern‘ sein, bis sie Vertrauen gefasst hat. Um Zuwendung zu erhalten, versucht Pulsatilla wie Calc. allen alles recht zu machen. Aber im Unterschied zu diesem Mittel fehlt der Pulsatilla die Sturheit. Zum ,widersprüchliche Verhalten‘ passt das Phänomen, dass Pulsatilla im Falle von akuter Krank-
heit manchmal – aber nicht immer – von aller Zuwendung nichts wissen will und sich abwendet. Freundliche Ansprache lässt Pulsatilla mit größter Wahrscheinlichkeit gehorsam alles tun, was man von ihr erwartet. Pulsatilla erwidert meist die entgegengebrachte Freundlichkeit mit überschwänglichen Liebesbezeigungen (wie Phos. und evtl. Lyc.). Pulsatilla signalisiert dabei oft das Verhalten von Jungtieren: Die Pulsatilla-Hündin fällt z. B. vor Demut auf den Rücken und uriniert in Welpenmanier. Grundsätzlich kann bei Pulsatilla-Tieren häufig eine Art ,kindisches Verhalten‘ beobachtet werden; denn ,zu Kindern‘ muss schließlich jeder ,lieb‘ sein. Unter Artgenossen versteht Pulsatilla es nicht, einen hohen Rang einzunehmen. Ihre nette Liebenswürdigkeit wird oft von Ranghöheren ausgenutzt, um ihre Aggressionen an Pulsatilla auszulassen, was diese mit ihrem nachgiebigen Charakter meist ohne Gegenwehr erträgt. Pulsatilla-Tiere sind oft die ,Prügelknaben‘ in einem Herdenverband, sofern sie nicht die ausgesprochene Freundin des Ranghöchsten ist. Auffallend ist an der Blüte der Pulsatilla-Pflanze die Divergenz zwischen den meist leuchtend violetten Blütenblättern und den ebenfalls leuchtend, aber gelb ins Auge springenden Staubgefäßen, den Reproduktionsorganen. Das deutet einen Schwerpunkt im Arzneimittelbild an; schließlich spielen ja im ganzen Liebesgeschehen die Genitalorgane eine entscheidende Rolle. Und so findet sich im Bereich der hormonellen Steuerung, Sexualgeschehen, Trächtigkeit, Geburt, Laktation und Aufzucht der Jungen eine Fülle an Symptomen und Indikationen für Pulsatilla. ,Liebe‘ geht bekanntlich ,durch den Magen‘ und das ,nicht genug Bekommen können‘ findet seinen Niederschlag im Fressverhalten von Pulsatilla. Wer ihrem lieben, beständigen Bettelblick nicht widerstehen kann, trägt die Schuld an intensiver Fettleibigkeit seiner Pulsatilla. Hinzu kommt, dass sie i. d. R. zu den guten Futterverwertern gehört. Pulsatilla zählt mit Calc., Graph., Kali und Sulf. (u. a.) zu den dicksten Patienten der Materia medica. Pulsatilla ist auch das wichtigste Mittel – neben Nux-v. – für die Folgen von Überfressen, für die Folgen von ,Durcheinanderfressen‘. Für Pferde ist Pulsatilla z. B. eines der häufigsten Kolik-Mittel, insbesondere für die ,primäre Magenüberladung‘ durch Überfressen. Alles zum Thema ,Wechsel‘ ist ein immer wiederkehrendes Motiv im Pulsatilla-Bild: Beschwer-
Pulsatilla den durch Futterwechsel, wechselnde Farbe und Beschaffenheit des Kotes, wechselnde Lokalisationen von Lahmheiten, Beschwerden durch Wetterwechsel, wechselnde Stimmungen im Verhalten, schwankende Unentschlossenheit – alles enthalten in dem Symptom ,widerspruchsvolle und abwechselnde Zustände‘.
Thema und Idee: Widersprüchliches Wesen: egoistisches, unterwürfiges Verlangen nach Liebe oder Ersatzbefriedigung, dennoch unzufrieden, weil es nie so ist, wie erwartet; launenhafter Stimmungswechsel und wechselnde Zustände.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Als pflanzliches Mittel wirkt Pulsatilla zwar intensiv, aber nicht so tief greifend wie die meisten mineralischen Mittel. Daher kann sie auch bei Jungtieren bedenkenlos in sehr hoher Potenz gegeben werden (Empfehlung von Dr. Künzli, führender homöopathischer Arzt der Schweiz). Pulsatilla ist eines der häufigen Mittel in der Alltagspraxis, insbesondere bei Beschwerden während Brunst, Gravidität, Geburt und Laktation. Der Schwerpunkt liegt in der hypophysären Steuerung und Koordination der Geschlechtshormone, Pulsatilla wird daher häufiger für die Therapie weiblicher Tiere oder von Kastraten gebraucht, aber männliche Tiere sind nicht ausgeschlossen. Erkrankungen treten häufig synchron mit der Brunst auf. Ein wichtiges Charakteristikum ist die Besserung aller Symptome durch langsames Gehen und frische Luft, Verschlimmerung durch Hitze, besonders in geschlossenen, stickigen Räumen. Pulsatilla ist weniger geeignet zur Therapie von primär destruktiven Erkrankungen, aber bei entsprechender langsamer Entwicklung können sich sehr wohl lebensgefährliche Zustände entwickeln.
Kompliziert werden Krankheitszustände häufig durch die vorherrschende Durstlosigkeit mit möglicherweise anschließender zu Exsikkose. Pulsatilla wird oftmals verkannt bei entzündeten Verletzungen, meist schmerzarm, mit rahmigem, weißlich-gelblichem reichlichem Eiter. Wegen ihrer Liebenswürdigkeit kann Pulsatilla sehr leicht mit Phos. verwechselt werden. Der Phos.-Hund zeigt jedoch weniger die Tendenz zur Unterwürfigkeit. Phos. ist ausdauernder, zeigt viel mehr Energie. Ferner kann auch Lyc. mit Pulsatilla verwechselt werden, insbesondere beim Hund. Pulsatilla-, Phos.- und Lyc.-Hunde erwidern meist die Zuwendung sehr freundlich. Wenn in schweren Krankheitsfällen Pulsatilla angebracht erscheint, jedoch ungenügend wirkt, sollte nach Angaben alterfahrener Homöopathen Kali-s. gegeben werde. Kali-s. wird in der Literatur gelegentlich als „schwere, chronische Pulsatilla“ bezeichnet. Es ist interessant, die Parallelen zum Pulsatilla-Bild zu studieren! Psora: eher zurückhaltende, schüchterne Tiere, aber freundlich auf Zuspruch. Sykose: übersteigertes, aufdringliches Verlangen nach Zuwendung und Sex.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akuter Verlauf: Beginnt innerhalb von 1 – 3 Tagen meist als Schleimhautkatarrh Subakuter Verlauf: die akute Erkrankung zieht sich in konstantem Verlauf über längere Zeit hin Chronischer Verlauf: Lange fortbestehende subakute Erkrankungen wichtiges Mittel für eine ,konstitutionelle Therapie‘
Meist milde, liebenswürdige Patienten mit geringem Aggressionspotenzial mit widerspruchsvollen und abwechselnden Symptomen und Zuständen wechselnde Lokalisationen von Erkrankungen Tendenz zu Metastasenbildung (Erkrankungen wechseln von einem Organsystem zum anderen)
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Pulsatilla schnell erschöpft durch Anstrengung, ⬍ bei warmem Wetter Schleimhäute – Schleimhautkatarrhe: milde, rahmartige Absonderungen im Gesichtsbereich scharfe Absonderungen aus After, Genital und Harnwegen bis hin zu Schleimhautgeschwüren Rhinitis, Konjunktivitis (Staupe) zuerst serös, dann gelblich – grünlich – rahmartig Verdauungsapparat: Folgen von Überfressen, Durcheinanderfressen „verdorbener Magen“, Durchfall ⬍ nachts Harnwege: Zystitis durch Kalt- und Nasswerden, kalt Baden ⬍ bei Läufigkeit Inkontinenz Genital: verzögerte Geschlechtsreife, Zyklusstörungen Geburt: Wehenschwäche, Mastitis, Endometritis, Retentio secundinarum
(meist geschlossene) Pyometra der Hündin reichlich Fluor, hormonelle Imbalancen, Haarausfall Mastitis, Beschwerden durch Abstillen, Trockenstellen mit verhärteter Mamma später Decktermin, nach 12. Tag Prostatitis, Orchitis Haut: diverse Hautausschläge, ⬍ im Sommer, Sonnenallergie, Sonnenerythem Urtikaria, Krusten, Risse, ⬍ nach Kratzen akute Otitis ohne oder mit reichlich gelbem Eiter mit anderen Katarrhen Jungtiererkrankungen, Zahnung, im Zahnwechsel, jammern, Hunde wollen getragen werden Extremitäten: Arthritiden wechselnder Lokalisation, Lähme bei Fohlen, Kälbern Widersprüchlich: Fieber ohne Durst, friert im warmen Zimmer
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten in der Regel hübsche, weiche, liebliche, weiblich erscheinende Tiere (,Eitelkeit‘) man sagt: „Ist die süß!“ blond oder dunkel pigmentiert, schönes Fell, saubere und gepflegte Erscheinung keine große körperliche Leistungsfähigkeit, schnell erschöpft durch Anstrengung, Rennen ⬍ suchen Zuwendung, naiv bis kindisch, wirken jünger (wie Calc-c., Sil.) häufig späte Geschlechtsreife häufig sehr adipöse Tiere mit Bettelblick und Heißhunger oft mütterlicher, liebevoller Gesichtsausdruck eher brave und ruhige Tiere, aber häufig aufdringliches Betteln meist warmblütige Tiere, suchen kühle Plätze
sehr gute Zucht- und Muttertiere, sofern der Zyklus stimmt! Hunde: sind fast immer am Hecheln – leiden unter Fußbodenheizung – wedeln wie Calc. bei jedem Schritt mit dem Schwanz – senken sofort ,demütig‘ die Ohren, wenn freundlich angesprochen (Lyc., Sil) – lässt sich wie Lyc. und Sil. oft in Unterlegenheitsgeste auf den Rücken fallen (Phos. weniger!) Hunde, Katzen: liegen oder schlafen oft auf dem Rücken – stehen gern am offenen Fenster oder am Fensterspalt, aber ohne Zugluft Hengste, Bullen: mit mütterlichem Blick und weiblich geformtem Körper
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens das Verhalten äußert sich besonders auffallend bei Pulsatilla bei den verschiedenen Tierspezies in unterschiedlicher Ausprägung Stimmungsschwankungen und widersprüchliche Symptome von Pulsatilla betreffen aber alle Spezies
i. d. R. entgegenkommend, lieb, nett, freundlich, gut zu hantieren, rangtiefe Tiere der soziale Rang sinkt bei Krankheit noch weiter; steigt bei Freundschaft mit Ranghöherem freut sich deutlich über Zuwendung und erwidert sie, verlangt nach Streicheleinheiten!
Pulsatilla versteht es mit Charme und liebem Blick die Menschen zu liebevollem Umgang mit ihm zu bringen bei Schmerzen evtl. auffallend ,tapfer‘ oder extrem wehleidig, mitleiderregendes Jammern alle Symptome besser durch Ablenkung und Anregung insbesondere, wenn diese mit Zuwendung durch den Menschen verbunden ist evtl. beleidigt, ,eingeschnappt‘, wenn nicht genug beachtet evtl. mürrisch und abweisend während Krankheit, besser durch freundliche Ansprache liebevolle Mutter, ,mütterlicher Blick‘, kein überschießendes Temperament wie Phos.! Grundstimmung: sanft, lieb, mitunter depressiv oder mürrisch die Suche nach ,Liebe‘ ist an ,Schönheit‘ und ,Eitelkeit‘ mit ,Körperpflege-Verhalten‘ gebunden häufig Ammenverhalten, ,adoptiert‘ Junge anderer Tiere (Scheinschwangerschaft)
Hund der Hund äußert unter allen Spezies seine Emotionen am deutlichsten ist am besten in seinem Ausdrucksverhalten zu verstehen (Schwanz, Ohren, Mimik) ist daher am leichtesten als ,Pulsatilla‘ zu erkennen (DD Phos., Lyc.) (oft leichter als Menschen!) reagiert fast immer freundlich auf freundliche Ansprache (Calc-c. nicht immer!) ,lächelt und lacht über den ganzen Schwanz‘ wir können mit ihm sehr gut kommunizieren, auch als Fremde, passt sich an fremde Autoritäten an unterwürfig, ,servil‘ (Lyc., Sil.) fällt bei Ansprache evtl. gleich in Unterwürfigkeitsgebärde auf den Rücken und uriniert dabei Inkontinenz auch durch übermäßige, unterwürfige Freude spritzt dabei den Urin mit dem wedelnden Schwanz herum Inkontinenz bei Freude, ,kindisches‘ Welpenverhalten freut sich über jeden Menschen, ,Jedermannshund‘, geht mit jedem mit, wenig eigene ,Identität‘ wenig persönliche Bindung (was aber die meisten Besitzer ungern zugeben möchten) ängstlich mit Fehlen der zu erwartenden Aggressivität, sodass ihn sein Besitzer beschützen muss
ideal für Besitzer, die ein Tier zum ,bemuttern‘ brauchen oder als Ersatz für ein Kind aufdringliche Eifersucht – ohne Aggressivität – auf Familienmitglieder oder Besuch oft hysterisches Verlangen, im Mittelpunkt zu stehen, mit miefen, jammern fühlt sich ,verlassen‘ und wird krank, wenn man ihn nicht genug beachtet wenn der Pulsatilla-Hund nicht genug Aufmerksamkeit bekommt, erfindet er Unsinn (Phos. u. a.) will nicht unentwegt rennen und toben, außer wenn Sex im Spiel ist, dann wird er/sie lebendiger wedelt trotz schwerer Krankheit, leckt ,dankbar‘ die Hände mit ergebener Mimik zurückgezogen, wie depressiv, aber meist für freundliche Worte zu haben leidet im Tierheim unter ,Verlassenheitsgefühl‘, möchte lieber ,im Mittelpunkt‘ stehen! findet aber wegen seiner Freundlichkeit schnell einen neuen Besitzer, lässt sich ,erobern‘ kann nach Heimkehr seiner Besitzer durchaus beleidigt sein, aber das hält meist nicht lange an Angst vor anderen Hunden, aber dominant zu Opas Jagdterriern, die unter dessen Appell stehen und Pulsatilla nichts tun dürfen, sie steigt im Rang, weil ihr schützendes Frauchen dabei ist (wie Lyc.) idealer unkomplizierter Familienhund, abgesehen von Eifersucht, Aufdringlichkeit und Beleidigtsein idealer Kamerad für ältere Leute, die gern ein wenig langsam spazieren gehen oft Erbrechen beim Autofahren leidet nach Absetzen der Jungen, hört dann nicht mit der Laktation auf! kleine Hunde, besonders Junghunde, wollen herumgetragen werden, ,Rockzipfelhund‘
Katze ist manchmal schwierig von der rangtiefen, nachgiebigen Version des Phos. zu unterscheiden aber im Allg. ist die Phosphor-Katze eigenständiger, weiß eher, was sie will Pulsatilla-Katzen zeigen im Allg. keine ausgeprägten Aggressionen, wie bei Phos.-Katzen meist üblich Pulsatilla-Katzen kommen häufiger unter den Edelkatzen vor (DD Calc.), bes. bei Kastraten sind von ihrer Natur her weitaus unabhängiger als Pulsatilla-Hunde
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Pulsatilla eines der Mittel für eifersüchtige Katzen, die deshalb überall urinieren (Phos., Lyc., Lach. u. a.) Pulsatilla-Katzen lassen im Allg. widerspruchslos alles mit sich geschehen oder ziehen sich – wenn es zu viel wird – an unerreichbare Orte zurück, ohne Aggression launische Stimmung: genießen einmal die Zuwendung (wie Phos!), laufen ein andermal davon die ,Betthupfer-Katzen‘, die auf dem weichen Bett liegen, am liebsten bei offenem Fenster eifersüchtige, liebe Sofa- und Schmusekatzen, manchmal unvermutet mürrisch und abweisend dicke Wohnungskatzen, die nur auf dem Fensterbrett liegen, aber nicht nach draußen gehen mit wenig Begeisterung zum Mäusefangen, haben evtl. sogar Angst vor Mäusen und Vögeln meist sehr sexy – wie alle Katzen, oder faule, träge, dicke kastrierte Kater (Calc.) gute Mütter, gute Zuchtkatzen
Pferd legt fast nie die Ohren an, lässt sich sehr gut hantieren und untersuchen, immer brav und nett typisches ,Frauenpferd‘ mit Angst vor Männern genießt dabei die Zuwendung und Aufmerksamkeit versucht dabei aufdringlich um Leckerbissen zu betteln dabei launisch, abweisende Stimmung wechselt mit Zudringlichkeit lieb und nett im Umgang, wiehert schon, wenn es nur das Auto des Besitzers hört leidet unter Boxenhaltung im warmen Stall, am meisten im Winter, wenn alle Fenster verschlossen sind mag dann nicht vorwärts gehen, ,wacht auf‘, wenn es draußen 30 Min. Schritt gegangen ist sogar die frische Luft in der Reithalle reicht nicht aus! leidet im Sommer ungemein in der aufgeheizten, stickigen Reithalle es geht ihm grundsätzlich besser im Offenstall aber schlimm, wenn andere Pferde ,mobben‘ wird leicht zum ,Mobbing-Opfer‘, weil nachgiebig, evtl. ,Prügelknabe‘ der Herde Ablenkung bessert grundsätzlich, im Stall und ohne soziale Kontakte ist es zu ,langweilig‘
lernt bereitwillig sehr schnell seine Dressur-Lektionen, ,genießt‘ dann das Lob zeigt in der Ausbildung gutes Talent, sofern es nicht um athletische Hochleistungen geht das Pulsatilla-Pferd eignet sich nicht für schnelle 100-km-Distanzritte, obwohl es durchaus bei kühlem Wetter Ausdauerleistungen (gemächliche Tagesritte) vollbringen kann eignet sich nicht als Rennpferd Pulsatilla kann aber bei akuten Krankheiten von Hochleistungspferden durchaus indiziert sein! eignet sich kaum als Springpferd oberhalb der Klasse A kann aber durchaus ein brauchbares Show- oder Dressurpferd abgeben (,Eitelkeit‘)! bemüht sich rührend, alles recht zu machen, braucht aber wie Calc-c. einen gewissen Druck aber schnell erschöpft durch Anstrengung überfordert sich unter dominanter Person, dann entstehen Lahmheiten wie bei Calc. (Pulsatilla kann beim Pferd ein wichtiges Mittel für chronische Lahmheiten sein!) leidet aber unter allzu dominantem oder gar brutalem Reiter und wird dann krank
Kuh beim ersten Kontakt evtl. zurückhaltend, dann aber freundliches Wesen, keine Abwehr ,angelt‘ mit der Zunge nach uns, leckt uns bei der Untersuchung ab, lässt sich kraulen stellt sich extra passend für die Untersuchung oder zum Melken hin widersprüchliche Zustände, wechselnde Symptome meist weniger Tränkeaufnahme als andere Kühe, außer bei heftigen Beschwerden! Ablenkung bessert, meist in Form sozialer Kontakte, leckt hingebungsvoll die Kollegin ab ⬎ langsames Gehen, ⬎ durch Aufenthalt im Freien ideale ,Leistungskuh‘, weil ,das mütterliche Element‘ ihrer Art entspricht (Reproduktion, Laktation) muss aber auf die Weide, sonst geht es ihr noch schlechter als den Boxenpferden spätreife, liebe Bullen mit mütterlichem Ausdruck (DD Lyc.)
Pulsatilla Leitsymptome des pathologischen Geschehens Atemwege: ,Erkältungskrankheiten‘, Infektionen, oft bei Jungtieren, im Zahnwechsel Infektionen: beginnen oft mit wässrig-tränigen Augen und wässrigem ,Schnupfen‘ milde, jämmerliche Stimmung (im Akutfall evtl. im Gegensatz zum sonstigen Verhalten?) Frieren im warmen Zimmer, äußerliche Wärmeanwendung wird abgelehnt anschließend milder, rahmartiger, reifer Schnupfen milder Augenkatarrh, mit derselben Absonderung trockenes Maul, wenig Durst Nase morgens krustig, Ausprusten, verstopft abends (Hund, Katze), besser in frischer Luft Absonderung evtl. wechselnd, wässrig bis rahmartig, grüngelb Reizhusten nach dem Hinlegen Husten ⬍ morgens und abends Bronchitis, ⬍ abends, aber morgens locker Fieber morgens und abends, evtl. in wechselnden Perioden Fieber meist ohne Verlangen zu trinken, oder Durst beim Frieren besser in frischer Luft, am offenen Fenster Pferd: Druse (Parotitis), Pharyngitis, evtl. metastasierend zu andern Organen; ,chron. Katarrh der oberen Luftwege‘, Luftsackkatarrh, evtl. mit Sinusitis Hund: ein wichtiges Mittel für die Hundestaupe, besonders im Initialstadium; Reizhusten nach dem Hinlegen, möglicherweise mit Erbrechen Augen: Tendenz zu Konjunktivitis, akut und chronisch, bes. Jungtiere seropurulente Absonderung, weißgelb oder grüngelb, mild angetrocknete Sekretstraßen schädigen nicht das darunter liegende Haar! Konjunktivitis evtl. Begleitsymptom anderer Erkrankungen Keratitis, Chorioiditis, Iritis (auch evtl. nach Verletzung; u. a. Mittel), Retinitis, Pterygium pustulöse, follikuläre Keratitis Blepharitis, auch chronisch, Entropium, einwachsende Wimpern (u. a.) Gerstenkörner, auch rezidivierend, Knötchen und Tumoren der Lider, Lidränder Entzündungen durch Fremdkörper (Acon. u. a.), nach Verletzungen (Arn.)
Entzündungen des Tränenapparates, auch eitrig, Striktur des Tränenkanals (Calc. u. a.) reichlich, weißlich, helles bis grüngelbes, mildes rahmartiges Sekret zugeklebte Lider, besonders nachts und morgens (häufig bei Jungtieren! DD Calc.) Hornhauttrübung, Arcus senilis (evtl. Hund) Jucken der Lider mit Verlangen, die Augen zu reiben Tränenfluss im Wind, in kalter Luft Tränenfluss bei anderweitigen, evtl. schmerzhaften Erkrankungen alle Symptome besser im Freien Ohren: akute schmerzhafte Otitis media (meist ohne Hautausschlag im Gehörgang), oft mit Fieber beginnt oft rechts, oder beginnt links und geht dann nach rechts evtl. grüngelbe eitrige Absonderung häufiges Begleitsymptom von anderen Katarrhen Jammern im warmen Zimmer, besser im Freien und bei Ablenkung Verdauungsapparat: Pulsatilla-Tiere leiden unter Trockenfutter wegen zu geringer Tränkeaufnahme! dadurch Obstipation, in deren Gefolge evtl. Hauterkrankungen meist trockenes Maul, trotzdem wenig Trinken großer Appetit, gute Futterverwerter, Fettsucht ,launenhafter Appetit‘, frisst evtl. nur, wenn man das Futter aus der Hand gibt Verdauungsstörungen: Auslöser ,verdorbener Magen‘, ,Diätfehler‘ (Hund: zu viel fettes [Schweine-]Fleisch); Folgen von ,Durcheinanderfressen‘ (Hund stiehlt Geburtstagstorte und -braten); Folgen von Überfressen; Pferd: primäre Magenüberladung; zu kaltes Futter, Trinken von Eiswasser, Folgen von zu viel Schnee-Fressen; Folgen von Nasswerden Symptome: Übelkeit, Gastritis, Brechdurchfall (u. a.); Erbrechen erst mehrere Stunden nach der Futteraufnahme, evtl. unverdaut; Erbrechen mit Speichelfluss (Ip.), heftiges Erbrechen; Erbrechen mit Blut, mit Galle, Erbrechen von Würmern (Ars., Calc-c., Phos., Ip., Lach., Nux-v., Sulf. u. a.); Bauch aufgetrieben, Flatulenz, laute Darmgeräusche, eingeklemmte Blähungen, Krämpfe, Kolik; Bauchschmerzen ⬍ durch ,enge Kleidung‘ (Pferd: Deckengurt); Bauchschmerz: muss sich zusammenkrüm-
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Pulsatilla men, anfallsweise, besser beim langsamen Gehen im Freien; Diarrhö morgens – abends – nachts, während/nach körperlicher Anstrengung, nach ,Erkältung‘, bei feuchtem Wetter, nach zu kalter Tränke, nach Schreck, nach ,fetten schweren Speisen‘, nach Überhitzung; Diarrhö abwechselnd mit Verstopfung Hund, Katze: Aufstoßen stinkend Pferd, Rind: Durchfall nach zu eiweißreichem Futter; im Frühling beim ersten Weideaustrieb mit jungem Gras (Nux-v., Podo. u. a.); Durchfall nach Fressen von zu viel Obst (Ars., Bry., Chin., Coloc., Nat-s., Verat.) Kalb: Verdauungsbeschwerden durch zu kalte Tränke (Ars., Calc., Lyc., Nux-v.) Kot: Konsistenz und Farbe evtl. wechselnd – ,jeder Kot ist unterschiedlich‘; evtl. übermäßig häufiger Kotabsatz ohne Diarrhö; schleimig, wässrig, blutig, scharf, wund machend, stinkend Begleitsymptome von Verdauungsstörungen: Schmerzen begleitet von Frösteln, trotzdem ⬎ an frischer Luft; auffallend mildes, freundliches Verhalten; evtl. Tränenfluss bei Schmerzen; ⬍ durch Druck auf den Bauch Pferd: eines der häufigsten Mittel für die Kolik, u. a. Indigestionen; Kolik durch primäre Magenüberladung; Verstopfungskolik durch Pellets bei zu geringer Tränkeaufnahme! (Nux-v., Op., Plb.), z. B. nach Futterumstellung auf kurzfaserige Pellets; deutlich besser durch Schritt-Führen im Freien, ⬍ sofort beim Stehenbleiben; das sogar mit bedenklichen Kreislaufsymptomen; Tiere bleiben bei Kolik auf dem Rücken liegen (DD Plb.: diese Patienten werden nicht besser durch Führen!); ⬍ durch Druck auf den Bauch, ⬍ durch Deckenoder Sattelgurt Herz-Kreislauf: Kreislauflabilität führt zu Stagnation des Blutes, Sinken des Blutdrucks, Mattigkeit Kreislaufsituation ⬎ durch langsame Bewegung Kreislaufdepression bei Sommerhitze, in warmen stickigen Räumen (Stall, Zimmer) frequentes Herz und Atmung bei geringer Anstrengung bei heißem Wetter Pferd: durch Stallhaltung auffallende Venenzeichnung der Extremitäten; evtl. warme Hufe mit Pulsation der Mittelfußarterien ohne Entzündung der Huflederhaut Harnwege: Zystitis entwickelt sich bei Pulsatilla langsam, nicht plötzlich, beginnt mit vermehrtem
Drang durch Kaltwerden, Sitzen auf kaltem Boden durch Nasswerden (Dulc., Rhus-t., Sars., Lyc.) – auch der Füße während der Gravidität oder synchron mit dem Zyklus nach Hysterektomie erkrankter Genitalorgane zwingender, schmerzhafter Harndrang, häufiger, vergeblicher Harndrang Blasenschmerz während und nach Urinieren Urin: stinkend, schleimig, eitrig, blutig Harnröhre – Absonderung von grünem Schleim Hündin: Zystitis während der Läufigkeit, Lactatio falsa; Inkontinenz bei Freude, Schreck, durch Stress, Aufregung, bei ,Erkältung‘, durch ,Schimpfe‘; Einnässen nachts im Schlaf; Schwäche des Blasenschließmuskels Genital weiblich: Pulsatilla reguliert die hormonelle Steuerung durch die Hypophyse Wirkung auf Genitalerkrankungen aller Art möglich hormonelle Störungen, besonders nach Hormonbehandlungen (Sep., Lach., Sulf.) späte Geschlechtsreife bei beiden Geschlechtern, evtl. mit ,kindischem‘ Verhalten zu schwache, unauffällige Brunst, später Decktermin, besonders bei jüngeren Tieren erste Brunst wird evtl. übersehen unregelmäßiger oder zu langer oder wechselnder Zyklus
Hündin Decktermin evtl. erst nach dem 12. Tag wenig Deckbereitschaft, stattdessen unterwürfig wie Welpe (,Furcht vor Männern‘) springt im entscheidenden Moment weg, nimmt Decken nicht ernst kokettiert und spielt mit dem Rüden, schreit beim Festhängen, steht nicht still Scheinschwangerschaft mit Brutpflegeverhalten 4 – 7 Wochen nach Läufigkeit (Cycl.) (für Lactatio falsa ohne Brutpflege gibt es zahlreiche andere Mittel) Unruhe, Hecheln, Püppchensuchen, Nestbau – zusätzlich Lactatio lieb, abwechselnd mit Knurren; launenhaft, konfus, wie sonst nicht üblich träge, schläfrig, man muss sie zum Gassi-Gehen herauszerren, dann geht es ihr besser diese Zustände sind im Arzneimittelbild von Pulsatilla enthalten:
Pulsatilla – Ammenverhalten ist im Hunderudel physiologisch – dient zum Aufziehen von überzähligen Welpen einer anderen Hündin – (entspricht dem ,Helfersyndrom‘ des Menschen) während oder nach Scheinschwangerschaft evtl. Mastitis durch Milchstau daraus können sich Mammatumoren entwickeln, die anfangs auf Pulsatilla (o. a.) ansprechen oder von allein verschwinden bei Mammakarzinom ist evtl. Con. erforderlich (u. a.) Mamma: Organ der Mütterlichkeit mit intensivem Bezug zu Pulsatilla! Milch fehlt, versiegt oder zu viel Milch, fließt von selbst (Calc. u. a.) Milchleistung sinkt evtl. aufgrund von mangelnder Tränkeaufnahme später Milcheinschuss oder großes Euter mit wenig Inhalt Probleme nach dem Abstillen, Trockenstellen, da noch zu viel Milch vorhanden Abstillen verursacht Schwellung und Milchstau bis Mastitis (Bell., Bry., Calc-c.) weiche Mammatumoren, Mammaknoten, evtl. schon vor der ersten Laktation Mastitis: wichtiges Mittel für Mastitis braver Tiere, aber kein Abszess! Mastitis vor, während und nach der Geburt Mastitis nach Abstillen (Trockenstellen): heißes, schmerzhaftes, pralles Gesäuge – Euter Mastitis wechselt die Seiten Mammaknoten, Tumoren: entstehen oft (bes. Hündin) durch bindegewebige Proliferation (nach Lactatio falsa) nicht primär maligne, können sich aber dahin entwickeln können vermehrt auftreten, wachsen, können sich spontan zurückbilden hormonelles Abstillen führt zu Prädisposition von Mammakarzinom Trächtigkeit: wichtigstes Mittel für ,Bauchschmerzen‘ (Kolik) während der Gravidität falsche, vorzeitige Wehen mit obigen Modalitäten Abortgefahr, evtl. angekündigt durch blutigen Ausfluss Geburt: Pulsatilla-Tieren sollte man das Mittel schon vor der Geburt geben, aber es muss passen!
Falsche Mittel während der Gravidität können Abort auslösen oder Sectio erforderlich machen! Pulsatilla kann bei rechtzeitiger passender Gabe Lageanomalien des Fötus vorbeugen! verspäteter Geburtstermin, Übertragen schlaffer, träger Uterus, Wehen hier und da, aber ineffektiv keine Wehen trotz guter Eröffnung, oder Wehen hören auf, wenn sie gestört wird Wehen werden besser durch langsames Gehen Hündin: Jammern, Hecheln, Unruhe, man weiß nicht, was sie will; Zusammenkrümmen bei Wehen mit Jammern; evtl. Ohnmacht, ⬍ im warmen Raum; nimmt gern Zuwendung an, leckt dann die Hände Kuh: schreit lange und ,herzzerreißend‘ nach ihrem Kalb, evtl. mit Tränenfluss; ,Milchfieber‘, wenn zu wenig Lochialfluss; dann Fieber, durstlos, leidend und lieb (DD Lach., Echi., Pyrog.) Retentio secundinarum: fehlende oder ineffektive Nachwehen mit o. g. Symptomen (DD Sep., Caul., Canth. u. a.); schlaffer Uterus, verzögerte Rückbildung (Caul., Sec.) Metritis: schleimiger, eitriger, weiß-gelblicher Fluor nach der Läufigkeit, mit obigem Wesen; Metritis auch nach Hormon-Therapie (Sep., Lach.) Pyometra (Hündin): wichtiges Mittel, um Ausscheidung in Gang zu bringen (DD Lach.); schlimmste Pyometra mit geschlossener Cervix (Lach.); nach Pulsatilla massenhafter Abgang von Eiter; Fluor bei Puls ist scharf und ätzend (im Gegensatz zu den Absonderungen im Gesicht) Genital männlich: in der Regel starkes sexuelles Verlangen Vorhautkatarrh, Balanitis eitrig, Urethritis, auch eitrig, Harnröhrenstriktur akute oder chronische Prostatitis, Prostatavergrößerung, Tumor Hodenentzündungen, traumatisch, nach anderweitigen Infektionen, Samenstrangneuralgie Varikozele, auch nach Verletzung, Sarkozele Hengst: Präputialschwellungen nach der Kastration! Bewegungsapparat: Pulsatilla wird bei Bewegungsstörungen (Lahmheiten) oft unterschätzt Leitsymptom: besser durch Kälteanwendung! (Led., Thuj., Apis), ⬎ durch kalte Umschläge
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Pulsatilla ungeschickte Bewegungen, ,müde‘, schlappe Bewegungen, Schwäche der Extremitäten verschiedenste Rückenschmerzen schnell erschöpft durch Anstrengung Bursitis, Arthritis, Arthrosen, auch deformierende Lahmheiten wechseln evtl. Ort und Seiten, evtl. ohne klinischen Befund Synovitis, Fohlenlähme, Kälberlähme (Bry.) Phlebitis, Nagelgeschwüre, Klauengeschwüre, Huflederhautreizungen Lahmheit ⬍ am Anfang der Bewegung, ⬎ durch fortgesetzte Bewegung Gliederschmerzen während fieberhafter Infekte Gliederschmerzen ⬍ vor Sturm (Rhod., Rhus-t.), ⬍ bei feuchtem Wetter Pferd: empfindliche Huflederhaut, z. B. auf Schotterboden (,fühlige Hufe‘; u. a. Mittel); Pulsation der Mittelfußarterien ohne Laminitis; Tendenz zu Spat, nicht primär (aber evtl. auch) für die Strahlbeinlahmheit; dabei sind häufiger andere Mittel indiziert!
Haut: eines der wichtigsten Mittel für den Sonnenbrand (Bell., Sol.) diverse Hautausschläge, ⬍ im Sommer, Sonnenallergie, Sonnenerythem Räude, Urtikaria, Krusten, Risse,⬍ nach Kratzen Urtikaria nach reichlichem, schwer verdaulichem oder fettem Futter Urtikaria durch unterdrückte Brunst, Läufigkeit, nach Hysterektomie erkrankter Genitalorgane Juckreiz beim erhitzt werden, warmes Zimmer, Juckreiz auch ohne Ausschlag Jucken ⬍ abends, nicht ⬎ durch Kratzen Wundinfektionen, Schwellung von Wunden, Wunden eitern mit reichlich, mildem Eiter Pulsatilla hat nur ausnahmsweise Warzen, die Warze schwindet evtl. erst durch ein Folgemittel Hund: stinkender Fußschweiß Pferd: Schweiß einseitig oder nur an kleinen, umschriebenen Stellen; ödematöse Schwellung von Extremitäten, bei Boxenpferden; Urtikaria durch Anstrengung und Warmwerden
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Kaltwerden, Nasswerden, ,nasse Füße‘ (nasser Auslauf, Zwinger, Einstreu) Folgen von Sonnenhitze, heißem Wetter ,Wetterwechsel, besonders vom Kalten zum Warmen (Föhn) Folgen von Überanstrengung Fressen von gefrorenem Futter oder nach ungewohnter eiskalter Tränke Folgen von zu reichem, nährstoffreichem, fettem, eiweißhaltigem Futter Folgen von Überfressen Folgen von Fleisch- und Fischvergiftung (u. a.) Beschwerden durch Kummer, Zurücksetzung, nicht erwiderte Liebe, Eifersucht, Mobbing Beschwerden durch ,Verlassenheitsgefühl‘ Beschwerden durch Stallhaltung, Bewegungsmangel (,sitzende Lebensweise‘) Beschwerden im Umfeld der Brunst, Erkrankungen synchron mit dem Zyklus Beschwerden nach Hormontherapie (,Zyklussynchronisation‘, ,Abspritzen‘, Spritze, Pille gegen Läufigkeit, Rolligkeit u. Ä. (Sep., Lach.) Modalitäten: großes Verlangen nach Zuwendung und erwidert diese, dadurch Besserung grüngelbe, auch weißlichgelbe, rahmartige Absonderungen
milde Absonderungen im Gesicht, scharfe, wund machende Absonderungen aus After und Urogenital eine Wange ( = Ohr) warm, das andere kalt ein Fuß kalt, der andere warm wechselnde Seiten der Beschwerden wiederholter Wechsel von Symptomen, alternierende, widersprüchliche Symptome exzessive Besserung durch Zuwendung und Ablenkung durstlos, besonders im Fieber – Durst nur bei Frieren oder 14 Uhr ⬎ an frischer Luft, Verlangen nach frischer Luft ⬎ durch langsames Spazierengehen im Freien ⬎ durch Kälte, aber Frieren im warmen Zimmer, ⬎ durch kalte Anwendungen ⬎ trockenes Wetter ⬎ durch kühle Tränke, Pferd: Abneigung gegen warmes Mash ⬎ durch Ablenkung ⬍ bei Wolkenwetter, nasskaltes Wetter, ⬍ bei Raureif,⬍ Frost-Wetter, ⬍ stürmisches Wetter ⬍ Zugluft ⬍ Zimmerluft, ⬍ durch Stubenhocken, Bewegungsmangel ⬍ durch Wärme – ⬍ durch Sonnenhitze, ⬍ durch Sonnenbestrahlung
Pulsatilla ⬍ in engen Räumen (Platzangst, Atemnot) ⬍ durch Ruhe, aber auch ⬍ durch Anstrengung ⬍ nach dem Essen, besonders ⬍ fette schwere Speisen Magenbeschwerden ⬍ morgens – Gemüt ⬍ abends
Komplementär zu Sil., Nat-m., Sep., Nux-v., Phos., Thuj., Lyc., Sulf., Bry., Kali-Salze, besonders Kalis. = chronische, schwerer kranke Pulsatilla (gelbe Absonderungen) u. a. Oft ist Pulsatilla das akute Mittel für konstitutionelle Sil.-Patienten. Sil. ist mehrheitlich verfroren, Pulsatilla eher warmblütig.
Ausgewählte Fallbeispiele Milchmangel bei einer Kuh Großrahmige schlanke Braun-Fleck-Kuh, Milchtyp (Ende August 2002). Nette ,vertrauliche‘ Kuh, hat nach dem Kalben fast keine Milch; vom Temperament als Ammenkuh geeignet, gute Mutter. Die letzte Laktation dauerte 11 Monate, das Tier bekam zwei Wochen vor Geburtstermin antibiotische Trockensteller, weil sie noch immer so viel Milch hatte. Anschließend übertrug sie 3 Wochen, nun gute Geburt, aber fast keine Milch. Temperament: gleichgültig bis scheu, aber wenn sie Vertrauen hat, dann ist sie übermäßig nett und lieb. Wenn die Nachbarin angeschrieen wird, dann bekommt sie einen großen Schreck und zuckt zusammen. Sie trinkt auffallend wenig: Symptome: Schlimme Folgen von Abstillen, der verzögerte Geburtstermin, das liebenswürdige Wesen und die mangelhafte Aufnahme von Tränke. Die Kuh bekommt eine Gabe Pulsatilla XM, anschließend sehr gute Milchleistung, während der ganzen Laktation keine Probleme.
Humerusnekrose bei einem Leonberger Rüden Leo wird am 25.6.1996 wegen einer aseptischen Ostitis am rechten Unter- und Oberarm vorgestellt. Diese Diagnose wurde von zwei Kollegen diagnostiziert und röntgenologisch bestätigt.
Vorbericht „Leo ist jetzt 11/4 Jahr alt. Er war immer schon ein Riesenbaby; jetzt wiegt er 52 kg. Seine Mutter war damals vollkommen ausgemergelt, hatte jedes Jahr
ein bis zwei Würfe Welpen. Zwei von Leos Wurfgeschwistern haben ebenfalls Probleme mit den Knochen."
Homöopathische Anamnese Leo untersucht während unseres Gesprächs freundlich wedelnd die Praxis, kommt immer wieder zu mir und legt mir seinen Riesenkopf aufs Knie. „Im letzen Sommer hatte Leo eine Herzklappeninfektion und bekam Cortison und Antibiotika. Vor 6 Wochen haben wir Leo kastrieren lassen, weil er sehr viel onanierte und immer an den Beinen der Jugendlichen aufritt. Ich lebe und arbeite in einem Internat und betreue die Jugendlichen. Im letzten August begann die Lahmheit, nachdem Leo über eine Mauer gesprungen war. Damals ging es Leo trotz starker Schmerzmittel nicht gut. Er konnte nur 10 Minuten laufen und legte sich dann nieder. Er ist aber auch ein sehr wehleidiger Hund, schreit laut, wenn man ihn auch nur ein kleines bisschen mit dem Fuß anstößt. Aufforderung zum Spielen oder jede andere Ablenkung bringt ihn wieder in Gang; er kann sich dann sogar vor lauter Eifer überanstrengen, dass er am nächsten Tage gar nicht mehr laufen kann. Am schlimmsten geht es ihm morgens nach dem Aufstehen, dann läuft er auf drei Beinen. Nach dem Einlaufen von wenigen Minuten geht es etwas besser.“
Anamnese nach entsprechenden Fragen „Leo benimmt sich wie ein verschmuster Schoßhund! Er zeigt keinerlei Aggression, nicht einmal gegen Enten und Schwäne hier am See und erst recht nicht gegen andere Hunde. Wenn wir mal mit ihm schimpfen, wird er ganz klein und schwach. Er freut sich über jeden und möchte am liebsten drauf los stürmen. Aber die Kinder bekommen dann oft Angst vor dem Riesenhund.
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Pulsatilla Leo ist ein warmblütiges Tier, er liebt Wasser. Er würde am liebsten mehrmals täglich im Bodensee baden. Er trinkt nur wenig - vielleicht deshalb, weil er so oft badet? Eiscreme und Schnee liebt er. Er schleckt sogar an den Eistüten der Kinder und wundert sich, wenn er dafür geschimpft wird. Man kann ihm jederzeit den Fressnapf fortnehmen, er wedelt immer mit dem Schwanz. Man kann alles mit ihm machen; er ist nicht sehr feinfühlig. Betteln tut er immer. Aber wenn man ihn zum Spielen auffordert, kann er sogar sein Futter vergessen. Wir können ihn nicht frei laufen lassen, weil es immer Kinder gibt, die Angst vor ihm haben. Wenn wir ihn draußen anbinden, heult er pausenlos. Glücklich ist er nur, wenn man sich mit ihm beschäftigt. Im Haus hat er sein eigenes Zimmer. Dort muss immer, auch im Winter, das Fenster offen sein, sonst steht er an der Tür, winselt und will raus. Ich glaube, er leidet unter Platzangst. Wenn es im Auto zwischen mehreren Personen eng wird für ihn, kann er jetzt noch anfangen zu toben und ist kaum zu bändigen. Im Winter bei nasskaltem Wetter geht es ihm nicht gut; bei Sonnenschein dagegen viel besser. Aber heißes Sommerwetter kann er gar nicht gut ertragen, dann wird er ganz schlapp und will bei großer Hitze nicht einmal spielen. Gewitter ist ihm egal. Angst hat er vor dem Tierarzt und vor dem Autofahren – am schlimmsten, wenn man sein Gejammer nicht beachtet! Allein in der Wohnung jammert er, aber macht nichts kaputt. Aggressivität hat es noch nie und in keiner Form gegeben. Fremde werden grundsätzlich freundlich wedelnd beschnuppert und abgeschleckt. Wenn sich jemand von ihm abwendet, schlägt er mutwillig
mit der Vorderpfote nach ihm – als Aufforderung zum Spiel. Wenn ich sauer bin auf ihn, dann ist Leo beleidigt, schaut mich vorwurfsvoll an, wedelt, schleckt klatschend mit der Zunge an seine Nase und bittet um Vergebung. Leo ist nicht mutig. Er hat das Gemüt eines Bettvorlegers." Die wahlanzeigenden Symptome sind: liebevoll, herzlich, mild Verlangen nach Sympathie Ablenkung bessert heißes Wetter verschlechtert Verlangen nach frischer Luft Entzündung von Knochen Gliederschmerzen, schlimmer am Anfang, besser durch fortgesetzte Bewegung
Therapie und Verlauf 25.6.1996: Pulsatilla XM, einige Globuli per os. Darauf massiver Durchfall, anfangs mit deutlich eingeschränktem Wohlbefinden. Die Besitzerin bringt für diese Erstreaktion das notwendige Verständnis auf und hält durch. Während dieser Zeit bessert sich allmählich die Lahmheit, sodass Leo im August 1996 ohne Schmerzen herumspringen kann. Erst im Sommer 2000 erreichte mich ein Brief der inzwischen umgezogenen Besitzerin: Leo sei es bisher sehr gut gegangen, aber jetzt beginne er wieder auf dem rechten Vorderfuß zu hinken. Leo bekommt nun die zweite Dosis, einige Globuli Pulsatilla XM. Seither sind keine Beschwerden mehr aufgetreten. Übrigens habe auch sie selbst von einem homöopathischen Arzt Pulsatilla bekommen.
Rhustoxicodendron
Rhus toxicodendron
Giftsumach – Giftefeu
Signatur, Thema und Idee des Mittels Der Giftsumach wächst in trockenen Wäldern Nord- und Mittelamerikas. Vergiftungen durch Sumachgewächse, speziell mit Rhus-t., waren und sind noch heute Gegenstand vieler homöopathischer Diskussionen. Der Hautkontakt mit dem Saft der Pflanze – möglicherweise sogar der Kontakt mit einem unverletzten Blatt – erzeugt eine heftige Dermatitis mit bläschenartigen, lokalen oder generalisierten Hautreizungen, die sogar nach einmaligem Kontakt immer wieder auftreten können. Solche „Imprägnationen“ für rezidivierende Reaktionen finden sich z. B. bei „stationären Infektionen“, die durch die körpereigene Abwehr nicht überwunden werden können und bei entsprechendem Stress immer wieder aufflammen. Zu solchen Reaktionen neigen z. B. Infektionen durch HerpesViren; dazu gehören auch die RhinopneumonitisViren des Pferdes. Rhus-t. besitzt zu diesen oder ähnlichen bläschenartigen Haut- und Schleimhautaffektionen offensichtlich eine besondere Beziehung. Bei einbrechender Dunkelheit, besonders in kühlen Nächten mit feuchter Luft, sogar bei trübem, wolkigem Wetter ist der Giftgehalt der Sumach-Pflanze höher als bei klarem Wetter und bei Sonnenlicht.
Dann verbreiten die Sumachgewächse eine verstärkte toxische Ausdünstung, die bei empfindlichen Personen sogar ohne direkten Kontakt die beschriebenen Haut- und Schleimhautreaktionen erzeugen kann. Dem entsprechen 2 der wichtigsten Modalitäten im Arzneimittelbild: die Verschlimmerung abends, nachts sowie durch feuchte Kälte. Der Kontakt mit dem Giftsumach verursacht Entzündungen an Haut und Schleimhaut bis zur Bildung von Geschwüren; besonders empfänglich sind die Augen. Der Beschwerden sind begleitet von unerträglichem Juckreiz, Brennen und Unruhe, oft sogar von Fieber bis zum Delirium. Der Giftstoff hat ferner eine besondere Affinität zu fibrösem Gewebe und kann dort rheumaähnliche Gliederschmerzen verursachen, die sich im Ruhezustand verschlimmern. Solche Reaktionen treten meist sofort nach der Exposition auf und können Monate bis Jahre anhalten. Thema und Idee: Entzündliche, allergische oder traumatische Reizungen von Schleimhäuten und fibrösem Gewebe, begleitet von nervöser Unruhe, gebessert durch Wärme und fortgesetzte Bewegung.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Rhus-t. ist eines der großen Polychreste der Homöopathie und gehört auch in der Tierhomöopathie zu den häufigsten Mitteln der Alltagspraxis. Die Dosierung richtet sich nach Art und Schwere der Erkrankung. Hahnemann bezeichnet Rhus-t. und Bry. als antagonistische Schwester-Arzneien. Beide Mittel können abfolgend nacheinander gegeben werden. Rhus-t. zeichnet sich aus durch Verschlimmerung während und nach Ruhe, Bry. durch Besserung in Ruhe und Verschlimmerung in der Bewegung.
Hahnemann behandelte während der TyphusEpidemie von 1813 nach der Völkerschlacht von Leipzig 183 Typhuskranke nur mit Bry. und Rhus-t., nacheinander oder im Wechsel gegeben. Keiner der Patienten starb. Rhus-t. gehört neben Acon. und Ars. zu den „Unruhe-Mitteln“ (Nash). Am häufigsten wird es in der Tierpraxis für traumatisch bedingte Bewegungsstörungen benötigt. Allein in den Kapiteln des Repertoriums von Rücken und Extremitäten sind mehr als 2200 Rhus-t.Rubriken enthalten!
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Rhus toxicodendron Rhus-t.-Symptome können evtl. auch durch eine Borrelien-Infektion bedingt sein.
Eine besondere Beziehung besteht zu Herpes-Virusinfektionen (u. Ä.), die sich an Haut oder Schleimhaut abspielen können.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Perakuter Verlauf: selten nach starker plötzlicher Abkühlung bei warmem Körper (Acon.) Akutes Geschehen: entwickelt sich meist innerhalb 24 – 48 Stunden (häufigster Verlauf bei Tieren) Chronischer Verlauf: mit Verschlechterung bei jeder Abkühlung möglich verbunden mit ,konstitutioneller‘ Unruhe, Hyperaktivität Haut, Schleimhaut: bläschenartige Eruptionen stark juckend (Herpes-artig) allergische Hautreaktionen Erysipel bzw. bakterielle Hauterkrankungen (Streptokokken) fibröses Gewebe – Sehnen, Bänder, Muskeln: eines der wichtigsten und häufigsten Mittel für
„Sportverletzungen“, insbesondere durch kurzfristige, starke Überanstrengung für Lahmheiten des Pferdes und Hundes; in akuten und chronischen Fällen Nachfolgende Modalitäten betreffen das gesamte Arzneimittelbild bei allen Rhus-Erkrankungen: schlechter durch Kälte, Kaltwerden, feuchte Kälte, Nasswerden ⬍ bei beginnender Bewegung mit Steifigkeit ⬎ bei fortgesetzter Bewegung ⬎ bei Wärmeanwendung ⬍ abends, nachts Beschwerden sind begleitet von nervöser oder motorischer Unruhe die Muskelmodalitäten sind ähnlich wie die von Tub.
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Die Physiognomie des Rhus-t.-Patienten ist nicht immer auffallend verändert. häufig kräftig bemuskelte ,Sportler‘ oder körperlich überforderte schlaffe Patienten (z. B. Calc-c.) steife Bewegungen – Hund: Steifheit beim Aufstehen vom Sitzen oder Liegen – Pferd: Steifheit bei den ersten Schritten aus dem Stall, beim Beginn des Trabens – Rind: schwieriges Aufstehen vom Liegen, evtl. Ausrutschen, mit Zittern wechselt evtl. häufig die Position im Stehen, Sitzen oder Liegen, Schildern, Strecken Tendenz zum Frieren, Zittern, besonders in kalter Luft, durch kleinsten Luftzug
Aufsuchen warmer Plätze, evtl. Schüttelfrost (das Frieren kann, muss aber nicht auffallend sein!) – Hund: legt sich nicht auf kalten Boden, nur auf eine Decke – Pferd, Rind: Aufstellen der Haare im Kalten, steht an windgeschützten Stellen, im geschützten Unterstand bei Hauterkrankungen: haarlose Stellen an den erkrankten Hautstellen (z. B. Hund: Hot Spot) selten: Schwellung um die Augen, Schwellung der Lider, evtl. Lähmung der Lider, Zufallen der Augen
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens wenig Äußerungen von Lebensfreude oder Übermut, oder auch das Gegenteil (häufig auffallende Fröhlichkeit nach der Gabe von Rhus-t.!) sucht warme Plätze auf, vermeidet Zugluft und Feuchtigkeit, Abneigung gegen Regenwetter
in schweren Fällen motorische Unruhe, kann nicht still stehen, sitzen, liegen oder der erkrankte Körperteil ist in Bewegung evtl. krampfhaftes Gähnen ,missmutig‘ morgens bzw. nach dem Schlafen ⬍ vor Regen, Sturm, Gewitter
Rhus toxicodendron Leitsymptome des pathologischen Geschehens Verletzungen: Distorsionen, Kontusionen, Prellungen mit Dislokationen, Sturz, ,Zerrungen‘ auch an inneren Organen! evtl. unterstützend bei komplizierten Knochenfrakturen (Hyper.) Überheben, Überanstrengung von Sehnen, Bändern, Muskeln (Arn.) Neuralgie durch Zerrung, Überanstrengung, Lumbago (Bry., Nux-v.) Bewegungsapparat – Rücken – Wirbelsäule: Folgen von Verletzung, Sturz, Prellung Muskelüberanstrengung – Myositis – Tendinitis – Verschlag (Pferd) Distorsionen, Luxationen von Sehnen, Gelenkkapseln, Bändern, Sehnen-, Bänderansatzstellen (Ruta) Synovitis, auch chronisch Distorsionen bei Knochenfrakturen und rezidivierende Tendenz zu diesen Erkrankungen dadurch lähmige Schwäche bis Lähmung, Einknicken, Stolpern Taubheitsgefühl mit Kribbeln, ⬍ nach dem Liegen auf dem erkrankten Körperteil (Kuh!) Steifheit, kurze Schritte, Stolpern ohne Grund, ⬍ am Anfang der Bewegung Bänderschwäche durch/im Gefolge von Distorsionen (Calc-c.) Steifheit bzw. Lahmheit ⬎ durch fortgesetzte Bewegung ⬎ durch Warmwerden, durch Wärmeanwendung ⬍ durch Überanstrengung, (z. B. junge Pferde: beim Anreiten; Hund: Fahrradtraining) Weichteil-, Muskel-, Sehnenerkrankungen, Lumbago durch Kalt- und Nasswerden (u. a. Mittel) Einwirkung von Zugluft, Kaltwerden nach Erhitzung bzw. Schwitzen Beschwerden der linken Vorder- und der rechten Hinterextremität Schmerzen, Taubheit ⬍ beim draufliegen (fest liegende Kuh!) alle diese Beschwerden auch durch Kalt- oder Nasswerden, durch Zugluft, kaltes Baden (Dulc.), ⬎ durch (intensive) Wärmeanwendung, Rotlichtlampe o. Ä. Arthrosen älterer Tiere, ⬍ feuchtkaltes Wetter (evtl. unterstützend zu komplementärem konstitutionellem Mittel)
Torticollis, durch Verrenkung, Sturz, Zugluft oder Kalt-, Nasswerden Zittern nach Anstrengung Infektionen, Erysipel nach Verletzungen mit juckendem, schmerzhaftem Bläschenausschlag, auch rezidivierend oder chronisch; Panaritium, Umlauf, evtl. mit Lymphangitis (Bufo); Phlebitis (Phlegmasia alba dolens) Lähmung schmerzlos, mit Kälte des gelähmten Teils Schwäche der Extremitäten nach Anstrengung Hautausschläge s. u., besonders in den Gelenkbeugen Schmerzen der Extremitäten und des Rückens während anderweitiger Infektionen, Influenza mit Unruhe, Strecken, Lagewechsel (u. a. Mittel) Kälte der Extremitäten, auch bei Fieber, der gelähmten Extremität
Hund Lumbago, Dackellähme-Syndrom (Nux-v., Lyc., Hyper. u. a.) Schmerzen der Hüfte beim draufliegen d. h. er vermeidet das seitliche Liegen auf der erkrankten, schmerzhaften Hüfte
Pferd Lumbago, Kreuzverschlag, ,Rückenprobleme‘ u. Ä. Erkrankungen des Bewegungsapparates durch Sportreiten (eines der häufigsten Mittel!) mit Steifheit im Rücken oder/und Gelenk-, Sehnenerkrankungen Sehnenscheidenentzündungen (Bry.) Erkrankungen an den Sehnenansatzstellen (Ruta, Modalitäten beachten!) dadurch evtl. ,lockere‘ Stellung im Karpalgelenk in chronischen Fällen: Tendenz zu ,Zwanghufen‘ (Verkürzung der Sehnen an Hand/Fuß) Erkrankungen von Schleimbeuteln (Arn., Bry., Ruta, Sil. u. a.) Hautausschläge, besonders in den Gelenkbeugen; besonders im Bereich des Kötenbehangs, Wundsein zwischen den Hinterschenkeln (Natm., Puls., Sil. u. a.)
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Rhus toxicodendron Rind eines der Mittel für ,Festliegen‘ nach der Geburt (ohne Hypokalzämie oder Entgleisungen des Stoffwechsels!) (,Schwäche‘, ,Lähmung der Beine nach der Geburt‘) Atemwege: akute, subakute oder chronische Erkrankungen Folgen von Kalt- und Nasswerden. von feuchter Kälte ,Katarrh der oberen Luftwege‘, Erkrankungen des lymphatischen Rachenrings (Angina) heftiges Niesen Tracheitis, Bronchitis, Pneumonie; dabei Schwäche mit Ruhelosigkeit (Ars.), Lagewechsel und Strecken Husten ⬍ bei Einatmen kalter Luft, ⬍ bei feuchtkaltem Wetter; ⬍ durch leichtesten Luftzug (wird aber selten beobachtet); ⬍ am Beginn der Bewegung, meist verbunden mit anfänglicher Steifheit; ⬍ abends und nachts, verhindert das Schlafen; schmerzhafter Husten – im Akutfall (Schmerzgesicht) Heiserkeit, Husten durch ,überanstrengte Stimme‘, permanentes Lautgeben, Bellen, Schreien, Wiehern Atemwegsprobleme ⬎ durch warme Getränke (sollte man versuchsweise anbieten!) Atemwegsprobleme, Asthma nach ,unterdrückten Hautausschlägen‘ Atemwegsprobleme abwechselnd mit Hautausschlägen Pferd: Influenza mit ausgeprägten Gliederschmerzen der beschriebenen Modalitäten; Druse, beginnend auf der linken Seite mit genannten Modalitäten Herz-Kreislauf: Folgen von Überanstrengung des Herzmuskels, Herzmuskelhypertrophie (Arn.) Klappenerkrankungen Herz-Kreislauf-Probleme von zwangsweise ruhig gestellten ,Sportlern‘ (Windhunde, Leistungspferde) Augen: Trauma: traumatische Iritis, auch Augenentzündungen nach Augenoperationen Entzündungen durch Zugluft, Kälte, Feuchtigkeit, auch bakteriell bedingt, durch Trauma; Konjunktivitis, mit stark injizierten Gefäßen, mit Schwellung oder Chemosis; Schwellung der Lider; Entzündung der Lider, evtl. mit Juckreiz; Keratitis (auch eitrig), evtl. mit Horn-
hauttrübung, evtl. mit Onyx Corneae, evtl. Ulcus corneae; Entzündung der Sklera, der Chorioidea, der Iris, der Retina; Opticusneuritis; Iritis mit Hypopyon, eitrig, auch traumatisch bedingt; hochgradig schmerzhaft – mit körperlicher Unruhe, ⬍ abends, ⬍ nachts; mit Blinzeln oder zwanghafter Bewegung der Augen besonders bei Jungtieren manchmal mit Lähmung der Lider durch ,Erkältung‘ wund machender Tränenfluss (Fell geht aus an den Sekretstraßen) mit geröteten Canthi die angetrockneten Tränen hinterlassen glänzende Krusten gerötete Lidränder, evtl. Herpes der Lider, Lidränder follikuläre Konjunktivitis, auch der Nickhaut, der Kornea Tränenfluss – ⬍ im Freien, im Wind; gussartig, ⬍ beim manuellen Öffnen der zugekniffenen Augen zur Untersuchung Striktur des Tränenkanals (u. a.) evtl. Ausfallen der Wimpern Schmerzen der Augen ⬍ durch Bewegung des Bulbus bzw. der Lider deutlich ausgeprägte Lichtscheu dabei Berührungsempfindlichkeit der Augen und Umgebung Ohren Hund: Otitis externa, interna; Gehörgangsekzeme; Hautausschläge der Ohrmuscheln häufig ausgelöst durch Baden in unsauberen Teichen mit starkem Juckreiz, meist mit kleinen Bläschen, ⬍ abends und nachts, Wundkratzen schmerzhaft nach Kratzen und Reiben Verdauungsapparat: Verrenkung des Kiefergelenks, z. B. durch Maulspanner (Staph.), besser durch fortgesetztes Kauen evtl. ,Landkartenzunge‘, evtl. rote Zungenspitze Verdauungsstörungen, Diarrhöe aus den genannten Gründen, durch kaltes Futter, kalte Tränke, ⬍ wenn erhitzt Dysenterie mit Erschöpfung und stinkendem Kot, ⬍ nachts mit Unruhe (Ars.), mit Tenesmus Pferd: spastische Kolik, Tendenz zum Zusammenkrümmen, mit den genannten Modalitäten; möglicherweise Verlangen nach Rückenlage durch Kalt- und Nasswerden Hund, Katze: ausgeprägtes Verlangen nach kühler Milch, sogar nachts; heikle Fresser, verlangen immer wieder etwas Besonderes
Rhus toxicodendron Harnwege: Zystitis – Nierenbeckenentzündung durch feuchte Kälte, Nasswerden (Dulc. u. a.) ⬍ nachts mit häufigerem Harndrang in schweren Fällen mit Unruhe und Rücken-, Gliederschmerzen schmerzhafter Harndrang evtl. mit Stuhldrang tropfenweise, erschwert, verzögert unwillkürlich ⬍ nachts – Bettnässen Harnverhaltung nach Überanstrengung Lähmung nach Überdehnung Urin: Beimengungen von Blut, Eiweiß; Farbe: rot – weiß – dunkel – blass; Geruch evtl. stechend, evtl. wund machend; Sediment: blutig – eitrig – rot – grober Sand – roter Sand – Kristalle Hautausschläge: ⬍ im Frühling, ⬍ im Winter, ⬍ durch Kälte, Zugluft, Nasswerden abwechselnd mit inneren Erkrankungen, Durchfall, Atemwegserkrankungen Besserung des Juckens, des Ausschlags durch Wärme (Ars., Tub. u. a.) , ⬎ durch warm Waschen juckende Bläschenausschläge meist mit kleinen Bläschen, auch Pusteln, ,Krätze‘ (Räudemilben) Knötchen, Schuppen, Schorfe, Urtikaria Jucken mehrheitlich ⬍ im Kalten, aber auch ⬍ ,in der Bettwärme‘ mit Rötung und Schwellung der Haut, meist schmerzhaft (brennend) mit Krusten, besonders nach Kratzen, feuchten Krusten, abschuppenden Krusten
dünnflüssige Absonderung (evtl. grünlich, gelblich) oder seltener trockene Hautausschläge mit wund machender Absonderung, zerstört das Fell (Ars., Lyc., Nat-m., Psor. u. a.) in Gruppen oder sich ausbreitend akutes Ekzem Herpes-Bläschen oder ähnliche Ausschläge, juckend, evtl. mit Fieber, evtl. krustig, eiternd
Hund, Katze Hautausschlag am ganzen Körper (Ars., Dulc., Psor., Tub.) eines der häufigsten Mittel für den ,Hot Spot‘
Pferd Hautausschläge besonders an dicht behaarten Teilen: Mähne, Schweif, Kötenbehang Hautausschläge an schwitzenden Körperteilen „Schweißfriesel“, nässend, eiternd Urtikaria – evtl. am ganzen Körper, ausgelöst durch Kälte oder Nässe Urtikaria während Fieber, durch Schwitzen, nach Kratzen chronische Urtikaria eines der Mittel für Mauke, besonders durch Feuchtigkeit (Maland.)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Kaltwerden durch Zugluft, kaltem Wind, ⬍ wenn zuvor erhitzt Infektionen mit Herpes Viren u. Ä. Infektionen mit Staphylokokken, Streptokokken u. Ä. körperliche Überanstrengung, Überheben, lange anstrengende Bewegung, Überdehnung Wetterwechsel zum kalten, feuchten Wetter, nasskaltes Wetter, kalter Wind Baden, nasses Fell, feuchte Umschläge Sitzen auf kaltem Boden, kalte Zwinger, Ställe, Weide ohne Unterstand besonders ⬍ durch feuchte Kälte; ausgelöst oder schlimmer durch nasskaltes Wetter; ausgelöst oder schlimmer durch Nasswerden; von Links nach rechts gehende Beschwerden Influenza – langsam sich entwickelnd
Modalitäten: ⬍ rechte Seite, ⬍ linke Seite, von links nach rechts gehende Beschwerden ⬍ durch Nässe, nasskaltes Wetter, durch Zugluft (Dulc. u. a.), besonders nach Erhitzung ⬍ vor Regen, Sturm, Gewitter ⬍ nachts – abends – Mitternacht ⬎ durch Bewegung ⬎ durch Wärme ⬍ Beginn der Bewegung, ⬎ fortgesetzte Bewegung Verlangen, die Lage wechseln ⬍ abends und nachts, quälender Zwang, sich dauernd zu bewegen Entblößen ⬍ , Frieren ab 19 Uhr ⬎ Wärmeanwendung Zerschlagenheit, Steifheit bes. morgens, wie verrenkt
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Rhus toxicodendron großflächige Gliederschmerzen, Rückenschmerzen, Muskeln, Sehnen, Bänder Tendenz zum Pelzigwerden, Einschlafen, Kribbeln, Schwäche, bis evtl. Lähmung Hund: besser durch Liegen auf dem Rücken; ⬍ morgens beim Aufstehen nach dem Schlafen Rhus radicans: Ansatzstellen der Sehnen am Knochen, speziell wichtig bei Lahmheiten des Pferdes mit denselben Modalitäten wie Rhus-t. (Guernsey) Es gibt Autoren, die Rhus-t. und Rhus radicans als identische Arzneien beschreiben.
Die eigene Erfahrung bestätigt aber eher Guernseys Aussage. Rhus venenata: wirkt ähnlich wie Rhus-t., jedoch größerer Schwerpunkt auf Erkrankungen der Haut und Schleimhaut, weniger im Bereich des Bewegungsapparates Einrisse der Haut Arzneimittelbeziehungen: Komplementärmittel: Bell., Bry., Calc-c., Calc-f., Ars., Phos., Lyc., Caust., Sulf., Puls. Unverträglich mit Apis.
Ausgewählte Fallbeispiele Braunvieh-Kuh Mira – Distorsion der Fesselgelenke Der Besitzer J. fürchtet um seine beste Milchkuh, Mira – 6 Jahre alt.
Vorbericht „Mira kann seit ungefähr 10 Tagen nicht mehr richtig aufstehen vom Liegen; vor 3 Wochen problemlose Geburt, keine Besserung nach der Calcium-Infusion durch den Hoftierarzt. Die anschließende ,Schmerzspritze‘ besserte das Aufstehen für 11/2Tage; anschließend wieder derselbe Zustand wie zuvor. Der Haustierarzt riet mir zur Schlachtung, bevor sich der Zustand weiter verschlimmere.“ Als ich in den Stall komme – nach dem Melken, gegen 19 Uhr, ist Mira gerade dabei, langsam und sehr mühsam mit zitternder Hinterhand aufzustehen, tritt nun unruhig von einem Hinterfuß auf den anderen und vermeidet dabei, die beiden hinteren Fessel-und Krongelenke durchzutreten. Sie tritt ein paar Mal hin und her und legt sich dann nach nicht einmal 2 Minuten auf der anderen Seite wieder nieder. Futter- und Tränkeaufnahme sind normal, sehr gute Milchleistung – wie bei der vorigen Laktation, Milch und Euter o. B. Was war los? – „Etwa 10 Tage nach der Geburt war draußen im Auslauf irgendetwas los. Die Kühe waren ganz verstört und schnauften noch aufgeregt, als ich kam. Ich weiß nicht, was da passiert ist. – Am Abend fiel mir auf, dass Mira nicht mehr richtig stehen konnte.“
Während wir sprechen, steht Mira wieder unter großen Mühen stöhnend zur halben Höhe auf und lässt sich dann auf die andere Seite fallen. Der Bauer erwähnt, diese Unruhe falle ihm jeden Abend auf, morgens sei das weniger ausgeprägt. Die Kuh bekommt als einmalige Gabe einige Globuli Rhus-t. XM per os. Wegen zu langsamer Besserung wird die Arzneigabe nach 5 Tagen wiederholt. Anschließend beschwerdefrei. Die klinische Diagnose würde lauten: Distorsion in den Fessel- und Krongelenken beider Hinterextremitäten.
Fenstersturz einer Katze Frau B. bringt ihre 5-jährige grau-gestromte Familienkatze, weil diese auf dem rechten Hinterfuß zeitweilig nicht auftreten könne und auf drei Beinen geht. Sie war schon dreimal bei ihrem Tierarzt. Beim ersten Besuch zeigte die Katze eine hochgradige Lahmheit. Man vermutete eine Verletzung der Pfote. Die Katze bekam Antibiotika und Prednisolon, und konnte in den folgenden 3 Tagen etwas besser laufen. Anschließend stellte sich aber dasselbe Hinken wieder ein. Beim zweiten Tierarzt-Besuch wurde dieselbe Therapie wiederholt – mit nur geringer Besserung. 4 Tage später erfolgte der dritte Tierarzt-Besuch, wobei die Besitzerin erfuhr, die Katze habe sich wahrscheinlich einen Fremdkörper in die Zehnballen eingetreten, da könne man nichts weiter machen als abwarten. – 1 Woche später – ohne Besse-
Rhus toxicodendron rung – entschließt sich die Besitzerin zur homöopathischen Behandlung. Die Katze bewegt sich flink, aber mit deutlicher Lahmheit auf dem rechten Hinterfuß. Sie kann gut auf den Stuhl springen, benutzt aber dafür überwiegend den linken Hinterfuß zum Abspringen. Allgemeinzustand, Nahrungsaufnahme, Kot und Urin sind o. B. Der distale Bereich der Pfote ist schmerzfrei; auch auf kräftigen Druck erfolgt keine Abwehrreaktion. An Sprung- und Kniegelenk ist die Beweglichkeit durch Schmerzreaktionen eingeschränkt. Die Besitzerin berichtet, wenn die Katze geschlafen habe, oder morgens das Bett verlasse, laufe sie die ersten Schritte immer auf drei Beinen; anschließend bewege sie sich so wie hier beobachtet.
Diagnose Distorsion in Knie- und Sprunggelenk. Die Katze bekommt ein Gabe Rhus-t. XM per os und läuft 2 Tage später ohne Schmerzen. Beobachtungszeit: Inzwischen mehr als 2 Jahre.
Tendinitis bei einem 5-jährigen Galopper Februar 2003: Die Begeisterung der Besitzerin über die Homöopathie ist so groß, dass sie noch ein zweites Rennpferd kauft, das wegen rezidivierender Tendinitis am rechten Vorderbein zum Metzger sollte: ein vom Gebäude hervorragendes Pferd. Das Haar in der erkrankten Gegend ist abgeschoren, aber die Haut ist unverletzt. Der Wallach zeigt aber keine „Wade“ oder „Banane“, wie bei der üblichen Tendinitis, sondern eine mäßig warme diffuse, gleichmäßig über tiefem und oberflächlichem Zehenbeuger verteilte Schwellung. Die oberflächlichen und tiefen Beugesehnen sind bei Palpation deutlich als unterschiedliche Sehnenstränge zu tasten, allerdings deutlich druckdolent. Im Schritt sind keine Lahmheit und keine Gangunregelmäßigkeit erkennbar, im Trab deutliche Stützbeinlahmheit. Eine weitere Untersuchung ist wegen der provisorischen Stall- und Umgebungsverhältnisse nicht möglich, die Weiden wegen zurzeit sumpfigen Bodens nicht begehbar.
Die Besitzerin beschreibt aber eine deutliche Lahmheit im Trab, die sich bei längerem Traben nicht verstärkt, sondern eher eine Spur bessert. Das Pferd bekommt daraufhin Rhus-t. XM als einmalige Gabe – in einer Mohrrübe versteckt – per os. Bereits am nächsten Tag ist die Schwellung der Beugesehnen verschwunden. 1 Woche später entwischt dieser Wallach – der jetzt wochenlang gestanden hatte – zusammen mit einem anderen Pferd beim Misten auf die sumpfige Koppel, tobt dort wie wahnsinnig und rennt alle Koppelzäune nieder. Für eine schwere Tendinitis normalerweise das Todesurteil. Aber die Beugesehnen bleiben unbeschadet. Die Besitzerin hat das Pferd nun – 3 Wochen nach der Arzneigabe – in ihren anderen Stall geholt und beginnt ihn zu reiten. Eine Lahmheit ist bisher nicht aufgetreten. Sie erwartet nun voller Spannung die nächste Rennsaison.
Amanda – Stute mit akuter Konjunktivitis-Keratitis 16.6.1999: Die braune Warmblutstute Amanda, 12 Jahre alt, hat seit einigen Tagen linksseitig ein tränendes Auge. Seit heute – oder schon seit gestern Abend? – steht sie nur noch in der dunklen Boxenecke, kneift das linke, jetzt auch das rechte Auge zu. Wenn man sie nach vorn, zur hellen Seite wendet, dreht sie sich sofort wieder um und schaut wieder in ihre dunkle Ecke. Bei der Untersuchung sind feuchte Tränenspuren über den angetrockneten, glänzenden Sekretstreifen zu erkennen. Beim Abkratzen dieser Krusten gehen die Haare aus, es bleiben kahle Bezirke. Die Konjunktiven sind beiderseits stark gerötet, das Sekret an den inneren Canthi grauweiß-schleimig, die Umgebung des Auges leicht geschwollen. Die Kornea des linken Auges ist bereits milchigweiß getrübt. Die sonst sehr brave Stute wehrt sich intensiv gegen die Untersuchung des Auges, ist aber noch zu hantieren. Beim seitlichen Hineinleuchten kneift Amanda die Augen fest zusammen. Die Frage nach besonderen Unternehmungen oder Beobachtungen kann der Besitzer nicht beantworten.
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Rhus toxicodendron Die Pferde stehen jeden Tag auf der Weide, aber seitdem es in der letzten Woche so geregnet habe, müssten sie im Stall bleiben, weil der Boden so aufgeweicht ist. Draußen sind heute nur windige 15 ⬚C. Da fällt dem Besitzer noch ein, Amanda sei in den letzten Tagen nicht gut zu reiten gewesen, sie habe „den Rücken nicht hergeben“ wollen, er habe sie sehr lange lösen müssen. Während wir miteinander sprechen, fällt mir auf, dass die Stute permanent „schildert“, als täten ihr die Hinterfüße weh.
Mittelwahl – Nasswerden verschlechtert – Auge, Entzündung bei nasskaltem Wetter, durch nasses Wetter – Auge, Tränenfluss, hinterlässt glänzende Spuren wie Lack – Auge, Tränen scharf, wund machend – Auge, krampfhaft geschlossen – Auge, Photophobie – Rücken, Schmerz, besser durch Bewegung – Extremitäten, Schmerz, besser durch Bewegung – Auge, Entzündung der Konjunktiven, der Kornea
Therapie Die Stute bekommt einige Globuli Rhus-t. XM per os. Sie soll noch 2 Tage im Stall bei Boxenruhe bleiben. Nach 2 Tagen ist die linke Cornea wieder klar, der Tränenfluss sistiert. Amanda schaut wieder lebhaft mit offenen Augen aus dem Stall ins helle Licht. Es ist nur noch eine geringe Absonderung vorhanden, die nach weiteren 2 Tagen ebenfalls aufhört.
Wuschi – Pferd mit Verschlag Wuschi ist ein 12-jähriger brauner Hessenwallach. 4.9.2000: Die Besitzerin, eine alte Freundin, ruft am Vormittag an, weil ihr Pferd „so komisch da steht“.
Ihre beiden Pferde leben ganzjährig auf er Weide mit Unterstand, der zur offenen Seite mit einem Kunststoffstreifen-Vorhang abgedeckt ist. „Ich fand Wuschi heute Morgen patchnass und zitternd auf der regennassen Weide. Sein Kumpel, der 14-jährige Chiron, hat ihn bei dem Sauwetter wieder mal nicht in den Unterstand hineingelassen. Jetzt steht Wuschi immer wieder mit ausgestellten Hinterfüßen, als wolle er urinieren, aber es kommt nur immer eine minimale Menge. Er kann auch nicht richtig laufen, die Rückenmuskeln sind steif und hart. Er macht nur ganz kurze Schrittchen und lässt sich nicht in den Trab bringen, dabei tobt er sonst immer gleich los, wenn man ihn ein bisschen animiert.“ Was habt ihr gestern oder vorgestern gemacht? – „Wir haben an einem Orientierungsritt teilgenommen. Zum Schluss hat es mächtig geregnet mit saukaltem Wind. Ich habe ziemlich gefroren, weil ich keine Regenjacke mit hatte. Jetzt fällt mir auch ein, dass Wuschi gestern Abend schon Mühe hatte, rückwärts aus dem Hänger zu gehen. Er war gestern schon steif. Temperatur 37,9 ⬚C. Wuschi hat heute sein Kraftfutter kaum angerührt. Trinken kann ich wegen der Selbsttränke nicht beurteilen.“ Wie steht er jetzt da? Was meinst du mit „so komisch dastehen“? – „Ja, er muss dauernd Urinieren und tritt dabei immer von einem Fuß auf den anderen. Dabei braucht er doch gar nicht zu piaffieren!“ Nach den beschriebenen Symptomen ist das Mittel ganz klar: Die Besitzerin soll aus ihrer Taschenapotheke Rhus-t. C 30 holen, einige Globuli in einem Glas Wasser auflösen und dem Pferd davon 2 Stunden lang alle 10 Minuten etwas ins Maul spritzen. Zusätzlich soll sie Wuschi eine Regendecke auflegen und ihn nach Möglichkeit in einem trockenen Stall unterbringen. Am Abend soll sie nochmals 1 Stunde lang Rhust. geben. Am nächsten Morgen kommt der Anruf, Wuschi sei trotz anhaltenden Regenwetters wieder „der Alte“, springe wieder auf der Koppel herum. Am nächsten Tag wird er wieder geritten.
Ruta graveolens
Rutagraveolens
Weinraute
Signatur, Thema und Idee des Mittels Ruta, die Weinraute, ist eine uralte Heilpflanze und wurde schon bei den Griechen und Römern genutzt. „Ruta“ besagt in lateinischer Übersetzung „Bitterkeit“, „graveolens“ bedeutet „widerlich duftend“; der Name „Ekelblume“ ist verständlich, da sie sogar Marder und Ratten vertreiben soll. Aus diesen Bezeichnungen lässt sich ahnen, dass Ruta für recht unangenehme, quälende Zustände indiziert ist. Ruta nimmt als „kleines Mittel“ in der heutigen Humanhomöopathie einen eher untergeordneten Stellenwert ein. Als die Landbevölkerung zu Hahnemanns Zeiten noch bis zur Erschöpfung körperlich arbeiten musste, war das möglicherweise anders: Die Zerschlagenheitsschmerzen der „geschundenen Landarbeiter“ waren damals ein Thema in der homöopathischen Sprechstunde.
Unter den Haustieren gehören noch immer die Pferde zu den am meisten „geschundenen“ Lebewesen; ein wesentlicher Anteil der tierärztlichen Pferdepraxis hat sich mit solchen Erkrankungen zu beschäftigen. Die nicht mehr schulmedizinisch heilbaren „Sportpferde“ landen beim „Schinder“, ursprünglich gleichbedeutend mit „Abdecker“. Mit Ruta könnte einem Großteil dieser Pferde geholfen werden. Eine rechtzeitige Prophylaxe mit Ruta oder ähnlichen Mitteln könnte vielen Lahmheiten vorbeugen, zusätzlich wäre natürlich eine artgemäße Nutzung sinnvoll. Thema und Idee: Der überanstrengte, „geschundene“ Träger schwerer Lasten mit quälenden Zerschlagenheitsschmerzen.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Ruta gilt in der Homöopathie als kurz und wenig intensiv wirkendes Mittel, daher muss es bei Bedarf wiederholt eingesetzt werden. Ruta ist i. d. R. kein „konstitutionelles Mittel“, sondern eines für Verletzungsfolgen und „lokale Erkrankungen“ im Sinn von § 174 des Organon. Ruta spielt in der Tierhomöopathie fast ausschließlich eine Rolle bei Erkrankungen des Bewegungsapparates. Im Vordergrund steht das allgemeine oder lokale Zerschlagenheitsgefühl (Arn., Led.), das wir aber – wenn überhaupt – an dem stumpfen Bewegungsablauf oder dem gestressten, traurigen Blick dieser Tiere erkennen können. Ruta ähnelt in vieler Hinsicht Rhus-t. (Verrenkungsschmerz), hat aber weniger deutlich ausgeprägte Modalitäten, dafür bestimmte Schwerpunkte, die das Mittel in der tiermedizinischen Praxis unentbehrlich machen.
Ruta ist selten beim Hund und noch seltener bei der Katze indiziert. Dagegen passt die Weinraute – ebenso wie Calc-f. – hervorragend zu der speziellen Disposition des Pferdes, übermäßige Periostitiden aufgrund relativ leichter Traumen zu entwickeln. Besonders an den Ansatzstellen von überanstrengten Sehnen und Bändern entstehen entzündliche Periostreaktionen, die meist mit Lahmheiten einhergehen und sich später zu Exostosen weiterentwickeln. In protrahierten Fällen dieser Art kann als Folgemittel Calc-f. oder Calc-p. indiziert sein. Diese Pathogenese ist am ehesten dem überschießenden Miasma, der „Sykose“, zuzuordnen und hat weder mit „syphilitischer Konstitution“ noch mit „gichtiger Diathese“ (Benz-ac.) zu tun. Ruta ist neben Arn. und Rhus-t. das am häufigsten indizierte Mittel für die Probleme junger Pferde, die im Zusammenhang mit dem Anreiten auftreten. Ruta-Erkrankungen im Gliedmaßenbereich beginnen häufig nach ungewohnt neuem Bewegungsablauf, z. B. im Zusammenhang mit Anreiten
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Ruta graveolens oder Einfahren, durch neuen oder schwereren Reiter, durch geänderten Reitplatzbelag, ungewohntes Springen oder Cavalettitraining. Anschließend an die Behandlung solcher Verletzungsfolgen sollte immer eine konstitutionelle Therapie folgen, die den gesamten Organismus betrifft und damit der Disposition zu weiterer Überanstrengung und Verletzungen vorbeugt. Allerdings sollte auch der Tierbesitzer oder Trainer angehalten werden, die geforderte Leistung dem Tier anzupassen.
Eine Therapie der genannten Bewegungsstörungen einzig nach „konstitutionellen Gesichtspunkten“ führt nicht immer zu den erwarteten Ergebnissen. Camph. ist das wichtigste Antidot gegen Ruta. Pferde, die mit diesem Mittel behandelt werden, sollten nicht mit ätherischen Ölen in Berührung kommen, die z. B. häufig in Einreibungen oder Huffett enthalten sind.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Akute bis subakute Zustände: zumeist bedingt durch Verletzungen und Überanstrengung Chronische und chronisch rezidivierende Erkrankungen: meist im Bewegungsapparat Ruta weist einen besonderen Bezug zu gelenkigen Verbindungen auf, die sich durch eine Vielzahl an Sehnen und Bändern auszeichnen, insbesondere wenn diese eine tragende Stützfunktion für den ganzen Körper ausüben. Schwerpunkt: Beschwerden durch Überanstrengung, Verletzung, Distorsionen, Kontusionen, Frakturen Verletzungen und Überanstrengungen von Sehnen, Gelenken, Knochen und des Periosts Erkrankungen speziell von Beugesehnen und -muskeln, von Sehnenansatzstellen (Rhus-t.) Erkrankungen, Verletzungen von Carpus, Tarsus und Zehengelenken Hauptmittel nach Arn. und Led. für frische Verletzungen des Periosts Verletzungen der Wirbelkörper und Dornfortsätze der Wirbelsäule schwieriger Kotabsatz, Rektumprolaps
Pferd Tendinitis des M. interosseus med. bzw. des Fesselträger-Apparates akute und subakute Bursitis akute und subakute Erkrankungen im Bereich von Strahlbein und Bursa podotrochlearis „Ganglion“ im Bereich von Gelenkkapseln, insbesondere Fesselgelenk akute, subakute und chronische Insertionstendinopathien beginnender Spat, besonders bei jungen Pferden Verdickungen bis Exostosen der Griffelbeine durch Überanstrengung oder Schlagverletzung akute bis subakute subperiostale Hämatome mit Indurationen (bei deren Ossifikation: Calc-f.) akute und subakute „Kissing Spines“, Verwachsungen von Dornfortsätzen der Wirbelsäule Beschwerden durch „Tragen schwerer Lasten“
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Häufig kann keine besondere Physiognomie beobachtet werden. Erscheinungsbild eines durch akute oder andauernde Überanstrengung ausgelaugten, erschöpften Organismus in schweren Ruta-Fällen müder, desinteressierter Blick
Verlangen zu liegen beim Pferd möglicherweise Entlastungshaltungen der schmerzhaften Gliedmaßen: – Vorstellen eines Vorderbeins – Schildern der Hinterextremitäten – Entlasten des Karpalgelenks durch vorhängige Stellung Unruhe mit Schmerzen durch vermeintlich zu harte Unterlage ist nur in ganz schweren Fällen zu beobachten!
Ruta graveolens lähmige Schwäche nach kurzem Laufen (in schweren Fällen) häufiges Gähnen und Strecken steifes, mühsames Laufen, Pferde wollen nicht „vorwärts gehen“ („Schwäche mit Verzweiflung“, „schmerzhafte Müdigkeit“) Zittern und Schwere in allen Gliedern, evtl. mit Ruhelosigkeit der Beine
schwankender Gang durch Schwäche in den Extremitäten (in schweren Fällen) Berührungsempfindlichkeit, Zerschlagenheitsgefühl am ganzen Körper mit schwerer Atmung (Arn.) – Pferd: Ein deutlich druckdolenter M. interosseus med. am Vorderbein kann bereits einen Hinweis auf die Indikation von Ruta geben.
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Von Ruta sind nur wenige Gemütssymptome bekannt: widerspenstig, Stimmungswechsel, Heiterkeit. Der Wille des Menschen und seine Ansprüche an das Tier geben zumeist den Anlass für die Pathologie und für eine Therapie.
Bei solchen Erkrankungen sind meist keine Gemütssymptome festzustellen.
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Kopf: Folgen von Kopfverletzung (Arn., Hyper., Nats.) Verletzungen, Periostitis und Exostosen nach Verletzungen am Schädel, an der Orbita Tränenfluss im kalten Wind „Beschwerden durch Überanstrengung der Augen“ spielen beim Tier kaum eine Rolle. Atemwege: Stimmbandlähmung (Caust., Phos., Lach., Rhus-t. u. a.), Stimmverlust Atemnot, Atembeschwerden durch Rückenschmerzen Lungenerkrankung nach stumpfem ThoraxTrauma Herz-Kreislauf: erweiterte Blutgefäße, Venen mit Neigung zu Ödemen der Extremitäten (Pferd) Entzündung von Venen oder Arterien Verdauungsapparat: Kolik, Anschoppung, Obstipation, Ileus nach stumpfem Bauch-Trauma Verlangen nach eiskalter Tränke plötzliche Appetitlosigkeit beim Fressen schwieriger Kotabsatz, Striktur des Rektums Rektumprolaps nach der Geburt (Podo) Rektumprolaps durch Tenesmus bei Durchfall (Merc., Podo.) (Katzen, Hunde) Harnwege: Blasenlähmung, Inkontinenz, vermehrter Harndrang Genital Weiblich: Abort im letzten Drittel der Gravidität
Abort durch Verletzung (Arn., Puls.) Verletzungen der Beckenorgane (Bell-p.) Uterusprolaps nach Schwergeburt (Podo.) Bewegungsapparat: Disposition zu Distorsionen, Verrenkungen, Überanstrengung von Muskulatur und fibrösem Gewebe betrifft besonders die Zehengelenke der Vorderund Hintergliedmaßen sowie Carpus und Tarsus Erkrankungen und Verletzungen von Sehnen, insbesondere der Beugesehnen und -muskeln Sehnenruptur, fibrillare Zerreißungen von Sehnen, Bändern (Rhus-t.) Verletzungen des Periosts, sehr schmerzhaft (Led.), mit Quetschungsgefühl subperiostales Hämatom (Schlagverletzungen, Periost- oder Rippenprellungen o. Ä.) Periostverhärtungen, Periostitis, Ostitis Schmerzen in Periost, Knochen, Sehnen, Bändern, Muskeln, Gelenken, Schleimbeuteln Bursitis, Chondritis, Perichondritis, Synovitis, Arthritis, Tendinitis, speziell nach Verletzungen Knochenfrakturen, auch komplizierte Frakturen, schlechte Heilungstendenz von Frakturen Schmerzen im Kallus nach Knochenfrakturen, ⬍ durch Kälte (Calc-p.) Schmerzen, Entzündungen an Ansatzstellen von Sehnen und Bändern (Rhus-t., Rhus-r.) Verkürzung von Sehnen und Bändern
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Ruta graveolens Erkrankungen mit einer Tendenz zu Ablagerungen in Periost, Sehnen, um die Gelenke (Calc-f.) traumatische Periarthritis (Arn., Calc-p., Rhus-t. u. a.) oberflächliche Chip-Frakturen ohne Dislokation nach Trauma des Periosts (Symph., Calc-p.) Knochen- und Periostabszesse und -eiterungen Knochen- und Periostnekrosen, rarefizierende Ostitis, Knorpelschäden Chondritis der Rippenknorpel Osteosarkom (Calc-f., Phos.)
Pferd Vorderextremitäten: Verrenkungsschmerz ist in allen Gelenken möglich, besonders in Karpal-, Tarsal- und Fesselgelenken Schmerzen im Bereich der Zehenbeuger, möglicherweise mit Schwellung der Sehnen Tendinitis des Unterstützungsbands bzw. dessen Ansatzstelle zum Zehenbeuger mit Periostreizung frische Auftreibungen an den inneren Griffelbeinen, z. B. beim Anreiten junger Pferde (,Remontenkrankheit‘) durch Reizung des Periosts Ermüdungsfrakturen am Griffelbein, Ruta sollte als Prophylaxe bei Disposition zu solchen Erkrankungen gegeben werden frische Periostauftreibungen nach Schlagverletzungen (ältere, ossifizierte Exostosen reagieren nicht mehr auf Ruta, benötigen meist Calc-f. o. a.) druckdolenter Fesselträger-Apparat, auch ohne erkennbare Lahmheit neben Calc-p. das wichtigste Mittel für die „Strahlbeinlahmheit“ (Podotrochlose, Podotrochlitis) (entsprechend: „Bursitis an den Fingergelenken“) „lockeres“ Karpalgelenk bei dessen Erkrankungen oder bei Entlastung schmerzhafter Beugesehnen „Ganglion“, derb-elastische Auftreibungen im Bereich des Fesselringbandes o. a. Gelenkbänder
Synovitis und „Gallen“ durch Überanstrengung (auch andere Mittel!) „stumpfer Gang“ bei jungen, frisch angerittenen Pferden, evtl. noch ohne deutliche Lahmheit (Arn.) Schmerz im Hufbein durch Trab auf hartem Boden (Led. u. a.) schmerzlose oder schmerzarme frische Karpalbeule, Stollbeule, Piephacke (u. a. Mittel) brüchiges Hufhorn, Hornspalten Hinterextremitäten: häufiges abwechselndes Entlasten der Hinterextremitäten (Schildern) beginnende Spatlahmheit, meist bei jungen Pferden Schwäche, evtl. mit Zittern beim Aufstehen vom Liegen nach Überanstrengung traumatisch bedingte Erkrankungen der PatellaBänder mit Motilitätsstörungen der Patellae, mit Knorpelschäden Steifheit der Hinterbacken-Muskulatur nach zu viel Springen oder Klettern Prellungen des Tuber coxae, der Röhrbeine Schwellung der Hinterextremitäten Rückenprobleme: Verletzungen der Wirbelsäule (Arn., Nat-s., Nat-m., Hyper. u. a.) „Kissing Spines“ im Anfangsstadium (bei späteren Verknöcherungen Calc-f.) Verstauchungen, Zerrungen in Hals und Rücken, besonders Lendenwirbelsäule, mit Steifheit Verkrümmung der Wirbelsäule, besonders thorakal Überanstrengung der Rückenmuskulatur, z. B. durch schweren oder ungeschickten Reiter Rückenschmerzen „wie lahm“, ⬎ durch Gehen Rückenprobleme ⬍ beim Aufstehen vom Liegen Rückenschmerzen ⬎ durch Wärme Steifheit im Nacken (Pferde gehen nicht „durchs Genick“ – viele andere Mittel!) Lumbago (Pferde „geben den Rücken nicht her“ – viele andere Mittel!) Schwäche der Beine nach Überanstrengung des Rückens
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Überanstrengung Tragen schwerer Lasten Verstauchungen, Prellungen, besonders der Beugesehnen
Verletzungen von Knorpel, Weichteilgewebe, von Sehnen Knochenfrakturen, auch komplizierte stumpfe Verletzungen
Ruta graveolens Modalitäten: ⬎ durch mäßige Bewegung ⬎ durch Wärme ⬍ am Anfang der Bewegung, ⬎ während oder durch fortgesetzte Bewegung ⬎ durch Anziehen, Beugen der Gliedmaßen ⬍ durch jede Anstrengung, ⬍ durch heftige Bewegung, ⬍ durch Rennen ⬍ durch Ruhe, ⬎ durch leichte Bewegung, möchte aber in schweren Fällen liegen ⬍ morgens, ⬍ nachts ⬍ linke Seite (Rechtsseitigkeit spricht nicht gegen Ruta, wenn andere Modalitäten passen) ⬍ vorn rechts und hinten links ⬍ durch kalte Anwendungen, kaltes Abwaschen ⬍ in nasskaltem Wetter, ⬍ durch Kaltwerden ⬍ durch Berührung
leichte Bewegung löst evtl. in schweren Fällen Schwäche aus wundes Gefühl der Teile, auf denen er liegt, darum Lagewechsel viel Gähnen und Strecken ⬍ durch Liegen auf der schmerzhaften Seite Folgemittel: Calc-p. Folgt gut nach Arn. bei Gelenkverstauchungen und nach Symph. bei Knochenfrakturen. Auf Ruta scheint auch Calc-f. gut zu folgen, was sich in vielen Fällen bei Erkrankungen des Bewegungsapparates beim Pferd bestätigt hat. Komplement zu Calc-p., Calc-f.
Ausgewählte Fallbeispiele Wing – Vollblutwallach – Ganglion am Fesselgelenk 14.7.2000: Familie S. hat für ihre damals 12-jährige Tochter einen Vollblüter von der Rennbahn gekauft, einen braven, lieben Schimmelwallach, der nun aber seit 3 Monaten vorn rechts lahmt. Seitlich am rechten Fesselgelenk im Bereich des Fesselringbandes und der gemeinsamen Sehnenscheide der Zehenbeuger fällt eine derb-elastische, 3 ⫻ 4 cm große Unfangsvermehrung auf. Die Stelle ist leicht überwärmt, deutliche Druckdolenz, kein Zusammenhang mit dem lateralen Gleichbein. Die übrigen Sehnen und Sehnenscheiden sind klar palpierbar. Die Fesselträger am aufgehobenen Fuß sind beiderseits leicht druckdolent. Die Gleichbeine vorn rechts lassen sich gut palpieren und sind schmerzfrei. Deutliche Stützbeinlahmheit im Trab ohne Besserung durch fortgesetzte Bewegung und ohne Modalitäten hinsichtlich Temperatur, Wetter oder Bewegung. Die Untersuchung an der Longe auf matschigem, rutschigem Logierzirkel zeigt weder auf der rechten noch auf der linken Hand eine Änderung der Stützbeinlahmheit.
Therapie und Verlauf 14.7.2000: Ruta LM 18 – vorerst 1 ⫻ tgl., bei Besserung alle 2 bzw. 3 Tage.
26.9.2000: Keine Lahmheit mehr feststellbar. Die Besitzerin hat am 10.9. an einer Dressurprüfung teilgenommen. Die Umfangsvermehrung sei wesentlich kleiner geworden. Weitere Therapie: 1 ⫻ pro Woche Ruta LM 18. Im November wurde die Eingabe irgendwann vergessen, Wing gehe einwandfrei, das betone auch die Reitlehrerin. 9.2.2001: Erneute Lahmheit nach dem Springen. Keine Lahmheit beim Vortraben auf hartem Boden, kein Wendeschmerz. Die Besitzerin betont, Wing gehe nur im tiefen Boden lahm. Ruta XM, 1 Einzelgabe per os. Darauf lahmheitsfrei bis zum März 2001. 5.3.2001: wieder Lahmheit nach einem Springen über 120 cm hohe Hindernisse. Ruta XM, eine Gabe per os, mit dem Verbot, in den nächsten 3 Monaten zu springen! Die knorpelige Umfangsvermehrung am rechten Fesselgelenk ist bis auf eine Verhärtung von der Größe einer Erbse zurückgegangen. Bis 2004 ist keine Lahmheit mehr aufgetreten, obwohl die Besitzerin inzwischen an mehreren Springwettbewerben und Military-Prüfungen teilgenommen hat. 26.5.2004: Wing lahmt nach einem Spring-Turnier wieder, das nun schon 8 Wochen zurückliegt. Der Schimmel war bereits mehrfach im Tierspital der Universität Zürich untersucht und therapiert worden. Wegen der ungünstigen Prognose wendet sich die Besitzerin wieder zur Homöopathie.
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Ruta graveolens 10 Tage nach erneuter Gabe Ruta XM wird der Schimmel wieder trainiert. Bis Juni 2005 kein Rezidiv.
Epikrise Hätte das Pferd von Anfang an die XM-Potenz bekommen, wäre die Heilung wesentlich schneller vonstatten gegangen. Ferner hätte eine „konstitutionelle homöopathische Therapie“ möglicherweise den Rezidiven vorgebeugt.
Sepia succus Sepia succus
Signatur, Thema und Idee des Mittels Sepia succus, die Ausscheidung aus dem Tintenbeutel des Tintenfischs, wurde als Heilmittel von Hahnemann persönlich in die Homöopathie eingeführt: Er beobachtete an einem schwer kranken Kunstmaler, der nicht auf die homöopathische Arznei ansprach, dass dieser seinen mit Sepia-Farbe getränkten Pinsel mit den Lippen anzuspitzen pflegte. Nachdem der Maler das unterließ, genas er in kurzer Zeit ohne ein anderes Medikament. Hahnemann prüfte darauf diese dunkelbraune Tinte und erkannte in Sepia eine der wichtigen Arzneien für chronische Krankheiten. Die Wirkung dieser Sepia-Tinte ist außer durch Hahnemann nie erforscht worden. Der „Saft“ (succus) des Tintenfisches – gleichsam seine Essenz – wird bei jeder Erregung aus dem Tintenbeutel dieses Weichtiers ausgestoßen. Seine Inhaltsstoffe weisen in manchen Aspekten auf Ähnlichkeiten mit den Arzneimittelbildern von Calcium-, Kalium-und Schwefel-Verbindungen. Dieser Tintensaft enthält ferner Melanin, das gemäß Arzneimittelbild eine Affinität zum Pigmentstoffwechsel aufweist. Viele Sepia-Patienten neigen zu Pigmentstörungen im Sinn einer Hyperpigmentierung oder Pigmentmangel: z. B. gelbliche oder bräunliche Hautverfärbungen, dunkle Pigmentierung von Hautausschlägen oder eine Tendenz zu Vitiligo-ähnlichen Depigmentierungen. Im Gegensatz zu anderen Weichtieren, die eine schützende Außenschale tragen, hat der Tintenfisch einen kalkhaltigen Schulp wie ein Skelett in seinen flachen, kräftigen Muskelkörper eingelagert. Ganz im Gegensatz zur passiven Lebensweise einer Muschel ist der Tintenfisch ein kraftvolles, aktives, dynamisches Lebewesen. So braucht auch der Sepia-Patient keine schützende Hülle, sondern führt ein eigenständiges Leben. Jede Einengung – physischer oder psychischer Art – ist ihm zuwider. Der Tintenfisch lebt in warmen Teilen des Mittelmeeres und Atlantiks. Als Kopffüßler besitzt er 8 Tentakel und 2 Fangarme, die mindestens ein Drittel der Körperlänge ausmachen und zum Beutefang von Krustentieren und anderen Kleinlebewesen eingesetzt werden. Aber weder der Tintenfisch
selbst noch der Sepia-Patient sind primär aggressiv, beide verfügen jedoch über ein hohes Potenzial an Reizbarkeit, das mit träger Lethargie abwechseln kann. Schon Aristoteles betrachtete den Tintenfisch als ein Symbol für Unbeständigkeit, welche sich in ganz unterschiedlicher Art zeigen kann. Unabhängigkeit ist das wesentliche übergeordnete Thema des Sepia-Patienten, von dem sich eine Vielzahl physischer und psychischer Symptome ableiten lässt. Sepia wird meist mit zusammengelagerten und ausgestreckten Tentakeln abgebildet. Aber diese 10 „Arme“ können sich unabhängig voneinander in alle Richtungen krümmen und winden, weil ihre Muskulatur eine absolut flexible Beweglichkeit ermöglicht. Jeder „Arm“ kann gleichsam machen, was er will. Unter den Symbolen erinnert dieses Bild an den tanzenden Gott Shiva aus Indien; und tatsächlich ist rhythmische Bewegung – Tanzen und schnelles Laufen – eine besondere Begabung der meisten Sepia-Patienten und das beste Mittel für ihre Fitness. Beim Tier ist das allerdings nicht leicht zu erkennen; Sepia-Pferde haben z. B. oft eine besondere Begabung für taktmäßige Bewegung, eignen sich gut für das Dressurreiten, sofern sie sich mit dem Reiter arrangieren können. Diese Art des „rhythmischen Tanzes“ empfinden Sepia-Patienten (das Pferd genauso wie seine Reiterin) allgemein als wohltuend. Der Tintenfisch lebt überwiegend in kleinen Gruppen, meist bestehend aus weiblichen Tieren. Zur Zeit der Paarung treffen männliches und weibliches Tier zusammen und vollführen miteinander einen dynamischen, eleganten Tanz. Während einer kurzen gegenseitigen „Umarmung“ mit den „Muskelarmen“ deponiert der männliche Partner seine Samen in ihrer Eitasche. Wie immer bei emotioneller Erregung wird dann der braune Saft ausgestoßen, anschließend geht die Sepia ihrer Wege. Ähnliche Eigenschaften finden sich vielmals bei Sepia-Patientinnen, die sich häufig intensiv für Frauenrechte einsetzen. In Beziehungen muss ihr Partner aus Gründen der Gerechtigkeit dieselben Hausarbeiten erledigen wie sie. Trotzdem wird er nicht immer als willkommen akzeptiert.
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Sepia succus Beim Tier kann ein analoges Problem z. B beim Decken auftreten, wenn die Sepia-Patientin den vorgesehenen Partner ablehnt und sich entweder gar nicht oder nur von einem ganz bestimmten „Auserwählten“ decken lässt. Nach dem „Liebesakt“ zieht sich der weibliche Tintenfisch zurück, legt die befruchteten Eier an einem Felsen ab und kümmert sich nicht weiter um die Aufzucht der Jungen. Aus sieben Eiern wachsen durchschnittlich sechs weibliche und nur ein männliches Tintenfischchen heran. In Analogie dazu ist Sepia überwiegend ein Frauenmittel, männliche Sepia-Patienten sind weit in der Minderzahl. Der männliche Tintenfisch wacht kurzfristig über die Eiablage. Schließlich schlüpfen daraus fertige Miniatur-Tintenfischchen, die sich selbstständig, ohne weitere Hilfe zu erwachsenen Tieren entwickeln. Männliche Sepia-Patienten entwickeln mitunter eine Art mütterliches Verhältnis zu Jungtieren (wie Caust.). Aber die Sepia-Patientinnen haben nicht das beste Verhältnis zu ihren Familienangehörigen, am wenigsten zu den maßregelnden Schwiegermüttern. Nach der Eiablage wird der weibliche Tintenfisch lethargisch, und mit sinkender Lebenskraft geht er seinem Lebensende entgegen. Die Sepia-Patientin leidet ebenfalls häufig unter Beschwerden nach dem Coitus, während der Gravidität und nach der Geburt. Nicht selten beginnen dann chronische Krankheiten, die nun nicht gleich zum Tode führen, sondern sich anfangs mit Depressionen, Schwäche und Enteroptose (Senkung von inneren Organen) zeigen, einen Verlauf wie ein Addison-Syndrom nehmen oder sich zur Malignität speziell im Bereich der Beckenorgane entwickeln können. Sepien können in Bruchteilen von Sekunden die Farbe wechseln. Das geschieht besonders bei „emotioneller Erregung“ durch die Aktivität ihrer Chromatophoren an der Körperoberfläche. Sogar im ausgeglichenen Gemütszustand herrscht meist eine zebraähnliche Streifung vor, deren Farbe aber unaufhörlich wechselt: Wo eben gerade noch „Schwarz“ oder „Dunkelbraun“ war, ist im nächsten Moment „Weiß“ und umgekehrt. Dieses Farbspiel wirkt im ersten Moment verwirrend auf den Betrachter, aber vielleicht ist das eine Art Taktik, passend zu ihrem „Verwirrspiel“, sich vor einem Gegenüber undurchschaubar-interessant zu machen?
Wenn sich die inaktive, „melancholische“ Sepia nach der Paarung an den Meeresboden zurückzieht und sich dort in den Sand hineinwühlt, nimmt sie mit täuschender Ähnlichkeit dessen Farbe an. Das erinnert an die überanstrengte, ausgelaugte, depressive Sepia-Patientin, die sich unauffällig in ihr Zimmer zurückzieht, um sich im Alleinsein zu erholen. Auch das Ausstoßen der dunklen Tinte hängt mit dem jeweiligen Gemütszustand des Tieres zusammen: Bei aufregendem Beutefang, bei Auseinandersetzungen mit Artgenossen, Feinden oder mit dem Partner setzt der Tintenfisch seine „braune Pigmentwolke“ wie ein Phantom ins Wasser und zieht sich dahinter zurück. Beim Säugetier wie beim Menschen hängt die Steuerung der Pigmentproduktion mit der Aktivität des Hypophysen-Nebennieren-Systems zusammen. Beim Sepia-Patienten finden sich häufig Störungen in der hypophysären Steuerung, insbesondere hinsichtlich der Sexual- und NebennierenHormone (z. B. Addison-Syndrom) mit Pigmentveränderungen der Haut. Das Ausstoßen der Tinte und der Wechsel der Körperfarbe sollen aber keineswegs bedeuten, dass dieses Lebewesen im Sinn von Feigheit „keine Farbe bekennen“ möchte; vielmehr ist die Sepia-Patientin „niemals dieselbe“, sie sagt unverblümt ihre Meinung, handelt aber oft im Widerspruch dazu – entgegen ihrer ursprünglichen Absicht. Die Sepia-Patientin ist oft unzufrieden mit sich und der Welt und sagt oft von sich selbst, sie „spüre“ sich nicht, brauche deshalb intensive, rhythmische Bewegung. Sie möchte andererseits nicht gänzlich „durchschaut“ oder „erkannt“ werden, sucht einen Streit, um dabei ihre Unzufriedenheit wie die „braune Tintenwolke“ auszustoßen, und zieht sich dann befriedigt zurück, um ihre Ruhe zu haben. Diesen offensichtlich undurchschaubaren, widersprüchlichen Charakter der Sepia-Patientin fasste der bekannte homöopathische Arzt Dr. MasiElizalde in dem Typ einer Patientin zusammen, die in ihrer Persönlichkeit nicht ganz erkannt werden möchte, sondern „etwas von sich selbst zurückhalten“ will. Ihr fehlt die weibliche Fähigkeit zur „Hingabe“. Auch beim Tierpatienten findet sich häufig ein widersprüchliches, launisches und streitsüchtiges Verhalten, das den Besitzer zwingt, ihm immer wieder seine Dominanz zu beweisen, was ihm letztlich unverständlich erscheint.
Sepia succus Sogar die Fortbewegung des Tintenfisches erscheint sonderbar: Durch Einsaugen von Meereswasser in den Mantelsack und dessen heftiges Ausstoßen kann sich dieses Tier in rasantem Tempo wie ein Torpedo nach rückwärts fortbewegen, ein Widerspruch in sich, welcher eigentlich der Natur eines Lebewesens widerspricht. Viele Symptome des Arzneimittelbildes haben etwas mit diesem Thema zu tun: Der Sepia-Patient kann oft zurückliegende, unangenehme Ereignisse nicht vergessen, leidet lange unter vergangenem Kummer, Enttäuschung, Kränkung oder Folgen von Ärger. Einerseits kann der Sepia-Patient entsprechend seinem großen Pflichtgefühl sehr „rücksichtsvoll“ sein, wahrt aber immer eine gewisse emotionelle Distanz zu seinem Nächsten. Andererseits kann er sich „ohne Rücksicht“ auf sich selbst für Ziele gemeinnütziger Gerechtigkeit einsetzen. Hier besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Arzneimittelbild von Nat-m. Der Körper des Tintenfisches besteht zum größten Teil aus straffer Muskulatur. Die zäh-elastische Beschaffenheit von frittierten Tintenfisch-Teilen (Kalamari, eng verwandt mit Sepia) ist allgemein bekannt. So ist auch der Körper der Sepia-Patientin anfangs straff und kräftig bemuskelt und häufig von männlichem Ausdruck bestimmt. Erst im Laufe fortgeschrittener Pathologie kann sich die viel beschriebene Bindegewebsschwäche entwickeln, die dazu führt, dass „alles hängt“: Bauch, Mamma, innere Organe, Augenlider, vielleicht sogar die gesamte Körperhaltung und schließlich auch die emotionelle Verfassung. Die verschiedenen Typen des Sepia-Patienten – wie auch in der Literatur, z. B. bei Vithoulkas beschrieben – sind einfach durch die unterschiedlichen Variationen des Themas „Unabhängigkeit“ zu erklären: Einerseits möchte „Sepia“ aktiv und selbstständig über ihr Wollen und Tun entscheiden, ohne Abhängigkeit von anderen Personen, Verpflichtungen oder äußeren Einflüssen („Yang-Verhalten“). Obwohl man beim Menschen solche Charakterstrukturen weitgehend der Steuerung durch den Verstand zuschreibt, finden sich diese Phänomene auch bei Tieren, erklärlich durch das morphogenetische Feld.
Weibliche Sepia-Tierpatienten zeigen ein häufig männlich geprägtes Dominanz-Verhalten gegenüber Bezugspersonen oder Artgenossen. In der Erziehung durch den Menschen neigen sie zu Widersetzlichkeit und trotzig herausforderndem Verhalten. Sepia-Hündinnen „erdreisten“ sich sogar oft, bei Gewitter wütend den „donnernden Göttervater Zeus“ zu verbellen (wie manche Phos.-Patienten). Einschränkungen durch „familiäre Verpflichtungen“ (Beziehung zum Menschen, zu Rudel oder Herde) ertragen Sepia-Tiere oftmals nicht gut: Manche Sepia-Mütter lehnen ihre Jungen ab, kümmern sich nur ungenügend um sie oder erziehen sie mit gewisser Härte zur Selbständigkeit; die Analogie zum Tintenfisch liegt nahe. Manche Sepia-Tiere weigern sich, eine konstante liebevolle Zuneigung zu ihrer menschlichen Familie zu zeigen und provozieren ihre Bezugspersonen mit Trotz und Widersetzlichkeit täglich aufs Neue. Die notorische Auflehnung gegen Zwang und Einschränkung kann sich durch Klärung der Dominanz (nachdem sich der Besitzer zum unzähligsten Male energisch durchgesetzt hat) überraschend – aber meist nur vorübergehend – in willigen Gehorsam wandeln. Am besten ist es, sich mit der Sepia im Frieden und gegenseitiger Achtung zu arrangieren. Sepia braucht einen „Kumpel“, keinen Partner oder Vorgesetzten, ihr Ideal ist das Teamwork mit gerechter Arbeitsverteilung. Die Sepia-Patientin weist häufig Trost und Zuwendung ab, obwohl ihr das in ihren depressiven Phasen durchaus wohl tun könnte. Sie empfindet Trost häufig als ungerechtfertigten Eingriff in ihr persönliches Erleben und weigert sich, jemandem das Urteil über ihre Gefühle einzugestehen und sich so einer Art Fremdbestimmung auszuliefern. Andererseits realisiert sie nicht die „Fremdbestimmung“, die unter dem Einfluss von pharmazeutischer Hormontherapie zustande kommt. Hier zeigt sich das Paradoxon der Sepia-Frau, was sie durchaus auch auf ihr Tier projizieren kann: Sie setzt sich aktiv für ihre Weiblichkeit, für Frauenrechte und Emanzipation ein und unterstellt sich – z. B. mit der „Pille“ – oder ihr Tier einer hormonellen Pharma-Therapie, womit sie gerade ihre persönliche „Weiblichkeit“ (den Eisprung) unterdrückt und in ihrer Widersprüchlichkeit gerade das Gegenteil dessen erreicht, was sie eigentlich anstrebt.
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Sepia succus Sepia ist das häufigste homöopathische Mittel für pharmazeutisch-hormonell induzierte Erkrankungen der Geschlechtsorgane (z. B. Endometritis, Sterilität).
Thema und Idee: Diskrepanz zwischen ,weiblichem‘ und ,männlichem‘ Prinzip, zwischen Yin und Yang, zwischen Empfänglichkeit und Aktivität, zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen Unabhängigkeit und Pflichterfüllung, zwischen Wollen und Tun.
Die entgegengesetzte Variante im Sepia-Bild kann sich manifestieren, indem die Sepia-Patientin ihre Unabhängigkeit aufgibt zugunsten „familiärer“ oder anderer „Verpflichtungen“.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Im Zentrum des Arzneimittelbilds von Sepia steht ein übermäßiges Bedürfnis nach uneingeschränkter Freiheit und Gerechtigkeit. Jede Einschränkung dieses grundlegenden Bedürfnisses verschlechtert ihren Zustand. Dieses Polychrest umfasst ein enorm breit gefächertes Bild mit oftmals widersprüchlichen Variationen dieses Themas: den Typ des frechen, herausfordernden Mädchens die kräftige, ambitionierte Leistungssportlerin die leidenschaftliche, temperamentvolle Tänzerin die maskuline Frau, die im Berufsleben „ihren Mann“ steht die fanatische Frauenrechtlerin, die keine Autorität duldet die über ihre Putzwut und ungezogene Kinder jammernde Hausfrau die trotz aller Widrigkeiten pflichtgetreue Mutter vieler Kinder die liebevolle, fleißige Oma mit Gebärmuttererkrankung oder Rektumkarzinom die depressive Pensionärin, deren größte Freude in der Leitung der Seniorengymnastik besteht und schließlich den mütterlichen Hausmann, der Wäsche bügelt, seine Kinder windelt und seine Rückenschmerzen durch Joggen lindert. Besonders in der Tierhomöopathie wird Sepia fast ausschließlich als Mittel für alte, „ausgepowerte“ Muttertiere dargestellt. Aber nicht einmal die Hälfte aller Sepia-Patientinnen leidet unter „hängender Mamma“ und „Enteroptose“ (Erschlaffung der bindegewebigen Aufhängung innerer Organe) oder zeigt das in der Literatur viel beschriebene mürrische, abweisende Verhalten mit Abneigung gegen Familienmitglieder.
Vielmehr gilt es, den Verlauf der Sepia-Pathologie und die vielfältigen Facetten der Signatur des Tintenfisches ins Auge zu fassen. Junge Sepia-Tierpatientinnen imponieren häufig durch ihren kräftig bemuskelten Körperbau, ihren eleganten Bewegungsablauf und ihre athletische Leistungsfähigkeit. Neben möglicherweise später Geschlechtsreife, schwacher Brunst oder Abneigung gegen die Bedeckung ist meist ein trotziges, unverschämtes und widerspenstiges Verhalten zu beobachten – zu ranghöheren Artgenossen und zu Menschen. Diese Tiere scheinen in ihrer Frechheit nichts anderes im Sinn zu haben, als mutwillig das Gegenteil von dem zu tun, was sie längst gelernt haben. Durch Strafe sind sie wenig zu beeindrucken, sie fordert unter Umständen neuerliche Widersetzlichkeit heraus – oder das Tier ist plötzlich, wiederum unerwartet, gehorsam und kooperativ. Im erwachsenen Alter ist die Widersetzlichkeit oft durch eine konsequente Bezugsperson im Zaum zu halten, die es versteht, Forderungen als „Vorschläge“ zu formulieren und so die Sepia-Patientin zur freiwilligen Kooperation zu motivieren. Ängstliche Menschen mit schwachem Selbstwert und ungenügender Dominanz landen mit einem Sepia-Tier beim Tierpsychologen, der ihnen wahrscheinlich dazu rät, entweder selbst „innerlich zu wachsen“ oder sich ein anderes Tier anzuschaffen. Die Sepia-Pathologie beginnt häufig nach Lebensphasen, die mit einer hormonellen Umstellung einhergehen (Geschlechtsreife, Trächtigkeit, Geburt, Versorgung von Jungen, Kastration), oder nach einer Therapie mit Geschlechtshormonen („Pille“, hormonelle Therapie bei Brunst, nach Fehlbedeckung oder für Zyklus-Synchronisation u. Ä.).
Sepia succus In seltenen Fällen kann sogar schon bei einer jungen Hündin nach der ersten Läufigkeit das hängende Gesäuge entstehen. Aber üblicherweise geschieht das erst nach mehreren Trächtigkeiten. Sogar die Töchter, die nach einer Hormon-Therapie geboren werden, entwickeln oft eine Sepia-Pathologie. Das beobachtet man häufig in der Humanhomöopathie und erzeugt einen großen Teil der Sepia-Mutter-Sepia-Tochter-Konflikte. Auch in der Tierhomöopathie kann die „Familienanamnese“ über Krankheiten und Vorbehandlung des Muttertieres (z. B. im Kuhstall) Hinweise auf eine evtl. notwendige Therapie mit Sepia geben. Nicht selten treten gerade bei solchen Tieren Nachgeburtsverhaltungen und andere Störungen des Urogenitals auf, deren Mütter mit Geschlechtshormonen therapiert worden sind und die nun erfolgreich mit Sepia behandelt werden können. Häufig kommt es im Rahmen der Sepia-Pathologie zu Vaginalausfluss, Endometritis, Aborten, Sterilität oder allgemeiner Abgeschlagenheit. Constantin Hering soll betont haben, dass weibliche Wesen mit mehrfach aufgetretenen Aborten meist Sepia benötigen. Allgemeiner Hypotonus, Adynamie und Depression bessern sich deutlich durch lang dauernde oder anstrengende Bewegung. Oft suchen diese Sepia-Patienten von sich aus eine Möglichkeit, ihren Drang zum Rennen zu befriedigen: Hündinnen rennen unermüdlich, spielen und toben mit Artgenossen und können es gar nicht fassen, dass diese nach einer Weile ermüdet abliegen. Oder sie trainieren ihren müden Besitzer mit unendlich langen Dauerläufen oder Wanderungen. Pferde galoppieren mit Ausdauer in ihrem Auslauf herum und sogar Kühe machen Bocksprünge und toben auf der Weide umher. Des Weiteren können Hauterkrankungen, möglicherweise mit Störungen der Pigmentierung, auftreten (z. B. Addison-, Cushing-Syndrom, Acanthosis nigricans) sowie die bekannten Symptome von Bänder- und Bindegewebsschwäche, Inkontinenz der Harnblase und schließlich kanzeröse Erkrankungen der Beckenorgane (Rektumkarzinom, Gebärmutter- und Ovarialkarzinom u. Ä.).
Sepia-Stuten eignen sich hervorragend für den Leistungssport, für Springen, Military, Distanzrennen und Dressur-Reiten, aber sie brauchen einen adäquaten Reiter, der sie konsequent fordert und es versteht, sie für eine Art Teamwork zu motivieren. Gerade die Sepia-Stute braucht eine fordernde Aufgabe, bei der sie kooperativ, aber nicht als unterjochtes Wesen, mitarbeiten kann. Durch autoritäre Dominanz und zusätzlich reine Boxenhaltung (ruhiges Stillstehen) kann sie infolge Widersetzlichkeit und anschließender Adynamie zum unreitbaren oder kranken Pferd werden.
Stute
Sepia ist in vielen Fällen kaum von Nat-m. zu unterscheiden. Differenzierende Zeichen, die für Sepia sprechen, können möglicherweise eine vorangegangene Hormon-Therapie sein, gute Verträglichkeit von Sonne, etwas weniger ausgeprägte Tendenz zum Einzelgänger, dafür eine ausgeprägtere
Alfons Geukens betont, unter den Marathon-Läuferinnen gebe es sehr viele Sepia- und Nat-m.-Konstitutionen (Ars. sollte man ergänzen, zumindest für Pferde).
Hündin Die Sepia-Hündin eignet sich nicht als ruhiger und leinenführiger Begleithund älterer Leute (die wären besser mit einem Puls.- oder Calc-c.-Hund versorgt). Auch die Sepia-Hündin braucht Anstrengung und lange Spaziergänge, einen Besitzer, der sie wie einen gleichberechtigten „Kumpel“ akzeptiert, und am besten eine „sinnvolle“ Aufgabe (Schutzhund, Katastrophen- oder Lawinenhund). Sepia Hündinnen gehören häufig zu Sepia-Frauen, die ihren deprimierenden Frust über Haushalt und Kinder im gemeinsamen Joggen mit der SepiaHündin kompensieren.
Kuh Die Sepia-Kuh ist nicht immer leicht von der Natm.-Kuh zu unterscheiden; beide zeigen mürrische und abweisende Stimmung. Das Verhalten der Kuh ist uns i. d. R. nicht in dem Maße zugänglich wie das von Hund und Pferd. Stattdessen liegen meist entsprechende deutliche Sepia-Erkrankungen vor, wie Vaginal-Ausfluss nach retinierten Nachgeburten, Endometritis, Senkung des Uterus usw. Hinzu kommt, dass eine Anbindehaltung ohne Weidegang die Sepia-Pathologie umso schneller fortschreiten lässt: „Stubenhocken“ ist „Gift“, auch für Sepia-Kühe.
Differenzierung zu Nat-m.
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Sepia succus Widersetzlichkeit gegen dominierende Autoritäten, Sepia gehört wie Caust. und Merc. zu den „Anarchisten“. Sepia ist – sofern die Pathologie noch nicht zu weit fortgeschritten ist – meist von lebhafterer und dynamischerer Art als Nat-m. Nat-m.-Patienten wollen geliebt werden, können aber die Emotionalität nicht zulassen und erwidern. Sepia kann das eher und behandelt die eigenen Angehörigen, die sie am meisten liebt, am schlechtesten und signalisiert, dass sie diese eigentlich gar nicht braucht. Später ärgert sie sich über ihr Verhalten. Dr. Künzli, bekannter Homöopathie-Lehrer aus der Schweiz, empfahl, zuerst Sepia zu geben, wenn
in der Anamnese neben überwiegenden Nat-m.Symptomen wenige typische für Sepia vorhanden sind. Als besonderes Phänomen kann man immer wieder beobachten, dass konstitutionelle SepiaTierpatienten zu Sepia-Besitzerinnen gehören (wie Nat-m.-Tiere häufig zu Nat-m.-Menschen), mit denen sie kumpelhaft „durch Dick und Dünn“ gehen – das typische Haustier einer selbstbestimmenden, autarken Sepia-Frau. „Teamwork zwischen Mensch und Tier“ ist das Thema, welches sich Sepia-Patientinnen mit ihrem Haustier wünschen.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: akute interkurrente Erkrankungen, z. B. von Nat-m.-, Caust.-, Lyc.-, Phos.-, Sulf.-Patientinnen (u. a.) chronische Krankheiten häufiges und wichtiges konstitutionelles Mittel Augen: Knötchen, Warzen an den Lidern, Gerstenkörner Atemwege: Sinusitis, Tonsillitis, Pharyngitis, Bronchitis, Pneumonie, allergische, asthmoide Bronchitis Atemnot ⬎ durch lange oder anstrengende Bewegung (wie oftmals bei Ars.) Rektum: Erkrankungen bis Karzinom schwieriger, mühsamer Kotabsatz, auch bei weichem Kot Juckreiz, Hautausschläge Genitale: Erkrankungen aller Art hormonelle Probleme, Hormonumstellung (Kastration), Folgen von Hormonbehandlungen Probleme nach Retentio sec., Zyklusstörungen, Sterilität, Endometritis, Prolaps, Abort Fluor stinkend, juckend, chronisch, wund machend, Fluor bei Jungtieren Warzen im Genitalbereich
Abneigung gegen Bedeckung, Senkung, Urovagina, Pneumovagina, Vaginalprolaps im Liegen Zystitis, nach Bedeckung oder Besamung, während Brunst, durch Kaltwerden Inkontinenz Haut: Erkrankungen vieler Art, häufig mit Überpigmentierung verbunden hormonell bedingter Haarausfall, nach Kastration, nach Geburt, auch im Genitalbereich, Hautausschläge im Gesicht, Lefzenekzem, Akne Mauke auch an den Vorderbeinen, ⬍ im Winter, an der Dorsalseite der Vorderbeine Hautausschläge ⬍ im Winter, ⬍ Nasswerden ringförmige Mykosen Warzen, oft pigmentiert, am Bauch, dort braune Flecke Entwicklung von dunklen Pigmentflecken bei älteren Tieren gelegentlich Gelbfärbung um das Maul, die Nase, Genital und After wund machender Fußschweiß (wunde Pfoten, fauler Strahl) Bewegungsapparat: Rückenschmerzen, Lahmheiten aller Lokalisationen, Stolpern Kuh: Probleme durch zu hohe Milchleistung, schwieriges Aufstehen, ⬍ bei Stallhaltung
Sepia succus Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten überwiegend weibliche Organismen, auch männliche Kastraten häufig rothaarige oder dunkel und kräftig pigmentierte Tiere häufig große Tiere oft vorzeitige Alterung mit Grauwerden des Haarkleides Pferd: Rappen, Braune, Füchse, Schimmel mit dunklen Pigmentflecken (z. B. Forellenschimmel), Schimmel mit Tendenz zu „Krötenflecken“ (Depigmentierung um Körperöffnungen) lokale Depigmentierung helle Augen bei dunklem Fell (Lyc., Nat-m.) häufiges Zufallen der Augen oder Augen nicht ganz geöffnet oft gelbliche Verfärbung um Körperöffnungen (nur sichtbar, wenn unpigmentiert) oft grobknochiger, eckiger Körperbau, weniger „weiche“ Konturen häufig männliches, knochiges Becken häufig kräftig bemuskelte, elegante weibliche Tiere, oft mit männlichem Ausdruck, stolzes Gehabe vermännlichte weibliche Tiere, z. B. stolze Herdenchefin, Leittiere, dominant-sozial oder weiche, sensible, liebe männliche Wesen oder Kastraten in jugendlichem Alter sehr leistungsfähige „Leichtathleten“, aber oft eigensinnig, widersetzlich manchmal allgemeiner Ausdruck von Schwäche: müder Gesichtsausdruck, hängende Ohren Bindegewebsschwäche evtl. schon nach einer oder erst nach mehreren Geburten in fortgeschrittener Pathologie alter Muttertiere: Hängebauch, hängende Mamma, Enteroptose, Durchtrittigkeit, Senkrücken Uterussenkung, Urovagina, Pneumovagina, schlechter Scheidenschluss, lockere Labien Rind, Pferd: oft an der Lage des Anus erkennbare Uterussenkung brave, alte, erschöpfte, nachgiebige Muttertiere aber auch noch immer widersetzliche ,alte Mütter‘ oder abweisend, mürrisch, ohne Zeichen von Lebensfreude, wie depressiv häufig große, unermüdliche Lauffreude
müde und schwach am Anfang der Bewegung, allgemein besser durch anstrengende Bewegung empfindlich gegen Gerüche, speziell von Rauch oft depressiv beim Säugen der Jungen („Muss ich mich schon wieder für dich opfern“) drückt gern das Hinterteil/Schwanz gegen die Wand wegen „Senkungsbeschwerden“ stinkender Körpergeruch (Schweiß) oder ausgeprägter geschlechtsspezifischer Geruch Zahneindrücke in der Zunge
Hündin junge Hündin spritzig, lebendig, kräftige Muskeln, selbstbewusstes Auftreten ältere oder Zuchthündin: manchmal hängendes, baumelndes Gesäuge, durchtrittige distale Extremitäten, gespreizte Pfoten, Senkrücken hellbraune Flecke am Bauch (bei unpigmentierter Haut) schwarz pigmentierte Hauterkrankungen (Thuj., Sulf.) distanziert zum Besitzer
Pferd Sepia kommt gehäuft in bestimmten Zuchtlinien vor Hochleistungspferd (Military, Distanzritte, Springen, Dressur, Marathonfahren) Durchtrittigkeit, Senkrücken alter Zuchtstuten oft hängende Unterlippe auffallendes Flehmen bei starken Gerüchen, z. B. Zigaretten- oder Pfeifenrauch
Kuh oft männlicher Ausdruck, kräftig bemuskelt, gedrungener Kopf wie ein Stier Zustand nach wiederholten Nachgeburtsverhaltungen mit Tendenz zu Sterilität oder Abort mit Uterussenkung, schlechtem Scheidenschluss, Uro-, Pneumovagina mit chronischem, wund machendem, stinkendem, evtl. bräunlichem Scheidenausfluss Endometritis insbesondere ab 10. Tag post partum (nicht für akute Puerperalsepsis)
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Sepia succus Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Das Verhalten wird weitgehend durch Alter, Stadium und Ausprägung der Pathologie bestimmt, ferner durch Persönlichkeit und Durchsetzungsvermögen der Bezugsperson. meist ranghohe, dominierende weibliche Tiere häufig Probleme mit Unterordnung und Gehorsam, nicht weich und anschmiegsam Rangstreit mit dem Menschen Sepia-Tiere finden garantiert die Schwachpunkte ihrer Bezugspersonen heraus – nutzen das aus, um diese zu provozieren – widerspenstig, „Neigung zum Widersprechen“, ungehorsam Sepia-Tiere brauchen starke Bezugspersonen und konsequente Behandlung häufig provozierende Dominanz, stellt ständig die Dominanz infrage man muss sich mit ihr arrangieren, muss sie sich zur Freundin, zum gleichberechtigten „Kumpel“ machen, damit sie „freiwillig“ ihre Aufgaben erfüllt „nicht gerechtfertigte“ Dominanz erzeugt heftige Widersetzlichkeit Freude und Frechheit trotz Zurechtweisung Verhaltensprobleme und Widersetzlichkeit bei schwacher und inkonsequenter Bezugsperson leidet am meisten, wenn ausgelacht oder nicht ernst genommen, will akzeptiert sein! Einkoten oder Einnässen als Protest gegen Autoritäten, nachtragend bei ungerechtem Tadel oft extrem leistungsfähig, aber nicht immer leistungswillig kein „Schmusetier“, Zuwendung ist nicht immer willkommen oder wird abgewehrt (aber nicht so ablehnendes Verhalten wie Nat-m.) Ablehnung von überschwänglichen Liebesbezeigungen nicht primär Tendenz zum Einzelgänger wie Natm. (Sepia ist autark, sie „braucht“ keine große Nähe, Nat-m. lehnt sie ab) meist sehr gutes Sozialverhalten sehr gute, aber strenge Mütter, gute Erzieherin meist gut zu Kindern und Jungtieren, sofern sie nicht überfordert wird oft „deprimierter“ Blick gleich nach der Geburt oft traurig und abweisend in den ersten Tagen nach der Geburt beim Säugen manchmal gereiztes Ablehnen von Jungen, Beißen oder Schlagen bei Mehrlingsgeburten manchmal Ablehnen nur eines Tieres (mehr Kinder sind ihr „zu viel“)
aber bei „Frust“ und schlechter Laune auch streitsüchtig und reizbar zu Rangtieferen (wie Lyc.) auch Abneigung gegen Familienmitglieder, gegen männliche Wesen, gegen ihre Jungen oft Konkurrenzverhalten, Streit um die Vorherrschaft mit anderen Familientieren Sepia kann auch rangtief sein und „nachgiebig“, besonders bei fortgeschrittener Pathologie
Hündin fröhliches Bellen bei Zurechtweisungen, nimmt diese „nicht ernst“ tut „absichtlich“ das Gegenteil dessen, was gefordert wird, Protestverhalten kann die Besitzer durch ihre „Provokationen“ zur Verzweiflung bringen! Frechheiten und Trotz bei jungen Hündinnen Aggressivität gegen Rüden, lässt sich nicht decken Aufreiten auf anderen Hündinnen oder kastrierten Rüden Klammern am Bein der Besitzerin als Demonstration von Dominanz braucht viel Bewegung, braucht eine Aufgabe unermüdliches Rennen, Herumtoben und Spielen mit Artgenossen alle anderen Kollegen sind erschöpft, Sepia wird immer lauffreudiger aber träge und müde am Anfang des Gassi-Gehens fröhlicher Begleithund der wandernden, joggenden oder „walkenden“ Hausfrau sehr gut geeignet als Ein-Frau(Mann)-Hund im Hundesport, gern „Teamwork“ begeisterter Hund für Aufgaben, die „Engagement“ erfordern, wie Lawinen-Suchhund kein Hund für ruhige, ältere Leute, die langsam mit ihm an der Leine spazieren gehen wollen leidet, wenn ausgelacht oder nicht ernst genommen, will „gewürdigt“ und „anerkannt“ sein oft Abneigung gegen das Kämmen oder Bürsten (gleichbedeutend mit „Unterwerfung“) wenn erschöpft oder krank, Abneigung gegen Gesellschaft, mürrisches Wesen müde, mag sich nicht bewegen, aber wenn sie in Schwung ist, geht es immer besser unzufriedenes, häufiges Jammern Wesensveränderung nach Kastration (beim Tier synonym mit „Klimakterium“)
Sepia succus möglicherweise auch völlig „normales“ und unauffälliges Verhalten!
Pferd das Sepia-Pferd will galoppieren und Leistung bringen Boxenhaltung mit wenig Bewegung lässt die Pathologie fortschreiten häufig das Turnier- oder Freizeitpferd einer engagierten Sepia-Frau Hochleistungspferd für den Turnier-Sport aller Kategorien, oft dadurch sterile Stuten braucht konsequente, durchsetzungsfähige Reiter(innen) Widersetzlichkeit durch Zwang, kann unreitbar sein nicht geeignet für den ängstlichen oder alten Spazierreiter
Kuh Zorn und Abwehr über Streicheln oder Kraulen, besonders am Stirnschopf häufiger als bei anderen Tieren mürrisches, abweisendes Wesen oft Streitsucht mit ranggleichen Kühen (Kampfkühe aus dem Schweizer Wallis) bespringt häufig andere Kühe ohne Brunsterscheinungen manchmal Widersetzlichkeit beim Melken (entspricht „Abneigung gegen Kinder“) oder auffallend guter Bezug zum Kalb mit Kummer über dessen Absetzen unverständliches, eigensinniges Verhalten, tut, was sie will leidet ungemein unter Anbindehaltung ohne Weidegang („Sitzende Lebensweise“) geht wegen Mattigkeit unter den Letzten aus dem Stall auf die Weide aber bei Gesundheit unter den Ersten!
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Atemwege: chronische oder rezidivierende Tonsillitis, Pharyngitis, Bronchitis Schluckzwang oder Dysphagie Infekte nach Kaltwerden, auch nach Schwitzen oder Kaltwerden eines Körperteils physische und psychische Erschöpfung z. B. durch Trächtigkeit, Geburten, Säugen, Abort Atemwegserkrankungen beginnend mit unspezifischem Katarrh oder Rhinitis anschließend oft Sinusitis, mit Tendenz zu Rezidiven oder Chronizität Sinusitis mit stinkendem Atem auch allergische Rhinitis, allergische Atemwegserkrankungen absteigende Atemwegsinfekte bis Bronchitis oder Bronchopneumonie manchmal Reizhusten aus Larynx und Trachea Husten mit Brechwürgen oder Erbrechen, mit Inkontinenz beim Husten Husten trocken, kurz, rasselnd, krampfartig, erschöpfend Husten ⬍ morgens oder nachts, ⬍ im Liegen, verhindert den Schlaf schluckt Auswurf herunter Pferd: chronische Bronchitis, Atemnot besser durch fortgesetzte, anstrengende Bewegung
Verdauungsapparat: Zahneindrücke in der Zunge Zungenkrebs wundes, exkoriiertes, schwammiges Zahnfleisch, speziell um die Zähne, wunde Zunge ulzerierende Stomatitis (Maulfäule) mit penetrantem, widerwärtigem Gestank häufig gierige Fresser („Angst vor Armut“) frisst evtl. gern säuerliches Futter häufig Abneigung oder Unverträglichkeit von Milch (Obstipation) Tendenz zu Obstipation, speziell in der Gravidität und nach der Geburt schwieriger, evtl. schmerzhafter Kotabsatz, sogar bei weichem Kot starkes Drängen, viel ineffektiver Drang, evtl. Schmerzen im Rektum, evtl. Rektumprolaps häufig klein geballter Kot („Schafkot“) Verstopfung abwechselnd mit Durchfall oft stinkende Flatulenz Durchfall nach emotioneller Aufregung, während der Trächtigkeit juckender, wunder, kribbelnder After (Pferd: reibt die Schwanzrübe) Rektumkarzinom (Nit-ac. u. a.) Hündin: Entzündungen der Analdrüsen mit Fisteln, Schmerzen und ständigem Lecken (andere Mittel!); Übelkeit und Erbrechen beim Autofahren
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Sepia succus Genital: Gebärmuttersenkung und andere Verlagerungen, mit oder ohne vorangegangene Geburten Vaginalprolaps, meist besonders sichtbar im Liegen der Tiere schlechter Scheidenschluss, Uro- oder Pneumovagina veränderte Lage der Vulva nach Schwergeburt Warzen, Kondylome im Genitalbereich Entzündung von Eileitern, Vaginitis, Metritis, chronische Endometritis: häufigstes Mittel Sepia! Vaginalmykosen, besonders nach Hormon-Therapie Pyometra meist verbunden mit Ausfluss, seltener geschlossene Pyometra (wie Puls. oder Lach.) chronische Endometritis mit diesem Ausfluss chronischer, stinkender, wund machender, juckender Ausfluss Erosion des Muttermundes Herpes genitalis Ausfluss weißlich bis schmutzig-rötlich bis braun Ausfluss verursacht Juckreiz, sehr viel Lecken, Knabbern bzw. schubbern Haarausfall, juckende Hautausschläge, evtl. verursacht durch wund machenden Vaginalausfluss Zyklusanomalien, zu kurz oder zu lang, ausbleibend, undeutliche Brunst Zyklusstörungen durch ovarielle Unterfunktion, evtl. durch erhöhten Testosteronspiegel Abneigung gegen Bedeckung (gegen „Unterlegenheit“), auch wegen Schmerzen Folgen von „Vergewaltigung“ (ausgebrochener Stier, Hengst) Sterilität, Abortneigung speziell nach HormonTherapie Schwierigkeiten beim Decken, weibliches Tier steht nicht, das männliche Tier wird häufig abgelehnt Sterilität nach antibiotisch behandelter Nachgeburtsverhaltung (Puls., Lach. u. a.) Ovarialzysten, meist kleinkammerig, mit Widersetzlichkeit gegen alles Kuh, Stute: subakute bis chronische Endometritis nach zurückgebliebenen Resten der Nachgeburt; ,Herausdrängen‘ der Genitalorgane, besser durch Gegendruck, z. B. Lehnen gegen Wand; Beschwerden besser durch intensive Bewegung, schlechter bei Stallhaltung
Hündin: akute, subakute bis chronische Endometritis; bei septischen Zuständen kann zusätzlich Pyrogenium erforderlich sein; kann nach Therapie mit Sepia durchaus wieder zuchttauglich sein! Gravidität: Tendenz zu Vaginalprolaps, „Herausdrängen“, besser durch Gegendruck; träger Kreislauf, ⬍ Stallhaltung; oft Tendenz zu Obstipation in Gravidität Abort: habituell, nach dem ersten Drittel der Tragzeit Stute: Kolik durch Bewegungen des Fetus (auch: Arn., Con., Op., Puls., Sil.) Kuh: Tendenz zu Torsio wegen Bänderschwäche Geburt: alle möglichen Störungen: rigide Cervix; zu starke oder zu schwache Krampfwehen mit anschließender Erschöpfung (Caul.); Nachgeburtsverhaltung, häufiges Mittel (nach Gabe von Sepia in angemessener Potenz; Spontanabgang nach 12 – 24 Stunden ohne Sepsis!); oft heftige Nachwehen Abneigung gegen das Junge aus Erschöpfung, oder wegen anderer Interessen (Bewegung, Rennen), oder weil als störend und lästig empfunden Stute: Nachgeburtsverhaltung mit Geburtsrehe: erfordert meist zusätzlich Pyrog. oder Nux-v. bei Toxinüberlastung mit Leberbeteiligung Rüde: Prostataerkrankungen (Lyc. u. a.) Harnwege: Zystitis mit häufigem, zwingendem Harndrang, Blasensteine Zystitis durch kalte Füße, kaltes Lager, Nässe, nasses Fell z. B. durch Baden, ⬍ bei Schneewetter Zystitis bevorzugt während der Brunst oder Trächtigkeit anhaltender Harndrang beim Prolaps vaginae Absonderung aus der Harnröhre schleimig gelb grüngelb, juckend, verklebte Labien, oft kaum vom Vaginalausfluss zu unterscheiden stinkender Urin, manchmal von brauner Farbe oder blutig Urinieren erschwert, muss pressen, ⬍ morgens Einnässen der Hündin infolge Sphinkterschwäche, beginnend mit der hormonellen Umstellung nach Kastration oder Hormon-Therapie Haut: Pigmentstörungen braune, dunkle Flecke am Bauch und von wenig pigmentierten Regionen hell pigmentierte Tiere werden gelblich ums Maul, um Augen, After und Vulva
Sepia succus weiße Flecke an pigmentierter Haut wie Vitiligo Risse, Fissuren, ⬍ im Winter Haarausfall bei Änderung des Hormonhaushalts, z. B. nach Kastration der Hündin, nach Kastration des Rüden Warzen verschiedener Formationen: pigmentiert, hornig, gezackt, gestielt, flach, in Gruppen angeordnet, schmerzhaft Hund: Warzen an den Pfoten, Ballen, am Kopf, um das Maul, am Hals, Bauch, Anus, Lider Pferd: Haut trocken, kann nicht schwitzen; evtl. zu erwägen beim Schimmelmelanom (Nit-ac.) Hautausschläge: Hautausschläge im Winter, im Frühling, beim Haarwechsel juckende Hautausschläge in Ellbeugen, axillar, inguinal, Schwanzfalten, an distalen Extremitäten, in Gelenksbeugen, um das Genital Hund: Zwischenzehenekzem mit Einrissen, Lefzenekzem Pferd: Mauke auch an den Vorderextremitäten; wunde rissige Maulwinkel häufig pigmentierte Hautausschläge (Graph., Sulf., Thuj.), besonders um die Vulva
schuppige, schmierige, graue Hautausschläge (Acanthosis nigricans, Ichthyosis-ähnliche Erscheinungen) Bläschen, Krusten, abschuppend, sich ausbreitend Urtikaria, auch chronisch, ⬍ im Freien, ⬍ in kalter Luft, ⬎ im warmen Stall, Zimmer, ⬎ durch Warmwerden bei Anstrengung Juckreiz heftig, muss wund kratzen, Bluten nach Kratzen, schmerzhaft nach Kratzen Juckreiz an schwitzenden Körperteilen Juckreiz in Genitalbereich Juckreiz während der Trächtigkeit Trichophytie ringförmig besonders am Oberkörper (Bac., Tellur am ganzen Körper) Verhärtungen durch Druck (Hund: pigmentierte große Liegeschwielen) Hautkrebs Pferd: Mauke auch oder zuerst an den Vorderbeinen; fauler Strahl, stinkend! Hund: Zwischenzehenekzem, besonders an den Vorderpfoten, häufig bei der Sepia-Hündin! Folge und Ergänzungsmittel: Nat-m., Caust., Ign., Lyc., Nux-v., Phos., Puls., Sulf., Thuj.
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Kaltwerden, Erkältung, Kaltwerden nach Schwitzen Kaltwerden eines Körperteils (z. B. „kalte Füße“) kalt Baden, feuchtes Lager, Einstreu Erschöpfung durch Gravidität, Säugen, Nachgeburtsverhaltung mit Metritis, Abort Überforderung durch zu viele Jungtiere, durch Welpenaufzucht Erkrankungen durch hormonelle Umstellung, seit der Geschlechtsreife, seit der Geburt, seit der Kastration, seit der Therapie mit Geschlechtshormonen („Abspritzen“, „Hormonspirale“ u. Ä.) Beschwerden nach (mehreren) Trächtigkeit(en) Beschwerden nach Bedecken oder Besamen Folgen von Säfteverlust (z. B. Milchsekretion) Folgen von unterdrückten Hautausschlägen
Modalitäten: ⬍ am Anfang der Bewegung, umso ⬎, je mehr sie läuft alles besser durch intensive, anstrengende Bewegung trotz Erschöpfung ⬍ durch Bewegungsmangel, bei Stallhaltung, ⬍ durch Boxen- oder Anbindehaltung ⬍ durch jede Form von Einengung, physisch und psychisch ⬍ schwüles Wetter, ⬍ bei Schneewetter, ⬎ Gewitter ⬍ 16 – 18 Uhr, ⬍ vormittags, ⬍ abends ⬍ morgens („Morgenmuffel“) ⬍ oder ⬎ während Läufigkeit, ⬍ Coitus, ⬍ nach der Geburt ⬍ Übelkeit bis Erbrechen durch Autofahren ⬍ linke Seite ⬎ durch Druck und Gegendruck ⬎ heiße Anwendungen
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Sepia succus Ausgewählte Fallbeispiele Die erste homöopathisch behandelte Pyometra einer Schäferhündin Den ersten homöopathischen Versuch einer Pyometra-Behandlung ohne zusätzliche Pharma-Therapie unternahmen Hartmut Krüger und ich 1982: Eine 6-jährige, sehr wertvolle Schäferhündin, deren dreimaliger Nachwuchs als ausgebildete Schutz- und Zuchttiere in die USA exportiert waren, wurde wegen einer eitrigen Endometritis in der Praxis vorgestellt. Die Hündin hatte bereits nach dem letzten Wurf die Welpen nur unter Schwierigkeiten angenommen: Sie musste anfangs zum Säugen festgehalten werden, weil sie die Jungen fortstoßen wollte. Sie wurde mit dunkel braunrotem, stinkendem Ausfluss und 39,8⬚ Fieber in der Praxis vorgestellt, zusätzlich Inappetenz und allgemeine Schwäche, verstärkter Durst, wund exkoriierte Haut unter der verklebten Vulva.
Vom Besitzer erfuhren wir einige Monate später, dass er die Hündin verkauft habe. 2 Jahre später hörten wir von einem anderen Schäferhunde-Züchter, der mit einem anderen Tier in die Praxis kam, er habe diese Hündin gekauft und gerade den zweiten, sehr guten Wurf von ihr bekommen.
Epikrise Nach diesem langwierigen ersten Pyometra-Fall hatten wir dann den Mut, späterhin ähnliche Fälle mit einer höheren Potenz Sepia zu behandeln. Ähnliches Geschehen reagiert erfahrungsgemäß am besten und durchschlagend mit einer XM-Potenz, die man nur selten kurzfristig wiederholen muss. Allerdings empfiehlt sich auch hier, die Heilung im schweren septischen Geschehen evtl. durch Pyrogenium zu unterstützen.
Therapie
Pyometra bei einem Meerschweinchen
Anfangs bekam sie eine Injektion Sepia C 30 – ohne Erfolg. Nach 2 Tagen bekam sie Sepia C 200, darauf ging es ihr überraschend besser. Sie wurde munterer, der Ausfluss ließ nach. Der weitere Verlauf wurde durch tägliche telefonische Rückmeldungen verfolgt. Aber nach 4 Tagen ging es ihr wieder schlechter. Wir trauten uns nicht, die Sepia 200 nach so kurzer Zeit zu wiederholen, darum bekam sie – nach klinischen Gesichtpunkten – Pyrogenium C 200. Darauf erfolgte wiederum eine wesentliche Besserung im Allgemeinbefinden, sie fraß wieder, aber nach weitern 4 Tagen trat derselbe Vaginalausfluss vermehrt auf. Sepia 200 wurde wiederholt, was aber wiederum nur für wenige Tage besserte. Die Therapie zog sich über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen hin, mit abwechselnden Gaben von Sepia C 200 und Pyrogenium C 200. Die Abstände der Sepia- und Pyrogenium-Gaben vergrößerten sich allmählich und endlich blieb der Ausfluss weg und die Hündin war anhaltend in fieberfreiem gutem Allgemeinbefinden.
Am 23.2.1994 bringt eine ganze Familie ihr weibliches Meerschweinchen zur Behandlung, weil es „so müde“ sei und „nicht mehr richtig esse“. Das braun-weiß gefleckte Tierchen, ca. 500 g schwer, sitzt still und halb im Heu vergraben in seinem Käfig. Der Kot ist normal geformt; die Familienmutter erklärt, sie habe auch einen normalen Urinfleck beim Reinigen des Käfigs vorgefunden, aber das Tier ströme „solch einen widerlichen Geruch“ aus. Auf dem Untersuchungstisch quietscht das Meerschweinchen ein wenig, bleibt reaktionslos und apathisch auf der Stelle sitzen. Die Mutter meint: „Minni ist krank, sonst würde sie jetzt wie der Blitz davonflitzen!“ In der Hand lässt sie sich ohne Abwehr untersuchen und ins Maul schauen: Die Schleimhäute sind grauweiß verfärbt, kein besonderer Befund, keine Schmerzäußerungen, keine Berührungs- oder Druckempfindlichkeit, das Abdomen ist weich, das ganze Tier scheint einen schlaffen Muskeltonus zu haben. Auch an After und Vulva ist nichts Auffallendes zu erkennen.
Sepia succus Doch plötzlich, während ich das Tier in Rückenlage in der Hand halte und nochmals das Abdomen palpiere, tropft aus der Vulva eine rötlich-braune, rahmig-schleimige Flüssigkeit von Ekel erregendem Geruch; die Absonderung scheint kein Ende nehmen zu wollen, bis sich etwa eine Menge von ca. 10 ml in die Nierenschale ergossen hat.
Diagnose Pyometra.
Mittelwahl Die zugehörigen Symptome aus dem Repertorium sind: Genital, weiblich, Pyometra Genital, weiblich, Fluor blutig Genital, weiblich, Fluor wie Fleischwasser Genital, weiblich, Geruch stinkend, faulig
Therapie Das homöopathische Mittel ist Sepia. Das Meerschweinchen bekommt sie als einmalige Gabe in der 1000. Centesimal-Potenz, 2 Globuli in Wasser aufgelöst, per os. 3 Tage später wird das Tierchen wiederum vorgestellt. Eine einschlägige Besserung ist noch nicht festzustellen. „Aber vielleicht frisst Minni ein wenig mehr?“ Zum Trost für die Besitzer – ut aliquid fiat – bekommt das Tier ein Placebo per os, weil der Organismus auf das Signal zur Heilung noch weiterhin reagieren muss. 1 Woche später stellen die Besitzer ein gesundes Meerschwein vor, das sich nun nicht mehr freiwillig in die Hand nehmen lässt, das wieder munter mit seinem Kameraden, einem Zwerghasen, spielt und eine normale Futteraufnahme zeigt. Der üble Geruch im Käfig ist nicht mehr aufgetreten, keine weitere Therapie. Das Meerschwein ist bis 1996 frei von Krankheitszeichen, später hörte ich nichts mehr von den Besitzern.
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Silicea terra
Kieselerde
Signatur, Thema und Idee des Mittels Silicea, Kieselsäure, ist eine mineralische Substanz, die sich aus dem flüssig-amorphen Zustand zur festen kristallinen Form des Quarz bzw. Bergkristall entwickelt hat. In der Urzeit der Erdentwicklung brach flüssige Magma-Schmelze – zum großen Teil bestehend aus Silikaten – aus Erdspalten und Vulkanen – wie aus Fisteln – hervor. Im strukturierten Erstarrungsprozess entstanden Erdformationen, Landschaften, Gebirge, Steine, Kristalle, Sand und Staub (Silicea terra, lat. Kiesel-Erde). Silizium ist der Grundbaustein aller anorganischen Substanzen, auch dem lebendigen Organismus verleiht es als essenzielles Spurenelement stabile Grenzen und feste, elastisch-belastbare Form. Bereits die Urlebewesen des Meeres bildeten aus Kieselsäure die ersten filigran organisierten Skelette (Radiolarien, Kieselalgen); damit erhielten die amorphen Einzeller erstmals eine stabile Form. Strukturierte Form, Stabilität, Härte und Organisation sind wesentliche Aspekte im homöopathischen Arzneimittelbild, ebenso organgerechte Wasserbindung und ausgeglichener Sol-Gel-Zustand im elastischen Gewebe. Homöopathische Silicea ist geeignet für Lebewesen, denen physische und psychische Form, Stabilität oder Organisation fehlen. Verletzungen der Haut neigen zu mangelhafter Heilung, eingedrungene Fremdkörper führen zur Entwicklung von fistelnden Wunden. Silicea gibt dem Organismus die Kraft, solche Fremdkörper auszutreiben und eine unversehrte Körperoberfläche wieder herzustellen. DerSilicea-Organismus,derzudenverfrorensten Patienten der Materia medica gehört, kann sich oft noch nicht einmal durch Körperübungen erwärmen. Silicium bildet die Grundsubstanz zahlreicher Edel- und Halbedelsteine, die in allen Farben zum Schmuck der Schönheit dienen. Ähnlich ergeht es uns, wenn wir einem SiliceaPatienten gegenüberstehen: Er vermittelt den Eindruck eines verfeinerten, edlen, noblen, schönen und zerbrechlichen Lebewesens.
Die kristalline Form des Siliziums ist einerseits durchsichtig, verfügt andererseits über die Fähigkeit, Licht exakt zu reflektieren, zu sammeln und in die Farben des Regenbogens zu brechen. Das steht – wie der Silicium-Chip in der Elektronik – für die Ausprägung vielfältiger sensibler und intellektueller Fähigkeiten. Der Silicea-Patient hat das – möglicherweise verborgene – Potenzial des Intellektuellen, Einheit und Vielheit sinnvoll zu organisieren und strukturieren. Vom Wesen ist er meist äußerst anspruchsvoll und pedantisch genau in Kleinigkeiten. Die Problematik des Silicea-bedürftigen Organismus zeigt sich auch in einer wenig ausgeprägten Ich-Organisation, die zwar über ein enormes Leistungspotenzial verfügt, sie aber mangels Selbstwertgefühls und physischer Stabilität nicht einzusetzen vermag. Unter Seinesgleichen fühlt sich der Silicea-Patient wie ein durchsichtiges, unbedeutendes Körnchen Sand zwischen unzähligen Größeren oder Gleichartigen und hält schüchterne Distanz. Wie die ursprünglich flüssige Kieselsäure hohle Gesteinsformationen ausfüllte und darin zum starren Kristall erhärtete, so passt sich der Silicea-Patient ,nachgiebig‘ seiner Umgebung an und erstarrt in der Überzeugung seiner vermeintlichen Unzulänglichkeit. Sobald diese selbst gesetzten Grenzen – physisch und psychisch – angesprochen oder gar erreicht werden, fühlt er sich überfordert und wird nervös, hektisch und reizbar. Das äußert sich in Erwartungsangst, Lampenfieber und der Furcht aufzufallen. Ein solches unauffälliges Wesen wird in seiner Qualität oft unterschätzt. Das nachgiebige Wesen von Silicea mit mangelndem Durchsetzungsvermögen und kaum vorhandener Aggressivität findet seinen Gegenpart in aggressiven, scharfen, wund machenden Absonderungen. Der psychischen Schwäche entspricht eine schwache körperliche Konstitution, die den Lebensanforderungen nicht standhalten kann. Physische Schwächen finden sich vor allem in Bindeund Stützgewebe, Haut und Schleimhaut und Immunsystem. Ferner stehen Symptome von Le-
Silicea terra bensschwäche nach der Geburt und im Wachstum sowie ungenügende Rekonvaleszenz nach Erkrankungen im Vordergrund. Als Perversion von Ordnung und Struktur kann der Silicea-Organismus Verhärtungen, Sklerosierungen und Tumore formen.
Thema und Idee des Mittels: Reorganisation von flexibler Widerstandsfähigkeit eines schwachen, geschädigten oder lebensuntüchtigen Organs oder Organismus.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Das Arzneimittelbild von Silicea überschneidet sich mit vielen anderen Polychresten und ist daher nicht immer leicht zu erkennen. In der täglichen Praxis gehört es nicht zu den häufigsten Mitteln, dennoch kann es bei richtiger Indikation zu tief greifenden Heilungen führen. Verwechslungen sind insbesondere möglich mit Calc-c. (s. u.), Lyc., Puls., Phos., Nat-m. und Ars. Silicea hat im Organismus die Aufgabe, stabile und strukturierte Formen zu bilden, funktionsfähig zu erhalten und die lebenswichtige Eigenregulation auf physischer und psychischer Ebene zu unterstützen. Mangel an Kraft und Ausdauer setzt vorzeitige Grenzen in jeder Aktivität. Der Silicea-Patient verfügt zwar über einen starken Willen und stellt sehr hohe Ansprüche an seine Leistung, aber er kann dem nicht genügen, widersetzt sich vermeintlicher Überforderung oder gibt vorzeitig auf. Durch diese Arznei erhält der Patient die Fähigkeit, den Mangel an Reaktion und Leistung zu überwinden und Widerstandsfähigkeit, Kraft, Ausdauer und Willensstärke zu manifestieren. Silicea ist ein elementarer Stoff und wirkt im Sinn der Homöopathie sehr intensiv, tief greifend und lange auf den Organismus. Das veranlasste oberflächlich denkende Homöopathen, Silicea als „langsames homöopathisches Mittel“ zu bezeichnen. In chronischen Fällen lässt der Effekt tatsächlich oft eine Zeit lang auf sich warten; eine gründliche Neuorganisation braucht Zeit für ihre Entwicklung. Im akuten Fall kann Silicea aber genauso schnell heilend eingreifen wie andere Mittel. Gerade ein solches „intensiv und tief“ wirkendes Mittel bedarf einer genauen homöopathischen Indikation.
Kieselsäure wird als Reformhaus-Produkt genauso wie in tiefen homöopathischen Potenzen oder in Komplex-Mitteln von Laien empfohlen: als Mittel zur Förderung körperlicher Entwicklung von Kindern, zum Härten von Fingernägeln oder Pferdehufen oder zur Verschönerung von Haut und Haar. Dabei handelt es sich um Aspekte, die durchaus zum Arzneimittelbild gehören. Infolge solcher Anpreisungen wird oft großer Missbrauch mit der homöopathischen Silicea getrieben. Empfängliche Lebewesen können sogar auf die Kieselsäure aus dem Reformhaus im Sinn einer Arzneimittelprüfung reagieren. Insbesondere allzu häufiger oder falscher Einsatz von homöopathisch zubereiteter Silicea führt zu Symptomen einer Arzneimittelprüfung, die sich meist in langsamer Entwicklung von Schäden, Entzündungen und Eiterungen der Hautorgane äußern: Beim Pferd können Wochen oder Monate nach falschen, überdosierten Gaben von Silicea Hufabszesse oder solche der Kehlgangslymphknoten auftreten, die Laien dann fälschlicherweise als „Entgiftung“ bezeichnen. Das Entstehen von brüchigem Hufhorn oder Haarkleid kann Laien zu weiteren Silicea-Gaben veranlassen. Die Folgen sind dann Schäden am Bewegungsapparat (Tendinitis, Arthritis, Arthrosen). Missbrauch und Überdosierung von Silicea waren schon zu Hahnemanns Zeiten bekannt, daher gibt es mehrere Antidote, die jedoch streng nach der vorliegenden Symptomatik ausgewählt werden müssen. Eines der Antidote für schmerzhafte Abszesse und Eiterungen (z. B. Hufabszesse beim Pferd) ist Hep. (s. dort). Schmerzarme Eiterungen, z. B. der Analdrüsen beim Hund, erfordern als Antidot Calc-s. Silicea-induzierte Schäden am Skelettsystem können Acidum fluoricum erforderlich machen. Weitere Antidote sind Camph. und Sulf.
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Silicea terra Silicea hat die Fähigkeit, im Rahmen der „Neuordnung“ des empfänglichen Organismus auch eingedrungene oder implantierte Fremdkörper aus dem Körper auszutreiben. Im Unterschied zu derselben Fähigkeit von Hep. zeigt sich das Geschehen, das Silicea erfordert, in schmerzarmen Abszessen, Fisteln oder Entzündungen, die eine geringe wässrige oder wässrig-schleimige, möglicherweise wund machende Absonderung produzieren. Silicea ist z. B. ein zuverlässiges Homöopathikum für die Samenstrang-Fistel des Pferdes, zumeist ausgelöst durch Fadenreste der Ligatur. Vorsicht ist mit einer Silicea-Therapie beim Vorliegen von Implantaten aller Art geboten, sie könnten sich lockern oder sogar abgestoßen werden! Dabei können auch „erwünschte“ Fremdkörper, z. B. Chip-Kennzeichnung, unmerklich verschwinden. Beim Menschen wird vor einer Therapie mit Silicea gewarnt, wenn eine alte abgekapselte Lungentuberkulose vorliegt, die durch Silicea-Gaben wieder in ein florides Stadium übergehen kann. Beim Rind kann Silicea abgekapselte Fremdkörper in unerwünschter Weise aktivieren. Silicea gilt neben Sulf. und Thuj. als eines der Hauptmittel für Erkrankungen, die im Gefolge von Impfungen auftreten. Die in der homöopathischen Literatur angegebenen Mittel für „Impf-Folgen“ beziehen sich meist
auf die Folgen der Pockenimpfung beim Menschen und sind für Tiere mit Vorbehalt zu verstehen. Dennoch gibt es durchaus Indikationen dieser Mittel für negative Impfreaktionen bei Tieren. Die betreffenden Mittel sind jedoch immer streng nach der vorliegenden Symptomatik auszuwählen. Für Indikation von Silicea-Impfreaktionen sind z. B. Erkrankungen im Bewegungsapparat maßgebend, z. B. Arthritis, Synovitis, Epiphysenlösungen, Epilepsie (Thuj.), Magen-Darm-Symptome (Thuj., Antt.) und andere Schwerpunkte, die zum Bild der Silicea-Pathologie gehören. Dabei handelt es sich überwiegend um chronische Erkrankungen, die i. d. R. einer schulmedizinischen Therapie nicht oder nicht genügend zugänglich sind. Silicea ist neben Calc-c. das häufigste Mittel für lebensschwache Frühgeborene oder Neugeborene. Besonders bei Neugeborenen und Jungtieren kann es leicht zu Verwechslungen zwischen beiden Mitteln kommen. Bei Tieren leichterer Rassen (sanguinisches Temperament) ist häufiger Silicea indiziert, z. B. beim Fohlen. Bei schwereren Spezies oder Rassen (phlegmatisches Temperament) kommt eher Calc-c. infrage. Beim Kalb ist häufiger Calc-c. erfolgreich, da dieses Mittel dem Konstitutionstyp des Rindes näher steht als Silicea. Dennoch muss die Wahl des Mittels immer nach individuellen Gesichtspunkten erfolgen. Das unten beschriebene „verfeinerte Wesen“ von Silicea-Patienten muss bei akuter oder subakuter Pathologie nicht vorhanden sein; diese Angaben beziehen sich auf die „konstitutionelle“ Therapie.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: Akute Erkrankungen: meist ein Aufflammen einer chronischen Krankheitsdisposition akute Impfreaktionen mit Tendenz zu Chronizität Subakute Erkrankungen: mit verlangsamter Immunreaktion, z. B. nach Abszessen, die nicht zum Abheilen kommen, Tendenz zur Fistelbildung z. B. nach Splitterverletzungen bei ungenügender Reaktion evtl.,Folgemittel‘ bei ungenügender Rekonvaleszenz nach schweren erschöpfenden Krankheiten
Chronische Erkrankungen: wichtiges ,konstitutionelles Mittel‘ für chronische Krankheiten Übersicht über pathologische Schwerpunkte: Lebensschwäche und Wachstumsstörungen bei Jungtieren Binde- und Stützgewebe: Knochen, Bänder, Sehnen, Faszien, Organkapseln, Haut, Haare unzureichende Wundheilung, schlechte Frakturheilung, Ostitis, Osteomyelitis Haut und Schleimhäute: Entzündungen, Eiterungen, Abszesse und mangelnde Heilung chronische Erkrankungen von Lymphorganen, Atemwegen oder Verdauungsapparat
Silicea terra Immunsystem: verminderte Phagozytoseaktivität, Adenopathien, allergische Erkrankungen gestörte Assimilation und ,Reaktionsmangel‘, Abmagerung, evtl. trotz guter Futteraufnahme mangelhafte Toxinausscheidung durch den normalen Metabolismus mit Folgeerkrankungen von unterdrückten Ausscheidungen unzureichende Temperatur-Regulation gegen Kälte und Hitze, große Neigung zum Frieren Sklerosierungen, Verhärtungen, Krebs Impffolgen: Konvulsionen, Übelkeit, Durchfall, Synovitis dennoch meist eine zähe Konstitution mit sanguinischem Temperament!
Spezifische Indikationen für die Veterinärmedizin: Lebensschwäche bei Neugeborenen (Calc-c.) schlecht heilende Wunden fistelnde Wunden durch Fremdkörper Pferd: Samenstrangfistel nach der Kastration Miasmatische Ausprägung: Psora: schüchterner, scheuer, ängstlicher, „zerbrechlicher“ Patient Sykosis: ehrgeizig, Tendenz zu überdrehter Hektik und Nervosität, Warzen, Granulome Syphilis: Zerstörung von Gewebe, Ulkus, Krebs
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten meist angenehme, übersensible, schüchterne Patienten, erscheinen wie „vornehm distanziert“ meist unauffällige, zarte, feingliedrige, grazile, zerbrechliche, ,edle‘, Tiere, „zu fein für diese Welt“ eher leichter Körperbau, wenig Unterhautfettgewebe (im Gegensatz zu Calc-c.) aber in akuten und subakuten Fällen auch bei schweren Tieren möglich meist magere Tiere, oft mit aufgetriebenem Abdomen feines, dünnes, sauberes Haarkleid, Zittern durch Frieren eher helle Pigmentierung, eher ,schlaffe Faser‘, oder seltener dunkel pigmentiert Wachstums- und Entwicklungsstörungen evtl. geringe Körpergröße, „Zwergwuchs“ (Calcium-Patienten sind häufig groß) meist mehr Muskeltonus als Calc-c. nimmt vorsichtig und zart das Leckerli aus der Hand, niemals aufdringlich! strahlt keinerlei Aggressivität aus Zuwendung wird ,huldvoll‘ ertragen, das Tier verlangt aber nicht übermäßig danach erscheinen oft älter oder ,erwachsener‘, als sie sind evtl. schwache, leise Stimme, besonders bei lebensschwachen Jungtieren häufig schlechte Futterverwerter (,Abmagerung mit Heißhunger‘) häufig mager mit dickem Bauch evtl. unverhältnismäßig großer Kopf (wie Calcc.) evtl. Stellungsanomalien der Extremitäten magere Jungtiere mit ,dicken Bäuchen‘ und feucht-schweißigem Haar (wie Calc-c.)
Hunde sitzen brav beim Besitzer auf dem Schoß oder bleiben gehorsam neben ihm lassen sich nicht übermäßig gern anfassen, ziehen sich freundlich wedelnd zurück eher ernsthaft, lassen sich von uns kaum zum richtigen Spiel animieren kein Hecheln, sondern eher Frieren, evtl. mit Zittern oft blond, sauber, feines, dünnes Haar mit Haarkleidschäden, Haarbruch möglicherweise auch fettiges Haar häufig stinkende, feuchte Pfoten, evtl. Wundsein durch Schweiß der Pfoten häufig kurzhaarige Rassen mit zarten Gliedmaßen (z. B. Windspiel) vorzeitig graue Schnauze
Pferde häufig Vollblüter o. a. Rassen mit hohem Vollblutanteil, eher schlanke, grazile Tiere Schimmel, blonde Füchse, Hellbraune, Isabellen, seltener dunkle Farben evtl. wunde, rissige Maulwinkel (Nat-m.) Schweiß hinter den Ohren friert häufig, stellt sogar im warmen Stall die Haare auf; eiskalte Extremitäten häufig weiche oder brüchige Hufe fauler Strahl bei sauberer Einstreu, zerstört das Hufhorn schwitzt möglicherweise nie, auch nicht bei Anstrengung evtl. fehlgestellte Extremitäten
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Silicea terra Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens feines, reserviertes Wesen ,mit edlem Charakter‘ (Calc-c. ist eher ein grober ,Tollpatsch‘!) wirkt ,aristokratisch‘, vornehm, man geht automatisch zartfühlend mit diesen Tieren um! scheu, schüchtern, aber freundlich, nachgiebige, rangtiefe Tiere, leicht erziehbar hochsensibel für alle Reize, auch für solche, die wir selbst nicht wahrnehmen primär defensive Haltung, nicht aggressiv, nachgiebig und gehorsam schnell „entmutigt“, wenn „Kollegen“ streiten Reizbarkeit und Widersetzlichkeit nur bei Überforderung hektisches, nervöses Verhalten bei Stress durch zu hohe Anforderungen an Leistung nervöse Erschöpfung bei Stress Besserung von Hektik und Nervosität durch ruhiges Streicheln (,Magnetismus‘) die Besitzer können oft über das Verhalten nicht mehr sagen als: „immer lieb, gehorsam und brav“ leichtes Erschrecken und Zusammenfahren durch Lärm
Hund ziehen sich wedelnd zurück vor unserer Annäherung, „schüchtern“ sucht den Schutz durch seine Besitzer unauffällig, bellen nicht, miefen nicht, brav und angepasst, „pflegeleicht“ „demütig“ herabhängende Ohren, unterwürfig, wedeln dabei freundlich immer lieb und freundlich, entziehen sich unangenehmen Situationen
suchen Sicherheit und Geborgenheit, gern gestreichelt ( ⬎ ,Magnetismus‘) wollen aber keine überschwängliche Zuwendung nachgiebig, tun alles, was sie sollen, häufig Unterlegenheitsgesten rangtief unter Artgenossen, meist bereit, sich zu unterwerfen Erziehung ist meist nicht nötig, Befehle ,ahnen‘ sie im Voraus Angst vor Neuem, verstecken sich beim Besitzer, kein Wach- oder Schutzhund! nervöse Übersprungshandlungen bei Stress: z. B. Knabbern; Lecken Neigung zum Frieren, lässt sich gern zudecken ,anspruchsvoll‘, legt sich z. B. nicht auf faltige Decke, nicht auf harten, kalten Boden (Ars.)
Pferd Angst vor Neuem, besonders neuen Anforderungen extremer Gehorsam und schnelles Lernen nervöse Reizbarkeit macht Unruhe, Hektik, Angst widersetzliche Erregung durch groben Reiter, durch grobe Behandlung kein Jedermannspferd, braucht viel liebevolle persönliche Zuwendung leidet als Schulpferd, wird dann krank
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Wachstum: Wachstumsstörungen, oft zu früh geborene, lebensschwache, frierende Wesen Rachitis, speziell bei Tieren, die im dunklen Stall gehalten werden (Calc-c.) evtl. bewegungsschwach, Fohlen, Kälber stehen spät auf, schwieriges Laufen Fehlstellungen an den Extremitäten, mangelhafte Ossifikation evtl. Schwäche der Halsmuskulatur, kann den Kopf nicht heben zum Saugen (Kalb, Fohlen) finden evtl. nicht die Zitzen
Silicea-Jungiere werden von kräftigeren Kollegen weggestoßen schlechte Futterverwerter, ,Abmagerung mit Heißhunger‘, dicker Bauch krumme Knochen, Wirbelsäulenverkrümmung besonders im Thorakalbereich, Knochenfrakturen, Sequestrierung und Abstoßen von Knochenteilen schlechte Heilung von Frakturen (z. B. Tuber coxae beim Fohlen) evtl. fortschreitende Abmagerung bei Jungtieren Abmagerung durch Wurmbefall Erkrankungen nach den ersten Impfungen
Silicea terra Haut: verletzliche Haut, schlechte Wundheilung mit Tendenz zu Ulzera, Fisteln, Keloid glanzloses, struppiges Haarkleid Hautausschläge an stark behaarten Teilen, an der Nase Haarausfall, auch zyklus- oder hormonell bedingt, z. B. nach der Geburt Tendenz zu Rhagaden oder Wundsein um die Körperöffnungen Fremdkörper, Schrotkugeln, Splitter u. Ä. werden durch Sil. ausgetrieben; Sequestrierung nach Knochenfrakturen oder -verletzungen Gangrän nach Verletzungen alte Wunden, Narben brechen wieder auf schlecht heilende oder fistelnden OP-Wunden, OP-Fäden oder Implantate fisteln Spezifikum für die Samenstrangfistel beim Pferd langwierige Eiterungs-, Entzündungsprozesse, z. B. Analdrüsen Hund (Calc-s. u. a.) kalte Abszesse Eiterung mit wenig, wässrigem, wund machendem Sekret schlechte Abheilung von Abszessen, evtl. Folgemittel nach Hep. indiziert nach ,Missbrauch‘ von Hep. (zu häufige Dosierung) und umgekehrt Tendenz zum ,Vitiligo‘, Entwicklung pigmentloser Flecke, z. B. beim älteren Schimmelpferd Schweiß bei Pferd und Rind: Schweiß ,unterdrückt‘, scharf; Schweiß ,leidender Teile‘, oder lokal begrenzt; Schweißneigung während Erkrankungen, z. B. Durchfall, Pneumonie oder danach; Schweiß durch Schreck; erschöpfender Schweiß bei Atemwegsinfekten, besonders nachts; Schweiß bei leichter Anstrengung; Schweiß kann gänzlich fehlen, sogar bei Anstrengung, bei ,Hitzestau‘; Schweiß evtl. mit säuerlichem Geruch Erkrankungen der Zehenorgane (s. Bewegungsapparat) Ohren Hund: Otitis media, interna und/oder externa mit chronischer Eiterung auch akut-rezidivierende Otitiden, wenn konstitutioneller Bezug zu Silicea schmerzlos fistelnde, wunde, stinkende, verschleppte Otitiden, ⬍ links mit anschließender Taubheit oder Innenohrschwindel (Chin-s., Con., Caust. u. a.) Augen: Gerstenkörner, Tränengangsstriktur, Entzündungen der Tränendrüsen
dünnes, wund machendes Sekret Keratitis, Ulzera, evtl. perforierend ätzende Tränen, die aber nicht die Lider zusammenkleben Hornhauttrübung, Katarakt alle möglichen Erkrankungen des Auges, ausgelöst z. B. durch „unterdrückten Schweiß“ oder Unterdrückung anderer Absonderungen Atemwege: Neigung zu chronischen und rezidivierenden Infekten der Atemwege chronische Sinusitis frontalis, maxillaris beim Pferd auch chronische Luftsackentzündung Schwellung, Verhärtung der Parotis chronischer Schnupfen, chronische oder rezidivierende Tonsillitis, Pharyngitis chronische Lymphknoten-Tonsillenschwellungen chronische Bronchitis, Folgen von verschleppter Pneumonie; ⬍ im Winter eitrig-fötider Auswurf bzw. Absonderung ,Asthma‘ bei Jungtieren (u. a. Mittel!), ⬍ im Winter ⬎ durch warme Getränke chronische Bronchitis, verschleppte Pneumonie, Lungenabszesse Verdauungsapparat: Zahnwurzelabszesse, Zähne wie durchsichtig oder gelblich Beschwerden während der Zahnung bzw. während des Zahnwechsels vorzeitiger Zahnverfall, besonders am Zahnhals und an den Zahnwurzeln Zähne werden locker Zahnfleischentzündungen, Zahnfisteln, Zahnschmelzdefekte (Calc-f.) sonderbare Bewegungen mit der Zunge (,Haargefühl auf der Zunge‘) Aktinomykose! (u. a. Mittel) Verlangen nach kalter Tränke, trotz Frierens! lehnt Tränke mit Zimmertemperatur ab Unverträglichkeit von (Mutter-)Milch, wird erbrochen (Aeth., Calc-c.) Unverträglichkeit warmer Speisen, frisst lieber Kaltes Übelkeit und Erbrechen durch Autofahren (viele andere Mittel) Kolik bei Jungtieren mit Silicea-Konstitution, im Zahnwechsel Kotabsatz evtl. mühsam trotz Anstrengung, sogar bei weichem Kot; evtl. ,Schafkot‘
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Silicea terra Drängen nach Kotabsatz chronische Analdrüsenabszesse oder -fisteln, Fissuren im After Harnwege: Steinbildung Genital verspätete Geschlechtsreife, unregelmäßiger Zyklus, Sterilität, Abort evtl. reichlich, stinkender, scharfer Fluor Folgen von unterdrücktem Zyklus oder Kastration bei erkranktem Genital Mamma: chronische, subklinische oder rezidivierende Mastitis ,Knoten‘, Karzinom der Mamma (Con., Puls. u. a.) Empfindlichkeit gegen Erschütterung Kuh: Schmerzen, Abwehr beim Melken zyklusabhängige Verhärtungen der Mamma verschleppte Mastitis mit Mammaabszessen, die zum Fisteln kommen Verhärtungen bis Krebs nach Verletzungen, Kontusionen, Quetschungen der Mamma (Arn., Bell-p., Con.) Folgen von hormonell unterdrückter Milchsekretion (u. a. Mittel) eines der Mittel für die subklinische Mastitis bei der Kuh (erhöhter Zellgehalt) Rücken: Rücken- und Wirbelsäulenprobleme aller Art, z. B. durch ,Heben‘ Verkrümmung, Kyphose der Wirbelsäule, Spondylitis, Spondylose u. Ä. Extremitäten: Sehnen- und Bänderschwäche, leichtes Verstauchen, Verrenken Osteochondritis, Osteochondrose, auch dissecans Ostitis, Osteomyelitis nach eingetretenem Splitter ,Knochen brechen leicht‘ infolge mangelhafter Mineralisation (Calc-c.) chronische Bursitis Panaritium, auch chronisch oder rezidivierend, evtl. mit Affektion des Knochens Krallen, Hufe, Klauen wachsen schief, wachsen ein
chronisches oder rezidivierendes Panaritium geringe körperliche Belastbarkeit, aber evtl. ausdauernde Läufer nach Training zu erwägen bei allen möglichen Lahmheiten aller Spezies! Folgen von Hufabszess, wenn Hufbein oder Sehne affiziert war Synovitis (,Gallen‘), Arthritis, Arthrosen, Kontraktion der Beugesehnen (DD Caust.) Chip-Frakturen bei Silicea-Konstitution (DD Calc-c,. Calc-f., Calc-p., Symph.) alte Tendinitis, Tendovaginitis mit Verklebungen der Sehnenscheiden (Thios.) wiederkehrende Strahlfäule im sauberen Stall, evtl. ,Hufkrebs‘ (Graph., Ant-c., Ars. u. a.) Hund: Ausfall der Krallen (Ars., Graph. u. a.); stinkender Geruch schwitzender Pfoten, evtl. sogar bei trockenen Pfoten; wunde Pfoten durch ,Fußschweiß‘ Rind: zu erwägen beim Limax (Apis, Nat-m.) oder anderen Erkrankungen der Klauen Pferd: Trachtenzwanghuf (Caust. u. a.); Huflederhautreizung, evtl. chronische Hufbeinsenkung nach Rehe, bzw. entsprechende Hufveränderungen, gestörtes Wachstum der Hufe (evtl. auch Rind); Hornspalten (Thuj.), Längsund Querrillen; brüchige, rissige, verkrüppelte, trockene, abblätternde, ausbrechende Hufe/Klauen; Hufe/Klauen wachsen ungenügend; Hufbeinnekrose nach Nageltritt); Carpalbeule, Stollbeule, Piephacke (u. a. Mittel!) Zentralnervensystem: Epilepsie periodisch rezidivierend, ⬍ bei Neumond nach Impfung, durch Wurmbefall Frieren: Silicea-Patienten lassen sich zudecken, trinken trotzdem gern Kaltes! Impfreaktionen: Konvulsionen, Epilepsie, Übelkeit, Durchfall, Synovitis-Arthritis, Wachstumsstörungen, Hautausschläge u. a.
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Folgen von Aufzuchtschäden, Haltung in dunklen Ställen Folgen von Entwicklungsstörungen, Entwicklungsstillstand
Folgen von Mangelernährung, Wurmbefall, ,Kümmerer‘, auch nach Infektionen Folgen von Kaltwerden, Zugluft, besonders, wenn zuvor erhitzt Folgen von Überanstrengung
Silicea terra Folgen von Verletzungen Folgen von Schreck, Kummer, Alleinsein, ,Verlassenheit‘ (Verkauf, Händler, Tierheim) Beschwerden durch Erwartungsspannung Folgen von unterdrücktem Ausscheidungen, Fußschweiß Beschwerden nach Rekonvaleszenz, zu langsamer Erholung nach Infektionen, ,Säfteverlust‘ Folgen von „sexuellen Exzessen“ – Erschöpfung männlicher Zuchttiere Silikose, Folgen von Steinstaub-Inhalation Folgen von Impfungen, besonders chronischer Art entsprechend dem Silicea-Bild Modalitäten: eher Erkrankungen der linken Seite, aber rechtsseitige sprechen nicht gegen Silicea ⬍ durch Hitze und Kälte, ⬍ durch Zugluft, ⬍ im Winter
⬍ durch Kaltwerden jeder Art Schmerzen ⬍ durch Kalt- und Nasswerden, besonders wenn zuvor erhitzt trotzdem ⬎ in kühler, frischer Luft und ⬎ im Warmen, aber nicht ⬎ durch Hitze! ⬎ durch feucht-warmes Wetter Frieren nach Überhitzung ⬍ durch Hunger ⬍ Mondwechsel (z. B. Konvulsionen, Hautausschläge, Durchfall) wässriger wund machender Eiter, Abwehrschwäche ⬎ durch fortgesetzte Bewegung ⬍ durch Fasten ⬍ durch Autofahren ⬎ durch Magnetismus (Streicheln) Komplementär zu Puls., Calc-c., Hep., Phos., Lyc., Thuj.
Ausgewählte Fallbeispiele Tanka – Chronische Lahmheit einer Vollblut-Stute Mai 1999: Die 13-jährige braune russische VollblutStute mit Metall-Glanz wird vorgestellt wegen einer Lahmheit, die seit über einem Jahr besteht. Die Stute steht seit 2 Jahren in diesem Stall und ging mit ausgewählten guten Reitern im Schulbetrieb eines sehr gepflegten, guten Reitstalls. Vor dem Import nach Deutschland sei sie Galopprennen gelaufen. Im letzten Jahr wurde sie mehrmals mit Akupunktur behandelt, was zwar ihre Eigenschaft zu weben besserte, nicht jedoch die Lahmheit. Vorn rechts sei eine Hufbeinzyste festgestellt worden.
Anamnese und Untersuchung Wir – die Stallbesitzerin und ich – stehen in der Box neben dem Pferd. Tanka steht in ca. 1 m Abstand zu uns an der Boxenwand und nähert sich nur zögernd dem hingehaltenen Leckerli, das sie dann sehr fein und behutsam aus meiner Hand nimmt. Tanka ist ein wunderschönes, hochedles, feines Pferd in schlechtem Ernährungszustand. Sie strahlt eine vornehme Distanziertheit aus.
In letzter Zeit sei sie abgemagert, obwohl sie gut frisst und obwohl 4-mal im Jahr Wurmkuren durchgeführt werden. Tanka wird in einer geschlossenen Box gehalten, obwohl die meisten Pferde des Stalles in Paddockboxen stehen können. Sie habe aus Angst vor dem eingrenzenden Elektrozaun zweimal Koliken bekommen. Die Lahmheit äußert sich unterschiedlich: Manchmal geht sie sehr gut, manchmal geht sie vorn rechts lahm, manchmal zeigt sie eine Art Hasengalopp, manchmal hinten links einen Hahnentritt. Beim Reiten gehe sie besser als beim Freilaufen in der Halle. Im Schritt gehe sie meist lahmheitsfrei, im Trab auf der rechten Hand weniger lahm als auf der linken. Zurzeit wird sie nur im Schritt geritten. Die Hufe sind gut. „Tanka ist sehr kontaktfreudig zu Menschen, aber zurückhaltend zu anderen Pferden. Auf der Weide meidet sie den Kontakt zu anderen Pferden und geht fort. Vor 3 Monaten fand man sie in ihrer Box ohne ersichtlichen Anlass am ganzen Leibe zitternd, steif und eiskalt vor, die Körpertemperatur betrug nur 35,8⬚. Wir stellten sie dann unters Solarium; dort erholte sie sich schnell wieder. Der zugezogene Tierarzt stellte eine Ovarialzyste fest; sie stand kurz vor der Rosse.
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Silicea terra Vor 2 Wochen stand sie an einem kalten Tag wieder so apathisch da. Mit einer dicken Winterdecke ging es ihr wieder besser. Wir achten jetzt darauf und haben festgestellt, dass sie häufig friert, auch wenn im Stall 15⬚ Wärme sind.“ Schwitzen? – „Das gibt es auch im heißen Sommer fast nie. Die Rosse kommt sonst regelmäßig. Tanka ist auf Fohlen fixiert, liebt das Fohlen der Nachbarstute. Wenn diese auf der Weide steht, webt Tanka unaufhörlich. Sonst kann man sie ablenken. Wenn man in ihrer Box steht, webt sie nie. Sie ist ein richtiges Psycho-Pferd, ein übersensibles Seelchen. Sie sieht richtig glücklich aus, wenn man sanft und liebevoll mit ihr umgeht; sie verhält sich dann genauso sanft. Aber sie geht unter keinen Umständen in den Anhänger. Im letzten Dezember hat sie sich am Vorderbein angeschlagen, hatte eine Tendinitis der Beugesehnen und des Fesselträgers. Beim Reiten geht sie sehr gut, hat ein ausgesprochenes Dressur-Talent, obwohl sie reiterlich kaum gefördert ist. Sie lernt alles von allein. Sie testet den Reiter und schlägt bei Ungeübten ständig mit dem Kopf. Sie kann sehr heftig werden, wenn man sie zurückhält, und möchte in der Gruppe am liebsten vorn gehen. Auch springen kann sie sehr gut. Sie macht alles, und immer mit bestem Willen, man kann nichts an ihr aussetzen. Sie ist ein ungeheuer gutwilliges Pferd. Sporen oder Gerte braucht man bei ihr nicht. Beim Reiten stolpert sie häufig. Wenn jemand grob mit ihr umgeht, wird sie konfus und verrückt. Wenn andere Pferde bocken, macht sie nie mit. Sie ist brav zu jedem Menschen, man braucht nur zu denken, und schon tut sie, was sie soll; nur beim Satteln möchte sie gern mal zwicken. Gegen die Annäherung anderer Pferde hat sie eine Abneigung, sie ist besser allein – einzige Ausnahme: das Fohlen der Nachbarstute. Sie ist ein typisches Ein-Mann-Pferd; sie lebt auf, wenn man sich mit ihr beschäftigt. Aber Eifersucht hat es nie gegeben. Sie wird traurig und apathisch, wenn sie stehen muss und sich niemand mit ihr abgibt.“ Klinisch ist einzig eine deutliche Tendinitis aller rechten Zehenbeuger festzustellen. Die Konturen von Fesselträger und Beugesehnen sind verwa-
schen und verschwollen, aber nicht druckempfindlich und nur unwesentlich wärmer als das andere Bein. Auffallend sind die zarten, schmalen Gliedmaßen und die dünne Haut des Pferdes.
Therapie Tanka bekommt Silicea M, einige Globuli per os. 2 Wochen später geht es ihr ganz schlecht. Die Stute stellt trotz warmen Wetters die Haare und geht auf allen Vieren unklar. Bis zum 27.7.99 geht sie „unsauber“, aber nicht lahm. Die Besitzerin will noch abwarten. 2. Besuch am 23.8.99: Ich hätte Tanka fast nicht wieder erkannt: Sie ist jetzt rund und wohlgenährt, obwohl sie nicht mehr Futter bekommt als früher. Tankas Lahmheit war zwischenzeitlich viel besser, sie ging fast lahmheitsfrei. Jetzt läuft sie in den letzten Tagen extrem steif, aber mit fortgesetzter Bewegung läuft sie sich ein. Die Tendinitis hat sich so weit zurückgebildet, dass die Sehnenkonturen gut zu erkennen und zu tasten sind, allerdings ist eine schmerzlose, flächige leichte Verdickung geblieben. Der Hahnentritt und der ,Hasengalopp‘ wurden seither nicht mehr beobachtet. Das Weben ist deutlich seltener geworden. Tanka legt sich tagsüber seltener nieder – im Gegensatz zu früheren Zeiten. Wegen der Steifheit bekommt sie nochmals Silicea M. In 2000 hörte ich, sie werde jetzt regelmäßig mit guten Reitern im Schulbetrieb eingesetzt. Eine Lahmheit sei nicht mehr aufgetreten. Das wurde im Herbst 2001 nochmals bestätigt. Die wahlanzeigenden Symptome für Tanka aus dem Repertorium sind: Allgemeines, Abmagerung mit Heißhunger Gemüt, Ruhelosigkeit im Sitzen (Weben) Gemüt, milde Gemüt, servil, unterwürfig, nachgiebig (gehorsam) Gemüt, anspruchsvoll Gemüt, leicht erschreckt, Gemüt, furchtsam, schüchtern Frost, mit Zittern und Beben Frost, Frösteln vor der Mens Haut, trocken, Unfähigkeit zu schwitzen.
Staphisagria
Stephanskraut
Staphisagria
Signatur, Thema und Idee des Mittels Delphinium Staphisagria, Stephanskraut, Stavesacre, Herbe aux pous oder Läusesamen bezeichnet eine in kräftigem Blau blühende Staude aus der Familie der Ranunculaceen, die man landläufig als Rittersporn bezeichnet. Sie gedeiht an trockenen Hängen im Mittelmeerraum, sogar in Höhenlagen bis zur Baumgrenze. Eines der Kelchblätter des Rittersporns hat sich zu einem kurzen, kräftigen spornartigen Gebilde ausgeformt, welches der Pflanze ihren Namen gab. Der Rittersporn ist auch in unseren Gärten kultiviert und genießt wegen seiner auffallend eleganten Form und Farbe den Ruf als ,Aristokrat des Gartens‘. Staphisagria war schon zur Zeit der Pharaonen, bei Hippokrates und Dioskorides als medizinisch wirksame Pflanze bekannt. Die übel riechenden Samen dienten als drastisches Purgativum und Emeticum, als Mittel gegen Zahnschmerzen, Augenerkrankungen, Konvulsionen sowie äußerlich gegen Hautausschläge und Läuse. Ebensolche Schwerpunkte finden sich im homöopathischen Arzneimittelbild. Zum Verständnis des Arzneimittelbilds tragen bereits die verschiedenen botanischen Bezeichnungen bei: Delphinium soll abgeleitet sein aus der Analogie zwischen der Form des spornähnlichen Kelchblattes und der Kopfform des Delphins. Diesen ,Königen der Meerestiere‘ werden außerordentlich noble Eigenschaften zuerkannt. ,Delphys‘ heißt aber auf Griechisch auch der ,Uterus‘, daraus könnte sich ein Hinweis auf den Schwerpunkt im Genitalbereich andeuten. ,Stephanskraut‘ leitet sich aus der griechischen Bezeichnung ,Stephanos‘, die ,Krone‘, her. Die Krone ist seit jeher das Attribut von Königen und Würdenträgern. ,Stavesacre‘ ist eine englische Bezeichnung für Staphisagria. ,To stave‘ heißt ,dem Fass den Boden ausschlagen‘. Im deutschen Sprachgebrauch gleicht das dem sprichwörtlichen Ausdruck für ,Zorn mit Empörung‘, einem wichtigen Leitsymptom für Staphisagria-Patienten. Der Name ,Herbe aux pous‘, ,Läusesamen‘, leitet sich aus der Verwendung der Samen für die Be-
handlung dieser Ektoparasiten her. Läusebefall mit dem zugehörigen kahl geschorenen Kopf galt schon immer als ein Zeichen minderen sozialen Ranges des Betroffenen. Der Befall mit Ektoparasiten (dazu gehören beim Tier auch die Flöhe u. Ä.), Haarausfall und übler Geruch der Kopfhaut (bei Tieren der Geruch des Fells) sind übrigens auch Symptome im Arzneimittelbild. Die Themen ,Edelmut‘, ,Würde‘, ,Demütigung‘, ,Beleidigung‘, ,Entwürdigung‘ sind für Staphisagria-Erkrankungen wesentliche pathogene Faktoren. Für den Menschen gibt es kaum eine schlimmere oder verletzendere Beleidigung als eine abwertende Bemerkung oder Handlung bezüglich Sexualität oder anderer intimer, tabuisierter Bereiche. Das Staphisagria-Arzneimittelbild hat einen wesentlichen Schwerpunkt im Urogenital- und AnalBereich, physischer und psychischer Genese (Vergewaltigung, Sodomie). Um diese einzelnen Gesichtspunkte der Signatur von Staphisagria auf einen Punkt zu bringen, sei an die ,Würde des Menschen‘ erinnert: Die gegenseitige Achtung und Anerkennung erfordert – beim Menschen und genauso beim Tier – das Einhalten einer gewissen höflichen Individual-Distanz. Das Unterschreiten oder Eindringen in diese ,Intimität‘ kann die Staphisagria-Pathologie auslösen, z. B.: zahnärztliche Eingriffe mit offenem Mund (verrenkter Kiefer, Zahnverletzungen) auch das „Eindringen“ des Chirurgen in den Körper, Operationsfolgen schmerzhafte Schnittverletzungen Folgen von Erweiterungen von Körperöffnungen bzw. Schließmuskeln. Aber nicht nur die Beschwerden durch ,physisches Eindringen‘ sind charakteristisch für die Staphisagria-Pathologie, sondern auch dasselbe Thema auf der psychischen Ebene: Diese Patienten sind sehr empfänglich für Demütigungen und Beleidigungen, neigen aber dazu, den entsprechenden Zorn nicht adäquat ausdrücken zu können, ihr ,Schwellenwert der Reizbeantwortung‘ ist aus dem Lot. Sie
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Staphisagria lassen Zorn und Ärger übermäßig in sich ,eindringen‘, die Wut wird ,geschluckt‘, sitzt dann ,im Bauch‘ und kann Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen und Durchfall auslösen. Staphisagria bleibt mit seinem ,heruntergeschluckten Ärger‘ so lange friedlich, bis ein – möglicherweise kleiner – Anlass ,dem Fass den Boden ausschlägt‘. Dann kann es zu einer plötzlichen, unvermuteten, äußerst heftigen Explosion von Zorn kommen, deren Intensität möglicherweise in keinem Verhältnis zum Auslöser steht. Man bezeichnet diesen Patienten dann fälschlicherweise als launisch oder unberechenbar. Der Staphisagria-Patient hat also Probleme mit dem Thema ,Abgrenzung‘ gegen äußere Einflüsse. Kein Wunder, wenn sich seine Überempfindlichkeit in Erkrankungen der ,Körpergrenze‘, der Haut, somatisiert – in Hautausschlägen und Auswüchsen (Warzen, Papillome, Kondylome), die alle durch eine ausgeprägte Hyperästhesie gekennzeichnet sind.
Zum Schluss passen auch der pharmakologische Wirkstoff, das Alkaloid Delphinin, in dieses morphische Feld, das – sehr ähnlich dem Acon. – die Permeabilität der Zelle für Natrium-Ionen erhöht und deren Rückbildung verzögert. Also auch in diesem Zusammenhang findet sich ein ,gestörter Schwellenwert‘ für adäquate Reizbeantwortung. Thema und Idee: Betreffen das ,Eindringen‘ in den physischen Körper und psychischen Individualraum des Patienten innerhalb eines Spannungsfeldes zwischen liebenswürdiger Nachgiebigkeit und meist sexuell betonter Aggressivität; die Toleranzbreite für die beschriebenen physischen und psychischen Reize ist verschoben, viele Reize können lange ohne adäquate Beantwortung bleiben; aber die Toleranzschwelle gleicht einem schmalen Grat, der plötzlich und unerwartet überschritten werden kann und dann in einer übermäßig heftigen Reizbeantwortung gipfelt.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Die in der humanmedizinischen Literatur beschriebenen, vom Verstand gesteuerten ,unterdrückten Emotionen‘ sind beim Tierpatienten nicht in derselben Deutlichkeit erkennbar. Die Indikation von Staphisagria beim Tierpatienten ist darum nicht immer leicht zu finden. Daher ist es unerlässlich, die Pathogenese und den Zusammenhang der Symptome zu verstehen, um in der Anamnese entsprechende Anhaltspunkte zu eruieren. Anderenfalls könnte Staphisagria mit Ign., Lyc., Ars., Puls., Nat-m., Phos. oder Thuj. (u. a.) verwechselt werden. Staphisagria ist häufig bei männlichen, nicht kastrierten Tieren indiziert, insbesondere bei deren Erkrankungen im Bereich der Harnwege (Puls., Lyc., Thuj.). Ein wesentlicher Faktor im veterinärmedizinischen Arzneimittelbild stellt das Thema ,Aggressi-
vität‘ dar, in allzu geringer, unausgewogener oder übertrieben starker Ausprägung. Fast alle Staphisagria-Erkrankungen oder -Verhaltensstörungen wurzeln in emotionalen Verletzungen, die durch übermäßige emotionale und physische Sensibilität erklärbar sind. Diese können folgende Erkrankungen auslösen. Weiterhin spielt Staphisagria eine wesentliche Rolle für Tiere, die in der Zucht verwendet werden – insbesondere für Deckrüden, Hengste, Bullen, Eber – in den unten genannten Problemen. Staphisagria ist sicher kein Mittel, das in der täglichen Sprechstunde so häufig erforderlich ist wie z. B. Lyc. oder Phos. Sex, Würde sind eher männliche Kennzeichen. Die weibliche Staph. ist schwer zu erkennen, man verwechselt sie gern wegen Unterwürfigkeit mit Puls.
Staphisagria Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: akut: schnell durch entspr. Auslöser, z. B. Trauma Chronisch: großes konstitutionelles Mittel durch unten genannte Auslöser Beschwerden durch Ärger, Zurücksetzung, unerfüllten Sex Hyperästhesie der Haut, von Periost, Warzen u. Ä. Verhaltensstörungen: Knabbern, Kratzen, Onanie Zentralnervöse Erkrankungen: Epilepsie, Zuckungen durch Ärger, nicht erfüllten Sex
Konvulsionen,
Erkrankungen der Maulhöhle, der Zähne, schwarze Zähne bei Jungtieren, Zahnverfall Urogenital, männlich/weiblich: weiblicher Organismus: Folgen von Sex, Besamung, Vergewaltigung, Zystitis nach Bedecken, Besamung (Sep.) männlicher Organismus: speziell Harnwegserkrankungen (Lyc., Thuj., Puls.) Genital-Erkrankungen, Onanie
Hauterkrankungen: Ekzeme, heftiger Juckreiz mit übel riechender Absonderung, schlechte Wundheilung Warzen, Kondylome auch an den Augen Magen-Darm-Erkrankungen Schleimhautreizungen, Wucherungen (Polypen, Kondylome) Verhärtungen bis Tumore von Drüsen, Hoden, Prostata, Ovarien, Uterus Staphisagria ist ferner ein wichtiges Mittel für den Chirurgen und für Verletzungsfolgen: Beschwerden nach Operationen, insbesondere Laparotomie, Kastration Beschwerden nach Überdehnung von Gewebe, Körperöffnungen, Schließmuskeln Hornhautverletzungen am Auge (einziges Mittel!) schmerzhafte Schnittverletzungen (nicht jeder Schnitt braucht Staph.!) Erweiterung von Schließmuskeln, Gewebedehnung
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten dunkle oder blonde Pigmentierung, mit straffem Tonus, Schimmelpferde altes Aussehen jüngerer Tiere, vorzeitiges Ergrauen körperliche Schwäche von Zuchttieren weiches, liebenswürdiges Erscheinungsbild, dem man evtl. keine Aggressivität zutraut evtl. scheu, unterwürfig, freundlicher zu Fremden als erwartet häufiges ,inbrünstiges‘ Kratzen, Knabbern, Lecken am Körper evtl. Abneigung gegen Zuwendung (Nat-m.) evtl. auch unerwartete oder nicht beherrschbare Aggressivität Zittern durch Zorn, auch evtl. anhaltend nach Ärger
meist deutlich betontes Sexualverhalten: – giert nach Vertretern des anderen Geschlechts – Tendenz zum Onanieren – Rüde: Klammern an Artgenossen, an anderen Tieren, Menschen Warzen, Auswüchse an After, Genital, Augenlidern (Nit-ac.) evtl. Hautausschläge am Hinterkopf bzw. am Rand der Mähne Drüsenschwellungen, besonders in der Umgebung erkrankter, entzündeter Teile oft unangenehmer Geruch des Fells, oder von Ausdünstungen, Geruch evtl. nach H2S Hund: evtl. ,unzufriedenes‘ Jammern bis zum lauten Schreien – ungern gestreichelt, da überempfindlich gegen Berührung, besonders bei Schmerzen – manchmal aggressive Reizbarkeit, wenn man ihn streicheln will
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Staphisagria Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Das Verhalten richtet sich nach dem vorherrschenden ,Miasma‘ – der Patient lässt sich jedoch meist nicht von vornherein in ein ,Miasma‘ einordnen! Psora: eher liebenswürdig, milde, unterwürfig, nachgiebig, alles recht machen, schüchtern selten gebremste Aggressivität, Drohen, Knurren ohne Beißen Sykose: ,unberechenbar‘: liebevoll, plötzliche Aggressivität im Zusammenhang mit Sex unersättlicher Sex Syphilis: Sex ist Lebensinhalt, Aggressivität nicht zu steuern, bis zum Töten Der reservierte Duckmäuser: weicher Charakter, mild und freundlich, oder mürrisch-reserviert unerwartetes weibliches Gehabe männlicher Tiere (Puls.) sozialer Rang meist tief, setzt sich damit den Aggressionen ranghöherer Tiere aus (Puls., Lyc.) geht Konfrontationen aus dem Wege (Lyc.) sehr beeindruckbar durch Tadel oder Erziehungsmaßnahmen, dann oft Unterwürfigkeit (Puls., Lyc.) oder ,Zorn durch Widerspruch‘ plötzliche und unmotivierte Zornesausbrüche, die in keinem Verhältnis zum Anlass stehen; wann ,das Maß voll‘ ist, weiß keiner; evtl. heftige Aggressivität bis Töten evtl. freundlich mit gelegentlicher, heftiger Aggressivität, Tiere gelten als scheinbar unberechenbar unzufrieden, mürrisch, abweisende Stimmung ohne äußerlich erkennbare Ursache Beschwerden durch Hinzukommen eines beliebteren oder ranghöheren Artgenossen (Demütigung) Beschwerden durch Verlust einer geliebten Bezugsperson oder eines anderen Tieres (Kummer) nachtragend bei Demütigungen, Kummer und anderen emotionalen Verletzungen mit ,stillem Zorn‘, evtl. Zittern oder Apathie Aggressivität des männlichen Tieres, wenn das weibliche nicht zum Decken bereit ist evtl. Aggressivität im Zusammenhang mit der Kastration Beschwerden durch unterdrückte Sexualität (beim Menschen auch Liebeskummer), z. B. Rüden, Kater, Bullen oder Hengste u. Ä., die in Gegenwart brünstiger weiblicher Tiere nicht decken dürfen
Schlafstörungen: tags müde und schläfrig, aber nachts schlaflos Reizbarkeit von Jungtieren beim Erwachen nach dem Schlaf
Hund evtl. sehr liebenswürdig, sanft, meist mit deutlicher sexueller Betonung (z. B. Klammern) permanente, wedelnde Freundlichkeit, wie ,Lächeln mit dem Schwanz‘ unterwürfig, will es allen recht machen (DD Puls., Lyc., Sil., Calc.) leidet still oder jammert vor sich hin bis zum lauten Schreien (Lyc.), ohne erkennbare Ursache zurückhaltend oder extrovertiert evtl. schüchtern, weich, evtl. mit Neigung zu unerwartetem Ausbruch von Ärger, Aggression oft aber scheinbar gänzlich frei von Zorn , wie ,emotionell beherrscht‘ lässt sich evtl. nicht streicheln evtl. Aggressivität, wenn man ihn von hinten her anfasst sexuell erregbar, mit ,schlechtem Gewissen‘ und Unterwürfigkeit, wenn geschimpft Neigung zu Onanie, Aufreiten und Klammern evtl. Neigung zum dauernden Knurren, scheinbar ohne Grund greift evtl. Artgenossen an, die ihn reizen evtl. ,Raufbold‘, der sich in Aggressivität hineinsteigern kann rennt anschließend grollend, knurrend, zitternd durch die Wohnung, wenn der Zorn nicht ausgedrückt werden konnte ,Nägelbeißen‘, Knabbern, Kratzen durch ,unterdrückten Zorn‘ u. a. emotionellen Stress Rüden knurren böse oder werden aggressiv, wenn vom Klammern abgewiesen laufen knurrend und ,beleidigt‘ auf ihren Liegeplatz und onanieren dann Knurren evtl. verbunden mit Zittern ,vor Wut‘ Beißen, evtl. heftige Aggressivität, wenn ,das Maß voll‘ ist, bei sonst friedlichem Tier kann dann evtl. nicht aufhören mit Beißen (,will töten‘) evtl. nachgiebiges Verhalten zu Artgenossen, kann sich nicht wehren evtl. ,depressives‘ Verhalten (,Zorn mit stillem Kummer‘) durch Anwesenheit läufiger Hündin, mit der er keinen Kontakt haben darf
Staphisagria evtl. Vorbericht des Besitzers, der Hund sei unberechenbar, oder: ,Der tut nur so wild, beißt aber nicht!‘ der reservierte oder freundliche Duckmäuser weibliche Tiere zu verwechseln mit Puls., männliche mit Lyc.
Kater
Pferd plötzliche unersichtliche Widersetzlichkeit, ansonsten freundlich und fügsam evtl. abweisende Stimmung, wenn zuvor ,gekränkt‘ (Nat-m.) Hengst wird aggressiv, wenn er nahe einer rossigen Stute steht, die er nicht decken darf
entsprechendes Sexualverhalten mit wesentlich mehr Aggressivität und Geschrei als bei Hunden, Kater werden regelrecht zum ,Raubtier‘
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Zentralnervensystem: Konvulsionen, Chorea, ausgelöst durch Zorn oder andere genannte Staphisagria-Auslöser durch ungerechte Behandlung, Schimpfe, Hysterie, durch Kränkung, Ärger, Schmerzen auch Chorea durch dauernde Ermahnungen, grobe Behandlung (Ign.) Konvulsionen mit Fallen, Schaum vor dem Mund, klonisch, bewusstlos Lähmung, Hemiplegie durch Zorn Augen: Hautausschläge, Entzündungen an den Lidern Gerstenkörner, bes. rezidivierende, Knötchen, besonders der Oberlider, bes. links Verhärtungen in den Lidern klebrige Absonderungen Entzündung Konjunktiven, Iris mit Adhäsionen, Lidränder, Katarakt Wunden, Hornhautverletzung (einziges Mittel) Atemwege: Zusammenschnürungsgefühl, Heiserkeit, Verlust der Stimme durch Ärger u. Ä. Atemprobleme, Husten, Herzklopfen durch Ärger Überempfindlichkeit gegen Rauch (Sep., Ign., Dros.) Verdauungsapparat: Maulhöhle: verrenkter Kiefer nach Maulspanner (DD Rhus-t., Ign.), Arthrose des Kiefergelenks; Folgen von Kieferfrakturen, Nekrose des Unterkiefers; Schmerzen nach Zahnextraktionen (Arn., Nux-v., Hyper.); Zahnverfall, Karies, schwarze, bröckelnde Zähne vorzeitig bei Jungtieren, bei Zuchttieren; schmerzhafte Zahnfleischentzündungen, Stomatitis ulcerosa, Zahnfisteln; Entzündung der Zahnwurzeln mit Schmerzen beim Kauen; Aggressivität bei Berüh-
rung der Zähne; Zahnschmerzen nach Demütigung (Ign.); Krebserkrankungen im Maul, der Zunge, Epulis; Ranula Magen-Darm-Trakt: Heißhunger, bald wieder nach dem Fressen; Erbrechen, Übelkeit durch emotionalen Stress (Ärger, Demütigung u. ä. Verletzungen); Bauchschmerzen, Durchfall, akut oder chronisch (ähnlich Crohn-Krankheit oder Colitis ulcerosa) durch Ärger u. a. genannte Auslöser; Kolik durch Blähungen, Ileus durch genannte Auslöser; Magen-Darm-Ulzera bis Krebs durch genannte Auslöser; Enkopresis (Einkoten), Enuresis nach Zorn, nach Operation; Darmlähmung, nach Operation (Op.), unbemerkter Kotabgang; Afterjucken heftig; gereizte, entzündete Analdrüsen (Hund); Kot zuerst fest, dann flüssig oder breiig; Flatulenz nach Schwefel (H2S) Urogenital allgemein: Harnwegsbeschwerden, Genitalerkrankungen durch alle genannten Auslöser der Staphisagria-Pathologie insbesondere Inkontinenz, Enuresis durch unterdrückten Sex, Zorn, Demütigung usw. Kondylome im Genitalbereich, berührungsempfindlich, evtl. blutend, juckend juckende Hautausschläge im Genitalbereich (Sep.) Blasenlähmung durch Ärger, Kummer, bei alten Tieren; plötzlicher zwingender Harndrang (Puls.) Tendenz zu Onanie, auch vor der Geschlechtsreife Urogenital männlich: starke ,sexuelle Gefühlserregbarkeit‘ Folgen von unterdrücktem Sexualverlangen Rüden, die in derselben Wohnung leben wie läu-
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Staphisagria fige Hündin (Con.), onanieren häufig, exzessiv; dann oft Balanitis; Rüden stromern, laufen hinter Hündin her, dann Zorn, wenn weggeschickt; Rüden klammern bei Kindern, Zorn und Aggressivität, wenn abgewiesen Hengst im Reitstall, steht ständig erigiert wegen anwesender Stuten, wird dann kastriert, anschließend evtl. Samenstrangneuralgie Probier-Hengste, Bullen: mit unersättlichem Onanieren mit entsprechenden Folgebeschwerden Impotenz: mangelnde Spermaqualität bei Zuchttieren (sexuelle Exzesse); Impotenz nach „unterdrücktem Sexualverlangen“ Prostatavergrößerung, Adenome, Entzündung alle Störungen im Verlauf des Coitus können Staph. erfordern Hodenerkrankungen, -verhärtung, -Tumor, Atrophie auch Metastasen bakterieller Erkrankungen auf die Hoden (Puls. u. a.) Balanitis, Absonderungen, Ausfluss aus der Harnröhre, aus dem Präputium Erschöpfung nach Samenabgang Samenstrangneuralgie nach der Kastration eines der wichtigsten Mittel bei Harnwegserkrankungen männlicher Tiere (Lyc., Thuj., Puls. u. a.) Folgebeschwerden nach Blasenstein-Operation: Enuresis, Schmerzen, Entzündungen ständiger oder häufiger Harndrang, Reizblase, auch tropfenweise, Inkontinenz Schließmuskellähmungen, z. B. nach mehrfacher Katheterisation, u. Ä. schmerzhafte Kondylome, Warzen, Auswüchse im Genitalbereich Urogenital weiblich: Entzündung, Verhärtung, Krebs von Ovarien, Tube, Uterus ,Beschwerden frisch verheirateter Frauen‘, Überdehnung des Genitals Zystitis weiblicher Tiere nach Decken, nach Besamung, nach gynäkologischer Untersuchung (Sep.) Zystitis, Harnverhaltung, Inkontinenz nach Geburt Enuresis nach Zorn und genannten Auslösern der Staphisagria-Pathologie Scheideninfektionen mit Ausfluss Beschwerden nach der Kastration bzw. Ovarektomie Erschlaffung des äußeren Genitals, schlechter Scheidenschluss (Sep.) Milch fließt durch erschlafften Schließmuskel
Bewegungsapparat: schmerzhafte Periostitis, Knochenentzündung, -nekrose, Osteosarkom Sehnenkontraktur, Tendenz zu Verstauchungen, Schmerzen in Sehnen, Bändern Hyperästhesie der Zehenspitzen Neuralgien durch Ärger Rückenschmerzen durch Stoß, Überheben, nach Coitus, sexuellen Exzessen, besser durch Laufen Haut: übermäßig große Schmerzempfindlichkeit erkrankter Teile unheilsame Haut, kleine Wunden entzünden sich schmerzhaft schmerzhafte Warzen, Kondylome, Auswüchse verschiedenster Form solche ,Auswüchse‘ im Gefolge von sexuellen Störungen u. a. Staph.-Auslösern Jucken wechselnder Lokalisation (durch Empfindung von Krabbeln wie von Läusen) Hautausschläge durch unterdrückte Wut, u. a. emotionellen Stress wund machende, ätzende Absonderungen aus Hautausschlägen, führen zum Ausbreiten der Hautaffektionen dicke Schuppen, bilden Krusten, trocken, jucken heftig, blutend Ulzera verschiedenster Formation Hautausschläge am Hinterkopf, Nacken, am Rand der Mähne bilden Krusten mit scharfer Flüssigkeit darunter, mit Beteiligung der regionalen Lymphknoten Hautausschläge um die Augen, an den Lidern, Lidrändern, Gesicht, um das Maul, hinter den Ohren Lefzenekzem Hämangiom, Fungus, Atherom Hautausschlag abwechselnd mit Gelenkbeschwerden Alopecia areata Empfänglichkeit für Ektoparasitenbefall mit Hautreaktionen Verletzungen: ,konstitutionelle Folgen von Verletzungen‘ (,nie wieder gesund seit‘ der Verletzung) sehr schmerzempfindliche Hautverletzungen, Schnittverletzungen, Operationswunden (Hyper.) Lazerationen, Verletzungen mit Splittern, durch Fremdkörper, Stichverletzungen Hornhautverletzung am Auge (einziges Mittel!) Verletzungen der Vulva, im Perineum, Dammriss oder Episiotomie, evtl. mit Folgebeschwerden
Staphisagria Stumpfneuralgien nach Amputation, z. B. Samenstrangneuralgie nach Kastration Folgen von Verstauchungen, Synovitis durch Verletzungen
Knochenfrakturen, auch komplizierte, schlechte Frakturheilung schmerzhafte Narben nach Verletzungen
Auslöser und Modalitäten Auslöser: Beschwerden durch Kummer, Sorgen, Kränkung, Zurückweisung, Verachtung Beschwerden durch Bestrafung, Ungerechtigkeit, Grobheit Beschwerden durch Verlust ,der sozialen Position‘ (z. B. neuer ranghöherer Kollege) Beschwerden durch emotionelle Aufregung, Schreck, Angst Beschwerden durch Eifersucht, Demütigung, Dominierung (durch Mensch oder Tier) Beschwerden durch dominante Bezugspersonen, die das Tier ,demütigen‘ (z. B. Auslachen!) Beschwerden durch hohe Leistungsanforderungen ohne anschließendes Lob Beschwerden durch ,unterdrückten Sex‘ (Puls., Con., Apis u. a.) Beschwerden durch ,sexuelle Exzesse‘ (Einsatz in der Zucht oder nach zu viel Onanie; Deck-Rüden, -Hengste, – Bullen u. Ä.) Beschwerden durch Wut, Ärger, was nicht ausgedrückt werden kann (,unterdrückter Zorn‘) Beschwerden durch dauernden Streit von Bezugspersonen Beschwerden im Zusammenhang mit genitalen Verletzungen, ,Vergewaltigung‘ Beschwerden nach dem Deckakt, Besamung oder vaginaler Untersuchung bei weiblichen Tieren Beschwerden nach Verletzungen des Genitals (Sodomie) oder Geburtsverletzungen
Beschwerden durch beengte Haltungsbedingungen ohne ,Individualdistanz‘ Beschwerden durch Bewegungsmangel (,sitzende Lebensweise‘) Beschwerden nach unterdrückten Kondylomen (z. B. deren operative Entfernung) (Thuj., Nitac.) Folgen von unterdrückten Hautausschlägen Folgen von Schnittverletzungen, Amputation, Neurektomie Folgen von Verletzungen durch Fremdkörper, Stichverletzungen Verletzungen, Streckung von Sphinkter-Muskeln Modalitäten: ⬍ nach Schlaf, evtl. tags müde, nachts schlaflos Zittern nach Wut oder Aufregung (Lyc. durch Angst) ⬍ nach emotioneller oder sexueller Erregung, nach Zorn überempfindlich gegen Berührung ⬎ durch Coitus ⬎ durch Wärme ⬍ durch Fasten Komplementär: Caust., Coloc., Thuj., Calc. Folgemittel: Calc., Caust., Fl-ac., Ign., Kali-c., Lyc., Nux-v., Puls., Rhus-t., Sulf. Antidot: Camph. Staph. antidotiert Merc., Thuj.
Ausgewählte Fallbeispiele Nasenbluten bei einem Pferd (Fall von Dr. Hartmut Krüger)
Dieser Fall beschreibt deutlich die oben erwähnte Idee des „Eindringens“ bei Staphisagria: Am 1. August 1979 wurde uns der ca. 8-jährige, elegante braune Warmblutwallach des Herrn L. aus
Hilpoltstein vorgestellt wegen dauernder blutiger Absonderung aus der linken Nüster. Der Besitzer nennt das Geschehen bereits „chronisch“. Das Pferd war in den letzten 10 Tagen mehrfach von einem versierten Fachkollegen vorbehandelt worden, hatte ohne Erfolg Styptica, Vitamin K, Pektin-Präparate sowie ein Kurzzeit-Kortikoid bekommen. Der Kollege hatte dann die Therapie abgebro-
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Staphisagria chen, weil er meinte, man müsse jetzt zuerst abwarten, ob die Sache nicht spontan abheile. Sein letzter Besuch liegt nun 2 Tage zurück. Unsere Untersuchung ergibt keine Hinweise auf eine schwerwiegende Erkrankung, gutes Allgemeinbefinden und guter Ernährungszustand, außer Nasenbluten ist kein klinischer Befund zu erheben. An der linken Nüster findet sich ein ca. 2 cm breiter schleimig-blutiger Sekretstreifen aus dunklem, teils koaguliertem Blut; nur im Abstand von ca. 2 – 3 Minuten fällt ein Tropfen zum Boden. Die verlorene Blutmenge ist dabei unerheblich, lästig für den Besitzer ist einzig die durch Prusten mit Blut verschmierte Box. Wir spritzen zunächst 2 ml Phosphorus C 30 subkutan, ohne Erfolg. (Aus der heutigen Sicht erscheint diese Medikation unsinnig, da sich Blutungen, die Phosphor verlangen, durch helles Blut mit wenig Gerinnungstendenz auszeichnen.) 3 Tage später wird das Pferd von uns in Sedation im Bereich des linken Nasenganges mit dem Laryngoskop untersucht. Ca. 20 cm hinter der Nüsternöffnung ist die Ursache der Blutung als ca. 5-Centgroße, harmlos aussehende Schleimhautwunde zu erkennen, die im Begriff ist zu ulzerieren. Die umliegende Nasenschleimhaut ist leicht gerötet. Die ausgiebige Befragung nach einem vorangegangenen Geschehen bleibt unergiebig, ein Trauma ist nicht ausfindig zu machen. Das Pferd bekommt Heu und Hafer, Tränke aus dem Eimer und hat regelmäßigen Weidegang. Auch die Besichtigung der Koppel erbringt keinen Hinweis auf ein traumatisches Geschehen. Das Pferd bekommt nun ein Komplexmittel aus Cinnamomum und Hamamelis gespritzt und anschließend 4-mal per os, wiederum ohne Erfolg. Ohne ersichtlichen Zusammenhang mit dem Nasenbluten tritt nun eine strangartige, paramedian verlaufende Schwellung an der Unterbrust auf, keine weiteren klinischen Symptome. Das Pferd bekommt Phytolacca und Arnica LM 18, 1-mal täglich für 4 Tage. Die Schwellung an der Brust verschwindet, aber an dem Nasenbluten ändert sich nichts. Ein nochmalige minutiöse Fallaufnahme auf der Weide mit Beobachtung des Pferdes ergibt nun Folgendes: Neben vielen unerheblichen Beobachtungen berichtet der Besitzer, er gebe dem Pferd regelmäßig abgeschnittene Zweige zum Knabbern. Nun erinnert er sich plötzlich, vor der Erkrankung sei ihm aufgefallen, dass sein Pferd beim Knabbern an
diesen Zweigen plötzlich aufgeschreckt sei, sich aber anschließend nicht weiter auffällig verhalten habe. Derartige Schreckreaktionen gebe es manchmal, er habe dem keine Bedeutung beigemessen. Am folgenden Tage sei dann das Nasenbluten aufgetreten. Die Ursache könne durchaus darin bestehen, dass sich der Wallach einen kleinen Ast in die Nase gestochen habe. Das Pferd bekommt darum eine Gabe Staphisagria XM. Der Besitzer beobachtet nun das Pferd eine halbe Stunde auf der Weide und berichtet am folgenden Tage, bereits 20 Minuten nach der Verabreichung des Mittels habe sich die blutige Absonderung verringert und am nächsten Morgen gänzlich aufgehört. Ein Rückfall ist nicht aufgetreten.
Neurome nach Neurektomie beim Pferd 1980: Der 22-jährige sehr brave und ,abgeklärte‘ Schimmel ist schon lange aus dem Springsport ausrangiert: Wegen Podotrochlose war vor 2 Jahren eine Neurektomie der Rr. volares der Nn. palmares an beiden Vorderbeinen durchgeführt worden. Das Pferd soll dem 8-jährigen Junior der Familie noch das Springreiten beibringen. Außer ,stumpfem‘ Gang vorn beiderseits ist kein Zeichen einer Bewegungsstörung vorhanden. Der Besitzer beklagt auch etwas anderes: Seit der Operation vertrage das Pferd die Springglocken an den Vorderfüßen nicht mehr, die Haut werde im Palmarbereich immer wieder wund. Außerdem lasse er sich diese kaum noch anlegen, er ziehe immer die Füße weg. Dagegen sei das Hufe-Auskratzen gar kein Problem. Die Untersuchung der Operationsstellen ist wegen intensiver Abwehr des Pferdes kaum möglich. Erst nach lauten, energischen Ermahnungen und Hochheben des anderen Vorderfußes gelingt es, die Operationsstellen zu palpieren. Dort finden sich unter der Haut diverse hochgradig berührungsund druckempfindliche Verhärtungen, knapp erbsengroß.
Staphisagria Diagnose Diverse Neurome an den Stümpfen der operierten Nerven.
Therapie Zweimal pro Woche Staphisagria C 30. Nach 4 Wochen ist die Berührungsempfindlichkeit in diesen Regionen gänzlich verschwunden. Das Pferd verträgt auch die Springglocken wieder. Die knotigen Verhärtungen bildeten sich allerdings nicht zurück.
Laufen lassen der Milch (Fall von Dr. Hartmut Krüger)
Im Mai 1981 wird mir anlässlich eines Routinebesuchs die Frage gestellt, ob ich auch etwas gegen das Laufen lassen der Milch bei einer Kuh machen könnte. Eine sehr gute 5-jährige Fleckvieh-Kuh, ruhiges Tier in sehr gutem Zustand, lässt aus dem linken Hinterviertel im konstanten Strahl die Milch laufen. Der Bauer berichtet, kaum stehe die Kuh auf, dann fließe sofort die Milch weg. Die anderen Zitzen seien „dicht“. Dieses Problem bestehe seit nunmehr 1 Woche und habe ganz überraschend begonnen. Das unangenehme sei nicht nur der Milchverlust und die Infektionsmöglichkeit, sondern vor allem der permanente Geruch von zersetzter Milch, der aus den Milchseen am Boden ausströme und sich in der Mistrinne sammele. Da sich die Milch nur aus einem Strich entleert, ist anzunehmen, dass es sich hier nicht um ein konstitutionelles oder innersekretorisches Problem handelt. Die Untersuchung der Kuh ergibt keine pathologischen Anhaltspunkte. Bei Berührung der Zitze
lässt der Milchfluss sofort nach und setzt ca. eine halbe Minute später wieder ein. Schließmuskel und Zitze weisen keine erkennbaren Mängel auf. Der Bauer betont, die Kuh sei problemlos zu melken. Ein aktueller Anlass einer Erkrankung lässt sich nicht ermitteln. Während unseres Gesprächs taucht die Frau des Besitzers im Stall auf und erklärt: „Herr Doktor, Sie kennen die Kuh doch noch: Vor 2 Jahren haben Sie ihr innen die Zitze mit dem Messer aufgestochen, als sie nach einer Verletzung zugewachsen war!“ Ich erinnerte mich an den Fall: Die Kuh hatte damals eine stumpfe Zitzenverletzung gehabt, die nach Abheilen anschließend zum Verschluss des Strichkanals geführt hatte. Ich hatte damals die Zitze mit dem Zitzenmesser eröffnet. Anschließend wurden einigen Tagen Wollzitzenstifte eingeführt, und anschließend sei das Viertel wieder gut melkbar gewesen. In der Folgezeit sei bis vor kurzem alles in Ordnung gewesen. Die Kuh bekommt eine Gabe Staphisagria M. Einen Monat später erfahre ich, dass die Kuh jetzt nur noch kurz vor den Melkzeiten die Milch laufen lasse. Tagsüber tröpfele nur gelegentlich etwas Milch heraus. Der Bauer ist ganz zufrieden, weil nun wenigstens der Geruch nach zersetzter, saurer Milch nicht mehr im Stall hänge. Ich selbst war jedoch mit diesem Teilerfolg nicht einverstanden und injizierte nochmals Staphisagria, diesmal in der XM-Potenz. Darauf geriet die Sache in Vergessenheit und erst Monate später hörte ich, dass der Zitzenschließmuskel wieder völlig intakt sei. Hier haben gleich zwei Auslöser des Staphisagria-Geschehens mitgewirkt: Zum einen hatte eine scharfe Stich- und Schnittverletzung stattgefunden, zum zweiten die Erweiterung des Zitzenschließmuskels durch die Zitzenstifte. Warum nun die Inkontinenz erst 2 Jahre nach dem Trauma aufgetreten ist, bleibt ein Rätsel.
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Sulfur
Schwefel
Signatur, Thema und Idee des Mittels Schwefel gehört zu den bindungsfreudigsten und reaktionsfähigsten chemischen Elementen, eine ähnliche „Reaktionsfreude“ findet sich im SulfurPatienten – in physischer und psychischer Hinsicht. Wie bereits erwähnt „spielt“ die Homöopathie mit den Polaritäten: Das Thema „Reaktion“ ist angesprochen; damit kann sich das Bild von Sulfur auch in Form von Reaktionsmangel manifestieren. Physikalisch hat der Schwefel einen intensiven Bezug zu warmer Temperatur: Durch Erhitzen kann er seinen Aggregatzustand von der festen über die plastische bis zur gasförmigen Form – jeweils auch in unterschiedlicher Farbe – verändern, bei 260 ⬚C kann er sich sogar selbst entzünden, bei 400 ⬚C wird er wieder dünnflüssig, bei 444 ⬚C ist sein Siedepunkt erreicht, und damit ändert sich seine Beschaffenheit in ein helles Gas. Der potenzierte Sulfur gehört wie Ars. und Phos. (u. a.) zu den „Brenner-Mitteln“; das ist eine Kurzbezeichnung für Mittel, deren Symptomatik von brennenden Empfindungen begleitet ist. Leider entzieht sich dieses schöne subjektive Symptom der Veterinärmedizin; aber wenigstens das Verlangen nach Kühle, kalten Liegeplätzen sowie die Verschlimmerung durch Wärme und Warmwerden können dieses Phänomen erklären. Hauterkrankungen jedoch treten bevorzugt während der kalten Jahreszeit auf und verschlimmern sich trotzdem unter warmen Temperaturen. Der Sulfur-Patient ist in der Regel warmblütig und liebt kühle Außentemperaturen. Gelegentlich kann er jedoch auch als frösteliger Patient erscheinen, was beim Tierpatienten eher selten zu beobachten ist. Schwefelhaltige Gase oder Quellen verbreiten einen penetrant-widerwärtigen Geruch; auch der Sulfur-Patient verströmt i. d. R. unangenehme Ausdünstungen, die wie „faule Eier“ (ähnlich Schwefelwasserstoff) riechen oder zumindest den artspezifischen Körpergeruch übersteigert betonen. Dieser lässt sich weder durch wohlmeinendes Waschen
noch durch deodorierendes Schamponieren beseitigen. Bekanntlich wird der Schwefel im überlieferten Aberglauben mit der „brennend heißen Hölle“ und dem „nach Pech und Schwefel stinkenden Teufel“ assoziiert. Reiche Schwefelvorkommen im Erdboden finden sich besonders in vulkanischem Gestein, aus dem aktive „Eruptionen“ (eruption, engl. Hautausschlag) hervorbrechen – wie „Hautausschläge“ und „Geschwüre“ der Erdoberfläche. Vulkanisches Gestein ist meist mit „Unruhe“ im Boden (Erdbeben, beeindruckenden Ausbrüchen von Lavaströmen u. Ä.) verbunden. Der Sulfur-Patient ist – wenn nicht schon schwer krank – meist von beeindruckender Ausstrahlung und einer gewissen Ruhelosigkeit geprägt, was nicht zuletzt auch in dem dauernden Bedürfnis sich zu kratzen zum Ausdruck kommt. Abwechselnd damit zeigt er sich faul und träge, was die Tierbesitzer oft mit Unverständnis registrieren oder als „Launen“ bezeichnen. Der Erdboden im Umkreis von ehemaligen Vulkanen bildet einen äußerst fruchtbaren Ackerboden; Sulfur-Patienten sind voll von „fruchtbaren“, kreativen Ideen, wollen alles untersuchen und erkunden, ohne dabei viel Rücksicht auf ihre Umgebung oder Hausgenossen zu nehmen. Sie sind gleichsam autark und „ungeniert“ auf die eigenen Bedürfnisse fixiert – was dem Tierbesitzer oft wenig willkommen erscheint und möglicherweise zum „unerwünschtes Verhalten“ deklariert wird. Schwefel gehört im Organismus zu den essenziellen Bestandteilen aller Eiweißverbindungen, spielt eine wesentliche Rolle bei deren Metabolismus und dient damit der „Reinhaltung“ des Organismus von toxischen Abbauprodukten. In diesem Sinn kann man den Schwefel auch als „reinigenden Aufheller“ oder „Lichtbringer“ im Stoffwechselgeschehen (Sul-fur, lat. Sol: Sonne, Licht; ferre: lat. bringen; Phos. bedeutet auf griech. ebenfalls ,Lichtbringer,‘ betrifft aber das ,offenbarte Licht‘, das dem Energiestoffwechsel zur Nutzung zur Verfügung steht) verstehen, der die im Grundsystem ruhenden „Schlacken“ auf jedem möglichen
Sulfur Wege zur Ausscheidung und damit „ans Licht“ bringt (Dissimilation): Wenn die physiologischen Ausscheidungswege blockiert sind, muss stattdessen die Haut zur Toxineliminierung genutzt werden, was sich dann in den bekannten Hautausschlägen des Sulfur-Patienten äußert. Dieser Vorgang knüpft an die der Homöopathie (und anderer sinnvoller Naturheilverfahren) eigene Idee der Unterdrückung an: Die Symptome des Patienten sind das Ergebnis und der Ausdruck seiner innewohnenden Krankheitsdisposition. Wenn einzig die Symptome beseitigt werden (Palliation), ohne den gesamten Organismus „gesund zu machen“ (§ 1 des Organon), kann die Erkrankung stattdessen an anderer Stelle – am hierarchisch übergeordneten Organsystem – erneut in Erscheinung treten. Es handelt sich dabei nicht um eine neue Erkrankung, sondern um eine fortschreitende Variation der vorherigen, die sich dann in einem anderen Organsystem abspielt.
Wenn in einem solchen Fall Sulfur indiziert ist und gegeben wird, tritt oft die vorangegangene Erkrankung wieder in Erscheinung, und die „Unterdrückungsfolge“, die scheinbar neue Erkrankung, verschwindet (s. Kasuistik). Sulfur ist auch eines der wichtigsten „Reaktionsmittel“ der Homöopathie: Er bringt nicht nur die Produkte eines fehlgesteuerten Stoffwechsels zur Ausscheidung, sondern stimuliert die gesamte Reaktionsfähigkeit des Organismus, wirkt „reinigend“ und aktivierend – wie ein Katalysator – für Dissimilation, Immunsystem und regulierende Heilungsvorgänge. Thema und Idee: Reaktion – Eruption – Unterdrückung – „verschlackter“ Metabolismus – Ausscheidung – regenerierende Regulationsvorgänge.
Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Sulfur ist ein intensiv und lange auf den Organismus einwirkendes Mittel und darf nicht zu häufig gegeben werden. Als eines der am besten geprüften homöopathischen Arzneimittel ist der Schwefel im Repertorium überrepräsentiert und taucht fast bei jeder Repertorisation unter den ersten Mitteln auf. Allein im Kapitel „Haut“ des Complete-Repertoriums findet er sich in 567 Rubriken. Die Verordnung von Sulfur ist jedoch keineswegs so häufig angebracht, wie es vielleicht den Anschein haben mag. Das Sulfur-Bild entwickelt sich meist langsam im Laufe gestörter Dissimilationvorgänge. Schwefel ist häufig, aber nicht in jedem Fall das wichtigste Mittel gegen Folgen von Unterdrückungen, es gibt noch zahlreiche andere „Unterdrückungsmittel“; z. B. unter den „Folgen von unterdrückten Hautausschlägen“ sind neben Sulfur noch 69 andere Mittel angegeben. Sulfur wird neben Silicea, Malandrinum und Thuja als Hauptmittel für ,Impffolgen‘ beschrieben. Diese Mittel beziehen sich jedoch in erster Linie auf
die Pockenimpfung des Menschen. Im Repertorium sind unter „Impffolgen“ außer den genannten noch 32 weitere Mittel erwähnt. Außerdem finden sich im ganzen Repertorium unter den Rubriken der jeweiligen Beschwerden, die nach der Impfung auftreten, genauere Angaben für die Indikationen solcher Mittel. Nebenbei sei erwähnt, dass gerade in der Veterinärmedizin die Nosoden der zurzeit üblichen Impfstoffe in bestimmten Fällen nicht vergessen werden dürfen. Eine falsche, zu intensive oder zu häufige Verordnung von Sulfur kann zu heftigen Verschlimmerungen im Zustand des Patienten führen – insbesondere im Fall von chronischen Hautausschlägen. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Patienten langfristig mit immunsuppressiven Medikamenten vorbehandelt worden sind. Andererseits ist Sulfur das wichtigste Mittel, um negative Folgeerscheinungen von Immunsuppressionen (z. B. durch Kortikoide oder ähnliche Stoffe) aufzuheben und ein reaktionsfähiges Immunsystem wieder herzustellen. Im Fall von absolutem Mangel an verwertbaren Symptomen (nicht zu verwechseln mit unzureichender homöopathischer Anamnese) kann aber
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Sulfur eine vorsichtige und gut kontrollierte Gabe von Sulfur die wahlanzeigenden Symptome deutlicher hervorbringen, die Symptomatik klären und anschließend eine gezielte Mittelwahl ermöglichen. Dasselbe gilt für den so genannten Reaktionsmangel eines Organismus, der auf „gut gewählte Arzneien“ nicht erwartungsgemäß anspricht. Sulfur kann auch bei der Therapie chronischer, insbesondere maligner Erkrankungen als „Zwischenmittel“ angebracht sein, wenn „gut gewählte Mittel“ nicht genügend wirken (Sulfur, der „Scharfmacher“). Ein solches Vorgehen setzt aber gründliche und langjährige Erfahrung in der Homöopathie Hahnemanns voraus und sollte nicht von Therapeuten ausgeübt werden, die gewohnt sind, mit Komplexpräparaten zu arbeiten. Sulfur gilt auch in diesem Sinn als „der große Reiniger“, der verborgene Symptome zum Ausbruch (engl. eruption) bringen kann und damit den Stoffwechsel entlastet, Abbauprodukte im Grundsystem (nach Pischinger) mobilisiert und zur Ausscheidung führt. Diese Mobilisierung von „Stoffwechselschlacken“ kann im Rahmen einer „Erstreaktion“ (s. Grundlagen der Homöopathie) vor sich gehen, ist also als ausgesprochene Heilreaktion zu verstehen und sollte auf keinen Fall etwa durch schulmedizinisch-immunsuppressive Intervention oder andere Maßnahmen gestört werden. Das Phänomen der Erstreaktion ist jedoch streng nach der Hering’schen Regel zu bewerten! Der Schwerpunkt der homöopathischen Aktion von Sulfur liegt im Bereich des Stoffwechsels und in Hauterkrankungen. Nur selten und ausnahmsweise gibt es einen Sulfur-Patienten, der nicht unter einer Hauterkrankung leidet oder früher gelitten hat! Im Arzneimittelbild von Sulfur kommt der Zusammenhang zwischen Darm, Lunge und Haut besonders deutlich zum Ausdruck: Gestörte Entgiftungsvorgänge und verzögerte Ausscheidung von kot- oder harnpflichtigen Substanzen, ebenso eine dysbiotische Darmflora bilden die besten Voraussetzungen für Hauterkrankungen. In diesem Sinn ist auch die Ausscheidungsfolge der Chinesischen Medizin zu verstehen: „Was Niere und Blase nicht ausscheiden können, das muss der Darm tun,
was der Darm nicht ausscheiden kann, das muss die Lunge tun, wenn alle zusammen nicht genügend ausscheiden, dann muss es durch die Haut geschehen, was die Haut nicht mehr ausscheiden kann, führt zum Tode.“ Ergänzend sei erwähnt, dass „unterdrückte Hautausschläge“ nicht zwangsläufig tödlich enden, sondern zunächst organische Schäden nach sich ziehen, die dann im Laufe ihrer Fortentwicklung die Voraussetzungen für ein vorzeitiges Lebensende bringen. Diese Art der Krankheitsentwicklung der chinesischen Medizin beinhaltet sinngemäß dasselbe wie die aus der Homöopathie bekannte Hering’sche Regel: Blockierte Ausscheidungen lassen die Krankheit auf innere Organe fortschreiten, für die Heilung muss der umgekehrte Weg eingeschlagen werden (s. Grundlagen). In vorsichtiger Dosierung eignet sich Sulfur zur Rekonvaleszenz nach schweren (Infektions-) Krankheiten und trägt – ähnlich wie Nux-v. – zur Ausscheidung einer Rest-Toxin-Belastung bei, insbesondere nach antibiotischer oder chemotherapeutischer Therapie. Schließlich ist Sulfur auch bekannt als „homöopathischer Radiergummi“, indem er eine Vielzahl von homöopathischen Mitteln antidotieren kann. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass bei einer erfolglosen Gabe eines nicht passenden Mittels immer in erster Linie das „richtige Mittel“ gegeben werden sollte; Sulfur als „Antidot“ steht als Ultima Ratio im Hintergrund. Eine solche Ausnahme ist im folgenden Kapitel in der „Kasuistik“ geschildert. Sulfur sollte – neben anderen Mitteln – immer berücksichtigt werden, wenn Tiere mit Hauterkrankungen in Intensiv- oder Wohnungshaltung bei mangelnder körperlicher Bewegung mit reichhaltiger oder nicht artgemäßer Ernährung (Stoffwechselbelastung) gehalten werden. Es ist durchaus möglich, den „sturen“ Sulfur-Patienten mit Calc-c. zu verwechseln, wobei der Sulfur-Patient meist „stabiler“ ist – hinsichtlich Körperbau und Psyche. Allerdings kann der Calcarea-Patient durchaus in ein Stadium geraten, in welchem er Sulfur als „Zwischenmittel“ in seiner homöopathischen Kur benötigt, um eine angemessene Reaktionsfähigkeit seines Organismus herzustellen oder aufrecht zu erhalten.
Sulfur Die Reihenfolge der „homöopathischen Kur“ eines Calcium-Patienten erfordert oft in dieser Reihenfolge Calc-s., dann Lyc. und anschließend Sulf. Diese Abfolge von Arzneien verläuft aber oft über Jahre hinweg und richtet sich einzig nach den individuellen Symptomen, die der Patient zeigt. Sulfur hat zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Psor., ist aber in der Praxis ungleich häufiger indiziert.
Sulfur ist erfahrungsgemäß beim echten Sommerekzem der Pferde (Allergie auf Stechmücken) nur selten indiziert, verschlimmert eher diese Symptome! Auch die Sulfur-Modalitäten sprechen gegen eine solche Indikation!
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: akute Zustände sind eher die Ausnahme akut auftretende Unterdrückungsfolgen (s. Kasuistik) nach schlecht vertragener Impfung (u. a. Mittel!) Chronische und konstitutionelle Indikationen: sind häufiger meist langsame, sich chronisch entwickelnde Zustände Die pathologischen Schwerpunkte können sich auf alle Arten von Krankheiten beziehen, die im Gefolge von Unterdrückungen oder unterdrückten Ausscheidungen auftreten können. Reaktionsmangel: psychisch, physisch, im Immungeschehen oder in der Rekonvaleszenz, kann in vorsichtiger Dosierung die Absorption oder Resorption von Exsudaten vorantreiben Ausscheidungen oder Absonderungen: übel riechend und wund machend Haut: Hitze, Rötung, Juckreiz, besonders nach Berührung mit Nässe, Wasser und Seife; juckende Hautausschläge, Gehörgangsekzeme, stumpfes Fell; Juckreiz ⬍ im Warmen, muss wund kratzen, wund machende Absonderungen; anschließendes Brennen, das sich mit intensivem Verlangen zu lecken äußert; stinkender Körpergeruch; schnel-
les Schwitzen bei leichter Anstrengung; gerötete Körperöffnungen (soweit erkennbar) Augen: pustulöse Keratitis, Entzündung und Ulzera der Lidränder, Gerstenkörner, Entzündung nach Verletzung durch Fremdkörper Maul: Maulfäule, stinkend, Zahnwurzelabszesse Verdauungsapparat: viel Hunger und Durst, mit Abmagerung oder Fettsucht; Durchfall morgens 5 – 6 Uhr, Durchfall abwechselnd mit Obstipation; stinkende Flatulenz, stinkender Kot, Knochenkot, schwieriger Kotabsatz; Erkrankungen der Analdrüsen beim Hund Harnwege: Urin stinkend, Zystitis, Nierenfunktionsstörungen aller Art Genital: stinkende Rhagaden und Ulzera, chronische Urethritis; Zyklusstörungen, Entzündungen aller Art Atmung: alle Arten von Katarrhen, Entzündungen, Asthma Bewegungsapparat: Glieder- und Rückenschmerzen, Rheuma, Hydrops, Hitze von Pfoten, Hufen, Klauen Folgekrankheiten nach Unterdrückungen oder immunsuppressiver Therapie
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten häufig dunkel pigmentierte oder rothaarige Tiere oft frühzeitig ergraut, Schimmelpferde auch „blond mit schlaffer Faser“ fast immer sind oder waren Hautausschläge oder andere Hautreaktionen vorhanden! schmutziges, struppiges, stumpfes, fettiges Haarkleid
Pickel, Akne, Atherome, Eiterungstendenz, schlechte Wundheilung Hautausschlag i. d. R. ohne primären Haarausfall Alopecia areata, hormonell bedingter Haarausfall Haare verfilzen, Haarbruch frühzeitig gealtertes Aussehen
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Sulfur häufig schlaff aufgetriebenes Abdomen wunde, gerötete Körperöffnungen (soweit bei Pigmentierung erkennbar) gerötete, kongestionierte Schleimhäute (soweit erkennbar) auffallend intensiver, penetranter Körpergeruch, der nicht abzuwaschen ist: – nach Schwefel („faulen Eiern“) wie Psor. – nach Knoblauch, Käse oder säuerlich – oder intensiver artspezifischer Körpergeruch, auch bei kastrierten Tieren Tendenz zu Befall mit Ektoparasiten (Flöhe, Zecken, Milben) und Endoparasiten häufig sehr adipös (Calc-c., Lach., Nat-m., Graph., Kali, Puls.) oder mager, schlechter Futterverwerter durch Stoffwechselstörungen meist warmblütige Tiere, seltener Neigung zum Frieren Risse, Fissuren, Wundsein an den Körperöffnungen Sulfur-Hauterkrankungen ⬍ während der kalten Jahreszeit häufig auffallend heiße und oft gerötete Haut ohne Fieber, besonders nach Kratzen Zwergwuchs, Einsinken in Schulterblättern („krumme Haltung“) kümmernde Jungtiere, z. B. nach Pharma-Therapie des Muttertiers während Gravidität oder Laktation
Hund struppiges, glanzloses Haarkleid permanentes Hecheln, besonders im warmen Raum, suchen kühle Plätze i. d. R. warme Extremitäten, oft stinkender Geruch oder Schweiß der Pfoten Hund steht ungern, setzt sich schnell nieder (Calc-c.) Tendenz sich zu kratzen, besonders im warmen Raum oft Hyperästhesie der Haare, der Haut wenig interessiert an unserer Zuwendung, aber sehr wohl an Leckerbissen untersucht interessiert die Praxis nach allen Duftnoten, ist kaum davon abzubringen manchmal Speichelfluss beim Bellen
Pferd stumpfes, schmutziges Haarkleid, schmutzige Schimmel, verfilztes Deckhaar verschmutzte Box trotz sauberer Haltung, Tiere liegen oft im eigenen Mist oft dicker Bauch mit viel Flatulenz manchmal deutliche Pulsation der Mittelfußarterien ohne Laminitis („Hitze der Füße“) Strahlfäule trotz sauberer Einstreu Das Erscheinungsbild von Sulfur muss nicht in jedem Fall deutlich ausgeprägt sein! Insbesondere in akuten oder subakuten Fällen ist oft eine Causa (z. B. Unterdrückungs- oder Impffolge) entscheidend und höher zu bewerten als Erscheinungsbild oder Verhalten.
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens häufig der „Felsen in der Brandung“, wenig zu erschüttern, selten übersensibel-hysterisch meist nicht übermäßig verspielt, eher der „Ruhepol“ zwischen dem Gerangel anderer Tiere wenig Interesse an dem, was andere Artgenossen interessiert, eher reserviert oder dumpf oft nicht übermäßig freundlich, Besitzer meinen, das Tier könne etwas persönlicher zu ihnen sein ranghoch, ohne das zur Schau zu stellen, „man achtet ihn“ oder unauffälliger mittlerer Rang, manchmal auch rangtief wenig zu beeindrucken, meist keine auffallende Demut durch Ermahnungen oder Strafe
oft stur und dickköpfig (Calc-c.) eigensinnig, schwer zu erziehen, möglicherweise Dominanz- oder Ignoranzprobleme mit Besitzer (Sep., Lyc. u. a.) faul und träge macht aber „intelligenten Unsinn“, wenn es ihm gefällt, öffnet Türen, sucht Beschäftigung u. Ä. Flehmen oder intensive Reaktion durch fremde Körper- oder Kotgerüche Kratzen am ganzen Körper möglich, besonders an Körperöffnungen (Caust. u. a.) auffallendes Lecken an den gekratzten Teilen („Brennen der Haut nach dem Kratzen“)
Sulfur generell schlechter (Verhalten und Leistungsbereitschaft) vor der Futterzeit bzw. im nüchternen Zustand unsauberes Fressverhalten, kleckert, streut Futter herum
Hund neben Kratzen auch nervöses Knabbern, z. B. an den Pfoten („Nägelbeißen“, „Daumenlutschen“) bellt aus Langeweile (Calc-c.) stiehlt Futter, Allesfresser, wahlloses, gieriges Herunterschlingen, erstaunlich gut vertragen
geht stromern, sucht „Unterhaltung“, weil daheim zu langweilig autarke Straßenhunde, schlecht ernährte Hofhunde, meist nicht übersensibel nicht übermäßig verspielt, träge abends, aber evtl. nachts aktiv tiefer Schlaf morgens („Morgenmuffel“), nachts schnell wach mit Bellen („Katzenschlaf“) Verlangen nach frischer Luft, liegt auch bei kaltem Wetter lieber im Freien lässt sich nicht gern zudecken Auch die Verhaltenssymptomatik von Sulfur muss nicht in jedem Fall ausgeprägt sein!
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Haut: Hauterkrankungen im Wechsel mit anderen Erkrankungen, insbesondere mit Erkrankungen der Atemwege (andere Mittel, z. B. Nat-m., haben gleichzeitig Symptome von Haut und z. B. Atemwegen) stumpfes, glanzloses, struppiges Fell, schmutziges Aussehen trotz intensiver Pflege heiße, oft gerötete Haut, besonders nach Kratzen unheilsame Haut, jede kleine Verletzung infiziert sich und eitert Scheuerwunden, Exkoriation, Intertrigo (z. B. Geschirrdruck) (u. a. Mittel) möglicherweise rote Flecke der Haut (z. B. Schwein: Rotlauf, neben Sulf. auch Rhus-t., Lach.) Hautausschläge, Geschwüre mit Maden-Befall (Ars., Calc., Merc., Sabad., Sil.) Hauterkrankungen infolge ungesunden Futters (verdorben, schwerverdaulich, kalorienreich) Futtermittel-Allergien, Kontakt-Allergien u. Ä. latente Obstipation durch Trockenfutter, Pellets Hund: Stoffwechselbelastung durch minderwertiges Fertigfutter, Trockenfutter; Knochen-, Knorpelfütterung, Beimengungen von Knochenschrot (solches Futter kann regelrechte Sulfur-Symptome provozieren!); ⬍ bei langhaarigen Tieren (⬍ „warme Kleidung“), ⬎ durch Abscheren von Fell, bes. im Sommer Hautausschläge: Hautausschlag anfangs ohne bemerkenswerten Haarausfall der betroffenen Stellen(!) aber wund, nässend und blutig nach langem Kratzen, Wundkratzen
Juckreiz besonders am Abend, im warmen Raum, beim Warmwerden anfangs Jucken ohne Ausschlag, dann Auftreten von Wundheit und Ausschlag Juckreiz ⬍ nach Kontakt mit Wasser, Baden, besonders ⬍ nach Waschlotionen (Psor.) daher manchmal wasserscheu, will bei Regen nicht nach draußen oft mit schmerzhaften Haarwurzeln schmerzhafter Juckreiz, besser nach Kratzen, aber dann „Brennen“ mit Zwang zum Lecken intensives, „wollüstiges“ Jucken und Kratzen (u. a. Mittel) Lokalisation: überall möglich, besonders um die Körperöffnungen, an Gelenkbeugen (EllbeugeAchsel, zwischen Oberschenkeln, Schwanzfalte) Pferd: auch Fesselbeuge (u. a. Mittel) Art der Hautausschläge: feuchte Flecke nach Kratzen, wund oder blutig nach Kratzen; Hautausschläge mit Schwellung; Pickel, Atherome, Akne, Hyperkeratosen; Überpigmentierung, schwärzliche Verhornung (wie Sep., Thuj.) oft mit Haarausfall; Urtikaria durch Kälte, Wärme, Anstrengung (Nat-m., Urt-u., Calc., Psor.); Kontaktallergien auf Salben, Allergien durch Antibiotika, Waschlotionen, Repellenzien u. Ä.; allergische Reaktionen auf Insektenstiche (Led., Urt-u. u. a.) Hund, Katze: Brennen nach Kratzen, das Tier muss dann intensiv an den betroffenen Hautstellen lecken; Otitis externa mit starkem Juckreiz (u. a. Mittel), heiße, rote Ohren, stinkende Absonderung; Zwischenzehenekzeme (Sep. u. a.), Hautausschlag an der Schwanzwurzel (u. a.)
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Sulfur Pferd, Rind: Wachstumsstörungen der Hufe, Klauen, Panaritium, auch chronisch oder rezidivierend; Wundwerden zwischen den Hinterschenkeln bzw. Euter und Hinterschenkeln (Nat-m. u. a.); Hautausschlag an Mähnenrand, Schwanzwurzel
Durst, evtl. mit wenig Futteraufnahme; minderwertiges Futter wird erstaunlich vertragen, führt aber langfristig zu Stoffwechselbelastung; latente Obstipation, dann allmähliche Entstehung von Hauterkrankungen; Heißhunger mit Abmagerung oder Fettsucht
Haarausfall: Alopecia areata ohne Ausschlag hormonell bedingter Haarausfall (Calc., Lach., Lyc., Nat-m., Sep., Sil.), evtl. nach Geburt symmetrischer Haarausfall Pferd: Haarausfall durch Reiben von Geschirr, Sattel, Decken u. Ä.; Haarausfall durch wund machenden, scharfen Schweiß; Haarausfall von Deckhaar (Mähne und Schweif)
Magen-Darm: Auslöser: gestörte Dissimilation, anschließend chronische Schleimhautkatarrhe, mit Dyspepsie oder „Rheuma“ Folgen von „unterdrückten“ Erkrankungen/Ausscheidungen akuter/chronischer Magenkatarrh/Darmkatarrh Schwermetall-Belastungen Erkrankungen der Leber
Mykosen aller Art, besonders nach antibiotischer, desinfizierender o. ä. Vorbehandlung (u. a. Mittel!)
Symptome von Erkrankungen des Verdauungsapparats: appetitlos oder wahlloser Heißhunger Schwäche durch Hunger, ⬍ am späten Vormittag (fraglich beim Dauerfresser, außer evtl. Hund) Unverträglichkeit von Eiern (Hund, Katze) und Süßigkeiten schnelle „Sättigung“, hört nach wenigen Bissen auf zu fressen (u. a.) Durst extrem stark, Verlangen nach kaltem Wasser, verweigert Wasser von Zimmertemperatur Abdomen vergrößert, flatulente Auftreibung, stinkender Blähungsabgang Kollern, Gurgeln nachts, oder vor dem Stuhlgang unspezifische Bauchschmerzen im Zusammenhang mit Kotabsetzen Bauchschmerz, evtl. bei Diarrhö Diarrhö nachts oder morgens – treibt den Hundebesitzer vorzeitig aus dem Bett (Psor.) Diarrhö nach akuten Krankheiten, nach septischen Erkrankungen Diarrhö nach unterdrückten Hautausschlägen Diarrhö bei Fütterung von nicht einwandfreiem Silo-Futter (Pferd, Kuh) (Nux-v. u. a.) Diarrhö nach langfristiger Fütterung von Küchenabfällen (Hund, Schwein, DD Nux-v., Phos.) Diarrhö möglicherweise schmerzlos, ohne Schwäche abwechselnd Diarrhö mit Obstipation Jucken des Anus, mit Brennen und Lecken (Pferd: Schwanzreiben) Hautausschläge um den Anus After: Schmerzen Hund: Erkrankungen der Analdrüsen: Rötung, Blutung, Geschwüre, Fisteln (u. a. Mittel) evtl. unwillkürlicher Kot (Phos., Aloe); Tenesmus vor/während/nach Kot
Körperöffnungen: rote Lidränder, Vulva, After, wund machende Schleimhautabsonderungen Wunden: Brennen, schmerzhaft, heilen schlecht, entzünden sich, schließen sich nicht Entzündung, Erysipel, Eiterung, Schwellung von Wunden Narbenkeloid (u. a.). Warzen und Auswüchse: in zahlreichen Variationen; hart, gezackt, hornig, entzündet, juckend, klein, schmerzhaft; eher selten beim Sarkoid der Equiden Schweiß: schnelles Schwitzen bei leichter Anstrengung, oft mit muffigem Geruch Augen: pustulöse Keratitis u. ä. Augenerkrankungen (z. B. nach Depot-Kortikoiden) Ulzera, Entzündungen der Lidränder, Gerstenkörner, rezidivierende Entzündungen allergische Konjunktivitis Arcus senilis (ringförmige Aufhellung im äußeren Bereich der Iris durch Fettstoffwechselstörung) Entzündung am Auge nach Fremdkörpern (Acon., Arn., Calc., Hep., Puls., Sil.) Verdauungsapparat: Maul: Stomatitis ulcerosa (Stomakaze), stinkend, evtl. mit Schwellung des Zahnfleischs (andere Mittel!) Zahnwurzelabszesse (Pyrog. u. a.) können klinisch ganz unspezifische Symptome auslösen! Speichelfluss beim Bellen/Wiehern Appetit: Heißhunger („Angst vor Armut“), auch plötzlich und zwingend auftretend; Schwäche bei Hunger; appetitlos am Morgen; meist viel
Sulfur Kotbeschaffenheit: wässrig, dünn, schaumig, pastenartig, dünn geformt, Bällchen, Krümel, „Schafkot“; Knochenkot (Plb., Op., Bry.), oft mühsame Entleerung; wie zerhackte Eier, mit unverdauter Nahrung, mit Eiter, blutig, blutstreifig; übel riechend, sauer; scharf-wund machend wechselnd Harnwege: oft stinkender Urin Zystitis rezidivierend (viele andere Mittel, besonders Sep., Puls., Dulc., Caust., Lyc., Thuj.) Zystitis durch kaltes Baden (Dulc., Sep., Puls. u. a.), kaltes Lager manchmal verbunden mit Inkontinenz Atemwege: Alle Arten von Katarrhen, Entzündungen, Asthma, insbesondere nach Immunsuppression „absteigende“ Atemwegsinfekte (zuerst Katarrh der oberen Luftwege, dann Bronchitis, Pneumonie) chronische Sinusitis, Laryngitis, Pharyngitis, Tracheitis, Bronchitis, Pneumonie (u. a. Mittel) „Nasenflügel-Atmung“ bei Erkrankungen der Atemwege (Ant-t., Lyc., Phos.) Atemwegserkrankungen nach Impfung Atemwegserkrankungen, die trotz Pharma-Therapie bestehen bleiben („verschleppte Pneumonie“) (Lyc., Phos., Sil. u. a.) „Kümmerer“ nach nicht ausgeheilter Bronchitis oder Pneumonie (Lyc. u. a.) (z. B. Kälber) oft rissige Nasenflügel (Ant-c., Caust., Graph., Merc., Nit-ac., Thuj. u. a.)
Genital: Folgen von Therapie mit Geschlechtshormonen (Sep., Lach., Puls. u. a.) Folgen von „unterdrückter“ Milchsekretion („hormonelles Abstillen“ nach Scheinschwangerschaft der Hündin, Puls., Con. u. a.) Hündin, Katze: Mammatumoren nach Hysterektomie einer erkrankten Metra oder erkrankter Ovarien (Con., Puls., Lach., Bry. u. a.) Zyklusstörungen, Vaginitis, Fluor u. Ä. Mastitis rezidivierend, Hefe-Mastitis (u. Ä.) nach wiederholter antibiotischer Therapie Extremitäten: Rückenschmerzen, Rheuma, Hydrops der Extremitäten kalte oder heiße Extremitäten Pferd: oft unklare Pulsation der Mittelfußarterien, ohne Laminitis Pferd, Rind: persistierendes Ödem der Extremität nach Phlegmone (DD Apis, Ars., Aur., Graph., Hep., Lyc. u. a.) Kontraktur der Zehenbeuger (Pferd: Trachtenzwanghuf – Caust. u. a.) Hautausschläge in den Gelenkbeugen (Pferd: z. B. Mauke, u. a. Mittel!) Pferd: lässt sich beim Reiten „nicht aufrichten“, geht mit lang nach unten gestrecktem Hals oder „hängt in den Schultern“ (synonym: gebückte Haltung); steifer, schwungloser Gang (viele andere Mittel!) wegen Rückenschmerzen Schlaf morgens, unausgeschlafen, „Morgenmuffel“ z. B. Hunde, die morgens lange schlafen und nicht Gassi gehen wollen (u. a. Mittel)
Auslöser und Modalitäten Auslöser: meist Folgen von Unterdrückungen unterdrückte Erkrankungen/Ausscheidungen des Muttertiers während der Gravidität/Laktation Folgen von Pharma-Therapie in der Gravidität der Mutter oder am Neugeborenen (Toxin-Belastung) Folgen von unterdrückten Absonderungen aller Art (z. B. durch Immunsuppression, äußere Anwendungen, z. B. Teebaumöl, Waschlotionen u. Ä.): Unterdrückungen von Eiterung, Hautausschlägen, genitalem Ausfluss, ,Fußschweiß‘, Ulzera (aber nicht jede antibiotische oder Kortikoid-Therapie führt zwangsläufig zu
Sulfur-Symptomen oder macht eine Therapie mit Sulfur erforderlich!) nach (wiederholtem) Einsatz von immunsuppressiven Therapien, besonders wenn sich seitdem die Symptomatik im Sinn einer Unterdrückung verändert hat (auch andere Mittel!) Folgeerkrankungen nach Kortikoiden (oder deren Nebenwirkungen), bes. Depot-Kortikoiden generelle Folgeerkrankungen nach hormoneller Therapie (Sep., Lach., Puls. u. a.) Folgeerkrankungen nach operativer Entfernung erkrankter Organe (u. a. Mittel) Folgen von Trockenfutter und Knochenfressen (Hund, Katze), im Sinn von gestörtem Metabolismus
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Sulfur Folgen von Fütterung nicht artgemäßer Nahrung, z. B. von Abfällen Folgen von viel reichhaltigem Futter bei wenig Bewegung (u. a. Mittel) Folgen von Verlust von Körperflüssigkeiten (u. a. Mittel) Folgen von „psychischer Unterdrückung“, durch autoritäre Bezugspersonen (u. a.) Beschwerden durch Kränkung und Demütigung (Lyc., Puls., Ign., Staph. u. a.) Modalitäten: es gibt selten einen Sulfur-Patienten ohne Hautausschläge (auch frühere, zurückliegende) allgemeine Besserung durch Ausscheidungen, Absonderungen aller Art (Lach.) ⬍ nachts, betr. alle Modalitäten Verschlechterung vor der Fütterungszeit, aber müde nach dem Fressen allgemeine Verschlechterung am späten Vormittag 10 – 11 Uhr; dieses Symptom lässt sich beim Tier nicht immer so leicht feststellen wie beim Menschen, z. B. Heißhunger am späten Vormittag Pferd: evtl. Arbeitsunlust am späten Vormittag Pferd u. a. Tiere: bei Dauerfressern ist dieses Symptom schwierig zu erkennen! Hund, Katze: nur dann zu beobachten, wenn noch kein Futter angeboten wurde scharfe, wund machende, stinkende Absonderungen Hitze, Schwitzen, ⬍ nach dem Fressen Müdigkeit nach dem Fressen
Lokalisation: Erkrankungen bevorzugt an der linke Seite, aber auch rechts oder einseitig, oder von rechts nach links gehend Juckreiz eher nachts, ⬍ beim Warmwerden, ⬍ im warmen Zimmer Haut juckt und brennt ⬍ durch Waschen, ⬍ kaltes Wasser, ⬍ durch Seife ⬍ durch Kaltwerden, ⬍ Wetterwechsel ⬎ durch trockenes warmes Wetter ⬎ durch frische Luft, aber evtl. Abneigung dagegen Hauterkrankungen ⬍ im Winter Hautausschlag abwechselnd mit ,Asthma‘ oder Atemwegserkrankungen generell ⬎ durch Abkühlung (Abscheren von dichtem, langem Fell), aber Hitze stört ihn nicht generell ⬎ durch Bewegung, aber nicht zu viel wegen „Faulheit“ aber ⬍ durch Ruhe , ⬍ durch langen Schlaf Schwellungen, Ödeme, Aszites durch toxische Stoffwechselbelastungen manchmal auch durstlos im Fieber (u. a.) manchmal Speichelfluss und Schwitzen bei Schmerzen periodisch wiederkehrende Symptome (Chin., Nat-m., Ars.), Periodizität alle 7 Tage Komplementär: Acon., Psor., Calc., Puls., Bry., Phos. Antidot nach Sulfur-Missbrauch: Acon., Ars., Camph., Chin., Merc., Rhus-t., Sep. Lyc folgt nicht auf Sulf., aber Sulf. folgt gut auf Lyc.
Ausgewählte Fallbeispiele Untersuchung
Hefe-Mastitis einer Kuh Die Schweizer Braunvieh-Kuh Sigrid hatte in den letzten 4 Wochen nach dem Kalben zweimal am rechten Vorderviertel eine Mastitis. Bei der ersten Erkrankung handelte es sich um eine Coli-Mastitis, bei der zweiten wurde Staph. aureus nachgewiesen. Die Therapie erfolgte jeweils mit Antibiotika, das zweite Mal wurde dieses durch Antibiogramm spezifisch ausgewählt. Nach Auswirken des zweiten Antibiotikums erfolgte wiederum ein Rezidiv, nunmehr als HefeMastitis.
Das rechte Vorderviertel ist hart, geringgradig berührungsempfindlich, die Kuh hat beim Melken geschlagen. Sonst sei sie eher eine sehr liebe, ruhige Kuh! Bei der letzten Mastitis hatte sie zuerst Phytolacca C 200 bekommen, das hatte anfangs gebessert, aber nicht geheilt. Die Kuh bekommt nun Sulfur C 30, je 1 Gabe per os im Abstand von ca. 24 Stunden, und nochmals nach 48 Stunden; darauf erfolgt eine wesentliche Besserung. Nach 1 Woche werden nur noch minimale Veränderungen im Schalmtest beobachtet, das betroffe-
Sulfur ne Viertel ist nach dem Melken noch immer etwas härter, als es sein sollte. Die Kuh lässt sich widerspruchslos untersuchen und streicheln (wichtiges Diagnostikum!), steht ruhig und „angelt“ interessiert mit der Zunge nach mir. Als ich weggehe, muht sie mir hinterher. Liebevoller, mütterlich-sanfter Gesichtsausdruck. Sigrid bekommt deshalb jetzt Pulsatilla C 200 – daraufhin optimale Heilung mit einwandfreier Zellzahl in der Milch Beobachtungszeit 6 Monate.
Ulcus corneae nach Kortikoid-Therapie Beobachtung aus dem Jahr 1982, von Christiane und Dr. Hartmut Krüger. Herr ML. besitzt zwei Trakehner Reitpferde, einen 22-jährigen dunkelbraunen Wallach L. und eine schwarzbraune 6-jährige Stute G. Beide Tiere leiden an chronisch-obstruktiver Bronchitis, zurzeit mit asthmoider Atmung, und werden deshalb nicht geritten. Beim täglichen Weidegang bereitet die geringe Dyspnoe jedoch keine Probleme. Therapieversuche mit Homöopathie und Akupunktur waren damals fehlgeschlagen. Darum bestand der Besitzer – entgegen unserer Empfehlung – auf einer Therapie mit einem DepotKortikoid, beiden Pferden wurde Volon A 40 injiziert. Drei Tage nach der Injektion bekamen beide Pferde auf dem linken Auge ein hochgradig schmerzhaftes Ulcus corneae, standen in der dunkelsten Ecke ihrer Boxen und verweigerten aufgrund der Schmerzen sogar das Futter. Die asthmoide Atmung war erwartungsgemäß am Tage nach der Injektion nicht mehr vorhanden. Nach wenigen Tagen fragte der Besitzer an, ob wir „das Cortison“ nicht rückgängig machen könnten, weil er nun registrierte, dass es den Pferden jetzt wirklich entschieden schlechter ging als zuvor. Darauf bekamen beide Pferde Sulfur C 200, je 1 Gabe. Bereits am nächsten Tag ließ die Schmerzhaftigkeit am Auge nach; das Ulcus corneae heilte binnen 1 Woche ohne weitere Therapie vollständig ab, aber die frühere Dyspnoe stellte sich nach 2 Tagen wieder ein.
Dieser Fallbericht soll lediglich zeigen, dass Sulfur die Unterdrückungsfolgen und die Wirkung eines Depot-Kortikoids aufheben kann.
Fuchswallach – Chronische Urtikaria August 1996: 6-jähriger Württemberger Fuchswallach, ein sehr schönes Turnierpferd, leidet seit 6 Wochen unter chronischer indurierter Urtikaria mit mäßigem Juckreiz. Das ehemals glänzende Fell ist struppig und steht an den Haarspitzen leicht empor – auch an Regionen, an denen nicht gekratzt werden kann. Der Besitzer beklagt sich über mangelnde Leistungsbereitschaft. Die Erkrankung begann nach eine Mückeninvasion im Juni, als das Pferd nach zahllosen Mückenstich-Schwellungen am ganzen Körper – „wie ein Streuselkuchen“ – von der Weide geholt wurde. Der schulmedizinisch tätige Hoftierarzt behandelte mit Antiphlogistika, dann mit Kortikoiden, verschiedenen Einreibungen und Waschlotionen. Die Urtikaria blieb in Form von verhärteten, knötchenartigen Schwellungen bestehen. Gegen Morgen waren diese weniger stark ausgeprägt als am Abend, schlimmer nach einem Wetterumschwung von kühlem Regenwetter zu einem heißen Sommertag. Eine Dosis Sulfur 200 führte zur Abheilung ohne Rezidiv, obwohl die Exposition nicht geändert werden konnte. Beobachtungszeit 3 Jahre.
Espero – Pyrenäenhund – Unterdrückungsphänomen 2-jähriger Pyrenäenhund, strubbelig-stockhaarig, grau-braun meliert. Espero ist seit Sonntag, 1. Juni 1997, krank. Seine Besitzerin, Studentin der Tiermedizin, stellt ihn am 15.06.1997, Sonntagabend in der Praxis als homöopathischen Patienten vor, verzweifelt über das therapieresistente Krankheitsgeschehen. Sie trägt ihren Hund auf dem Arm, legt ihn auf den Boden, wo er apathisch liegen bleibt und berichtet Folgendes: „Am 2. Juni hatte Espero schon vormittags 41 ⬚C Temperatur.
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Sulfur Am Tage zuvor hatte er mit seiner Mutter am Bodensee gespielt und Steine aus dem Wasser geholt. Vielleicht hat er sich in dem kalten Ostwind erkältet? Von der behandelnden Tierärztin bekam er wegen Verdachts auf Lungenentzündung Antibiotika und ein Kortikoid. Am gleichen Abend und am Folgetag ging es ihm besser, aber am Mittwoch, 4. Juni, stieg das Fieber wieder auf 41 ⬚C, er verweigerte das Futter und verhielt sich apathisch. Die Leberwerte und Gesamteiweiß waren erhöht, GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) betrug 228 U/l. Er bekam 0,3 ml Flumilar (Kortikoid) und Clamoxyltabletten. Am darauf folgenden Tage war Espero noch apathischer. Am Freitag, 6. Juni, stellte ich ihn im Tierspital in Zürich vor: Die Röntgen- und Ultraschall-Untersuchung ergab eine vergrößerte Leber, im Urin wurde reichlich Eiweiß nachgewiesen; im Differenzialblutbild fand man vermehrt stabkernige Granulozyten. Espero bekam Baytril intravenös. Er sollte vorerst in stationärer Behandlung bleiben. Als Diagnose vermutete man eine unspezifische Hepatitis oder Septikämie. Am nächsten Tage hatte Espero noch immer 39 ⬚C Temperatur, bekam wiederum intravenöse Gaben von Antibiotika. Am Montag, 9. Juni, hatte er Schluckbeschwerden und musste beim Schlucken von Futter und Tränke würgen. Der rechte Mandibular-Lymphknoten ist ca. haselnussgroß geschwollen, derbelastisch und schmerzlos.“ Das bestätigt sich bei meiner Untersuchung.
Homöopathische Anamnese und weiterer Bericht „Am Montag, 9. Juni, holte ich Espero aus dem Tierspital wieder nach Hause, es ging ihm nicht besonders gut, aber auch nicht extrem schlecht. Er trinkt jetzt ziemlich viel, was aber oft von Würgereiz unterbrochen wird. Er hängt mehr oder weniger apathisch herum. Nach einer Akupunktur ging es einen halben Tag lang etwas besser, er fraß mit Appetit, hat aber später alles erbrochen. Er sucht jetzt kühle Orte, liegt gern auf der linken Seite an der Wand oder an der Tür.
Gestern, Samstag, 14. Juni, hat er nichts gefressen, hatte am Abend erstmals wieder 41 ⬚C Temperatur, heute früh 40,3 ⬚C. Am Abend bekam er Finadyne (Antiphlogistikum). Er stöhnt oft, jammert nicht, liegt nur den ganzen Tag herum. Letzte Nacht war er unruhig, wollte aus dem Zimmer und lief wie ziellos umher. Dabei ist er die Treppe heruntergefallen, hat sich aber nichts getan. Gestern war er schon am Tage beim Laufen etwas taumelig gewesen.“ In der Praxis liegt Espero teilnahmslos auf dem Boden. Die Pfoten sind warm, die Nase ist warm und feucht, an der Schnauze fällt geringer Speichelfluss auf. Die Schleimhäute sind grauweiß verwaschen. Außer der Schwellung des rechten Mandibularlymphknotens keine klinischen Befunde. Espero nimmt hier aus dem Hundetrinknapf gierig ein paar Schlucke Wasser, erbricht es aber nach weniger als einer Minute im Schwall, ohne Würgen. Sonst sei Espero ein ruhiger, fast etwas fauler Hund.
Therapie Espero bekommt Sulfur, 1 Gabe C 200 per os. Bereits am nächsten Morgen ist er munterer, aber die Körpertemperatur beträgt noch 39,5 ⬚C. Am Nachmittag des 16. Juni nimmt Espero erstmals wieder mit gutem Appetit etwas Futter auf, ohne anschließendes Erbrechen. Ab Dienstag, 17.06.1997 ist Espero wieder froh und munter. Zuletzt sah ich ihn in 2004 als etwas behäbig gewordenen, rundlichen, aber immer noch fröhlichen Begleiter seiner Besitzerin, nunmehr selbst Tierärztin. Für sie war die homöopathische Heilung von Espero der Einstieg in ihre eigene homöopathische Tätigkeit.
Epikrise Wenn in diesem Fall auch keine klare klinische Diagnose gestellt werden kann, so ist doch die homöopathische eindeutig: Eine ursprünglich gesunde Immunreaktion mit heftigem Fieber nach einer „Erkältung“ wurde mit Kortikoiden unterdrückt. Anstelle der anfänglichen Atemwegsinfektion trat die Erkrankung der Leber – eines inneren Organs – auf. Die Erkrankung hat sich nicht in Form einer Schleimhautreaktion abge-
Sulfur spielt, sondern ist – entgegen der Hering’schen Regel – „von außen nach innen“ fortgeschritten. Ein solches Unterdrückungsphänomen ohne Rekonvaleszenz erfordert homöopathischen Sulfur. Die Symptome Verlangen nach kühlen Liegeplätzen, vermehrter Durst, Liegen auf der linken Seite unterstreichen die Indikation von Sulfur.
Man könnte im Zusammenhang mit den Symptomen „Erbrechen unmittelbar nach dem Trinken“ bzw. „sobald die Flüssigkeit im Magen warm wird“ auch an Phos. denken, aber das Unterdrückungsphänomen ist hier höher zu bewerten. Im Zweifelsfalle wäre Phosphor das zweite infrage kommende Mittel gewesen.
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Thuja occidentalis
Lebensbaum
Thema, Signatur und Idee des Mittels Thuja occidentalis stammt ursprünglich aus den neblig-sumpfigen Wäldern der Seengebiete von Kanada. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Thuja in Europa für die Anpflanzung von Hecken und Bäumen kultiviert. Thuja ist eine immergrüne Pflanze aus der Familie der Zypressen. Im Winter werden die Triebe allerdings braun und scheinen wie abgestorben, um sich im Frühling wieder zum kräftigen Dunkelgrün zu regenerieren. Der Thuja-Baum wächst langsam, aber ausdauernd; man sagt, erst im Alter von 50 Jahren erreiche er seine volle Größe von 15 – 20 m. Er wird umso größer, je mehr Feuchtigkeit ihm zur Verfügung steht. Im Ursprungsland sollen 800 bis 1000 Jahre alte Thujas existieren. Dank dieser enormen Vitalität gab man ihm den Namen „Lebensbaum“, der bei uns besonders vor den Eingangstoren von Kirchen gehegt wird. Thuja enthält stark giftige Inhaltsstoffe, besonders das intensiv wirksame ätherische Öl Thujon. Nach sommerlichen Gewittern mit Sturm und Regen verdunstet der angenehm-durchdringende Duft dieses Öls in der Umgebung des Thuja-Baumes. Bei Thuja-empfindlichen Personen kann allein dieser Duft Symptome von Hautreizungen auslösen. Der „Baum des Lebens“ symbolisiert den mysteriösen Übergang vom Diesseits zum Jenseits, und als immergrünes Gewächs ordnet man ihm Unsterblichkeit zu. Der Name „Thuja“ hängt etymologisch mit dem Griechischen „thyein“, „opfern“, zusammen. Während antiker Opfer-Zeremonien wurde duftendes Räucherwerk mit Thujon enthaltenden ätherischen Ölen von Zypressen verbrannt und vernebelt, um die guten Götter gnädig zu stimmen und die bösen zu vertreiben. Antike Mysterienkulte gelten ebenso wie heutige sakrale oder okkulte Rituale als etwas Verborgenes und Geheimnisvolles, das ebenso wie der ThujaPatient nicht für jedermann verständlich ist. Farokh Master (bekannter homöopathischer Meister aus Indien) nennt seine Abhandlung über
die Homöopathie des Lebensbaums „The mysterious Thuja“. Thuja scheint vom Frühjahr an vor Lebenskraft zu strotzen: Seine Triebe stehen so dicht, dass sie – zu Hecken gestutzt – tatsächlich blickdichten Schutz geben. Solche Hecken finden sich an Friedhöfen oder an Grundstücken von Leuten, die sich gegen die Einblicke von Fremden verwahren wollen. Im Arzneimittelbild spielt das Thema „Abgrenzung“, das etwas verbergen möchte, eine herausragende Rolle. In diesem Zusammenhang ist die „Abneigung gegen Fremde“ und das „nicht angesehen“ oder „erkannt werden wollen“ ein häufig beobachtetes Verhalten von Thuja-Patienten: Sie leiden unter dem Gefühl von Wertlosigkeit und unter der Angst, etwas Unwillkommenes zu äußern, fühlen sich hässlich, nicht liebenswert und abgelehnt; sie beobachten ihr Gegenüber misstrauisch und reserviert, um dessen Erwartungen rechtzeitig erfüllen, ihn manipulieren oder tyrannisieren zu können, oder sie geben sich zu jedermann unpersönlich freundlich. In dem Bemühen, akzeptiert zu werden, versucht mancher Thuja-Patient die jeweils erwarteten Idealvorstellungen des heutigen Menschen darzustellen, spielt Theater oder ahmt aktuelle Idole nach; er handelt, wie er meint, dass man es von ihm erwartet, nicht wie es seine Identität fordert. Damit vernachlässigt er seine eigene Originalität, entfremdet sich von sich selbst und erkrankt möglicherweise an schizoiden Zuständen mit dem ver-zwei-felten Gefühl, gespalten oder doppelt zu sein. Dieses Imitieren von gefälligen Verhaltensweisen lässt den Thuja-Patienten seine Identität vergessen und er weiß letztlich nicht mehr, ob er sich selbst oder Theater spielt. Das Nachahmen oder Annehmen fremder Identitäten macht Thuja zum „homöopathischen Chamäleon“ und damit zu einem der undurchsichtigsten Mittel der Materia medica homöopathica. Die Dissoziation zwischen Körper und Psyche kann zu Ungeschicklichkeit und anderen Bewegungsstörungen führen, der Patient fühlt sich zerbrechlich, wie aus Holz oder Glas.
Thuja occidentalis Wie bei anderen homöopathischen Arzneistoffen ist es Hahnemanns genialer Beobachtungsgabe zu verdanken, dass er die Heilkraft des Thuja-Baumes erkannte: Ein Theologiestudent kam mit einer Tripper-ähnlichen Urethritis zu ihm, bestritt jedoch die Möglichkeit einer solchen Infektion. Als Ursache der Erkrankung stellte sich heraus, dass er regelmäßig die ThujaZweige aus seinem Garten zerkaut hatte. Hahnemann konnte in seinen Arzneimittelprüfungen diese Wirkung bestätigen. Wie der Thuja-Baum am besten auf feuchten Böden gedeiht, so läuft auch die Beziehung zum „feuchten Element“ wie ein roter Faden durch das ganze Arzneimittelbild: Thuja-Patienten setzen sich nur ungern Regen und feuchtem Wetter aus und reagieren darauf möglicherweise mit Rheuma-ähnlichen Schmerzen. Thuja findet sich häufig indiziert bei Menschen, die zu Wassereinlagerungen im Gewebe neigen („hydrogenoide Konstitution“ nach Grauvogl). Ein wesentlicher Schwerpunkt von Thuja liegt im Bereich der Lymphe: Die durchsaftete Subkutis führt zu schweißiger, schuppiger oder fettiger Haut, meist verbunden mit unangenehm süßlichem Körpergeruch. Intensives Zellwachstum und Ausschwitzungen an Haut und Schleimhaut lassen Pickel, Akne, Atherome oder Polypen entstehen bis hin zu überschießenden Wucherungen und Tumoren. Die Haut als Abgrenzungsorgan erscheint häufig pastös verdickt: Viele Thuja-Patienten zeichnen sich durch sehr intensiven, dichten und dunkel pigmentierten Haarwuchs aus. Solchen Menschen geht man wegen ihres hässlichen Aussehens gern aus dem Wege. Thuja ist (neben Nit-ac.) das häufigste Mittel für Warzen, die ebenso rau und rund erscheinen können wie die kugeligen kleinen Früchte des ThujaBaumes. Gibt man z. B. Pferden wiederholt einzelne Thuja-Zweige zum Fressen, so bekommen sie solche Warzen um den After (in größerer Menge gefüttert treten jedoch zuerst gefährliche Verdauungsstörungen auf!). Thuja-Warzen können jedoch alle möglichen Formen annehmen, von kleinen Fleischwärzchen bis zu blutenden, Blumenkohl-ähnlichen Gewächsen. Thuja-Warzen können oftmals durch magisches Besprechen zum Verschwinden gebracht werden – wiederum ein mysteriöses Geschehen.
Ein wesentlicher Schwerpunkt von Thuja liegt im Bereich von Schleimhautkatarrhen mit graugrünlich-schleimigen Absonderungen, vor allem im Urogenitalbereich. Hahnemann erkannte Thuja als das Hauptmittel für die Gonorrhö und deren Folgekrankheiten, die durch Infektion beim Coitus erworben oder von den Eltern ererbt werden. In der Tierhomöopathie ist es – nach Simile-Gesetz – für dieselben Erkrankungen indiziert, jedoch ohne die Existenz einer Gonokokken-Infektion. Feigwarzen-Krankheit war früher die Bezeichnung für den chronischen Tripper, in homöopathischer Nomenklatur ausgedrückt ist das die Sykose (griech. Sykon: die Feige). Thuja gilt als eines der Hauptmittel für dieses Miasma, dessen Prinzip Candegabe folgendermaßen zusammenfasst: „Sykose erzeugt eine Störung der Gefühlsempfindungen, welche die Entwicklung des Menschen vom ICH zum WIR blockiert und sich der Richtung der Heilung nach der HERING‘schen Regel widersetzt.“ Dieses „Ich“ empfindet der Thuja-Patient als nicht akzeptabel, er fühlt sich – möglicherweise begründet – als wertloser Außenseiter und verschweigt seine Empfindungen; wegen dieser versteckten Minderwertigkeitsgefühle kann er die Zuwendung von Mitmenschen oder der Familie für sich nicht akzeptieren und weist Zuwendung ab. Als psychosomatische Kompensation des abgelehnten Ich folgen entweder übersteigerte, überschießende Reaktionen oder „verborgene“ Neubildungen im Sinn der „einseitigen Erkrankungen“ gemäß den §§ 173 – 182 des Organon (Krebs u. Ä.), deren heilende Arzneimittel mangels deutlicher Symptome schwierig zu erkennen sind. Werden nun solche „Kompensationen“ des unterdrückten Ich nochmals „unterdrückt“ (z. B. durch operative Entfernung von Warzen oder anderen Auswüchsen oder durch chemisch-pharmazeutische Beseitigung von Schleimhautabsonderungen), so liegt es nahe, dass die Pathologie stattdessen auf lebenswichtige Zentren übergreift oder zu malignen Tumoren bzw. Metastasierungen führt. Thuja ist eines der wichtigsten Arzneien für die Folgen von unterdrückten Kondylomen und Schleimhautabsonderungen, besonders aus dem Urogenital. Sexuelle Themen spielen – tabuisiert, verschleiert oder undefinierbar – in das Arzneimittelbild von Thuja hinein. Dazu gehören die erwähnten Ge-
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Thuja occidentalis nital-Infektionen, sexueller Missbrauch, Inzest und ähnliche Ereignisse. Sogar die Zugehörigkeit zum männlichen oder weiblichen Geschlecht kann unklar sein: Thuja findet sich bei vermännlichten Frauen, bei weiblichen Männern, bei Zwittern oder Transsexuellen; manchmal weisen Teratome auf eine Anlage zu einem nicht geborenen Zwilling hin. Imaginationen, doppelt oder nicht ganz inkarniert zu sein (Coulter), sind entgegengesetzte Manifestationen des Gespaltenseins. Solche Zeichen können entscheidend auf eine Indikation von Thuja hinweisen, zumal die meisten Thuja-Patienten (insbesondere Tierpatienten) nur über wenige homöopathisch verwertbare Symptome verfügen. Der Thuja-Patient möchte für sich sein, möchte nicht erkannt werden; er erträgt weder fremde Einflüsse noch fremde Menschen. Sein reserviertes Verhalten ist eine Strategie, sich gegen mögliche manipulative Fremdeinflüsse zu schützen, mit denen er nicht umgehen kann, über die er aber dennoch triumphieren möchte. Dieses Thema von „unterschwelligen, subversiven Fremdeinflüssen“ wird im Zusammenhang mit Impfungen angesprochen. Der Impfstoff zwingt das Immunsystem, auf einen oder sogar mehrere solcher „Fremdeinflüsse“ (körperfremdes Eiweiß) zu reagieren, es fordert eine nicht adäquate Auseinandersetzung mit Keimen, die meist parenteral – d. h. nicht über die natürliche Infektionspforte der Schleimhäute – in den Körper eingeimpft werden. Zusätzlich wird der Organismus bei Mehrfachimpfungen gezwungen, gleichzeitig auf mehrere abgeschwächte Erreger zu reagieren; dagegen findet bei einer natürlichen Infektion eine offene Auseinandersetzung mit einem einzigen, virulenten Erreger statt. Der abgeschwächte Erreger provoziert eine unterschwellige Reaktion ohne Ausbruch der zugehörigen Erkrankung, man könnte das als Vorstufe einer Unterdrückung – im Sinn der Homöopathie – bezeichnen. Das Offenbarwerden der Erkrankung wird verhindert; damit tritt das sykotische Miasma in Erscheinung oder schreitet weiter fort.
Dieser quasi heimliche Angriff gegen das Immunsystem kann wiederum zur Entwicklung von nicht beabsichtigten Körperreaktionen führen: Besonders Thuja-Patienten reagieren häufig auf körperfremdes Eiweiß und neigen zu Impfreaktionen mit Krampfanfällen, Angstzuständen, Asthma, Lähmungen, Magenbeschwerden, Entzündungen oder zur Entwicklung von Tumoren. Danach gefragt, antwortet dieser Patient: „Diese Krankheit gehört nicht zu mir, das ist etwas Fremdes!“ Dem „Lebensbaum“ werden kulturell unterschiedliche Bäume zugeordnet. Auf Thuja trifft diese Bezeichnung jedoch in besonderem Maße zu: Der Mensch ist bekanntlich durch den Apfel vom Baum der Erkenntnis aus der Einheit des Paradieses in die dualistische Welt der Gegensätze gelangt, in der er als Thuja-Patient auf seine besondere Weise leidet. Erst der Thuja-Lebensbaum kann die schlimmste Form erlebter Dualität, die Trennung von Körper und Bewusstsein, das „Abgespaltensein“ von seinem Ich oder das entgegengesetzte Gefühl von Doppeltsein, wieder „vereinen“, integrieren, kann ihn wieder authentisch machen, seine Identität wieder akzeptieren lassen und damit auch die „überschießenden“ oder „verborgenen“ Resultate dieser Psychosomatik wieder zur Norm zurückführen. Der Weg des Menschen führt vom Baum der Erkenntnis zur Dualität und zur Vielheit, der Baum des Lebens leitet als „Akt der Gnade“ zur Einheit und zum ewigen Leben. Symbolisch stellt das der große Thuja-Lebensbaum dar, beiderseits von Kirchenportalen angeordnet. Vielleicht wollte Hahnemanns Theologiestudent (unbewusst?) vom Lebensbaum naschen, um ewiges Leben zu erlangen? Vielen Thuja-Patienten hat er jedenfalls mit seiner unfreiwilligen Arzneiprüfung zu dem besagten „Akt der Gnade“ verholfen! Thema und Idee: Thuja, das „undurchschaubare Wesen“, dessen unklare und zwiespältige Reaktionen – bewusst oder unbewusst – sichtbar oder im Verborgenen übermäßig ausufern und der Rückführung zu Integration und „Einheit“ bedürfen.
Thuja occidentalis Grundsätzliche Eigenschaften des Mittels Die Beschreibung von Thema und Signatur von Thuja ist natürlich für das Tier nur zum kleinen Teil verwertbar, soll aber dem Verständnis für Pathogenese und Hintergrund der Thuja-Pathologie und der Sykose dienen. Wenn Thuja schon beim Menschen schwer zu erkennen ist, so gilt das beim Tier umso mehr. Natürlich ist es nicht möglich, das verborgene Empfinden des Thuja-Tiers aufzuspüren; dennoch finden wir Verhaltensweisen und Reaktionen, die denen des humanen Arzneimittelbilds entsprechen. Zumindest können sich Tiere nicht in dem Maße verstellen wie der Mensch. Ob es dennoch beim Tier schizoide Zustände gibt? Jedenfalls können Thuja-Tiere genauso undurchschaubar und unnahbar erscheinen wie ThujaMenschen, sogar ohne zugrunde liegendes oder nachvollziehbares psychisches Trauma. Der Thuja-Tierpatient kann uns – entsprechend der beschriebenen Signatur – ganz unterschiedlich gegenübertreten. Das würde unverständlich bleiben, wenn nicht die Motivation der humanen Pathogenese für sein Thuja-Leiden bekannt wäre: es kann aufdringlich, possessiv, eifersüchtig, streitsüchtig, bösartig, manipulativ, tyrannisch, abweisend und mürrisch oder freundlich, höflich und lernwillig erscheinen; kann wenig Anteilnahme zeigen wie Nat-m.; das Verhalten des Tieres kann vollkommen unauffällig und „normal“ und absolut an den Besitzer angepasst sein kann. Beim Thuja-Tierpatienten können Verhaltenssymptome in die Irre führen, weil er sich den vom Besitzer erwünschten Reaktionen noch mehr anpasst als es die Haustiere ohnehin schon tun. Oft sind keinerlei deutliche Verhaltenssymptome ausfindig zu machen, stattdessen müssen Vorgeschichte und körperliche Symptome besonders sorgfältig auf eine mögliche Indikation von Thuja studiert werden. Psychische Faktoren für Thuja-Erkrankungen können beim Tier – insbesondere beim Hund – beispielsweise ausgelöst werden bei isolierter Haltung, ohne Bezug zu Artgenossen oder Menschen („wertlose“ Versuchstiere? Gerade das würde den Wert der Beurteilung von Tierversuchen im Zusammenhang mit einer ThujaPathologie des Versuchstiers – mit Tendenz zu überschießenden Reaktionen – sehr infrage stellen),
mangelnder Sozialisierung unter Artgenossen oder in Beziehung zum Menschen, vernachlässigten Tiere schlechter Behandlung, Schlägen, Beschimpfungen, lächerlich machen, lang dauerndem Streit oder Trennung der Besitzer, z. B. Ehescheidung – das Tier wird zwischen den Partnern hin und her geschoben, tief sitzenden Demütigungen, Kränkungen. Impfungen: Alle unsere überimpften Haustiere können Thuja-Symptome entwickeln, obwohl sich die ursprünglichen Angaben der Homöopathie in erster Linie auf die Folgen der Pockenimpfung des Menschen beziehen. Je mehr Impfungen stattfinden, desto weiter schreiten Manifestationen des sykotischen Miasmas fort – was jedoch nicht immer einzig Thuja, sondern auch andere Mittel erfordern kann. Beispielsweise hat gerade bei den Pferden die Entwicklung von Sarkoiden in den letzten 15 – 20 Jahren drastisch zugenommen (Thuj., Nit-ac., Ars., Caust., Carb-an. u. a.). Dem Sinn der Homöopathie Hahnemanns entspricht es jedoch keineswegs, bei jeder Impfung grundsätzlich als Prophylaxe gegen Impfreaktionen zusätzlich homöopathische Thuja zu geben. Keineswegs jeder Thuja-Patient muss Warzen oder ähnliche Auswüchse haben! Sobald eine Ausscheidung „erfolgreich“ unterdrückt worden ist, sollte bei Folgekrankheiten auch an die Indikation von Thuja gedacht werden, obwohl es im Repertorium dort nicht vorrangig genannt wird! Wenn das anscheinend gut gewählte Mittel bei einer Erkrankung, die auch Thuja erfordern könnte, nicht wirkt, sollte immer dieses Mittel in Erwägung gezogen werden. Es gibt bestimmte Tierspezies und -rassen, die erfahrungsgemäß häufig – aber keineswegs immer – im Sinn von Thuja erkranken: Pudelhunde zeichnen sich durch übermäßig üppigen Haarwuchs aus, haben sogar Haare in den Gehörgängen (einziges Mittel: Thuj.), „verstecken“ sich hinter ihrem üppigen Haarkleid und lassen sich – ungeachtet ihrer tatsächlichen Gestalt – vom Hundefriseur in die jeweils erwünschte Silhouette barbieren.
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Thuja occidentalis Pudel entwickeln bevorzugt Warzen und Kondylome, neigen mehr als andere Hunde zu Eiterungen aus den Zahnfächern, zu Atheromen, Panaritium und Impfreaktionen. Pudel sind extrem anpassungsfähig an ihre Umgebung, eignen sich gut zur Dressur im Zirkus, zeigen häufig keinen Schutzinstinkt, und ihre „Persönlichkeit“ orientiert sich nach der des Besitzers. Boxerhunde neigen zur Entwicklung von Warzen, Kondylomen und malignen Tumoren, zu Epulis, Hauterkrankungen mit Überpigmentierung und Akne und haben ausgeprägte Falten im Gesicht – das alles können Manifestationen von Thuja sein. Ob Thuja auch bei Meutehunden (Beagles, Foxhound u. Ä.) ein häufig erforderliches Heilmittel ist, muss noch weiter beobachtet werden. Thuja ist ein häufiges Mittel für Schimmelpferde mit gelben Zähnen, bröckeligen Hufen, Tendenz zum Krötenmaul bzw. Depigmentierung (wie Lyc., Sil.). Vielleicht kann Thuja den Schimmelmelanomen vorbeugen? Wenn diese bereits vorhanden sind, scheinen sie gut auf Con. oder Nit-ac. zu reagieren. Für diese Indikation fehlen aber noch Erfahrungen. Der Esel scheint besonders häufig Thuja als konstitutionelles Mittel zu benötigen. Er entwickelt oft blutende Sarkoid-ähnliche Kondylome im Genitalbereich oder an den Innenseiten der Hinterschenkel (Nit-ac.) und zeigt den „Specknacken“(Anlagerung von Depotfett entlang der dorsalen Halsseite), der unter der Rubrik „Rücken, fettige Tumore in der Zervikalregion“ angegeben ist (neben Calc-c. und Bar-c.). Der Esel ist i. d. R. weit weniger „kommunikativ“ und elegant als das Pferd. Vielleicht spielt auch der Inzest – im Sinn von Inzucht – bei bestimmten „reingezüchteten“ Tierrassen eine Rolle für die Entstehung von Thuja-Krankheiten. Viele Thuja-Tiere gelten als „hässlich“, dazu werden z. B. häufig die sabbernden Boxer, die unfrisierten Pudel und – sprichwörtlich – natürlich die Esel gezählt, die im Volksmund noch zusätzlich als
„dumm“ und „störrisch“ bezeichnet werden. Vielleicht spielt gerade beim Esel das morphische Feld seines Schimpfwortes eine Rolle für die Beziehung zum Thuja-Bild? Thuja ist leicht zu verwechseln und komplementär zu Nat-m. Beide Mittel zeigen eine Tendenz zu intensiver Behaarung, zu „vermännlichten“ weiblichen Individuen, beide neigen zu reserviertem Verhalten, lassen sich ungern von Fremden streicheln. Nat-m. leidet meist unter Sonnenhitze oder heißem Wetter, Thuja eher unter feuchter Nässe, Natm.-Beschwerden steigen und fallen mit der Sonne, die von Thuja sind nachmittags schlimmer. Aber die Hautausschläge von Nat-m. zerstören primär das Fell – nicht die von Thuja –, und Nat-m. ist i. d. R. freundlicher, emotioneller als Thuja. Ferner wäre differenzialdiagnostisch zu Thuja an Nat-s. zu denken – insbesondere beim Vorliegen asthmatischer Beschwerden von jungen Tieren. Pulsatilla kann sich ähnlich wie Thuja an seinen Besitzer anpassen, Puls. kann gar nicht genug Zuwendung bekommen, zeigt sich meist liebevoll, herzlich, erwidert die Zuwendung und neigt zur Unterwürfigkeit und leidet unter heißem Wetter – deutliche Gegensätze zu Thuja. Auch der Opportunist Lycopodium kann mit Thuja verwechselt werden. Lyc. hat wie Thuja seine Verschlimmerungszeit am Nachmittag und kann genauso unpersönlich oder feige erscheinen wie Thuja. Auch Siliceas schüchternes Verhalten kann mit Thuja verwechselt werden. Der Sil.-Eindruck erinnert an etwas Zartes, Edles, an ein weniger abweisendes Wesen. Wenn die Lebenskraft von Thuja-Patienten unterdrückt wird, wird sie sich – ähnlich wie der Sulf.Patient, im Sinn der homöopathischen Unterdrückung in Erkrankungen an hierarchisch übergeordneten Organen bemerkbar machen. Entscheidend für die Differenzierung sind jedoch immer die vorhandenen Zeichen und Symptome. Hahnemann setzte Thuja in der 30. und 60. Potenz ein und fand, dass 1 einzige Gabe mindestens 3 Wochen wirkt.
Übersicht über Krankheitsverlauf und pathologische Schwerpunkte Entwicklung der Pathologie: akuter bis subakuter Verlauf: langsamer Beginn von Krankheiten Symptome können einige Tage nach einer Impfung auftreten durch Nässe aktiviert werden
auf der Grundlage einer konstitutionellen Veranlagung meist chronischer Verlauf, der sich langsam oder im Verborgenen entwickelt
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Thuja occidentalis als Ergänzungs- oder Komplementärmittel zu anderen homöopathischen Arzneien wichtiges konstitutionelles Mittel für chronische Krankheiten kalte lymphatische Persönlichkeitstypen mit Tendenz zu übersäuertem Gewebe Tendenz zu intrazellulärer Wasser-Retention Erkrankungen überwiegend der linken Körperseite (rechtsseitige sprechen nicht gegen Thuj.) Epithel von Haut und Schleimhaut, Tendenz zu Hyperplasie Proliferation von Epithelgewebe zu Neubildungen (Warzen, Kondylome, Auswüchse, Krebs) übermäßige Sekretion von Drüsen unmerklicher, allmählicher Beginn chronischer Krankheiten Schleimhautkatarrhe chronische Infekte, Virusinfektionen mit schleimig gelb-grünen, grauen, blutigen, stinkenden, scharfen Absonderungen an Urogenital – Atemwege – Augen – Ohren – Maul – After mit grünlich-gelblicher Absonderung Folgen von unterdrückten Katarrhen, besonders im Urogenital-Bereich Nervensystem: neuralgische Schmerzen ruheloser Schlaf mit Aufschrecken Epilepsie nach Impfung (Sil.) Augen: Warzen, Gerstenkörner, Ekzeme Konjunktivitis, Keratitis, Iritis, Chorioiditis, Retinitis, Skleritis Atemwege: Sinusitis, chronische Bronchitis, Asthma nach Impfung Auswurf stinkend, grünlich Verdauungsapparat: Zahnschäden am Zahnhals mit Eiterung, Zahnwurzelabszesse
gelbe, schwarze Zähne laute Darmgeräusche, Afterfissuren, Schmerzen beim und nach Kotabsatz, Kondylome am After Durchfall durch Aufregung Harnwegsinfekte: Erkrankungen besonders beim männlichen Tier, Zystitis nächtlicher Harndrang 3 Uhr Genitalorgane: chronische Urethritis, Prostatitis (folgt auf Puls., Lyc., Sil.), Kondylome Tumore am weiblichen Genital, reichlich gelber Fluor, chronische Ovariitis Warzen, Kondylome am äußeren Genital Probleme der hormonellen Steuerung: Zwitter Verweiblichung männlicher, Vermännlichung weiblicher Tiere Zyklusstörungen Haut: fettiges Haar, weiße Schuppen, süßlicher Geruch, lokaler Haarausfall, Alopecia areata Pickel, Akne, Pusteln, Mykosen, Schuppen, Krusten Warzen und Kondylome aller Art, besonders im Genitalbereich, After und Nase lokale Überpigmentierung oder pigmentlose Flecke (ähnlich Vitiligo) Folgekrankheiten nach unterdrückten Warzen oder Polypen Bewegungsapparat: rheumatische Schmerzen, Arthritis, Arthrose Gelenkprobleme durch Überanstrengung, ⬍ durch Dehnen von Sehnen, ⬍ Nässe ⬍ am Beginn der Bewegung, ⬎ während Bewegung Rückenschmerzen Hufprobleme: brüchig, deformiert, empfindliche Huflederhaut Krebs, benigne und maligne Tumoren Häufiges sonderbares Begleitsymptom: mehrter Urinabgang während Beschwerden
ver-
Physiognomie und Erscheinungsbild des Patienten Der Thuja-Patient ist nicht immer an äußeren Merkmalen zu erkennen. lymphatische Haut, durchsaftete Unterhaut, neigt zu Wassereinlagerung fleischiges Aussehen, schlaffe Muskulatur, manchmal ungeschickter Bewegungsablauf häufig zufallende oder halb offene Augen
häufig dunkel pigmentierte Tiere mit reichlichem, dichtem Haarkleid bzw. Deckhaar, auch helle Haare! vorzeitiges Grauwerden der Haare, Schimmelpferde Fell fettig, glanzlos, trocken, weiß-schuppig, Haarbruch
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Thuja occidentalis süßlicher Körpergeruch, besonders an erkrankten Hautpartien Hauterkrankungen mit Überpigmentierung Tränenfluss im Freien rissige, verhärtete Nasenflügel fleischige, zerklüftete, verkrustete, blutige Warzen Warzen an der Nase (Caust., Nit-ac.), an Augenlidern Kondylome an After und Genital Schmerzen am After, Tiere lassen sich manchmal ungern Fieber messen reserviertes Verhalten übereilte Bewegungen, nervöse Reizbarkeit schwache, kranke Jungtiere, mangelndes Gedeihen
– nach immunsuppressiver Therapie der Muttertiere (Sulf., Sep.) – nach Impfungen während Gravidität – mit rezidivierenden Infektionen, Asthma, Allergien, Warzen – unter schlechten Haltungsbedingungen, Beschimpfungen, Zwangsmaßnahmen, Schlägen – Hund: Lecken am After nach Kotabsetzen – eingezogene Zitzen der Hündin – vergrößerte, schmierig-schwarz pigmentierte Liegeschwielen (Sep.) – tonniger Rumpf mit dickem Bauch, krumme Beine, „Doppelkinn“ – Pferd: wund zwischen den Hinterschenkeln – übermäßiges Kreiseln mit dem Schweif beim und nach Kot – rissiges, bröckeliges Hufhorn, Hornspalten
Auffallende Zeichen und Symptome des Verhaltens Das Verhalten des Thuja-Tiers kann vollkommen unauffällig und „normal“ sein! Tiere weigern sich, bei Regenwetter nach draußen zu gehen oder tun es nur widerstrebend häufig unpersönliche Tiere Abneigung, angesprochen oder angefasst zu werden zeigen Unwillen, wenn wir über sie in der Anamnese sprechen, wenden sich ab oder gehen fort schlimmer bei Anwesenheit Fremder! Abneigung gegen Gesellschaft, besser wenn allein, Einzelgänger gleichgültig, ohne besondere Mimik und Äußerungen von Lebensfreude wirken traurig, wie abgestellt, vermeidet Blickkontakt wenig Anteil an Besitzer oder seiner Familie Furcht vor Berührung, zuckt zusammen, fürchtet geschlagen zu werden, weicht dem Streicheln aus oft auch reserviert, gleichgültig oder unsicher gegenüber Artgenossen, ernst, wenig Spielverhalten misstrauisch gegen Menschen und Artgenossen auch: Reizbarkeit, Aggression gegen Besitzer oder Artgenossen, will keine Annäherung Reizbarkeit, wenn er nicht gleich das bekommt, was er will, z. B. Futter zorniger Futterneid, will alles für sich haben
Streitsucht mit Menschen oder Artgenossen Reizbarkeit, wenn sich sein Tageslauf ändert, Gewohnheitstier widerspenstig, eigensinnig, erträgt keinen Widerspruch, manipulativ unzufrieden mit allem häufig hastige Eile auch: pflegeleicht, brav, gehorsam, an alle Anforderungen angepasst gut zu dressieren, lernfähig und bemüht, alles richtig zu machen aber wenig geeignet als Schutzhund auch: unbeständiger Stimmungswechsel, Launen Freundlichkeit kann mit Boshaftigkeit und Streitsucht abwechseln nachtragend, nimmt übel, leidet lange unter Schimpfe gleichgültig gegen das andere Geschlecht
Hund kann unauffälliger braver Familienhund sein – ohne positive und negative Eigenschaften aber i. d. R. kein betontes „Schmusetier“, ungern gestreichelt, liegt gern brav an seinem Platz anonymer Jedermannshund ohne speziellen Bezug zum Besitzer
Thuja occidentalis oder unberechenbare Reizbarkeit mit aggressivem Beißen, „unsauberes“ Wesen wenig Spielverhalten mit Artgenossen bei Ermahnungen schnell „schlechtes Gewissen“ mit unterwürfigem Blick und hängenden Ohren
geht wie mit „schlechtem Gewissen“ fort, wenn man ihn anspricht manchmal empfindlich gegen Musik, verlässt dann das Zimmer kann mit seinen Launen und Reizbarkeit den Besitzer tyrannisieren
Leitsymptome des pathologischen Geschehens Gesicht: häufig tiefe Falten (z. B. Boxerhunde u. Ä.) Warzen an der Nase (Caust.), im Gesicht (Pferd: Sarkoid) harte Krusten mit Einrissen an den Nasenflügeln (Hund) (Graph., Ant-c., Caust.) Hautausschläge an der Nase Kopfhaut bzw. -haare empfindlich gegen Berührung Auge: Warzen, Granulationen an den Lidern (Nitac.), Kondylome an der Iris Tränenfluss im Freien Absonderung von grau-grünlichem, dickem oder blutigem Schleim verklebte Augen nach dem Schlaf Knötchen, Kondylome, Krebs, Fungus an Lidern, Gerstenkörner, Zysten Ekzem an Lidern halboffene Augen alle möglichen Augenentzündungen, auch nach Impfung: Konjunktivitis, Keratitis, Iritis, Chorioiditis, Retinitis, Skleritis; Ulcus corneae; injiziert mit dunklen Gefäßen; Hornhauttrübung, Glaskörpertrübung reibt die Augen, drückt Augen ins Warme ⬎, ins Dunkle, Lichtscheu Ohren (Hund): häufiges Mittel für die chronische Otitis des Hundes, besonders rechtsseitig Absonderung stinkend, wie faules Fleisch, wässrig oder eitrig vermehrtes Ohrenschmalz mit Tendenz, mit den Pfoten in den Ohren zu bohren Jucken in den Ohren das wichtigste Mittel für die chronische polypöse Otitis externa Ohren empfindlich gegen kalte Luft Atemwege: Sinusitis, Luftsackkatarrh (Pferd), auch chronisch, chronischer Katarrh der oberen Luftwege Absonderung dick-schleimig, Krusten Ulzera am Nasenseptum, polypöse Wucherungen in der Nase
gelb-grünliche Absonderungen aus der Nase Nase fließt im Freien, verstopft im Zimmer Nasenbluten durch Überhitzung (Acon., Bell., Bry. Nux-v.) Tonsillitis nach Impfung, Tonsillenhypertrophie, Schwellungen der Kehlgangslymphknoten Polypen, Knötchen an Kehlkopf oder Stimmbändern mit Heiserkeit oder Atemgeräuschen Asthma bei Jungtieren (wichtiges Komplementärmittel: Ars.) Asthma nach Impfung, mit Bauchatmung (Pferd!) (Ars., Nux-v., Phos., Lyc., Ant-t.) Husten beim Warmwerden Husten dauernd ohne Atemnot, durch Einatmen kalter Luft, Nasenflügelatmung Auswurf grünlich, stinkt wie alter Käse Verdauungsapparat: Maul: Zerfall der Wurzel, Zahnfacheiterungen mit Periostitis, Zahnwurzelabszesse, weißlicher Eiter; Zähne werden locker, zerbröckeln; schwarze oder gelbe Zähne; Zahnschmerzen im Kalten, beim Kauen; Zähne verkrustet durch Zahnstein (Ars.); Aphthen, Ulzera, Neubildungen, Epulis, Kondylome im Maul (Nit-ac); schwammiges, blutiges, geschwollenes Zahnfleisch oder Zunge; weiße flache Ulzera an der Innenseite der Lippen und Mundwinkel, Ranula; stinkender Maulgeruch oder Speichel; lautes Schlucken Abdomen: Neigung zu Flatulenz und lauten Darmgeräuschen, Megakolon; häufig Durchfall schmerzlos bis Colitis After: Verlieren von Kot bei zwingendem Drang zum Koten; Analbeutelerkrankungen, schmieriges, stinkendes Sekret, Fisteln (Hund); stinkende, schmierige Hyperpigmentation mit Vorwölbung des Perineums; gurgelnder Durchfall morgens, Durchfall durch Aufregung, auch hartnäckige Verstopfung; Harn- und Kotdrang gleichzeitig; schwieriger, schmerzhafter Kotabsatz, Rektumschmerzen, ineffektiver Drang lange nach Kot; Kot zuerst hart, dann weich; Kot ölig, glatt, fettig, wie Wasser aus
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Thuja occidentalis dem Spundloch; Durchfall nach Impfung; häufiger lauter gewaltsamer Blähungsabgang, stinkend oder geruchlos; Kondylome an Anus und Präputium, sind oft das einzige, sichtbare Thuja-Symptom! Harnwege: Harnwegsinfekte, auch rezidivierend, besonders beim männlichen Tier (Staph., Lyc., Dulc., Puls.) chronische, rezidivierende Nephritis Polypen, Nieren-, Blasensteine (Lyc.) häufiger Harndrang, besonders nachts 3 Uhr, zwingender Harn- und Kotdrang Blase wie gelähmt, ohne Kraft, den Urin auszutreiben Brennen der Harnröhre, verzögerter Harnabgang, evtl. mit Nachtropfen schaumiger, stinkender Urin Inkontinenz, wenn gut indizierte Mittel nicht wirken! der geteilte Harnstrahl – das berühmte ThujaSymptom – ist beim Tier kaum festzustellen Genital männlich: chronische Prostatitis, Balanitis, Urethritis, Prostatahypertrophie (Lyc. u. a.) Jucken an Harnröhrenöffnung mit häufigem Lecken (Hund), Onanie Erektionen beim Koten süßlicher Geruch im Genital Verhärtung der Hoden häufig hyperpigmentierte Hauterkrankungen verzögerter Hoden-Descensus bei Jungtieren (Calc-c., Lyc., Aur.) Genital weiblich: chronische Ovariitis, Ovarzysten, Uteruserkrankungen, -polypen, -krebs grünlich-gelblicher, reichlicher Fluor Warzen, Kondylome, Tumoren häufig hyperpigmentierte Hauterkrankungen mit süßlichem Geruch Tendenz zum Abort im 1. Graviditätsdrittel falsche Thuja-Gaben können Abort auslösen! Haut: Pigmentstörungen (wie Sep.), Überpigmentierung, oft von schmieriger Konsistenz (Sep.), Vitiligo; Zurückgehen der Pigmentierung, z. B. Krötenmaul bei Schimmelpferden meist reichlicher Haarwuchs süßlicher Körpergeruch, zieht Fliegen an glanzloses, fettiges oder trockenes Haarkleid, Haarbruch, leicht verfilztes Deckhaar (Pferd) Haarausfall an einzelnen Stellen, besonders an Ohr- und Schwanzspitzen mit schwarzer Haut
dunkle, süßlich riechende, schmierige Pigmentierung um Skrotum, Präputium, Vulva mit verdickter Haut (Sep.) eitrige Haarbalgdrüsenentzündungen (Hep., Merc.), Akne mit Narben reichlich stinkender Schweiß an den Pfoten (Hund) (Lyc.) Hautausschläge an bedeckten Teilen (Pferd: unter dem Sattel), an schwitzenden Teilen; ⬍ im Winter,⬍ nach kaltem Baden; mit Schwellung, Absonderung, feucht, gelblich, scharf, Herpesähnlich, sich ausbreitend; von kleinen Warzen oder Knötchen durchsetzt Juckreiz am ganzen Körper wie Flohbefall, ⬍ durch Warmwerden Jucken ⬎ durch Kratzen, aber danach berührungsempfindlich Juckreiz ⬍ nach Baden oder Waschen Warzen: jede Art von Warzen: lange, gestielte, fleischige, harte, krustige, hornige, blutende Warzen; rissige, schmerzhafte Warzen, auch kleine unscheinbare Warzen; auch Fungus (Nit-ac.), Sarkoid, fleischige Euterwarzen; charakteristische Lokalisation; Nase, After, Genital, Gehörgänge; aber nicht jeder Thuja-Patient hat Warzen! Warzen an Haut und/oder Schleimhaut (Polypen); Folgen von entfernten Warzen, Kondylomen: „Nie wieder gesund seit . . .“ Pferd: Hufprobleme: Hornspalten, brüchiges, trockenes, splitterndes Hufhorn; deformierte Hufe (Graph., Ant-c.); Hufe wachsen schnell Bewegungsapparat: Thuja kann durchaus für Lahmheiten des Pferdes zuständig sein! Schmerzen bei Dehnung von Sehnen (!), Rückenschmerzen durch Nasswerden (Dulc., Rhus-t.) Beschwerden durch Überheben, Überanstrengung, nicht immer mit positivem Röntgenbefund! (Pferd: schwerer, ungeschickter Reiter von Thuja-Pferden!) Gliederschmerzen ⬎ durch Kälteanwendung, ⬍ Wärme ⬍ bei beginnender Bewegung, ⬎ während Bewegung akute und chronische rheumatische Schmerzen Empfindlichkeit der Huflederhaut (Pferd) Folgen von Rückenverletzungen Pferd: empfindlich gegen Erschütterung im Trab! (Diese Indikation ist wichtig und wird vom Unkundigen nicht bedacht!)
Thuja occidentalis Auslöser und Modalitäten Auslöser: Erbliche Belastung: „Sykotische Konstitution“ (Pferd, Esel, Pudel, Boxerhunde; s. o.); durch Inzucht; Belastung von Jungtieren durch Impfung des Muttertieres während der Gravidität Beschwerden durch unterdrückte Warzen, Polypen, Kondylome Beschwerden durch unterdrückte Hautausschläge, Mykosen Katarrhe durch feuchtkaltes Wetter, Nasswerden, feuchter Stall, feuchte Weiden Folgen von unterdrückten Ausscheidungen, Kondylomen, Warzen, Tumoren, Fußschweiß Folgen von unterdrückten Genitalerkrankungen Beschwerden durch Missbrauch, schlechte Behandlung, Beschimpfungen, Erniedrigung, Isolation Folgen nassen Wetters, Nasswerden, Leben im feuchter Stall, Zwinger, feuchte Weiden Vernachlässigung, frühe Trennung von Mutter bzw. Eltern Beschwerden von Kränkung, nicht ernst genommen werden, Verachtung, nicht willkommen sein Impfreaktionen: Angst nach Impfung, Ruhelosigkeit im Schlaf, Schlaflosigkeit; Kopfschmerzen, Augenentzündung, Konjunktivitis; Durchfall, Asthma, Husten (einziges Mittel!); Hufprobleme seit Impfung (einziges Mittel); Konvulsionen (Sil.); Lähmungserscheinungen (z. B. nach Herpes-Impfungen), Taubheit Beschwerden nach Missbrauch von Merc., Sulf. Vergiftungen (homöopathisch oder mit Substanz) mit Tee, Kaffee, Tabak, Zwiebel (All-c.)
Modalitäten: vermehrter Urinabgang während Beschwerden ⬍ nachmittags und nachts 3 Uhr Periodizität: jedes Jahr wiederkehrende Beschwerden ⬍ Kälte, Nässe, Nasswerden, feuchtes Wetter ⬍ Regen, ⬍ Nässe, ⬍ bei Nebel, ⬍ vor und während Gewitter-Sturm = vor Tiefdruck-Wetter ⬍ bei Wetterwechsel zum Schlechten, ⬍ Winter ⬍ bei windigem Wetter, ⬎ bei warmem Wind (!) ⬎ im Sommer, im Warmen, aber nicht ⬎ in strahlender Sonne beim Erhitztwerden ⬍ Beschwerden der linken Seite (aber rechtsseitige Beschwerden sprechen nicht gegen Thuj.!) ⬎ während Katarrh, ⬍ bei dessen Unterdrückung ⬍ abends ⬍ Mondlicht ⬍ in warmer Luft, ⬍ durch Warmwerden, Wärme ⬍ Verlangen nach Wärme Mangel an Lebenswärme, aber Wärme ⬍, Erhitztwerden ⬍, aber ⬍ durch kalte Tränke oder Futter ⬍ Regen, ⬍ Nässe, geht bei Regen ungern raus; ⬍ vor Gewitter-Sturm = vor Tiefdruck-Wetter, ⬍ Winter; ⬍ linke Seite ⬍ durch Nahrung mit wasserreichen Pflanzen oder was Wasserretention begünstigt ⬎ in Ruhe, Abneigung gegen Bewegung Beziehungen: psychisch engste Beziehung zu Natm., bei Asthma zu Ars., bei Kondylomen zu Nit-ac. als Folgemittel kommt Nat-s. oder Tub. infrage
Ausgewählte Fallbeispiele Beagle-Hündin Jana – Chronische Otitis externa 29.5.2003: Jana ist eine hübsche dreifarbige Beagle-Hündin. Sie gehört zu einer 68-jährigen Besitzerin, die zusammen mit ihrer 95-jährigen Mutter lebt (Natm.). Jana hat Probleme mit Zwischenzehenekzem der Vorderpfoten, mit Juckreiz am Anus und ständig rezidivierenden juckenden Entzündungen im Gehör-
gang, die besonders rechtsseitig sehr schmerzhaft sind. Jana kommt wie deprimiert in die Praxis, legt sich neben ihrer Besitzerin auf den Boden und macht keine Anstalten, die Praxis zu beschnuppern. Meine freundliche Ansprache beantwortet sie nicht, hebt nicht einmal den Kopf und wedelt nicht mit dem Schwanz. „Vielleicht ist sie so aufgeregt?“ erklärt Frau B., „Das Autofahren hat Jana noch nie gut vertragen. Sie erbricht jedes Mal oder speichelt sehr stark.“ Von beidem ist zurzeit nichts zu bemerken.
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Thuja occidentalis „Vor einem Jahr haben wir sie schneiden lassen, weil sie immer so viel an der Scheide leckte.“ Ich versuche weiteren Kontakt zu der Hündin aufzunehmen, aber sie steht auf und setzt sich unter den Stuhl ihrer Besitzerin und entblößt drohend den mir zugewandten Caninus. „Ja, Jana lässt sich nicht gern von Fremden anfassen. Beim Tierarzt brauchten wir immer gleich den Maulkorb. Aber sonst ist Jana eine ganz liebe – nicht wahr?“ Sie schaut ihren unter ihr sitzenden Hund liebevoll an. Jana nimmt keinen Anteil.
Bericht der Besitzerin „Wir füttern Frischfleisch, angekocht mit Reis oder Kartoffeln. Ihre Mutter hatte eine Gesäugeentzündung und bekam Antibiotika. Vielleicht ist das die Ursache für Janas Entzündungen? – Jana hat immer Hunger, sie stiehlt uns auch das Essen vom Tisch, wenn wir nicht aufpassen. Schimpfe ist ihr egal. Sie ist davon gar nicht beeindruckt. Der Kot kommt 3 ⫻ täglich; er ist oft wie von einer Schleimschicht bedeckt, aber Durchfall hat sie nur selten. Sie hatte nie eine Scheinschwangerschaft, war immer zweimal im Jahr läufig. Sie klammert gern an meinem Bein, stellt sich hin wie ein Rüde und wackelt mit dem Hinterteil. Sie hat es gern sehr warm, liegt gern am Kachelofen und drückt ihr schlimmes Ohr an die warmen Kacheln. Wie sie das aushält? Aber bei heißem Wetter mag sie nicht gern laufen, sie legt sich dann lieber ins kühle Gras. Gehorsam ist sie nicht immer.“ – „Nein, gar nicht!“, bemerkt die alte Mutter. „Wir haben den Welpenkurs gemacht, dort war sie sehr unzuverlässig. Sie muss immer erst überlegen, ob sie zurückkommen soll. Darum haben wir sie meistens an der Leine. Jana, komm doch mal vor und zeig dich!“ Jana reagiert nicht. Frau B. zerrt die Hündin am Halsband vor. Jana geht langsam zur Tür und legt sich dort nieder. Ist Jana immer so unpersönlich? – „Ja, sie kommt nie zum Streicheln und folgt nur, wenn sie will. Sie ist gar nicht verschmust. Vielleicht braucht sie uns gar nicht?“ Die Mutter: „Aber sie ist doch eine Liebe!“ Weiterer Bericht: „Die Ohren stinken und fühlen sich so fettig an. Oft ist das ganze Fell fettig.
Sie liegt gern in der Sonne und schmort. Bei Regen muss man sie nach draußen zerren, sie geht nicht gern ins Nasse. Aber wenn sie dann draußen ist, dann läuft sie gut mit. Jana spielt selten. Daheim rast sie manchmal mit dem Ball im Garten umher. Aber wenn wir etwas von ihr wollen, interessiert sie das nicht. Zu großen Hunden ist sie ängstlich und vorsichtig. Sie ist zu Menschen und Hunden grundsätzlich zurückhaltend. Aber nach Leckerli kann sie zu jeder Zeit betteln. Zu Hause liegt sie oft am Ofen auf dem Rücken. Dann können wir sie kraulen, das genießt sie.“ Jana steht nun auf und geht schnuppernd in der Praxis umher. Die Besitzerin ruft: „Jana, komm her und setz dich.“ Jana kümmert sich nicht darum. Mir fallen ihre deutlichen Längsfalten auf der Stirn auf. Nach einem Rundgang lässt sie sich zusammengerollt unter dem Tisch hinter ihren Besitzerinnen nieder. Eifersucht? – Die Besitzerin fragt ihre Mutter: „Ist Jana eifersüchtig? Vielleicht? Wenn man sie nicht beachtet, geht sie an den Tisch und stiehlt das Essen oder anderes. Meiner Mutter hat sie mal das Hörgerät vom Nachttisch geklaut. Schimpfe interessiert sie nicht. Sie geht dann fort oder bleibt sauer und nicht ansprechbar eine Stunde lang in ihrem Korb und will nicht einmal Gassi gehen. Jana lässt sich nicht auf den Schoß nehmen und streicheln. Sie geht auch mit Fremden spazieren, wenn man sie an der Leine führt. Ohne Leine haben wir das noch nicht probiert. Aber wenn sie uns nicht gehorcht, dann tut sie das bei Fremden erst recht nicht. Wenn wir nicht aufpassen, haut sie mal ab, ist dann 3 Stunden unterwegs. Was sie dann da macht, wissen wir nicht.“ Angst? „Ja, Jana hat Angst vor dem Lärm von Traktoren oder Lastwagen. Gewitter ist ihr egal. Wenn es am 1. August (Schweizer Nationalfeiertag) beim Feuerwerk knallt, geht sie nicht gern raus. Vor großen Hunden hat sie Respekt. Wenn sie angeknurrt wird, legt sie sich auf den Rücken oder geht weg. Mit kleinen Hunden spielt sie manchmal ganz gut. Aber Jana ist noch nie ein fröhlicher Hund gewesen. Sie sieht immer traurig oder mürrisch aus. – Aber wir lieben sie trotzdem sehr! Jana kann gut für sich allein sein. Wenn ihr der andere Hund zu viel wird, geht sie einfach fort und
Thuja occidentalis lässt den stehen. Es gibt auch Hunde, die sie einfach ignoriert. In der Gruppe mit anderen Hunden ist sie ganz unauffällig. Sie hat nur Angst, wenn einer knurrt. Sie kann gut allein bleiben. Wenn jemand Fremdes ins Haus oder ans Auto kommt, interessiert sie das nicht.“
Untersuchung Die Untersuchung der Ohren ergibt eine wunde, schmierige Auskleidung im Gehörgang, verbunden mit starkem Juckreiz. Die Gehörgänge sind auffallend eng. Die großen Ohrmuscheln sind an der Innenseite auffallend fettig. Bei starkem Juckreiz rollt sich Jana auf dem Boden. Zwischen den Zehen der Vorderpfoten ist die Haut leicht gerötet Analdrüsen o. B. Während der Untersuchung droht Jana ohne Knurren mit erhobenen Lefzen.
Therapie Jana bekommt Lycopodium XM und eine Schüttelmixtur mit Johanniskraut-Öl und Calendula zum Eintropfen in die Ohren. Für 2 Wochen sind die Ohren besser, anschließend stellt sich der frühere Juckreiz wieder ein. Lycopodium ist das falsche Mittel mit kurzfristigem Palliativ-Effekt. 25.6.2003: Janas Ohren sind wieder schlechter. Lycopodium wirkte offensichtlich vorübergehend als Palliativ. Jana kratzt viel an Ohren und am ganzen Körper. Die Gehörgänge enthalten noch schmieriges, süßlich stinkendes Sekret und sind geschwürig verändert. Vor 2 Wochen sei Jana anderweitig gegen Tollwut geimpft worden. Jana habe jetzt zum ersten Mal das Autofahren ohne Speicheln und Erbrechen ertragen! Ihr Fell erscheint glanzlos und fettig. Mir fällt erneut ihre Indifferenz zu ihren Besitzerinnen auf. Jana lege ihr schmerzhaftes Ohr auf die von der Sonne aufgeheizte Sandsteinplatte im Garten! Jana bekommt Thuja XM, 1 Prise per os. 7.7.2003: Der Juckreiz ist besser. Nur am After knabbere sie jetzt sehr heftig. Jana habe massenhaft Kirschen gefressen, ob das einen Einfluss haben könne?
In den Gehörgängen finden sich jetzt schuppige Krusten, keine wunden Bezirke. Die Untersuchung der Gehörgänge quittiert die Hündin mit bösem Knurren und hätte dabei fast ihre festhaltende Besitzerin gebissen. Das Fell erscheint noch immer stumpf und fettig. Eigentlich hätte ich mehr von Thuja erwartet. Jane erhält 2 ⫻ Sulfur C 30 im Abstand von 1 Woche, Ergänzungsmittel zu Thuja. 22.8.2003: Die Ohrmuscheln seien wieder durch Schubbern und Kratzen sehr stark gerötet. Jana knabbere auch wieder vermehrt an den Pfoten. Nur wenn sie abgehauen war und erschöpft nach 3 Stunden wieder daheim sei, dann knabbere sie nicht! Die Besitzerinnen haben momentan keine Zeit für einen Besuch. 23.9.2003: Seit 3 Wochen seien nun die Ohren wieder ganz schlimm, besonders das rechte Ohr. Am Kinn hat Jana juckende Pusteln. Die Ohrmuscheln sind um die Gehörgänge herum schwartig verdickt, faltig eingezogen und etwas bläulich verfärbt. Es zeigen sich die ersten Zeichen von Polypen. Die Gehörgänge selbst sind dadurch noch enger geworden. Jana leckt weniger am After, seitdem sie keine heruntergefallenen Zwetschgen mehr fressen darf. Frau B. beklagt sich über Janas Indifferenz, über ihr übelnehmerisches Wessen nach Schimpfe. Thuja XM. 9.12.2003: Bisher war alles besser, aber nun werden die Ohren wieder schlechter. Wieder vermehrtes Pfotenknabbern, Wälzen und Ohrenkratzen. Die Ohren stinken, in und um die Gehörgänge ist die Haut aufgequollen, fettig und dunkel pigmentiert. Jana bekommt Thuja LM 18, am 1., 2. und 4. Tag je 1 Dosis per os. Ich war nicht sicher, ob Thuja schon wieder angezeigt wäre. 12.1.2004: Keine Besserung. Thuja XM. Darauf wesentliche Besserung. 11.3.2004: Wieder mehr Juckreiz, aber die Gehörgänge sind sauber und von gesunder Haut ausgekleidet. Jana bekommt nochmals Thuja XM. Darauf erfolgte 1 Woche lang verstärkter Juckreiz am ganzen Körper mit viel Wälzen. Seitdem sind Pfotenekzeme, Gehörgänge und Juckreiz gut! Beobachtungszeit inzwischen 20 Monate.
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Thuja occidentalis Symptome Reserviert, ungezogen, ernsthaft, abweisende Stimmung Furcht vor Menschen (gleichbedeutend für „Artgenossen“) Abneigung, angefasst zu werden (Streicheln), Trost verschlechtert (Zuwendung) Ohrenschmalz vermehrt, Ohrgeruch stinkend, Haut fettig Kot bedeckt von Schleim Liegen auf dem Rücken bessert In der Rubrik für das sonderbarste Symptom „Ohrenschmerzen besser durch Wärme“ ist keine Thuja angegeben. Jedoch die entgegengesetzte Modalität „Ohren empfindlich gegen kalte Luft“ enthält Thuja als 2-wertiges Mittel.
Epikrise Bei rechtzeitiger und konsequenter Gabe von Thuja wäre die Erkrankung schneller ausgeheilt. Hinter Thuja verbirgt sich oft eine schwere Krankheitsdisposition, der man nur durch konsequente homöopathische Therapie begegnen kann.
Die störrische Eselin Bellinda Bellinda, 4-jährige hübsche, graue Eselstute, wird Mitte Mai 2005 vorgestellt wegen störrischer Widersetzlichkeit, extremen Juckreizes und mangelnden Haarwechsels, ferner weil sie in diesem Frühjahr noch nicht rossig war. Bellinda steht in einer Offenbox mit großem Paddock, ringsum Kälber in Iglus. Sie habe voriges Jahr ein sehr schönes Fohlen gehabt, das vor 3 Monaten abgesetzt worden sei. Seitdem habe ihr störrisches Verhalten stetig zugenommen.
Untersuchung und homöopathische Anamnese Bellinda weigert sich zunächst, sich zum Anlegen des Halfters fangen zu lassen. Sie versteht es, der Besitzerin sofort behände das Hinterteil zuzuwenden, sobald sie sich ihrem Kopf nähert. Sie legt dabei aber keineswegs die Ohren an und wirkt weder panisch noch ängstlich. „Vielleicht macht ihr das Spaß, uns an der Nase herum zu führen?“, meint die
Besitzerin. Mit vereinten Kräften gelingt es endlich, das Halfter anzulegen. Bellinda steht nun teilnahmslos vor uns. Unter dem fettigen, struppigen Winterfell ist die Haut überall von schuppigen Krusten bedeckt. „Dabei wird sie jeden Tag von den Kindern geputzt! Wir wollen immer mit ihr spazieren gehen, damit sie nicht zu dick wird, aber sie will keinen Schritt mehr laufen. Einer muss vorn ziehen und einer hinten schieben, dann geht sie mal 10 Meter.“ Hufe und Gliedmaßen sind in einwandfreiem Zustand, keine Zeichen von Huflederhautentzündung, Lahmheit oder Schmerzen; Fressen, Trinken, Kot und Urin sind in Ordnung. Wir versuchen nun, die Eselin zum Laufen zu bringen, was trotz Schiebens und Ziehens nur für 3 Meter gelingt. Bellinda kaut gelassen auf den angebotenen Stückchen Brot, lässt sich aber auch damit nicht voran locken. Jedoch zurück in ihr Paddock geht sie freiwillig. Links neben der Vulva hat sie eine knapp Haselnuss-große schwarze Warze. Sie hat auffallend gelbe Zähne, sogar der letzte Milchzahn ist schon gelblich verfärbt. „Bellinda ist ein komisches Tier: Wir geben uns mit den Kindern wirklich viel mit ihr ab, bringen ihr Mohrrüben oder Äpfelchen mit, aber sie zeigt weder Freude noch Ärger. Voriges Jahr ist sie gut mit uns mitgegangen. Mit anderen Eseln zusammen haben wir sie noch nie gesehen. Als wir sie kauften, stand sie mit 3 Eseln zusammen, mir ist nichts Besonderes aufgefallen.“ Die wahlanzeigenden Symptome sind: Allgemeines, Abneigung zu Laufen (kein Thuja) weibliches Genital, Kondylome Gemüt, abweisende Stimmung, widerspenstig, stur, dickköpfig Haut, fettig Hautausschläge trocken, schuppig, juckend Zähne, Verfärbung gelb Nach Repertorisation kommen Thuja und Mercurius infrage, wobei letzteres mit diesem Esel nichts zu tun hat.
Therapie Bellinda bekommt Thuja XM, 1 Gabe per os. 4 Wochen später berichtet die Besitzerin, Bellinda habe inzwischen ein schönes Sommerfell bekommen, sie kratze sich nicht mehr, und vor allem, man könne wieder mit ihr spazieren gehen!
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