T B B I N G E RB E I T R Ä G E Z U R BLTERTUMSW1SSfi:NSCHAFT
PLATONS APOLOGIE
herausgegeben von WalFgang Scbadewaldt - Joseph Vogt - Otto Weinreich
HeFt 4 2
T H O M A S XIEY ER
PLATONS A P O L O G I E
von
'i'homas Meyer
W. KOHLHARIMER VEIlLAG
W. K O H L H A M M E R VERLAG
Dieser Band wurde ebenso wie die vorangegangenen Bände 40 und 41 gedruckt mit Unterstützung des Kultusministeri~msBaden-Württemberg.
VORBEMERKUNG
Seit Schleiermacher im Jahre 1804 die These aufstellte, die',Apologie' sei ein wirkliches Referat der von Sokrates vor Gericht gehaltenen Rede', war es allgemeine und als ganz selbstverständlich hingenommene Auffassung der Forschung, die Beschäftigung mit der ,Apologie6 müsse in allererster Linie der Frage gelten, was an dem dort dargestellten Sokrates historisch, was als platonische Zutat abzuziehen sei. Zahllose Erklärer mühten sich ab, aus der ,Apologie6 wie auch aus anderen Schriften Platons oder sonstiger Sokratiker - den wahren, den historischen Sokrates herauszuschälen, der denn je nach Geistesart und Geschmack des Betrachters ausfiel - ein Bemühen, das sich bis in die Gegenwart hinein fortsetzt2. Eine gewisse Wendung brachte die kommentierte Ausgabe der ,Apologie6von Martin S c h a n z (1893). Auch sie ging aus von der Frage nach dem historischen Sokrates, auch sie präparierte einen solchen aus der ,Apologie6 heraus. Neu a n ihr ist jedoch die Hinwendung zu der Frage, was man nun eigentlich mit dem ,,platonischen Beiwerk", das bisher kurz abgetan worden war, anzufangen habe. Sclianz sah die ,Apologie6so durchdrungen von derartigem ,,Beiwerka, daS er den naheliegenden Schluß zog: die ,Apologie6ist gar nicht, auch nicht anniiherungsweise, die wirkliche Verteidigungsrede des Sokrates, sondern fiktiv, ein W e r k P 1 a t o n s. - Erst dreieinhalb Jahrzehnte später wurde der Versuch unternommen, diese These streng methodisch zu begründen. Erwin W o l f f hat in seiner Dissertation (1929)' attische Gerichtsreden sowie verschiedene platonische Schriften zum Vergleich herangezogen und auf dieser Grundlage die ,Apologie' als philosophische Schrift Plzitons charakterisiert und gewürdigt '.
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Alle Rechte vorbehalten @ 1962 W. Kohlhammer
GmbH., Stuttgart
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Druck: Verlagsanstalt Manz, Dillingen-Donau, 1962
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F. Schleiermacher, Platons Werke, Berlin 1804 I 2 p. 185. Zuletzt Gallo Galli, L'apologia di Socrate, ,PaideiaC1947 p. 273-292. Erwin Wolff, Platons Apologie, NPhU Heft 6, Berlin 1929. Vgl. die Forderung Gadamers in seiner Rezension der Dissertation von Wolff, GGA 1931 p. 194.
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Vorbemerkung
Die vorliegende Aheit geht von der Tatsache aus. daß es . mit bis jetzt noch nicht gelungen ist. den historischen gutem Grund . Sokrates objektiv zu ermitteln und dadurch die Frage. ob hier Sokrates oder Platon rede. zu entscheiden . Doch ist etwas anderes möglich Wir können iinter Hintanstellung der Suche nach dem geschichtlichen Sokrates zunächst einmal die Frage verfolgen. in welcher Absicht die .Apologiec konzipiert ist. ob sie in erster Linie biographische Skizze. Wiedergabe eines bedeutsamen Ereignisses aus dem Jahr 399 V Chr oder ob sie zuallererst ein philosophisches Werk sein will. dem jenes Ereignis als Hintergrund dient . Die hier geübte Methode wurde bereits von E . Wolff angewandt. aber iiichi voll durchgefülirt . Von zwei verschiedenen Standpunkten aus soll die Apol~gie'betrachtet werden . Sie gibt sich als Gerichtsrede - also wird sie von der attischen Gerichtsrede aus als eine Gerichtsrede neben andern betrachtet werden miissen . Bleibt sie in diesem Kreise oder setzt sie sich auch wieder von ihnen ab? Die Apologie' ist aber auch ein Werk Platons also wird sie auf dem Hintergrund des platonisclien Gesamtwerks zu betrachten sein. Ist sie ganz von Platon her zu verstehen oder sollte sich zeigen. daß sie doch etwas Andersartiges - dies wäre dann etwa das .SokratischeLim Sinn der früheren Erklärer - enthält?
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INHALT
............................ I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede . . . . . . . . 1. Die Aufhebung des agonistischen Elements der Gerichtsrede . . . . a) Die Auseinandersetzung mit der emotionalen Psychagogie . . . . b) Die Auseinandersetzung mit der gerichtsmäßigen Dialektik . . . . Die Auseinandersetzung mit der Ethopoiie . . . . . . . . . . . 2. Die Intention auf Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a ) im Verhältnis zur Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) im Verhältnis zu den Richtern . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vorbemerkung
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C)
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c) im Verhältnis zu den Gegnern 3 Die Funktion der Zeit in der Apologie 4 . Die Annäherung der Apologie a n das Gerichtsübliche a ) durch sprachliche Anklänge a n die Gerichtsrede b) durch den Gebrauch von Topoi der Gerichtsrede 5 Die Aufhebung einzelner Gedanken der Gerichtsrede ins Philosophische
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I1 Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk 1 Der göttliche Auftrag 2. Sokrates' Betätigung 3 Sokrates in der Auseinandersetzung a) mit der Gerichtsrede als einer Form der Rhetorik b) mit dem Gehalt der Anklage Ist Sokrates Naturphilosoph? Ist Sokrates Sophist? C) mit den Hintermännern der Anklage Die Dichter Die Staatsmänner 4 Person und Paradeigma
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....................... ...................... . ........ ................. ................. ..................... .............. ......................... ....................... ..................... . Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
I. DAS VERHÄLTNIS D E R APOLOGIE ZUR ATTISCHEN G E R I C H T S R E D E
Es ist Ziel jeder Gerichtsrede, dem Hörer Dinge glaubhaft erscheinen zu lassen, die er von sich aus nicht ohne weiteres zu glauben geneigt ist. Der Redner bedarf daher der aiute~g,der Mittel, etwas glaubhaft zu machen. Nach Aristoteles gibt es drei Arten rhetorischer xiotey: solche, die auf dem Charakter des Sprechers beruhen (Ev T@ q8ei ZOG hE~ovtos),solche, die darauf ausgehen, den Hörer in irgendwelche &qoatfivb~a6eivaiWS), und schließlich Stimmung zu versetzen (Ev %@tOv solche, deren Wirkung in dem Aussagegehalt selbst liegt, der in die Form eines Beweises oder doch eines Scheinbeweises gekleidet ist (6%' aGt@T@ h6yq !,L& toG b e i x v . 6 ~ ~cpaivsafia~ ~ bew4vac). Im ersten Falle handelt es sich um Ethopoiie, im zweiten um emotionale Psychagogie, im dritten um Dialektik1. Gemeinsam ist diesen drei aiateis die agonistische Tendenz, die Bemühung um das ibiov ouycpß~ov. Aristoteles hält es nicht nur für geraten, sondern geradezu für zwingend notwendig (OIY8yxq.. .), sich dieser sämtlichen drei ~ ~ U T E LinS der Gerichtsrede zu bedienen (rh. 1377 b 21). Für die ,Apologie6ergibt sich daraus die Frage, wie sich der platonische Sokrates mit diesen für unerläßlich geltenden Bedingungen gerichtswirksamen Auftretens auseinandersetzt. Dabei geht es weniger darum, Abhängigkeiten und Anklänge zu ermitteln, als um die Frage, inwieweit in der ,ApologieG Dinge gesagt werden, die so in keiner eigentlichen Gerichtsrede stehen könnten, die der inneren Struktur der Gerichtsrede widersprechen. Es soll nun des näheren gezeigt werden, wie in der ,Apologie6die emotionale Psychagogie, die gerichtsmäßige Dialektik und die Ethopoiie befolgt und behandelt ist.
Sachliche Entsprechung in Ciceros De oratore: I1 C. 44-53 Abhandlung des permouere, C.27-41 des docere und C.42-43 des conciliare.
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1. D i e A u f h e b u n g d e s a g o n i s t i s c h e n E l e m e n t s der Gerichtsrede a ) Die Auseinandersetzung mit der emotionalen Psgchagogie
Das Vorhaben der Gerichtsrede, den Hörer in eine geeignete Stim, gleichbedeutend mit einem Anmung zu versetzen (GiaVsivai m ~ ) ist griff auf sein Gemüt. Im Grunde sind es nur zweierlei Affektee, die der Redner beim Hörer auszulösen bemüht ist: Sympathie (~Gvota) für die ) den Widersacher. Diesem dopeigene Sache, Empörung ( 6 ~ ~ '6gegen pelten Bemühen wird je ein Verfahren gerecht. Die Sympathie geht aus einer seelischen Erschütterung hervor. Diese wird hervorgebracht durch Darlegung der Not5 - vielfach einer äußersten Not - des Sprechers; der Hörer, von jener Not erschüttert, empfindet einen spontanen Impuls, dem Gefährdeten zu helfen, und eben in diesen1 Impuls besteht die ~Gvota,um die es sich hier handelt. Betrachten wir als Modell für dieses Verfahren Demosthenes 27,2. Der Sprecher weist auf die xaeauxevai der Gegner hin sowie auf ihre Redegewnndtheit (liEyetv ixavoi) , um ihre Gefährlichkeit darzutun ', und stellt dem kontrastierend seine eigene Jugend, Unerfahrenheit und das i 6vtov &n&vtov) gegenüber. Ausmaß seiner Bedrohung (Prozefi n s ~ TGV Damit ist seine Not drastisch zum Ausdruck gebracht, der Hörer beeindruckt. der Inlpuls gegeben. Nun kann er die Situation für sich nützen: er spricht die Hoffnung aus, sein Recht zu erlangen - wer wollte es dem Bedrohten vorenthalten? - und bittet die Richter um ~ G v o ~ a ~ . Die 6eu6 andererseits wird geweckt durch die Darlegung der moralischen Vcnwrfiiclikeit der Gegners, und auch hier ist die Rontrastierung ein hcliehtes Mittel, Eindruck zu inachen, die Gegeniiberstellung von eigener Schuldlosigkeit und gegnerischer Skrupellosigkeit. Als P
1. Die Aufhebung des agonistischen Elements der Gerichtsrede
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
Vgl. Arist. rh. 1415 a 34: t d 6E npbq eiw &xpoari)v Ex TE toü e.livotav noriioar xal Ex toü Oeyioar. Vgl. Lys. 16.9. Isae. 7,4. Dem. 18, I; 27,2; 34, 1; 38,2; 43,2; 47,3. Vgl. auch Anax. 54, 1 Sp.. Vgl. Lys. 10.28; 12,20; l 5 , 9 ; 28,2 13; 2 9 , l l ; 32, 19. Isocr. 18.4; 20,6 9. Dem. 19,312; 21,46 123; 24,218; 54,42. Aesch. 1, 166. Hyp. 1 fr. 6 col. 22. Lyc. 16 58 138. Din. 1, 77; 3 , s . Vgl. Lys. 10,31; 18,27; 20,35. Isocr. 17, 1. Isae. 6 , 2 . Dem. 18,2 f.; 27,67 f.; 28, 18 ff.; 40, 18; 5 4 2; 57, 1 f.; 58, 3. Vgl.Ant.261.Dern. 1 9 , 1 ; 2 1 , 7 f . ; 5 2 , 1 . Vgl. And. 1, G. Lys. 19, 1 f. 3. Isae. 8 , 5 . Dem. 21,5 f.; 28, 18 ff.; 40,55; 43,81; 45, 1. Aesch. 2, 1. Hyp. 2, 19 f.. Nach Arist. rh. 1378 b 13 wird die 6 p d durch drei Arten der 6hryopia erregt: xatacp@6vqarg,dnq!?EaCTp6~ und Ü(3etq. Dies gilt nicht nur vom persönlich Betroffenen, sondern auch vom Richter.
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Modell diene Demosthenes 40,4 f.. Der Sprecher fordert die Hörer auf, ihm, dem unrecht getan wurde, zu helfen, über die Gegner jedoch, die, kurz gesagt, Schurken sind, empört zu sein (xo6tois 6' ~ i x 6 t w6cv~ Beyi~ O L & EO, ~ W E S ..). Vergleicht man nun zu diesem Verfahren, etivota,und c ) g d hervorzurufen, die ,ApologieL,so ergibt sich dies: Die ,ApologieLbenützt zwar die Topoi der Gerichtsrede - Hinweis auf die Schwierigkeit der Lage, die Macht und die moralische Fragwürdigkeit der Gegner -, aber zu einem anderen Zweck: nämlich zu einer rein sachlichen Aussage oder zum Hinweis auf eine Norm. Eine s a C h 1i C h e A u s s a g e liegt in folgenden Fällen vor: 18 b-d werden die Gründe angegeben für die Gefährlichkeit der „ersten Ankläger": ihrer sind viele; sie klagen schon lange Zeit8; ihr psychologisches Vorgehen - Beeinflussung der Jugend - ist klug und wirksam; sie erwecken den Verdacht der Asebie gegen Sokrates, was eine äußerste Gefährdung bedeuteti0; und schließlich: sie bleiben größtenteils anonym, sodaß eine Verteidigung gegen sie nahezu unmöglich ist. ~ 4 Nach dieser Aufzählung müßte nun ein Aufruf zu ~Zlvoiaund 6 ~ erfolgen. Doch nichts dergleichen geschieht. Die einzige Folgerung, die Sokrates aus der Tatsache der besonderen Gefährlichkeit der ersten Gegner zieht, ist die, daß er der Behandlung der früheren Ankläger den ersten Platz in seiner Verteidigungsrede einräumt; er zieht lediglich aus einer sachlichen Darlegung eine Folgerung für die Disposition, und der für die Gerichtsrede charakteristische Appell an die Emotion fehlt. Letzteres ist auch 17 b 3 der Fall, wo Sokrates eine Behauptung der Gegner als Gipfel der Unverschämtheit bezeichnet ", ohne etwa die Hörer zur dey6 aufzurufen. - Die Schwierigkeit der Lage für den Sprecher wird betont durch den Hinweis auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit (18 e 5 ff.) ". Ihre Aussichtslosigkeit kommt 28 a zur Sprache. In der Gerichtsrede wird von einem eventuellen schlimmen Ausgang des Prozesses nur emotional gesprochen, z. B. Ant. 3 Y 4: 6 ~ e o 6 6 ,P%.. . &xoute~q8G,nicht lediglich feststellend, wie in der ,Apologie'. Ferner können dort frühere Justizirrtümer nur in der Absicht erwähnt werden, die Hörer zu erregen und zu tatkriiftiger Abwendung eines neuen Unrechts anzufeuern (vgl. Anax. 68, 13 Sp.) ", nicht aber,
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Vgl. And. 1, 6. Lys. 19, 3. Zur Weckung von Ressentiments vgl. Isae. 11,38. Hyp. 3,32. Vgl. Ant. 3 y 5; 4 y 6. Lys. 3 , l 25; 6,9 33; 12,22; 29,7. Isae. 1,2; 7,21. Dem. 22,92; 37,5; 45,44; 46,5. Besonders bezeichnend Dem. 51,19. Isokrates imitiert diese Stelle in der an absichtlichen ,Apologie1-Anklängen reichen Rede neei toü te2iyous (16, l l ) , wendet sie jedoch agonistisch. &Ei 6E xatqyopsiv ~ ~ Graßohijq, f i xai hßysrv (35 O E L V ~ Vxal xorvbv xai noAhOv xaxOv aitrov. Epipavrodov 8' TL xal nohloi ij6q 6rscp6&~qaavdbixw~6~aßhq88vrs~. Vgi. auch Lys. 19,53.
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
wie in der ,Apologie', lediglich um zu konstatieren, daß es schon immer Justizmorde gegeben habe und wohl auch weiterhin solche geben werde. Nur die sachlichen Gründe der zu erwartenden Verurteilung Mißgunst und Verleumdung von seiten der xobhoi (28 a 7) - interessieren die ,Apologiet; eine Kontrastiemng eigener Preisgegebenheit mit der Macht der Gegner, das gewöhnliche Mittel, Emotion hervorzubringen, liegt dagegen nirgends vor. Zum H i n w e i s a U f e i n e N o r nl sind die fraglichen Topoi in folgenden Fällen gemodelt: 17 C 4 ist die Rede vom Alter des Sprechenden, doch nicht wie in der Gerichtsrede, wo das Alter nur zum Zweck, Mitleid und Sympathie zu gewinnen. erwähnt wirdi4, sondern zur Legitimation der Redeweise des Sprechers: sie niiiß dem Alter angemessen Wie in der Gerichtsrede wird 19 a 4 ff. einem Hinsein ( n e E n ~ w15.) weis auf die Schwierigkeit der Lage die Absicht gegeniibergestellt, ; Ant. 5, 19. Lys. 1 2 , 3 ) die Verteidigung zu wagen, trotzdem ( Ö ~ o svgl. doch nicht, uni den Hörer für dieses Wrignis zu gewinnen, sondern mit Rücksiclit aufs Gesetz: t @ 66 v6pq1 xewtEov xai BnoboyqtEov 19 a 6. - Die Gegner haben vor Sokrates als einem Redegewaltigen (OEGVOS AEYELV 17 b 1) gewarnt, offenbar um 6 e y i gegen ihn hervorzurufen: gilt doch allenthalben in der Gerichtsrede die Redegewandtheit als identisch mit der Kunst, zu lügen'! Wendet sich in der Gerichtsrede jedoch der Sprecher wie hier gegen den Vorwurf der OeivOtq~AEYELV,SO erscheint diese in einem etwas anderen Licht. Demosthenes gibt 18,277 zwar zu, Redegewalt zu besitzen, führt jedoch aus, er benütze sie zum Besten Athens und nicht im Privatinteresse", während sein Gegner, dem sie gleichfalls zukomme, sie zum Schaden der Stadt und zu privaten Machenschaften gebrauche. Der Redegewaltige erscheint als ein Mann, dem Wahrheit und Lüge gleichermaßen disponibel sind. Nach Sokrates dagegen ist der 6~1vd$AEyeiv ein Mann, der s e i n e r s e i t s der Walirheit disponibel ist (17 b 5), dessen Funktion darin besteht, da5 er der Norm der Wahrheit dient und sich an ihr orientiert. Dies bedeutet eine fundamentale Wendung: Nicht verfügt der Redner über die Norm, sondern die Norm verfügt über ihn, ja er wird geradezu von ihr her definiert: wer die Wahrheit sagt, ist ein Redner. an, Und weiter: 17 C 6 ff. führt Sokrates seine ~erichtsfremdheit'~ scheinbar um, wie es dem Brauch der Gerichtsrede entspricht, ~ v y ~ v h p q
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Vgl. Isae. fr. 5 , 2 . Dem. 27, 1; 58,41; 59, 14. Vgl. Wolff 1. C. p. 4, ferner unten p. 157. Vgl. Ant. 3 ß 2. Lys. 12,86. Isocr. 21,5. Isae. 9,35; 1 0 , l . Dem. 23,5; 27,2; 29,32; 35,41; 58,61. Aesch. 1, 170; 3,200. Lyc. 31. Vg1. Dem. 29,2, wo Redegewandtheit als die Kunst erscheint, komplizierte Walirheiten zur Geltung zu bringen. Vgl. Ant. 1, 1; 5, I ff. Lys. 12,3; 19, 2. Isae. 1, 1. Dem. 27,2; 41,2.
1. Die Aufhebung des agonistischen Elements der Gerichtsrede
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(17 d 4; vgl. z. B. Ant. 5,5) für seine unpassende Redeweise zu erlangen'', also diese zu entschuldigen. Doch es scheint nur so. Er wiederholt die Bitte, an seiner Redeweise keinen Anstoß zu nehmen (18 a 2) und fügt die bezeichnenden Worte hinzu: „Mag sein, daß diese Redeweise schlechter, mag sein, daß sie b e s s e r ist" (SC. als die gerichtsübliche Ai&). Hier geht es in Wahrheit nicht darum, Sokrates' Redeweise zu entschuldigen, sondern zu rechtfertigen, und zwar durch die Norm; vor ihr erscheint sie als die bessere. - In noch h ö h e r ~ mGrade läßt die 19 a 2 gebrauchte Wendung aufhorchen. Sokrates wünscht sich Erfolg für seine Verteidigung. Dieser Wunsch wird in der Gerichtsrede mit der größten Selbstverständlichkeit und ohne Einschränkungen geäußert, denn er hat vitale Notwendigkeit und schließt die Bemühungen um Erregung der Hörer wirksam ab m. Anders die ,Apologie'. Hier wird der Wunsch nach Erfolg von der Bedingung abhängig gemacht e'i T L 2ip~ivovxai Bpiv xai &poi. Nicht der vitale Wunsch, sondern die Norm des Bya96v ist maßgebend. Dies wird mit voller Deutlichkeit in der Schlußrede klar, wo die Verurteilung letztlich als Bya.66~ erscheint (40 b 7 ) . Wir fassen zusammen. Die Topoi, deren sich die emotionale Psychagogie bedient, werden in der ,Apologieceinem andern Zweck dienstbar gemacht als dem der Erregung des Hörers: sie dienen entweder zu einer rein sachlichen Aussage oder zum Aufweis einer bestimmenden Norm. b ) Die Auseinandersetzung mit der gerichtsmäßigen Dialektik
Im Unterschied zur emotionalen Psychagogie, die das Gemüt des Hörers zu erfassen sucht, wendet sich die in Gerichtsreden übliche Dialektik an den Intellekt des Hörers. Ihr Ziel ist nach Aristoteles (s. p. 9), Beweise oder doch Scheinbeweise zu liefern. Aus dieser Formulierung erhellt, daß es sich um eine tendenziöse Wiedergabe des Sachverhalts handelt. - Zur gerichtsmäßigen Dialektik sollen jedoch im folgenden nicht nur Beweise und Scheinbeweise gerechnet werden, sondern alles, was potentiell Beweis ist, also die tendenziöse Darstellung überhaupt. Das Verfahren, die Gegebenheiten in eine der Tendenz entsprechende Form zu bringen, ist ein zwiefaches. Erstens bedient man sich der Auswahl. So rät Anaximenes (83, 1 Sp.), bei einer Gegenüberstellung der Taten des Klienten und der des Gegners von letzterem nur die unbedeutendsten, von ersterem aber die imposantesten anzuführenP1. l8 21
Vgl. ferner Ant. 3 ß 2. And. 1,9. Dem. 19,217. Vgl. Ant. 6, 14. Dem. 24,8; 27,2; 29, 1; 57,2. Vgl. Anax. 29,9; über Auslese und Hervorkehrung geeigneter Züge bei naeaSeiypara s. Anax. 42, 19 Sp.; vgl. auch Cic. de or. I1 8 102; 292-294.
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Ohne daß die Wahrheit verletzt würde, wird so ein falscher, jedoch tendenzgemäßer Eindruck erzeugt. - Zweitens wird die Sachlage in einer Weise umgefärbt oder verdreht, die der Lüge nahekoinii~t.So rät Aristoteles (rh. 1367 b 22), alles, auch das rein Zufällige, auf eine bewußte Absicht zurückzuführen, wofern dies im Interesse des Sprechers liege2'. Wie sich von selbst versteht, taugt nicht fiir tendenziöse Darstellung alles, was für den Sprecher ungünstig sein m U ß ". Auf der anderen Seite entspricht es jedoch auch nicht dem Geist der Gerichtsrede, die eigene Person und Sache in dem Maße günstig darzustellen, daß die geforderte Unterordnung unter die richterliche Superiorität dadurch aufgehoben wirdz4.Iinnier miiß die iibharigigkeit des Sprechers von der richterlichen Gewalt anerkannt werden, muf3 der Sprecher in Furcht und Bescheidenheit dem richterlichen Urteil entgegensehen. Der Anwendungsbereich der Tendenz liegt mithin in der Mitte zwischen Selbstbezichtigung und Anmaßung. Betrachten wir daraufhin die ,ApologieL,so zeigt sich, daß dort jene Mittellage in Richtung auf die beiden Extreme hin verlassen wird. Die Gerichtsrede ist der Auffassung, es sei in höchstem Grade beIaslend. wenn sich viele in der Ablehnung oder gar Bekämpfung eines Mannes einig sind =. Daher wird in Verteidigungsreden fast nie auf die Vielzahl der Gegner hingewiesen, und wo ein solcher Hinweis iinerläßlich ist, ist der Sprecher bemüht, den daraus folgenden üblen Eindruck zu verwischen, indem er bittet, sich doch nicht durch diese Tatsache irreführen zu lassen (Isae. fr. 5,2), oder indem er an das Wohlwollen der Richter appelliert (And. 4, 2 ) . Es aber gelassen zu erwähnen, daß niari bei vielen verhaßt sei - und dies tut Sokrates (18b 1 C 4; 28 a 5) -, bedeutet fiir die Gerichtsrede entweder Schuldbekenntnis oder Anmaßung. Das gleiche gilt für die Hervorhebung des Umstands, daß 22
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1. Die Aufhebung des agonistischen Elements der Gerichtsrede
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
Das Verfahren der Auslese und Umfärbung ist wegen der Vergleichsmoglichkeiten am brsten bei historischen Exkursen in Gericlitsreden zu beobachten, z. B. Lgs. 12. G2-78, wo die Schuld des Theramenes isoliert und vergrößert wird, oder gar Lys. 13. 41-48. wo Agoratos als derjenige erscheint, der an der Iiatastroplie von 401 schuldig ist. Vgl. auch die Fälle, wo geschiclitliche Exkurse den Beweis für eine These liefern sollen: And. 1, 10G--109. Dem. 19,269 ff.. Aesch. 2, 164 B. 171-178; 3, 194 fY.. Din. 1, 74 8..Vgl. ferner Cic. de or. I1 C. 25; zur Kunst, mendaciuncula lierziistellen, I1 240 f.. Ubi plus mali quam boni reperio, id totum abdico atque eicio Cic. de or. I1 3 102. Vgl. die aristotelische Lehre von der Oh~yweiaals Erregerin der 6 ~ ~ rli. 4 ,1378 h 13; vgl. auch rh. 1380a 24. Videndumque Aoc loro est, ne, quos ob benefacta diligi uolemas, eorum laudem atque gloriam, cui maxime invideri solet, n i m i s efferre vidramur Cic. de or. I1 8 208; vgl. auch I 8 221 I1 8 304. Vgl. Dem. 19,244 f.; 21, 132; 24,6. Hyp. 2,14. Aescii. 1,48.
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eine alte und eingewurzelte G~aßohfi gegen den Sprecher vorliege (19 a 1). - Erwägt ein Angeklagter die Möglichkeit des Freispruchs, so pflegt er den Richtern Versprechungen für die Zukunft zu machene6. Auch Sokrates denkt an die Möglichkeit eines Freispruchs, unter der Bedingung, daß er seine elenktische Tätigkeit künftig unterlasse (29 C). Aber weit davon entfernt, einen so glimpflichen Ausgang des Prozesses den Richtern durch Versprechungen nahezubringen, fiihrt Sokrates vielmehr gelassen aus, er denke gar nicht daran, sich an eine solche Bedingung zu halten (29 d 3 ff .) Dies bedeutet eine Brüskierung der Richter und eine vom Standpunkt der Gerichtsrede aus höchst unzweckmäßige Schädigung der eigenen Position 27. - 18 a 7 ff. bemerkt Sokrates, er müsse sich erst gegen eine frühere Anklage verteidigen, ehe er sich der aktuellen zuwenden könne; während aber die Gerichtsrede die Aufforderung an die Richter, sich über verschiedene Punkte Aufklärung geben zu lassen, nur im Hinblick auf den Gegner gebraucht (Dem. 40,54: Exaazog dphv. &E,~ofizo zoihov &noGe~xv6va~) richtet Sokrates diese Aufforderung gegen sich selbst (18 d 7 ) : die Hörer sollen wünschen, daß Sokrates auf jene erste Anklage eingehe, mithin: Sokrates strebt von sich aus eine Erweiterung der Anklage an. Eine Erweiterung der Anklage durch den Beklagten in dieser Form ist in der Gerichtsrede beispiellos2'. Grundsätzlich ist eine Erweiterung der Anklage zu agonistischen Zwecken nicht unmöglich; sie kommt vor in folgenden beiden Fällen: Hat der Beklagte Grund, sich auf die Anklage nicht näher einzulassen, verfügt er jedoch über ein Gebiet, auf dem er sich erfolgreich verteidigen kann, so wendet er sich diesem zuS". So vermutet Demosthenes (19,95), der Gegner werde sich verteidigen, als ob er wegen des Friedensschlusses überhaupt angeklagt ~ nhet6vwv 3 xazqyoeei ZLS a6zoü 6Q h6yov. pavia yde zoürb ye'. werde, 0 6 'iva sondern weil das Wort ,,FriedeGso schön klinge. In der ,Apologie6liegt jedoch keineswegs ein solches Ausweichen auf eine günstigere Position vor. - Der andere Fall ist der, daß der Beklagte ironisch seine eigene
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Vgl. And. 1, 136 144 f. 149; 2, 1 16. Dem. 28,24. Vgl. Dem. 19, 118, wo derselbe Standpunkt, den Sokrates einnimmt, dem Gegner unterschoben wird zum Zweck, ihn zu belasten. Vgl. Isae. 6, 62. Dem. 41, 17; 56,31. Aesch. 1, 176; 3,202 206. Hyp. 2, 11; 4,6. Andokides' Mysterienrede kann hier nicht angeführt werden (entgegen Wolff 1. C. p. 81, da dort die aktuelle Anklage sich juristisch auf die frühere Verurteilung gründet und mit dem Nachweis, daß diese Verurteilung ungerecht war und außerdem der Amnestie unterliegt, hinfällt. Anders die ,Apologie1,wo der Zusammenhang zwischen erster und zweiter Anklage nicht juristischer, sondern genetischer Natur ist und daher mit der ersten nicht auch die zweite Anklage hinfällt. In Verteidigung und Anklage derselbe Mechanismus; vgl. Lys. 25,5; 26,3. Isocr. 16,2; 18, 40. Dem. 18,5; 19,100 105 269; 22,56; 37,66; 40,73; 45,50; 58,23. Aesch. 1, 170; 2, 7.
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.! 1. Die Aufhebung des agonistischen Elements der Gerichtsrede
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gefichtsrede
Schuld vergrößert, um dadurch das ganze Gebäude der Anklage zum Einsturz zu hingen. Diesen Fall, der in der attischen Gerichtsrede nicht zu belegen ist, hat Aristoteles rh. 1401 b 3 ff. im AugeS1;er findet sich in virtuoser Durchführung bei Lukian pisc. C. 29. Aber auch eine solche zweckhafte tlbersteigerung liegt in der ,Apologiec nicht vor, denn weder wird die erste Anklage dort ironisch behandelt, sie wird vielmehr sehr ernst genommen (- sie ist es, nicht die zweite, die Sokrates besorgt macht, 18 b 3, sie bewirkt auch Sokrates' Verurteilung, 28 a 7 ) , noch auch tritt der genannte Effekt ein, daß mit ihrer Erweiterung die Anklagr nd absurdum geführt wird. Bleibt noch eine dritte Möglichkeit, die zwar außergewöhnlich wäre, sich jedoch mit drm agonistischen Geist der Gerichtsrede vereinigen ließe. Demnach wlrde Sokrates eine untendenziöse Darstellungsweise anwenden, um sehe Hörer durch Objektivität zu gewinnen. Es wäre zu fragen: ist es ein sinnvolles Unternehmen, in Sokrates' Lage zu agonistischen Zwecken Objektivität walten zu lassen? Die Beantwortung dieser Frage erfordert einen kleinen Exkurs. Zunächst: Was wissen wir von der Anklagerede, die Sokrates in eine so schwierige Lage gebracht hat? Der Ankliiger Meletos hatte sich xai cp~h6noAi~ 24b5)'* beselbst als vorzüglichen Menschen (Dryai)?~~ zeichnet, Sokrates dagegen als Rede- und damit als Lügenkünstler (EEanatäv 17 a 6) Das bedeutet Aufreizung der Hörer gegen ihn. Ferner übt Anytos Druck auf die Hörer aus, indem er darlegt, weitere Wirksamkeit des Sokrates sei gleichbedeutend mit dem Verderb der gesamten Jugend .Ithens (29 C 4) '*. Und schließlich bezeugt Sokrates selbst die Stärke uxd Wirksamkeit der gegnerischen n~ii)h(17 a 3). Ferner: in welcher Verfassung die Hörer waren, geht schon allein aus dem Umstand hervor, daß Sokrates sich gleich zu Beginn seiner Rede gegen Unterbrechung durch Lärmszenen verwahren muß (17 d I ) , daß er auch in- Verlauf der Rede mit Lärm (20 e 4 30 C 2), Ärger (&~i)os,31 e 1) und ErnpBrung (d~yfi, 34 d 1) rechnen muß. Die Hörer toüro 6' (sc. h v i r u x ~ ~ ~ & Emir ~ c w ) k a v , pi) 6eiSaq OTL Cnoiqmv, ai)t.ficra zb neäypano~eiyolp cpaiwaf)ar.. . (55 06 nenoiqxev, 6tav 6 tfiv altiav E~wva u t v . . S' Vgl. Aeseh. 3,91: picodpavvoq, i u aiitbg ~ neoustoieita~. Etanarfiow. Ferner Lys. 30,34. Vgl. Dem. 18,275: ~u?.rlttew Bpt.. 6nwq p$. Isae. 4,21; 5 , s k m . 11,24; 23,92 191; 24, 190; 29,36 54; 36,60; 40,21; 45,44; Aesch. 1. 117; Hyp. :fr. 3. Din. 1, 12. .U Vgl. Aesch. 1,187: oUy Epa Tipae~ovhxohikra~ 6poAoy~oete,xai tfiv xo~v?'p nasseiav h v a q i ~ n r ; Die Unmöglichkeit, anders als im Sinn des Sprechers zu entscheiden, wxd in ~erschiedensterWeise begründet: weil die Sachlage eindeutig ist (Dem. 39.39; 41,19; 58,39), weil es das Decorum der Richter erfordert (Isocr. 18,26. Isae. 5.34. Dem. 45,70), weil vorliegende Präzedenzfälle es erfordern (Aesh. E, 1&5), %-egender sonst eintretenden Folgen (Lyc. 67; vgl. Ar. rh. 1383 a S I .
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waren gereizt, erbittert, durch eingewurzelte GiaßoAfivoreingenommen (19 a I ) , kurz: sie waren von Oey4 bestimmt. Welche Mittel stehen der Gerichtsrede zur Verfügung, einer solchen Stimmung Herr zu werden? Es sind ihrer im wesentlichen drei: die Zeit, die Emotion und die Tendenz. Die Z e i t wird als wichtigstes Mittel angesehen, die 8eyfi zum Abklingen zu bringen. Die 6wfi bewirkt, daß vernünftige Argumentation nichts mehr ausrichtet, daß der Hörer, ,,durch die momentane Empörung verwirrt, sich überhaupt nicht mehr die Zeit nimmt, den wahren Sachverhalt zu ermitteln" (Luc. calumn. 15) =. Der Zeit aber weicht die Oeyfi. „Sehr wohl vermag es das Verrinnen der Tage, den Sinn von der 6wfi abzubringen und ihn den wahren Sachverhalt finden zu lassen" (Ant. 5,72) se. Auch Sokrates ist dieser Auffassung, wenn er fordert, man müsse über Kapitalverbrechen mehrere Tage zu Gericht sitzen (37 a 8). Aber diese Zeit steht ihm nicht zur Verfügung, so wenig wie sonst einem Gerichtsredner. Die Zeit, die er auf den Versuch, die 6 ~ zu~ eliminieren, 4 verwenden kann, steht in gar keinem Verhältnis zu deren Stärke, wie er selbst verschiedentlich ausführt (18 e 5 24 a 2 37 b 1). Mithin scheidet die Zeit als Mittel, die 6eyfi zu bekämpfen, aus. Das zweite Mittel, die e m o t i o n a 1e Beeinflussung der Richter, ist das beliebtestes7; wirksam pflegt auch eine emotionale Umrahmung kühlerer, sachlicherer Partien zu sein. Darauf verzichtet Sokrates jedoch, wie auch auf die t e n d e n z i ö s e D i a l e k t i k . Die im Sinn der Gerichtsrede opportunen Mittel, die 8~yfizu bekämpfen, bleiben also ungenutzt. Statt dessen gibt Sokrates eine Darstellung, die auf Objektivität abhebt. Er kann nicht hoffen, damit auf seine emotional gestimmte Hörerschaft günstig zu wirken, denn sie wird eine so unbekümmerte Sachlichkeit nur als Anmaßung empfindenS8;nicht umsonst muß Sokrates sich gerade da, wo seine Objektivität am meisten in die Augen springt, gegen den Vorwurf der Anmaßung verwahren (34 d 9). Sokrates weiß, daß sachliche Argumentation nicht gleichbedeutend ist mit einer Umstimmung der Hörer3'; stellt er doch nach der Meletos-Elenxis fest, seine Verteidigung sei zwar 3 V g l . Lys. 19,543; 29,6. Dem. 37,47. Vgl. auch den Parallelfall Ar. rh. 1380 b 7 8.. Vgl. Ar. rh. 1380 b 5: nahc y&e6~yi)v6 ~ ~ 6 ~ 0 5 . 37 Plura enim multo homines iudicant odio aut arnore auf cupiditate auf iracundia aut dolore aut laetitia auf spe auf timore auf errore aut aliqua permotione mentis quam veritate auf praescripto auf iuris norma aliqua auf iudicii formula aut legibus Cic. de or. I1 5 178. 88 Vgl. Ernst Horneffer, Der junge Platon I: Sokrates und die Apologie, 1922, p. 27. 39 Quare qui auf breuiter aut summisse dicunt, docere iudicem possunt, commouere non possunt; in quo sunt omnia Cic. de or. I1 Ij 215. 36
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
ausreichend, trotzdem werde er voraussichtlich ein Opfer der G~aßohfi werden (28 a ). Die Tendenz zur Erweiterung der Anklage ist auch bei der Behandlung der akluellen Anklage zu beobachten. Wie Schanz richtig feststellt (1. C. F... 7 1 ff. I , besteht diese urapriinglich nur aus e i n e m Anklagepunkt: Sokrates glaubt nicht an die Staatsgötter (- und verdirbt durch diesen seinen Unglauben die Jugend). Mit Widerlegung des ersten Punktes würde auch der letztere entfallen. Nicht so die Darstellung in der ,Apologie', wo Jugendverderb und Asebie zwei getrennte Anklagepunkte sind, die auch in der Verteidigung gesondert behandelt werden. Vorn Standpunkt der gerichtsmäßigen Agonistik aus ist dies unerkliirlich. ja geradezu unsinnig. Sokrates' Belastung seiner selbst erscheint dagegen als sinnvoll, wenn man folgendes envägt: Sokrates ignoriert die Tatspclie, da13 er einer emotional gestimmten Hörerschaft gegeniibemteht, und behandelt die Hörer so, als ob sie bereit wareil zu sachlicher Prüfung, als ob ihre Weise, die Dinge zu iintersiiclierr, der winen entspräche. Für solclie Hörer ist seine Darstellungswe-se, die airclh vor Ungünstigem nicht haltmacht, von liöchster Uberzeugungskraft. E r erweitert die Anklage deswegen, weil er will, daß sie in ihrer ganzen Breite aufgerollt, daß sie jedem möglichen Angriff ausgesetzt wird- Er ergänzt und erschwert daher seinerseits die Vonvürfe der Gegner, auf daß alles gesagt sei, was sich irgend gegen seine Sache einwenden Iäßt; verbürgt doch dieses scheinbar so befremdliche Vorgehen, daß sein geistiger Sieg über die gegnerische Sache echt, iollständig und überzeugend ist 40. Nun zu dem anderen Extrem: einer allzu günstigen Darstellung der eigenen Sache. CO d G weist Sokrates die Verniutung ab, er verteidige sich um der Rettung seiner Person willen; vielmehr tue er dies ausschließlich irn Staatsinteresse. Der Gerichtsrede ist dieser Topos fremd, weil sie selbstverstiindlich mit dem vitalen Willen zur Abwehr rechnet. Der Angeklagte gibt jeweils sein Eigeninteresse zu und betont nur, die Richter bzw. der Staat hätten a LI C h Interesse arn günstigen Ausgang des Prozesses 41. Die Xegieriing eigenen Interesses, zumal bei großer Geiälirdimg, er~chienevor Gericht als lächerliche Lüge. Es ist fer-
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ner in der Gerichtsrede üblich, die Richter vor einer Verfehlung gegen die Götter zu warnena. In der ,ApologieLwird auch dieser Topos im Sinn einer uneigennützigen Besorgtlieit um die Richter gebraucht. Begründet wird diese Besorgtheit damit, daß Sokrates nahezu unersetzlich sei (30 e 1ff.) " und die Richter bzw. der Staat ihn dringend nötig hätten (31 a 5) - eine für Gerichtsverhältnisse beispiellose Dreistigkeit 44. Der durch eventuellen Justizmord entstehende Schaden, der sich in der Gerichtsrede auf den Betroffenen und die Richter verteilta, trifft hier im Grunde nur die Richter (30 c 7). In der Partie 31b 1 -C 2 wird noch einmal die Uneigennützigkeit von Sokrates' Dienst am Staat hervorgehoben, unter Vermeidung des Anspruchs auf Dank, der sich in der Gerichtsrede .explizit oder implizit mit einer Darlegung der Verdienste verbindet ". Der Betonung der eigenen moralischen uberlegenheit entspricht es, wenn Sokrates sich souverän dem Gegner, dem xeiewv Olvte, als dryeivwv gegenüberstellt (30 d 1). Die Gerichtsrede ist in der Form solcher Gegenüberstellungen vorsichtiger: sie sucht zu mildern (Dem. 45,82: y&e,EI JI&YTWY TWY 6hhmv U ~ W YEhattov neouglte~y o ~rpeoveiv, zoinov y~ yeii;ov 01l.m). Die bloß kontrastierende Gegenüberstellung mußte vor Gericht als anmaßend erscheinen. Aber auch auf Kosten der Richter rückt sich Sokrates ins Licht. In dem Abschnitt 24 a 4 ff. schließt er aus der Tatsache, daß er sich durch seine Aussagen Haß zuzieht, auf die Wahrheit dieser Aussagen. Da diese sich zum großen Teil auf die Athener beziehen, wird damit den Hörern das Zeugnis ausgestellt, sie seien nicht fähig, die Wahrheit über sich selbst hinzunehmen4'. - „Verlangt nun nicht von mir, meine Mitbürger, daß ich euch gegenüber Dinge tue, die ich weder für ehrenhaft noch für gerecht noch für fromm halte", sagt Sokrates 35 C 7. Hier erscheinen die Richter als Leute, die ein unbilliges An-
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S. p. 129 f. ,,Bei den genröhr.li&en Prozessen geht es nur um die Interessen der Prozessierenden, bei diesem steht Ca' Gemeininteresse m i t auf dem Spiel" Isocr. 18,34. Vgl. Dem. 18, 124 f. 237; S1,45 104 127; 35,54; 39,5; 42, 10; 5 0 , l 64 ff.; 56,44. Anders liegen die Verhältnisse hci der Anklage, wo ein Vorgehen lediglich im Interesse des Staates möglich ist und demgemäß auch behauptet werden kann: Lys. 26,15; 27, 14. D e m 21, 8 40.
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Vgl. Ant. 2 a 9; 2 ß 11; 3 6 9; 4 a 3; 4 8 10; 5,88. Lys. 6,13. Dem. 19,220; 21,148; 59, 109. Nur im Hinblick auf das Weiterbestehen seiner Familie spricht einmal ein Angeklagter von seiner Unersetzlichkeit (And. 1, 146). Vgl. auch J. Morr, Die Entstehung der platonischen Apologie, Reichenberg 1929, P. 11. Vgl. Gorg. Pal. 36. Lys. 21,25. Vgl. And. 1, 143; 2, 12 20 25; 4,41. Lys. 3,47; 4, 19; 12,20; 25,4. Isae. 6,60; 7,37. Dem. 18,25 88 94 197; 45,78; 58.68. Vgl. auch Ant. 3 ß 3. And. 1,56; 2,8. Lys. 5 , 2 f.; bezeichnend auch Lys. 12,38. Lyc. 139. Vgl. auch 32 a 8: keW 6E 6yiv c p o p x h y l v xal 6txawx&, &h$q 66. In der Gerichtsrede vermeidet man es entweder, eine Wahrheit auszusprechen, die Haß erregen könnte (And. 4, 10. Aesch. 3, 1741, oder man spricht sie aus, entschuldigt sich aber dafür (Dem. 19,227. Aesch. 3, 127. Gorg. Pal. 28).
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
1. Die Aufhebung des agonistischen Elements der Gerichtsrede
sinnen an ihn richten, demgegenüber er sich als charakterfest erweist @. - 32 a 9 will Sokrates dartun, daß er sich im politischen Leben nur in gerechter Weise betätigt und sich dadurch den größten Gefahren ausgesetzt habe. E r demonstriert dies ausgerechnet an einem Fall, wo er selbst einer ungerechten Gesamtbürgerschaft als der einzige Gerechte gegeniibersteht. „Ich glaubte, eher auf seiten von Gesetz und Recht Gefahren bestehen als mit euch gemeinsame Sache machen zu sollen, die ihr rechtswidrige Beschlüsse faßtet" (32 b 8). Mit einer solchen über die Maßen günstigen Darstellung wird die Lage nur vexchlechtert. Das Motiv der Sprengung des agonistischen Rahmens kann somit nicht im Agonistischen selbst liegen; es ergibt sich vielmehr airs der Beobachtung, daß Sokrates nur da sich selbst erhebt, wo er im Dienst einer Norm steht. Bei seinem Wirken für die Polis steht er im Dienste der Wahrheit; also handelt er uneigennützig. Vor dem Gegner hat er voraus, daß er sich im Gegensatz zu diesem (30 d 5) an die Form der Gerechtigkeit bindet (32 c 1); also ist er der bp~ivwvbvip. Den Richtern gegenüber steht er als einer da, der sich nach dem x u l . 6 ~iiixatov 6 u ~ o vrichtet (35 c 7 ff.), während sie nur vom 466 bestimmt sind (38 d 8) ; also steht er auch über ihnen. Wir fassen zusammen. Die sokratische Rede weicht von der gerichtsmäßigen Dialektik ab sowohl nach der Seite einer ungünstigen Darstellung der eiger-en Sache, in der Absicht, diese der schwerstmöglichen Belastung auszusetzen, als auch nach der Seite einer allzu günstigen Darstellung, zum Zweck, den Blick von den Fakten auf die Norm zu lenken, nach der die Fakten beurteilt werden. Diese Sprengung der gerichtsmäßigen Dialektik ist gleichbedeutend mit einer Aufhebung des agoiiistisdien Prinzips. Die Orientierung erfolgt nicht mehr am &ov avp
der Menschen anpassen kannst" (Anax. 59, 18 Sp.) 49. Ziel dieser Ethopoiie ist es, den Sprecher als Menschen mit individuellen Zügen Gestalt annehmen zu lassen und den Hörer durch deren Lebenswärme zu gewinnen. - Zweitens kann die Ethopoiie darauf abzielen, daß der sittliche Charakter des Sprechers in seinen Worten erkannt wird6'. ,,Den Rechtschaffenen glauben wir nämlich leichter und rascher, in allen Dingen überhaupt, auch wo nichts Schlagendes vorliegt, sondern man verschiedener Meinung sein kann, und zwar vollständig" (Ar. rh. 1356 a 5ff.). Eine i n d i v i d u e l l e C h a r a k t e r i s i e r u n g wird, wie Wolff 1. C. p. 83 richtig darlegt, in der ,Apologie' nicht gegeben. Anzufechten ist Wolff lediglich, wenn er meint, Platon sei aus Gründen seiner inneren Entwicklung zur Zeit der Abfassung der ,Apologie6 zu einer solchen Darstellung noch nicht in der Lage gewesen, und wenn er daraus auf eine frühe Abfassungszeit der ,Apologieb schließen möchte. Die Sache liegt anders: eine individuelle Darstellung des Sokrates wäre gleichbedeutend gewesen mit ethopoietischer Agonistik; die Hervorkehrung der - gleichwohl gegenwärtigen und fühlbaren - Einmaligkeit der Sokrates-Gestalt hätte nicht verfehlt, einen Eindruck auf die Hörer zu machen - jedoch auf außersachlichem Gebiet. Und eben dies ist es, was Sokrates ablehnt. „Auch ich, mein Bester, habe wohl einige Verwandte, und das Homer-Wort gilt auch von mir, auch ich stamme ,nicht vom Baume oder vom Felsen6, sondern von Menschen, und so habe ich Verwandte und Söhne, meine Mitbürger, und zwar drei, einer schon ein Jüngling, zwei noch Kinder. Doch gleichwohl habe ich keines von ihnen hierher bringen lassen, um euch unter Hinweis auf sie um Freispruch zu bitten" (34 d 3). Die persönliche Sphäre soll zurücktreten, wo es um das xah6v Gba~ovÖmov geht. Wie gezeigt wurde, macht das Bestreben, die agonistische Tendenz zu brechen, einen strukturellen Grundzug der ,Apologieb aus. Im 'Dienste der Agonistik steht auch die Ethopoiie: also war es unmöglich, in der ,Apologie6einen individuell charakterisierten Sokrates auftreten zu lassen. Ein Abschnitt der ,Apologieb (32 a 4 - e 1) erweckt jedoch zunächst den Eindruck, als ob hier dem Hörer ein Begriff vom s i t t 1i C h e n C 11a r a k t e r des Sokrates gegeben werden sollte und mithin Ethopoiie im agonistischen Sinn vorläge. Es handelt sich um die Zurückweisung des 31 C 4 genannten Einwands gegen Sokrates' Wirksamkeit: warum er sich denn nicht öffentlich im Staatsleben betätige, da
C)
Di'e Auseinandersetzufig mit der Ethopoiie
Charakter kann als Summe der charakteristischen Eigenschaften oder speziell als Ethos. als sittlicher Charakter verstanden werden. Dieser doppelten Bedeutung von Charakter entspricht die Differenzierung der Ethopoiie. Sie kann versuchen, das individuell Charakteristische am Sprecher zur Entfaltung kommen zu lassen. ,,Wenn du eine urbane Rede (ciursios h6yoc;) schreiben willst, so richte deine Aufmerksamkeit ganz besonders darauf, wie du den Charakter der Worte dem 4a
In der Gerichtsrede sind es nicht die Richter, sondern die Gegner, die sich eines unbilligen Ansinnens sdiuldig machen und denen gegenüber sich die eigene Handlungsweise bewährt; knd. 1,58. Lys. 27,15. Dem. 18,240; 19,172; 21,120 f..
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Vgl. Ar. rh. 11 12-17. Conciliantur autem animi d i g n i t a t e hominis, rebus gestis, existimatione vitae Cic. de or. I1 § 182.
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1. Die ~ufhebungdes agonistischen Elements der Gerichtsrede
I Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
er doch als Privatmann eine so große Betriebsamkeit im Staatsinteresse entfalte? Die Rechtfertigung liegt zunächst in einer eigentümlichen Gnome (31 e 2ff.). Auch die Gerichtsrede pflegt dieses Verfahren -Rechtfertigung oder Begründung durch eine Gnome - anzuwenden. In den Gnomen der Gerichtsrede handelt es sich durchweg um Gemeinplätze wie: „Es ist ja doch gemeinsames Los aller Menschen, sich zu verfehlen und so ins Unglück zu geraten" (And. 2, G), „Denn dadurch wird das Wohl des Staates erhalten, daß jeder auf gerechte Weise zu seinem Amt komint" (Lys. 26,9) ". Wenn dagegen die Gnome in der ,Apologiecbesagt, es sei für den Gerechten unmöglich, sich im staatlichen Leben zu betätigen, ohne daß er dtirdi seine Gerechtigkeit iti Lebensgefahr geriete, so handelt es sich ofTenbar in ihr nicht tim einen Gemeinplatz, sondern um eine These. - Die Funktion der Gnome ist in der Gerichtsrede eindeutig agonistisch. So liegt in den angeführten Beispielen die Aufforderung :in die Richter, die Verfehlungen des Sprechers milde zu beurteilen, das durch den Sprecher angestrengte Verfahren für staatswichtig zu halten. Der agonistischen Tendenz entspricht das Verhältnis der Gnome zu dem, was sie begründen soll. Letzteres dominiert, die Gnome hat lediglich dienende Funktion. Der Sprecher ist nicht an ihrem Wahrheitsgehalt interessiert, nur an ihrer Wirkung. In der ,Apologiec ist das Verhältnis umgekehrt. Akzentuiert wird nicht eine etwaige Aufforderung an die Richter, Sokrates' mangelnde politische Betätigung z u entschuldigen, sondern die These. Sie wird sorgfältig vorbereitet (31e 1) ; in ihr liegt das Problematische, sie steht im Mittelpunkt des Interesses. Hier schließt sich der fragliche Abschnitt an. E r enthält zwei Begebenheiten aus dem Leben des Sokrates, von denen jede zweierlei zeigt: da8 Scikrates sich als Gerechter b e W ä h r t e und daß er durch seine Gerechtigkeit im Staatsleben in äußerste Gefahr geriet. Zu beachten ist an der Wiedergabe der beiden Geschehnisse, daß hier nicht bloß ein Faktum konstatiert52, sondern ein Ablauf geschildert wird: denn nur innerhalb eines dramatischen Ablaufs ist Bewährung möglich; nur in dramatischem Zusammenhang kann ein sittlicher Cliarakter glaubhafz dargestellt werden. - Die Gerichtsrede bedient sich der Bewährungsgescliichte erstaunlich selten; in der Regel in negativem Sinn: Erweis der Schlechtigkeit des Gegners in einer kritischen SituaVgl. Ant. 2 4; 5, 7 1 ; 6,26. And. 2, 18. Lys. 26,9. Dem. 19,296; 20,39; 24,49; 25, 20 ff.. Lyc. 10. So meistens in der Gerichtsrede, z. B, Ant. 2 ß 12. Lys. 10, 17 28; 18, 1; 19,55; 20,22; 25,E-13, 15-17. Isae. 4,27-29; 5,41 f.; 7,34 36 41; 10,25. Dem. 18, 268-69; 54, W . Aesch. 2. 116. Hyp. 2,17-18.
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tionK3,nur in drei Fällen zugunsten der eigenen Person, und zwar Isokrates 18,19-60; 18,61; 19,17 ff. 18,61 lautet: „Als schließlich Lysander bekanntgeben ließ, wenn jemand euch Getreide zuführe, so solle er mit dem Tode bestraft werden, war unser Eifer für die Stadt so groß, daß wir Schiffe, die zu jenen fuhren, kaperten und in den Piräus einbrachten, während die andern nicht einmal ihr eigenes Getreide einzufü~hrenwagten." Der Inhalt, Bewährung eines Ethos in äußerster Gefahir, ist hier und in der platonischen ,Apologie' derselbe; verschieden ist dagegen die Funktion der Geschichte. Isocr. 18,67 führt der Sprecher aus: Wir haben diesen Eifer für Athen dazu an den Tag gelegt, „damit nach Rettung der Stadt . die Menge der Mitbürger uns D a n k s C h, U 1d e , den wir nun einfordern". Mit aller Deutlichkeit zeigt sich die agonistische Tendenz. Nicht so in der ,Apologie6.Sokrates spricht nicht von Dank. E r will nachweisen, daß er niemandem wider das Recht nachgibt (32 a 7 ) ; dazu erzählt er diese Begebenheiten. Ihre Deutung durch Sokrates bringt eine bedeutungsvolle Wendung. Der dramatische Ablauf, der zunächst nur zum Thema der Bewährung des Sokrates beizutragen schien, wird selbst zuin Thema (32 e 2): „Glaubt ihr nun, ich hätte so viele Jahre unbehelligt hinter mich g s bracht, wenn ich mich am Staatsleben beteiligt hätte und durch Handlungen, die eines redlichen Mannes würdig sind, dem Recht beigestanden wäre und dies, wie es sich gehört, f ü r das VVichtigste angesehen hätte? Weit gefehlt, meine Mitbürger! Aber auch keinem Menschen sonst wäre dies gelungen." War zunächst das Individuum zur Norm, zur Welt der ewigen Werte in Beziehung gesetzt worden, so zeigt es sich nun unter neuem Aspekt: als Mensch, der den Gesetzen des historischen Geschehens u n t e n v o r f e ~ist. ~ Was von Sokrates berichtet wurde, erhält den Charakter der geschichtlichen Notwendigkeit: es mußte ihm so ergehen. Und gleich erfolgt der nächste Schritt: was für ihn gilt, gilt für alle Menschen. Damit vollendet sich die angebahnte gedankliche Entwicklung. SOkrates hat eine These ausgesprochen und Beweise: angekündigt (32 a 4: „Schlagende Beweise werde ich euch dafür liefeirn, nicht Worte, sondern, worauf ihr Wert legt, Tatsachen") ; sodann hat er zwei Begebenheiten aus seinem Leben erzählt und eine Gesetzllichkeit in ihnen konstatiert; diese Gesetzlichkeit wird schließlich verallgemeinert, und man sieht: sie entspricht dem, was die These enthielt, das heißt: die These ist bewiesen. Der Blick wird also von dem ethisch gezeichneten Sokrates hin zur Norm als der Grundlage des Ethos gelenkt; der in seiner Be-
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" Lys. 3,45; G, 21-32; 1,37.
14,23 29. Isocr. 18,48 52. Dem. 1 8 , 1 3 2 4 5 . Vgl. auch Din.
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
2. Die Intention auf Wahrheit
Ziehung zur Norm erfaßte Sokrates hinwiederum wird unter historischem Aspekt gesehen und erhält den Rang eines P a r a d e i g m a s für eine bestimmte Gesetzmäßigkeit im historischeil Geschehen, für eine überindividuelle Wahrheit. Die Ethopoiie ist in1 Sinn der Paradigmatik54umgestaltet und damit überwunden. Die Person des Sokrates wird ausdrücklich als Paradeigma bezeichnet (23 a 5 ff.) : „Offenbar meint der Gott nicht den Sokrates, sondern gebraucht nur meinen Namen, indem er mich zum Beispielfall macht ( W naec%wya ~coio6~evo;j,als ob er sagen würde: ,derjenige von euch, ihr Menschen, ist der weiseste, der wie Sokrates erkannt hat, daß seine Weisheit in Wahrheit überhaupt nichts wert ist'." Ein Mißverständnis war aufgetreten: ,,Es kam das Gerede auf, ich sei selbst auf dem Gebiet weise, auf dem ich einen nndern seiner Unwissenheit überführe" i23 a 3):Darin steckt der Irrtum, Sokrates wolle durch Erweis der Unwissenheit der andern clen Blick auf seine eigene Person (taUta aUt6v ~ i v a luo&v) als die des Wissenden lenken, sich dadurch selbst erheben. Dieses hlißverständnis wird durch die Erklärung beseitigt, Sokrates sei nur das Paradeigma. an dem der Gott eine gewisse gedankliche Aussnge exemplifiziere. Sinn dieser Unterscheidung ist, die Person dez; Sokrates zurücktreten zu lassen gegenüber der Walirheit, um die es geht. Diese Wahrheit ist eine philosophische These gleich jener, in der Sokrates den Staat angriff, und wie dort dient auch hier Sokrates nur zum Exempel für sie, ohne Eigenbedeutung zu beanspruchen. Daß Sokrates nicht in erster Linie als Individuum, sondern als Paradeigma dargestellt wird, ist ein Umstand von höchster Bedeutung. Wäre er lediglich ein einzelner, der im eigenen Namen spricht, so bedeutete seine moralische Selbsterhebung (s. o. p. 18-20) eine unerträgliche Anmaßung. Da er jedoch nur ein Paradeigma im Dienste des Gottes, oder, was dasselbe sagt, im Dienste der Norm ist, kann ihm all das zuerkannt werden, was der einzelne sich nicht beilegen kann, ohne anmaßend zu wirken; durch den paradigmatischen Charakter des Sokrates wird jene direkte Berufung auf die Norm erst sagbar. Wolff irrt also, wenn er meint, Sokrates stelle „die eigene Persönlichkeit als autoritativ-verbindliches Sein vor die Hörer hin" (1. C. p. 6). Autoritativ ist lediglich die Norm, verbindlich lediglich die Wahrheit, als deren Paradeigma Sokrates erscheint.
Fassen wir zusammen: An die Stelle der agonistischen Ethopoiie tritt in der ,Apologie6die Paradigmatik. Sokrates erscheint nicht als individueller Charakter, sondern als Paradeigma, an dem sich eine geschichtliche Notwendigkeit oder eine philosophische These demonstrieren läßt; er wird nur in die Betrachtung einbezogen, soweit dies zur Verdeutlichung einer Wahrheit nötig ist. Mithin ist die ,Apologie6 nicht biographisch, sondern sachlich - wir können dafür auch sagen, an Sokrates interessiert; das Biographische ist dem philosophisch Sachlichen dienstbar gemacht.
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Gewiß können auch in der Gerichtsrede Personen und Handlungen in lobendem oder auch tadelndem Sinn als paradigmatisch dargestellt werden (z. B. Lys. 16, 14: h a na&Secyya miiao teig a h h o ~yivqtae, ~ Lys. fr. 143,3: na@&Sacyyatois eihhoe~,vgl. auch Lys. 18,23. Dem. 20, 641 sber die Funktion der Paradeigmata ist eindeutig agonistisch Stärkung der eigenen bzw. Schwächung der gegnerischen Position. Vgl. Lys. 14,44-45; 22,20; 27,6; 30,24. Dem. 19,101 232 343; 21, 76.
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2. D i e I n t e n t i o n a u f W a h r h e i t
a) Im Verhältnis zur Sache Aristoteles beklagt rh. 1354 a 12 ff., daß seine Vorgänger in der Abfassung rhetorischer Technai sich mit dem, was eine sachliche Beweisführung ausmache, überhaupt nicht befaßt hätten, nämlich mit den Enthymemen, dnfiir desto mehr mit Außersachlichem. „Verleumdung und Mitleid und Empörung und derartige Affekte der Seele betreffen nämlich nicht die Sache selbst, sondern nur die Beeinflussung der Richter." Gleichwohl ist ein Eingehen auf die Sache selbst nicht zu vermeiden. Wie oben p. 13 ff. gezeigt wurde, wird die Sache nach den Grundsätzen der gericlitsmäßigen Dialektik zurechtgebogen, d. h. Wahrheit und der Anschein der Wahrheit gelten gleich; wesentlich ist nur die agonistische Wirkung. In der ,Apologiecdagegen versichert der Sprecher gleich zu Beginn, ~ E z4v er werde die volle Wahrheit sagen ( C p ~ i s66 pov & ~ O I ~ E Unäuav &h~$3e~av, 17 b 7 ) . Diese Formulierung hat etwas Ungewöhnliches. Wird in der Gerichtsrede die „volle Wahrheit" angekündigt, dann nur mit Bezug auf eine konkrete Aussage5', nicht im allgemeinen und in so feierlicher Weise wie hier. Ferner ist auch nirgends eine Kontrastierung von gegnerischer Lüge und eigener voller Wahrheit so wie hier zu finden (oikoi pEv o h , &anoe Byh hEyw, 4 TL 4 0661% &hq6E~eiefixau~v, .Liyei< 6E y o u . . , 17 b 6) ; wo in der Gerichtsrede Wahrheit und Lüge einander gegenübergestellt werden, geschieht dies mit vorsichtigeren Wendungen5'. Gewiß, Platons Formulierung weicht nur um eine
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Vgl. Lys. 3,lO: haßOv Sfi th I.CELQ&XLOY( h a v ~ Y&@ a SE^ ~hhq%jhiyaw) Q~6pqv6% tijq nblao<. Dem. 42,8: neci>~ovyBv o6v ZWV eieqpkvov T&< paetueiaq 6pir naekSopur, Ene~taxal n s ~ tio v iikhmv hxo6usut3s dass ~ O i qhhq6Eiag. Ferner Lys. fr. 232, 1. Isocr. 18, 10. Dem. 23, 187; 25, 13; 32,26; 37,55; 39,3; 40, 10; 45,4. Vgl. Dem. !i7,1: nohh$ xai ~)eui%jnatqyo~qx6tosIjp6v EUßouhi8ovt xal ßhaurpqyias ofite n e o q x o 6 u a ~ oike Srxaiag nenoyp~vou, n e L Q & a o p a L rdrhqw nal tu
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
2. Die Intention auf Wahrheit
Nuance vom Chlichen ab, aber diese Nuance bringt zum Ausdruck, daß in der nun folgenden Verteidigungsrede die Intention kompromißlos, ohne agonistische Iiücksichten und Verzerrungen, auf die Wahrheit gerichtet sein solle. Dies bedeutet etwas völlig Neues und Unerhörtes. Die Gerichtsrede bedient sich der Dialektik, um die Sache in ihrem Sinn umzüformen; sie modelt die Sache durch Auswahl und Verfälschung (s. o. p. 13 f.). Der Sprecher macht sich zum Herrn über die Sache, indem er sie nach seinen Absichten umformt und vergewaltigt. Im Gegensatz dazu ist die ,Apologie' bemüht, die Sache selbst zur Geltung kommen zu lassen und sie in ihrer Eigengesetzlichkeit zu zeigen. I h r Sprecher ist hier nidit der Herr iiber die Sache, niir ilir Interpret. Die I.:igengeseizlichkeit der Sache tritt innerhalb der ,Apologie6insbesondere in der „Erzählung" zutage. die das Entstehen der Gtaßohfi aus dem n?äypa berichtet (20 C 4 - 24 b 2 ) , und zwar in dreifacher Weise: das Berichtete erscheint als in sich geschlossener Ablauf; die den Ablauf bedingenden Mächte werden offenbar; die Abfolge der Ereignisse hat den Charakter der Notwendigkeit. 1 ) Der Beginn der Kausalreihe, die schließlich zur Verurteilung des Sokrates fi'hrte, liegt in einer oocpia TLS (20 d 7 ) , im Wissen des Nichtwissens. 2) Auf dieses Wissen bezog sich der Spruch des delphischen Orakels, das die Frzge, oh es einen weiseren Menschen gebe als Sokrates, verneinte (20 e 8 ff.) Sokrates empfand diesen Spruch nicht als autoritative Wahrheit, smdern als Rätsel, das der Lösung harrte (21 b 3 ) . Ganz gegen seinen Willen (poyt; &vv 21 b 8) sah er sich genötigt, die Meinung jenes Spruches zu ergründen. An anderer Stelle wird die Prüfung des Spruches nicht aus perscinlichem Aufklärungsbedürfnis, sondern aus göttlichem AuFtrag abgeleitet (28 e 4 ) , erscheint also desto mehr als notwendig. So wendet sich denn Sokrates 3) der Elenktik zu (21 c 1: 6hEy&ov t b pavteiov). Er prüft einzelne Athener auf ihre oqia, erkennt ihre Unwissenheit und sucht ihnen begreiflich zu machen, daß sie sich nur einbildeten, etwas zu wissen, in Wahrheit aber nichts vüßten. Dadurch verletzt er ihr Selbstgefühl, ihre Reaktion ist
4) der Haß gegen Sokrates (21 d 1 22 e 7 ) , der noch gesteigert wird durch die Tätigkeit seiner Begleiter (Enaxohov9oihtes, 23 C 2 ) , die ihn aus Freude am Geschäft der Elenktik (23 C 4: ~aieovow&xoi1ovte5E&za~ BqGE5) kopieren und ihm daI;opEvmv tOjv &v6~hnmv,33 C 4: Eazt y &06% mit noch mehr Feinde machen (23 C 8 ) . Dieser Haß ist zunächst stumm, denn die von der Elenktik Betroffenen wollen die Wahrheit - daß sie ihrer Unwissenheit überführt wurden - nicht eingestehen (23 d 7 ) . Doch irgendwie muß sich ihr Haß einen Ausdruck verschaffen, muß er auch motiviert werden (23 d 3 ) . Sie greifen daher zu Vorwänden, und der Haß konkretisiert sich in der 5) „ersten Anklage" (23 d 5) ; zu den neOjza xatqyoeqp6va vgl. 18 a 7 ff .). Die Verbreiter dieser Klagen sind ehrgeizige und energische Leute (qi~hOttpoti j v t ~ sxai aqioGeoi 23 d 9) und bedienen sich wirksamer Methoden: sie hämmern ihren Mitbürgern die Beschuldigungen gegen Sokrates ein (23 e l ) ,sie bemühen sich um die Jugend, weil ihre Meinung noch leicht zu beeinflussen ist (18 C 5), sie klagen anonym, sodaß Sokrates sie nicht stellen kann. So wird aus der ersten Anklage, die nur von einer Anzahl einzelner getragen war, die 6) Giaßohfi (19 a B), die ganz Athen erfüllt. Auf sie stützen sich Meletos und Konsorten, wenn sie gegen Sokrates die 7 ) „zweite Anklage" richten (19 b 2 23 e 3 ff.). Diese ist zwar schon bedrohlich genug (18 b 3 f .) , am nachhaltigsten wirkt jedoch die bnbxh a , der Haß als Impuls der Gegner des Sokrates, und die Gtaßohfi, die sich durch die Umtriebe der letzteren in den Athenern festgesetzt hat. ~ ~ aGtaßoAil ist Auf Grund der Stärke von & n 6 ~ 8und 8) die Verurteilung Sokrates' zu erwarten (28 a 4 ff. 36 a 2 ) . Es ist nur folgerichtig, wenn sie eintritt. Mit ihr schließt die mit der ooqiia zts beginnende Kausalreihe. Diese Abfolge stellt einen in sich g e s C h 1o s s e n e n Ablauf dar; offenkundig besteht die Absicht, das einzelne Faktum der Anklage in seiner Lagerung innerhalb eines größeren Zusammenhangs zu zeigen, den Blick von dem einzelnen Geschehen auf den Geschehens-Komplex zu lenken. Um der Geschlossenheit der Darstellung willen werden Dinge erwähnt, die im Interesse der agonistischen Wirkung besser verschwiegen worden wären, wie die Vielzahl der Anklänger, die Allgemeinheit der Gtaßohfi,ja die erste Anklage überhaupt (s. 0. P. 15 ff.). Dieses Bestreben, das einzelne in weiterem Zusammenhang zu zeigen, steht in genauem Gegensatz zur Gerichtsrede, die nicht auf Weiterung, sondern auf Verengung abhebt, der nichts an geschlossener Wiedergabe eines Geschehenszusammenhangs, alles dagegen an der Auslese von Günstigem liegt. Charakteristisch für dieses Bestreben ist Lys. 8 , 4 : „Was er (SC. einer der Gegner) sagte, möchte ich nicht alles aussprechen (denn schon beim Hören empfand ich Ärger genug), noch
Gixa~aAEy~uv... Iieitac X. T. L.. Ferner Dem. 20, 113; 41,29; 44,3. Auffallend ist auch, wie häufig in der ,Apologie' die Wahrheit einer Aussage hervorgehoben wird; 21 a 4: taü~'ZUTLV itltiv. . ~Uhq8ij28 a 6: ÖTL . . , EU (ium ÖTL dAqt%gEutiv 28 d 6: o i t w y&- ixel.. tfj 6Aqftdq. Ferner 31 e 1 33 e 1 33 e 7 38 a 7 41 C 9. An vergleichbarer Stellen - vom Topos des verschämten Wahrheit-Sagens (s. U. p. 52) ist hier abzusehen finden sich z.B. bei Lysias nicht mehr als insgesamt vier ( 1 , 5; 13, 12; E9,53 f.; 29, 1 ) .
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I. Das Verhaltnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
auch möchte ich dasselbe wie ihr sagen, während ich euch doch gerade das zum Vorwurf mache, was ihr gegen mich sagtet (denn wenn ich dasselbe wie ihr über mich sagte, würde ich euch von eurer Schuld freisprechen) ; nur das will ich erwähnen, womit ihr in der Meinung, mich zu verletzen, euch selbst lächerlich gemacht habt." Hier wird geflissentlich nur das aus der Menge der gegnerischen Anschuldigungen ausgelesen, was leicht zu widerlegen ist. Wenn dagegen die ,Apologiec, weit davon entfernt. nur das im agonistischen Sinne Günstige auszulesen, auch ausgesprochen Ungünstiges berichtet, wofern es zu dem Geschehenskomplex gehört, dann deshalb, weil sie die Sache selbst in ihrer Eigengesetzlichkeit erfassen will. Außer der Geschlossenheit im Sinn einer lückenlosen Nennung aller Teile des Geschehenskomplexes ist an Sokrates' Erzählung eine Ver. tiefung der n ~ o t i v i s c h e nV e r k n ü p f u n g zu beobachten, eine Erfassung der den Ablauf bedingenden Mächte. Um die Gefährlichkeit der ersten Anklage darzutun, umreißt Sokrates in der Prothesis den äußeren Mechanismus ihrer Verbreitung: die hohe Zahl derer, die sie verbreiten, die Größe der Zeitspanne, über die sich ihr Einfluß scliori erstreckt, die Einseitigkeit ihres Verfahrens. Aber niit diesen Daten ist noch nicht erklärt, wie die cpfipq zu solcher Macht kam; Sokrates fügt daher noch etwas hinzu. Nach der Feststellung, die Klagen über ihn würden schon Kindern und Jugendlichen vermittelt, fährt er fort, diese seien auf Grund ihres Alters (- wir würden sagen, ihrer psychischen Entwicklungsstufe) zu Leichtgläubigkeit geneigt (18 C 6). Darin also liegt die Erklärung für die Wirkung der ersten Anklage. - Auch der Charakter ist ein erklärendes Moment. Daß Chairephon es wagte, das Apoll-Orakel anzurufen, ist aus seiner untcp' gestümen Art zu verstehen (xai %TE64 oto? fiv Xaiperp6v, 05 ucpo8~6~ 6 t b ~ Q P ~ ~ ~ 21 E Ea V3) ; Ehrgeiz und Energie der ersten Ankläger (23 d 9) erklären die Intensitoit ihrer Bemühungen. Ebenso kann menschliche Schwäche eineHandlungsweise verständlich machen. Die von Sokrates Uberfiihrteri, ohnehin in ihren1 Selbstgefühl gekränkt, gewinnen es nicht iiber sich, den wahren Grund ihrer Verstimmung zu nennen, da sie sich dadurch blol3stellen würden; also greifen sie zu Vorwänden (23 d). - Auch im Bereich philosophischer Uberzeugung kann das erklärende Motiv liegen. Wenn Sokrates auf das Orakel mit Elenktik antwortet, dann deswegen. weil er überzeugt ist, man dürfe nichts ungeprüft hinnehmen und fremde Autorität nicht über das eigene Urteil stellen; wenn er die Zlenktik auf göttliches Geheiß zuriickführt, so ist dies nur eine andere, nämlich religiöse Akzentuiening derselben philosophischen itberzeugiing. Weniger gewichtig ist das Motiv, das die „Schüler" des Sokrates dessen Elenktik nachahmen läßt: sie tun dies aus spielerischer Freude (23C 4 33 C 4 ) . - Die Mächte, die in dem Ge-
2. Die
Intention auf Wahrheit
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schehensablauf wirksam sind, werden weniger durch Analyse als durch Darlegung ihrer Wirkung verdeutlicht. Die Anonymität erscheint als geheimnisvoll wirkender Faktor bei der Verbreitung der ersten Anklage, die AnExha zeigt sich als blinde und doch zielstrebige Gewalt, ja es gelingt dem Redner, „das dämonische Walten der cpfipq geradezu als eine elementare Naturgewalt zu schildern" (Wolff 1. C. P. 16). Der Gerichtsrede ist eine solche Differenzierung der Motive und wirkenden Mächte fremd. Sie ist an einer Motivierung nur interessiert, sofern diese etwas zur Agonistik beiträgt. Wenn dagegen in der ,Apologie' bei keiner Motivierung auch nur ein agonistischer Unterton mitschwingt, wenn aIles darauf abgestellt ist, die einzelnen Faktoren des Geschehens in ihrer spezifischen Qualität deutlich werden zu lassen, dann deshalb, weil nicht eine Tendenz des Sprechers, sondern die Eigenart der Sache zur Geltung kommen soll. Die tiefere Motivierung der einzelnen Teile des Gesamtgeschehens bedeutet, daß ihrem Eintreten der Charakter der N o t W e n d i g k e i t zukommt; durchgehende Motivierung eines Geschehens - und eine solche liegt vor - bedeutet, daß der gesamte Ablauf, der aus der oocpia 71s folgt, als notwendig erscheint. Diese Notwendigkeit wird zunächst als eine Art allgemeiner Gesetzmäßigkeit dargestellt. Sokrates äußert bezüglich der 8taßo)Lfi28 a 8: „Was schon viele rechtschaffene Männer zu Fall gebracht hat, wird dies auch in Zukunft tun, denke ich; es besteht keine Gefahr, daß es bei mir haltmacht." Eine Erfahrungstatsache wird somit zum Rang einer Gesetzmäßigkeit erhoben. In der Rückschau gibt Sokrates jedoch eine vertiefte Charakterisierung der obwaltenden Notwendigkeit: sie erscheint als göttliche Fügung; 41 d: „Für einen rechtschaffenen Mann gibt es kein Ubel, weder im Leben noch im Tod, noch auch wird seine Sache von den Göttern vernachlässigt. So ist auch mein Schicksal nicht einem bloßen Zufall zuzuschreiben, sondern es ist mir unzweifelhaft, daß es für mich besser war, jetzt zu sterben und meiner Mühen ledig zu werden." Die Notwendigkeit, die zunächst als kalte, blinde Gesetzlichkeit erschienen war, zeigt sich hier als göttliche Vorsehung, die sinnvoll und gut ist, auch wenn sie über Sokrates' physische Existenz hinweggeht. Wir fassen zusammen. Die Absicht der ,Apologiec, die Sache nach Maßgabe der Wahrheit darzustellen, macht sich bemerkbar in der Darstellungsweise, die das einzelne Faktum aus seiner Isolierung löst und in seiner Lagerung innerhalb eines geschlossenen Geschehenskomplexes zeigt, die Abfolge der Fakten motivisch durchleuchtet, auf Grund durchgängiger Motivierung den Geschehensablauf als folgerichtig und notwendig erweist. Unter Verzicht auf persönliche Wünsche ist alles darauf abgestellt, die Eigengesetzlichkeit der Sache selbst zum
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2. Die Intention auf Wahrheit
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
Ausdruck kommen zu lassen. - Damit steht die ,Apologiecim Gegensatz zur Gerichtsrede, die die persönlichen Interessen über die Sache stellt, diese überhaupt nur in agonistischer Form zur Sprache bringt und ein Abheben auf die Eigengesetzlichkeit der Sache unter Verzicht auf agonistische Wirkungen nicht kennt. b ) I m Verhältnis zri den Richtern
Jede Gerichtsrede hat das Ziel, die Richter zu dem Urteil zu bewegen, das im Sinn des Sprechers liegt; die Anklage hebt ab auf Verurteilung, die Verteidigung auf Freispruch. Dies gilt auch für die ,Apologie': Sokrates wünscht, es möge ihm gelingen, der G~aßoh4Herr zu werden ( I 9 a 2): er bezweckt mit seiner Rede den Freispruch (31 a 3). Ferner halt jeder Gerichtsredner seine Sache für gerecht. Auch Sokrates glaubt, auf seiten des Rechts zu stehen (31 e 2 ff. 32 a 6 32 b 8) und sich auf gerechte Weise zu verteidigen (17 C 2 18 a 1 34 d 2 35 C 7). Diese Auffassung ist ein Sinnelement der Gerichtsrede schlechthiil; würde sie aufgehoben, so verlöre diese ihren Sinn. Für das Verhältnis zum Richter ist jedoch weder das Streben nach Erfolg noch die günstige Beurteilung der eigenen Sache das Entscheidende - beides gehört noch in den Bereich subjektiver Bemühung und Aussage -, sondern das Verhältnis zur Norm. Die Norm ist ihrem Wesen nach überindividuell. Ihr untersteht der Redner wie der Richter; sie ist dem Zugriff des Redners entzogen. Wird die Norm ernstgenommen, so bedeutet dies, daß der Sprecher sich ihr auch unter Opfern unterwirft und daß er von den Richtern nicliis anderes verlangt als ein Urteil, das der Forderung der Norni entspricht. Wenn die Norm, nicht die Meinung des Sprechers, maßgeblich ist, hat der Richter volle Freiheit; es steht ihm offen, in seinem Urteil von dem des Sprechers abzuweichen. Betrachtet der Sprecher die Norm lediglich als Werkzeug im Dienste der Agonistik, so erhebt er seine si11)jektiveAuffassung zum Rang einer gemeinverbindliclieri. Er stellt seine Forderungen nicht im eigenen Namen, sondern im Namen einer gültigen Norm. Dies bedeutet einen Vorgriff auf das Urteil des Richters; er soll genötigt werden, ohne Kontrolle zu übernehmen, was allenfalls das Ergebnis seiner Priifung sein könnte. Im ersten Fall geht die Bemühung auf Sachlichkeit, im zweiten auf Suggestion. Die Gerichtsrede ordnet die Norm der Agonistik unter. Die Norm gilt dem Sprecher gleichviel wie das, was sie negiert; Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sind gleichermaßen Vehikel, die eigene Sache zu befördern. Aiiaximenes bemerkt offenherzig: ,,In den Reden kommen Bitten vor, die die Sprecher an die Hörer richten. Von diesen sind die einen gerecht, die andern ungerecht" (55.13 ff. Sp.) ; er fal3t zusam-
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men: „Dies sind nun die Bitten; wir haben ihre Unterschiede erörtert, damit wir wissend um das Gerechte und um das Ungerechte je nach den Umständen Gebrauch davon machen können." Unterordnung der Norm unter die Agonistik bedeutet mithin Amoralität. - Auf Grund dieser Einstellung verweist die Gerichtsrede nicht auf eine übergeordnete Norm, kennt sie doch die Norm nur als Vorstellung, die der allgemeinen Billigung sicher ist; vielmehr usurpiert sie die allgemeine Vorslellung von der Norm und benützt sie zu agonistischen Zwecken. Der Sprecher fordert die Richter im Namen der Norm, meistens der Gerechtigkeit, auf, in seinem Sinn zu stimmen. E r kann im Tone sachlicher Erklärung feststellen, wenn es mit rechten Dingen zuginge, müßte in seinem Sinne entschieden werden (z. B. Ant. 2 ß 10: cjutoh.iieo.8.a~ 6E Gcp' GpWv, ei xai eix6zwg pEv Ovzws 66 pq dlnExze~vatOv i i v S ~ a ,nohd poihhov 6ixal6s e i p ~ ) er ~ ~kann ; es geradezu als Pflicht der Richter darstellen, in seinem Sinn zu entscheiden (z. B. Ant. 1,23: 66, Önwg 616iSa1 Gixqv o'l &6~xoGvteg,zouzov YE Evexa xai Glxaazai kybvea.8.~xai ExA@+qte. xai Eyh p6v E n ~ @ g ~ o p aIva l , 641 Ginqv &V fi6ixqx~xai zspoefiaw TC$ natei 24I 4pezE~cpxai zoig vOpo~gaois G~ETEQOLS-z a V q xai &6v pol ßoqfiijoac Spas änavzacjKs;am
häufigsten findet sich die schlichte Aufforderung, den Prozeß im Sinne des Sprechers zu entscheiden, da es so rechtens seisB;in ihrer prägnantesten Fassung lautet sie Gwaiwg &nohfi~tEpe (Ant. 2 6 12). Gemeinsam ist allen Fällen, daß dem Richter die Mühe abgenommen wird, selbst auf die Norm zu reflektieren, und daß ihm die Auffassung des Sprechers, durch eine anerkannte Norm beglaubigt, suggeriert wird. Eine andere Einstellung zur Norm findet sich in der attischen Gerichtsrede nicht. Ganz anders verhält sich Sokrates. E r fügt sich der Norm, auch WO sie Opfer von ihm fordert. E r wünscht seinen Freispruch nur, falls dieser im Sinn der Norm besser für ihn ist (19 a 2) ; er verspricht, die Wahrheit zu sagen, hält dieses Versprechen jedoch im Gegensatz zur Gerichtsrede auch in Fällen, wo es nicht opportun ist, aufrichtig ZU sein (31 e 1 32 a 8 ) , ja er kann aus der Tatsache, daß er das Gesagte ausgesprochen hat trotz genauen Wissens darum, daß er sich Haß dadurch zuzieht, auf die Wahrheit seiner Aussage schließen (24 a 6 ff .) ; die Norm der Wahrheit gilt ihm mehr als die Besorgnis, Maß zu erregen. Er kennt die Mittel, die ihm Rettung bringen würden: Dreistigkeit und Schamlosigkeit (38 d 7), Klagen und Jammern (38 d 9 ) , aber 67
SB
Vgl. Lys. 9,21; 1 3 , l ; 21.13; 22,22. Isae. 6 , 2 . Dem. 19,212; 22,39; 51,2; 53,29; 55,33; 57, 69. Aesch. 1, 196. Hyp. 4, 10. Din. 2,21. Lyc. 98. Gorg. Pal. 36. Vgl. Ant. 1, 22 25. Dem. 21,27. Vgl. Ant. 2 a 9; 2 ß 13; 3 ß 12; 5, 73 80; 6,33. And. 1 , 2 . Lys. 3,47; 19,54; 24,7. Isocr. 17,58; 18,68; Isae. 2,47; 4,30; 9,37. Dem. 1 9 , l 311; 21,70; 23,19; 38,28; 39,41; 40,61; 42, 15; 43,84; 46,28; 52,33; 59,126; Hyp. 3,38.
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2. Die Intention auf Wahrheit
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
er lehnt es ab, sie zu gebrauchen, mit Rücksicht auf die Norm des xaMv, des Gixaiov, des Buiov (35 C 8) ; er fügt sich ohne weiteres in sein Schicksal, da er den Tod als ßEht~overkennt (41 d 5 ) . Im Gegensatz zur Gerichtsrede betrachtet Sokrates also die Norm als eigenständige Realität; sie bedeutet ihm so viel, daß er ihr sogar seine physische Existenz aufzuopfern bereit ist. Von dieser grundsätzlich anderen Einstellung zur Norm aus ist das in der ,ApologieLvorliegendeVerhältnis des Sprechers zum Richter zu verstehen. Sokrates macht von der Norm den Richtern gegenüber zweierlei Gebrauch: er beurteilt sie nach der Norm, und er weist sie für ihr eigenes Verhalten hin auf die Norm. Eine B eil r t e i l u n g der R i c h t e r auf Grund der Norm liegt vor, wenn Sokrates die Richter auf ihr bzw. des gesamten Volkes früheres Unrecht hinweist (32 b 8), ferner, wenn er das gesamte Staatswesen, dem ja auch die Richter dienen, als gerechtigkeitsfeindlich bezeichnet (31 e), schließlich, wenn er nur diejenigen Richter als av6eeg G~xaotai,als hlänner des Rechts anzuerkennen bereit ist, die für ihn gestimmt haben (40 a 2). Gewiß kennt auch die Gerichtsrede eine ungünstige I3eurteiliing der Richter, aber sie bringt eine solche nur in agoriistisclier Absicht vor: der Richter soll sich der Verwerflichkeit seines früheren, angefangenen oder geplanten Handelns bewußt und dementsprechend zu einem Handeln im Sinn des Klägers angereizt werden, z. B. Lys. 27,4: „Was ich euch vorzuwerfen habe, ist dies, daß ihr wegen des niimlichen Unrechts den Onomakritos verurteilt, diesen aber freigesprochen habt, obwohl doch der gleiche Mann gegen alle klagte und die gleichen Zeugen gegen sie auftrhten." Die Absicht, zu stimulieren, erhellt nctch deutlicher aus der folgenden Aufforderung (6): vüv t o i w v , 6 EivGeeq G~xaatai,nae6Ge~ypanodpatc: t o i ~tihho~qG~xaioiqE ~ L , x a e & t o h v 8ixqv haßOvteq. Während die Beurteilung der Richter in der Geriditsrede nicht der Norm dient, sondern der Agonistik, ist sie in der ,Apologie6 ohne jede agonistische Note, ja eher der Sache des Sprrcliers :il)triiglich; sie erfolgt lediglich auf Grund konipromißloscr Orientierung an der Norm. An gcwiditiger Stelle V e r W e i s t Soltratcs a U f d i e N o r m : im Prooimion und im Epilog seiner Verteidigungsrede. Am Ende des Prooimions fordert er die Richter auf, sie sollten sich nicht mit Neben-
" Tadel
der Richter dient in der Gerichtsrede nur agonistischen Zwecken: dem Richter werden Verfehlungen vorgehalten, damit er beim gegenwärtigen Prozeß Gelegenheit nehme, sie wieder gutzumachen (vgl. Lys. 10,30. Dem. 18, 138 159; 19,224 B. 284; 21,91; 22, 78; 23,204 ff.; 25, 13 f.; 51, 15 21; 58,38 B. 63. Aesch. 1, 177 B.; 3.2-7 191-96 232-35. Lyc. 12). Anax. 53, 22. Sp. wird gelehrt, man solle die Richter nur tadeln, sofern es opportun sei; andernfalls sei es besser, sich selbst zu tadeln.
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sächlichkeiten wie der LEE5 des Sprechers aufhalten, sondern seine Aussagen nur auf ihre Gerechtigkeit hin prüfen: denn in der gewissenhaften Prüfung der Aussage an der Norm der Gerechtigkeit bestehe die aeetfi des Richters (18 a). Entsprechend heißt es im Epilog 35 C 2: „Nicht dazu ist der Richter eingesetzt, da5 er das Recht verschenke, sondern daß er danach richte." Wenn Sokrates die Richter daraufhin an ihren Schwur erinnert, dann nicht, um im Namen des Schwurs eine günstige Entscheidung zu fordern, wie es die Gerichtsrede tute', son~ die über dem Schwur dern um auf die Norm der E ~ O @ E Lhinzuweisen, steht, und die Richter wie Sprecher verpflichtet, den Schwur heilig zu ~ $@~SELV dpäq Entoexeiv OBV6päg k @ i S e a 6 aoC6E~ halten: oBxovv X Q oBte TeeoL yde 8v fipWv efiffeßoi~v35 C 5. Weit entfernt davon, die Norm für sich zu usurpieren und mit seiner Sache zu verquicken, weist Sokrates lediglich auf sie hin; wenn, wie er sagt, die aeetfi des Sprechers lediglich im Sagen der Wahrheit besteht, die der Richter in der Orientierung an der Gerechtigkeit, so ist damit festgestellt, daß dem Sprecher kein Vorgriff auf das Urteil der Richter erlaubt ist, daß die Richter Freiheit haben müssen, sich nach Maßgabe der Norm ein Urteil zu bilden. Den w Gerichtsrede zeigt der ganzen Abstand von dem G~xaiog& n o A i ~ ~der Schlußsatz von Sokrates' Verteidigungsrede: „Euch und dem Gott überlasse ich es, über mich zu richten, wie es für mich und für euch am besten sein wird" (35 d 7 ) . Indessen darf nicht verschwiegen werden, daß an einer Stelle der ,Apologie6Sokrates sich nicht damit begnügt, die Richter auf die Norm hinzuweisen, sondern einen Schritt weiter geht und eine für ihn selbst günstige Beurteilung namens der Norm fordert. Liegt hier denn also doch jene Koppelung von Forderung der Norm und eigener Forderung vor, die die Gerichtsrede vornimmt? 34 b 6 ff. lehnt Sokrates es ab, seine Richter durch einen olxtoc zu günstigem Urteil aufzufordern, wie es gerichtsüblich ist. Zur Begründung seines außergewöhnlichen Verhaltens beruft er sich auf drei Normen: das xahbv, das Gixaiov, das Öotov, und gibt dazu jeweils Erläuterungen. Bei der Erörterung des xahOv legt er dar, das xahbv hinsichtlidi der W a , die Norm, derzufolge man z. B. seinen guten Ruf nicht verletzen darf, gebiete, daß er seine Würde und seinen Ruf als Athener und außergewöhnlicher Mensch nicht durch ein so klägliches Gebaren, wie es der Oiktos mit sich bringe, kompromittieren dürfe. Das gleiche gelte auch für die Richter: auch sie sollten den Oiktos grundsätzlich ablehnen und sich weder selbst im Fall gerichtlicher Bedrohung zu einem solchen bereitfinden noch es zulassen, daß An81
Vgl. Ant. 5,85 96. And. 1 , 9 30 f.; 39,40; 45,50.
Lys. 15,8. Isae. 8,46. Dem. 21,34 E.; 36,61;
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T. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
2. Die Intention nuf Wahrheit
geklagte sich in solcher Weise erniedrigten. Schließlich erfolgt die konkrete Fordenmg an die Richter: ,.Ihr sollt (xefi . . .) gerade dies zeigen, daA ihr viel eher einen verurteilt, der solche jämmerlichen Szenen aufführt und die Siadt lächerlich macht, als einen, der Ruhe hält" ( 3 5 b 6). Diese Forderung unterscheidet sich von den in Gerichtsreden üblichen durch folgendes: Zum ersten beruft sich die Gerichtsrede auf normative Vorstellungen nur dann, wenn diese selbst und ihr Anwendungsbereich jedenfalls grundsätz3ch mit der allgemeinen Auffassung übereinstimmen, während die ,Apologiecsich an dieser Stelle überhaupt erst bemüht, die fragliche Norm plausibel zu machen. - Die 60Ea, der gute Ruf, sei es des einzdnen oder der Stadt, wird in der Gerichtsrede nicht im Zusammenhang mit dem x a h h , mit einer verpflichtenden Norm gesehen, sondern mit der Konvention; nicht „was gebietet das xah6vCL?wird gefragt, sondern ,was werden die Leute dazu sagen?" So warnt Demosthenes die 'ithener. sie sollten doch nicht ihre anerkanntermaßen vorzüglichen Geselze durch die Verdrehungskünste seiner Gegner zugrunderirhtt2ri lassen: „Wenn ihr dies leichtsinnig geschehen laßt, geht ihr der Ehre dieses Vorzuges verlustig und macht der Stadt einen iiblen Ruf" : 6 G a v 06 xpqatfiv xo~.ijaete, 24 210 f.)". Die Berücksichtigung der Dma erfolgt also nur im Hinblick auf die Konvention, genauer: im Hilbliek auf die drohende Diff amierung, die die Konvention für diejenigen bereithält, die ihren guten Ruf vernachlässigen. Nun ist der Oiktem in der Gerichtsrede durchaus Konventionss; es ist also undenkbar, daß im Namen der konventionellen Moral gegen ihn Front gemacht wird. auf der doch guter Ruf wie Oiktos gleichermaßen beruhen. Die I>osn kann nicht gegen die I-Convention mobilisiert werden. - Dir ,hyo?rigie' iibernimint aus der Gerichtsrede die Vorstellung, daß die Doxa eine verpflichtende Kraft habe, leitet diese Verpflichtung
jedoch nicht aus der Konvention, sondern aus der Norm ab. Die Norm des xahbv gilt ebenso für den einzelnen als Individuum wie als Staatsbürger: er muß nach Maßgabe des xaA6v seinem guten Ruf gerecht werden. Steht einer im Ruf hervorragender Weisheit, Tapferkeit oder sonstiger Tugend, so ist er verpflichtet, sich im Sinn dieser Tugend zu verhalten und seinen Ruf zu wahren (35 a 2). Sokrates steht im Rufe, er zeichne sich durch etwas vor den andern Menschen aus: also kann er seine Mitbürger nicht durch einen Oiktos desavouieren; er würde sonst verstoßen gegen das xah0v. Dieser Gedanke wird dann ins Politische gezogen: wenn ein Athener sichvor Gericht unwürdig benimmt, stellt er damit die ganze Stadt vor den Fremden bloß (35 a 7), schädigt den Ruf der Stadt, den zu wahren das xah6v gebietet. Sokrates sucht also den Richtern begreiflich zu machen, daß die Doxa ein sittliches Moment enthalte, das nicht von der Meinung der Leute ausgeht, sondern von einer Norm, die absolute Gültigkeit besitzt. Den Richtern freilich mußte diese Vorstellung befremdlich sein, waren sie doch gewohnt, daß die Redner nur von den populären Norm-Vorstellungen Gebrauch machten, nicht aber, daß sie neue propagierten. Zweitens betreffen die Normen, auf die die Gerichtsrede sich beruft, nur den Richter, während sie den Sprecher in keiner Weise beeinträchtigen; die Normen, auf die Sokrates sich beruft, treffen dagegen gleichermaßen die Richter wie ihn selbst; ihre Beachtung bedeutet jedoch für Sokrates das größtmögliche Opfer, nämlich Preisgabe der wirksamsten Verteidigungswaff en (38d 7) und Verstimmung der Richter (34 C ) . Aus beiden Abweichungen von der Gerichtsrede erhellt, daß Sokrates nicht von personlichen Interessen bestimmt ist, wenn er auf die Norm hinweist. Und so kann er hier, wo jeder Gedanke an Eigennützigkeit ausgeschlossen ist, zugunsten seiner Sache eine Forderung aussprechen, die sich den Richtern ohne sein Zutun aus der Anerkennung der dargelegten Norm hätte ergeben müssen. I-Iier, wo er in glaubhafter Weise im Namen der Norm spricht, kann Sokrates die Schranke durchbrechen, die er zwischen den Richtern und sich aufgerichtet hat. Es wird klar, daß er die Richter nicht in eine schrankenlose Freiheit entläßt, wenn er den Druck agonistischer Beeinflussung von ihnen nimmt, sondern lediglich in die Freiheit, auf die Norm zu reflektieren und sich ihr zu unterwerfen. Es wäre denkbar, daß die Zuhörerschaft entsprechend der neuartigen Weise, in der sie angegangen wird, ihr Verhältnis zum Sprecher wandelt. Doch Sokrates ist Realist genug, mit einer solchen Wendung nicht zu rechnen; er weiß, daß aller Wahrscheinlichkeit nach die Richter bei ihrer feindseligen, von der Gbaßoh6 bestimmten Haltung bleiben
6Z Vgl. And. 1, 140. Lys. G,5 18; 19,Gl; 26. 14; 27,2; 30, 33. Isae. 2,43. Isocr. 18,65. Dem. 18, 1; 13,229 313; 20, 10; 22,64; 23, 109; 24, 137; 25,G; 51,9; 58,55; 59, 111 126. Aesch. 2,347. Lyc. 15. Din. 2, 19; 3,22. Vgl. auch Gorg. Pal. 35. Nicht nur die eigene lloxa, au& die der Vorfahren verpnichtet: $&V pEv 06v adrbv & n o x t ~ i ~ r s , ~ O & T E näocv t o i j "Eh?.qut xai dpeiq t&rocaüra Beya ~ L U E W ~l' OE pfi, xai zoug ngoy6vov; T%; stoha~äq6 6 5 ~ 5d n o u t e ~ j o e r eLyc. 110. Vgl. auch Dem. 18,183; 20, 141 f.. Nirgends w-ndel sich die Gerichtsrede gegen den Oiktos als solchen; sie sucht nur darzutun, d a 3 der Gegner alles andere verdient hat als die Gewährung seiner im Oiktos ausgespochenen Bitten, z. B. Dem. 19,310; 21,99; 25,81; 38,27; 45,88; 54,43. Din. 2.4. Fgl. auch Ar. rh. 1386 b 34 ff.. Daß der Oiktos grundsätzlich des Edlen unwürdig ist, wird zuerst ausgesprochen Gorg. Pal. 33: o b t o s pEv 03v xai a ' 6' Bpiv hctai xai qihov xrzgaitqotg Ev Ö~hcp$V oGoqq tTj5 x&eoq ~ ~ f i a t pna@& zoiq ne&roic -cOv 'Ehhfivov xai Goxoüo~v,od cpihwv ßoq@sia~q 0666 hiraiq o W oixror; 6&imi@&ri "J
..
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werden (19 a E i ) , daß sie die Wahrheit nicht ertragen können (31 e 1 32 a B), daß es sie erzürnt, wenn sich einer der eklen Selbsterniedrigung entzieht, der sie selbst sich willig anbequemten (34 C d), und daß sie in solchem Falle mit Verdächtigungen rasch bei der Hand sind (34 d 9) kurz, er macht sich hinsichtlich der E-Ialiung der Richter keine Illusionen. Und doch setzt seine Weise, den Richter zu behandeln, eine entsprechende Haltung des Richters voraus. Da er die faktische Haltung der Richter nicht ändern kann, wendet er einen Kunstgriff an: er fingiert, die Haltung der Richter wäre so, wie sie sein müßte, wenn ihre Bemühung auf Ermittlung der vollen Wahrheit und deren Beurteilung Bv o5v ty 6phv 'iuwg (20 C 4) gerichtet wäre6-. Mit den Worten .Um?.&ßo~ stellt Sokrates sich einen Richter gegenüber, dessen Fragen und Einwände, dessen Haltqng er für richtig hält (tavti POL 6oxei: Gixaia hEyew 6 AEywv 20 d 1). Dieser Richter stellt zwei Fragen: ,,Was, mein Sokrates, ist denn eigentlich deine Beschäftigung? Woraus sind dir jene Verleumduiigen erwachsen?" (20 C 4). „Wenn deine Beschäftigung in keiner Weise von der der andern Menschen abweichen würde, so wäre doch nicht darauf ein solches Gerücht und Gerede entstanden - es muß schon so sein, daß dein Treiben von dem der Menge abweicht." Der Richter unterstellt den für den AngekIagten günstigsten Fall: daß die Verleumdungen wirklich, wie es der Angeklagte in der „Widerlegung" (19 a 8 - 20 C 3) dargetan hat, nicht sachlich stichhaltig sind. Es bleibt ein ungekliirter Rest: worauf ist die Tatsache, daß Sokrates in üblem Ruf steht, zurückzuführen? Dieser Frage liegt die ~berzeugungzugrunde, daß ein Irrtum - und im günstigsten Fall ist ja die G~aßoAfiein solcher - nicht ohne jeden sachlichen Grund entstehen kann, daß auch in1 Irrtum ein I<örnchen Wahrheit enthalten sein müsse. Erst, wenn geklärt wäre, wodurch aus einem unverfänglichen Tatbestand der Irrtum der O~aßohfi entstanden sei, könnte diese als widerlegt gelten. Während für die Gerichtsrede 8taßo)ifi schlechthin Lüge, Unwahrheit, Entstellung ist. die auf ihren Wahrheitskern zu untersuchen sinnlos wiire, sucht der Aktive Richter der ,Apologie' die Wahrheit im Irrturn rtcr Aiikhge zu ermitteln. Er steht dem Angeklagten ohne llessentiments gegenüber und beurteilt seinen Fall so günstig, als es angeht. E r dringt aiif die Sache selbst und beurteilt sie nach den ihr angemessenen Regeln. ,,So sag uns denn, was es ist (das dir deinen üblen Ruf eingebracht hat), damit wir über dich nicht bloß aus dem Stegreif urteilen'' (20 C 8). Dieser Richter dient nur dem Recht. Ferner: Sokrates sagt ironisch von seinen Gegnern: ,,I& für mein Teil hätte unter ihrer Einwirkung beinahe mich selbst vergessen, so überzeugend sprachen S.
2. Die Intention auf Wahrheit
I. Das Verhiiltnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
U.
p. 129 f..
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sie" (17 a 2)Os. Sie versuchten, durch Suggestion vom eigenen Denken abzuhalten. Die ,Apologie6dagegen rechnet mit wacher Ronzentriertheit des Hörers. In der ,ApologieLallein erfolgen ebensoviel Rückverweisungen auf schon Gesagtes wie in sämtlichen attischen Gerichtsreden6! Richtige Anwendung der Norm ist nur möglich bei gründlicher Kenntnis der Fakten. Wir fassen zusammen. Die Gerichtsrede sucht den Richter zu veranlassen, unbedenklich ihre Vorstellungen zu übernehmen. Sie bedient sich dazu der Agonistik in ihrer dreifachen Gestalt: als Psychagogie, Dialektik und Ethopoiie. Damit will sie selbständige Reflexion des Richters auf die Norm verhindern. Die ,Apologie6 dagegen versucht, eine solche Reflexion zu ermöglichen. Sie ist der Meinung, die Norm sei für Sprecher und Richter gleichermaßen verbindlich. Die Freiheit, die sie dem Richter einräumt, ist die Freiheit zum Finden und Anwenden der Nonn. Dem Sprecher ist als Gegenbild die Fiktion eines Richters zugeordnet, der dem Angeklagten frei von Voreingenommenheit gegenübersteht und lediglich Ermittlung der Wahrheit und gerechtes Urteil zum Ziel hat. C)
Im Verhältnis zu den Gegnern
Wie das Verhältnis zum Richter durch die Auffassung von der Norm bestimmt wird, so das Verhältnis zum Gegner durch die Auffassung von dessen Motiven. Die Gerichtsrede begründet die Handlung des Gegners mit einem moralischen Defekt. Der Gegner ist habgierig ", rachsüchtig ", undankbarßs,m i ß g ü n ~ t i g selbstsüchtig7'; ~~, daraus erklärt sich sein Handeln. Die Gerichtsrede bleibt jedoch nicht dabei stehen, dem Gegner partielle Defekte nachzusagen, und noch viel weniger ist sie etwa bereit, moralische Schwächen und Vorzüge des Widersachers gegeneinander abAuch die Gerichtsrede kennt den Topos des fiktiven Einwands von seiten der Richter ( E ~ O LTLS tiv Dem. 18, 223; 23,64. Gorg. Pal. 15. qx'lue~TLS Dem. 41,27. Ferner Isae. 10,18. Dem. 22,69; 23,187; 24, 129. Aesch. 1,113; 3,168), doch gehrniichl sie ihn nur in ngonistischem Sinn, wahrend die ,Apologie' damit zeigen will, wie die Haltung des Richters in Wahrheit sein müßte. Für einen solchen wahren Richter ist die nicht-agonistische, objektive Abhandlung der .ersten Anklage" (s. p. 15 ff.) bestimmt. Be In der ,Apologie' 1 7 b 6 1 8 e l 2 0 d 9 2 1 a 5 2 7 a 9 2 8 a 4 3 0 c 2 3 3 c l 3 3 ~ 4 37 a 2. In der Gerichtsrede Isocr. 3,77. Isae. 6,57. Dem. 24,108; 3 6 5 4 ; 36,42; 37,23; 58,57 68. Aesch. 1,37; 2,147. 67 Vgl. Ant. 2 ß 13; 5, 79. And. 1, 117 ff.. Isae. 8,2; 11,31 36; fr. 3 , 2 , 1. Dem. 24,195; 32, 10 ff.; 47,31; 48,46; 49,67. Din. 1,21. 70 Vgl. Dem. 20,154; 25,52. 68 Vgl. Dem. 57,8. 7' Vgl. Aesch. 3,81. es Vgl. Lys. 30,6. Anax. 85,24 ff. Sp..
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I. Das VerhäItnis der Apologie zur attischen Gericlitsrede
zuwägen; vielmehr wird die partielle Schlechtigkeit immer auf dem Hintergrund totaler moralischer Verwerflichkeit gesehen. Daher sind die Worte, die Umerschämtheit ", Hybris ", Gottlosigkeit '<, Schlechtigkeit' bezeichnen, so beliebt als moralische Prädikate des Gegners; treffen sie ihn doch in seiner Ganzheit. Charakteristisch hierfür ist Lysias' Rede für den Gebrechlichen (24). Der Sprecher kann seinem Gegner auch nicht einen sachlich begründeten ~ o & u r fmachen. Dafür wird schon im dritten Satz der cpBhoc, als das Motiv bezeichnet. das den Gegner zu seiner Klage gegen den Sprecher bewogen habe7', hierauf wird der Gegner der novqeia (2), der rV1pq (10) iind bvato~vvtia(13) geziehen. Defekte Moralität ist für die Gerichtsrede letztes Motiv des Gegners. Sie inalt schwarz-weiß: der Gegner ist ein Bösewiclit, der Sprecher ein guter Mensch, selbst wenn vereinzelte Positiva des Gegners und Negativa der eigenen Person zugegeben werden müssen. Zur Erörterung der gegnerischen Motive in der ,Apologieczwei Vorbemerkungen. Erstens: Die Gegner des Sokrates werden des ~ J E ~ ~ bezichtigt (17 a 51, der bvaruxuv~ia (17 b 3 31 b 8), des cp8bvog (18 d 2), der Grußohil (Vrrleumdungssiicht, 18 d 21, der d 6 ~ x i a(30 d 5 ) . Kein Zweifel, die C1i:ir:ikterisierung des Gegncm und seiner Motive entspricht zunächst der in Gerichtsreden üblichen. Offen bleiben muß nur die Frage, ob die negativen moralischen Prädikate gleichfalls auf einem Bild vom GeLgner als einem von Grund auf schlechten Menschen beruhen. - Zweitens: Wird in der Verteidigungsrede Sokrates dem Gegner angesichts der Norm gegenübergestellt, so geschieht dies, was den Gehalt der Aussage betrifft, in einer bemerkenswert zurückhaltenden Weisey7.Nach 30 c 9 erscheint vor der Norm des UyaBbv Sokrates als v. wird lediglich ein der ltidvrdv bfie, sein Gegner als ~ ~ i e u Dadiircli Gradiinterschied in der ethischen Qualifizierung bezeichnet, keineswegs eine grundsiitzliche Verschiedenheit im Sinn der Gerichtsrede. Ähnlich ist es mit der Gegenüberstellung vor der Norm des Öotov: den Gegnern wird die Frömmigkeit nicht einfach abgesprochen, es wird nur bedeutet, da8 ein qualitativer Unterschied zwischen ihr iind der i V ~Lys. l . 3, 45: 10 14; I#, 42. Isae. 2,27; 3, 72; 4, 29; 11.6. Dem. 19, 199; 21, 19 95 f.; 22,47; 43,56. Aesdi. 1. 105. Vgl. Isae. 2, 33. Dem. 21, 19. " irgl. LYS.6, 11; l4,12. Dem. 18, 119; 21, 150; 24, 6; 25.52 63. Lvc. 77. Din. 1. 21 95. 75 Vgl. Lys. 3, 45. Dem. 18, 119; 19,340; 20, 157; 21, 19; 24,6; 25,32; 26, 16; 35, 2 5 46. Aesch. 2,159. Din. 1,21; 3, 1. Vgl. auzh Ar. rh. 1368 b 13; 1398 a 11; 1416 b 9; 1419 b 16. '13 Euthyphron zi; Sokrates (Euth. 5 b 9 ) : .Wenn Meletos eine Klage gegen mich unternehmen sollte, so würde ich schon herausfinden, wo es bei ihm faul ist, denke ich, und viel eher wäre vor Gericht die Rede von ihm als von mir." Anders verhält e s s-ch mif der Form der Aussage; vgl. p. 19.
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2. Die Intention auf Wahrheit
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des Sprechers bestehe: v o p i % (SC. ~ 6~0i1 E~ h 1 ) h~ 0b8ds tOv EpOv xatq(35 d 7 ) . Die „ErzählungG gibt Aufschluß über Sokrates' Auffassung vom Motiv der Gegner (23 C 7 fF.). Er und seine ,,Schüler" führen, so berichtet er, durch ihre Prüfung athenische Männer in die Aporie. Die Reaktion der in Aporie Geratenen: epoi Oeyi
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Demgegenüber sind die Motive, die Gorgias' Palamedes und der xenophontische Sokrates ihren Gegnern zuschreiben, ganz im Sinn der Gerichtsrede: Odysseus handelt aus (p66vo~,xaxorepda, xavoueyia (Gorg. Pal. 3), Anytos klagt aus kleinlicher Rachsucht (Xen. apol. 29), seine Komplicen aus drakße~aund drS~xia(24). S. U. P. 90. Vgl. Ant. 2 6 12; 5,91; 6,3. Dem. 25,74.
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3. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
3. Die Funktion der Zeit in der Apologie
Worte den Riclitmi nahe, sie sollten die falsche Haltung, die sie seinerzeit in der Aporie eingenommen hätten, aufgeben: sie sollten Nachfolger Sokrates' werden und zunial dessen Söhne der Elenxis unterziehen; xai 2dv t d s a not+, Gixa~anenovV8~Eyh Euopclt 6cp' 6 ~ 6 vaUz& ze xai oi U E ~ S(4 e 7) Die Gerichtsrede glaubt, der Gegner handle aus Schlechtigkeit. Ein solcher Mensch ist in seiner Totalität abzulehnen; man steht ihm daher mit Verachtung gegenübers1. Sokrates dagegen vermag sich dem Zauber der Recirn seiner Gegner mit Ruhe hinzugeben: Eyh 6' ozv xai a.VtO5 Ehoyov 17 a 2. Weit daUn' aGt6v bliyov kpnutoii fn~ha66pqv,o h w n~@avGc; von entfernt, sich über etwaige Unmoral seiner Gegner zu ereifern, achtet er nix auf den Wahrheitsgehalt ihrer Worte; er fährt daher ~ v . eifernd, sondern fort: xnitoi ohq6E; WS 2x05 ~ i n s i v0 6 6 8 ~~ E ~ r j x a o Nicht urteilend und belehkend steht er seinen irrenden Anklägern gegenüber. Zusammmfassend ergibt sich: Während der Gerichtsredner um jeden Preis 3iegen will, stellt Sokrates seine Ausführungen unter das Gebot der Wahrheit. Sie bestimmt auch das Verhältnis zum Gegner. Die Gegner haben versagt in dem entscheidenden Stadium der WahrIieitssuche: von Sakrates in die Aporie geführt haben sie sich nicht, wie es recht gewesen wäre, der Erkenntnis und Uberwindung ihrer Unwissenheit zugewandt, sondern durch feindselige Maßnahmen gegen Sokrates ihre Aporie zu verdecken gesucht. Nicht in sittlicher Verwerflichkeit besteht ihr Fehler, sondern in dem Irrtum, sie selbst seien weise. Aus diesem Irrtum kommt ihre falsche Haltung in der Aporie, aus dieser wiederum ist ihre Verfehlung gegen die sittlichen Normen abzuleiten. Da sie Irrende sind, nicht Verworfene, geht Sokrates nicht auf Diflamierung, sondern auf Belehrung aus: seine Gegner sollen ihren Irrtum revidieren und selbst zu Elenktikern werden, also sich selbst und rindere auf den Weg zur Wahrheit bringen.
Der Gerichtsredner muß wissen, wie der Anfang einer Rede aussehen soll, welche Argumente an den Schluß gehören und was tunlichst während der Zeit der geringsten Aufmerksamkeit, also in der Mitte der Rede, verhandelt wirdss. Psychologische Kalkulation bestimmt den Aufbau der Gerichtsrede; ihr Ablauf soll psychisches Geschehen zeitigen. Während in der Gerichtsrede die zeitliche Bewegung nur den H ö r e r zu erfassen sucht, ohne an der vorgegebenen Situation des Sprechers etwas zu ändern, fällt an der ,Apologie6 auf, daß der S p r e c h e r s e 1b s t von dieser Bewegung erfaßt wird. Platon vermittelt nicht eine, sondern drei Reden, deren jede in besonderer Situation innerhalb eines zeitlich fortschreitenden Geschehensablaufs vorgetragen wird; die erste nach der Anklage, die zweite nach der Schuldigsprechung, die dritte nach der Verurteilung. Schuldigsprechung und Verurteilung bedeuten je ein in der Zeit liegendes, neu eintretendes Ereignis, das Situation schafft und dem Sprecher Gelegenheit gibt, sich in der neuen Situation neu zu orientieren. Die ,Apologiebist in ihrem Ablauf, obzwar Rede, nicht stationär wie die Gerichtsrede, sondern dramatisch, ereignishaft. 1. Wie gezeigt wurde, vermeidet Sokrates in seiner Verteidigungsrede alles, was in unsachlicher, suggestiver Weise die richterliche Urteilsbildung beeinflussen könnte. Ein suggestiver Topos ist etwa der Anspruch auf Dank oder die Drohung für den Fall ungünstigen Urteils. Da Sokrates jedoch aus sachlichen Gründen genötigt ist, diese Topoi zu verwenden, gebraucht er sie erst in einer Situation, die es verbietet, sie als Werkzeuge der Agonistik aufzufassen und die den Hörer nötigt, sie auf ihren sachlichen Gehalt hin zu betrachten. So erscheint der Anspruch auf Dank, der in der Gerichtsrede den Richter zu einem günstigen Urteil bewegen solls4,in der ,Apologie6erst zu einem Zeitpunkt, wo es im Sinn der Agonistik zu spät ist: nach der Schuldigsprechung. Lediglich um einer richtigen Einschätzung seiner Sache willen bringt Sokrates die Rede auf die geschuldete Dankbarkeit; diese sachliche Wendung des Topos wird nur durch das Fortschreiten der Zeit, durch das Vorliegen einer veränderten Situation ermöglicht. Ähnliches gilt für die Bedrohung der Richter. Sokrates kann zwar nicht umhin, in seiner Verteidigungsrede den Richtern die nachteiligen
3. D i e F u n k t i o n d e r Z e i t i n d e r A p o l o g i e Sofern eineIiede systematisch konzipiert ist, ist sie frei vom Moment der Zeit. Sohnld sie aber Rücksicht nimmt auf den Zuhörer, beginnt die Zeit eine Rolle zu spielen. Die Gerichfsrede ist ganz auf die Psyche des Hörers hin orientierts2.
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In oratione firmissimum quodque sit primum; dum illud tarnen.. teneatur, ut ea, quae excellent, serventur etiam ad perorandum; si qua erunt mediocria nam vitiosis nusquam esse oportet locum in mediam turbam atque in gregem coniciantur Cic. de or. I1 5 314. a4 Vgl. And. 2,22. Lys. 3, 48; 16, 14; 18, 26f.; 19, 59; 20,30; 21, 11 22. Isocr. 18,67. Dem. 36,57; 50,64. SJ
6Z
Vgl. Lys. 8 . 6 : ä G'lih~yg,m i v t a pEv OCX tlv E ~ O (xai L ~ y&e &xoiiwv t ~ 6 6 p q v ) . Aesch. 2 , 4 f.: E@atqv 6' EpnuroC xai r4v a:.ciav ß a e E w ~tjveyxa, h ~ . x. a q y 6 e ~ r . Res enim hoc postu4at, ut eorem exspectationi, qui audiunt, quam celerrime occurratur; rui si initio satisfactum non sit, multo plus sit in reliqua Causa laborandum Cic. de or. I1 5 313.
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
3. Die Funktion der Zeit in der Apologie
Folgen seiner Verurteilung vor Augen zu stellen (31 a 5) ; er vermeidet aber jeden Anklang an die drohenden und fordernden Topoi der Gerichtsrede. Erst in der letzten Rede spricht er von der Strafe, die die Richter für ihren ungerechten Spruch treffen müsse. Der Topos der Rache des Schicksals an den ungerechten Kichtern, in der Gerichtsrede zur Einschüchteruiig verwandt ", erhält hier (39 C 4 ff.) den Rang einer Prophezeiung, da er zu einem Zeitpunkt gebracht wird, wo schon alles entschieden ist; die Richter, so heißt es, würden nach der Hinrichtung des Sokrates noch viel mehr durch Elenktiker belästigt werden als seither, wo diese diirch Sokrates zurückgehalten wurden. - Ein Versuch der Einschüchterung ist auch der in der Gerichtsrede übliche Hinweis auf das ahsprecliende Urteil der Leute über ungerechte Richterg6.Auch Sokr:ilcs bcdicnl sidi dieses Topos, $xiocli ersl nach der Verurleiiuiig (38 C 1 ff.) ; an dieser Stelle kann er keine agonistische Funktion mehr haben und wirkt rein sachlich. - Schließlich ist die Gerichtsrede der Auffassung, Richteramt, Rechtsprechung und ein Urteil im Sinn der eigenen Forderung sei eine unlösbare Einheit; sie droht dem Richter f ü r den Fall ungünstigen Urteils mit dem Vorwurf, er sei kein Diener des Rechts. Sokrates ist ähnlicher Auffassung, hält sie jedoch zurück, weil er die Freiheit der richterlichen Meinungsbildung nicht beeinträchtigen will. Einstweilen redet er die Richter nur mit den neulralen Worten 6v6ees 'A7hpaLo~an. Erst nachdem alles entschieden ist, gebraucht er die Anrede 6 v 6 p q 6mautais7, reserviert sie jedoch für diejenigen Richter, die für Freispruch gestimmt haben (& &v6g&cGmautai 6 l ~ y(cp ä ~ Glzucrtci~x a 1 . 6 ~6 ~ 6 6 5ä v xahoiqv 40 a 2) und spricht damit aus, daß nur die Richter, die auf seiner Seite stehen, in Wahrheit Diener des Rechts sind. Er gebraucht also einen Topos, der in der Gerichtsrede der Einschiichterung der Richter dient, dazu, seinerseits die Richter zu richten; dies ist nur auf Grund der durch den Fortschritt der Zeit In diesen Zusammenhang gehört veränderten Situation möglich. auch die Tatsache, daß Sokrates erst in seinem Schlußwort den Gegnern xaxia ~ i n dp o ~ B q g i avorwirft (39 b; s. p. 39). Hier bedeutet dieser Vorwurf lediglich eine sachliche Feststellung. Auch hat sich erst hier das Angebahnte erfüllt; erst hier hat der Irrweg der Gegner sein Ziel gefunden. So erhält der Topos, der die Schlechtigkeit des Gegners
kennzeichnet, allein durch die Situation, in der er gebraucht wird, den richtigen Akzent. 2. Ferner wird durch das Fortschreiten der Zeit spontanes Handeln ermöglicht. In seiner zweiten Rede, der Antitimesis, legt Sokrates dar, die Athener müßten ihm für seinen Dienst an der Stadt dankbar sein, und beantragt statt einer Strafe die höchste Ehrung. Anschließend erörtert er eine Reihe möglicher Strafen und lehnt sie, wie zu erwarten, ab. Da geschieht etwas Befremdliches: Sokrates beantragt nun doch eine Strafe. In seiner Verteidigungsrede hatte er gesagt, er verteidige sich 'nicht in eigenem Interesse, sondern in dem der Athener, suche er doch zu verhindern, dnß sie sich an ihm als einer Gottesgabe versündigten (30 d 6 ) . lin Strafansatz trug er auf das an, was ihm von Rechts wegen zustehen würde. E r weiß jedoch, daß er damit die Einsicht der Richter überfordert. Würde er bei seinem Anspruch auf Dank bleiben, so müßte für die Richter unabsehbarer Schaden entstehen. Da bewährt sich sein Wort, er verteidige sich nur im Interesse der Athener. E r kommt ihrer Schwäche so weit als irgend möglich entgegen und scheut auch nicht vor dem Schein eines Schuldbekenntnisses zurück8', nur um den Richtern die Möglichkeit zu geben, ihn zu retten. Seine Handlung beglaubigt seine Aussage. Irn Anschluß an Sokrates' Strafansatz tritt wiederum ein spontanes Ereignis ein: Freunde und „Schüler" des Sokrates heißen ihn den Strafansatz erhöhen; sie selbst wollen sich für die Summe verbürgen (38 b 6 ) . I n dieser Handlung bestätigt sichs8, was Sokrates in seiner Verteidigungsrede von seinen „Schülernu und deren Verwandten gesagt hat: daß sie dem angeblichen Jugendverderber keineswegs zürnen, sondern ihm beizustehen bereit sind (34 a 6). Auch hier ist die Handlung eine Beglaubigung des Worts. 3. Drittens ist die Zeit das Medium, von dem umschlossen und affiziert der Gedanke sich verlieren, sich bewähren oder gar weiterentwickeln kann. - Sokrates hat in seiner Verteidigungsrede auf die Mittel verzichtet, mit denen der Gerichtsredner zu wirken pflegt; er hielt sie für unvereinbar mit der Norm. Damals bestand noch die entfernte Möglichkeit eines Freispruchs; man konnte jedoch zweifeln, ob Sokrates nicht im Falle des Mißerfolgs sein im Sinn der Gerichtsrede
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Vgl. Ant. 2 a 9 ff.; 2 3 11; 2 y 10; 3 6 9; 4 a 3; 4 6 10. Lys. 6,13. Dem. 19, 220; 57, 70; 59, 109. Vgl. Lys. 6 , 5 18; 12, 35; 26,14; 27,2; 28,17. Isocr. 18,65. Dem. 19,133 229 343; 20, 10 157; 23, 109; 24,210f.; 25, 6; 51,9; 58,55; 59,111. Lyc. 15. Din. 2, 19. Vgl. auch Gorg. Pal. 35. In der Gerichtsrede werden beide Wendungen, 3 äv6@ss'ABqvaior und 3 äv8ees Grxaorai, gebraucht, jedoch mit dem Unterschied, daß in Staatsprozessen, wo der Richter als Staatsbürger angesprochen wird, 15 divSesq 'ABqvaio~bevorzugt wird, in Privatprozessen dagegen 3 äv8eeq G~xaorai.
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,,Um das Ärgernis dieser selbstbewußten Ginq-Forderung abzuschwächenu Erik
ß0
Wolf, Griechisches Rechtsdenken 111 1, 51. Womit freilich ebensowenig das Wesentliche getroffen ist wie mit den drei anderen Gründen, die nach Wolf Sokrates' Strafantrag motivieren. Richtig Erik Wolf 1.c.p. 52.
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I . Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
falsches Vorgehen bedauern werde. Nachdem die Katastrophe erfolgt ist, stellt e r fest: „Au& jetzt bereue ich es nicht, mich so verteidigt zu haben" (38 e 3 ) . E r erklärt, es sei wichtiger, sich vor der Norm unsträflich zu bewahren, als seine physische Existenz zu retten. Dieser Gedanke. der von Anfang an seinem Verhalten zugrunde lag, ist nun durch Ereignisse hindurchgegangen und hat sich in diesen bewährt. Seine Wiederholung durch den zum Tode Verurteilten ist ein Zeichen dafür, daß er diesem von letzter - wir würden sagen, existentieller Bedeutung ist. - In seiner Verteidipngsrede und der Antitimesis betont Sokrates, man könne vom Tode nichts wissen, weder ob er ein Gut, noch 05 er ein Ubel sei (29 a 7 37 b G ) . Beide Möglichkeiten stehen gleichwertig nebeneinander. In seiner letzten Rede kommt er noch einmal auf dieses Problem zu sprechen. Es sei ihm, so führt er aus, während seines Sprechens etwas Merkwürdiges widerfahren: die ini nere Stimme, die sich ihm sonst so häufig bei Handlungen und Worten widersetzte, habe heute, am Tage, wo er sich um seinen Kopf geredet, geschwiegen; so beim Verlassen seines Hauses, beim Betreten des Gerichtssaales und während des Sprechens selbst (40 b 2 ) . Und nun die Deiitiing (40 b 7): „Was mir widerfuhr, ist allem Anschein nach ein Gliick. und unmöglich können wir recht haben, wenn wir glauben, der Tod sei ein Unglück. Ich habe den schlagenden Beweis für diese Behauptung: keinesfalls hätte es das gewohnte Zeichen unterlassen, sich mir zu widersetzen, wenn ich mich nicht zu etwas Gutem aufgemacht hä-te." Dann führt Sokrates mit allgemeinen Gründen aus, inwiefern viele Aussicht (nohhq Ehni; 40 C 4) bestehe, daß der Tod ein Glück sei. Im Unterschied zu der in den ersten beiden Reden geäußerten Ansicht schlieflt hier Sokrates die Möglichkeit, daß der Tod auch ein IIbt.1 sein könnte, ixachdrücklich aus; die Waage neigt sich zugunsten der Ansicht, der Tod sei ein a y a % ~ .Die Zeit des Vortrags der .Apologiet ist also zugleich Ereigniszeit - und dies schon vom ersten Wort an -, Ereigniszeit, während derer sich das Schweigen des Daimonions manifestiee und der Sprecher in die Lage versetzt wird, einen einmal ai~spesprochenenGedanken revidieren und weiterführen zu können. Wir fassen zusammen. Die Zeit hat in der ,Apologie' eine dreifache Funktion. Erstens ermöglicht sie Veränderiing der Situation. Es macht einen Unterschied, in welcher Lage ein Gedanke ausgesprochen wird; mehrere Gedanken werden für Sokrates nur durch das Eintreten einer spezifischen Situation sagbar. Zweitens macht die Zeit spontane Handlung möglich. Das Tx70rt kann so d x c h entsprechende Handlung beglaubigt werden. Drittens macht die Zeit eine Prüfung des Gedankens möglidi. In1 Ablauf der Zeit kann 24n Gedanke sich bewähren, aber auch Veränderungen erfahren. Das Moment der Zeit ermöglicht, daß
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4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
der Sprecher, der in der Gerichtsrede lediglich Referent einer vorgefaßten Meinung ist, in der ,Apologie' als handelnder und denkender Mensch auftritt, jeden Augenblick bereit zur Aufnahme neuer, besserer Einsicht. Auch Sokrates weiß, was er am Anfang, in der Mitte und am Schluß seiner Rede oder vielmehr Reden bringen kann und muß. Aber seine Gründe für diese Verteilung sind andere als die der Gerichtsrede. Sie liegen in der S a C h e s e 1b s t , genauer: in der Notwendigkeit, die Sache in a n g e in e s s e n e r Weise in Worte zu fassen, handle es sich nun um den wahren Sinn von Sokrates' Gedanken oder um die Wahrheit selbst - und nicht in der P s y C h e d e r R i C h t e r. Sokrates' Vorgehen ist nicht unpsychologisch, nur ist seine Behandlung der Psyche der Hörer anders als die der Gerichtsrede. Durch Erweiterung der Aussagemöglichkeiten, die bewerkstelligt ist durch das Medium der Zeit, sucht er größtmögliche Klarheit über seine Sache zu vermitteln und dadurch den Hörer, g 1e i C h f a 11s im Medium der Zeit, auf eine neue Stufe der Betrachtung emporzuheben (s. o. p. 36 f.). Seine Psychologie hebt nicht ab auf Umstimmung der Richter, so wie sie sind, sondern auf Heranbildung eines Richters, wie er sein sollte. 4. D i e A n n ä h e r u n g d e r A p o l o g i e a n das Gerichtsübliche
U )Durch sprachliche Anklange an die Gerichtsrede In ihrem Aufbau setzt sich die Verteidigungsrede des Sokrates aus formalen Bestandteilen der Gerichtsrede zusammen: Prooimion, ProIhey& ZOG ßiow, oiltzos (- vieltlicsis, Widerlegung, Erzählung, E~Otqcrc~, mehr tritt an seine Stelle die Ablehnung eines solchen). Auch in den sprachlichen Wendungen und im Gebrauch gewisser Topoi ist eine Angleichung an die Gerichtsrede festzustellen; was damit beabsichtigt ist, muß zunächst offenbleiben. cv in der Gerichtsrede das unwillige ErDas Wort 6 a v p ~ i t ~ bezeichnet stauntsein über ein Wort oder eine Handlung des Gegners: 6awpkGw F,& &vSees 6waazai, z r s ~ V U ~ ~ aGzoG, E ~ U Sz6 qvixa pkv . . . 6 ~ ~ 6~ 6 . .6 Dem. 1 24, 111) Ebenso gebraucht es Sokrates, um sein Befremden ausv &V Eqdcravto 17 a 4. zudrücken: pkh~azct66 aGz6v Ev E8aVpaua ~ G nohhWv Die Gerichtsrede läßt keine Gelegenheit, die gegnerische Unverschämtheit anzuprangern, ungenutzt; in ihrem Bemühen um kräftige Akzen-
.
so Vgl. Ant. 4 a 1 (Gegenüberstellung von 06 6aup&faw und ai?c6i;o~&yavaxtaiv); 4 y 1. Lys. 25, 1 . Dem. 51,2. ,-__-_-
_3_
rin
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I. Das V ~ ~ h ä l t nder i s Apologie zur attischen Gerichtsrede
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsiibliche
tuiening pflegt sie aus der Menge des Dreisten ein Allerunverschämtestes herauszuheben, z. B. Isae. 1,27: h toivvv roUrwv ~ h v r w vdvat8EaTaros r o v h 6 ~ w vPorh, Örav rohy6ot htyetv 8 5 . . .". Entsprechend sagt Sokrates 17 b l: T& y u j yq aioxuvf3ijva~ÖTL . . . , t o k 6 pot EOOEEV aUtWv &vatuxvvt6ratov hat. Ähnlichem Zweck dienen auch Wendungen wie nhvtwv O'hronhrar6v Eort (Der~i.18,5)@,6 66 nhvrwv O ~ ~ v b r a r o(Isocr. v 17, 14)93, rb Ob nhvtwv iinre(puiiirarov, Öri .. . (Lys. 27,12), denen in der ,ApologieL S 86 nhvrwv dhoyhrorov, Ört . . . (18 C 8) entspricht. - Zur Einleitu~igder Bitte, seine Kedeweise nicht übel aufzunehmen, gebraucht Sokrates zwei Ausdrücke des Bittens: xai ykvrot xai nhvu, 136v6ees 'A6qvaiot, t o k o 6y6v 6Eopai xai napirpar 17 C 6. Er lehnt sich damit an die Gepflogenheit der Gericlitsrede an, zur Verstärkung einer Ritte zwei oder drei Verben des Bit tens zu verwendeii, z. 13. Dem. 58 3: 66oya~o6v bp6v &xhvrwv3 6vOges 'Aftqvaio~ xai ixets6o: ILET' ~UvoiasdxoGoai pov oder Isae. 2, 2: 6Eoyal OYUy6v
18, 17 ". - Die Gerichtsrede markiert die Ausschließlichkeit einer Begründung durch die Formel 61' 02iOEv dAA' +) 616. , z. B. Lys. 24, l: Otd
~
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..
y&e oUOEv 6hAo pot €JOXE~ na@aoxevhaat rbvOe y o ~zbv xivOvvov o 6 r o ~4 8th (p66vovQ7.iihnlich die ,ApologieL:Eyo Y&@. . . 6 t YoU6Ev &Ah' 4j 6121 aocpiav ztv& zoijro rb Övoya Euxqxa. - Dem Gerichtsredner stehen eine Reihe formel-
&vt$ohG xci i n e t s h pet' efivoias &no6kx~u6atyov r o 6 ~h6yovqQ4.
Mit den N'orten ßo~Aoipqv6v wird in der Gerichtsrede der Wunsch nach V TE ~Üoexos Erfolg eingeleitet, z. B. Ant. 6, 14: PO-~hoipyv&V ~ O X E ~afit6q ;hat xai iyiGg tirAq6T3 Arywv neiuak &no+lcpioaa6ai yov, oder Deni. 24, 11: fJouAoipqv 8' iiv F$ TE r q ~ i v&V ~ o U L O Q ~ .L.. Ähi~lich Sokrates 19 a 2: Sov>.oipp o b 6v t 3 Ü t 0 OUTWS y~vEo6ai.- Häufig findet sich in der Gerichtsrede die Versicherung, man werde EE &@X% alles berichten, z. B. .4nd. 1,8: x ~ 6 t i o t o vo h ~ O EL ~ V 8ox~B ~ L EE dexijs Upäs 6t8haxelv nhvta t& - ~ 6 p ~ v aSO @ will ~ . E U C ~Sokrates seinen ,,Fallu von den Anfängen a n q 4 ~ a t q y o e i aßoriv EE ijSL] Eyfi Gtaßohfi aufrollen: &vahckßwp~*rG$VEli, & ~ x i j ziq ~Cyovev.h d o k i d e s 3äßi noch die negative Ergänzung folgen xai naea1 . ~ h r i vp q 6 b (vgl. 1,~s.1, 5), eine Versicherung, die auch ohne Koppelung niit der ersten erfolgen kann, z. B. Lys. 3 , 3 : o66iv d n o x e u l h ~ & v o s Qnavta G~qyfiooya~ X& 4pä5 T& neneaypwa (vgl. Dem. 18,56). Ahnlich versichert Sokrates 24a 5 bpäs oFre y E ~ aoÜra ytx& ~ O X Q ~ ~ ~ ~Eyo E V O Z y w 066' i m o o ~ ~ i h h y ~ 1Sokrates' '0~. Wort, er werde die Anklage in allen Eitizellieiten herücksi&tigeii (to6tou & roij Eyxhfiparo5 Ev Exao~ovEEEdowpav 24 C 21, ist gleichfalls im Sprachgebrauch der Gerichtsrede bexa6' Exaozov Ant. 5, 7; gründet: neei fik r 6 v xa-cyyoeqpEvwv dnoi.o~fiuo~at ßoVhopal 6E xai (SC. T& xn~tlyoeqpEva)xa8'Ev Exaurov aUrWv E c ~ t h o a iDem. Vgl. Deni. 35, 28; 54,3%. Hyp. 3,32. Be Vgl. Aesch. 3,232. Lyc. 56.
Vgl. Isocr. 18, 18. Isae. 5, 11; G, 35. Dem. 55, 20; 57,59. Aesch. 1, 104; 3, 161; IIyp. 3, 32. Vgl. Dem. 18, 6; 23, 14; 45, 1; 54, 2; 56, 4; 57, 1. Hyp. 2, 19. Vgl. And. 1, 10 31. Lys. 7. 3: 13,4; 17, 1; 32.3. isae. 2 , 2 ; 5, 2; 7,4; 11, 7. Dem. 18, 256; 21,12 77; 24,lO; 34,5; 36,3; 37,3; 40,5; 42,4; 4 3 , l ; 45,2; 49,4; 50,2; 52.2; 51, 2.
S
hafter Wendungen zur Verfügung, die geeignet sind, das richterliche Denken in die gewünschten Bahnen zu lenken, so die Feststellung oder Aufforderung EG LOTE, Z. B. Dem. 50,66: EG 6' "lte ÖTL 06 XE& .tGv EpWv i6iwv y6AAov t t y w ~ j a e o 6IloAvxhEa, ~ 4j oUx Unk@ByOv aUrWv8*. Sie findet sich auch in der ,Apologie6in der Form EG ~ E v t o%TE, ~ näaav $viv T ~ V dhfi6Etav EQW 20 d 5, ferner 28 a 6, 31 d 6 und 33 b 7. Sehr beliebt ist in der Gerichtsrede die Wendung 'iva 6' EiOrjt~,821, durch die eingeleitet und vorweggenommen wird, was eigentlich der Hörer selbst aus einem folgenden Bericht entnehmen sollte, z.B. Dem. 40,5: Iva 6' d x e t ß o ~ ~iGijte,8 5 06% Ey& roinov a"lzl65 ~ i p &hh> t 06~01,@, d l ~ x f i ~ . . Otqyfioopa~ T& n ~ a ~ 6 E v r aIn @der ~ . ,ApologieLwird sie 32 a 5 gebraucht: Otxo6oaze 6fi pol T& ovpßeßqx6ra, lvu ~ i G ÖTL p o6S' üv Evi + ~ E L X & ~ O Lnae& ~ L z6 Gixa~ov.Suggestive Vorwegnahme wird auch durch Y V W U E U ~ E eingeleitet, z. B. Isae. 11, 7: 6% t o ~ ~ r wY&@ v Y V ~ U E U ~tfiv E TE E P ~ V ~LYXLUZE~UV XUL ÖZL Z O ~ T O L SoGSEV ngocrfixat rij; x h q e o v o y i a ~ ' ~ Ähnlich ~. die ,Apologied 19 d 5: 6% t 0 6 z 0 ~ yvhueoi?~Ört totaGz' Eori xai t&hha neei Eyoij & oi nohhoi hkyouubv. Zuweilen wird im Anschluß an die Wendung n ~ i e h o o ~EniGEiSat at das Thema oder Beweisziel der folgenden Ausführungen angekündigt: ÖpwS ~i.EvtotYE xai Ex rolizov nelehooyai Eyautdv &vairtov EniGeiEal Ant. 5, 19'", in der ,ApologieL20 d 2: x&y& bpiv nelghaoyai drxoOeiEat t i noz' Q U ~ VTO%OÖ &yoi nenoiqxe r 6 aE Övopa xai t+v 6~aßohi)v.Öfters tritt dieser Satz auch in umgekehrter Form auf: erst wird in einem Nebensatz, der mit der Konjunktion 0s oder Ö n beginnt, das Beweisziel des folgenden angegeben, ~ oder einer ähnlichen Wendung eine entdann mit n e t ~ h a o p aEntO~iEat sprechende Darlegung angekündigt, z. B. Dem. 59,16: 3 5 6' Eati NEalea xai n a ~ & rod5 v 6 p o y ovvotxei Zts(p&vc~>, roGro byiv ßouhoyat ~a(pWs E n t 8 ~ i E a t ' ~Ähnlich ~. heißt es in der ,Apologiec: <5$ 6E ro6m o Ü t o ~EXEL, xetehooya~xai byiv Enl6~i&t. Der Ankündigung des Themas dient auch g"gl. Dem. 18,56; 37,21. Vgl. auch Lys. 14,3. Dem. 21, 12; 41, 11; 47,19. Hyp. 3, 14. O7 Vgi. Dem. 24,81 195. Vgl. Ant. 5,93. Isae. 4, 121. Aesch. 3,246. Lyc. 10 15 146. Vgl. And. 1, 106. Lys.13.4. Isae. 3,15; 11,38. Dem. 18,118 153 156 218 305; 38,17; 46,9; 4 7 , 3 11 18; 50,3 21 45; 55, 8 34; 59, 44 74. Aesch. 1, 11 37. Din. 1, 82. loOVgl. Lys. 1,39; 17,9; 19,19; 25,7. Dem. 20,88; 22.44 63; 23,159; 29,29 50; 43, 62; 45,2; 53,21; 58, 10 36. Aesch. 3, 195. lo1 Vgl. Lys. 23, 1; 24, 1. Dem. 20, 11. 'Oe Vgl. Isae. 8, 30. Dem. 22, 12; 33,4; 46,9 12; 53, 19. Vgl. auch Isae. 2,13 19; 9,27; Dem. 18,229; 23, 138; 24,32 91 204; 30,19; 37,39; 55,23. Aesch. 3,32 181.
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
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4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
die Wendung 6 r i ye W i r l E a ~ ,z. B. Lgs. 1,4: fiyoiiyal 6.4, JI äv6pe~,zoUtO pe O E ~ V~ A L I S F I ~ W ~,; L , und ähnliche Wendungen mit 6ei103. Dem entspricht in der ,Apologiec22 a 6: 6Ei 6fi Uyiv afiv EpGv nhcivqv Eni8ei$ub. Mit dem Imperativ mEqaa6o will der Gerichtsredner die kritische Aufmerksam-
-
keit der Richter auf einen besonderen Punkt seiner Ausführungen lenken, z. B. Lys. 1,39: d q a u @ e 6E ö n x a i zaiiza ~e66ovzac. & ~ 8 i o 56E Ex ZGVBE y n j o a u @ ~oder , Den:. 23, 152: uxEqau6e 6E OS G l x a i q Exauza E@t & b l " . Entsprechend sagt Sokrates 21 b 1: u x k $ a u 6 ~64 &V Evwa zaiiza hkyo. pEhhw y&@bpäg 816&e,v, Ö ~ E VPOL j] 6~aßoAt~EYOVEV. - Zuweilen sieht sich der Gerichtsredner veranfaßt, den Namen einer Persönlichkeit, auf die er hinweisen will, zu verschweigen; er bedient sich dann etwa der Wendung r b Ovopa oiEEv GEopal AEyriv, z. B. Lys. 12,42: Eqsuyev ~ E T & " I a t ~ o x l k xo a~i ~ Eriewv, &I' d 6v6pata oUSEv 6Eopa~hEyew'OJ. Ähnlich Sokrates 21 C 3: G~auxonWvoitv toCzov - Ovbyaz~y&e oUSEv GEoya~hEyeiv, $V 6.4 t l s tWv noh~t~xWv. - Zum Abschluß eines Teils seiner Ausführungen pflegt der Gerichtsredner einen formelhaft gebauten Satz zu gebrauchen, in dem kurz das Thema oder Beweisziel des betreffenden Abschnitts zusanimeiiqef:~ßt,das Gesag:e als ixavbv bezeichnet tmd ein rieues Thema angekiindigt wird. Die dem Satz zugrundeliegende Formel kann neei p f v - 66 l:iuten, oder audz 6 s j d v - bFt. Ersteres ist der Fall etwa Lys. 21, 1: xeei yEv t 6 v xazqyo~qyEvov, &I &v6ge5 G~xaatai, ixavW5 i y i v &no6EGe~xtal.&xoUoal 6& x a i n e ~ zi 6 v G h h w imä; &&h'06. So schließt Sokrates seine Verteidigung gegen die erste Anklage mit den Worten ab: neei pEv O ~ &VV o i n e 6 r o i you x a z ~ y o e oxt a t q y b ~ o u va i h q ~ o z o ixavt hohoyia q b ~ 6 ~ i . ä ~ngo; ISE hlihqzov . . pot& taUzu neu&opa~ &nohoyfiuau8a~24 b 3. Die Wendung mit 615 beschliedt in der ,Apologiec die Verteidigung gegen die aktuelle Anklage: 6 5 pEv Eyrj 06% & 6 ~ x G .. , 06 nohhiic; POL 6oxei e i v a ~ hohoyia;. &hh& ixavci x a i m i h a Ö 6 ; . Eheyov, ÖTL nohhfi POL b n . 4 ~ 6 ~ ~ ~ ykyovev.. ., EU i u t e Özl Uhq6Eq EUTEV 28 a 2. In der Gerichtsrede findet sie
.
.
.
..
.
v sicli etwa Isocr. 18, 19: &; pEv o4v 06%aincis e i y ~K a h h i y h x ~ ~ G xeqphz o v Gqpo6oeo5, ~ x a v o &xo6~6&ix@ai j~ p o l v o y i t w 6 5 6' 04% E E ~ vat,tij 6 ~ x h t,eoBal. . , Ex t 6 v u v v V ~ x G vyvhueo6~:". Der Gerichtsredner pflegt zur
.
-
Perhorreszierung einer von ihm bekämpften Handlungsweise, mag sie nun in der Vergnrigenlieit liegen oder noch der Ziikunft angehören, '0%
'04
'W
107
Vgl. Ant. 5, GO 74; 6,34. L y . 1,9; ; 3 , 3 4S 83; 21,18. Dem. 18,126; 24,210; 27,7; 35,2 8; 44,5; 59,14. Vgl. Lys. 1,37 39 43; 6,21: 'i,34; 1 0 , l l ; 12,92; 14,6. Isocr. 19,50. Dem. 19,247; 22, 72; 81,5; 49,37. Aesch. 2,7. Hyp. 3,14. Lyc. 98. Vgl. auch Aesch. 1, 165; 3, 112. Vgl. Ami. 1, 70. Isocr. 19, 16. Isae. 10, 15. Dem. 27,40. Aesch. 1, 116. Lyc. 36. VgI. auch And. 1, 29. Lys. 16,9. Vgl. Isocr. 17, 33. Isae. 12, 12. Dem. 32, 24; 40,24. Vgl. auch Ant. 4 ß 7; 4 6 9; 5,64. Isae. 6, 10; 11, 15. Dem. 24, 66: 33,35; 44, 60. Aesch. 3,24.
49
diese mit einer andern, irgendwie anzuerkennenden kontrastierend in inneren Zusamnienhang zu bringen, um an dem inneren Widerspruch der beiden die Verwerflichkeit jener darzutun. Er stellt beide mit pEv 66 einander gegenüber und bezeichnet das - eventuelle oder reale Nebeneinander beider als BELYOV,Z. B. Dem. 56,44: x a i y&e äv ~ E L V O V eiq,
-
a 6 t o G ~pkv z06zov5 Gcnhaoiav na6' a3zWv 'tfiv t q p i a v ygci$au6a~, Eolv TL naeaß a i v o a i zWv EV t i uuyy~acpij,Byäq 6' +nlozEewc EXEW x ~ a bbz o~6 ~ " ~ So . stellt
Sokrates seinem richtigen Verhalten unter den athenischen Feldherrn das von ihm bekämpfte, aber von den Klägern und vielleicht auch den Richtern gewünschte Verhalten unter dem göttlichen Feldherrn gegenüber, um an dem inneren Widerspruch der beiden Verhaltensweisen die Verwerflichkeit der letzteren darzutun, 28 d 10: Eyh o3v OELV&äv
. ..
eiqv eieyaupEvo~,(;> UvSerq 'A6qvaio1, EI ÖZE pEv PE o i 8exovzeg Ezattov zote pEv 03 EXE~VOLEzattov Epevov . , ZOG6E @EOUt&zzovzo~.. cpoßq6ei~Ti 66vatov ähh' 6z~oUvneäypa h i n o l y ~zfiv t h E ~ v .O E L V ~ Vzäv eiq, Dieselbe Funktion hat auch die Formel äzonov äv e'iq ei.. yEv 66, z. B. Isae. 6,2: Cizonov 64 ei dxoiva @V.. bnEp~vov,VUV 8E 04 n e t ~ & q v U U V E L ~ E ~ V ' In ~ ~ . der ,Apo-
..
.
.
-
. ..
.
logie' wird 27 d 8 die Unmöglichkeit dargetan, an Kinder von Göttern zu glauben, nicht aber an Götter selbst, und hinzugefügt: 6poiw5 äv &onov e'iq tjonee Bv EX Z L l~n n o v pEv nai6ac 4yoizo x a i Ovwv, zoU5 j]ptOvou~, 'innou5 6E x a i O V O U ~y 4 fiyoizo d v a ~ Dieselbe . Funktion hat schließlich auch die Formel aiuxebv äv eiq, oi . . . v i v - OE 'I0. Sie tritt zuweilen jedoch auch in vereinfachter Form auf, ohne jene Gegenüberstellung: e t t a ~ 0 4 56 ~ ' ~ dqa~edi?pa~ Gpä5 qe6yovsa~x a i G~xaiwgTL nae' bpGv ~ ~ Q o y E v o wEhuoyev taiiza yq6Ev Exovzeq EyxahEua~;&Al' a i u ~ e b vi l v e'iq Dem. 20,60 Ähnlich die ,Apologieg35 a 1: EI o8v bpGv o i GoxoUvza~G ~ a q k e e ~ v . z o ~ o i i z oh~o v z a ~ , a i u ~ e b v2 v eiq. Befürchtet der Gerichtsredner, durch eine Äußerung den Unwillen der Richter zu erregen, so mahnt er vorbeugend: x a i ~ f i POL ä~6~(76&, Z. B. Ant. 5,46: x a i pfi y o ~ & X ~ E Uäv ~ E6yCg nohhhxy z a b t d 6~6&Eo''~.So mahnt auch Sokrates seine Richter: x a i p o l pfi ä ~ 6 ~ ~ 6 e h.4yovt~zahqbij 31 e 1. y&ezueas xaeEx~u6alist der terminus technicus
..
-
"'.
-
f ü r „Zeugen stellen". Er wird häufig in formelhafter Weise mit der dhq6ij hbyo verbunden, z. B. Dem. 40,7: W5 6' &hq6ij hkyo, Wendung neei to6twv 6piv neGtov zoUs y&ezueas xaeEEoya~"'. Entsprechend heißt es in der ,Apologie131 C 2: bavbv y & ~ olpac, , Eyh naekxopa~zbv p&ezvea W5 Vgl. And. 4,38. Isocr. 18,18 24 68. Isae. 1,28 38 51; 5,34; 6 6 8 ; 10,23. Dem. 20, 12; 23, 143; 24,31 f.; 26,7 15; 27,64; 32,23; 34,43; 38,18; 39,21 31 33; 40,46; 41,9; 44,51; 55,22; 57,47; 5 6 4 6 107. 'Oe Vgl. Dem. 20, 147; 26,s; 40,31; 43,56. Aesch. 1,85. Ar. rh. 1376 b 17. 'I0 Vgl. Dem. 18,160; 19,132; 20,9 62 71; 23,140. "1 Vgl. Lys. 21,25. Dem. 35,47. Vgl. Lys. 21, 16. Dem. 23, 144; 57, 50. Lyc. I 1ß 128. Vgl. Lys. 3,20; 13,42 68 81; 17,s; 19,24; 2 3 , s 14. Dem. 39,24; 49,18. '08
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I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
&h@i ~CYW, tfiv n a i a v . Genie betont der Gerichtsredner auch, daß er viele Zeugen für sich habe, z. B. Dem. 29, 16: zo6twv toiwv eioi yEv nohhoi puetvee~"*. So auch Sokrates: xai to6twv 6piv Boovtat nohhoi yhetuees
ein ,,glaubwürdiger" Zeugeleo,Bn' aUtocpGetz, xatahapßbvetv (22 b 1) für „auf frischer Tat ertappenL',pEya texyfieiov (32 a 4) für „ein schlagender Beweis" ''.
32 e 1. - 35 c 4 hält Sokrates den Richtern ihre Pflichten vor; er sagt vom Richter: Qpti~mxev06 x a e i e i ~ 6 a l015 Üv 60x8 a h @ , Mh& Gtxotaetv x a t & roUq vOpovq. Die dnriii steckende I'orniel findet sich verschiedentlich in der Gerichtsrede, 7;. B. Dem. 20, 118: 8popoxOteq x a t & t 0 6 vOpouq ~ S~xotu~tv fixete oder Ant. 5,S.S: xat& Y&@ t04g. voyovc; hp6oate ~ ~ x & a ~ i Wie v " ~ .in der ,Apologiecist diese Formel mit einem kontrastierenden Negativiim verbunden (06%.. . &k&:a) Dein. 45,50: ~ L X ~ U E Ly&e V 6pwpOxaiY 6pei5 021 neei (3v Üv d c~~6ycuv &oi, &Ai.' 6 s E ~a21tGv & V Civ 4 Oi&S fi. - Häufig erscheint in der Gerichtsredr auch die Formel ei pkv yde S v . . . .vVv SE.. . Im ersten Satz wird eiiie Bedingung genannt, aus der etwas Bestimmtes folgen müßte; in1 zweiten wird dargetan, daß diese Bedingung nicht erfüllt und die Folgerung deswegen abzulehnen ist; im Ausschluß jener Folgerung liegt der ngoriistische Sinn des Satzes, z. B. Dem. 43,71: E; pEv toivw, W UvOp~qS ~ x a m a itOv , t e t ~ h ~ u t q x 6pt ha o v Z ß ~ t t o vtaUta S~meaE&pevo~, Y ravti 6ßeixaa~ 6eiv& pEv (Sv) knoiauv, f i ~ t o vSk v6v SE xa1 eiq Ohqv T ~ JIOALV xai na~avevopfixantt"'. Diese Forniel wird in der ,Apologiecdreimal gebraiicht: ei 1tLv Y&? qv POL xeqpata, Et~pqoi5pqvCiv xeqphtov Öoa Epehhov i Ext~iaetv. :vÜv SE W? Y&@ E a t ~ v .. . 35 b 1. ei 4v 6piv vbp05.. ., n ~ e 6avhtow pfi piav fipkerv pOwv xpiv~tvBhhd xohh&q, Eneio6qze Gv. v5v 8) 021 @$LOV hv ~qitvcp6A.i.q psy&huq 8iaßoMq &nohfi~uiEat37 a 7. ei pkv TL &so zo6zwv &cvrEAauov xai p~u66v hapß&vov raüra naeexehsvOpqv, &ov GY ttva AOyov. vGv 6L d ~ ä OI) ~ xai e autoi O t i . . . 31 b 5. - Rücksicht auf @ouh6p~voi ßhaorpqyeiv ist fiir Richter wie Sprecher geboten; Demosthenes gibt 20,37 für den I'all, &iL1die 12icliter nicht in seinem Sinn entsclieidrri, zu bedeiiken: a h t i (sc. a i o:ijha~, Ehrensätilen) o6tooi toi5 ßouhopkvoi~x a t & tri? n6heoj ßhanqrlpeiv t c x p ~ ~ t o615 v &h.i@ij hkyovoiv buz.JlEovotv"'. An solche Lästerzungen denkt auch Sokrates 38 c 1: 6voyu E ~ E T Exai aitiav 6nO t h v ßoirhoykvwv t t v nOj,Lv hotSoeeiv W; Z o x e 6 t q BnextOvate, GvSea aocp6v. Scliliel3licli s-iid nocli iii der ,Apologie' vorkoiiiinende termirii teclinici der Gerichtssyrncl~ezu erwähnen wie B e q ~ ~ qxatryoeeiv v (18 c 7) 'I8 f ü r „einen in «lmntici ariklagen", bvaßiß&oau6a~(15d 5 34 c 4) für „vorladen, ~ c Gericht r auftreten lassen", &SL6xeeos (SC. p&etvs 20 eG) für
.
.
"@
V@. Lys. 7, 35; 10, 1; 11,l. Dem. 27, 14: 43,39; 50,29. Vgl. Lys. 22, 7. Dem 19, l i 9 : 21,42; 23. 101; 24, 188; 31,45; 36,26; 46,27; 58,25. Vgl. Lys. 12,39. Isocr. 18,21; 20,5. Isae. 4,30; 11,5. Dem. 18,14 153 206; 29,58; 34, 36; 41, 1: 15, 12; 51, 1; 53,3; 56,47; 57, 6. Ilyp. 1 fr. 5; 3,39. Vgl. auch Isae. 2, 43. Dem. 58,58. ns Vgl. Deni. 21,81; 33,20 33: 39,18 37; 40, 17; 55, 6 31. 'I9 V@. Lys. 12, 21; 18,54; 20,34. Isae. 11.4. Dem. 19,310. I'*
51
b ) Durch den Gebrauch von Topoi der Gerichtsrede Ohne sie in nennenswerter Weise zu verändern übernimmt S0kl-ates folgende Topoi der Gerichtsrede: Der Gerichtsredner wünscht, die Hörer möchten seinen Worten nicht etwa durch Proteste und Lärmszenen Abbruch tun, sondern aufmerksam und schweigend zuhören, z. B. Lys. fr. 270: neocripe~8) 6piv naei Vwxij~~ L X & ~ O p4 V ~ naeavoyeiv L &hh' E ~ U E ~pq6E E ~ ViEo~Gßtz, , T& ne&yyata xeivetv &hh&otonn T& Oixam y~yvhoxeiv,Dem. 57,50: xai pot ngbq Aids xai 6eOv pqS& 60evß.Clon'". So bittet Sokrates zu Beginn seiner Rede die Richter, von Protestkundgebungen abzusehen (pqte 6 a u p h \ ~ i v pipe @opußeiv 17 d I ) , wiederholt diese Bitte 20 e 4 (pfi ' I f o e v ß ~ a q r ~ferner ), 27 a 9 und
30 C 2, an den beiden letzteren Stellen mit Beziehung auf seine Bitte zu Beginn der Rede. - Sucht der Sprecher den Richtern einen in seinem Fall anzuwendenden Rechtsgrundsatz nahezubringen, so pfiegt er diese Auffassung durch Hinweis auf die notorische Einstellung des Gerichts vergleichbaren Rechtsfällen gegenüber zu stützen, z. B. Isocr. 20,6: deG G' .irpä~,Özav zou xatayv66' ieeoouhiav 4 xhonfiv, 06 R ~ O St d pEys-Boc &V GY h&ßwol r4v tipqow no~ovpkvovq bhh' dpoiwq 6n&vtov @&vazovxazaytyvhaxovtaq, xai vopitovtaq Sixa~ovd v a t t o 6 ~zoiq a6toiq Eeyots
[email protected] miq actaiq tqpiatq xoh&t&o6a1.xer) ~ o t v v vxai negi t h v iIßQtt$vzov (und sein Gegner ist ein solcher) tfiv a6zfiv yvhpqv Exetv.. .'". SO weist Sokrates
17 d 4 auf die Duldsamkeil der allienischen Richier auswärtigen Prozessierenden gegenüber hin, die fremde Dialekte sprechen, um seiner eigenen, dem Gericht ungewohnten Sprechweise - gewissermaßen gleichfalls ein fremder Dialekt - eine entsprechende Aufnahme zu sichern. - toiho 6p6v Skopa~Sixa~ovsagt Sokrates an der eben angeführten Stelle, der Gepflogenheit der Gerichtsrede folgend, die Meinung über den rechtlichen Charakter einer Bitte schon vorwegzunehmen; t Sixaca oder Dem. 43, 16: GEopat 6' 4 p O ~ etwa And. 1, 1: ~ ~ + J o y a6phv Stxaiav Okqutv, d ilvOeeq S t x a a ~ a i ' ~Da ~ . diese Vorwegnahme jedoch als Vgl. Dem. 40,Gl: pdretuea~&&~X@EWS xae&ao.Bar, ferner 8,49; 10.24. Vgl. Ant. 5, 61 63; 6,43; Lys. 7,33; 13,73; 1 6 , l l ; 19,24; 2 2 , l l ; 25,5. Dem. 27, 27; 49,45 48. iez Vgl. Isocr. 15,20 272. Dem. 5 , 3 15; 13,4 14; 19,113 122; 50,3; 5 7 , l ; prooem. 4; 21,4; 2 6 , l . Vgl. auch Anax. C. 18. le3 Vgl. Dem. 27, 65; 37,58 f.. Aesch. 1, 77 ff.; 3, 17 ff.. Vgl. auch Ant. 5,67-70. Vgl. Ant. 5, 7. Isae. 9,34. Dem. 18,9; 29,4; 34, 1; 37,3; 38,2; 47,46; 50, 2. Aesch. 3,61. Din. 3.21. 12'
52
Ausdruck der Anmaßung aufgefaßt werden kr>nnte, fügt er, wie es die Gerichtsrede zuweilen tut, eine Floskel der Bescheidenheit hinzu: 6 5 yE pol Gon61 (ähnlich 36 a 7: 6)s Eyoi 80x6). Dazu sind in der Gerichtsrede Fornieln wie 6)s Eycb voyito (And. 1,56;, EI t t x&yh ruyx&vo ytyvhuxov (Aesch. 3,5), 6)s Eyh o!oyat (Dem. 52,23) zu verglei~heri'~~; der Topos der gerechten Bitte wird mit einer solchen Formel verbunden Dem. 6 i x a ~ a 6s , Y' Eyautbv 23, 19: ä 6fi GEopai TE xai 6EtW naeot ncivtov tpOv ZUXE~V, n e i h - Will der Verteidiger darauf hinweisen, daß es in der Klage nicht etwa Punkte gebe, deren Behandlung er scheuen müßte, so kündigt er an, er werde im Aufbau seiner Rede der des Gegners folgen'26. Daran klingen die Worte des Sokrates an, er müsse sich, da zwei Anklagen gegen ihn vorliigen, auch gegen zwei verteidigen, und er wolle mit der früheren beginnen, um ihrer zeitlichen Priorität und ihrer gröBereri V'irkiirig auf die Richter willen (18 d 7 ff.). - Nach den Ereignissen des Jahres 40413 wird die Beteiligung an der Flucht der Volkspartei aus Athen zum empfehlenden Topos in der Gerichtsrede, z. B. Lys. 2 4 , 2 5 : PET& toü Upetkgou nATji30ug Prpuyov eig XahxiSa, xai EEOv yot PET' EXE~VWV & ~ E W Snohlt~i!~ut?at, pew Gy& ~ikbpqv~ ~ V ~ U V E ~&E ~L & Y v t o v ' SO ~~. empfiehlt Sokrates seinen Freund Chairephon mit den Worten: o h s E y k TE E t a i ~ o s6v Ex viou xai UpWv T@ nhfiitet Etaie6s TE xai uuvkcpuye tfiv cpuyfiv t a h q v xai ps6' UyWv xatijh@e 20 e 8 iT,- Sieht sich der Gerichts-
redner genötigt, auf einen für die Hörer, den Gegner oder ihn selbst peinlichen Sachverhalt einzugehen, so pflegt er darauf hinzuweisen, daB es nun einmal seine Pflicht sei, die volle Wahrheit zu sagen, um damit einer Verstimmung der Richter vorzubeugen, z. B. Lys. 3,lO: haßhv 6fi t 6 y ~ ~ ~ & x(änavta tov y&g 6Ei t&hq6ij ~ E ~ E L &&qv Y)
Ex tijs n6hews lY8.
Entsprechend sagt Sokrates, aIs er auf das Versagen der athenischen Politiker zii sprechen konimt: xai vfi tbv :iiwa, 6vGeeq 'A6qvaiot - 6Ei y&g neos r&l.qOij hEy~tv- 6 yfiv Eyh Exa66v TL to~oütov22 a 1. Auch noch vom Versagen der Dichter sprechen zu niüssen ist ihm peinlich: aiax6vopat o6v iipiv ein~iv,W tivSees, zbhqitii. &pws bE Gqtkov 22 b 5. Dem entspricht in der Gerichtsrede Isae. 5, 13: ne:-?et MevEtevov T ~ V4nke 4yov t e xai UnEp a i ~ t o ünehtrovta, ä l y h aia~uv6yewi; &vayx&toyat 61d t$v i x ~ i v o u novqeiav hiye~v.- Der Gerichtsredner müchte glaubhaft machen, sein IC"
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
Vgl. ~ i i r l iIkm. 58, 7. Aesrh. 3,5. ei yiv o h neei &V Ebiwxs povov xatqy6eqarr A i ~ i v v s ,x&yh negi a h o ü teil neoßovleiryaro; eUB+s 6v &r~~hoyoiJpqv ErcetGfi 6' 06%Ehcitrw hoyov ztihha 6ieEiWv hvfihwxe xai T& d ~ i o t xa~etpeiraatb a you, &va-paiov eivai vopitw xai 6ixa~ovtipa ß g a ~ E '.. . neei .coGrwv ~btaivneotov, h a pT$~i; 6yGv tois E&~6evh 6 y o ~fiypkvos ~ c i h h o ~ ~ ~ ~TWV t a ~VnBe o v tijq yearpflg Gixaiwv rlxoiJn pov Dem. 18, 9. VgI. Isae. 8,G. Isocr. 15,43; 16,3. Vgl. Lys. 28, 12; 30, 15; 31,s. Dem. 19,277. Vgl. Lys. 6, 42; fr. 232, 1. Isocr. 18, 10. Isae. 6.17. Dem. 23, 187; 25, 13; 32,26; 37,55; 39, 3; 40, 10; 45, 4; 58,4 ff.. Aesch. 2, 70. Hyp. 5,2.
53
Gegner gebrauche nur Vorwände, der wahre Sachverhalt sei ganz anders, z. B. Dem. 31, 13: t4v Y&@ &hTj6~tavoxendov, 0 6 ä~ TLS Eauzia>aap&an&@ , 6y~ig'". SOstellt Sokrates eox&6aoeviEenitq8~5~ i tg6 hEyeiv TL ~ O X E W den Vorwänden der Gegner ihr eigentliches Motiv gegenüber (23 d 4) : b a 6E pfi OoxOotv Bnoe~iv,T& xatot n&vtov aOv cp~houocpoi~vtov ne6xetea z a ü t a hEyouutv .. . tot yote Bhq6ij o'ioyat 06%&J ii3Ehot~vAEy~tv,Ött xat&8$0i y i y v o v ~ a ~ ~ Q O U ~ O ~ O ~yEv ~ EEi6hvat, ~ O L E ~ ~ ~ ZOEE oS W v . - Zuweilen beruft sich der Gerichtsredner auf die communis opinio, die sich in allgemein anerkannten Grundsät~en'~", Dichterzitaten'", Äußerungen von AutoritätenL3'manifestiert. So hat es nichts Außergewöhnliches, wenn Sokrates sich 28 c d ff. auf ein Paradeigma aus der Ilias, die Haltung des Achilles den1 Tod gegenüber (18,95 ff.)'33,beruft. Der Gerichtsredner weist darauf hin, daß der Gegner sich bloßstelle, wenn er den Sprecher und mit ihm jene Gemeinauffassung angreife. Demosthenes führt 18,206 aus, der Grundsatz seiner von Aischines befehdeten Politik sei schon immer der Grundsatz Athens gewesen; indem Aischines diesen angreife, wende er sich gegen die Allgemeinheit: tri? yEv E ~ Gt b naeOv ztpijs &P' &nouteqijoat y h i x ~ t a lT& , 6' E ~ Sä n a v t a tOv hotnOv xe6vov EyxWyt' UyOv 8 c p a t ~ ~ i t a(vgl. t Dem. 26,4). Sokrates identifiziert seine Haltung dem Tod gegenüber mit der des Achill und stellt den fiktiven Gegner bloI3: cpaVhot y&e ?hT@ ye CI@h6yq E ~ E Vt6Iv ijyt@Eov Öuot Ev Teoiq ~ E Z E ~ E V Z ~ X o'i TE 6 h h o ~xai B tijs OEttGos ui6s. - Wenn Sokrates 28 d 10 ff. vom mensch-
lichen und göttlichen Feldherrn spricht und sich gegen eine Fahnenflucht aus dem göttlichen Aufgebot (toü 66 6 ~ o üz h t z o v t o ~Xmo~yitfiv z h b v 28 C 4) wendet, so gebraucht er einen Topos, der sich auch in der Gerichtsrede findet: den Topos vom Aufgebot der Gerechtigkeit; Dem. 21, 210: x23v yEv 6@ zoütov, . . . o66Ev, dq Eotx', B8txW. &J 8' En~Eiw,AEhowla 8ei y' &vqenhui3at. Eyo 6' a6t6 zoiwavziov otpai, ei tfiv t&Eiv, ( P ~ Y O U XOLYWVO, toVtov &cpijxa, hehotnEvat yEv, (5 &v81)~g 'A@qvaiot, tfiv toü Gtxaiou t&Etv, ( P ~ Y O U 6' äv E ~ X ~ T W6pautY) S hax~iv,Aesch. 3,7 : MI' &unee äv UyOv Exautog aioxuv6eiq tfiv t&Ew h~neiv,qv av ~ ~ x z fEivj T+ nohEpq, o ü t o xai vüv aiux6v.Bq~eExh~ne'iv t?v t & t i v qv T . ~ ~ x @6x6 E t o v v6pov cp6haxes tqg 6qyoxgatiag zTjv6~~ f i W v eav.
- Der Gerichtsredner spricht seine Zuhörerschaft nicht immer als das
an, was sie ist: eine Versammlung der Richter, sondern zuweilen auch als Gesamtbürgerschaft. So sagt Lysias 12,69: Uy~ig66 En~zekqazea6z3 (SC. dem 'Theramenes) n a q i 6 a xai nai8ag xai yuvaixag xai 6 ~ aGt06g 6 ~ wobei er unter 6yEi5 die Gesamtbürgerschaft versteht, während er an
-
Vgl. Ant. 2 6 2; 6, 7. Lys. 12,6; 13, 12. Dem. 18, 156; 46,9. 2. B. Dem. 18,99 113; 34,50 f. Z. B. Aesch. 1,141 ff.: 6ewefiaate dnoßl&avta~, & biv6ess 'Aeqvaio~,EEC TOUS 6pohoyoupEv~~ Bya6oh~xai ~eqarodqnoiqtci~. Z. B. Solon: Dem. 24,212 f.. lS3 Aischines beruft sich 1, 150 auf dieselbe Stelle, freilich mit anderem Beweisziel.
lS2
~ U L ~
54
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
anderen Stellen (z. B. 12, 100) mit derselben Anrede nur die Richter meint I"". Entsprechend behandelt auch Sokrates seine Hörer zuweilen als Gesamtbürgerschaft, z. B. 28 e 1: &E yEv PE oi 6gxovteg Etattov, oüg Uyfis E ~ L F ~ OGer;~lov E yov, oder 32 b 7 : xcti ilw6v xeheu6vtov xai ßo6vtwv. wnh, .. -*. rend an anderen Stellen mit 6 p i s nur die Richter angesprochen sind (z. B. 35 d 7 ) . - in der Gerichtswelt gilt der Grundsatz, Autopsie sei die sicherste Bürgschaft für die Richtigkeit einer Ansicht oder Aussage; ~ k a ilv b e 6 m O ~ E nL~ u t 6 t e g afiyoüvta~ Ant. or. Fr. 35 Th.: oi y & tivffgwno~ q 015 E ~ &qmvh~ S 5 z i t 6 E~EYXOS rijs & h q f f ~ h(vgl. c Lys. 24, 14). Im Gedanken an diesen GrunCsatz leitet Sokrates mit den Worten vih OE 60äte fih x d -a h o i Ört (31 b 7 1 die Feststellung e i q auf Grund seiner offenkundigen Armut kiinritepi nicht eiiimal seine Gegner hchaupten, er bereichere sich :in seinem eleriktisdien Geschäft. Auch liebt es die Gerichtsrede, Tatsachen gegen hlo8e Worte auszirspielen, z. B. Lys. 12,33: VGV 66 uov tt3 Egya rpavet$ ysyivqrat OUX h g &v~wykvov&hh7OS fi6oykvov toig y~yvoykvot~, q &X t 6 v h6yov tqv q~ijcpovqkpe~v135. AhnWate to6abe dn rGv g ~ y o ~v g fpähhov i lich sagt S4tkrate~32 a 4: peyUha 6' Eywye Uyiv zexyfig~anagEEop,a~ao6twv, OB h6yov:, 6.9.' Ö i.~si;~ L P ~ T Egya. E , - Der Gerichtsrede eigen ist aiich der Topos der Grenze möglicher Unversdiämtheit, der z. B. Dem. 22,65 vorliegt: o h fiv €15 zoüto r 6 h y q ~Sfinov xaineg &V &va~6'11~ &hffot, Gate (P+ a a l . . .IS6. Sokrates gebraucht ihn 31 b 7: vüv 8E Ogäte 671 xai aVtoi Ö t t oi
tn
I
xatfiyoeoi. t6hl.a m h r a & v a t o ~ 6 v t wo ~ü t o xazqyoe06vteg toütb ye o f i ~oIoi TE Eyivovto jracrvaw~tutijon~ xaeaa~6pevotphetvga, 6.15 Eyh nozk n v a q EnQaE&yqv 11 fitqua. - Soll jemand vor Gericht in günstigem Licht gezeigt j~~a8Ov
werden, so wird darauf hingewiesen, daß er sich in kritischer Lage für die richtige S a c k entschieden habe, z. B. Dein. 20,53: yähhov ~ i h o v t o ve6' UPGV t o v t 5 t ~at~atevoapkvov,e1 U GEoL,~ U U X E I V4 xogiq dp6v &x~v66vog aea65o6a~'". Entsprechend sagt Sokrates von sich 32 b 8: pet& toü v6yov
xai roü 61xahv c$qv pahk6v pe 6eiv 6tait~vbuv~fiew 4 PE#' 6yOv y ~ v E 0 8 ap~4 Gixata ßoiAmoyivcw. - Der von Sokrates 32 C 7 ausgesprochene Gedanke,
die Dreißig seien darauf ausgegangen, möglichst viele athenische Bürger an ihrer Schdd zu beteiligen, findet sich auch in der Gerichtsrede; Lys. 12,93: aiwug~J,&i&atpEv y & Upäq ~ OUZ qtiovv, uvv6taßUhhsoffa~6' {voiyxutov, ei; T O ~ O U T W ? n ~ ~ c + ~E Ap Ri ~a V~ T Eii~ore ~ 06 aüw &ya.i3Wvxotvo6y~vo~ naazoiq 61kaS PXTQ~TO, &U6 16%' 6 ~ ~ 1 ~8 E6 T~~ ~ L ~ ~EUVOVS W T E @OVTO S E ~ Y U L " ~ .- Eine gegnerisclie Behauptung kann dadurch erschüttert werden, daß der Gerichtsredner zeigt, ein zweites Faktum, das mit dem behaupteten not-
'" Vgl. Lys. 19,8, 22
14. Isae 7, 5. Dem. 40,32. Vgl. Ant. 2 6 8; 3:r 1 3; 5 . 3 47 84; 6,47. And. 4,27. Isae. 2,38. Dem. 18, 132; 25,42; 55, 14. lSBVgl. Isae. 6, .54 &m. 24. 172. Vgl. Ant. 5.50. Dem. 21,96. Vgl. L y s 25, 13. Ismr. 18,17, 1%
55
wendig hätte gekoppelt sein müssen, sei nicht eingetreten, womit denn die Behauptung widerlegt ist. Isae 3,80 stellt der Sprecher fesE Hätte der Gegner die fragliche Person wirklich geheiratet, so hätte er an den Thesmophorien die Frauen bewirten müssen. Da jedoch letzteres nachweislich nicht eintrat, kann auch ersteres nicht stattgehabt haben1''. Sokrates argumentiert 33 C 8 ff.: Hätte ich die Jugend verderbt, so müßten sich meine einstigen ,,Schüler", inzwischen älter und reifer geworden, gegen mich wenden, oder deren Eltern und Anverwandte. Wenn jedoch nichts dergleichen geschieht, so ist dies der Beweis, daß mir der Vorwurf des Jugendverderbs zu Unrecht gemacht wird (vgl. auch 40 C 1).- Am Ende eines Teils seiner Ausführungen deutet der Gerichtsredner zuweilen an, er könnte noch sehr viel mehr zugunsten seiner Sache anführen, doch das Gesagte genüge; z. B. Lys. 12,95: xai n& d y ä ~pEv ETL nohh6v Ovtwv E W ~ E ~touaGta V hkyw, oder Dem. 22, 46: nohhd hkye~vExov Erb, xai zaG6' inav& e h a vopiI;ov, ~ E & U W ' ~ ~ .So beendet Sokrates seine Verteidigung mit den Worten: ä pEv EYW E X O L ~ 'ilv &nohoyeiu8a~, u ~ ~ 6 6Eozt v taütor xai Ghha b o g t o ~ a ü t a34 b 6. - Zuweilen muß der Gerichtsredner den Hörern etwas unterstellen, das diese beleidigen könnte, worauf er denn geflissentlich versucht, den unangenehmen Eindruck beim Hörer zu neutralisieren. So will Demosthenes 25,86 eigentlich sagen: Soweit ihr Staatsschuldner seid, müßt ihr den Aristogeiton ganz besonders hassen; statt dessen sagt er jedoch: xai pfi PE <noA&ßqte,6 6v6eeg 'Affqvaio~,(35 n& dcpeihovtas Byäg z$ Gqpoaicp 6tahEyea@ato h y & EUTL ~ pfite Y ~ V O L Z Otoüto, 03t' EyO vopiI;o. &hh>E i z 4 TLS Ce' qihog 4 yvOgtp5~EUZW Ev TO~I~OLS, &g 6nhe toinov zoütov neoafixei, pmsiv, roüto ßo6hoyat 616ACa~(vgl. auch 25,43). So will Sokrates 34 C 7 ff. eigentlich sagen:
-
Ihr sollt auf mein Verhalten Ablehnung des Oiktos - nicht mit klein~ licher Erbosung reagieren, sagt aber statt dessen 34 d 1: ~i 64 Z L <@V oÜtos (SC. O~y~affeiq) EXEL 06%&CL&viv y d Eywye, ~ E; 6' 05v - .ht&bxij &V POL 60x65 q O g zoütov hEye~vhkyov &L.. . Unter den bis jetzt genannten Wendungen und Topoi fanden sich gelegentlich solche, denen ein agonistischer Unterton nicht abzusprechen war. Daß sie in die ,Apologie6aufgenommen wurden, muß nach den bisherigen Feststellungen befremden. Es wird jedoch ZU zeigen sein, daß darüber hinaus in der ,Apologie6sogar unzweideutig agonistische Topoi gebraucht werden. Bezieht sich der Gerichtsredner auf ein Ereignis, bei dem einige der Richter zugegen waren, so kann er die Richter selbst als Zeugen anrufeni4', er kann sie sogar auffordern, einander über die Richtigkeit
-
139
'"
141
.
Vgl. Isocr. 17,37. Isae. 2, 19; 3,24 55. Dem. 18, 76 293; 47, 11; 48,45; 52,23 f. 27; 55, 7. Vgl. Dem. 18,50 264; 23,63; 24,187; 27,58; 29,50. Vgl. Ant. 6, 14. Lys. 12, 74 84. Isae. 5,20. Dem. 21, 18; 23,168; 37,56.
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I. Das Verhältnis der Apolcigie zur attischen Gerichtsrede
seiner Aussage zu belehren, z. B. And. 1, 46: neOtov pEv o3v t a ü t a , & 6 ~ 6 ~On6uc~i ~ 5 , 6pGv napijoav, & v a p ~ ~ v ~ o n e xai u 9 etoVc 6hhouq 6 i i j & ~ x e t e ~ ~ ~ . Ebenso geht Sokrates vor, wo er sich gegen die Behauptung wendet, er treihe naturphilosc-phische Studien. Er stellt kurz fest, er verstehe nichts von einer derartigen Eatat.ilpq, und fügt hinzu (19 d 1): p&etueas 6E aG 6pGv t o k xohhoV; naekxcpat, xni @LW 6pä5 &hhfihous 6i6&ox&ivTE xai cpe&Seiv, Öon~EboÜ nhnore &xqx6rte 8 ~ ~ h ~ y o p E v-o unohhoi 6E 6pOv oi tot05toi eioav - ~ & < F T E oUv &hi.i$o~gei xhnox? i j ptxpov pEya fixouoE ttg 6pWv Epoü XEQ~ t o ~ o 6 t wGca~ewpkvou.Nun kennt die Gerichtsrede einen Topos,
der den Erweis e i n e r Tatsache zur Stützung anderer, minder leicht zu erweisender Behacptungen ausnützt. Demosthenes erklärt 18,10, falls das zutreffe,was sein Gegner Aischines über ihn und seine Familie aussage, solle man ihn, Demosthenes, gar nicht erst anhören, sondern gleich verurteilen: ei 6~ nohh@ fkhtici T O ~ T O Uxai Ex ß~hzi6vov... xai EpE xai roGs Epo-jc Usle~hrjrpatexa: y~yvhoxete,roVty pEv pq6' 6nEe tGv 6hhwv xtote6ete . solche Aufforderung, aus (6fjhov $3 6;i i y o i q ärmvt' U r h a ~ z e t c ) ' ~Eine
den1 Emeis der Unrichtigkeit e i n e r Behauptung auf die Unrichtigkeit aller gegnerischen Rehaiiptungeii zu schließen, findet sich auch in der ,Apologie', und zwar in1 Anschlnß an die eben zitierte Stelle (19d 5):
. . .xai 6x rrh~cuv~VGUEUBE Ött iotaik. Euti xai d h h a xoei Epo6 B oi xohhoi hß~ouaiv-Sachlich berechtigt ist dieser Topos weder hier noch ander-
wärts: wenn Sokrates sich nicht mit Naturphilosophie abgibt, ist damit noch lange nicht gesagt, daß auch der Vorwurf des tbv q t t w A6yov xpeirtw xoieiv oder gar der Gottlosigkeit unberechtigt ist. Vielmehr ist dieser Topos durchaus agonistischer Natur. Stehen Zeugen, von denen nach den Darlegungen des Gegners zu erwarten wäre, daß sie sich diesem zur Verfügung stellen, auf seiten des Spreders, so wird er nicht versäumen, diese Tatsache agonistisch auszumiinzen. Demostbenes wirft Aischines vor, er habe die Phoker und ßöntier ins Unglück gestürzt; Aischines antwortet darauf: oi t i ~oVtwv&h76h5 4v Wv U; AEyet~,xatqy6eouv Uv pou BotwtWv xai Qwxiwv oi cpe6yovtey V& 6E. . . ouhhqEvte5 oi ~ ~ E ~ ~ I JBoicutWv V Z E ~ qpqvzai pol 6vvqy6~oug, o to4v Ev
redner sicher sein, daß für eine strittige Behauptung des Gegners kein Zeuge beizubringen ist, so gibt er ir; theatralischer Weise dem Gegner oder auch den Richtern Gelegenheit, einen solchen auftreten zu lassen, und erklärt sich bereit. für diesen Fall seine Rede zu unterbrechen; ist der Gegner dazu jedoch, wie erwartet, nicht in der Lage, so bedeutet dies 142 'U
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Vgl. Ard. 1.37 69. Dem. 50,3. Din. 1,42. Vgl. Ant 5 , 8 . Isocr. 18-52. Dem. 27,5C; 41,24; 49,57. Aesch. 2,92. Ar. rh. 1417 b 37. Vgl. And. 1, 18. Din. 1,51.
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
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einen augenfälligen Sieg. Dieser Topos ist in der Gerichtsrede beliebt; zoüto 1pe6ijeo9a~,Eni ZOG er findet sich z. B. Dem. 57, 61: xai e1 cpaui 6p0Ü G6atoq Öanq ßoi~hstait o h w v d v a v t i a paerueqa&tw, oder Dem. 18,150: t i s OUV EX?L~GEUUEV fi~1.ä~; Eni noias Orexijg; eine d v ei66ta, Oeitov. &hA' 06%äv EXOLS, &hh&xsvn n@o
-
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148
Vgl. And. 1,26 35 55. Lys. 2 0 , l l . Isocr. 15,100. Dem. 18,76 112; 19,32 57; 43, 41; 50,2. Aesch. 2,59; 3,165. ,,Plato.. . presents the most notable example of effective interrogation of an oDDonent in court" Robert J. Bonner, The legal Setting of Plato's Apology, Class. phil. 1908, 175. Vgl. Ant. 5,30. Isae. 12,4 8..Dem. 54, 32; 57, 24 f.. Anax. 48, 24 Sp., Vgl. demgegenüber die schwächliche Nachahmung durch Isokrates 15,33. - Der sachliche, nichtagonistische Hintersinn der Stelle kann sich erst bei einem Vergleich mit den übrigen platonischen Schriften erhellen (s. U. p. 154). Zur Argumentation mit größerer oder geringerer Mehrheit vgl. Isae. 3.37; 7,13.
I. Das Verfräitnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsiibliche
werden, denn das Abstimmungsverhältnis lehre, daß Meletos ohne die Mithilfe von Anytos ond Lykon nicht zum Ziel gekommen wäre (36a 7 ) . Diese ÄuAerung muß befremden, da Sokrates 28 a 6 gesagt hatte: ,,Und das ist's, was mich zu Fall bringt. wenn anders es mich wirklich zu Fall bringen wird, nicht Meletos oder Anytos, sondern der üble Ruf bei der Menge lind deren Gehässigkeit"; hier dagegen wird der Erfolg der Anklage aiif die Persönlichkeit des Anytos und Lykon zurückgeführt. Die Unstimmigkeit l5Bt sich nur daraus erklären, daß Sokrates dort sachlich urteiit, während er hier eine Invektive agonistischen Charakters unternimmt. Sokrates geht so weit, zu behaupten, ohne jene beiden Mitklsger hätte Meletos nicht einmal ein Fünftel der Stimmen für sich bekonimen und wäre, hierfür gesetzlich bestraft, in Verachtung und Schande gefallen lS0. Also ist es cichts mit der Meinung, Sokrates habe nur die Sache im Auge und verzichte grundsätzlicli auf Agonistik? Sokrates' Schliiß, wenn e i n e Behauptung seiner ,,ersten Ankläger" unrichtig sei, niiißten auch die andern falsch sein, steht etwa in der Mitte der von r.. 3 4 sich erstreckenden „Widerlegiin~"nnd beschließt wirksam die Ntlharidhing der I b g e , ob Sokrates Naturphilosoph sei. Es folgt in C. 4 die Abweisung des \iormiirfs, Sokrates betätige sich als Lehrer. Die grol3en Sophisten Gorgias, Prodikos, Hippias werden erwähnt. Fraglos wäre eine möglichst scharfe Zurückweisung der Identifizierung mit diesen „Lehrern6' ein agonistisch wirksamer Abschluß der „Widerlegung" gewesen. Statt dessen preist Sokrates mit einer der Menge iirii.erständlichen Ironie jene Sophisten und bedauert nur, es selbst nicht so weit gebracht zu haben. Mit welcher Entrüstung Leiite vom Sdilnge eines Anytos darauf reagieren mußten, zeigt der .Menon' ( 9 1 C ff.). - Auf die agonistisch so wirksame Angabe von Zeugen folgt die Ablehnung des Oiktos, die den Athener gleichfalls nur verstiinineri kannte. - Und unmittelbar aiif die Invektive gegen Meletos zu Beginn der zweiten Rede folgt der Antrag auf Lohn statt auf Strafe, ein Vorgehen, durch das nach glaubwürdiger Uberlieferung die Zahl der verurkeilenden Richter noch erheblich vermehrt wurde. Sokrates bringt Wendungen, die, obzwar für sich genommen agonistiscl~wirlts:ini, auf Grund des Fortgangs der Rede doch nicht zur Wirkung konimer, können. Für diese Tatsache gab es eine volkstümliche Erkl5riing: Sokrates V e r s t e h e eben nichts vom Reden, deshalb bleibe seine gerichtliche Redekunst in den Anläufen stecken 15'.
Sokrates rechnet mit dieser Mißdeutung; es scheint ihm notwendig, ihr entgegenzutretent6'. Nachdem sein Todesurteil ausgesprochen ist, sagt er rückblickend (38 d 3) : „Vielleicht glaubt ihr, Männer von Athen, ich sei durch einen Mangel an Worten zu Fall gekommen, mit denen ich euch hätte überzeugen können, vorausgesetzt, es wäre meine Meinung gewesen, man müsse alle Mittel der Tat und des Worts aufbieten, um den Freispruch zu erreichen. Weit gefehlt. Indessen, durch einen Mangel bin ich zu Fall gekommen, nicht jedoch einen Mangel an Worten, sondern an Dreistigkeit und Schamlosigkeit und an Bereitschaft, das zu euch zu sagen, was ihr am liebsten hört." Sokrates unterscheidet zwischen einer technischen Fertigkeit und einer sittlichen Einstellung, zwischen der Beherrschung gerichtsmäßiger Redekunst und der Bereitschaft, Gebrauch von ihr zu machen; er hätte wohl anders reden k ö n n e n , aber er habe nicht gewollt. Der Beweis dafür, daß er in der Tat die Mittel der Gerichtsrede beherrschte und auch in ihrem Geist zu reden verstand, liegt in der häufigen Verwendung von Worten und Gemeinplätzen der Gerichtsrede und insbesondere in jenen agonistischen Partien. Daß Sokrates keinen Gebrauch von der gerichtsmäßigen Agonistik macht, sondern sich auf die Andeutung beschränkt, er beherrsche sie, dies verleiht seiner Verteidigungsweise den Rang einer sittlichen Tat, und darin ist auch ein Teil jener geheimnisvollen Spannung begründet, die von dem Sokrates der ,ApologieLausgeht. Da Sokrates die gerichtsmäßige Agonistik beherrscht, kann er mit ihr spielen und sie zu Zwecken gebrauchen, die von dem, was die Gerichtsrede intendiert, weit entfernt sind. Dies geht aus den drei elenktischen Gesprächen mit Meletos hervor (24 C 4-28 a 1). 24 b 8 wird die aktuelle Anklage kurz referiert; ihre Widerlegung in Form von drei Gespriichen mit Meletos schließt sich an. Sokrates leitet diese Partie ein mit den Worten: @qoiyCle S: 706s vEov5 6Sweiv PE fi~acp6~i~ov~a. 6 y 6 SE y ~ &, GVSQES'A6qvaio~,& S w i v cpqp M h q z o Y ÖzL.. . 24 C 4. Eine solche Beantwortung der Klage mit Gegenklagen ist ein xazqyoeoübeliebter agonistischer Topos; Ant. 4 ß 7 : (5s yEv o h OB G~xaiw~ Val &n;~6ES~~xzai POL. k8khw SE zoljs xazqyogoüvz&s pov x6ow 01s Eynalioüaw Evi~xovsa B d 5 &ras 6noSsiEa~'~~. Sokrates wirft Meletos vor: ,,Er treibt init ernsten Dingen Scherz, indem er leichtfertig Menschen vor Gericht stellt und sich um Dinge zu bemühen und zu sorgen behauptet, um die er sich nie auch nur einen Deut gekümmert hat" (24 d 5). Dies nachIEELzuweisen ist der Zweck der drei Gespräche: & SE zoko ozzws EXEL,
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'50 161
And. 1,33. Dem. 1 E , 222 250; 22, 3; 26,9. Hyp. 3,34. Der Redner Artonius bei Cicero, de or. I 3 233: Quonam modo istos philosophos ferre possimus, qui nunc, quum ille (SC. Socrates) damnatus est, nullam aliam ob culpam nisi propfrr d i C e n d i i n s c i e n t i a m , tanzen a Se oportere Vg1.
dicunt peti prnecepta dkendi?
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las
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Daß die ,Apologie' auf einen so naiven Einwand überhaupt eingeht, rührt daher, daß sie sich nicht nur an die wenigen zur Philosophie Berufenen wendet, sondern zugleich auch an die Menge (s. U. p. 156). Vgl. And. 1,30. Lys. 21,20; 24, 15. Dem. 19, 246; 20, 125; 21,110; 55,22. Anax. 88,22 Sp..
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1. Das Verhältnis der Apolagie zur attischen Gerichtsrede
gh00ltat xai 6piv i.;1,6&iEal 24 C 8 ls4. Mit den Worten xai pol ~EUQO, (I> MEhqte, ELITE' 24 C 9 (vgl. Dem. l9,20: &6xetvai y&p Geiie'irvaotol~POL,Lys. 13,32: xai pot &nO5t?iva~,& 'Ay6eaw) leitet Sokrates die Erotesis ein. Ein solches
Verhör des Gegners durch den Sprecher war möglich, der Befragte war sogar gesetzlich verpflichtet, zu antworten. Aristoteles rät, man solle in der Erotesis des großen Risikos halber nur Fragen stellen, die gar nicht anders als jm Sinn des Fragers beantwortet werden könnten; auch empfehle es sich im Hinblick auf die schwache Auffassungskraft der Hörer, nur wenige Fragen zu stellen (rh. 1419 a 17). Tatsächlicli erscheint die Ero-esis in der Gerichtsrede relativ selten155,und mehr als vier 17ragen werden nirgends gestellt. Auch in der ,Apologieckann der Befragte nur knappe Antworten gehen iind erhält keine Gelegenheit zii (;rgcii:iiigi.ifreri. 1):igcgeii ~ r l i i i l tdas Verhör eine ungcwöliriliche Dauer. T1iem:i des rrikri Gespräclis ist die Frage nach dein ErzieliiingsFachmann. Meletcis wird zu dem Eingeständnis gebracht, alle Athener außer Sokrates trogen zur Besserung der Jugend bei, worauf die Unhaltbarkeit dieser Ansicht erwiesen wird. - Das agonistische Verfahren, eine ßehaiiptung des Gegners bis zum Absurden weiterzuführen iind dndiirch zu iiberwiriden, findet sich auch in der Gerichtsrede (Isae. 2,23. Dem. 20,3j.. ebenso die Ausmünzung mangelhafter Antworten des Befragten. Meletos' Schweigen interpretiert Sokrates: Be&, 6 MEhqre, Ö t t niyijg x a i o6x & ~ e t eimiv; g xaitol 06x a i u x ~ 6 v001 ~ O X E&~h a t xai ixavov t e x p i p o v o i 84 lycb Myw, Ö t l uoi o66Ev p~pEiiqxsv(24 d 7), wozu Isae. 11,6 zu verglei&im ist: aiu6&v&a6&Ö t i 06% Exei t t v u u y y 6 v ~ ~ a~ixelv, v &hh' &noxgivetat x a v t a ~iähhovTi Ö 6ei pa6eiv dyäg. Nicht im Sinn der Gerichtsrede dagegeri ist das Ergebnis: dhhd yhg, (I> MEhqte, ixavWs FntG~ixvuuatÖzl o f i 6 ~ n h n o rEcp~6vttuaq ~ r 6 v viwv, xai 6atpWg &no<paiveiqT ~ Vuautoii &pEhelav, 8tl o W v not p~pE?iq:<~v z ~ e &V i EpE E ~ C & Y E L25 ~ C 1. Die Gerichtsredc sieht
im Gegner einen Bösewicht, Sokrates einen Unwissenden (s. p. 39). Im zweiten Gespräch wird die Frage aufgeworfen, ob man mit Wissen und \Villen auf den Verderb seiner Mitbürger ausgehen könne. Meletos miiß zugestehen, daß sittlich verderbte Menschen ihrem Nächsten nur Schlechtes zufügen können. Hätte Sokrates die Jugend absichtlich verderbt, so hätte er absicl~tlichsich selbst geschädigt; das ist jedoch absurd. - ?Vieder benützt Snkrates Mittel der Gerichtsrede. Da Meletos schweigt, weist Sokrates darauf hin, er sei gesetzlich verpflichtet, zu antworten (25 d 2). Ferner verwendet Sokrates den beliebten 1 5 9 i eAuffassung Wolffs, Zweck des Meletos-Verhörs sei es, zu erweisen, die offizielle Anklage sei ein ,in sich nichtiger Reflex der cixE~iha"(1. C. p. 93), ist unscharf und trifft nicht das wesentliche. '65 Lys. 12, 25-26; 13.30; 22, 5. Isae. 11,4. Dem. 19, 120; 39,21. Din. 1,83. Fiktive C ~ < u t q And. a ~ ~ 1, 101. Isae. fr. 3 , 2 , 2 .
4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
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Topos von den Grenzen möglicher Beschränktheit; mit ihm pflegt die Gerichtsrede darzutun, daß eine vom Gegner behauptete Handlung ein Maß von Torheit auf seiten des Handelnden voraussetze, das jenseits der Grenze des Wahrscheinlichen liege; 25 e 1 sagt er: lyW 6E 6.11 eis ~ouoiitov&pa@iaqqxo 6 u t e xai toüt' &yvoG.. . ; vg1. ~ y p 2,6: . &h7 gyh E ~ toüto S &novoia~ qh@ov,wute .. ;und Isocr. 17,47: xai t i 6v ~ 6yOv & ~ L ~ U E L E xatayvGvai you t o o a h q v paviav xai h ~ a @ i a v ' ~ O ;25 e 6 gebraucht Sokrates den Topos des Dilemmas, mit dem der Gegner belastet zu werden Eixwv, Gaze U& ye xat' &ycpbtega qei16n pflegt: 06 Gtacp@eiew,fi E: 6ta
.
Ehhttw ~ o G t o u&6lxeiv ~ Exeivwv voyiua~c p i p ~ t hvhyxq ~, yaiveaBa~U' Bpoiioyeiv, ei 6E miI;w vopi~wv,~ U X E QEutiv, . . . t 0 3 pkv ~ &q)iqg, 2035 6E p4, 06% )ri6q 6iiI.o~ EIneneaxhg t 6 neäyya tofitot5; - Auch den Vorwiirf ungesetzlichen Handelns erspart Sokrates seincn Gegnern nicht: zWv zotohwv &yaetqy&zwv 06 6eÜeo v 6 p 0 ~e i u h y ~ ~Eutiv, v &hhd ibiq haß6vta 6 ~ 6 h a x e ~xai v vouBetsiv ' . . . 06 6E auyyevEaeal yEv 11.01 xai 6iBhEat Ecpuyq xai 06% fi6Ehqua5, 6 ~ 5 68 ~ 0 eiuhyet~,of, v6poc Eutiv EIU&YELY toVS X O ~ & U E W S 6 ~ 0 y E v o u&hh9 ~ 06 p a 6 + ~ e w ~ (26 a 2) ; vgl. Ant. 5,8: neGtov yEv O ~ VOS , naeavophtata xai ßtai6zaza eis ZOVBE tch &yGva xa@ßutqxa, toiizo b p ä ~6 t 6 & @ ~ ' ~ . Innerhalb dieser Auseinandersetzung wird Meletos ironisch als uocp6~(25 d 8), Sokrates als 6ya6fi5 bezeichnet; der Sinn dieser Worte ist derselbe wie der des ersten
Gesprächs. Das dritte elenktische Gespräch wird eingeleitet durch die Feststellung: „Dies, Männer von Athen, ist nun wohl klar, daß, wie ich sagte, Meletos sich um diese Dinge keinen Deut gekümmert hat" (26 a 8). Wenn Sokrates fortfährt: „Gleichwohl sag uns doch" (ÖPWS6E 64 hiye fipiv), so heißt dies, iin dritten Gespräch werde das Beweisziel dasselbe sein wie in den beiden vorhergehenden: die Unwissenheit des Klägers. Thema ist der Vorwurf der Gottlosigkeit; daß der Kläger ungenügend über diesen Vorwurf nachgedacht hat, wird im ersten Teil des Gesprächs (26 a 8 27 a 7) von der formalen Seite, im zweiten vom Gegenstand her erwiesen (27 a 8 - 28 a l ) . Der Kläger wird im ersten Teil zum Eingeständnis gebracht, seiner Auffassung nach glaube Sokrates Überhaupt nicht an Götter. Nun heißt es aber in der Anklageschrift, Sokrates glaube an neue göttliche Wesen (6a~poYlaxatv&), nur eben nicht an die staatlich sanktionierten Götter. In dieser Behauptung von Glauben und Nichtglauben zugleich
-
'Js Vgl. Lys. 3, 29; 13, 18; 21,22; 29,7. Isocr. 21, 14. Dem. 18,51; 19,173; 34,16; 39,6; 46, 17; 57,64. 15 .7 Vgi. Gorg. Pai. 26: ei pEv 05v +C a o q d ~ OGX , fpaetov. EE 8' fipaerov, 05 a o q k ~ i p . odxoüv 61' ciprpbzeea äv E I ~ ~S E U S ~Ferner S . Dem. 21,134; 22,4; 24,188; 26,14; 27,55; 58,46. Hyp. 1,9; 3, 17 31. Lyc. 34 76. Vgl. auch Ant. 1 , l ; 5,16. las Vgl. Ant. 6 , 2 l f.. Dem. 33,3. Hyp. 2, 12; 3,48.
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4. Die Annäherung der Apologie an das Gerichtsübliche
I. Das VerbäE:nis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
liegt ein logischer Widerspruch, der a n Meletos' Aussagen zweifeln 1aßt. Sokrates bringt seinen Gegner dazu, ihm eine Auffassung zuzuschreiben, die in Wahrheit von Anaxagoras vertreten worden war, um dann festzustellen, Meletos behandle ihn so, als wäre er jener verruchte Philosoph, und zähle dabei auf die Unbildung der Richter. Darin liegen agonistische Momente: einmal der Vorwurf, der Anklüger bediene sich der - in Gerichtsreden häufig praktizierten - Methode, die Sache des Beklagten mit einen1 Gegenstand der allgemeinen Eixipömng zu verquicken. Gegen dieses Verfahren wendet sich z. B. Lysias 25, 5: ~ i n e eEGilvavto oi xatfiyopot iGiq PE &GtxoUvta EAE~EuL,06% iXv T& tiuv
-
rprhxovta Uyapmjbtam 6poii xa~qy6povv,066' a v Qovro xpijva~6nEp tiuv Ex~ivot; nexpayyEvwv bti~oii; &infiTX)Lh~tv,&hh> a6toUg toVq &GtxoUvtaq r t p w p e L a 6 a ~ ~ ~ ~ .
Zweitens wird der Geprier durch den Vorwurf belastet, er rechne mit ~ t i u v 8 ~xai O>~ELafizo21q der Unwissenheit der Richter: xai o h i xatacppovei5 dln~ipovqypa~tpinwv&U$. GOTE06% E ~ ~ ~ VÖSL U LT& 'Ava~ay6pov ßtßhia TOS KhaSoy~viouY ~ . ~tobrllrv E L rrjv A6ywv; dazu ist zu vergleichen Lys. 12,87 :&hh& toiy p & p t v ~ a g@tov ibiv: oi rohotg papzvpoihtes aUtiuv xaqyopoiio~,orp68pa Ezrhjapovag xai ~ i ' r f i i ' ~v~o;y i L o v t ~6päq ~ hat.'^, und Dem. 59, 72: o5tw nohii t 6 v v6i~wvxai $GY x ~ T P ~ @ O V ~ [ I EV ~Sehr ~ ~ . beliebt ist in der Gerichtsrede
auch der Nachweis eines JViderspruclis in den Worten oder IIandlungen des Gegners: .,Die meisten der Hörer schließen nämlich aus den Widersprüchen, die in der Rede oder im Handeln auftreten, daß nichts Wahres :in Worten und Handlungen sei" (Anax. 4 3 , 3 Sp.) I'. So stellt Sokrates fest: o%o; ydp Eyoi rpaivstal T& Evavtia AEy~tva 6 d 5 Eavt@ tu ~ f ypacpi~ i (27 a 4) iind schließt hieraus: 6ncatos y' EI, & MEhqte, xai taUta wßym, 6.15 Buoi G o x ~ ko, u u ~ gi26 e 6). - Die Motive des gegnerischen Handelns endlich, auf die Sokrates aus diesem Widerspruch schließen möchte, entsprechen vol1st;nndig dem Bild, das die Gerichtsrede vom ~ ~ 5 nhvv ~ h a i Gegner entwirf:: 6poi $SQ 8oxei o$tooi, 63 8 ~ 8 'A.B.qvaiot, Ußpiar+< xai &x6haatos, xai ixz~xviu~ z+v ypcpfiv t a i q v Üßpe~ttvi xai clxohaoiq xai ve6tqtr ~ o i r q a n 6 a L6 t e 7. So heißt es z. B. Ant. 4 a 6, der Gegner habe aus Frevelsinn iind Ziigellosigkeit gehandelt ( G ~ ~GEE Lxai Stxohaaiq) '". -
Vgl. Lys. 12.62; 14,3&-40. Isocr. 18,40. Dem, 18,59. Aesch. 2.7. Zur Taktik des Ausweichens auf andere Gebiete vgl. auch Lys. 9, 1; 2G,3; 30, 1. Isocr. 16,2. Dem. 18, 15; 19,88 99 213 I. 2848.; 20, 113; 22,46; 37,51; 40,61; 45,50; 58,23. Aesch. 1, 170. IBO Vgl. Lys. 26, I f.. Aesch. 3. 221. Din. 3,3. Vgl. Lys. 9, 17; 14,9; 31, 31. Dem. 30,8; 34,3G: 43, 72; 50, 65: 59,44. X'gl. Ant. 2 ß 3. Isocr. 1 7 , a ff., Isae. 3,33; 6, 43 f. 58. Dem. 24,72; 2 8 , l l ; 31,6; 41,27; 44,51: 4.542; 48, G ; 51, 17. Aesch. 1,94. Hyp. 3, 15. Vgl. auch Gorg. Pal. 25. Ar. rh. 1400 a 14 1119 a 13. I" Vgl. Ant. 3 6 3 ; fr. 67 Th.. Lys. 1 , 2 4 16 25; 3 , 5 7 26 34 40; 8,5; 10,26; 11,9; 14,26 29; 23,5; 32,lO. Dem. 18,3; 21,18; 59.50. - Znr Neigung der Jugend zu Kriminellem vgl. Lys. 24, 16. Ar. rh. 1378 b 27.
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Mit dieser Motivierung kommt Sokrates der Welt der Gerichtsrede sehr nahe, und doch zeigt sich nirgends deutlicher als hier, wie groß der Abstand ist, der ihn davon trennt. Die Gerichtsrede schreibt dem Gegner allen Ernstes üble Motive zu; greift sie zum Mittel der Ironie, so wird der Gegner als ysvvaior;, x e q a z k xahbs xdrya.B.6; bezeichnet, womit das geiiaue Gegenteil gesagt sein soll'". In der ,Apologiec wird er dagegen ironisch als Schurke bezeichnet, wird mit jenen belastenden Prädikaten nur gespielt. Was gemeint ist, geht aus Sokrates' Begründung für jene ironischen Verdächtigungen hervor (27 a 1): Eotxev y&@ 6axsp a h t y p a U I J V ~ L @ E V ~ L~ L C I J I E L Q O'Apa ~ E Vyv&oetac ~~, Loxp&tq8 ~ aocp6~6fi EyoU ~aptsv-ct~opEvov vai Evavti' EpavtQ hEyovto~,fi E~anatfiawa6t6v lcai TOS^ a h h o v ~toJ5 &xo6ovta<; Sokrates geht so weit, seinen Gegner ironisch als
Wissenden darzustellen, der sich seines Wissens so sicher ist, daß er es uniernimmt, seine Mitmenschen in maliziös-scherzhafterls6 Weise aufs Glatteis zu führen. Der Sinn ist eindeutig: Der Kläger soll am ironischen Gegenbild des Wissenden, seine Uberlegenheit boshaft Ausspielenden in seiner ganzen Beschränktheit und Unwissenheit gezeigt werden. Der zweite Gesprächsteil beschäftigt sich mit der Frage, worin der Glaube an die St:ialsgötter sich von dem an Gatw6vta unterscheide. Meletos wird zu dem Eingeständnis genötigt, wer an 6atpbvta (SC. n ~ h ~ p a t a ) glaube, müsse auch an Dämonen und damit auch an die Staatsgötter glauben; die Anklage wegen Asebie hebt also sich selbst auf. Aristoteles führt in seiner Rhetorik (1419 a 6) diese Argumentation als Beispiel einer gelungenen Erotesis an; er empfand sie offenbar als gerichtlich wirksam1", und es besteht kein Anlaß, ihm zu widersprechen. Ini einzelnen sind folgende agonistische Züge zu erwähnen: Zunächst will Meletos nicht antworten; da er schließlich doch eine Antwort gibt, lobt ihn Sokrates ironisch, führt aber seinen Entschluß, zu antworten, auf die Autorität der Richter zurück: 'Qs Ovqoas Özt &ts drn~xpivwUnd zovtwvi &vayxa@pevoq 27 c 4, was eine Schmeichelei für diese bedeutet; vgl. Anax. 86,2: 8&x a i T O ; ~ S ~ x a u t & Cxaivcy s O~gansUaal, G ~ x a a d Gixalot xai G E L V o i E ~ ( J L V ' ~ ~. Dem. 19, 283 werden Worte des Gegners zitiert, die vom Sprecher nun gegen diesen selbst gekehrt werden: 05%
-
Vgl. Dem. 19,126 175; 21,174; 22,32 47; 23,162 169; 24.106 181; 25,55 62; 36, 52; 58,35. Aesch. 1, 73; 2, 24; 3, 212. Din. 1, 44. Vgl. Anax. 57, 24 Sp.. Iffi Zum Vorwurf, der Gegner treibe nur Scherz (27 a 2 ~ a @ t ~ v d ~ ~27&aa7lnait~cv) , vgl. Lys. 24,19: &ate yoi. ooxsi b x a ~ f i y o e oslxsiv ~ n s ~ zfjs i Epqs sßesos 06 i64
WS &$LiTOLOBTOS, hhii) EpE crnod&&w, &hhd naii;wv, 066' d p 6 ~~ t e i a aßouhOp~vo~ ~ notOv. xoyqdeiv ßovhOy~vo~, Wcrzsp TL ~a)i.Ov 16'
Ie7
Vgl. auch Robert J. Bonner, Lawyers and Litigants in Ancient Athens, 1927, p.-257. Vgl. Isae. 1,39. Dem. 18,249; 34, 19; 40, 13; 56,2; 57,56. Aesch. 1,50. Din. 1,107.
64
5. Die Aufiiebung einzelner Gedanken der Gerichtsrede ins Philosophische
I. Das Verhkitnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
&vapvqnßjmoih &T xarlyopuiv Dheyr Tipbpxou, h 5 o66iv Eot' 6cpehos n6hewq ( i r t ~p i vrilca Enl 6 b n o i h a s Pxii (vgl. auch 19,243 f.). So zitiert hier
Sokntes Worte seines Gegners, uni ihm mit ihrer Hilfe eiiie Niederlage zu bereiten: ojxoW 6 a t u b t a d v qqjq PE xai vopiIeiv xai Bdhuxr~v,rit' o i v xarvh E ~ nahxt., E &M
gerichteten Fragen nicht in überreugender Weise entledigen, so wird dies agonistisch ausgewertet, z. E. Isae. 11.4: Ei 66 rot pq6Ev rourwv P ~ E L rineiv, 1x65 ciix f h r y x ~ j n r acpaweGq i EpE pEv ovxocpavtc5v, 61"s 6' Egamrijoat naph T O ~ Sd p o u q tqil"s. Ahnlich schließt Sokrates 27 e 3 aus Meletos' kläglichem Versagen: AM', 6 M t l q i r , o h L r i v 6nwg oU oii$ dnoneteu>pevos i p o v i y p b ~ pr j v y ~ u c p i vraUzqv 4 6nopGv 6 n Eyxahoi ipoi dhq8Eq d6ixqpa.
Meletos ist demnach ein Wissender oder - so uiiwissend. daß er nicht einmal weiß, was er seinem Gegner eigentlich vorwerfen könnte. Beliebt ist in der Geriditsrede der Topos der Unglaubwürdigkeit (z. B. Dem. 52,2i: rG, r a k a nior&. 61 hvbp~qSinaarai; Eyh pEv yhp o66~vioiowi, Lys. 13,75: 066E&ote yhp miost; c466Eva drvbecitnwv 615.. .) 'Ybeliebt auch der Topos des gesunden Menschenverstandes (z. B. Dem. 19,115: Eoztv
-
xaxo8aipwv. Boriq.. . ; Eyh p8v oi8iva o6v oürw rti 6 u ß p h m v "6qtq o!~lai)'~'. Zur Vervollständigung seines Siegs kombiniert Sokrates diese
beiden Topoi; er erweist abschlieGend die gänzliche Unhaltbarkeit von v E ~ o v t a&viIeu>xwv, Meletos' Klage: Onwc 62 06 rtva neiht; &V xai a p ~ x ~ Avoüv
6s 06 ro6 a k o ü i o n v xai 6 a i p h a M ;8eia + ( & i ~ 8 ~ 1xai , aa Gaipova; pjze OEOUSp+e 7jpwag. oiiGep,ia p q ~ a v f Euriv. i
T O abzoü ~ ~(TE
Noch bleibt die Frage, ob die letztere Feststellung als ernsthafte These aufzufassen sei, wie im ersten Gespräch der Gedanke, nur der Kenner der Tugend könne bessern, im zweiten die Behauptung, niemand tue wissentlich Böses. Wolff ist geneigt, dies zu tun: „Der Schluß: wer an G13ttiichesglaubt, glaubt auch an Götter, hat zwingende Gültigkeit, wenn man ihn nur ernst nimmt" (I. C.p. 95)"". Dagegen ist zweierlei eiiizuwenderl. Erstens ist die Beweisführung ausgemacht spielerisch; so, wenn Sokrates erklärt, der Dämonenglaube sei eo ipso mit dem Gliuben an Götter verbunden, wenn anders die Dämonen Kinder von Göttern seien, uneheliche, oder von Nymphen oder von andern Fraiien, wie es eben gerade der Mythos berichte (27 d 8). Zweitens ist zu fragen: Glaubt denn Sokrates wirklich an 6atp6via - von einem Glauben an sctlche geht ja das Gespräch aus. Davon kann keine Rede sein. Vielmehr gibt er zu verstehen, Meletos' Rede von den 8 a i p h a berihe auf einem Irrtum; er berichtigt ihn 31 C 8: (Epoi) 8 ~ i O vt t xai 6 a i p O v ~ 0yiyvetat, ~ 6 64 xai Ev zfi yeacpfi Emxwpq66v MEhqto< $68 169
"0
Vgl. Isae. 3. 23. Dem. 20. 75; 54, 15. Vgl. Ant. 2 9. Isae. 1, 11. Dem. 19, 138; 24, 58; 38, 12; 46, 17. Vgl. auch E. Horneffs, I-c.p.26 f..
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Eypbqaro. Epoi 6E zoüt' Eottv Ex nadAg d ~ ~ b p o v o cpwvfi v, ry ytyvopEvq, ij Ötav yivqtai, drei dnoreknet pe aoGzo 3 äv pEhhw .TCQ&TTEW,neotpEneb 6E oijnore. Hätte Sokrates den Vorwurf, er glaube an Galp6vLa xatvb, ernsthaft behandeln
wollen, so hätte er Meletos' Irrtum aufklären und darlegen müssen, inwieweit seine cpwvq tis ytyvopEvq etwas mit dem Götterglauben der Stadt zu tun habe. Statt dessen zerpflücktter die Worte des Klägers, um sie in sich als unhaltbar zu erweisen; er gebraucht sie zu einer lediglich hypothetischen, zu nichts verpflichtenden Argumentation: 6atpbv~bye vopitw x a z 6 z 6 v o 6 v h 6 y o v 27 C 6; e i 6E Galpovia vopitw, xai Gaiyovas 6+xov nohhj dvhyxq vopitetv pE Eoriv 27 c 8; E i: n E Q Gaipovas ?jyoüpat, 61s o 6 cp fi 5 . . . 27 d 4; E i 6' a i oi 6aipoveg 8ehv n a i 6 E ~E ~ U vL 6~8 0 ~ zwES 4 Ex vvp(~Gv4 Ex ztvwv UAhwv 6 v O j xai h6yovzai 27 d 8. Es muß also bestritten werden, daß Sokrates auch diesem Gespräch eine ernstzunehmende These zugrundelege; vielmehr hat er nur die Absicht, mit allen Mitteln, denen der gerichtlichen Agonistik wie der philosophischen Dialektik, die Unwissenheit des Meletos und die daraus entspringende Konfusion seiner Anklage zu verdeutlichen. Zusammenfassend ist zu sagen: An zahlreichen Stellen der ,Apologie' ist die Ubernahme von sprachlichen Wendungen und Topoi der Gerichtsrede zu beobachten. Deren zum Teil durchaus agonistischer Charakter kommt jedoch nicht zur Wirkung; eine solche wird jeweils durch den Fortgang der Rede ausgeschlossen. Diese Aufhebung des Agonistischen ist nicht auf rednerische Ungeschicklichkeit, sondern auf Absicht zurückzuführen. Die Einflechtung agonistischer Wendungen, die Durchsetzung der Rede mit Ausdrücken der Gerichtssprache kann nur den Sinn haben, zu vergegenwärtigen, daß Sokrates wohl die Mittel der Gerichtsrede beherrscht, daß er, wofern er nur wollte, sehr wohl in der Lage wäre, sich in wirksamer Weise zu verteidigen; zeigt doch zumal die Meletos-Elenxis, in der Sokrates mit den Formen der Gerichtsrede sein ironisches Spiel treibt, mit welch überlegener Kennerschaft er Geist und Form der Gerichtsrede meistert. Seine Verteidigungsweise ist also vielmehr durch sein Ethos bedingt und als sittliche Tat ernstzunehmen. 5. D i e A u f h e b u n g e i n z e l n e r G e d a n k e n d e r G e r i c h t s rede ins Philosophische
Nachdem in1 vorhergehenden Abschnitt die Annäherung der ,Apologie' an Form und Ton der Gerichtsrede untersucht wurde, soll hier ihr Verfahren, das Gerichtsmäßige als Ausgangspunkt zu philosophischer Aussage zu benutzen und damit den Hörer abzuziehen von der Welt der Gerichtsrede, im Mittelpunkt stehen.
7
66
I. Das Verhältnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
Die philosophische Auswertung von Gedanken der Gerichtsrede erfolgt in zweierlei Formen: entweder wird der betreffende Gedanke bejaht, aber nicht einfach übernommen, sondern anders nuanciert, oder er wird rundweg verneint und als Gegenbild zu einem neuen, richtigeren Gedanken benufzt. Die erstere Form liegt in folgenden I~ällenvor: Die allzu eingehende Vorbereitung einer Gerichtsrede gilt als suspekt (vgl. Dem. 21, 191 f.), da man als Motiv das Bewußtsein, eine faule Sache zu vertreten sowie die Absicht, durch ausgeklügelte Manöver zu wirken, anziinelimen geneigt ist. Die Gerichtsredner tun deswegen ein übriges und bemühen sich gelegentlich um den Anschein des Stegreifredens. I h n . 23. 19 etwa zählt der Redner die Themen seiner Rede auf und wciidet sicli d:iriii ans Publikiirii: 8 TL 8fi ßofiheo@E,bgäte, Iva t o k o ?.Eyw x ~ o t o v6ph. neei toij nagav6pov po6heo8~xg6tov; toüto toivvv E~oUpav.Dem. 23.87 hrißt es: ?&/Erbv wet& taüta v6yov. q O ~ Z O L~ O L Y T E S ~ i o i v ' ~ 'man ; glaubt ferner, Einfachheit der Darstellung spreche für
eine Sache, während allzu großes Raffinement sie verdächtig mache; vgl. Dem. 22, 5: vüv oi6a oacp6q ÖTL 06toc 6nhoUv pEv 0682 Oixatov 068Ev Gv eineiv EXOL, EEaxariiv 8' 6pä; Z E L ~ ! ~ G E nlOLttwv ~~L xai naghywv n ~ b sExaota to6twv xaxoi~@yov;h6yov;. Entt yhg, & 6 v s ~ e 5'Afiqvaiot, texvitqq toü ~EYELV, oder Deni. 19,201: 068' EE,EL Eiixaiav 068' 6nlijv ~ixaivdnoloyiav o68eyiavi7*. Beide Gedanken, Ablehnung intensiver Vorbereitung und allzu grof3en Raffinenients, finden sich auch in der ,Apologie6: O&OL $V o h , , 86 pov ~ X O ~ U E nämv U ~ E &onee Ey& hiyw, 71 TL ofi8Er ahy8Es ~ i p j x a o ~ vGyeis t t v dh+#e~av- oij pßvto~CL& Aia, & Civ6ges 'Afiqvaiot, x E x a h l L E n q y E v o V s ye l6yov;, Gone@oi tofitov, o f i ~ a o irs xai Ov6pauiv o68E xexoopqw6vovs, 8hh' 8xo6aeoOe ~ir.3li3 ley6yeva tois E x L t V X o ü rr L v Ov6paolv - niote6w y&g 6 i x a t a ~ h a Ui hEyw - xai prbeii; 6p6v xpoo6oxqohtw 3 J . q 17 b 6. Beide
Gedanken werden von Sokrates weitergeführt. Für die Gerichtsrede ist der Hinweis auf die Ve~dächtigkeitgründlicher Vorhereiliing ein rehtiv i~rierheblicliesngoiiistisclies Motiv, dem die zu seiner Eliminiening hestininitt.ri Versiiche, den Anschein des Stegrc4frcdet-i~Iicrvorzubriiigen, diircliaiis geiiiäß sind. Wenn diigegen in der ,Apologie6das Stegreifreden konsequent durckgeführt wird, wie aus den zahlreichen so Anakoluthen zii ersehen ist. die den Stil der Rede be~limmen"~, geschieht dies aiif Griind einer philosophischen Haltung: der Sokrates der ,Apologie6ist ein hlensch, der nie aufhört, durch denkerische Bemühung, durch Prüfung seiner selbst und anderer (38 a 5) eine An17'
174
Vgl. And. 1,s. Dem. 23,83 111; 24, 122; 42, 19. Aesch. 3, 177. Vgl. Dem. 18,275; 19,201 203; E8,41. Das E)LxG ist nicht mit Morr, Die Entstehung der platonischen Apologie, Reichenberg 1929, p. 7, lediglich auf die dialogischen Teile der ,Apologie1zu beziehen. Belege bei Morr 1.c.p.3 5 3 7 .
5. Die Aufhebung einzelner Gedanken der Gerichtsrede ins Philosophische
67
niiherung an die Wahrheit zu suchen. Will er von dem Rechenschaft geben, was im Augenblick der Aussage seine Uberzeugung ist, so kann er nicht umhin, sich der Stegreifrede zu bedienen; nur sie ermöglicht es, ganz nahe am Gegenstand zu bleiben. - Der Vorwurf rednerischer Raffinesse bezieht sich in der Gerichtsrede nicht so sehr auf den Stil wie auf die spitzfindige, wortgewandte, unübersichtliche Darstellung eines Sachverhalts. Die ,Apologie6zielt jedoch ausschließlich auf den Stil der Rede ab: dem geschmückten, figurenreichen Stil der Kläger wird die alltägliche, unbekümmerte Redeweise des Sokrates gegenübergestellt; der Angriff der ,Apologie6auf die Darsiellungsweise der Gegner entspringt nicht einem agonistischen Bedürfnis, sondern einem rhetorischen Programm 175. Zuweilen benützt die Gerichtsrede bei der Motivierung einer Handlung das indirekte Beweisverfahren. Demosthenes wirft 23,181 die Frage auf, aus welchem Motiv Kersobleptes wohl die Stadt Kardia für sich behalten habe, und kommt zum Schluß, er müsse dies in antiathenischer Absicht getan haben, da er es aus Athenerfreundlichkeit unmöglich getan haben könne'76.So stellt Sokrates 31 a 7 ff. die Frage, aus welchem Motiv die Tatsache zu erklären sei, daß er den Gelderwerb zugunsien des elenktischen Dienstes vernachlässige, und stellt fest, vernunftmäßige Motive ließen sich hierfür nicht beibringen (31 b 7 ) . An dieser Stelle nun verläßt er die geistige Welt der Gerichtsrede und durchbricht ihr Denkschema zugunsten einer philosophischen Aussage: er behauptet, da seine Handlungsweise sich nicht auf vernünftige Weise erklären lasse, müsse sie ein übervernünftiges Motiv haben; da er nicht aus menschlichem Antrieb handle, müsse ein göttlicher Antrieb vorliegen. Dieser Argumentation liegt die Ansicht zugrunde, selbstloser, aufopfernder Dienst an der Aufgabe, die Miti bringen (31 b 5), lasse sich nur aus menschen auf den Weg zur d e ~ t fzu göttlicher Einwirkung erklären. Wie die ,Apologie6 den Gedanken einer verpflichtenden Kraft der 86ta weiterfülirl, wurde schon dargelegt (s. o. p. 33 ff.). Hinter der 66ta steht in der Gerichtsrede nur die Konvention mit ihren Drohungen, in der ,Apologie' dagegen die Norm. Die Gerichtsrede ist der Uberzeugung, volles Unrecht liege nur da vor, wo ein Verstoß gegen die Gesetze wissentlich unternommen werde: Eotw 84 t b ~SLXEGV TA ßh(rnt~~v Ex6vta na& zbv v6pov Ar. rh. 1368 b 7. Der Ankläger pflegt darzutun, der Beklagte habe mit voller Absicht gehandelt177,der Verteidiger dagegen, die Tat sei unvorsätzlich ge1713
177
S. U. p. 117. Vgl. Ant. 5, 24 37. Ant. or. fr. 1 a col. 1,24; col. 3, 12. And. 2,2. Lys. 20,3; 25, 10. Dem. 19,51. Vgl. Ant. 3 ß 3; 3 ß 6; 4 6 4; 5,92. Lys. 3,42. Anax. C.4.
'
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I. Das Verhältnis dsr Apologie zur attischen Gerichtsrede
schehen"'. Auch Sokrates betont, wenn er überhaupt gefehlt habe, dann wider Wissen und Willen (~XUV,26 a 1; 37 a 5 ) . Aber er deutet an, daß es unniöglia'i sel, wissentlich Böses zu tun (25 C 5 ff.), geht also von einer gerichtsüblichen Feststellung weiter zu einer philosophischen These, zu einem Prinzip seiner Ethik. Zuweilen stellt de: Gerichtsredner bedauernd fest, die zur Verfügung stehende Zeit reiche nicht aus, den Sachverhalt erschöpfend Zeitin:iiigel ist auch insofern zu bedauerii, als das zii beliand~ln"~. Verfließen längerer Zeit eine Abkühlung der Leidenschaften nach sich ziehen und so die lJilduri,c eines richtigeren, sachlichen Urteils erniöglichen würde; Ant. 5.86: o: ybe noh?.oi UyWvs~ (wiederholte Verhando ~ 0. lungen) ti ~ikv &h$~ip aihpaxoi E ~ U L ,tf) 6k S~aßohfin o h ~ p ~ & c a t(s. p. 17). Ähnlich äußert sich auch Sokrates 37 a 7. Doch geht die ,Apologie' über die Geriditsrede hinaus: die Zeit, an die sie denkt, ist nicht einfach die des rednerischen Vortrags, die Zeit der Besinnung für die nEns~apatEyW EnWv E I V ~ L Richter, sondern sie ist die Zeit des G~ahCy~a6a~: pqGCva d8lxEiv BvOeWnwv, Bhhd 8pä5 a05t0 06 x ~ i 6 wOhiyov y?ie XQOVOV tihhfiAOLS S L E L h C Y IL E 9 a (37 a 5 ) . Die ,Apologie' ist ein Versuch des 61aAEyeda~;von weiterer Unrerredung verspricht sich Sokrates eine Abkehr der Richter von ihren Vorurteilen und eine Hinwendung zur Wahrheit. Daß ein Gegenangriff die beste Weise der Verteidigung sei, gehört zu den Grundregeln der Gerichtsrede (vgl. Anax. 8 8 , l ff. Sp.; s. o. p. 17; 57 f.). Auch Sokrates bedient sich dieser Methode, indem er seinerseits den Kläger Jfeletos angreift (24 C 4). E r tut dies jedoch nicht so sehr in agonistischer Absicht, als vielmehr mit dem Ziel, an seinem Gepier seine pliilost>phische Uberzeugung zu verifizieren, daß Uiirechttun auf mangelnder Einsicht beruhe. Im Anschluß an die MeletosElerixis geht er außerdem zum Angriff auf die Richter über, auf die Stadt Athen, auf die bestehenden Staaten überhaupt, und zwar in seiner philosophischen Mission als Erwecker (30 e 5) ; dieser Angriff findet sein Ziel in der Aufforderung an die Richter, sie selbst sollten Elenktiker werden (41 e 1). Eine Umkehrung liegt auch vor, wenn der zum Tod verurteilte Sokrztes, anstatt selbst des Trostes zu bedürfen, seinerseits die Richter ermutigt: &hh&nai dpäq X Q ~d, &v6ess G~xautai, 41 C 8. ~UEhni6a~ ~ h ~ a ~ rdv ~ 6 8tivatot s Im Zusammenhang mit Cer V e r n e i n U n g einer Auffassung der Gerichtsrede erfolgt eine Umwertung und Neuorientierung in folgenden Fällen: V@. Ant. 1.3; 5,26 f.; 2 y 1. Vgl. auch Dem. 21, 42; 23,97. Vgl. Isocr. 16, 11; 18,5L; Dem. 27, 12; 40,38; 41,30; 45, 47; 47,82; 48,86; 53,3; 54,44. Din. 1.31.
5. Die Aufhebung einzelner Gedanken der Gerichtsrede ins Philosophische
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Bei Abschluß der Bvztzipqa~s beantragt Sokrates eine Geldstrafe gegen sich in Höhe seines gesamten Vermögens. Materielle Einbuße ist für die Gerichtsrede der Inbegriff der Schädigung. Sokrates weiß dies und betont, er beantrage diese Strafe deswegen, weil sie in Wahrheit keine Schädigung bedeute (38 a 8). 30 C 6 ff. legt er dar, seine Verurteilung würde ihn selbst weniger schädigen - in Wahrheit k n n e er gar nicht geschädigt werden - als die Stadt. Droht der Gerichtsredner mit Schädigung, so denkt er an finanzielle Einbuße, an göttlichen Fluch und seine verheerenden Folgen, a n Auflösung der Staatsordnung; Sokrates dagegen nennt eine ganz andere Art der Schädigung:
. . . &$iio~ Sv &conzaivatte, d t a zbv AomOv ßiov x a 8 E 6 €oi v z E 5 S~atehoize 6v 31 a 5 . Durch den Tod des Erweckers würden die Athener aufs neue in Trägheit verfallen; dies würde in Wahrheit Schiidigung bedeuten. Hieraus ergibt sich das positive Gegenstück: Evza58a pEv 05%(a 01 EABhv &E dpiv p j t ~EpavtQ Ep~hhovpq6Ev 6
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70
I. Das Verhaltnis der Apologie zur attischen Gerichtsrede
fassung folgt die positive Formulierung: zvyx6ve~pEyiatov rlya86v öv M p h q roiiro, hkirn; Ilpßpas nepi dpezqq rod5 hbyoug noieiufiab (38 a 2 ) . Nicht die Rettung der physischen Existenz, sondern die Beschiiftigung mit der Arele erscheint als (i~aß6v.In diesem Zusamn~enhanggebraucht Sokrates acch den Topos vom nicht mehr lebenswerten Leben. Für die Vorstellung der Gerichtsrede hört das Leben etwa beim Verlust eines nahestehenden Menscheii (Eni re y-ip z i rolrov Glarpfiog@ &ßhw h c 6 ~ e v o vroii ßiov 8~6EwAnt. 3 ß 10) oder des Ansehens bei den Menschen (ßios 66 06 ß~ods n i o r ~ w sE u r ~ ~ q p E vGorg. y Pal. 21)18'auf, lebenswert zu sein. Demgegenüber erklärt Sokrates 38 a 5: 6 62 &ve&taaros ßios 04 ß w b ; avfiehnv. Nicht auf äußerlicZien Gütern, sondern auf der sittlichen Exetasis bendit der Wert des Lebens. Nachdem gezeigt wnrde, wie die .Apologie' von volkstün~lichgerichtsiiblichen Vorstelliingen zur Entwickliing philosophischer Gedanken gelangt, miiß noch ein Fall erwihnt werden, wo umgekehrt eine philosophische Aussage in gerichtsmäßige Formen gekleidet wird. 33 a b beschäftigt sich Sokrates mit der Frage, ob man ihn für die sittliche Entwicklung der avv6vtes, seiner „Schüleru, verantwortlich machen kiinli~;er verneint dies: xai TOVL(IV hy& ELTE tiq ~ ~ q u t by qi y v ~ ~ a ~ "TE pil. o l x äv R i x a i q r l v airiav U n i ~ o i p ~ &V, pjrr Uncox6pqv pq6~vJpq6iv n h w ~ ep6091irxwjre iliiOiEa (33 b 3 ) . Juristisch will diese Argumentation
nicht recht einleuchten. Wenn Sokrates in keinem Vertragsverhältnis zu seinen Schülern steht, ist damit sein Freisein von Verantwortung noch längst nicht erwiesen; es gibt außerhalb des Lehrer-Schüler-Verhäitnisses hlüglichkeiten genug, auf Gcs~rächspartnereinzuwirken. Geht man dqgegen von der philosophisch begründeten Vorstellung aus, Sokrates sei lediglich der potentielle Erwecker seiner Gesprächspartner (30 e 5 ) , so leuchtet ein, daß er ni~chtdafür verantwortlich zu machen ist, wie sich die Erweckten und die ob des sokratischen Sporns Haßerfiillten weiterhin entwickelnls'. Die juristische Argumentation ist also nur a l Ausdruck ~ einer philosophischen Anschauung zu verstehen. Zusaninicnfasserid ist festzustellen: Die ,Apologie' setzt der Gericlitsrede eine gedankliche Neiiorientierii~igentgegen. Ausgehend 170mgerichtsübliclien Denken gelangt sie zu necen, wesenhaft philosophischen Anscliauiingeii, indem sie entweder Gedanken der Gerichtsrede übernimmt und umbiegt oder sie ablehnt und ihnen kontrastierend ihre Auffassung entgegenstellt. Hierin liegt der Kern ,des Verhältnisses der ,ApologieLzur gerichtlichen Beredsamkeit: Platon unternimmt in der .Apologiez eine pliilosophische Auseinandersetzung mit dem Geist der Gerichtsrede.
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'so Vgl. Gorg. P d . 20. Lys. 6: 28. Dem. 21, 120; 23, 136.
'81
Vgl. U. P. 105.
11. D A S V E R I - I Ä L T N I S D E R A P O L O G I E Z U M PLATONISCHEN GESAMTWERK
1. D e r g ö t t l i c h e A u f t r a g
Der platonische Sokrates schätzt Berufung auf Autoritäten nicht, nicht in1 Gespräch1, schon gar nicht vor Gericht. „Denn auch dort", so sagt er im ,Gorgias6 (47 1e 2 ) , ,,glauben die einen die andern zu widerlegen, wenn sie für die Worte, die sie sagen, viele angesehene Zeugen bieten . . . Dieses Beweisverfahren ist jedoch hinsichtlich der Wahrheit überhaupt nichts wert." In der ,Apologiec nun geschieht das Merkwürdige: Sokrates beruft sich auf einen Gott als einen verläßlichen und den Athenern annehmbaren Zeugen fiir seine angeblich so götterfeindliche ,,Weisheitu, auf Apollon, also einen Gott, den der staatliche Kult sanktionierte; er sollte erklärt haben, niemand sei weiser als Sokrates. „Gänzlich ohne Falsch ist also das Daimonische und Göttliche", sagt Sokrates im ,Staatb (382 e 6), und in der ,Apologieb selbst, von Apoll: „Er lügt ja doch wohl nicht, denn das ist ihm nicht erlaubt" (BLplg 21 b 6). Ein göttliches Zeugnis müßte also das Sicherste sein, was sich denken läßt '. Demgegenüber überrascht es, da8 Sokrates selbst seiner eigenen Darstellung zufolge zunächst keineswegs geneigt war, das göttliche Zeugnis als gültig anzuerkennen, daß er, freilich vergeblich, sich abmühte, dem Gott nachzuweisen, er irre, also eben den autoritativen Charakter der göttlichen Aussage anfocht. Weiterhin muß zu denken geben, daß bei sonstiger Berufung auf göttliche Potenzen im platonischen Werk etwas eigentümlich Ironisches abwaltet'. Im ,Char-
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Vgl. Theaet. 171 d 3; Phaedr. 270 C 6; Phil. 28 e 7; legg. 638 d 3; P. Friedländer Platon Pi954 p. 96; Eduard Spranger, Sokrates, ,Die Antike' 1931 p. 278: ,Dies ist im Grunde das Neue: Nicht Autorität und Tradition, nicht Lehrer und Erzieher machen dem Menschen eine Gewißheit. Sondern er muß sie selbst aufbringen." Vgl. legg. 641 d 6: .Zu bekräftigen, daß sich dies in Wahrheit so verhalte, während viele anderer Meinung sind, ist Sache Gottes." Zahlreiche Belege für Berufung auf Autoritäten bei Friedrich Pfister, Die Autorität der göttlichen Oflenbarung, Glauben und Wissen bei Platon, Würzburger Jahrbücher 1947 176-188. Jedoch ist die Grundtendenz des Aufsatzes verfehlt. ,Die Orphik.. hat in die Philosophie Platons eine außerwissenschaftliche
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1. Der göttliche Auftrag
11. Dss Terhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
mides' beruft sich der .,Arztu Sokrates für seine ,,BesprechungK des jungen Chxniides auf den thrakischen Gottkönig Zalmoxis (156 d 4). Iin selben Dialog erklärt der junge Rritias, der spätere Tyrann, der delphische Colt wolle mit dem Gruß ,erkenne dich selbst" soviel saaen . . .,.) wie „sei besonnen" - eine platonische Grundforderung (164 d 3 ff Und iin ,Phaidrcisi stiitzt Sokrates seine die scliriftliche Mitteilungsform entwertenden Ausführungen acf das Urteil des ägyptischen Gottkönigs Amman; er erklärt, nur auf den Inhalt von dessen Urteil komme es an, kgt jedoch gerade damit die Frage nahe, warum dieses Urteil dann ni&l ohne Berufung auf diese höhere Instanz mitgeleilt wird (275 b 7 f f . ) . So müssen denn Zweifel an dem Sinn der Berufung auf Apoll warb werden. Entliält diese 13einiiliung einer Autorität ironische Ziige? Oder ist sie g?r ,,nur" ironisch4? Es ist ferner 211 l)eachten, wie dieses Orakel wirkt und wozu es sicli entfaltet. Am Anfang steht jener Spruch des Gottes, niemand sei weiser als Sokrates; ihm antwortet Sokrates mit selbständigem Forschen, das den Zweck hat, die Unrichtigkeit der Aussage des Gottes zu erweiseil "21C 1 22 a 7 ) . Nun erhält beides, der göttliche Spruch und die ihm antwortende Tätigkeit des Sokrates. einen 13edeutungszuwachs. Es zeigt sicli iiäm:icli, ddaS der Gott mit seinem Orakel sich nicht nur an Sokrates wandte, sondern an alle Menschen: er will ihre Auffassung über ihr Wissen richt;gstellen (23b!. Dem entspricht auf Sokrates' Seite das Bemlihen, die eigene Erkenntnis über den Charakter des Wissens der Gepr-jften auch diesen selbst zu vermitteln; zugleich wird seine Tätigkeit, bisher ein Forschen auf eigene Hand, anders akzentuiert: da sie einer Absicht des Gottes dient, erscheint sie als Gotteseienst (BFoU iateeia 23 c 1). Schließlich erfährt der Sinn des Orakels cocli eine weitere Vertiefung: nicht nur Prüfung und Richtigstellung tezweckt der Gotc, sondern Erweckung; Athen soll aufgerüttelt, der ganze Mensch erfnßt werden; so will und befiehlt es der Gott; Sokrates ist sein Werkzeug (28 e 5 30 e), entsprechend der Darstellung im
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Autoritiit einqe2iih-t. auf die der Philosoph sich in entscheidenden Fragen beruft, um d11rc.hden Hinweis auf ein autoritatives Buch, auf eine göttliche Offenbarung, eine Lösung und Entscheidung herbeizuführen, die eigentlich der autonomen Verninft nikommt" (178). Pfister verkennt das Spezifische an diesen autoritativen Ex-scheidungen, sei es nun Ironie, oder, wie in den ,Gesetzenc, die bewußte Einste'lling auf Vertreter der .volkstümlichen Tugend". Heinrich hfaier Sokrates 1913. p. 113: „Der große Spötter hat sich schwerlich den Spaß entgehen lassen. seinen lieben Landsleuten vorzuhalten: seht, euer verruchter Religionsfrevler e-freut sich des besonderen Wohlwollens des delphischen Gottes." Erik Wolff, Griechisches Rechtsdenken 111 1, 28: „Diese ,göttliche Wahrheit' des
[email protected] bedurfte a3er für Sokrates selbst keiner Bestätigung durch ein Orakel, weil sie durch den (dem voijg des Denkers innewohnenden) göttlichen Abyo; genügend leg-timiert war."
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,TheaitetL,wonach der Gott Sokrates zur Mäeutik, zum Leisten geistiger Geburtshilfe nötigt, ja zwingt (Theaet. 150 C 7). Damit wird auch Sokrates' Dienst lebenumspannend und total. E r m U ß philosophieren und prüfen, sich und andere, wenn sein Leben einen Sinn haben soll (28 e 5). Aber das gilt nicht nur von ihm, sondern von allen: ein Leben ohne Prüfung ist nicht lebenswert (38 a 5). Dies also ist aus dem schlichten Orakel geworden, es sei niemand weiser als Sokrates; aus dem einfachen Pflänzchen ist ein mächtiger Baum emporgewachsen. Eine eigentümliche göttliche Ironie scheint in diesem Vorgang zu liegen. Wollen wir versuchen, ihrem Geheimnis näherzukommen, so müssen wir zunächst die „g ö t t 1i C h e n" Z ü g e in Sokrates' Gestalt betrachten, seine A u f f a s s U n g V o m G ö t t e r g l a u b e n und von der g ö t t l i c h e n V o r s e h u n g . 1. Als markantester ,,g ö t t 1i c h e r" Z U g tritt uns in Sokrates das Daimonion5, das „Dämonischec', entgegen. Die Unbestimmtheit der Bezeichnung weist auf die der Sache hin; man weiß nicht, „von Wannen es kommt und wohin es fährt" ', es kommt aus geheimnisvoller Ferne. Darin liegt schon das Zweite: es kommt von außen, es „wird zuteil", es ,,geschieht" an einem (cpovfi zt.5 y~yvopEvq31 d 3 ) . Mithin steht es in genauem logischem Gegensatz zum sokratischen Selbstfinden, zum Rechenschaft-Geben und -Empfangen7. Und schließlich: es wird in direkte Beziehung zum Gott gesetzt. Das „Dämonische" ist zugleich ein „Göttliches" (31 c 8), ist „das Zeichen des Gottes" (40 b i). Fragen wir, was die Leistung dieser göttlichen Stimme sei, so erhalten wir Antwort von der ,Apologie6selbst. Zweimal kommt Sokrates auf die Folgen der Warnung durchs Daimonion zu sprechen. Das eine Mal stellt er fest, es habe ihm und andern „NutzenL'gebracht (31 d 8) ; das andere Mal fällt das entscheidende Wort: Olya66v. Durch ihr Ausbleiben will ihm die göttliche Stimme bedeuten: seine Handlungsweise vor Gericht war eine gute, der Tod selbst ist ein Gut (40 b 7 C 3). Dieses allgemeine Gute ist es auch, worauf jener ,,Nutzen" beruht. I Wofern es nun angeht, von der Wirkung auf die Ursache zu schließen, dürfen wir in vorläufiger Hypothese sagen: der Gott der ,ApologieGist ', ein guter Gott, oder gar: Gott ist das Gute. t
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Die Characteristica des Daimonions es mahnt immer nur ab, es ist das EEW% crqpe"~ - finden sich gerade so in den späteren platonischen Schriften. Belege bei H. Maier 1.c.p. 455. .Es sagt ihm nie, was er tun, nur was er meiden soll" H. Gundert, Platon und das Daimonion des Sokrates, ,Das Gymnasium' LXI 1954, 517. Zitiert nach Ev. Joh. 3 , 8 bei Friedländer 12 35; dort auch der folgende Gedanke. .Diese Stimme ist durchaus verschieden von seinem Logos: sie kommt aus keiner Frage und sie ist keine Vorahnung einer Erkenntnis oder Entscheidung, zu der er von sich aus bereit wäre" H. Gundert 1.c.p. 528.
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Es ist vorhin gesagt worden, selbstandiges Untersuchen und Empfangen einer Weisung durchs Daimo~ionbilde einen Gegensatz. Nachdem nun das Gute ins Blickfeld getreten ist, erscheint dieser Gegensatz nicht mehr als unüberbrückbar. Hören auf den Logos und Hören aufs Daimonion führt gLeichermaßen zum Tun des Guten, Richtigen. Also ist es das Gute, was in beiden Fällen wirksam wird. „Das Daimonion ist der Ausdruck der Macht des Guten Uber den Willen im besonderen Falle" (Stenzel)'; gleichermaßen wirkt das Gute auch im Logos. „Laß uns demgemäß handeln", sagt Sokrltes mit 13ezug auf den „besten Logos" (Crito 4 6 b 5 ) , .,da uns der Gott so leitet" '. Damit wird klar, warum Sokrates die Stimme des Daimonions an beiden Stellen, wo er von einer solche^ berichtet, nicht als gegeben hinnimmt, sonderii, m:t Hilfe des Logos, auf die rational iaßbaren Ursachen der Sti~niiiereflektiert (31 d 40 b 6 ft'.). Und klar wird vor allem, warum Sokrates sich nicht bei dem Orakel Apolls beruhigen kann, sondern, scheinbar den Gott iii Frage stellend, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Spruchs selbstrindig zu ermitteln sucht. Orakel und Logos gehen aus von derselber Instanz; also schöpft Sokrates seine Möglichkeiten, sich ihr zu nähern, nur dann vollständig aus, wenn er sich nicht mit den1 Orakel begnügt, sondern den mühseligen Weg selbständiger Untersuchung einschlägt; was als Beleidigung der Gottheit erschien, erweist sich als Akt der Frömmigkeit - wenn anders jene Instanz Gott, Gott aber in irgendwelcher Weise mit dem Guten identisch ist, das der Logos sucht. Auf einen weiteren „göttlichenu Zug in Sokrates führt die Bewertung der Armut durch die ,Apologiec.Sokrates ist durch seine Aufgabe der hfenschenprüfung so ausgefüllt, daß er für sein Hauswesen (oixeiu) keine Zeit hat und in tausendfacher Pcrniut lebt ( 2 3 b 9). Dies ist dem ,Sophistes6 zufolge bezeichnend für den Philosophen überhaupt, für den „SchwätzerK,wie es ironisch heifat: denn „aus Freude an der Beschäftigiing mit der:: rtigem vernachlsssigt er das eigene Hauswesen" (oimia, 2 2 5 d T)"'. In der .Apologie1 wird aus der Tatsache, daß Sokraies uni seines Tuns willen bittere Armut auf sich nehme, auf die Göttlichkeit seiner Mission geschlossen. Das Neue und Besondere liegt weniger im Ergebnis als in den Grundlagen des Schlusses. Voraussetzung ist: wer sich menschlich-vernünftig betätigt, strebt nach finan-
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1. Der göttliche Auftrag
11. Das Vertäitnis der Apologie zam platonischen Gesamtwerk
Studien zur Entwickl~n; der platonischen D~alektikvon Sokrates zu Aristoteles 1931e, 147 f.. ,Daß ihm jedoch dies? Stimme zuteil wird und daß sie jedesmal mit dem übereinstimmt, was der Auftrag seines Philoso3hierens ist, das weist freilich darauf, da6 auch sein menschlicher Logos aus einem Ursprung kommt, der sonst verborgen bleibt" EI. Gunderf 1.c.p. 527, Vgl. Friedländer 1111930 p. 514.
ziellem Gewinn. ,,Und wenn ich Gewinn davon hätte und um Lohn dieses Mahnen betriebe, hätte ich doch wenigstens einen verilünftigen Grund" (&ov Gv ziva %ov" 31 b 5). Nun hat Sokrates, wie allgemein zugestanden wird, nie von einem seiner ,,Schüler" Geld genommen (31b 7) ; also ist klar, daß er eine Gabe des Gottes an die Stadt ist z0.U 6eo.U 7% x b h a 6 ~ 6 b a 6 u31 t a 8),da ja sein Verhalten nicht dem menschlichen entspricht (06 Y&@ ttv@eonivcl>Eocxe 31 b 1). Nicht vernünftiges, nicht menschliches Verhalten - sollte dahinter nicht am Ende der Gedanke des „giittlichen Wahnsinns" stehen, der im ,Phaidrosb ausgeführt wird? Dort heißt es vom Philosophen: „Wenn er dann aus den menschlichen Beschäftigungen" heraustritt und beim Göttlichen weilt, wird er von den Leuten getadelt, als wäre er verrückt; denn daß er gotlbegeistert ist, entgeht den Leuten" (249 C 8). Gewiß, im ,,Phaidros" ist von enthusiastischer Schau, in der ,ApologieLvon ,enthusiastischer' Tätigkeit die Redei3, aber beiden Stellen ist gemeinsam, daß die Vernachlässigung irdisch-vernünftiger Beschäftigung als Folge der Gotterfülltheit erscheint, der Hingabe an den Gott 14. Und nun das Entscheidende: „Die größten Güter (T&ykyiota r o v Uya8Gv) werden uns zuteil durch Mania, soweit sie gottgegeben ist'' ( k i q pEvtoi 6bmt 6~6opEvq Pliaedr. 2 4 4 a 6). Die größten Güter - dies ist es, was der ,ApologieL zufolge in Sokrates' enthusiastischer Tätigkeit beschlossen liegt, für ihn und andere. „Ich glaube, es ist euch nie ein größeres Gut zuteil geworden in der Stadt als mein Dienst am Gott" (30 a 5). „Das größte Gut für den Menschen ist dies, jeden Tag über die ,Tugendb zu sprechen und das andere, worüber ihr mich Unterredungen führen und mich und andere prüfen hört" ( 3 8 a 2). Der göttliche Wahnsinn, also letztlich der Gott, vermittelt die höchsten Güter, das wahre Gut. 2. Licht auf das göttliche Geheimnis wirft nicht minder die A u f f a s s u n g v o m G ö t t e r g l a u b e n , die Sokrates in der ,Apologie4 entwickelt. Zunächst läßt er es so scheinen, als stünde er durchaus auf dem Boden der volkstümlichen Religiosität. „Niemand, der nach den Gesetzen an das Dasein der Götter glaubt, hat je mit Wissen und Wil11
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Formale Parallele legg. 927 d 5: EE phv. , EI& w a MYOV..:VOV 8e. Vgl. Friedländer 11' 493. J. Stenzel, Literarische Form und philosophischer Gehalt des platonischen Dialoges, 1916, p. 14, sieht in der Mania des ,PhaidrosCetwas der ,ApologieGgegenüber gänzlich Neues: ,Platon tritt damit (SC. mit der ,Lehre6 von der guten Mania) in den stärksten Gegensatz zur eigentlichen Sokratik, wie er sie selbst in der Apologie und im Ion dargestellt hatte.. Sokratisch ist die stärkste Bewußtheit, ist die Fähigkeit des Rechenschaftgebens, ?&OV 6~66vat,die in der Apologie ausdrücklich auch von den Dichtern gefordert wird." Aber eben die ,Apologie' zeigt, daß beides, pavia und koyov 6t66va~,nicht unvereinbar ist. Vgl. auch symp. 218 b 3, wo Alkibiades sagt: "Alle (zumal Sokrates) habt ihr teilgehabt a n der philosophischen Begeisterung und Raserei."
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
fen ein gottloses Werk getar noch auch ein ungesetzliches Wort von sich gegeben", sagt Platon in den ,Gesetzen6 (885 b 4 ) . So versichert der Sokrates der ,Apalqie6. sein Tun sei fromm und er glaube an Götter. Indessen hat diese Versicherung einen ironischen Untertonis. „Ich glaube an Gütter, meine Mitbürger, wie keiner meiner Anklager" (35 d 6)16- was soll das heißen, da man doch unterstellen darf, die Ankläger glariben an Giitter im Sinne des Staatskultes? Ferner: Was hat der eigerLtümlichschillernde Wechsel zwischen der Bezeichnung „(der) Gott" und „die Gatter" zu bedeuten"? Zum offenen Spott wird die Ironie schließlich, wo Sokrates am Ende der Meletos-Elenxis aus seinem - noch dazuhin niißverstandenen - Daimonion auf seinen Glauben an die StaatsgFtfer schließt. Von einen1 Glauben an die Götter Atheiis kann also doch wohl nur in sehr bedingtem Sinn die Rede sein1'. Aber was hat es dann auf sich mit ,,den Göttern", mit „dem Gott"? Nirgends wird bei Platon so eindringlich wie in der ,Apologie6 26 e 1 ff. und 35 c 5 ff.) betont, Frömmigkeit sei unlöslich verbunden mit dem Tun des Rerhtm, Guten. 28 e 1 [I'. Eiilirt Sokrnies aus, er sei vom Gott auf einen Posten gestellt; wie kiirinte er diesen verlassen! „Das wäre furchtbar, und in Wahrheit wiirde man mich dann mit Recht vor Gericht stellen, weil ich nicht an das Dasein von Göttern glaube, da ich dem Orakel ungehorsnrn hin und den Tod fiirchte und mich zueise dünke, ohne es zu sein." Positiv gewandt: an GGtter gIauben bedeutete G e h o r s a m den g ö t t l i c h e n B e f e h l e n gegenüber, F r e i s e i n v o n T o d e s f u r c h t und U n t e r l a s s e n v o n O b e r g r i f f e n a u f f r e m d e Wissensgebiete. Gehorsrrrti gegenüber dem Orakel - daliinler steht der allgemeine Gedanke, der Mensch sei in eine zir&S gestellt, habe eine persönliche Bestimmung'" S ~ k r a t e sunterwirft sich tätig und leidend dieser ReV@. die ironisrh-respcktroUe Auslassung über die Volks-Götter Tim. 40 d G sowie I'linedr. 23G r G. l5 ,Deutlich scliitnmert dnrch die platonisclie Darstellung der überempirische Charakter des Siltlichen durch Und darin liegt endlich der Zusammenhang der sokratischen Ethik mit einer hnchst gereinigten, ausschließlich auf sittlichen Grund gestellten Religion. ,Ich glaube s n Götter wie keiner meiner Ankläger', darf Sokrates erklären. Nämlich er glaubt an die Gottheit als den Ausdruck für die Realität des S ttlichen.' P. Nato-, Platos Ideenlehre 1922e, p. 9. l i ' . ~ e r Gott": 19 a 6; 20 e 7 ; 21 b 3 ; 23 a 5; 23 b 5; 26 e 3; 2 8 c 5 ; 2 8 e 4 ; 2 9 b 6 ; 29 d 3; 30 d 7; 31 a 6; 33 C 5; 35 d 7. ,Die Götter": 18 C 3; 23 d 6; 24 b 9; 26 b 4~2d2;29a3;35d3dj;Pld2. l V ' g I . 11. hIaier 1.c.p 443; J. hforr 1.c.p. 10; F. Solmsen, Plato's Theology, 1942, p. 70. Vgl. Friedländer IP 19. '6
1. Der göttliche Auftrag
stimmung. Im Anfang der Verteidigungsrede - „mit den Göttern muß man ja jeweils sein Reden und Denken anfangen" (ep. V111 353 a) sagt Sokrates im Hinblick auf den Verlauf des Prozesses: ,,Dies mag seinen Gang nehmen, wie es dem Gott lieb ist" (19 a 6). Aber auch tätig verteidigt er seine höhere Bestimmung gegen den Versuch, ihn ins Menschliche herabzuziehen: „Ich werde dem Gott mehr als euch gehorchen" (29 d 3 ) , ein Gedanke, den der ,Phaidros6 in allgemeinerer und um eine Nuance bereicherter Wendung wiederholt: ,,Nicht danach soll trachten, wer Verstand ( ~ 0 % )hat, daß er seinen Mitknechten gefalle, sondern den I-Ierrn, die g U t s i n d und von Guten abstammenu (273 e 8). Freisein von Todesfurcht als Konsequenz des Gottes g 1a U b e n s das ist ein Novum. Nicht minder neuartig ist die damit verbundene Forderung, auch dem Drohen einer ganzen Welt zu widerstehen und den Tod auf sich zu nehmen, wenn die göttliche Bestimmung es erfordert ". Wie muß ein Gott sein, der denen, die an ihn „glauben", verbürgt, daß der Tod kein Ubel ist? Daß Unwissenheit in den bedeutendsten Dingen und fälschliche Anmaßung eines Wissens zum Verhängnisvollsten gehöre, was es gibt, wird Platon nicht müde, zu betonen4'. Bezeichnend ist, daß auch diese Anmaßung den Charakter eines Frevels gegen den Gott annimmt. „Ich glaubte aus nächster Nähe eine Stimme zu hören, die mir verbietet, wegzugehen, ehe ich mich entsühnt hätte, als ein Frevler gegen die Gottheit" %, sagt Sokrates im ,Phaidroscnach seiner ersten, so „unwahren" Rede (242 C 1). Und im ,Philebosc: „In welches der genannten Geschlechter aber, Protarchos und Philebos, müssen wir Einsicht, Wissen und Vernunft stellen, wenn wir uns nicht gegen Gott versündigen wollen" (06%Bv droeßoiyev 28 a 4 ) ? Nur richtige Reden sind gottgefällig. „Wir müssen Götter und Göttinnen anrufen und sie darum bitten, daß alles, was wir sagen, vor allem nach ihrem Sinn, sodann auch, daß es in Ubereinstimmung mit sich selbst sei" (Tim. 27 C 6). Und was ist nach dem Sinn der Götter (xazdr voih kxsivo~g)? Nun zu 35 C 5. Sokrates hat ausgeführt, das Verhalten, das die Kichter von ihm erwarteten, entspreche weder dem xahh noch dem Gixa~ov noch der E ~ < J @und E L fährt ~, fort: ,,Verlangt also nicht von mir, meine Mitbürger, daß ich Dinge an euch tue, die ich weder für gut noch für gerecht noch f ü r fromm halte, zumal ich ja doch, beim Zeus, der Gott-
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,,Einen Gott, der so dem Einzelnen gebietet, dem Drängen und Drohen einer ganzen Welt zu widerstehen, hat die griechische Religion vor Sokrates nicht aufzuweisen" W. Jaeger, Paideia I1 1944, 129. z1 S. U. p. 106. Fälscl~licheAnmaßung eines Wissens führt zu unrichtiger Auffassung über die Götter, ja zu den schrecklichsten Religionsfreveln, legg. 880 e 6 886 b 7.
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1. Der göttliche Auftrag
11 Das Verhältnis der Apologie z u m platonischen Gesanltwerk
losigkeit angeklagt werde von diesem hleletos. Mit aller Deutliclikeit würde ich, x ~ f e r nich euch beredete und durch Bitten nötigte, obgleich ihr doch geschworen habt, euch lehren, nicht an das Dasein von Göttern zu @ i t n ~ b eund ~ i recht eigentlich durch meine Verleidigong iiiidi anklagerl, da13 ich nicht an Götter glaube." Ari die Götter glaul,en und das Fromme, Gerechte, Gute tun ist also eins. Das Gute zu tu11 ist aber nur der inictande, der s e h t gut ist. Gutsein wird somit zur Vorbedingung richtigen Gottesdienstes irn Sinn der ,Gesetze6: „Für den Guten ist Opfern sowie immerwährender Verkehr mit den Göttern durch Gebete und Weihgeschenke und jeglichen Gottesdienst das Schönste und Beste und Förderlicfiste zum glückseligen Leben, wie es denn auch ihm ganz besmders angemessen ist, wogegen für die Röseii von alledem d:is Gc
" Vgl. Fried h d e r 111 665. Verbindung ces 6amv niit Gixaiov und &yai)6v in1 ,Kriton" 54 b 5. Vgl. auch Friedländer IIL 163; Horneffer 1.c.p. 74; Stenze1 Studien p. 163; p. 166: ,,Platon hat stets den Ton a a d ~der spitzigsten Erörterung so zu halten gewußt, daß ein inneriicai begründelri Ubergang zu dem ethisch-religiösen Pathos sich ergab, ja vielleicht wirkt dieses nie stärker, als wo es wie in den letzten Zeilen der Apologie aus den so ganz andern Gedankengängen der Gerichtssprache, ja merkwürdigerweise aus ciner unverhohlenen Skepsis der Volksreligion seiner Zeit gegenüber als innerstrs Wesen des Sokrates leise, doch mit voller Deutlichkeit durchklingt.'' Zum Ausblick auf den Hades als traditionellem Motiv vgl. Wolff 1.c.p. 65. F'@. Friedlinder 11' 341.
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schwer, euch und die hiesigen Herrn zu verlassen, da ich glaube, ich ) ~ ~ Gefährten werde dort nicht weniger gute Herrn (0;ya6oi 6 ~ a x 6 t a 6 und finden als hier (69 d 7), und fährt fort: „Den Leuten scheint das frei.~~~ hat also diirch die Auslese geeigneter lich u ~ z g l « u b l i c l i Sokr:ites Momente der volkstümlichen Hadesvorstellungen und durch die Pointierung auf das Gute hin diese Vorstellungen soweit verwandelt, daß er sagen kann, für den Guten gebe es auch im Tode kein Obel (apol. 41 d 1 ) . Eine tiefe Kluft trennt ihn von der volkstümlichen Vorstellung des klagenden Achill im Schattenreich (resp. 386 c 5)'". 3. Schließlich: Wie erscheint Gott in Sokrates' V o r s e h U n g s g 1 a U b e n ? Zunächst ist festzustellen, daß Gott intensiv Sokrates' Willen zu bestimmen versucht. Er gibt seine Absicht kund durch Or¿ilrelso- darunter ist außer dem Spruch der Pythia auch das Daimonion (4 oiw6via POL p a m x f i 40 a 4) zu verstehen - sowie durch Träume (Ex kavtoiov x a i Bvvxviwv 33 C 5). Ein Trauni sagt Sokrates im ,Il;ritonGden Zeitpunkt seines Todes an (44 a ) , Träume sind es auch, deni ,PhaidonCzufolge (G0 e), durch die der Gott Sokrates immer wieder befiehlt, „Musik6' zu treiben. Der Gott wendet sich außerdem an Sokrates „auf jegliche Weise, auf die überhaupt eine göttliche Zua dem Menschen etwas zu tun befiehlt" (apol. 33 C 6)". teilung ( 6 ~ i poiea) 6oia voiea - mit dieser geheimnisvoll unbestimmten Wendung bezeichnet Platon das göttliche Wirken, die ,,Fügung" 32. ~ E O Vp o i ~ a ,6 ~ i a %fix71ist es, was dem einzelnen und den Staaten ,,Rettung" bringt (resp. 492 e 6; ep. V111 353 b 4) ; sie bringt auch Imponderabilien wie den x a ~ 6 5(ep. V11 327 e 3 ) . In alledem erscheint die 6oia poiea als ,,der Ausdruck einer religiösen Deutung von Erfahrungen, deren Paradoxie nnd hiiherer Sinn glcidi s ~ n r krinpfiiridrn wird" (,Jneger)8a.So hnt ,,Damit ist gesagt, daß der feindliche Gegensatz zwischen hier und dort, wie die gewöhnliche Meinung ihn setzt, aufgehoben wird in der Herrschaft der ,guten Götter' über beide Bereiche" Friedländer 11' 322. 28 Die von Ast herrührende, von Burnet aufgenommene Streichung der Stelle ist zu tilgen. 28 Zum Kontrast volkstümlicher und platonischer Göttervorstellung vgl. Solmsen 1.c.p. 70 ff Zum Orakel als Äußerung eines Gottes vgl. Phaedo 111 b 8, zum Orakel als innerer Stimme vgl. legg. 792 d 1. Zur göttlichen Eingebung vgl. resp. 499 b 7; legg. 804 a 4 834 e 7. S"Vie im deutschen Wort Fügung liegt in 9sia poiea sowohl ein aktives wie ein passives Moment; 6 ~ i yoiea a bezeichnet die fügende Macht wie das, was sie hervorbringt und was der einzelne als ,,Schicksalsanteill' hat (z. B. Phaedr. 230 a 3). Diese Unbestimmtheit und Doppeldeutigkeit des Ausdrucks beruht offenkundig auf Absicht; vgl. die unten zitierte Stelle Phaedo 58 e 5. - Zum Problem der 6 ~ i apoiga vgl. Hellmut Flashar, Der Dialog Ion als Zeugnis platonischer Philosophie, Berlin 1958, p. 54-66. 88 Paideia I1 349.
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11. Das i'erb8llnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Phaidon bei dem merkwürdig wohlgeniuteri Sterben des Sokrates das Gefühl, daß dieser ,auch nicht bei seinem Gang in den Hades ohne fkia p o i ~ agehe" (Phaedo 58 e 5). In der Bezeichniing 6eia p o I ~ aliegt, da8 das Göttliche eile Macht ist, ihre Anwendung auf einzelne wie auf ganze Völker weist hin auf das Umfassende der göttlichen Wirksanikeit. Die Ausführiirige~iin1 zehnten Buch der ,Gesetzec (902 b ff.) iiber Got:es das Kleinste wie das Größte umspannendes M7alten sind letzter, gewaltigster Ausdruck dieses Gedankens. Worauf das Absehen der göttlichen Leitung geht, ist in der ,Apologie' deutlich genug gesagt. ,,Euch überlasse ich es und dem Gott, iiber mich zu richten, wie es für mich und für euch am besten sein wird", sagt Sokrates am Schluß seiner Verteidigungsrede (35 d 7 ) ; später kann er riick1)lirbr:itt fcstslelleii: „So I~eriilitaiicli 111 e i 11 Scliicltsal nicht auf Lufrill, sondern es ist mir klar. d:iß es nun besser für mich war, zu sterben und der Geschäfte ledig zu werden" (41 d 3). Gott lenkt alles zum Besten ". Es ist nur eine folgerichtige Fortführung dieses Gedankens, wenn im ,?haidonC eine Welterklärung aufs Gute hin gefordert wird (99 e 5)36,wenn im ,TimaiosLnach dem Vorgang des ,Phaidon' zwischen den e+-entlicheii Ursachen, dem jeweiligen Endzweck3', und den bloßen Hilfs~usachen,den kamalen Gründen, derer sich jene bedienen, i~iit~rschieden wird (Pliaedo 99 b; 'l'iin. 46 d 7) und wenn dort festgestellt wird, die Welt sei das Schönste von allen1 GewordenenS, der Demiurg das Beste von allem Ursächlichen (Tim. 29 a 5). „lst ein gerechter und frommer und durchaus guter Mann nicht gottgeliebt?" fragt Sokmtes im ,Philebos6 (39 e 10). Die Antwort steht schon in der ,Apolo3ie': Für den guten Mann gibt es kein Ubel, nicht im Leben und nicht nach dem Tode, noch auch wird seine Sache von den Giitterri verriachlässigt" (apoi. 41 d 1). Ähnlich äußert sich Platon in1 ,Syniposion': ,Dem, der wahre 'l'iigeiid gezeugt und aufgezogen hat, kxnmt es zu, gottgeliebt zu werden" (212 a 5)" und in1 ,StaatL:„Wir wollen immer den Weg nach oben verfolgen und Gerechtigkeit ini Bunde mit Einsicht auf jegliche Weise iiben, auf daß wir mit uns sel1)st befremdet seien und m i t d e n G ö t t e r n" (621 C 4). -
Vgl. Solmsrn 1.c.p. 149 R.. ,For Plato the Good is by nature creative and dynamic" (1521. ss Vgl. H. Maier 1.c.p. 438. as Vgl. Friedländer 111 6143. Zum teleologischen Slcment in der Idee vgl. Stenze1 Studien 9. ,Plato would not thir-b that he understood the Universe unless he could show to what extent and in what fashion the Good was realized in it" Solmsen 1.c.p. 108. $9 Umgekehrt: Den Sch1c:hten hassen die Götter; tgl. Menex. 246 d 6; Gorg. 507 e 3; resp. 352 L 1 382 e 3; PtiI. 39 e 13. 54
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1. Der göttliche Auftrag
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Im ,StaatLstehen auch die Worte: „So muß man also bezüglich des gerechten Mannes der Meinung sein, daß, mag er nun in Armut geraten oder in Krankheit oder in ein anderes der gemeinhin für ubel geltenden Widerfahrnisse, ihm dies zum Guten ausschlagen wird im Leben oder nach dem Tod. Denn der wird nicht von den Göttern vernachlässigt, der sich bemühen will, gerecht zu werden" (613 a 4). Der Anklang an die ,ApologieList unverkennbar. Beide Gedanken sind hier vereinigt: daß die göttliche Vorsehung das Gute zum Ziele hat und daß die Liebe und Sorge der Götter zumal d e m Guten gilt. Und wieder liegt die Hypothese nahe, der ,,Gottu der ,Apologie6sei ein guter Gott, oder gar: er sei das Gute. Ist diese Hypothese richtig, so kann das Prädikat ,,gut6' Gott und Mensch gleichermaßeii beigelegt werden. Das würde bedeuten, daß der Mensch Gott nahesteht oder doch nahekommen kann. Daß dem nach platonischer Auffassung so ist, zeigt die zuletzt angezogene Stelle aus dem ,Staat6.Sokrates sagt dort, ähnlich wie in der ,Ap~logie"~,der Gerechte werde nicht von den Göttern vernachlässigt. Glaukon bestätigt dies: ,,Es leuchtet ein, daß ein solcher nicht v o m G 1e i C h e n vernachlässigt wird" (613b 2 ) . Der gute Mensch ist demnach gottgleich oder doch gottähnlich. Die Gottähnlichkeit ist auch der Grund, warum Gott Menschen und ihre Handlungen liebt. „Welche Handlungsweise ist nun Gott lieb und folgt ihm?" fragt Platon in den ,Gesetzen6 (716 C 1 ) . „Nur e i n e , wie sie sich auch in einem einzigen alten Wort ausspricht: das Gleiche ist dem Gleichen, sofern es Maß hat, befreundet, das Maßlose dagegen ist weder miteinander noch auch mit dem Maßvollen befreundet." „Wer nun dem so beschdenen Gott lieb werden will, der muß nach Kräften selbst so werden, und nach diesem Satz ist der von uns, der b e s o n n e n ist, mit Gott befreundet, denn er ist ihm ähnlich." Aber nicht nur auf der Besonnenheit beruht die Gottähnlichkeit, sondern auf den gesamten „göttlichen Gütern", wie sie legg. 631 b 6 ff. dargelegt werden. Dieser Kernstelle zufolge gibt es menschliche Güter Gesundheit, Schönheit, Stärke, Reichtum - und ), schon erwähnte Besonnenheit, ferner göttliche: Einsicht ( C P Q ~ V ~ U L Sdie Gerechtigkeit und Tapferkeit. Ober den menschlichen Gütern stehen die göttlichen, f ü r die göttlichen ist der Nüs maßgebend (631 d 4). Blicken wir von hier auf die ,ApologieLzunick, so zeigt sich, daB in diesen Gedanken die latenten Voraussetzungen der ,Apologie6liegen. Sokrates glaubt an die Götter wie keiner seiner Ankläger (35 d 6). Inwiefern? „Was deinen Glauben an Götter betrifft", sagt Platon in den ,Gesetzenc (899 d 6), ,,so treibt dich vielleicht eine gewisse Verwandtschaft mit dem Göttlichen dazu, das Verwandte zu ehren und an sein
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" Vgl. Friedländer 11' 406.
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11. Das Verhältnis der A2ologie zum platonischen Gesamtwerk
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Dasein zu glauben" ". Sokrates weiß sich im Dienste des Gottes (23 C 1 30 a 6). Damit, daß er den einzelnen ihre Unwissenheit nachweist, kommt er dem Gott zu Hilfe (T@ *E@ POT@% 23 b 7)". Warum ist der Gottheit am Naehweis dieser Unwissenheit gelegen? Weil sie „die y i y ~ a t a22 d 7) betrifft, nämlich die „Einsichta größten Dinge" (22 a 6 29 e 1 36 c 7 ) und die Aret6 der Seele überhaupt (20 b 4 29 e 2), also die ,,gkittlichen Güter" der ,Gesetze6; dadurch wird klar, daß Sokrates bei seiner „Hilfe für den Gott" das eigene Anliegen der Gottheit betreibt. - Schließlich: Sokrates beruhigt sich nicht bei dem göttlichen Spruch, sondern sicht dessen Richtigkeit oder Falschheit mit Hilfe des Logos in selbständigem rationalem Bemühen zu erweisen. Den ,Gesetzer:' sufolge gehört der Logos den1 Bereich des Nüs an. Inden1 Sokrates durch Mittel des Geistes dem göttlichen Geheimnis, dem pythischen Spruch. nahezukommen sucht 48,bedient er sich eines ,.göttlichen Gutes" 44, noch mehr: eines Gutes, das noch über den göttlichen Giiterri steht nnd sie in ihrer Giittliclikeit mit bedingt. Bis hierher haben wir versucht, dem Geheimnis des „GottesG der ,Apologie' niiherziikomrnen durch Untersudiiirig der Reflexe des Göttlichen i n der Pers~nlichkeitdes Sokrates, in seiner Auffassung vom Götterglniiben iinB seiner Beurteilung der göttlichen Vorsehung. Wir gewannen den Eindruck. ,,GottGsei irgendwie mit dem Guten identisch, und der gute Mensch rückte aahe an die Gottheit heran. Dies wäre jedoch einseitig, wollten wir nicht auch umgekehrt fragen: wie nimmt sich Sokrates aus im Spiegel Gnttes? „Jedesmal glauben die Anwesenden", sagt Sokrates (apol. 23 a 3), „ich sei auf dem Gebiet weise. wo ich einen anderen widerlege. Doch scheint darin, ihr hfiinner, in Wirklichkeit der Gott weise zu sein, und mit cterii bewiißteii Orakel dies zu sagen, die inenschliclie Weisheit sei recht wenig wert, ja gnr nichts. Und allem Anschein nach meint er mit diesem Spruch nicht den Sokrates", sondern gebraucht nur meinen Nanien iind macht mich zum Beispiel, wie wenn er sagen würde: „Der von eiidi, ihr Menschen, ist der weiseste, der w i e Solcrntes erkannt hat, da8 er in Wahrheit gar nichts wert ist vor der Weisheit." Die mensch"
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Zum selhen Gedanken s. Prot. 322 a: vgl. Friedländer IZ 346, 7. Zum Vergleich mit dem Euthyphnm' s. Morr 1.c.p. 40 Anm. 34. Zur Vereinig~ingvon Wissen und Glauben durch vOqais vgl. Stenzel, Literarische Form nnd philosophischer Gehalt des platonischen Dialoges p. 10. Legg. 644 e 5 1äBt der Logos die vernünftige Uberlegung (hoyiayOq) als maßgeblich und .heilig" erscheinen. ,,Es ist zuzugehen. Caß an der wahren Meinung jederman teil hat, am Nüs die Götter, das Rlensche~grschIechtdagegen nur ein klein wenig" Tim. 51 e 5. Ich folge der Ronjektctcir von F. X. Wolf: roGt' 013 statt des toütov der Handschriften 123 a 8); das folgende 66 bliebe sonst bezieliungslos.
1. Der göttliche Auftrag
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liche Sophia erfährt also angesichts der göttlichen Weisheit eine radikale Abwertung. Eine ungeheure Distanz tut sich auf zwischen Mensch und Gott; die I<ümmerlichkeit des Menschen wird offenbar im Blick auf das göttliche Absolute. Nur einmal hat Platon noch in seinen Werken eine ähnliche Gegenüberstellung von Mensch und Gott vorgenommen: in den „Gesetzenu. Mitten in einer Erörterung über die Erziehung des Menschen, die doch wahrhaft als wichtig erscheinen sollte, tut der Athener die erstaunliche Äußerung: ,,Es sind nun die menschlichen Angelegenheiten ernsten Eifers nicht wert, indessen ist es notwendig, sich um sie zu bemühen; dies ist jedoch bedauerlich genug" (legg. 803 b 3). Wie er zu dieser Auffassung kommt, sagt er kurz darauf: ,,Ich behaupte, man müsse das Ernsthafte mit Ernst betreiben, was nicht ernsthaft ist, nicht, von Natur aber sei Gott alles seligen Eifers wert, der Mensch dagegen, wie wir vorhin sagten, nur ein künstliches Spielzeug des Gottes, und dies sei in Wahrheit noch das Beste an ihm." Wie in der ,Apologie6erscheint der Mensch als nichtig vor Gott. Das bedeutet, daß alles Sinnen und Trachten des Menschen sich auf den Gott konzentrieren müsse. Dies ist es nun eben, was die ,Apologie' im folgenden an Sokrates demonstriert: er geht ganz auf im Dienste des Gottes, wendet sich an Bürger und Fremde, forscht und fragt, „hilft dem Gott". ,,Und infolge dieser Beschäftigung habe ich keine Zeit, irgend etwas Bemerkenswertes im Staatsleben zu leisten oder auch in meinem Hauswesen, sondern ich lebe in tausendfältiger Armut wegen des Dienstes am Gott" (23 b 7). Der Mensch sei, vom Wissen des Nicht-Wissens abgesehen, gänzlich unwissend, die menschlichen Angelegenheiten und mit ihnen die Erziehung unwert des Eifers, den man an sie rücke - können wir uns dabei beruhigen? Die Wichtigkeit, die Sokrates in der ,Apologie6der Sorge um die Seele beimißt, die Sorgfalt, die Platon dem Problem der Erziehung in den ,GesetzenLwidmet, scheinen gegen eine solche Geringschätzung zu sprechen. Und auch das Nicht-Wissen ist in der ,Apologie6durcliaus nicht so radikal. Mit einiger Bestimmtheit äußert Sokrates z. B. 21 b 6: „Gott lügt doch wohl nicht; denn das ist ihm nicht erlaubt", 30 b 2: „Nicht kommt aus Geld Tugend, sondern aus Tugend Geld und alles andere, was für die Menschen ein Gut ist, privatim wie öffentlich", und 29 b 6 versichert er gar: „Da8 Unrechttun und Ungehorsam gegenüber dem Besseren, ob Gott oder Mensch, schlecht und schändlich ist, w e i ß i C h." Wie relativ das Nicht-Wissen des Sokrates ist, zeigt eine Stelle des ,Gorgiasb (509 a 4). „I C h bleibe immer bei derselben Rede, daß ich nicht weiß, wie es sich damit verhält, daß jedoch, so wie jetzt, keiner von denen, die ich getroffen habe, in der Lage ist, eine andere Ansicht zu äufiern, ohne sich lächerlich ZU machen. Ich halte also meine Ansicht für die richtige."
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Nun wieder zu unserem Passus aus den ,Gesetzenc. Der Athener führt aus, nur die kultischen „SpieleGbseien mit Ernst zu betreiben; seine Worte gipfeln in der Feststelfurig, die Menschen seien weithiii bloBe Drahtpuppen, die an der Wahrheit nur wenig teil hätten. Hier wird es dem Unterredner Megillos zu viel. „Du machst uns das Menschengeschlecht durch und durch schlecht, mein Freund" (804 b 3 ) . Die Antwort des Atheners bringt die entscheidende Wendung. ,,Wundere dich nicht, mein Megillos, sondern sieh mir's nach: ich sprach i m H i n b 1i C k a u f G o t t und unter dem dargelegten Eindruck. So sei denn, wenn dir's lieb ist, unser Geschlecht nicht verächtlich, sondern einigen ernsten Eifers wert." Eine Äiißcriing iiber Wert oder T-nwcrt des Menschen ist demnach eine Sadie des Aspektes. Sieht man den Menschen auf der Folie Gottes, so verschwindet er beinahe, wird ein Nichts, ist bedeutungslos; sieht man den Menschen dagegen auf dem Hintergrund des Außer- und Untennenschlichen, so scheint er ein:ger Beachtung wert. Kehren wir mit dieser Einsicht zur ,Apologie6zurück, so ergibt sich Entsprechendes. Neben der Fülle der göttlichen Weisheit erscheint Sokrates' Wissen als wenig mehr denn nichts. Steht Sokrates jedoch Menschen gegenüber, die auch jenes lächerlich geringe Wissen nicht besitzen, so wirkt er auf der Folie ihres Nicht-Wissens als Wissender. Sokrcrtes ist also wissend und nicht-missend zzzgleich. Noch ein Letztes zeigen die ,Gesetzet. Der Mensch sei denn doch einiger Mühe wert, hieß es. Und zwar sei das, was man am meisten mit Ernst betreiben müsse, die Erziehung (803 d 6), sie sei nämlich nicht wie das Kriegswesen beziehungslos oder doch wenig sinnvoll ( d 4 f . ) . sondern a u f d i e G ö t t e r g e r i c h t e t , zumal in ihrer wesentlichsten Form, in den kultischen „Spielena (e 2). So sehr also die „menschlichen Angelegenheiten" vor Gott gering erscheinen, von i h m h e r erhalten sie ihren Sinn, von ihm her die Bedeutung, die ihnen denn doch ziikommt4'. So kann Sokrates den Athenern die Wichtigkeit der Sorge für die Seele im Gegensatz zu Erwerb von Geld und Ansehen vorhalten: denn der Gott hat ihm durch sein Orakel selbst kuiidgetan, daß ihm an der Seele des Menschen gelegen sei, daß sie, mit den ,Gesetzen6zu reden, ernsten Eifers wert sei. Vom Gott her bestimmt sich die Ordnung des menschlichen Bereichs, die Hierarchie der Werte; Gott ist das Maß aller Dinge (legg. 7 16 C 4 ) . Das bedeutet: Gott ist das Gute. er allein ist gzzt. „Ein Gott kann unmöglich sich selbst verändern wollen, sondern wie es scheint bleibt jeder von ihnen immer durchaus in seiner Gestalt, denn er ist ja so 46
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonische11Gesamtwerk
Vgl. Friedländer 12 130. Davon, daß ,der Wert des Menschen in den Augen des Greises gesunken" sei (Friedländer 111 6:3), kann jedoch keine Rede sein.
schön und gut als irgend möglich" (resp. 381 C 7). ,,Gott ist in keiner Hinsicht irgendwie ungerecht, sondern so gerecht als nur irgend möglich" (Theaet. 176 b 8). Die Güte Gottes ist der Maßstab, an dem die des Menschen gemessen wird. „Wenn er's geworden ist in diesem Zustand zu verharren und ein guter Mann zu s e i 11, wie du sagst, mein Pittakos, ist unmöglich und nicht Menschensache, vielmehr dürfte G o t t a 11e i n diese Würde zukommen" (Prot. 344 b 8)47. Einen untadligen Menschen gibt es nicht; ,,es genügt mir, wenn er mittelmäßig ist und nichts Böses tut" (Prot. 346 d 7 ) . Ferner: Gott allein ist weise. „Kein Gott philosophiert und begehrt weise zu werden: denn er ist es schon" (symp. 204 a 1). ,,Das Göttliche ist schön, weise, gut" (Phaedr. 246 d 8 ) . Die göttliche Weisheit gibt das Maß für die menschliche. Im ,Phaidrost heißt es von dem, der um die Wahrheit weiß (278 d 3) : „Die Bezeichnung ,weiseLscheint mir für ihn zu hoch gegriffen und a 11e i n dem G o t t angemessen zu sein, dagegen dürfte die Bezeichnung ,ein Freund der Weisheit' oder etwas derartiges eher zu ihm passen und besser zu ihm stimmen." In der ,Apologie6wird vom Gott her Sokrates, dem „Philosophen" (28 e 5), der Platz angewiesen zwischen göttlicher Weisheit und gänzlicher Unwissenheit@'; im ,Lysis6heißt es: „Die bereits weise sind, philosophieren nicht mehr, mag es sich nun um Götter oder Menschen handeln; noch auch philosophieren die, deren Unwissenheit so weit geht, daß sie schlecht sind: denn kein Schlechter und Unwissender philosophiert. Es bleiben also übrig solche, die wohl dies Ubel an sich haben, die Unwissenheit, die jedoch noch nicht unter seiner Einwirkung unfähig geworden sind, zu erkennen und zu lernen 40, sondern auch vermeinen, nicht zu wissen, was sie nicht wissen (218 a 2). Die reine Wahrheit hat nur Gott; ,,solange wir den Körper haben und unsere Seele vermengt ist mit einem solchen Ubel, werden wir nicht in zureichendem Maße erwerben, wonach wir streben; es ist dies aber, wie wir behaupten, die Wahrheit" (Phaedo 66 b 5). Ist es Ironie, so hatten wir zu Beginn gefragt, wenn Sokrates in der ,Apologieb seine Tätigkeit auf einen Orakelspruch des delphischen Apo11 zurückführt. Inzwischen hat sich gezeigt, wie sehr die Berufung auf den Gott ernst zu nehmen ist. Und doch steckt eine Ironie darin. 47
Vgl. Phaedr. 246 a 7; Tim. 29 d 7; Solmsen 1.c.p. 111; 149: .But that the Deity is good had always been one of Plato's fundamental convictions." ,Vgl. auch die scharf formulierte Alternative Euth. 10 a: Wird das Fromme von den Göttern geliebt, weil es fromm ist, oder ist es fromm (nur) deshalb, weil es von den geliebt wird? Die Frage zielt auf die Gleichsetzung des Göttlichen mit Göttern -. dem Guten" Jaeger 111 38OS2. Zwischen beidem gibt es natürlich viele Stufen; vgl. Friedländer 11' 316 zu den fünf ersten Reden des ,Symposions'. Vgl. Jaeger I1 262. V
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4B
11. Das Verhältnis der Apologie zum pLatonischen Gesamtwerk
„ApollonUist hier nicht der Gott der Volksreligion, sondern ein unendlich Gutes, Reines, Weises", gleichwie die „Aphrodite4' des ,Pliilebos' sich als „Ursachec' von Maß, Schonheit und Ordnung enthüllt - die wahre Aphrodite nämlich6'. Doch das Letzte läßt sich nicht aussprechen. Die Sonne selbst kann man nicht anschauen, man kann nur versuchen, in ihren Reflexen ihr Bild zu erfassen (Phaedo 99 d 5 ) . So liegt denn in Sokrates' Beziehung auf den delphischen Gott - bezeich..--nendenveise nennt er ihn nie bei seinem Namen Apollon - eine Ironie6', die aufs Absolute hinweist. Wir sind ausgegangen von dem Auftrag Apolls an Sokrates und fragten, was für eine Bewandtnis es mit dem Gott habe. Zunächst betrachteten wir Gestalt und Denken des Sokrates und fanden in ihm Reflexe des Giiftlichen, ja er schien sich, giif wie Gott gut ist, den1 Göttlichen anz~irinlierri.Sodann wandten wir den Blick und versuchten, den Gott selbst und im Spiegel des Göttlichen die Reflexe der SokratesGestalt zu erfassen. Dabei tat sich eine ungeheure Kluft auf, die Kluft zwischen dem Absoluten, Vollkommenen und dem Bedingten, Mangelhaften. Doch ob gottnahe oder gottfern, Sokrates - und mit ihm der Mensch iiberhaupt - schien in dem, was sein Leben sinnvoll macht, was ihm Maß gibt und ihn in eine Ordnung hineinstellt, ausschließlich auf den Gott angewiesen zu sein. Nur vom Gott herK3,vom göttlichen Auftrag, kann Sokrates verstanden werden.
2. S o k r a t e s ' B e t ä t i g u n g
„Dieser Mann schien mir vielen andern Menschen weise vorzukommen lind ganz besonders sich selbst, es aber nicht zu sein" (21 C 5). „lJnd dann, clnchte ich, finden sich mehr als genug Menschen, die g l R U b e n , etwas zu wissen, tatsächlich jedoch wenig oder gar nichts wiswri" (23 C 6). „Denn den Tod fürchten, ihr Männer, ist nichts anderes als sich weise d ü n k e n ohne es doch zii sein" (29 a 4). Gleich einem L e i t r n o t i ~wiederholt ~~ sich in der .Apologiec die Rede vom anVgl. Jaeger 111 321 zu den ,Gesetzens: ,An die Stelle der individuellen Polisgötter ist das ,Maß aller Dinge' getreten, das platonische Agathon, die Urgestalt aller Arete." K1 Vgl. Friedländer 11' 574; 576. Vgl. Friedländer Ie 156 f.. M ,,Plato ist der Theologe der klassischen Welt. Ohne ihn würde die Theologie des Abendlandes weder der Sache noch dem Namen nach existieren" Jaeger 111 8. 6"eitmotivische Wiederholung ist ,eine Eigentümlichkeit des jungen Platon, die sich überall da findet, wo es ihm darauf ankommt, eine wichtige Vorstellung besonders hervorzuheben" Wolf Steidle, Der Laches und das Verhältnis Platons zu Athen MH 1950 p. 141. Dort Hinweise auf ,LadiesC,,Ion', ,KritonS.
2. Sokrates' Betätigung
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gemaßten Wissen65.Wissen und Scheinwissen ist das zentrale Thema der ,Apologie6;nicht von ungefähr: denn die Entlarvung des Scheinwissens ergibt sich zwangsläufig aus dem göttlichen Auftrag, der das ganze Geschehen bestimmt. Sokrates prüft, ob jemand weiser sei als er. Diese Tätigkeit hat zwei Komponenten, eine s a C 111i C 11 e und eine p e r s ö n 1i C h e. Sokrates untersucht die „Weisheit6' des andern. Bei negativem Ergebnis - dies tritt regelmäßig ein - läßt er es nicht bei seiner Feststellung bewenden, sondern sucht dem andern begreiflich zu machen, daß er das Wissen, das er sich zuspricht, nicht besitzt. Dementsprechend ergeben sich für uns zwei Fragen. Was ist es für ein „W i s s e n", das Sokrates beim andern sucht? Und was bezweckt Sokrates, wenn er den andern zur E r k e n n t n i s seines Nichtwissens zu führen sich bemüht? Zunächst zur ersten Frage. Dreimal wird in der ,Apologie' etwas ausgesagt über den Charakter des gesuchten Wissens: erst in der ,,Erzählung", die sich mit dem ZuzoG standekommen der „ersten Anklage" befaßt, dann in der E~EYSLS ßiou, die der aktuellen Anklage antwortet, und zuletzt in der Antitimesis. Die drei Aussage-Komplexe bilden eine aufsteigende Stufenreihe; die folgende Stufe bringt jeweils eine weitere Enthüllung des gesuchten Wissens. Auf der e r s t e n S t U f e wird exponiert, in welcher Form sich Sokrates' Tätigkeit vollzieht. E r geht hin zu dem einzelnen und untera641 21 C 5 ) . Bei diesen Unterredungen redet sich mit ihm (G~ahey6p~vos geschieht es, daß der andere als nichtwissend erscheint, daß das hahEyea8a~zur E 1e n k t i k wird - und dies ist nun schon ein Stück SOkratischer „Methodea. Vermag Sokrates so das Nichtwissen der anderen zu erweisen, so müßte er selbst - diese Annahme liegt nahe - das Wissen kennen, das jenen fehlt; und zwar, seiner eigenen Auffassung zufolge, nach der er von Meletos, dem Kenner des Jugendverderbers, verlangt, er müsse auch den nennen können, der die Jugend besser machtbs,gleichwie es nach ,Ionb 531 d 12 Sache desselben ist, den, der gut und den, der schlecht über einen Gegenstand spricht, zu erkennen, auf Grund ein und derselben Episteme, gleichwie der ,Phaidonb statuiert, notwendigenveise müsse derselbe über Besser und Schlechter Bescheid wissen: 56
Außer den angegebenen Stellen apol. 21 d 4 22 C 5 22 d 6 24 C 7 24 d 7 25 C 2 29 e 5 41 e 5. Vgl. auch ,Simonides" über ,,Pittakos" Prot. 346 e 4: ,Nun aber bist du über die größten Dinge im Irrtum und glaubst doch, die Wahrheit zu sagen; dies ist's, weshalb ich dich tadle." Ferner Grat. 406 C 5; symp. 173 C 5; Theaet. 173 b 1; soph. 243 C 2; Phil. 49 a 1; zum ,Laches' Steidle 1.c.p. 131. Dasselbe Ansinnen wird Meno 92 C 8 an Anytos gerichtet.
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I[. Cas Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
denn e i n Wissen umfasse beides (97 d Aber Sokrates weist diese Annahme von sich: nur dem Gott komme jenes Wissen zu (23a). In diesem Widerspruch liegt eine eigentümliche Ironie, zumal Sokrates, wie sich neigen wird, doch Angaben über das gesuchte Wissen zu machen vermag. „Dem Nichtwissenden wohnen also wahre Meinungen inne bber das. was er nidit weiß", heißt es im ,MenonC(85 c 6 ) . Mindestens wahre Meinungen über das gesuchte Wissen muß Sokrates besitzen - wenn nicht mehr. Im Bericht über die Ergebnisse von Sokrates' elenktischem Wirken fallen Andeutiiiigen iiher jenes Wissen. Sokrates prüft die Staatsiiiäriner, die Dichter, die Handwerker. Die Staatsmänner, so ergibt sich, sind jeglichen Wissens bar, die Dichter haben im Enthusiasmus immerhin eine Art Erkerintnisquelle, die freilich kein eigentliches Wissen zu vermitteln vermag, die Handwerker dagegen besitzen ein Wissen, ein ,,Sich-auf-etwas-Verstehen" (Eniuraa.Ba~ 22 d 3 ) , das Sokrates' Anerkennung findet, offenbar, weil sie, über ihre Werke befragt, über diese Auskunft gehen konnten, weshalb er auch ihrem Tun den Ehrennamen einer 'Techne zukommen läßt (22 d 6) ; ,,ich,aberbezeichne eine Sache nicht nls Techne, die sich nicht über ihre Gründe ausweisen kann" (ein t3.oyov x ~ ä y v aGorg. 465 a2)". Auch dürfte es schwerlich auf Zufall beruhen, wenn hier die Handwerker neben den Politikern stehen als Inhaber einer Sachverständigkeit, die jenen abgeht; hat doch Platan immer wieder gezeigt, daß die Politiker zu der Sachkunde erst enipoqehoben werden müßten, die sich für das Handwerk von SO vertauschen sich die Rollen des angesehenen und selbst versteht '@. des geringwel Standes vor dem, der „im Sinne des Gottes sucht" (22 a 4). Und doch, so sehr das Wissen der Handwerker anzuerkennen ist, vor der ,,tadelnswerten Unwissenheit" (29 1> 1) vermag es nicht zu schützen, vor dem anmaßenden Ubergriff auf den gesuchten Wissensbereich, dei v m dem der Handwerker foto genere verschieden ist '. 67
"
Vgf. C,harm. 166 d 7; IIipp. I1 365 d 6 (dazu Friedländer 11' 139); ep. V11 344 b 1; legg. 816 d 9;P.pctt, Platonische Anfsätze, 1912, p. 204, 1. .In der 'Fleline, der ,Methode1, liegt fiir ihn das I
2. Sokrates' Betätigung
Daß auch ihr Wissen versagt, ist ein Hinweis auf die Höhenlage des gesuchten Wissens. Und nun erfolgt eine erste Andeutung darüber, was der Gegenstand des gesuchten Wissens sein müßte: ,die größten Dinge" (zu pEy~uza22 d 7 ) . Dieser lakonische Hinweis enthält in nuce das Bedeutsamste der platonischen Philosophie. zu pEYL<Jza- das ist gleichbedeutend mit dem Gut-Werden (Menex. 247 d 4), das ist das Körperlose (politic. 285 a 5), das Schöne und Gerechte (legg. 890 b 7) ", darin liegt auch die Frage der Eudämonie beschlossen (resp. 392 a 13). „Die größten Dinge" können auch unter politischem oder religiösem Aspekt erscheinen. ,,Viele Städte werden zugrunde gehen durch die Schlechtigkeit der Steuerleute und Matrosen, die hinsichtlich der größten Dinge in der größten Unwissenheit befangen sind" (politic. 302 a 7)". „Das Größte aber ist, was du nun für nichts achtest: in richtiger Ansicht über die Götter gut zu leben oder nicht" (legg.888 b 2). Indessen brauchen wir nicht so weit zu gehen; schon auf dieser Stufe der ,Apologie6erfolgt eine Andeutung darüber, was unter den &LUTU zu verstehen sei. Beim Vergleich seines „Wissens" mit dem der Politiker sagt Sokrates: ,,Keiner von uns beiden weiß e t w a s S c h ö n e s u n d G u t e s , wie es scheint" (21d4). Zwei Wissensbegriffe werden den ~ E Y L U Z Ugegenübergestellt: aocpia und rpehqay. Die S o p h i a erscheint in drei Stufen: als Wissen der Handwerker (22 d 7) - dies steht noch u n t e r Sokrates -, als ,,Menschenweisheit", die Sokrates sich zuspricht - sie konstituiert sich im Hinblick auf den Gott -, und als göttliche Weisheit. Die P h r o n e s i s ist gleichfalls vom Gott her bestimmt; Sokrates sucht sie „im Sinne des Gottes" (22 a 4 ff .). Späterhin wird dieser theologische Bezug bei Platon etwa so formuliert: die Phronesis nehme eine Führerstellung ein unter den göttlichen Gütern (legg. 631 C 5) ; nur mit ihrer Hilfe sei eine Annäherung an die Gottheit möglich (Theaet. 176 a 8). Wie die Sophia ist die ,,Einsicht" ein höchstes W i s s e n "; als solches wird sie später neben den VOVS gestellt (Phil. 59 d 1; legg. 688 b 1 963 e 5). Sie rückt also nahe an die Sophia herano4;im ,Euthydemos6 erscheinen q e b v q u ~ und aorpia gemeinsam als der Gegensatz zur @a*ia (281 d 6).
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..
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6'
6P
Staate PhS 25, 1 1932 p. 96. Vgl. au& Menex. 246 e 7; resp. 428 b 12 (dazu Friedländer 11' 10). Vgl. Prot. 358 C 4; Gorg. 487 b 5 527 d 5 (dazu Jaeger I1 221). Zum ~ B ~ L U T O V p&@r(~a vgl. resp. 505 a 2. Vgl. politic. 307 d 7; legg. 688 c 6. ,,Wenn Sokrates von den yEytuta spricht, an denen die Dichter und Handwerker ihr Scheinwissen offenbaren, so handelt es sich dabei um die ethisch-politischen Normen" Wolff 1.c.p. 24. „Der Inbegriff ethischen Wissens" Wolff 1. C. p. 24. Vgl. auch Jaeger 11 379 174; I11 342. Hirschberger 1.c.p. 197. Vgl. H. Maier 1. C.p. 348, 2.
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o q i a und
M
2. Sokrates' Betätigung
11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Ahnlich persönliche Fassung resp. I 336 e 2 und Gorg. 488 a 2: ,,Wenn ich in etwas nicht rirhtig handle in meinem Leben, so wisse, daß ich mich darin nicht willentlich verfehle, sondern auf Grund meiner Unwissenheit." Vgl. Gorg. 509 e 5; resp. 589 C 6; Tim. 86 d 7 87 a 7; legg. 731 C 1 734 b 4 860 d 1. Vgl. auch Prot. 345 b 5; Theaet. 176 C 4; soph. 227 d f.; Phil. 48 C 2; Tim. 44 b 8 92 b 6; ep. V11 336 b 4; legg. 700 e 1.
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feld müssen irgendwie mit dem Guten identisch sein; will doch jeder den ,,Nutzenu. Unrechttun beruht also auf Unwissenheit ums wahre Gute; daher heißt es im ,MenonCim selben Zusammenhang: ,,Es ist also klar, daß die nicht das Ubel begehren, die es nicht kennen, sondern das, was sie für ein Gut halten, während es ein Ubel ist; also in Unkenntnis darüber und wähnend, es sei ein Gut, begehren sie offenbar das Gute." Umgekehrt: Wissen ums wahre Gute müßte richtiges IIandeln nach sich ziehen. ,,Der das Gerechte gelernt hat ( p ~ p a l l q x h ~ ) ist gerecht? " „Allerdings. " „Und der Gerechte handelt gerecht" (Gorg. 460 b 6). Ist Wissen die Gewähr für richtiges Handeln, so wird verkehrtes Handeln durch Beseitigung der Unwissenheit ausgeschlossen. ,,Versuche nun auch du mich so zu belehren", sagt Sokrates zu Euthyphron, „welcher Teil des Gerechten das Fromme ist, auf daß wir dem Meletos sagen können, er solle uns nicht mehr unrecht tun und wegen Gottlosigkeit verklagen, da wir von dir das Gottesfürchtige und Fromme und sein Gegenteil bereits hinlänglich gelernt hätten" ( 1 2 e 1)". Belehren müßte man den Unwissenden, nicht beschimpfen6". Meletos hat den falschen Weg eingeschlagen, wenn er Sokrates vor Gericht zog. „Wenn ich aber wider Willen verderbe, so fordert das Gesetz bei derartigen Verfehlungen nicht gerichtliche Verfolgung, sondern man soll den Betreffenden beiseite nehmen, ihn belehren und ermahnen: denn , es ist klar, daß ich, wenn ich zu Wissen gelangt bin (Ehv @ 3 ~ ) aufhören werde mit dem, was ich wider Willen tue" (apol. 2 6 a 1). Dasselbe sollte auch vsn den Anklägern und Verurteilern gelten. Es muß daher befremden, wenn Sokrates von einer Strafe für ihr verfehltes Tun spricht (39 C 3). Indessen handelt es sich um eine eigentümliche Strafe. ,,Größer wird die Zahl derer sein, die euch überführen.. , und sie werden desto lästiger sein, je jünger sie sind, und ihr werdet noch mehr in Unwillen geraten." Damit soll bewirkt werden, daß jeder „sich zurüste, so gut als irgend möglich zu sein", daß er „richtig lebe" (39 d 5). Die ,,Strafeb' entpuppt sich als BesserungTo. „Die richtige Strafe ist es, den Irenden auf den rechten Weg zu bringen (rdv nhqpp~ho%fra kpp~h?n o ~ ~ Critia iv 106 b 2 ) . „Ich zürne meinen Verurteilern und Anklägern durchaus nicht", versichert Sokrates ( 4 1 d 6 ) . Und doch sind der Nachsicht Grenzen gesetzt. „Bemitleidenswert ist auf jeden Fall, wer ungerecht ist und das Ubel an sich hat. Mitleid üben darf man indessen nur an dem, dessen
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69 Vgl. Lach. 195 a 7; legg. 934 e 3. Vgl. auch Euth. 15 e 5. Auch die Strafe im juristischen Sinne dient nach Platon der Besserung des Bestraften, evtl. auch der Abschreckung anderer, keineswegs aber der Vergeltung, dem objektiven Ausgleich. Vgl. Gorg. 472 e ff.; resp. 380 b 1; legg. 718 b 2 933 e 1 ff. 944 d 2. Apelt, Platonische Aufsätze 194; 204, 1.
11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk 2. Sokrates' Betätigung
Ubel heilbar sind; dabei soll man seine Erregung dampfen und nicht, nach Weiberart erbittert, im Zorn verharren". Wer aber ungerecht und schlecht ist, und dies ohne Beimischung und ohne Möglichkeit guten Zuredens. dem muß man seinen Zorn zuwenden" (legg. 731 C 7). Von letzterem ist bei Sokrates nichts zu bemerken. Er hält Gegner und Richter nicht fiir unheilbar. E r rUgt ihre Gesiniiung, ihre falsclie Meinung i41 d 7) - aber er gibt ihnen eine Chance: ihr Unrecht dadurch aufzuheben, da6 sie ihr Wähnen aufgeben und, wissend was Sokrates weiß, selbst zu Elenktikern werden (41 e). Auf der ersten Stufe wurde angedeutet, Sophia und Phronesis sei das Wissen des Erkennenden, die ~ E y l a t a- genauer: etwas Schönes und Gutes - seien der Gegenstand der Erkenntnis. Auf der z W e i t e n erfiihrl lleides eine Bereiclierurig: einerseits kommt der Begriff der Seele und ihrer Vollkommenlieit, andererseits der der Wahrheit hinzu. „Um Einsicht aber und \V a h r h e i t und um die S e e 1e , daß sie s o g U t w i e ni ü g 1i C h werde, kümmerst und sorgst du dich nicht?" (XI e I ) . Die Wichtigkeit der „Sorge um die S e e 1 e" wird Platon nicht müde zu hrtoric-n72.Die Seele ist „das, was du höher schätzest als den Körper und wovon, sofern es gut oder schlecht geworden ist, Wohl und Wehe all des Deinen ~bhiingt" (Prot. 313 aG). „Alles 'CTble und alles Gute für den Iiorper und den ganzen Menschen nimmt seinen Ausgang von der Seele", nleict der thrakische Arzt des ,CharmidesC(156 e 6). Die Seele riicki durch ihre Bedeutung sogar den Göttern nahe. „Wenn ich also sage, man müsse nächst den Göttern als den Herrn und allen Wesen. die zu ihnen gehören, seine Seele gleich an zweiter Stelle ehren, so mahne ich richtig" (legg. 726 a 6). Uni die W a Ii r 11 e i t geht es im Gespriich - ,,nicht darauf geht doch unser Ehrgeiz aus, daß das, was idi setze, siegreich sei, oder was du, vielmehr müssen wir beide Mitkämpfer sein des Wahrhaftigsten" (Pliil. 14 b 5) -, um die Wahrheit geht es überhaupt im Leben, sie ist schlechthin „das, wonach wir begehren" (Phaedo 66 b 7 ) . „Man muß angespannt und auf jegliche Weise das Wahre suchen um des Erkennens willtm" (resp. 499 a 4). Es handelt sich dabei um eine sittliche Wahrheit: „wir sollen uns durchaus nicht darum kümmern, was die Menge iiber uns sagen wird, sondern nur darum, was der sagt, der sich versteht auf gerecht und ungerecht, der eine und die W a h r h e i t selbst" (Crito 48 a 5). „Sich mit der Seele über das Seiende zu täuschen und in dieser Täuschung zu verha~renund unwissend zu sein und an dieser Stelle die Vgl. z. B. Belehrung eines Gottlosen legg. 905 c. Vgl. Lack. 185 a 3: Phaedo 107 C 1; resp. 608 b 4; Phaedr. 241
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Lüge zu haben und zu besitzen, finden alle am wenigsten wünschenswert, und sie hassen es in solchem Falle sehr" (resp. 382 b I ) . Daher bemüht sich die Seele um die W a h r h e i t. Andererseits ist sie aber auch des G u t e n bedürftig. ,,Der Mensch besitzt nichts, was mehr als die Seele darauf angelegt wäre, das Schlechte zu meiden und das aufzuspüren, was das Beste von allem ist" (legg. 728 C 9). Wenn also an unserer Stelle der ,Apologie6 der Begriff des besten Zustandes der Seele, der Aret6, erscheint (29 e 5 ) , so liegt die Vermutung nahe, der gegenständliche Bereich, von dessen Erfassung das Bestmöglichwerden der Seele abhängt, sei die Wahrheit des Guten. Welcher Art ist dann diese Aretk? Platon unterscheidet zwischen einer Tugend, die auf richtiger Gewöhnung beruht, und einer, die durch den Logos gesichert ist (resp. 401 d e ; legg. 653b), zwischen einer bloß volkstümlichen (6qpot~xfi (Xe~tfiresp. 500 d 8) und einer Tugend, die nicht bloß auf richtiger Meinung (Meno 97 b 9), sondern auf Einsicht beruht. ,,Nur d a m i t gibt es in Wirklichkeit Tapferkeit und Besonnenheit und Gerechtigkeit und W a h r e Tugend überhaupt, mit Einsicht" (Phaedo 69 b 1). Nun wird an unserer Stelle neben Wahrheit und bestem Zustand der Seele die Phronesis genannt. Damit ist gesagt, daß es sich in der ,Apologie6nicht etwa um die volkstümliche, sondern um die wahre Tugend handelt. Ferner wird klar, was Seele und Wahrheit zusammenführt, die Kluft zwischen beiden überbrückt. Die Einsicht ist die Führerin der Seele. „Für den Menschen hängt das andere alles von der Seele ab, das Seelische aber von der Einsicht, wenn es gut sein soll" (Meno 88 e 4). Damit ist sie aber auch Führerin der ,,Tugendu. ,,Man inuß auf die Gesamttugend hinblicken, zumeist aber auf die oberste Führerin der Gesamttugend; dies aber ist E i n s i C h t und Vernunft (VOUS) und richtiges Urteil" (S%a, legg. 688 b 1). Die Phronesis erkennt also die Wahrheit und vermittelt sie der Seele; Aretk bedeutet mithin Erkenntnis der Wahrheit, Einsicht in das Gute, TugendW i s s e n 73; nicht umsonst erscheint sie in unserem Zusammenhang als Gegenstand der W i s s e n s prüfung (apol. 29 e 5). Es hat also seinen guten Grund, wenn Sokrates mahnt zu Sorge um ,,Einsicht und Wahrheit und um die Seele, daß sie so gut wie möglich werde". Auf der ersten Stufe war die Verblendung der Seele über ihr tatsächliches W i s s e n in den Mittelpunkt gerückt worden; Sokrates stand diesem Scheinwissen als Elenktiker gegenüber. Nun, da die Seele als eine in Erkenntnis und Selbstvervollkommnung t ä t i g e Seele offenbar geworden ist, enthüllt sich ein weiterer Zug der sokra-
2. Sokrates' Betätigung
11. Das V~rhältrisder Apologie zum platonischen Gesamtwerk
tischen „Methodeu: die P a r ä n e 3 e ". Sokrates gibt in einer Scheltrede an, was es ist. worum man „ti& kümmern und sorgen muß", er ,.beredet jiing und alt" jnciitwv 30 a 8), er ,,erweckt und beredet und tadelt jeden einzelnen" (30 e 7), er „redet zu, sich um die Aret6 zu kümmern" (31 b 5 ) . Bei beiden Verfahrensweisen wird aufs Ziel hingewiesen. In der Elenktik erscheint es jedoch nur implizit, sofern nänilich im Thema - Tapferkeit, Bescanenheit, Gerechtigkeit - zugleidi auch der Gegenstand des gesuchten Wissens liegt; in der Paränese wird, soweit sie nicht nur stim~~lierend wirkt, ausdrücklich das Ziel angegeben: etwa Aretk sittliches Leben, E i i d ä n ~ o n i e ~ Elenlrtik ~. und Pariinese sind dadurch verbunden, daß beide ihren Ausgangspunkt in dem eingebildeten Wissen des andern haben, der iipa8ia (soph. 229 C 9 ) , die sie Bek:iiripfen: niitliin dadurch, daR beide Teile der Paideia sind (229 d 2), der Einwirkung auf die Seelei6. Sokrates liißt nichts iiiwersucht, den andern dazu zu bringen, daß er das richtige Ziel verfolge. Den typischen Verlauf einer solchen Unterhaltung schildert er folgendermaßen (29 d 6) : Jch gehe hin zu den1 von euch, dcn ich ehen gerade treBe. nialiiie und lege dar (naeaxehevbpev6; rc w d h 6 ~ l ~ ~ i ~ und p ~ osage s ) etwa, wie gewohnt: mein Bester, als Athener, 13iirger der grö8ten und angesehensten Stadt hinsichtlich Weisheit und Stärke, schämst du eich nicht, dich ums Geld zu kümmern, auf daß du so viel als möglich besitzest, und um Ansehen und Ehre, aber uni Einsicht und Wahrh?it und um die Seele, daß sie so gut wie nzöffliclr sei, kümmerst und sorgst du dich niclit? Und wenn einer von eudi dies bestreitet und behnz;pfet, er kümmere sich darum, so werde ich ihn nicht gleich loslassen noch auch weggehen, sondern ihn fragen, priif en und iiberführen." Sokrates legt den andern fest auf die AretC oder das Wissen, das er sich mspricht. ;,Es wird dir anscheinend nichts ausmachencL,sagt
" Vgl. Kcnratl Gaiser. Protreptik und ParZnese bei Platon, Tüb. Beitr. 40, 1959. Vgl. Ct-arm. 175 d 5; Euthyd. 278 e ff.; Gorg. 526 e ff.; Phaedo 114 C 6; resp. 621 i>8 . Thcact. 1 4 8 r- 9.. .Plator fül-rt hier die ei~er-tümlichsokratische Weise auf zwei Hauptformen zurück: Mahnung jProtreptikos) und Prüfung (Elenchos)" Jaeger I1 85. Vgl. auch Steidle 1.c.p. 133. Me~kwürdigerweisetritt Wolff in Schanz' Fußtapfen und meint, die Paränese Sokrates abspredien zu müssen. .Der frühere Bericht ( = unsere .erste Stufe"1 kennt ein: der Elennis voraufgehende Protreptik nicht. Eine Besinnung auf den von Sokrates vertretenen Aretebegriff lehrt, daß allein der frühere in diesem Punkte beansprucht, ein treues Bild des sokratischen Wirkens zu geben. Caas Wissen, als welches Sokrates die Are16 begriff, konnte er nicht durch eine Mahnrede zu vermitteln meinen. In jenem Aufruf zur Aret6 dürfen wir daher nichts aaderes se-ien als ein künstlerisches Mittel zur Offenbarung des bisher rerschwie~encnZ,eles der EIenktik" 1. C. p. 26. Aber weder war das Ziel der Elenktik verschwiegen worden noch auch wird irgendwo behauptet, die Mahnrede h h n e , was selbst die Elenktik nicht kann: Wissen vermitteln.
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Nikias ganz im Sinne des Sokrates vorwurfsvoll zu Laches, ,,wenn du gemeinsam mit mir nichts weißt von Dingen, über die ein Mann, der etwas von sich hält, ein Wissen besitzen müßte" (Lach. 200 a 7). Sokrates zu Thrasymachos: „Aber es ist wirklich angebrachter, wenn d u redest; du behauptest ja doch, du wüßtest und hättest etwas zu sagen" (resp. I 337 C 7). Und der greise Platon schreibt an Dion: „Durch Tapferkeit, Schnelligkeit und Kraft sich hervorzutun, könnte, wie es scheint, auch Sache anderer sein; doch man wird zugeben, daß sich durch Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Hochherzigkeit und edle Haltung in alledem billigerweise die auszeichnen, die b e h a U p t e n , derlei zu schätzen" (ep. 1V 320 b 4 )77. Um den andern dazu zu bringen, daß er sich mit Nachdruck auf AretC und Wissen festlege, gebraucht Sokrates der ,ApologieLzufolge die List, daß er ihm beides abspricht. So sagt er im ,MenonC:„Aber für was, bei den Göttern, Menon, erklärst denn du die Tugend? Sag es und enthalte es mir nicht vor, auf daß ich eine seligste Lüge getan habe, wenn es sich zeigt, daß du wissend bist und Gorgias, während ich gesagt habe, ich sei noch nie einem Wissenden begegnet" (71 d 4). Mit alledem zielt Sokrates ab auf Scham, dem eigenen Anspruch gegenüber zu versagen - und auf desto größeren Eifer. Der gleiche Vorgang ist noch im ,Siebten Brief' zu beobachten, wo Platon, der doch vermeint, Philosoph in Wort und Tat zu sein, seine zweite sizilische Reise folgendermaßen motiviert: „Ich schämte mich vor mir selbst gewaltig, ich würde von mir eines Tags den Eindruck haben, ich sei bloßes Wort, sonst nichts, während ich niemals aus freiem Entschluß eine Tat anfasse" (328 C 3). So beschämt denn Sokrates seinen Gesprächspartner, indem er ihn auf die Diskrepanz von Wähnen und Wirklichkeit hinweist: ,,Und wenn ich den Eindruck habe, daß er Tugend nicht besitzt, während er dies doch behauptet, so tadle ich ihn, weil er das Wertvollste am geringsten einschätzt, das Unbedeutende höher" (apol. 29 e 5 ) . Hier erscheint also das Wähnen, etwas zu sein, das sonst nur in ungünstigem Lichte dasteht, auf einmal in positiver Beleuchtung und wird zu Mahnung und Verpflichtung. Iihnlicli ist es mit der Doxa, der Meinung der Leute. Auch sie stellt Sokrates in seinen Dienst. Für den jungen Charmides soll das Ansehen seines Hauses zur Verpflichtung werden: „Und es ist nur recht und billig, mein Charmides, sagte ich, wenn du dich in alledem vor den anden1 auszeichnest. Denn keiner hierzulande könnte, wie ich glaube, so leicht angeben, welche beiden athenischen Familien durch ihre Verbindung schönere und bessere Nachkommen erwarten ließen als die, aus denen du stammst" (Charm. 157 d 6). Im ,Menexenoscwerden die Väter ermahnt, sie sollten sich vor ihren Mitbürgern durch ihre Hal77
Vgl. Prot. 335 b 7 347 e l ; Charm. 154 e6; Euthyd. 285 b 3.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
tung als wirkliche Väter ihrer gefallenen Söhne erweisen (247 d 7)78. In der ,Apologie' wird das Ansehen Athens als Stimulans benützt (29 d 7) ; ,hinsichtlich des Ansehens scheint es mir nun für mich und für euch und für die ganze Stadt nicht schön (xahh) zu sein, wenn ich etwas derartiges tue"' (34 e 2). Nicht weniger beachtenswert ist die Doxa angesichts des Benehmens vieler Athener vor Gericht: ,,Sie heften der Stadt Schande an, wie mir scheint, sodaß ein Fremder glauben könnte. die an Tugend hervorragenden Athener, die sie selbst bei Verteilung der Ämter und anderen Auszeichnungen bevorzugen, unterschieden sich nicht von Weibern" (35 a 7)70.Wenn Platon hier der Doxa Gewicht beimißt, während er sie sonst als Motiv des Handelns ablehnta0,dann deshalb, weil im Ansehen Athens der Hinweis auf die oocpia, in der Forderung der Doxa der Hinweis auf das xahh, in der Auszeichnung niancher Athener die l~estlegungauf aeetfi als verpflichtendes Moment liegt; nur von ihm her empfängt die Doxa ihr Gewicht. - Neu erscheint hier das x a h 6 V als etwas, das das H a n d e l n bestimmt - schon auf der ersten Stufe war klar geworden, daß es ein Wissen zil suchen gelle, das richtiges Handeln verbürge - und neben das xah6v tritt noch das 6 i x a L o V und das Ö U L o V (34 e 3 f.). So erfolgt denn mit diesen drei Begriffen neben Uhiiha ein weiterer Hinweis auf den Gegensbnd des gesuchten Wissens. Ist die Ar&! der beste Zustand der S e e 1e , so ist die Schlechtigkeit das größte Cbel für sie. ,,Da sie also durch übermäßig großen Schaden und erstaunliches Übel alles andere überragt, ist die Schlechtigkeit der Seele das Näßlichste von allem" (Gorg. 477 d6)". Wer schlecht ist, kann auch nicht anders als schlecht handeln, Schlechtes zufügen. Es ist daher keineswegs Taschenspielerei, wenn Sokrates sagt: „Die Schlechter~tun ihren jeweiligen Xächsten Ubles an, die Guten Gutes" (apol. 25 c 7). Gewiß, im konventionellen Sinne können die Schlechten auch ~~. Gutes tun, konnen .,helfen" (34 a 7)", nicht aber in W a h r l ~ e i t-Was 7R
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BZ
"
Vgl. auch Lach. 179 d 2 Prot. 337 d 3; Meneu. 247 b 5; zu Mcnex. 237 a 6 Fried15nder 11' 224: Crito 53 b 7; Euthyd. 279 c 9; ep. IV 320 a 1; legg. 663 a 1 814 a 8 950 b 4 Zur Geringsrhälzung der Frau vgl. Crat. 392 c 6; symp. 179 d 7; Phaedo 60 a 4; resp. 387 e R 431 b 9 169 d 6 549 d 7 557 c 7; Tim. 42 b 5 90 e 6; ep. V111 355 C 3; legg. 658 d B 6% d 1 731 d 1 781 a 2 790 a 5 934 e 6 944 d 8. .Weibische" Klagen vor Gericht legg. 945 a 8. Vgi. Crito 44 C 6; Phaedci 82 b 10; Theaet. 176 b 3. Vgl. Gorg. 478 d 7 505 a 2 511 a 1. Vgl. Gorg. 510 c 7. Friedländer 11' 59 zu resp. 335 C 1: ,,Der Begriff des ,Schadens6 muß in einer bisher unerhörten, nämlich sokratis&en Tiefe gesehen werden, damit das, was scheinbar ein Sophisma ist, vollkommen einsichtig werde. Schaden nämlich kann ich im echtm Sinne nur dann jemandem, wenn ich seiner Seele den ihr eigentümlichen Vorzug [oixsin & p t S ) raube."
2. Sokrates' Betätigung
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die Seele schlecht macht, ist vornehmlich die Ungerechtigkeit. ,,Die Ungerechtigkeit ist für den, der unrecht tut, das größte Ubel" (Gorg. 509 b l)'*.Sokrates hat also allen Grund, die Athener davor zu warnen, daß sie sich an ihm als einer Gottesgabe versündigen (30 d 7), und er tut recht daran, festzustellen: „Ihr werdet mich nicht m e h r schädigen als euch selbst" (30 C 7). Umgekehrt bedeutet Zunahme an „Wissen" 85 und Areteasfür die Seele den wahren Nutzen, das wahre Guts7. ,,Zögere nicht, zu anlworten, mein Polos", sagt Sokrates im ,GorgiasG, „denn es wird dein Schaden nicht sein" (475d 5). In der ,ApologieGfordert er die Richter auf, nicht zu lärmen, sondern zuzuhören, ,,denn ihr werdet, wie ich glaube, Nutzen davon haben, wenn ihr zuhört" (30C 4). Aber auch er selbst hat Nutzen von seiner Tätigkeit, offenbar, weil er „Einsichtc' und ,,Tugendu daraus gewinnt. ,,Wenn ich mich schon lange mit Politik befaßt hätte, wäre ich schon lange zugrunde gegangen und hätte weder euch etwas genützt noch auch mir selbst" (31d 7). „Für den Menschen ist dies das größte Gut, jeden Tag über die Tugend zu reden und das andere, worüber ihr mich Gespräche führen und mich und andere priifen hört" (38 a 2 ) . Ist Unrechttun allein das, was der Seele wahres Ubel, wahren Schaden zufügt, so fäll! demgegenüber Unrechtleiden wenig ins Gewicht. ,,Wir behaupten, Unrechttun sei ein größeres Ubel, Unrechtleiden ein geringeres" (Gorg. 509 C 6)". Sokrates wendet diese Auffassung auch auf sich an. ,,Ich behaupte, mein Ihllikles, nicht dies sei das Schimpflichste; ungerechterweise auf die Wange geschlagen zu werden noch auch einem Halsabschneider oder Beutelschneider in die Hände zu fallen, sondern mich und was zu mir gehört ungerechterweise zu schlagen und zu verwunden, das ist schimpflicher und schlimmer" (Gorg. 508 d 6). Die Beziehung auf die Situation der ,ApologieList deutlich; dort heißt es: ,,Gewiß, er kann mich unter Umständen töten oder verbannen oder der bürgerlichen Ehrenrechte berauben. Er und mancher andere halten das wohl für ein großes Ubel, ich nicht, vielmehr dies: zu handeln wie dieser nun handelt, es zu unternehmen, einen Menschen ungerechterweise zu töten" (30 d 1). - Ungerechtigkeit kann nicht unbestraft bleiben. Nach den Ausführungen der ,Gesetzeb (728b 2 ff .) ist zu unterscheiden zwischen Giq und ztpoeia, zwischen Strafe im juristischen Sinne und
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Vgl. Crito 49 b 4; Gorg. 472 e 4 477 e 4 480 a 6 521 b 4 524 e 1 (dazu Jaeger 11 220) ; resp. 366 e f. 609 b 9; ep. V11 335 b 5; ep. VIII 352 d 3. Vgl. Hipp. I 304 e 5; Hipp. I1 373 a 4; Euthyd. 281 b 4; Meno 88 e 4; symp. 173 C 2; resp. 527 e 6; Theaet. 169 c 2; Phaedr. 248 C 2. Vgl. Gorg. 477 a 5 513 e 5 520 b 6 525 b 2; resp. 467 d 2; iegg. 656 a 7. Vgl. Charm. 166 d 2; Gorg. 458 a 2 470 C 6 505 e 3; Phaedr. 246 d 8. Vgl. Friedländer 11' 158. Vgl. Gorg. 469 c 1 508 b 7 527 b 2; ep. V11 335 a 5 351 C 6.
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I i . Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
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natürlicher Scti~ldwirkung~~. Erstere kann erfolgen oder nicht, letztere wird cuf jeden Fall eintreten. Von ihr ist die Rede, wenn Sokrates die Befiirchtung äußert, die Athener könnten nach seinem Tode f ü r ihr restliches Leben vollends dem Schlafe verfallen, und wenn er in seiner Ietzten Rede feststellt, seine Gegner seien Beute der Schlechtigkeit ixuxrai geworden, da sie sich der U8~xiaund yoxftqeia schuldig gemacht hätten (39b 2). - Schlechtsein heißt, von den Göttern verlassen sein {lezg. 901 e 4). Dagegen gilt: „I%r einen guten Mann gibt es kein Obel, wed-r in1 Leben noch nach dem Tode, noch auch wird seine Sache wri den Göttern vernachlässigt" (apol. 41 d 1).Das Gutsein der Seele macht ihn unangreifbar, schließt jede Schädigung ausG1. Im ,Staat6wird das bekräftigt: „So muß man also bezüglich des gerechten R4aniies Cer Iilrerzeugung sein, da13, mag er nun in Armut geraten oder in Iirarikli-it oder in ein anderes der gemeinhin für Ubel geltenden Widerf~l~r-iicsi, ihm dies zum Giiten aiissclilagen wird iin Leben oder nach dem Tode" (613 a 4). In dieser Bewahrung der Seele des Guten manifestiert sich göttliches Walten. ,,Mir wird weder Meletos noch Ariylos Srlratkii zufiigen, denn das steht nicht in seiner Macht; verträgt es sich doch, wie ich glaube, nicht mit der göttlichen Weltordnung (ofi ~ ~ E c L L T Od~ ~d) , dem besseren Manne von den1 schlechteren Schaden widerfahre" (npol. 30 c 8). Die Folge des Arete-Begriffs für das A U ß e r s e e 1i s C h e ist eine völlige rlmeocrrmg. Was sich atlgemeiner Wertschätzung erfreut, verdient d k i e keineswegs; das wahrhaft Wertvolle spielt eine geringe IZolle (SO 7 1).Sokrates sucht dem abzuhelfen. ,,Nichts anderes tue ich bei meinerr- Unhergehen, als euch alle, jung und alt, zu bereden, für Iiörper tind Iksitz nicht eher und nicht so eifrig zu sorgen wie für die Seele, daG sie so gut wie möglich sei" (30 a 7 ) . Hier wird nur betont, da13 Kiirp~rund Besitz an Wert und ßedeutiing unter der Seele stehen, wiilirenci q ~ ä t ebei i Platon weiter differenziert wird: der Iiörper steh1 über den ätißeren Gütern, woraus sich die Abfolge Seele, Körper, Besitz ergibt". Von Bedeutung ist, daß Körper und ßesitz nicht als schlechthiri wertIos dargestellt werdenss - das wäre kynisch -, sondern als FITrrte- in welchem hlaße, das wird sich noch zeigen - anerkannt tind eingestuft werden.
Sokrates' ständige Rede ist die: „Nicht kommt aus dem Besitz Tugend, sondern aus der T u g e n d B e s i t z und alles andere, was ein Gut ist f ü r d i e M e n s C h e n , im privaten wie im öffentlichen Leben" (30 b 2). Daß „Tugend" reich mache, ist gewiß eine um der Antithese willen zugespitzte Behauptung; trotzdem muß sie zunächst einmal ganz wörtlich genommen werden. Aret6 ist die Grundlage auch für äußeren Erfolg. „Die wirklichen Meister im Laufen gelangen ans Ziel, erhalten die Preise und werden bekränzt. Geht es so nicht auch meistens mit den Gerechten? Am Ende jeglichen Ilandelns und Umgangs und des Lebens stehen sie in gutem Ansehen und tragen die Preise von seiten der Menschen davon", heißt es im ,Staat6 (613b 12) ; wer keine oocpia hat, ist oixocpB6~os(legg. 689 d ö), und der ,Iiritias6sagt von den alten Atlantinern: ,,Sie kamen nicht, berauscht vom Schwelgen, infolge ihres Reichtums ihrer selbst nicht mächtig, zu Fall, sondern blieben nüchtern und sahen mit voller Schärfe, daß all diese äußeren Güter durch allgemeine Freundschaft in Verbindung mit Tugend gefördert werden, während durch Ueniühung um diese Güter und ihre Hochschätzung eben diese dahinschwinden und die Tugend mit ihnen zugrunde geht" (121 a 2)94. Mit diesen außerseelischen Gütern hat es jedoch, wie der Fortgang des Satzes zeigt, eine eigentümliche Bewandtnis. Es ist nicht die Rede von Gütern schlechthin, sondern von den Olyafta zois &v8ehno~s.Die Güter werden in einen Bezug zum Menschen gebracht - das bedeutet doch wohl: zum Bestinöglichsein des Menschen. Demnach sind die außerseelischen Güter als solche nur dann anzuerkennen, wenn sie etwas zur menschlichen Aret6 beitragen. ,,Weder bringt Reichtum Schönheit dem, der, mit Feigheit belastet, ihn besitzt - für einen andern ist ja ein solcher reich, nicht für sich selbst - noch auch erscheint körperliche Schönheit und Kraft, wenn sie bei einem Feigen und Schlechten wohnt, als angemessen, sondern als ungemäß, ja sie macht ihren Besitzer nur desto auffallender und läßt seine Feigheit offenkundig werden" (Menex. 246 e 2)05. Erst dadurch, daß sie Höherem dienen, werden Körper und Besitz werthaft: man muß ,,an dritter und letzter Stelle den Geldeswert setzen, welcher dem Körper und der Seele dient" (ep. VIII 355 b 5). „Der Körper ist um der Seele willen da" (legg. 870 b 4). Besitz und Körper werden werthaft erst durch den Gebrauch, den die Aret6 von ihnen macht. Vom Reichtum und den andern volkstümlichen Gütern wird in den ,Gesetzen4gesagt: ,,All dies
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Etwa in Form von Vereinsamung (legg. 730 C 6 ) , von notwendiger Angleichung an die SrWechfrn (Crito 53 c 3, dazu Friedländer 111 176) und an das Schlechte (Theaet. 176 e 3). Vgl. Gorg. 522 c 4; Phaedr. 248 C 2; ep. V11 334 d 6; legg. 959 b 3; Friedländer 11' 170. Vgl. Euttryd. 273 a 7; Menex. 246 d 8: Pliaedr. 241 c 3; Phil. 48 e 1; ep. V111 355 a 8; legg. 691 C f 697 a 10 726 a 2 870 b 2. Z. St. Jaeger I1 88. Vgl. Rokr 1 c.p. 25 f..
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Vgl. auch legg. 641 b 8 688 C 3 803 e 1. Isoliert, ohne Bezug auf Aret6, ist Körper und Besitz verächtlich. ,Das gesamte Gold auf der Erde und unter der Erde wiegt Tugend nicht auf" legg. 727 e 3. Vgl. symp. 216 d 6; ep. I11 317 C 8; legg. 831 C 4.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
2. Sokrates' Betätigung
ist für gerechte und fromme Männer bester Besitz, für ungerechte schlechtester" (G41 b 4). Und vom Körper heißt es im ,Staat6: ,,Es hat mir tien Anscheili, als ob nicht ein tiichliger I<öryer durch seine Aret6 die Seele gut mache, sondern im GegenteiI eine gute Seele durch ihre Aret6 den Körper so gut wie möglich mache" (403 d 2). Damit enthüllt sich die Hintergriindigkeit des scheinbar utilitaristischen Worts, aus der „Tugendu komme „Besitz und alles andere, was ein Gut ist für die Menschen". Erst die Arete macht Außerseelisches werthaft - dies ist der Sinn ". Nun wird auch klar, wie es möglich ist, daß der Mahner zur „Tugend", obzwar selbst Träger der Aret6, in tausendfacher Armut lebt. Gewiß, dir .,'Ti~gcritl" zeitigt matcric~llcnErfolg. Doch zugleicli gibt sie :iuch das Maß dessen, was ihr förderlich ist und was sie nöiig hat. „In1 B l i c k a u f d e n S t a a t i n s i c h und acht gebend, daß nicht etwas an dieser Stelle seiner selbst aus der Bahn gerate infolge der Fülle oder Geringlieit des Besitzes, so steuernd wird er seinen Besitz vermehren oder ausgeben, wie er es eben vermag" (resp. 591 e 1). Auch große kijrperliche Stärke, Schönheit, Gesundheit ist nicht begehrenswert, ,,vielnielir ist das weitaus Besonnenste und Sicherste, sich an das Mittlere zwischen all diesen Eigenschaften zu halten: denn das eine macht die Seelen aufgeblasen und dreist, das andere kriecherisch und unedel" (legg. 729 d G ) . Nur in bezug auf die Arete der Seele ist also gut, was gilt ist, nützlich, was nützliche7.Von hier aus, nicht aus grundsätzlicher Verachtung des Geldes, erklärt es sich also, wenn Sokrates feststellt, Bestrafung in Höhe seines Vermögens bedeute keinen Schaden fiir ihn (38 b). Seine Seele leidet keine Einbuße an Aret6 durch diesen Verliist, so wenig wie durch seine Armut. Was es jedoch ist, das hinter dem Giitsein der Seele wie des Außerseelischen steht, enthüllt erst der ,Staat6:„Daß die I d e e d e s G u t e n das höchste Lernstück ist, hast du oft gehört, sie, durch deren Gebrauch das G e r e C h t e und alles andere erst brauchbar und nützlich wird. Aiidi jetzt weißt du wohl, daß ich davon zu reden mich anschicke und aiißrrdem, daß wir sie nicht geniigend kennen. Kennen wir sie aber nicht, so bedeutete es für uns, wie du weißt, keinen Gewinn, wenn mir uns auch noch so sehr auf alles andere verstünden ohne sie, wie uns auch I3 e s i t z nichts nützt ohne das G u t e'' (resp. 505 a 2). Auf der ersten Stufe war der Gegenstand des gesuchten Wissens als t u p E y ~ o ~und a ,,etwas Schönes und Gutes" angedeutet, auf der zweiten
als „WahrheitG,als ,,Schön, Gerecht, Fromm" näher bezeichnet worden. Die d r i t t e S t U f e bringt eine letzte Vertiefung. Sokrates zieht die Summe seiner Tätigkeit: „Einem jeden von euch persönlich die größte Wohltat zu erweisen, das war der Weg, den ich einschlug. Ich versuchte nämlich, jeden einzelnen von euch zu bereden, er solle sich nicht eher um etwas ihm Gehöriges kümmern, als er sich um s i c h s e 1b s t bekümmert hätte, daß er so gut und einsichtig wie möglich werde, und nicht eher um die Angelegenheiten des Staats als um den S t a a t s e 1b s t , und solle sich um die andern Dinge in derselben Weise bekümmern" (36 C 3). Q O Vzur UnterSchon der ,Laches6führt vom pEy~otovZWV ~ ~ ~ E Z ~ hin ~ i a6zoJv (187 d 3 ff.), von der Frage, wie die beiden siicliiing n ~ fipWv Jünglinge zu erziehen seien zur Untersuchung derer, die darüber ber a t ~ c h l a g e n Um ~ ~ . für sich selbst sorgen zu können, wie es die ,Apologie' fordert, ist es unerläßlich, sich selbst zu erkennen. „Es ist also das Besonnensein und die Besonnenheit und die E r k e n n t n i s s e i n e r s e l b s t dies, zu wissen, w a s m a n w e i ß u n d w a s m a n n i C h t W e i ß" (167 a 1)". Die Bemühung um dieses Wissen ist, wie wir sahen, das zentrale Anliegen der ,ApologieLwie der Tätigkeit des Sokrates überhaupt 'O0. Wie von der Person, so gilt auch vom S t a a t , daß er nicht in seinen Äußerlichkeiten, sondern - später wird noch die Rede davon sein - in seinem „An-sich-Sein" erfaßt werden muß durch den, der sich in sinnvoller Weise den Staatsangelegenheiten widmen will. Hochbedeutsam ist die abschließende Wendung, man ,,solle sich um d i e a n d e r n D i n g e in derselben Weise bekümmern". Das heißt, daß es hier wie in den Definitionsdialogen darum geht, anstelle des Vielfältigen das a h h , das dv X ~ U zL a U ~ h v ,das E ~ o vpiav ihEav, das ~ 1 6 0 sZU suchenL0'.Sokrates hat hier d i e d e f i n i t o r i s c h e n F r a g e n s e i n e r elenktischen Gespräche im AugeLoZ. Inhalt dieser Fragen ist beispiels-
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Vgl. Euthyd. 281 d 6. Auch das Seelische selbst erhält erst von der Arett? her seinen Wert: Meno 88 a 4. ,Reich möge mir dünken der Weise; an Goldes Fülle möge mir so viel zuteil werden, als niemand anders zu tragen und zu schleppen vermöchte denn der Besonnene" Phaedr. 279 b 8. Vgl. auch ,Kritias' 120 e 6.
Allcibiades im ,Gastmahl': .Er zwingt mich, einzugestehen, daß ich, obzwar selbst noch sehr mangelhaft, mich nicht um mich selbst kümmere, sondern die Angelegenheiten der Athener betreibe" (216 a 4 ) . Sokrates im ,Phaidros': .Ich kann noch nicht nach der delphischen Inschrift mich selbst erkennen; da erscheint es mir denn als lächerliche Sache, noch unwissend über das Selbst nach Fremdem zu schauen" (229 e 4 ) . Vgl. auch Friedländer 11' 79; Jaeger 11 403, 109. e8 Vgl. Tim. 72 a 4. -Andere Deutung bei Natorp 1. C. p. 9. Lw Daß die Sorge um das Selbst nicht als bloß formale Angelegenheit, als bloßes Wissen des Wissens und Nichtwissens aufzufassen ist, wird bei Betrachtung der in der ,Apologie' angedeuteten Stufen der Durchdringung der Persönlichkeit klar werden. IoL Hipp. I 286 d 8; Lach. 191 e 10; Euth. 5 d 3; Meno 72 C 7. Ioe Vgl. Wolff 1. C. p. 28.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
halber das Schöne selbst lo3,die Tapferkeit, die Frömmigkeit, die Aret6. All dies schließt jene Wendung ein; in alledem wird das ,,Selbst", das dem ,Phaidon6zufolge „eingestalt:gU ( P O ~ O - E List, ~ ~ Sgesucht ) lo4. Dies aber ist nichts anderes als die I d e e. „Wir behaupten", sagt Sokrates im ,Staatc (507 b 2). ,,es gebe eine Vielheit von schönen Dingen und guten Dingen und so von allen Arten von Dingen, und unterschieden demgemäß in der Rede. Und auch, daß es ein Schönes selbst und ein Gutes selbst gebe, und so bei allem. was wir eben als Vielheit setzten; und indem wir nun umgekehrt das viele einzelne je einer Idee als der Einheit, die es umfaßt, unterordnen, benennen wir es als das, was es wirklich ist." Stenzel hat recht, wenn er zu unserer Stelle meint: „Das ist natürlich in niice die gesamte Ideenlehre" 1°' - wenn man davon absieht, daß Platon weder hier noch anderwärts Ideen „lehrtu. Zu Beginn dieses Kapitels hatten wir zwei Komponenten der sokratischen Tätigkeit festgestellt: die Suche eines Wissens und die Einwirkung auf den Gesprächspartner. Innerhalb der ersteren sind nacheinander Einsicht, Tugendwissen, Ideenrissen ins Blickfeld gerückt, an ihnen wurden wesentliche Züge der sokratischen ,,Methode" exponiert: Elenktik, Paränese, Definitiori. Die zweite Komponente entfaltet sich non gleichfalls in drei Stufen, deren jede mit einer der ersten gekoppelt ist und diese in neue Beleuchtung rückt. „Soll ich im Kampf mit den Alhenern darauf hinwirken, daß sie so gut wie möglich werden, wie ein Arzt, oder soll ich ihnen dienen und meinen Umgang mit ihnen auf Erregung von U70hlgefallen abstellen?" (Gorg. 521 a3)lo8.Sokrates will etwas von den Menschen, will, daß sie anders, besser werden. Also muß er einen Kampf auf sich nehmen, der ihm möglicherweise Haß einträgt, muß „bittere Worte" gebrauchet~ (Gorg. 522 b B ) , muß indinen und schelten (apol. 30 e 7 39 d 4 ) . Ferner niuß er, soll sich diese Auseinandersetzung intensiv gestalten, intiglichst nahe an den einzelnen heranzukommen suchen. Er bedient sich nicht der Ansprache an eine Menge, sondern tritt jedem
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Vgl. auch Crat. 439 C 7; symp. 211 C 6; Phaedo 100 b 5; resp. 507 b 2; Parm. 130 b 7. '04 „Die ,Dinge srlhst', ,selbst für sich selbsf, das ist die ursprünglid1c Bezeichnung der Idee und in liöliercm Sinne als Eidos und Idee Terminus" Stenzel Studien 195. - Hinsichtlicli der Frage „noch Begriff oder schon Idee" vgl. Friedllnders Bemerkung zum ,Euthyphronl: .Das ist in den Unterscheidungen einer philosophiegeschichtlichen Konstruktion gedacht, und vor Aristoteles konnte so gar nicht gefragt werden. Wer jene Worte gebrauchte - die ganz ähnlich im Menon wiederkehren (72 C) -, der hatte längst die .Gestalt" der Tugend zu Gesicht bekommen und das Gegenüber von seiendem Urbild und nach dessen Muster geformtem Einzeldasein erfaßt" 111 84. Studien p. 195. lnB Vgl. Gorg. 502 b 2 521 d 8 522 b 3. '05
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2. Sokrates' Betätigung
persönlich gegenüber, wie die ,Apologie6unablässig betont. E r beredet „jeden einzelnen", „wen er gerade trifft", er „ist zusammen" mit ihm, er ,,unterredet sich", er „geht persönlich hin" zu jedemlo7. Dieser Zug findet sich allenthalben bei Platon bis hin zu den ,Gesetzen6,wo die Spartaner getadelt werden, weil sie Herdenerziehung, nicht Erziehung des einzelnen betreiben (666 e 3 ) . Sokrates sucht Politikern, Dichtern und Handwerkern klarzumachen, daß sie das Wissen nicht besitzen, das sie sich zusprechen. Die ,Apologiei äußert sich nicht darüber, wie er dabei vorgeht. Der ,SophistesLschildert das Verfahren der Elenktiker folgendermaßen: „Sie stellen Fragen auf einem Gebiet, wo der betreffende glaubt, er habe etwas zu sagen, während er doch nichts sagt, und da es sich um die Meinungen solcher handelt, die in die Irre gehen, prüfen sie diese ohne Mühe, rücken sie vermöge ihrer dialektischen Kunst nahe aneinander und stellen sie unmittelbar nebeneinander. Sodann zeigen sie, daß sie, vom gleichen Gegenstand handelnd, in gleicher Weise aufs nämliche bezogen, miteinander in Widerspruch stehen" (230 b 4). Dies entspricht genau dem Verfahren des Sokrates in der Meletos-Elenxis. Verderb anderer schadet dem Ver„Sokrates verdirbt wissentlich derber"; ,,Sokrates glaubt an keine Götter er glaubt doch an Götter" -, so verwickelt Sokrates den Meletos in Widersprüche und führt ihn damit in Aporie. Nicht anders dürfte es Politikern, Dichtem und Handwerkern ergangen sein. Entscheidend ist nun, wie sich die Oberführten in der Aporie verhalten, ob sie diese an sich herankommen lassen oder von sich abschütteln, ob sie „existentiell" berührt sind oder nicht, mit den Worten der ,ApologieL:ob sie Sokrates zürnen oder sich selbst (23 C 8). Die jene „erste Anklage" gegen Sokrates richteten, sind solche, die in ihrem Wissensdünkel verharrten. „Sie zürnen mir, nicht sich selbst, und sie sagen, es gebe ein abscheuliches Subjekt namens Sokrates, und dieser verderbe die Jugend. Und wenn sie jemand fragt, durch welches Tun und welche Lehre, haben sie nichts zu sagen, sondern wissen's nicht; um aber nicht den Anschein der Ratlosigkeit zu erwecken, sagen sie, was gegen alle Philosophierenden zur Hand ist, und reden von ,Dingen am Himmel und unter der Erde' und ,nicht an Götter glauben' und ,die schwächere Sache zur stärkeren machen' " (23d 1).Wenn es von Nikias heißt, ,,er windet sich hinauf und hinab, nur um seine Apo& zu verbergen" (Lach. 196 b 1), von Laches, „er blickt nicht auf sich selbst, nur auf die andern" (die genau so unwissend sind wie er selbst, Lach. 200 a 7), von Kritias, ,,da er gewohnt war, Beifall zu ern-
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Vgl. 3 0 e 7 3 1 b 4 3 6 c 3 ; 2 0 a 4 2 9 d 6 3 0 a 3 (vgl. Menex. 2 4 6 b 5 ) ; 1 9 e 5 2 5 b 4 d 1 2 ß a 5 3 3 b 9 4 1 a 6 c 3 ; 1 9 d 2 3 3 a 8 3 7 a 6 3 8 a 3 3 9 e 1 41c2; 3 1 b 4 3 6 ~ 3 .
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
2. Sokrates' Betätigung
ten, schämte er sich vor den Anwesenden und wollte mir nicht zugeben, daß er zu einer meiner Aufforderung entsprechenden Darlegung nicht imstande war, und dabei brachte er doch nur Unklares vor, LI^ seine Aporie zu verbergen" (Charm. 169 e G), so ist mit alledem dieselbe Haltung gemeint los. Im Spätwerk kommt Platon noch einmal auf die Vorwürfe gegen Sokrates zurück und sieht sie in einen1 weitereil Zusammenhang: in ihnen drückt sich die Rache der Konvention aus dafür, daß sie in Frage gestellt wird von einem einzelneil. ,,Man soll ihn ernstlich weder einen Heilkundigen noch einen Steuermann nennen", so fordert sie (politic. 299 b 6 ) , ,sondern einen Wetterpropheten und sophistischen Schwätzer; sodann soll jeder beliebige unter den dazu Befugten ihn vor Gericht bringen als einen, der jüngere Leute vcrdirhi iiiid bcrrtlrl, sie solltcii die Stcticriiiaiiiiskiiiist und die IIcilkunst nicht nach den Gesetzen betreiben, sondern selbstherrlich über das Schiff und die Kranken verfügen". „Viele waren schon in einer solchen Stimmung mir gegenüber, daß sie geradezu bereit waren, zu beißen" (Theaet. 151 C 5). Ganz anders verhalten sich die, die von der Aporie e r f a ß t sind. „Ich ärgere mich wirklich, wenn ich so wenig imstande bin, auszusprechen, was ich denke", sagt 1,aclies (194 a 7) ; Sokrates selbst bekennt im ,größeren Hippias': „Reim Weggehen von dem Zusammensein" - dort war er in Aporie versetzt worden - „zürnte ich mir und tadelte mich" (286 d 3), und im ,SophistesLwird im Anschluß an die Schilderung des elenktischen Verfahrens gesagt: ,,Da jene dies sehen, zürnen sie sich selbst, werden jedoch zahm den andern gegeniiber" (230b 8). Bei ihnen hat Sokrates erreicht, was er wollte. „Nun fühlt er sich in Aporie, und wie er nicht weiß, so vermeint er auch nicht zu wissen" (Meno 84 a 7). Diese Stufe handelt von der Aporie; sie hatte aber auch das Wissen, die Sophia und Phronesis, ins Blickfeld gerückt (s. o. p. 89). Diese Gegeriiiberstelliing ist von tieferer Bedeutung; sie besagt, nur vorn Wissen des Nichtwissens aus, nur im Bewußtsein der aporetischen Situation kann man überhaupt nach Wissen Auf der n ä c h s t e n S t u f e tritt die Tätigkeit Sokrates' als die eines Envcclcers in Erscheinung. „Ich bin vom Gott der Stadt beigegeben wie einem großen, edlen Pferd, das jedoch infolge seiner Größe etwas träge ist und der W e C k u n g vermittelst eines Sporns bedarf. So hat mich denn der Gott der Stadt beigegeben, wie es scheint, als einen, der nicht aufhört, jeden einzelnen von euch zu e r w e c k e n und zu bereden und zu schelten und euch so überall den ganzen Tag im Nacken sitzt" (30 e 3).
„lm Schlafe ist niemand etwas wert, ist nicht mehr als ein Toter. Wer dagegen um Leben und Einsicht (rpeoveiv) bemüht ist, wacht so lange wie möglich" (legg. 808 b 5). Aus dieser Äußerung des greisen Platon über das physische Wachen und Schlafen geht hervor, was ihm beides im tieferen Sinne bedeutete. „Schlafenu heißt dessen verlustig gehen, was das Beste am Menschen ausmacht: der Erkenntni~"~; im ,I
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VgI. auch Gorg. 522 b 7; symp. 216 b 3. Vgl. U. p. 106 R..
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Vgl. auch resp. 411 d 2.
"'V&. auch leg& 818 c 5.
Vgl. Clitoplio 408 b 5; Meno 86 a 6; resp. 476 C d 523 d 8 533 b 6; politic. 278 e 8. Friedländer 11' 382. Zur Bezeichnung ,,Wächter" vgl. Jaeger 11138. Vgl. Jaeger 111 19.
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11. Dai Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
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sinnvolle Fortführung des auf der ersten Stufe Aporie Angebahnten. In der ,ApologieLwird dreimal die Wirkung der Aporie gezeigt: an S o k r a t e s s e l b s t , an den v o n i h m G e p r ü f t e n , und schließlich aktualisiert, nicht bloß referiert. in der A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t Meletos. 1. Das delphische Orakel hat einen Spruch getan, der Sokrates ein Rätsel ist (aivizzetu~).Er nimmt seine Aporie ernsti1*und läßt daher den Spruch nicht auf sich beruhen, sondern versucht, den wahren Sachverhalt zu ermitteln, auch wenn es Mühe kostet. Er macht sich auf die Suche (Sfitrla~s), er möchte das Orakel widerlegen ( & ~ ~ x E L v ) . Dies ist die IInltiing dessen, dem jede Behauptung und jede Frage Aporie bedeutet, aus der es mit eigenen Mitteln sich zu lösen gilt. Iin ,Thc:iifci' s:i~,'ISoltr:il(~s:„Wir, wciiii l'l~rodorosdir Scc.1~des ci~ieii von uiis lobtc in1 Hinblick auf Tugend und Weisheit? MüBte, der dies hört, sich nicht getrieben fühlen, den Gelobten zu prüfen" (1haox6$acr6ut, 21 b 7) ? Auf der zweiten Stufe steht dem p e r s ö n 1i C h e n Bereich der Erweckung der s a c h l i c h e Bereich des Tugendwissens (s. p. 93) gegenüber. An Sokrates wird sichtbar, was diese Zuordnung zu bedeuten hat. Das Suchen nach den pEy~otaist für ihn nicht nur eine Tätigkeit neben anderen, sondern erfaßt ihn ganz, wird zu einer Lebenshaltung - er hört nicht auf zu philo-sophieren; auch im Hades ist er nichts anderes als der Elenktiker -, wird zu dem, was sein Leben überhaupt lebenswert macht (38 a 5 ) . So wird bei Sokrates die Erweckung zum Tiigendwissen „existentiell". 2. Einsicht, \Wahrheit, Aret6 fordert Sokrates auf der zweiten Stufe von allen Athenern (29 e 1).Mit gutem Grund spricht er erst hier und nicht schon :iuf der Stufe der Aporie vom Tiigendwissen. So1;inge die Seele nicht durch die Aporie hindurchgegangen ist, riickt die Aret6 iiberhaupt nicht in ihren Gesichtskreis. ist sie doch noch befangen in ihrem falschen Wissensdünkel. Dieser hat die größten Irrtümer zur Folge. „Ohne etwas zu wissen sich wissend dünken, daraus fließt für alle aller gedankliche Irrtum, wie es scheint" (soph. 229 C 5). Der sich wissend dünkt, schließt sich ab gegen das, was not tut. „Wer glaubt, weise zu sein, will V o n V o r ri 11e r e i n nichts lernen auf dem Gebiet, wo er stark zu sein glaubt" (soph. 230 a 6) "'; mit dieser Haltung schädigt er seine Seele (legg. 727 a 7). Anders die durch die Aporie e r W e c k t e Seele. Daß sie überhaupt nach dem gegenständlichen Bereich strebt, der ihr seither verborgen l l q g l . Wolff 1. C. p. 70 E.;p. 73: .Es entspricht Sokrates' Erweckerberufe, wenn sich auch seine Berufung in derselben Erkenntnisform vollzieht, die er selbst als die allein gültige anerkennt: der Erweckung." " W g l . Phaedr. 275 a 6; ep. V11 341 b 7; legg. 701 a 5.
2. Sokrates' Betitigung
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bleiben mußte, ist das Werk der Elenxis. „Glaubst du nun", sagt Sokrates vom Sklaven im ,MenonL, ,,er hätte sich ans Suchen oder Lernen dessen gemacht, was er zu wissen glaubte, ohne es doch zu wissen, ehe er sein Nichtwissen einsehend in Aporie stürzte und nach dem Wissen verlangte" (84 ~ 4 ) " ~Nur ? für den, der von der durch Elenxis bewirkten Aporie ausgeht, ist gegenständliches Wissen förderlich. „Die Seele wird n i c h t e h e r Nutzen haben von den Wissenschaften, die an sie herangetragen werden, als ein Widerlegender den Widerlegten in Scham versetzt, ihm die den Wissenschaften hinderlichen Meinungen benommen, ihn gereinigt und dazu gebracht hat, daß er nur das zu wissen vermeint, was er wirklich weiß, mehr aber nicht" (soph. 230 C 7). Von ihrem G e g e n s t a n d her erhält die IClcnxis ilircn Sinn. Der Mäeiitikcr Sokrales prüfl, 01) der Geist des Jungen Lüge oder Wahrheit zutage gefördert habe (Theaet. 150 b 9) Auf den Vorwurf, er treibe Elenxis nicht um der Sache willen, sondern als Selbstzweck, erwidert Sokrates im ,Charmides4,ihr Zweck sei viel. mehr, zu ermitteln, was man wirklich weiß: „Glaubst du nicht, es bedeute ein gemeinsames Gut für fast alle Menschen, wenn sichtbar wird, wie sich jedes seiende Ding wirklich verhält" (166 d 5) ? Wenn nun gerade auf der Stufe der Erweckung von der Tugend als einem W i s s e n - neben Wahrheit "' und Einsicht liB - gesprochen wird, so bedeutet diese Zuordnung, daß der g e g e n s t ä n d 1i C h e Charakter der Aret6 nur im Zusammenhang mit der p e r s ö n 1i c h e n Erweckung zu begreifen ist. Am Beginn des Wegs zur Tugend wie zu Wahrheit und Einsicht steht das Sich-selbst-Zürnen (apol. 23 C 8). Im ,Theaitetl läßt Platon ironisch den fingierten Protagoras Sokrates zu dem ermahnen, was gerade dessen Werk ausmacht: er soll in ernstem, nicht eristischem Gespräch auf Selbsttäuschungen aufmerksam machen. ,,Wenn du nämlich so handelst, werden sich deine Mitunterredner selbst für schuldig erklären an ihrer Verwirrung und Ratlosigkeit und nicht dich, und sie werden dir folgen und dich lieben, sich selbst aber h a s s e n und von sich selbst zur Philosophie hinflüchten, auf daß sie a n d e r e w ü r d e n und sich befreiten von denen, die sie früher waren" (168 a 2). Sich selbst hassen, sich selbst zürnen - das heißt: ,,Du kannst nicht bleiben, der du bist, du mußt dein Leben ändern""". ll6
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Vgl. resp. 524 e 5 Dlno~sivxai STJTE~V. Aporie bedeutet Zerstörung des Wissensdünkels und Anregung zu gemeinsamem Suchen. .Diese einfache Fügung breitet sich in die platonische Welt hinein und legt sich dort auseinander. Erst muß das Falsche ausgerottet, die Gegenkraft vernichtet sein, bevor das Wahre gezeigt, das neue Reich gegründet werden kann." Friedländer Ie 179. Vgl. resp. 534 b 8; Theaet. 151 c 7. "9 Rilke, Archaischer Torso Apollos. ' Vgl. Maier 1. C. p. 350; 352; 353.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
,Wenn ich Perikles hörte oder andere gute Redner", sagt Alkibiades im ,Gastmahl', ,,glaubte ich wohl, er spräche gut, hatte jedoch nie einen Eindruck von der genannten Art noch auch geriet meine Seele in U n r LI h e oder Z o r n ob meiner sklavischen Verfassung. Aber unter der Einwirkung dieses Marsyas kam ich vielfach dahin, daß mir das Leben nicht mehr lebenswert schien, sofern ich bleibe wie ich bin" (215 e 4)'''. Nur der von der Elenxis ,,existentiell" Betroffene, der „Erweckte", vermag sich der AretE, die ein ,,existentielles" Wissen ist, zuzuwenden, und mit ihr der Wahrheit, Weisheit, Einsicht. ,,So treibt das raisonnement zur schöpferischen Geburt des Irrationalen, positiv: der im persönlichen Sein gelegenen Vorbedingungen für die Ergreifung des Wahren, Guten, Rechten. ,Ehe du nicht bist, was du denkst, kannst du gar nicht denken, was du sein solltest' " (Spranger)I*'. 3. In der ilfeletos-klenxis wird zunächst die Frage aiifgeworfen, wer die Jugend erziehe. „Es ist klar, daß du es weißt 12'; ist dir doch daran gelegen", meint Sokrates zu Meletos (24 d 4) mit derselben Ironie, wie er sie Euthyphron gegenüber gebraucht: „Wenn du nicht genau das Fromme und das Unfromme kennen würdest, hattest du es niemals unternoriirnen, tim eines Tagelöhners willrn deinen alten Vater wegen Mordes zu verklagen" (Euth. 15 d4)lES.Schon vorweg gibt Sokrates das Beweisziel des Gesprächs an: ,,Er gibt vor, sich um Dinge ernsthaft zu heniühen. um die er sich nie auch nur einen Deut gekümmert hat" (2-1C 6). Bald aber wird klar, was das eigentliche Ziel des Gesprächs ist: ,,Siehst du, mein Meletos, daß du schweigst und nichts zu sagen hast? Scheint dir dies denn nicht eine S C h a n d e (aioxeb) und ein hinlänglicher Beweis für das, was ich sage, daß du dich nicht darum gekümmert hast?" (24 d 7). Sokrates will ihn zur Beschämung führen. die das Zürnen auf sich selbst zur Folge hat. Weiter wird hleletos vorgehalten, er sei ein Übermütiger Frevler, der mit ernsten Dingen Scherz treibe (26 e), gleichwie Menon als ~ ~ Q L U T und rcavoüpyog bezeichnet wird (Meno 76 a 9 81 e 6). Die Mutmaßungen über Motive und Absichten seines IIandelns erinnern jedoch - an Sokrates selbst. I m Hinblick auf die Anklageschrift sagt Sokrates von Meletos: „Er scheint gleichsam ein Rätsel abgefaßt zu haben, um die Probe zu machen: ,wird es Sokrates der Weise bemerken, daß ich Vgl. ep. V11 327 a B. 330 C 9 346 d 1. Jaeger 111 19. 1. C. p. 275. hleletos ,weiß, auf welche Weise die Jugend verderbt wird und welches ihre Verderber sind, und er scheint ein weiser hlann zu sein" Euth. 2 C 3. Vgl. Lach. 186 C 8; Prot. 348 d 7; Charm. 162 d 7; Euth. 4 a 11 e 3 5 C 7 9 a 1 b 2 1 1 a 6 12 a 4 13 e 7 14 b 8 d 4; Euthyd. 285 b 3; Menex. 234 a 4; Gorg. 487 a 2; Meno 70 a 5. - Das Kallias-Gespräch der .Apologiei zur Erziehungsfrage: .Ich denke, du hast die Sache geprüft, da du im Besitz von Söhnen bist" (20 b 5).
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2. Sokrates' Betätigung
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Scherz treibe und mir selbst widerspreche, oder werde ich ihn täuschen und die andern, die zuhören?' " (27 a 1).Meletos' Klage wäre also eine Probe auf Weisheit und Geisteskraft wie das sokratische Gespräch; ist es doch Sache der wahrhaft Gebildeten, ,,in ihren Gesprächen einander auf die Probe zu stellen und sich auf die Probe stellen zu lassen" (Prot. 348 a ) . „Doch auch ich glaube, mein Protagoras, daß Simonides dies meint und Prodikos hier es weiß, jedoch scherzt und anscheinend dich versucht, ob du imstande sein wirst, deiner Sache zu IIilfe zu kommen", meint Sokrates Prot. 341 d 6, und er selbst stellt seine Fragen an den jungen Hippokrates, ,,um dessen Kraft zu erproben" (311 a 8)I**. Die Mittel einer solchen Probe sind das ,,Rätsel", der ,,ScherzL',die „Täuschung"; wer sie zu handhaben vermag, müßte wahrhaft überlegen sein. Im ,CharmidesLwird die Behauptung, das Seine tun bedeute so viel wie besonnen sein, für das Rätselwort eines keineswegs Einfälfigen erklärt (162a 10), und dem großen Sophisten Hippias gegenüber erklärt Sokrates: ,,Ich erwäge, mein Freund, ob du vielleicht Scherz mit mir treibst ''' und mich absichtlich täuschst" (Hipp. I 300 d 2) "f Nun wird im ,Kleineren Hippias' festgestellt, es sei Sache desselben, zu lügen und die Wahrheit zu sagen, nämlich des Einsichtigen, Wissenden, Weisen (366 a ff.) , und Sokrates erklärt im ,Phaidros': „Der die Wahrheit weiß, kann mit den Zuhörern sein Spiel treiben und sie irreführen" (262 d 1). Sokrates hüllt also den Meletos in die Larve des Uberlegenen, Wissenden, verleiht ihm einen Schimmer dessen, der er sein sollte, aber nur, um ihn desto drastischer demaskieren zu können. „Unmöglich hast du diese Klage gegen mich anders als in der Absicht abgefaßt, mich auf die Probe zu stellen - oder aber aus R a t 1o s i g k e i t , welche wirkliche Ubeltat du mir vorwerfen könntest" (27 e 3). Die Widersprüche, in die Meletos sich verwickelte, zeigen deullicli: er ist in Aporie. Nur so weit vermag Sokrates ihn zu führen. Ob er nun sich schämen und sich selbst zürnen wird, muB dahingestellt bleiben. Sokrates versäumt jedenfalls nicht, ihm anzudeuten, was er zu tun habe. Zu den Richtern gewandt, die ihn verurteilten, sagt er in seiner letzten Rede: „Wenn ihr durch das Töten von Menschen jemand davon abzuhalten glaubt, euch zu tadeln, daß ihr nicht richtig lebt, so denkt ihr unrecht. Denn diese Art von Befreiung ist weder so leicht möglich noch auch sehön, vielmehr ist jene die schönste und leichteste, nicht den andern Eintrag zu tun, sondern sich selbst dahin zu bringen, da8 man s o g u t W i e m ö g 1i C h s e i" (39 d 3). Daß diese Worte zugleich auch Theaet. 157 c 4. Vgl. Eutliyd. 278 b 2; Meno 79 a 7; Theaet. 162 a 1; Phaedr. 277 e 5. Vgl. 10 541 e 4; Gorg. 499 b 9; Meno 80 b 8; Phaedr. 271 c 1.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
den Klägern, auch Meletos, gelten, zeigt am Ende der ,ApologieLSokrates' Aufforderung an die, die ihn verklagten und verurteilten, sie sollten sein Werk fortsetzen, sollten seine Söhne mahnen, gleichwie er sie gemahnt hatte (41 e). Eine solche Ubernahnie des Erweckerberufs ist nur möglich, wenn sie ihr Leben radikal ändern. So leuchtet am SchluQ der ,ApologieLnoch einmal das Bild jener „Tugenda des Erweckten auf, das uns die zweite Stufe mit ihrer Vereinigung von g e W ii ß t e r u n d g e 1e b t e r Aret6 nahebrachte. Bei der stufenweisen Enthüllung des g e s U C h t e n W i s s e n s trat uns auf der d r i t t e n Stufe die Idee entgegen, das ,,S e 1b s t". Wollen wir verstehen, was Platon als dritte Stufe der D U r C h d r i n g U n g d e r P e r s ö n 1 i C h k e i t ansieht, so miissm wir erst zii erfassen des e i n siiclieii, wns er iiiiler driii so auffiillig akzentuierten ,,SelbstcL z e 1n e n - es wird noch vor dem ,,Selbstu des Staates und der andem Dinge genannt - versteht. „Große Liebe zu meiner e i g e n e n S e e 1 e müßte mich erfüllen, wenn ich so unvernünftig (fih6y~oto~) sein sollte, daß ich nicht b e d e n li e r i (hoyit~o6al)könnte", wie wenig vorleilliaft für mich Rettung des Lebens auf Kosten des Verbleibs in Athen wäre (37 ~ 5 ) " ~ . Liebe zum 11 i c d e r e n Selbst, zur vilalen Seele erscheint Sokrates hier als Hinderung des E i g e n t 1i C h e n , des hoyiLeo8a~.Die ,Gesetzec bestätigen diese Auffassung und zeigen zugleich, was der Gegenstand des hoyitea6ac sein müßte. Das größte Ubel für die Menschen, so äußert sich dort der Athener, „ist dies, was man gemeinhin sagt, daß jeder Mensch von Natur s i C h s e 1b s t liebe und daß es seine Richtigkeit habe damit, daß man so sein müsse. In Wahrheit aber ist die allzu groRe Selb~tliel~e fiir jeden jeweils die Ursache aller Verfehlungen; ist doch der Liebende blind gegenüber dem geliebten Gegenstand, sodaß er das G e r e C 11 t e und G U t e und S C h 6 11e schlecht beurteilt, da er glaubt, er niiisse das Seine über das Wahre stellen" (731 e 1). Das wahre Selbst richtet sich auf die p&otrl, das Ewige, Unveränderliche. „Was sich immer gleich verhält, kann man nicht anders erfassen als mit des Verstandes U b e r 1e g U n g" (8~avoiachoyiap@,Phaedo 79 a 2). Diese Ilirisicht ins objektive ,,SelbstcList P 11 r o n e s i S. Dem immer gleichen gegenüber „beendet die Seele ihre Irrfahrt und verhält sich jenem gegenüber immer in der gleichen Weise, da sie es mit Dingen von solcher Beschaffenheit zu tun hat. Und dieser Vorgang in ihr heißt Phronesis" (Phaedo 79 d 4). Demnach muß sich das niedere Selbst der P h r o n e s i s unterordnen, der Einsicht in das Gerechte, Gute, Schöne. Auch dies bestätigen die ,GesetzeL: „Deine Meinung scheint mir dahin zu gehen, man solle nicht darum beten und darauf drängen, IL7
Vgl. Gorg. 512 d 8.
2. Sokrates' Betätigung
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daß alles dem e i g e n e n W i 11e n (ßo4hqacs) folge, sondern vielmehr der Wille der e i g e n e n E i n s i C h t" ((peOvqo~s,687 e 5). Eben dies wird in der ,Apologie' gefordert: der einzelne solle „für sich selbst sorgen, da13 er so gut und e i n s i C h t i g wie möglich sei" (36 C 6). Nicht das Individuelle, schon gar nicht der vitale Egoismus ist also das eigentliche „Selbstu, sondern die beste Verfassung desjenigen Teils der Person, der zu einer Ermittlung des wahrhaft Objektiven allein in der Lage ist. Diese Wahrnehmung des objektiven ,,Selbsta erfolgt jedoch - und das ist das Entscheidende - nicht durch einen Blick nach außen, ein Lernen im üblichen Sinn, sondern kann n u r v o n d e r S e e l e s e 1b s t i n s i C h s e 1b s t vollbracht werden. ,,OiTenkundig ist, daß sie von mir nie etwas gelernt, sondern selbst aus sich selbst viel Schönes gefunden und gezeugt haben" (Theaet. 150 d 7). Nun ist klar, warum Sokrates in der ,ApologieLso betont, man dürfe ,,nicht eher für seine Angelegenheiten sorgen, als man für sich selbst gesorgt habe", was später der ,PhaidonLso ausdrückt: die Philosophie spreche der Seele zu, „sie solle sich auf sich selbst versammeln und konzentrieren" (83 a 7). „In der sokratischen Elenktik, der Widerlegungs- und Prüfungsltunst, lag stets das doppelte Motiv: nur vom einzelnen Ich und seinen Gedanken auszugehen, aber in ihm und gerade durch sein Selbstbewußtsein hindurch zu einem andern Selbst und zu einer andern Gegenständlichkeit durchzudringen" (Stenzel z. St.)'". Nicht auf ein bloß formales Wissen des Nichtwissens kommt es also an, sondern auf die Erweckung des einzelnen, die das ,,SelbstcLder Dinge suchen heißt, an dem sich hinwiederum das ,,Selbst6' der Persönlichkeit, die AretC der Seele, konstituiertt2" ,,Die Kunst, die Sokrates gemeint hat, ist ein Werk von der tiefsten Verantwortung; denn er fordert: den Werdenden so tief in sich hinein- und so weit in sich hinabzuführen, da0 er dort selbst die ewigen Leitsterne findet, die das Dasein erleuchten und deren Glanz auch in der Todesstunde nicht verbleicht" (Spranger)I". Er kann diese Leitsterne dort finden, weil die Seele, wie Platon bei seiner eingehendsten Betrachtung über „das Selbst und was des Selbst istcLausführt (legg. 726ff.), als das Zentrum des ,,Selbsta zugleich auch das G ö t t 1i C h s t e ist, was der Mensch besitzt (728 b 1). Aporie - Erweckung; als dritte Stufe der Durchdringung der Persönlichkeit erscheint, was der erreicht hat, bei dem das gesuchte WisStudien 196. objektive Wesenskern, das sinngebende Zentrum der Person, wandert hinüber in das Sein der wahren, objektiven Dinge, und umgekehrt: in dem wahren Sein der Wirklichkeit findet sich die Person wieder, in der Erfassung des Seins konstituiert sie sich im Prozes des geistigen Lebens" Stenzel, Studien 196. 1. C. P. 278.
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sen organisch, ,,existentiell" geworden ist: die E u d ä ni o n i e. „Jener macht", sagt Sokrates im Hinblick auf den vielgepriesenen olympischen Sieger, „da8 ihr glücklich zu sein scheint, ich, daß ihr es s e i d" (30 d 9 ) . Damit ist olfenbar geworden, woraufhin die beiden miteinander gekoppelten Stufenreihen orientiert sind. Auf der ersten SLufe traten zwei Wissensbegriffe auf: Sophia und Phronesis. Beide, so zeigt sich nun, fiihren zur Eudämonie. Gliicklich sein, heifit cs irn ,Eulliydern6, müßte der, der ein Wissen (kn~ot(wq)hätte vom richtigen Gebrauch der Dinge; dieses Wissen ist jedoch nichts anderes als oo
Vgl. Phil. 11 d 4; ep. V11 335 d 4; legg. 653 a 7. Vgl. Phaedo 111 C 1; Phaedr. 250 b 5; Tim. 68 e G.
2. Sokrates' Betätigung
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nen sich g 1ü c k 1i c h preist ob dieser Veränderung, mit jenen aber Mitleid empfindet?" (resp. 5 16 C 4). Auf der dritten Stufe wurde das Ziel des Wissensstrebens angedeutcl: die Idee. Wenn zugleich die Eudämonie ins Blickfeld trat, dann wohl deshalb, weil hier an eine letzte Durchdringung der Persönlichkeit gedacht wird, ein Erfülltsein von der Idee, zumal der höchsten: der Idee des Guten. Sie ist, wie der ,Staat1sagt, das Seligste vom Seienden (526 e 3)'''. Wer ihrer teilhaftig wäre, müßte wahrhaft glücklich sein; mit den Worten des ,Theaitet6 zu reden, man sollte sich angleichen an das göttliche Paradeigma, denn es ist das s e l i g s t e (176 e 3)ls4. Das Glück, das hier in Frage steht, gründet sich auf einen Bereich, der allen1 Störenden entrückt ist. Diesen Standort zu gewinnen ist dem Bemühen des Menschen anheimgegeben. Die Lebenslänge, meint Sokrates im ,Gorgiasl, ist Sache Gottes; was der Mensch selbst bewirken kann, ist, daß das ihm zugemessene Leben so gut wie möglich sei (512 d 8). Hinsichtlich guten Lebens ist der Mensch autark (resp. 387 d 11). „Der Mann, der alles oder doch beinahe alles, was zur Eudämonie führt, von sich selbst abhängig macht und darin nicht auf andere angewiesen ist, durch deren Glück oder Unglück notwendigerweise auch seine Sache ins Wanken geraten müßte, der hat sich das beste Leben bereitet, dies ist der Besonnene, dies der Tapfere und Einsichtige" (Menex. 247 e 6). Die ,Apologiebkennzeichnet den character indelebilis der Eudämonie mit den Worten: „Für einen guten Mann gibt es kein Ubel, weder im Leben noch nach dem Tode" (41 d I). Wir sahen: die Durchdringung der Person vollzog sich in Stufen, als deren höchste die Eudämonie erschien. Aporie - Erweckung - Eudämonie: diese Stufenfolge verbirgt sich hinter den äußeren Formen der Gerichtsrede und bestimmt in Wahrheit die Struktur der ,Apologie1; sie bestimmt darüber hinaus das philosophische Leben selbst. Wie in der ,ApologieGalles auf die Eudämonie zugeordnet ist, so muß auch das philosophische Leben ein Aufstieg zu diesem Höchsten sein; wie die Erweckung in jedem Sinne die Mitte der ,Apologie6ausmacht, so muß das Erwecktsein die Mitte des philosophischen Lebens bilden, das in ständiger Wachheit das Höchste im Auge haben und ihm zustreben soll1S5.Ist der Mensch jedoch im Zustand der Eudämonie, so hat er das Ziel aller Ziele erreicht. ,,Durch den Besitz des Guten sind die Glück' s Vgl. Jaeger I11 10. 134 ,The task of human thought is to approach ever closer to an adequate understanding of the Ideas, that of human action to transform earthly actualities into ever closer resemblance to them" Solmsen 1. C.p. 75. Vgl. Jaeger 11 121; Friedländer Ie 65 f.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
lichen glücklich, und man muß nicht mehr weiter fragen, wozu jemand glücklich sein will, vielmehr schließt unsere Antwort das Ziel in sichu (symp. 205 a 1). Sokrates führt zur Eudämonie - und hat doch in der ,Apologie6 nichts eigentlich Konkretes vermittelt. Man müßte ein Wissen haben von den ~Eyiata,von Wahrheit und Arete, von der Idee - aber hat er gesagt, was Wahrheit ist, was wir unter Aret6 zu verstehen haben? Man müßte so handeln, daß man immer das Unrecht vermeidet und dem Besseren folgt (29b 6) - gewiß, aber was ist gut, was unrecht? Dreimal wurde in der ,Apologiecdie Aporie und ihre Wirkung gezeigt: an Sokrates selbst, an Staatsmännern, Dichtern, Handwerkern sowie dem gesamten Athenervolk, schließlich an Meletos. Nun läßt sich erkennen, d:iß die ,Apologie' die Tiitigkeit des Sokrates nicht lediglich darstellt, sondern dem Leser gegenüber fortführt. Sie versetzt ihn in Aporie, sie veranlaßt ihn, Fragen zu stellen; sie macht darüber hinaus Andeutungen über die Art der Blickwendung, die vorzunehmen, über den Ort, an dem zu suchen sei. „Haben wir nicht eine Art Weg aufs Gute hin gefunden?" fragt Sokrates im ,Pliilebos4. ,,Welchen?" „Es ist, wie wenn je~nandauf der Suche nach einem Menschen erst das Haus richtig in Erfahrung bringen würde, wo er wohnt; er hätte damit ein beträchtliches zur Auffindung des Gesuchten geleistet" (61 a 7 ) . Sokrates' Tiitigkeit hat sich uns dargestellt als ein stufenweises Emporführen: erst zur Aporie, dann zum Erwecktsein, schließlich zur Eudämonie. Auf der Stufe der Aporie war uns Sophia und Phronesis und, wie es unals das gesuchte Wissen entgegengetreten, tu ~Ey~ota bestimmt hieß, etwas Schönes und Gutes als sein Gegenstand. Auf der Stufe der Erweckung wurde das Tugendwissen ins Blickfeld gerückt, als sein Gegenstand die Wahrheit, in1 einzelnen ,,Schön, Gerecht, Fromm". Anf der Stufe der Eudämonie war die Rede vom „Selbst" der Person, des Staats, der anderen Dinge, also vom Ideenwissen; hier handelt es sich nicht mehr bloß um „etwas Schönes" oder um „Schön", sondern um das Schöne und Gute selbst, um die Idee des Guten. Es ergaben sich also hinsichtlich der Enthüllung des gesuchten Wissens sowie der Durchdringung der Persönlichkeit je drei Stufen, wobei jeweils die zum letzteren Vorgang gehörige die parallele Stufe des ersteren bestimmte. Dabei wurde auch die sokratische ,,Methode" exponiert: Auf der Stufe der Phronesis, der Aret6, der Idee erschien Elenktik, Pargriese, 1)efinition. In diesen1 Bericht über seine Tätigkeit enthüllt Sokrates jedoch nicht etwa, was er im Gespräch verbirgt, vielmehr 1äßt er auch hier Hörer wie Leser in aporetischer Situation1", 186
Sokrates spricht zu Publikum und Richtern, .um sie alle in Frage zu stellen". Gadamer, GGA 1931 p. 199.
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
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freilich nicht ohne anzudeuten, wie weiterzukommen sei. Hierin erfüllt sich, was in der ,Apologiecbloß berichtet und dargestellt ist: die sokratische Tätigkeit.
3. S o k r a t e s i n d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g U)
mit der Gerichtsrede als einer Form der Rhetorik
„Wie es euch, meine sthenischen Mitbürger, mit meinen Anklägern ergangen ist, weiß ich nicht; ich selbst jedenfalls vergaß unter ihrer Einwirkung beinahe mich selbst, so überzeugend sprachen sie." Schon das Prooimion der ,Apologie4 führt uns mitten hinein in die Auseinandersetzung des Philosophen mit der Rhetorik. Was ergibt sich hierbei für A u s s a g e , S t i 1 und P e r s o n des Redners? 1. ,,Sich selbst vergessen" 13', dieser Ausdruck gehört zu den Wendungen, mit denen Platon die Wirkung der Rhetorik charakterisiert. Nach der Rede des Protagoras fühlt sich Sokrates ,,behextu (xoxqlqpEWS, Prot. 328 d 4)'", Protagoras' Dichterinterpretation trifft ihn gar gleichwie der Schlag eines guten Boxers, so daß es ihm schwindlig wird (339 d 10); vom letzten Syllogismus des Euthydem ist Sokrates wie geschlagen (Euthyd. 303 a 4), die Weisheit der beiden Eristiker hat ihn zu ihrem Sklaven gemacht (303b 7), und die Rede des Agathon läßt ihn befürchten, er werde unter der Einwirkung ihrer dem Gorgonenhaupt vergleichbaren gorgianischen Rhetorik zu Stein (symp. wenn ich zuhörte und 198 C 1). „Ich war jeweils außer mir (EE;E~tqxa)'~~, mich behexen ließ, und glaubte, mit einem Ruck größer und edler und schöner geworden zu sein", bekennt Sokrates im ,MenexenosG(235 a 7). All diesen freilich ironischen Wendungeni4' ist gemeinsam, daß sie ein Abrücken des Menschen von sich selbst und seiner Fähigkeit, sich zu orientieren, bezeichnen, ein Abhängigwerden von einem andern. Am deutlichsten wird dies im ,Menexenosb,wo Sokrates die rückläufige Bewegung auf das ,,Sich-selbst-Vergessen" hin folgendermaßen schildert: „Mit Mühe erinnere ich mich nach drei oder vier Tagen meiner selbst und merke, wo auf Erden ich bin; bis dahin aber glaube ich beinahe auf den Inseln der Seligen zu wohnen: so geschickt sind unsere Redner!" (235C 2). Zu diesem Ausdruck vgl. Phaedr. 228 a 5. Vgl. x a ~ a f p a ~ y u x e uPhaedr. 6 ~ i ~ 242 e 1. u9 Von ähnlicher Bedeutung ist auch das Emhayiiva~Phaedr. 234 d 1wie auch apol. 32 d 4; vgl. p. 158 f.. 1" Vgl. Friedländer 11' 159. 187
188
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Wenn Sokrates voii seinen Anklägern sagt, sie hätten überzeugend gesprochen, so bezieht er sich damit auf die eigentliche Kraft der Rhetorik. auf ihre nei#1i. Gorgias definiert sie im gleichnamigen Dialog geradezu als die Kunst, zu überzeugen (452 e l)14'. Bei diesem Oberzeugen Iiandelt es sich freilich nicht um Vermittlung von s a C h 1i C h Zutreffendem. „Fiir einen, der Rhetor werden will, ist es nicht nötig, das wahrhaft Gerechte zu lernen, sondern nur das, was der Menge, die richtet, so scheinen wird; daraus fließt nän~lich das Uberzeugen fneifterv), nicht aus der Wahrheit" (Phaedr. 259 e 7)14'. Da es sich bei der Rhetorik mehr um Suggestion als um Uberzeugen handelt, wird sie in drastischer Weise neben magische Praktiken gestellt: „Die Besprechiingskurist bcstrht in ßezauberung von Schlangeri, Spinnen, Skorpionen und anderen Tieren und Krankheiten, die Kunst der Redenverfertiger in Bezauberung und Besprechung von Richtern, Ekklesiasten und anderen Menschenansammlungen" (Euthyd. 290 e 1). Uberzeugend haben sie wohl gesprochen - das gesteht Sokrates seinen Anklägern durchaus zu -; er rückt diese Feststellung jedoch gleich ins rechte Licht, wenn er fortfährt: „Und doch - an Wahrem haben sie so gut wie nichts gesagt." Das Geheimnis dieser faszinierenden Wirkung der Rhetorik ist einfach: sie bietet, was die Leute gerne hören. „Sie zielt aufs A n g e n e h m e (7166) ohne Berücksichtigung des Besten" (Gorg. 464 e 2). „Sich selbst vergessen" dem setzt Sokrates entgegen, man müsse a ~C 6), setzt sich vor allem um sich selbst kümmern (CautoG E x i ~ e A ~ i a 636 er die Haltung dessen entgegen, der sich selbständig zu orientieren vermag, der „bei sich ist", der ,,EinsichtL'besitzt. Der unlauteren Uberredungskraft einer gerichtlichen Rhetorik tritt er entgegen mit den Worten: „Von mir aber werdet ihr die volle Wahrheit hören" (17 b 7). Den Worten entspricht seine unbekümmerte Sachlichkeit. „Das, worum die beiden Parteien sich streiten, muß jeweils klargestellt werden", fordert Platon in den ,GesetzenL(766 d 8). Demgemäß begnügt sich Sokrates nicht damit, die gegnerischen Behauptungen einfach für nichtig zu erklären, vielmehr sucht er klarzulegen, welche sachlichen Griinde - der Bericht ist, wie wir sahen, frei von den Üblichen Verdächtigungen - die Gegner zu ihren Behauptungen kommen lassen. Vollkommen abgelehnt wird von Sokrates das $66 als Mittel der uberredung. ,,Durch einen Mangel bin ich zu Fall gekommen", stellt er beim Rückblick auf seine Verteidigung fest, „nicht jedoch einen Mangel an Worten, sondern an Dreistigkeit und Schamlosigkeit und
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141 142
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Vgl. auch soph. 222 c 9. Vgl. Theaet. 201 a 7.
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an Bereitschaft, Dinge von der Art zu euch zu sagen, wie ihr sie am liebsten hören würdet" (o? &V .ii~iv~ E +'$~L(JT~ V ?p ~ X O ~ E L38 V d a ) . „Ich rede nicht im Hinblick aufs A n g e n e h m s t e , sondern aufs B e s t e", bekennt er im „GorgiasU (521 d 9). So erscheint in der ,Apologiecsein Reden, mag es auch lästig sein, als nützlich für die Zuhörer (30 C 4), dazu bestimmt, sie vor einem Frevel und einer verhängnisvollen Torheit zu bewahren (30 e f.) ; es dient also zu ihrem Besten. 2. „Von mir aber werdet ihr die volle Wahrheit hören - gewiß nicht, beim Zeus, meine athenischen Mitbürger, schönrednerische Worte, wie von diesen, die mit Wendungen und Worten geschmückt wären" (17 b 7). Damit wendet sich Sokrates dem S t i 1 seiner Gegner zu, die, wie bei Rhetoren üblich, ,,ihre Rede aufs schönste mit bunten Worten ausschinücken" (Menex. 235 a 1).Wer eine solche stilistisch blendende Rede halten will, muß sich lange und gründlich vorbereiten. Sokrates lehnt den rednerischen Flitter ab, also auch die Vorbereitungen, die er erfordert. Schlichtheit und Stegreifreden setzt er dagegen. E r fährt daher fort: „Vielmehr ist, was ihr hören werdet, aufs Geratewohl gesagt und mit den Worten, die sich eben einstellen." Warum Sokrates Schönrednerei und Vorbereitung ablehnt, ist leicht einzusehen: beides dient dazu, Lüge eingängig zu machen. ,,Sie reden Zutreffendes und Unzutreffendes über jeden und schmücken ihre Rede aus mit bunten Worten; dadurch bezaubern sie unsere Seelen" I", sagt er im ,Menexenos' von den Leichenrednern (234 C 6), ferner auch: ,,Der Gefallene kommt zu einem Lob, auch wenn er ein Nichtsnutz ist, von seiten von Männern, die weise sind und nicht aufs Geratewohl ihr Lob aussprechen, sondern ihre Reden seit langer Zeit V o r b e r e i t e t haben" (234 C 4)"4. Demgegenüber ist Sokrates' Redeweise das Gefäß, das der Vermittlung der ,,vollen Wahrheit" dienen ~ 0 1 1 ' Das ~ ~ . in der ,ApologieL angeschlagene Motiv der Kluft zwischen Wahrheit und rhetorischer Stilkunst wird Platon noch öfters beschäftigen. ,,Sieh nun zu, mein Phaidros, ob du auch eine solche Rede brauchen kannst, aus der die Wahrheit über Eros zu vernehmen ist, mit der Wortwahl und Stellung der Ausdrücke, wie sie sich eben ergibt", läßt er den Sokrates im ,GastmahlLsagen (199b 2), und im ,Phaidros4, bei der Besprechung der Rede des Lysias: ,,Soll die Rede von dir und mir auch in'dem Sinn gelobt werden, als ob der Verfasser das Nötige gesagt hätte, und nicht bloß in dem Sinn, daß er klar und rund gesprochen hat und jede Wendung exakt abgedrechselt war?" (234 e 5). - Besteht das Ziel im Glaub-
'@ 'Vgl. auch symp. 187 d 7. 144
'4s
Vgl. Phaedr. 236 d 4, wo Sokrates als Stegreifredner dem sich gründlich vorbereitenden Redenschreiber Lysias gegenübergestellt wird; dazu Friedländer I' 117. Vgl. Friedländer 111 159.
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iiaftmachen von Lügen oder in Massensuggestion, so ist der rednerische Stil von höchster Bedeutung, da auf ihm alle Wirkung beruht. Nicht so dort, wo es lediglich um die Wahrheit geht. Dort hat der Stil nicht die Fcinktion des Führers und Verführers, sondern des Dieners; Stil und Terminus ist von zweitrangiger Bedeutung, und sein Wert bestimmt sich lediglich nach dem Wahrheitsgehalt, den er vermittelt. „Ich überlasse es dir, jedes Wort zu brauchen, wie dir's beliebt, nur mußt du klar machen. worauf du jeweils das Wort, das du gebrauchst, beziehst", sagt Sokrates im ,CharmidesC(163 d 5), und im ,PolitikosG mahnt der Fremdling, die Frage der sprachlichen Bezeichnung nicht allzu wichtig zu nehmen (261 e 5)14'. Niclll anders ist auch Sokrates' Mahnung in der ,Apologiec zu verstehen: „I& bitte euch, gerechterweise, wie mir scheint, meine Redeweise auf sich beruhen zu lassen vielleicht ist sie schlechter, vielleicht auch besser - und nur darauf zu achten und den Sinn zu richten, ob ich Gerechtes sage oder nicht" (18a 1). 3. Aus der Stellung zur Wahrheit ergibt sich die Auffassung von der P e r s o r i des Iledriers. Für den Rhetor ist es bezeichnend, daß er souveriin iiber die Sachverhalte schaltet und die Fähigkeit des Zuhörers. se1l)sliindig zu urteilen, lähmt (17 a). Sokrafes dagegen weist die Behauptung der Gegner, er sei redegewaltig ( 6 ~ ~hiy~iu), ~ 6 s als Lüge $47., ,.es müßte denn sein, daß sie den einen Redegewaltigen nennen, der die Wahrheit sagt. Wenn sie es so meinen. gebe ich zu, ein Redner zu sein, freilich nicht von ihrer Art" (17 b 4). Die Rhetoren vergewaltigen die Wahrheit, Sokrates dagegen begibt sich seinerseits in die Gewalt der Wahrheit, leiht ihr seinen Mund. ,,Die Tugend des Redners ist es, die Wahrheit zu sagen" (18 a 5). - Mit dieser schon im Prooimion vollzogenen Stellungnahme zu Aussage, Stil und Person des Redners wird Sokrates der Verkünder eines n e u e n r h e torischen ProgrammsM8. Ein formaler Zug des Prooimions führt weiter. Zu Beginn der ,Apologie' wird der Begriff des Redners geklärt dadurch, daß der Gattungsbegriff des S ~ i v b sAEYELV iii zwei Arten zerlegt wird. Die eine wird an den Gegnern demonstriert: der Redegewaltige, der den Hörer der Orientierurigsfähigkeit beraubt und dadurch lügnerischen Behauptungen zugänglich macht; die andere repräsentiert Sokrates selbst, den Redner nämlich, der die Wahrheit sagt, wie mit einer - sie wurde soeben angeführt - geradezu d e f i n i t o r i s C h e n Wendung ausgesprochen wird. Was es mit dieser Klarstellung auf sich hat, lehrt der
$48
Vgl. resp. 533 d 7; Theaet. 177 e 1; ep. V11 343 a 9; legg. 627 d 1. Vgl. das ironische Spiel Menex. 235 e 9; dazu Morr 1. C. p. 21. Vgl. Wolff I. C. P. 7.
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,PhaidrosL,die Schrift Platons, die anhand konkreter Beispiele seine Auffassung von der ,,neuen Rhetorik" theoretisch erläutert. „Wer sich mit der Kunst des Redners befassen will", so heißt es dort, ,,muß zuerst methodisch diese Unterscheidung durchgeführt (06+ 6rn@q
. ."
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Vgl. 20 d 4 28 b 3 34 d 9 37 C 5 37 e 3 38 a 1 38 d 3. Zum Vorwurf der Anmaf3ung und des Hochmuts vgl. Theaet. 175 b 4. Vgl. legg. 642 b 3. Zur leichten Beeinflußbarkeit der Jugend vgl. Euthyd. 275 b 2; resp. 377 a 12; Theaet. 162 d 2 173 a 5; legg. 664 b 3 671 b 9 765 e 3 933 e 10.
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schiedene Motive. Die meisten sind lediglich irregeleitet, eine Art betrogener Betrüger (18 d 3) ; wohl im Hinblick auf sie spricht der ,StaatL vom Volk, das ohne sein Zutun ( O ~EXx c h ) , von Verleumdern getäuscht, sich ungerechten Handlungen zuwendet (565 b 9). Als Motiv zumal der drei Kläger wird Ehrgeiz angegeben (23 d 9)15'. In den ,Gesetzen4 wird als ein Motiv quasi-freiwilliger Cngerechtigkeiten genannt „die Verfassung der ehrgeizigen Seele, die vielfache Mißgunst (e6vos) einpflanzt, einen gefährlichen Beiwohner ganz besonders für den selbst, dem sie innewohnt, gefährlich aber airch für die Besten im Staate" (870 C 5) - wobei der Gedanke an Sokrates mitschwingen dürfte. Die Motive von Sokrates' „SchülernLLerscheinen in eigenartigem Lichte. „Sie haben Freude daran, zuzuhören, wie die Menschen gepriift werden" (- „es ist ja xiicht ohne Reiz" 33 C &), ,,und sie selbst ahmen mich vielfach nach, wobei sie es denn unternehmen, andere zu prüfen" (23 C 4). Deiitlicher, wenn auch zum Teil mit denselben Worten, drückt sich der ,Staat' aus. ,,Wenn die jungen Burschen zum ersten Mal von den dialektischen Reden kosten, so gehen sie mit ihnen um wie mit einer Spielerei, brauchen sie immer zum Widerspruch und ahmen die Widerlegcr n:icli, indem sie selbst andere widerlegen; dabei freuen sie sich wie junge Hunde daran, alle, die ihnen nahekommen, mit ihren Reden zu zerren und zu rupfen" (539 b 2)15'. Kein Wunder also, wenn die Uberführten mit Haßgefühlen reagieren (23 C 8). Soweit die Psychologie in der B e U r t e i 1U n g von Handlungen. Doch Sokrates ist selbst ein Handelnder, bedarf also der Psychologie auch für seine 2. B e 11 n n d 1 U n g d e r H ö r e r. Der Redner Sokrates sieht sich einer ungewöhnlichen Schwierigkeit gegenüber. „Die hierorts übliche Redeweise ist mir gänzlich fremd", sagt er in der Prothesis (17 d 3). Dnß dies nicht iin Sinne eines iiußeren Nichtbekanntseins mit der Gerichtssprache zu verstehen ist, zeigt 35 a 4, wonach Sokrates häufig gerichtlichen Verhandlungen beiwohntem. Sokrates bittet, ihm gegeniiber Nachsicht zu üben, wie man es einem Fremden (EEvos) gegenüber tut, der einen nndern Dialekt spricht. E r ist hier fremd in einem tieferen Sinne. Irn heutigen Staat ist der Philosoph „wie ein fremder Same Ferner werden sie (wie auch Chairephon 21 a 3) als acpohpoi bezeichnet, was ihre Handlungsweise niit erklären soll (23 e 5 ) . Vgl. dazu Charm. 153 b 2 über Chairephon (er ist p a v ~ x i i ~Phaedo ), 59 a 9 üfer Apollodoros (oiaZta y & xou ~ tbv ävhpa xai tbv tg6xov aUtoü) . lbe Vgl. Phil. 15 d 8; Jaeger I11 43. lSa Ahnlich erklärt Sokrates im ,KritonG,er habe keine fremden Gesetze wissen ( ~ & v a i ) wollen (52 b 7 ) . Doch kurz darauf zeigt es sich, daß er über sie urteilt, sie also kennt 52 e 5 ) . Der Sinn ist, daß er es mit dem ,ursprünglichenu Athen hält und nichts von Fremdem wissen will eine hintergründige Vertiefung des ,Wissensu wie in der ,Apologie6des .Fremdseins". lS1
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(EEYLXOY anEwa), der in anderes Land gesät ist" (resp. 497 b 3)"'. Und Gerichtskreaturen steht der Philosoph gegenüber wie der Freie dem Sklaven (Theaet. 172 C 8 ) . Daß Sokrates ein ,,Fremderu ist, macht die Hauptschwierigkeit bei seiner Rede aus. „Jedermann freut sich über Reden, die seiner eigenen Sinnesart (660s) entsprechen, und ä r g e r t sich über solche, die ihm fremd sind" (Gorg. 513 b 8). Die Aufgabe des Sokrates besteht darin, den Bann dieser Fremdheit zu brechen durch den Versuch, die Zuhörerschaft zu seiner Betrachtungsweise emporzuheben, also zu ruhiger Sachlichkeit. Einmal dient hierzu seine Darstellung selbst, die vom Emotionalen grundsätzlich Abstand nimmt. Zum andern aber versucht er, das Eintreten von Affekten dadurch zu verhindern, daß er besonders anstößige Äußerungen schon vorweg ankündigt, diesen dadurch das Uberraschende nimmt und somit die Spontaneität des Affekts - ein sehr wesentliches einschränktlW. „Wenn ihr mich mit denselben Worten Moment meine Verteidigung führen hört, mit denen ich auch auf dem Markt bei den Tischen zu sprechen pflege, wo viele von euch zugehört haben, und anderwärts, so wundert euch deswegen nicht und macht keinen Lärm" (17 C 7 ) . ,,Macht mir keinen Lärm1", auch wenn ich euch etwas großsprecherisch zu reden scheine" (20 e 3). ,,Erbost euch nicht, wenn All diese Versuche, auf die Seele der ich die Wahrheit sage!" (31 e 1)IG7. Hörer einzuwirken, setzen K e n n t n i s i h r e r P s y C h e voraus. Als Seelenkenner von hohen Graden zeigt sich Sokrates bei der Ablehnung des Oiktos. ,,Es könnte vielleicht jemand von euch in Unwillen geraten, wenn er daran denkt, daß er selbst, in einen harmloseren Prozeß als diesen hier verwickelt, die Richter unter vielen Tränen bat und anflehte und dazu seine Kinder auftreten ließ, um desto sicherer Mitleid zu erregen, und viele andere Verwandte und Freunde, während ich nichts Derartiges tue, und zwar, wie es den Anschein hat, bei äußerster Gefahr" (34 b 7). Sokrates kennt die Schwäche der Seele, aber er weiß, daß der sich den Weg zu ihr verbaut, der sie unnötigerweise auf dieser Schwäche behaftet und reizt. Daher fährt er fort: „S o 11t e einer von euch so gesinnt sein - ich glaube es zwar nicht, sollte es aber der Fall sein -, so dürfte es, wie ich meine, nicht unbillig sein, wenn ich folgendes zu ihm sage: . . (34 d 1 ) .
-
."
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155 'Gs 167
Vgl. resp. 491 d 7 604 e 1. Umgekehrt ist im guten Staat der Unsittliche ein Fremder: legg. 841 e 2. 36 a 1 demonstriert Sokrates diesen Mechanismus an sich selbst: er hat seine Verurteilung erwartet, ist also über ihr Eintreten nicht entrüstet. Grundsätzliches über Lärm vor Gericht legg. 876 a 9. Vgl. ferner 17 c 3 21 a 5 27 a 9 30 C 2 32 a 8. Dazu Euthyd. 286 e 10; Theaet. 143 e 7; Critia 107 a 2.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
3. Zum Schluß wendet sich Sokrates an die unter den Richtern, die sich auf seine Ebene der Betrachtung heben ließen. Ihnen steht er nicht mehr als Fremder, sondern als Freund gegenüber, ihnen kann er auch sagen, was er den in Feindschaft gegen ihn Verharrenden vorenthalten muß. „Euch als Freunden will ich zeigen, was das mir soeben Widerfahrene zu bedeuten hat" (39 e 5)15'. Nur sie sind fähig, seinen Andeutungen über das Geheimnis seines Sterbens zu folgen. Im ,Phaidros6nun wird eben das gefordert, was in der ,Apologiecerfüllt ist. Sokrates erwies sich als S e e 1e n k e n n e r. ,,Wenn einer jemand die Redekunst vermittelt, so zeigt er genau das Wesen dessen, dem er die Worte zuführen wird: dies aber ist die S e e 1e" (270 e 2). Sokrntes kennt die Reaktionen der Seele und weiß sich auf sie einzurichten. So heißt. es im ,PhaidrosLvon1 wahren Rhetor: ,.Er wird die Arten der Reden und der Seele sowie deren Widerfahrnisse einteilen und alle Gründe durchgehen, wobei er das einzelne dem einzelnen anpaßt und lehrt, bei welcher Beschaffenheit auf welche Reden hin aus welcher Ursache die eine Seele notwendigerweise sich überzeugen läßt, die andere nicht" (271 b 1).- Sokrates weiß schließlich, daß man nicht jedem alles sagen kann. „Das lebendige und beseelte Wort des Wissenden, von dem das geschriebene eine Abbild ist", muß sich klar sein darüber. ,,wem gegenüber es reden oder auch schweigen soll" (276 a). All dies Wissen soll dazu dienen, die Seele der Hörer durch das Mittel der Rede herauszuführen aus den Niederungen, in denen sie sich aufhielt. Von einem Wissenden gehandhabt erfüllt die Rede ihren Sinn, wird ein Erzeugnis der neuen, wahren Rhetorik, denn „die Funktion (Ij6va~i.t~) der Rede ist Seelenleitung" (iiivxayoyia, 27 1 C 10). Weiter fordert der ,Phaidros' neben der I<enntnis der Seele vom wahren Rhetor, er müRte „die W a h r h e i t all dessen wissen, worüber er redet und schreibt'' (277 b 5). Sollte nicht Sokrates die „volle Wahrheit" über seinen ,,Fallc' nur deswegen zu sagen vermögen, weil er die Wahrheit kennt 15'? Wenn allein die Kenntnis der S e e l e und der W a h r h e i t die Rhetorik zum Rang einer „I
dazu ist (268b) zu bedienen. Daß aus den Formen Form werde Kenntnis der Seele und der Wahrheit nötig. Die Erklärer der ,Apologie' haben vielfach festgestellt, Sokrates' Verteidigung gestalte sich in der xenophontischen ,Apologieb wirksamer, weil dort der Vorwurf, er glaube nicht an die Staatsgötter, direkt W i d e r 1e g t werde. Dem Sokrates der ,Apologie6liegt jedoch nichts an einer solchen Verteidigung; er unterläßt eine direkte WiderDafür verteilt er - sokratische legung der „zweiten Seelenführung! - auf die ganze ,Apologie6die Zeugnisse dafür, wie es mit seinem Götterglauben in Wahrheit steht, eine hinreichende ,,Widerlegung" für den, der sie zu verstehen vermag. Die „Rechenschaft über das Leben" dagegen, die in der Gerichtsrede an peripherer Stelle stehti6', nimmt in der ,Apologie' einen außergewöhnlichen Umfang an; enthält sie doch den Hinweis auf das tiefste Geheimnis der sokratischen Psychagogie: die Erweckung. Zu Beginn der aufs Prooimion folgenden Prothesis gibt Sokrates eine Disposition seiner Rede: ,,Zuerst, meine sthenischen Mitbürger, muß ich mich gegen die ersten lügnerischen Anklagen und die ersten Ankläger verteidigen, sodann gegen die späteren Anklagen und Ankläger" (18 a 7)16'. Auch anderwärts gibt Sokrates zunächst die Gliederung seiner Rede an: irn ,Menexenosgverheißt er, nacheinander edle Geburt, Erziehung und Taten der Gefallenen zu preisen (237 a 7), in seiner Rede im ,Gastmahl6,er werde erst das Wesen des Eros, dann seine Werke umreißen (201 d a ) , und zu Beginn seiner ersten ErosRede im ,PhaidrosCstellt er in Aussicht, er werde zuerst das Wesen des Eros, dann, im Hinblick darauf, seine Nützlichkeit oder Schädlichkeit behandeln (237 C 8 ) . Wieder gibt der ,PhaidrosLAufschluß über das Wesentliche. Bei der kritischen Erörterung von Lysias' Rede wird dort bemerkt: „Scheint dir, das an zweiter Stelle Gesagte hatte auf Grund irgendeiner Notwendigkeit an die zweite Stelle gerückt werden m üs s e n , oder sonst etwas von dem Gesagten?" (264 b 4). Darin liegt die Forderung, die Abfolge der Themen müsse auf sachlicher Notwendigkeit beruhen. Daß dies in der ,Apologie' der Fall ist, leuchtet ein; die Abfolge der Themen wird eigens begründet: ,,Obernehmt auch ihr die Auffassung, ich müsse mich zuerst gegen die ersten Ankläger verteidigen: d e n n ihr habt sie früher und nachdrücklicher klagen gehört als jene späteren" (18 e 1).
-
leo Vgl.
'6' '58
15@
Vgl. legg. 688d 5: "Euch als Freunden will ich es klarzumachen versuchen." Dazu Rohr 1. C. p. 28. mit Anm. 2. Vgl. Friedländer 11' 145 zu Hipp. 11.
10'
Schanz 1. C. p. 94. S. Wolff. 1. C. P. 35. Ganz ähnlich ist der ,Dritte Brief' aufgebaut: Platon gibt eine Verteidigung (hohoyia) gegen eine zwiefache GtaßoI.4 (316 a 6 ) ; auch dort wird zunächst auf die &ex$der erstgenannten Verleumdung zurückgegangen (316 C 1).
124
11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Die ,ApologieLfolgt in ihrem Aufbau, wie das letzte Kapitel zeigte, einem sinnvollen Fortschritt vom Anfang zum Ziel, vom Berührtsein zum Durchdrungensein, bei wohlüberlegter Beziehung der Teile zueinander. Ihre äußere Mitte - 28 d bis 31 C - ist die Mitte des WerksiBS: zeigt sie doch die für Sokrates' Tätigkeit zentrale Bedeutung der Erweckung. Ähnlich steht in der Mitte des ,StaatsGder Anstieg zur Idee'", in der Mitte des ,TheaitetCder Exkurs über Philosoph und Weltmensch, in der htitte des ,Phaidrosl Sokrates' Palinodie"'. Auch hier erfüllt die ,Apologiec eine Forderung, die erst der ,PhaidrosCformuliert: ,,Jede Rede muß wie ein Lebewesen zusammengesetzt sein und gewissermaßen ihren eigenen Körper haben, sodaß sie Mittleres und Äußeres hat, jeweils passend zueinander und zum Ganzen niedergeschrieben" (2G4 C 2). Daniit gibt die ,Apologie6 noch vor der ironischen Erklärung des ,GorgiasC,es fehle bislang eine „wahre Rhetorik" (517 a4), die „darauf hiiiwirke, dir Seelen der Bürger so gut wie möglich zu machen" Sie soll die Hörer von emotio(503 a 7 ) , das Beispiel einer naler IZef:ingeriheit zu wirklicher Erkenntnis fiihren. Solche Rhetorik ist hier wie anderwärts notwendig; sie ist sinnvoll, da sie etwas nicht Unmögliches anstrebt. Die Masse wird nach der uberzeugung Platons zu anderer Ansicht kommen, wenn man ihr in sachlicher Weise, frei von &ovlr.ia, zuredet (resp. 499 e 1). ,,Oder glaubst du, daß jemand, der frei von hlißgunst und gemäßigt ist, über den Nichtergrimmten ergrimmt, oder dem, der ohne Mißgunst ist, Mißgunst entgegenbringt? . . Meiner Meinung nach gibt es das nur bei einigen wenigen, n i C h t b e i d e r iil e n g e , daß die Natur so schlecht ist" (500 a 4). Die ,Apologie' steht somit als Erzeugnis der neuen, wahren Rhelorik neben dem ,RIenexenos', der Palinodie des ,Phaidrosc und den Prooimien der ,Gesetzec;Sokrates erscheint als der wahre Rhetor. Zugleich aber wird sichtbar, was die ,Apologie6 von den genannten Werken unterscheidet: der Hinweis darauf, daß diese Art der Rhetorik nicht das Letzte ist, sondern iiber sich selbst hinausweist als Stufe zu einem Höheren. Sokrates und der Rhetor gewöhnlichen Schlags stehen derselben Schwierigkeit gegenüber: „Unmöglich kann der Redner eine so große Menschenmenge i n s o k U r z e r Z e i t über so große Dinge belehren"
.
S. 0. p. 113. Vgl. auch die Stellung der Sokrates-Rede im ,Gastmahl1: .Nicht unähnlich wie im ,Staat' steht auch hier das Eidos ,in der Mitte'.'' Friedländer 11' 316. Vgl. auch die positive Würdigung des Dichters in der Mitte des ,Ion6 (533 d ff.: dazu Friedländer 111 130) sowie die Elementenlehre in der Mitte des ,TimaiosS. 16@Das Prooimion der ,Apologie' ist ,die Selbstdarstellung des idealen Redners und damit das erste rhetorische Programm Platos" Wolff 1. C. p. 5.
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
125
(Gorg. 455 a 5)Ie7.Die Rhetorik hilft sich dagegen auf ihre Weise: „Der Redner b e 1e h r t nicht Gerichte und andere Menschenansammlungen über Recht und Unrecht, sondern wirkt lediglich Glaubenc' ( n e ~ u z ~ x d ~ ~OYOY, Gorg. 455 a 2). Für Sokrates kommt dies nicht in Frage. ,,Ich muß versuchen, innerhalb so kurzer Zeit euch die Verleumdung zu benehmen, die ihr in langer Zeit in euch aufgenommen habt. . Ich weiß, daß dies schwierig ist, und es ist mir durchaus nicht verborgen, wie es damit steht" (18e 5). Da er unmöglich mit einer kurzen Rede zum Ziel gelangen kann, sieht er sich veranlaßt, auf das hinzuweisen, was ihm Rettung bringen könnte, jedoch jenseits der gegebenen Möglichkeiten liegt: das G L a A 6 y e U -8 a L. „Wenn ihr mich mit denselben Worten meine Verteidigung führen hört, mit denen ich auch auf dem Markt bei den Tischen zu sprechen AEYELY) . .., SO wundert euch deswegen nicht und macht pflege (~'io-8~ keinen Lärm", warnt Sokrates im Prooimion seiner Rede (17 C 7). Er V O L der andern gegenstellt seinen schlichten Stil den X E X U A ~ L E ~ ~ ~ E MYOL über, meint also zunächst dessen der dialogischen Umgangssprache angenäherten Charakter, der in der ,Apologiecschon vielfach beobachtet wurde Bald wird jedoch dies „Sprechenc' des Sokrates deutlicher gekennzeichnet: er berichtet ein Gespräch mit dem reichen Kallias (20 a ff.), er erwähnt - und hierbei fällt zum ersten Mal der Terminus G~ahQyea6a~ - seine allseits bekannten Unterredungen (19 d 3), seine Gespräche mit arm und reich (33 a 8), seine elenktischen Gespräche über die Aret6 (38 a 3), ja er denkt sogar an ein GlaAEyeu8al im Hades (41 C 2 ) . Er schildert ferner seine Selbstgespräche: wie er auf das Orakel hin mit sich selbst uneins ist (21 b ) , wie er nach der ersten Unterredung mit einem Politiker zu einer Einsicht gelangt (21 d)la9; er schildert auch ein durchschnittliches Gespräch mit einem Athener (29 d 8.).Schließlich läuft in der Meletos-Elenxis gleich eine Dreiheit von Gesprächen ab, die höchste Konkretisierung des Gesprächs. Damit wird klar, worauf Sokrates zielt, wenn er im Prooimion sein gewohntes Reden in Aussicht stellt. „Denkt mir daran, daß ihr keinen Lärm machen sollt, wenn ich in der g e W o h n t e n Weise spreche" (27 b 1), mahnt Sokrates hieri7'. ,,So untersucht denn gemeinsam mit mir ( u v v s n t d ~ a u b e ) ,ihr Männer, inwiefern er sich meiner Auffassung
.
1st
Irn
'"
168
Vgl. Friedländer 111 160. - Zur Forderung genügender Zeit für Verhandlung wichtiger Dinge vgl. Crat. 427 e 5; Meno 76 e 6; resp. 532 d 4; politic. 286 e 3; ep. I1 314 a ff. V11 341 C 6 344 b 1; legg. 812 e 7. Zuletzt bei Gallo Galli 1. C. p. 273: .Sempre si volge a chi 10 ascolta come ad un interlocutore . . . Tutto il tono dell' Apologia come ha notato il Valgimigli B al modo del solito dialogare socratico." Zum Selbstgespräch der Seele vgl. Theaet. 189 e 7; soph. 264 a 8; Phil. 38 C 9 d 5. Vgl. auch Wolff 1. C.p. 83.
-
-
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
nach in Widersprüchen bewegt* (27 a 8) - mit dieser Auffordening führt Sokrates seine Richter mitten hinein in das elenktische Gespräch, das, wie Platon nicht müde wird zu betonen, ein g e n~e i n s a m e s Suchen, Forschen, Betrachten bedeutet 171. Mittlerweile tritt die Katastrophe ein, Sokrates wird verurteilt. Er zieht das Fazit aus seiner Verteidigung: ,,Ich für mein Teil bin überzeugt, wissentlich niemandem unrecht zu tun, aber davon überzeuge ich euch nicht, haben wir doch nur kurze Zeit miteinander gesprochen (61~diyp~8a)"~. Hättet ihr indessen, wie ich meine, ein Gesetz, wie auch andere Menschen, des Inhalts, man solle über Leben und Tod nicht nur einen Tag lang richten, sondern viele, so hättet ihr euch überzeugen lassen; nun aber ist es nicht leicht, sich innerhalb kurzer Zeit von großen Verleumdungen zu befreien" (37 a 5). ,,Zeit, Langsamkeit und vielfaches NacIifragen tragen bei zum Sichtbarwerden des eigentlichen Streitpunkles", meinen die ,GesetzeL(7G0 e 1). Worum es vor Gericht, ziininl bei Sokrntes, geht, das kann riiclit in tagelang sich hinziehenden Reden, sondern nur im Gespräch geklärt werden"'. ,,Wenn wir öfter und besser eben diese Fragen betrachten, wirst du dich überzeugen lassen", sagt Sokrates zu Kallikles (Gorg. 513 C 8). ,,Wenn dies immer und immer wieder verhandelt wird, bringt es vielleicht den Fragenden und den Gefragten zu hinlänglicher ubcreinstimmung" (Phil. 24 d 8). Die ,Apologiecweist also hin auf einen Bereich, in dem nicht wie bei der Rede das Gesagte starr und fern bleibt, der Deutung durch den .VaterK bedürftig, sondern wo sich erweisen muß, ob lebendige und beseelte Rede, der Logos, der in der Lage ist, sich zur Wehr zu setzen (Phaedr. 276 a ) , in dem Sprechenden wohnt: auf das sokratische Gespräch. Es steht noch über der ,,wahren Rhetorik", vielmehr: es ist ihre höchste Form 17'. Ein Letztes zur ,ApologieLals Verteidigungsrede. Verteidigung gibt es, wie vor Gericht, so auch im philosophischen Gespräch. Von Protagoras verlangt Sokrates, er solle seine Äußerung V e r t e i d i g e n
"' Vgl. Lach. 187 d 1 189
C 1 197 e 6 200 e 1; Prat. 343 C 6 347 C 2 361 d 5; Charm. 158 d 8 162 e 4; Hipp. I 295 b 2 296 b 3; Crito 46 d 5 48 d 8; Crat. 384 C 1 422 C 1; Gorg. 498 e 10 506 a 3; Meno 80 d 3 86 C 5 90 e 10; Theaet. 181 C 4; soph. 218 b G; politic. 270 b 3 277 a 3; Phil. 26 e 1. 17"uch seine Ansprache an die Richter, die ihn freisprachen, bezeichnet er, gleichfalls ironisch, als thak6y~dal(39 e 1). lrn Auch im ,hlenexenosGwird über Zeitmangel geklagt (239 b G 246 b I ) , doch geht dort das Absehen auf Zeit rhetorischen Vortrags, hier auf Zeit persönlichen Gesprächs. - Scharfe Unterscheidung von 6~lp".1)0p&h und gesprächsweisem uuvsiva~ Prot. 336 b 1. ,Die höchste Art philosophischer Rhetorik ist dem Platon nicht die ekstatische Rede, sondern, um es mit einer Paradoxie zuszudrücken, das erziehende Gespräch" Friedländer 111 491, 1. Vgl. dazu auch Phaedr. 276 e 5.
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
127
(Prot. 359 a 2) ; die Dichtkunst wird so lange aus dem Staat ausgeschieden, als sie sich nicht gegen das zu V e r t e i d i g e n vermag, dessen sie beschuldigt wurde (resp. 608 a 1); die Einwände des Adeimantos ergänzt Sokrates und schließt: ,,Dies und vieles andere dieser Art läßt du aus bei deiner A n k 1a g e." „Nun, so sei denn auch dies in die Anklage aufgenommen." ,,Womit sollen wir uns nun deiner Meinung nach V e r t e i d i g e n ? (resp. 420 a 6)17'. Verteidigung ist notwendig bei Behauptungen, die als ungerechtfertigt erscheinen. Die ,ApologieL enthält eine Fülle solcher Paradoxien, etwa: ein Rhetor 1st der, der die Wahrheit sagt; Verlust des Vermögens ist kein wirklicher Schaden; es ist besser, zu sterben als die Menschenprüfung aufzugeben. All dies ist jedoch nur der Ausdruck der umstürzenden Paradoxie, die in SoIrrates' Vorstellung vom richtigen Leben liegt. Ihr zufolge ist es nicht Sokrates, der ,Wunderliches tutL, sondern die Gesamtheit der Mitmenschen, die so vernünftig und richtig zu leben glauben. „Wenn du es errisl meinst und wirklich wahr ist, was du sagst", sagt Kallikles zu Sokrates, ,,dann wäre das Leben der Menschen durchaus auf den Kopf und würden wir, wie es scheint, in allem das Gegestellt (~vatsteayyEvos) genteil von dem tun, was wir tun sollten" (Gorg. 481 C l).Was Sokrates unternimmt, ist die Richtigstellung des von den Menschen umgestülpten Lebens 176. Dazu kann nicht eine Vermischung der Gegensätze helfen, sondern nur ein Ilinstoßen auf das dem Treiben der Menschen diametral Entgegengesetzte, auch mit den Mitteln der Provokation. Provozierend wirkt es, wenn Sokrates sich in die Nachfolge Achills stellt (28b ff.)"?, wenn er sich als den besseren Mann, den Ankläger als schlechteren bezeichnet (30 d 1), wenn er Speisung im Prytaneion für sich fordert (36 d) - aber es ist eine Provokation, die zumindest ein überraschtes Fragen nach sich ziehen soll, Fragen und Infragestellen des Philosophen. Hier wird klar, daß die Verteidigung f o r maler Ausdruck einer philosophischen Situation ist, deren Zustandekommen aus der sokratischen Sache selbst folgt, und daß die Form der ,Apologie6,ihr Charakter als Verteidigungsrede, das angemessene Gewand des Abyov 6 ~ 6 b v a darstellt. ~'~~ SOtut Sokrates etwa im ,Staati paradoxe Äußerungen über den Philosophen und muß auf Einwände gefaßt sein. ,,Steht nicht schon dies Eine als ein starkes Paradoxon den gewöhnlichen Anschauungen über den Philosophen gegenüber?" ,,Aber sicherl" „Werden wir uns nun nicht in angemes175 176
17? 178
Vgl. auch resp. 420 C 4 488 a 4 605 C 6 607 b. Beispiele solcher Richtigstellung sind etwa: resp. 421 C 5 473 a 1 (dazu Friedländer 111412) 497 e 5; soph. 234 d 2; ep. V11 330 C 9; legg. 714 b ff. (dazu Rohr 1. C. p. 66) 716 C 4 891 e 5 966 e 4. Vgl. Gadamer 1. C. p. 199. Vgl. auch Steidle 1. C. p. 144.
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11. Das Verhältnis der Apologie zu;n platonischen Gesamtwerk
sener Weise V e r t e i d i g e n (d..zoIo~qo6p~Ba),wenn wir folgendes sagen: . . ." (490 a 5). Und im ,Phaidon6 wird - dies ist keineswegs „bloßer" Scherz - die gerichtliche Apologie neben die dortige ,,Verteidigung" gestellt: „Dies ist es also, mein Simmias und Kebes, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen habe hinsichtlich meiner Außerung, es sei nur billig, wenn ich es nicht schwer nehme noch auch Unwillen darüber empfinde, daß ich euch und meine hiesigen Herrn verlassen muß. Sollte ich nun mit meiner Verteidigung bei eiich mehr ausriditen als bei den athenischen Richtern, so wäre dies schön" (69 d 7 ) . So erscheint die in Auseinandersetzung mit der üblichen Rhetorik ausgesprochene Forderung der ,ApologieLnach einer wahren Rhetorik implicite in diesem Werk schon erfüllt. Daß diese Redekunst auf umfassender Beherrschung der üblichen Rhetorik beruht, die soweit geht, daß der Redner sie5sogarnoch zu überbieten und auf ihrem eigenen Feld zu schlagen vermag"', wurde schon im ersten Teil gezeigt (P. 59ff.); hier dagegen wurde deutlich, daß die Formen und Formeln der Rhetorik nur den Rang einer Vorbedingung für die neue Rhetorik einnehmen'''. Diese beruht auf Kenntnis der Seele und der Wahrheit; nur der Kenner der Seele und der Wahrheit kann die Rede zu einem organischen Ganzen gestalten. Damit erweist sich die ,ApologieLals Ausdruck einer .,Rhetorik zum Guten", die im Dienste der Philosophie steht 18', und Sokrates, der Kenner der Seele und der Wahrheit, im Besitz der rhetorischen Vorbedingungen, erscheint als der wahre Rhetor. Nun ist Sokrates' Verteidigungsrede, wie wir sahen, ein Teil seiner Tätigkeit; diese jedoch beruht auf gtittlichem Befehl und steht im Dienste des Gottes. Mithin wird auch seine Rhetorik zum Gottesdienst. ,,Die Redekunst", so sagt Sokrates im ,phaidrosL,,,wird keiner enverben ohne vielfache Mühen, welche der Besonnene nicht um des Redens und Handelns vor Menschen willen durchstehen soll, sondern dazu, den Göttern Wohlgefälliges reden zu können und in allem nach Möglichkeit ihnen wohlgefällig zu handeln" ( 2 7 3 d 7 ) .
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Dazu ist etwa der ,MenexenosC,der ,Kleinere Hippias', die Dichter-Interpretation im ,Protagoras' und die erste Sokrates-Rede im ,PhaidrosGzu vergleichen. S. Friedländer 11' 137 486. .Es ist zu folgern, daß diese ,Andersartigkeit im Ähnlichen' überall dort zu beobachten sein wird, wo der Philosoph sich fremder sophistischer Mittel bedient" Ifse V. Loewenclau, Der platonische Menexenos, Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft 41, 1961, p. 40. Vgl. Jaeger 111 258.
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3. Sokrates in der Auseinandersetzung
Sokrates in der Auseinandersetzung
b ) mit dem Gehalt der Anklage Die durch wirksame Rhetorik der Gegner erhitzten Richter betra&ien in ihrer Mehrzahl den Fall Sokrates unsachlich. Die einzige im Sinne der Rhetorik erfolgversprechende Gegenwehr, die Diffamierung der Gegner, lehnt Sokrates ab. ,,Niemand soll einen andern schmjihen", fordern die ,Gesetze6. „Ist jemand bei irgendwelcher Unterredung uneins mit einem andern, so soll er seinen Gegner und die Anwesenden belehren und sich belehren lassen und sich jeglicher Schmähung enthalten" (934 e 3). Gegner und Richter belehren will auch Sokrates. Ein Gesprächspartner, der sich nicht zu sachlicher Auseinandersetzung bereitfindet, ist für Sokrates ohne Interesse. Im ,SophistesL wird über eine Gruppe von Gegnern, die sich nicht zu geordnetem Gespräch herbeilassen wollen, bemerkt: „Am besten wäre es, sie, wenn irgend möglich, in der Tat besser zu machen. Wenn dies aber nicht geht, wollen wir sie in Gedanken besser machen und unterstellen, sie wären bereit, geordneter zu antworten als sie es jetzt tun. Denn ein Zugeständnis von Besseren wiegt doch wohl mehr als ein solches von Schlechteren; uns aber geht es nicht um die Leute, sondern um die Ermittlung der Wahrheitu (246 d 4). Das nämliche gilt auch von Sokrates' Richtern. Sofern sie infolge ihres Affekts zu sachlicher Prüfung nicht imstande sind, lohnt es nicht, auf sie einzugehen. Daher fingiert Sokrates einen Richter, wie er sein soll, der sachlich, wohlwollend und vorurteilslos seinem ,,Fallu auf den Grund zu kommen sucht (20 C 4 ff .) . Wohlwollen und Sachlichkeit aber wird immer wieder im dialektischen Gespräch gefordert. ,,Wenn du mir folgst, so wirst du nicht in feindseliger und streitsüchtiger Weise, sondern zu freundlicher Gesinnung in Wahrheit prüfen'83, was wir sagen" (Theaet. dich herabla~send'~' 168b 2). So fingiert Sokrates einen Richter, der seine Untersuchung nach Art eines Dialektikers führt. Wer will, daß der eigenen Sache Gerechtigkeit widerfahre, muß dasselbe auch der Sache des Gegners wünschen. Unehrliches Ifbers~ielen des Gegners fördert die Wahrheitssuche nicht. Nun aber ist es Grundbedingung einer sachlichen Auseinandersetzung, daß der Gegner auch voll zu Wort kommt. Deshalb muß alles ausgesprochen werden, was der Gegner an Einwänden und Vorwürfen vorbringt oder auch seine
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Vgl. Gorg. 486 e 6; Meno 75 d 2; Phaedo 89 a 1; resp. 589 C 6 607 d 9; ep. V11 344 b 3; legg. 629 a I. Ferner Goldschmidt, La religion de Platon p. 130; Steidle 1. C. P. 134. ' Der Dialektiker Iäßt sich jederzeit gerne belehren; vgl. soph. 244 a G 259 a 2; Tim. 54 a 4; ep, V111 353 e 6.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Position soll vollständig klar werden - vorbringen k ö n n t e. ,,Mir scheint", sagt Glaukon, wie Thrasymachos am Ende ist, „Thrasymachos hat sich früher als nötig von dir wie eine Schlange behexe11 lassen" (resp. 358 b 2), und iiberiiiniint das Amt des advocatus diaboli. Die Einwände des Adeimantos ergänzt Sokrates: ,,Dies und vieles andere dieser Art läßt du aus bei deiner Anklage" (resp. 420 a G). Ini ,TheailelCnimmt sich Sokrates der Sache des verstorbenen Protagoras an (162 d 4 ff .), und irn ,PhaidrosLtritt er als ndvocrrtus lupi für die Rhetorik auf (272 C 10)'84.Nun gibt die Anklage des Meletos offenbar nur einen Teil der Vorwürfe wieder. die gemeinhin gegen Sokrates erhoben werden. Daher ergänzt Sokrates seinerseits die gegnerische Klage durch eine „erste Anklage", die in ihn? einen N a t u r p h i 1 o s o p 11e n lind einen S o p 11i s t e 11 sieht. Ist Sokrates Naturphilosoph? Die „erste Anklage" lautet in der Fassung, die Sokrates ihr gibt (19 b 4) : Sokrates tut Unrecht und treibt Unfug, indem er sucht, was unter der Erde und am Himmel istL'- hier schwebt das Bild des hleteorosophisten, des Naturphilosophen vor - „und die schwächere Sache ziir stärkeren inacht ~ i n dandere eben dies lehrt" - dies sind Züge des Sophisten. Die Beziehung auf die ,Wolken6,ohnedies deutlich, wird von Sokrates noch eigens betont, wobei seine ,,Naturerforschung" gleich ins richtige Licht gerückt wird. „Dies habt ihr selbst in Aristophanes' Komödie gesehen, einen Sokrates, der dort hin- und herschwebt, behauptet, er könne in der Luft wandeln und noch viel anderes Geschwätz daherredet über Dinge, von denen ich weder iiii Kleinen noch in1 Großen etwas verstehe." Sodann nimmt Sokrates Stellung zur Natiirforschung überhaupt: „Ich sage dies aber nicht. iirn die diesbeziigliche Wisserzscl~nftherabzusetzen, falls jemand in derlei Dingen wissend (oocp15~)sein sollte -. . ., aber ich, meine athenischen Mitbürger, habe kein Teil daran." Sokrates lehnt also die Beschäftigung mit der Natur durchaus nicht von vornherein ab"' seine Verheiigiing vor ihr ist keineswegs „bloß" ironisch -; doch scheint es i h i i i f'raglich, ob es eine W i s s e r i s C h a f t von der Natur gebe. Dic Wendung, „falls jemand in derlei Dingen wissend sein ''4
Vgl. ferner resp. 453 a 7; Phaedr. 260 d 3; ep. V11 328 d 2; legg. 885 C 2 906 d 5; Friedländer 11' 190; Jaeger I1 202. Vgl. Stenze1 Studien 55: .Es wird kaum ein zweiter Denker alles, was man gegen mindestens mögliche Konsequenzen der eigenen Lehre sagen könnte, mit solcher Schärfe ausgesprochen haben wie Platon im Parmenides und Sophistes." So richtig hlaier 1. C. p. 169; freilich tut er im Annähern des Sokrates an die ,Xfänner dcr wissens&aftlichen Forschung" des Guten etwas zuviel.
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
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sollte"'88, läßt keinen Zweifel an seiner Meinung: er glaubt nicht daran. Dieser Uberzeugung, daß es kein exaktes Wissen von der Natur ,,ESgibt in diesen Dingen gebe und geben könnte, bleibt Platon treuXe7. weder vernünftige Einsicht noch auch Wissenschaft, die im Besitz der vollen Wahrheit wäre", laßt er den Sokrates im ,PhilebosL sagen (59 b 7), und im ,Timaios6 heißt es: ,,Wenn unsere Darstellung nicht weniger wahrscheinlich ist als die eines andern, so müssen wir damit zufrieden sein und daran denken, daß wir alle, ich der Vortragende wie ihr die Richter, nur von menschlicher Natur sind; wir sollten also ) weinach Aufnahme einer wahrscheinlichen Hede (~ixWs~ U ~ O Snichts teres mehr suchen" (29 C 7). Sokrates lehnt die Naturforschung nicht grundsätzlich ab; indessen, so wird vielfach interpretiert, er will sich selbst nicht mit ihr befassen"'. Ist dies richtig? E r sagt, er führe keine Unterredungen über derlei (19 d) - aber muß denn alles, womit er sich beschäftigt oder beschäftigt hat, Gegenstand von Gesprächen werden? E r sagt ferner, er verstehe nichts davon (068Ev Enah 19 C 5). Aber er sagt auch von der Techne der Erziehung, er besitze hiervon kein Wissen (06% Eniotapat 20 C 3), ohne daß wir aus dieser Wendung schließen dürften, er wisse schlechterdings nichts davon oder lehne es gar ab, sich überhaupt mit Erziehungsfragen zu befassen. Es geht also nicht an, Sokrates (bzw. den jungen Ylaton) im Hinblick auf seine Einstellung zur Naturforschung vom späteren Platon zu s ~ n d e r n " ~ . Die Vertreter der „ersten Anklage" halten Sokrates für einen Menschen, „der über die Himmelserscheinungen nachgrübelt und alles Unterirdische erforscht hat" (18 b 7). Das ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf. „Die Leute, meine athenischen Mitbürger, die dieses Gerücht ausstreuen, sind meine wahrhaft gefährlichen Ankläger, denn die es hören, sind der Meinung, wer diese Dinge erforsche, g l a u b e a u C h n i C h t a n G ö t t e r " (18 C 1)'". Daß damit der eigentliche Gehalt der gegenwärtigen, der „zweiten Anklage" bloßgelegt ist, zeigt sich in der Meletos-Elenxis (26 C f.)'". Meletos behauptet, Sokrates glaube schlechterdings nicht an Götter. „Weder die Sonne noch den Mond halte ich also für GGtter, wie die anderen Menschen?" ,,Nein, beim Zeus, ihr Richter, da er doch behauptet, die Sonne sei ein Stein, der Mond eine Erde." Dies also steht hinter der Behauptung, Sokrates glaube nicht an die Staatsgötter. Im Fortgang des Gesprächs klärt sich dann seine Stellung zu den Ergebnissen der Naturforschung, insbesonlse
Vgl. zu dieser Form des Infragestellens Euthyd. 273 e 5; Phaedr. 261 rl10. Friedländer I2 142 211. ~ g l Jaeger . I1 80. Vgl. den Hinweis auf Schriften der Naturforscher Lys. 214 b 2. Ial Vgl. Wolff 1. C. P. 95. Derlei Dinge sind ~ i ) 8 ~ & ß o A Euth a: 3 b 7.
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3. Sokrates in der Auseinandersetzung
11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
sternsphäre als ,,das Göttliche" bezeichnet. (40 a 7), in den ,Gesetzenc wird die Sonne „der Gott" genannt (683 e 4), und Sonne und Mond erscheinen als „große Götter" (821b 5). Zwischen Beseeltheit und Göttlichkeit der Gestirne besteht ein enger Zusammenhang. ,,Da die Seelen, seien es viele oder auch nur eine, sich als Urheberinnen all dieser Erscheinungen erwiesen haben, gut in jeglicher Tugend, werden wir sie als Götter bezeichnen, mögen sie nun in Körpern wohnend als Lebewesen den ganzen Himmel regieren oder wie und auf welche Weise sonst. Könnte jemand, der dies zugibt, kühnlich in Abrede stellen, daß alles von Göttern voll sei?" (legg. 899 b 5 ) . Es ist also nichts mit der Meinung der Athener, die Beschäftigung mit der Natur führe zu Gottlosigkeit. „Wir Athener behaupten, man dürfe den größten Gott und das Weltall nicht erforschen noch auch vorwitzigerweise die Gründe aufspüren, denn dies sei ein Verstoß gegen die Religion. Tatsächlich scheint die genau entgegengesetzte Handhabung dieser Dinge die richtige zu sein" (821 a 2). ,,Niemand, der frei von Unzulänglichkeit und Laienhaftigkeit diese Dinge betrachtet, ist von Natur so gottlos, daß er nicht das Gegenteil von dem erfahren würde, was die Menge erwartet" (966 e 4). Diese richtige Beschäftigung mit der Natur vermag zwar kein W i s s e n zu vermitteln, denn es gibt keine Wissenschaft von der Natur, wie schon die ,Apologiecandeutete, wohl aber führt sie mit unfehlbarer Sicherheit ,,zum G 1a U b e n (niaty) an Götter" (966d 6).
dere des Anaxagoras, mit dem Meletos ihn offenbar gleichsetzt. ,,Glaubst du", so erwidert Sokrates, „du hättest bei deiner Anklage den Anaxagoras vor dir? . . . Die Jungen sollen das vcin mir lernen, was maii zuweilen, wenn ganz teuer, um eine Drachme in der Orchestra kaufen kann und den Sokrates auslachen, wenn er behauptet, es stamnie von ihm, zumal es sich um so ungereimtes Zeug (6zojra) handelt?" Sokrates lehnt also die E r g e b n i s s e der seitherigen Naturbetrachtung ab. Im ,Phaidon6kommt er wieder auf die Lehre des Anaxagoras zu sprechen; dabei zeigt sich, daß die Voraussetzung der anaxagoreischen Wissenschaft, daß nämlich der voYs alles regiere, durchaus seine Billigung findet; lediglich die praktische Durchfthrung dieser Naturbetrachtung iniiß er als ,,ungereirnl" ablehnm: „Er gibt Luft und Äther und Wasser als Ursache an und viele andere ungereimte Dinge" (iXtona, 98 c 1 ) . Worin der I+'ehlcr des Aii:ix:rgoras und seiner Aiiliiinger liegt, zeigen die ,GesetzeLin ihren Betrachtungen über die Gestirnseelen, in denen wieder wie in der ,ApologieLder Vorrang des Seelischen vor dem Körperlichen eingeschärft wird: ,,Dieselben Männer aber täuschten sich wieder über die Natur der Seele hinsichtlich ihres Vorrangs vor den1 ICörper an Alter und Würde, hielten sie vielmehr für jünger und brachten damit wieder alles durcheinander, viel mehr noch sich selbst. Denn was vor Augen liegt, alles, was sich am Himmel bewegt, das schien ihnen voll zu sein von S t e i n e n und E r d e und vielen anderen seelenlosen Körpern, die für die ganze Welt die Ursachen austeilen. Dies war's, was damals so viel Gottlosigkeit hervorbrachte und Abneigung, sich mit derlei zu befassen; dazu kommen Schmähungen von seiten der Dichter, die die Philosophen mit nutzlos kläffenden Hunden vergleichen und noch anderes Unsinnige daherreden" (967 b 6 ) . Diese Worte wirken wie ein Kommentar zur ,Apologie', klaren sie doch völlig, warum dort die Ezgebnisse des Anaxagoras abgelehnt werden mußten. Wenn es indessen nach Auffassung der ,Apologie' nicht a limine unsinnig ist, sich mit der Natur zu befassen. d=n muß es auch eine r i C h t i g e Naturbetrachtung geben. Welcher Art diese sein müßte, deutet dort Sokrates selbst an, wenn er die GiittlicJIkeit von Sonne und Mond ausdrücklich anerkennt (26 d 1) lo4. Irn ,TimaiosLwird die FixGalli konstatiert hier ein Schillern zwischen monotheistisch-spiritualistischer und traditioneller polytheistisch-naturalistischer Konzeption und erklärt es für eine .manchevolezza di pensiero di cui non rare che Platone possa essere risponsabile, e di cui non sarebbe difficile mostrare l'accordo con gli altri dati intorno alla religiosita di Socrate" (I. C . p. 276). Aber sollte das Mangelhafte dieser Konzeption nicht eher aus der fehlenden Heranziehung der anderwärts entwickelten platonischen Auffassung als aus der Konzeption eines fiktiven historischen Sokrates zu erklären sein?
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Ist Sokrates Sophist?
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Sokrates' erste Ankläger glauben, er sei einer von denen, die ,,die schwächere Sache zur stärkeren machen und andere eben dies lehren" (19 b 5). Sokrates sieht darin den Vorwurf, er sei Sophist, und erwidert: „Wenn ihr von jemand gehört habt, ich unternehme es, Menschen zu erziehen, und streiche Geld dafür ein, so ist dies nicht wahr. Indessen scheint mir auch dies etwas Schönes zu sein, wenn jemand imstande ist, Menschen zu erziehen, wie Gorgias aus Leontinoi und Prodikos von Keos und Ilippias von Elis. Jeder von diesen, ihr Männer, ist in der Lage, bei seiner Wanderung von Stadt zu Stadt die jungen Leute - denen es doch freisteht, mit welchem von ihren Mitbürgern sie wollen unentgeltlich zusammenzusein - die bereden sie, die Zusammenkünfte ihrer Mitbürger zu verlassen, mit ihnen zusammenzusein, Geld dafür zu bezahlen und ihnen oberdrein noch Dank zu wissen" (19 d8)lSS.Abgesehen von der allgemeinen Ablehnung, für einen Sophisten angesehen zu werden, setzt sich Sokrates mit drei für die Sophisten charakteristischen Zügen auseinander: mit der Tatsache, daß sie Geld für ihren Unterricht nehmen, mit ihrem unsteten Ganz ähnlich, mit wörtlichen Anklängen, Prot. 316 C 5.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen besamtwerk
Wandern von Stadt zu Stadt, mit ihrer Behauptung, sie verfügten über eine Techne der Erziehung. 1. Die Sophisten verlangen G e 1d für ihren Unterricht. Das bedeutet: sie sind e X k 1U s i V. Den Armen bleibt ihre Weisheit verschlossen. Sokrates lehnt solche Exklusivität ab. „Ich unterrede mich nicht nur dann, wenn ich Geld dafür bekomme, andernfalls nicht, sondern arm und reich stehe ich zur Verfügung, wenn sie mich fragen wollen und wenn einer antworten und hüren will, was ich sage" (33a 8). „Wenn aber jemand behauptet, er habe jemals als einzelner von mir etwas gelernt oder gehört, was nicht auch a 11e a n d e r n hören konnten, so seid überzeugt, daß er nicht die Wahrheit sagt" (33b 6). Ferner wenden sich die Sophisten nur an die J U n g e n unter den Reichen lS4. Sokraies 1)ctonidcnigcgeiiiiber, daß er auf jcdcii eingelit. ob jung oder alt. „Wenn jemand Verlangen trug, mich zu hi;ren, wie ich rede und meine Tiitigkeit verfolge, so habe ich's nie jcinündem versagt, modite er nun jünger oder älter sein" (33 a 6)'05. Wer so zu Geld kommen will, nluß verlockende A n g e b o t e machen und den1 Käufer etwas Bestimmtes in Aussicht stellen können. Bildung und „Tugendu nun ist es, was die Sophisten zu bieten haben; von Sokraies befragt, wer sich denn auf menschliche und bürgerliche „TugendN verstehe, weist Kallias auf den Sophisten Euenos von Paros hin (apol. 20 a ff.). „Du nanntest dich einen Sophisten, erklärtest dich für einen Lehrer der Bildung und Tugend und fordertest als erster Geld dafür", sagt Sokrates zu Pmtagoras (Prot. 349 a 2). „Ich habe kein Geld, den Sophisten Honorar zu bezahlen, die als einzige erklärten (EnqyyiMov~o),imstande zu sein. mich schön und gut zu machen" (Lach. 186 c 2)lS6.Wiederum zu Protagoras: ,,Wie mir scheint, meinst du die bürgerliche Kunst und stellst in Aussicht
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Vgl. H i p ~ .I 282 b 8 c 5; soph. 223 b 5 über die Sophistik: vbwv dovoiwv xal Ev6b&ov ytyvopbwl @;leanpoogqt6ov. IRjDiese Äußerung ist allerdings zu zugespitzt, als daß sie sich nicht eine Einschränkung gefallen lassen inüßte. Sokrates verkehrt nicht schlechterdings mit jedem; es gibt Fälle, wo er sich versagen muß. In1 ,TheaitetGspricht er von jungen Leuten, die den IJmgang niit ihm aufgegeben haben, wie etwa Aristides, des Lysimachos Sohn, den wir vom ,Lache$ her kennen. .Wenn diese wieder zurückkehren und mich bitten, den Umgang mit ihnen wieder aufzunehmen, und sich gar wunderlich gebärden, so verbietet bei einigen das Daimonion, die Stimme, die mir zuteil wird, den Umgang, bei anderen Iäßt es ihn zu, und diese machen wieder Fortschritte" (151 a 2). - Vgl. dazu Friedländer Ie 151 über ,,repulsive Ironie", die dort eintritt, ,wo es unmittelbar keine Erziehung geben kann, weil der andere in seiner Art schon starr geworden ist". Ferner I2 64 f., 111 49. Zur Auslese der Schüler in der Akademie vgl. Friedländer Ie 91. IgVngebot und Geldforderung: vgl. dazu Pfot. 310 d 6; Hipp. I 281 b 6 300 d 1; Hipp. I1 304 d 3; Crat. 391 b 9; Meno 91 d 1; Theaet. 161 d 7 167 C 7 178 e 9.
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
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(dn~axveia.Ba~)'~', die Männer zu guten Bürgern zu machen'! (Prot. 319 a 3). Sokrates dagegen verspricht gar nichts. „Ich habe noch nie jemandem eine Lehre in Aussicht gestellt (dneox6pqv) noch auch gelehrt" (apol. 33 b 5). Eine Ware anbieten, sie gegen Geld verhandeln, das heißt, für ihre Güte V e r a n t W o r t 1i c h sein. Im ,Gorgias6 spottet Sokrates über das Schauspiel, das Sophisten, Lehrer der Tugend, bieten, wenn sie zetern, ihre Schüler benähmen sich schurkisch und betrögen sie ums Honorar (519C ff.) „Sie verklagen mit denselben Worten sich selbst, daß sie keineswegs gefördert haben, die sie zu fördern behaupten" (520 b 6). Sokrates dagegen kann für Gut- und Schlechtwerden seiner „SchülerG nicht haftbar gemacht werden, hat er doch im Gegensatz zu den Sophisten nichts versprochen. ,,Ob einer von diesen tüchtig wird oder nicht, dafür bin nicht ich als Ursache anzusehen, da ich noch nie jemand eine Lehre in Aussicht gestellt noch auch gelehrt habe" (apol. 33 b 3). Sokrates ist lediglich der Uvev zivos o h , er gibt den Anstoß, er erweckt, er leistet ,,Geburtshilfe" - aber der Erfolg steht nicht bei ihm. Bei positivem Ergebnis kann er nur feststellen: ,,Von mir haben sie nie etwas gelernt, sondern selbst aus sich selbst haben sie viel Schönes gefunden und geboren" (Theaet. 150 d 6 ) . Mag der spätere Platon noch so viel in seinen Unterricht aufnehmen, diesen sokratischen Grundzug hält er fest: Der „Unterricht" muß so gestaltet werden, da8 ein Mißerfolg überhaupt nur vom Schüler herrühren k a n n , nicht vom Lehrer. Der „Siebte Brief" rät, eine Probe (neiea) anzustellen mit dem Schüler, aus der folgt, „daß nie einer die Schuld auf seinen Lehrer (OELXV~S) werfen kann, sondern nur auf sich selbst" (341a 3). 2. Auffällig an den Sophisten ist ferner ihre U n s t e t h e i t , ihr Wandern von Stadt zu Stadt. Sie führen die jungen Leute aus der Polis heraus, lösen sie vom Zusammensein mit den andern Bürgern, wenn sie ihnen ihre Lehren vermitteln. Anders Sokrates: ,,(ich unterhalte mich) mit Fremden und Einheimischen, aber mehr mit den Einheimischen, da ihr mir der Abkunft nach so viel näher steht" (30 a 3). Und doch besteht eine sonderbare Gemeinsamkeit zwischen Sokrates und SOphisten: beide sind auf einer lrrfahrt (shhvq). Das Geschlecht der Sophisten ,,irrt herum (rrhavqzbv i v ) von Stadt zu Stadt und hat noch nie eigene Häuser bewohnt" (Tim. 19 e 4) ; dabei lehrt und verheißt es die menschliche und bürgerliche Aret6. Sokrates befindet sich gleichfalls auf einer Irrfahrt (nAbvq, apol. 22 a 6), jedoch nicht etwa infolge eines Wissens, das ihn zum Lehren befähigte, sondern seines Nicht-WisSens lW. ,,Immer irre ich (nlavopa~)und bin in Aporie" (Hipp. I 304 C 2).
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Vgl. soph. 232 d 1; auch Gorg. 449 b 1. Vgl. Hipp. I1 372 d 7: .Ich gehe in die Irre in diesen Dingen, offenbar wegen meines Nichtwissens".
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Doch zeigt sich im Verlaufe der ,Apologiec, daß Sokrates bei allem aporetischen Herumirren sehr wohl um den festen Punkt weiß, den es zu gewinnen gilt, im Unterschied zu den Sophisten. Am Schluß des ,,Kleinen Hippias" stellt er ironisch fest: „Und wenn ich oder ein anderer Laie in die Irre geht, so ist dies nicht weiter verwunderlich; wenn aber sogar ihr, die Weisen, euch als irrend erweist (dav~aauik), so ist das auch für uns verhängnisvoll, wenn wir sogar bei euch unser Irren nicht beenden können" (376 C 3). 3. „Wer versteht sich auf diese Tugend, auf die menschliche und bürgerliche?", fragt Sokrates den Kallias gelegentlich eines GesprSchs Üuer die Wahl des richtigen Erziehers, das er 20 a ff. wiedergibt. ,,,Wer ist es', sagte ich, ,und von wo, und um welchen Preis lehrt er?' ,Eiienos von l'nros, inein Sokrates', ervviderle er, ,fiir fünf Minen.' Und ich pries den Euenos glücklich (Epaxaeloa), wenn er in Wahrheit diese Kunst besitzt und so preiswert lehrt. Ich selbst jedenfalls würde mich brüsten und mir etwas zugute tun, wenn ich mich darauf verstehen wiirde; aber ich verstehe es nicht, meine athenischen Mitbürger. " „Ich preise euch glücklich ob dieses Besitzes, noch viel mehr als den Großkönig ot) seines Reichs", sagt Sokrates zu den beiden Eristikern Euthydern und Dionysodor, ehe er ihren ,,Besitzu als einen Wust alberner Nichtigkeiten erweist (Euthyd. 274 a 6). E r preist auch den Sophisten Hippias an derselben Stelle, wo er dessen Weisheit zuschanden macht: ,,Mein lieber Hippias, du bist glücklich (pax&eco~), denn du weitit, was der Mensch treiben muß, und hast es selbst hinlänglich betrieben, wie du sagst" (Hipp. I 304 b 7) ; ,,Glücklich, mein Hippias, ist es dir ergangen, wenn du jede Olympiade so zuversichtlich in der Seele hinsichtlich deiner Weisheit zu dem Heiligtum konlmst'' (Hipp. I1 364 a 1). In der ,Apologiegliegt, wie bei der Frage, ob die Naturforschung als Wissenschaft anzusehen sei, die entscheidende Nuance in dem „wenn": W e n n Euenos diese Techne besitzt, dann ist er glücklich zu preisen. Der Sinn ist klar: er hat sie nicht; dabei steht er stellvertretend für alle Sophisten. „Soviel ich auch nachforsche, ob es Lehrer der Tugend gibt, kann ich doch trotz aller Bemühungen keine finden" (Meno 89 e 6)'". Und Sokrates selbst hat die Techne der Erziehung, die Kunst, schön und gut zu machen, bis jetzt noch nicht gefunden (Lach. 186 C 2). Was die P e r s o n des Erziehers betrifft, so ist Meletos der Auffassung, alle Athener erzögen zur Aret6, und die Sophisten denken im Grunde nicht anderseo0,betonen nur, das Erziehungsvermögen sei graduell verschieden (Prot. 327 e 1 ff.)
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Vgl. Prot. 320 b 4.
Anders Friedländer 11' 8.
3. Sokrates in der Auseinanderseizung
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Sokrates wendet sich radikal gegen diese Auffassung. ,,Glaubst du", hält er dem Meletos entgegen, ,,auch mit den Pferden verhalte es sich so? Alle Menschen machten sie besser, und nur einer wäre der Verderber? Oder ist es ganz im Gegenteil e i n e r , der imstande ist, sie besser zu machen, oder ganz wenige, die Pferdekundigen ''I, während die Vielen, wenn sie mit Pferden umgehen und diese gebrauchen, sie zugrunde richten? Verhält es sich nicht so, mein Meletos, mit den Pferden und auch mit allen anderen Lebewesen?" (25 a 13). Nicht die Vielen vermögen zu erziehen, sondern nur der eine Fachmann '02. Soeben war noch die Annahme, Sokrates besitze eine erzieherische Techne, brüsk abgewiesen worden; hier dagegen wird ein erzieherisches Fachwissen gefordert, wird gesprochen von dem e i n e n , der es besitze, und es kann kein Zweifel sein, wer damit gemeint ist: Sokrates selbst ms. Die Techne der Sophisten ist souverän, sie wirkt angeblich in allen Fällen, wo die Physis des einzelnen nicht unüberwindliche Hindernisse bereitet. Sokrates glaubt nicht a n eine solche Techne. ,,Die, von denen ich soeben gesprochen habe, sind vielleicht weise in einer über das menschliche Maß hinausgehenden Weisheit, oder ich weiß nicht, was ich sagen soll; ich verstehe sie jedenfalls nicht" (20 d 9)m< ,,In der Zeit vorher glaubte ich", äußert er sich ironisch nach der Epideixis des Protagoras, „es sei n i c h t m e n s c h l i c h e B e m ü h u n g , wodurch die Guten gut werden; nun aber bin ich überzeugt" (Prot. 328 e 1)'05. Während vorhin Sokrates' Wirksamkeit als unerläßliche Vorbedingung der Erziehung erschien, zeigt sich nun, daß sie nicht einmal die einzige ist, daß es vielmehr in gleichem Maße auf die Hilfe des Gottes ankommt 'OE: ,,Die Geburtshilfe ist des Gottes und mein Werk" (Theaet. 150 b 8) ; nur, „wem es der Gott verstattet", der macht Fortschritte (d 4). In diesem sehr eingeschränkten Sinne ist Sokrates allerdings im Besitz einer erzieherischen Techne. Die Sophisten b e 1e h r e n ihre Schüler auf Grund ihrer Techne. Wie anders Sokrates seine ,,Kunst" betätigt, ist aus der ,Apologie6zu ersehen. E r hebt ab auf eine grundsätzliche Wendung, auf ErwekZum Vergleich des Erziehers mit dem Pferdeknecht s. Gorg. 516 a 5; leg$. 666 e 3 694 e 6 (dazu Rohr 1. C. p. 42). em Vg1. Lach. 184 e 8; Hipp. I 284 e 8; Crito 47 b ff.; Euthyd. 307 a 3; Gorg. 500 a 4; ~ e n 90 o b 7 ff.. Vgl. Wolff. 1. C. p. 29. m4 Vgl. Grat. 392 b 1 438 c 1 439 b 4; Gorg. 456 a 4. 105 Vgl. Friedländer 11' 33. Anders Jaeger I1 110: Sokrates ,,fühlt, daß er selbst seinem Ideal nicht entspricht". Aber ist das Nichterreichen des ,Idealsa der Erziehung wirklich bloß in persönlicher Unzulänglichkeit begründet?
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11. Das Verhältnis der Apologie zum ?latonischen besamtwerk
kungm7.Was er dem „Schüler" vermitteln möchte, lehrt er nicht, er deutet es nur an (s. p. 114). Der ,,Siebte Brief" erklärt, schriftliche Äußerungen seien nur für die wenigen bestimmt, „die fähig sind, auf einen kleinen Fingerzeig hin selbstiindig zu finden" (341 e 2 ) . In dieser Befähigung, nicht in der finanziellen Leistungskraft oder dem Alter, liegt Platons Ausleseprinzip. Wer aus seinen Andeutungen ,,lerneri" kann, der mag zu jenem Ziel aller Ziele emporsteigen, das ,,in keiner Weise sagbar ist, wie andere Lehrgegenstände" (ep. V11 341 C 5 ) . Sokrates in der Auseinandersetzung C)
mit den Hinternzcinnern der Ankltrge
Durch seine IVisse~isprüfunghat Sokrates sich den Zorn der Politiker, Dichter und Handwerker zugezogen. Jeder der drei Ankläger vertritt Sokrates' Deutung zufolge einen oder mehrere dieser Stände, die seinen Angriffen ein Ende setzen wollen. Er seinerseits muß in seiner Verteidigung klarmadien, warum er sich auf eine Herausforderung dieser Stände eingelassen hat. Am kürzesten werden die Handwerker abgetan; nicht ohne Grund, denn „hinter dem Handwerker als solchem breitete sich keine geistige Welt, die es abzuwehren, keine erblühende Kraft, die es zu erziehen galt" (Friedländer I' 173). Anders steht es mit den Politikern und Dichtern. Ihre Staats- bzw. Weltauffassung mußte bekämpft werden, wenn Raum geschaffen werden sollte für sokratische Erkenntnis. Zumal die Dichter waren Sokrates im Wege, galten sie doch als Autoritäten auf allen Gebieten. „Die Menge führt die Dichter in ihren Reden an, und dabei behaupten die einen, dies meine der Dichter, die anderen, jenes, und so unterreden sie sich über Dinge, die sie nicht methodisch zu untersuchen vermögen" (Prot. 347 e 4 ) . Die Dichter „Ich erkannte nun auch bei den Dichternzosin Kürze dies, daß sie, was sie dichten, nicht aus einem Wissen (aocpia) heraus dichten, sondern auf Grund nntürlicher Veranlagung (cphs) und göttlicher Begeisterring, wie die Wahrsager und Orakelsänger; auch diese sagen ja viel Schönes, wissen aber nichts von d e n , was sie sagen. Ein solches Widerfahrnis (x660i) schien mir auch die Dichter getroffen zu haben" (22 b 8).
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
In dieser Charakterisierung steckt schon die Kritik. Sie dichten nur auf Grund natürlicher Veranlagung, denn sie haben keine Veredelung damit durch wahre Erziehung erfahren. Sie dichten im Ev%lovu~a(~p6~: ist freilich zunächst nur der durchaus legitime Vorgang der dichterischen Inspiration bezeichnet. ,,Wer ohne den Wahnsinn der Musen vor die Tore der Dichlkunst kommt, überzeugt, er werde auf Grund bloßer Technik ein tüchtiger Dichter werden, der bleibt ein Stümper, und seine verstandesmäßige Kunst wird völlig verdunkelt durch die des vom Wahnsinn ErgriiTenen" (Phnedr. 245 a 5 ) . Uoch bald zeigt sich auch hier das Bedenkliche. Der Dichter ist n U r zum Enthusiasmus fähig, ist bei seiner Tätigkeit von Sinnen (06% Epcpewv), ist ohne ~085,entbehrt der zkxvy, dx~uzfipq,a o q ~ i a ~ Das ~ ~ .notorische Nicht-beisichSein rückt ihn in eine zweifelhafte Nachbarschaft. Am Eingang der ,ApologieLwird das Sich-selbst-Vergessen als noq des von der Rhetorik Faszinierten bezeichnet. So bewirkt auch die ausschließliche Hingabe an dichterische Verzückung eine Abkehr vom eigentlichen „Selbstu"O, den Verzicht auf selbständige Urteilsfiihigkeit. ,,Wenn der Dichter auf dem Dreifuß der Muse sitzt, dann ist er nicht bei Sinnen, läßt wie eine Quelle das Herankommende bereitwillig fließen, und da seine Kunst in Nachahmung besteht, ist er gezwungen, bei der Darstellung von Menschen entgegengesetzter Sinnesart sich selbst oft zu widersprechen. Dabei weiß er weder, ob dies noch ob jenes von dem Gesagten richtig ist" (legg. 719 c 3). Der Dichter vermag also nicht R e c h e n s c h a f t z u g e b e n , er versagt der sokratischen Forderung gegenüber. „Notwendig muß der gute Dichter als ein Wissender dichten, wenn er die Gegenstände seiner Dichtung richtig behandeln soll, oder er ist nicht imstande, zu dichten" (resp. 598 e 3 ) . Der Dichter wird also nur dann Richtiges von sich geben, wenn es ihm durch göttliche Einwirkung zuteil wirdP"; er selbst vermag nicht zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. So kann die ,ApologieL gewisse dichterische Erzeugnisse anerkennen, andern jedoch muß sie jeden Wahrheitsgehalt absprechen. Letzteres ist in besonderem Maße der Fall bei der Beurteilung von Aristophanes' ,Wollten6.An ihnen ist nicht weniger als alles unrichtig und irreführend (18d ff .). Noch der greise Platon wendet sich gegen einen solchen Mißbrauch der Dichtkunst. „Einem Dichter von Komödien oder Jamben oder Liedern soll es keinesfalls erlaubt sein, in Wort oder Bild, sei es mit, sei es ohne Zorn, irgendeinen Mitbürger zu verspotten" (legg. 935 e 3). Vgl. legg. 719 C 4; 10 534 b 4 C 5; resp. G02 a 11. m Vgl. o. p. 115 E.. eil Vgl. 10 512 a 3; legg. G82 a 1. W9
Vgl. Maier 1. C. p. 123. Platon und die Dichter; vgl. dazu Flashar 1. C. p. 106-112.
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11. Das \'erhiiltnis der Apologie zum platonischen besamtwerk
Sehr subtil ist demgegenüber die Spitze, die Sokrates gegen die Göttergenealogien der Dichter richtet. Mdetos hatte behauptet, Sokrates glaube an Daimonia, worauf Sokrate ,,beweistu, daß er dann notwendigerweise auch an Götter, also axeh an die Staatsgötter glauben müsse (27 b ff.). Nun ist dieser Nachweis weder von Sokrates ernsthaft beabsichtigt noch ist er sachlich überhaupt mögliche'" In dem Fechterstückchen, das Sokrates Meletos, dem Exponenten der Dichtkunst, liefert, bedient er sich kurzerhand der durch die Dichter verbreiteten mythischen Genealogien, weist darauf hin, daß die Gaipovq, an die er angeblich glaube, bekanntlich Kinder von Göttern seien, eventuell uneheliche von Nymphen oder anderen Frauen, und wenn er an die Kinder glaube, glaube er doch auch an d:e Eltern. Etwas Absurdes wird also durcli dic Vorstcllimgen der 1)icMrr ,,ltewicscn"; damit riicken diese in die ihnen zukommende Beleuchtung 'lS. Es sei hier angemerkt, daß in der ,Apologie6 eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem Mythos, wie ihn die Dichter verbreiten, ausgespart ist, offenbar mit Absicht. Sie erfolgt eingehend im ,Euthyphron"l4; dort wird die Beziehung auf den Prozeß geflissentlich betont: durch freimiitige Kritik des Mythos habe sich Sokrates jene Anklage zugezogeii (G a 6). Mag dies auch halb scherzhaft gemeint sein'15, jedenfalls bringt der ,Euthyphron6 eine sachliche Ergänzung zu den Vorwürfen, die in der ,Apologie1behandelt werden. Sofern nun ,Apologie' und ,Euthyphron6 aufeinander abgestimmt sind, liegt die Annahme nahe, beide Werke seien gleichzeitig konzipiert und in derselben Periode platonischen Schaffens ausgeführt ''. S. O. P. 64 f.. Friedliinder meint: .In der Tiefe versteckt sich dann wie immer eine echte Wahrheit, die erst das Symposion ausdrücklich machen wird: daß der eigentliche Sinn des Dämonischen ist, zum wahren Sein, zum Göttlichen emporzuführen" 11' 163. Wo in dem fraglichen Passus dieser Gedanke versteckt sein soll, dürfte indessen schwer zu sagen sein. Aitdi die Frage Gunderts (I. C. p. 516): ,Kündigt sich nicht schon in den ,unehelichen Kindern der Götter' das Mittlergeschlectit der Dämonen des Symposion (202 e f.) an?" darf m. E. nicht an unGötterauffassung seren bewiißt in den Bahnen der dichter-~ch-volkstümlichen sich bewegender1 Passus gestellt werden. - Gleichfalls unrichtig Wilamowitz: .So deckt ein Witz, den die Richter b e l a ~ h n ,einen schwachen Punkt" (Platon I1 51). Er verkennt die keineswegs defens-ve, vielmehr aggressive Tendenz der Stelle. 414 ,Platon gibt eine deutliche Ergänzung zu? Apologie: Sokrates entwickelt, was vor und mit dem Richterpublikum nicht un:ersucht werden kann" Rudolf Stark, Platons Dialog ,EuthyphronL, Annales Uxiversitatis Saraviensis PhilosophieLettres 1, 1932 p. 146. a6 Vgl. Maier 1. C. p. 440. Anders nuanciert Stark I. C. p. 146: .PIaton, den Iiorno religiosus, mußte jene verdeckende Unzulänglichkeit in der Apologie (SC. C. 14-15) brennen; hier liegt der unverkennbare Anstoß zur Konzeptioti des ,Euthyphron'. Doch von Un-
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Auf der Folie der genannten Fehlleistungen der Dichtkunst ist der Anwalt der Dichter zu sehen, Meletos. Er hält sich für einen Kenner in Sachen Jugenderziehung und weiß doch nicht anzugeben, wer es eigentlich ist, der die Jugend besser macht (24 d 7). Hätte er einmal etwas Richtiges zu sagen, so bringt er es an der falschen Stelle (24 d ll)'17. E r mißversteht gröblich Sokrates' Daimonion, auf dem seine Anklage aufgebaut ist (27 C 5)'". Und er setzt sich fortwährend mit sich selbst in Widerspruch, wie es seine Klienten tun, die Dichter (24 C ff .) . Neben diesen Fehlleistungen gibt es jedoch auch Fälle, wo die Dichtung etwas Richtiges getroffen hat. Sokrates beruft sich für seine Haltung auf das Vorbild des homerischen A~hiIl"~, dessen Ethos für ihn verbindlich ist (28 b 9). Auch bei seiner Wiedergabe der geläufigen Auffassungen über den Hades klingt Homerisches an: er hofft, Minos und Rhadamanthys zu Richtern zu haben, Aias, Odysseus und Agamemnon zu treffen und sich mit Männern wie Homer und Hesiod unterreden zu können. Achill gibt ein Beispiel, wie man die Todesdrohung einschätzen soll; die Hades-Vorstellungen lehren, dem Tod in froher Hoffnung entgegenzugehen. Der Wert der beiden dichterischen Äußerungen besteht also darin, daß sie eine richtige ethische Haltung vermitteln. Diese Äußerung des Dichters für richtig, jene für verfehlt erklären kann allein der Wissende, der Mann, der Rechenschaft abzulegen vermag. Der Dichter sollte in der Lage sein, über seine Aussage Rechenschaft zu geben - aber gibt nicht Sokrates in der ,Apologie6 eine solche? Der Dichter soll frei von kalter Verstandesenvägung sich der göttlichen Inspiration hingeben - aber ist nicht eben Sokrates der zulänglichkeit kann nur reden, wer hier sucht, was Sokrates a n dieser Stelle eben nicht aussprechen W o 11 t e ,was er a n anderen Stellen der ,Apologie' aber klar genug angedeutet hat (s. o. p. 123). Die Gesetze erziehen, das ist auch die Auffassung der ,Nomoi' (858 d 6) aber Meletos ist ja gefragt, wer erziehe, nicht, wodurch der Erzieher erziehe. Vgl. auch Lach. 190 e 7; Prot. 359 C G ; Euthyd. 297 a 1; resp. 353 C 5. Vgl. Euth. 3 b 5. Gadamer betont, wohl etwas zu sehr, das Provokatorische und Paradoxe dieser Berufung auf Achill (1. C. p. 199). Auch Friedländer gibt nur einen Teil-Aspekt: ,Ist nicht auch hier in den Worten über Achill ein Stück Eusebeia: Ehrfurcht vor den Göttern und Heroen unseres Landes, Anerkennung der mythischen 'Uberlieferung als verbindliches Muster?" 11' 164. Morr 1. C. p. 23 stellt unsere Stelle neben das Achill-Exemplum symp. 179 e 1 und will daraus, daß das Motiv der ,Apologie' im ,SymposionL.einerseits gekürzt, andererseits um die Ehrung durch die Götter erweitert wieder auftaucht", auf das zeitliche Verhältnis beider Werke zueinander schließen. E r übersieht, daß die Tendenz des Motivs im ,Symposion1 eine ganz andere ist als in der ,Apologie4,woraus sich alle Verschiedenheit genügend erklärt.
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21s 239
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Mann, der ohne Rücksicht auf menschliche Vernunftgründe (heyos, 31 b 7) sich dem göttlichen Ruf hingibt? Indessen handelt es sich bei dieser Rechenschaft und dieser Sokratesgestalt um ein Werk Platons, gewisserrnaßeii um mimetische Dichturig. So steht dem Meletos und seinen Schützlingen zuletzt der wahre Dichter gegenüber, der gleichermaßen der 6 ~ i ~a a v i awie strenger Rechenschaftsablegung fiihig ist, der eine ,Phaidros'-Palinodie ebenso zu schreiben vermag wie eine ,Apologie des Sokrates', der in einer Person Dichter und Denker ist. Die Staatsmänner ,,Wertvoller und ehrwürdiger und heiliger als Vater und Mutter und alle sonstigen Vorfahren ist das Vaterland, und es stellt in liöhereiii Ansehen bei den Göttern und bei den Menschen, sofern sie Verstand haben", so läßt Sokrates im ,Kriton6 die Gesetze sprechen (51 a 7)"O. Wenn überhaupt jemand, so ist Sokrates zu diesen „Verständigen" zu rechnen. Er hat nicht nur in einer Reihe von Feldzügen seine Bürgerpflicht erfüllt, auch als Privatmann macht er Ernst mit jenem Wort der Ge~etzc,indem er Fmnilie. IIaiisweseii, Geldenverl> zurücksiellt zuguristen seines Dienstes am Staat. Nicht kyrenaischer oder sonstiger Jugend gilt seine Liebe und sein Wirken, sondern der athenischen (Tlieaet. 143 d 1). E r unterredet sich „mit Fremden und Einheimischen, mehr aber mit euch Einheimischen, die ihr mir der Abkunft nach näher steht" (apol. 30 a 3)='. Wenn es von den Bürgern des Idealstaats im Mythos von den Erdgeborenen heißt: „Sie müssen gegen die Mitbürger so gesinnt sein, als wären sie Briider und gleichfalls Erdgeborene" (resp. 414 e 2), so drängt sieh der Gedanke an Sokrates auf "'. ,,Ich glaiil)e, noch nie wurde eurer Stadt ein größeres Gut zuteil als mein Dienst ani Gott" (30 a 5). In erster Linie verkörpern die fiihrenden Politiker den Staat. Der Eindruck, den Sokrates von ihnen gewinnt, ist jedoch alles andere als gut. Kümmerlich wirken sie, wenn man ihnen von ferne zusieht; in eine i\rikl:ige verwickelt bciieliitien sie sich derart, da13 es eine Schande für Athen ist (35 a 1)"'. Noch kümmerlicher ist, was sich bei näherer Prüfung ergibt. Ihre hohe Meinung vom eigenen Wissen und Können
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
beruht lediglich auf Dünkel; in Wahrheit sind sie nicht nur unwissend, sondern, was weit schlimmer ist, infolge ihres Dünkels unbelehrbar (21 c d ) . Anytos, der Anwalt der Politiker, ist ein würdiger Vertreter dieses Standes. Im ,MenonLwendet er sich mit großer Schärfe gegen die Sophisten. ,,Wie könntest du, mein Göttlicher", wirft Sokrates erstaunt ein, ,,von dieser Sache wissen, ob sie etwas Gutes oder Schlechtes an sich hat, wenn du dich überhaupt nicht mit ihr befaßt hast?" (92 C 1 ) . Einem Staat, der von solchen Männern geleitet wird, kann nur die düsterste Prognose gestellt werden. „Viele Staaten gehen wie Schiffe versinkend zugrunde, sind zugmndegegangen und werden zugrundegehen wegen der Schlechtigkeit der Steuerleute und Matrosen, denen in den größten Dingen größteUnwissenheit eigen ist und die, obzwar ohne jegliche Kenntnis in Staatsdingen, glauben, in allen Stücken und von allen Wissenschaften am sichersten sich diese angeeignet zu haben" (politic. 302 a 5)ze4. Diesen Feststellungen entsprechen Sokrates' Erfahrungen mit dem politischen Leben seiner Vaterstadt. Im Arginusenprozeß stellt er sich auf die Seite von Recht und Gesetz und wird dafür von einer wütenden Menge und den Stimmführern mit Gefängnis und Tod bedroht. Unter der Herrschaft der Dreißig weigert er sich, einen verbrecherischen Auftrag auszuführen, und entgeht nur durch den kurz darauf erfolgten Sturz dieser Regierung dem Tod. Die Verfassung des Staats war jeweils verschieden, das Bild, das der Staat bot, blieb das nämliche. Beide Geschehnisse werden nicht um der Person des Sokrates willen berichtet (s. p. 20 ff .) , so wenig wie die Erwähnung historischer Einzelheiten in den ,Briefen6oder ,Gesetzenc chronistische Absichten verfolgtzP5.Immer dringt Platon auf ein Umfassendes, Allgemeines, auf ein Geschehensprinzip der GeschichteP". Dabei macht er zwei Voraussetzungen. Einmal: die Geschichte 1 e h r t. ,,Aus einem vorliegenden geschichtlichen Beispiel etwas zu erkennen ist nicht schwer" (legg. 692 b 7). Zum andern: zur Erkenntnis historischer Gesetzmäßigkeiten ist T e i 1h a b e a m L o g o s nötig, am Logos, der auch in der Geschichte waltet %". 5 720 C 3 863 C 1. ,Klar ist, daß es Platon seiner ganzen weltanschaulichen Haltung nach auf das Nur-Individuelle nie ausdrücklich ankam, daß auch für ihn das historische Einzelfaktum nur als exemplarischer Fall Bedeutung hat" Rohr 1. C. p. 122. ZU legg. 683 e 3 vgl. Rohr 22. Vgl. Rohr 1. C.p. 60 80. ,Was das historische Paradigma so wichtig, ja überhaupt als solches ,möglich' (im Kantischen Sinne) macht, ist sein-hoyog-Bezug, inhaltlich bestimmter ausgedrückt: seine &e~fi-haftigkeit."Rohr 1. C. p. 72; p. 71: ,Die Geschichte lehrt also. aber - und das ist entscheidend doch nur den, der Augen hat zu sehen, besser: aas Organ, den hoyoq, ihren Sinn richtig zu deuten.
zz4 Vgl. auch legg. 701 a z25
IX 358 a 2; legg. 923 a 6. Zum Sich-Kümmern um den Mitbürger als einer Forderung der traditionellen Polis-Ethik sowie des platonischen Staats s. Steidle 1. C.p. 142 f.. ,,Oberhaupt gehört Bodengebundenheit zum Wesen des Philosophen, wie Losgelöstheit von der Heimaterde dem Sophisten eigen ist" Loewenclau 1. C . p. 56. Vgl. an& hfaier 1. c. p. 485. Eine völlig andere Haltung wird im Idealstaat vom E n ~ e ~ x {&q V ~ Qverlangt: Keine Klagen. weder im Angesicht des eigenen noch auch fremden Todes (resp. 387 d E.).
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zm Vgl. auch ep.
z27
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
Platons Darstellungsweise ist gewöhnlich die, daß sich Geschichte und Reflexion „in einer schwer zu scheidenden Weise verschlingen, daß ein Stückchen historischer Schilderung gleich von einer grund. kann aber auch sätzlichen Betrachtung abgelöst wird" ( R o l ~ r ) ' ~ES eine andere Form gewählt werden: erst wird eine These exponiert und dann ihre Richtigkeit im historischen Geschehen transparent gemacht; so etwa im ,Achten Brief': „Es ist nicht leicht, den anderen viel Böses zuzufügen, ohne selbst dafür viel Böses zu erfahren. Man braucht nicht weit zu gehen, wenn man so etwas deutlich wahrnehmen will, sondern sieht es an dem, was jetzt eben hier mit Sizilien geschehen ist, W O . . ." (352 d 3)"'. Diese Darstellungsform liegt auch in der ,Apologie6 vor: den beiden historischen Fällen wird als These vorangestellt, was sie „lehren". Schon die Form dieser These ist bedeutungsvoll. An Höhepunkten seiner Werke, wo Platon etwas mit höchster Eindringlichkeit aussprechen möchte, bedient er sich einer zweiteiligen Satzform, die auf der einen Seite eine bestürzende Feststellung, andererseits eine Eröffnung dariiber enthält, wie das Ubel zu vermeiden oder gar zu überwinden sei. So im ,Siebenten Brief': ,.Ni m m e r m e h r kann glücklich werden weder ein Staat noch ein einzelner, W e n n e r n i C h t unter der Herrschaft der Gerechtigkeit mit Einsicht sein Leben führt" (335 d 3). Nicht zu verkennen ist ein gewisses feierliches Pathos, das dieser Form anhaftet. „ N i C h t e h e r wird die Seele Nutzen haben von den ihr zugeführten Wissensschätzen, a 1s b i s der Widerleger den Widerlegten in Scham versetzt, die den Wissenschaften hinderlichen Meinungen hinweggeräumt, ihn gereinigt und dazu gebracht hat, daß er nur das zu wissen glaubt, was er wirklich weiß, mehr aber nicht", Iieil3t es iin ,Sophistes6 (230 C 7). ,,I3 e V o r jein:indL6,sagt Sokrates im ,Phaidros6,,,die Wahrheit eines jeden einzelnen Dings kennt, Über das er redet und schreibt . ., eher wird er n i C h t in der Lage sein, kunstmäßig, soweit es ihm gegeben ist, das Gebiet der Reden zu erfassen, weder um zu lehren noch um zu überreden" (277b 5). Schließlich noch der Kernsatz der ,,PoliteiaC': ,,W e n n n i C h t entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt sogenannten Könige und Machthaber aufrichtig und gründlich philosophieren und dies beides in eins zusammenfällt, politische Macht und Philosophie. . , so gibt es k e i 11 Ende der Ubel für die Staaten und, wie ich glaube, für das Menschengeschlecht überhaupt" (473 C 11) 'So. I n seiner Form
(ubel-Ausweg) wie in der Gewichtigkeit seines Gehalts entspricht diesen Sätzen das große Fazit, das Sokrates aus seinen Erfahrungen mit dem athenischen Staat zieht: „ K e i n Mensch kann sich retten, der euch oder einem anderen Volk aufrecht entgegentritt und zu verhindern sucht, daß viel Ungerechtes und Widergesetzliches im Staate geschieht, V i e 1m e h r muß notwendig, wer tatsächlich für das Gerechte kämpfen will, wenn er auch nur für kurze Zeit gerettet werden möchte, ein Privatleben führen unter Verzicht auf öffentliche Wirksamkeit'' (31 e 2). Daß tatsächlich in Athen bedenkliche Rechtsunsicherheit herrschte, lehrten die beiden Ereignisse aus Sokrates' Leben zur Genüge. ,,I& müßte ohne Verstand sein", sagt Sokrates im ,Gorgias6, ,,wüßte ich nicht, daß in dieser Stadt jeden jedes nur erdenkliche Schicksal treffen kann" (521 C 7). Aber nicht nur für Athen gilt seine Feststellung, in der Politik herrsche statt des Rechtes Willkür und Widergesetzlichkeit, sie gilt für a 11e D e m o k r a t i e n. Im Hinblick darauf, daß einer der beiden Zusammenstöße mit dem Staat zu einer Zeit erfolgte, als Athen Oligarchie war, darf auch die zeitgenössische 0 1i g a r C h i e zu den entarteten Staatsformen gerechnet werden. Und es wäre naiv, annehmen zu wollen, Platon halte eine sonstige kontemporäre Regierungsform, etwa die Monarchie, für besser als Demokratie und Oligarchie'''. Was hier ausgesprochen wird, ist identisch mit der Feststellung des „Könige-Philosophen-Satzes" im ,Staat6, daß es in den bestehenden Staaten kein Ende des Ubels gebe, sofern sie bleiben wie sie sind, identisch mit dem, was der ,Siebte Brief' als den Endpunkt von Platons politischer Meinungsbildung bezeichnet: ,,Schließlich erkannte ich, daß alle gegenwärtigen Staaten schlecht regiert sind; ist doch ihr ~ ~einem ~ Zustand, der ohne wunderGesetzeswesen (T& TWV V O ~ O V ) in
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1. C. P. 74. no Vgl. auch legg. 683 e 9 688 C 6 (dazu Rohr 1. C. p. 72) 690 a-691 a (dazu Rohr 33) 693 b 3 ff. (dazu Rohr 51) 695 d 6 ff.. "P Vgl. ep. V11 326 a 7 336 e 2; syntaktische Verselbständigung der beiden Teile legg. 711 e 8 713 e 3 714 a 8. *28
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Steidle 1. C . macht diese Annahme. Steidle 1. C . ist anderer Auffassung. .An zwei Stellen der Apologie heißt es ausdrücklich, das überlieferte Gesetz sei durchaus in Ordnung, nur die Athener handeln gesetzwidrig. Dieselbe positive Einstellung zu den bestehenden Gesetzen findet sich im Kriton. Er ist noch weit entfernt von der Einsicht des 7. Briefes. daß die Nomoi aller Staaten unheilbar verderbt sind" (137 f.). Im Zusammenhang damit entwickelte er die These, der junge Platon stehe dem zeitgenössischen Athen noch positiv gegenüber, hoffe, es reformieren zu können, erst seit dem ,Gorgias4resigniere er. Sowohl der Ausgangspunkt wie der Endpunkt der Steidleschen Entwicklung ist anzufechten. Der Ausgangspunkt: v6yos ist schon beim frühen Platon etwas Doppelschichtiges. Sofern es sich um das positive Gesetz handelt, ist der Nomos der Kritik ausgesetzt, etwa apol. 37 a 7 (vgl. dazu legg. 855 e 7); Crito 52 e 5; Hipp. I 283 e f . (Schon hier ist Platons eklektizistische Haltung den Gesetzen der Völker gegenüber zu beobachten, die später in den ,GesetzenGausdrücklich empfohlen wird, legg. 702 C 5 951 a 7 957 a 3.) Andererseits ist aber der Nomos in seiner Wurzel heilig, göttlich, unverletzlich. Sokrates beugt sich daher im ,Kriton' dem Gesetz, auch wenn seine Anwendung auf ihn
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonisc$en Gesamtwerk
bare Zurüstung im Bunde mit Schicksalsfügung nicht zu heilen ist" (326 a 2). Angesichts dieser Sachlage bleibt für den Philosophen nur der Rückzug übrig auf das, was er in keinem Fa11 aufgeben kann, auch bei Gefahr nicht: auf seine philosophische Betätigunge3', auf das Leben als philosophierender Privatmann (i6ioreGe~v32 a 2). Im ,StaatGwerden die Argumente der ,Apologie' wiederholt (496 c 5) : die Menge ist in blindwütiger pctvia begriffen, nirgends im Staatsleben geschieht etwas Rechtes (C&) ; der Philosoph kann sich nicht auf Politik einlassen, denn er versteht sich nicht zum uwva8weiv und würde „zugrundegehen, ehe er den Staat oder die Freunde gefördert hätte, unnütz sich selbst und den andrrii" (d 4; vgl. apol. 31 d 6 ) . Daraus zieht er seine Konsequenzen. „1Sr Iiiilt Iliiliee"', tut das Seine, trilt g1eichs:ini unter ein hläuerchen in einem 'Sturm von windgepeitschtem Staub und Regen und sieht zu, wie die andern erfüllt sind von Ungesetzlichkeit, zufrieungerecht ist. (Es ist zu beachten, daß Platon mit dem Asebiegesetz als solchem durdiaui einverstanden ist, wie das zehnte Buch der ,Gesetze1zeigt.) - Der Endpunkt: Plalon sagt im ,Siebten Brief' nicht, die vbyo~seien verderbt, sondern allgemeiner .C& ~ o i vvbywv, womit nicht zum letzten dcr Geist gemeint ist, in dem die Gesetze geliaiidliaht werden. Daß der spätere Platon nicht, wie Steidle nicint, alle Gesetze für verderbt hält, ist einfach genug zu beweisen: Warum sollte Platon denn die Gesetze vieler Staaten und Völker ausgiebig studiert und zum Teil als rorhildlich in seine ,Gesetze6 aufgenommen haben (vgl. Friedländer 1" 107; Jaeger 111 328; 451, 251; 340), wenn ?r sie samt und sonders für unheilbar hielt? Steidles Entwicklung beruht also teils auf unzulässiger Isolierung von Teilen komplexer Zusammenhänge, teils auf Fehlinterpretation. Ganz ähnlich ist es mit der angeblichen Wandlung des Verhältnisses zum zeitgenössischen Athen. Die Schärfe der Ablehnung in der ,Apologie6sagt genug. Und doch ist auch noch dieses Athen in seiner Wurzel heilig, auch in ihm lebt noch etwas von dem göttlichen .Ur-Athen". .(Die Aret6) steht hinter dem ,reinen Sellsl' Athens, für das iin Epitaphios (SC. Im .MenexenosL)die mythische Mutter Erde eingetreten ist, die ihre Arett? den Vorfahren schenkt. Wenn Sokrates die Athener zur Arett? ruft, so kann er das tun, weil sie als Athener irgendwie selbst Arett? in sich tragen. Damit wird vom ,MenexenosG her das Athen-Motiv der ,Apologie' erhellt und überhaupt das ,Athenisehe' am Anliegen des platonischen Sokrates aufgezeigt" V. Loewenclau I. C. p. 109. Und daß zu diesem "eigentlichen" Athen auch noch der greise Platon cicli positiv stellt, zeigt ep. V11 336 d I> und besonders 333 d 1 334 b 1, wo Pfaton sich mit Stolz als einen 'A+qvaio~drvfi~ Iwzeirlinet. m3 Vgl. resp. 494 a 11. Steidle 1. C. p. 141 interpretiert im Sinn seiner These: Hier empfiehlt Platon das f i m ~ i a vÜYELV, das er in der ,Apologie6 noch ausdrücklich verworfen hatte (38 a 1). E r übersieht, daß sich das f i a u ~ i a vUyebv in beiden Fällen auf Verschiedenes bezieht. In der ,Apologiec wird mit dem G. (r. der Verzicht auf p 11 i 1 0 s o p h i s C h e Tätigkeit abgelehnt, im .Staatc' mit der Empfehlung des 4. Ü. der Verzicht anf p o 1 i t i s C h e Betätigung anempfohlen, was auf dasselbe hinaus, läuft wie das >LBLWTEUELVapol. 32 a 2. Ein Unterschied besteht lediglich darin, daß für den Sokrates der ,Apologie' sich das Philosophieren notwendig auf Straße und
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den, wenn er sein irdisches Leben rein von Ungerechtigkeit und frevelhaften Taten zubringen und sich endlich mit guter Hoffnung heiter und wohlgemut von dannen machen kann." Im ,Fünften Briefb stellt sich Platon demselben Vorwurf wie der Sokrates der ,Apologie6:,,Platon glaubt, wie es scheint, er wisse, was der Demokratie nützt, doch obgleich es ihm freistand, vor dem Volk zu reden und ihm das Beste zu raten, hat er sich doch nie erhoben und gesprochen" (322 a 4). P1:iton rechtfertigt sein Verhalten - und damit das des Sokrates der ,Apologie4-, indem er auf die geschichtlichen Perspektiven hinweist, die es bestimmten: „Platon ist zu spät in seinem Vaterland geboren und hat ein Volk angetroffen, das schon zu alt ist und von den Früheren gewohnt, vieles zu tun, was seinem Rat nicht entspricht. Denn am allerliebsten würde er ihm wie einem Vater raten, wenn er nicht glaubte, sich dabei nutzlos der Gefahr auszusetzen, ohne etwas auszurichten" 235. Der Philosoph muß als Privatmann leben, ,,wenn er auch nur f ü r k u r z e Z e i t gerettet werden möchte" (apol. 32 a 2). Der Grund seiner Gefährdung liegt in der Verderbnis des Staats. Unter diesem Aspekt der ,Siebte Brief' weist ausdrücklich darauf hin (325 bc)"' ist auch Sakrales' dritter und letzter Zusammenstoß mit dem Staat zu betrachten. Ein Philosoph, der im gegenwärtigen Athen angeklagt wird, müßte . sein wie ein Arzt, der sich vor Knaben wegen seiner Eingriffe rechtfertigen soll, sagt Sokrates im ,Gorgias6 (521 e 2), und die ,Apologie6 zeigt das knabenhafte Verhalten der Richter in praxi: sie lärmen, sie schreien auf, wenn er ihnen Wahrheit vermitteln will, heilsame Wahrheit (vgl. Gorg. 522 a 6) ; er muß ihnen erst einmal die Grundbegriffe des Richtertums einschärfen (18 a 4 35 C 2)237.Um das Bild des ,Staates' zu gebrauchen: sie verhalten sich wie ein Kranker, dem am allerverhaßtesten ein Arzt ist, der ihm die Wahrheit sagt, daß nur eine Radikalkur Hilfe bringen kann (426 a 6 ) . Am Schluß des Höhlengleichnisses heißt es mit deutlicher Beziehung auf Sokrates: „Wenn sie den, der versucht, sie zu lösen und nach oben zu führen, in ihre IIand bekommen und töten könnten, so würden sie ihn töten" (resp. 5 1 7 a 4 ) . Sokrates' Tod erfolgt mit i n n e r e r N o t w e n d i g k e i t . ,,Dies ist's, was mich zu Fall bringen wird, wenn anders ich falle, nicht
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Markt, also in der Öffentlichkeit vollzieht, während der Platon des ,Staatsc sich in die Akademie zurückgezogen hat, also ein Philosophieren in der Zurückgezogenheit kennt. 235 Vgl. ep. V11 331 C 6. me Wolff 1. C. p. 32 f. schließt daraus, erst Platon habe dem Sokrates-ProzeR diese Deutung gegeben. W Vgl. dazu poiitic. 305 b 1.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Meletos und nicht Anytos. sondern die VerleumdungPb9 bei der Menge und deren Gehässigkeit. Was schon viele andere gute Männer zu Fall gebracht hat, wird dies auch in Zukunft tun, denke ich, und es hat keine Gefahr, daß es bei mir haltmache" (28 a 6). ,,So geschah es damals, so geschieht es, wenn überhaupt, auch jetzt, und in Zukunft wird es nicht anders geschehen", diese Formulierung einer unerbittlichen historischen Gesetzmäßigkeit beim späten Platon (legg. 688 d 1) zeichnet sich schon hier ab "'. Die innere Triebfeder dieses Ablaufs ist der Haß der Menge gegen den ihr unverständlichen, ihrem Einfluß sich entziehenden Philosophen. ,,Eine philosophische Volksmenge ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und notwendig müssen die Philosophierenden von ihr getadelt werden" (resp. 494 a 4 ) . „Wer der Menge nicht folgt, den bestraft sie mit Atimie 'und Geldbußen und Tod" (492 d 6). E.inen anderen Aspekt desselben Tatbestandes gibt der ,PolitikosL:wer sich über die Konvention, die beim Volk gilt, hinwegsetzt und selbständig zu neuen, richtigeren Ergebnissen vorzudringen versucht, den verfolgt es mit seirieni Haß, uni so mehr, wenn er versucht, auch andere zum Begehen neuer Wege zu veranlassen. ,,Wenn es den Anschein hat, daß einer gegen Gesetze und Buchstaben Junge und Alte überredet, so wird er mit dem dußersten bestraft" (299 ~ 4 ) ' ~ Sokrates' '. Tod ist, so will es die ,Apologiec, das große Ecce!, das hinweist auf die umfassende, fast unheilbare Verderbtheit des Staates. ,ApologieGund ,StaatL kommen, von derselben Auffassung ausgehend, zu verschiedener Fragestellung. Der ,StaatLfragt: was muß geschehen, wenn dieser Zustand sich ändern soll?, die ,ApologieL:was muß ich tun, wenn dieser Zustand andauert? Das klänge nach Resignation, wäre es das einzige, was sie zur Politik zu sagen hätte. Doch in diese Düsternis der zeitgenössischen Staatenwelt dringt nun gleichsam Licht aus einer anderen Sphäre. „Ihr sollt euch nicht eher um eure Angelegenheiten kümmern, als bis ihr euch um euch selbst gekümmert habt, und nicht eher um die Angelegenheiten des Staates als uni den S t a a t s e 1b s t" (apol. 36 C 8)'". Der Philosoph als Gegenstand der Verleumdung: vgl. resp. 500 C 9. ,Es ist bei Platon nicht davon die Rede, daß Sokrates irgend etwas hätte anders machen sollen oder daß die Richter hätten einsiditsvoller und besser sein können. Sie waren beide so, wie sie sein mußlen, und so mußte das Schicksal seinen Lauf nehmen" Jaeger I1 126. Den hier skizzierten Tatbestand hat wohl E. Wolff im Auge (1. C p. 16), wenn er von einer verhängnisvollen Antinomie zwischen Elenktik und Scheinwissen der nohhoi spricht. Lu ',Das Ziel steht für Platon fest, und das Ganze schwebt ihm in seinem Umriß bereits vor Augen, da er den Griffel zum ersten seiner ,sokratischen' Dialoge ansetzt" Jaeger I1 383, 14. '39
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
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Die ,ApologieLäußert sich nicht ausdrücklich über den ,,Staat selbst". Sie gehört zu den aporetischen Frühdialogen und Iäßt wie diese Hörer und Leser in der Suche verharren, gibt jedoch unter der Hand Anspielungen und Hinweise aufs Gesuchte. „Ich bin vom Gott der Stadt beigegeben, als wäre sie ein großes, edlesM4Pferd, das jedoch infolge seiner Größe recht träge geworden ist und der E r W e C k U n g vermittels eines Sporns bedarf" (30 e 3). Wach soll der Staat sein, bei sich, aufgerüttelt aus seiner Trägheit. Es hat gleichnishafte Bedeutung, wenn Platon sich in den ,GesetzenLgegen eine Ummauerung der Stadt wendet; sie verleite die Stadt dazu, daß sie ,.nicht darin ihre Sicherheit sucht, daß in ihr bei Tag und Nacht einige auf Wache sind, sondern daß sie glaubt, indem sie durch Mauern und Tore verwahrt sei und s C h 1a f e , habe sie für alle Zukunft die Mittel in der Hand, die ihr Sicherheit verleihen, als ob wir dazu dawären, Mühe und Arbeit zu meiden" (779 a 1).Schon den Knaben werden im Staat der ,Gesetzec Kenntnisse vermittelt, die richtigen Ablauf der so wichtigen religiösen Feste gewährleisten, dadurch „die Stadt lebendig und wtrcli (Eyeqyoeuiav) machen und bewirken, daß die Götter ihre Ehrungen erhalten, die Menschen aber in diesen Dingen einsichtiger werden" (809 d 1). Und im ,StaatGwerden die herrschenden Stände, Krieger und Philosophen, gemeinsam „Wächtera genannt. I h r Werk ist es, wenn der wahre Staat als ,,wach6 bezeichnet werden kann. Nicht stehe Geld und Körper über der Arete, sondern die Arete über Körper und Geld, so mahnt Sokrates seine Mitbürger (apol. 30 b) Diese Wertordnung ist, wie sich später bei Platon zeigt, die tragende Säule, auf der der „wachea Staat ruht. ,,Wir behaupten also", heißt es in den ,Gesetzen6,„daß ein Staat, der sich erhalten und nach Maßgabe des Menschenmöglichen glücklich sein will, notwendig und zwangsläufig Ehren und Ehrenentziehungen richtig verteilen muß. Das Richtige nun ist, wenn als wertvollstes und erstes die Güter der Seele gelten, sofern sie über Besonnenheit verfügt, als zweites die körperlichen Vorzüge und Güter und als drittes die sogenannten Glücksgüter, die sich auf Vermögen und Geldeswert beziehen. Weicht jedoch ein Gesetzgeber oder Staat davon ab, indem er den Geldeswert zu Ehren bringt
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P4* 2"
S. 0. p. 145, 232. Anders Friedländer 11' 165,l. ,,piSwil, heißt ,Bremse4, nicht ,Spornd (Aischylos nennt in der 10-Geschichte ~iSo@, .. was sonst oloteoq heißt: Prom. 675. Hiket. 305). Nun versteht der Grieche 'unter ,Bremse4 auch einen Sporn, so daß der Leser bei O~opEvcpt y e i e ~ o 8 a6nb ~ pGwz65 mvos auch die übertragene Bedeutung mithören könnte. Treffender aber und ursprünglicher ist das lebendige Tier.. als das tote Gerät." Mißlich für diese Interpretation ist jedoch, daß der pboil, im Falle der 10 und an sie m U ß t e der Grieche denken bei der Bedeutung .Bremse" - Wahnsinn, Außersichsein, Nicht-zu-sich-selbst-Kommen bedeutet, also eben das Gegenteil von dem, was Sokrates' Stacheln bewirken soll.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
oder sonst etwas wertmäßig tiefer Stehendes höher erhebt, so ist sein Handeln weder fromm noch staatsklug" 1'697 a 10). Im ,Achten Brief' riit deshalb der fingierte Dion den Syrakusaiieni, diese Wertordnung gesetzlich zu verankern (355 a 8). Auf die Güter der Seele - sie werden auch als göttlich bezeichnet - kommt alles an für den Staat. „Von den göttlichen Gütern hängen die anderen ab. und wenn ein Staat die größeren aufninimt, gewinnt er auch die geringeren, wenn nicht, geht er beider verlustig (legg. 631 b 6). Ein Staat, der sein Glück auf den „geringeren" Gütern aufbaut, wird notwendig Schiffbruch erleiden (716 b3)'". Diese politische Akzentiiierung der richtigen Wertordnung wirft ein neues Licht auf den Umstand, daK Sokrates sich mit jener Mahnung aiisdriicklicii an seine St:in:iiiesgenossen wendet, an die Bürger Athens, der großten iind ob ihrer Weisheit und Macht liochangeselienen St«dt (29 ti 5 30 a 4). Die Mahnung zum richtigen Wertwissen richtet sich nicht nur an die Einzelpersönlidikeit, sie ist zugleich ein Politikum ersten 12angese45. In dem eben erwiihnten Rat an die Syrakiisaner wird ihnen empfohlen. ..die 7 11 g e n d d e r S e e 1e zum wertvollsten zu machen" (ep. V111 455 1) 3). I>as?elbe Ziel haben SoBratesYßemiiliiingen in der ,Apologie'. Es handelt sich dabei jedodi keineswegs um eine apolitische, bloß indi~iduelleTugend. „Wer versteht sich auf diese Art Tugend, ) Sokrates auf die nieiischliche und b Ü r g e r 1i C h e { n o h ~ ~ i?",~ f ifragt im Kallias-Gesprtch, das er zu Beginn der ,Apologie6 wiedergibt (20b4), und stellt damit die ganze folgende Exposition seiner Bemühung um die Aretee" unter ein pditisches Vorzeichen. Nicht umsonst sind auch die Politiker die ersten, an die sich Sokrates auf seiner Suche nach Wissenden wendetP47.Der wirkliche Staat miißte ein Staat der Arrli. sein. Auf die Gewinniiiig der ,,Tugend" zielt die Erzieliuiig in der .Poliieia' ab, ziinial die der künftigen Wächter iind Philosophen; nicht niinder erstreben die ,Gesetze' eine „Erziehung zur Tugend von Kindheit an, die danach verlangen und begehren macht, ein vollkommener Stnatsbürger zu werden, der es versteht, mit Gerechtigkeit zu herrschen und sich beherrschen zu lassen" (643 e 3). „Dies weiß ich", sagt Sokrates in der ,ApoLogie', „unrecht tun und ungehorsam sein dem B e s s e r e 11 gegeniiber, sei es Gott oder M e n s C 11, ist schlecht und schändlidl" (29 b 6). Am besseren Mann ist es, zu befehlen und zii herrschen. ,Nur eine Bestimmung gilt: wer als weise iind g U t erscheint, der hat die Macht und herrscht", so heißt ea e45 246
Vgl. ep. 111 317 C 8; legg. 689 d 6 831 C 4. W o Geld in Ansehen steht, kann nicht auch zugleich Tugend etwas gelten: resp. 551 a 1 536 C 7. Zur Gültigkeit dieser Wertordnung in Staat und Kosmos vgl. Solmsen 1. C. p. 167. S. 0. P. 92 ff..
es von dem idealen Athen des ,MenexenosL (238 d 8). Die Besten (8pwro~)müssen herrschen, fordert der ,Staat4 (412 C 1).Der Geringere soll untertan sein „dem Besten, der das Göttliche als herrschende Kraft in sich trägt" (590 C 8) ; „die größte Strafe ist es, von einem Schiechteren beherrscht zu werden, wenn man sich selbst nicht zum Herrschen entschließt" (347 C 1).Wer aber der Bessere sei, sagt Sokrates mit aller Deutlichkeit, wenn er sich selbst als hyiivov dem Meletos - und damit allen, denen es gleich ihm an Einsicht fehlt - gegenüberstellt (30 d 1). Sokrates ist der, der gar nicht anders kann als philosophieren (28 e 5), er ist d e r Philosoph. Im wahren Staat müssen die P h i 1o s o p h e n Könige werden oder die Könige Philosophen, fordert die ,PoliteiaL (473 C 11). Die ,Gesetzecnennen sieben Voraussetzungen, auf die sich legitimer Herrschaftsanspruch gründet: ,,die wichtigste Voraussetzung dürfte, wie es scheint, die sechste sein, die den Unverständigen folgen heißt, den Einsichtigeii führen und herrschenc' (690b 8).Und im ,Siebten Brief' zieht Platon die Sumine zum ,,Fall Sokrates": ,,I& sah mich rum Lob der wahren Philosophie zu dem Eingeständnis genötigt, nur von ihr aus werde sichtbar, was recht ist für den Staat wie für den einzelnen" (326 a 5). Bei der Prüfung der Staatsmänner und Dichter muß Sokrates erkennen, daß sie von ihrem Fach überhaupt nichts verstehen. Sie versündigen sich damit gegen das Gebot des wahren Staats, jeder müsse durch Beherrschung seines Fachs dem Staate „d a s S e i n e t U n" '@', dienen (resp. 370 a ff.). Noch schlimmer: soweit ein Stand wirklich etwas versteht, wie der der Handwerker, macht er seine Leistung wieder zunichte, indem er auf fremde Wissensgebiete übergreift und sich auch in diesen für zuständig hält. „Die Vielgeschäftigkeit der drei Stände und ihr Obergreifen ineinander ist der größte Schaden für den Staat und dürfte mit vollstem Recht als Hauptfrevel bezeichnet werden" (resp. 434 b 9). Der beste Staat ist ein Staat der AretB; jeder soll mit seiner Bestleistung, mit dem, worin seine s p e z i f i s C h e V o 11k o m m e n h e i t besteht, zum Ganzen beitragen; eine Bestleistung aber kann jeder nur auf e i n e m Gebiet aufzuweisen haben2". Daher erklärt Platon: „Wir haben die These aufgestellt und sie oft wiederholt, daB jeder einzelne nur e i n e der auf den Staat bezüglichen Beschäftigungen ausüben dürfe, nämlich die, zu der er seiner natürlichen Anlage nach am geeignetsten ist. Und daß das Seinige tun und sich nicht in alles mögliche einmischen (noAvnpaypoveiv) Gerechtigkeit ist, auch dies haben wir von vielen anderen gehört und selbst oft gesagt" (resp. 433 a 4 ) . Der Philosoph, dessen Leben auf den ,,Staat selbst" i4B
e40
Vgl. Friedländer IIi 72. Vgl. Jaeger 11 281; Maier 1. C.p. 422 f. 427.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
zugeordnet ist, genügt dieser Forderung; er ,,tut das Seine und ist nicht vielgeschaftig" (Gorg. 526 C 3). Sokrates lehnt es ab, sein Heil in dem viele11 zu suchen, das die Vielen beschäftigt: Geldgeschäfte, Hausverwaltiing. Feldherrnamter, Volksrednerposten, Verschwörungen, Parteiungen; für ihn gibt es nur eines: die Sorge für die Seele, die Philosophie (apol. 36 b C ) . Wenn er davon spricht, da@ es e i n e n Fachmann in Sachen Erziehung gebe11 niüßie (25 b), so kann nicht zweifel, t.& Eavtoij haft sein, wer dieser Fachmann sei. Als Sucher der p E y ~ a t a als n ~ 6 t t w v ' ~als ~ , einer, der sich nie eines Ubergriffs auf fremde Fachbereiche schuldig macht, erweist er dem Staat den größten Dienst (30 a 5). Es sind insbesondere zwei Forderungen, denen geniigen miifi, wer für das Iiiidiste Wlichteramt in1 Staat in Frage ltoiiiiiien soll: sein Ethos niiiß bewährt sein; sein ganzes Trachten muß dein Wohl des Stnnts gelten. - Der wahre „Wächteru muß befreundet und verwandt sein mit der V17ahrheit, Gerechtigkeit. Tapferkeit, Besonnenheit (resp. 487 a 4)"'. Er kann wie Sokrates von sich sagen: „Mein ganzes Leben lang - diesen Eindruck wird man von mir gewinnen - blieb ich derselbe, sowohl wenn ich mich im Staatsleben betätigte wie in meinem Privatleben: nie habe ich jemand wider das K e C h t ein Zugeständnis gemacht" (apol. 33 a I)%'. Sokrates hat auch in der Taxis standgehalten, an den Schlachten von Potidaia, Amphipolis und Delion teilgenommen (28 e) und genügt somit der Forderung der ,Politeia6auf Bewährung der künftigen Staatslenker in Krieg, Strapazen und Schrecknissen (467 b 8 413d4). - Weiter fordert der ,Staatc: ,,Wir müssen aus der Zahl der Wächter solche Männer auswählen, von denen wir bei unserer Prüfung den Eindruck gewinnen, daIj sie ihr g a n z e s I. e h e n 1a 11g mit höchstem Eifer tun, was ihnen als nützlich für den Stntrf erscheint, was aber nicht als nützlich, unter keiner Bedingung tiiri wollen" (412 d 9). Sokrates kann von sich sagen: ,,All meine persönlichen Angelegenheiten habe ich vernachlässigt und dulde es, daß mein Hauswesen schon seit vielen Jahren verkümmert, dagegen bin ich u n a b l ä s s i g für euer Wohl tätig" (76 6E VpEzeeov n&ztwv Olsi 3 1 1) 2) e5s. „Wer jeweils als I
tS2
Die Wendung tu Eautoü n p i t ~ o v t o s33 a 6 hat allerdings andere Bedeutung. Sie steht wie auch resp. 496 d 6 und ep. IX 357 e 6 im Gegensatz zu öffentlicher Betätigung und bedeutet „der Privatbeschäftigung nachgehen". S. U. P. 159 ff.. Vgl. Crito 45 d 6 46 b 4. Vgl. Gorg. 522 b 9. Steidle 1. C. p. 144.
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
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,,Dies nun, denke ich, wird jeder uns zugeben, daß eine solche Natur, die all das besitzt, was wir ihr soeben als Bedingungen auferlegt haben für den Fall, daß sie vollkommen philosophisch werden solle, s e 1 t e n unter den Menschen vorkommt und in geringer Zahl" (resp. 491 a 8)'64. Die Philosophie ist nur Sache ganz weniger (ep. V11 341 e 1). Sokrates hält daher den Athenern vor: ,,Ihr werdet nicht so leicht einen anderen finden, der wäre wie ich" (30 e 2). ,,Ein anderer von meiner Art wird euch kaum erstehen" (31 a 2). Die Tätigkeit eines so seltenen Mannes sollte nicht durch kleinliche Abhaltungen eingeschränkt werden. Sokrates begründet seinen Antrag auf Speisung im Prytaneion mit den Worten: „Was ist nun angemessen für einen armen Mann, der zugleich Wohltäter ist und der Muße bedarf, euch zu mahnen und aufzurütteln? Es gibt nichts, meine athenischen Mitbürger, das angemessener wäre, als daß ein solcher Mann im Prytaneion gespeist werde. Ihm kommt dies weit eher zu, als wenn einer von euch mit einem Pferd oder einem Zweigespann oder gar einem Viergespann in Olympia gesiegt hat". Denn jener macht, daß ihr glücklich zu sein s C h e i n E , ich dagegen, daß ihr es seid, und jener bedarf nicht der Versorgung, ich aber bedarf ihrer" (36 d 4). Diesem Antrag liegt der Gedanke der ,Politeia6 zugrunde, die Wächter und Beschützer des Staats, Krieger und Philosophen, seien auf S t a a t s k o s t e n zu verpflegen (416 e ), weil sie imstande sein sollen, sich ganz ihrem Amt widmen zu könnenz5".Sie haben sich nicht mehr mit Geld- und Nahrungssorgen abzugeben; „all dieser Dinge werden sie enthoben sein und ein weit seligeres Leben führen, als es das gepriesene Dasein der Olympioniken ist. Diese werden glücklich gepriesen und haben doch nur einen kleinen Teil dessen, was jene haben. Denn der letzteren Sieg ist schöner, ihr Unterhalt aus öffentlichen Mitteln vollkommener" (465 d 2). Zugleich bedeutet die von Sokrates beantragte Speisung im Prytaneion aber auch eine E h r U n g. Nur der Wohltäter des Staats hat nach platonischer Auffassung Anspruch auf eine solche. ,,Dions Absehen", sagt Platon im ,Siebten Brief', ,,war dasselbe, das, wie ich meine, ich und jeder andere haben muB, der Maß zu halten weiß: was seine eigene Macht und die seiner Freunde anlangt sowie seine Vaterstadt, so ist er willens, nur durch Wohltaten zu Macht und Ehren zu gelangen, durch die größten zu den größten" (351 a 1). Sokrates der Philosoph ist der größte Wohltäter des Staats (36 C 4), also muß er, 2tj4
*68
Vgl. resp. 503 d 7 428 e 9; Jaeger I1 349. Vgl. legg. 729 d 4: Sieg in Gesetzestreue weit wertvoller als olympischer Sieg; Phaedr. 256 b 3: die drei wahrhaften olympischen Ringersiege. Im Staat der ,GesetzeGsind die Bürger frei von Erwerbsgeschäften; sie widmen sich ausschließlich, vergleichbar den pythischen und olympischen Kämpfern, der Bemühung um körperliche und seelische Arete (807 C 1 ff,).
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
3. Sokrates in der Auseinandersetzung
wenn der Staat ein wahrer Staat iste5', auch am höchsten geehrt werden. Der U in s C h W u n g zu diesem Staat der Wahrheit, der richtigen Wertordnung, der Arete, kann offenbar nur über die Einzelpersönlichkeit, die erweckt, zur Aret6 geführt und dadurch zu staatsmännischer Tätigkeit befnhigt wird, erfolgeneSS.,.Ist nicht dies die Art, wie wir's angreifen müssen, wenn wir dem Staat und den Mitbürgern dienen wollen, daß wir die niirger so gut wie niGglich machen?" (Gorg. 513 e 5 ) . Wiihrend scheinbar die Tätigkeit des Sokrates der ,ApologieGganz unpolitisch, lediglich ein i8iwteU~t.vist, während er einmal versichert, er könne sich nidit mit Politik befassen, weil er sich damit dem Verderben preisgäbe (31d 7), ein andermal, er habe keine Zeit für Politik (23 b8). ist er in Wahrheit als größter Wohltäter Athens auch der wahre Staatsmann. In der Elenxis des Meletos wird dieser Gegner des Sokrates ironisch mit Sokrates' Zügen ausgestattet (s. p. 108f.); im ,Euthyphron6 wiederfährt ihm dasselbe. Sokrates sagt dort von ihm: „Ich habe den Eindruck, daß er als einziger mit der Politik in der rechten Weise beginnt. Das Richtige ist nämlich, sich zuerst um die jungen Leute zu kiiinrnern, da13 sie so gut wie möglich werden . . . Hierauf wird er sich offenbar um die Älteren kümmern und so für den Staat Urheber von sehr vielem hervorragendem Gutem werden, wie es bei einem, der in solcher Weise beginnt, gar nicht anders zu erwarten ist" (2 C 8). Ein solcher Beginn würde dazu führen, daß sich - das ist recht eigentlich das Problem für den, der die Politik in richtiger Weise angreift (ep. V11 325 d 1) - ein I< r e i s von Gleichgesinnten bildet, der die neiie Politik auch durchführen kann. Unter diesem Aspekt erhellt sich der tiefere Sinn der dikanisch so wirksamen Aufzählung von Zeugen für Sokrates' Sache (apol. 33 C - 34 b; s. p. 56f.)2". Sokrates hat einen Kreis teils jüngerer teils älterer Leute zusammengeführt, die zu ihm halten und seine Sache vertreten. Sie sind die potentiellen Politiker der Zukunft; nicht umsonst wird Platon unter ihnen genannt. Was in der ,ApologirLund irn ,EiithyphronGangedeutet wird, spricht Sokrates im ,GorgiasLofl'en aus: „Ich glaube, mit wenigen Athenern, um nicht zu sagen :i11e i t i , mich mit der walirliaf!en politischen Kunst zu befassen und als einziger unter den Lebenden wirklich Politik zu trei-
ben" (521 d 6)". Damit aber führt Sokrates den Staat zur E U d ä m o n i e. „Nimmermehr kann glücklich (~fiGaipwv)werden weder ein Staat noch ein einzelner, wenn er nicht unter der Herrschaft der Gerechtigkeit mit Einsicht sein Leben führt" (ep. V11 335 d4)e6'. SO darf Sokrates in der ,Apologie6stolz von sich bekennen: „Der olympische Sieger macht, daß ihr glücklich zu sein scheint, ich dagegen, daß ihr es s e i d" (36 d 9). Er ist es, der den Staat dem Ziel aller Ziele zuführt. Wenn die Wendting zum wahren Staat eintreten sollte, war es aber auch notwendig - das wird im ,StaatG499 e ausgeführt -, das V o 1k zur Einsicht in das wahre Wesen des Philosophen zu bringen. Die ,Apologie', ein Werk Platons, wendet sich an breite Kreise. In den ,Gesetzen' (710 cff.) ist von den Möglichkeiten die Rede, die einzelne haben, den Staat im platonischen Sinne zu revolutionieren, seien es Monarchen, Oligarchen oder Aristokraten. Neben diesen dreien wird noch ein vierter genannt, durch den es gleichfalls geschehen könnte, daß „Einsicht und Besonnenheit mit der größten Macht in eins zusammenfällt" (711 e 8 ) . Es ist der, in dem sich ,,die Natur des Nestor wiederverkörpert, welcher sich, wie sie sagen, durch die Kraft seiner Rede vor allen ausgezeichnet habe, sich noch mehr jedoch durch seine Besonnenheit auszeichne. Dies gab's, wie sie sagen, in der Troerzeit, in unseren Tagen jedoch keineswegs. Wenn es aber einen solchen gegeben hat oder geben wird oder j e t z t unter uns gibt, so führt er selbst ein seliges Dasein, selig sind aber auch, die auf die Reden hören, welche aus seinem besonnenen Munde gehen" (711 e 1). Als Erzeugnis einer solchen nestorischen Beredsamkeit ist die ,ApologieGdazu bestimmt, der Menge das Bild des wahren Philosophen nahezubringen, den Weg zu bahnen zum „Staat selbst" 2E2. Wir fassen zusammen. Sokrates fühlt sich in umfassendem Sinn dem Staat verpflichtet und tut alles, ihm zu dienen. Anstatt Dank dafür zu ernten, muß er es jedoch erleben, daß die Politiker ihn mit ihrem Haß verfolgen, daß ihn die Menge bedroht, daß er nur mit knapper Not dem Tod als Lohn seiner Gerechtigkeit entgeht. Aus alledem zieht die ,Apologie6den Schluß: der gegenwärtige Staat ist radikal verderbt, mit ihm die ganze zeitgenössische Staateiiwelt. Unter diesem Aspekt ist der Prozeß des Sokrates zu sehen; sein Tod hat zeichenhafte Bedeutung. Indessen gibt es e i n e n Ausweg: die Minwendung zum ,,ganz andem" Staat, zum ,,Staat selbst". Die ,Apologie' deutet an, wie dieser Staat beschaffen sein müßte: es ist ein Staat der Wachheit, der Ein-
Da8 Athen zu dieser Ehrung nicht bereit ist. zeigt, wie es mit ihm bestellt ist. Gadamer hat also recht, wenn er 1. C. p. 195 sagt, die Antitimesis sei eine Provokation und Infragestellung Athens. - Welcher Wert im wahren Staat auf richtige Verteilung der Ehren gelegt wird, zeigen die subtilen Erörterungen des ,Staatsc und der ,Gesetze1. Herrschen und Rat halten ist die spezifische Leistung der Seele (resp. 353 d 3 ) , und ihr, d. h. ihrer Arete, gilt Sokrates' Wirksamkeit. Frdl. Hinweis von Herrn Dr. Konrad Gaiser.
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261
PEP
Vgl. Wolff 1. C. P. 29. Zur Eudämonie des Staates vgl. ep. V11 327 c 3; legg. 636 d 5 683 b 1 710 c 7 816 c 6 858 d 6. Vgl. auch Wolff 1. C. p. 97.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
sicht in Wert und Abfolge der Güter, ein Staat der Arett5; Herrscher ist der Beste, also der Philosoph. Keiner darf sich Ubergriffe erlauben auf Gebiete, die ihm nicht zukommen, jeder muß „das Seine tun". Eine Holle spielt in diesem Staat nur, wer sich bewährt hat und das Wohl des Staates über alles stellt. Solche Menschen gibt es nicht in großer Zahl. Sie müssen also ganz ihrer Tätigkeit obliegen konnen und auf Staatskosten erhalten werden; als größte Wohltäter des Staats sind sie auch am höchsten zu ehren. Soll dieser Staat Wirklichkeit werden, so müssen erst Einzelpersönlichkeiten, die ihn verstehen und tragen konnen, herangebildet werden; als wahrer Erzieher ist Sokrates der einzige wahre Staatsmann. Zugleich ist es nötig, die breiten Schichten zu einer Revision ihres Bildes vom Philosophen zu bewegen. Auf beides ist das Absehen der ,Apologie' gerichtet: auf die Gewinnung von einzelnen wie auf Beeinflussung weiterer Kreise. Sie soll den Weg bahnen zum ,,Staat selbst ". 4. P e r s o n u n d P n r a d e i g m a Die .Apologieczeigt Sokrates in einer Situation äußerster Bedrohung. Sie steigert den Eindruck von seiner Person durch einen Rückgriff auf friihere Situationen in seinem Leben: auf die Zeit vor fünf bis sieben Jahren, wo die Herrschaft der Dreißig und der Arginusenprozeß ihn in kritische Lage brachten, ja mit einer Bemerkung über das Daimonion bis auf seine Kindheit (31 d 2). ,4pologie des Sokrnfes' - dies ist das einzige Mal, da8 Sokrates' Name im Titel eines platonischen Werkes erschrint. Paul Friedlhders Platon-Interpretation weist nach, daß die „Szenerie" in1 plntonisclien Werk stets in enger Beziehung zur Aussage steht und daß diese erst mit jener zusammengenommen den Inhalt eines Werkes ausniacht. Die ,Apologiecnun zeigt Sokrates als Redner; seine Ziihiirerschaft ist die Menge der Richter. Das bedeutet: Sokrates' Auftreten hat d e n V i e l e n etwas zu sagen. Dazu stimmt, was soeben zu bemerken war: daß die ,ApologieGder Menge das Bild des wahren Philosophen nahebringen will '". Andererseits aber ist unter den Zuhörern auch ein Aischines, Apollodoros, Adeimantos, ja ein Platon 133 e f). Demnach hat Sokrates' Auftreten auch den W e n i g e n etwas zu sagen, die philosophisch befähigt sind. Dazu stimmt, daß Sokrates' Rechenschaft von seinem Tun zur wahren, zur philosophischen, nicht bloß bürgerlichen ,,Tugendu und zur höchsten Einsicht erwecken und anleiten will 284. eaa
S. o. p. 155 f., ferner auch p. 124 f..
PB*
S.
0. P.
93.
4. Person und Paradeigma
Es ist nun zu untersuchen, inwiefern das persönliche Auftreten des Sokrates unter diesem Doppelaspekt zu sehen ist, und zwar an seinem Verhältnis zum L o g o s , zu den „T U g e n d e n" und zum T o d e. 1. Im Prooimion der ,ApologieGrechtfertigt Sokrates seine schlichte Redeweise mit den Worten: „Es würde sich für mein A 1 t e r doch nicht passen (ZQE~ELV), ihr Männer, wenn ich vor euch auftreten wollte wie ein Jüngelchen, das Worte drechselt" (17 C 4). Daß das Verhalten dem Lebensalter gemäß sein müsse, daß dem Alter gesetztes Verhalten zukomme, dies entsprach volkstümlichem Empfinden, und Sokrates konnte hierin der allgemeinen Billigung sicher sein"" Auch daß man im Alter klüger werde, mochte einleuchten. „Um so viel weiser bist du junger Mann", sagt Sokrates ironisch zu Meletos (25 d 8 ) , „als ich in meinem Alter, daß du erkannt hast: die Schlechten tun ihren jeweiligen Nächsten Böses an, die Guten Gutes, während meine Unwissenheit so weit geht, da8 . . .""". Wer tiefer sah, mochte bemerken: Ältersein bedeutet hier nicht bloß gesetzt, klug sein, sondern fortgeschritten sein auf dem Wege zur Einsicht. Dies ist das wahre neEnov des Alterwerdens. „Die Sehkraft des Denkens (6~6voca)beginnt sich zu schärfen, wenn die Augen in ihrer Leistung nachzulassen beginnen" (symp. 219 a 2) '67. - Der Weg des L o g o s , der Weg zur Erkenntnis ist jedoch mühsam Der Menge konnte die Schwierigkeit dialektischer Arbeit kaum begreiflich gemacht werden, am wenigsten in einer Rede. Deshalb stellt Sokrates die Mühseligkeit seines Weges zur Erkenntnis ganz dinglich dar: wie er von einem zum andern geht, einen Berufsstand nach dem anderen sich vornimmt, wie er so eine Irrfahrt zu bestehen hat und ,,Strapazenu (n6vowq) erträgt, ,,auf daß das Orakel nicht unwiderlegt bleibe" (22 a 7 ) . Philosophie ist eine harte Sache - so konnten's auch die Vielen verstehen. Wer den Logos als verbindlich ansieht, muß sich von allem B l o ß I n d i v i d u e l l e n , Willkürlichen f r e i m a c h e n . „Ihr aber sollt euch, wofern ihr mir folgt, wenig um Sokrates kümmern, viel mehr dagegen um die Wahrheit" (Phaedo 91 b 8)'"'. Sokrates hätte seine Ablehnung des Oiktos damit begründen können, daß ihm der Tod gleichgültig sei. Damit würde jedoch ein persönliches Motiv an die e65
Lebensalter und nehnov: vgl. Charm. 158 C 5; Crito 43 b; Menex. 236 C 8; Parm. 136 d 7; legg. 625 b 4 634 d 1 657 d 1 666 d 3 670 d 5 892 d 2. Immer liegt die Beziehung zum volkstümlichen Denken nahe. Zum n&ov allgemein vgl. Friedländer 11' 110 112. Ähnliche Ironisierung des Meletos Euth. 12 a 4, sonst entsprechend Menex. 234 a 6; Gorg. 461 C 5; Phaedr. 275 b 7; soph. 232 e 6. Vgl. soph. 234 d 2; legg. 715 d 7; ferner Charm. 162 d 7; ep. I11 316 C 3; legg.
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Vgl. Friedländer Ie 71 f.. ma Vgl. Gorg. 453 c 1 457 e 3; symp. 201 C 8; resp. 595 C 2; soph. 246 d 8; Phil. 59 b 10.
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11. Das Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
Stelle eines sachlichen treten, und dies i l es eben, was der Philosoph ablehnt. „Ob ich dem Tod zuversichtlich entgegensehe oder nicht, das ist eine andere Frage" (34 e 1) - ausschlaggebend ist, was im Logos begründet liegt: das wahrhaft Objektive, das Schöne, Gerechte, Fromme. Das nämliche ist beim Dainioriion zu beobachten. In beiden Fällen, wo Sokrates das Daimonion zur Motivierung anführt, untersucht er, waruni es sich gemeldet oder auch geschwiegen habe, reflektiert auf das airiov (31 d 40 b)270.Erst dadurch, daß sich seine Entsprechung im Logos findet, wird die Stimme des Daimonions vollgültig. - Wem es um Einsicht geht, der darf nicht an einmal gewonnenen persönlichen Auffassungen hängen bleiben, sondern muß bereit sein, U m z U 1e r n e n. Sokrates bekerint sich zu dieser Haltung. ,.Wenn es sich irgendwie anders verhält, so bin ich bereit, zu hören und zu lernen, nicht riur von Kratylos, sondern auch von jedem anderen" (Crat. 381 d 8)"'. Auch Meletos hätte ihn nur beiseite zu nehmen und aufzuklären brauchen, dann wäre alles in Ordnung gewesen, ,.denn sobald icli zur Einsicht komme - das ist klar - werde ich aufhören mit dem. was ich unnbsichtlich tiieu (26 a 4 ) . Diese 1I:iliiiiig hewRlirt sieh nodi weiter. In der ,Apologiecals einer Rede gibt es keine Gesprächspartner, durch die der Logos grfiirdert werden könnte. Und doch ist auch in der Rede eine Instanz gegenwiirtig, die bereit ist zum Eingreifen. Das zeigt die erste Sokrates-I:ede in1 .Phaidrosc,nach der Sokrates bekennen muß: „Mich beunruhigte schon lange etwas, schon während ich meine Rede hielt" (242 cG). Dies Etwas ist das Daimonion. Das Gegenstück zur Rede im ,Phaidroscist die ,Apologiec.Hier schweigt das Daimonion; Sokrates Iäßt sicli dadurch zu einer neuen Erkenntnis führen (40 b 71. Es geniigt jcdoch'nicht.'knft des Logos das Richtige zu erkennen, man muB :iucli am für richtig Erkannten f e s t h a 1t e n. Die ,Politeiac zählt die ß~ßni6rriszu den wesentlichsten Anforderuilgen an den Philosophen (503 CS). ,.Mich konnte jene Herrschaft der DreiBig, so stark sie war, nicht aus der 1;lssuiig bringen (oUr 2$nhlS~v),sodaß icli etwas Ungerechtes getan hitte", kann Sokrates von sicli sagen (apol. 32 d 4). Dem volkstiiriiliclieii Denken mochte imponieren, daß bei ihm nicht wie bei den meisten Menschen ,,zuweilen Zorn, zuweilen Lust, zuweilen Unlust, ninncliiiial Liebe, oft aber F U r C h t" (Prot. 352 b 5 ) die Oberhand über besseres Wissen gewinnen konnte. Die eigentliche sokratische Nuance war aus den Worten zu ersehen, mit denen Sokrates seine Ablehnung eines Antrags auf Verbannung einleitet: „Groß Vgl. Wolff 1. C. P. 83. Vgl. Hipp. I1 372 C 2; Crat. 428 a 6; Gorg. 458 a 2 470 C 6 488 a 2 506 a 3; resp. 337 d 3; ep. VIII 353 e 6; legg. 635 a 6.
4. Person und Paradeigma
müßte meine Liebe zu mir selbst sein, wenn ich so unvernünftig (8116yiazo~)sein sollte, das Folgende nicht b e d e n k e n (hoyiS~a8a~) zu können" (37 C 5). Dies beißt: im Moment, wo man den Affekt die Oberhand in sich gewinnen läßt, wo man ,,sich selbst unterlegen" ist, hat man die Einsicht, das bessere Wissen schon verlorenP7'. „Das Sichselbst-unterlegen-Sein ist nichts anderes als Unwissenheit, das Sichselbst-überlegen-Sein nichts anderes als Wissen" (aocpia, Prot. 358 C 1). Der Philosoph, der ßEßalos, ist der, der sich durch nichts ,,bezaubern" und von dem für recht Erkannten abbringen Iäßt; „als Bezauberte aber wirst auch du, denke ich, Leute betrachten, die von einer Lust berückt oder aus F u r c h t vor etwas ihre Meinung ändern" (resp. 413 C 1). Sokrates läßt sich durch nichts einschüchlern. Er hat damals beim Arginusenprozeß auf dem Recht beharrt; er beharrt in der ,Apologiecauf der Verteidigungsweise, die, mag sie auch ungünstig sein, ihm als die richtige erscheint (38 d ff .) ; er harrt aus in seinem Beruf trotz tausendfältiger Armut (23 C l); und eventuellen Freispruch unter der Bedingung, daß er diesen Beruf aufgebe, lehnt er ab mit den Worten: „Solange ich noch atme273und dazu in der Lage bin, werde ich nicht aul'lioren zu philosophieren und euch zu mahnen" (29 d 4). Am meisten beeindrucken mochte das Volk die in der ,Apologiecbesonders betonte Tatsache, daß Sokrates mit seiner Tätigkeit nicht auf Geldgewinn ausging (31 b C) ; es konnte in ihm einen Mann sehen, der frei war von Selbstsucht und dem es nur um die Sache - eine schwer begreifliche Sache freilich - ging. Wer tiefer schaute, erblickte in ihm den Philosophen, den Mann, dessen Leben die Feststellung erlaubt: „Nicht erst jetzt bin ich so, sondern schon immer habe ich es so gehalten, daß ich von allem, was mein ist, keinem anderen Folge geleistet habe als dem Logos, der meinem Nachdenken als der beste erscheint" (Crito 46 b 4 ) . 2. Die ,Apologiec kann als Rede nicht Sokrates' dialektische Beiniihung um das Wesen der „T U g e n d e n" zeigen, aber sie kann sichtbar machen, daß Sokrates diese „Tugendenu besitzt. - Die Tugend der W e i s h e i t spricht Sokrates sich selbst zu, wenn auch nur mit Einschriinkung: eine aotpia TL< (20 d 7). Sie besteht im Wissen um sein Nichtwissen. Neben ihr ist auch von der E i n s i C h t die Hede, der cpe6vqm~,die gleich der ~ocpia'~~ ein Wissen um die Werte ist. DaB Sokrates nur in bedingtem Sinne nichtwissend ist und in Wahrheit auch dieses 272
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Vgl. resp. 402 e 3; zum Bxraqrt~o.Ba~EuUiyd. 276 d 3; resp. 336 b 7 618 e 4; Phaedr. 234 d 1. Vgl. dazu resp. 368 b 7; als &TL kprcv6wv muß man der Gerechtigkeit Beistand leisten. Zur Wendung 06 p4 na6awpa~vgi. legg. 665 C 2. V@. resp. 442 C 5.
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Wertwissen besitzt, zeigte etwa die Abwägung von Scheinübeln gegen wahre Ubel in der Antitimesis (37 b ff.!, und mit Recht wird Sokrates am Ende des ,PhaidonLals rpeovcphsam5 bezeichnet (118 a 17). Daß er die ~ b v q u i 5besitzt, ist wichtig für seine andern <jieetai, werden sie damit doch von vornherein als W i s s e n d e „Tugendenu qualifiziert Sokrates stellt sich in die Nachfolge dchills, des Urbildes der T a p f e r k e i t (28 C d) ; damit bleibt er auf dem Boden volkstün~licherVorstellung und Uberlieferung. Wer tiefer sah, dem konnte jedoch nicht die eigentiiniliche sokratische Nuance entgehen. ,,Das Wissen (uoqia) um das, was zu fürchten und was nicht zu fürchten ist, ist Tapferkeit" 277,heißt es im ,Protagoras6 (360 d 4). Sokrates besitzt die oorpia; auch seine Tapferkeit ruht auf ihr. Er weiß: Bedrohung durch Krieg und Prozeß ist riichts wahrhaft Schliinmes; fürchten muß man sich vielmehr davor, von der xovreia übermannt zu werden (38 e 6 ff.) . Der Mann des Volks, so heißt es im ,PhaidonL,nimmt den Tod nur deswegen auf sich, weil er n o C h größere cbel - Schande, Ehrlosigkeit fürchtet. Der Philosoph dagegen betrachtet den Tod gar nicht als Ubel (68d 5). Ein solches tapferes Wissen um das, was nicht zu fürchten ist, zeigt Sokrates besonders eindrücklich dort, wo er die Drohung mit Verbannung, Atimie und Tod als nichtig zurückweist (30 d). Auch zu einem Oiktos kann er sich trotz der Gefahr nicht bereitfinden (34 C 5), und den Haß seiner Mitbürger nimmt er gefaßt auf sich, wo es die gute Sache erfordert (21 e 4 ) , ja er bleibt dieser treu, auch wenn er viele Tode dafür sterben müßte (30 C 1). Das Schwimmen gegen den Strom der Ungerechtigkeit wird im ,Kratylosc als Quintessenz der Tapferkeit bezeichnet (4 13 e 5). Sokrates ist Träger dieser ,,Tugendu, kann er doch von sich sagen, er sei nicht der Mann, irgendeinem aus Furcht vor dem Tod wider das Recht nachzugehen t32 a 7)"" Tapferkeit bewährt sich jedoch wie dem Bedrohlichen, so auch dem Lustvollen, Verlockender1 gegrriüberPi8.Das Angebot des Frcispriiclis unter der Bedingung des Verzichts auf eleriktische Tätigkeit mochte verlockend sein Sokrates lehnt es ab. Und zumal in seiner meisterhaften Beherrschung der gerichtlichen Rhetorik mochte eine Versuchung liegen - er verzichtet darauf, von dieser Könnerschaft Gebrauch zu machen (38 d 3; s. p. 59). - Die Tugend der B e s o n n e n h e i t wird in der ,Apologie6 nicht ausdrücklich genannt, ist aber in Sokrates gegenwärtig. Sofern Sophrosyne nach den Worten des ,Charmides6in S e 1b s t e r k e n n t -
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rn8 ,Aus dem centralen Ethos der c p e 6 y o ~entfalten ~ sich bei Sokrates die einzelnen Tugenden der avbp~iao o r p ~ o o h q~ d o E ß ~ ~i a~ Z U L O ~ Juo~pia" Y ~ ) Wolff 1. C. P. 76. "7 Vgl. Jaeger I1 183, ferner Lach. 194 e 11; resp. 430 b 2 430 C 7 442 b 11. 278 .Da ist die ,GerechtigkeitG des Handelns verknüpft mit der ,Tapferkeit1, die sich in dem Widerstand gegen die Todesdrohung bewährt" Friedländer 11' 164. "9 Vgl. resp. 429 d 1 442 b 11; legg. 633 d.
n i s besteht (164 e 4), ist Sokrates ahcpeov: er erforscht sich selbst, das Ergebnis ist die oocpicr TLS. Sofern, gleichfalls nach dein ,Charmide~'*~, Sophrosyne besitzen d a s S e i n e t u n bedeutet, gilt auch dieser Aspekt der „Tugenda für Sokrates: er weiß, daß Ubergriffe auf fremde Bereiche verderblich sind und tut das Seine, indem er die e i n e ihm aufgegebene Tätigkeit verfolgt. Und sofern Sophrosyne m a ß h a 1t e n heißt, bewährt sich Sokrates auch hierin: er läßt sich nicht zu Dreistigkeit und Schamlosigkeit hinreißen (38 d 7), nimmt vielmehr die Schuldigsprechung gelassen zu Kenntnis (35 e 1) und zürnt seinen Gegnern nicht einmal (41 d 6). - Schon im Prooimion weist Sokrates auf die G e r e c h t i g k e i t seiner Sache hin ( 1 7 ~ 3 )Immer . hat er sich als Gerechter bewährt, dem Drängen der Massen wie dem Ansinnen der Machthaber gegenüber (32 a fY.) ; er hat nie jemand wider das Recht nachgegeben (33 a 3). Daß auch jetzt die Gerechtigkeit Richtschnur seines Handelns ist, zeigt die Begründung der Ablehnung eines Oiktos mit Hinweis auf die Norm des Gixa~ov.Er erweist sich damit als W i s s e n d Gerechter. Nicht umsonst wird er im ,PhaidonLund im ,Siebten Brief' als Gixacbtato~bezeichnet "'. - Das Apoll-Orakeles2wird in der ,ApologieLkeineswegs ironisch behandelt, sondern sehr ernst genommen; ein Zeichen dafür, daß in Sokrates' F r ö m m i g k e i t auch der Götterglaube des Volkes aufgehoben warz8'. Doch gilt von diesem Orakel, was im ,Timaios6allgemein von der Mantik gesagt wird: die (71e 6), Sprüche und Gesichte bedürfen der Deutung durch den EPWPY ~ ~a 1). es sei nötig, alles gedanklich zu überprüfen (hoyiopo G L E A & I ~72 Das Orakel wird in die Sphäre gehoben, der auch Sokrates' Frömmigkeit zugehört, sofern sie eine wissende Frömmigkeit ist. Sokrates kann sich nur deshalb nach dem Öo~ovrichten, weil er es w e i ß (35 C d). Damit glaubt er freilich an die Götter „wie keiner seiner Ankläger" (35 d 7) und kann darauf verzichten, sich ausdrücklich gegen deren Vorwurf zu verteidigen, er glaube nicht an die Stsatsgötter. Sein ganzes Leben war ja unter dem Aspekt der Frömmigkeit zu sehena< Seine Tätigkeit war Gottesdienst (23c L), vom Gott war er der Stadt beigegeben, vom Gott war er in die Taxis gestellt (28 e 4), und Gott hatte er mehr zu gehorchen als den Menschen (29 d 3). So bege,dnet er auch 280
esJ 2s4
Charm. 161 b 6; vgl. dazu Friedländer 11' 72 sowie Tim. 7 1 e 6. Phaedo 118 a 17; ep. V11 324 e 2. Zur Rolle des Apoll im ,Phaidon4vgl. Friedländer 11' 341. Zur Bedeutung der Religion bei Platon vgl. Solmsen 1. C. p. 72. Anders Maier 1.c. p . 4 4 2 , l : ,Der letzte Grund für das völlige Ignorieren des eigentlichen Anklagepunktes, der ja doch sicher auch jetzt noch wiederholt wurde, liegt aber wohl darin, daß Piato nicht ohne Vorbehalt sagen wollte und konnte: Sokrates glaubte durchaus an die Götter des Staats.'' Vgl. übrigens auch die Hinweise auf Sokrates' Loyalität dem Kultus gegenüber Euthyd. 302 C 4; Phaedo 115 e 6.
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seinem Schicksal niit wahrhaft frommer Haltung. Sein Leben als Nichtwissender hält er für Gewinn (22 e 5 ) , den Ausgang des Prozesses stellt er dem Gott anheim (19a 6 35 d 7 ) , und in seiner Verurteilung sieht er eine höhere Fügung, die er willig annimmt (39 b 7 41 d 3)285. Sokrates' Leben, sein „BiosU,ist nichts anderes als eine Betätigung dieser U w a i . Sie machen sein eigentliches „SelbstcLaus (vgl. 36 C 6). Sein Leben in Prüfung der Mitmenschen und in Erörterungen über die Aret6 aufzugeben hieße für ihn sich selbst aufgeben. ,,Das Leben (ßios) ohne Prüfung ist für den Menschen nicht lebenswert" (38 a 5)286. Zugleich zeigt die ,Apologie6,was dann im ,Gor@' Gegenstand eingehender lriirterungen wirdes7:Sokrates' I3ios stellt dem der Tagespolitiker als der des wahren, des pliilosophisclien Staatsnianris gegenüber "'. Sokrates führt die Teilnehmer an seinen elenktisclien Gesprächen ebenso in Aporie wie Hörer und Leser der ,Apologieg.Er fordert, man solle sich iim Aret6 bemühen, und sagt doch nicht, was ,,TugendGL seiz8'. Hier, in seiner Persönlichkeit, liegt die Lösung der Aporie. Nicht deswegen stellt die ,Apologiec den Sokrates dar, weil sie das Bild dieses einmaligen hl:innes festhalten wollte - das tut sie nebenbei auch -"O, sondern weil sie Gelegenheit geben will, i n i h m u n d d u r C h i h n d a s W e s e n d e r T u g e n d z u s c h a u e n . In seiner Persönlichkeit wird dem. der zu sehen vermag, die VieLheit der ,,Tugendenu sichtbar und ihr gleichzeitiges Zusammenfallen in der einen Aret6'''. Seine Bewälining in Leben und Sterben ist ein „letzter metaphysischer Tat%
ZS6
e8s
Zum Gedanken der Fügung vgl. Euthyd. 272 e 1; Gorg. 512 d 8; Meno 99 a 1; ep. V11 326 d 6; Critia 120 e 3; legg. 709 b 7 859 b 2. Zum Vorseliungsglauben des Sokrates hfaier I. C. p. 430 434. Zum Xlotiv des nicht mehr lebenswerten Lebens vgl. ffipp. I 304 d 8; Menex. 246 d 5; resp. 445 a 5; politic. 299 e 5; ep. V11 340 C 1; legg. 873 c G 92G b 4. Vgl. auch resp. 407 a 4. Vgl. Gorg. 488 a 500 C 1 526 d 5; weitere Auffallring dieser Bioi iin ,Staal' (344 c 1 365 d 2 549 e 2 578 C 5) und ,Theaitet6 (173 e ff.). Vgl. auch Pliaedr. 249 C 8. Vgl. Wolff 1. C. p. 53 57; Friedländer 111 168; ansprechend der Gebrauch der Bezeichnung ,Lebenswalil" bei Wolff l. C. p. 48 Vgl. Natorp 1. C. p. 8. Wollf entwickelt 1. C. p. 83 if. die Auffassung, der Sokrates der ,Apologie' sei eine t p i s r ti e Gestalt, eklen der (PPOVG~OS. Später (ab ,,MenonU)werde Platon sich seines Abstandes zu Sokrates bewußt, die Gestalt des Sokrates trete jetzt selbständig neben die Lehre und könne daher - aus der Distanz i n d i V i d U e 1 1 gezeichnet werden. Daran ist soviel richtig, daß zunial ,Symposion6 und ,Phaidon' ungleich mehr persönliclie Züge des Sokrates wiedergeben als die ,Apologie'. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist jedoch nicht in einer Änderung des Verhältnisses zu Sokrates zu suchen, sondern darin, daß Platon dort das Phänomen ,SokratesCvon anderer Seite und in anderer Situation zeigt (s. 0. p. 21); der Sinn der Gegenwart von Sokrates' Person ist jedoch hier wie dort der nämliche. Vgl. Friedländer 11' 163 f..
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beweis" 292,und wir könnten sagen, durch Sokrates werde Dasein und Wirksamkeit der ykyiuza geradezu bewiesen38s,stünde nicht für Platon deren Realität außer allem Zweifel, so daß es nur e i n e Aufgabe geben kann: sie aufzufinden und sich zu eigen zu machen. Der, dem es gegeben war, die „größten Dinge" in ihrer Herrlichkeit zu schauen, saß unter den Zuhörern des Sokrates. „In Sokrates und durch ihn hindurch hat Platon die ewigen Formen geschaut" (Friedlä~~der)~". 3. Sokrates' Verhältnis zum T o d e wird zunächst vom Wissen des Nichtwissens bestimmt: er weiß nicht, ob der Tod ein Gut oder ein Ubel ist. Im ,PhaidonLlaßt Platon den Simmias dazu bemerken: ,,Ich denke über solche Dinge wohl ebenso wie du, irieiii Sokrates, daß es iiiimlich in dem jelzigen Leben entweder unmöglich oder doch s e h r s C h W i e r i g ist, ihren genauen Sachverhalt zu wissen, daß es jedoch andererseits feige wäre, das, was hierüber gesagt wird, nicht auf jede Weise zu prüfen ohne abzulassen, ehe man sich in allseitiger Prüfung erschöpft hat" (85 C 1). Ein solches Fortschreiten bis an die Grenzen des dem Logos Faßbaren ist jedoch nur im Gespräch möglich, kommt also für die ,ApologieLnicht in Frage, zumal sie sich der Fiktion wie der Sache nach an die Menge wendet, die ohnehin der Schwierigkeit einer dialektischen Erörterung nicht gewachsen ist. Wenn trotzdem ein Fortschritt über jenes Nichtwissen hinaus erfolgen sollte, mußte er von einem außerhalb des Logos liegenden Bereich kommen. Das Schweigen des Daimonions, der geheimnisvollen Warnerstimme, bringt jenen Fortschritt: es erlaubt Sokrates den Schluß, der Tod sei ein Gut (40 b 7). Um auch seinen Zuhörern diese Uberzeugung nahezubringen, begibt sich Sokrates auf die Ebene des Logos. E r nennt im Sinn des tertium non datur die beiden Möglichkeiten, von denen eine zutreffen muß. Entweder ist der Tod gleich Nichtsein, ein traumloser Schlaf dann ist er ein Gewinn (40 d e). Sokrates liißt sich hier auf die populärhedonistische Gedankenwelt ein: er kalkuliert die Lust-Quanten im Leben und Tod und zieht seinen Schluß als Meister der ~ E ~ Q ~ ZT ~L XX V~ im Sinne des ,Protagoras' (356 d 4)'". Hierbei kündigt sich die Abwertung einer zu weit gehenden Hochschätzung des Lebens an, die vor allem im ,Phaidon4vorgenommen wird und auch weiter anklingt, etwa in der ,PoliteiaG,wo gesagt wird, der Philosoph dürfe nicht das menschliche Leben für etwas so gar Großes, den Tod für etwas Furchtbares halten (486 a 8), im ,Siebten Brief', wo Platon ausführt, irdische Un-
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Spranger I. c. p. 277. Vgl. dazu das Bewährungs-Moment im ,Laches', ,KritonS, ,PlraidonL,ferner Friedländer 111 158 168 321; Hornener 1. C. p. 64. Vgl. Stenze1 1. C. p. 145; Friedländer XI1 16. I 2 32, ferner 1G 136. Vgl. auch Morr 1. C. p. 28, der auf den hpfixavo~h o y ~ a ~ resp. 6 ~ 587 e verweist.
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sterblichkeit wäre in1 Gegensatz zur Meinung der nohhoi nutzlos für den Menschen (334 e 3), und in den ,Gesetzenc: „Die Gemeinschaft von Körper und Seele ist nicht besser als ihre Trennung voneinaiider" (828 d 4). - Als zweite Möglichkeit wird das Fortleben der Seele im Hades genannt. Damit begibt sich die ,ApologieGin den Bereich der eschatologischen Mythen. Paul Friedländer unterscheidet drei Stufen platonischer Mythop~iie'~". Nach ihm umfaßt die zweite, eben die des eschatologischen Mythos, ,GorgiasC,,PhaidonLund ,StaatL,wozu noch ,MenonL,,Symposion' und .Apologiecliinzuzunehiilen sind. Fiir diese Stufe ist viererlei charakteristisch: der Mythos setzt da ein, wo der Logos am Ende ist; für die Ilichtigkeit des Mythos steht Sokrates nicht ein, vieliiielir beruft er sich aiif Geyährsleute; der Mythos mündet in eine Paränese; om Ende wird das Erzählte wieder unsicher gemacht. a) Das Einsetzen des Mythos in der ,Apologiecstellt auf dieser Stufe ein Unikum dares7. Die geheimnisvolle „Aussage" des Daimonions sollte durch den Logos aufgehellt werden; dieser „Logos" jedoch - er verdient diesen Namen nicht im eigentlichen Sinne - bezieht sich seinerseits auf einen Mythos, eine Stütze, die selbst der Stützung bedürfte. b) Dieser Unsicherheitsfaktor wird noch verstärkt durch eine ungewöhnlich starke Betonung des relccta refero: „Nach dem, was man so sagt" (40 c 7 ) , ,,wenn wahr ist, was man sagt" (40 e 5), „wenn dies wahr ist" (41 n 8 ) , „wenn anders wirklich wahr ist, was man sagt" (41 C 6)'@'.- „Was man so sagt" ist, daß die Seele nach dem Tode eine Reise macht, eine Umsiedlung vornimmtpQ9; sie trifft im Hades die gerechten Richterm wie auch die Toten. Daraus ergibt sich für Sokrates, daß er seine Menschenprüfung - diese ist nun einmal Teil seines Wesens, wie es zum Herakles gehört, daß er den Bogen führt, zum Orion, daß er jagt, zu Minos, daß er Recht sprichtJ0' - weiterführen 2-37
2-38 "9
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I' 186 ff.. Vergleichbares findet sich erst wieder im Spätwerk. Rohr 1. C.p. 56,2 spricht von einer ,hei dem späten Platon nicht mehr gegensätzlichen Stellung, sondern engen Beziehungszugeliörigkeit von h 6 y o ~und pü6og - der y ü 8 o ~fördert den A6yog in gerader Linie, vertritt ihn stellenweise". Vgi. dazu I. V. Loewenclau bei H. Hommel, Studium Generale 1955 p. 312 f.. Sonit: Meno 81 a 5; Gorg. 524 a 8; Phaedo 107 d 5; resp. 614 b 3. Ähnlich spricht Sokrates im ,PhaidonLvon &xo8qpia (61 e 2 67 C 1) und pezoixqarS (117 c 2 ) . Im ,PhaidonCäußert Sokrates die Gewißheit, zu Göttern als guten Herrn zu kommen (63 b 9; vgl. auch die orphische Färbung desselben Gedankens 69 C 6). Vgl. Wolff 1. C. p. 66. - Vergleichbares Phaedo 108 a; ,Da setzt sich das auf die reinen Wesenlieiten und damit auf den Tod gerichtete Dasein des Philosoplien und das Irren seines Gegenteils fort in die Jenseitsfahrt" Friedländer IP 196.
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und Staatsmänner wie Agamemnon, Dichter wie Homer und'Hesiod elenktisch untersuchen kann, ja auch einen Sisyphos, der es in Verschlagenheit und Ungerechtigkeit zur Meisterschaft bringt und sich dabei wunder wie weise dünkt. Mag auch das mutmaßliche Ergebnis dieser Prüfung bedenklich seinSw- f ü r Sokrates hat es keine Gefahr: denn dort wird man wegen Wahrheitsermittlung nicht bestraft oder gar getötet; dort ist man seligm4und unsterblich. - Wesentlich a n diesem Mythos ist, daß sich hier unter Sokrates' Händen aus Zügen volkstümlicher Anschauung ein Bild vom Jenseits gestaltet, das durchaus erfreulich wirkt J05. C) Damit wird eine Forderung der ,PoliteiaGerfüllt: man müsse, so heißt es dort, die Mythen über den Hades so gestalten, daß sie ein Lob, nicht eine Lästerung der dortigen Zustände darstellen; anders wären sie weder wahr noch n ü t z 1i C h (386 b 8). Auf diesen ,,Nutzena kommt es an, wie der ,Phaidon6ausführt; die Seele bedarf der Mythen, bedarf solcher „bezaubernder Vorstellungen" zur Stärkung auf ihrem Wege (114 d 6). ,,Als directio voluntatis, mit Dante zu reden, hat der Mythos eigentlichsten Wert" (Friedländer)'OB. So münden die großen Mythen des ,GorgiasL,,PhaidonLund ,Staat6in eine Paränese, und die ,Apologie' fordert im Anschluß an den Mythos die Richter auf: ,,auch ihr sollt guter Hoffnung sein zum Tode" (41 c 8 ) . Dabei macht sie allerdings die Einschränkung, nur der Gute könne dem Tod freudig entgegensehen. Mit diesem Mythos, mit der ganzen Partie wendet sich ja Sokrates nicht an Gute und Schlechte zugleich, sondern nur an die Richter, die ihn freigesprochen haben, an sie „als seine Freunde" (39 e 5). Als seine, des Guten Freunde sind sie in der Lage, seinen Darlegungen zu folgenm7,sind sie selbst gut, denn „der Gute ist einzig und Mit jener Einschränkung allein dem Guten Freund" (Lys. 214 d 5)508. aber wird angedeutet: wer nicht für seine Seele sorgt, wer sein Leben zubringt in Unwissenheit und ferne von der Aret6, der kann sich am Ort, wo er die wahrhaft gerechten Richter findet, keines Guten versehenm9.Weh dem, der sich von der naxia einholen Iäßt, der ungerechtenveise einen Mann zum Tode bringt! SOp
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Vgl. Gadamer 1. C.p. 198. „Das bedeutet, daß sich sein prüfendes Widerlegen nicht schlechthin gegen die hergebrachte griechische Sittlichkeit stellt, sondern gerade für sie einstellt" Gadamer 1. C. p. 199. Ip 201. S. o. p. 78 f.. Vgl. Phaedo 81 a 6. Friedländers Meinung trifft also nicht zu, Sokrates äußere sich deswegen nur hypothetisch, „weil sich vor der unbestimmten Zuhörerschaft solche Zurückhaltung gebührt" Ip 191. Ähnlich legg. 837 a 6. Dieser Gedanke wird stärker betont im ,Kriton6 (54 b 7 C 5 ) , womit die AUSmalung des Jenseits-Gerichts, zumal im Mythos des ,Gorgias4, präludiert wird.
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d ) Wie die Mythen des ,Menon6und ,Phaid~ii'~lO, so wird auch diese ohnehin schwach fundierte Partie am Schlusse noch ausdrücklich unsicher gemacht. „Doch es ist jetzt Zeit wegzqehen, fiir mich zuin Tode, fiir euch znm Leben. Welche von uns aber zum Besseren gellen, ist a 11 e n U n g e w i ß außer dem Gott" (42 a 2 ) . Sokrates endet mit der Einsicht, die er bei seiner elenktischen Tätiqkeit gewonnen hat: daß ein unermeßlicher Abstand die menscliliclie Sopliia von der Fülle göttlicher Weisheit trennt 311,und er zeigt, daß schon das Wissen des Nichtwissens hinreicht, eine sittliche, wahrhaft fromme Haltung zu begriinden. Es ist bezeichnend, daß Sokrates nicht etwa wie in1 ,Gorgiasboder ,Phaidoi~'~'' weitere I3emühung um die verhandelten Gegenstände fordert. Die .Apologiecwendet sich ans Vo 1k ; ihm mußten „bericlitigteU Mythen in Verbindung mit dein auch ihm einsichtigen Wissen des Nichtwissens genügen. Auch der ,Staatc und die ,Gesetzec sind dieser Meinung. Der .Staatc gibt Anweisungen, wie zii Nutz und Frommen des Volks dir Mythen zu gestalten seien (316eff.),und die ,Gesetzec, die sich weithin mit der Erziehung des Volkes zu der ihm angemessenen Arete befassen, äußern sich zur Frage des Totles ganz ähnlich wie Sokrates in der erstrn und zweitenRede der ,Apologie6:„Wenn jrinand glaubt. das IJelwii sei unbedingt ein Gut, so ehrt er seine Seele nicht, entehrt sie vielinehr dadurch. Denn da seine Seele wähnt, im Hades gebe es nichts als Ubel, gibt er nach und stemmt sich dem nicht entgegen durch Belehrung und den Nachweis, daß sie ja gar nicht weiß, ob nicht in1 Gegenteil das größte aller Güter für uns ist, was sie bei den dortigen Giittern findet" (727 C 7 ) . Dem tiefer Blickenden mußte die Heiterkeit auffallen, mit der Sokrates jene mythischen Vorstellungen vom Weilen im Hades, von einem tröstlichen Meinungsaustausch mit Schicksalsgefährten wie Pdamedes und Aias, von Unsterblichkeit und Eudämonie vorträgt. War nicht in Sokrates die Aret6 selbst sichtbar geworden, hatte sich nicht gezeigt. d:iß Sokrates' ,,Selbst6' eins ist niit der „Tugendc'? Kann aber etwas, das hestniöglich, ja vollkommen i s t , überhaupt zugrundegehrri? I h r ,Sf:i:ii' :irgiiiiiei~iiert,was zugrriiidegehe, gehe an seiner spezifischen xuxia ziigriinde; nun gehe die Seele offenkundig nicht einmal an ihrer spezifischen xaxia zugrunde, also sei sie unsterblich (608 d ff.). Und da sollte sich eine Seele in nichts auflösen, die ganz und gar im spezifischen Guten der Seele besteht? Wie sollte der Mann, der andere zur Eudämonie führte, der makellos seinen1 göttlichen Auftrag treu blieb, nicht am Ziel seiner Mühsale höchster Seligkeit sicher sein 'IS? J10
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hleno 86 b 7; Phaedo 114 d 1; dazu Friedländer 1" 201. Vgl. auch Friedländer 111 48 zu den letzten Worten des ,Laches'. SIS Vgl. Phaedo 67 b 7, dazu Friedländer I2 72. Gorg. 527 a 7; Phaedo 107 b 4.
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Der „Mythos" der ,Apologiecwurde zu der zweiten Stufe der platonischen Mythopoiie in Beziehung gesetzt; dabei zeigte sich, daß von deren vier Charncteristica drei auch auf ihn zutreffen, das erstgenannte, das Einsetzen, nachdem der Logos an sein Ziel gekommen ist, dagegen nicht. Vielmehr war das Fehlen eines eigentlichen Logos festzustellen und damit eine betont starke Unsicherheit des ganzen Passus, in den der Mythos eingebaut ist. Nun ist es für den Jenseitsmythos der ersten Stufe, soweit sie durch den ,Thrasymachos6 vertreten wird (resp. 330 d ff .), bezeichnend, daß dort einfach das volkstümliche Denken über den Hades seinen Ausdruck findet. Danach bestimmt sich die Einordnung des Mythos der ,Apologie': er lehnt sich gemäß der ersten Stufe an das volkstümliche Denken an, formt es jedoch durch Auslese und Akzentuierung im platonischen Sinne um; andererseits zeigt er nach Form und Funktion schon die Züge der zweiten Stufe. Es handelt sich hier um die beginnende Durchdringung volkstümlich mythischen Denkens mit Platonischem, um den Ubergang von der ersten zur zweiten Stufe3''. In alledem, im Verhältnis zum Logos, zur Aret6 und zum Tode erscheint die Person des Sokrates als transparent c~ufein Uberindiuiduelles hin, und auch wenn es die ,Apologiebnicht ausdrücklich sagte, wäre in Sokrates ein P a r a d e i g m a für Allgemeines zu sehen. Das Wort xa~ot6eiypa bedeutet bei Platon erstlich Muster, Probe, Modell, Exempel: ein ,,Beispielbb,das zur Erkenntnis führen soll. Der ,ProtagorasL etwa gibt zwei naea6eiypa~cc,die geeignet sind, die mögliche Form der Einheit der Tugenden zu demonstrieren (330 b 1). ,,ES ist schwierig, etwas von den gewichtigeren Dingen hinlänglich klarzumachen ohne den Gebrauch von Beispielen" (politic. 277 d 1)'15. Zum andern bezeichnet ncaeot6a~ypa eine Vorbildlichkeit, die Nachahmung ermöglicht. Der Idealstaat etwa ist ein Paradeigma im Himmel, nach dem, wer will, seine Seele einrichten kann (resp. 592 b 2) ; der Blick aufs Gute selbst als Paradeigma befähigt zur Realisiemng des Guten (resp. 540 u 4)8'c.- Der Sokrates der ,Apologie6beschließt als Paradeigma des oocpos beide Momente in sich: das Bloß-Exemplarische wie das Vorbildhafte, und zwar in doppelter Hinsicht: in seinem E t h o s wie in seinem E r k e n n e n.
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Friedländer 1 2 186 glaubt ferner, in dem Gegenüber von vorgeblichen und wahren Richtern „den Punkt, an welchem Platon den orphischen Jenseitsmythos zu sich heranzieht", zu erkennen. Vgl. Euth. 6 e 4; Euthyd. 282 d 4; resp. 529 a 8 618 a; Theaet. 202 e 3; Phaedr. 262 C 10. Vgl. resp. 409 a 7 484 c 6; Parm. 132 d 1 ; Tim. 28 a 6; legg. 718 b 5 739 e 1 746 b 5 81 1 b 8 c 6 d 5 876 e 1. Vgl. auch Goldschmidt, Le paradigme dans la theorie platonicienne de I'action p. 119.
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4. Person und Paradeigma
I I I h . ; \'ertiiiltnis der Apologie min platoiischen Gesanitwerlc
\'orhild aller, die zur Philosophie befähigt sind, er zeigt, mit der ~~eiido-dioiiysisc1ie11 'I'echiie zu reden, ,.n7ie der Pliilosopli sei11 soll" Fall, aii dem (\'111. 8) 3 2 ' : ztigleich ist er aber auch der rxrn~plrrriscl~e ~t w:~s(T \icl~in \\';il~rliri' i i ~ i l t ~ (~ r i ~ ~ (I>liilo~iii d a \ \'olk r r l , ( ~ n i w I<:IIIII. \opIi(w t o r ~ i ~ \ t d I he ~t i'%. 13(7i.~/)i(~l!/(~l)(7~~ I I I I~ L ~ r r w(frn n 1ki.spi~l l ~ 1111r l(~t7tlicli:iitf r i ~ i ( >Vprr ~ I I ~ ~ I ~ I I(;olles. I I I I ~ 1111 l l i ~ i l ~ l i caiif k ein g~~scliicl~l~iclies k:reigilis 1ieifJI W in drn .Gcwt~cii':,.Nun :ilwr h:tt d P r o t l grzcigt, welclier Art t~iiwIl~rrwli:iilsviri iiiiif1, wrnii sie so tl:iiiri i:\ft wie iiiiiglicli sciii soll. it ist kein Zeiclieri besoriderer \IreisI)aß dies j~t71v o ~ iI I I ~ \~ r k : ~ n iwird, Iieit. denn aus einem vorliegenden 13 e i s p i e 1 (nore&~y~cx)etwas zii c~rseIi(wi f l nichl d i w i ( ~ r i g ' '(legg. 692 1) ($1. A~icliei11e I'er~~i~iliclil;ei~ k:iii~ig~llgc~s;iiitltc~~ 1';ir:idt~igiii:i\(.in. \\'cr ;uidcrcs diircli stliri Ijeispicl ziirn ..J.eriicii" iiii Iiiiclisten Sinn anregt, wer als wahrer Erzielier andere zitr (;ottgrliel~lIic4tfiilirt (resp. 501 b !)), der iiit damit eiri w:ilirIi:ift gottgefiilligc~\\\'crk iiiitl 1i:iiidelt im Dienste des Gottes. „ E r ni:iclit iiiich ~ i i r i ilieispirl". wgt Sokratecl (23 h 1 ) . I>cr Gott erzieht die Men~ ~ I I Pi iIi Ii I.( w vr ~ I I I I P I I (>inI'ar:id(~igiii;iL I I ~ P I I ( I ( ~ I , \-(trl)i/(lund l < . r ( ~ r ~ ~ p ( ~ l , d;is \ic% mit dr$r gitllliclit~iiSphiirc in Ikzicliiiiig sclzf, d:is sie :riif dcti \\*cg hriiigt - init driii ,'l'lic:iiirt' i r i rcdcit - ziir ,Vcriiliiilicliiii~g i i i i t (;oll". Nodi ein 1,etstrs. Sokrates der Gerechte, der Diener des Gotts, stellt tim Arry:iiig des Prozesses ganz dem Gott aiiheim - und sieht, als (;otteilciigii~r vrrurteilt, einem schmählicheil Tod entgegen. Doch nt:idit ihn di(>\lirities~vegs:m dem giittlichr-I \Val ten irre; er erkliirt icdriit~lir: ..l)ic\ ~nrr/Itt.vielleicht so koiiiinen, iind ich meine, es sei rrcht so" IR!) li '71 : die :\riii:iIinit. hier h : i h ciii Irliildrs Schicksal grwilIrl. I t ~ l i r i lcr : i l , . 1-r i i i i i i i i i l ciciisrll)cii SI:iiidptiitl
P -
"' Zitiert hri TVolff I. c. p. 87, bei Friedländer 11'
158, E .,Plato hat in der .4pologie Sokrates nur als den gottbegnadeten Träger des politi~dicnPragnia. den vorbildlichen Vertrrter des q~ihi>oorpo~ Bio5 darstellen wollen" Wolff I. r. p. 81. I'gl Pliil. 28 d 5, ferner Prot. 323 c 5.
dern mir ist klar, daß es besser f ü r mich war, jetzt zu sterben und der Mühseligkeiten ledig zu werden" (&nqhh&x@a~ zguyprizov 41 d 3). E r ist „schon weit fortgeschrif ten iin I,eben, dein Tode nahe" (38 C G ) , hätte :ilso nicht niclir lange seinein 'ihn nncligelien lioniien. „Ist sein Körper den Anstrengungen niclil mehr gewachsen", heißt es iin ,Staat6von drni Gc~~rcclilicli~~ii, „so slirl)t cr iriid ist aller Miihsale ledig" (x~aypaz w Unqhhayq 400 e 2). Das ist gut so nach platonischer Auffassung; „ein JJe1)cii mit elcndein Kiirper niitzl drin Menschcn nichts, meine ich: cienii notwendig mull er so aiicli elend le1,eii" (Gor$ 505 :I 2) "'. 2. „Was aber naclilier geichielit, das will ich euch weissagen, ihr Männer, die ihr mich verurteilt habt; bin ich doch an dem Punkte angelaiigl, tvo dic Menschen vorriehmlich wciss:~gen:kiirz vor dem Tode. Ich behaupte also, ilir Mäniier, die ihr mich getötet habt, eine Strafe werde über euch kommen bald nach meinem Tode, eine weit schwerere beim Zeus als die Todesslrafe, die ihr über mich verhiingt habt. Denn jetzt habt i h r dies getan in der Meinung, ihr würdet dadurch frei werdcri vom Reclieiischaflgeheri über euer I.eben, :iher das wird euch ganz ziiiii Gegeiiteil :~iisschlagcii,wie ich behai~ple.Mehr werden ihrer sein, (xrcxteixov),ihr die eiicli prüfcii - l ~ i sjetzt habe ich sie zurüc1c~~c~l~«lten :her 11:11tt's iiicht benterkt -, iincl sie werden de\to iiiibeqi~emersein, je jünger sie sind, und ihr werdet noch größeren Ärger haben" (39 C 1). Das klingt, als hätte Soltrates bislang Schüler, die geeignet waren, die Athener zur Wut zu reizen, zurückgehalten; nun werden sie frei, und die Athener erhalten damit ihre gerechte „StrafeK.Gab es indessen wirklich Schüler, die Sokrates zurückhielt? Ziinäclist ist dreierlei festzustellen. Die Jüngelchen, die sich ein Vergniigen daraus iiiachteii, den prlifenden Solrrates zu kopieren und die dadurch die Allieiier ganz -i)esonders gegen ihn :riifbr:ichlen, Iiat Sokrates seiner Darstellung ziifolge keineswegs nn ihrem Treiben gehindert. Auch ist kauin daran zu derikeii, dafi sie iiach seinem Tode, als derlei gefährlich war, ilir vergnügliches Geschäft wieder aufgeno~nmeii hütten. Mit der Weissagung müssen vielmehr e r n s t h a f t e Prüfer gemeint sein, die hart niit den Athenern ins Gericht gehen. Zweilens: Die Prophezeiung stünde nicht in der ,Apologie', wäre sie nicht zumindest im Begriff, zur W i r k 1i C h k e it zu werden 328. Eine nicht erfüllte Weissagung des historischen Sokrates wiederzugeben hätte Platon keinen Grund gehabt. Wer aber soll mit i h r gemeint sein? Wer sind die jüngeren, unbequemen Leute? Es ist daran zu denken, daß P 1a t o n unter den Zuhörern sitzt; kein Zweifel: e r ist in allerSz7 328
V@. Lach. 195 C 11; Crito 47 d 7; Entliyd. 285 C 2; Gor,0. 512 a 2 . Vg1. Solcrates' sehcrisclie (paw~xo;) Äußerungeri über den jungen Theaitet (Theaet. 142 C 3) sowie auch Phaedo 85 b 4.
172
II.1)as Verhältnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
erster Linie gemeint, genauer: seine vernichtende Abrechnung mit den t'itheriern. die er iin ,GorgiasLvorninimt, und im Gefolge Platons alle, die den Tod des Sokrates Athen ziim Vorwurf machen. Dritteils: Niiii IrilTt : h c r :iuS I'htoii diircI~:~us niclit zu. (1:ilJ e r nur ( l i ~ r c lSolrr:~tc>s ~ 7iiriickgeli:ilten die Atherier einstweileii noch schonte. Vielrnelir ging er. ohgleich ihn Sokrates' Tod stark l~eeiridriiclrte,noch jahreliirig mit dem Gedanken eines aktiven Eintretens in die sthenische Politik um, wie der ,Siebte Brief' bezeugt (325 C ff.), und erst nach Erken~itiiisder heillosen Zerrüttung Athens wie der gesamten Staatenwelt wird die Schärfe möglich. die den ,Gorgias6kennzeichnet. Dann aber ist Platon nicht von S o k r a t e ~a n seiner „Prüfungu der Atliener gehindert worden, iiiid ti:iq m r t - i ~ o vniiißic anders zii deiitcii sein. In welch soiiwräner Weise der plntoriisclie Solrrntes mit Sachverhalten schaltet, wie irrefiihrend seine ironische Unistilisieriing von F:ikteri sein kann. zeigt folgendes Beispiel: Aus der ,Apologie6 erfahren wir, niis wc.ldirri (iriiiitlrii sich Solrr:itrs iii-i Argiiiiiseiiprozcß iiiclit clazii verst:iiitl, die Abstiniiiiiing einziileiteii, obgleich die Menge tobte iind drohte. Ini .Gorgias' dagegen sagt er vom selben Ereignis: ,.Icli erregte ITeitcrlirit. d : ~ich richt einnial rvzrpfe, wie man eine Abstiiiimiing eiri7iileitcn habe" (174 a 1 ) . Der Tod des Sokrates nötigte zum N:~rhclrnIrcn iiher die politischen Zustände in Athen und wurde ziini erregenden Sinnbild f ü r jeden, der zu einem so vernichtenden I*:rgrbnis kam wie Platon. Diese Empörung über Athen hat Sokrates noch ..7iiriickjieli:ilteii", solange die Tatsache, daß er noch lebte und wirkte. eine giinstigere Meinung erlaubte: nun bricht sie sich Bahn, da diircli seinen Tod ein iiniillersehbares Zeichen niifgerichtet ist. Fiir clic. (;liioiiologic~cltlr pl:iionisclicii Sc4iiifirii ( q i b t sich d:ir:iiis: I)ic .:\pologiv'. dich i i i i l dciii ,Iirito~i'- er crgiiiizt ihre Stel1uii~n:ihine zum Nomos - iind dem .Eiithyphrori6 - er behandelt Sokrates' Invektive gcgcri die Mythen, die in der .Apologied ausgespart wird (3. 1'. 140) - zusarrimelizitnehnren ist, steht :im Schluß der aporetischen Defi~iitio~isdi;ilogc'~~ und bringt zusammen mit jenen beideii Schriften eine Wcndiiiig :iiiS Sokr:ites' Tod itnd damit auf die Politik, eine Wendung, die ihr Ziel ini ,Gorgi:is' findet. der zur Zeit ihrer Abfassung zumindest gcplaiit. weiiii nicht sclion in Angriff geriommen war. VgI. Flasliars Aiisfiiliriiiigt~iiiilter dic Ahfaisurigsecit dei .Ion', 1. C. p. 101: „Wenri aber, wie es 711 sein sclieint. der Sokrates der Platonischen Apologie als Bild des Philosophen schlrctitliiri das Sokratesbild der ersten Dialoge Platons zusammenfassend widerspiegelt, kann es sich weniger nin eine Illnstration der Apologiestelle durch den Ion handeln. als vielmehr um ein stark abstrahierendes Resumee der Stellung Platons zii den Dichtern, soweit sie in den frül~estcnDialogen und dabei haiiptsiichlich in1 Ion - zum Ausdruck gekornnien war."
4. Person und Paradeigma
173
3. Sokrates ist vom Gott in eine T a x i s gestellt. „Als mir die Befehlshaber, die i h r gewählt habt, über mich zu gebieten, meinen Posten anwiesen, bei Polidaia, bei Amphipolis und bei Delion, da hielt ich gleich den andern aus, wo jene mich liinslelltcn, und trolzle der Gefahr des Todes; wie sollte ich da nicht Furchtbares tun, wenn ich, wo der Gott mich meiner Meinung und Annahme nach angewiesen hat, ich solle philosophierend leben und mich und andere prüfen, wenn ich da aus Furcht vor dem Tod oder etwas anderem Keih und Glied (~1551;) verließe!" (28 d 10). Das Bild vom I< a m p f im Bereich von E r k e n n t n i s und S i t t l i ~ h l r e i t vom ~ ~ ,Aushalten und Sieg in diesem Kampf, durchzieht das ganze platonische Werk. „Sich selbst zu besiegen ist von allen Siegen der erste und besle, sich selbst unterlegen zii sein das Allerliäßlichste und Allerschlimmsle. Das will sagen, daß in jeden1 von uns ein Kampf gegen ihn selbst tobt" (legg. 626 e 2)331. ,.Groß ist der Kampf, groß, nicht wie es den Anschein hat, u m das G u t - oder S C h 1e C h t W e r d e n" (resp. GO8 b 4 ) . „Jeder soll bei uns um den Sieg in der Tugend eifern" (legg. 731 a 2). Ini ,Gorgias6 wird zum „Kampf aller Kämpfe" aufgefordert (526 e 4). Der ,Menexenos6 wendet sich wie die ,ApologieLgegen Lipotaxie: „Ihr sollt nach Kriegsbrauch Reih und Glied (zutts) nicht verlassen und nicht, der Schlechtigkeit nachgebend, nach hinten zurückweichen" (246 b 4) ; die einzige Flucht, die Billigung findet, ist, „sich gut und mannhaft vom Schlechten ziim Guten hinzuflüchten" (legg. 855 a 4). Wenn schon die Athleten uni des Siegs willen Entbehrungen auf sich nehmen, wieviel mehr müssen zii solchen bereit sein, die einem weit herrlicheren Sieg ZUstreben (legg. 840 b 5) ! Auch der Dialektiker muß sich „wie in einer Sch1;icht diirch alle Untersiichiingen (EAEYXOL) lii~idurchschlageii"(resp. 534 b 8 ) . Und nacli bestandeiieni IG~iiipS,so schließt die ,1'oliteiaL,werden wir die Preise davontragen gleich denen, die als Sieger im Wettkampf ihren Lohn einsammeln (G21 C 3 ) . I n den ,Gesetzen' weitet sich dies Bild zum I< a m p f z w e i e r \V e 1t p r i n z i p i e n , in dem es Stellung zu beziehen gilt. ,,Da, wie wir übereingekommen sind, die Welt voll ist von vielem Guten, voll auch vom Gegenteil, mehr aber vom Gegenteil, so lobt, wie wir hehaupten, eine Schlacht zwischen diesen beiden, die einer ans Wunderbare grenzenden Wachsamkeit bedarf. Unsere Bundesgenossen sind die Götter und Dämonen, wir hinwiederuin sind Besitz der Götter und Dämonen. Was uns zugrunderichtet, ist Ungerechtigkeit und Frevel im Bunde mit Unverstand, was uns rettet, ist Gerechtigkeit und Besonnenheit im Bunde mit EinsichtLL(906 a 2). Die ,GesetzeLwissen auch ZU 330
331
Zur Herkunft dieses Bildes aus der alten Kriegerethik vgl. Jaeger I11 41. Vgl. legg. 645 a 5 671 C 8.
175
11. Das Verhältnis der Apologie zun: platonischen Gesamtwerk
4. Person und Paradeigrna
erklären, wie es niöglich ist, daß Sokrates dem Bösen zum Opfer fällt, daß m x i a und ~loxOqeia siegen über die Sache des Gerechten. „Du glaubst, aus den Taten der Bösen wie aus Spiegeln zu ersehen, daß die Götter sicli um nichts kümmern, und weißt doch nicht, in welcher Weise auch sie ihren B e i t r a g z u m W e l t g a n z e n l e i s t e n " (905 b 6). Es gibt einen ,,König" (904 a 6) - wir können auch sagen: Weltlenker, Gott -, dessen Strategie unfehlbar ist und der keinen ---Kämpfer opfert. wenn es nicht zur Erringung des Sieges notwendig istgR. ,,Der ,König' entwarf einen Plan darüber, an welchem Platz jeder der Teile am wirksamsten, leichtesten und besten zum Sieg der Tugend und zur Niederlage der Schleditigkeit im Weltganzeii beiträgt" (904 h 2). Sokr:ifes' Veriirteiliiiig, nicht sein Freispruch, erweist sicli als das Bessere (:ipol. 19 a 3 35 d 7 ) . Wir fassen zusanirii~n.Die ,Apologie. stellt Sokrates in den Vordergrund und zeigt seine persönliche Stellung zum Logos, zur ,4ret6 und zum Tode. Sie wendet sich damit zunächst an die breiten Schichten des Volks, sodann aber auch an die wenigen zu tieferer Einsicht Befähigten. An Solii-:it~wird deiitlicl~,wie m:\n sicli der vernüriftigeii Oberlegiing gegcriiiI)txreiiiziistelleri habe; in ihm und durcli ilin wird die Tugend sell>stsichtbar; sein Verhalten den1 Tod gegenüber erklürt sich aus konseqiienteni Wissen des Nichtwissens, aus der Verwirklicliung der Are& In alledeni ist Sokrates Paradeigma, das bedeutet: Vorbild und Exempel ziigleich. E r exemplifiziert in seiner Person das ethisch gewandte Wissen des Nichtwissens, zugleich aber ist er erzieherisches Vorbild - was er nur sein kann, wenn er nicht n u r Paradeigma. Typus. sondern zirgleicli auch Person ist, eiiin~aliger, lebendiger hiensch. Er ist außerdem vorbildlicher Philosoph und zugleich ein eseniplarischer Fall für die Menge, an dein sie erke~iiieiikann, wie sie sich eirieii wahren Philosopheri vorzustellen habe. Schließlich: Sokrates, der Gerechte, der Diener des Gottes, fällt äiißcrlicli den IJrntric1)eii der xaxiu uii
Ausschlusses von der Politik sowie seiner Verurteilung zum Tod radikal zu beseitigen; Sokrates mußte fallen im Zuge der göttlichen Strategie. Schlußbemerkung
174
,Der Sinn seines Schicksals ist ihm (Sokrates) der, daß es den Menschen zeige, was die empirischen Verhältnisse aus dem Leben gemacht haben. Dies zu zeigen ist notwendig, damit die Philosophie sich ihrer Aufgabe bewußt wird" Ernst Hoffmann. Platon, p. 124. - Vgl. auch ep. VII 325 b 5, wo der Prozeß des Sokratcs auf eine z 6 ~ qt ~ gzuriickgeführt wird: Tyche natürlich als g ö t t 1 i C h e Fügung im Sinne von legg. 709 b 7.
Ist die ,Apologie6in philosophischer oder in biogruphischer Absicht konzipiert, so lautete die Frage, mit der wir an dieses Werk Platons herantraten. Die Untersuchung hat gezeigt, daß die ganze ,Apologie' Zeugnis ist nicht eines b i o g r a p h i s C h e n , sondern eines s a c h 1i C h e n , eines philosophischen Interesses. Damit gehört sie in die Reihe der Werke des P h i 1o s o p 11 e n Platon. Diese Auffassung wird bestätigt durch den Umstand, daß nichts als unplatonisch, als nursokratisch herausfällt, vielmehr die Gedanken der ,Apologie6tief im platonischen Denken verwurzelt sind, in späteren Werken weiter zur Entfaltung kommen 333 und vielfach erst vom späteren Platon her voll verständlich werden. Hätte Olof Gigon S4 recht, wenn er meint, wir hätten Platon mit den übrigen Sokratikern auf dieselbe Stufe zu stellen, so gäbe es freilich keine Möglichkeit, in der Frage des h i s t o r i s c h e n Sokrates zu einer begründeten Entscheidung zu kommen. Wer Platon in solcher Weise nivelliert, verkennt jedoch die Tiefe und Universalität platonischen Weltverständnisses und rechnet nicht mit Platons h i s t o r i s C h e m I n t e r e s s e. Freilich ist dieses Interesse besonderer Art. Geschichte ist für Platon nicht eine Summe von Einzelgeschehnissen, es gibt für ihn auch keine für sich bestehende historische Welt, die ohne Zusammenhang bliebe mit der Welt des Philosophen; sie ist vielmehr ein Bereich, in dem paradigmatisch etwas aufleuchten kann, das auf „die größten Dinge" hinweist. W e n n Platon in Sokrates und durcli ihn hindurch das W a h r li a f t Seiende schaute, m u ß t e er auf den historischen Sokrates zu,rückgeheii; daß er überhaupt nicht die A b s i C h tS5 gehabt haben sollte, dem historischen Sokrates gerecht zii werden, ihn vielmehr irn Rereich des F i k t i ~ e r angesiedelt i~~ hätte, ES ging uns darum, zu zeigen, daß nichts von den Gedanken der ,Apologie' zurückgenommen wird oder verlorengeht; damit soll aber keineswegs bestritten werden, daß in Platons Werdegang vieles erst a 1 l m ä h 1 i C h zur vollen Entfaltung kam, gewisse Elemente auch neu aufgenommen wurden. 334 Olof Gigon, Sokrates, Bern 1947. 535 SO Olof Gigon I. C. p. 68: „Sokrates als handelndes Subjekt der griechischen Philosophiegeschichte bleibt uns unfaßbar, weil wir keinen Text besitzen, der uns über Leben und Lehre des geschichtlichen Sokrates hat berichten W o 1 1 e n." JJs Erik Wolf 1. C. I11 1 p. 48: .Auch als nohizq~ habe er sich kein ~ ~ L X zuschulden E ~ V kommen lassen, vielmehr mit der echten Gtxa~ou6vqauch das wahre J C O ~ C ~ L X ~ V verwirklicht. Von diesen Einzelheiten seiner ,politischen Tätigkeit' mag die
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11. Das Vcrliiiltnis der Apologie zum platonischen Gesamtwerk
ist unmöglich bei diesem Erfassen des Sokrates. Und W e n n Sokrates als Erwecker weiterhin wirken sollte, m U ß t e die literarische Sokrates-Gestalt der historischen folgen. Daß Sokrates erweckend wirkt, beruht letztlich auf einer Spannung in seiner Persönlichkeit. E r hat ein Wissen ums Gesuchte, bemüht sich, diesem auf dialektische Weise näherzukommen, betont aber ständig sein Nichtwissen; andererseits ist er im Handeln vollkommen sicher gleich einem Wissenden, bewährt sich in der Stunde der Gefahr. Wäre einer der genannten Züge unhistorisch, bloß von Platon fingiert, so löste sich diese S t r u k t U r auf. Sokrates wäre nicht mehr der Erwecker, und Platon, in tieferem Sinn der Irreführung von Mit- und Nachwelt schuldig, dürfte nicht erwarten, da8 seine Sokrates-Gestalt die von ihm beabsichtigte philosophische \Virkung Iiiitte. Wenn also der platonische Sokrates nls Erwecker seine Funktim erfüllen soll, muß er in allem, was seine zentrale Spannung ausmacht, historisch sein. Die Frage ~ i a c hden1 historischen Sokrates ist also iin platonischen Sinne legitim, wofern sie nicht einer beliebigen Gestalt der Geistesgeschichte gilt, sondern dem Mann, in dem die piytuta in Erscheinung getreten sind. Der Annalirne, daß Platon in der ,Apologiec eine getreue Wiedergabe von Sokrates' Worten beabsichtigt und erreicht habe, steht nichts entgegen, ziirrial er selbst seine Anwesenheit bei der Gerichtsverhandlung bezeugt. Dennoch muß der historische Sokrates nicht genau so gesprochen haben, wie er es hier und in anderen Werken Platons tut. Das rein Faktische ist noch lange nicht das Historische. Platon k o 11 n t e ja erst - das müßten wir auch ohne das Zeugnis des ,Siebten Briefs' annehmen - niit fortsdireitender Zeit, daniit, daß ein historischer Abstand zu Sokrates eintrat, sich voll über die Bedeutung von Sokrates' Leben und Sterben klar werden und die Hintergründe und Koiisequenzeri der sokratischen Fragestellung iiberblicken, k o n n t e also erst mit Hilfe des faktisch nicht mehr Sokratischen dessen 11i s t o r i s C h e s Wesen erfassen ''.
REGISTER
I. Apologie (apol.) Titel (Hhhzwvo~dxohoyia S o x ~ & ~ o v: g156. ) 17 a 1 (6&vQes 'A3qvaio~): 42. 17 a 1 - 3 (Sich-selbst-Vergessen als Wirkung der Rhetorik) : 115 f.; 118; 130. 17 a 1 - 18 a 6 (Prooimion als formaler Bestandteil der Gerichlsrede) : 45; 124 n. 1G6. 17 a 2 f. (Wirkung der gegnerischen neiBh) : 16;36 f.; 40. 17 a 3 f. (Die Gegner lügen) : 40; 116. -.
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17 a 5 (E&v&w) 38 f.. 17 a 6 - 7 ( O E L V ~ T ~ SE Y E L Vals agonistisches Motiv) : 16. 17 b 1 - 4 (dvaaa~vvz6tazov) : 11 ; 38 f .; 46. ~ S : 12; 118 f.. 17 b 1 - 6 (Versachlichung der Vorstellung vom ~ E L V hiye~v) 17 1> 4 - 6 (S.O E L V ~ Cim Wahrheit-Sagen) : 118. 17 b 6 ( ~ ü & v e r w e & u n:~37 ) n. 66. 17 b 6- 8 ("Volle Wahrheit") : 25 f.; 116. 17 b 6 - C 4 (Ablehnung intensiver Vorbereitung und rednerischen Raffinements) : 66 f.; llj. C 1 f. ( ~ i x f~j E Y ~ ~ E V U 66) n. : 173; 117. C 2 f. (S. verteidigt sich gerecht) : 30; 161. C 3 f. (Vorbeugung gegen falsche Erwartung) : 121 n. 157. C 4 f. (06 neknoi T$& tfj ilh~xiq) : 12; 157. C 6 - 7 (GEopac xai naeiepat) : 46. C6 18 a 6 (Versachlichung des Motivs der Gerichtsfremdheit) : 12 f.. Worte") : C 7 - d 1 (Vorbeugung gegen Affekt) : 121.(Ankündigung der "gewohnten 125. : 16;51; 147. 17 C 9 d 1 (pfi 60Qvß~iv) 17 d 3 ( @ v o k~ ~ w zfis EYB&SE hE&x~q): 120.
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17d4-18a5~(&ane~o~v&v...,xa~6~xa~vUv):51. 18 a 1 f. (zoüto Vp6v bEopai Gixaiov) : 30;51.
18 a 1 - 5 (X& nebensächlich) : 33; 118. 18 a 2 (bixaiov, &S yb POL 80x6) : 52. 18 a 5 (Norm der Gerechtigkeit für Richter verbindlich): 33; 147. 18 a 5 f. ( & ~ e zdes S Redners: Wahrheit sagen) : 118; (- ein Paradoxon): 127. 18 a 7 b 1 (Angabe der Disposition) : 123. 18 a 7 - e 4 (,,Erste Anklage") : 15 18;27. 18 a 7 - 19 a 7 (Prothesis als formaler Bestandteil der Gerichtsrede) : 45: 18 1) 1 (rrohhoi xatfiyoeot): 14;27 f.. 18 1) 1 - d 7 (Motiv der Gefährdung) : 11. 18 11 3 f. (Gefiihrlichkeit der „zweiten Anklage") : 27; (der "ersten Anklage") : 27. 18 1) 7 - C 1 (Sokratesbild der „Wolken") : 131. 18 C 1 3 (Sinn der ersten Anklage: S. ist Gottesleugner) : 131. : 76 n. 17. 18 C 3 (6~065) 17 C 4 (nohhoi xatfiyoeo~) : 14. ( n o h h X Q ~ V O V ): 28. 18 C 5 - 7 (Leichtgläubigkeit der Jugend) : 27 f.; 119. 18 C 7 (E~4pqvxatqyoeoüvzeg) : 27 f.; 50. 18 C 8 (nhvtwv dhoyhzatov) : 46. 18 d 1 - 19 C 5 (Ablehnung von Aristophanes' Sokrates-Bild): 139. : 38 f.. 18 d 2 ((p66vcpxai G~aßohfi)
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55'
eine mehr, die andere minder ,historisch4 sein: Platon mag hier mehr oder minder den Grundriß seines e i g e n e n Verhaltens als Philosoph zur x6hi5 n a C h t r ä g 1 i c h (und apologetisch) eingezeichnet haben." So ist auf Grund des ,Siebten Briefs' anzunehmen, die Verallgemeinerung, k e i n Staat lasse einen gerechten Politiker unangetastet, entspringe einer solchen vertieften Erfassung des .Fallesu Sokrates.
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I. Apologie
Register
S) 18 d 3 ( a h o i xexeroykvor dihhoug ~ E ~ ~ O V T :E 120. 18 d 5 (bvaßtß&oaaBar): 50. 18 d 7 e 4 (Ankündigung der Themenabfolge) : 52; 123. 18 e 1 (Rückverweisung) : 37 n. 66. 18 e 5 19 a 5 (Zeitniangel) : 11; 17; 125. 19 a 1 f. (eingewurzelte Sraßoh$: 14 f.; 17. 19 a 2 f. (Wunsch nach Erfolg) : 13; 30; 46. 19 a 3 (E; TL & ~ E L V O V ): 31; 174. 19 a 4 f. (6taßoI.4 übermächtig) : 35 f.. 19 a 4 7 (Motiv der Gefährdung) : 12. 19 a 6 ( ö q t
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21 b 3 (6 @E&) : 76 n. 17. 21 b 3 f. ( t i aivittscar;) : 26. 21 b 6 f. (Apollon lügt nicht): 71; 83. 21 b 8 (ybyrg n&vu): 26. zb pavzeiov) : 26; 28; 72. 21 C 1 f. (&hiy&~v 21 C 3 f. (6v6yan y&e oG%v 6Eop.a~hby~tv): 48. 21 C 3 - 22 a 6 (Prüfung der Politiker) : 142 f.; 151. 21 C 5 (Srah~y6p~vog adtQ) : 87. 21 C 5 f. (Wissensdünkel) : 86. : 27. 21 d 1 (dnq~ftbpqv) 21 d 2 - 7 (S. gelangt zu einer Einsicht) : 125. 21 d 4 (xahbv x&ya@bv~i6bvaL): 89. 21 d 4 f. (Wissensdünkel) : 87 n. 55. 21 d 7 (Wissen des Nichtwissens als Begründung sittlicher Haltung) : 166. 21 e 4 f. (S. beharrt trotz aller Anfeindungen auf seinem Dienst) : 160. 22 a 1 - 3 SE^ y&e neds Upäs t&hqVqhbysrv) : 52. 22 a 4 ( ~ y o ü v zxasa r tbv B E ~ v: 88. ) 22 a 4 -G (
vqoe~g iin Sinne des Gottes gesucht) : 89. 22 a G (cpeoviyws EXELV) : 82; 159. 22 a 6 f. (6ei ~ T C L ~ E ~ & X:L48. ) 22 a 6 - 8 (nhhvq um der Erkenntnis willen) : 135 f.; 157. 22 a 6 - C 8 (Prüfung der Dichter) : 151. 22 a 7 f. (Lva yfi POL &vEheyn~og4 yavzeia yivowo) : 72. 22 b 1 (En' ~Utocphecp): 51. ~ Öpws .): 52. 22 b 5 ( a i o ~ u v o p a~ineiv. 22 b 8 - C 4 (Die Dichter haben kein Wissen) : 138 f.. 22 C 5 f . (Wissensdünkel) : 87 n. 55. 22 C 9 - e 5 (Prüfung der Handwerker) : 138. 22 d 2 (nohhd xai nah& En~otayEvoug): 88 n. 60. 22 d 3 ( ~ n i u t a v z oB Eytu oUx fin~ut6pqv): 88. 22 d 4 - e 1 (Ubergriffe auf fremde Wissensgebiete) : 151. 22 d 6 (tE~vqv) : 88. 22 d 6 - e 1 (Wissensdünkel) : 87 n. 55. 22 d 7 (tri ybyrcrza) : 82; 89; 89 n. 62; 90 f.; 152; 175 f.. (oocphtatog): 89. 22 e 5 (Als Nichtwissender zu leben ist Gewinn) : 162. 22 e 6 f. ( & n 6 ~ 8 ~ L a27; ~ ) 29. : 23 a 3 - b 4 (S. als naQ&6Ebypaf ü r .menschliche Weisheit"): 82 85; 168. (Keine 13lliopoiie): 24. 23 .a. 5 . (Nur Gott ist weise) : 76 n. 17; 88. 23 a 8 (toüt' 06) : 82 n. 45: xoro6ysvog): 167 170. 23 b 1 (@E ~%a@&6Elypa 23 h 1 - 6 (Der Gott will durch S. allen Menschen Einsicht vermitteln) : 72. 23 i> 4 (oo&a) : 89. 23 b 4 - C 1 (S. opfert sich auf im Dienst des Gottes) : 83. 23 b 5 (rbv Vebv) : 76 n. 17. 23 b 6 - C 1 ( ~ E o Ühutesia) : 72; 82; 161. 23 b 7 (T@ @E@ ß0qQk') : 82. 23 b 7 - C 1 (S. lebt infolge seiner Aufgabe in Armut) : 74 f.; (harrt trotzdem in seinem Dienst aus) : 159. 23 b 8 f. (S. hatte keine Zeit für Politik) : 154. 23 b 9 f. (tv pu& neviq) : 100. 23 C 2 - 8 (Tätigkeit der ~xaxohovVoüvt~g) : 27. 23 C 4 f. (ihre Freude an der Elenktik) : 28. (sie kopieren S.) : 120. 23 C 6 f. (Wissensdünkel) : 86. 23 C 7 - L 3 (Motive der Gegner) : 39. 23 C 8 (Byol 6eyitovta~,o.ir~a6zoig) : 103; 107; 120. 23 d -. . 1 - 7 (Oberführte reagieren mit unbegründeten Vorwürfen) : 103 f.. 23 d 3 f. ( ~ i 6aE y4 6 o x W o ~&noeeiv) ~ : 27 f.. 23 d 4 - 9 (Vorwände - wahrer Sachverhalt) : 53.
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Register
23 d 5 ("Erste Anklage" als Erzeugnis der &&6Eha) : 27. 23 d 6 ( 6 ~ 0 6 j:)76 n. 17. 23 d 7 9 (Die Oberführten wollen ihre Unwissenheit nicht eingestehen) : 27. ~m L j~xai o LacpoOeoi): 27 f.; 120; 120 n. 151. 23 d 9 f. ( ( P L ~ ~U 23 e 1 f. (EpnenhSxaoni daiv T& d t a ) : 27. 23 e 3 24 a 1 (Entstehung der "zweiten Anklage") : 27. 24 a 2 - 4 (Zeitmangel; : 17. 24 a 4 f. (Versicherung. die Wahrheit zu sagen) : 26 n. 56. E O ~ T E{llxebv &oxQUly&pEvoj): 46. 24 a 5 f. ( O ~ pEya ~ Wahrheitsbeweis) : 31. (S. auf Kosten der Richter gelobt) : 24 a 6 - b 2 ( & ~ E x V E Lals 19 f.. 24 b 3 - 6 (neel pEv . :neOj OE . . .) : 48. 24 b 5 (Meletos' Selbsicharakterisierung) : 16. 24 b 8 - C 1 (Aktuelle Anklage) : 59. 24 b 8 28 a 1 (Asebic und iugendverderb getrennt behandelt) : 18. 24 b 9 ( V E O U ~:) 76 n. 17. 24 C 2 f. (Ev &xautovE ~ E ~ & o w ~ E v :) 46. 24 C 4 - 28 a 1 (Bleletc~s-Eleitxis) : 103; 125. {M. fortwährend in Widersprüdie verwickelt) : 141. ( E ~ ' ~ w pals ~~ formaler q Bestandteil der Gerichtsrede) : 45. 24 C 4 f. (Bcantworturig der Klage mit einer Gegenklage) : 59. (deren philosophischer Sinn) : 68. 24 C 4 - 25 C 4 (Erstes Gespräch mit Meletos) : 59 f.. 24 C 6 - 8 (Meletos stellt sich wissend in Dingen, von denen er nichts versteht) : 108. 24 C 7 (Wissensdiinkel\. , 8- 7- 11 --.55 --. 24 C 8 f. ( 6 5 66 roüto &wj EXEL, x ~ h e & a o p a ~. .kntO~iEab): 47; 59 f.. & hfEhqta, O, ~ i n E:)60. 24 C 9 (xai pol ~ E ~ Q 24 d 3 - 10 (Drr I i e n x r des Jugendverderbers muW audi den wahren Erzieher kennen) : 87. 24 d 4 (8.rii.o~y d 6th ~ ckVa, pEhov yE UOL) : 108. 24 d 5 - 8 (Meletos versteht nichts von Jugenderziehung) : 59. 24 d 7 f. ( 6 ~ 1 5W, ME)ili~,6th o ~ y ä j . .) : 60. ): 24 d 7 - 9 (M. unwissend in Jugenderziehung) : 87 n. 55; 141. ( a i o ~ ~ 6 v108. 24 d 11 (hIeletos: Die Gesetze erziehen) : 141. 25 a 13 - C 1 (Nicht dir Vielen erziehen, sondern der eine Fachmann) : 137; 152; 168. 25 b 4 (Euvneg avvci>o~) : 103 n. 107. 25 C 1 - 4 (izavoj EnlG-,ixvuoa~ t(v aautoü hpEhetav) : 60; 87 n. 55. 25 C 5 26 a 7 (Zweites hleletos-Gespräch) : 60 f.; (Niemand tut wissentlich Böses) : 68. 25 C 7 - 9 (Gute tun ihren Nächsten Gutes, Böse Böses) : 96. 25 d 1 (bnd t 6 v ouv6vtwv) : 103 n. 107. 25 d 1 f. (Niemand will von seinen i t a i e o ~lieber Schaden als Nutzen) : 90. 25 d 2 f. (6 v6po; x ~ h e &noxeiveoi+at) h : 60. 25 d 8 - e 3 ( ~ o ( P h t E eEI0 ~tqhhxo6~0v6vroj T ~ ~ L X ~ U&OV .E. .): 61; 157. 25 e 1 - 6 (ei; t o a o ü r o ~r*paViaj ijxw;) : 61. 25 e 2 f. (Verderbte scbädigen den Verderber) : 90. 25 e G f. (i) 04 8~ncpi)~ipoUxwv) : 61; 68; 90. 26 a 1 - 4 (Den Felilen'len belehren, nicht verfolgenl) : 91. 26 a 2 - 7 (Vorwurf ungesetzlichen Handelns): 61. 26 a 4 (S. bereit, sich a if Belehrung hin umzustellen) : 158. 26 a 5 (uuyy~vEaVa~ ~ O I :) 103 n. 107. 26 a 8 - 28 a 1 (Drittes hleletos-Gespräch) : 61 65; 140 n. 216. 26 a 8 - 27 a 7 (Erstcr Teil des Gesprächs; sein Gehalt) : 61. 26 a 8 - b 3 (Beweisziel des Gesprächs) : 61. 26 b 4 ( 8 ~ 0j) 6 : 76 n. 17. 26 C 2 (8~06;): 76 n. 17 26 C 7 - d 5 (S. als Gottesleugner): 131. i t Sonne und Mond an) : 132. 26 d 1 - 3 (S. erkennt ~ ~ t t l i c h k evon 26 d 2 (V~oijj) : 76 n. 17.
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26 e 3 (VEOV)': 76 n. 17. 26 e 6 (Meletos unglaubwürdig) : 62. : 62 f.; 108. 26 e 7 - 9 (Meletos Vße~otAqxai drx6hao~oj) 27 a 1 4 (Meletos als a h ~ y p aauv~hfieij): 63. (Motiv der n ~ i e a:) 108 f.. 27 a 1 7 (Meletos ironisch mit Zügen Sokrates' ausgestattet) : 154. 27 a 3 (X~QLEVTL(O~EYOU): G3 n. 165. 27 a 4 f. (Geener widers~richtsich selbst) : 62. 27 a 7 (n~i(&oj) : 63 11: 165. 27 a 8 - 28 a 1 (Zweiter Teil des Gesprächs: sein Gehalt) : 61 65. 27 a 8 f. (uuvsxroxElyaaVe): 125 f.. 27 a 9 f. (Rückverweisung): 37 n. 66. (p4 V o p ß ~ i v:)51. 27 a 9 - b 2 (Vorbeugung gegen Affekt) : 121 n. 157. L : 125. 27 b 1 f. (S. spricht &V T@ E ~ o V O ~te6nq) 27 b 3 - 28 a 1 (Schluß von Daimonia auf Götterglauben) : 76. (Gegen die Göttergenealogien der Dichter) : 140. 27 C 4 f. (8nexpivw find toutovl &vayxa
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I. Apologie
Register
29 b 6 f. (Was ein a i o ~ e 6 vist, weiß S.) : 83. 29 b 9 - d G (Verhalten in1 Fall des Freispruchs) : 15; 160. 29 C 3 - 5 (S. als Jugendverderber) : 16. 29 d 3 f. (S. gehorcht Gott mehr als den Menschen) : 76 n. 17; 77; 161. 29 d 4 f. (06 { i q na6nci)ya~qxhoaotpWv) : 106; 159. 29 d 5 - 8 (n6Aeoq tri; peyiazqs) : 150. 29 d G ( Ö t q Üv hei Evzvy~&vw) : 103 n. 107. mit eirixn Athener) : 94; 125. 29 d G - 30 n 2 (~t~rclisclinittsges~~riich 29 d 7 ('ADqvaio; &V): 96. 29 e 1 - 30 a 2 (Sorge um q&vqa~g, &hfigeLa,WXG, &@E?$ : 82; 92 100; 106. 29 e 2 (rq; Vvxqs Öntus 615 ß ~ h r i o r qEaza~): 82. 29 e 5 f. (Wissensdünkel) : 87 n. 55. 29 e 5 - 30 a 2 (Angriff auf falsche Wertordnung) : 95; 98. 30 a 3 ( Ö q Bv Evzvyx&vw): 103 n. 107. 30 a 3 f. (S. beschäftigt sich vorzugsweise mit Einheimischen) : 135; 142; 150. 30 a 5 - 7 (Sokrates' Dienst an der Stadt als gröfites Gut) : 75; 142; 152. 30 a 6 f. (S. in] Dienst des Gottes) : 82. 30 a 7 - 1) 2 (Seclr geht vor Körper und Besitz) : 98. 30 a 8 (neibtov): 94. 30 b 2 - 4 (Aus 'hgend Geld usw., nicht umgekehrt) : 83; 99 f.. (Wertordnung) : 149. 30 C 1 (S. beharrt, auch wenn er viele Tode steiben müßte) : 160. ) 51. 30 C 2 (pfi h e i i ß ~ i t &: 16; 30 C 2 f. (Vor1)eiigring gegen Affekt) : 121 n. 157. (Rückverweisung): 37 n. 66. 30 C 4 (6v4oeoO~&xofiovzeg):97; 117. 30 c G d 1 (Verurtcilung schädigt die Polis, n cht Sokrates) : 19; 69; 97. 30 c 7 - 32 a 3 (uir~ov fiir gelegentlidies Eintre-en des Daimonions) : 74. 30 c 8 - d 1 (ob O E ~ C T O V: )98. 30 C 9 f. (Gegenüberstellung Upeivwv - ~ e i p w vevfie) : 38; 151. (S. als bpivwv bvne) : 19 f.; 127. 30 d 1 - 5 (Berichtigung der dikanischen Auffassung vom xaxOv) : 69; 97. (Tapferkeit angesichts von Drohungen) : 160. : 20; 38 f.; 165. 30 d 4 f. (&Sixwc&noxasiv.tiva~) 30 d 6 - e 1 (Verteidigung irn Staatsinteresse) : 18; 43. 30 d 7 f. (Tötung Sokrates' als Verfehlung gegen die Gottheit): 19; 76 n. 17; 97. 30 e 1 - 31 a 7 (S. nahezu unersetzlich) : 19; 15.3; 169. (S. will die Richter vor Frevel und Torheit bewahren) : 117. 30 e 3 31 a 1 (S. als Erwecker der Polis) : 68; 72; 104; 149. 30 r 5 (Py~igenitnc) : 137 f.. : 94; 102. (Eva Exaa~ov) : 103 n. 107. 30 e 7 ( l y e i p w xni n~iitwvxai Av~iSi<wv) 31 a 3 (S. wiinwht Frcisprudi): 30. 31 a 5 7 (xa8~fi60vresS~atehoite&V): 41 f.; 69; 98. 31 a 6 f. ( h D~bc): 76 n. 17. 31 a 7 - 3 (s.'"erzichtet auf Gelderwerb) : 141; 159. (Denkweise der Gerichtsrede durchbroclien) : 67. 31 b 1 - C 2 (Sokrates' Dienst uneigennützig, nicht .verniinftigU): 19; 75. 31 b 2 f . (td 66 ilpit~eovne&trwv &ei): 152. 31 b 4 (i6iq Ex&utcpngoos6vta) : 103 n. 107. 31 b 5 (kncpeh~iabal&getq;) : 94; 162. 31 b 5 - C 2 ( ~@i V .. .' VÜV SE . .) : 50. 31 b 7 (h6yov): 142. 31 b 7 f. (vüv SE O ~ ä r e671 xai abtoi ö t ~:)54. 31 b 7 - C 2 (Grenze m6glicfier Unverschämtheif 1 : 54. 31 b 8 (&va~q&tw;): 38 f.. 31 C 2 f. ( n a e ß ~ o p atbv ~ p&ervea): 49. 31 C 4 (bwg Uv oVv bO@iev fiaonov e b a i ) : 119. 31 C 4 7 (Vorwurf mangelnder politischer Betltigung) : 21. 31 C 8 f. (611 uoi 6ei6v TL xai O U L ~ ~ V L Oyiyveta~) V : 73. 31 C 8 d 4 (Daimonion von Meletos mißverstanden) : 64 f.. 31 d 2 f. (Ex naiSbg U&&psvov) : 156.
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31 d 2 - 32 a 3 (ainov für Eintreten des Daimonions) : 158. 31 d 3 I<novhzic- YLYYOWEVTI) . . . .,: 73. : 47. 31 d G (&i 31 d 6 - e 1 (Politische Betätigung hätte S. längst vernichtet) : 146; 154. (S. hat durch sein Weiterleben genützq : 73; 97. 31 C 1 (Vorbeugung gegen AEekt) : 16; 121. (hkyovz~z & h q q ): 26 n. 56. (Wahrheit bewirkt &nEx@&~u): 36. (S. sagt die Wahrheit auch wenn es nicht opportun ist): 31. 31 C 2 32 a 3 (AngrifT auf Athen) : 68. (Athenischer Staat an der Norm des Gixalov gemessen) : 32. (S. als Gerechter): 30. (Im derzeitigen Staat keine politische Betätigung möglich. - Funktion der These) : 22. (Form der These) : 144 f.. 32 a 2 (iS~wtefie~v) : 146; 146 n. 234; 154. (bhiyov ~ e b v o v:)147. 32 a 4 (uev&hacexuhora) : 23: 51. 32 a 4 f: (?hyor - $&G) :'54. ' 32 a 4 - e 1 (S. als Gerechter): 30. (Bewährung - Sokrates': Funktion der Selbstdarstell~ng) : 21 24; 161: 32 a 5 f. ( h a E ~ G ~ ö ~T t ~E:)47. 32 a G f. (S. gibt nicht widerrechtlich nach) : 160. 66) : 19 n. 47; 31; 36. 32 a 8 (Vorbeugung gegen Affekt): 121 n. 157. (O~?tavtx&,&hqfJ~ 32 a 8 - C 3 (Sokrates' Erfahrungen mit der attischen Demokratie): 143; 156; 159. 32 a 9 - C 3 (S. auf Kosten der Gesamtbürgerschaft gelobt) : 20. 32 b 4 (naeav6pws) : 172. 32 b 7 f. (bpojv xehau6v~ov): 54. 32 b 8 - C 2 (&qv pUhhOv pe Oeiv .) : 54. 32 b 8 c 3 (S. als Gerechter) : 30. (Richter nach Norm des Gixatov beurteilt) : 32. 32 C 3 - e 1 (Sokrates' Erfahrungen mit der attischen Oligarchie) : 143; 156. 32 C 7 f. (ßovh6pevo~Os nheiacoug dvanhrjaa~atz&v) : 54. 32 d 4 (ofix E&hhq@v) : 115 n. 139; 158. 32 e 1 (nohhoi p&ptuees): 50. 32 e 2 - 33 a 1 {Sokrates' Erfahrungen mit der Politik von einer Gesetzlichkeit bestimmt) : 23. 33 a 1 - 3 (S. sein ganzes Leben lang gerecht) : 152. 33 a 1 - b 8 (S. für Entwicklung der ouvbvcsg nicht verantwortlich) : 135. (Dikanische Einkleidung eines philosophischen Gedankengangs) : 70. 33 a 3 f. (S. hat nie gegen das Recht nachgegeben) : 161. 33 a 6 f. (zd Eavzoü ne&zzovtog): 152 n. 250. 33 a 6 - 8 (S. wendet sich a n jung und alt) : 134. 33 n 8 f. (S~ahkyeu6a~ mil arm und reich) : 103 n. 107; 125. 33 a 8 1) 3 (S. ninimt kein Geld für seine Tätigkeit) : 134. 33 b 5 f. IS. :lehrt" nicht) : 135. 33 b 6 f. (s. nicht exklusid) : 134. 33 b 7 (SV iaze) : 47. ~ ) n. 107. 33 b 9 f. (PET' Epoü B ~ a t ~ i ß o v z:e103 33 C 1f. (Versicherung, die Wahrheit gesagt zu haben) : 26 n. 56. (Rückverweisung) : 37 n. 66. 33 C 2 - 4 (04%&q6kg):28; 120. 33 C 4 (Rückverweisung) : 37 n. 66. 33 C 5 (tofi ~ E o Ü ): 76 n. 17. (Ex pavzeiwv xai ES Evunviwv) : 79. 33 C 6 ( M a poiea wendet sich auf jede Weise an S.) : 79. 33 C 7 f. (Versicherung, die Wahrheit zu sagen) : 26 n. 56. 33 C 7 - 34 a 4 (Angabe potentieller Zeugen gegen S.): 57. 33 C 8 34 b 1 (Das im Sinn der Anklage zu Erwartende tritt nicht ein) : 55. 33 C 8 - 34 b 5 (S. hat Anhängerkreis: potentielle Politiker der Zukunft) : 154. 33 e 2 - 34 a 2 (Unter den Anwesenden: Aischines, Apollodoros, Adeimantos, Pla. ton): 156. 34 a 4 f. (vüv xaeaa~Ecs9w): 57. : 57. 34 a 6 - b 1 (näv ~othavzioveS@S
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Register 34 h 6 f. (xai 6hha io(o; ~ o c a ü t a:)55. 31 h 6 - 35 tf 8 (o!xto: als fornialer Bestandteil der Gerichtsrede) : 45. (Ablehnung des oir.to:i : 33 - 35. 34 I) 7 - d 1 (Verstimmung der Richter wegen Ableliriung des oixzog) : 35 f.. 34 b 7 - d 3 (Vorl~engunggegen Affekt): 121. : 50. 34 C 4 (&vnß~ßanrhevoc) 34 C 5 - 7 (S.'trotz Gefzir nicht zu olxroc. bereit) : 160. 34 r 7 - d 3 (Fi 81j TL; f i t t 6 ~OÜTCUS EXEL . . .) : 55. 3 1 C 8 d 1 (6gy~dOeic) : 16. 31 d 2 (Sokratcs' Verteidigiingsweise ist gerecht): 30. 31 d 3 - 8 ( A l ~ l c l i n ~ ndes g otxroq: die pcrsöriliclie SpliRre soll zurücktreten): 21. 34 d 9 f. (06%u
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a 7 - 11 2 (Invektive gegen Rleletos) : 58. 1) 3 - 37 a 1 (Arisprndi anf I h n k ) : 41; 43. 1, 5 - c 1 ($. \cwirhlel auf Geldgeschiifte usw.) : 152.
- 4 (Soltrates' \Virkwnikeit als Öcpehoi fiir die Polis): 69. 3 (i8iq i+rintov [(:)V F ~ ' T ( ) Y F T F ~ V :) 103 il. 107. I ~ f.. V ) 36 r 1 ( t t ~ y i n r q vF ~ ~ F ~ Y F :~153 3 6 c 5 - t l 1 (Sorge fiir sich srll)st, den Staat selI,st, dir andcrn Dinge selbst): 69; 101 f . -1 -1 -1 36 r 6 (tnvroi, tnyieh~inßat): 116: 162. 36 r 6 f. XI, (b; ß6>.~1~70g c p @ ~ v t p d ) t . ~Eoo~zo) t ~ ; : 82; 111 ; 116. 36 C 8 (rr6F.1g uFrfi) : 148; 155. Speisung ini Prytnneioiit : 127; 153. 36 (1 1 - 37 a 1 (hvri~i!iq<~~:: 36 (1 9 f. ( O l p i ~ p i s c l i ~Sieger r macht scheinbar gliiiklich, S. wirklich) : 112; 155; 166. 37 a 2 (iow; ofiv il~tivnaganLqoitog Gox6 hEye~v): 119. 37 a 2 f. (Rücliverweisunji!: 37 n. 66. 37 a 5 f. (nEne~o!iuLh b v eivat pqsEva UGrxeiv) : 68; 90. 37 a 5 - 7 (Es fehlt Zeit zum 8iahEyeoBai) : 68; 103 n. 107. 37 a 5 - b 2 (Die Zeit war fiir wirksnrne Verteidigiing zu kurz) : 126. 3 i a 7 - 112 (Kritik aiii brstrlieiideii Gesetz): 17; 145 n. 232. i2
1.
--.
...
.vOv8E ...):5O. 37 b 2 - 38 a 6 (Berichtigung der dikanischen Auffassung vom xax6v) : 69 f.. 37 b 5 - e 2 (Abwägung von ScheinÜbeln gegen wahre Ubel) : 160. 37 13 6 f . [Der Tod - ein ?tax6v?) : 44. 37 5 ?ichSyh@a v POL) : 119 n.'149. 37 c 5 - 7 (Selbstliebe als Behinderung des hoyi\ea8ac) : 110; 158 f.. 2 7 d 7 - e.2-1 x 8 & ~ n ~ h a h f w . .. &&V fik .WI). & ~ ~ h d v w.) .: .61. 37 e 3 ( i o o s o5v äv trg einer) : 119 n. 149. ~ ) n. 149. 38 a 1 (4uuxiav äyetv) : 146 n. 234. (06 neicreabl yor (5s ~ i ~ w v e v o y C:v119 38 a 2 - 6 (Größtes Gnt: Über &@stfizu sprechen) : 76; 97. 38 a 3 (Gespräche ne@i&@etqg) : 125. (toug hbyovg noreicr8ut) 103 n. 107. 38 a 5 f. (6 6' &vsEEtaotoc: ßiog 06 ßrwtbg ~ ~ ~ V Q ~ I J C Q 66; I ) : 73; 106; 127; 162. 38 a 7 (~krsicher&g, die Wahrheit zu sagen) : 26 11.56. 38 a 8 - b 5 (Strafantrag Sokrates') : 43. (Geldbuße kein S d ~ a d e r i:) 69; 100. Paradoxie dieser ~ e s t s t & u n g ): 127. 38 b 1 - 4 (ei piv $V . . YÜV 66 . .) : 50. 38 b 6 (,Schüler" und Freunde treten für S. ein) : 43. 38 C 1 - 3 (ßovhOpevo~hot60Qeiv): 50. 38 c 1 - d 2 (Vorwürfe f ü r die Richter, die S. verurteilten) : 42. 38 C 6 f. (nb&o TOU ßiou) : 171. 38 d 3 (icrwg PE O ~ E O ~ :E 119 ) n. 149. 38 d 3 - 39 b 6 (Verzicht auf Wirkiiiig durch dikaiiiscl~eHlielorik) : 35; 160. 38 d 3 - 39 b 8 (Sokrates' Verteidigungsweise war richtig) : 159. (Grund des Unterl i e g e n ~:)31; 59; 161. 38 d 8 (VBrota Uxo6srv) : 20; 116 f.. 38 d 9 f. (U~qvoüvzbgt E pou xai OGupopCvou): 31. 38 e 3 - 39 b 8 (oüte vüv yor yezapEher) : 4 4 38 e 5 - 39 b 6 (Wahrhaft zu fürchten: novqpla) : 160. 39 a 6 - b 1 (Gegner von xaxia eingeliolt) : 165. i a UGrxia schuldig) : 42; 98. 39 b 2 - 6 (Gegner der p o ~ 6 q ~und 39 1) 5 f. (imb t q 5 ixhq6eia;) : 39. 39 1) 7 (oütwg Ebet U X E ~ V :) 170. 39 b 7 f. (otyar a 6 t d yezeiws EXELV) : 162. 39 C 1 - d 3 (Weissagung Sokrates') : 171 f.. 39 c 3 - 6 ( t ~ y w ~ i 6piv a v @,ELV) : 42; 91. 39 C 8 - d 3 (,,Strafea: nichr Elenkliker): 91. 39 d 3 - 8 (xahhiutq h a h h a y f i : Besserung seiner selbst) : 91; 109. L Y ) 39 d 4 ( ~ Y E L ~ ~ ~ :E 102. 39 e 1 (&V 6rahe~beiqv): 103 11. 107; 126 n. 172. 30 e 5 - 40 a 2 (byiv (5s cpiho~gouorv) : 122; 165. 40 a 2 f. (Richter nach Norm des fibarov beurteilt) : 32; 42. 40 a 4 (4 ~iofhia pavzrxfi) : 79. 40 a 4 - 41 b 6 (Schweigen des Daimonions) : 44. 40 11 1 (26 zoü ~ E O Üaqyeiov) : 73. 40 11 6 - 41 C 7 (u'i-c~ovf ü r Schweigexi des Dairnoiiioris) : 74; 158. 40 h 7 f. (Tod als &yabbv): 163. (Ebenso Sokrntes' Sdiicksal) : 73. 40 b 7 - C 1 (S. gelangt zu einer neuen Erkenntnis) : 158. 40 c 1 - 3 (pEya -cexyq@iov): 55. 40 : 73. -- c- 3- (&vaVi>v) 40 C 7 (xazd z& heybpeva) : 164. 40 C 9 - e 4 (Tod als trauinloser Schlaf) : 163. 40 e 4 - 41 c 7 (Fortleben der Seele im Hades) : 78 f.; 164 - 167. (Die Hades-Vorstellungen d e r Dichter) : 141. 40 e 5 f. ( E i i h q ~ lEcmv j 'C& hey6peva) : 164. 41 a 6 (ovyyevEoOar) : 103 n. 107. 41 a 6 - c 7 (S. im Hades als Elenktiker) : 106. 41 a 8 ( ~zaüt' i Eotrv Uhq6q) : 164. 41 c 2 f. (6ruh8yso6at) : 103 ri. 107; 125. 41 c 3 (ovveiva~) : 103 11. 107.
37a7-b2 (ei4v
.
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, - 0 -
.
11. Sonstige Schriften
Rcgisttr
.
~
18, 1: 10 n. 3; 3 1 11. 62. 2 f.: 10 n. 5. 3 : 62 n. 163. 5: 15 n. 30; 46. 9: 51 n . 124; 52 n. 126. 10: 56. 14: 50 n. 116. 15: 62 n. 159. 17: 46 f.. 24: 15 11. 26. 25: 19 11. 46. 50: 56 11. 110. 51: 61 n. lT>G.56: 46; 46 n. 915. 51): 02 11. 159. 76: 55 n. 139; 57 11. 145. SR: I!) 11. Ifi. 94: 19 n. 46. 99: 53 n. 130. 112: 57 n. 145. 113: 53 n. 130. 118: 47 n . 99. 119: 38 n. 74 f.. 124 f.: 18 n. 4 1. 126: 48 ri. 103. 132: 54 n. 135. 132 - 135: 23 rl. 53. 138: 32 11.60. 150: 57. 353: 47 11.99; 50 11. 116. 156: 47 n. 99; 53 11. 129. 159: 32 11. 60. 160: 40 11. 110. 183: 34 11. 62. 197: 19 11. 46. 206: 50 n . 1J(;; 53. 207: 18 n. 41. 218: 47 n. 99. 222: 58 11. 150. 223: 37 n. 65. 229: 47 n. 102. 240: 20 11. 48. 249: 63 11. 167. 250: 58 11. 150. 264: 55 11. 140. 268 f.: 22 11. 52. 275: 16 n. 33; 66 11. 172. 277: 12. 293: 55 n. 139. 305: 47 11. 99. 1 9 , l : I o n . 1;: 31 n. 59. 20: GO. 32: 57 n. 145. 51: 67 11.176. 57: 5 7 n . 145. 88: 6211. 159. 92: 62 11. 159. 95: 15. 100: I 5 11. 30 101: 24 11. 54. 105: 15 11. 113: 51 11. 122. 11.;: 04. 118: 1511.27. 120: 6011. 1115. 122: 51 11. 122. 126: 6311. If54. 132: 49 11. 110. 133: ,12 11.86. 138: 64 n. 169. 172: 20 11. 48. S 73: 61 11. 156. 175: G:< 11. 161. 179: 5011. 115. 199: 3811. 72. 201: 66; 6611. 172. 203: 6611. 172. 212: 31 n. 5 7 . 21Rf.: 62ri. 159. 217: 1311. 19. 220: 1911.42; 4211.85. 224ff.: 3 2 n . 6 0 . 22i: 19 11. 47. 229: 34 n. 62; 42 11. 86. 232: 24 n. 51. 243: 34 n. 62. 243 f.: 64. 244 f . : 14 11. 25. 346: 59 n. 153. 247: 48 n. 104. 248 ff.: 62 n. 159. 269: 15 11.30. 26!1 ff.: 14 11. 22. 277: .52 n. 127. 283: 63. 284: 32 11. 60. 296: 22 11. 51. 310: 34 11. 63: 50 11. 110. 31 1 : 31 11. 59. 312: 10 11. 4. 340: 38 11. 75. 343: 24 11. 54; 42 n. 86. 20.3: GO. 9: 4911. 110. 10: 3 4 n . 6 2 ; 4211.86. 11: 4711. 101. 12: 4911. 108. 37: 50. 39: 22 ri. 51. 53: .54. 62: 49 11. 110. 64: 2 11.54. 71: 49 n. 110. 75: 64 n. 168. 88: 47 11. 100. 113: 20 11. 56; 62 11. 159. 118: 50. 125: 59 11. 153. 141: 34 11. 62. 147: -49 11. 109. 154: 3 i n. 70. 157: 38 n. 75; 42 n. 86. 21. -1: 51 11. 122. 5 f.: 10 n. 7. 7 f.: 10 11.G. 8 : 18 11. 41. 12: 47 n . 96. 18: 55 n. 141; 6211. 163. 19: 3811. 72, 73 U. 75. 24: IGn. 33. 27: 3111. 58. 34ff.: 3311. GI. 40: 18 11. 41. -12: 50 n. 115; 68 n. 178. 4.5: 18 n. 41. 46: 10 n. 4. 70: 31 n. 59. 70: 24 11.5-4. 81: 50 11. 118. 91: 32 11.60. 95 f.: 38 11.72. 96: 54 n. 137. 99: 34 11. 63. 104: 18 11.41. 110: 59 n. 153. 120: 7,311. 180. 120f.: 2 0 n . 48. 123: 10 11. 4. 127: 18 11.41. 132: 14 11.25. 134: G1 n. 137. 148: 19 11.42. 150: 38 n. 74. 174: 63 11. I 6 i . I91 f . : 66. 210: 53. 22, 3 : 5S 11. 150. 4: 61 11. 167. 5: 66. 12: 47 I?. 102. 32: 63 11. 16.1. 39: 31 11.57. 44: 47 n. 100. I(;: 55; 62 11. 159. 47: 38 n. 72; 63 11. 1li4. 56: I 5 11. 30. 6:i: 47 11. 100. GI-: 31 11. (;I. 6.5: 51. 69: 37 11. 65. 72: 48 11. 104. 78: 32 11. 60. 92: 11 11. 11. 23, 5: 12 11. 16. 19: 31 11.59; 52; 66. 63: 55 11. 140. 64: 37 11. 65. 82: 66 11. 171. 87: 66. 92: 16 n. 33. 97: 68 n . 178. 101: 5011. I l 5 . 109: 9.411. fi2; 42 11. 86. 11 1: 66 11. 171. 1.31;: 7 0 11. 1SO. 13s: 47 11. 102. 140: 454 11. 110. 143: 49 11. 108. 144: 49 11. 112. l:>i>: -1s. 159: 4 7 11. 100. 162: 63 n. 164. 168: 55 n. 141. 169: 63 n. 164. 181: 67. 187: 25 rl. 55; 37 11.65; 52 11. 128. 191: 16 11. 33. 204 E.:32 n. 60. 24. 6: 14 11. 35: 38 11. 74 f . . 8 : 13 11.20. 11: 41>. 31 f.: 49 11. 108. 32: 47 n. 102. 49: 22 n. ;jl. ;>H:6I- 11. 169. 66: 48 n. 107. 72: 62 11. 162. 81: 47 n. 97. 91: 47 n. 102. 106: G.? 11. I 6 l . 108: 37 11. 66. 111: 45. 122: Gl; (X 11. 171. 129: 37 11. 05. 137: 31 11. (i?. 172: 54 n. 1Bfi. 181: 63 11. 164. 18;: 55 n. 140. 188: 50 ii. 115; 61 11. 157. 1 % ~ : 1t; I1 33. 19:): 3 7 11. G7; 47 11. 97. 20i: .47 11. 102. 210: 48 11. 103. 210 f.: 34; I? 11.Nfi. 212 f . : 53 n. 132. 218: 10 11. 4 . 25, 6: 34 11. 62. 13: 25 11. 55. 52 11. 128. 13 f.: 32 11.GO. 20 ff.: 22 n. 51. 32: 38 11. 75. 42: 54 ii. 13;). $3: 55. :>2: 3 i 11. 70; 38 11. 74. 55: 63 11. lG4. 62: G3 11. 164. ($3: 38 n. 74. 7 l : 39 t i . 80. 81: 34 11. 63. 86: 55. 27, 1: 12 ri. 14. 2: 1 0 n. 3: 12 11. 16 U. 18; 13 13. 20. 7: 48 11. 103. 12: 68 11. 179. 14: 50 11. 114. 27: 51 11. 121. 40: 48 ri. 10G. 55: 61 n. 157. 58: 55 n. 140. 59: 56 n. 143. Cl. 49 11. 108 6.5: 51 11 123. 67 f: 10 ii F;
193
31,6: 62 n. 162. 13: 53. 32: 10 E.:37 n. 67. 23: 49 n. 108. 24: 48 n. 107. 26: 52 n. 128; 25 n. 55. 33,3: 61 n. 158. 4: 47 n. 102. 20: 50 n . 118.33: 50 n. 118. 35: 48 n. 107. 34, 1: 10 n. 3; 51 11. 124. 5: 48 n. 104. 16: G1 11. 156. 19: 63 n. 167. 36: 50 n. 116; 62 11. 161. 43: 49 n. 108. 45: 50 n. 115. 50 f.: 53 n. 130. 3 5 , 2 : 38 n . 75; 48 n. 103. 5: 38 n. 75. 8: 48 n. 103. 28: 46 n. 91. 41: 12 n. 16. 46: 3811. 75. 47: 4 9 n . 111. 54: 1811.41; 37n.66. 36,2G: 50 11. 115. 42: 37 n. 66. 52: 63 n. 164. 57: 41 n. 84. 60: 1611.33. 61: 33 n. 61. 37,3: 51 n . 124. 5: 11 n. 11. 21: 47 n. OG. 23: 37 n. 66. 39: 47 n. 102. 47: 17 n. 35. 51: 62 n. 159. 55: 25 n. 55; 52 n. 128. 56: 55 n. 141. 58 f.: 51 n. 123. 66: 15 n. 30. 38.2: 10 n. 3: 51 n. 124. 12: 64 11.169. 17: 47 n. 99. 18: 49 n. 108. 27: 34 n. 63. 28:
100.71:50.72:62n.161.81:10n.7.84:31n.59. 44,3: 2611.56. 5: 48 n. 103. 51: 49 n. 108; 62 n. 162. GO: 48 n. 107. 45, 1: 10 n. 7. 2: 47 n. 100. 4: 25 n. 55; 52 n. 128. 12: 50 n. 116. 42: 62 n. 162. 44: 1 1 n 1 1 . I 6 n. 33. 47: 68 11. 179. 50: 15 n. 30; 33 n. 61; 50; 62 n. 159. 70: 16 n.
n. 67. 50, 1: 18 n. 41. 2: 51 n. 124; 57 11. 145. 3: 51 n. 122; 47 n. 99; 56 n. 142. 21: 47 n. 99. 29: 50 n. 114. 45: 47 n. 99. 64: 41 n. 84. 64 E.: 18 n. 41. 65: 62 n. 161. GG: 47. 5 1 , l : 50 n. 116; 51 n. 122. 2: 31 n , 57; 45 n. 90. 9: 34 n. 62; 42 n. 86. 15: 32 n . 60. 17: 62 n. 162. 19: 11 n. 11. 21: 32 n. GO. 5 2 , l : 10 n. 6. 23: 52.23 f.: 55 n. 139. 27: 55 n. 139; 64. 33: 31 n. 59. 53,3: 50 n. 116; 68 n. 179. 19: 47 n. 102. 21: 47 n. 100. 29: 31 n . 57. 54 - 2: 10 n. 5. 15: 64 n. 168. 32: 57 n. 147. 38: 46 n. 91. 42: 10 n. 4. 43: 34 n. 63. 44: 22 n. 52; 68 n. 179. 55,6: 50 n. 118. 7: 55 n. 139. 8: 47 n. 99. 14: 54 n. 135. 20: 46 n. 93. 22: 49 n. 108; 5911.153. 23: 47n.102. 31:50n.118. 33: 3111.57.34: 47n.99. 56,2: 63 n. 167. 31: 15 n. 28. 44: 1 8 n . 41; 49. 47: 50 n. 116. 57, 1 f.: 10 11.5; 25 11.56. 2: 13 n. 20. 6: 50 n. 116. 8: 37 n . 68. 24 f.: 57 11. 147. 47: 49 11. 108. 50: 49 n. 112; 51. 56: 63 n. 167. 59: 46 11.93. 61: 57. 64: 61 n. 156. 69: 31 n. 57. 70: 42 n. 85. 58,3: 10 n. 6; 46. 4 ff.: 52 n. 128. 7: 52 n. 125. 10: 47 n. 100. 23: 15 n. 30; 62 n. 159. 25: 50 11. 115. 35: G3 n. 164. 36: 47 n. 100. 38 E.:32 11. GO. 39: 16 n. 34. 41: 12 n. 14; G6 n. 172. 46: 49 n. 108; 61 n. 157. 55: 34 n. 62; 42 n. 86. 57: 37 n. 66. 58: 50 n. 117. 61: 12 n . 16. 63: 32. n. GO. 66: 19 n. 46. 68: 37 n. 66. 107: 49 n. 10s. 59,14: 12 n. 14; 48 n. 103. 16: 47. 44: 47 11.99; 62 n. 161. 50: 62 n. 163. 72: 62. 74: 47 n. 99. 109: 19 n. 42; 42 n. 85. 111: 34 n. 62; 42 n. 86. 126: 31 n. 59; 34 -7
Register proorni. 4: 51 n. 122. (I'wiido-) D~onysios I'wtiiir 1.111 8: 170. G O ~ C I : (Gor!! I$ )
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I . Sr. 3: 16 11.32. fr. 5: 50 11. 116. Cr. 6 ~ 1 22:. I0 11. ,I. Sr. 9: 61 11. 157. 2.6:fil. 11: l h n . 2 8 . 12:611i.158. 14: 1411.25. 171'.:221i.52. lgf.: 1011.7. 3, 14: 47 n. 01;; 48 11. 104. 15: 62 11. 1G2. 17: 61 11. 157. 31: 61 11. 157. 32: 11 n. 10; $1; 11. !)I 11.93. 3 1 : 58 11. 150. 3s: 31 11. X). 3:): 50 11. 116. ,48: 61 11. 158. 4, Ci: I5 11.28. 10: :I1 11. 57. :i,2: 52 11. 128. Ilornt~ros 11. 18. 95 U.: 53. Isnios (Isnr.)
2, 2. 4ii 13. 47 11. 102. 19: 47 ri. 102; 55 ri. 139. 23: 60. 27: 38 11. 72. 33: 38 11. 73. 38. 54 ri. 13.5. 43: 34 ri 62; 50 11. 117. 17: 31 11. 59. 3, 1.5: 47 11. 99. 23: 64 11. 168. 24: 55 n. 139. 33: 62 11. 162. 37: 57 n. 149. 55: 55 n. 1:W. 72: 38 11. 72. HO: 55. 4.21: I(iii.:l:i. 27-29: 2211 52. 29: 3 8 2 . 72 30: 31 11.59; 5 0 n . 116. 121: 47n.98. .)..I. 10 11. 33. 11: 46 11. W. 13: 52. 20: 55 11. 141. 3L: 1611.34; 49 n. 108. 41 f.: 22 11 .-,L G. 2: I 0 11.5; 31 11.57; 49. 10: 48 11. 107. 17: 52 11. 128. 26: 15 11. 28. 35: 4 6 11. 93. 43 f . : 62 11. 162. 54: 54 n. 136. 57: 3 i 11. 66. 58: 62 n. 162. 60: 19 n. 46. 68: 49 11. 10s. 7. 1: 10 11. 3. 5: 54 11. 134. 13: 57 11. 14:). 21: 11 11. 11. 34: 22 11. 52. 36: 22 11. 52. 37: I!) 11. 46. 41: 22 n. 52. 8, 2: 3 i 11. 67. 5: 10 n. 7. 30: 47 11. 102. 46: 33 n. 61. 9. 27: 47 11. 102. 34: 51 n. 124. 35: 12 n. 16. 37: 31 n. 59. 10. 1: 1211. 16. 13: 4811. 106. 1 8 : 3 7 1 1 . 6 . 23: 4911. 108. 25: 22n.52. 11.4: 50 11. 119; 60 n. 155; 64. 5: 50 n. 116. 6: 38 11. 72; 60. 7: 47. 15: 48 n. 107. 31: 37 11. 67. 36: 3 i 11. 67. 38: 11 n. 10; 47 n. 99. 12. k lf.: $7 11. 147. 12: 48 11. 107. Fr. 3. 7. 1: 37 11. 67. 3,2, 2: 60 11. 155. 5, 2: 12 11. 14; 14. Isokrnlcs (Isoir.) 3. 77: 3 7 11, i%. 8. 6: :)2 11. 126. 15. 20: 51 11. 122. 33: 57 11. 148. 43: 52 11. 120. 100: 57 11. 145. 272: 51 11. 122. 16. 2: 15 11. 30; (2n. 159. 3: 5211. 126. 11: 11 11. 12; 6811. 179. l i , 1: 1011.5. 14: 46. 33: 4 8 n . 107. 37: 5 5 n . 139. 47: 61. 48ff.: 6211. 162. 58: 31 11. .;Y). 18, I: I0 1 1 . t . 10: 25 n. 55; 52 11. 128. 17: 5 I n . 138. 18: .I0 11. W ; ,I!) 11. 108. I!): .48. 19 - (10: 23. 21: 50 11. ll(i. 24: 40 11. 1118. 26: 18 11. 34. 34: 18 n. 41. 40: 15 11. 30; 62 11. 159. 18: '23 11.53. 51: 68 11. 179. 52: 23 11. 53; 56 n. 143. 61: 23. 65: 34 11. 62; 42 11. 86. 67: 23; 41 11. 84. 138: 31 11. 59; 49 11. 108. 19, 16: 48 n. 106. 17 ff.: 23. 50: 48 11. 104. 20.5:5On.116.6: 1 0 n . 4 ; 5 1 . 9 : 1 0 n . 4 . 21, 5: 12 n. 16. 14: 61 n. 156. Liikiarios rnliirnniae non temere credendum 15: 17. piscalor 29: 16. Lykiirgos (Lyc.) 1: -19 ri. 112. 10: 22 n. 51; 4711.98. 12: 32n.60. 15: 34 n.62; 42n. 86; 47n.98. 16: 10 11. 1; 49 11. 112. 31: 12 n. 16. 34: 61 n. 157. 36: 48 11.106. 56: 46 11.92. 58:
11. Sonstige Schriften
195
Lysias (Lys.) 1,2: 62 n. 163. 4: 48; 62 n. 163. 5: 26 n. 56; 46. 9: 48 n. 103. 16: 62 n. 163. 25: 62 11. 163. 37: 48 n. 104. 39: 47 11. 100; 48; 48 n. 104. 43: 48 11. 104. 3 , l : 11 n. 11. 3: 46. 5: 62 n. 163. 7: 62 n. 163: 10: 25 n. 55; 52. 20: 49 n. 113. 25: 11 n. 11. 26: 62 n. 163. 29: 61 n. 156. 34: 62 n. 163. 40: 62 n. 163. 42: 67 n. 177. 5, 2 f.: 19 n. 46. 6.5: 34 n. 62; 42 n. 86. 9: 11 n. 11. 11: 38 n. 74. 13: I9 n. 42; 42 n. 85. 18: 34 n. 62; 42 n. 86. 21: 48 n. 104. 21 -32: 23 n. 53. 28: 70 n. 180. 33: 11 n. 11. 42: 52n.128. 7,33: 51 n. 121. 34: 48 n. 104. 38: 50 n. 114. 8,4: 27; 40 n. 81. 5: 62 n. 163. 9 , l : 62 n. 159. 17: 62 n. 161. 21: 31 n. 57. 1 0 , l : 50 n. 114. 11: 48 n. 104. 14: 3811. 72. 17: 22 n. 52. 20: 62n. 163. 28: 10 11.4; 22 n. 52. 30: 32 n. 60. 31: 10 n. 5. 11, I : 50n.114.9:62n. 163. 12,3: 12 n. 18. 6: 53 n. 129. 20: 1911.46. 22: 11 n. 11. 24: 50 n. 119. 25 f.: 60n. 155. 33: 54. 35: 42 n. 86. 38: 19 n. 46. 39: 50 n. 116. 42: 48. 62: 62 n. 159. 62- 78: 14 n. 22. 69: 53. 74: 55 n. 141. 84: 55 n. 141. 86: 12 n. 16. 87: 62. 92: 48 n. 104.
-" --.
.
73: 51 n. 121. 75: 64. 81: 49 n. 113.83: 48 n. 103. 14,3: 47 n. 96. 6: 48 11. 104. 9: 62 n. 161. 20: 10 n. 4. 23: 23 n. 53. 26: 62 n. 163. 29: 23 n. 53: 62 n. 163. 30 - 40: 62 n. 159. 42: 38 n. 72 U. 74. 44 f.: 24 n. 54.
8:
17: 49 n. l i 3 . 9: 47 n. 100. 18, 1: 22 n. 52. 23: 24 n. 54. 24: 50 n. 119. 26 f.: 41 n. 84. 27: 10 n. 5. 10, 1 f.: 10 n. 7. 2: 12 n. 18. 3: 10 n. 7; 11 n. 9. 5 f.: 17 n. 35. 8: 54 n. 134. 19: 47 n. 100. 24: 49 n. 113: 51 n. 121. 53: 11 n. 13. 53 f.: 26 n. 56. 54: 31 n. 59. 55: 22
41 n. 84; 61 n. 156. 25: 19 n. 45; 49 n. 111. 22.5: 60 n. 156. 7: 50 n. 115. 11: 51 n. 121. 14: 54 n. 134. 20: 24 n. 51. 22: 31 n. 57. 23. 1: 47n.101. 5: 62 n. 163. 8: 4911. 113. 14: 49n. 113. 24, 1: 47; 47 n. 101. 2: 38. 7: 31 n. 59. 10: 38. 13: 38. 14: 51. 15: 59 n. 153. 16: 62 n. 163. 19: 63 n. 165. 25: 52. 25, 1: 45 n. 90. 4: 19 n. 46. 5: 15 n. 30; 51 n. 121; 62. 7: 47 n. 100. 10: 67 n. 176. 12 f.: 22 n. 52. 13: 54 n. 138. 15 - 17: 22 n. 52. 26. 1 f.: 62 n. 160. 3: 15 n. 30; 62 n. 159. 9: 22 n. 51. 14: 34 n. 62; 42 n. 86. 15: 18 n. 41. 2 7 . 2 : 34 n. 02; 42 n. 80. 4: 32. 6: 24 n. 54. 12: 46. 14: 18 n. 41. 15: 2011.48. 28,2: 10 n. 4. 12: 52 n. 127. 13: 10 n. 4. 17: 42 n. 86. 2!), 1: 2611.56. 6: 17n.35. 7: 11 n. 11;Gln. 156. 11: 10n.4. 30, 1: 62 n. 159. 6: 37 11.69. 15: 52 n. 127. 24: 24 n. 54. 33: 34 n. 62. 34: 16 11.33. 31.8: 52 n. 127. 31: G2 n. 161. 32,10: 02 n. 163. 19: 10 n. 4. fr. 143,3: 24 n. 54. 232, 1: 25 11. 55; 52 n. 128. 270: 51. Xerionlion (XCII.)